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Full text of "Ritterzeit und Ritterwesen"

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HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 


IN MEMORY OF 


GEORGE SILSBEE HALE 


AND 


ELLEN SEVER HALE 











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Kitterzeit und Kitterwesen. 


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2} 


Kitterzeie 


und 


Kitterwefen. 


Dorlefungen, 


gehalten und herausgegeben 


von 


Buͤſſching. 





Erſſter Band. 





Leipzig: 
F. A. Brockhaus. 









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/ HARVARD 
_ JUNIVERSITY 
_ LIBRARY 





JAN B 1945 









.» 


Dem - 
Königlichen Regierungs⸗ Rath 


Herrn Streit 


m it 
Dankbarkeit und Siebe. 
zugeeignet | 
j i ab 
zur Seier feiner funfzigiährigen ruhmvollen 
| Amtsführung 
" überreidt 


verfaffer. 


.. 


— 


Borberidt 


ST setefungen Fönnen und follen nicht einen Gegen⸗ 


fand erfchöpfen, fondern zumeift nur anleiten, ans 
regen. Der Hörer, welcher dem Worte des Lehren⸗ 
den mit Theilnahme folge, wird bann wohl gern 
auf dem vorgezeichneten Pfade fortfchreiten und das 
fih in eigener Forſchung ergänzen: und ausführen, 
was ihm nur in Umriſſen gegeben werben konnte. 

Die vielfältigen Arbeiten für das Schriftwefen 
deutfcher Vorzeit, die bald im Anfange diefes Jahr⸗ 
hunderts begannen, haben fo viele früher unbekannte 


vıu ' Vorbericht. 


Quellen fuͤr die Geſchichte des Ritterthums an das 

Uicht gefördert, daß es wohl an der Zeit erſchien, 
‚neue Betrachtungen bes Nitterwefens anzuftellen, 
und einzumeben in früher gemachte Befchreibungen 
und Entwidelungen der Ritterzeit das, was uns 
bie neu ans Tageslicht getretenen Quellen gaben; 
fo daß gleihfam eine Blumenlefe aus mehren biefer 
Werke gemacht warb, um vielleicht auch auf dieſe 
Weiſe Liebe und Antheil an den Gedichten der Vor⸗ 

zeit, die in der neuern Zeit etwas ſchwaͤcher gewor⸗ 

den zu ſeyn fcheinen, wieder zu heben. 

So bildeten ſich Die nahfolgenden Vorlefungen, 
welche mannichfad). verändert und vermehrt, zu dreien 
Malen bier an der Hochfchule gehalten worden find. 
Erft nicht dem Drucke beflimmt, traten in der neuern 
. Zeit Umftände hinzu, die mich doch dazu bewogen, 

- fie den Händen bes Herrn Werlegers, der fie gleich 
Anfangs, als ein Bruchſtuͤck aus ihnen in der Ass 
fania erſchien, zu drucken mwünfchte, zu übergeben, 
indem ich nur mweniges an ihnen änderte, haupt⸗ 
fachlich bloß das, was auf mündlichen Vortrag ſich 
bezog; dann das Ganze in eine fortlaufende Form . 
brachte, aus der die Abfchnitte und Webergähge ‚der 
ſtuͤndlichen Vorträge mweggelaffen wurden, und ein- 
zelne Yuszüge, die im münblicyen Vortrage beſchraͤnkt 


— — — 


Vorbericht. a u 1x 
worben, mehr erweiterte, um bem Leſer ein volle 
fändigeres Bild zu geben. > 

Die wenigen Werfe, welche wir in Ducſ 
land uͤber Ritterweſen haben, ſind leider nur ein zu 
treuer Abdruck der kluͤber'ſchen Ueberſetzung des be⸗ 
ruͤhmten franzoͤſiſchen Werkes von Saint» Palaye; 
und mir iſt fein einziges befannt, welches den tuͤch⸗ 
tigen Anmerkungen, welche Klüber diefem Werke 
zufügte ‚ neue Forfcehungen beigefellte hätte. Daß 
aud) ich haufig darauf zurücgegangen "bin, wird 
der Augenfchein lehren. _ 

Nicht ganz zweckmäßig erfchien mir die Fin« 


richtung, welche Saint » Palaye feinem Werfe gab, 


daß er eine. fortlaufende Gefchichte des Nitterwefens 
erzähle und alle Beweiſe aus der ihm zu Gebote 


. ftehenden reichen Mafle von-Handfchriften und Ges 


fhichts- Werfen in die Anmerkungen verwies. Mur 
zu leicht war es möglih, auf diefem Wege zwar 


‚ein wortreiches und zierlich geglättetes Bild des 


Ritterweſens zu geben; aber auch zugleich mifchen 
fich die Meinungen und Anſichten des Erzählers 
nur zu. bald ein und geben ba, wo reine gefchicht- 
liche, Wahrheit am meiften gewuͤnſcht wird, nur zu 
fhnell ein. gefehminftes . Bild. Wer überhaupt mit 
Antheil und Liebe einen Gegenſtand ergreift, iſt 


3 


‚x | Vorbericht. 


* feiche bewogen, bie fhönere Seite allein‘ hervorzu⸗ 
fteflen. Mir fchien es daher am beften, eine bedeu⸗ 
tende unb merfwürdige Zeit ganz unverfümmert, mit 
ihrem Licht, mit ihrem Schatten, fo viel ‚dies in 
meiner Macht ſtand, und ſoweit auch nicht wieder 
eine gtoße, nicht von mir zü läugnende Vorliebe 
für das Mittelalter etwa meine Hand und meine 
Anſicht in einzelnem leitete,. fo binzuftellen, wie fie 
einft war. Nie ift es mir eingefallen, mas der be= 
‚ geifterten Vorliebe für das Mittelalter oft auf eine 
thörichte Weife vorgeworfen ift (aber wurde nicht 
. gleicher Vorwurf den Freunden des Alterthums nur 
zu oft gemacht?), Jahrhunderte zurücichrauben zu 
wollen, zu verfuchen das zu erneuen, mas unferer . 
Zeit und den Bedingungen unfers Lebens, die ganz 
andere find, widerſtreiter; nicht foll bie theure Errun« 
genfchaft von Jahrhunderten, nicht follen die Erfennt- 
niffe aufgegeben werden, die oft mit Strömen Blu 
tes erworben find: — aber erforfchen, mit Antheil 
und Siebe betrachten wollen wir eine Zeit, die ihre 
| Fußtapfen tief in alle Länder Europa’s drückte, und 
die wahrlich nicht etwa jegt als ſpurlos voruͤberge⸗ 
gangen betrachtet werden kann. 

Je mehr ich mich nun huͤtete, ſelbſt betrach- 
tend und ſprechend über jene in ihren Regungen 


! 


4 


Vorbericht. . xı 


und ihrem Streben uns oft noch dunfle Zeit ein- u 


zufreten, um nicht fo ein Sceinbild Hinzuftellen, 
um fo mehr beftrebre ich mid) dagegen, die Zeit 
ſelbſt fprechen zu laſſen; und ſo entſtand dies Werk, 
das ich nur als eine Moſaik vorfuͤhren kann, bei 
der es mir allein wuͤnſchenswerth iſt, wenn die Fu⸗ 
gen nicht zu weit aus einander ſtehen, ſondern dem 
Leſer ſich ein einigermaßen gefällig zuſammengefuͤgtes 
Bild entwickelt. | | 

Man wird mir, bitte ich, daher auch gütig 
verzeihen, wenn in einzelnen Stellen, die Auszuͤge 
vielleicht zu lang erfcheinen; je. mehr ich aber die 
Zeit ſelbſt redend in ihren Werfen einzuführen. 
wünfchte, um fo mehr fihien es mir nothmwendig, 
“feinen Pinfelftrich zu vertilgen, der dahin zu füh- 
. ren vermochte, und ich glaubte noch immer bemerfe 


zu haben, daß das Wort der alten Zeit weit ein» 


bringlicher und belehrender fey, als ein oft weitläuf- 
tiges Hin» und Her- Sprechen über fie. 

Wie einzelne Betrachter der Mitterzeit das 
Werk von St. Palaye gebrauchten, fo habe ich nicht 
für unrecht gehalten, außer diefem auch die andern 
Bücher woͤrtlich zu benutzen, welche durch triftige 
und gründliche Unterfuchungen ſich auszeichneten, und 


folhe Stellen find in meinen Vortrag nicht minder - 


a Borberigt. | 
mit verwoben tworben, wie bie, melche alte Hands 
ſchriften mie lieferten. So verdanfe ich den umfid- 
tigen‘ und fleißigen Unterfuchuhgen, die mein ver- 
ftorbener Freund Friedrich Majer in einzelnen Wer- 
fen über das Mittelalter angeftellt hat, ſehr viel. 
Es ſcheint mir dieſe Bemerkung darum beſonders 
nothwendig, ‚weil ich, bei meiner Ausarbeitung zu 
den Vorträgen, an einzelnen Stellen es verfäumte, 
meine. Gewährsmänner und Vorgänger, denen ich 
wörtlih folgte, anzugeben, und fpäterhin war e& . 
mie nicht möglich, bie einzelnen Bücher wieder 
durchzugehen und den Urſprung vieler Stellen ans 
"zugeben. Was fo früher der gelehrten Welt über- 
geben warb, betrachte ich als ein Gemeingut, das 
ein jeder in. feinen Nutzen verwenden kann, und id) 
hoffe, daß aus den Quellen doch wohl gar man- 
es zufammengeftellt worden ift, was fruͤher in ſol⸗ 
chem Zuſammenhange noch nicht erſchien. | 
Wenn ih nun in dem Eingange der Abthei⸗ 
fungen einzelne allgemeine Anfichten und Ergebniffe 
zufammenftellte, fo bemühte ich mid) dagegen in dem 
Verlauf verfelben fo wie gegen das Ende, die ein- 
zelnen Zeugen 'gleichfam aufzurufen und eine Reihe 
von Beweisſtellen anzufügen, in denen manches 
früher Gefagte feine Erklärung fand, viel Neues 


! 


/ 


Vorbericht. —* . 


aber auch zur Sprache gebracht ward und ſeine 
nachträgliche Entwickelung erhielt. Auch St. Palaye 
iſt nicht arm an Beiſpielen; aber er ſcheint mir 
darin ein Verſehn gemacht zu haben, daß dieſe 
Beweiſe aus allen Jahrhunderten der langen Ritter⸗ 
zeit unter einander gemifche ‚find. Schwer ift es, 
immer genau die einzelnen Zeiten zu fondern, vor⸗ 
züglich dann, wenn fogar Blicke in bie vovritterliche 
Zeit, in das Heidenthum nothwendig ſind. So 
viel ih vermechte, habe ich dieſen Fehler zu ver 
meiden gefucht, indem ich in meinen Beifpielen - 
immer eine Zeitfolge zu beobachten mich beftrebte: 
- Zuerft Blicke auf die Heldenzeit, wann es nothwen⸗ 
dig erfchlen; dann vielleiht, wo es thunlid wat, 
Stellen der Nibelungen, die durch ihre Meberarbei- 
tung in ber Ritterzeit ein ritterliches Anfehen ge» 
wonnen, wenn fie auch nicht als ein Rittergedicht 
zu  beteachten find; darauf Auszüge aus Werfen 
bes dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts, als 
dem eigentlichen Mittelpunct des Ritterweſens; end» 
lich das legte Auffladern des Ritterthums unter Kaifer 
Marimilien, und zulege das ganze Verflachen def. 
felben in ein tobtes und oft von niebrigen Leiden⸗ 
fhaften und Laſtern beflecktes Hofweſen im ſechszehn⸗ 
sen Jahrhundert. So habe / ich ben Kreis der Rit⸗ 


7. Vorbericht. 


terzeit fehr erweitert; aber ich glaube auch dadurch 
Blicke auf ihr Enefproffen, ihr Blühen, ihr Ver- 
welfen und Verſinken eröffnet zu haben — wenig⸗ 
ſtens war dies mein Wunſch und Ziel; wie ich es 
erreicht, moͤgen nachſichtsvolle Richter entſcheiden. 
Ueberblickt man die dargelegten Abtheilungen, 
ſo wird leicht bemerkt werden koͤnnen, daß einige 
Unverhaͤltnißmaͤßigkeit in ihrer Ausdehnung und 
Ausfuͤhrung herrſcht; reicher ſtroͤmende oder minder 
ergiebige Quellen waren an dieſer wechſelnden Aus- 
ſtattung ſchuld. Auch wird nicht unbemerkt bleiben, 
daß mancher Gegenſtand eine naͤhere Eroͤrterung, eine 
eigene Abtheilung wohl verdient haͤtte. Dies erkenne 
ih an, und der Grund, daß ich ſolche einzelne Gegen⸗ 
fände überging, liegt nur darin, meil ich einige 
Abtheilungen für Die Folge zurüdlegte, indem ich 
mit dem wenigen, was id barüber gefammels 
. hatte, noch nicht zufrieden, und Forſchungen, Die 
ich früher angeftellt hatte, jegt — beim Drange 
anderer und ganz verfchiedenartiger Gefchäfte — 
nicht gleich fortzufegen im Stande war, fondern fie 
für fpätere. Zeiten aufbewahren mußte. Dann war 
es aber auch nicht mein Wille, und dies ließ fich 
auch nicht in Borlefungen zwängen, ein erfchöpfen- 
des Bild des Ritterwefens, der Ritterzeit binzuftellen; 


Vorbericht. | xy 
fondern es follte nur der Verſuch gewagt werden, 
einmal aͤltern Unterſuchungen nette Ausbeuten anzu⸗ 
knuͤpfen, und ich wuͤnſche nur, daß die gegebene 


Skizze ein nicht ganz unfreundliches Bild liefere, 


und ſo lange belehre, erfreue und unterhalte, bis 
ein anderer etwa ein ausgefuͤhrteres Gemaͤlde dafuͤr 
hinſtellt, wie ich denn auch ſelbſt nieine Hand nicht 


davon zuruͤckziehen, ſondern mich beſtreben werde, 


immer weiter zu ſammeln und zu beſſern. 

Eigentlich vorzuͤglich der Betrachtung deutſchen 
Ritterweſens beſtimmt, ward durch Saint Palaye's 
Werk, welches nun einmal jetzt das Grundbuch iſt, 
viel aus der franzoͤſiſchen Ritterwelt eingemiſcht, und 
ich habe es nicht fuͤr unrecht gehalten, einige wenige 
Blicke auch auf Spanien, Portugal und Italien zu 
werfen, woraus hervorgeht, wie gleichmäßig ſich auch 
dort die ritterliche Würde entfaltete. 

Wenn ich ber gefelligen Verbindungen, ber 
geiftlichen Ritterorden (Johanniter, Templer, Deuts 
ſchen Ritter u. ſ. w.), fo wie der’ Rittergefellfchaf- 


‘ ten gar nicht gedachte, fo gefhah es nur darum, 
“weil gerabe diefer Zweig bes Ritterwefens den Mei- 


ften am, naͤchſten lag und. der ausgebehnteften For. 
[dungen ſich bereits erfreute; und Doch ift noch fo 
vieles auch - für dieſe zu thun übrig, befonders was 


! 


zvı Vorbericht. 


das Leben der Ritterorden in ſich betrifft, daß dieſe 
Zuſammenſtellungen wieder zu weit von Dem Zwecke 
der Vorlefungen mich entfernt haben würdeh, auch 
mir es an neuen und wichtigen Nachrichten. fehlte, 
deren andere Freunde, bejonders Prof. Voigt über 
Die deutſchen Ritter, fich erfreuen. 

Es braucht indeffen in unferm beutfchen Vater 
lande nur .ein Ton angegeben zu werden, und bald 
flimmen mehre darin ein. Freuen werde ich mic, 
‚wenn auch mein Werf Ergänzer finder, und zwar 
ſolche, die mir nicht ganz unfreundlich geſinnt ſind, 
indem ich eine Bahn verſuchte, auf welcher der 
zweite und dritte ſchon immer ſicherer geht, als der 
erſte; denn er weiß, was er zu vermeiden, wovor 
er ſich zu hüten hat. | 

Breslau, im März 1823. 


| Buͤſching. 


vem.- 

Königlichen Regierungs⸗ Rath 
Herrhn Streit 
mit 
\ Dankbarkeit und Siebe. 

sugeelgnet | 
und 
zur Feier feiner funfzigjaͤhrigen ruhmvollen 
Amtsfuͤhrung 
uͤberreicht 


— 


verfafſſer. 


— 


x VIix Inhalt des erſten Bandes. 


Zweiter Abſchnitt. J Zu 


NRNitterlebem 
Erſte Abtheilung. Ritterſchlag und Ritterwͤrbe. ©. 85 
Zweite Abtheilung. Feſtlichkeiten. .— u . — 18 
Dritte Abtheilung. Waffen und Kleidung. . .. .  — 167 
‚ Bierte Abtheilung. Turniere und Lanzenrennen. — 4 


Anhang. Beſchraͤnkungsgeſetge bei ben Zuenieren unb 
Verfall dvrf len. - > 2 een hl 


Erfier Abſchnitt. 


ZugendIeben 











Erfie Abtheilung, 





Das Kind, 


Die erſten ſechs Jahre verlebte das Kind unter ber 
Auffiht der Mutter, der Amme und der Pflegerinnen; 
denn fo verlangt ed die Natur, welcher .alte Gefege und 
Gewohnbeitsrechte beftätigenb beitraten. Erſt mit dem 
fiebenten Jahre fam der Knabe in bie Obhut ber Männerz 
daher befahlen in Franfreich die Coütume de Beauvoisis 
vom Jahre 1283. Hauptflüd 57. S. 292, daß in dem 
Falle eirier Ehetrennung bie Knaben unter fieben Jahren 
unter Aufficht ihrer Mutter bleiben folten. In den Ge: 
dichten bed Sranzofen Euſtach Defhamps, welcder noch 
im vierzehnten Jahrhundert lebte, fagt daher auch eine 
Mutter von ihren Knaben: „bis in das fiebente Jahr und 
noch weiterhin drohen ihnen nur zu viele Gefahren; allein 
unfern Männern fällt davon nichts zur Laſt.“ 

Indeſſen erhielten auch bier die Knaben fchon bie 
Anleitung. zu ihrem kuͤnftigen Leben; benn man fagte 
ihnen: „baß niemand Würbigkeit erwerben möchte, ber 
nicht fonder Wank guten Weiben zu Dienfle bereit fey, 

4 * 


4 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 
Niemand ſey auch ſo recht froh und wohlgemut in der 
Welt, als der eine reine Frau ſo lieb haͤtte, als ſeinen 
eigenen Leib. —“ Solche Lehren, bie und Ulrich von 
Lichtenflein im Eingange feines Werkes, Zrauendienft ges 
nannt, erzählt, fogen die Knaben fchon mit der Mutter: 
milch und unter der Pflegerinnen Obhut ein, und fo war 
ed nicht zu werwundern, wenn Minne und Ehre fih in 
ihrer Seele unzertrennlich verſchwiſterten; denn: „Ich war 
ein Kind — faͤhrt Ulrich v. L. fort — als ich das hoͤrte, 
. und noch fo dumm, daß ich auf Gerten ritt, und doch 
gedachte ich in ber Dummheit: da bie reinen Weib den 
Mann fo hoch theuer machen, fo will ich immer den 
Frauen dienen, mit Leib, Gut, Muth und Leben,“ 
Wirin von Grafenberg erzählt uns in feinem Ritter: 
gedichte Wigolais: daß die Mutter des Wigolais dieſes 
ihr geliebte Kind, deſſen Vater der am Hofe des Artus 
fo berühmte Ritter Gawan war, nie einen Tag von fi 
laſſen wollte, da durch einen ungluͤcklichen Zufall fein 
Vater fi von ihr getrennt hatte. Aus Liebe pflegte fie 
 felbft mit manden andern Frauen dad Kind, fo daß es 
in einem Jahre mehr wuchs, denn ein anderes in zweien. ' 
Man Ichrte es früh und fpät Verfländiges und Gutes. 
Auch war fein guter Sinn zu allen Tugenden ſtark, fo 
daß er nur das Beſte that.” Hier zwar behält die Mut⸗ 
ter ihren Wigolais bis zum zwölften Jahre in ihrer Auf: 
ficht, aber er wurde auch waͤhrend dieſer Zeit ſchon zu 
ritterlichen Uebungen angeleitet; denn als ein Koͤnigsſohn 
brauchte er nicht den ſtrengen Junker⸗ und Knappendienſt 
zu vollfuͤhren. Allerhand Ritterſpiele lehrten ihn die Ritter, 


4. Abtheil. Das Kind. 5 


fechen und turnieren und ſtarke Speere zerfplittern, fich 
gegen Lanzen und Gefchoß zu fchirmen und wieder zu 
fchießen. Wenn ihn nun bie Ritter unterrichtet hatten, 
fo nehmen ihn die Zrauen wieder und. führten ihn, den 
fie wegen feiner Tugenden und Anmuth liebten, freundlich 
umber. 

Anders war ed, wie Parzifal, über deſſen Thaten 
und Wolfram von Eſchenbach ein großes Rittergebicht 
hinterlaſſen hat, erzogen warb; und daß biefe Erziehung 
wieber ald etwas Beſonderes von dem Dichter bezeichnet 
wird, lehrt, wie allgemein die Erziehung auf ein ritter: 
liches Leben bin in Deutfchland feyn mußte. Es war 
nämlich, diefem Gedichte nach, welches den Namen feines 
Helden führt, der Ritter Gamuret im Kampfe gegen bie 
Heiden Afiens gefallen und hatte feine Gemahlin Herze⸗ 
loide in Frankreich ſchwanger hinterlaſſen. Bei der Nach⸗ 
richt ſeines Todes gebar ſie einen Knaben, welcher Par⸗ 
zifal genannt ward, und zog mit ihm in einen wilden 
Wald, theils um ihrer Trauer nachzuhangen, theils um 
den Knaben ganz von dem Leben und Treiben der Welt 
abzuziehen. Den fie umgebenden Männern und Frauen 
gebat fie, daß fie nimmer von Ritterfchaft fprächenz denn, 
fagte fie, erflhre ihres Herzens Zraut, was Ritters Leben 
wäre, fo müßte ihr baburd) ‚großes Leib entftehen. So 
wurde ihm alle Ritterfchaft verhehlt, von nichts ward 
gefprochen, was Minne und Ehre betraf, und über bie 
Sränzen feines Waldes gingen feine Kenntniffe nit 
hinaus. In dem Walde zog er umber, fehnitt fich Bogen 
und Bolzen mit feiner eigenen Hand und jagte nah 





6 Erſter Abſchnitt. Jugenbleb en. 


Voͤgeln des Waldes, und mit einem kleinen Speere, Gas. 
bilot bei den Alten genannt, erlegte er auch groͤßere Thiere. 
So, ohne von Ritterſchaft und der Welt, Minne und 
Gluͤck etwas zu wiſſen, erſtarkte er, und ritterliche Kraft 
ergoß ſich in feine Glieder, Erſt, als er ſchon zum 
Juͤngling erwachſen, erblidt er einen Ritter, welcher ihm 
in feiner Pracht als Gott erfyeint, der ihn aber belehrt, 
er fey ein Ritter, und König Artus ertheile die Ritter 
(haft. Da eilt der Juͤngling zu feiner Mutter und 
erzählt ihr diefe Mähre, welche erſchreckt audruft: 


Sohn, wer hat gefagt 
Dir von Ritters Orden? 
Wo bift bu’& innen worben? 


Er antwortet: 


Mutter, ih fah vier Mann, 
Noch lichter, denn Gott, gethan, 
Die fagten mir von Ritterſchaft. 
Artus koͤnigliche Kraft 

Sol mid nah Ritters Ehren 
Zu Schildes Amt Behren. 


So verläßt er feine Mutter, bie ihn, um feine Ruͤckkehr 
zu gewinnen, nicht nach Ritter Art, fondern in Thorens 
Weiſe gekleidet entläßt, wie weiter unten, im Juͤnglings⸗ 
leben, noch audführlicher angegeben werben wird. Sein 
Scheiden ift die Stunde ihres Todes, aber er wirb einer 
der mannlichflen und größten Ritter, deflen Thaten jemals 
die dichterifche Vorzeit befungen hat. 

Gleicher Weiſe erzählt und auch Gotfried von Strass 
burg in feinem lieblihen Zriftan die Gefchichte der erfien 
Lebensjahre feines Helden Zriflan: Nachdem dad Kind 





4. Abtheil, Das Rind. 7 


getauft worben und fo nach chrifllicher Sitte bewahrt war, 
nahm bie tugenbreiche Marfchallin ihr liebes Pflegekindlein 
wieber zu fich in ihre: heimliche Sorge und Iegte an ihn 
am ihren füßen Fleiß, fo daß er zu Feiner Stunde. uns 
fanft niebertrat. Nun fie das bis an das fiebente Jahr 
mit ihm getrieben hatte, daß er gute Rebe und au Ges 
bärde vernehmen Tonnte und auch vernahm, da warb er 
von ſeinem Vater, bem Marſchall, einem weilen Manne 
zur Lehre uͤbergeben. | | 

So reich an Beweisſtellen für das Leben ber Bitter- 
welt ift ein dußerft wichtiges, leider beinahe noch ganz 
unbenutztes Wert bes Mittelalters: ber Weißkunig, welcher 
bad Leben bes Kaifers Marimilian bes I., unter erbichtete 
Kamen verhüllt, enthält. Unter Marimilian, ben ein 
feuriges Gemüt leitete, flammte zum lebten Male das Rits 
terthum auf, und in ihm allein fand es einen Halt, denn 
er war einer der ritterlichften Kaiferr. Marr Zreizfaurs 
wein, Geheimfchreiber bes Kaifers, mußte diefes Werk 
auffegen, und ber Kaifer felbft hat mehres darin gefchrieben. 
Hans Burgkmair, ein berühmter Holzfchneiber, ſchnitt bie 
Bilder dazu in Holz, und fie find vielfach über Zeit und Sitte 
erflärend, wo bad Wort bes Schriftflellers fehlt. Dies 
ift gleich bei der Erzählung von ber frühften Jugend 
Maximilians der Fall, wo ed nur fo lautet: „Im Anfang, 
als das Kind anhub zu reden, ba ließ der alt’ Weißkunig 
(hierunter ift fein Vater Kaifer Friedrich W. gemeint) in 
feinem Königreich viel ebler Knaben beftellen, von Art und 
Natur die allergefhicteftien, und that diefelben Edelknaben 
zu feinem jungen Sohn, ihn bie. Sprach zu lehren und 


8 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


mit ihm Kurzweil nach ber Kinder Gewohnheit zu Treiben. 
In kurzer Zeit lernt’ der jung’ Sohn die Sprach', und: 
“fing an alle Eurzweilige Tindliche Spiel mit den Edelkna⸗ 
ben zu treiben, bie man nur erbenten mocht’, und: hielt 
fih unter den Edelknaben gar fanftmüthig und fröhlich 
und war allwege fr bie andern Edelknaben geſchickt, auch 
mit allen fröhlichen, FTurzweiligen und ehrlichen Spielen 
neufuͤndig.“ Die Kinderfpiele felbft werben nicht genannt, 
aber der dazu gehörige Holzfchnitt belehrt und einigermas 
Ben darüber, doch würde eine nähere Befchreibung im 
Buche von großer Wichtigkeit feyn. Man ficht einmal 
ven kleinen Mar, wie er oben auf den Schultern eines 
Mannes reitet, ihm gegenüber liegt ein Mann, ber auch, 
einen Knaben auf der Schulter trug, rüdlings auf der . 
Erde, vier Edelknaben fpringen in allerhand Beſchaͤftigun⸗ 
gen und Stellungen um ihn ber; es fcheint beinahe, als 
wenn bie beiden großen Männer als Pferde gebient hätten, 
auf denen die Knaben turnierartig an einander geritten 
wären, Weiter hinten fit. er an einem niebrigen langen 
Zifche, „über ben eine Dede gebreitet ifl, und auf dem eine 
Beine Einzdunung ſich befindet, mit einem andern Knaben 
ihm gegenüber. Jeder hat eine Eleine Rittergeftalt, völlig 
geharnifcht, zu Pferde, vor fih und fchiebt fie dem andern 
entgegen. Marimiliand Ritter, mit eingelegter Lanze, - 
fliht den Ritter des andern, ber ſchon zuruͤckgebeugt liegt, 


nieder. Man fiehf daraus, daß felbft fchon die Kinder in 


ihren Spielen nur. das Fitterwefen vor Augen hatten. 
An einer andern Stelle fpannt er einen Bogen; babinter 
ſchießt er mit einer Armbruft nach einem Vogel, und ſeit⸗ 








1. Abtheil. Das Kind. 9 


waͤrts davon brennt er eine kleine Kanone ab. Auf ber 
andern Seite reicht er mit einer Art von kleinem runden 
Kiffen gegen einen Baum hinauf, auf weichem ein Heiner 
Bogel ſitzt; der Zweck dieſer Stellung iſt umbentlih. Aus 
dem Weißkunig iſt ed auch nicht Elar, wie die verfchiebes 
nen Alter fich. trennen, und das Kind zum Knaben und 

Juͤngling übergeht. Hier muß daher nad) eigenem Er⸗ 
meſſen verfahren werben, und ich habe deshalb mit biefen 
Webungen feine Kinderjahre abgefchloffen. 

Den feinen fruͤhſten Jahren erzählt und Goͤtz von 
Berlichingen nichts, fondern fagt blos im Eingange feiner 
Lebensbefchreibung: „Erfllih babe ich wohl von meinem 
Vater und Mutter feeligen, auch meinen Brübern unb 
Schweftern, die älter waren, denn ich, und auch von alten. 
Knechten und Mägden, fo bei ihnen gedient, vielmals 
gehört, daß ich ein wunberbarlider junger Knab' gewefen 
und mid, dermaßen in meiner Kindheit erzeiget und gehals 
ten, baß männiglih daraus geſpuͤrt und abgenommen, - 
daß ich. zu einem Kriegs⸗ s ober Reitersmann gerathen 
wurde.“ 

Der Liegnitziſche Ritter Hans von Schweinichen er⸗ 
zählt in ſeinem eigenhaͤndig aufgeſetzten Leben *): „bin 
alfo von 1552, da ich geboren worden, bis auf 1558, 
Montags nah Margaretha, auf dem Gröbisberg als ein 


*) Erſchienen unter dem Titel: Lichen, Luft mb Leben der 
Deutſchen des fechzehnten Jahrhunderts, in Begebenheiten des 
Schleſiſchen Ritters Hans von Schweinihen, von ihm felbft aufs 

gefegt. Herausgegeben von Buͤſching. Bredlar, Bd.l. 1820. 
8». Il. 1822. 3. III. 1829, 


10 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


Kind von meinen geliebten Eltern in der Furcht Got⸗ 
tes aufgezogen worden; ſo mir denn von meinen 
geliebten Eltern große Wartung mit Kindermaͤgden 
halten und ſonſten beſchehen ſeyn ſoll.“ In dieſen ſpaͤtern 
Zeiten mag indeſſen die alte Sitte, mit dem fiebenten 
Jahre die Kindheit abzuſchließen und des Knaben Beſchaͤf⸗ 
tigungen anzufangen, nicht immer gehalten worden ſeyn, 
wenigſtens verlaͤngerte Hans von Schweinichen ſeine Kin⸗ 
derjahre bis in fein neuntes Lebensjahr, welches wir 
ſogleich ſehen werben, fo wie, welche wunderliche Beſchaͤf⸗ 
tigungen ihm von ſeinen Eltern gegeben wurden, die eben 
nicht auf ein ritterliches Leben abzweckten. 


Zweite Abtheilung. 


Der Knabe. 


Sobald der Knabe die Kindheit verlaſſen, d. h. ſobald er- 
das fiebente Jahr erreicht: hatte, ‚welcher Lebensabfchnitt 
Ach auch noch in dem Spruche bei uns fortgepflanzt. bat, 
„fieben Sahre ein Kind“ u.f.w., erhielt er dad Amt eines 
Edelknechts, oder Junkers, im Sranzöfifchen genannt 
Page, Varlet, Damoiseau oder Garcons, welches das 
verdrehte Latein des Mittelalters durch Gartio überfebte. 
In altbeutfchen Gedichten wird bied Wort beibehalten und 
nur in Garzun verändert, Diefe Benennungen waren 


- 


2. Abtheil. Der Runde, re 
indeſſen fehr wechſelnd, indem: fie. auch in had Jimglings⸗ 
alter hinüber gingen und oft denen gegeben wurden, bie 
wir bald unter dem Namen Snappen werden Tennen 


lernen. Zur Unterfcheibung von ihnen wurden bie andern 


Diener von geringerem , nicht rittermäßigem  Stanbe 
Knechte oder Groß⸗Knechte (Gros Varlets) genannt, wie 
es denn 3. B. in einem alten Geſchichtobuche beim Jahre 
1386 heißt: „Es waren bafelbft acht taufend Ritter und 
Knappen, und Packknechte und Großknechte (gros Var- 
lets) ohne Zahl.” Doch zeigt ſich auch hier das oft 
Schwankende der Sprache, indem man bisweilen felbft 
diefen geringern Knechten den Namen Page, Junge, 
Knappe ober Knecht beilegte, und fo gebraucht auch der 
alte franzoͤſiſche Zeitbuchfchreiber Froiffart das Wort 
Gargon für einen Diener geringern Standes. In Deutſch⸗ 
land erhielten die Junker den damals keinesweges ehren⸗ 
ruͤhrigen Namen: Buben, wie Goͤtz von Berlichingen in 
feiner Lebensbeſchreibung ſagt: „und ob er (fein Better 


Konrad von Berlichingen) ſchon je einmal heim kam, 


waren ſein' und ſeiner guten Freund', auch der Ritter⸗ 


ſchaft in Franken Geſchaͤfte fo viel’ und weitlaͤuftig, daß 


er als ein alter Ritter für und für wenig Ruhe haben 
kunnt', dabei ich denn allenthalben als ein Bub’ unb 
Sunger (d. h. Junker, fpäterhin Jungherr) mußte mits 


reiten und gebraucht werben.” Die mit Bube wechfelnde 


Benennung Junfer war fo allgemein und dabei boch in 
ſolchem Werthe, daß felbft Prinzen, bie nicht in der Herr⸗ 
[haft des Landes ihren Vätern folgen follten, Junker 
genannt wurden, Der Aufſeher biefer Junker hatte im 


12 Erſter Abſchuitt. Jugendleben. 


Deutſchen den nicht eben, wohlklingenden Namen Buben 
zuchtmeifter. „ Ein, folcher Aufſeher, der nachmald ber 
treufte Freund und ſtaͤtige Gebieter feines Zoͤglings ward, 
ift ber, welcher ben Helden: Zriflan erzog, ber treue Kur- 
neval, den feine Treue zum Spruͤchwort bei Erwähnung 
ftandhafteer und unwanbelbarer Diener in dem Schrifts 
thume des Mittelalters gemacht bat. Der beutfche Name 
mag und. aber fhon andbeuten, daß die Erziehung nicht 
eben ein Spiel, fondern ernflhaft und hart war; umb fo 
war ed denn auch wirklich. Darum fagt auch Triſtan: 
„Mitterfchaft. muß von ‚Kindheit ihren Anfang nehmen, - 
ober.fie wird ſelten ſtrenge.“ (B. 4300.) 
+ Auch Hab’ ich ſelber wohl gelefen, 

Daß Ehre will bes Leibes Roth, 

Gemach *), das ift ber Ehre Tod, 

Da man's zu lange und zu diel 

In der Kindheit pflegen will.“ 

Vorbereitung und Abhärtung zu Kampf und Krieg, 
als der Hauptbefchäftigung eines Ritters, wurde baher 
auch befonders gefucht und bezwedit; dies erlaubte Feine 
zu zarte und milbe Behanblung. Fehlte e3 an elterlicher 
Unterflügung, fo waren fürftlicde Höfe und Schlöffer bes 
rühmter Ritter vorhanden, wo unentgelblid. die Jugend 
ihre Unterweifungen zum Ritserleben erhalten konnte; ja 
meiftentheilä wurde mit großem Edelmuth;, mit bebeuten- 
ber Freigebigkeit für ven völligen Lebensunterhalt und alle 
Bedürfniffe der Knaben geforgt. Sich zu irgend einem 
. berühmten Ritter zu ‚halten und bemfelben in feinen Anges- 





*) Gemachlichkeit. 


h 


2 Abtheil. Der Knabe. - 13 


Iegenheiten zur Hand zu Ten, war damals weber nach⸗ 
theilig, noch. erniebrigend; man leiſtete dadurch Dienfte fir 
Dienfte. So wurden denn aud in Frankreich unter bem 
erften franzoͤſiſchen Koͤnigen die jungen Adelichen in den 
Haͤuſern der Großen des Reichs unterrichtet, ehe fie an 
dem koͤniglichen Hofe erfcheinen durften, und dies ſchildert 
ein alter Schriftfieller Frankreichs fo: „Es ift eine ſchoͤne 
Gewohnheit bei unferem Volle, baß man in guten Haͤu⸗ 
fern unfere- Kinder aufnimmt, für ihren Unterhalt forgt 
und fie zu Ebelfnaben, als einer Stufe des Abels, ers 
zieht; ja man hält es für unhöflich und beleidigend, dieſes 
einem Edelmanne abzufchlagen.” 

Was nun ein Edellnabe zu verrichten batte, waren 
die gewöhnlichen Gefchäfte der Dienenden bei ihren Herren, 
fowohl bei dem Gebieter, als auch bei deſſen Gemahlin. 
Sie begleiteten diefelben auf. der Jagd, auf Reiſen, bei 
‚ Befuchen und Spasiergängen, wurden verfenbet in Ange⸗ 
legenheiten des Herrn und ber Herrin, warteten fogar bei 
Zifche auf und ſchenkten das Getraͤnk ein. Dies Aufwar: 
ten bei Tiſche wirb 3. B. auch im Leben des berihmten 
NRitters Bayard erzählt, der, nachdem er die Schule ver: 
laſſen, von feinen Verwandten in das Haus feines Oheims, 
des Bifchofs von Grenoble, gebracht warb, ber ihn mit 
fi) an den ſavoyſchen Hof nahm. Als der Bifchof mit 
zur Zafel bed Herzogs gezogen warb, reichte ihm während 
berfelben fein Vetter, der gute Ritter (Bayarb), das Ges 
traͤnk mit vielem Anſtande und betrug ſich fehr artig. 
Anbere Stellen, fpäterhin anzuführen, werben bemeifen, 
wie dieſe Aufwartungen auch noch ins SJünglingsalter 


14 Erſter Abfeonktt. Jugendleben. 


hbergingen. Die erſte Unterweiſung, die man ihnen gab, 
war vorzüglich auf Liebe gegen Gott und bie Frauen ge: 
richtet, alfo auf Gottesfurcht und zierliche Gefhgigkeit im 
Umgange. Die bereitd angeführte Stelle des Wigolais 
fimmt mit dem überein, was in bem Zeitbuche eines 
Sraänzofen, Johann von Santıe, erzählt wird, welcher fagt: 
bag die Frauen felbft dad Amt. zu übernehmen pflegten, 
die jungen Knaben zugleich in den erfien Lehren des Chri⸗ 
ſtenthums und in der Kunſt zu lieben zu unterrichten. 
Dies erfüllte fchon im frühfter Zeit die Jugend mit einer 
tiefwurzelnden Schwärmerei, fchon früh hatte der Knabe 
ein Vorbild weiblicher Würde, das ihm als das Ziel hoͤch⸗ 
ſter Vollkommenheit verfchwebte, wie benn dies am klar⸗ 
ſten and Ulrichs von Lichtenfiein Frauendienſt (©. 2.) 
hervorgeht, wo es heißt: 

„In diefen Gedanken (bie ich bereit8 oben anführte: 
man müffe einer Frau mit Leib, Gut, Muth und Leben 
bienen) wuchs ich bis in das zwölfte Iahr, Da gebachte 
ich in meines jungen Herzens Sinn hin und her und 
fragte nach der Sitte, Schönheit, Muth und Tugend 
aller Frauen im Lande; wer von guten Weiben Lob fagte, 
dem fchlich ich lächelnd nach, denn von ihrem Lobe war ' 
ich freudenvoll, Won einer hörte ich, deren Lob fich ‚die 
Beiten im Lande angenommen hatten, und an ber man 
bie meifte Tugend fand; fie war von hoher Art geboren, 
fie war ſchoͤn und gut, keuſch und rein, fie war in’ allen 
Tugenden vollfommen. Diefer Frauen Knecht war ich 
beinahe bis in das fünfte Jahr. Da fprah mein Herze _ 
zu mir: guter Freund, Gefelle, wilft bu bich einer Frau 


2. Abtheil. Der Knabe. 15 


- zu eigen geben, fo muß ed diefe Frau ſeyn, denn fie if 
alles Wandels frei. — „Ich folge bir, Herze, doch if 
es uns beiben zu viel, DaB wir ihr um den Sold bienen, 
den man von Frauen bolt, denn fie iſt uns zu hoch ges 
boren, drum mögen wir beide wohl unfern Dienfi vers 
lieren.“ — Schweig, Leib, Fein Weib war je fo hoc 
‚reich, daß einem edlen Bitter, ber ihr mit Muth, 
Herz und Leib dient, nicht endlich gelingen mochte. — 
„Herze, ich ſchwoͤre dir bei aller Seligkeit, daß fie mir 
keber ift, als mein eigener Leib, auf deu minniglichen 
Wahn, den ich gegen fie habe, will ich ihr immer bienen.” 
Da fich fo mein Leib und mein- Herz .entfchloffen hatten, « 
um bie Gute zu werben, ging ich vor fie fliehen und ſah 
fie minniglich an; ich dachte: wohl mir! fol das meine 
füße Fraue ſeyn? Wie fol ich ihr aber fo recht gezie⸗ 
mend bienen, befier, als fo manches edle Kind in ihren 
Dienften? Vielleicht dient von benen eines beffer, und fo 
haßt' mich meine Grau; ich weiß nichts anders, als ihr . 
fodt und früh zu dienen: vieleicht dient ihr einer mehr, 
dena fein Herz doch nicht fo zu ihr fleht, als das meinige; 
aber in meiner Liebe zu ihr will ich ihnen allen vorgehen. 
Eins geſchah mir oft. Wenn ich wo des Sommers fchöne 
Blumen brach, fo trug ich fie meiner Frauen bin; wern 
fie die in ihre weiße Hände nahm, To dachte ich in meiner 
Sreube: wo bu fie angreifeft, habe ich ihnen eben fo 
gethan. Wenn ic, hinkam, wo man. meiner herzlieben 
Brauer Waſſer über ihre weißen Hänblein goß, fo nahm 
ich dad Waller, das fie angerliprt hatte, heimlich mit mir 
und trank es aus vor Liebe. So diente ich ihr kindlich 


16 Erſter Abſchnitt. Jugendledben. 


viel, ſo viel als ein Kind vermag, bis mich mein Vater 
von ihr nahm, an welchem Tage mir herzliches Trauren 
und der Minne Kraft bekannt wurde. Mein Leib ſchied 
nun wohl_von bannen, aber mein Herz blieb bortz; das ” 
wollte nicht mit mir. Ich hatte wenig Ruhe Tag und 
Nacht, wo ich ging ober ritt, war mein Her; immer bei 
ihr, und wie fern ich von ihr war, ſchien ihr Lichter 
Schein bed Nachts in mein Herz." 

Es wird hieraus deutlich, wel eine überzarte Fein⸗ 
beit ber Liebe fich fchon in dem Gemüte bed Kindes 
durch die damalige Erziehung feflfehen mußte, unb wie 
alles dahin wirkte, die ſchon im alten ‚Deutfchlande fo 
hohe Verehrung der Frauen zu ihrer hoͤchſten ‚Stufe zu 
ſteigern. Es war ein Herfommen geworben, ja beinalhe 
Geſetz, daß ein jeber, welcher in der Kindheit den Pfab 
bes Ritterthums betsat, frühzeitig eine der ebeiften, ſchoͤm⸗ 
fien und tugendhafteflen Frauen des Hofes, an welchem: 
er ſich aufhielt, wählen mußte. Ihr vertraute er, gleidh- 
ſam als feiner irbifch erfcheinenden Gottheit, alle feine 
GSefinnungen, Gedanken und Handlungen an; body fehen 
wir auch, wie eben aus der Stelle des Lebens von Ulrich 
v. 2. hervorgeht, daß eine foldhe Liebe auch oft in bie 
ſtillſten Räume des Herzens gebrängt warb, daß fie nicht 
bervorzutveten' wagte, und baß fo die Frauen unbewußt, 
außer den Huldigungen ber Ritter, auch noch die innigfte 
Anhänglichkeit in den Herzen ber in ihrer Dienerfchaft 
befindlichen Knaben fanden, wodurch natinlid ein ‘noch 
innigered unb freunbfichered Band zwifchen Herrin und 
Diener gewoben werden mußte. Kein gezwungener Dienfl 


2. Abthell, Der Knabe 17 


war ed mehr, fondern ein verfrauungsnolles, zartes und 
unwandelbared Dingeben. Doc iſt nicht zu verbergen, 
daß diefe Liebe, bisweilen bie geiſtigſte und zaxtefte, 
oft auch fo nachſichtsvoll war, daß minder reine und 
minder anſtaͤndige Begierden einen Dedmantel in ihr 
fanden. Denn auch bei.dem Höchften und Beften wird ſich 
nie die menfchliche Schmäche verläugnen; aber wir follen 
nue immer das Höchfte und Beſte fuchen, nicht nach den 
Schwähen und Mängeln 'grübeln und forfchen, um, wie 
einige Darfteller des Mittelalters; aus ihm ein Zerrbild 
voll Ekel und Gräul zu machen, indem das Edle ihnen 
unter plumpen Händen entfchwindet. 

Die Grundfäge der Kiebe, welche bas Ritterthum 
aufſtellte, verbreiteten in dem Umgange mit den Frauen 
eine Achtung "und Ehrerbietung, die ſich ſchon von den 
frühften Jugendjahren flufenweis entwidelte. Als Regel 
kann man wohl annehmen, daß der Unterricht, welchen 
die Jugend in Beziehung auf Anſtand, Sitten und Zus 
gend empfing, durch das Beifpiel der Zrauen und Ritter, 
denen fie dienten, unterflügt ward. An ihnen hatten fie 
Mufter des aͤußern Anflagbes, den die Welt immer ver: 
langt, wenn fie nicht nach und nad durch Plumpheit, 
die auf Plumpheit gefegt wirb, zu einer widerlichen Roh⸗ 
peit finten fol. Es bildete fih ein freundliches Wechſel⸗ 
verhältniß des vertrauungsvollen Nehmens und Gebens, 
welches immer bie fhönften Früchte zeitig. Die ebel- 
müthige Sorgfalt der Großen, diefe Menge junger, off 
in Dürftigkeit geborner Leute zu erziehen, blieb für fie 
feld nicht ohne Nuten und Belohnung. Außer dem, 

2 





18 Erfter Abſchnitt. Sugendkeben. 


- daß fie den jungen Abel zu ihrer perfönlichen Bedienung 
gebrauchten, fanden auch ihre Kinder an demfelben Erzie⸗ 
ber und Muſter, weiche Liebe zu ihren Pflichten bei ihnen 
erwecken. Die Verbindungen, welche ein langjähriger 
Umgarig ‚nothwendigerweife unter ihnen einführte, und 
weiche durch das doppelte Band ber Wohlthaten und ber 
Erkenntlichleit gefnüpft waren, wurden unaufloͤslich. 
Daher auch in der Ritterzeit fo manche feſte Verbindung 
der Ritter auf Leben und Tod und für immer. Die 
Kinder waren flet3 willig, zu ben Wohlthaten ihres Das 
ters neue binzuzufegen; und bie andern immer geneigt, 
durch wichtigere Dienfle ſich dafür erfenntlih zu zeigen, 
und fie flanden ihrem Wohlthäter ober bemjenigen, welcher 
an feiner Stelle war, in allen feinen Unternehmungen bei, 

Der widhtigfte Gegenfland bei: dem Unterrichte eines 
ſolchen Zoͤglings war Ehrfurcht gegen den erhabenen Geiſt 
des Ritterweſens. Hierin warb er auch am beften unters 
richtet. Er mußte an ben Rittern diejenigen Vorzüge 
ſchaͤtzen lernen, wodurch ſich biefe gu ber hohen Ehrenftufe, 
- auf welcher fit flanden, erhoben hatten. Hierdurch wurden 
die Dienfte, welche ber Zoͤgliag ihnen leiflete, im ben 
Augen. deffelben noch mehr veredelt. Einem Ritter 
Dienfte leiften, war eben fo viel, als dem ganzen Ritters 
flande dienen. Sogar bie Spiele, welche man ben Zoͤg⸗ 
lingen in den Erholungsſtunden erlaubte, waren fo bes 
ſchaffen, baß fie zu.ihrem Unterrichte dienen mußten. So 
fpielten auch fie mit Langen und Armbrüften, vertheidigten 
einen Weg und. einen Ort, oder fuchten ihn einzunehmen. 
Hierbei erhielten fie auch die Unterweifung ihrer Lehrer, 


2. Abtheil. Der Knabe 19 


bie, wie oben bereits bemerkt, Bütbenzuchtmeifter in 
Deutfchland genannt wurden *). Gie empfingen einen 
Vorſchmack an den verſchiedenen Arten der Zurngefechte 
und begannen fich zu ben eblen „Uebungen eines Waffens 
trägers und Nitterd zu bilden. So- vermehrte fih bei 
ihnen von Zage zu Tage bie Racheiferung, welche für 
jeden Stand und jedes After bei alfem Tuͤchtigen und 
Guten fo heilfam ift. Sehnſucht nach dem Dienft eines 
andern, etwa vornehmern, maͤchtigern ober beruͤhmtern 
Herren, ober Begierde, ſich zu der Stelle eines Knappen 
ihres Herrn, oder eined Hausdieners ihrer Gebieterin em⸗ 
porzufhwingen, welches oft der legte Schritt zu der rit- 
terlichen Wuͤrde war, feuerte fie zu Dienfteifer und Fleiß 
in ihren UVebungen an. . 

Die Züge ber frühern Erziehung der Knaben gehn 
aus vielen Gedichten und gefchichtlihen Werken hervor, - 
und e& fann bier nur darauf ankommen, einzelne Nach⸗ 
richten darzulegen. Die Nibelungen, die, wie ſchon 
gefagt, durch ihre Ucherarbeifung in dem 12. Jahrh. auch 
erlauben, daß man ihrer in einer Geſchichte des Ritter⸗ 
wefens erwähnt, fagen bei der "Erziehung des Siegfried: 
(8. 88. ff.) 

Man z0g ihn mit dem Fleiße, als ihm das wohl zukam; 

Durch feinen eignen Sinn mehr Zugend er an fi) nahm. 


Drob wurden brauf gezieret feines Vaters Land’, 
Daß man ihn zu allen Dingen fo recht herlichen fand. 

*) Das Wort Bube hat im Altdeutfchen und beſonders auch noch 
in einigen beutfhen Mundarten durchaus Keine üble Bedeu: 
tung. Bube oder abgekürzt Bub’ heißt ein jeder unverheira— 
theter junger Dann. 


[4 


2* 


U 


X Erſter Ahſchnitt. Jugendleben. 


Er war nun ſo erwachſen, daß er zu Hofe reit't;. 
Die Leute ihn ſahen gerne, manche Fraue und manche Maid 
Ihm wünfhten, daß fein Wille ihn immer trüge bar; :- 
Kolb wurden ihm genug, das warb ber Herre wohl gewahr. 
Biel felten unbehütet man reiten ließ das Kind; 
Ihn hieß mit. Kleidern zieren Stegmund und Siegelint; 
Ihn pflegten audg die Weifen, den’n Ehre war bekannt. 
Drum mocht' er wehl gewinnen, beide, Leute und auch Band. 

Hier fehen wie nur allgemeine Züge, wie das Kind 
Siegfried erzogen, -veich befleipet: und immer unter auf: 
merkfamer Hut gehalten wird. Seller und auf die Ritters 
Beftimmung abzwedend find ſchon die Stellen, welche ich 
oben aus dem Wigolaid angab. 

Einzelne. Beweiſe liefert und auch das herrliche Gedicht 
Wolfram's von Eſchenbach, der Ziturel, Aus ihm erfah: 
ten wir wenigflend, wie Edellnaben aus den Händen es 
einen Ritterd oft in die Hände eines andern übergeben 
wurden. Denn fo heißt ed, als bie Abenteuer auf Schio= 
natulander, den eigentlichen Haupthelden des Titurel, 
kommt: 


Da Gamuret durch Minne 
Nahm Schild von Anfoleifen *), 
Die edle Kranzöfinne 
Ihm lieh das Kind; bas mäffen wie noch preifen. 


Anfoleife alfo übergab den Schionatulander in bie Pflege 
und Erziehung Gamurets, der auch feine Nichte Sigune 


bei fich hatte und, wie der Dichter fagt: 


Die Kind bei einander 
In feiner Kammer lieblich zog. 


Ten . 
*) Anfoleife war Königin von Frankreich und bes Ritters Gamurets 
Geliebte. „Gamuret nahm Schild von Anfoleifen’‘ heißt fo vier, 
als: er warb ihr Ritter. 


2, Abthell, Der Knabe 21 


Freundliche Liebesbotfchaft war auch oft das Geſchaͤft der 
Edelknaben: fie brachten Briefe und Liebesgruͤße von dem 
Nitter an feine Geliebte und wieder zuruͤck, und auf dieſe 
Weiſe erfuhr auch die Gewalt und Kraft der Liebe der 
junge Schionatulander 
Bon mancher ſuͤßen Botſchaft, 
Die der Franzoſen Kön’gin Anfoleiſe 
Durch ihn entbot dem werthen Anfdevine. 
[Der Anſchevine iſt Gamuret, beffen Land Antſchove (Anjon) war.) 
Sn dem Rittergedicht Wigamur wird der Knabe Wi: 
gamur von einem Meerweibe geraubt und mit ihren Töch- 
tern erzogen. Nachdem das Meermweib aber feinen Tod 
gefunden, wird der Knabe von einem andern Meerwunder, 
einem Manne, erzogen und ernährt; und babci gibt der 
Dichter auch den Kreis der Dinge an, die zum Unterricht 
bes Knaben gehörten, ehe er zum Zragen ter Waffen reif 
gefunden ward. Er ſagt: 
Er lernt’ in feiner Kindheit 
Tugend und Gefügigkeit, 
Bingen und Saitenfpiel 
Und auch andre HübfchHeit viel: 
Schirmen und Springen, 
Laufen und auch Ringen, 
Bis er Fam zu feinen Tagen, 
Daß er ſollt' haben getragen 
Shmwerbt und Mannes Wehre. 


Triſtan's frühe Sugend haben wir bereits oben tens 
nen gelernt; feine Anaben=Zeit bis zum 14. Jahre ſchil⸗ 
dert uns der Dichter (V. 1952.) fo: Mit dem weifen 
Manne, dem der Marfıhall bie Erziehung des jungen 
Zriften anvertraute, fandte er ihn bald, fremder Spradhe 
wegen, in fremde Lande, auf daß er dort auch fogleich 





22 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


. anfinge aus den Büchern zu lernen. Zriftan- legte feinen 
Fleiß fo fehr daran, daß er aus ben Büchern mehr Iernte, 
als früher oder ſeitdem je einer in fo kurzer Zeit gelernt 
bat. Unter zwei „Lernungen,“ wie der Dichter fagt, war 
feine, Zeit getheilt, eines Theils den Büchern, andern 
Theils der Zunge gewidmet; denn jeglihem Saitenſpiele 
widmete er viele feiner Stunden und Eehrte feine Aemſig⸗ 
keit ſpaͤt und fruͤh ſo eifrig dazu, bis er es wundervoll 
konnte. Er lernte alle Stunde, heute dies und morgen 
das, heute wohl und morgen beſſer. Ueber dies alles 
lernte er mit Speer und Schild behendig reiten, zu bei⸗ 
den Seiten das Roß verſchiedentlich ruͤhren, vom Sprunge 
es kuͤhn abhalten, es wenden und ihm Freiheit laſſen, 
bann es aber auch wieder mit den Schenken zufammen: 
nebmen. Wohl fih gegen Hieb und Stoß zu firmen, 
ftart zu ringen, gut zu laufen, fehr zu fpringen, dazu 
bie Lanze zu fchießen, das that er wohl nach feiner Kraft. 
Auch lernte er Pirfchen und Jagen. Nie war ein Dann 
fo wohl, ald cr, es fey auch wer er wolle. Allerhand an 
Höfen gemwöhnlihe Spiele that er wohl und konnte er; 
auch war er fo an dem Körper geflaltet, baß ein Juͤng⸗ 
ling vom Weibe nie feliger geboren warb. 

Etwas früher beginnt fihon, nach dem Gebichte Flos 
und Blankflos, die Knaben = Erziehung bes jungen Flos, 
welchen ber König bereits im fünften Jahre zu Unterwei⸗ 
fung in den Büchern fegt, denn, fagt der Dichter, (V. 360.) 

Er.tbat, alfo noch die Weifen thun, 
Die liebe Kind durch weifen Rath 


Lehren, ſonder Miſſethat, 
Zucht, Ehre und Tugend; 


2, Abtheil. Der Knabe, 2 


Denn den Kinden in ber Jugend 

Die Lehre allermeifte frommet, 

Die darnach zu Nutzen kommet, 

So ſie zu verſtaͤndigen Jahren gelangen. 
Dies Gedicht enthält die Liebe des Flos und der Blank⸗ 
flos, zweier Kinder, er ein Koͤnigsſohn, ſie einer Gräfin 
Tochter, an einem Tage geboren und: beide einander 
auffallend aͤhnlich. Schon früh entwickelt fich die Liebe 
der zufammen erzogenen Kinder, bie auch nichts zu vers 
nichten vermag,- und 8165 bittet daher feinen Vater, daß 
er fie beide Schulgenoffen werben laſſen, was auch ber 
König verfiattet: Da laſen fie fleißig zufammen, fagt ber 
Dichter, die Bücher, auch bie, welche von Minne han 
bein, und 


Dabei fanden fie gefchrieben, 

Wie mandem, ber nad) Minne rang, 
Es misging und auch gelang, 
Mancher war verborben, 
Mancher hatte Lieb’ erworben. 


Alfo auch bier wurden ſchon in früher Jugend die Lehren 
der Liebe in bie jungen: Derzen gefenkt. Hecht Licblich 
ift auch dad Yugendleben der Kinder außer der Schule in 
dieſem Gedichte. befchrieben, wenn es beißt; Wann fie aus 
der Schule heim kamen, fo gingen die Zarten in einen 
ſchönen Baumgarten, ber hübfch und weit war. Darin 
hüteten 3108 und feine Geliebte immer bie Vögel auf ben 
Zweigen. Es fland darin ein fchöner Graswaſen, mit 
Blumen wohl bedeckt und mit Bäumen überfchattet, roth, 
braun, grün unb weiß in Farben fpieknd, Da hielten 
die Kinder täglich ihr Mahl, und die Gefpielen freuten _ 
fih, wenn fie darin faßen. In der Schule fihrieben fie 


24 Erſter Abſchnitt. Jug endleben. 


dann wieder an ihre Taͤfelein von den Blumen, wie die 
aus der Erde ſprießen, von den Voͤgelein, wie die ſingen, 
und viel von Minne, von anderm nichts. Ihre Taͤflein waren 
von Elfenbein, und dazu hatten ſie ſchoͤne Griffel von Golde. 

In fuͤnf Jahren, alſo im zehnten Jahre ihres Alters, 
waren ſie dahin gekommen, daß ſie vor jedermann alles, 
was fie wollten, in Latein ausdeuten konnten. Bon rit⸗ 
terlihen Uebungen erfahren mir hier michts, alles dreht. 
fih um ein zarted Liebesband; denn bies nur rollt das 
ganze Gedicht vor uns auf. 

Wir haben oben geſehen, wie Kaiſer Maximilian in 
kindlichen Tagen erzogen worden, und da, wie bereits ge⸗ 
ſagt, in ſeiner Erziehung keine beſtimmten Abſchnitte 
gemacht zu ſeyn ſcheinen, ſo moͤge hier nur folgen, was 
wahrſcheinlich im Knabenalter ſeine Beſchaͤftigung war. 
Sein Vater erwaͤhlte „etliche hochgelehrte Meiſter, die 
ein's frommen, geiſtlichen Lebens waren, und verordneete 
die zu ſeinem Sohn, ihm Latein und darinnen am aller⸗ 
erſten die Zucht und Furcht Gottes und darnach die heilige 
Geſchrift, mit ämfigem Fleiß zu lehren und zu unter 
weifen. . Es wurden ihm auch viel mächtiger. Herren und 
Edelleut Kinder zugeorbnet, mit fammt ihm zu lernen 
und auf ihn zu warten. — „Nachdem der junge Weiß⸗ 
funig in ber heiligen Gefchrift genugſamlich hat gelernt, 
da kamen ihm oftmalen fchöne Schriften vor. Wiewohl 
ihm nicht noth war, fondere gufe Schrift zu lernen, aber“ 
nach feinem Gemüt, daß er in jedem andern gleichmäßig 
ſeyn wollt', unterfiund er ſich und übet fi fo viel mit 
dem Schreiben, und nahm Lernung auf, barinnen er kei⸗ 


J 








2. Abtheil. Der Knabe 26 


nen Verdrieß hatte, ſondern es war ihm ein? Kurzweil 


und lernt alſo mit ſeinem Fleis, und mil der taͤglichen » 
Uebung eine ſonders gute Schrift, die er bald von Hand__, 


ſchrieb.“ — „Drauf befahl der alt’ Weißkunig den Meis 
flern, feinen Sohn die fieben freien Künfte zu lehren. 
Und lernet' anfänglich die Grammatifa, als den Grund 
der andern fechs freien Künft’; darnach die Logifa, darnach 
die andern. fünf freien Künfl’ und wurde in kurzer Zeit 


in denfelben fieben freien Künften unlıbertrefflichen gelehrt.‘ | 


Drauf fleißigt’ er fi) des geheimen Wiſſens und der Ers 
fahrung der Welt, ausforfchend das Verhältniß der Stände 
und des Reiched und alles kernend, was zur Staatsweis⸗ 
beit gereicht und lehrt, wie ein Herrſcher mild und gluͤck⸗ 
ch über fein Voll walten kann; denn fein Vater gab 
ihm bie Lehre: „wiewohl ein jeder König iff, wie ein 
and’rer Menſch, fo müflen doch. die Könige, die felbft 
regieren, mehr wiflen, benn die Fuͤrſten und das Voll, 
damit daß ihre Regierung bei ihnen bleibe.’ — Demnach 
fernt” er gar Amfiglihen die Kunft des Sternenfehens 
„und vernahm gar eigentlichen des Himmeld Einflus und 
der Sterne Birkung, bavon die Menfchen ihre Natur und 
ihr Weſen empfahen; auch die Ordnung und Zirkel bes 
Himmels.’ — Um nun das Gemüt ded Knaben zu 
ſtaͤhlen, daß er in reiferm Alter- nicht verführt wuͤrde, ließ 
er ihn durch einen Meiſter auch in der ſchwarzen Kunſt 
unterrichten; aber der Knabe ſah, gefeſtet durch die frühen 


erhaltene Lehre, daß fie eine Verflihrung zur Stunde und, 


Schande fey und abkehre von der Erfenntniß des alleini> 
gen Gottes. Daher, nachdem er ihren Ungrund und ihr 


J 


3 Erfter Abſchnitt. Jugendleben. - 


verführerifches, trügerifches Gleißen erfannt hatte, fendete 
er ben Meifter wieder von ſich; und fo ift es kommen, daß, 

als er zur Herrfchaft gelangt, .,,er feinen Unglauben oder 

Ketzerei anfachen, noch erwachfen laſſen, die fonft oftmalen 

überhand genommen haben.‘ 

Hier läßt fich vielleicht ein Abfchnitt deſſen machen, 
was er als Knabe zu erlernen bemüht war, obgleich auch 
bei Vorbemerktem fchon manches in das Juͤnglingsleben 
hinüber zu falle fcheint. Das Uebrige feines vielfachen: 
Lernens wirb daher in Marimilians Juͤnglingsauer ange⸗ 
fuͤhrt werden. 

Mit dem Verfall ber Ritterſchaft verſank aber- auch | 
biefe zarte und von anderer Geife doch wieder kraͤftige 
Erziehung, und ber Knabe ward auf ganz andere Art zu 
einem rohern Kriegerleben gebildet. 

Kurz nur fpriht Gig von Berlichingen von feiner 
Augend, indem er erzählt: „Und zwar, fo bin ich anfaͤng⸗ 
lich zu Niedernhall am Kocher ein Jahr lang in die Schule 

gangen und bei einem Vettern gewefen, der hieß Konz 
von Neuenfein und faß zu Niederhall, allda hatt’ er ein - 
Haus gebauet.. Ald ih aber nicht viel Luft zur Schulen, 
fondern vielmehr zu Pferden und Reiterei trug, und mich 
babei finden ließ, bin ich folgends alsbald nach demfelben 
zu Hera Konrad von Berlichingen, meinen Better feelis 
gen, kommen, bei dem ich drei Jahre Yang verharret und 
für einen Buben gebraucht worden.‘ 

Erheiternde und lächerliche Züge feiner Jugend erzählt Ä 
und Hans von Schweinichen, fernab freilich von dem, 
was aus dem Triſtan, Flos und Blankflos gefchöpft, 


2. Abtheil. Der Knabe, 27 


ſo eben benierkt worden iſt, aber er liefert uns dagegen 
auch ein aͤußerſt reges Gemaͤlde der Sitten, des Lebens 
-und Treibens feiner Zeit, des völlig verfallenden Ritter⸗ 
thumes. „Als ich — ſagt er — meines Alters in's 
neunte Jahr und alſo der Jahreszahl nach ind 1561. Jahr 
kommen und alfo wenig bad meinen Verſtand erlanget - 
habe, habe ich zu Mertſchuͤt zum Dorfſchreiber Jorge 
Pentzin gehen und allda zwei Jahr ſchreiben und leſen 
lernen. Wenn ich denn bald war riſch, und wann ich 
aus ber Schulen kam, mußte ich die Gaͤnſe hüten. Wie 
ich einft die Gaͤnſe hütete und fie fehr umliefen, ſpillt' ich 
den Gänfen allen dad Maul auf; da blieben fie ftille 
fliehen, waren alſo bald verduͤrſt't, welches die Frau 
Mutter gewahr warb und gab mir einen guten Schilling. 
Durfte hernach nicht mehr bie Gaͤnſe huͤten. Ich bekam 
aber ein ander Amt: Daß ich auf den Staͤllen und in 
Scheuren Eier ſuchen mußte, und wenn ich ein Schock 
zuſammenbrachte, ſo gab mir die Frau Mutter ſechs Heller 
davor; die waͤhreten nicht lange, ſo hatte ich Gloßen und 
Schnellkuͤlichen davor.“ 

„Wie ich nun ein wenig zu leſen angefangen und 
faſt, wie zu ſagen, ſtammeln koͤnnen, als auch im Schrei⸗ 
ben die Buchſtaben zu ſetzen, und wie man pflegt zu ſagen, 
Krohnfüße +) zu machen, bin ic Anno 1562, vierzehn 
Zage vor Dflern, von meinem lieben Herrn Vater zu 
‚Io Fürſtl. Gnaden Herzog Friedrich III zur Lirgnig, 
weil Ihro 5. ©. allda in der Kuſtodia angehalten worden, 





”) Krähenfüße. . \ 


28 Erſter Abſchniit. Jugendleben. 


gegeben, daß ich mit J. F. G. H. Friedrichen, dem jun⸗ 
gen Herrn und vierten dieſes Namens, ſtudiren ſollte. 
Da denn damals dem jungen Herrn ein Praͤzeptor gehal⸗ 
ten ward, Hans Pfitzner genannt von Goldberg. Da 
gab mir der Herr Vater zum Buͤcher Kaufen und zur 
Zehrung 32 Weißgroſchen. Da aber neben dem jungen 
Herrn ſonſt niemand als ich und Barthel Logau mit zu 
ſtudiren gegeben worden, und wir kleine Knaben waren, 
hat J. F. ©. H. Heinrich, als damals regierender Lan⸗ 
desfuͤrſt, des jungen Herrn Praͤzeptor ein eigenes Zimmer, 
als die kleine Baſtei, eingegeben, darin wir taͤglich ſtudi⸗ 
ren mußten, als auch das Rosarium und ſonſt Lateiniſch 
leſen lernen, auf alle Tage vier Vocabula behalten und 
wenn die Woche herum war, auf einmal rezitiren. Wie 
denn der Praͤzeptor den jungen Herrn und uns ganz 
ſtrenge gehalten; wiewohl ich allezeit einen Vortheil vor 
dem jungen Herrn und dem Logau gehabt; weil mir die 
Frau Mutter Mitheller zuweilen geſchickt, kauft' ich mich 
beim Praͤzeptor nachmals abe; denn der gute Mann ging 
gerne an die Buhlſchaft zu ſchoͤnen Jungfrauen und hatte 
nicht Geld. Darum ließ er ofte fünfe gerade mit mir 
feyn, damit ich ihm nur aufwarte und Geld gab. Bin 
alfo die Zeit, weil er Präzeptor war, tiber zweimal nicht 
geftrichen worden, welche ich doch wohl verdient gehabt 
und er es ehrenthafben nicht umgehen hat mögen. Sonſten 
bin ich neben dem von Logan mit Effen und Trinten wohl 
gehalten worden; mußten auch dem alten Herrn im Zim⸗ 
mer aufwarten, Eſſen und Trinken holen und dies leiften, 
was Jungen zuftehet, auch mehrentheild, wenn I. 3. ©. 


2. Ubtheil. Der Knabe, 29 


einen Rauſch hatten, im Zimmer liegen; denn J. F. G. 
nicht gerne zu Bette ging, wenn fie berauſcht waren.“ 
„J. F. ©. gaben mir bald ein. Amt, daß ich Keller 
here feyn mußte; dergeflalts Demngdh I. F. ©, «ine Anz 
zahl Weins aus Herzogs Heinrich Keller haften; wenn 
nun Ihro F. G. nicht Luft zum Trinken ‚hatten, mußt 
ich. ſolchen Wein in ein Faͤßlein in J. F. G. Kammer 
ſammeln, darin ungefähr ein Eimer ging. Sobald ſolches 
voll ward, baten 3. $. G. Säfte,. ließen au nicht abe, 
bis ausgetrunken war, Danach hatte ich aych im Befeh⸗ 
ih 3. 3. G. Rappier’, welde fie allezeit meine Jungfer 
Käthe geheigen haben. Und wenn 3. F. G. fagten: 
„Duff, daß dich Basmatter! gieb mir meine Jungfer 
Käthe her, ih will ein Zänzlein thun!“ fo hatte ih Anz 
fangs davon eine Fuͤrſtliche Maulfchelle,. mit Vermeidung 
von 3. $. ©. Bruder; „Wie gefällt dir bag? War «8 
nicht eine gute Fuͤrſtl. Maulſchelle?“ Wenn ich folches 
lobte, fo gab I. 3. G. mir einen Silbergrofchen zu 
Semmeln; aber die Maulfchelle war viel befjer, ald 20 
Sitbergrofchen, und follte doch große Gnade ſeyn, der ih 
lieber entbehren hätte wollen. Ferner mußte ih auch 93. 
3. G. Geſchoß, das ift das Blaſe⸗Rohr, nebſt Küchlein. 
und Bolzen, ald auch die Nägel dazu, wenn mit bem 
Blasrohr gefchoffen ward, in Verwahrung haben. Und 
wenn I. 8. ©. fremde. Leute, fo mit fchoflen, hatten, 
welcher gewann und ben Vogel ’runter fchoß, hatte ich 
einen Kreuzer; welches mir manchen Tag ſechs auch fieben 
Weisgroſchen bracht. Dagegen mußt ich beim Schnitzner 
auch Vögel machen laſſen und gab für einen zwei Heller.’ 





= 


30 Erfier Abſchnitt. Sugendleben. 
„Bin alſo von’ 1562 von Ofterm bis 1563 ausgehend. 
bei 3. 3. ©. in ber Custodia gewefen und aufgewartet. 
Mein Lernen iſt gewefen Deutfch und Lateinifch ſchreiben 
und Iefen, und daß ich dabei den Katechismus und bie 
Gebote auswendig gelernet und was fonften für eine Aus: 
mufterung zum Hofe geweſen, hat feyn mögen.’ 

Hans von Schweinichen blieb nicht bis zum Schluß 
ber Knabenjahre in Liegnitzz; warum er nicht‘ luͤnger fich 
Hort aufhielt, erzaͤhlt er auch felbft: „Die Urfachen aber, 
warum mic; mein Hetr Vater in fo weg und nicht fafl 
zwei Jahr wieder abgefordert, iſt dieſe. Demnach I. $. 
©. der alte Herzog Herrn Leonhard Kränzheim, der Zeit 
Hofpredigern, ziemlich gram umd gar nicht leiden konnte, 
datten 3:5. ©. ein Pasquill gemacht, welches auf Herzog 
Heinrich als Ben Hofprediger sing; ba ich mir biefen leg: 


ten Vers bebaften: 
Alles Unglüd und Iwietraht - 
Zwiſchen meinem Sohn H. Heinrich hochgeachtt, 
Das richt't alles der Suppen-Pfaffe an, 
Der verlaufrne Fraͤnkeſche loſe Mann. 


Welches Pasquill ich auf den Predigtſtuhl in die Schloß⸗ 


r 


kirche legen mußte, damit es Herr Leonhard gewiß bekom⸗ 


men möchte. Wie Herr Leonhard auf den Predigtfluhl 
fteiget, findet ex den Zettel, welcher ziemlich lang war, 
wird darüber erzuͤrnet Wie er das Evangelium foll leſen, 
lief’t er das Pasquill; darlber werden 3. F. ©. Herzog 
Heinrich ergrimmet. Nach gehaltener Predigt halten 3. 
J. G. Eramen, da denn bald meine Verräther da waren, 
und fagten, daß ich’8 gethan hätte, fonderlich aber auf Befehl , 
J. F. G. Darauf ſchicken 3. 5. ©. H. Heinrih alsbald 


2. Abtheil. Der Knabe, 31 


nach meinem Vater, verwiefen {hm folches, mich von fol: 
hem abzuhalten. . Wenn denn ber Herr Vater berichtet 
worden, daß ich es auf I. 3. G. Befehl thun mäflen, 
und ich mich als ein Kind nicht verftanden, hat fich mein 
Herr Vater bei 3. 3. G. H. Heinrich angeben, mich vom 
Hofe wegzunehmen; benn ihm nicht lieb, daß zwiſchen 
den Fuͤrſtl. Perfonen Uneinigkeit follte geſtiftet werden. 
Bin aber nicht gerne heimgezogen, denn ich allbereit des 
Hofe Wefend gewahr worden. So hatte ich auch einen 
Anfang zum Studiren, konnte alſo Lateinifch ſchreiben 
und leſen, daß ich mir Eſſen und Trinken konnte Latei⸗ 
niſch heißen geben, konnte auch ben kleinen Katechismus 
Lutheri auf ein Naͤgelchen auswendig, als auch das Roſa⸗ 
rium und etliche Pſalmen.“ 

Es wird hieraus Mar, daß die Kenntniffe, welche bas 
mals ein junger Ritterfnade bis zu feinem 12. Jahre zu 
erlangen bemüht war, die größte Mittelmaͤßigkeit nicht 
überfchritten. Erſt in den Jünglingsjahren werden wir 
feben, wenn ich auf dad Leben des Hans von Schweis 
nichen wieber fomme, daß Doch noch mehrere Kenntniffe 
nöthig erachtet wurden, wenn gleih auch fie nur fehr 
oberflächlih waren. Hier nur noch, wie Hand von 
Schweinichen feine Knabenjahre beſchloß. 

Sein Vater wünfchte, ihn zu dem alten Markgrafen 
nach Preußen zu fchiden, damit er mit dem damaligen 
jungen Herrn ſtudiren follte. Diefe Gegend war aber der 
Mutter zu entfernt, und fie berebete den Vater, es zu 
unterlofien. Darauf ließen ihn feine Eltern wieder zum 
Dorffchreiber in die Schule gehen Bei mehren Beifen, 


n 





32 Erſter Abſchnitt. Sugendleben. 


welche der: Vater unſers Hand mit Herzog Heinrich machen 
mußte, nahm er den Knaben mit fih, bei welchen‘ Geles 
genbeiten er dann, 3. ©: 1563, als H. Heinrich am 28, 
Chriſtmond taufen ließ, (wobei auch Kaifer . Marimilian 
ber Afle gegenwärtig war) „vor Edelknaben, in einem 
Sammtrödtein, wie diefelbe Zeit braͤuchlich, aufwarten 
helfen muͤſſen.“ Im Jahre 1564 reiſte Herzog Heinrich 
von Liegnig nach Anſpach und Stuttgart „neben einem 
zeifigen Zeug (wie H. v. Schweinichen erzählt) ungefähr 
. etlihe 60 Ros und etliche Wagen, darunter fechd Spieß- 
jungen, drei große und drei Tleine, geweien. Bin ich, 
Hans- Arleben von Kaltwafjer und ein Retfhin, ein 
Böhme, die kleinſten geweſen. Da ich aber des Reitens 
ungewohnt, aud) die Zeit bräuchlih, daß bie Jungen in 
Schweifen, (d. h. Steigbügeln, bie nicht in der Mitte des 
Sattels, fondern vorne am Sattelknopf befefligt waren) 
haben reiten müflen, babe ich es nicht vollenden mögen, 
fondern babe mich Iegtlich zum ‚Herrn Vater aufn Wagen 
feßen müflen, und ift ein anderer an meiner Stelle ge: 
braucht; nicht weniger habe ich mich täglih im Aufwarten 
3. 5. ©. gezeigt." — „Des ausgehenden 1564 unb 
1565ſten Jahres bin ich daheim. gewefen und zum Pfarr 
in die Schule gegangen, auch vom Herrn Vater in ber 
Wirthfchaft zuzufehen unterwiefen und dazu gehalten wor: _ 
den, und bin neben, wenn der Herr Vater verreifet, als 
ein Junge aufgewartet und zu Ros mitgeritten und ges 
fahren, wie es dem Herrn Vater Gelegenheit gegeben hat.“ 

Diefe hier angeführten Züge aus dem Verfchwinden 
bes Ritterweſens geben zugleich ein Bild der ganzen Zeit, 


3. Abtheil. Der Jüngling. 33 


welches bei den demnaͤchſt mitzutheilenden Auszuͤgen aus 
alten Ritterbuͤchern und Gefchichten noch klarer und deut⸗ 
licher werben wird, da ich glaubte, daß die Auszüge nicht 
zu Eur; gegeben werben dürften, damit man aus ilmen 
ſelbſi, nicht qus einer daraus gezogenen Bolgerung erfähe, 
wie der Ritter in und mit feinem Zeitalter in jebem ber 
verfchiebenen Jahrhunderte ſtand. 





Dritte Abtheilung. 


Der Juͤngling. 


Eine gottesdienſtliche Feierlichkeit war noͤthig, um bie 
Hülfe des Höchften auch bei dem neuen Lebensſchritte an⸗ 
zurufen, fobald der Edelknabe oder Page bie höhere Stufe 
feined Lebens mit dem 14ten Jahre betrat und die Stelle 
eines Knappen ober eined wichtigern und vertrauten Haus⸗ 
bieners in Töniglihen oder hochfürftlichen Häufern erhielt. 
Diefe Feierlichkeit hatte den Zweck, die Juͤnglinge von 
dem Gebrauche des Degens, der ihnen alddann zum erften 
Male Überreiht ward, zu unterrichten, das heißt: ihnen 
nun Die Würde und das Anfehen, welches fie durch das 
ragen beflelben erhielten, anfchaulich zu machen; denn 
in den Uebungen mit dem Degen waren fie zum Theil 
Ihon im Knabenalter, wenigftend in einzelnen Faͤllen, 
untersictet worben. Die Eltern des Juͤnglings, ber jebt 
ö 


34 Eriter Abſchnitt. Jugendleben. 


.ben Evclfnaben = Stand verlich, begleiteten ihn an den 
Altar und fchritten, mit brennenden Wachökerzen in ber 
Hand, feierlich zum Opfer. Der Priefier nahm einen 
Degen nebft dem Degengehänge von dem: Altare, fprach 
verfchiebene Segen daruͤber und umglrtete den jungen 
Edelmann damit, ber ihn nun von diefer Zeit an tragen 
durfte. So war es in Frankreich. ‚ 

Diefe ganze Art der Wehrhaftmachung bed jungen 
Adelihen weifet auf wralte deutfche Gebräuche zuruͤck, bie 
in Frankreich aus fränkifcher Zeit blieben. Tacitus exzaͤhlt 
uns in feinem Buche über Deutfchland (Gap. 13.): 
„Deffentlihe fowohl als Angelegenheiten ber Einzelnen 
unternehmen fie nicht anders, als gemwaffnet. Es ift aber 
. nicht Sitte, die Waffen eher anzulegen, als bis die ganze 
Ortfchaft folches genehmigt hat. Alsdann ſchmuͤckt ent⸗ 
weber ber Vornehmſte, ober ber Vater, oder fonft ein 
: Verwandter den Juͤngling vor oͤffentlicher Berfammlung 
mit Schild und Lanze. Dies iſt ihre Toga, das erfte 
Ehrenzeichen bes Juͤnglings. Zuvor gehörte er dem Haufe, 
nunmehr dem gemeinen Wefen. Eben fo erzählt Paul 
Warnefried (de Gestis Longobardorum L. I. c. 15.), 
daß der Iongobardifche König Anton nicht eher feinen 
eigenen Prinzen mit an feiner Zafel wollte fpeifen laffen, 
als bis ihn ein ausländifeher König wehrhaft gemacht 
hatte. 

Diefer altdeutfche Gebrauch lag bei der ſpaͤtern Sitte 
der Wehrhaftmachung der Juͤnglinge unftreitig zum Grunde, 
body wandelte er ſich in der Folge beim Witterwefen in 
Deutfchland um, und bie Gebräuche wurben roher, als 


3, Abtheil. Der Süngling. 35 


fie in Sranfreich waren.- Je firenger die Erziehung ber 
Kinder und Knaben war, je fefter die Aufficht, unter der 
fie gehalten wurden, je mehr mußte der Schritt,‘ welcher 
ihnen Selbſtſtaͤndigkeitgab, an alles das erinnern, was jetzt 
hinter ihnen lag und ihre nunmehrige Freiheit ſcharf an⸗ 
deuten. Vor der Feierlichkeit der Wehrhaftmachung mußte 
daher in Deutſchland der Knabe in Gegenwart des ganzen 
Hofes, oder bei geringern Rittern in Beiſeyn der ganzen 
Hausgenoſſenſchaft, nochmals dad Amt eines Edelknaben 
durch allerhand beſchwerliche Geſchaͤfte und Aufwartungen 
verrichten, ſich auch manche unangenehme Behandlung ges 
fallen laſſen, deren Beſchluß cine Ohrfeige made. 
Sie war ald ein Zeichen -anzufehen, daß er ſich manche 
unangenehme Behandlung babe früher gefallen laſſen 
mäRen, aud wohl. Schläge erbuldete, dieſes fey aber die 
legte. Ohrfeige, die er fich dürfe gefallen Iafien. Indeſſen 
iſt es unldugbar ein Zeichen von Rohheit, wenn einwichz 
tiger Lebensabſchnitt durch an und für ſich entehrende 
Handlungen begleitet wirb, aber dies fiel jener Zeit nicht 
auf; denn ed war eine Einrichtung im Geifte jener Zeit, 
der in Derbheit und Strenge weit von dem unſerer Tage 
abwich. Wir finden folche Gebräuche und Sitten, nur 
noch breiter und weiter auögefponnen, nur noch entehren⸗ 
der und derber, in den Zünften wieder, bie, aus jener 
Zeit entfproffen, erſt in dem neuern, alled vertilgenden 
Zeitabfchnitte ihre Zerſtoͤrung fanden. Der Lehrling, wel: 
ber aus dem Lernftande entlafien und Gefelle ward, 
mußte fich vor feiner Freimachung, wie es genannt ward, 
auch noch ſolche entehrende Arbeiten und Behandlung 
_ 3* 


⸗—— = —— — 


36 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


gefallen laſſen, bis auch er als lehrentlaſſener Geſelle zu 


einem freien Mann erklaͤrt ward. Solche kleine Zuͤge, wo 
eine gewiſſe Art der Freilaſſung durchſchimmert, zeigen 


ſich in mehrem, was noch bis auf die neuern Zeiten ge⸗ 


kommen iſt. Der Juͤngling und Knappe war nun durch 
die Ohrfeige zwar von allen entehrenden Strafen der Ju⸗ 
gend befreit, aber aus dem etwaigen Schwertſtreiche er⸗ 
zuͤrnter Herrn und Ritter war er noch nicht entnommen; 
davon befreite ihn erſt der Ritterſchlag, als der letzte 
Schlag, der den nunmehr ganz freien Mann treffen konnte. 
Beide Gebraͤuche ſtehen in Verbindung, und wie der Le⸗ 
bensabſchnitt geehrter war, ſo waren es auch die Zeichen, 
wodurch das Uebergehen aus dem einen in den andern 
angedeutet wurde. 

Die ſo entlaſſenen Günglinge erhielten im Deutſchen 
ben- Namen Knappen, Knechte, Schildteäger, Wappener; 
Benennungen, welche ihre Befchäftigungen zum heil bes 
zeichnen. Im Lateinifchen nannte man einen folhen: Fa- 
mulus ober Armiger; im Sranzöfifchen heißen fie Ecuyer. . 
Indem man blos die Befchäftigung des Knappen im Auge 
batte, der beflimmt war, allenthalben feinem Her zu 
folgen, gleichfam der Schatten feines Herrn zu feyn, hat 
man das Wort Ecuyer au für andere bildliche Bedeu⸗ 
tungen genommen, aus denen wieber erklärenb hervorgeht, - 
wie innig das Verhältniß des Ritters und feines Knappen 
war. So heißt im Franzoͤſiſchen Ecuyer ein Sprößling, 
ber am Weinſtamme bervortreibt, und- bie Jäger nennen 
Ecuyer einen jungen Hirſch, der einem alten Hirſch nach⸗ 
folgt und ihn begleitet. Beſonders dieſe letztere Bedeu⸗ 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 37 
tung entſpricht dem Verhaͤltniſſe des Ritters und des 
Knappen ganz. 

Die Knappen wurden nach verſchiedenen Benennun⸗ 
gen eingetheilt, beſonders an großen Höfen, wo ein rit—⸗ 
terlicher König oder Fürft zu bedienen, je nachdem ihre 
Befchäftigungen waren. Der Leibknappe hatte die perſoͤn⸗ 
liche Bedienung des Herrn ober feiner Gemahlin. Gewöhn: 
lich flieg er zu den andern nach umd nad empor. Der 
Kammerjunfer, Kammerknappe oder Kämmerer (Cham- 
bellans im Franzoͤſiſchen) vermahrte das Gold und Silber 
feines Herrn. Der Borfchneider, der Stalljunfer ober 
. Stallmeifter, der Flafchenbewahrer. Diefer legte, Bou- 
teillers im Franzöfifchen, Buticularius, Butiglarius im 
mittlern Latein genammt, von Butta ober Buza, deutſch 
Butte, ein Faß oder Weingefäß, hatte die Aufficht über 
den Weinkeller. (Daraus entflanden in ber Folge Reichs⸗ 
erbaͤmter; am braunſchweig⸗limeburgſchen Hofe war z. 
B. das Erpotkeramt oder Erbpuͤtkeramt, von Pot, nieder⸗ 
deutſch umgedreht für Top, Zopf). (Der Oberflaſchenbe⸗ 
wahrer bed Königs von Frankreich (Grand - Bouteiller 
de Frange), auch eine Knappenſtelle, ward fpdter einer 
der Vornehmſten im Staate.) Er hatte das Recht, 
fh des koͤniglichen Weinkeller zu bedienen, und die 
Wirthöhäufer im Königreich flanden unter feiner Aufficht. 
Aus diefer Stelle entftand ſpaͤterhin die Oberkellermeiſter⸗ 
wirrbe, boch mit geringern Vorrechfen. In dem weinteis 
en Frankreich mußte man oft in die Erde Ciſternen 
maum, um batin ben Wein zu bewahren. Hieraus. 
wurde er in lederne Flaſchen, Schläuche, gefuͤllt, welche 


38 - Erfter Abſchnitt. Jugendleben. 


die Diener hinter ihren Herrn hertrugen und an ihre 
Saͤttel hingen. Dieſe Sitte hat Cervantes ſehr erheiternd 
in feinem herrlichen Don Quixote benutzt, wie Sancho 
Panſa auf ſeinem Eſel hinter ſeinem Ritter herzieht und 
den Weinſchlauch ſeines Herrn einmal uͤber das andere 
bruͤnſtig umarmt und ihn bis zum letzten Tropfen leert, 
waͤhrend der liebende Ritter nach ſeiner Dulcinea ſeufzet 
und des Leibes Nahrung ſo wie die Aufſicht uͤber ſeinen 
genaͤſchigen Knappen dabei ganz vergißt. - (Diefe Wein⸗ 
fhläuhe wurden auch namentlih mit in die Vorrechte 
verleihenden Urkunden aufgenommen. So legte eine Vers 
ordnung aus dem 13. Jahrhundert den Lohgerbern von 
Amiend auf, zwei große Felle zu Weinen für die bifchöf: 
lichen Vafallen, wenn ein Aufgebot an fie erginge, zu 
liefern. Auch follten die Schlaͤchter Zett zum Einfchmigren 
der Schläuche hergeben, damit der Bein nicht verduͤrbe.) — 
Der Junker-Mundſchenk Cechanson im Franz.) war nicht 
immer eine Perfon mit dem Zlafchenbewahrer, fondern 
zwei Berfchiebene befleibeten jeder eins biefer Aemter. 
Zuletzt kommt nun noch vor ber Junker Speifemeifter, 
ber Brodfpenner oder Truchſeß. So in Frankreich; in 
Deutfchland nur zum Xheil, indem biefe Verrichtungen 
meift den Minifterialen oder den. Hofdienfimannen übers 
-tragen waren; und deren Weberbleibfel find noch die Erb⸗ 
bofämter und andere Hofbebienungen. 

Der Knappenfland näherte die Zünglinge noch mehr 
der Perfon ihres Gebieterd und feiner Gemahlin; ein vers 
trauterer und freierer Zutritt war ihnen verſtattet, wie fie 
dem befonders dad Anz und Auskleiden ber Bitter 


Ss 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 39 


heſorgen mußten. Sie bewarben fich daher um bie Gunft 
ihrer Herrn, fuchten ben vornehmen Gäften und andern 
Perfonen des Hofes zu gefallen, und beftrebten fih, ben 
Kitten und Knappen, bie ihren Herrn befuchten, alle 
erforderlide Chrenbezeugungen zu erweifen. In dem 
Umgange mit den Rittern hatten fie immer Vorbild und 
Anleit zu aller ritterlichen Zierlichkeit. Beſonders war es 
den Knappen, welche das Amt eines Vorfchneiders an 
den Tafeln bekleideten, mehr erlaubt, auch beim Mahle 
in der Nähe ihres Herrn und feiner Säfte zu bleiben, 
und diefed Amt verrichteten daher oft in den vornehmften 
Häufern die Söhne des Haufes. Soinville, der Gefchicht- 
fhrejber Ludwig des Heiligen, als er den prächtigen Hof 
dieſes Koͤnigs bei ſeinem Aufenthalt zu Saumur in Anjou 
beſchreibt, redet von neuen Rittern, die an der Tafel des 
Koͤnigs zugegen waren, und ſetzt hinzu: An einer andern 
Tafel vor dem Koͤnige ſpeiſete der Koͤnig von Navarra, 
der ſehr koſtbar in Gold gekleidet war, vor welchem 
ich die Speiſen vorſchnitt. (Einige Zeilen ſpaͤter fuͤhrt 
er an, daß er damals nur noch Knappe war, „noch kei⸗ 
nen Harniſch angelegt hatte.“) 

Andere Knappen ſorgten wieder fuͤr Zubereitung der 
Tafel und reichten das Waſſer zum Waſchen dar, eine 
Sitte, von der wir in der Folge ſprechen werden; nur 
eine Stelle aus einem altfranzoͤſiſchen Gedicht (de la 
mäle Dame) ift hier anzuführen, woraus hervorgeht, 
daß die Knappen auch dies Gefchäft zu beforgen hatten: 
„Die teizende Königin fpeifete, Die Tafel war mit vielen 
koſtbaten Speifen, mit viel gutem Wein und gutem 


40 Eeſter Abſchnitt. Jugendleben. 


Klaret beſetzt. Viel Ehre erwies man der Koͤnigin; nach 
dem Eſſen unterredete man ſich, und dann wurde durch 
ben Knappen Waſſer zum Waſchen umhergereicht.“ 


Die Knappen brachten beſonders auch alle die Speiſen 


und beſonders die Getraͤnke auf die Tafel, welche wir in 
ber Folge, in der Darlegung bes ritterlichen Lebens, in 
der Abtheilung von den Seftlichkeiten, werben Tennen 
Vernen. Am Schluſſe der Feſtlichkeiten reichten fie ben 
Schlafwein, der immer vor dem Zubettgehen gereicht ward, 
und dann begleiteten ſie die fremden Gaͤſte in die Bimmer, 
welche für fie zubereitet waren. 

Bei ber Beflimmung der Ritter, zu Roſſe zu kaͤm⸗ 
pfen, war auch eine fleißige Beforgung und Abrichtung 
der Pferde nothwendig, und biefe Geſchaͤfte, befonderd das 


Veßtgenannte, gehörten wieder zu ben Sbliegenheiten ber’ 


Knappen. Diejenigen, welche dazu gefchidt waren, rich: 
teten. bie Dferde zu allen Kriegesthungen und Wendungen 
ab und hatten wieber jüngere Knappen unter fi, welchen 
fie Unterricht in diefer Kunft ertheilten. Dann waren die 
Kappen aber auch wieder Leiter des Unterrichtd der Jun⸗ 


Fer und Edelknaben, wie 3. B. der berühmte Ritter Bay⸗ 


ard in feiner frühern Jugend von bem Herzoge von 
Savoyen einem Knappen anvertraut warb, welcher bie 
Aufficht über feinen Unterricht führen mußte. Died ganze 
Leben war fo ein fufenweifes Erziehen; ein jeber war 
Lehrer und Lernender, und um deſto wirkfamer war Lehren 
und Lernen, | | 

Ein ober mehrere Anappen waren wieber beftimmt, 
Die Waffen ihrer Herrn ſtets gepußt-und für den Augen: 


x 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 4 


blick, in welchem fie gebraucht werben follten, bereit zu 
halten, Dieſe einzelnen Befchäftigungen Iöften ſich aber 
alle in die allgemeine des Kampfes und Krieges auf, 
wenn der Ritter in den Krieg zu ziehen genöthigt war. 
Sobald ber Ritter ſich zu Pferde ſetzen wollte, mußs 
ten die Knappen ihn bedienen und ihm ben Steigbügel 
halten. Ein Tiebliches Beiſpiel von Anhänglichfeit und 
Unterwürfigkeit eines Mädchens, welche diefen Knappen⸗ 
dienft für ihren ‚Geliebten übernahm, enthält das ſchon 
angeführte Gebiht von Flos und Blankflos. (V. 1341.) 
Als Flos durch feinen Vater gendthigt wird, feine geliebte 
Blankflos zu verlaffen, wobei ihnen doch vorgefpiegelt 
wurde, Blankflos folle ihm folgen, nimmt er einen 
innigen und zärtlihen Abſchied von feiner Geliebten. 
„Da folgete fie an die Stelle, da die Gefährten auf ihn 
warteten. Er fand mit guten Geleiten einen Zelter da 
flehen; und als er zu ihm kam und den Saum ergriff, fo 
hielt Blanfflos den Steegreif (Steigebuͤgel) fo lange, bis 
er aufſaß. Da ward ihr Gewand ganz naß von dem 
Beinen, das fie beging, ald der Züngling von ihr ſchied.“ 
Andere Knappen hatten dem Ritter die verfchiebenen 
Arten feiner Rüftung ſchon zuvor herbeigebradht und ihm 
angelegt, aldı Armbleche, Panzerhandfchuh, Helm, Schild 
u. ſ. w., Waffen, die wir alle weiter unten genauer werben 
kennen lernen. Im Felde ritt der Knappe, wie fein Ritter, 
ein leicht fchreitendes und bequemes Pferd, boch mußte es 
ein Hengft, Eräftig, von flasfen Knochen und zu Krieges: 
Abungen abgerichtet feyn. Die großen Renns und Streits 
Roſſe, welche die Ritter in ben Gefechten gebrauchten, 


4% Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


wurden bis zum Kampfe von dem Knappen an der rech⸗ 

ten Hand gefuͤhrt, weshalb ſie den Namen Handpferde 
(im Franzoͤſiſchen Destriers), welches alſo Streitroſſe 
waren, erhielten. Daß die Knappen die Streitroſſe fuͤhr⸗ 
ten, geht' aus vielen Stellen ber Dichter hervor, eben fo, 
daß fie. auch feine andern Waffen zu tragen hatten, wenn 
er keines Kampfes gewärtig war. Dies mögen einige 
Stellen aus dem franzöfifchen Gebichte von Lancelot du 
Lac (Lancelot vom See) beweifen, lautend: „Man fieht 
Heren Gauvain (zr deutſchen Gedichten beißt ex Gawan 
und iſt der bereits angeführte tapfere Neffe bes Koͤnigs 
Artus) mit zwei Knappen fommen, wovon ber eine beflen 
Streitroß (destrier) an ber rechten Hand führte und fein 
"Schwert trug, der andere feinen Helm und Sch 
brachte. — „As er in den Wald bineinging, begegne: 
ten ihm vier Knappen, bie mit ihrer rechten Sand vier 
weiße Streitroffe führten. — „Hierauf begegnete ihm 
ein Junker, welcher einen guten fchnellaufenden Hengft 
ritt und mit feiner rechten Hand ein ſchwarzes vandroß 
fuͤhrte.“ 

So wie die Knappen auf der Reiſe und auf fried⸗ 
lichen Zügen, wenn noch Fein Feind erwartet warb, bie 
Waffen ihres Herrn tragen mußten, eben fo war es ihre, 
Pflicht, biefelben zu halten, wenn der Ritter fie ablegte, 
um in die Kirche zu gehen, ober fonfl ein vornehmes und 
ihm ehrwürbiged Haus zu betreten. Died Waffen : Able= 
gen fand indeffen nur in fehr feltenen Fällen Statt, es find 
nicht häufig vorlommende Ausnahmen. Indem ben Ritter 
nichts mehr ehrte, als feine ganze Waffenrhflung, konnte 


3. Abtheil. Der Süngling. 43 


er wohl dem, welchen er beſuchen, oder demjenigen, wel⸗ 
chem er feine Ehrerbietung bezeigen- wollte, ja ſelbſt Gott, 
nicht höhere Verehrung beweifen, als wenn er .in feinem 
hoͤchften Schmude, in voller Rüftung, vor ihm erfchien. 
Die Stelle, welche in ber franzöfifchen Gefchichte des 
Gerard de Roussillon vorfommt, ift daher als eine Aus: 
nahme zu betrachten. Sie lautet: „Peter von Monrabey, 
als er an dem Schloffe zu Rouffillon ankommt, geht über 
bie erſte Bruͤcke in das Schloß. Unter dem Schwibbogen 
bed Thurmes gingen bie Kitter herum; er übergiebt fein 
Schwerdt feinem Knappen und geht darauf in bie Kirche, 
feine Andacht zw verrichten.” "Die Gründe, welche obs 
walten Tonnten, den Helm abzulegen, werben wir näher 
in der Abtheilung uͤber Waffen und Kleidung, bei Gele: 
genheit der Betrachtung des Helms kennen lernen, da ſie 
nicht hieher gehoͤren. 

Wem die Ritterſchaar, in einer Heiße vorreitend, 
zum Kampfe ging,. fo bildeten die Knappen bie zweite, 
binter ihre reitende Reihe. Anfangs müßige Zuſchauer des 
Kampfes, wodurd) ihr Auge geoͤffnet wurde, ein Kampf⸗ 
feld zu uͤberſchauen und den Angriff abzuwaͤgen, wurden 
fie im Thaͤtigkeit geſetzt, ſobald die Reihe ihrer Ritter mit 
ber feindlichen, Lanzen floßend und brechend, zuſammen⸗ 
traf. Wer durch die Lanze niebergeflochen warb, raffte 
fi) wieder auf, um mit Steeitart, Schwert und Streits 
tolhen einen Fußkampf zu beginnen. Jeder Knappe mußte 
baber die Bewegungen feines Herrn beobachten, um ihm. 
friſche Waffen zu reichen, ihm wieber auf dad Gtreitroß 
zu helfen, ein fcheu geworbened Roß, beffen Ritter nieder: 


4 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


geſtochen war, wieder zu fangen, feinem Ritter ein friſches, 
muthiges Pferd zuzuführen. Auch dienten fie dazu, ges 
fäprliche Stiche und Streiche, ald Kampfgehülfen, doch 
nur als Vertheibigenbe, nicht ald Angreifende, von ihren 
Herren Abzulenten. Dann wurden aber auch von den 
Kittern die Gefangenen den Knappen zur Verwahrung 
uͤbergeben. In dem franzöfifchen alten Werke: Guillaume 
le Breton, heißt ed: „Mit nicht geringem Muthe unters 
halten die übrigen Gefährten das Gefecht; fie Tchlagen 


ihre Feinde zu Boden und übergeben biefelben ihren 


- Waffenträgern, um ihnen’ Zefleln anzulegen.‘ 

Durch die That ward eines Theild dem Anappen: der 
lehrreichſte Unterricht ertheilt, andern Theils befam er 
aber auch Gelegenheit, feine eigenen Kräfte zu verfuchen 
und zu erfahren, ob er, Befchwerlichleiten und Gefahren 
diefer Art felbft zu übernehmen, fähig wäre. Die ſchwache 
und noch unerfahrne Jugend burfte nicht bie brüdende 
Laſt des Krieges tragen, ohne längft vorher verfucht zu 
haben, ob ihr auch Kräfte und Geſchick dazu inne wohns 
ten. Langjährige Proben von Gehorfam und Unterwuͤr⸗ 
figbeit bereiteten den, welcher einft befehlen follte, vor, in 
feinem kuͤnftigen Stande Lehre und Beifpiel zu geben; 
denn es iſt eim altes, durchaus bewährtes Spruͤchwort, 
dag nur derjenige, welcher zu gehorchen verſteht, einfl 
zweckmaͤßig befehlen kann, und baß Folge und Gehorfam 
im bürgerlichen Leben nie aus ben Augen gefeht werden 
dürfen, wenn nicht das ganze Verhältniß aller Einwohner 
eines. Staats. einen unbeilbaren Schaden erleiden fol. _ 


- - Bangfam und flufenweife gingen bie Vorbereitungen 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 45 
zum Nitterleben: nicht ſchnell trat der Knappe aus dem 
unfriegerifchen Dienifle in das gefahroollere Leben; jeber 
mußte fehen unb lernen, fo wie nach ugb nad fih an 
bie Gefahren, Laflen und Mühen bed ritterlicken Lebens 
geroöhnen. Die Höfe und Schlöffer waren Schulen, wo 
mon unermübet ‚mit ber Bilbumg ber jungen Krieger, bie 
man zum Dienfle und zus Vertheidigung des Staats be> 
ſtimmte, befchäftigt war. Mübfame Spidle, wo:ber Koͤr⸗ 
per bie in dem Kampfe erfprbexliche Gelenkſamkeit, Staͤrke 
und Geſchwindigkeit erhielt; Ringrenmen, zu Pferde und 
mit Lanzen, hatten ihn lange: vorher zu Turnieren, . die 
indeſſen auch nur fchwache ‚Bilder des wirklichen Krieges 
waren, abgerichtet. Die rauen, beven Gegenwart. bie, 
welche ſich hier auszeichnen wellten, anfeuerte, machten 
fich ein edles Bergnuͤgen daraus, dieſen Spielen beizus 
wohnen. . : . . No u 

Welcher Mäfle von Uebungen Sie Anappen ſich un⸗ 
terwarfen, geht aus ber Lebenäbefchreibung.. eines alten 
franzöfiichen Ritters bes 15. Jahrh., Boucicaut, hervor, 
worin es beißt: „Jetzt machte: Boncicaut einen Verſuch, 
in voller Rüftung auf ein Merd zu fpringen; bann lief 
oder ging er lange zu Fuß, um fich einen langen Athens 
anzugewöhnen und Befchwerlichleiten. Iange aushalten. zu 
lernen; ein ander Mal fchlug er heftig mit einem Hanmmer 
oder einer Art auf große Stuͤcke. Um ſich an bie. Ri: 
kung zu gewöhnen und feine Haͤnde und Arme gu einen 
leiten und. anhaltenden Bewegung abzuhaͤrten, machte 
er in völliger Rüftung, den Helm. ausgenommen, allerlei 
Oprünge, unb wenn er tanjte, fo .that er es in einem 


46 Erſter Apſchnitt. Jugend leben. 


Panzerhemde von Stahl; er fprang, ohne Huife eines 
Steigbuͤgels, voͤllig geharniſcht auf ein Pferd. Einem 
großen, auf einem hohen Pferde ſitzenden Manne ſprang 
er, obme-weitere Huͤlfe, von hinten mit auseinander ges 
ſperrten Beinen auf die Schultern, indem er denſelben au 
der eimen Hand am Ermel anfaßte.. Eine Band auf 
dem Sattelknopf eines großen Rofjes und bie andere zwis 
ſchen die Ohren. deſſelben legend, ergriff er dafjelbe bei der 
Mähne auf ebener Erde und fprang zwifchen feinen 
Armen hindurch auf die andere Seite des Pferdes. 
Standen zwei mit Kalk überzogene Mauern: eine Elle 
weit von einander ab und hatten fie bie ‘Höhe eines 
Thurmes, fo Fletterte ex mis Hülfe feiner Arme und Beine 
bis auf die größte Höhe derfelben, ohne weder beim Herz 
aufs noch beim Hinabfteigen zu fallen. Eben fo flieg er 
umgekehrt auf einer gegen eine Mauer gelehnten: Leitex 
bis. oben Knauf, ohne biefelbe mit ven Füßen zu berüh: 
sen, fonbern inbem er bloß mit beiden Händen zugleich 
von Sprofie zu Sproſſe fprang, mit einem flählernen 
Panzerhemde bewaffnet; und. wenn er dies ablegte, erhob 
er fih, nur mit Hälfe einer Hand, mehre Sproſſen 
hoch. War. er zu Haufe, fo übte er fich mit den übrigen 
Knappen im Zanzenwerfen und in andern ‚Kriegeshbungen, 
damit er auch da nicht in Ruhe ſeyn moͤchte.“ 

. Damit nun aber bie väterliche Liebe nicht vielleicht 
ben. eigenen Sohn gu ſehr fchone, war es gewöhnlich, daß 
der Ritter. fanen Sohn zu einem andern Ritter in das 
Haus gab, damit er dort die Verrichtungen eines Knap⸗ 
pen lerne, : Sp fagt das altfrangöftfche Werd: :1’Ordre de 





\ 


3. Abtheil Der Juͤngling. 47 


Chevaleris: „Und es gebuͤhrt ſich, daß der Sohn eines 
Nitterd, fo lange er Knappe iſt, mit der Pferden umzu⸗ 
gehen wife, daß er vorher diene und eher Unterthan, als 
Her, fey; außerdem würde er, wenn er einft Ritter wäre, 
die Vorzüge feiner Herrfchaft nicht erfennen: und um des⸗ 
willen muß jeber Ritter feinen Sohn in den Dienft eines 
andern Ritters geben, damit er in feinen jungen Iahren 
bei Tafel vorfchneiden und: vorlegen und einen Ritter an⸗ 
Heiden und bewaffnen lerne. So wie einer, ber ein 
"Schneider :ober Zimmermann werben will, einen Meifter 
diefes Handwerks haben muß, eben fo gebührt es fich 
auch, daß jeder Edelmann, welcher ven Ritterſtand liebt 
und einſt ein braver Ritter. feyn ober werben will, vorerſt 
einen Meifter Hat, der felbft Ritter iſt.“ Hier entfchied 
nun nicht höherer Rang des Ritters, fondern nur ritter- 
licher Ruhm und ritterliche. Ausbildungg denn ber Sohn 
eined Ritters vom höhern Adel fchenete Fich. nicht, ber 
Knappe eined Ritters von nieberem Abel zu.merden. 

Euſtach Deſchamps, ein alter, bereits früher ange- 
fuͤhrter franzöfifcher Dichter, deſſen Werke noch nicht ‘ges 
druckt finde, fpricht fo von ber ſtufenweiſen Auäbildung ber 
jungen Leute, ehe fie zum Ritterthum gelangten: „Die 
jungen Leute traten in den Stanb ber. Perfenauten *); 


*) Diefe Perfevanten (Poursuivants, Folger, Lat. Prosecutores 
armerum) waren vorzäglich bei den Turnieren gebraucht, wos 
bei fie Gehuͤlfen und Lehrlinge ber Herolde waren, um bie 
Wappen der Ritter zu prüfen, Stille zu gebieten, wenn die 
Herolde etwas ausrufen Toten, uf. w. Steye den Abſchnitt 
don den Turnieren. 





48 Erfter Abſchnitt. Jugendleben. 


fie trugen die Lanzen und Heime der Ritter, lernten reis 
ten und fahen ber breyfachen Befchäftigung des Priegeri: 
ſchen Adels zu. Hierauf mwurben fie Waffenträger, wars 
teten bei Tafel und allenthalben auf und nahmen fehr 
gerne ben Mantelfad ihres Herrn hinter fi auf das 
Pferd. So machten ed bamald. aud) die Anappen, bie in 
. der Küche halfen. Nach diefem wurden fie Krieger und 
verfuchten ihre Zapferleit acht bis zehn Jahre lang. Sie 
machten große Reifen und wurden 'ſendlich demuͤthige, 
tapfere, berühmte und hurtige Ritter; fie ehrten die Frem⸗ 
den. Aus Befcheidenheit begnägten fie ſich mit: Kampf⸗ 
vennen; hernach turnierten fie. Dieſes machte fie beliebt; 
. fie ehrten bie Grauen; bie fie wegen ihrer Vorzüge liebten; 
fie waren kuͤhn und ſtolz gegen ihre Feinde, und gegen ihre 
Freunde gefällig." 

Erft wieder nach einem fiebenjährigen Abfchnitte, im 
ein und gwangigften Lebensjahre, konnten junge Leute, 
nad) fo vielen Moben, zur NRitterwürbe gelafien werben. 
Diefe Regel warb inbeffen nicht immer genau beobachtet, 
wie denn überhaupt die höheren. Standeöverhältniffe ober 
auch bisweilen’ perſoͤnliche Lage, die angegebenen Graͤnzen 
verrucdten; doch waren fie als Grundlage angenommen. 
An Frankreich murben fo fchon oftmals die Prinzen in 
der Wiege zu Rittern gemacht, befonders in ber Zeit des 
fhon verfallenden Ritterthums. Aber auch andere „große 
Vorzüge, befonderd Leibesſtaͤrke und Gefchidlichfeit, ers 
laubten eine Ausnahme, So ward z. B. im Jahre 1060 
an Foulques, Grafen von Anjou, bie Ritterwürde in ſei⸗ 
nem 17. Jahre von feinem Oheim Gottfried ertheilt, und 


3. Abtheil. Dee Juͤngling. 4 


Kittergefchichten liefern und Beifpiele von Ertheilung der 
Ritterwuͤrde im 14ten und 15ten Jahre. 

Einzelne Beiſpiele kommen aber auch vor, daß bie 
Erlangung der Ritterwuͤrde bis in ſpaͤtere Jahre verſcho⸗ 
ben ward. So nahm z. B. der Graf von Toulouſe im 
Jahre 1235 erſt in ſeinem funfzigſten Jahre die Ritter⸗ 
wirde zu Hagenau von Kaiſer Friedrich IJ an. Er that 
dies darum ſo ſpaͤt, weil in ſeinem Stamme das Vorur⸗ 
theil herrſchte, daß keiner daraus als Ritter lange am 
Leben bleiben koͤnne. Auch in dieſem Alter wuͤrde er ſie 
noch nicht angenommen haben, wenn ˖jhm nicht feine bei⸗ 
ben Schwiegerföhne, die Könige von Frankreich und Eng⸗ 
land, deshalb fehr angelegen hätten, weil fie es für uns 
ſchicklich Hielten, einen Schwiegervater zu haben, ber bie 
Ritterwuͤrde noch nicht erhalten hatte. Andere Umſtaͤnde 
traten außerdem hinzu, welche diefe Seierlichleit oft weiter 
hinausfchoben, ja oft fie gar nicht zur Ausführung brach⸗ 
ten. So hielt manchen ber Aufwand zurid, ber mit der 
Ritterwuͤrde verbunden war; "ein Gewiffenhafter fand es 
oft bedenklich, fhon bie großen Verpflichtungen zu übers 
nehmen, welche die Ertheilung ber Ritterwuͤrde mit fi 
führte. Zuweilen hegten einige fo große Verehrung und 
Anhänglichleit gegen einen Großen ober einen andern Kits 
ter, baß man nur durch "feine Hand die Ritterwuͤrde zu 
erlangen wuͤnſchte; oder man. wartete auch Umftände ab, 
die geſchidt waren, bie Ehre der Ritterwürbe, welche man 
erlangte, noch mehr zu erhöhen, wie 3. B. Schlachten 
und einzelne andere Kämpfe. Dann waren aud einige, 
Die fich des Ritterſchwerts für unwuͤrdig hielten, folange 

4 


50 Erfter Abſchnitt. Jugendleben. 


ſie nicht mit den Waffen in die Laͤnder der Unglaͤubigen 
ſich begeben hatten, in der Abſicht, die Ritterwuͤrde ent⸗ 
weder vor oder nach einer Schlacht zu erlangen, und ſo 
an ein großes und wichtiges Ereigniß, im Kampfe für 
Gottes Ehre, die Erlangung bes hoͤchſten Zieles ihres Le⸗ 
bens zu knuͤpfen. 

Dies waͤren nun ungefaͤhr bie Grundzüge bes Zeit: 
raums, welchen der Ritterbürtige als Juͤngling verlebte, 
nach allgemeinen Säten entworfen, bie hin und wicher, 
wie ſchon bemerkt, wohl ihre Ausnahmen fanden, in ber 
Regel aber feſt und unverbrüclich gehalten wurden. Die 
dazu gelieferten Belege, wie auch die Ueberfücht des Gan⸗ 
zen, find bis jest von mir aus der franzöfifchen Ritter 
welt genommen worben, die, da fie ein völlig ausgebilde⸗ 
tes Ganzes war, am beiten ald Grundlage der Betrach: 
tung der Nitterzeit angenommen werden kann; jest wende 
ich mich, wie bereitö bei den vorigen Abtheilungen gefche: 
ben, zu ben Belegen, welche uns das beutfche Ritterthum 
‚gibt, von bem ich nur einzelne wenige Züge oben gele: 
gentlich bemerkte, woraus ſich das etwa Abweichende am 
klarſten ergeben wird. 

Ulrich von Lichtenſtein fpricht Jeider über feine Ju⸗ 
gend nur kurz, indem er, nach ber Erzählung, wie er 
einer geliebten rau als Edelknabe gedient, was ich oben 
anführte, fagt: „Man gab mich einem Heren, der hober 
Zugenden reich war, ber hieß Markgraf Heinrih von 
- Deflerreih. Der diente den Frauen mit rechter Treuen 
und ſprach wohl von ihnen, wie ein Ritter fol; er: war 
milde, kuͤhn und hochgemut, weife mit den Weifen und 


⁊ 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 51 


dumm mit den Dummen, er litt Ungemach um Ehre, und 
ſein Mund ſprach kein boͤſes Wort; allen ſeinen Freunden 
war er bieder und getreu, und Gott mimete er von 
Herzen. Dieſer werthe Herr ſagte mir: wer wuͤrdiglich 
leben wollte, ‘der muͤſſe ſich einer Frau zu eigen geben, 
Er lehrte mich viel von feiner füßen Tugend, er lehrte 
mich fprechen über die Weib, auf Roſſen zeiten und in 
Briefen füße Worte dichten. Er fagte: baburch würde 
em junger Mann getheuert, wenn er füß über die Weib 
fprechen könnte; denn nie, fagteer, kann e& bir bei guten 
Weiben gelingen, wenn bein Sinn auf Schmeicheln und 
Lügen ſteht. Hätt’ ich alles mit Werfen erfüllt, was er 
mir fagte, fo wäre ich werther geworden, als ich bin. — 
Indeffen lag mein Bater tobt. Da mußte ich heim, wie 
fo mancher, dem feine Bordern Gut laſſen. Mein -Herr 
gab mir Urlaub, und ich ritt gen Lichtenflein in das 
Steierland. Hier fand ich viel Zurnierens von Knech⸗ 
ten, bie dadurch die Ritterfchaft Iernten. Ich unterwand 
mich deffen auch um meine liebe Fraue und dachte: wenn 
ih ihre will zu Dienflen feyn, fo mus es durch. Ritter: 
fhaft gefchehen, unter Helm mus ich Preis erjagen. So 
fuhr ich turnieren in Knechtes Weil’, um es zu erlernen, 
drei Jahr.“ 

Wir fehen hieraus, daß auch die Anappen Kampf: 
foiele anftelten, um fi in Handhabung der Waffen- zu 
üben, ja daß fie, wie die Ritter, umherzogen, um diefe 
Uebungen anzuftellen, ‚auch wenn fie nicht mehr im Ges 
folge eines Ritters Waren. Sogleich barauf erzählt er 
und, ex fey Ritter geworden. Zählen wir die Sabre, 

4* 


% 


52 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


welche er angibt, zuſammen: 12 Jahre, da er Edelknabe 
ward, 5 Jahre Edelknabe, vielleicht 4 Jahr bei Heinrich 
von Defterreih, und dann feine dreijährige Umfahrt als 
Knappe, fo kommt wieder die Zahl von 21 Jahren her⸗ 
‚aus, ald Ulrich von Lichtenflein die Ritterwirfde erlangte. 
Wie Triftan ald Knabe gelebt, ift ſchon oben erzählt 

worden. Aus ber Beſchreibung ſeines Knappen⸗Lebens 
laͤßt ſich aus dem Gedicht auch nur wenig ſchoͤpfen. Es 
erzaͤhlt nur: „daß, wie er fein vierzehntes Jahr erreichte, 
ihn der Marfchall heim nahm 

und hieß ihn zu allen Zeiten 

Fahren und reiten, 

Erkennen Leute und auch Land, 

Durch daß ihm recht würde erkannt, 

Wie des Landes Sitte wäre. - 
Dies that er fo loͤblich, daß in dem ganzen Reiche Fein 
Kind fo tugendlich Iebte, als Triſtan. Ale Welt trug 
ihm Freundes Augen und holden Sinn, wie man dem 
billig thut, deſſen Gemüth zu nichts, ald zu Tugenden, fteht, 
und ber allen Untugenden abgefagt bat.” Als Zriflan bie 
norwegifhen Kaufleute feinem Bater entführen, erfahren 
. wir aud, baß er im Schachfpiel gewandt und tüchtig 
war, und baß er lieblihe Weifen zu fingen wußte. Als 
er darauf von den Kaufleuten, bie im Meerflurme, wegen 
ber begangenen ‚Sünde der Entführung, das Gelübbe 
thun, ihn wieber and Land zu bringen, im Reiche feines 
ihm unbelannten Oheims Mark auögefegt wird, da _ zeigt 
der Süngling noch eing neue Kenntniß, welche lehrt, daß 
auch biefer fich die Knappen widmen mußten: er belehrt 
bie Jäger feines Dheims über manche JIagbvortheile und 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 53 


zeigt beſonders in det jägermäßigen und gefchidten Zer⸗ 
Igung eines Hirfcheö eine große Fertigkeit. Es ift gewiß, . 
daß befondere Knappen zür Jagd angeleitet wurden; und 
was darüber etwa hier beizubringen ifl, werde ich im 
zweiten Abfchnitte, im WRitterleben, wenn wir auf bie 
Vergnügungen ber Jagd Tommen, erwähnen. Als das 
Sagdgefinde von ber Jagd heimreitet, zeigt Zriflan eine 
neue Fertigkeit, indem er auf einem Jagdhoͤrnlein blaͤſt 
und fo lieblihe und anmuthige Töne hervarlodt, daß alles 
Burggefinde zufammenläuft, und die übrigen Säger mit ' 
ihren Hörnern dem lieblichen Getöne nicht zu folgen ver: 
mögen. Wenn auch die Erzählung im Triſtan, wie er 
die Harfe mit einem bazu beflimmten Werkzeuge ((plec- 
drun nennt e8 dad alte deutſche Gedicht, und es ift das 
plectrum ber Alten gemeint) fchlägt und dazu, zur Be: 
wunbderung bed Hofes, in brittifcher und gadlifcher Spra- 
he, Franzoͤfiſch und Latein fingt, fo ift dieſe Nachricht 
zwar in dem altfranzöfifchen Gedichte und noch weiter in 
dem altenglifchen oder walliſiſchen Gebicht, als ihrem Ur⸗ 
fprunge, zu fuchen, aber fie ift wenigflens auch deutfam 
für und, daß auch in Deutfchland Sarg und dazu Spiel 
bei Evelfnaben und Rittern nichts Ungewoͤhnliches gewe⸗ 
fen it. So iſt auch Triſtan in Sprachen noch weiter 
ausgezeichnet; denn ber Dichter Tpriht auch von ihm, 
daß er norwegiſch, irlaͤndiſch, deutſch, ſchottiſch und 
daͤniſch, außer den ſchon genannten Sprachen, geredet 
habe. Hier verlaͤßt uns nun die Geſchichte, und das Meiſte 
faͤllt der Dichtung anheim; denn ſolche Edelknappen moͤch⸗ 
ten wohl nirgend, oder wenigſtens ſo uͤberaus ſelten, wie 


& 


54 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


auch Triſtan dem Hofe erſcheint, geweſen ſeyn. Ja, was 
noch mehr iſt, alles dies begibt ſich ſchon, alle dieſe 
Kenntniſſe zeigt er ſchon, als er noch ein Kind von vier⸗ 
zehn Jahren iſt, denn es heißt: 

AU die Welt: die höre ber: 

Ein vierzehnjährig Kind 

Kann all’ die Lifte, die ba find. 
Afo ſchon beim Antritte der Knappen : Zeit hatte Triftan 
bie Fertigkeiten erreicht, welche Andere am Ende ihrer 
Knappen = Laufbahn ald unerreihbar anfehen mußten. 
Wir haben oben gefehen, daß den Sinappen beflimmte 
Acmter zur Verwaltung gegeben wurden; davon _findet 
fi auch ein Beifpiel im Triſtan, indem König Mark zu 
ihm fagt: i 

Sieh’, mein Pferd und meine Spor'n, 

Mein’ Armbruft und ein gülben Born, 


Gefelle, das befehle ich bir, 
Des unterwind’ di, das pfleg’ mir. 


Auh mit Triſtan wird eine Ausnahme gemact, indem 
er fhon, da er aller Vollkommenheiten fo vol ift, im 
18ten Jahre feines Alters zum Ritter gemacht wird; 
denn .alle Ritter fagen: 


Triſtan hat Kraft genug 
Und ift ein wohlgewachſen Mann. 


As Wigolais, von dem ich ſchon oben einmal fprach, 
fein Alter von ein und zwanzig Jahren erlangt hatte, da 
verließ er den Hof feiner Mutter, um feinen Bater, ben 
er nicht gefannt hat, ba berfelbe durch Zauber nicht in | 
fein verlaffenes Land, das rund um von Felfen befchloffen 
ift, zuruͤckzukehren vermochte, aufzuſuchen. Die oben er: 
wähnte Sitte, zu wünfchen, von einem berühmten Ritter, 

n 


3. Abthell. Der Juͤngling. 55 


oder an einem großen; weltbefannten:Hofe jum Nitter ge- 
fhlagen zu werben, zeigt fich auch in dieſem Gedichte, in⸗ 
dem Wigolais zu Artus fagt: „Zum Herren habe ich euch 
erforen, wenn ihr mich behalten wollt. Mit meinen 
Dienften wollte id erwerben, was ich immer gewünfcht 
babe, ob ich der Ehre werth ware, daß ich bier Ritter 
würde. Denn in der Welt ift Fein Hof dem euern gleich.” 
Artus iſt dazu bereit‘ und übergibt Wigolais an Gamin, 
der fein Vater ift, den er nicht kennt, und ber ihn, feinen 
Sohn, nicht kennt. Diefer prüft feine Kenntniffe und 
feine Mannheit: „Dem Könige ward Wigolais darauf ein 
geheimer Diener und. diente fo gut, als er nur immer 
forinte, ale Tage. Denen von ber Zafelrunde war er- 
allen wohl bereit, zu Zurnieren er mit ihnen ritt, und wo 
man Mannheit beging, da verſaͤumt' er fid nie, cr war 
zuvorderft in der Schaar. Alle mußten feiner wahrneh: 
men, benn feine Mannheit war fehr groß. Da verdrbnet 
denn Artus eine Peftlichkeit, um ihn zum Ritter zu 
machen, wie wir in der Folge fehen werben.’ 

Wie Parzifal entfernt von aller Kenntniß ritterlichen 
Lebens aufwuchs, habe ich bereits oben mitgetheilt. Das 
Erbliden von ein paar gerüfteten Rittern entflammt ihn, 
auch er will in Kampf und Streit hinausziehen. Die 
klagende Herzeloide beſchließt daher, ihn ſo zu kleiden, 
daß er, bald das Geſpoͤtt der Ritter und Knappen, in 
kurzem zuruͤckzukehren gezwungen ſey. Sie ſchneidet ihm 
daher aus einem Sacktuche Hemde und Beinkleider bis 
zur Mitte des Beines, beides aus Einem Stuͤck, welche 
Tracht für Narrenkleidung erkannt ward; Cine Gugel, 


46 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


das iſt eine Kappe, war oben daran; von einem friſchen 
rauhen Kalbsfel wurden ihm zwei Gtiefeln gefchnitten. 
"Seine Waffen find allein fein Köcher mit Pfeilen und fein 
Sabilot, das ift eine Art Wurfpfeil Er ritt ein’ ſchwaͤch⸗ 
liches Pferdehen, und von Baſt war fein Zaum. Darauf 
gibt fie ihm folgende Lehren, deren erfle der Ritterfchaft 
wiberfprechend ift, um feine Ihaten fo in Wiberftreit mit 
den Wünfchen feines Herzend, ein mannlicher Ritter zu 
“werben, zu feßen: „Auf ungebahnten Straßen follſt du 
keine dunklen Wege reiten, fondern nur die, welche licht 
und lauter find.” (Aber gerade ungebahnte Wege und 
finftere Steige fuchten die Ritter, da fie vermuthen konn⸗ 
ten, daß auf ihnen ſich Unbill verberge, oder ein einfamer 
Wanderer durch wilde XThiere in Noth gebracht würde. 
Indefien könnte wohl feyn, daß diefe Lehre nur bildlich 
zu verſtehen wäre, nicht von dem Wege, ben der Ritter 
ſuchen folte, fondern von bem Lebenswege überhaupt, da 
fie ja hernach ihm nur nahrhafte Lehren gibt, die er freis 
lich in feiner Unkenntniß der Welt falſch deutet.) „Wenn 
dich — bier gibt fie nun ihm nahrhafte Lehre — ein 
grauer weifer Mann Sitte lehren will, wie er wohl im 
Stande ift, fo folft du ihm folgen und ihm nicht wibers 
feslih feyn. — Wo bu ein Ringlein ‚und einen Grus 
- von einem guten Weibe erwerben magft, dad nimm, es 
büßt dir deinen Kummer; auch neige dich zu ihrem Kuffe 
und umfange feſt ihren Leib, das gibt dir, wenn fie gut” 
und keuſch ift, hohen Muth und Glück.“ Lehren, die ihn, 
da er mit ber Welt Lauf ganz unbekannt ift, in manches 
Abenteuer ziehen. — An Artus Hofe wird Parzifal mit 


3. Abtheil. Der Züngling. 97 


ſcherzhaftem Spott empfangen und erfchießt vor bem 
Hoflager den Ither von Gahavied, welcher den Beinamen 
ber rothe Ritter hatte. _Der Anappe bed Arthus, Ivanet, 
Fleidet ihn darauf in die Ruͤſtung bes Getöbteten, gibt 
ihm ven Speer in die Hand ımb unterrichtet ihn mit we⸗ 
nigen Worten, wie er fich behaben folle. So veitet Pars 
zifaf, ritterlich geßleidet und doch noch nicht Ritter, von 
bannen. Er kommt baranf zu Gurnemanz von Grahars, 
einem alten Ritter, der ihn ſehr freundlich aufnimmt, ihn 
feine Thorenkleider, die er unter dem Panger anbehalten 
bat, ausziehen läßt, ritterlihe Zracht ihm gibt und ihm 
dann in den Lehren bed Ritterthumes Unterweifung gibt, 
die auch bier, da fie auf das ganze Ritterleben Bezug 
haben, anzuführen find. Ä 
„Seid nicht zu verſchaͤmt — fagt ihm Gurnemanz — 

ſondern freimuͤthig und keck; erbarmet euch der Noth der 
Armen,, beſonders der Kummerhaften, die mit Schaam 
ringen und ihre Noth nicht ſagen moͤgen. Seid, ihr 
moͤgt arm ober reich werben, gleich; denn der zu viel ver⸗ 
thut, der verräth kein rechtes Herren Gemuͤth; fammelt er 
aber zu großen Schatz, fo ift ihm. dies auch eine Unehre. 
Ihr follt nicht zu viel fragen. .(Diefe Lehre, die Parzifal 
zu firenge beobachtet, macht ihn nachher auf mehre Sahre 
lang fehr unglüdlih.) Wer euch im Kampfe um Sicher: 
heit bittet, babe er euch auch Herzeleid gethan, gewährt 
fie ihm, | 

Geld mannlich und auch wohlgemut, 

Das ift zu werthem Preife gut; 

Und laſt euch Tieb fein die Weib, 
- Das, theugrt junges Mannes Leib. 


58 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


Wanket keinen Tag an ihnen, das iſt rechter mannlicher 
Sinn. Wollt ihr mit Unwahrheit Minne heucheln, ihr 
fönnt viele betrugen, aber das laßt ferne von euch fein. 
Wahre Minne hat firenges Gefühl gegen liſtige Kunſt, 
und wenn ihr daher dad Misfallen würdiger Minne euch 
anzieht, fo müßt ihe immer befchämende Pein erleiden. 
Mann und Weib find eins, fie blühen aus Einem Kerne.‘ 
Died wären bie Lebenslehten, bie fich meift um die Liebe 
und Achtung ber Frauen drehen. 

Nun kommt Gurnemanz zu ben flreng sitterlichen 
Lehren, fagend: „An mancher Wand habe ich den Schild 
beffer bangen fehen, ald an eurem Halfe, als ihr zu mir 
geritten kamt.“ Damit verbindet er nun thätigen Unter: 
richt, indem er für fi) ein Roß bringen Idßt, fo wie für 
Parzifal, und mit Ritteen und Knappen auf eine Pläne 
hinauszieht. Da zeigt er ihm nun, wie er dad Roß im 
Zrabe mit den Sporen und mit den Schenkeln auf der 
Rennbahn wenden folle, wie er den Schaft recht ſenken 
und ben Schild zur Tioſt, das iſt zum Lanzenftoß eines 
Einzelnen, vor fih nehmen muͤſſe. Nun ließ er einen 
Nitter zum Bruch einer Lanze ihm entgegenlommen; ba 
brachte der Süngling feinen erften Tioft' durch einen Schilb 
(d. 5. er ſtach feine erſte Lanze durch einen Schild). 
Einen neuen Schaft zur Hand nehmend, ſtach er einen 
zweiten ſtarken Ritter vom Roß auf den Ader, und fo 
noch fünfe, feine ihm vom Vater angeerbte, nicht durch 
. viele Uebungen erworbene Mannlichkeit zeigend. So hatte 
nun Parzifal feinen Beruf zum Ritter gezeigt, und er ver 
läßt die Burg des Gurnemanz, ‚zwar nicht ald ein zum 


3. Abthei. Der Juͤngling. 59 


Kitter gefchlagener "Kämpfer, doch als ritterlich beglaubigt 
und zu Ritterwerk geeignet. Es ift eine eigne Erfchei- 
nung, daß Parzifal auf folche Art ins NRitterleben übers 
geht, aber es mag wohl daher. fommen, daß der Dichter 
feinen Held auf diefe Weife noch theurer und höher zu 
machen firebte, daß er eine Ertheilung ber Ritterwürbe 
nicht erwähnt. Wie Parzifal aus angeborner Tapferkeit 
und kuͤnſtlicher Ritterfitte im Augenblide alle Obliegenheis 
ten und Thaten eined Ritterd erfüllt, als er die Ruͤſtung 
angelegt hat und ben Speer ergriffen, nur burch wenige 
Worte belehrt, fo ift ihm gleihfam auch die Ritterwürbe 
angeboren, und er bedarf nicht eines Außeren Zeichens, um 
von männiglich für einen wirklichen und aͤchten Ritter 
gehalten zu werden. Auch mag in dem hohen Adel ber 
Geburt des Parzifal ein Grund liegen, warum man bei 
ihm die Zeierlichkeit eines Ritterfchlages unnoͤthig erachtete. 

In Deutfchland mag das Kitterwefen bald von feiner 
dichterifchen, die Einbildungäfraft erregenden Höhe, auf 
der ed auch hier einige Zeit lang fland und fich längere 
Zeit in Frankreich hielt, zerflofien feyn, wenigftens finden 
wir fchon in einem fittenſpruͤchlichen Gedichte, dem Ren⸗ 
ner, welchen Hugo von Zrimberg im Jahre 1300 vollens 
dete, einen Abfchnitt, ürberfchrieben: „von den Schylt 
Knechten,“ in welhem bie Sinappen ber damaligen Zeit 
in keinem erfreulichen Lichte erfcheinen. Doch ift wohl 
bie nur von Knappen gefprochen, bie immer auf biefer 
untern Stufe ftehen blieben, die nie ihrer Geburt, ihren 
Taten, ihrem Wandel nach hoffen Fonnten, eine höhere 
Stelle einzunehmen, niemald Ritter werben follten ober 


60 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


wollten. Man ſieht aber auch daraus, wie nicht allein 
die Erziehung der Knappen ſtrenge war, ſondern wie fie 
ein muͤhvolles und hartſeliges Leben durch Vernachlaͤſſi⸗ 
gung und Schuld ihrer Herren fuͤhren mußten. Der Ren⸗ 
ner ſagt ferner ungefaͤhr dies: „Alle Aemter ſind ſo ge⸗ 
macht, daß, wenn die, welche ſich ihnen gewidmet, ihre 
Arbeit vollbracht haben, fie ihrer Gemaͤchlichkeit ſich hin⸗ 
geben und eine Weile ver Rube pflegen. Nun iſt aber 
ein Leben, dem hier auf Erben nichts Gutes gefchieht, 
bad iſt der Schildknechte Amt, bie fieht man rauben und 
morben, ludern, fechten und fi) miühen, ohne alle Ges 
mäkhliehfeit mit Aengflen leben. Wenn man fie nun erſt 
an bie Feinde gehetzt hat und fie dann an den Xifch ſetzt, 
fo mus ber, welcher Fuß, Bein, Hände und feine Seele 
in bem Streite waget, oft gaffen und warten, ehe ihm 
Speife, Brod und Zleifh von unmürbigen Knechten 
werben möge. Died Ungemach würde ihm fchwer feyn, 
wenn er in einem Kloſter wäre, nun leidet er ed und 
weiß nicht warum, und auf ihn faͤllt der Welt und Gottes 
Has. Mir ift erzählt worden: Ein Ritter faß einmal am 
Tiſche und aß; da traten brei feiner Knechte mit ihren 
Waffen, wie e8 ihre Sitte ift, vor ihn. Der Herr ſprach: 
„wo find die andern?" Cie ſprachen: man hat uns fehr 
gejagt, es find unferer achte geblieben. — „Euch gefchah 
ganz recht, fagte ber Herr, wer hieß euch ohne meinen 
Befehl reiten.” Seht, dieſer große Verluſt warb anders 
nicht, als nur fo beklagt. Das ift ein Amt ohne alles 
Frommen und wer baffelbe erhält, der mag wohl von 

Noth fagen,“ 


3. Abtheil. Der Süngling. 61 


Sehr freudig, lehrreich und anmuthig verging das 
Juͤnglingsalter des Kaiſers Maximilian J, wie es denn 
leicht war, daß in fo hohem Stande ſich noch die Anmuth 
und Regſamkeit früherer Zeit wieder erneuen Tonnte, - 
Schon Zünglingsbefhäftigungen fpielten in das Knaben⸗ 
alter Marimilians hinein, und der neue Zeitraum zeigt ung, 
wie vielfache Bildung er füchte. _ Eine kurze Darlegung 
derfelben wird und aber auch lehren, was bie bamalige 
Zeit als bilbend verlangte und fuchte, und aus dem Leben 
des Einzelnen und deſſen Befchreibung wirb ber Blick auf 
das ganze Zeitalter und das wiſſenſchaftliche Streben defs 
felben geöffnet. „Der junge Weißlönig fragte in 
feiner Jugend gar oft von ben koͤniglichen Geſchlech⸗ 
ten; denn er hätte gern gewußt, wie ein jedes fönigs 
lich und fürftlich Gefchlecht vom Anfang herkommen wäre. 
Darinnen er in feiner Jugend Fein’ Erkundigung erfragen 
mocht, barob er denn oft einen Verdrus trug, baß die 
Menfchen der Gedächtnis fo wenig acht nähmen. Und als 
er zu feinen Jahren Fam, fparte er Feine Koften, fondern 
er ſchickte aus gelehrte Leute, die. nichts anders: thaten, 


denn daß fie fich in allen Stiften, Klöftern, Büchern und . | 


‚ bei gelehrten Leuten erfundigten alle Gefchlecht der König’ 
und Fürften, und ließ alles in Schrift bringen, zu Ehr' 
und 2ob ven koͤniglichen und fürftlichen Geſchlechten.“ 
Auf Erforfchung der Gefchichte und Bewahrung des An⸗ 
denkens der Altvorbern hat er viel Zeit und Geld gewendet. 
— Ein weifer Meifter wurde ihm darauf zugeordnet, von 
dem er bie Arzneifunde erlernen folle, um ſich ſelbſt und 
Andern huͤlfreich beifpringen zu Tonnen. Dies bat ihn 
X 


U 


62 Erſter Abfchnitt. Jugendlebe n. 


aber auch vermocht, immer einen maͤßigen und ruhigen 
Lebenswandel zu führen. — Da der alte Weißkunig er- 
fah, wie nuͤtzlich einem Herrſcher iſt, genau die Gefchäfte 
zu kennen, bie fein Kanzler und Geheimfchreiber verwal: 
tet, fo nahm er „feinen Sohn eine Zeit zu ihm und 
braucht? ihn mit der Schreiberei, was denn einem Kanzler 
und Sekretari zugehöret, das denn eines jeden Königs 
meifte Regierung ift, daburch er ſich möcht’ erfunden den 
Grund der Regierung und erkennen lernen die Eigennüßi: 
gen.” Diefe Lehren fchlugen. fo gut an, daß bald Mari: 
milian folgende weiſe Gerrfcherfäge, gleihfam als ein 
Glaubensbekenntniß, feinem Vater Hinftelte: „Welcher 
König in eine Perfon fein Vertrauen fest und bat in 
feiner Handlung, mit feiner fchönen Rede, bei ihm Glan: 
ben, derfelb’ und nicht der König regiert. Welcher König 
die Unwahrbaftigen und Eigennügigen nicht erfennt, bems 
felben König wirb fein Gelb und Reich in viele Theile 
getheilt. Welcher König die Wahrhaftigen und die in der 
echten Ehr’ leben, nicht lieb hat, derſelb' Koͤnig ift ein 
Verzehrer feines Volks und ein Austilger der Gerechtig- 
keit“ — Bon einem Bauer lernte darauf Marimilian 
heimlich Wendifh und Böhmifh. — „Da ihm ein alter 
weiſer Mann fagte: „welcher ein rechter Kriegsmann und 
Heerführer feyn will, der mus malen fünnen und darin 
nen einen befondern Berfland haben,’ fo befliß er fich 
auch der Malerei und ward barin fehr geübt. Mancherlei 
Handwerk und Kunft fuchte er zu erlernen, und fo übte 
er auch die Kunft, Gebäude von Stein aufzuführen, und 
zwar dreierlei Baue, zur Luft, zur Nothdurft und zur Ber: 


3. Abtheil. Der Nüngling.: 63 


theidigung. Nicht minder erlernte er aber auch das Zim⸗ 
merhandwerk, welches ihm bei feinen vielen Kriegen gar 
großen Nuten gewährt. — Drauf lernt’ er mit großem, 
ämfigem Fleiß erfennen die Art des Gefanges und Sai⸗ 
tenfpield und begriff in urzer Zeit den Grund des Ges 
fanges und aller Saitenfpiel, und ald er kam in feine 
gewaltige Regierung, hat er eine folche Kantorei aufgerich- 
tet, mit einem folchen lieblihen Gefang, von der Men- 
ſchen Stimme wunberlih zu hören, und folche Liebliche 
Darfen, von neuen Werken und mit neuem Saitenfpiel, 
daß er alle Könige übertraf und ihm Niemand gleichen 
mocht'. Auch hat der junge weife König ein männlich, 
fröhlich Pfeiffen und Trommelſchlagen aufbracht und der⸗ 
maßen in feinen Ötreiten. gebraucht. Wenn er gegen 
ſeine Feinde in den Streit gezogen ift, haben dieſelben 
Trommeln und Pfeiffen nicht allein des Menfchen Herz 
erfreut, fondern der Hall davon bat die Luft erfüllt, das 
durch der junge Weißkoͤnig nicht allein viele Lande bezwun⸗ 
gen, fondern dazu in dem Hauptſtreite allwege ſeine 
Feind' beſtritten und geſchlagen hat.“ Darauf erkundigte 
er ſich aller Speiſen und Getraͤnke, was des Truchſeß 
und Schenken Amt erfordert. Dann befliß er ſich, das⸗ 
jenige zu erkennen, was zu Banketten und Mummereien 
noͤthig zu wiſſen iſt, und hat damit in ſpaͤterer Zeit 

Wunder verbracht, denn kein Koͤnig mocht' es ihm gleich 
thun. Er ging gerne in die Mummereien und erdachte 
ſich zu einer jeben eine befondere Geftalt, und wie.er. vet 
flreitbarfie König war, fo iſt er auch der fröhlichfle König 
geweſen. Nicht minder ging er in feines Vaters Muͤrze 


64 Erflee Abſchnitt. Jugendleben. 


und erkundigte ſich über dad ganze Werk, und daher iſt 
es kommen, baß er die allerbefle Münze von Gold und 
Silber. während feiner Herrfchaft hat fchlagen laſſen, über 
alle andere Könige. Dies führte ihn auch auf die Erfor- 
fung und Erhaltung der Bergwerke; und er bat fie immer 
gehegt und gepflegt, aber aud erfahren: „daß, welcher 
König in feinem Reich die Bergwerk mit ihrer Orbnung 
nicht unterhielt’, berfelbe König empfinge nicht viel Nutz 
davon. — „Der alte Weißkoͤnig hatte an feinem Hofe 
viel Hufaren, die zu Ros mit dem Handbogen viel Witz 
terfpiel trieben. Wer berühmt werden wollt’, der mußt’ 
mit dem Hanbbogen bie Voͤgel in ber Luft ſchießen.“ 
Dies lernte Maximilian dem beften Hufaren gleich und 
begnügte fi damit nicht, fondern lernte auch mit dem 
englifchen Handbogen ſchießen, welches er fo flark zu 
vollbringen wußte, „daß er einen hölzernen. Schaft, ber 
Fein Eifen gehabt, durch ein dickes Lerchenholz, das tüchs 
tig bart-und drei Zwergfinger di gewefen, gefchoffen 
bat.’ — Zerner lernte er auch mit der Armbruft und 
bem ftählernen Bogen fchießen, „und als derſelb' jung’ 
König zu feinen Jahren Fam, ift er mit der Armbrufl 
und mit dem flählenen Bogen ber beſt' Schuͤtz im Ernſt 
und der gewiflefte Pirfcher bes Wilbbrettd gewefen, and. , 
feiner ift ihm nie zugelommen, ber ihm darin gleichen 
bat mögen. — Drauf übte er die „edle Falkenbeitze und 
Weidnerei” (d. i. die Kunft, mit abgerichteten Falken zu 
jagen). Nicht weniger jagte er Hirfche, Steinböde, Gemſen, 
wilde Schweine, Murmelthiere, Hafen und ander Wild⸗ 
pret.. Außerdem liebte und übte er aber auch bie Fiſcherei 


6. Abtheil. Der Juͤngling. 6 


ſo wie den Vogelfang, wie er denn beſonders auch ein 
großer Freund des Vogelgeſanges war: „da er denn in 
feinen Koͤnigreichen und Landen in vielen Städten eigene 
Bogelmeifter hatte, die ihm ſingende Vögel hielten. Bann 
er benn in derfelben Städte eine kam, fo ließ er biefelben 
Bögel in feine Schlaffammer, Säle und. Stuben tragen. 
Es war oft in feinen Zimmern von ben Vögeln ein folcher 
Sefang, wenn zween mit einander vebeten,. daß einer bes 
anbern feine Rede nit wohl merken konnt. Er hatte auch 
einen eigenen Vogelmeiſter bei ihm am Hofe, wenn er 
auf bie Jagd und das Beigen ritt,. der ihm fingende 
Vögel nachtrug, und wo er über Nacht lag, mußte ber 
Vogler diefelben Vögel in des Königs Zimmer thun; und 
die Vögel, die man ihm nachtragen hat, haben oft auf 
dem Wege, dieweil man fie tragen hat, mit heller Stimm’ 
gefungen. Wann bie Vögel bei ihm in feinem Bimmer 
gefungen haben, bat er fonbere Freude darin gehabt, und 
wann er über Land geritten ift und bat, etwo in einer 
Au ober in einem Holz, eine Nachtigal hören fingen, To 
it er auf ein Drt geritten und bat dem Geſang fleißig: 
lichen zugehoͤrt.“ 

Dies iſt num die Befchreibung deſſen, was Marimilian 
in luſtigen und vergnuͤglichen Uebungen, in Sprachen und 
in geifliger Ausbildung, von benen nichts vernachläffigt 
ward, getrieben bat, woburd ed dahin gelangte daß 
mir Maximilian noch einmal der letzte Schein einer 
aͤchten und erfreulich lieblichen Ritterlichkeit aufflammte, 
um bonn ganz zu zerfallen, wie uns ſchon bad Leben bed 
64 von Berlichingen und beſonders das bed Hand von 

Ä 5 


66 Erſter Abſchuitt. Jugendleben. 


Schweinichen, von welchen beiden bisher immer Beiſpiele 
angefuͤhrt worden ſind, zeigt. Wir haben jetzt nur noch 
kurz die Nachrichten von Marimilians ritterlicher Bildung 
zu bemerken. „Der junge Weißkoͤnig betrachtete, daß ihm 
auch noth waͤre, daß er lernet' in allerlei Waffen fechten 
und auf ſolches lernet' er in den Schwertern, Stangen, 
kurzen und langen Degen, Landsknechtſpießen, Dreſchfle⸗ 
geln bloß (ohne Schild⸗Deckung) fechten und mit Meſſern 
(wahrſcheinlich iſt hier das alte Werfen der Meſſer gegen 
den Feind gemeint); und begriff die Meiſterſtuͤck und den 
rechten Grund in kurzer Zeit, und übete ſich infonderheit 
faft damit und ward barin gar meifterlichen und kuͤnſtli⸗ 
chen, und konnte bie Waffen alle gar wohl brauchen, nad 
feiner Schicklichkeit und nach feiner Stärke.” — „Alsbald 
der junge Weißkoͤnig das bloß’ Fechten begriffen hatte, 
lernet' er zuſtund an, zu Buß in der böhmifchen Pafefen 
(einem großen und mächtigen Schilbe, gemeinhin mit einer 
Spike unten, um ihn in ber Erbe zu befefligen, wenn 
man ihn abnahm) und zu Ros in dem hufarifchen Taͤrtſch⸗ 
fein (Zartfche, ein Pleines Schild), mit dem Kanzel, mit 
dem Säbel, mit der Mordhade (eine veraltete Art des 
Gewehres, beſtehend aus "einer kleinen Art an einem lan- 
gen Stiele, wahrfcheinlich einft mit der Streitart einerlei) 
und mit der Wurfhade (ein nicht recht beutliched Kriegs: 
werfzeug, entweder, jemanden aus der Ferne zu verwunben, 
oder eine Art Hafen, womit man ben Gegenfänpfer 
durch Wurf ergriff und an ſich zog, um ihn in der Nähe 
dann tödtlich zu verwunden, wie jest noch Wurfhaken 
beim GEntern ber Schiffe gebraucht werden) — fechten 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 67 


und kehret barinnen auch guten Fleiß für und murbe 
darin gar meiſterlich“ — „AS nun der junge Weiß: 
koͤnig hat gelernet bloß, auch in bem Pafefen und 
Taͤrtſchlein zu fechten, beweget er aus trefflichen Urfachen, 
daß ihm infonberheit Noth thun würbe, baß er konnte 
gewappnet fechten zu Ros und zu Fuß; denn an einem 
folchen Zechten iſt einem großmächtigen König am meiften 
gelegen. Und hub an mit großem ernfllihen Fleis zu 
lernen, im Harniſch gewappnet zu fechten und anfänglis 
hen zu Buß im Ahlſpieß Cich erkläre es mir, bei man⸗ 
gelnder Ausbeutung, für einen Spieß mit langer glatter 
Spige, ber Hellebarbe entgegenfichend, die unter ber 
Spitze noch ein- breited artförmiges Eifen hat) und in ber 
Helmbarte (Hellebarde), und darnach zu Ros mit dem 
Reitſchwert, und mit bem kurzen Üeitbegen, auch 
mit dem Kolben und Reiſeſpieß, und warb barin gar 
meifterlichen.” — „Nachdem er nun das Fechten zu Ros 
und Fuß genugfamlich gelernt hat, ba hub er darnach an, 
fich zu üben in den Ritterfpielen mit Rennen und Stechen 
und befand, baß. einer, ber in ben Mitterfpielen berühmt 
wolt werben, bie Uebung mit ben Thaten und nit- bie 
Lernung mit den Werken brauchen müßte Bald hat er 
auch bie rechten Nitterfpiel fir fi genommen und, von 
dem ’Ringen *) zu den fchweren Ritterfpielen gegriffen und. 
barinnen allmege den Preis behalten. Und ald er zu feiner 
Mannsſtaͤrke kam, da übet’ er fich, in bem hoben Zeug **) 





2) geringen. - 
+) Das, was unter hohem Zeuge gemeint iſt, werben wir 
Pe 


68 -  Erftee Abſchnitt. Jugendleben. 


zu flechen, amd übertraf darinnen alle andern.” — „Eben 


fo fah er ein, daß es ihm noͤthig thue, die Weitere er: 
kennen zu lernen in Schimpf (Scherz) und Ernfi, auch 
in Rothburften und Gepräng’, beögleichen, daß er wiſſe 
aller Pferde Art. Er erkannte die Pferde nach ibrer Art, 
welche gut waren zum Streit, welde Nus waren zum 
ſtreifen (raſch und reißend zu reiten) und welche tauglich 
waren zu ben Ritterfpielen. (Eine wichtige und zu’ mers 
kende Stelle, beweifend, wie fehr bie alte Zeit die Pferde 
nach der Verfchiebenheit ihres Gebrauches zu theilen und 
anzuwenden wußte) Er tonnte au einem jeglichen 
Dferde nach feiner Art Gebis laffen machen, benn es ge: 
ſchieht gar oft, daß ein Pferd uͤberzaͤumt wird, baburd) 
der Mann, fo barauf fitet, in bem Streit unterliegt; fo 
begiebt es ſich oft, daß ein Pferd nicht genugfam gezaͤumt 


ift, bad. den Mann, ber barauf fißt, mit Gewalt unter _ 


bie Feind' trägt." — Drauf befand er auch, „daß er in 
ber Harnifchmeifterei alle Stuͤck und meifterliche Kunſt 
lernen und erkennen müßte.” Auch barin brachte er es 
zu einer großen Fertigkeit und hat viel neue Erfindungen 
in ber Plattnerei fpäterhin geleitet. — Nicht minder 
machte er fih mit DVerfertigung und Leitung des ſchweren 
Geſchuͤtzes (denn das Pulver, dad Grab des Mitterlebens, 
hatte ſchon feine verderblihen Wirkungen begonnen) bes 
kannt und erfand auch hierin vieles, Als die letzte feiner 
Triegerifchen Uebungen wird angegeben, daß a tunfreihf 





weiter unten im Ritterleben, bei ben Waffen und Turnieren, 
näher Kennen lernen. 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 69 


eine Wagenburg zu fertigen gewußt habe, nach Lage bed 
Landes, nach Art ver Aufftelung, nach Größe und Be⸗ 
duͤrfniß feines Heeres verfchieden. | 
Goͤtz von Berlihingen erzählt und auch mandherlei 
von feinen Reiterfahrten, bie er ald ein Anappe gemacht, 
von dem indeffen mur einige Züge, die einen Blick auf 
das bamalige Leben werfen, bieher gehören. Den erſten 
Ritt ald Knappe machte er mit feinem Better Konrab 
von Berlichingen im Jahre 1495 (in welchem er Knappe 
geworden, denn er hatte das 414. Jahr erreicht), welchen 
Markgraf Friedrich von Brandenburg zu Onolzbach auf 
den Reihötag gen Wonns ſendete. Auf diefem Wege 
macht er täglich 8 bis 9 Meilen und fagt davon: „Und 
daucht' mich damalen meinem Thun nach, wie ich .ein Ge⸗ 
fell war, weit und viel ſeyn, aber feit berfelbigen Zeithero 
babe ich es wohl gewohnt und etwa in wenig Tagen 
und. Rächten weite Reifen vollbracht und dabei nichts 
geßen oder getrunfen, welches bie Nothdurft alfo erfor⸗ 
dert bat; denn ed etwan nicht anders fein kunnt'.“ Auf 
dem Reichstage zu Lindau 1497 flarh fein Vetter Konrad: 
„und haben ihn feine Knecht’ und ich als ein Knab' mit 
der Leicht (Leiche) herabgeführt bis gen Schoͤnthal in das 
Kloſter.“ — „Und glei hernach um Pfingſten thaͤt ich 
mich zu Markgraf Friedrich (von Onolzbach), und iſt 
deſſelbigen males Hanns Berlin von Heilbronn, des 
Markgrafen Thuͤrhuͤter, auch mein- und anderer Buben 
Zuchtmeiſter geweſen.“ Wie Goͤtz von Berlichingen ſeinem 
Herrn aufgewartet, geht aus folgender Stelle hervor; als 
fe in Hochburgund überfallen werben und ihre Schaar 


70 Erfter Abſchnitt. Jugendleben. 


ruͤſten, ſagt er: „Da gab ich meinem Herrn den Gaul, 
das Helmlin und den Spieß und ich den naͤchſten hienach.“ 
Wie damald Ritter und Knappen lebten und Krieg fuͤh⸗ 
reten, ganz dem rohen, wilden und unmenſchlichen Weſen 
bingegeben, das über Deutfchland fo furchtbar gewüthet 
und fo viel Herrlihes und Treffliches zerftört hat, mag 
folgende Stelle aus Berlichingens Lebens andeuten: „und - 
zogen demnach auf denfelben Zag wieder bis in die Nacht, 
und famen in ein ander Lager, ba war ein Schloslein 
und ein’Wafferhäuslein, war aber doch franzöfifch. und 
hatten allda nichts zu eſſen, allein für die Gäu funden 
wir Fütterung genug; denn es waren eben da die Scheus 
‚ern al’ vol Waaren. Doc befchehrt’ uns Gott damals 
in der Noth Huͤner und Fiſch', welche wir Nachts über: 
kommen, und wir bed Morgens braten und wie wir's im 
Sinn’ hatten, gleich wohl bamit leben wollten. Aber, wie 
nun das Effen fertig war, und alle Ding’ zugerlifl’t, da 
kommt Botfchaft, wir follen ſchnell auffen, denn man 
wolle anftoßen (anzüunden) und brennen. Da nahmen wir 
den naͤchſten die Gaͤul' und banden fie heraus an die 
Bäune und das Harnifch auch heraus zu ben Zdunen, und 
konnten alfo die Saul’ und Harnifch kaum herausbringen, 
da fing das Haus, Scheuren und das ganze Dorf ſchon 
allenthalben an zu brennen und fprangen die Gaͤul' Hitz 
halben vom Feuer an ben Zdunen wie bie Boͤck', alfo daß 
wir alda von: Stund an wieder auffein unb abermal 
wieder fortzichen müflen, und hatten wir und bie Gaͤul 
in 3 Tagen und 2 Nächten nicht viel zu eßen gehabt.’ 
Man extennt hieraus die heillofe Art umd Weife, wie im 


3. Abtheil. Der Jungling. 71 


15. und 16. Jahrhundert der Krieg gefuͤhrt ward, und wie 
das Edle des Ritterthums und der den Rittern ſo nahe tre⸗ 
tende Knappe ſchon ganz verwildert und ausgeartet war. 
Fernere Lebenszuͤge find noch die: „Folgendes hat Mark: 
graf Friedrich loͤbl. Gedaͤchtnißes — fährt H. v. B. fort — 
mich ald,einen Knaben (Edelknaben, Knappen) auferzogen 
und muſt' ich ſammt etlich viel andern Knaben auf Ihro 
Fuͤrftl. Gnaden, wann fie eſſen wollten, warten, wie ich 
dann thaͤt; und begab fich auf eine Zeit, daß ich. mid) 
neben einem Poladen zum: Eſſen nieberfeget, welcher fein 
Haar mit Eier gepicht (eine nicht ummichtige Nachricht 
von damaliger Art, fih zu tragen). Und hatt’ ich zu 
allem Stud einen großen welfchen Rod an, ben mir Herr 
Veit von Lenteräheim in Braband hat machen laffen. 
"Und wie ih dann neben jebt bemeldtem Poladen heraus⸗ 
fpring’, hatt’ ich ihm das huͤbſch' Haar mit dem Rod 
etwas erwifcht umd im einander verwirret; da erfehe ich 
ungefährlich im Springen, DaB er nach mir flicht mit 
einem ˖ Brodmeſſer, und hat doch mein verfehlet, welches 
mich nicht unbilig zum Born beweget, und wiewohl ich 
einen langen und Turzen Degen bei mir hatt’ (diefe Bes 
merkung, daß er mit zwei Degen verfehen gewefen, iſt 
auch nicht unwichtig), fo nahm ich doch das kurze Dege⸗ 
kein und ſchlug ihn damit um ben Kopf, wartet” aber 
doch nichts deſto weniger auf mein’n Dienft, wie denn ber 
Brauch war- und blieb Nachts im Schloffe. Auf Ver⸗ 
langen bed Beleidigten foll G. v. B. darauf geftraft wer⸗ 
den, weiches mit einem viertelftündigen Verhaft im Thurme 
abgethan wird, ba, wie er fagt: „ale Buben und Edel⸗ 


— —— —— 


12 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 
knaben bei mir ſtunden (b. h. fuͤrbittend auf meiner Seite 


ſtanden), die damalen bei dem Markgrafen am Hof' waren, 


und ich glaub', daß deren in die 50 oder 60 geweſen.“ 
Hieraus geht hervor, welche reiche Anzahl foldyer Knap⸗ 
pen und Evelfnaben auch an ben Eleinern beutfchen Höfen 
gefunden wurden, gefchweige nun an größern, und befons 
ders an den prachtvolleren Höfen Frankreichs. — 


Wie die Knappen ihren Herrk in bie Schlacht beglei: . 


teten, habe ich fehon oben im Allgemeinen bemerft, ein 
Beifpiel aus ©. v. B's Leben wird bied beutlicher zeigen: 
Die Haufen hielten in Schlachtordnung „und führt’ ich 
meinem Herrn dem Markgrafen einen großen Spieß, 
fammt einem großen Bahnen daran, nad, unb war ber 
Spieß weiß und fchwarz und hatt’ ich auf dem Helmlein 
eine große Feder, die war auch weiß und ſchwarz und 
fund ſtracks über ſich.“ Die erwähnten Farben find Lie 
brandenburgifchen Hausfarben. Damals war ©. v. B. um 
47 bis 18 Jahr alt. Ein paar Jahre nachher, im Jahre 


4500, fagt ©. v. B., nachdem er wieber von einigen „Hera 


umzügen gefproden: „das war das erfle Panzer und 
Harnifch, das ich anthätz fonft war ich für einen Jungen 
ziemlich verfucht und gebraucht worden in Kriegen: und 
anders, doch in Anabenweif’, und macht’ in biefem erſten 
Angriff bei dem Thalacker mit berührten Knechten und 
Reutern Kundfchaft, daß ich folgende als ein Junger 
(Sunter) wohl zwei Jahr mit ihnen ritt und ihnen an⸗ 


. bängig war." Hiernach geht das Knappenleben ganz nach 


Gutduͤnken bes jungen Reiterömamnes, bloß buch ven 
Sahress Abfchnitt, in ein Ritterleben über; benn . diefer 








3, Abtheil. Der Juͤngling 73 


Ausdruck „Harniſch nehmen“ bedeutet nichts anders, als 
Ritter werden. Dennoch nennt er ſich ſelbſt noch einen 
Jungen (GJunker), und als einen ſolchen ſehen wir ihn 
noch in :den zwei folgenden Jahren mit dieſen Reiter⸗ 
haufen, die ſich an alled anfchlofien, was nur zu Krieg 
und Streit führen konnte, umherziehen, keinesweges einem 
unabhängigen Ritterleben ſich ergebend. Vielmehr dienten 
damals die. Abelichen, ven Namen Junker führend, diefem 
und jenem im Kriege mit einem Meinen Faͤhnlein, das fie 
anführten, "wie num. guter ober boͤſer Geiſt fie leitete. 
Der eigentlihe Ritterfian war verloren, und fo auch bie 
ritterliche Bedentung ber Yahres > Abfchnitte. 

Noch deutlicher wirb dies in dem Leben bes weit 
fpäter lebenden Hans von Schweinichen, wo alles in ein 
unbeſtimmtes Herren = Dienen audartet. Da aber biefer 
Lebensabfchnitt des Hans von Schweinichen wieder voll 
ſehr ergöglicher Züge if und den lichteſten Bid auf bie 
legte Hälfte des 16 Jahrhunderts wirft, fo fcheint es mir 
nicht unwichtig, auch bier wieber Die eigentliche Gränze 
der Ritterzeit zu überfchreiten und einzelne Ereigniffe ans 
zuführen, um fo mehr, da auch diefe wicber eriduternd 
und erklaͤrend für das frühere Ritterleben find; 

„anno 4566 (alfo ald Schweinichen gerade 14. Jahr 
alt war) bin ich von, meinem Herrn Vater in die Schule 
zu Solbberg gethan worden, daß ich allda habe ftudiren 
folen. Ward fleißig unterwiefen, daß ich auch innerhalb 
4 Jahren zu bem, was ich vor konnte, gelernet, daß ich, 
was weine Nothdurft, Lateinifch reben, ein Argument 
auf einen halben Bogen machen Fonnte und bad) zu Gold; 


74 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


berg dieſe Zeit uͤber nicht einen einzigen Schilling alan⸗ 
get; außer daß mich M. Barth, der. mich ſonderlich in 
acht nahm, mit einer Ruthe auf bie Hände ſchmis, da 
ich ihm follte den Terentium rezitiren, -welchen ich Dies 
felbe Stunde nicht gelernt hatte, fagend: lernet ein ander 
Mal oder ich werde euch die Hofen herunterziehen. Weit 
aber: allbereit in meinem Haupte das Hofwefen, bei wels 
chem ich zuvor gewefen, ftedte, hatte ic) mehr Luſt zur 
Reiterei, als zu’n Büchern, und war mein Herz mehr dazu 
geneigt, als zum fleißigen Stubiren. Derowegen machte 
ich allbereit Anfchläge, wie ich möchte von Golbberg wegs 
fommen, Es wollte aber bei meinem Heren Vater nicht 
feyn, fondern allemal ermahnt, ich follte zum Studiren 
Luft haben; da ich fie nicht hätte, fo wuͤrden mir bie 
Präzeptored felbige-Faufen, mit guten Ruthen. Letztlich 
aber wurde ih am Fieber Trank, darauf ward ih heim 
geholt, ed war mir aber nicht fa fehr, als ich nachgehends 
mich ſtellte. Wie ich nun einmal anheim kam, da war 
ed bald aus; ‚denn es fonft auch zum Goldberg die rothe 
Ruhr zu regieren anfing. ‚Derowegen behielt mich ber 
Dater anheim; habe alfe, wie man pflegt zu fagen, die 
Schule durch den Bauch geflohen und dies, was in + 
Jahren gelernt, in vierzehn Tagen wieder vergeſſen.“ 
„Sonften habe ich in Goldberg die Freiheit gehabt, 
daß ich habe mögen auf die Hochzeit, fo oft ich gebeten 
worden, gehen, welches bie Andern nicht gehabt. Weil 
denn damals der alte Albrecht Bock ſchoͤne Töchter gehabt 
und fie oft in die Stadt zu Bürgerhochzeiten geladen 
wurden, habe ich, neben Hanns Schweinig, Freiherrn auf 





3. Abtheil. Der Juͤngling. Y5 


Fieleneck, welcher damals zu Goldberg flubiret, gemeinig- 
li eine Jungfrau führen muͤſſen. Wenn folches gefches 
ben, däuchte ich mich in meinem: Sinne, ich müfte ja ein 
tapferer Kerl feyn, weil ich zu diefem gebraucht warb, da 


bo ſonſten viel groß gewachſene Gefellen vorhanden : 


waren und biefe Würde nicht. befommen mochten. Sonder: 
lich erhub mich auch dies, Daß des Herrn Bod Tochter, 
Sungfer Käthlein, etliche Worte Latein konnte reden, und 
wenn fie mir eines lateinffch zutrank, daß ich ihe antwor⸗ 
ten konnte. Wußte ich nicht anders, ich Tünnte fo viel 
Latein, als ein Doktor und wäre nun gelehrt genug.” 
Diefer Bug des gefellfchaftlichen Lebens wird noch durch 
einige in ber Folge vermehrt werben. 

„Wie nun zuvor gemeldet — fährt Schweinichen fort 
— bin ih aus der Schule wieber anheim kommen und 
hernach meine Luft auf das Waidwerk geworfen, darin ich 
mich täglich gebraucht; mit Sperberreiten, Gaͤns und 
Antvogel Stellwerk, Windreiten die Zeit zugebracht, in 
der Wirthſchaft aber, wie zuvor gemeldet, meinem Herrin 
Bater zugefehen und ihm aufgewartet, mit ihm geritten 
und gefahren und fonft, wie es fi einem Zungen ge: . 
bührt, gezeigt, mich auch im beutfchen Schreiben. gelibt; 
habe dem Herrn Vater glle Kopeien feiner Schreiben ab» 
gefchrieben. Bin alfo nicht viel müßig gegangen, fondern 
ftündlich zu thun gehabt." — „Im Sabre 1567 hat mir 
der Herr Vater mein erfles Schwert gekauft, Davor er 
gegeben hat 34 Weißgroſchen; habe damals noch keinen 
Wein getrunken, fondern mich allezeit nüchtern gehalten.‘ 
(Nachher ward er ein großer umd berühmter Trinker, 


76 Erſter Abſchnitt. Jugenbleben. 


wovon beſonders im Ritterleben einige eigenthuͤmliche und 
dad ganze Zeitalter bezeichnende Geſchichten zu erzaͤhlen find.) 

Im Jahre 1569 zog H. v. ©. mit Herzog Heintich 
und feinem Vater zu einem Reichstage nach Bublin. 
„Darum fih Ihro 5. ©. auch flattlich ausrüftete, mit 


einem reiſigen Zeug, 80 Pferde ſtark — allda mein Vater 


und ich neben ihm auch mitziehen muͤſſen, ich meine gol⸗ 
dene Kette am Halſe, die Wehr aber mehrentheils unter 
dem Arme, als umgeguͤrtet getragen. Habe nichts weni⸗ 
ger aufgewartet und I. F. ©. nebſt den JIungen, neben 
fonft fechfen vom Abel, bad Efien tragen helfen; habe 
bei meinem Heren Vater im Wagen gefahren, außer bes. 
Einzugs zu Zublin, bat ber Vater fowohl als ich reiten 
mäflen, da JaF. ©. und Pferbe geliehen.“ — Dort gab 
auch H. Heinrich „ein groß Banket und hatte bie vora 
nehmſten Pohlniſchen Herren zu Gaſte, welches gar koͤnig⸗ 
lich zuging. Diefen Tag habe ich den brittn Bars 
fhneider an einer langen Zafel zum erflen Mal abge: 
geben und gemacht, fo gut ichs vermocht. Wie wohl ich 
vor Anbern berühmt war, daß ichs gut gemacht.‘ Dies 
ift eim beweifendes Beifpiel bes in ben allgemeinen Zus 
- fammenftelungen Eingangs diefer Abtbeilung bemerkten 
Gebrauchs, daß Knappen die Vorfchneiber machten, auch 
für Deutfchland, — Wenn H. b. S. auch meiſtentheils 
bei feinem Vater auf dem Gute Mertſchuͤtz blieb, fo ‚ers 
zählt er doch, daß er „etliche Mal von 3. 8. ©. ‚Herzog 
Heinrich nach Riegnig zum Aufwarten erfordert wors 
den’ ſey. Dann ift er aber auch „zun Nachbaren auf 
Hochzeiten, Kirmes und Taufen, jedoch allemal bapin ger 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 77 


beten, gezogen”. Sonft aber befchäftigte er fih vorzügs 
ih mit dem „Waidwerk, wozu er folche Luſt hatte, daß 
er davor nicht ſchlafen noch eſſen konnte“. 

Bis gegen fein zwanzigftes Jahr hatte ſich H. v. S 


vom Lafter bed Trunks, bad damals in Deutfchland fo 


fehr im Schwange .ging und die Deutfchen auch außer⸗ 
. halb ihres Vaterlandes berüchtigt machte, entfernt gehalten. 
Wie er aber auch dazu gekommen unb hernach ein fo gros 
fer Trinkmeiſter geworden, erzählt er folgender Geftalt: 
„Es trug fich aber zu, daß mein Herr Vater gute Weine 
im Keller hatte, und da er einmal auf die Dochzeit (hier 
wohl, wie immer im Altbeutfchen, eine jebe große Zeier: 
lichkeit) ziehen follte, hatte er Jungen (Junker, Kappen) 
zu fich. erbeten, fo mit ihm dahin zeiten wollten. Dars 
unter einer Kadpar Ede von Tfiſchwitz, welcher auch gar 
ein ‚junges Blut war; mit bem nahm ichs in Mein 
an (d. h. verabrebete mit ihm eine Art Weinturnier, wer 
den anbern zuerſt unter ben Zifch trinten würde). Wie 
wir nun trinken und tch des Weines ungewohnt war, 
währet es nicht lange, daß ich mich unter dem Tiſch fand 
and fo vol war, daß ich weder gehen, noch fiehen, nod) 
seven konnte, ſondern ward alfo weggetragen, ald ein 
tedter Menfch. Habe ich hernach zwei Nachte und zwei 
Tage nach einander gefchlafen, daß man nicht anders ges 
ment, ich werde fierben, aber gottlob, es ward beffer. 
Inmittelſt babe es nicht. allein gelernt, Wein zu trinken, 
fondern auch gemeint, es wäre unmöglich, daß mich einer 
vollfaufen . Tönne,, und habe es hernach ſtark Fontinuirt. 
Ob es aber mir zur. erlitt und Geſundheit gersichet, 


78 Erſter Abſchnitt. Jugendleben. 


ſtelle ich an ſeinen Ort.“ — Bei fuͤrſtlichen Feierlichkeiten 
mußte H. v. S. immer in Liegnitz erſcheinen; fo trug er 
bei der feierlichen Beerdigung Herzog Friedrichs vor dem 
Sarge Lichte vorauf, und eine Tochter Herzog Heinrichs 
trug er in Gefellfchaft 23 Anderer zu Grabe. Alfo lauter 
Befchäftigungen, die einem Knappen gebührten. Dann 
sitt er aber auch „auf Hochzeiten und fonften, wohin er 
‚gebeten worben, jedoch ganz und gar nicht unfrieblic, 
wie die Zeit gebräuchlich war, ſondern“ — welches alles 
bedeutend fuͤr die Erkenntniß jener Zeit iſt, ſagt er — 
„habe mich mit Jedermann wohl vertragen, daß ich mit 
Befland kann fagen, fo ich wüßte, keine Gefellfchaft einiz . 
gen Unwillen auf mich gehabt; denn ich fraß und foff mit 
zu halben und ganzen Nächten und machte ed mit, wie 
fie e8 haben wollten. Waren fie empfindlich‘, fo gab ich 
nichts nach, fondern ſchnarchte au, gaben fie nach, fo. 
war ich auch gut. Allein fahe ich auch bahim, zu wem 
ich ‚mich hielte, daß ich mich nicht zu ben Perfonen, fo 
Feindehaber waren, viel um fie brängte, noch mit ihnen 
umging.“ Dies find alles bedeutende Sittenzlige für bie 
Beit der letzten Hälfte bes 16ten Jahrh. Sie zeigen, in 
. welch einen großen Verfall das frühere zierliche Ritterleben 
gerathen war, wie alles, aus einer rohen Zeit fchon kom⸗ 
mend, der Völlerei und anderer Rohheit fi entgegen 
brängte. Dennoch ift in dem, was ich bereitö mittheilte, — 
und in anderm, was ieh fpdterhin erzählen werde, wird 
dies noch deutlicher werben, — ein noch immer vitterlicher 
Sinn, ein erhelendes Licht edlern Strebens nicht ganz zu 
verkennen, als ein erfreuliches Zeichen, daß bie edlere 


3. Abtheil. Der Juͤngling. 79 


Natur im Menſchen ſich immer wieder aufrankt, moͤgen 
fie auch die Fluthen einer laſterhaft werdeuden Zeit uͤber⸗ 
flürzen. = 
Wie konnte es aber auch anders ſeyn? Bon ritters 
lichen Uebüngen erzählt und H. v. ©. nihtd; von freund⸗ 
lichem Saitenfpiel, lieblichem Gefange, anmuthigem Sagens 
erzählen, worin das eigentliche Ritterthum fich fo freudig 
erging und feine Wurzeln mit darin heftete und fand, 
wird und gar Feine Kunde. Wir fehen H. v. S. nur als 
einen höher Bedienſteten des Herzogs von Liegnitz; und 
daß er dabei ein guter Land- und Haus= Wirth war, ein 
ruͤhmliches Beftreben,. befonders in einer Zeit wachfenden 
Verfalls, erfahren wir auch von ihm ſelbſt, und zwar in 
folgenden Worten, die ald ein Gegenſtück zu Zriftans 
und Ulrihd von Lichtenflein ritterlicher Erziehung gelten 
mögen: „Im Jahre 1571 (er war beinahe 20 Jahr alt) 
„war ich daheim, mußte dem Herrn Vater die Mühle 
verfehen, mit Ausmegen und vor’5 Hans zu malen und 
davon Rechnung und Befcheid geben, auch fonflen im der 
Wirthſchaft fleißig zufehen helfen, und wenn ich daheim 
war, fo mußte ich auch die Gäfte mit Saufen bewirthen 
und bie Fiſcherei verfehen, alles Futter ausgeben, auch 
mit den Drefchern aufheben und fonften verrichten, was 
möglich.” Ja, diefe Nachrichten Aber wachfende Gemein⸗ 
beit und Unfläterei, immer die Folgen, wenn das Geiftige 
und Hoͤchſte, das Willen, zuruͤckgedraͤngt und bem Leibe 
ein ungebührliches Vorrecht eingeraͤumt wird, aus dem 
verzerrten Satze, daß in einem gefunden Körper auch eine 
gefunde Seele wohne, indem in einem unflätigen Körper 


80 Erſter Abfhuitt, Sugendleben. - 


nur eine unflätige Seele Platz nimmt — diefe Nachrich⸗ 
ten des 16. Jahrh., ſage ich, ſteigen durch eine Erzaͤhlung 
bes H. v. ©. bis aufs Hoͤchſte, indem er fagt: „Es 
waren biefer Zeit im Lande Unfläter, fo man die 27 hieß, 
welche fich verfhworen hatten, wo fie hinfämen, unflds 
tig zu ſeyn, auch wie fie irgend ed möchten anfangen. 
tem, es follte Feiner beten, noch fi) wafchen und ans 
dere Gotteötdflerungen mehr; welche denn zu vieren und 
fünfen auf einmal öfters bei meinem Herrn Vater ges 
wefen, aber wenn id ſchon um fie war, bin ich boch mit 
‘ihnen niemals aufftößig worden.“ 

Wie bei G. v. B., finden wir beim H. v. S. Feine 
Spur mehr von einem Ritterfchlage, vielmehr erzählt er 
bloß beim Anfange bed Jahres 1572, wo er alfo 20 Jahr 
alt ward, daß er „zu einem Junker geworden,’ d. h. zu 
einem ritterlihen jungen Deren, ber als ritterlich ans 
gefehen wurbe, aber nicht die volle Ritterwürbe bekleidete, 
da fein Vater noch lebte; dagegen verfah er nach wie vor 
bei dem Herzoge feine Dienfte und wurbe als ein Hof—⸗ 
junfer gehalten. Dan fieht aber deutlich daraus, wie die 
Geſetze und Satzungen ber alten Kitterfchaft damals 
ſchon zerfloffen waren. Ganz wie vorhin febt H. v. ©. 
feine Beichäftigungen durch Herumtreiben im Lande, 
Waidwerk, häusliche unb wirthfchaftliche Hülfe bei feinens- 
Vater fort, und wartet, wie gefagt, bei dem Herzoge als - 
Hofiunter auf. Bon feinem Ritterthum, ober wenigs 
ſtens, daß er nunmehr als Ritter betrachtet ward, erfolgt 
erft beim Jahre 1574 eine nähere Anzeige, wodurch jener 

Wink, er fey Junker geworben, mehr erflärt wird, inbem 


3. Abtheil. Der Jüngling, 8 


er fagt: „Kurz hernach warb von I. Kaif. M. eine Mus 
flerung in Schlefien angeftelt, darauf warb ich auch von 
J. F. ©. mit einer Rüftung, anflatt der Ritter 
Dienfte wegen meines Herrn Batern, gefordert.‘ 

Sp zeigt fih der deutliche Weg, wie das game Ritz 
terwefen immer mehr verfchwand und das Hofweſen fich 
immer weiter ausbehnte, um alle ritterlihe Würde und 


Tuͤchtigkeit zu verfchlingen. 


Zweiter Abſchaite. 


Ritterleben. 


6* 


PS | 


Erfie Abtheilung. 





Ritterſchlag und Ritterwuͤrde. 


Schon oben habe ich bemerkt, daß Tacitus uns erzaͤhlt, 
wie bei Ueberreihung des erflen Schwertes die Deutfchen 
gewifle Feierlichkeiten feftgefegt hatten. Es war dies alfo 
ein Gebrauch, den die Ritterzeit aus ber Heldenzeit ent= 
lehnte oder vielmehr mit übernahm, und ganz falfch würde 
es feyn, von der Zeit an, in welcher diefe Sitte erfcheint, 
fhon das Daſeyn bed Ritterthums herleiten zu wollen. 
Wir finden diefen Gebrauch, um fo den Weg zu zeigen, 
den er von Attefter Zeit. biö zum Ritterthum nahm, auch 
unter den Karolingern; fo Überg&b 3. B. Kaifer Karl der 
Große feinem Sohne Lubwig dem Frommen, den er aus 
Aquitanien hatte kommen laffen, unter gewiſſen Feierlich⸗ 
feiten das Schwert und die ganze kriegeriſche Ruͤſtung. 
Ein Gleiches that diefer Ludwig ber Fromme 838 mit 
feinem Sohne Karl. Es ift dies die erfle Wehrhaftmachung 
des zum Juͤngling Gereiften, bie ich fchon oben bei ber 
Feierlichkeit erwähnte, die Start fand, fobald ein Ebdel- 
Inappe zum Knappen erhoben ward. Gar etwas Höheres 


80 Zweiter Abſchnitt. Ritt erleben. 


und Anderes aber war der Ritterfchlag, welcher nur 
feit Entſtehung bes eigentlichen Ritterlebens vorkommt; 
denn „die Ritter ſind von ſehr großem Werth, ſie beſitzen 
unter allen Menſchen die groͤßten Vorzuͤge, ſowohl Lob 
als Herrfchaft” (Roman de Floire et de Blancheflor). 
Die Ritterwürde wurde als bie höchfte Ehrenftufe im Krie: 
gerleben angefehen, und Kaifer und Könige hielten es 
* ihrem Range durchaus entfprechend, Ritter zu feyn. Oben 
führte ich bereits ein Beifpiel von dem Grafen von Tou⸗ 
loufe an, der noch im 50. Jahre Ritter ward, da feine 
koͤniglichen Schwiegerföhne es für eine Schande hielten, 
einen Schwäher zu baben, ber nicht Ritter war. Daber 
fagten alte Schriftfleler: „Vorzug und Ehre find in Sa⸗ 
chen, wo e8 auf bie Waffen anfommt, bad Kennzeichen 
der Ritterſchaft.“ Und nad dem Ritter de la Tour (in 
feinem guidon des guerres) waren „die Ritter in bem 
Kriegsftande dad, was die Magifter und Doctoren in ans 
dern Wiffenfehaften waren,” d. h. ben hoͤchſten wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Würden entſprach die höchfte Eriegerifche Würbe, 
ber Ritterfland.. Oft fprechen die alten Gebichte das Lob 
der Ritterfchaft und Ritterwuͤrde aus, 3. B. Parzifal V. 
481286 beißt es: 

Des scildes ambet ist so hoch, 

Daz der von spotte je sich gezoch (dem Spotte 


immer ſich entzog ˖ zc.) 
Swer riterscaft ce rehte pflach. 


Die Ertheilung ber Ritterwinde hat mit ben Feier⸗ 
lichleiten Zufammenhang und Aehnlichkeit, welche bei Ers 
theilung eines Lehens Statt fanden, und es iſt Feinem 


1. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwürde. 87 


Zweifel unterworfen, daß beides eine Verbindung hat, 
um fo mehr, da in ber fruͤhſten Zeit durch das Wort 
miles ein Lehnmann, em Vaſall angebeutet warb, und 
erſt das 413. Jahrh. brauchte in dem Nitterzeitalter das 
Wort miles für Ritter Eine nähere Auseinan⸗ 
derfegung biefes Verhältniffes gehört in bie Geſchichte 
des Lehnwefens und in bad Lehnreht. Aus dieſen 
Urfprungsgrünben war aber auch dad Recht, den Ritter⸗ 
ſchlag zu ertheilen, in ben Händen mehrer Perfonen, und 
nicht allein Kaifer, Könige und andere weltliche Fuͤrſten 
verliehen dieſe Wuͤrde, fondern auch fogar Biſchoͤfe. Eben 
fo hatte aber auch ein einmal zum Ritter gefchlagener Mann 
das Recht, diefe feine Würde dur den Ritterſchlag Ans 


dern zu ertheilen. Ia man hat Beifpiele, daß ein kaum * 


erſt geworbdener Ritter fofprt feine neue Würde Andern 
ertheilte. Die Chronik yon St. Denys, welche Mabillon 


bekannt machte, erzählt, baß, als Philipp, ber Sohn Philipp 


des Schönen, Königs von Frankreich, an dem Pfingſt⸗ 
fefte feine 3 Söhne, Ludwig, Philipp und Karl, zu Rittern 
machte, biefe Prinzen darauf ſogleich vierhunbert ans 
dere Knappen zu Rittern ſchlugen. Gin gleiches Beifpiel 
erzählt die Chronik des Gottfried von Vignois: als Mal⸗ 
tolm, König von Schottland, bei ber Belagerung von 
Zouloufe den König Heinrich von England begleitete, 
wurbe er von biefem zum Ritter erhoben und machte nun 
. auf der Stelle dreißig Andere dazu. Die Ehre, bei koſt⸗ 
baren und prächtigen Feſten die Waffen erhalten zu haben, 
bei denen gewöhnlich ber Herr, welcher den Ritterſchlag 


vollzog, alle Koften übernahm, wovon ich gleich Beifpiele 


88 Zweiter Abſchnut. Mitterleben. 


anführen werde; die hierbei gewöhnlichen Austheilmgen 
"von Kleidungen, von reichem Pelzwerk, koſtbaren feidenen 
Zeuchen, praͤchtigen Mänteln, Waffen, Edelfteinen und 
Geſchenken aller Art, auch Gold und Silber nicht aus⸗ 
genommen, dad man in Menge fchentte — alle dies mußte 
die ohnehin ehrbegierige Iugend noch mehr entflammen, 
aus den Händen fo milder Herren bie Ritterwürde zu 
verdienen und zu erlangen. Mit Bezug auf dieſe freiges 
bige Gewohnheit fagt dad alte Gebicht l’Ordre da Che- 
valerie: „es ift billig, daB man an dem Zage, an wel⸗ 
chem die Ritterwärbe ertheilt wird, ein großes Feſt anz 
ſtellt, fchöne und anfehnliche Geſchenke austheilt, große 
Gaſtmahle zubereitet, Ritteruͤbungen und alles Uebrige vor⸗ 
nimmt, was zu einem Ritterfeſte gehoͤrt. Und der Herr, 
welcher den neuen Ritter ernennt, muß dieſen nebſt den 
uͤbrigen Rittern beſchenken. Auch muß an dieſem Tage 
der neue Ritter die uͤbrigen beſchenken; denn wer ein ſo 
wichtiges Geſchenk, als der Ritterſtand iſt, erhaͤlt, der 
verlaͤugnet ſeinen Stand, wenn er nicht ſo, wie es ſich 
gebührt, Gaben austheilt.“ 

Die Gebräuche nun, welche hauptfächlic dabei Statt 
fonden, find: der Knappe mußte fich einem firengen Faften 
unterwerfen; dann brachte er mit einem Priefter und mit 
einem Beiſtande, welcher in das Verhältnig eined Tauf⸗ 
yathen zu. feinem Täuflinge gegen ihn trat, die Nacht 
vorher wachend und in Gebetsübungen zu; hierauf mußte 
er in eimer Kapelle oder Kirche feierlih und andaͤchtig 
Buße thun, und der Priefter ertheilte ihm barauf, nachdem 
er ihm das Schwert um ben. Hals befefligt, das heilige 


1. Abtheit.. Ritterſchlag und Rittermürbe. 89 


Abendmahl. Bisweilen wurde auch zur Reinigung ein 
Bad am Tage vorher‘ ald nothwenbig erachtet, aber burchs 
aus nothmendig war die weiße Kleidung der Snappen, 
welche die Ritterwürbe erwarteten. Diefe weißen Kleider 
müflen wir als eine allgemeine, freundliche Sitte ber Zeit 
betrachten, bie ſelbſt auch durch dußere Kleidung eine geis 
flige ober herzliche Richtung anzudeuten fuchte. Darum 
zu Handlungen, in denen ein reines, lauteres Gemüth und 
Herz voramdgefeßt ward, bie weiße Kleidung, und zu 
denen, wo ein befrübtes Herz eintrat, die fchwarze Klei⸗ 
dung. In diefem Sinne legten vormals auch die Könige 
von Großbritannien am -Abend vor ihrer Krönung weiße 
Kleider an, ald ein Zeichen ihrer Reinheit. Ja auch das 
Lebloſe ward zumeilen zu Lebendigem durch bie Einbil: 
dungsfraft ober feine Beftimmung erhoben, und erfuhr 
dann eine gleiche Behandlung. Daher: zur Zeit, als bie 
Siodentaufen noch gebräuchlich waren, ber Gebrauch, 
die Glocke, nachdem fle vorher getauft, gefalbt, beräuchert 
und eingefegnet war, mit einem weißen Hemde zu beffei- 
den, und fie dan unter Sefang und Gebet zu ihrem 
hohen Sitze auffleigen zu laffen. 

Dies waren die, Vorbereitungen zu bem Ritterfchlage, 
ehe die näheren Feierlichkeiten begannen. Nachdem num 
dies alles erfuͤllt war, trat der Knappe in bie Kirche, das 
Schwert, wie bereitö angegeben, mit einer Binde um ben 
Hals gehängt. Bor den Altar getreten, nahm er «8 ab 
und überreichte e8 dem Priefter, der es feierlich einfegnete. 
Nach der Einfegnung legte ihm ber Geiſtliche wieder das 
Schwert um den Hals. Nun begab fih der Knappe in 


90 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſeiner einfachen Kleidung mit gefaltenen Haͤnden hinweg, 
zu dem hin, welcher ihm die Ritterwuͤrde ertheilen ſollte, 
welcher ſich entweder in der Kirche oder Kapelle ſelbſt be⸗ 
fand, oder auf einem Saale ſeines Schloſſes, auch auf 
dem Hofe der Burg, ja ſogar auf freiem Felde war, we⸗ 
nigſtens ſich befinden konnte, und kniete vor ihm nieder. 
Der, welcher dem neu zu Weihenden das Schwert uͤber⸗ 
reichte, fragte ihn darauf, in welcher Abſicht er in den 
Orden der Ritter treten wolle. Das ſchon angeführte 
Werk, NOrdre de Chevalerie erklärt ſich darüber fo: 
„Derjenige, welcher bie Ritterwürbe ertheilt, muß von 
dem, der fie begehrt, erfahren, in welcher Abficht er fich 
- am folche bewirbt; thut er dies, um reich zu werben, um 
in Ruhm und Ehre zu leben, ohne dem Ritterftande Ehre 
zu machen, fo ifl er ihrer unwuͤrdig.“ — „Schließt daher 
“ — fährt das genannte Werk fort — einen Knappen, ber 
nur nad eitlem Ruhme firebt, ber nur kriecht und ſchmei⸗ 
chelt, von ber Ritterwürde aus; denn ein folcher unterhält 
die verberblihen Sitten, die ein Ritter, vermöge feines 
Standes, aus dem Wege rdumen fol; er vernichtet ben 
Edelmuth, ber bad Loos eines Ritters feyn muß." . Die 
Wuͤnſche des neuen Ritterd mußten nur auf die Beſchuͤz⸗ 
zung und ben Preis der Gotteöverehrung und ber Ritters 
[haft abzwecken. Damit aber nicht ber neue Ritter ein 
Verfprechen ablege, das der Meinung und bem Streben 


feines Herzens, ehtgegen lief, fo ſetzten auch barüber alte 


Beflimmungen das Gehörige feſt. „Keiner darf — heißt 
es in einem folchen Geſetze — zu ber Ritterwuͤrde erhoben 
werben, von dem man nicht weiß, wie er für das gemeine 


-. Am 





4. Abthell. Ritterſchlag und Ritteswärde 91 


Befte und dad Wohl des Reichs gefinnt ift, ob er geneigt, 
den Befehlen des Herrfcherd gemäß, alle Uneinigkeiten bes 
Volks guͤtlich beizulegen, und ob er bereitwillig, alle Hins 
derniffe ded aflgemeinen Wohls, die er entbedt, fo viel 
in feinem Vermoͤgen ſteht, wegzuraͤumen.“ Dabei ward 
auch auf das Aeußere bes Knappen gefehen, und es follte 
nach den Geſetzen ber Ritterfehaft Feiner aufgenommen 
werben, ber lahm fen ober ein anderes koͤrperliches Ges 
brechen trage, welches ihm bei feinen Kriegeöverrichtungen 
auf irgend eine Art binderlich feyn koͤnne, er möchte auch 
noch fo reich, noch fo vornehm feyn, ober auch noch fo 
viel Muth haben. | 

Hatte ber die Ritterwärbe Wünfchende folche Ants 
worten erteilt, welche man erwartete, fo willigte derjenige, 
der die Ritterwürbe verleihen folte, in fein Begehren und 
nahm ihm einen Eid ab, Nun wurbe ber neue Ritter 
von einem ober mehren anbern. Kittern, zuweilen auch 
von Frauen oder Fraͤuleinen, mit allen aͤußern Zeichen 
des Ritterſtandes bekleidet. Man überreichte ihm die 
Waffenſtuͤcke meift in der Folge, wie ich fie nacheinander 
enführe: die goldnen Sporen, wobei gemöhnlid mit dem 
linken der Anfang gemacht warb, (doch fagt eine Stelle 
im Lancelot du Lac: nachdem der rechte Sporen dem 
neuen Ritter angelegt war, wie es damals die Gewohn⸗ 
beit mit fich brachte) das Panzerhemde, den Harnifch, 
die Armbleche und die Panzerhandſchuhe; dann glrtete man 
ihm das Schwert um, welches er vorher an feinem Halfe 
getragen hatte, und dies um ben Leib gefchnalte Wehrge: 
bänge (cingulum militare), woran dad Schwert hing, 


ı. 


92 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


erhielten nur die Ritter, nicht etwa die Knappen, wie 
einige geglaubt haben, bei ihrer Wehrhaftmachung, dei 
welcher zwar die Knappen auch ein Schwert, aber in 
ganz verſchiedenem Sinne, erhielten. War nun der Ritter 
ſo ausgeruͤſtet, ſo ſenkte er ſich demuͤthig auf die Knie. 
„Der Knappe muß fi — wie das alte Gedicht ’Ordre 
de Chevalerie fagt — auf bie Knie vor dem Xltare 
werfen; er muß die Augen feines Leibes und feines Geis 
ſtes zu Gott erheben und feine Hände zum Himmel auss 
ſtrecken.“ _ Darauf erhob fich derjenige, welcher ihm bie 
Ritterwuͤrde ertheilen folte, von dem Site oder bem 
Throne, auf welchem er faß, und gab ihm ben Ritter: 
fhlag (franz. Accolade). Dies waren gewöhnlich drei 
Schläge mit dem bloßen flachen Degem auf bie Schulter 
ober den Hals besjenigen, ben er zum Ritter machte; zus 
weilen war es aud ein Badenftreich mit der flachen Hand. 
Dies follte ihn an fein Verfprechen erinnern, an bad 
wichtige Amt, welches er übernommen hatte, und an bie 
große Ehre, die ihm durch die Ritterwürbe ertheilt war. Aber 


auch “auf die Befchwerden folkte er hingewiefen werben, 


auf bie er fich vorbereiten und die er flanbhaft fragen 
müßte, wolle er feinen Stand auf eine wiürbige Art bes 
haupten. Bei Ertheilung diefer leiſen Schläge ſprach aber 
der Ertheilende folgende oder benen ähnliche Worte: „Im 
Namen Gottes, des heil. Michael und bed heil. Georg 
mache ich dich zum Ritter. Die Namen ber beiden hei⸗ 
ligen ritterlichen Engel wurden meift gewählt, doch konnte 
auch ber Beiftand anderer Heiligen angerufen werben. 
Sp bat 3. B. der Ritter Seintre, als er einen Zelbzug 








4 Abtheit. Ritterſchlag und Ritterwürbe. 93 


gegen bie Ungläubigen in Preußen unternehmen wollte, 
den König von Böhmen, ihm die Ritterwürbe „im Namen 
Gottes, der heiligen Jungfrau und bes heil. Dionyfius‘‘ 
zu ertheilen. Oftmals wurden noch die Worte hinzuges 
fügt: „ſeyd tapfer, umverzagt und getreu!” Nun fehlte 
ihm nichtd mehr zu feiner Ausruͤſtung, als Helm, Schild 
und Lanze, welhe ihm auch alöbald überreicht wurden. 
Man führte ihm dann ein Pferd herbei, auf welches er 
fi, oft ohne Hülfe des Steigbügeld, in ganzer Ruͤſtung 
fhwang. Er tummelte das Pferd umher, ſchwang feine 
Lanze und machte allerhand Schwingungen mit feinem 
- Schwerte, welches indeſſen Fein wefentliches Erforders 
niß war. Dagegen fagt das fchon oft angezogene Werk 
l’Ordre de Chevalerie: „der neue Ritter muß in ber 
Stadt herum reiten und fi dem Volke zeigen, Damit 
jebermann erfahre, baß er vor Furzer Zeit die Ritterwürbe 
erhalten hat, und daß er verbunden ift, die Ehre ber Rits 
terfchaft zu handhaben und zu vertheibigen; biefes wird 
ihn um fo mehr abhalten, fchlihte Handlungen zu beges 
hen; denn wegen feiner großen Schambhaftigfeit gegen 
Leute, welche dem Ritterftande Dienft und' Ehre erweifen, 
wird er fich oft enthalten, wider die Grundfäge ber Rit⸗ 
terfchaft zu verfloßen.” Man fand es auch recht, daß ber, 
welcher zur Vertheidigung des Volkes beſtimmt war und 
der Richter des Volks ſeyn ſollte (wie wir weiterhin 
ſehen werden), auch bald dem Volke bekannt wurde; denn 
die alten Dichtungen ſagten, daß der heil. Schrift nach 
drei Staͤnde in einem Staate nothwendig waͤren: „Ritter 
zur Beſchuͤtzung und Vertheidigung, Priefler zur Verrich⸗ 


94 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


tung ber Andacht, und Arbeiter ober Landleute zur Be: 
bauung bed Landes." Wir drüden es noch durch die drei 
befannten Namen: Wehr⸗, Lehrs und Nährftand aus, 
Sp vergleicht auch ein franzdfifcher Dichter die Kirche mit 
dem Haupt bed Menfchen, die Ritterſchaft mit feinen 
Armen, und ben Stand der Bürger, Kaufleute mit ben 
übrigen Gliedern bed Leibes. 

Mehre der erwähnten Zeierlichleiten waren mit eige: 
nen Gebeten und Formeln verbunden, welche noch in alten 
Sormelbüchern aufgehoben find und z. B. in dem Theätre 
d’honneur et de chevalerie par Favin p. 89. 90. ab⸗ 
gebrudt worben find. Diejenigen Obliegenheiten, welche 
der Ritter bei Ertheilung feiner Würde übernahm, und bie 
er befchwören mußte, find von la Colombitre im theätre 
d’honneur Jet de CThevalerie I. 22. aufgezeichnet und 
wenn biefe Säse in ihrem ganzen Umfange nır von den 
franzöfifchen Rittern beſchworen wurben, und vielleicht kaum 
von allen, fo find fie doch für die ganze Nitterzeit bedeut⸗ 
fam und verdienen eine Anführung. Sie waren: 

4) Sott fromm zu fürchten, zu verehren und. zu bies 
nen, für den Glauben aus allen Kräften zu ftreiten und 
lieber einen taufendfachen Tod zu "erleiden, als je dem 
Chriſtenthume zu entfagen, 

23) Ihrem gebietenden  Fürften treu zu gehorchen und 
fuͤr ihn und ihr Vaterland tapfer zu kaͤmpfen. 

3) Fuͤr Erhaltung des guten Rechts der Schwachen 
in rechtmaͤßigen Klagen zu ſorgen, beſonders fuͤr Wittwen, 
Waiſen und Jungfrauen, und ſich dem, was die Nothwen⸗ 
digkeit heiſcht, für fie zu unterziehen, doch ohne daß es 


t 


4. Abtheil. Mitterfhlag und Ritterwärden __ 


gegen ihre eigene Ehre ober gegen ihren König ober ihren 
angeborenen Zürften ftreite. 

4) Sie folten niemanden boshafterweiſe beleidigen, 
niemals fich das Gut eines Andern anmaßen, ſondern viel⸗ 

mehr gegen die kaͤmpfen, die es antaſteten. 

5) Daß Geiz, Belohnung, Gewinnſt und Vortheil 
fie nie bewögen, irgend eine Handlung zu unternehmen, 
fondern nur allein der Ruhm und die Tugend. 

6) Daß fie für das Wohl und den Nugen ber öffents 
lichen Sache. firitten. | 

7) Daß fie den Befehlen ihrer Obern und Haupt⸗ 
leute, bie ein Necht hätten, ihnen zu befehlen, gehorchten. 

8) Daß fie die Ehre, den Rang und Orden ihrer 
Genoſſen in gutem Andenken hielten, und daß fie nichts 
aus Stolz oder Gewalt gegen irgend einen berfelben uns 
ternähmen. 

9) Daß niemals mehre gegen einen Fämpften, und 
daß Betrug fo wie Arglift immer von ihnen entfernt wären. 

10) Daß fie nur einen Degen trügen, es fey denn, 
daß fie gegen zwei ober mehre ftreiten müßten. 

41) Daß fie fih in einem Zurnier, oder in einem 
andern Kampfe zum Vergnügen, niemals der Schärfe 
ihres Schwertes bedienen follten. 

42) Daß fie, ald Gefangene in einem Turnier, bei 
Treue und Ehre die Bedingungen des Unternehmers von 
HYunct zu Punct erfüllen müßten; oder fie müßten ihre 
Boffen und ihre Roſſe dem Sieger Übergeben, wenn er 
fie Haben wollte, und dürften ohne feine Erlaubniß in kei⸗ 
nem Kriege ober anderswo mit flreiten. 


eo‘ 





Bwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


43) Ihre Treue müßten fie unverletzlich aller Welt 
halten, und befonders ihren Genoflen, aus deren Ehre 
und Vortheil in ihrer Abwefenheit erhalten, 

14) Einer müfle den andern. ehren und lieben, und 
Hülfe und Beiſtand allemal leiften, wann fich die Gele- 
genheit zeigte; auch Feiner folle gegen ben andern fireiten, 
ed fen denn, daß ed aus Irrthum geſchehen waͤre. 

15) Daß, wenn ſie das Geluͤbde oder Verſprechen 
geleiſtet haͤtten, irgend ein Unternehmen oder wichtiges 
Abenteuer zu beſtehen, ſie niemals die Waffen ablegten, 
ausgenommen bei naͤchtlicher Ruhe. 

16) Daß ſie bei Verfolgung ihres Unternehmens oder 
Abenteuers niemals die boͤſen und gefaͤhrlichen Paͤſſe ver⸗ 
mieden, auch ſich nie von dem geraden Wege abwendeten, 
aus Furcht, ſtarken Rittern zu begegnen, oder Ungeheuern, 
wilden Thieren, oder andern Hinderniſſen, welche die Kraft 
und den Muth eines einzigen Mannes uͤberwinden koͤnnen. 

17) Daß ſie niemals einen Lohn oder eine Beſoldung 
von einem ausheimiſchen Fuͤrſten annehmen ſollten. 

18) Daß, wenn fie bewaffnete Haufen befehligt en, 
welche zur Sicherheit des Landes gebraucht wuͤrden, ſie 
immer auf die moͤglichſte Ordnung und Befolgung ihrer 
Befehle ſehn ſollten, und beſonders in ihrem eigenen 
Lande, wo ſie nie leiden ſollten, daß irgend ein Schade 
angerichtet oder eine Gewaltthaͤtigkeit begangen wuͤrde. 

19) Daß, wenn ſie verpflichtet waͤren, eine Frau 
oder Jungfrau zu führen, fie ihr dienen, fie beſchuͤtzen 
und erretten follten aus allen Gefahren und aus jeber 
Beleidung, oder eher den Tod finden, 


4. Miheil. Ritterfchlag und Ritterwärde, 97 


20) Daß fie niemals Frauen ober Iungfrauen Ge: 
walt anthun folten, wenn fie fie auch durch ihre Waffen 
erobert hätten, ed ſey denn mit ihrem Wiſſen und Willen, 

21) Daß, wenn gleicher und ehrlicher Kampf an ihnen 
gefucht würde, fie ihm nie verweigerten, es fey denn, daß 
Wunden, Krankheiten ober anbere wichtige Verhinderungen 
ſie davon abhielten. 

22) Daß, wenn fie es beſchloſſen haͤtten, ein Unter 
nehmen zu enden, fie Jahr und Zag baran wenden müß- - 
ten, es ſey denn, daß fie zum Dieufle ihres Königes und 
ihres Baterlandes zuriidgerufen wuͤrden. 

23) Daß, wenn fie ein Geluͤbde gechan hätten, irgend 
eine Ehre zu erlangen, ſie ſich nicht eher zuruͤckziehen 
duͤrften, als bis ſie dieſelbe oder wenigſtens eine verhaͤlt⸗ 
nißmaͤßige Entſchaͤdigung erlangt haͤtten. 
| 24) Daß fie fehle Beobachter ihres Wortes und ihrer 
gegebenen Treue wären, und daß, wenn fie in ehrlichen 
Kampfe zu Gefangenen gemacht worden wären, fie unver 
zuͤglich das verſprochene Löfegeld zahlen, oder fich wieber 
in Haft nah Tag und Zeit ihres geleiſteten Verfprechens 
ſtellen müßten, wibrigenfaßs fie für chrlos und meineibig 
erflärt werden follten. 

25) Daß fie, bei dee Ruͤckkehr zum ‚Hofe ihres Bes 
bieters, eine wahrhafte Erzaͤhlung ihrer Abenteuer liefern, 
ja fogar dann, wenn fie zu ihrem Nachtheil gereichten,, bei 
Strafe der Verfloßung aus der ritterlichen Gefellfchaft. 

236) Daß fie in jedem Kalle treu, Höflich und demuͤ⸗ 
thig ſeyn ſollten, auch niemals ihr Wort brechen, es möge 
dabei auch auf dem Spiele flehen, was ba wolle. 

. Ä — 7 


s 
t 


08 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Daß zu dieſen 26 Sägen eine ſpaͤtere Zeit, als das 
eigentliche Ritterthum ſich mehr in ein abhaͤngiges Heeres: 
wefen auflöfte, manche Beſtimmung gethan haben mag, 
kann wohl nicht :in Abrebe geſtellt werben, doc, geht das 
Meifte aus Nachrichten und Beifpielen, welche bie Ritters 
zeit und gibt, als ſchon damals beobachtet hervor. 

Was die Frömmigkeit betrifft, fo zeigt fich bie -ri 
mahnung dazu in. vielen alten Gebräuchen, und man Tann 
wohl annehmen‘, daß die innerlich recht frommen und ihrem 
Berufe getreuen Ritter, bei hohen Feſten, ja vieleicht auch 
jevesmal, fo oft fie bie Meſſe hörten, ihr Gelübbe ſtill⸗ 
fchweigend ermenten. . Ia bie Sitte, weldye lange Zeit ſich 
in Polen erhielt, wo indeſſen ein eigentliches Ritterthum 
mangelt, und wir diefen Gebrauch us als einen aus bes 
nachbartem Ritterlande uͤbergenommenen betrachten müffen, 
daß, wenn man bad Evangelium in der Kirche las ober 
fang, die Großen und Edelleuté flehend den Degen in bie 
Hand nahmen und die Spitze deſſelben in bie Höhe rich⸗ 
teten, bezieht -fich wahrfcheinlich auf eine bildliche Anzeige, 
daß fie fletö- bereit: wären, den Glauben zu bebäten. 
Nicht minder hoch war die Verpflichtung, Frauen und 
Jungfrauen, Wittwen und Baifen zu befchüsen, und diefe 
Vertheidigung erforderte felbft die Aufopferung bes Blutes 
und Lebens. So durften fie ehrbare Frauen nicht. ſchwaͤ⸗ 
hen, und alih nicht zugeben; daß ſich jemand im ihrer 
Gegenwart unterfiand, fie zu befchimpfen. Wir haben 
ſchon oben gefehen,: was alles erforderlich war, um fich 
30 einem guten Ritter vorzubereiten, und was nun ein 

tüchtiger Ritter alles befiben mußte, das fagt ber fran: 


41. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwürde. 99 


söfifche Roman von Gerard ‘de Roussillon, wo es von 
einem Bitter Zoulque fo Heißt: „Er iſt tapfer, gefällig, 
gefprächig, frei, gutmüthig, berebt; ex weiß in dem Walde 
eben fo gut zu jagen, als auf Dem Waller; er verſteht 
das Schach⸗, Bret⸗ und Würfel Spiel, er tbeilt von 
ſeinem Bermögen mit, und laͤßt ſolches alle, die um ihn 
find, und Jedermann: ohne Unterfhied, Gute und Boͤſe, 
genießen. Als ein erflärter Feind ber Ungerechtigkeit und 
eines jeden, der auf ihre Seite tritt, war er allemal un: 
troͤſtlich, wenn er fie night hintertreiben konnte; kurz, er 
verließ nie feinen Hof, ohne an den mit Schranken ver 
fehenen Orte die Billigkeit feiner Ausfprüche behauptet: zu 
haben.” Anberweit heißt es wieder: „Ein Ritter verrichtet 
alles unter der Hand Gotted und in dem Namen beffelben, 
um ſich durch . merbwärbige Handlungen hervorzuthun, 
jedoch ohne ſich ſelbſt zu rühmen; denn ob aus eigenem 
Munde iſt Beſchimpfung; aber dem, der nicht ſich, ſon⸗ 
bern Gott lobt, gereicht das Lob zur Ehre. Legt ſich ein 
Knappe wegen feiner Thaten eitlen Ruhm bei, fo verdient 
er nice, Ritter zu werben; denn eitele Ruhmfucht iſt ein 
2after, welches Verdienſte, Stüsen und: Wohlthaten der 
Kitterfchaft vernichtet und zu ‘Boden fihldgt.“ 

Was die in den. Geſetzen angegebene Verpflichtung, 
fen Wort zu halten, betrift, fo ifl Dies ein Zug, der auß 
ber allgemeinen Natur und Anſicht germanifcher Voͤlker 
ihöpft und in bad Kitterweſen tsen-übergegangen -ifl. 
Eine Stelle des Tacitus ſpricht dafuͤr, indem er: fagt: 
„Würfel s oder Bretfpiele nehmen fie wunderbar genug!) 
nüchtern und ald.eine ernſthafte · Sage.vor.; auch mit ſolcher 

7* 


100 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Verwegenheit bei Gewinn und Verluſt, daß ſie, wenn 
alles daran gewagt iſt, endlich Leib und Freiheit aufs 
Spiel ſetzen. Der Berlierende tritt feine freiwillige Knecht⸗ 
ſchaft an, laͤßt fich feſſeln und binden, ungeachtet ex juͤn⸗ 
ger und flärler il. So groß iſt, auch bei einer uͤbeln 
Sache, ihre Hartnädigkeit: fie nennen's Treu und 
Glauben.“ Die Empfehlung‘ der Zugend: Xreue und 
Glauben zu halten, wiederholt fidy daher faſt in allem. 
alten Rittergefchichten, und damit ein paar Beifpiele für 
alle gelten, fo erwähne ich hier zuerſt den Artus, ber als 
ein Muſter des Ritterthums gilt, von bem im Lancelot 
vom See erzählt wirb: ,,A8 König Artus einem Bitter 
ſein Wort gegeben hatte, ihn bie Rönigin wegführen zu 
laſſen, achtete er weber auf das Flehen dieſer Fuͤrſtin, 
noch auf die Vorſtellungen, bie man ihm that. Er gab - 
blos zur Antwort, baß er fein Verſprechen gegeben habe, 
unb daß ein König fein Wort nicht zurüdziehen muͤſſe. 
Lyonel, der ihn davon abbringen wollte, erwiderte: alfo 
iſt ein König mehr Sclave feines Wortes ald ein anderer? 
und verbammt fey ber, welcher da König werben möchtel 
Die Königin wird weggeführt, bamit das Verſprechen 
ihres Gemahls erfüllt werde.‘ 

Diefem Beifpiele kann man entgegenfeken, daß es 
aus der Dichtung genommen fey, denn das Dafeyn bes 
Artus, fo, wie es durch Geſaͤnge gefeiert worben, ſuchen 
wir noch vergebens in der Gefchichte, wenn auch bad ges 
ſchichtliche Daſeyn eines brittifchen Königs Artus gewiß 
if. Dem tritt eim unuͤbertrefflich herrliches Beiſpiel aus 
der deutſchen Geſchichte zur Seite. Der römifche Koͤnig 


ı 


4. Abtheil. Ritterſchlag und Mitterwärde. 104 


Ludwig von Boiern hatte feinen Gegenkoͤnig Friedrich von 
Deſterreich bei Ampfingen überwunden und gefangen. 
Mach einiger Zeit erhielt diefer von jenem unter gewiflen 
Bedingungen die Freiheit und verſprach in fein Gefängniß 
zurlid zu fommen, im Ball er folche etwa nicht erfüllen 
koͤnnte. Diefer Zall traf wirklich ein. Sein mächtiger 
Anhang, der fich trotz der erlittenen Nieberlage flärker, 
als der von feinem Gegner fühlte, erlaubte ihm nicht, das 
Derfprochene zu leiten. Friedrich nahm Feinen Anftand, 
Lieber fein Schickſal wieder in die Hände feines Neben: 
buhlers an der Krone, ben zu Überwältigen er allen An: 
ſchein für fi Hatte, zu überliefern, als fein Wort zu 
brechen; und Ludwig dachte edel genug, ihn von Stund 
an wie feinen vertzauteften Freund zu behandeln, ja ſogar 
ihm felb die Vertheidigung von Baiern gegen„feinen eige: 
nen Anhang aufzutragen, ald er burch andere Händel fich 
genöthigt ſah, anberwärts binzueilen. Ein anderes Bei⸗ 
fpiel von Frauenſinn und Ritterverfprechen liefert 
bie franzöflfche Seſchichte Joinville, der Lebensbeſchreiber 
Ludwig bes Heil, liefert es S. 79. Der Erzählung von 
ben, dem chriftlichen ‚Heere Lubwigs.im Morgenlande bes 
gegnäten wibrigen Schidfalen, und von der Gefangenneh⸗ 
mung des heil. Lubwig fügt er eine Befchreibung bed 
noch betruͤbteren Zuſtandes bei, in welchem. fidh die Könis 
sin, defien Gemalin, befand. „Durch die Rachricht von fo 
vielen traurigen Begebenheiten in ben hoffnungsloſeſten 
Zuſtand und in eine Beflürzung herabgefunten, bie ihr 
nicht erlaubte, nur ein Auge zu ‚fließen, und ba fie 
uͤberdem jeden Augenblid ihre Entbindung fürchten mußte, 


100 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Verwegenheit bei Gewinn und Verluſt, daß ſie, wenn 
alles daran gewagt if, endlich Leib und Freiheit aufs 
Spiel fegen. Der Berlierenbe tritt feine freiwillige Knecht⸗ 
ſchaft an, laͤßt fich feffeln und binden, ungeachtet er jlın= 
ger und ſtaͤrker il. So groß ift, auch bei einer uͤbeln 
Sache, ihre Hartnädigkeit: fie nennen’d Treu und 
Glauben.“ Die Empfehlung der Zugend: Xreue und 
Glauben zu halten, wiederholt fidy daher faſt in allem. 
alten Rittergefchichten, unb bamit ein paar Beiſpiele für 
alle gelten, fo erwähne ich hier zuerſt den Artus, der als 
ein Muſter des Ritterthums gilt, von bem im Lancelot 
vom See erzählt wirb: ,,A8 König Artus einem Ritter 
fein Wort gegeben hatte, ihn die Königin wegführen zu 
laſſen, achtete er weber auf das Flehen biefer Fuͤrſtin, 
noch auf die Vorſtellungen, die man ihm that. Er gab 
blos zur Anutwort, daß er fein Verſprechen gegeben habe, 
und daß. ein König fein Wort nicht zurüdziehen müſſe. 
Lyonel, der ihn davon abbringen wollte, erwiberte: alfo 
iſt ein König mehr Sclave feines Wortes als ein anderer? 
und verbammt ſey ber, welcher ba König werben möchtel 
Die Königin wird weggeführt, bamit das Verſprechen 
ihres Gemahls erfüllt werde.” 

Diefem Beifpiele kann man entgegenfegen, daß es 
aus der Dichtung genommen fey, denn bad Dafeyn bes 
Artus, fo, wie es durch Gefänge gefeiert worben, fuchen 
wir noch vergebens in ber Gefchichte, wenn auch das ges 
ſchichtliche Daſeyn eines brittiſchen Könige Artus gewiß 
if. Dem tritt ein unuͤbertrefflich herrliches Beiſpiel aus 
ber deutſchen Gefchichte zur Seite. Der römifche König 


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4. Abtheik Ritterſchlag und Mitteriwärde, 101 


kLudwig von Beiern hatte feinen Begenkönig Friedrich von 
Defterreih bei Ampfingen überwunden und gefangen. 
Nach einiger Zeit erhielt dieſer von jenem unter gewiflen 
Bedingungen bie Zreiheit und verſprach in fein Sefängniß 
zurück zu kommen, im Ball er folche etwa nicht erfüllen 
koͤnnte. Diefer Fall traf wirklich ein. Sein mächtiger 
Anhang, ber ſich tro& ber erlittenen Nieberlage flärker, 
als der von feinem Gegner fühlte, erlaubte ihm nicht, das 
Verſprochene zu leiſten. Friedrich nahm Feinen Anfland, 
Lieber fein Schickſal wieder in die Hände feines Neben⸗ 
buhlers an der Krone, den zu Überwältigen er allen An: 
ſchein für fih hatte, zu überliefern, als fein Wort zu 
brechen; und Ludwig dachte edel genug, ihn von Stund 
an wie feinen vertrauteften Freund zu behandeln, ja fogar 
ihm felbf bie Vertheidigung von Baiern gegen „feinen eige: 
nen Anhang aufzutragen, als er durch andere Haͤndel fidh 
genöthigt fah, anberwärts hinzueilen. Ein anderes Bei: 
fpiel von Frauenfinn und Ritterverfprechen liefert 
die franzoͤſiſche Seſchichte Joinville, der Lebensbeſchreiber 
Ludwig bed Heil, liefert es S. 79. Der Erzählung von 
ben, dem chriſtlichen Heere Ludwigs. im Morgenlande bes 
gegneten wibrigen Schidfalen, und von ber Gefangenneh- 
mung des heil. Ludwig fügt es eine Beſchreibung bed 
noch beishbteren Zuſtandes bei, in welchem ſich die Koͤni⸗ 
ein, deſſen Semalin, befand. „Durch die Nachricht von fo 
vielen traurigen Begebenheiten in den hoffnungsloſeſten 
Auftend und in eine Beflürzung herabgefunten, bie ihr 
nicht erlaubte, nur ein Auge zu fehließen, und ba fie 
überdem jeben Xugenblid ihre Entbindung fürchten mußte, 


102° Bieiter Abſchnitt. Mitterieben. 


erblicte fie: ſich in ber nahen Gefahr, lebendig in bie 
Hände der Ungläubigen zu fallen. . In diefer Lage faßte 
fie den aͤußerſten Entfchluß; fie warf fi zu ben Züßen 
eines mehr als achtzigiährigen Ritters und befchwur den⸗ 
felgen, ihr einen Gefallen zu erweifen. Der Greis willigte 
ein und verfprach es ihr auf feine Ehre. Diefer einzige, 
fo: fehnlich erflehte Sefallen beſtand darin, bag er ihe das 
Leben nehmen möchte, bevor die Sarazenen fie gefangen 
nehmen Fünnten, im Fall biefelben die Stabt Damiette, 
in welcher fie eingefchloffen war, einnehmen würden. Die 
Antwort zeigte die Verbindlichkeit der Ritter noch deut⸗ 
licher; er hatte, ohne fo lange zu warten, ſchon vorher 
feinen Entfchluß gefaßt; und der Ritter, fagt Joinville, 
antwortete ihr: daß er es fehr gern thun wolle, und daß 
er fchon darauf gedacht hätte, ed fo zu machen, wenn 
fich der Fall ereignen würde.”  Gtüdlicherweife brauchte 
die harte That nicht zur Ausführung zu kommen. | 
Auch das Geſetz bei ber Ruͤckkehr von Ritter⸗ und 
Feldzuͤgen treulich von ihren gluͤcklichen aber unglüdiithen, 
rühmlichen oder befhämenden Begebenheiten Berichte. ab} 
zuftatten, welche die Herolde verzeihen mußten, war 
nicht ohne gute Folgen. Die Erzählung gihdlicher Unter⸗ 
nehmungen feuerte Den Muth anderer Ritter an, die Sizaͤh⸗ 
lung mißlungener Anſchlaͤge troͤſtete im voraus die, been 
bad naͤmliche Schickſal begegnen konnte, und lehrte fie, den 
Muth nie ganz ſinken zu laſſen. Daun warb aber auch 
dadurch die Wahrheitöliebe in ben Herzen ber. Ritter et⸗ 
halten, denn nur zu leicht konnte eine falſche Erzaͤhlung 
entdedt und ihre ganze Ehre zeiixiunmert werben. Das 


4. Abtheil. Ritterfhlag und Roͤtterwürde. 108 


alte Gedicht: 1’Ordre defChevalerie, fieft alles zuſammen, 
mad ein Ritter meiden mußte, unb was man von einem 
Kitter verlangen konnte. Es fagt: „Den Meineid, beu 
Stolz, die Unzeinlichleit, die Unenthaltfamfeit,, die Traͤg⸗ 
heit, den. Geiz, den Zorn, das unmaßige Effen und die 
Trunkenheit muß ein Ritter verabfcheuen. Auch enthalte 
er fich aller nieberträchtigen und beleivigemden Worte und 
fuche feinen Edelmuth in. Zreue und Glauben, in Hoff: 
nung, Milothätigkeit, Gerechtigkeit, Stärke, Maͤßigkeit, 


‚ Weblichkeit und in andern Tugenden.“ — „Die Fertig⸗ 


Feiten, d. i. Die Zugenben unb Sitten, bie man von einem 
Ritter fordert, beftchen in 7 Zugenben, wovon 3 theolo: 
gifch find: Glaube, Hoffnung uud chriſtliche Liebe; die 4 
andern find Haupttugenden, nämlich: Gerechtigkeit, Klug: 
heit, Stärke und Waͤßigkeit. Die 7 Woöͤſimden find da: 
gegen: die Unmaͤßigkeit im Eſſen und Trinken, die Schwels 
gerei, ber Müßiggang, ber Stoll, ber Geiz, ber Neid 
und ber Zorn. 

Eine umfaflenbe BMitterlehre gibt - mit kurzen Worten 
der Troubadour Euſtach Deſchamps in ſeinen noch unge⸗ 
druckten Dichtungen, von denen eine ſo lautet: „Ihr, die 
ihr den Ritterſtand begehrt, müßt ein neues Leben führen; 
ihr muͤßt anbächtig wachen im Gebete, bie Sünde, den 
Stolz und die Niebertzächtigbeit meiben, bie Kirche, Witts 
wen und Waifen vertheibigen, und mit ebler Kuͤhnheit dad 
Vu. beſchuͤtzen. Ein Bitter muß fi als ein redlicher 
Beihliger, ohne gudern das Ihrige zu entziehen, auffuͤh⸗ 
ren; er ſey ſtets unnerdroſſen, ſtets mit. den Werrichtun⸗ 
gen ſeines Standes Bveſchaͤſftigt, mit rechtmaͤßigen Fehden, 


t 


108 Zweiter Abſchnitit. Ritterleben. 


mit Reiſen, wit Turnieren, mit Ritteruͤbungen zum Dienfl 
feiner Geliebten; er muß nach jeder Ehre fireben, fo daß 
man ihm weber Schimpf noch Niedertraͤchtigkeit in feinen 
Danblungen vorwerfen kann; ex maße ſich nie eines Vors - 
. zuges vor Andern an. So fey die Aufführung eines Rits 
terd. Er liebe feinen rechtmäßigen Deren, und bie Be⸗ 
mwahrung ber Befigungen beffelben ſey fein eifrigfles Bes 
ſtreben; er zeige Gerechtigkeit und ebelmüthige Freigebig⸗ 
beit; er fuche die Geſellſchaft angefehener Leute, höre gerne 
ihre Erzählungen und lerne daraus; er vernehme gern bie 
Ihaten der Helven, bamit er auch im Stande ſeyn möge, 
große Handlungen zu verrichten, wie es ehebem König 
Alerander machte. So fey bie Aufführung eines Ritters 
beſchaffen.“ | 

Died wären nun ungefähr erſt die Sitten des Ritters 
fhlages, und dann der Begriff von der Würbe bed Ritters, 
Die daburch ertheilt wurde. Ehe wis nun zu ben Feierlich⸗ 
keiten übergeben, welche noch bamit verknüpft waren, bie 
wohl am befien ihre Stelle in einer Betrachtung ber 
Ritter = Feſte überhaupt finden, wenn fie auch zu bem 
. eigentlichen Ritterfchlage mitgehören, fo ift hier noch bie 
Befchreibung - eines deutſchen Ritterfchlages einzufügen, 
bie, wenn fie auch nur einen einzelnen Ball begreift, doch 
über daB Gange ber babei vorkommenden | Beirzlihfeiten 
Licht verbreitet. 

Graf Wilhelm von Holland, als er zum roͤmiſchen 
Könige erwaͤhlt worden war, erhielt. 4247.3u Koͤlln bie 
Ritterwürde. „Da der Juͤngling zur Zeit ſeiner Wahl 
noch ein Knappe war, ſo iſt alles, was noͤthig war, mit 


\ 


1. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwuͤrde. 105 


Eil zubereitet. worben, auf daß er nach dem Gebrauche 
der chriftlichen Kaifer Ritter würde, ehe ihm bie Krone 
bed Reiches zu Aachen aufgefeht wurde. Daher ward, 
als alles in ber Kirche zu Köln vorbereitet wer, nad) 
porhergegangener Mefle, der Knappe Wilhelm vor den 
Gardinal (es war Pater Capuzius, Legat- des Papſts In: 
nozenz) burdy den König von Böhmen geführt, welcher 
fo fprach: „Eurer Ehrwärbigkeit, geliebter Water, ſtellen 
wir bier biefen erwählten Knappen vor, demüthigft bit: 
tend, daß ihr in Vaͤterlichkeit fein gewuͤnſchtes Bekenntniß 
onnähmt, woburc er unferer Ritterverbindung wuͤrdig 
beitreten Ionne.“ Der Garbinal aber, in prieſterlichem 
Schmude daſtehend, fagte zu dem Knappen: „Was ifl, 
- nach der Ableitung bes Wortes ein Ritter? Derjenige, 
welcher dis Ritterwürbe erwerben will muß: hochherzig, 
offenherzig, freigebig, vorzüglich und frenge.feyn. Hoch⸗ 
herzig nämlich im Unglüd, offenherzig in feiner Verbin⸗ 
‚bung, freigebig in der Ehre, vorzuͤglich in ver Höflichkeit 
und firenge in. männlicher Meblichleit. Aber ehe du das 
Verfprechen deines Geluͤbdes gibſt, nimm erſt bad Joch 
des Standes, den bu fuchft, in reifliche Weberlegung. Dies 
find die Regeln des Ritterordens: 1) Vor allem mit from: 
mer. Erinnerung täglih bie Meſſe des göttlichen Leidens 
zu hören. 2) Bür den Tatholifchen Glauben kuͤhn Leib 
und Leben zu wagen. 3) Die heilige Kirche mit ihren 
Dienern von jeglichen, ber fie antaften will, zu befreien. 
4) Wittwen, Unmünbige und Waiſen in aller ihrer Noths 
durft zu fügen. 5) Ungerechte Kriege zu „vermeiden. 
6) Unbillige Belohnungen abzuweiſen. 7) Shr bie Frei⸗ 


106 - weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


heit eines: jeben Unfchuldigen einen Zweikampf einzugeben. 
8) Kriegeriſche Webungen nur zur Vervollfommnung ber 
Priegerifchen Kraft zu befuchen.. 9) Dem römifchen Kaifer 
oder feinem Ötellvertreter ehrfurchtsvoll in allem Zeitlichen 
zu geborchen. 410) Das gemeine Beſte unverlegt in feiner 
Kraft zu erhalten. 41) Die Lehugüter des Reiches und 
Kaiſerthums auf Feine Weiſe zu veräußern. 12) Und ohne 
Malel yor Gott und Menfhen in diefer Welt zu leben. — 
Denn du diefe Geſetze der Ritterfchaft fromm beobachten 
wirft und gegen männiglich. forgfältig beſchuͤtzen, fo wiſſe, 
daß du dadurch auf Erden zeitliche Ehre und nad diefent 
Leben bie, ewige Seligkeit im Himmel erwerben wirft.‘ 
Als dieſes alles der Kardinal gefagt ‚hatte, Iegte er bie 
gefalteten Hände bed jungen Krieger in das Meßbuch 
auf das gelefene Evangelium, fo fprechend: „Willſt du num 
die Ritterwürbe im Namen Gottes fromm empfangen und 
die dir von Wort zu Wort gefagten Lehren, fo viel bu 
vermagſt / erfüllen?” Ihm entgegnete der Anappe: „Ich 
will!“ Darauf gab der Cardinal bem Knappen folgendes 
feierliches Bekenntniß, welches ber Knappe vor allen 
Öffentlich alfo las: „Ih Wilhelm, Graf von Holland, 
Ritter und des heil. römifchen Reichs freier Bafall, bes 
kenne fchwörend, die Regeln ber Ritterwürbe. zu beobachten, 
in Gegenwart meines Herrn, Petrus zum goldnen Vließ, 
Diakonus Cardinal und des apoſtoliſchen Sitzes Legat, 
bei dieſem heiligen ECvangelium, welches ich mit meiner 
Hand berihre." . Darauf dee Garbinal: „Dies fromme 
Belenntniß ‚gebe bir vollſtaͤnbigen Ablaß einer Sünden.” 
Died gefprochen, gab er einen Schlag auf den Hals des 


* 


ben 4 
I 


41. Abtheil. Ritterfhlag und Ritterwürde. 107 


Knappen und fagte: „Zur Ehre Gottes des Allmaͤchtigen 
mache ich dich zum Ritter, und nehme dich in bie Verbhin⸗ 
dung auf; Uber fey eingebent, wie dem Weltheiland vor 
dem Dberpriefler Hanna ind Geficht gefchlagen, wie ex 
vor dem Landpfleger Pilatus verfpottet warb, wie er mit 
Geißeln - gefohlagen, mit Dornen gefrönt ugb vor dem 
König Herodes mit dem Könige = Mantel bekleidet und 
verlacht: warb; und wie er ‚vor .allem Volke nadt und 
verwundet an das Kreuz gehängt worben; feiner Schmach 
zu gebeten rathe ich die, fein Kreuz; auf di zu nehmen, 
ermahne. ich. Dich; feinen Tod zu rächen, erinnere ich dich.“ 
As allfolches feierlich gefchehen wer, rannte nad gehörs 
ter Meſſe der neue Ritter, ‚bei fhmetternden Drommeten, 
wirbelnden Pauken usb dem Klange aller Tonwerkzeuge, 
dreimal gegen den Sohn des Königs von Böhmen im 
Lanzenkampf an und : zeigte darauf feine Wafſenuͤbung 
im Gefechte mit glängenbem. Schwerte. Dann hielt er 
einen beeitägigen Hof und bewies durch reichliche Geſchenke 
allen Großen feine Eprenhaftigksit.‘' 

Die andern gewöhnlichen Beweisftellen, welche ich 
jeder Abtheilung anflıge, werden für dieſe erſt bei ber fol⸗ 
genden Abttheilung ihre beſte Stelle ſinden. Hier nur als 
Anhang eind⸗ Betrachtung aus der Zeit, als das Ritter⸗ 
thum ſich ſchon fo ausgebueitet hatte, daß es nicht mehr 
das alleinige Vorrecht eines Standes war. Die Ausbil: 
dung. der Städte hatte emen eigenen Adel, einen ſtaͤdti⸗ 
ſchen Adel, Patrizier genamt, oder mit dem deutſchen 
Namen „die Geſchlechter“ hervorgebracht, bie denſelben 
Uebungen ſich widmeten, welchen die Ritter oblagen, und 


= 


41068 3weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


an die ſich mehre Buͤrger in der Nothwendigkeit, bei Ver⸗ 
theidigung ihrer Stadt gegenwaͤrtig zu ſeyn, anſchloſſen. 
Wir finden daher ſchon bald, im 14. Jahrh., ritterliche, 
gewappnete Bürger, mit alle bem verfehen, was einem 
Mitter gebührt und nöthig, Panzer, Helm, Schild, Lanze 
und Schwert und wie bie Bewaffnung, bie wir in ber 
dritten Abtheilung werben‘ Tennen lernen, heißt. Sie 
zogen auf Kämpfe aus, hielten unter einander Gefteche 
und vertheibigten ihre Kaufleute und Mitbürger gegen bie 
 wegelagernden Ritter und Abelihen. Durch mehre Bei: 
fptele erhellt Died und wirb gewiß, aber ich will hier von 
dem ritterlichen Behaben der Buͤrger nur einen Schwank 
anführen, den ein alter Dichter des 14. Jahrh. erzählt hat. - 
Nah ihm war eine Burg am Rheine, in ber vierzig tüch⸗ 
tige, mannliche und ritterliche Bürger lebten, beren keinem 
ein Uebel zugefügt wurbe, ohne daß der anbere als Rächer 
aufgeftanden, auch befuchten fie manches Turnier. Run 
war ein Ritter in ber Nähe, der Viele bebrängt hatte, 
boch brachten fie e8 zur Suͤhne und ed warb verabredet, 
daß alle bie ritterlihen Bürger und bie benachbarten Ritz 
ter. an einem Sonntage zufammen kommen wollten zur 
Sühne an einem beflimmten Orte, alle ohne Waffen, nur . 
mit dem Schwerte umghetet und. leichte Reitpferde (tzelden 
Dferde) zeitend. Ihre allein zuruͤckgebliebenen rauen ers 
hoben fich freubig auf einen vor..ber Stabt liegenden wons 
niglihen Plan und ergingen."fih dort in Befprächen. 
Nach mehrem Hin- und Widerreden rühmt bie eine Frau 
ihre Männer, . bie in der ganzen Gegend als tapfer und 
mannlich. und als Schiebörichter anerkannt ‚würben. . Da 


‚ - «u 
1. Abtheil. Ritterfchlag und Ritterwürde. 109 


beſchließen die. Frauen, bie Rüflung ihrer Männer anzules 
gen, die Hoffe fich bringen zu laffen und, in zwei Theile 
gefchaatt, ein großes Turnier zu halten. So gefchieht es. 
Zufammen nennen fi) die Frauen die Frauengemeinde, 
und jede Frau nennt ſich nach. dem ritterlichen Namen 
ihres Mannes. Died Fonnte eine Jungfrau nicht ımb nahm 
baher den Namen bed Herzogs Walrabe von Limburg, 
eines bamals um ben Rhein berühmten Ritters, an. Das 
Zurnier begiunt, und diefe Jungfrau übt die. ritterlichen 
Werke mit ſo viel Kraft, Bemanbheit und Geſchicklichkeit, 
daß fie meift alle andern rauen aus bem Gattel hebt, 
bie denn ihren Uebermuth durch Wunden, zerbrochene 
Arme .unb Beine und zerfhlagene Glieder bäßten. Drauf 
brachten fie die Roſſe heim, bie. Harniſche lehnten fie an 
ihre Stellen, die Kranken legten ſich zu Bette, verboten 
den Dienern, davon zu reben, und hofften, es würde nicht 
befannt werden. Aber ihre Mäuner fanden, als fie heim 
kamen, ihre Roſſe vol Schweiß, viele Frauen bettldgrig 
und befragten daher ihre kleinen Edelknaben, wie bied zus 
gegangen. Die erzählten alles. Da lachten Die Männer 
ber Thorheit ihrer Frauen, ober im ganzen Lanbe warb 
bald die abenteuerliche Mähre umhergetragen. Auch Herr 
308 Walrabe von Limburg erfuhr. fie, und wollte gern 

die Sungfrau ſehen, die ihn fo mannlich vertreten und in 
feinem Namen fo tapfere Thaten gehbt. Er kam in bie 
Stadt, und da er die Jungfrau arm fand, gab er ihr 100 
Dart zur Auöfleuer, und Roß umb Pferde, und verlobte 
fie einem rechtlichen Mann. So endigte der Trauen 


x 


110 :- Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Turnei, auf ben ih mich in ber Folge r einigemal 
werde bezichen muͤſſen 

Hier möge auch noch bie Bemerkung ihren Platz Anden, 
daß ber Ritterfchlag auch untermweilen, in ber’ fpätern Zeit, 
häufiger folchen ertheilt ward, die nicht vitterblrtig und 
von Adel waren, wenn ſie fich um ihre Gebieter als Knap⸗ 
pen ganz befondere und bes Dankes werthe Verdienſte er⸗ 
worben hatten, oder fich auch durch Zapferkeit, Muth und 
Geſchicklichkeit in ritterlichen und Kriegesäbumgen fo aus⸗ 
zeichneten, daB fie eine ſoiche Erhebung verdienten. Aber 
eben diefe große Vermehrung der Ritter war in. der Folge 
wieder an dem größern und wachſenden Verfall des Ritter- 
ftandes ſchuld, indem nicht mehr mit fo wiel Auswahl und 
Strenge .bei Ertheilung biefer Würde, wie fonft, verfah⸗ 
sen warb. 

Indeſſen mag doc, dabei wohl nie mit ſolchen Leicht⸗ 
ſinn verfahren worden ſeyn, wie in Frankreich, wovon 
Ottokar von Horneck in ſeinem Zeitbuche Deſterreichs bei 
Gelegenheit. bes Krieges zwiſchen den flanderiſchen Städten 
umd König Philipp dem Schönen von Sranfreich ein 
WBeifpiel erzählt. Er fagt: „daß die flanberifchen Städte, 
welche ſich von dem ihnen -aufgeladenen franzoͤſiſchen Joche 
befreien wollten, durch eine Kriegesiift faſt das ganze 
Heer und befonders ben ritterlichen Theil vernichteten, 
indem fle viele Gruben machten, innen mit eiſernen Spiben 
audgefüttert und außen leicht zugebedt, aber täufchend, 
daß man ihr Dafeyn nicht benterfen Tonnte. Die Flans 
derer zogen ſich darauf feitwärtd. zurüd, das frarzöfifche 
Heer folgte unbefonnen und bie Krieger flürzten in bie 


— 


4. Abtheil. Ritterfhlag und Ritterwürbe. 411 


Gruben, viele wurben erfchlagen, andere gefangen. Mans 
her. Ritter fand den od, benn bis Sonnenuntergang 
währte daB Morden, und hoch am andern Tage liefen 
Bauern herum, um zu töbten, was man lebenbig antraf. 
Solchen Schimpf auszuldfchen warb‘ Philipp: allenthälben 
um Ritterfchaft. Wo einer in den Städten zween Söhne - 
hatte, da mußte. ber eine Ritter werden, und von dreien 
Söhnen zween. "Auch lud man fremde Ritte ins Land, 
fi mit franzoͤſiſchen Wittwen zu vermählen Manches 
Handwerkers Sohn ward Ritter, und mohl 3000 junger 
Pfaffen kamen zum Kriegsblenſt. Alſo gewann der König 
viel Volks; aber am Tage der Schlacht, die wieder dar⸗ 
auf nach der neuen Näftung begommen warb, ſah man 
mandyen neuen Schwertdegen, der befler hätte Schuhe 
machen können, als daß er zu flreitbaren Dingen rathen 
ſollte, und der Erfolg war baher für den König noch 
ſchimpflicher und für fein Volt noch verderbicer als 
das erſtemal. 

Wir haben oben gefehen «u und werben- in der nädhften 
Abtheilung noch ausführlicher Finden, wie viele Feierlich⸗ 
keiten mit dem Ritterfchlage meift immer verbunden waren. 
Indefien gab es auch Gelegenheiten, wobei kürzer ver: 
fahren warb. Fuͤrſten und Heerführer wählten nämlich, 
meift auch dem Wunſche der jungen Knappen, welche 
die Ritterwürbe begehrten, gemäß, oft den Augenblid ber 
Ertheilung, wenn die Deere im Begriff waren, auf ben 
Zeind los zugehen, da das Gefuͤhl der neuen Ehre den 
Muth und die Tapferkeit des erſt ernannten Ritters noch 
mehr ſtaͤhlen mußte. Da hat uns die Geſchichte eben 


11% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


lichkeit die Ritterwuͤrde zu ertheilen, einen eigenen Reichs⸗ 
tag auf das Pfingſtfeſt im Jahre 1184 bei Mainz aus. 
Daſelbſt fanden ſich eine große Anzahl deutſcher Reichsſtaͤnde 
und viele italieniſche, ſpaniſche und andere Große aus den 
meiſten europaͤiſchen Ländern, ja fogar Geſandte aus Kon⸗ 
ſtantinopel und Jeruſalem ein; und am zweiten Pfingſt⸗ 
tage, nach dem feierlichen Hochamte, erhielten beide kaiſer⸗ 
liche Prinzen, der roͤmiſche Koͤnig Heinrich und deſſen 
Bruder Friedrich, Herzog von Schwaben, in dem Ange⸗ 
ficht einer unglaublichen Menge von Zuſchauern die Rit⸗ 
terwuͤrde, nachdem ſie vorher ihre Ritterproben abgelegt 
hatten. — Bo erhielt auch Otto, Sohn des baieriſchen 
Herzogs Ludwig, im Jahre 1225, oder wie Einige wollen, 
im Jahre 1298, am Pfingfifefte mit großer Pracht zu 
Straubingen, in Gegenwart Kaifers Heintich VIE 
und einer guoßen Anzahl beutfcher Fürften, bie Ritter: 
würde, St. Palaye führt an, daß von der Regierung 
Philipp Auguſt's in Frankreich an bis auf Philipp den 
Schönen, viele der Söhne und Brüder der Könige von 
Srankreich die . Ritterwürde am Pfingfifefte erhielten. 
Andere Beifpiele. werben noch weiter unten vorkommen, 
und ich bemerkte nur, daß auch ber alte Dichter des Rei⸗ 
nede FJuchs ben Tag der Hofhaltung des Königs ber 
Thiere auf einen Pfingfitag ſetzt, woraus bie allgemein 
beobachtete Beftlichkeit dieſes Tages unbedenklich hervorgeht. 

Dann diente zur Ertheilung ber Ritterwürbe ber Tag 
der Verkündigung eined Friedens, ober eines Waffenſtill⸗ 
flandes. Hierquf: die Koͤnigskroͤnung; bei der Kaiſer⸗ und 
 Königd: Krönung in Deutfchland hatte fich biefer Gebrauch 


* 
2, Abtheil Feſtlichkeiten. 116 
bis auf bie Krönung des letzten deutſchen Kaifers erhalten. 
Vie anſehnlich ſolche Ritterfchläge mern, geht Daraus 
hervor, daß Kaifer Maximilian bei feiner Krönung, auf 
den Throne fißend, gegen 200 Ritter fchlug, unter denen 
die Kurfürften von der Pfalz und ven Sachſen und viele 
andere Reichsfuͤrſten fi befanden. Weiter: die Geburt 
und die Taufe der Prinzen aus ben regierenden Haͤuſern; 
die Zage, an welchen dieſe Prinzen felbft die Ritterwürde 
oder die Belehnung über gewifle Lehngüter erhielten; dann 
aber wurde auch die Ritterwürde an den Zagen verlichen, . 
wenn bie Ritter felbft eine Belehnung von ihrem Lehns⸗ 
herrn, ober die Verleihung ihrer Lehne empfingen. ers 
lobungen, Vermaͤhlungen ber Lehnsherrn und ihre Ein: 
züge in bie vornehmften Städte ihres Gebiets wurden 
gleicherweife, dazu verwendet. So wurden z. B. 4238 
viele zu Rittern in Compiegne gemacht, als Robert, der 
ältefte Bruder bes heil. Ludwig, feine Vermaͤhlung feierte; 
und dergl. Beifpiele bietet und bie Gefchichte oftmals, 
audy die beutiche, an: z. B. Kaiſers Friedrich I Sopn, 
Philipp Auguft, feierte im Jahre 1196 bei Augsburg am 
einem Orte Gunzinlech fein Beilager mit großer Pracht, 
nachdem er felbft vorber bie Ritterwuͤrde angenommen 
batte. Außer. biefen großen Seierlichkeisen wurben aber 
auch alle andern irgend nur- feierlichen Anlaͤſſe ergriffen, 
um ſolche durch einen. Nitterfihlag noch feierlicher zu 
wochen. Gebe andere Hoffeierlichleit, jeder vornehme Bes 
ſuch, ein glädticyer Zufall, Rettung aus großer Gefahr 
u. f. w. wurden dazu benust, und auf..siefe Weile ward 
eine jebe Feierlichkeit noch feierlicher gemacht, So erzabli 
. 8 * 


® 
116 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


3. B. Ottokar v. Hormed in ſeinem gereimten Zeitbuche 
des Landes Deflerreich,, einer veichen,. in vieler Hinficht 
noch wenig benutzten Quelle flr mannichfache Forfchungen, 
die fich in Pez Scriptoribus rer. Austriac. T. III. finden, 
Gap. 639 von Herzog Albrecht von: Oeſterreich: 
: Dem Margrafen zu Ern 

Funffczkch Chnappen hoch und ‚wert 

Schildes Ampt und Echwert Ä 

Dez Tags er enpfaben hiez. U 


Dann Gap. 7468 | 

Deffelben Zages frue 

Der Chunig Albredt 

Gab Ritters: Ampt und Recht 

Wol funfzig Man. 
Wir werden dergleichen Beifpiele noch in der Folge mehre 
hören, befonderd von der bedeutenden Anzahl, die immer 
auf einmal zu Rittern gemacht warb; hier wollen wir nur 
bemerken, daß felbft die Wahl der Zage und die Umftänbe, 
unter denen bie Ritterwürde erfheilt ward, dazu hinwirk⸗ 
ten, einen größten Slanz über dieſe fir das Leben des 
neuen Ritters fo wichtige Handlung zu verbreiten. 

Die Zubereitungen zu den Feierlichkeiten des Ritters 
ſchlages waren in Frievenszeiten gewöhnlich fehr prachtvoll 
und bedeutend, und gemeinhin folgte auf den Witterfchlag 
ein Zurnier, indem die neuen Ritter bann ihre Behen⸗ 
bigeit zeigten und bewiefen, daß fie wohl würdig waren, 
biefer neuen Ehre theilhaftig geworden zu fern. Man 
firebte um die Wette, ſich durch Muth, Stärke und Ges 
ſchicklichkeit auszuzeichnenz; und da immer eine große Ans 
zahl von Frauen dabei verfammelt war, fo waren Die 


2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 117 


Zurniere auch die Schule zierlicher Ritterſitte und Hoͤflich⸗ 
keit. Auf dieſe Weiſe waren eigentlich dieſe Scherzkaͤmpfe 
auf das innigſte mit der Feierlichkeit des Ritterſchlages 
verbunden; aber es ſcheint mir doch zweckmaͤßiger, ſie in 
einer ganz eigenen Abtheilung zu betrachten, wenn wir 
noch vorher einiges. andere dahin Gehörige kennen gelernt 
haben, und ich begnüge mich daher, hier nur von bem 
Feierlichkeiten und Seften zu fprechen, die ohne Rüdficht 
auf ritterliche Uebungen gehalten wurden, wenn auch im 
Einzelnen diefer Mittelpunct des ganzen Lebend immer 
wieder durchſchimmern wird und erwähnt werben muß. 
Zuerfi gehört wohl hieher die Vermaͤhlungsfoier 
bes jungen Herzogs Rudolf, Sohns des Kaiſers Albrecht, 
mit Blanka, Tochter des Königs Philipp des Schönen 
von Frankreich. Bei feiner Annäherung an Paris ritt 
ihm erſt der König entgegen, begleitet von reichen Herren. - 
Als dieſer fich beurlaubet, kam die Königin angeritten, 
mit 30 Frauen, unter Pofaunenhall; und fo hielt er feinen 
Einzug. — Die Hochzeit warb an bem Sonntage, zu 
nicht geringer Luft der Parifer, gehalten. Man fah bie 
fhöne, edel gekleidete Jungfrau, begleitet von ber Königin 
Mutter und vielen Frauen, ins Münfter führen. Im 
Chor an einer Seite auf koͤſtlich gepolfterten Stühlen nah⸗ 
men fie Platz, zu oben bie Braut, deren feiben lodig 
Haar nach Landesart ungeflochten herabhing, kraus und 
blond. Ihr gegenhber fah man den FZürften aus Deſter⸗ 
rei und neben ihm König Philipp, feine Sippen und 
bie Hohen des Landes. Ein Erzbifchof hielt die Meſſe, vor 
deren Beendigung er vom Altare vortrat, und aus Letzner 


118 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


(Eeczionar) und Yſalter manches fuͤr Eheleute gute Wort 
und auch Fragen herlas, welche zuerſt der Herzog und 
dann die Braut, die es verſchaͤmt nach jungfraͤulicher 
Weile that, mit Ja zu beantworten hatten. Dann eg⸗ 
nete er fie und wieder zum Altare gewendet, fang er bie 
Meſſe bis zum Schluß. Man fah den König und alle 
Anwefende aufmerkfam , wie fi) dad Brautpaar benehmen 
würde. Aber gar nicht zaghaft faßte der Junkher bie 
Wänglein der Braut mit beiden Händen ımb kuͤßte ihren 
rothen füßen Mund, fo daß mancher ber Zuſchauer fagte: 
dad wird einmal ein rechter Bann, der, was er zu thun 
bat, fo keg angreift. Hierauf ritten die Frauen und 
die Herren mit großer Hoffahrt in die Herberge. Im 
weiten Saal des koͤniglichen Palaſts war Tafel fuͤr die 
Herren. Nach Tafel gab es ein ritterlich Tioſtiren auf 
fhönem Plan vor dem Palaſt der Frauen, worin bie 
deutfchen Gaͤſte ſich als Meifter zeigten. Und fo verlief 
der Tag und ber Abend in Ergöglichleiten. Zu Nacht 
aber Iegten fich nach Landesfitte die Bermählten zufammen. 
Am lichten Morgen gingen biejenigen, denen es nach Sitte 
zuſtand, wieder zu ihnen and Bette, und Gluͤck und Ges 
gen ward gewuͤnſcht. Diefen Tag und noch zween währs 
ten die Feſte am Tönigl, Hofe. Darauf Iud der junge 
Fuͤrſt den König und die hohen Herren auch zu fi, fie 
nach äfterreicher Weife bewirthend. Und Tags darauf Iud 
er die Königin fammt ihren Brauen, unb ließ aufwarten, 
was feine Amtleute und Schaffer nur erfinnen und haben 
konnten. Am dritten Tage wurbe die Gefelfchaft der edlen 
Schüler (der Parifer Studenten), welche ihn bewillkommt 





2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 119 


hatten, eingeladen, und am vierten bie erſten Buͤrger ber 
Stadt. So ging die Zeit fröhlich hin. Oies erzaͤhlt ber 
wadere und ergößliche Horned. 

Derfelbe bejchreibt und auch die Vermaͤhtung der Habs⸗ 
burgerin Anna mit Hermann von Brandenburg Ich an⸗ 
muthig, und zwar ſo: 

Zuerſt wurden Knappen reich bekleidet, um zn Rittern 
geſchlagen zu werden. Der Biſchof von Bethlehem uͤber⸗ 
nahm es, nach geleſener Meſſe die neuen Ritter zu weihen, 
ſammt ihren Schildern und Schwertern, worauf ein gro⸗ 
fies Buhurd begann, ‚mit vielen und kraͤftigen Stoͤßen. 
Als auf des Herzogs Wink dieſes Vergnuͤgen geendet war 
und man den Tapfern andre Gewande ausgetheilt hatte, 
fo kleideten fih die Ritter nun in Tanzgewande, leicht 
und reih, und gingen zum Efien. Rad ben Imbiß 
risten die Herren mit hoffärtiger Sitte zu Hof, wo bie 
Herzogin mit ihrer Zochter und ihren Frauen im ‚Garten 
auf grünem Raſen ſich befand, den Bifhof von 
Sokkau in ihrer Gefelfchaft. Und alle Frauen und Man: 
nen, bie ſich im Ring umber hauften, priefen die minnig- 
liche Braut Frau Anna und geflanden: dem werde von 
Xrauer nie weh, ber fie erhalte. Drauf gab der Bifchof 
das Brautpaar zufammen, und die Freude war groß. Wer 
gern Frauen fchaute, blieb im Baumgarten; wer den rit: 

terlichen Tioſt wollte wahrnehmen, ber zitt bei bam Baum⸗ 
garten nahe zu einem Ader, wo die wadern Helen fich 
tummelten um ber Frauen Lohn, 


um bie ja alles geſchieht, 
Was man die Drannen fieht 
Ringen nad Preis. 


120° | Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Da der Herzog die. Sitze hatte ſehr hoch machen laffen, 
fo konnten die, welche darauf faßen, ſowohl in ben Baum» 
garten ald auf ben Ader fchauen. 

Am andern Morgen zogen Die Frauen mit der jungen 
Markgräfin in ‘die Kirche, woräuf in ben Geſiedeln ge: 
geffen wurde, während im Baumgarten die Harfen, Pos 
faunen, Ziebeln und Pfeifen ertönten. Sechs Tage waͤh⸗ 
reten die Freuden bed Feſtes. Des Herzogs milde Hand 
gab einem Jeden, der ed werth war, oder der es bittlich 
begehrte, Silber, RoB und Gewand. Dies gefhah 1295. 

Da, den Rittergebichten nach, immer Zeierlichfeiten mit 
bem Ritterfchlage verbunden waren, fo mögen auch hier 
die Stellen folgen, weldye für den Ritterfchlag noch von 
Wichtigkeit find, da fie fi auch auf das Einzelne, erſtrek⸗ 
fen, was bei einem Ritterſchlage Gewohnheit und Sitte 
war, und fo eigentlich bie Beweiöftellen auch für die. vorige 
Abtheilung mit find. Es geht aus ihnen aud hervor, 
wie immer viele junge Anappen zuſammen bie Ritterwürbe 
erhielten, und wie milde die Ertheiler der Ritterfchaft waren. 
Zu gleicher Zeit werde ich aber auch die Stellen anführen, 
welche von Feftlichleiten und befonders Gaſtmalen fprechen, 
ohne Rüdficht auf Ritterfchlag, dem Inhalt dieſer Abtheis 
lung angemeffen. 

, Die Siegfried, der manmlichſte und berühmtene deut⸗ 
ſche Held, die Ritterwuͤrde erlangt, erzaͤhlen uns die Ni⸗ 
belungen von V. 109 an. Wenn auch, wie wieder zu 
erinnern iſt, die Nibelungen vor die Zeit des Ritterthums 
fallen und der Heldenzeit angehoͤren, ſo hat ihnen doch 
die Bearbeitung im 13. Jahrh., wie wir ſie jetzt haben, 


:2, Abtheil. Seftlichixiten,..;, 2 


meiſt dochweg ein. rittermäßiges Anfehn. gegeben. und ale 
Befege der Ritterfchaft finb-in fie. eingetragen worden. 
„Run .war Siepfrieb in der . Stärke,. daß er .mohb 
Waffen trug. — Da hieß fain. Vater Siegmund ſeinen 
Manmgtz kuͤnden, er wollte Hochzeit (ein el) mit lieben 
Freunder hohen. Die Maͤhre warb in anderer Koͤnige 
Lande. gefuͤnrt, und ben, fremden Rittern ſomohl, wie ben 
einheimiſhen, wurden Roſſe und Kleider geſchenkt. Wo 
man einen ‚fand, der ihmm an, Geburt gleich war, ber Rit⸗ 
ter waden Bennte, ben ladete man zu biefer Defllichkeit 
in daß Land, und. fie. erhielten: barauf mit -bem jungen 
Könige das Schwert. Wunder ‚möchte man, von; ber Feſt⸗ 
lichfeit ſagen. Durch ihren. Reichthum mochten Siegmund 
und Sigelint wohl. große. Ehre erlangen, denn fie vertheil⸗ 
ten davon viel, und darum fah-man viele bee fahrenden 
Ritter zu. ihnen in bashand-giehen. - Vierhunkert Schwert⸗ 
begen (d. h. KRitter) follten mitſammt Giegfried reiche 
Kleider erhalten, und manche ſchoͤne Maid war daher in 
ihrem Werke nicht muͤßig, denn fie waren ibm wohl ges 
wogen; und viele. ber edelen Steine hefteten die - Srauen 
in Gold, das fie mis Worten wollten auf dad Gewand 
der jungen flolgen Reden wirken. An der Sonnenwende 
war es, daß Siegfried den Namen: eined Ritterd gewann.‘ 
(Ich bemerkte dahei, daß eben die Erwähnung des 
Feſtes der Sonnenwende ein wichtiges Zeichen iſt, wie die 
Sage aus heibnifchen, fruͤheſter Zeit ſich entwickelt hat; 
denn im Heidenthum, ‚bei allen Völkern, welche Deutfchs 
land und den Norben Europas bewohnten, ja auch bei 
den weftlichen, welche Druiden ‚zu ihren Prieflern um 


423 Srodter Abſchnitt. Ritterleben. 


Volkeleitern hatten, finden wir, daß das FJeſt ber Sonnen⸗ 
wande beſonders heilig geachtet warb; und biefer Glaube und 
biefe Sitten reichen wieder -tief in Afien, in bie urfprüng: 
lichen Sitze der Völker ein und in bad Leben und die Res 
ligionsgebräuche der noch dort befindlichen. Die Zeit bei 
Sonnenwende war den Völfern des Alterthums "ein. großes 
und hohes Naturereigniß, indem fich ihnen an diefe Zeit 
ded neuen Jahres Anfang knuͤpfte, ben fie mit vielen 
Feſtlichkeiten begingen. Spuren: davori finden fi noch 
bei beinahe allen Völkern, und befonders find die Späße 
am erften April, die fi in-Deutfchland, England, Frank⸗ 
reich u. f. w. fo wie in Indien wiederfinden, -ein Andenken 
und ein Zufammenhang mit’ der Fruͤhlingsſonnenwende.) 
Das Schicht fährt fort: „Da ging zu einem Münfter gar 
mancher Ritterfnecht (hier wohl dies Wort in der Bedeu⸗ 
tung von Edelknappe gebraucht) und mancher edele Ritter. 
Recht hatten die Alten, daß fie den Jungen bienten, als 
ihnen war vorbem gethan. Bott man da zu Ehren eine 
Meſſe fang (mit diefen wenigen Worten wird bie gottes⸗ 
dienflliche. Feierlichleit angedeutet, die ich ſchon oben 
bei den allgemeinen Gebräuchen in Erlangung ber Ritter: 
wuͤrde als nothwenbig anflhrte, und worin fich auch wies 
der die chriſtliche Abfaffungszeit der Nibelungen zeigt, von. 
ber, jo wie vom Ghriftentyume überhaupt, fonft fo wenig 
Anzeigen im Gedichte find), Da hub fich von den Leuten 
ein gar großer Gedrang, als fie nach ritterlicher Sitte 
zu Rittern wurden. Sie -iefen, ba fie im Hofe Sieg⸗ 
munds gefattelt fanden manches Roß (die oben bemerkten 
sitterlichen Uebungen nah Empfang ber Bitterwürbe, 


2. Abtheil. Feſtrichkeiten. 123 


worin ein Jeder zeigte, daß feine Lörperlihe Kraft und 
Gewanbtheit tuͤchklig genug wäre, um mit Recht bad Amt 
eines Ritters erhalten zu haben und verwatten zu Fönnen). 
Der Buhurb (d, b. wie wir in der Folge noch fehen wer⸗ 
den: der Kampf mehrer gegen mehre) warb fo flarf, daß 
man Pallaft und Saal von dem Schalle ertafen hörte.’ 
Nachdem nun kurz noch des Zurniered Gang unb Bolgen 
angegeben find, fo geht ber Dichter zu dem Gaſtmahle uͤber, 
mit dieſer Wendung: „Da gingen des Wirthes Gäfte, 
ba man die Sige für fie bereitet hatte. "Viele edele Speife 
unb der allerbefle Wein, bavon man ihnen viel vortrüg, 
bob ihre im Kampfe gewonnene Muͤdigkeit; den fremben 
fowohl als ben einheimifchen Gäften bot man der Ehren 
genug. Die Feftlichleit waͤhrte fieben Tage, und bie fahs 
sende BRitterfchaft hatte wenige Ruhe; denn fie. bienten 
nach der Babe, die man dba reichlich fand, (b. h. fie fireb- 
ten eifrig, die audgefekten reichen Preife zu erhalten.) 
Eigelint bie zeiche that, wie fie nad alten Sitten ge⸗ 
wohnt war, fie vertheilte ihrem. Sohne zu Liebe des 
rothen Goldes viel, Armer fahrender Ritter man da 
wenige fand, denn Roffe und Kleiber fioben den Herrfchern- 
der Niederlande fo von ber Hand, ald wenn fie nicht 
mehr als nur noch einen Tag zu leben hätten;' (fo wenig 
warb auf Sparſamkeit gefehen, ſondern alles war in Sue 
und Rrichheit ba.) 

Ulrich von Lichtenſtein erzaͤhlt, wie er feine gitter⸗ 
winde erbielt, fo: „Darauf ward ich Ritter zu Wien 
bei einer Hochzeit (Feſtlichkeit ꝛc.), bie ich ſeitdem nimmer 
fo fchön gefeben habes da war großes Ungemad vom 


124 Zivokter Abſchutt. Nitterlehen. 


Gehränge. Der Fuͤrſt Leupolb aus Defterreich gab ferne 
minnigliche Tochter einem Zürften von Sachſen zum Ge⸗ 
mahl. Der ebfe Fürft. gab dritthalb hundert Knappen 
Schwert; den Grafen, Freien, Dieufimannen und wohl 
taufend Rittern gab der edle Fuͤrſt Gold, Silber, Roſſe 
und Kleider. Fuͤnftauſend Ritter aßen da des werthen 
Fuͤrſten Brod, da war viel Buhurd und Tanzes und man⸗ 
ches Ritterſpiel. Da waren die reiche Herzogin und ihre 
minniglihe Tochter und mauche gute Fraue. Meiner 
Freuden Schein war auch bort, meine reine füße raue, 
doch ſprach ich bei diefer Zeierlichkeit. fein Wort mit ber 
Zugendreichen, worüber ich lange traurig war; ich ließ 
ed, um ber Merker böfes Spähen zu vermeiben.. Als fie 
mich unter Schilde fah, ſprach die Gute gegen- einen: meis 
ner Freunde: ich" bin wahrlich froh, daß Herr Ulrich bie 
ift Ritter worden, ich weiß noch, wie ich den von Lichten⸗ 
flein von mir gab, damals war er noch viel ein. Als 
mir mein Zreund fagte, baß ihr meine Mitterfchaft Lieb 
fey, freute ich mich von Herzen und backe: wie, wenn 
fie mich mit ihrem Willen zu ihrem Ritter haben will? 
Diefer dumme Wahn war mir fuͤß und machte match hochz 
gemut. Die Hodjzeit nahm ein Ende und ander ſchied 
froh von dannen.“ 

Auch aus dieſer Stelle ſehen wir wieber, in wie großer 
Maffe die Ritter gefchlagen wurden und wie man bemüht war, 
eine ſolche Zeierlichkeit immer recht allgemein zu machen. 

Dann aber auch erhellt daraus die an den Höfen herr⸗ 
ſchende Pracht, und wie bie Fuͤrſten fi beftrebten, Durch 
veiche und große Geſchenke die tapferfien Ritter an ſich 


\ 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 125 


und ihre Sache zu knuͤpfen, wie denn bier, „wohl taus 
fend Ritter Bold, Silber, Ro’ und Kleiner” befamen. 
Der lebte Theil deilen, was ich and bed. U v. L. Frauendienſt 
anführte, gehört weniger hierher; er zeigt nur, wie bie 
somantifche Liebe, welche U. v. 8. zu feiner vormaligen 
Herrin gefaßt hatte, immer: noch: feinen Sinn: und- fein 
Gemüt) befhäftigte, wenn auch wohl ihr hoͤheres Alter 
eine eigentliche Neigung . feines Herzens nicht hervorge⸗ 
bracht haben Eonnte. Es war ber allgemein angenommene 
Sag, ba ein jeder eine Frau feines Geiſtes, eine griſtige 
Liebe, der fein hoͤchſtes Streben gewidmet warb, haben 
muͤſſe. Wir werben dies, was bier nur oberflächlich be: 
rührt werden kann, in einer andern Abtheilung genaues 
Tennen lernen. 


Als Triſtan Ritter wird, 


Sie gewannen Harniſch und Gewand "' 
Innerhalb dreißig Tagen, 

Das dreißig Ritter follten tragen, 
Der’n fich der hoͤviſche Triſtan 

Zu Gefellen wollte. nehmen an. 


Recht lieblich ift die Befchreibung, wie dieſe ‚Kleider zu⸗ 
ſammengebracht wurden und wie ihre Reichheit war; 
denn uͤberraſchend ſagt der Dichter, da ſich ſonſt das Mit⸗ 
telalter gern in Beſchreibung zierlicher Kleider ergeht, wie 
dem unbefangenen Naturſohne immer das Aeußere von 
großer Wichtigkeit iſt, und er es gerne beſchreibt und be⸗ 
lobt, indem des einfachen innern Gemüthes Schilderung 
ihm weniger einfällt — demnach alſo fagt überrafchend der 
Dichter: „viererlei Reichheit war an diefe Kleider gewen⸗ 
det: das eine war hoher Muth, das Andere das war voll- 


126 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


kommene Guͤte, das dritte war Beſcheidenheit, die dieſe 
zwei zuſammen ſchnitt, und das vierte, was allen dieſen 
dreien nahte, war hoͤflicher Sinn.“ Dieſe vier Reichthuͤ⸗ 
mer find es, bie auf eine ſinnige Weiſe der Dichter uns 
nennt, welche den hoͤchſten Glanz auf einen Ritter warfen; 
und waren fie fein Schmuck, fo bedurfte er feines andern. — 
Triſtan begab fi mit ben andern Rittern und bens 
jenigen, . die Ritter werben follten, zur Kirche, vernahm 
die Meſſe und empfing den Segen. König Mark legte 
ihm darauf Schwert und Sporen an und ſprach: Neffe, 
.feit du nun Ritter geworben bift, fo bedenke ritterlihen 
Preis; deine Geburt und beine Edelkeit feyen deinen Au: 
gen vorgelegt: fey bemäthig und unbetrogen, | 


Sey wahrhaft und fey wohlgezogen, 
Den Armen den fey immer gut, | 
Den Reichen immer hochgemut, 
Biere und mach’ werth deinen Leib, 
Ehre und minne alle Weib. 

Sey milde und getreue 

Und immer barin neue; 

Denn auf mein’ Ehre fag’ id das, 
Daß Gold und Zobel flund nie bas 
Dem Epeer unb bem Schilde, 

Als Treue und die Milde, 

Hiemit both er ihm den Schild dar; 
Er kuͤſt' ihn und ſprach: Neffe, nun fahr, 
Und gebe dir Bott duch feine Kraft 

Heil zu deiner Ritterſchaft; 
Sep immer höflich, fey immer froh. 


Bir feben hier die immer wiederkehrenden und fich wieber- 
botenden Lehren der Ritterfchaft, und ein jegliches Beiſpiel 
. erhärtet, wie allgemein alle biefe Minrichtungen, Satzun⸗ 


% 


2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 127 


gen und Lehren waren. Dagegen erfahren wir noch etwas 
anderes, indem es ſogleich heißt: 

Criſtan berichtete aber da 

Seine Befellen an der Gtäte, 

Recht, ald ihm fein Oheim thäte, 

An Schwert, an Spor’n, an Schilde. 

Demute, Zreue, Milde 

Die legt er jegliches Kür’ (Wahl) 

| Mit beſcheidenlicher Lehre für. 

Bir lernen daraus, was ich oben ſchon nur im Vorbei⸗ 
gehn berübrte, daß, wenn ein Bornehmer zum Ritter ges 
ſchlagen warb, er in bem ‚Augenblid auch die Machtvoll⸗ 
kommenheit exrdielt, fogleih anderen. die Baum erhaltene 
Würde zu ertheilen; denn dad „berichtete deutet auf 
die Handlung, durch welche bie Ritterwuͤrde ertheilt warb, 
Nachdem nun auch Zriflen. bie andem zu Rittern gemacht, 
wurde nicht mehr gezögert, fonbern alle eilten, um zu reis 
ten und zu buhurdiren, alfo von ihren früher erlangten 
Geſchicklichkeiten nun, ald neue Ritter, einen Beweis abs 
zulegen. 

Ein anderes feſtliches Gaſtmahl mag hier ſeine Stelle 
ſinden, indem wir unn zu den allgemeineren Feſtlichkeiten 
übergehen und die Reichheit und Fuͤlle, welche dabei herrſch⸗ 
ten, durch Beiſpiele belegen wollen. Als Parzifal, den 
wir ſchon fruͤher kennen lernten, in dem Schloſſe Mont⸗ 
ſalvaz (d. h. der behaltene, der heil. Berg) ankam und 
ihm der heil. Graal gezeigt ward, beſchreibt uns die Dich⸗ 
fung zugleich ein Feſt, welches. zur Ehre des Graals ver⸗ 
anſtaltet warb. (Diefer Heil. Graal iſt das Gefäß, des 
Kelch, worin Joſeph von Arimathia das Blut bes ſterben⸗ 


128 Zweiter Abfepnit. Ritterleben. 


den Chtiſtus anffing, von dem altbritannifche, franzoͤſiſche 
und beutfche Dichter wundervolle Mähren gefchrieben haben, 
unter denen die Dichtung des Deutſchen Wolfram von 
Eſchenbach in ſeinem Titurel am herrlichſten und hoͤch⸗ 
ſten iſt, um ſo mehr, da die Dichtung des Wolfram v. E. 
als eine rein chriſtliche da ſteht, und der Graal in ihm 
nichts als ein tiefes chriftlihes Geheimniß ausſpricht, 
wie er denn auch immer in einer göttlichen und überirdi: 
ſchen Höhe ſchwebt, wenigen nur fichtbar und erreichbar, 
dem gewöhnlichen irbifchen Treiben enthoben, und zulebt 
im fernen Indien dem Blid der Menfchen mit feinen Huͤ⸗ 
tern verfchwindet. Anders find, um es hier anzmdeuten, 
bie britannifchen und aus ihren gefloffenen franzöfifchen 
Dichtungen. Sie fcheinen auf das Heidenthum fich zu 
beziehen, und ed ift nicht unmahrfcheinlich, bag druibifche 
Geheimnigiehren und Vorftellungen damit verflochten find; . 
wenigſtens iſt die heil. Höhe, auf welcher der Graal ber. 
deutfchen Dichtung, ſteht, ganz von ihr entfernt. Died 
beiläufig bemerkt, komme ich nun zur Gaftmahlöbefchreis 
bung von dem’heil. Graale.) 

. „Parzifal ging mit feinem Führer auf einen Pallaſt, 
auf dem hundert Kronen 'mit vielen Kerzen: über den 
Hauägenoffen hingen. Kleine Kerzen waren noch an der 
Wand umber angebracht, hundert Ruhebette, mit Polſtern 
barauf, flanden an der Wand umher. Bon Marmor wa= 
ren in dem Saale drei vieredige Feuerrahmen gemauert, 
auf welchen das Feuer lag, zu bem theures und 'herrliche& 
Aloe» Holz genommen ward. An der mittlern Feuerſtaͤte 
faß auf einem Spannbette der König, Amfortas genannt; 


I 


2. Abtheil. Feſtlichkelten. 429 


und feiner Krankheit wegen waren die großen Feuer ans 
gezündet, und warme Kleiber umhuͤllten ihn, ein Pelz weit 
und lang von Zobel, und darüber ein weiter offener Man 
tel, Auf feinem Haupte trug er eine Mübe von Zobel, 
rundum mit einer arabifchen Borte, oben darauf, als ein 
Knöpflein, war ein helleuchtender Rubin. (Die Krank: 
beit des Königs nahm daher ihren Urfprung: er hatte ſich 
durch minder keuſche Gedanken, als ſich gebuͤhrte, gegen 
die Heiligkeit des Graales vergangen und war an dem 
Tage in einem Kampfſpiele mit einer Lanze verwundet 
worden. Dieſe Wunde wollte fih nun auf keine Weiſe 
wieber fchließen, unb nur dann war Rettung zu hoffen, 
- wenn Parzifal, ein keuſcher und reiner Ritter, nach Mont: 
ſalvaz kam und um die Bebeutung ber Feierlichkeiten, bie 
wir fogleich werben kennen lernen, fragte. Er Fam zwar, 
fragte aber nicht, fich und dem Könige großes Wehe bes 
veitend, welches erſt nach mehrjährigen Ritterfahrten endete, 
worauf Amfortad genaß und Parzifal König in Graale 
ward. Died zur beiläufigen Erklärung.)  :. 
Diele Ritter faßen nun dort mit dem Könige und 
feinem Gaſte in dem Saale verfammelt, ald man großen 
Sammer vor fie trug. Ein Knappe fprang zur Thuͤr hers 
ein, ber -trug eine Lanze, von. beren Schneide Blut an bem 
Schaft hernieberfloß. Wehe: Gefchrei und Weinen verbreis 
tete fidy über den ganzen Palafi, ald ber Knappe bie 
Lanze im Saale zu den vier Wänden umtruy and dann 
wieder zu ber Thüre hinaustrat. (Diefe Lanze, ober diefer 
Speer, war der Spieß, oder bebeutste ihn, mit welchem 
Ehriſti Seite geöffnet ward, als er.am Kreuze hing; es 
9 


130 welter Abfchnite Mitterichen. 


Niſt alfo die heil. Lanze, welche durch die ganze frühere 


chriftliche Zeit fo bedeutend geachtet wurde.) 

Zu Ende des Saales eröffnete fih, ald Weinen und 
Klagen geſtillt waren, eine flählerne Pforte, aus welcher 
zwei fchöne Iungfrauen traten, mit Kränzen auf dem 
bloßen Haare, mit Blumen umwunden. Jede trug in ber 
Hand einen goldenen Leuchter mit brennendem Lichte; 
ihre Haare walten lang über die Schultern nicder, von 
braunem Tuche waren ihre Kleider, die durch einen Güre 
tel um die Hüften gehalten wurben. Ihnen: folgte eine 
Herzogin mit ihrer Gefpielin, jede einen Unterfegfuß von 
Elfenbein zu einem Tiſche tragend und biefe beiden vor 
ben Wirth fiellend. Darauf erfchienen acht Jungfrauen, 
von denen vier große Kerzen trugen, bie andern vier 
trugen einen lichten und klaren Stein, groß, lang und 


. breit und zu einem Tiſche, an dem ber König aß, ges 


meflen. Den Stein nennt der Dichter einen Granat Ja⸗ 
chant. Diefen legten fie auf die Zifchfüße (Stollen im 


Gedicht genannt) vor den König. Diefe acht Frauen hats 


ten geine Sammtröde an, lang und weit, und mit einem 
Sürtel um die Hüften gefeftet. Jede diefer Frauen trug 
auf ihrem Kopfe ein Eleines Blumenkraͤnzchen. "Darauf 
erfhienen wieber vier Jungfrauen mit Lichtern, zwiſchen 
denen zwei gingen, welche auf Tuͤchern zwei filberne Meffer 
trugen, die fie vor den Wirth niederlegten. Darauf ers 
fhienen wieber ſechs prachtvoll angelleibete Jungfrauen, 
und nach ihnen Fam eine gefrönte Jungfrau, welche den 
Graal mit ihren Händen trug. Die Jungfrauen vor ihr 
trugen in ſechs langen, lautern und wohlgethanen Gläfern 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 131 


brennenden Balſam als Lichter; die Traͤgerin des Graales 
und die Jungfrauen werneigten ſich vor dem Könige, und 
der Graal warb vor ihm auf ben Tiſch gefebt. Darauf 
traten diefe fieben zu den achtzehn andern. So viel uım 
Ritter da waren, fo trat'immer zu vier und vieren ein 
Kämmerer, mit einem ſchweren goldenen Beden (auf daß 
fih, wie im Mittelalter gewöhnlich war, ein jeder vor 
dem Gaſftmahle wufch, eine Sitte, die theild in dem Ges 
fühl der Reinlichkeit feinen Urfprung hatte, da man fich 
der Gabeln noch wenig bebiente, wie im Morgenlande, 
theil3 aber auch wohl noch unbewußt aus der heibnifchen 
Zeit, als ein Reinigungöopfer, heruͤbergekommen feyn 
mochte), und ein wohlgethaner Junker (Evellnabe) folgte 
ihm, ein weißes Tuch tragend. 

Der Tafeln mußten hundert feyn, die man zu ben 
Thüren berein trug; vor vier ber werthen Kitter fegte 
man immer einen Tiſch, mit weißen Zifchtüchern belegt. 
Der Wirth nahm felbft Wafler, und mit ihm zuſammen 
wufch fih Parzifal; ein feidenes Handtuch bot darnach 
eines Grafen Sohn ihnen bar, ber es knieend barreichte. 
(Hier fehen wir, was fchon oben im Sugenbleben von mir 
ausführlicher beruͤhrt worden iſt, den Dienft der Edelkna⸗ 
den, und in dem, was ich ſogleich mittheilen werde, er⸗ 
ſcheint der Dienſt der Knappen. Einzelne Stellen mußten 
ſo angeführt werben, daß fie ruͤckwaͤrts für ſchon Geſagtes 
beweiſend waren, ſo wie fuͤr das gerade in Rede Stehende, 
da manches nicht getrennt werden konnte, indem es ſonſt 
durch zu viele Zerſtückelung ganz undeutlich und Ihdenhaft ge⸗ 
worden wäre.) Wo eine Tafel fland, da mußten vier Knappen 

. 9 * 


432 Zweiter Abfchnitt. Ritterlebe n. 


diejenigen, die daran ſaßen, beſorgen: zween knieten 
(alſo ein ſehr beſchwerlicher Dienſt) und ſchnitten die 
Speiſen vor, zween andere trugen Trinken und Eſſen dar. 
Vier Wagen, die manches theure Goldfaß enthielten, wur⸗ 
den an den Waͤnden herumgezogen fuͤr die Ritter, und 
man ſah dieſe Gefaͤße von vier Rittern auf die Tafeln 
ſetzen. Ein Schreiber ging ihnen nach, um alles zu ver⸗ 
zeichnen, damit, wenn das Mahl geendet, er alles wieder 
ſammle. Hundert Knappen ward darauf befohlen, daß ſie 
in weiße Tuͤcher Brot vor dem Graale nahmen und dieſes 
an die Tiſche rund um vertheilten. Ein Wunder war 
hierbei, alles, was an Speiſe benoͤthigt war, was 
einer nur wuͤnſchte warm und kalt, zahm und wild, alles 
ward durch die Kraft des Graales ſogleich herbeigeſchafft, 
nichts mangelte, der Beſcheidene und der Unmaͤßige, ein 
jeder fand ſeine Befriedigung. Eben ſo ſtand jedes Ge⸗ 
traͤnke, welches verlangt ward, in dem Trinknapfe eines 
‘jeden da. (An Getraͤnken werben genannt Marras ober 
Moras, ein gemifchtes Getraͤnk, eine Art Obflwein, ent 
weder aus Maulbeeren oder aus Kirfchen gemacht; ein 
Trank, welcher bäufinft in jener alten. Seit und beinahe 
in allen Gedichten vorkommt, fo daß man baraus ficht, 
es muß ein fehr beliebter Genuß geweſen ſeyn. Dann 
Wein, roth wie Sirop, wordus es beinahe fcheint, daß 
Bamald nur. dunkle Weine, wenigſtens am meiflen, bes 
kannt und beliebt waren.) Nachdem nun bad Gaſtmahi 
vorüber, geſchieht alles in umgekehrter Ordnung, wie vor: 
ber, und bie Yungfrauen heben "auch den. heil. Graal auf 
und tragen ihn wieder von bannen, B 





2. Abtheit, Feſtlichke iten. 133 


Die Befchreibung dieſes Gaͤſtmahls iſt wenigſtens fuͤr 
manches Einzelne, was im Mittelalter vorkommt, erklaͤ⸗ 
rend geweſen, wenn es auch eigentlich keine große Feſt⸗ 
lichkeit bezeichnet. Die meiſten andern Feierlichkeiten ſind 
mit Turnieren verbunden, und erſt die ſpaͤtere Zeit gefiel 
ſich in der Anordnung uͤberaus prachtvoller, reicher und 
theurer Feſte noch mehr. Aus der ſpaͤteren Zeit laͤßt ſich 
daher bei weitem mehr ſammeln, doch koͤnnen nur immer 
einzelne Beiſpiele angefuͤhrt werden, da eine zu große 
Maſſe ermuͤden wuͤrde. 

Was das kurz vorher angemerkte Knieen der vor⸗ 
ſchneidenden Edelknaben betrifft, ſo wurde dieſe Demuͤthi⸗ 
gung als eine ganz beſondere Ehrenbezeugung angefehen, 
fo daß felbft eine Königin ſich dazu bergab, wenn fie 
einen Ritter, ber ihr große Dienfle geleiftet hatte, oder 
von bem fie dergleichen erwartete, befonders ehren wollte, 
So bedient die Königin Belifane den Gamuret zu Zaza⸗ 
manch (Parzif. V. 966.), wo es heißt:. . 

Sie war-mit Jungfraun gelommen 5 
Sie Inieete nieder, das war ihm leib. 


Mit ihrer felber Hand fie fchneib’t 
- Dem Ritter feiner Speiſe ein Theil. 


Bon dem großen, ja ungeheuern Aufwande, der bei fol« 
hen Feſten herrſchte, belehrt und auch Ditolar Horned 
in feinem gereimten Zeitbuche des Landes Deflerreih, wenn 
er beim Jahre 1261 erzählt, wie König Dttofar von Boͤh⸗ 
men feine Nichte, die ſchoͤne Markgrafentochter von Bran⸗ 
denburg, an Koͤnig Bela von Ungarn vermaͤhlte. Er 
ſagt; „Es war da fo viel zuſammengebracht, daß, wer es 
recht betrachtet hat, furwahr geſtehen muß, daß er nie bei 


43% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


einer Hochzeit oder an einem Orte mehr Vorrath an allen 
- Dingen geſehen. Blos an Wein war fo viel da, daß, 
wenn fo viel Leute, als in zween Landen find, da zu 
trinken begonnen hätten, ihnen ber Wein, Dieweil bie | 
Hochzeit währete, nicht abgegangen feyn möchte. Der 
König von Böheim fand ganz fo viel, ald er begehrt hatte, 
Es waren da fünf Haufen von Futter über einander ges 
ſchobert. Jeder, der ed da gefehen, müßt mit mir, — 
wär” ich ihm auch fremd — einflimmen, daß jeglicher 
Haufe größer war, ald die Kirche zu Salchenau. Da 
war Aue und Haide voll feifter Rinder, und was Tonft 
noch dazu gehört, an Schweinen und Kleinvieh; ich kann 
es mit Wahrheit fagen, da ich ed erfahren habe — Das 
‚ wurde von allen denen, bie da waren, in vier Wochen 
nicht aufgezehrt. Ungerechnet bleibt noch das Vieh, fo 
. auf dem Werder fund, und das, fo man herzutreiben fah. 
Wie groß der Aufwand an Brobt war, bavon fagte mir 
ber, fo darüber waltete, daß er dazumal bie Zahl nicht 
. gewußt habe, wie viel des Brodtes gewefen, bis des Koͤ⸗ 
niges Schreiber fih zur Rechnung nicderfegten. Das 
Brodt, das fie da gegeffen, nebſt dem, melches über blieb, 
betrug bei der Rechnung taufend Mutt (ein Getreibemang 
von 30 Wiener Metzen) Weizen, ohne dad, was man 
hinſchuͤttete, und was niemand nehmen wollte; wer das 
noch hätte rechnen wollen, fo waren e3 wohl an 400 
Mutt Weizen. Eines wundert mid) bloß: wo man ben 
Vorrath an Hühnern und Wilbpret hernahm? Deſſen 
führte man fo viel dahin, daß man wohl fagen fann, es 
war, als ob alle. Meifen uͤnd Sperlinge in Mähren und- 


2. Abthei,‘ Feſtlichkeiten. 135 


Defterreich Hübner gewefen wären. Des Ueberfluffes war 
ba genug, Kaum trug die Donau in ben Schiffen bie 
Laft der Speife, und manches barft in dem Gedraͤnge. 

- Bon dem Aufwand bei foldhen Feſten weiß die Vor: 
zeit manches zu fagen, Hanne von Schweinichen erzählt 
beim Jahre 1578 (Bd. I.), daß er mit feinem Herrn nach 
Krammerau in Böhmen zu Wilhelm von Rofenberge 
Hochzeit geladen worden fey, und fagt davon: 

„Es ift dermaßen eine Hochzeit gewefen, daß nicht 
genugfam kann gefagt werden, was vor Pracht und Ans 
zahl Volkes da gewefen ſey. Denn man fieben Lage mit 
Zanzen, Gechten, Ringelvennen, Mummerei, Feuerwerk 
und anderer Kurzweil zugebraht. Man hielt davor, daß 
bie Hochzeit über 400,000 Thaler geftanden habe, wie ich 
denn aus der Küche ein kurz Verzeichniß des Aufganges 
bekommen: 


Ganze Hirſche 113 Eier Bu " 40,837 
Hirfchwildpret in Th. 24 Gentner Schmalz 417 
Wilde Schweine 98 Fettes in Tonnen 39 
Schweine in Thl. 49 Fohren, fogroßwaren 5,960 
Rebe 162 Lachs in Pafteten 117 
Hafen 2,292 Grün Lachs 50 ° 
Faſanen 470 Gar große Hechte 470 
Auerhuͤhner 26 Haupthechte 4,374 
Rebhühner 3,910 Karpfen, Stüd 415,800 
Krametvogel 22,687 ou allerlei andern 
Weſtphaͤliſche Schinten 88 Zifchen in Zuben 478 
Ochfen 370 Große Aale - 314 


Shöpfe 2,687 Welfe 37 


136° Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 

Kaͤlber - 4,579 Auſtern, Tonnen 6 
Bratlaͤmmer 421 Eimer Rheinwein 4,787 

Spidfchweine 99 Eimer Ungriſch 2000 

Gemaͤſtete Schweine 300 Oeſterreicher 700 

Spanferkel 577 Eimer boͤhm. Wein 448 


Indianifche Hühner 600 Eimer Maͤhriſchen 4,100 
Gemäftete Kapaunen 3,000 Süße Weine allerli 370 
Gemäftete Hühner 42,887 Weiß Bier, Viertel 5,487 


(8. 9. 12,581.) Rakonitzer Bier | 
Zunge Hühner - 2,500 Viertel 180 
Gemaͤſtete Sänfe 3,550 Gerfien- Bier, Viertel 920 

(B. H. 3,250.) Schoͤps, Viertel 24 


Vor Gewuͤrze, Marzipan und Confect 12,743 Thaler. 
Weizen zu Mehl 26 Malter. 
Korn zu Brodt 128 Malter. 
Haber zu Futter 478 Malter. 

Ich war bericht't, daß die Kleidung, Mummerei, 
Feuerwerk, die Zimmer zu beſchlagen und dergleichen auch 
über 40,000 Thaler hatten geſtanden. So hat man auf 
allen feinen Herrfchaften und Dörfern die ganze Hochzeit 
über täglich arme. Leute gefpeifet; was allda aufgegangen, 
fonnte man nicht wiſſen.“ 

Solcher verfchwenderifchen Fefle gab es nun mande 
in Deutfchland, von denen uns noch Nachrichten geblies 
ben find, wobei hauptſaͤchlich auf Bd. I. der Curiofitäten 

zu verweilen ift, in dem mehre ſolche Kuchenzettel aufbe⸗ 
wahrt worden. 

Betrachten wir dieſe ungeheuren Maſſen, die oft zu 
jener Zeit auf einmal verzehrt und verbraucht wurden, 


- 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 137 
wovon hier nur ein einzelnes Beiſpiel angefuͤhrt werden 
konnte, und erſtaunen wir daruͤber, fo wollen wir. auch 
bedenken, daß damals. die Preife aller Sachen überaus 
geringe waren, ehe bie Entdedung Amerikas die Maffe bes 
Goldes und Silbers, und fo des Geldes häufte, und bes 
vor diefe Menge fi in Europa gleichmäßig vertheilte; doch 
ift auch zu erwägen, baß jene wohlfeilen Preife den ſpaͤ⸗ 
tern und dem unfern nicht gleich zu flellen find, da eben 
die größere Seltenheit des Geldes auch feinen Werth ers 
höhte. Wir wollen zum Beweis des Gefagten auch bier 
einige Preife jener Jahrhunderte anführen. 

As Herzog Wilhelm von Sachſen 1452 mit einem 
anfehnlichen Gefolge aus 92 Perfonen mehre Tage in 
Saalfeld verweilte, betrug die gefammte Zeche, laut der 
dortigen Amtörechnung, mit Einfhluß der Trinkgelder 
und der Anſchaffung von vier Faͤſſern Wein, neunzig 
Schock Brodten und vier und ſechzig Scheffeln. Haber, 
des Zleifches, ber Fifche u. f. w. nur 7 Thaler, 14 Gro> 
fihen, 7 Pfennige. In Judenbach reichte gebachter Herzog . 
1457 fogar mit 8 Groſchen aus, und war doch ein fo 
angefehener Fuͤrſt, daß man, zu Folge des Sprichwortes, 
den Klang feiner Sporen dur ganz Thuͤringen hörte, 
As fein Eanzler ſich (1417) zwei Tage lang in Saalfeld 
aufhielt, koſtete felbiger ber Stadt 3 Grofchen 7 Pfennige 
und 2 Zinshühner. In jenen Zeiten galt ein Schod He: 
tinge 10 ©r., ein Kalb 7 Gr., ein halbes Rind nicht 
volle 2 Thlr., ein Schod Eier 14 Pfennige, ein Scheffel 
Salz 14 Gr., 4 Pfund Hecht 1 Gr., das Faß Bier 
2 Thlr. 12 Gr., das Zuder Kohlen 16 bis 20 Gr., das 


138 Bweiter Abſchnitt. Nitterleben. 


Fuder Heu 15 Gr., eine Elle Leinwand fuͤr den Herzog 
4 Gr., ein paar Schuhe 5 Gr., ein Pelz mit rauher 
Muͤtze 12 Gr., ein Hufſchlag 6 Pf., das Pfund Zuder 
dagegen koſtete 1 Thlr. 8 Gr., und bei einem Fürftenmahle 
warb daher oft kaum ein halbes Pfund verbraucht. Die Trink⸗ 
| gelber, welche. ber Herzog gab, betrugen felten über 2 Gr. 
Zehn Groſchen erhielt bei jenem Zufpruch in Saalfeld: der 
Bürgermeifter als eine Verehrung, der Kämmerer 2 Gros 
fen. Eine Magd mar mit einem Jahrlohn von 4 Thlr. 
46 Gr. zufrieden. 

Zu allen Zeiten war die Pracht bei Könige. Gaſtmaͤh⸗ 
lern in Frankreich groß. Man lieſt in dem Zeitbuche bes 
‚ Alberit von einem prächtigen Feſte, das bei ber Vermaͤh⸗ 
lung Roberts, des Sohns vom heil. Ludwig, mit Mas 
haut, Gräfin von Artois und Zochter bed, Herzogs von 
Brabant, im Jahre 4237 gegeben wurde, wo man bie 
nieblichften Speifen auftrug und die vornehmen Gäfte 
während ber Mahlzeit mit fonderbaren Schaufpielen unters 
hielt. Man fah einen Mann zu Pferde auf einem: Audges 
fpannten. Seile reiten; an ben vier Eden des Saales bes 
fanden ſich Spielleute, die auf Ochfen ritten, welche mit 
Scharlach bedeckt waren und bei jedem Auffa& von Spei⸗ 
fen auf Walbpörnern bliefen. Bei folchen Gelegenheiten 
wurden auch Hunde in den Saal gelaffen; man fah Affen 
auf Biegenböden reiten, die Harfe fpielend. — Au 
größere Darfiellungen wurben zu andern Zeiten gegeben, 
ald z. B. die Eroberung von Ierufallm durch Gottfried 
von Bouillon im Jahre 1378 bei einer Feſtlichkeit, welche 
König Karl V von Frankreich feinem Oheim Kaifer Karl IV 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 139 


gab. — Bei einer andern Feierlichkeit wurde die Erobe⸗ 
rung von Troja durch die Griechen dargeſtellt. 

Sehr beliebte Feierlichkeiten waren in jenen und auch 
noch in ſpaͤtern Zeite Mummereien, die wir daher 
oftmals erzaͤhlt finden, wenn man ſie auch zu einzelnen 
Zeiten zu vermeiden ſuchte, da ſich oftmals Verrätherei, 
'heimlihe Tide und Mord dahinter verbargen, wenn ges 
reizte Leidenfchaften ind Spiel traten, indem bie vorges 
nommene Larve geeignet war, leicht den Verbrecher jeber 
Nachforfhung zu entziehen. Es iſt auch als eine Art lang 
fortgefeßter Mummerei zu betrachten, wenn Ulrich von 
Lichtenflein, ald Königin Venus oder ein andermal als 
König Artus verkleidet, im Lande herumzieht und jeglichen 
Kitter zum. Kampf auffordert, wovon in ber Abtheilung 
„Ritterfahrten und Ritterzuͤge“ die Rede feyn wird. 

Auch davon abgefehen, daß Feine heimliche Tüde ſich 
einfchlih, fo gefchahen doch durch Unvorfichtigfeiten bei 
diefen Mummereien manchmal Unglidsfäle, von denen 
und bie Beitblicher mehre Beifpiele aufbewahrt haben. So 
wurden 3. B. bei biefen DMummereien wilde Waldmenfchen 
häufig dadurch dargeftellt, daß fich bie Männer in Wolle 
rauh einhuͤllten, welche mit Harz und andern brennbaren 
Stoffen überzogen und flarr gemacht worben war. Ziel 
nun auf einen fo Vermummten ein brennenver Funken, 
welches leicht war, da theils der Saal fehr erleuchtet war, 
theils auch oft mit Lichtern getanzt ward, fo war gemeins 
bin der Brennende verloren, da die dicht anliegenden Kleis 
ber nicht fo leicht abgezerrt werden konnten und oft ſelbſt 
Waſſer nicht leicht in ber Nähe war. Solcher traurigen 


140 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Faͤlle ereigneten ſich mehre; ein Beiſpiel moͤge genuͤgen. 
Als Koͤnig Philipp der Schoͤne im Jahre 1313 den Prin⸗ 
zen von Geblüte bie Ritterwuͤrde ertheilte, wurben vers 
ſchiedene Tänze getanzt. Einer davon beſtand aus Wilden, 
die Befleln trugen. Ihre Kleidung beſtand aus Leinewand, 
auf welcher Werg mit Harz 'angelleiftert war. Diefe ſelt⸗ 
fame Kleivung hätte beinahe Karl IV, ber einer der Wil⸗ 
den war und 4 andere an Ketten zufammengefchlofien 
führte, das Leben gekoſtet. Bon ungefähr kam ber Herzog 
von Orleans einem biefer Wilden mit einer brennenden 
Badel zu nahe. Die Kleidung deſſelben fing plöglicy 
Feuer und theilte folches fogleich den übrigen Verkleideten 
mit, die fi) wegen der Feſſeln nicht von einander los: 
machen konnten. In diefem hoͤchſt gefährlichen Augenblid 
hatte die Herzogin von Berry fo viel Gegenwart bed 
Seiftes, daß fie fogleich den Prinzen mit ihrem langen 
Sewande ummidelte, wodurch fie bad euer an feinem 
Kleide erflidte. Niemand von dieſer Geſellſchaft der Wil: 
der Fam mit dem Leben davon, als der Prinz und nady 
malige König Karl IV. Der Graf v. Joigny ſtarb auf 
der Stelle,‘ und die Übrigen, Hofleute, welche aus den 
vornehmften franzöfifchen Familien waren, überlebten dies 
fen traurigen Borfal nur wenige Tage. — Auch in 
Liegnitz begab fich ein folches Unglüd im 14. Jahrh., und 
da man Überhaupt bie Mummereien für etwas Heibnifches 
und Gottedläfterliches in der fpätern Zeit Hielt, fo wurden 
heftige Berbote gegen biefelben gegeben. So fagt 3. 2. 
bie wirtembergifche Landordnung: „Dieweil das Mummen 
und Butzenkleiden, fonderlich Die, ba fich Frauen in Manns 


2. Abthell. Feſtlichkeiten. 141 


und Maͤnner in Frauenkleider verſtellen, vor Gott ein 
großer Graͤuel iſt, auch viel Schande und Laſter darunter 
gefchieht, fo verbieten ‚wir ernſtlich daß niemand zu eini⸗ 
ger Zeit des Jahres mit verdeckten Angeſichten, ober in 
Butzenkleidern geben fol, bei Straf’ des Thurmes ober 
Narrenhaͤusleins.“ 

Ungeachtet der heftigen Verbote, die fih in vielen 
Ländern wieberholten, gingen diefe Mummereien immer 
fort und‘ fanden ſtets ihre Liebhaber, befonderd an ven 


Höfen, und wir haben ja fogar oben gefehen, daß Kaiſer 
Marimilian, als ein Juͤngling, Unterricht barin nahm, 


wie folhe Mummereien zu veranftalten und einzurichten 
wären. 

Um nun von ben Mummereien noch etwas anzufüh⸗ 
zen, bie zu Marimiliand Zeit Statt fanden, fo erzählt 
uns ber Weißkunig beim Jahre 1451 eine ſolche auf diefe 
Art: „Es find vor die Durchlauchtigſte Königin kommen, 
Bappen, Perfenanten und Ehrnholde und haben gebracht 
von allen Königreichen ber Chriftenheit gefchriebene Sende 
driefe und der jungen Königin mit großer Bier überants 
wortet. Danach find kommen fchwarze Leu’, die Mohren, 
mit einem wurlberlichen Machwerk, als ein großer Drache, 
und haben mit ihren Gebärden und Sitten ber jungen 
Königin befondere Ehre und Reverenz gethan. Nach fols 
chem iſt Fommen ber jungen Königin junger Bruder mit 
feier Geſellſchaft in einer Farbe, faſt Föftlichen und wohl 
bekleid't, und hat in feiner Hand einen Brief, damit er 
feiner Ritterfchaft Zukunft. auf die Hochzeit verkuͤndet. 
Darnach find kommen wilde Menfchen ‚ bie ihre Wohnung 


nn 


4 


142 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


haben in einem EA und Winkel der Welt, in weiten und 
fernen Infeln des Meeres, bie aber mit ihrem Gehorfam 
unter vorberührtem König waren. Diefelben wilden Men: 
ſchen rebeten zu ber jungen Königin, wie fie. von ihren 
Dberen zu dieſem Feſt der Vermählung wären gefenbet, und 
thaten darauf einen fonderlichen, wunderlichen Tanz, nad 
ihren Sitten; denn Frau und Mann find in berfelben 
Inſel nadet und bloß gangen und ber jungen Königin 
Dater hat daſſelb' Volk erft bezwungen und zu Gehorfam 
bracht. (Unter biefen wilden Völkern find die Einwohner 
ber Inſel Madera und ber canarifchen Infeln gemeint.) 
Nach ſolchen ift derfelben jungen Königin Bruber kommen, 
ber regierender König in dem Königreich Portugal war; 
und bat mit ihm genommen feine trefflihe Ritterfchaft, 
mit koͤſtlichen goldenen und fanımtenen Kleidern auf das 
allerzierlichft? befleiv’t und angelegt, und gab feiner Schwe⸗ 
fler der jungen Königin einen Senbbrief in die Hand und 
ſprach: er wäre aus fernften Enden ber Erden mit feiner 
ftreitbarften Ritterfchaft zu ihr bieher kommen, in ber 
Meinung und mit Begehrung, vor ihr zitterliche Werk 
zu treiben und zu üben. Darnach find kommen wohlge: 
borne Herren aus des alten weifen Könige Königreich, 
mit Traufen und langen gelben Haaren über die Achfeln; 
mit fonderer Zier und haben der jungen Königin auch 
einen. Brief mit großer Reverenz Üüberantwortet, und dar⸗ 
auf gefagt, wie fie hieher Tommen feyen aus bem hohen 
Lande des alten weifen Königs zu dieſer Hochzeit, in ber 
Meinung, daß fie allen andern Razionen und Jungen 
Bibertheil halten wollen mit ritterlicher That.’ 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 143 


Aber auch in andern Feſten und Feierlichkeiten und 
in deren Erfindung und Anorbnung war man reich, und 
barin liefert der Weißkunig ebenfalls viele Beifpiele, wovon 
einiges hier folgen möge, ba es ſich überdies nicht allein 
an bie eben erzählte Mummerei anfchließt, fondern felbft 
noch eine Art Larvenfpiel ift: 

„Des andern Tages ift biefelbe junge Königin (eb 
war Tlifabet, Peters, Herzog zu Coimbria, Tochter, Ges 
malin Kaifer Friedrichs III, die Mutter Marimilians I) mit 
großer Würde, Bier und hohem Gepränge, von bem koͤniglichen 
Schloß herab in die Stadt, in einen Palaft in Mitten ber 
Stadt geführt, und in ſolchem Führen viel fchöner luſtiger 
Spiel’ Hin und her gehalten worden und infonberheit, als 
diefeib? Königin neben die große Kirche kam, Da war ber, 
Hohe Thurm an derfelben Kirchen mit wunderlicher Kunft 
der Menfchen zugerichte. Aus bemfelben Thurm in ber 
Luft iſt gegen bie junge Königin abgefliegen ein Juͤngling, 
ber war geziert ald ein Engel und hat- bracht ber ver: 
mählten Königin eine gulbene Krone, und in ber Luft 
alfo gefungen: o bu vermählte Königin! empfah und 
nimm die Krone hier auf biefer Erben, daß du gekrönt 
werbeft in dem Himmel über alle Elemente. Daſelbſt ift 
auch zugerichtet gewefen eine Stabt oder ein Garten, als 
das Paradeis, daraus em Sungling ald ein Engel in ber 
Höh durch ein Fenfter eines Thurmes kam, und bracht’ 
in einem vergulbeten Beden Rofen und warf biefelben 
Rofen auf der bemeld’ten Königin Haupt und berfelbe 
Engel fang alfor „nimm die Blumen und Rofen, baß bus 
und dein Saamen blühen werben auf dem Erdreich und 


444 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


mit den Blumen der Tugend mit langer Zeit auf dem 
Erdreich werdeſt verdienen die Bluͤten und Roſen der ewi⸗ 
gen Seligkeit zu empfahen in dem Himmel.” „Darauf an 
‚einer andern Stelle hat ein ebler Doctor. eine fhöne Pre: 
bigt’ ober Rebe auf eine halbe Stunde gethan. Nach, fol: 
‚chem find vor die vermählte Königin kommen drei Jungs 
ling’ in englifhem Gewand’. Der erfi! Engel hat tragen 
ein Kruzifir, und fih genennt den Glauben, der ba iſt 
eine göttliche Zugend; ber andere Engel hat in feiner 
Hand gehabt einen grünen Zweig, der hat fich geheißen 
bie Hoffnung; ber dritte Engel bat gehalten in feiner 
Hand eine iebendige Taube und bat ſich genannt bie Liebe, 
und biefelben drei Engel haben mit ſchoͤnen geſetzten 
Sprihwörtern mit der vermählten Königin alfo gerebet: 
daß fie ſollt' haben zu ihrem allerliebftien Gemal und 
- Herten eine fläte Hoffnung, die da wäre eine Behalterin 
aller Zugend, auch einen ganzen rechten Glauben und 


WVertrauen, ald zu der unbeweglichen Säul’ des chriftlichen 


Glaubens und eine vollkommene Lieb, mehr denn zu Vater 
und Mutter und allem ihrem Gefcjlecht. Richt fern’ davon iſt 
geweſen ein Brumnen, kuͤnſtlich gemacht, daraus ift gefloffen 
wohlſchmeckend (mwohlriechend) Rofenwafler, zu Labung und 
Ergoͤtzung der Menſchen. Dafelbft ift auch gemefen ein 
Thiergarten mit vielen und mancherlei wilden Xhieren: 
Nah ſolchem allen ift bie Königin aber an eine Stadt 
kommen, da find vor der "Königin gefeflen dreizehn Pro: 
pheten in ihren Kleidern, nach Gewohnheit der Propheten, 
und jeder ein Buch in feiner Hand und haben geweiſſagt 
viel guter Ding’ von dem Bräutigam und Braut. An 


‚2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 145 


dem andern Tage folgte dieſem Beſchriebenen ein feierli⸗ 
cher Aufzug zu den ritterlichen Uebungen und ein Turnier, 
wovon bei den Turnieren die Rede ſeyn wird. 

„Am Tage nach dem Turniere ſind kommen vor der 
vermaͤhlten Königin Pallaft, etliche viele Jäger, mit einer 
merflihen Anzahl großer Hunde und haben geführt einen 
Löwen, einen Bären und ein Wilbfehwein und vor ber 
Königin ein wunderlich Jagen vollbracht. Nach derfelben 
Jagd find kommen zwölf Grafen und Herrn auf großen 
Pferden, bedeckt mit guldenen Züchern bis auf bie Erde, 
in ihrem. Harnifch, und ein jeber hat gehabt einen Knecht 
zu Ros, ber mit dem Spieß ift vor ihm geritten. Und 
ein jeglicher Knecht iſt fo zierlichen befleid’t geweſen, als 
man bie ſchoͤnen Engel.malt. Und dviefelben zwölf Grafen 
und Herrn haben bei vier Ur (Auerochfen) geflohen und 
als fie. wieber abzogen feyn, da iſt einer zu Ros kommen 
mit koͤſtlicher Gezierde und großer Gefelfchaft, mit großen . 
und wunderlichen Pferden und hat fich genannt einen Kb-- 
nig von Zroja und mit ihm gehabt drei Soͤhn'; der erſt' 
hieß Hebtor, der ander Primus, ber dritte Ajar, im 
Einiglichem Gewand und haben fich gegen den Böniglichen 
Pallaſt gekehrt, darin bie vermählt” Königin mitfammt 
ihren Brüdern und Schweftern, mit ihren eblen Herrn 
war. Und derfelb’ König von Troja ließ vor bemfelben 
Palaft durch feinen Ehrenhold rufen, wie er in weiten 
Landen und uͤber Meer, infonderheit in feinem Königreich 
Troja, vernommen haͤtt', wie der König deſſelben Reichs 
feige Altere Schwefter bem allerhochgelobteflen Herrn, dem 
alten weiſen König, vermählt hätt. Und dieweil benz 

40 


4146 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


gedachter König mit etlichen feinen Landen in Afrika fein 
Nachbar wäre, fo hätt’ er nicht unterwegen laffen mögen, 
und wär’ dem alten weifen König, auch ihm zu Tonber 
Lob und Ehre ihrer Kronen, zu ihm in fein Königreich 
fommen und wollt’ bei ihm in feinem Reich ftreitbarlich 
und ritterlih Wert üben und wollt’ fih mitfammt feinen 
dreien Söhnen ftellen wider alle die, wad Geburt oder 
Zungen die wären, Alsbald der regierende König mit 
- feiner Ritterſchaft daB gehört hat, iſt er mit feiner Ritters 
ſchaft Yerfür Fommen und von Stund' an gegen feine 
Widerpartei vor ber vermählten Königin und ihren Schwe⸗ 
fiern und vor feiner Gemahlin der Königin ein luſtiges 
Geſtech angefangen, und mit Freuden vollend’t. Alſo 
haben bie Königinnen mit einander durch eime geborne 
Gräfin, die eine fonders ſchoͤne Jungfrau war, bem Her« 
ren, der das Beſt' gethan hatt’, einen gulbnen Ring mit 
einem Edelſtein gefchenft und nad ſolchem Geſtech, als 
die Sonn’ hat wollen untergehen, aus Töniglichem Ge⸗ 
fchäft find die guten Tücher, die man hat aufgefpannt an 
bie Wind’, von dem gemeinen Volk raubweif genommen 
worben, und wad ein jedes hat mögen zumege bringen, 
dos ift fein gewefen. Nach ſolchem, am andern Tag', iſt 
ein großmächtiger Herr faft fcheinbarlih, mit feiner Ges 
felfchaft vor der vermählten Königin Pallaſt geritten und 
hat durch feinen Ehrenhold laffen rufen: er fey der groß 
mächtig König Europa. Er hat auch durch feinen Ehren> 
hold weiter berufen laſſen, allen Königen und Fürften mit 
den Worten: o ihr, die wefen und wohnend in dem Kreis 
der Welt, nehmt wahr, nehmt wahr bie Boͤfen, die da 


⸗ 


2 Adtheil. Feſtlichkelten. 147 


wachfen und über uns kommen; und bat inbem aufgethan 
ein groß Buch und ferner laſſen rufen alfo: o ihr Kinder 
ber Menfchen, urtheilenb rechtlich und was recht iſt, das 
ſollt ihre brauchen; und hat viel von her Gerechtigkeit 
rufen laſſen. Auf das find kommen eine merkliche Anzahl 
der Sarazenen und Heiben zu Res mit ihren Schilden 


and Lanzen und haben vor der Königin Pallaft mit ander 


geſtritten und die allerſchnelleſten Ros, ſpringend wie Reh⸗ 


boͤckchen, gehabt. Nach ſolchem find auch für und fuͤr von 
dem Stadtvolk und von dem gemeinen Volk viel’ ſeltſam, 


abentheuerliche Spiel’ getrieben und gelibt werben. Solches 
alles zu befchreiben, wäre zu lang. Und ald feld Mitter- 
fpiel und Freud’ vollbracht feyn worben, hat ber regierend’ 
König in feinem Pallaſt ein groß Mahl und Gaftung 
zugericht't.“ 

„Derſelb' Pallaſt iſt auch mit toſtlichen gewiekten Tuͤ⸗ 
chern und Figuren auf das allerfhönf’ umhaͤngt und ges 


ziert gewefen. An den Tafeln, die dann koͤſtlich mit Gold . 


und Silber umlegt waren, nad Föniglihen Sitten, haben 
bie verſchiedenen hohen Perfonen gefeilen und bie andern, 
welche zur Hoffeierlichfeit gelaben. Es find aud, kommen 
bie Singer und mancherlei Spielleut', die mancherlei ſelt⸗ 


fame Gefang 'gefungen und Spiel getrieben haben. Und 


dieſelb? Mahlzeit iſt mit großer Freud’ und Frohlockung 
vollendet worden.‘ 


Dies nun waren bie Beierlichleiten, welhe bei ber 


Vermaͤhlung des Kaiferd Friedrich III mit der Elifabeth 

von Portugal in Portugal gehalten wurden, wo Elifaheth 

dem Kaifer durch eine Botſchaft augetraut ward, Die 
10* 


148 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Beſchreibung zeugt von ber finnigen Bedeutung und von 

der abwechfelnden und immer wieber ergögenden Pracht, 

die man ben Feftlichleiten zu geben wußte; und was bier 

von Portugal erzählt wird, bad gilt auch für Frankreich, 

Italien und Deutſchland meift auf gleiche Weile; wogegen 
, wir jest fo in der Anordnung und Ausführung ber Fefte 

unb in ber 2ebendigfeit der Einbilbungskraft, etwas zu 
erfinden, meift erflorben find, daß wir beinahe bei allen 
Feierlichkeiten nichts aufzubringen willen, als bie allbe⸗ 
Tannten und zehnfach wieberholten jungen Mädchen mit 
weißen Kleidern und Blumenfränzen. 

Wie wenig man den Sreuben ber Mummerei entfagte, 
geht aus vielem hervor, und beſonders gefielen die Umge⸗ 
flaltungen der Männer in Frauen, und umgekehrt. So 
erzählt auch z. B. Hans von Schweinichen Bb. I. ©. 
246. beim Jahre 1576, daB, ald er mit feinem Herzöge 
in Köln war, nicht weit von ihrer Wohnung fi ein 
Nonnenklofter befand, in welchem Schweinichen Belannt- 
Schaft hatte und Zufprud) gewann. Nun wollte der Herzog 
auch gerne hinein und befchloß: „ich follte — erzählt 
Scweinihen — der Xebtiffin anfagen, baß ich ihr und 
den Iungfrauen einen Mummenfchanz (d. i. eine Mums 
mexei) auf den Abend bringen wollte, mit welchen benm, 
nach ber Anfage, die Frau Aebtiffin wohl zufrieden war, 
und fasten wir den Abend zu kommen an. Derowegen 
fo ließen 3. F. ©. eine Mummerei machen von Xaffent, 
die Männer auf italtenifch gekleidet, die Iungfrauen auf 

ſpaniſch. Wie nun berfelbige Abend Tommt, legen I. 5. 
©. ſich und wir andern die Mummerei Kleider an und 





a 


2, Abtheil, . Feſtlichkeiten. 149 


waren 3 Mann und 3 Jungfrauen und hatten ſchoͤne 
Mufit dabei und ritten auf ſchoͤnen Gaͤulen nach bem 
Klofter zu, ein jeder die fpanifche Jungfrau binter fich. 
Nun ſaß ih im Sattel und I. F. G., als eine fpanifche 
Jungfrau, hinter mir auf dem Roſſ'. Wie ih nun nabe 
an die Sungfrauen in Hof fommen, da denn bie Frau 
Xebtiffin mit der ganzen Verfammlung im Hofe- ftund, 
uns anzunehmen, wollte ih ben Gaul einen Sprung thun 
laſſen und werfe die fpanifche Jungfrau, id est den Her: 
309, fo hinter mir faß, mit fammt bem Gefchmeibe in 
eine Pfulch, daß 3. F. ©. waren ald ein Meller, mußten 
alfo zuvor wieder zuruͤckgehen in ein Haus und I. 3. ©. 
auswafchen. Hernach zogen wir wiederum auf, waren 
alfo Yuftig und guter Dinge mit den Nonnen, tanzten 
und trunken fehr; weil 3. F. ©. den Wein mußten felber 
holen laſſen, wie braͤuchlich war, hatten wir 22 Thaler 
vertrunken.“ 

Schon fruͤher, als Hans von Schweinichen mit ſeinem 


Herrn noch in Liegnitz war, beim Jahre 1574, erzählt ex 


Folgendes, woraus hervorgeht, daß es nicht fonderlich ehr: 
bar bei folchen Verkleidungen zugehen mochte (Bd. 1.108.) 
‚3. F. ©. waren diefe Zeit über luſtig mit Zangen und 
fonften, fonderlich in Mummerei gehen. Das waͤhret faſt 
ein ganz Jahr alle Abend in der Stadt zu ben Bürgern 


Einer fahe J. F. ©. gerne, ber andere nicht. Gemeinig: . 


lich waren 4 Mönche und 4 Nonnen, und 3. 3. ©. waren 
allezeit eine Nonne; wie benn auch oft J. 3. ©. 
auf einem großen Wagen alfo in die Mummerei fuhren, 
nach Goldberg und Deinau. Ich habe ‚aber niemals Luft 


7 


150 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


dazu gehabt und mich davon entbrochen, wo ich gewußt; 
denn es in ſolcher Mummerei ſeltſam zuging, daß die 
Jungfrauen mit den Noͤnnlein (nicht mit den Moͤnchen) 
den Abtritt nahmen (ſich entfernten), als (wenn es) eine 
Jungfrau (mit der andern) waͤre. Solch Narrenwerk war 
3.8. ©. liebſte Luft und meine Unluſt.“ 

H. v. Schweinihen erzählt uns außerdem vieles von 
Feſtlichkeiten und Vergnuͤgungen feiner Beit, was hoͤchſt 
belehrend fuͤr Sitte, Gebrauch und Leben des deutſchen 
Volkes iſt. Nur einige Züge. Wie luſtig es, außer den 
Mummereien, in jener Zeit zuging, ſagt uns H. v. S. 
z. B. beim Jahre 1574: „Auf den Abend machten J. F. 
G. ein Panket und nach Zifche hielten fie einen Tanz, 
welcher bie ganze Nacht währete. Die Mufit war lieblich, 
ber Wein gut, das Brauenzimmer fihön und bie Gefells 
ſchaft vertraulich, vornehmlich aber der Herr mit luſtig; 
datum war kein Zrauern noch Kummer, fondern lauter 
Freude und Wonne. Wenn ich- biefe Zeit vom Himmel 
auf die Erde fallen follen, wäre ich nirgends als gen 
Liegnig gefallen, ald in's Frauenzimmer (in die Wohnung 
der weiblichen Bedienung im Schloffe); denn ba war taͤg⸗ 
ich Freude und Luft mit Reiten, Ringrennen, Muſik, 
Tanzen und fonften Kurzweilen, welches den jungen Leu⸗ 
ten, ald auch ich einer war, wohlgefiel, und hätte mich zu 
folchen Wefen kaufen wollen, gefchtweige denn, daß ich 
dazu bin gebeten worden. Darum recht gefagt: wenn 
Sugend Zugend hätte, was wäre fie?" — Und in bems 
. felben Jahre: „Denn es diefe Zeit ein Infliger Ort, war 
(Liegnig) mit Muſik, Tanzen und luſtig feyn, daß auch 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 454 


3. 8. 8. nichts darnach fragten, wenn wie auf bem 
Schlofie eine ganze Nacht tanzten, auch mit der Muſik 
vor 3. 5. G. Zimmer, kamen, machten fie auf und waren 
wohl zufrieden, hielten auch wohl im Bette einen Trunk 
mit und. Damit behielt der Herz bei feinen Dienern 
Gunſt und genaue Aufwartung, wie ex benn fonften auch 
haben wollte, und war aljo 3. &. ©. mit den Junkern, 
wenn wir luſtig waren, wohl zufrieben, wenn wir es 
auch in der Stadt ziemlich grob machten, nocd halfen uns 
J. F. ©. fohlihten. Alleine Feine Unflätereien konnten 
3. 8. 6. nicht leiden.” — Wenn au der Herzog, wie 
hier gefagt, Feine Unfläterei litt, fo waren die Späße, 
welche er trieb, doch auch nicht fehr fein und erbaulic. 
&o der folgende: „Den 16. Novbr. bin ich von 3. 3.6. 
gen Liegnig zu einem. Panket erforbertz das Panket aber 
war biefed. 3. F. G. hatten eine Luſt angericht, in wel: 
der Axleben zum Kaifer gemacht, auch eine kaiſerliche 
Tafel beftelt. 3. J. ©. H. Heinrich waren Mundſchenk, 
. die Junker Truchſeß, und follte ſich Arleben allemal wie 
der Kaifer im Trinken halten und alfo über der Mahlzeit drei 
Truͤnke thun, eben aus dem Glafe, daraus zuvor 9. 
Heinrich dem Kaifer Ferdinando geſchenkt hatte; darein 
“ging ein halber Zopf Wein. Zu folchem ließ fich der von 
Azleben gebrauchen und wußte feing Reputazion zu halten. 
Der von Arleben ald der Kaifer, betrank fih von zwei 
Truͤnken, baß er weber gehen noch ſtehen konnte. Da 
lag der Kaifer und alle feine Pracht. Darüber ward 2. 
3. G. luſtig und hielten darauf eine lange Tafel und nad 
Tiſche einen Tanz und wear Inflig and guter Dinge. 


- \ ' 


152 Stoeiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Dies war eine Sache vor mich, daß ich mir 5 nicht 
beſſer hätte wünfchen wollen, wenn ed ein n ganzes Sahr 
gemwähret hätte.’ 

Aus den fernern Abenteuern Schweinichend und feines 
Herrn gehören folgende Bruchſtuͤcke hieher: Hans von 
Schweinihen machte mit feinem Herrn große Reifen durch 
Deutfchland, bei denen denn oftmald der Herzog in ber 
erbärmlichften Geldnoth war, wodurch bie Tächerlichften 
Abenteuer hervorgebracht wurden. Indeſſen verftand er 
ed auf eine trefflide Weife, den Leuten ein Darlehn abs 
zufchwagen, unb fo gelangte er oftmald auf doppelte Weife - 
zu Feſten, einmal zu benen, die er felbft durch fo er= 
worbenes Geld gab, dann zu andern, bie ihm gegeben 
wurben, meift vorher, ehe man feine fchlechten Geldzu⸗ 
flände wußte. 

So erzählte nun Schweinichen beim Jahre 1575: 
„Ich warb einft auf eines vornehmen Gefchlechts Hochzeit 
(zu Augsburg) eingeladen, darauf ich denn auch ging. 
Nun wären I. 3. G. (Herzog Heinrich) aud gerne da 
geweien, bamit fie bie Gebräuche und anderes hätten 
ſehen mögen, wußten aber fonft fein ander Mittel, als 
dies, daß fie mein Knecht worben unb auf mich warteten, 
als einem Knecht gebührt. Nicht weiß ich, wie ed ‚der 
Knecht verſah, daß er ein Raͤuſchlein bekam, damit ich 
ihn abfuͤhren mußte laſſen. Wie nun J. F. G. ausge⸗ 
ſchlafen und es ihnen ſonſten allda wohlgefallen, ließen 
ſie ſich beim Braͤutigam angeben, ſie wollten zum Abend⸗ 
tanz zu ihm kommen. Dies der Braͤutigam gerne ſah 
und wurden J. F. G. durch drei vornehme Freunde mit 


2. Abthell. Feſtlichkeiten. 163 


einem Wagen, wie dort braͤuchlich, ſtattlich geholt, da ſich 
denn dieſelben auch einſtellten und wurden *hrftlich und 
wohl gehalten. Wem I. F. ©. tanzten, fo tanzten alle> 
mal zwei vornehme Rathöheren vor. Sonften ift der 
Brauch), daß allemal zwei Perfonen, fo lange rothe Röde 
anhaben, mit einem weißen Ermel, vortanzen und darf 
fonft Feiner, er fey wer er wolle, keinen Tanz anfangen. 
Es tanzten bie zwei voran und wenn fie fih drehen, do 
mögen fich die, fo tanzen, auch verkehren, als auch, wenn 
fie fih mit einander im Tanze herzen, fo mag der Jung 
gefele die Jungfrau, fo oft es von ihnen gefchieht, auch 
herzen. Es werben die gemeldten Perfonen oft mit Gelbe 
beflochen, daß fie einander an einem Reihen etlihe Male 
herzen, daß nur der junge Gefelle die Jungfrau deſto 
Öfterer herzen mag. Wie ich denn auch felbft gethan und 
mit einem halben Thaler im Zanzen viel Herzen zumege 
bracht worden. Alfo warb mein gewefener Knecht wieber 
mein Zürft und Herr. Und wie ih J. F. ©. darum 
fragte: warum fie dahin Fommen wären? gaben fie zur 
Antwort: fie hätten gefehen, daß allda fchöne Jungfrauen 
wären gewefen, welche mir hätten gute Worte gegeben. 
Deromwegen wären fie hingefommen, ob ich irgend anbeis 
fen wollte, mich davon abzuziehen. VBelennen muß ich, 
daß ich mein Lebtage Fein fchöner Srauenzimmer bei eins 
ander gefehen, als ba; benn ihrer waren über fiebenzig. 
Und, der Braut zu gefallen, alle weiß gekleidet in Damafl 
und dergleichen, auch mit Ketten und Kleinobien über die 
Maßen gezieret. Und war in eimem großen Saal, welcher 
mit Gold und Sitber gefunkelt, und ‚waren über -etliche 


154 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


hundert Lichter, groß und klein, darinnen, daß, wie man 
pflegt zu ſagen, man vermeint', es waͤre mehr im Him⸗ 
melreich, oder das rechte Paradies allda waͤre. Mir iſt 
ſehr wohl geweſen, denn, wie gemeldet, die Jungfrauen 
waren ſchoͤn und gaben auserleſene hoͤfliche gute Worte.” 
Auch die Fortſetzung dieſer Nachricht enthaͤlt noch viel 
Beluſtigendes, aber es gehoͤrt nicht fuͤr dieſen Zweck. Nur 
das Gaſtmahl, welches Max dugger dem Herzoge gab, 
will ich bier beruͤhren. 

„Es lud Herr Mar Fugger J. F. G. einſt zu Safle, 
neben einem Deren von Schönberg, welcher fonft auch in 
J. F. ©. Lofament lag. Ein dergleihen Panket iſt mir 
bald nicht vorkommen, daß auch der römifche Kaifer nicht 
beſſer haͤtte traktiren mögen und war babei überfchwengs 
lihe Pracht. Es war in einem Saale das Mahl zuges 
richt’t, der war mehr von Gold, ald von Farben gefehen 
worden, Der Boden war von Marmelflein und fo glatt, 
als wenn man auf Eis ging Es war ein Kreuztifch 
aufgefchlagen, durch den ganzen Saal, der war mit lauter 
Kredenzen befegt und merklich fchönen venebifchen Glaͤſern, 
welches, wie man fagt, weit über eine Zonne Golbes feyu 
ſollte. Ich flund 3, 5. G. vor dem Trunk (d. h. ih 
war Mundſchenk, mußte dem Herzog das Trinken befors 
gen und einfchenten). Nun gab ber Herr Bugger bemfels 
ben einen Willkommen, welches von dem ſchoͤnſten vene- 
difchen Slafe ein Schiff war, Fünftlih gemacht, Wie ic 
ed num vom Schanktifch nehme und über ben Saal gebe, 
batte ich neue Schuhe an und gleite, falle mitten im Saal 
auf den Rüden, gieße mir ben Wein auf den Hald, und 


2, Abtheft. Feſtlichkeiten. 155 


weit ich eim neu roth dammaſten Kleid an hatte, warb es 
mir ganz zu Schanden. Das ſchoͤne Schiff ging aber auch 
in viel Stuͤcke. Ob nun wohl unter der Hand und maͤn⸗ 
niglich ein groß Gelaͤchter ward, ſo ward ich doch hernach 
berichtet, daß der Herr Fugger geſagt: er wolle daſſelbe 
Schiff mit hundert Floren geloͤſet haben. Es war aber 
ohne meine Schuld; denn ich weder geſſen noch trunken 
hatte. Da ich aber hernach einen Rauſch bekam, da ſtund 
ih darnach feſter und fiel darnach kein Mal, auch im 
Tanze nicht. Ich hielt davor, daß Gott die Pracht nicht 
haben wollte mit mir; denn ich ein neu Kleid angezogen 
und daͤuchte mich, ich waͤre der Stattlichſte geweſen. Bei 
dieſem waren die Herren und wir alle luſtig.“ 

Die Menge der zu Hoffeften 3. B. verfammelten 
Herren war oft fehr groß, wie denn z. 8. bei einem fols 
chen Hoftage, welchen Kaifer Rudolf zu Nürnberg hielt, 
wie Hornek erzählt, an Fuͤrſten, fowohl Pfaffen als 
Laien, 74 da waren, Grafen unb Freie an 300, und 5000 
der Übrigen Herren. Wie groß mag dba nun noch das 
Gewühl und die Menge der Reifigen und Knappen und 
Knechte geweien ſeyn? 

Eine andere Gelegenheit, bei der ſich eine gewaltige 
Maſſe von Menſchen zuſammenfand, waren die kirchlichen 
Feſte, beſonders Erhebung der Gebeine eines Heiligen, 
große Ablaͤſſe, Wallfahrten u. ſ. w. Das ritterliche Leben 
ward freilich hier zurkdgedrängt, indeſſen laſſen ſich aus 
Beſchreibung derſelben doch, wie natuͤrlich, wieder ſehr 
tiefe Blicke von anderer Seite in die damalige Zeit werfen. 
Wie die Gebeine des heil. Virgil, des achten Biſchofs zu 


N 


156 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Salzburg, im J. 1288 erhoben wurden, erzaͤhlt Hornek 
und ſagt, daß „der Erzbiſchof Rudolf ein Conzil auf den 
Martinstag anfagen ließ und verhieß allem Volk, das da 
kommen würbe, Ablaß und Gnade. Für Empfang und 
Speifung warb geforgt. Der anlangenden Pilger und Bü: 
Ber war fo große Zahl, daß alle Straßen ſich anfüllten. 
Im Gedraͤnge find Leute bed Todes geweſen und Herbers 
gen waren theuer. Draußen in ben $Zeldern fahb man. 
. Feuer wie Sterne am Himmel. Im Dom durften nur, 
während ber Ausgrabung ber Gebeine, die hohen Pfaffen 
erſcheinen, die Inful und Stab trugen. Allererſt, als die 
Sebeine bed Heiligen gefunden und aus der Erde gelefen 
- waren, thaten fich des Münfters Pforten auf, damit das 
Volk zu Ablaß und Andacht herein koͤnne. Das Opfer 
war groß, denn die Buͤßer konnten die Zeit kaum erwars 
ten, wo fie ihr Opfer brachten. - Vier Bifchöfe geleiteten 
diefe in bie Kirche, während 4 andere an der Thür blies 
ben,“ woburch bie Buͤßer eintraten. Das Gedränge des 
Einlaffes dauerte ſchon bis zum Schluß der Beöper und 
bed Complet, und war noch nidt m Ende Da bieß 
man von den Pilgern die Opfer zufammenlefen, und ber 
mußt’ gar arm fein, der. nicht außer bem Opfer für Vir⸗ 
gils Gebeine aud) dem Bifchofe ein's fuͤr das Geleite gap.” 

As Anhang zu dieſer Abtheilung möge noch einiges 
über die Speifen und Getränke bier feine Stelle finden, 
"welche bei Rittermahlzeiten und Feſten vorzüglich vorkamen. 
Etwas weniges habe ich fchon oben bemerkt, und dies find 
auch nur einzelne Züge, die ich anführen Fann, indem 


2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 157 


dieſe Borfefungen ſich nicht zu ſehr in Kuͤche und Keller 
‚ ber alten Welt vertiefen koͤnnen. 

Pfauen und Zafanen, die man eble Vögel nannte, 
wurben bei Softmahlen, beſonders an Eöniglichen Tafeln, 
vorzüglich hoch gehalten, und’ ed gab daher ein eigenes 
Geluͤbde bei diefem Vogel, das Pfauen ober Fafanens 
Geluͤbde, von bem ich in der Abtheilung reben werbe, bie 
ſich mit den alten Rittergelübden befchäftigt. Pfauen und 
Safanen lieferten durch den Glanz und durch die Mannich- 
faltigkeit ihrer, Farben ein Bild der Majefldt ber Könige 
unb der prachtuollen Kleidung, womit fidh die Herrſcher 
fhmüdten, wenn fie an ihrem Hofe große Feſte feierten. 
Ja es gab Ritter, die große, ein Rab fchlagende Pfauen⸗⸗ 
fhwänze auf ihren Helmen trugen, ald ausgezeichnete 
Helmzierden. Nach alten Romanfchreibern warb das Fleiſch 
ber Pfauen und Faſanen nur ald eine Speife für Tapfere 
und Berliebte betrachtet. Pfauenfedern waren ber reichfte 
Schmud, die anmuthigfie Bier, welche eine Frau einem 
Zroubabour überreichen. zu koͤnnen glaubte, indem fie diefe 
Federn gewöhnlih in die Kronen flochten, melde ben 
Dichtern gegeben wurden; unb dies erſtreckte fich noch bis 
zum Jahre 1659, wo. bei dem Friedensfeſte, welches die 
Stapt Marfeille gab, die Zroubabourd in ber fiebenten 
Drpnung des Zuges erfchienen, alle mit Pfauenfebern ge: 
kroͤnt, mit denen fie früher von ben Frauen bed Landes 
beſchenkt worden waren. Die Augen, welche fich auf den 
Pfaufedern darſtellen, und mit denen der Pfau, wenn er 
ein Rad fchlägt, ſcheint umgeben zu ſeyn, follten vor⸗ 


158 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſtellen, wie die Augen des ganzen Volkes zur Anhoͤrung 
ihrer Geiſteswerke auf fie gerichtet wären. 

. Bei großen Feierlichkeiten warb auch ein Pfau auf 
die Zafel gefeut, der meifl gebraten, aber immer mit feis 
nen fchönften Federn gefhmüdt war, auf einer großen 
golbenen ober filbernen Schüffel. Bei dem Pfauengeläbbe 
brachte ihn eine Frau oder Jungfrau in das Zimmer, worin - 
die Ritter verfammelt waren. Jedem von ihnen ward ber 
Pfau dargebsacht, und jeder that fein Geluͤbde uͤber demſelben. 
Aber auch ohne Bezug auf dies Geluͤbde warb ber Pfau, 
als ein gar koſtbares Efien, in feinem ganzen Federſchmuck 
auf den Tiſch geflelt, und allen, bie zugegen waren, 
mußte ein’ Stud bes Pfaues vorgelegt werden. Es war 
nun eine hauptfächliche Gefchidlichkeit des Vorſchneiders, 
den Pfau fo zu zertheilen, daß ein jeder ber Anwefenden 
etwas davon befam. In dem franzöfifchen Roman bes 
Lancelot vom See werben bem König Artus große Lob⸗ 
fprüche ertheilt, weil er an der runden Zafel den ‚Pfau 
fo. vorgefchnitten, daß ein jeber der funfzig Ritter, bie 
feinem Feſte beimohnten, etwas davon erhielt; und noch 
bazu war ein jeber mit feinem empfangenen Stüde zus 
frieden. Selbſt das Ueberbeingen und bie Stelle, welche 
ber Pfau erhielt, war niche ohne Bedeutung. In dem alten 
Gedichte vom Pfauengelübde (les voeux du Paon) wird 
erzählt, daß die Frauen einen ber waderften Ritter aus 
der Gefellfchaft erwählt Hätten, um in feiner Geſellſchaft 
bemjenigen Ritter, welchen biefer für den tapferften halten 
würbe,. ben Pau zu überreichen. Der von ben Frauen 
hierzu erwaͤhlte Ritter fette bie Schüffel demjenigen vor, 


2. Abtheil. Teftlichleiten. 159 . 


welcher, nach feiner Ueberzeugung, ben Vorzug verdiente, 
zerſchnitt den Vogel vor feinen Augen und vertheilte ihn 
an bie Umftehenden. Ein ſolches Merkmal der Achtung, 
womit glänzende Thaten belohnt wurden, burfte nur erſt 
nad) langer und befcheibener Weigerung angenommen 
werben. | J 

Außer andern gewoͤhnlichen Spriſen wurde die Ge⸗ 
ſellſchaft auch mit Gewuͤrzen bewirthet, dann wurde Zuk⸗ 
kerwerk herumgereicht, mit einzelnen eingemachten ‚und 
uͤberzuckerten Speiſen. An Getraͤnken ward ein rother, 
durch Honig verfüßter Wein gegeben, dieſer ward Gairet 
im Franzoͤſiſchen genannt; hiemit haͤngt auch wahrſcheinlich 
der Wein zuſammen, den ich bereits oben anfuͤhrte in 
einer Stelle aus dem Parzifal: Mein roth wie Syrop. 
Am Deutfchen heißt der Elairet Lutertrank, Lauter⸗ 
tranf, lauterer Trank, und Dies: bebeutet nicht etwa 
einen ungemifchten Wein, wie es fcheinen möchte, fondern 
einen geläuterten Trank, und es iſt eine wörtliche Webers 
fegung von claretum, Rother Wein ward immer zu ihm 
angewendet. Ferner ein anderes Getraͤnk, welches Pigs 
ment genannt ward, und welches eine Mifhung aus Dos 
nig, Gewuͤrz und Wein war, wahefcheinlich hoͤchſt beraus 
fhend und flarf, weswegen ed auch in den Geſetzen bes 
Klofters Cluniak den Moͤnchen deſſelben verboten war. 
Eine andere Art von gewärztem Weine warb Hippo: 
kras genannt. Wir haben alte Beſchreibungen, wie biefe 
Miſchweine verfertigt wurden. Davon einiges. Glairet iſt 
and Wein und Honig und Gewuͤrzen gemiſcht. Man zere 
Rößt die Gewürze in ben feinften Staub und legt fie in 


169 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ein leinenes Beutelchen mit Honig oder Zucker. Mit dem 
beſten Weine wird nun dieſe Miſchung übergoffen, bis fie 
ausgelaugt ifl, und fo lange wird ber Aufguß fortgeſetzt, 
His die Kraft der Gewürze ganz in den Wein Üübergegans 
gen. Dann wird die Miſchung aufs beſte abgeblaͤrt, 
wodurd fie vom Weine die Kraft und ben flarfen Ges 
fhmäd, von ber Mifchung den gewürzigen Gefhmad und 
Geruch behält, Durch den Honig aber Süße befommt. — 
Bisweilen wurden auch foldhe Weine mit Gewürze gekocht. 
Es ift auffallend, daß ed ſcheint, man habe felten veinen 
Bein getrunken, fonbern fafl immer einen Mifchling, zu 
denen auch ber fchon bereitd oben angeführte Moras 
oder Maras, welcher in ben Rittergebichten fo haͤufigſt 
vorlommt, gehört. Indeflen vermehrt Dttofar von Hor: 
ned bie Reihe des Weine durch manche Namen, die er 
unter der Beute nennt, welche bie Trieſter bei Eroberung 
der ihnen bicht "vor ihrer Stadt gebauten Zwingburg, 
semper Venetia, machten. Dan fand: Mugler und 
Raival (Mofeler und Rheinfall?) Kriechelwein und Ter⸗ 
sant, Mustatel und Bin de Plant, GSlairet und Schafe: 
nad, von Genf und von. Malvafein, Pinoil und Wein 
von Arras und von ber Mark Anton, Elfe und Zribbian 
und Bein von Wippach, Pazner und andre Weine — 
Außerdem ward auch noch.ber altdeutfche Meth getrunken, 
denn ©. 138 des Frauendienſtes von U. v. 2. heißt es: 
„Sr empfing die Ritter alle wohl, fie mußten die Nacht, 
“ bei ihm bleiben, und gute Speife, Meth und Wein gab 
er ihnen voͤlliglich“ — Die Urfache, warum fo wenig 
reiner Mein getrunfen warb, erblärt fich leicht. Man baute 


2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 161 


in Deutfchland und in Frankreich im Gegenden Wein, 
von benen man jest glaubt, daß fie Feine reife Traube 
mehr zu zeitigen. vermögen. Die Weine waren baher 
meift fchlecht, fauer und unangenehm, daher verfeßte man 
fie mit Wermuth und Honig, ober vermifchte fie mit dem 
Saft von Beeren and Zucker, wodurd ihre natürliche 
Saure verftedt ober gemildert wurde. Fremde Weine, 
befonderd griechifche, wurden indeffen an ben großen Ta⸗ 
feln des Mittelalters häufig. getrunfen. 

Eine befondere Sitte war auch, daß man die Fefte 
gewöhnlich damit befchloß, daß jeder Saft, ehe er fich zur 
Ruhe begab, nor einen Trunt Wein nahm, ben man 
den Schlafwein nannte. Es mochte damit wohl bie 
Ausbringung einer Geſundheit und eine Danffagung fuͤr 
die Bewirthung verbunden: feyn, eine Sitte, die in ältern 
Familien und in einzelnen Drten fih noch in dem Dank⸗ 
fagungs = Zrunte beim Schluffe der Mahlzeit fortges 
pflanzt und erhalten zu haben ſcheint. Doch findet fich 
bie Sitte auch fo, daB, wenn ber Ritter die Gefellfchaft 
fhon verlafien hatte und in feinem Schlafgemad war, 
ihm bann der Schlaftrunt mit etwas Eflen - dazu ge: 
reiht ward, fo daß alfo dieſe MWeberreihung des 
Schlafweind gänzlich van der Abendmahlzeit getrennt war. 
Dies war um fo eher thunlich, da die Abenbmahlzeiten weit 
früher, als bei und, ſchon wenigfiens um 6 Uhr gehalten 
wurden. Zwei Beifpiele, das eine aus einem franzöflfchen,. 
das andere aus einem beutfchen Werke, werden biefe Sitte 
am beften darlegen. 

In. dem Roman, Gerard von KRouffillon, worin 

11 


: 162 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wir zugleich Nachricht von der Abendbeſchaͤftigung finden, 
heißt es: „Iſt die Tafel gedeckt, ſo ſetzt man ſich zu Tiſche. 
Nach dem Eſſen geht man in den Vorhof, um ſich zu 
beluſtigen. Weiß jemand ein Lied oder eine Fabel, fo 
fagt er fie ber, und bie Ritter erzählen ihre Thaten und 
Abenteuer, woran Gerard und die Seinen ſich fo lange 
vergnügen, bid die Nacht Eühler geworben if. Der 
Graf laͤßt fi Wein geben und gebt zu Bette. 
Morgens fteht er mit anbrechendem Tage auf und feine 
Kappen beifn ihm, fi anzukleid'n.“ 

Im Gedichte Parzifal lautet die hieher gehörige Stelle 
fo. Nachdem das oben bereitö angeführte Mahl vollendet 
war und Parzifal in fein Gemach gefühet worben, Feiden 
ihn die Anappen aus und er eilt auf das nächtliche Lager. 
Da traten noch vier Jungfrauen zu ihm ein, von denen 
drei auf ihren weißen Händen Moras, Wein und Lauters 
trant trugen; die nierte hielt auf einem weißen Tuche 
Obſt von folcher Art, als wenn es im Paradiefe gewach⸗ 
fen wäre. Diefe knieten vor ihm nieder und Überreichten 
. ibm bad, was fie trugen. 

Der Herre trank, ein Theil er aß, 

Mit Urlaube fie gingen wieber, 
Beiläufig ift zu bemerken, daß in den aͤlteſten koͤnigl. 
franzoͤfiſchen Rechnungen des Hofſtaats, der Schlafwein 
oftmals als ein mit gewiſſen Aemtern verknůͤpftes Recht 
angegeben wird. — 

Indeſſen berrfchte neben großer Verſchwendung, die 
wir hier in Beifpielen angeführt haben, auch viel Armut 
und Beichränktheit In den Nahrungsmitteln in manchen 


2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 4163 


Gegenden und Familien. Gewöhnlich aß man nur gefal- 
zene und geräucherte Fiſche und Fleiſch, harte Huͤlſen⸗ 
feuchte, unverdauliche Mehlfpeifen und einige Kohlarten: 
Su den Zeiten ded Aentas Syloius (im 15. Jahrh.) waren 
Die Zifche der deutſchen Fürften mit alles Arten von Leckereien 
befest, allein die Hofbedienten mußten oft fi mit ſchwar⸗ 
sem Brote, faulen ober ftinfenden Fiſchen, zaͤhem Kubz, 
Siegen» oder. gar Bärenfleifche und mit faft ungenießbaren 
Hülfenfrüchten oder Kohlarten begnügen. Man lebte meift 
einfach und fchlecht. Der Gachfenfpfeges (TI. 42) geflat- 
tete den Gerichtöboten oder ben Beifigern ber gräflichen 
Gerichte im 13. Zahrb. drei Eſſen: „Die Boten. follen 
feyn fihoppenbar freie Leut . . . die full dann ber Richter 
bekoͤſtigen: Brodt und Bier foll er ihnen genug geben, 
drei Gericht zu dem Effen, die die Zeit gewöhnlich find, 
und einen Becher Weins; zwei Berichte den Anechten. "— 

Gewöhnlich Fochte man am Sonntage für Die ganze Wach 
So auch in andern Linden. Der Graf Northumberland 
hätte unter der Regierung Hemrich VII: (1485 — 1509) 
nur 2 Köche, ungeachtet bei ihm täglich 233 Perſonen 
fpeiften. Die Hausbedienten ded Grafen erhielten. das 
ganze Bahr durch Fein anderes ald geſalzenes ober geraͤu⸗ 
chertes Fleiſch und Fiſche. Friſches Fleiſch exfchien ſelbſt 
auf der Tafel des Grafen nur von ber Mitte des Som— 
mers bis Michaelis. Im dem geößern Theile des Jahres 
aß er, wie feine Bebienten; ausgenommen, daß Kapaunen, 
Feldhuͤhner, Faſanen und Wilb bisweilen auf feine Tafel 
gebracht wurden. Das Fruͤhmahl des Grafen und det 
Gräfin befand in einem Quart Bier und Wein, in zivei 

41* 


164 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Stuͤcken von geſalzenem Fifch, in 6 geſalzenen und 4 fri⸗ 
ſchen Heringen, oder in einem Teller voll Sardellen. 
An Fleiſchtagen kam eine gebratene Hammelkeule ober ein 
gutes Stuͤck gekochtes Rindfleiſch dazu. Man af um 10 
Uhr zu Mittage und um 4 Uhr zu Abend. (50 Jahr 
fpäter war beides ſchon um 1 Stunde vorgerüdt.) Die 
Franzoſen aßen im Mittelalter das Fleiſch von keinem 
zahmen Thiere ſo gerne, ald Schweinefleifch, welches ſo⸗ 
wohl friſch als gefalzen auf den vornehmfien Tafeln er- 
fhien. Als Humbert, Dauphin von Vienne, im 93. 1345 
feinen Kreuzzug antreten wollte, fo ordnete er vorher fein 
Haus, fegte dad Gefolge und die Bedienten feines Gemah⸗ 
In auf 30 Perfonen feft und wies diefen 30 Perfonen. 
wöchentlich ein friſch gefchlachteted und jährlich noch 30 
eingefalzene Schweine an. Erbſen mit geräuchertem ober 
gefalzenem Schweinefleiſch hielt man für ein Gericht, wels 
dos felbft Könige. Lüftern mache und koͤnigliche Tafeln 
ziere. An mehren Bellen trug man Feine anderen Gerichte, 
als: von Schweineflifh auf, und foldhe Feſte wurben 
Schweinefleiſch⸗ oder Schinkenfefte genannt (Festins ba- 
coniques). Unter dem Geflügel fchäßte man die Gans 
am meiften. Junges Wildpret wagte man nicht zu effen, 
weil man bad Fleiſch beffelden für unreif und unverbaulich 
hielt. Dagegen aber af man in das vornehmften Haͤu⸗ 
fern: Reiher, Kraniche, Kraͤhen, Stoͤrche, Schmäne, 
Raben, Rohrbommeln, Geier, ja felbft Meerfchweine, 
Seehunde und das Fleiſch und die Zungen von Wall; 
fifiden. So heißt es im Parzifgl, als Gamuret in Zaza⸗ 


. 2. Abtheil. Feſtlichkeiten. "465 


wanz ankommt unb von dem Burggrafen ber Königin be: 


wirthet wird (V. 962.), 
Hie flund der Reiher, dort der Fiſch. 

Dies ging beinahe das ganze 16. Jahrh. hindurch. Bei 
dieſen oft widerlichen Speiſen war der Genuß heftiger 
Gewürze in ben Bruͤhen zu den Speiſen nothwendig. 
Die unzertrennlichſten und allgemeinften Beftandtheile aller 
Brühen waren Safran. und Zucker; alle Gerichte wurben 
mit Zuder überflreut. Zum Nachtiſch aß man Überzuderte 
Gewürze, um ben Magen zu erwärmen, bie im Franz. 
epices genannt wurden. 


Dben haben wir gefehen, wie verſchwenderiſche Tage | 


Hans von Schweinichen mit. feinem Herzog erlebte, und 
wenn Geld vorhanden war, wurden folche auch von ihm 
ſelbſt angerichtet. Dagegen ging ed auch oft fehr ſchlecht; 
fo 3. 8. 1578, als Herzog Heinric, auf dem Gräbigberg 
ſaß. Da hatte er eine Zeit lang nichts als Pilze und 
Heidelbeeren zu eſſen; endlich Faufte er. mit anderer 
Leute Gelde 325 alte Bode, und da fagt Dans von 
Schweinichen (I. 353.): „Alfo befamen wir wieder Pros 
viant an den alten Böden, welche denn vielmal auf ach⸗ 
terfei zugerichtet wurben, Pilze auf dreierlei, Heidelbeeren 
auf- zuoeierlei.' 

Daß man felbft noch am Ende des 45. Jahrh. viele 
Effen und Gebräuche, der Mahlzeiten hatte, die in frühes 
ver Zeit Sitte gewefen, geht auch aus einer Nachricht 
von der Befchreibung der Feierlichkeiten hervor, da 1487 
die Zuͤricher auf bie Kirchweihe gen Uri zogen. Diefe 
Nachricht, gleichzeitig aufgeſetzt, ſteht im 2. Jahrgange 


o. 


166 - Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


des ſchweizeriſchen Muſeums. „Während ihres dreitaͤgigen 
Aufenthalts daſelbſt mocht' einer eſſen, wo er wollt’, und 
gab einen nüß (bezahlte nichts). Da waren wilde Gem: 
fen, Steinbod, Hirzenthiere (Hirſche), Recher (Rebe), 
Beren (Bären) und wilde Schwin, mer dann man geflen 
mocht; ouch mangerley guter Weine: Malfenfiger (Mals 
vafier), Klaret, Ipikratz (beide Weine erflärte ich fchon 
oben), Feltliner (aus dem Veltlin in Graubünden) willen 
und rothen; Elfaßer war der mindfl’ und ſchwechiſt. Da 
fing man am Morgen an, und aß Simmeln (Semmeln) 
und Malfenfiger, demnach Gefottes und Gebrattes, Willy 
und Zamß (wildes und zahmes Fleifch) und dad trib man 
ung (bi8) in bie Naht. Dann gab man zum Schlaf> 
trunk (auch die fchon erwähnte Sitte) aber welche (aber> 
mals einige) Win (Weine), und die Tifh uͤberſchuͤttelt 
man mit Confer unb Zuderärbfen, fo koͤſtlich, daB davon 
nü& (nichts) zu fagen if." 


[4 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 467 


Dritte Abtheilung, 


Waffen und Kleidung. 


Die Berufung auf bie Waffen und bie Kleidung ber 
Ritter wird in ben folgenden Abtheilungen zu oft vors 
fommen, als daß hier nicht der Ort feyn follte, barüber 
zu fprechen, damit e3 als etwas Bekanntes vorausgeſetzt 
werden kann. 

Die geſammte Waffenkleidung, den vollſtaͤndigen 
Schmuck des zum Kampf geruͤſteten Ritters, den er auf 
ſeinem Leibe trug, nannte man Sarabat (wie Horneks 
oͤſterreichiſches Zeitbuch an mehren Stellen beweiſet), 
oder auch Sarwat, Sarawat, Kriegesge⸗ 
wand, Kriegesanzug. Da die Ritter nun nicht immer 
geharniſcht ritten und gingen, ſondern oft in leichter Klei⸗ 
dung ihre Zuͤge anſtellten, ſo wurden die Ruͤſtungen dann 
in Saͤcken und andern Huͤllen verborgen getragen, damit 
auch ber Glanz bed Stahles und Goldes nicht leiden ſollte. 
Soihe Hüllen und Säde nannte man Sarbalg (Wis 
golais V. 6112.), indem Sar Rüflung, Hamifch bedeu⸗ 
tet. — Die einzelnen Theile ber ganzen ritterlichen Ruͤ⸗ 
ſtung ſind aber dieſe: | 

Die Lanze. Sie mußte ſtark und aus fehwer zu 
zerbrechendem Holze feyn. Man nahm dazu gerabed und 


leichtes Holz und gewöhnlich von Zichten, Linden, Maul: 


468 Smeiter Abſchnitt. Ritterleben. 


beerbaͤumen oder Espen, aber am vorzuͤglichſten und mei⸗ 
ſten wurde Eſchenholz dazu genommen. Eine eigene Art 
von Lanze nennt und ber Titurel (1333): er furt ain 
lantze die wz gros# roryne, er führte eine Lanze, die 
war groß und von Rohr. Es mag dazu wohl ein flars 
tes und feſtes Rohr eined außereuropäifchen Landes ges 
nommen worden feyn, welches der lebhafte Handel dama⸗ 
iger Zeit ald eine Seltenheit mitbrachte. Der Schaft 
ter Lanze war bisweilen mit Farben bemalt, die, wie bet 
ben Gemälden damaliger Zeit, auf einen Kreidegrund, 
ber die ganze Lanze umzog, getragen wurden, und meifl 
waren Blumen, Blätter und dergleichen darauf gezeichnet. 
Die leichte Verletzbarkeit diefer Malerei hat gemacht, daß 
man deren wenige findet; die breslauer Kunſt⸗ und Wafs 
fenfammlung befist eine foldhe, wenn auch nicht eine uns 
verlegte. Die Lanzen waren eine SHauptunterfcheidung 
‚ber Ritter; Knappen durften für ſich felbft Feine führen, 
fondern hielten nur die ihred Herrn; ihnen blieb bloß die 
Bewaffnung mit Schwert und Schi. An dem einen 
Ende der Lanze war: eine Spige von gutem Stahle aufs 
gefegt, womit der Ritter, wenn er folche flraff und flare 
hielt, und das Pferd ſtark war und im rafchen Anbrange 
blieb, zuweilen feinen Gegner im Ernfllampfe dur und 
durch ſtieß und denfelben meiftentheils aus bem Sattel 
bob. Bei ben Zurnieren gebrauchte man zweierlei Tanzen, 
fpige und flumpfe Die ſpitzen Lanzen wurden zum 
fogenanntm Scarfrennen gebraucht oder zum ernfllichen 
Kampfe; die ſtumpfen dagegen, welche von ben Kronen, 
mit denen biefelben- oben an der Spike verfehen waren, 


8 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 169 


Krönige genannt waren, wurben bloß im Scherzfpiele 
gebrauht. Die Abbildung folcher Kroͤnige zeigt und Rürs 
ners Zurnierbuch ini manchen Holzfchnitten. Gegen un⸗ 
ten zu hatten fie eine etwas dinnere Stelle, wo man fie 
mit ver Hand ergreifen Eonnte, und die man beim Lanzens 
rennen unter ben Arm ſchlug. Dover die Sanzen hatten 
auch, wie wir Died an mehren Holzfchnitten in Ruͤxners 
Turnierbuch fehen, gegen das Ende, Über der Hand, eine 
Art von kleinem Stichblatt; doch fcheinen fie folcher Tanzen 
fich blos in den Scherzrennen, nie im Kampfe bedient zu 
haben, fo daß es wahrſcheinlich iſt, daß nur die, welche 
Kroͤnige hießen, dergleichen Stichblaͤtter hatten. Andere 
Lanzen hatten aber auch Aehnlichkeit mit unfern heutigen 
Meiterlangen, indem fie von oben bi8 unten eine Stärke 
hatten. Bei dem Scherzrennen gehörte eine eigene Ges 
Tchicflichfeit dazu, feinen Gegner fo zu treffen, daß die 
Lanze nicht abeutfchte, fondern flarf traf und im Stoße 
zerfplitterte, wogegen es wieder eine Kunſt des Anges 
rannten war, biefem ungeheuren Stoße Praftvoll zu wider: - 
fieben, um nicht aus dem Sattel gehoben zu werben. 
Dazu halfen auch die großen Sättel, auf denen fie faßen, 
welche Hohe Rüdlehnen und Worderfeiten hatten, fo daß 
fe feft in dieſelben eingeklemmt waren und fih einem 
Ritter unferer Zage gewiß Leib und "Seele eilfertigft von 
einander trennen würben, wenn er folchen Stoß nur Eins 
mal erbulden Tollte. 

Der obere Theil ber Lanze war bisweilen mit einer 
Sahne geziert, die einen langen und weit wallenden 
Schweif hatte; immer findet fich eine ſoiche Fahne nicht. 


170  Bivelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Dieſes Faͤhnchen (franz. penon, lat. pendo) fuͤhrten die 
Ritter fo lange, als fie noch keine gewiſſe Anzahl Lehn⸗ 
leute unter fich hatten, ober andere Ritter befolden konn⸗ 
ten; es endete fi) mit einem Bipfel, An der Seite des Rita 
‚ terd und unter feinem Faͤhnlein fochten feine Knechte, Knap⸗ 
pen, Wappener, wenn er bergleichen unterhalten Eonnte. 
Bar er dies nicht im Stande, fo hielt man es feiner 
Ehre und Würde nicht nachtheilig, auch noch ald Ritter, 
wie früher der Knappe eines Mächtigern, nun ber Lehn⸗ 
mann eines Reichern und Mächtigern zu werben, Sold 
von bemfelben anzunehmen und unter dem Banner deflels 
ben Kriegesdienſte zu leiften. Verſtatteten aber feine Um⸗ 
flände, daß er für fich felbft ein anfehnlicyes Gefolge von 
Kittern, Lehnleuten und Knechten unterhalten Tonnte, fo 
bat er den Kriegesheren oder befien Feldhauptmann, fein 
Faͤhnlein in ein Banner zu verwandeln. Man fchnitt 
dann ben Zipfel bed Faͤhnleins ab, denn die Banner 
waren vieredig, und nun war aus dem Ritter ein Panierz, 
oder Panners, Bannerherr geworben (lat. bannerius, 
vexillifer, vexillarius). Diefer Borzug war ehedem fo 
lange erblich bei der Familie bed Bannerheren, als ihre 
Gluͤcksumſtaͤnde unverändert blieben, das heißt, fo lange ' 
fie die erforderliche Anzahl von Rittern und Knechten, im 
Frankreich wenigftend 25, in Deutfchland aber gemeinigs 
ich 10 Helme ober Spieße „wohlerzeugter Leute! gegen 
den Feind fielen und unterhalten konnte. Es gab ins 
deilen auch Bannerherrſchaften und Länder, welchen das 
Recht oder bie Pflicht, das Banner zu führen,. gleichfam 
anflebte und wo alfo baffelbe jedem Inhaber zukam. Für 


‚3 Abtheil. Waffen und Kleidung. 171 


einen Reſt dieſes Gebrauchs hat man in Deutfchland das 
fonft gewöhnliche Fahnenlehn gehalten, deren Befiger vom 
Kaiſer mit einer Fahne belehnt werben. 

Die Lanze bat in den alten Gedichten und Gefchichtö= 
werfen verfchiedene Namen. Sie wurde meiftentheild nur 
der Schaft genannt; Lanzen = Spiele, Zurniere halten, 
heißt: Schäfte brechen. So lautet es 3 B. in den Nibe⸗ 
lungen V. 2328.: 

Man trug aud dar mit Schilben viel manchen efhenen 
Schaft, 
woraus auch zugleich das Holz, aus dem die Lanzen ge⸗ 
macht wurden, wie ſchon oben berührt, Far wird. Dann 
kommt das Wort Glefe oder Gleve vor, ein Name, 
der duch mehre Sprachen gebt und immer ein fpikes 
und fcharfes Werkzeug bedeutet. So heißt eine. Lanze im 
Niederſaͤchſ. Glaͤyink, im Schwed. Glafwen, im mittl. 
Latein Glavea. Am Walliſ. iſt Glaif eine Sichel und im 
‚Engl. Glave, im Franz. Glaive ein Degen. Es hängt 
zufammen mit gladius. Eigentlich ift Gleve aber nichts 
anders, als die eiferne Spitze der Lanze und wurde 
nachher nur für den ganzen Speer gebraucht, obgleich 
fpäterhin, als Gleve ſchon bie ganze Lanze bebeutete, 
dafuͤr Gleven⸗Eiſen gefagt ward. Eine Stelle bes Titurel 
(1333) ift dafür bemeifend: 
Er furt ain lantze die v grost roryne, 
Golt var stahel (goldfarbener Stahl, vergolbeter 
Stahl) ausz india 


Was die gleuy, gewirret mit rubyne (bunt befegt 
mit Rubinen.) 


- 


* 


172 Broelter Abſchnitt. Ritterleben. - 


Sn der fpätern Zeit heißt Gleve aud) ein mit einer Lanze 
bewaffneter Reiter, ja eine Zahl von 4 — 5 bewaffneten 
Meitern warb fo genannt. Dahin gehören die Benennun⸗ 
gen: Glefenreiter und Glefenbürger, fowie 
Glef 

Außer dieſen großen Lanzen hatten nun noch die 
Ritter kleinere, welche ſie aus der Ferne auf einander ab⸗ 
ſchoſſen und warfen, wenn fie auch gleich manchmal im 
Uebermaaß ihrer Kraft bie großen, gewichtigen Ranzen fo . 
gefchleudert haben mögen, wie denn Brunhilde auch eben 
Beinen Beinen Speer warf. Diefe hatten meiftentheild den 
Namen Spieß ober Speer auch bei ver Jagd gebraucht; 
der hauptfächliche Name aber war alt Ger, zufammens 
bangend mit Wehr. Sie lieferten befonders dadurch einen 
Beweis der Kraft, daß jemand einen Schilb halten mußte, 


Und ein anderer fchleuderte aus ber Ferne den Ger dage⸗ 


sen. Der Schuß mußte den. Schild burchbohren, oder 
wenigftend der Ger im Schilde haften bleiben, und ber 
andere mußte ben Wurf aushalten. Am deutlichſten zeige 
das Ganze die Befchreibung bes ungefügen Speered, ben 
Brunbilde ſchoß. So lautet es V. 1773: 

Da trug man ber Fraun, viel ſchwere und auch groß 

Einen Ger viel ſcharfen, den ſie alle Zeiten ſchoß, 

Stark und ungefuͤge, ſehr groß und breit, 

Der zu ſeinen Ecken viel harte, furchtbaren ſchneid't. 

Von des Geres Schwere hoͤret Wunder ſagen: 

Wohl viertehalb Maße (7) waren dazu geſchlagen; 

Den trugen kaum dreie der Brunhilden Mann; 


Dieſen ungeheuren Ger nun ſchleudert Brunhilde durch 
den Schild aus der Ferne, daß Siegfried und Güuͤnther 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 473 


beide zuſammen, und noch dazu durch die Tarnkappe mit 
erhöhterer Starte ausgerüftet, es kaum aushalten konnten 
und beide vor ‚ber ungeheuren Erſchuͤtterung ſtrauchelten. 
Drauf ſchießt ‚Siegfried füs Günther, verborgen, ben Ger, 
aber umgelehrt, damit die Schneide bie Jungfrau nicht 
verlege, auf fie ab, fo. daß ihre Waffenruſtung laut ers 
klingt, und fie auch niebarflürzt, Dean fieht hier in allem 
die Riefenhaftigkeit und ungefuͤge Größe ber Heldenzeit. — 
Was diefen. Ger nun noch wichtiger macht und ihm wohl 
fhon in fruͤheſter Urzeit ſeine Stelle enmeifet, iſt fein noch 
heut zu Zage gewöhnlicher Gebrauch in Afien, dem Muts 
terlande der Voͤlker. Die Perfer nämlich, haben. einen 
Wurfſpieß, den fie noch heut zu Zage Dſcher nennen, 


der ein leichter Wurffpieß ift, deſſen fie ſich bei ihren . 


Luſtkaͤmpfen zu Pferde, einer Art von Turnieren, bebienen: 

Der Panzer oder Harnifich. heißt im Franz. Hau- 
bert, Cotte de Maille, Brugne; im: Latein. Pancera; 
Brunia, Lorica. Im Deutfchen kommen and mehre Bes 
nennungen für ihn vor, namlich, außer Panzer und Hars 
nifch nody Ringe, Dalöberg und Bruͤnne. — Brinmen 
heißen bie Bruftparnifche ſchon zu den Zeiten ber Karo⸗ 
linger. — Die Ableitung. des Wortes ift . verfchieben. 
Einige leiten ed von der dunklen, braunen Barbe bed 
Eifens ber, doch mit Unrecht. Beffer it die Erklärung, wenn 
man das Wort brün in feiner alten Bebeutung fuͤr glaͤn⸗ 
zend, licht, verfteht, und es fo_von bernen,. brehben, 
Drennen ableitet. Daher beißt auch brunen, : bruniren; 
putzen, Metall aufglätten. Audese erklären es ſuͤr Bruſt⸗ 
flü@ (thovax), abgekitet von dem Gambrijchen broni, 


174 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die Bruſt. Adelung endlich leitet das Wort von Bryn, 
Braun, Brun, ab, der Rand, das Oberſte einer Sache, 
daher noch Augenbraun, Braͤm eines Kleides ober Pel⸗ 
zes, und darin würde nun der Begriff des Schuͤtzens, 
Bergens, Bebedend liegen. — Jeder Franke, der 12 
Manfos (ein Ackermaaß, unferem Worte Hufe entfpres 
chend) in Befig hatte, mußte mit einer Brunia, d. h. 
völlig fampffertig gepanzert und mit zwei Schildknappen 
im Felde erfcheinen. Schon in den ſaliſchen und ripuari⸗ 
fchen Geſetzen kommt diefes Work Brunia vor, wie es 
fih denn auch im Angelfächfilcyen als Byrn, Byrna, im 
Srländifchen als Bringa und im Altdeutfchen ald Brunia, 
Bringe, Bränne, Brünne und Brimme findet. Es ift zu 
bemerfen, baß wir die Benennung Bränne nur in ben 
Gedichten finden, welche auf aͤcht deutſchem Grund und 
Boden erwachfen find, alfo in dem Heldenbuche und ben 
Nibelungen, fo wie auch in ben beutfcher Dichtung fo 
nahe fallendert Gefängen von Karl dem Großen; daß es 
in ben andern Gedichten, die welchen Urfprungs find, 
vorfäme, wenigſtens bedeutend oft gebraucht würde, wüßte 
ih) durchaus nit. Died gewährt auch einen Beweis, 
wie utalt ber Stoff der Nibelungen und des Heldenbuches 
tft, und in wie ferne Zeiten bie erfle Bearbeitung fällt, 
ald die Benennung Brünne no im Volle allgemein. war. 
Dagegen war bie Benennung in der eigentlichen Ritterzeit, 
wo nicht ganz verfchwunden, doch fo zurüdgebrängt, daß 
fie nicht mehr von den. Dichtern gebraudt ward, und bie 
Gedichte daher, welche in ber eigentlichen Kitterzeit erſt 
gearbeitet ober uͤberſetzt wurben, haben dies Wort nit. - 


\ 


J. Abthei. Waffen und Kleidung. 175 


Zum Beweife, wie biefes Wort vorkommt, nur zwei 
Stellen der Nibelungen, V. 275: 
Ihre viel lichten Bruͤnne, die wurben auch bereits 


und V. 7115: 
Ich mwähne, fie an dem Leibe bie feften Brünne tragen. 


Im Heldenbuche tommt diefes Wort uͤberaus oft vor. 
Auch hieraus werben zwei glei auf einander folgende 
Stellen genügen: 

‚Darum will ich euch geben 

Ein’ Brinne wunnefan, 

Die kein Herr in fein Leben 

Richt beßer mag geha’n. 

Wohl achtzig taufend Marke 

Sf diefe Brinne werth. 


Halsberg iſt eigentlih dasjenige Stuͤck des Panzers, 
welches ben Hals bedecket, daher auch der Name, vont 
den Hals bergen. Wir denn, mit bergen verbunden, 
noch ebenfalls bie Zufammenfegung: Beinberge, für eine 
Bekleidung und Bepanzerung ber Füße vorfommt, wodurch 
die Bedeutung des Wortes für ein einzelnes Waffenſtuͤck 
Har wird. . An den Ruͤſtungen fieht man auch immer, 
dag die Verpanzerung bed Halfes und des obern Theils 
ber Bruſt, worunter fi dann ber Bruft: und Bauch 
Panzer anfchließt, befonders if. Darum theilt auch das 
Gedicht vom heil. Anno, auch eines ber urfprünglic, deut⸗ 
fhen und fehr alten Gebichte, Haldberg und Brünne von 
einander ab, indem ed fagt: 


Balspergin unti Bruinu 
Duͤ gart er fi ci flurm. 


\ 


1776 : Bwelter Abſchnitt. Ratterleben. 


Späterhin warb bad einzelne Stud der Bewaffnung für 
den ganzen Panzer gebraucdt.. Im mittlern Latein heißt 
das Wort alsberga ober halsberga, im Franz. hauber- 
geon, im Stalienifhen usbergo; Islaͤnd. Halsbjorg. 
Alles died zeigt, Daß das deutfche Wort immer das Grund⸗ 
wort war, aus dem jededö andere hergeleitet ward. Im 
Deutſchen find mit dem Worte Dalsberg noch überein: 
fommend: Platte, Krebs, Küris, Bruſtblech oder Hals: 
hembe, welche Benennungen aber auch wieder meift für 
das Ganze der Bepanzerung mit gebraucht werden. Eben 
fo tommt-die Benennung: Spaldenier oder Spalbes 
ner vor, welche eigentlidy .auch nichtd anders als Hals: 
berg bedeutet, nämlich die Ruͤſtung, welche die Schultern 
deckt. So iſt es in Ulrichs Yon Lichtenflein Frauendienft 
(S. 141).: „Da wappnete fi mander Denn, und aud 
ich legte Waffen an, ein Spaldenier und auch zwei 
eifene Hofen.” Die Benennung Halsberg erſcheint übers 
aus oft in den alten Gedichten, ein paar Stellen werben 
genligen. Nibel, 6098: 

Die Nibelunges Helben kamen mit ihnen bann 

In taufend Halsbergen. 
V. 8880 — 4: 

Daß das Sort vom Himmel nun geruhen wollte, 

Das ih Schild To guten hier noch tragen ſollte, 

Alfo bu Haft vor Handen, viel ebler Rüdiger, 

So bedürft? ich in den Stürmen ‚bie keiner Halsberge mehr, 
Aud beiden Stellen geht aber. uch hervor, daß bie ganze 
Bepanzerung bed Leibes fo genannt ward. Dann findet 
fi) Halsberg noch in der Bedeutung für „Bitte ſelbſt. 


V. 7749 der Nibelungen: 


3. Abchell. Waffen und Lieibung 177 


Die Blobelines Relen, die waren bereitet gar; 

Mit taufend Halsbergen huben ſie fid dar, 

Da Dankwart mit den Knechten ob den Zifchen faß. 
Wie man in der fpäteren Zeit auch fagte: er fam mit fo 
und fo viel Harnifchen „,d. h. er Fani mit fo und fo viel 
Kittern, und wie man aud) in heutiger Zeit bloß Pferbe 
für Reiter fagt: der Feind ſchickte 200. Pferde vor, 

"Died Wort Halsberg wird nicht bloß in den. alten 
Gedichten gefunden, welche älteft deutſchen Urſprungs ſi nd, 
wie das vorher erwähnte Brünne, fonbern auch in ben 
fpätern und in denen, welche aus den fremden Sprachen 
übertragen worden. So z. 8. Triſtan ®. 5201: 


Die Ritter ſich bereit'ten 
. Und unter ihr! Roͤcke leiten (tegten) 
Ihr Halsberge. 


So auch in der altdeutſchen Meberfegung ber Aenede, im 
trojaniſchen Kriege u. ſ. w. 

Die Ringe oder das Ringgefpänge bedeuten 
gleichermaßen ben Panzer und zeigen beſonders bie ganze 
Weiſe an, wie eine Art berfelben verfertigt warb. . Das Wort 
Ringe kommt befonders- häufig vor und findet ſich in allen 
Gedichten ded Mittelalters, ſie mögen .einheimifchen ober 
fremden Urfprungd feyn. Um es befler zu verftehen, muß 
ich hier von den: verfchiebenen Arten ber. Panzer forechen.- 
Die Altefle Art der Panzer, wenigſtens ſcheint es nach 
den älteften Bildern fo, war aus ſtarkem Eifendrath und. 
meift doppelt geflochten. Es bildete fich ‚daraus ein Teicht 
bewegliches gemafchtes Kleid, welches ziemlich enge an ben - 
Leib anſchloß und als ein voͤlliges Mamms, mit Aermeln, 
Beinkleidern oder auch wir ein bloßer Schurz : rundum, 

42 


478 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wie eine Jacke mit Aermeln, und wie Struͤmpfe gebilbet war. 
(a8 darunter und darüber gezogen wurbe, werben wir 
gleich feyen.) Daher fchreibt fi) auch die Benennung 
Maſchen; denn ed waren förmliche Maſchen, wie an 
einem gewebten ober geflridten Wamms. Im mittlern ' 
Latein hießen fie Maculae, und im Franz. warb danach 
der ganze Panzer Macles, Mailles, ‚Cottes de Mailles 
genannt. Won ſolchen Panzerhemden finden wir oftmals 
noch einzelne Stüde in Ruͤſtkammern vor, theild ganze 
Waͤmmſer, theild Aermel, Beinkleider u. f. w. Wir fehen 
diefe Art der Rüftung auf Dentmählern und auf alten 
Bildern. Als Denkmahl ift bierbei uͤberaus wichtig dad 
Grabmahl Herzog Heinrich des IV von Bredlau, des 
Minnefingers, welcher 1290 ſtarb und in ber breslaner 
Kreuzkirche, das nicht allein an und fuͤr ſich ein bedeuten⸗ 
des Kunſtwerk iſt, ſondern an dem ſich die ganze Ruͤſtung 
quf das deutlichſte zeigt, und beſonders auch der Maſchen⸗ 
panzer ſichtbar wird, Klar iſt dieſe Ruͤſtungsart auch auf 
dem Grabdenkmable eines Altern Herzogs von Sthleſien, 
ber ſchon hundert Jahr vor Heinrich IV lebte, des Her⸗ 
zogs Boleslaus, er ſtarb 1201, der ſeine Ruheſtaͤtte und 
ſein Denkmahl in Leubus fand. Eben ſo zeigt er ſich in 
ben alten Bilbern, welche die maneſiſche Handſchrift ver 
Minneliever zu Paris enthält.” Ein kuͤrzlich daraus nach⸗ 
geſtochenes Bild des Schenten von Limburg macht bies 
beutlich. Diefer Mafchenpanzer lag nun nicht etwa enge 
an, fondern er fchlug in Zalten über die Bruſt und hing 
auch fo an ben Armen, nur an ben Füßen und Lenden 
ſcheint ex dicht angelegen zu haben. An biefem Panzer 


. 


3, Abtheil. Waffen und Kleibung. 179 


if der. Theil, welcher Halsberg genannt wigb, nicht vecht 
fichtbar. Wahrſcheinlich war er hei ihnen eine dicht um 
den Hals fchließende und bie Bruft bedeckende Blechbeklei⸗ 
dung, welche unter den Mafchenpanzer angethan warb, 
wenigſtens ſcheint darauf ein haldbandartiger Schmud bei 
‘den Rüftengen, z. 8. bei der Heinrichs IV, hinzubeuten; 
aber er lag auch ald ein dicker, faltiger Wulſt auf der Beruf. 
“ . ine andere Art der Panzer muß aus metallenen, 
zuweilen auch hornenen Schuppen beftanben haben. Daß 
Schuppen von Horn gemacht wurden, geht aus. einer 
alten Ehronik von Koͤlln hervor, in der beim Jahre 4115 
von bed Kaiſers Heinrich V gepanzerten Kriegern gejagt 
wird, qui .loricia .cormeis ferro impenetrabilibus ute 
bantur; welches in. einer alten Ueberſetzung fo verbeutfcht 
wirb: bie alle hatten Halsperghe von Horne gemacht, 
Diefe Schuppen waren Fleine, butchbrochene, viereckige 


- &shde Eifen und rantenförmig., In der Wappenkunde 


haben die Rauten, befonderd die an einer Ede ausgebro⸗ 
denen, welche von den Franzoſen noch jegt Macles ges 
nannt werben, bie Geflalt und die Bedeutimg jener alten 
Schuppen. Diefe Schuppen mußten fe fehl auf einander 
gelegt und in einanber gefchichtet werben, daß aller Raum 
dazwiſchen, fo viel möglich, vermieden warb. Solche 
Schuppenpanzer mäffen auch ſchon fehr früh Sitte gewes 
fon ſeyn, ja fie fallen weit vor die Zeit bes Ritterthums, 


und gingen nur aus alter Bewaffnung in bad Ritterweſen 


über. Sir das frühe Daſeyn diefer Panzerart fpricht das 


Gedicht: de expeditione Attilae ac de rebus gestis 


Walthari, ein Gebicht, welches zum Kreiſe bed Helbens 
12” 


\ 


4180 Zweiter Abſchnitt. "Ritterleben, 


buchs gehört und im 9. Jahrhundert von einem Mönch, 
Edehard im Klofter St. Galten, gedichtet warb. Daria 
beißt es V. 470; 
Praecin gito ‚corpöra ferro 5 
Fortia. squamosusthorax iam texga recondat. 

| Die dritte Art der Panzer iſt endlich diejenige, bei 
denen die Rüflung aus großen Blechen befteht, die nur 
an Armen, Schultern, Lenden und Füßen beweglich‘ find, 
um’ ben Bewegungen bed: Leibes machzugeben, in. dewen 
auch der Ritter vom Kopf bis zur. Fußzehe gehüllt war, 
und die meift von heil gegjättetem und glängendem Stable, 
oft andy mit fchönen eingeägten und dann vergoldeten Ge⸗ 
flalten geziert waren. Diefer Panzer aud ganzen. Eifen- 
fidden, von bem ein trefflich gearbeiteter fih auf ber 
bresiauer Alterthuͤmerſammlung findet, machte ben. Strei⸗ 
ter gelenkſamer und beweglicher, als ber Maſchen⸗ „und 
der Schuppenharniſch; und als ex eingeführt war, warb 
auch fogar ber Schild entbehrlich, indem er auf die gehoͤ⸗ 
zigfte Weife den Leib deckte umb fich doch den Bewegungen 
keicht fügte. Solche Ruͤſtungen nunnte man noch im 16. 
Jahrh. den Krebs, von ihrer Frebsartigen Geftalt, indem 
mit deſſen Schaalendecke eine unverfennbare Aehnlichkeit ob⸗ 
waltet. So uͤberſetzt auch noch Luther das griechiſche Wort 
Gupak durch Krebs, und Leonhard Frundsberg fpricht in 
* feinem Kriegsbuche von der Rüflung, die er Krebs nennt. 
Zum Beweife, wie ein folcher Krebs geflaltet war, dienen 
faft alle die Rüftungen, welche wir noch auf den Bühnen 
feben; die meiflen Ritterabbilbungen vom 15. Iabrh. ar 
liefern ebenfald biefe Rüftungen aus ganzen Stüden, und 





3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 181 


deutlich ift fie auch auf dem Siegel der fchlefifchen Ges . 


fammtherzoge zu Münfterberg ums dahr 1500, welches 
ich habe in Eifen gießen laſſen. 

Ob nun unter dem Ramen Platten, welcher eben= 
falls häufig für Panzer vorfommt, wur die.dritte Art ge⸗ 
meint ift, ober auch bie zweite, iſt noch nicht ficher aus⸗ 
zumachen; fo viel ift aber genaß, daß noch in hen ſpaͤte⸗ 
fien Zeiten die Harniſchmacher und Harniſchſchmiede bie 
Platt ner-Zunft bildeten, fo daß wohl der Name beſon⸗ 
ders für bie dritte Panzerart gilt. 


Unter dem Harnifch trug ‚man gewöhnlich ein Wammp 


von Leber oder feivenem Zeuge, welches mit Baumwolle, 
Flachs, Werg ober Zumpen did außgefhttert war, um ben 
Streih de3 Gegners zu entkräften, der außerdem fehr 


empfindliche Quetſchungen hätte verurſachen Finnen, bes 


fonder8 bei den Mafchenharnifchen, menn bie Mafchen zu⸗ 
nächft am Leibe gelegen hätten. Im Franz. hieß dieſes 
Wamms: Gobisson, Gambesson, im, mittlern Latein: 
_Wambasium, Gambeso. Sole dicke Bekleidung unter 

dem Panzer bat gewiß zu allen Zeiten. und bei allen Ge: 
fialten des. Panzers geherrfchtz; denn fie war nothwendig, 


bamit der Panzer nicht zu nahe den Leib berührte, ihn - 


druͤckte und beſchaͤdigte. Sn fpäteren Zeiten warb bie ges 
wöhnliche Ritterkleidung eines Wammſes und langer Bein⸗ 
Eleider, meift beides von Leber (ein ledernes Koller, wie 
es hieß), darunter getragen. Zu ber ritterlichen Ruͤſtklei⸗ 
dung gehörten auch die Gurthoſen; ob. dieſe nun immer 
son. Eifen waren, oder auch von Leder ſeyn durften, dar⸗ 
über fehlen, noch. ſichere Befimmungen. -- . 


482 Zweiter Abfchnitt. : Ritterleben. 


Dieſer Panzer, er mochte nun ein Maſchen- oder 


Schuppen⸗Panzer oder ein Krebs ſeyn, bedeckte immer 


den ganzen Leib, vem Halſe an bis zur Fußzehe, nur 
die innern Seiten der Lenden hatten keine Bepanzerung, 
damit der Ritter nicht am feſten Schluſſe auf dem Roſſe 


gehindert wurde, ſondern die Lenden unmittelbar an den 


Sattel druͤcken konnte. Ale Stuͤcke waren fo enge mit 
einander verbunden, daß fo leicht Fein Stoß ober Hieb 
‚dazwifchen kommen Tonnte, wenigftens im firengen Kam⸗ 
pfe zwifchen Mann gegen Mannz nur tüdifcher Verrath, 
Ueberfall von hinterrüds, wobei man die Fugen auffuchen 
Tonnte, um Schwert ober Lanze dazwifchen zu floßen, 
Eonnte eine folche Verwundung bewirken. An biefe Ruͤ⸗ 
flung ward nun die Kopfbededung ‚ ber Helm, fo feft ges 
fügt, daß auch zwifchen ibm und ber übrigen Rüftung 
keine Luͤcke blieb. Dazu diente nun, befonbers bei ber 
Mofchenrtftung, ber unter derfelben auf ber Bruft befeftigte 
Halöberg, an bem hinten, wie an dem Kreböpanzer, ein 
eiferner Stachel war, ber in ein Loch am Helme paßte, 


| wodurch die Befefligung bewirkt wurde, aber doch noch 


Beweglichkeit blieb, indem fonft bei jeber Beugung bes 
Kopfes eine dem Bitter fehr verberbliche Deffnung im 
Nacken aufgelafft hätte. Bei den Stechhelmen zum 
Scharfrennen findet man au vorne Spuren, daß biefels 
ben völlig angefchloffen wurden. 
. Ueber biefe Leibruͤſtung zogen große Herrn und vors 
nehme Ritter einen 
Waffenrod. Dies war ein‘ Oberlleid, in einer 
ſackartigen Geſtalt gemacht, das wohl meiſtentheils uͤber 


0 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 183 


den. Kopf geworfen werben mußte und weder hinten noch 
vorne geöffnet war. Der Waffenrod hatte nie Aermel 
und wear von dem feinften Zuche gemacht, zuweilen mit 
Gold oder Silber durchwirkt, oft auch von Pelzwerk oder 
Zoftbarem Zeuge. Bei diefem Mantel war die Länge ſehr 
verfchieden; er reichte entweder bis auf. die Knie, oder bis 
über bie Waden, ja bid auf bie Knöchel, je. nachdem es 
ber Wille des Ritters und bie Sitte der Zeit verlangte. 
Dft erforderte ein beſonderer Zweck eine andere Einrich⸗ 
tung biefer Ride, naͤmlich, daß fie fehr lang waren, ja 
dann auch fogar oft Aermel hatten, wenn nämlich bie 
ganze Rüftung verhüllt und verſteckt werben follte, beſonders 
wenn ein geheimer Ueberfall beabfichtigt ward. Dann waren - 
fie aber mehr eine Art von Mänteln, ald bag fie ben 
Wappemroͤcken entfprocyen hätten, welche nur mehr zum 
Schmud dienten und nie bie freie Bemegung bed Krieger 
hemmen durften ober durch lang wallenbe Theile etwa gar. 
in bie Streiche und dad Schirmen ber Ritter mit dem 
Schwerte fi verwideln konnten, um fo fchäblih und 
verberblich zu werben. Weber die langen Mäntel iſt eine 
Stelle im Triſtan bemerkenswerth, V. 5493 u. ff. Als 
Triſtan nach Britannien kommt, um bon Morgan- fein 
Reich wieder zu erhalten, faßt er den Plan, ihn zu über: 
fallen, und hieß „feinen Rittern, ſich bald bereiten und 
unter ihre Röde ihre Haldberge (ed ift auch hier bie . 
Benennung Halöberg zu bemerden, in einem Gedichte, 
das aus dem Franzöf. üuberfeht ift, woburd auch klar 
wird, daß es bamals ein ganz allgemeiner Ausdrutk war, 
welches auch Urkunden und Gefchichtöblicher beweifen) und. 


⸗ 


18% BZweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ihre Waffen bergen, fo daß niemand irgend einen King 
(auch . diefe Benennung ift zu bemerken) aus dem Ges 
wande bervorfcheinen ließe.” — Meiftentheild war  diefer 
Mantel mit dem Wappen bed Mitterd geziert, Doch auch 


oftmals ganz glatt. Man findet auf alten Bildern und 


auf Siegeln die vielfachſten Vorſtellungen folcder alten 
Waffenroͤcke, und kann ſich daher von ihrer Art und Weife 


leicht überzeugen. Ein Beifpiel eines kurzen Waffenrods 


bis zu den Knieen ift anf dem Siegel des Herzogs Hein⸗ 
rich IV von Breslau, des Minnefingers, welches ich habe 
in &ifen gießen laſſen. Es ift der weite Rod ohne Aermel, 
vom Panzer fieht man die kleinen Maſchen der Armbepan⸗ 
"zerung, und bei den Füßen ſieht man auch einige, wenn 
‘auch nur undeutlihe, Spuren derfelben. Klarer erfcheint 


‚beides, wie ſchon gefagt, an dem fehönen und merkwuͤr⸗ 
Digen Grabdenkmahl diefes Herzogs in der Kreuzkiche zu . 


‚Breslau. Einen Iängern Waſſenrock bis über die Waden 
sliefert das Bild des Wolftam von Eſchenbach, entlehnt 
‚aus ber maneſiſchen Handſchrift der Minnefinger und 
"beim: erften Hefte des Beufeuins f. altd. Literatur v. Has 
gen, Docen und mir, befindlihd. Ein ganz langer Waf- 
fenrod endlich. zeigt fich bei dem Bilde des Schenken von 
Limburg aus berfelben Handidrift: Der Name Ehurfit, 
welcher in alten Gebichten oftmald vorkommt, bezeichnet 
nichts anders, als auch den Waffenrock. 

Damit ber Waffenrock nicht ‘zu fehr vom Bine 
möchte ergriffen werden, flattern und fich fo am den Rit⸗ 


‚ter, ja wohl gar in fein Schwert und die Hiebe, die er 


führen wollte, widelte, bediente mar ſich eines Gürtel 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 185 


oder eine Schaͤrpe, um-ihn uͤber den Hüften feſtzuhal⸗ 
ten. Diefe Schärpe deutete auch oftmals durch ihre Farbe 
an, aus welchem Lande der. Ritter war; fo trugen z. B. 
bie Engländer vothe, die Franzofen weiße. Schärpen. 
Die frangöfifhen Großen ſuchten noch zu biefer weißen 
Farbe eine andere, ihre eigene Hausfarbe, in ihre und 
ihres Vaſallen Schärpen zu fügen, 'und nannten biefe, 
ihre eigene Leibfarbe, Livrei, woraus fich fpäterhin bie 
Tracht ver Bedienung entwidelte, welche auch den Namen 
Rivrer erhielt. 

Das Beifpiel einer ſolchen Schärpe liefert fchon aus 
dem Jahre 1175 das Siegel des Herzogs Boleslaus, 
welches ich habe in Eifen gießen lafen, bei dem man das 
Daſeyn eines .Waffenrodd nicht recht deutlich ficht, da ex 
fehr kurz mar, aber das flatternde Ende einer Schärpe 
bemerkt. Späterhin ward dieſe Schärpe ‚ da fie durch 
ihre Farbe Bedeutſamkeit gewonnen, auch über bie bloße 
Ruͤſtung gelegt, aber nicht mehr um bie ‚Hüften, fondern 
son ber reiten Schulter zur linken Seite übergehängt. 
Gewoͤhnlicher in-Alterer "Zeit war und warb in fpäterer 
Zeit wieber:.der Bürtel; davon fogleich. 


. Die Befchreibung, welche ih von ben Baffenröden 


gab, daß fie die Geftalt eines Sackes gehabt: hätten, ber 
über den Kopf geworfen warb, beftätigt fich auch aus ber 
kunſtloſen Art und Weiſe, wie. manche Ritter ſolche Waf⸗ 
fenröde, die fie der Gewohnheit nach tragen mußten, 
auch wohl um KLanzenfliche abzumenben, ſich verfchafften. 
Ein. merkwuͤrdiges Beifpiel der Art erzählt Johann Te 
Sevre von St. Remi (Hist.' de Charles IV. p. 9.). 


⸗ 


180 3weiter Abſchuitt. Nitterleben. 


Der Herzog von Brabant kam, vom Koͤnig von Frank⸗ 
reich geſchickt, im Jahre 1415 gerade in dem Augenblicke 
an, ald die Schlacht bei Azincourt gefochten werben follte. 
Da er nur in gewöhnlicher Rüftung war, lief er fehr 
eiffertig hin und nahm eine von ben Panieren feiner 
Zrompeter, machte in ber Mitte deſſelben ein Loch unb 
bing fi) nun daſſelbe ald einen Waffenrod über. 

Diefem Beifpiele eines ungefhmüdten und leicht vers 
fertigten Waffenrockes fichen dagegen bie Nachrichten von 
böchft koſtbaren Waffenroͤcken gegenüber, da fie, als ein 
borzügliches Kennzeichen ritterlicher Würbe, wie wir gleich 
fehen werden, oft überaus prachtvol angefertigt wurben. 
Daß fie von Seide und feinem. Tuche gearbeitet waren, 
habe ich bereit bemerkt, aber fie waren auch außerbem 
mit Gold und Silber reich geftidt, und reich durchwirkt, 
und mif dem prächtigften Hermelin, mit Grauwerk, Zo⸗ 
beipelzen und andern vergleichen koſtbaren Sachen gefüts- 
‚ tert. Die Barbe der WBaffenröde war meiftentpeils will 
kuͤrlich; oft wurden fie aber auch geflidt, und zwar nicht 
allein mit..den Wappen ber Ritter, fondern auch mit eins 
zelnen Theilen der Wappen und beſonders mit Sternen, 
Monden, Sonnen, Thieren, Vögeln und dergl. beftreut. 
Der Aufwand nahm in biefem Schmude, befonders in 
Kriegeszeiten, fo zu (auch wenn bie Ritter über Meer 
zogen, wo fie benn oftmals. außer ber Stidlerei, noch. koſt⸗ 
bare Achte Perlen darauf fegen. ließen), daß bie Herrfcher 
fih genoͤthigt fahen, eigene Aufwandögefege bloß über 
die Zragung der Maffenröde ausgehen zu laffen. König 
Philipp Auguf von Frankreich und König Richard von 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 187 - 


England verorbneten im Jahre 1190, daß man fich Fünf: 
tig des Scharlachd, Grauwerks, Hermelind u. dergl. ent⸗ 
halten folle, und biefes befolgte felbft Ludwig der Heilige 
bei feinem Zuge jenfeit des Meered. Soinville ‚verfichert 
in feiner Gefchichte dieſes Königs, daß, fo lange er mit 
dieſem Könige über Meer gewefen, er kein geftidtes und 
reich beſetztes Kleid gefehen habe... In England wurbe 
fogar in zwei Parlamentöfihungen verboten, daß Jemand, 
ber nicht jährlih 400 Pfund Einkünfte Hätte, fich der 
Waffenröcde bebiene. Durfte fich ein Ritter des Waffen: 
rods bebienen, fo trug er ihn bei großen Zeierlichkei- 
ten, Kriegeözügen und bergleichen. Gewohnheit war es 
im Mittelalter Kleider, Mäntel, Zeppiche, Schärpen, 
Sürtel, Schleier, Deden auf Tiſchen und Betten, und 
dergleichen Gewandſachen mit Sprüchen, weiche eingeſtickt 
wurden, zu zieren, und ſo ſchmuͤckte man auch die Waf⸗ 
fenkleider mit ritterlichen, ſittlichen oder frommen Spruͤ⸗ 
chen. Solche Spruͤche, die dann gewoͤhnlich feſt ange⸗ 
nommene Denkfpruͤche der Ritter waren, nennt man im 
Franzoͤſiſchen Devifen; unb waren daher die Waffenzöde 
auf dieſe Art geziert, fo nannte man fie habits en divise. 
In den Nibelungen und in andern Gedichten wird ber 
Waffenrock alıh Waffenhemde genannt, welches ex 
benn auch wirflid war, wie bie ganze befchriebene Geſtalt 
zeigt, nur daß er Feine Aermel hatte. So beißt es von 
der Brunhild B. 1723: 


Sie hieß ihr da zu Streite bringen: ihr Gewand, 

Eine Bruͤnne rothes Goldes und einen guten Schildesrand. 
Ein Waffenhembde ſeiden, das legte an die Maid, 
Das noch in keinem Gtveite Waffen nie verfäneib't, 


R 


— 


— 


* 


I 


188 = Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Bon Stoffe aus ber Eybta, es war viel wohl gethan; 

Bon Borten liht Gewirke, das fah man fcheinen baran. 
Auch hier ſchon Stiderei und Eingewirkte. Die Golds 
blättchen, welche eingenäht und darauf geſtickt waren, hei⸗ 
Ben in ben Nibelungen Zaine, und die Art, wie fie mit 
dem Zeuge verbunden wurden, freuen, welches foviel wie 
einwirken, ſticken iſt. In dieſer Bebeutung iſt z. 8. 
V. 3822: 

Vom Haupte bis ans Ende geſtreut man darauf fand 

Auf dem lichten Rauchwerk viel manchen Goldeszain. 
Die Waffenroͤcke wurden auch als vorzuͤgliche Kennzeichen 
des Adels gebraucht, wenn man beweiſen konnte, daß 
Voreltern ſolche getragen hatten. Denn niemand, als ein 
Ritter, durfte einen Waffenrock tragen, und keinem Knap⸗ 


pen war er erlaubt, fo wenig, wie er einen Ritterpanzer 


tragen durfte” Die Anappen = Kleibung werbe ich kurz 


fpdterhin anführen. i 


Die Gürtel verbienen noch eine eigene Erwähnung, 
indem fie durch das ganze Mittelalter gehen und bei Laien 
und Geiftlichen, bei Vornehmen und Geringen, bei Rit- 
tern und Knechten, bei- Frauen und Männern gefunden 
werden. Die ganze Tracht ded Mittelalters machte den 
Gebrauch der Gürtel nothwendig, da meift weite, faltige 
Kleider gefragen wurben, bie eine Befefligung um bie 
Hüften nothwendig .erforderten. Die Frauen, gefchidte 


Weberinnen und Stiderinnen in ber Zeit des Mittelalters, 


wirkten und woben dieſe Girtel und ftidten Geftalten 
oder Worte hinein. Co ift befannt, daß die Gemalin 


Heinrichs EI, die heil. Kunigunde, für ben heil. Gotthard, 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung 189 
Abt des Klofters zu Nieberaltaich, einen Gürtel wirkte, 
der einen "halben Daumen breit war, und -auf dem bie 
Worte: Sola fides, fich zwoͤlfmal wiederholten. Auch die 
Kitter, ſie mochten nun das gewöhnliche kurze Wamms 


tragen, oder einen weiten Waffenrock, ober ben weiten Rod, 


den fie auch, ohne darunter eine Ruͤſtung zu legen, gebrauch» 
ten, anhaben, ‚bedurften inımer eine: Umgirtung. Dazu 
kommt :aun noch ber Gürtel, woran das Schwert hing, 
welcher ebenfolld ein Zeichen der Ritterwuͤrde war und 
cingulum militare genannt ward. Es fcheint Geſetz ge: 
wefen zu feyn, wenn auch nicht inımer beobachtet, daß 
bie Kappen und nicht: ritteimäßige Märnmer das Schwert, 
an einem Wehrgehänge uͤher die vechte- Schulter gelegt 
und nad des linten Seite nieberhangend, ttugen, woraus 
denn -auc Ser oben erwähnte: Gebrauch beim Ritterfchla- 
gen, mit bem Schwerte um den Hald vor den Priefter 
und Altar zu’ treten, ehtfprang, worauf dann fpäter erſt 
die vitterliche Umglrtung folgte; und auf dieſes Um guͤr⸗ 
ten des Schwerte wird. ja auch immer ein befonderer 
Nachdruck gelegt. Um nun wieder auf den Gürtel, wels 


der bie Kleider um die Hhften befeſtigte und innfchloß,. 
zu fommen, fo fehen wir auf alten Bildern von Stein‘ 


und in Farben diefen Gärtel immer befonvers hervorgeho⸗ 
ben, und es.if. unflreitig, daß mit demſelben große Pracht 
getrieben warb. Am geringfien war. die Pracht, wenn der 
Gurt bloß reich geflidt war mit Geflalten von Zhieren, 
Blumen oder mit andern Zuͤgen. Bei den reichern Sticke⸗ 
reien wurden. Perlen eingelegt, und bei ben vorzüglichften 
ſah man Ebelfteine, reich in Gold gefaßt, und dam 


I) 
I) 


190 -Bweiter Abſchnitt, Rittkerleben. 


befeſtigt. Solcher Schmuck findet ſich beſonders an den 
Guͤrteln hoher Perſonen, der Kaiſer, Fuͤrſten und Herzoge, 
wie z. B. an dem ſchon fruͤher erwaͤhnten Denkmahle 
Herzogs Heinrich II von Breslau ſichtbar, bei dem ber 
Gürtel in breite Vierecke getheilt iff, die mit Ebdelfteinen 
auögefllit waren. Geringere Gürtel, wahrfcheinlich nur 
geftichte, zeigen fich auf andern Dentmählen. Gemeinhin 
warb diefer Gürtel beſonders, und vom Schwerte-getzennt, 
getragen; wie benn fchon’barans erkennbar. ift, daß, wie 
angeführt, ex beiven Gefchlechtern und allen Ständen ge 
meinfam wear. Das Wehrgehänge und eigentliche cingu- 
lum militare befand dann aus einem breiten Gurte, der 
bie Riemen bes. Schwerteß trug, und an ben, beim Um⸗ 
ſchnallen, ein breiter Riem varne, mehr ober minber lang, 
doch nie zu lang, nieberbing. Am deutlichſtes zeigt ſich 
dies, ja fogar, was nicht recht Har ifl, zwei Streifen 
bangen nieber, bei dem Grabſtein des Herzogs Boleslaus 
bed Langen von Breslau, deſſen gleichzeitiges Denkmahl 
ſich zu Leubus befindet *). - Hier fiebt man ſehr Par das 
Wehrgehaͤnge mit dem daram befindlichen Schwert, ben 
Heinen Dolch, von dem ich fpäter fprechen ‚werde, ben 
Maſchenpanzer des ganzen Beihes, vom Hals bis zu ben 
Sehen, und ben barüber ‚befindlichen, bi8 zum Ende ber. 
Wade beinahe gehenden Waffenrock, bei dem indeſſen ber’ 
Zeichner am obern Theile einige Verſehen fcheint begengen 
zu haben. 
Eine eigene Berhäfihtigung verdient noch bie: bis⸗ 


.. 





*) Abgebitbet in Ipebeflus Legnittigen Jahrbuͤchern. 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 191 


weil vorkommende Waffenfhürze Sie wurde um 
die Hüften gewunden, war von ben. edlen Stoffen, die zu 
ven Waffenröcden genommen wurden, und bedte die Lenden 
bis zum Knie. Ihre Beſtimmung ift nicht vedst deutlich, 
auch ward. fie wahrfcheinlich nicht immer und nicht zu allen 
"Zeiten getragen. Allem Anfehn nach ward fie nur dann 
umgensmmen, wenn’ der Waffenrod nicht getragen warb, 
und diente zur Verhuͤllung ber Lendenruͤſtung, in der fich 
wohl der Ritter nicht gerne fehr beengen mochte, und bie 
daher meiſt weniger gut, ja eigentlid fogar weniger 
anſtaͤndig, als bie andere Rüftung, ausfiel. Man findet 
die Waffenſchurze noch in fpäter Zeitz denn G. v. Berli⸗ 
hingen fagt (& 229): „und ließ mein Harnifch zum Theil, 
auch Schurz und Ermel und was ed denn war, zu Hei⸗ 
delberg zum Hecht liegen“. 

Das Schwert warb, als bie vorzuͤglichſte ber git⸗ 
terwaffen, ſehr hoch gehalten, wie denn überhiipt dieſe 
Waffe bei allen alten und kriegeriſchen Voͤlkern in hohen 
Ehren gehalten wurde. — Nach den alten Nachrichten, 
bie wie haben, trugen ſchon die Cimbern Schwerter. Sie 
waren, fo wie bie der alten Gallier, fehr lang, ohne 
Spige und nur auf ben Hieb eingerichtet. Die Rugier 
und Lemonier hatten kuͤrzere. Der Degen, welchen man 
in dem Grabmahl des fraͤnkiſchen Königs Ehilderich gefun⸗ 
den hat, war von Stahl, drittehalb Schuhe lang und ohne 
Spite. Die Franken trugen dad Schwert an einem um 
bie Hüften gehenden Gürtel, die Gothen an einem über 
die Schulter geworfenen Degen = oder Wehrgehänge 
Ueberhaupt waren bei den Germanen in der früheften Zeit 


192 Zweiter Abfıhnitt. -Ritterleben ;. 


die Schwerter felten und ſchlecht. Die Alemannen nann⸗ 
ten ihr Schwert Spade, Spate, Spatha. -Win fols 
ches war von befrächtlicher Länge und Breite, zweiſchnei⸗ 
big und one Spige. Es wurde mit beiden Händen ges 
faßt, und fo. mit der ganzen Kraft beider Arme. auf ben 
Feind geführt; und wenn mir den alten Erzaͤhlungen 
Glauben beimefien können, fo war ein flarfer Wann vers 
mögenb, mit einem ſolchen Schwerte Mann uud Pferb 
mitten von einander zu fpalten. | 

Die frühere Zeit des Mittelalters gab, ein Uebeibleib: 
fel der Heibnifchen Zeit, den Schwertern Namen, und fo 
lehren und noch viele Gedichte -die Namen alter Schwerter: 
Um einiged aus ber heibnifchen Vorwelt anzuführen, fo 
heißt in. den Edda⸗Liedern von den Nibelungen das 
Schwert, welches Regin dem Sigurt fihmiebet, Sram; in 
ber Helgie Saga bat Hromund ein Schwert, Miſtelteir; 
Wieland Eſchmiedet in der Willina = Saga das Schwert 
Mimmung. In den Nibelungen heißt Siegfrieds Schwert 
Balmung, und damit es auch in ben Gedichten, welche 
wir aus dem Welfchen empfingen, nicht en dem Namen 
eines Schwertes fehle, fo hieß das des Artus, Eskalibor. 
In den Gedichten von Karl dem Großen giebt -e3 mehre. 
Schwerter⸗Namen, von bepen ich nur amführe: Joyeuſe, 
bad Schwert Karl des Großen ſelbſt; Durandel, das 
Schwert Rolands; Flamberg, das Schwert Richards von 
Montalbon; Heitellere, das „Schwert Diivierd u. f. w. 
Alle diefe Namen und noch mehre andere finden fih in: 
dem: erfien Bande des Buches ber Liebe, herausgegeben 
von mir und v. d. Hagen, ©. 158., in ber Geſchichte 


3. Abtheil. Waffen und Kteibung. 193 


des Rieſen Zierrabrad, der felbft drei Schwerter befaß, 
welche alle drei ein berühmter Schmidt gemacht und alle 
drei benannt hatte. Bei den alten Britten herrfchte eine 
folche Liebe des Schwertes, daß es Gewohnheit der Mut⸗ 
ter eined jeben Knaben war, diefem bie erſte Nahrung 
auf der Spite von feines Waters Schwert darzubieten, 
und mit der Nahrung ihm den erfien Segen ober Wunſch 
dahin zu geben, daß er feines andern Todes flerben möchte, 
als durch das Schwert, d. h. im Kampfe*). Diefer 
Werth und dieſe Heiligkeit des Schwertes zog ſich auch 
noch durch die Ritterzeit; und wenn dieſe Wichtigkeit auch 
nicht mehr, bei veraͤnderten Anſichten, beſonders bei dem 
Glauben an göttliche und uͤbernatuͤrliche Einflüffe, fo bes 
deutend hervortreten Eonnte, wie in der Heibenzeit, fo 
war doch mancher kleiner Zug übergeblieben, ber biefe 
frühere Bebeutfamkeit verrietb. Go ertegten die Schwer: 
ter und übrigen Waffen, welche die berühmteflen Ritter 
im Streite geführt hatten, und bie fo oft Werkzeuge ihres 
Sieges gewefen waren, ben Ehrgeiz ber Zelbheren und 
ſelbſt hersfchender Zürften. Sie flrebten, fie zu befigen, 
entweder um felbft Thaten damit zu verrichten, welche 
dem Andenken der früheren Inhaber würbig wären, oder 
um folche in ihren Waffenfälen und Zeughäufern als 
mertwürbige Dentmahle aufzuheben. Zuweilen fchenkte 
man fie ben Kirchen (davon mehr bei ber Abtheilung von 
bem Tode der Ritter); man weihte fie fo ber Gottheit, 





*) The Cambrian popular antiquities by Roberts. London 
1815. p. 211. 
- 48 


4192 weiter Abſchnitt. Rittetleben. 


dem einzigen Urheber des wahren Heldenmuthes und aller 
uͤbrigen Tugenden. 

Das Streben, ein beruͤhmtes Schwert zu erhalten, 
ober ſagen zu koͤnnen, man ſey in dem Beſitz eines 
Schwertes, welches einſt ein großer und beruͤhmter Held 
getragen, war beinahe durch alle Zeitalter daſſelbe und 
zeigt fih dur mehre Beiſpiele. So ift es nicht ohne 
- Bedeutung, wenn es in ben Nibelungen V. 381 heißt, 
als Siegfried von Schilbung und Nibelung aufgefordert 
wird, daß er ihnen den Nibelungen : Schaß, über ben fie 
entzweit, theilen foll: 

Da gaben fie ihm zu Miethe (als Lohn voraus) das Ribelun: 

gen s Schwert. 

Auch die Art, wie Attila fein fiegreiches Schwert erhalten 
haben fol, wird bebeutfam erzählt: Einft weibete ein 
Hirt feine Heerbe und bemerkte von ungefähr, daß ein 
Ochs am Beine biutete. Er ging hin und ward gemwahr, 
daß etwas aus ber Erde hervorragte, grub es vollends 
aus, und fiehe, da war es ein großes Schwert, welches 
er dem Attila verehrte; denn männiglich meinte, Mars 
müffe ed ehemals an ber Seite gehabt haben. 

In wie weit diefer Glaube ſich noch in die Ritterzeit 
binein erfizedte, geht aus dem Leben der Jungfrau von 
Orleans hervor, von der ed bekannt ift, wie fie auf wun⸗ 
berbare Art zu einem alten Schwerte gelangen mußte, das fie 
zur Befreiung ihres Baterlandes brauchte; und Fein anderes 
Tonnte es feyn, als des mannlichen Helden, der fir Deutſch⸗ 
land und Frankreich von gleicher Wichtigkeit gewefen, Karlö 
des Großen. Man behauptet, daB Sainte: Katharine de 


3. Abthell. Waffen und Kleldung. 195 


Fierbois, ein Flecken in Zouraine, eine halbe Meile von 
Sainte:Maure,. ber Ort fey, wo das Mäbchen von Or⸗ 
leans dies Schwert Karls des Großen gefunden habe, 
weiches fie bei ihren Kriegeözligen brauchte, und fagt, 
daß ſie folches dem Grabe eined Kriegerd entnahm. 

Das Querfiüd an dem Griff des Schwertes gab ihm 
meiftentheild zugleich die Geſtalt eined Kreuzes, womit 
man einen gotteöflsschtigen Glauben verband. Es diente 
baber dem Ritter, wenn er in lebenögefährlichen Kampf zog, 
als ein Kreuz zur Anbetungs und wenn ein Eid abgeforbert 
und geletftet werben ſollte, fo half auch dazu die Darreichung 
diefes an feinem Griff gekreuzten Schwertes. Wie nun 
die eigentlichen Nitterfchwerter gefaltet waren, fo giebt 
es daruͤber verfchiedene Nachrichten und abweichende Meis 
nungen. "Eine allgemeine Gleichartigkeit in ihrer Größe, 
Länge und Breite herrſchte nicht, ſondern es kam wohl 
alles auß das Belieben, ſo wie auf die Kraft des Ritters 
an, ber ein Schwert führte, wie ex es ſich wollte zu 
Handen machen laffen, ober wie ed ihm feine Stärke ober 
fein Wuchs zu tragen erlaubte. Aus der Heldenzeit find 
und theils Nachrichten, theils wirklich Schwerter übrig 
geblieben, bie uͤberaus groß und gewichtig find. So 
wurde zu Saint Pharon de Maur ein Schwert gefunden, 
welches Ogier, einer der berühmteflen Vetter und Helden 
Karl des Großen geführt haben fol. Die Klinge davon iſt 
3 Fuß und 1 Joll lang, gegen das Stihblatt. 3 Zoll und 
gegen bie Spitze 14 Zoll breit. Das Stichblatt hat im 
Durchmeſſer 7 Zoll. Mabillon ließ es wiegen und fand 
8 54 Pfund’fchwer. Faſt von einer gleichen Größe if 

13* 


196 meter Abſchnitt. Ritterleben. 


das Schwert, welches man noch jetzt in einer tuͤrkiſchen 
Moſchee zu Bruſia oder Burfia in Afien, der ehemaligen 
Hauptſtadt des tuͤrkiſchen Reiches, zeigt, und don dem 
man behauptet, es ſey das Schwert Rolands, obgleich 
weder einzuſehen, noch zu beweiſen iſt, wie dies dahin ge⸗ 
kommen ſeyn ſollte. Wahrſcheinlich erſann man nur dieſes 
Beſitzthum, indem man ein ausgezeichnetes Schwert einem 
Ritter beilegte, deſſen Namen der Mund der Sage und 
ber Dichtung To hoch empor getragen hatte. 

Es ſcheint, daß ſchon feit dem erflen Kreuzzuge 
und während der ganzen Ritterzeit die Schwerter meiſt 
lang, felten kurz, getragen worden find; wenigftens finden 
wir viele Nachrichten, wo von tief am Boben nieberhan» 
genden Schwertern gefprochen wird, bie beim Beben an 
die Sporen anfchlugen. Haft alle Nachrichten flimmen 
darin überein, daß Die Breite ber Ritterfchwerter fehr ans 
fehnlich war, daß fie nur einfchneibig und fo ſtark gemacht 
wurben, daß, wenn fie die Rüflung nicht trennen, fie 
folche doch wenigftens zerfehmettern Tonnten. Die Bes 
hauptung Einiger, baß fie ohne Spitze gewefen wäreı, 
laͤßt ſich ſchwerlich allgemein durchführen, noch weniger 
beweiſen; auch hier herrfchte‘ gewiß. Abwechfelung nad 
Gutduͤnken und Laune bed Waffenſchmiedes. So viel iſt 
indeffen gewiß, baß fie von gut gehärtetem Stahl fenn 
mußten, wenn fie Helme und-Panzer durchdringen follten. 
Und bier haben die Sagen von ber Schwerter Verferti⸗ 
gung in ber Helbenzeit fi, möchte man fagen, orbentlich 
einander uͤberboten; denn gar wunderfam lautet bie Ver⸗ 
fertigung mancher Schwerter in den norbifchen Sagen; 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 197 


und wenn auch nicht hieher gehörig, fo iſt die Anführung 
eines kurzen Beifpiels doch wohl nicht zu entfernt. Einer 
ber berühmteften Schmiede der nordifchen Zeit ift der in 
ber Bilfinafaga vorkommende Wieland, ber das Schwert 
Mimmung verfertigte, welches ich fchon oben unter den 
berühmten Schwertern nannte. Er wettete. mit bem 
Schmied Amiliad auf Leib und Leben, wer eine beffere 
und haltbarere Rüftung oder ein befjer ſchneidend Schwert 
fchmieden koͤnnte. Wieland fehmiedete nun eins — fo ers 
zählen die alten nordifhen Saga's — das bem König 
Nidung, bei dem er und Amilias lebte, gar wohl gefiel, 
aber dem Eunflreihen Schmieb noch nicht genug war. Er 
ging daher wieder zur Schmiede, ergriff eine Zeile und 
zerfeilte dieſes Schwert zu eitel Staub, nahm dann bie 
Beilfpäne und ſchuͤttete fie in Milch, mengte Mehl barein 
und knetete alles zuſammen. Darauf nahm er Maflvögel, 
ließ fle drei Zage hungern, nahm ben Zeig und gab ihn 
ben Bögeln zu freien. Darnach nahm er den Vogelloth, 
brachte ihn in bie Eſſe, und ſchied und fehmelzte nun aus 
dem Eifen alles, was no von Schladen barinnen war; 
mb aus dem gereinigten Eiſen machte er wieder ein 
- Schwert, welches Eleiner war, als dad erfte Um eine 
Probe über die Schärfe deſſelben zu machen, geht er mit 
bem Könige zum Fluß, wirft ein zwei Fuß bides Flock 
Volle hinein und läßt es mit dem Strome gegen bad 
Schwert treiben. Das Schwert ift fo feharf, daß durch 
den ſchwachen Andruck fchon die Wolle zerfchnitten wird. 
Aber auch dies war Wieland noch nicht feharf genug; er 
wiederholte daher bie eben- erzählte Art und Weife, unb 


198 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


brachte nun ein mit Gold ausgelegtes, mit ſchoͤnem Griffe 
verſehenes Schwert zu Stande, welches ein 3 Fuß dickes 
Stud Wolle auf gleiche Weiſe zerſchnitt. Bei der Pruͤ⸗ 
fung, wer die Wette gewonnen, erſchien Amilias mit ſei⸗ 
nem Helm und Panzer, der gar praͤchtig war, und ſagte 
zu Wieland: er ſolle mit ſeinem Schwerte nun zuhauen. 
Aber der drüdte fein Schwert vom Helme nieder durch 
Helm und Haupt und Panzer und Bauch bis zum Guͤr⸗ 
tel, und fragte darauf ben Amilias: ob er jetzt fpüre, daß 
ed ſchneide. Mir ift, antwortete Amiliad, alö ob mir 
kaltes Waſſer über den Leib führe. Schüttle dich, fagte 
Wieland; und als er fich ſchuͤttelte, fielen die zwei Hälfs 
ten auseinander. 

Solche Kabeln nun erzählte bie Helbenzeit von mächs 
tigen Schwertern; und es ift baber wohl nicht zu vers 
wundern, daß, wie wir eben vorher gefehen, man ſich 
bemühte, alte Helbenwaffen zu befommen, deren Entfteben 
oft durch den Mund der Sage hoͤchſt wunderbar angege: 
ben ward, und daß man ſich höchlich erfreute, wenn man 
ein ſolches erhielt. _ War man nicht fo glädlich, Beſitzer 
eines alten, fchon erprobten Schwerts zu werben, fo 
fuchte man wenigftens eine neue tüchtige Waffe zu erhals 
ten, ſtark, wohl gehärtet, flählin und der Zauft bequem. 
Um nun auch Rittern zum Befis mehrer und tischtiger 
Schwerter zu verhelfen, da bie eine Waffe im Kampfe 
wohl leicht zerfpringen konnte, ober auch fehartigt und fo 
verlegt wurde, baß fie nicht mehr brauchbar war, gehörten 
Schwerter bei Zurnieren zu ben ehrenvollſten Daͤnken. 
So heißt es 3. B. in Rümerd Turnierbuch ©. 45 "bei 


3. Abtheil.. Waffen und Kleidung. 199 


Gelegenheit des erſten beutfhen Zurniers, welches, der 
Annahme nach, zu Magdeburg 934 gehalten feyn fol, 
zu einer Zeit, die freilich Uber das eigentliche Ritterweſen 
noch hinaudliegt, obgleich ſchon lange nicht mehr der Hel: 
benzeit gehörig, fo: „Den vierten Dank (gab) eine ge: 
borne Gräfin von Acheln einem Grafen von Caſtell, als 
einem Franken, und ein guldenes Schwert mit, 
wie er bie in hohen Zeugen (das heißt in voller ritterli= 
her und Steh = Rüflung) mit ritterliher That erobert 
hatte." Nicht allein die Scheiden der Schwerter, fondern 
auch die. Andufe und Griffe der Schwerter waren, mit 
edlen Gefteinen verziert. So heißt es 3. B. im lateini- 
fhen Gedicht von Walther von Aquitanien: gemma- 
tum vaginae condidit ensem. In den Nibelungen 
. (®. 74145.) lefen wir: J 


Der übermüth’ge Hagen legt’ über feine Bein’ 
Ein viel Lichtes Warten, aus deſſen Knauf thät Schein 
Ein viel lihter Jaspis, grüner denn ein Gras. 


und weiter von bemfelben Schwerte: 
Sein Gefäße das war gulden, feine Scheibeborten roth. 
Das Schwert führte man, wie bereitö gefagt, an dem 
Gürtel, oder an einem befondern Wehrgehänge, welches 
auch oftmald reich geihmüdt war, und bad auf alten 
Bildern und Grabfleinen mit abgebildet ift, indem es ſich, 
wenn die Ritter das Schwert in ber Scheibe in ber a 
haben, um dad Schwert gewidelt findet. So ift es z. B 
bei dem Grabdentmahle Herzogs “Heinrich IV in ber 
Kreuzkirche zu Breölau, der dad zur Schulter empor ge: 
hobene, in der Scheide befindliche, mit dem Wehrgehänge 
umwidelte Schwert in ber rechten Hand hält. 


200 Bwehter Abſchnitt. Ritterleben. 


Doß die Ritter auch wohl mehr als Ein Schwert ge: 
tragen haben, geht aus vielem hervor. Go zuerft aus 
den Gefeben, die ein Ritter bei ber Uebernahme feiner 
Würde befchwören mußte, worin ed, wie bereits angeführt, 
im Geſetz 10 beißt: „daß fie nur Einen Degen trügen, 
es fey denn, daß fie gegen zwei ober mehr flreiten muͤß⸗ 
ten.” So fagt uns auch Goͤtz von Berlidhingen aus ber 
Zeit, ald er noch Knappe war, bei einer Gelegenheit, ie 
‚ bereits oben bemerkt: „Und, wie wohl ich einen langen 
und kurzen Degen bei mir hätt’, fo nahm ich doch das 
kurze Degelein und ſchlug ihn damit um, den Kopf.” 
Dies find aber auch die einzigen’ Beifpiele, bie mir bis 
jest vorgefommen find. 

Nur Adeliche und Ritterbärtige durften ein Schwert 
tragen; wer fonft damit betroffen ward, der mußte Strafe 
zahlen, 20 Solidos, oder es ward ihm genommen (wie 
II. 27, des Lehnrechts beflimmt). Ein Kaufmann burfte 
nach eben diefer Gefegftelle ein Schwert auf Reifen tragen, 
aber nicht umgürtet, fondern er mußte e8 anf den Wagen 
legen, oder, wenn er vitt, es am Sattelknopf bangen 
haben. 

Die Turnierſchwerter waren eigends beftimmt. 
Sie mußten nach gleichem Maaß und gleicher Geſtalt ge 
"macht feyn, nämlich: drei Zoll und darüber breit, vorne 
wie hinten, flumpf abgefchliffen, damit fie nicht fchneiden 
ober ſtechen konnten. Sie mußten bei der Wappenfchau 
mit aufgetragen werden, damit fie unterfucht und gezeich- 
net werben konnten; denn ungezeichnet durfte Feined im 
Zurnier gebraucht werben, wie bie Rurniergefege befagen: 


3, Abthell. Waffen und Kleidung. 201 


„Man will Fein Schwert zulaflen, es fey denn 
brei ober vierthalben Zinger breit, und fonberli> 
hen an der Spitzen, da ed auch flumpf abge: 
fchliffen feyn fol, daß es daran nicht fchneide 
oder fteche, vnd foll Teiner Fein ander Schwert 
oder Baffen in dem Turnier führen oder braus 
hen, dann ihm zum Turnier zugelaffen ift, von 
demjenen barzu verorbnet, zu befehen, welche 
man zulaffen fol, vnd eines jeglichen Schwert 
ſollen mit den Kleinoden oder Zheilhelmen auf 
das Haus zu dem Theil getragen werben (d. h. 
in dad Haus, wo die Wappenſchau gehalten und 
die Theilung der Ritter vorgenommen ward), die 
alsdann zu befehen und zu zeichnen, und welches 
nicht gezeichnet ift, fol bei des Turniers Straffe 
nicht zugelaffen werden.” 
Ein Borrecht der Ritter war: ein Siegel flhren zu bür- 
fen, und bie Ritter rechneten biefe Siegelfähigkeit zu ihren 
bebentenöften Vorrechten. Um nun das Siegel immer bei 
der Hand zu haben, fo ließen fie es oftmalen in den 
Knopf ihres Schwertes einfchneiden, wovon wir im Mit: 
telalter manche Beifpiele vorfinden, ja ſchon in ben Zei⸗ 
ten, die vor dem eigentlichen Ritterzeitalter liegen. Druͤckte 
nun ein Ritter den Knopf feines Schwertes in das weiche 
Bachs unter einer Urkunde, fo bekräftigte er fie gleichſam 
auf dreifache Weife: einmal durch dad Siegel felbfl, dann 
durch das dabei emporgehaltene blanke Schwert, und zuletzt 
durch das Kreuz, welches, wie gefagt, das Querſtuͤck des 
Griffes gemeinhin mit Dem Schwerte bildete. 


‘ 202 Zweitet Abſchnitt. Ritterieben. 


Bir finden noch in alten Ruͤſt⸗ und Zeug-Haͤuſern 
große Schwerter und befigen auf der Waffenfammlung der 
breslauer Hochfchule ein dergleichen. 

Diefe Schwerter find in der Regel nit zum Fechten 
und zu ritterlihen Uebungen gebraucht worden, fondern 
wurden nur fürftlichen Perfonen und Rittern als Zeichen 
der ritterlichen Gewalt bei Aufzügen oder bei Hinzu: 
gen zur Gerichtsſitzung vorgetragen. Indeſſen hatten die 
Ritter auch Kämpfe mit Dem fogenannten langen Schwerte, 
zu denen ſolche übergroße Haudegen genommen wurben, 
die fie mit beiden Händen faßten, und dann auf einander 
einhämmerten; diefe wurden ihnen indeflen immer befon= 
derd gebracht, und fie haben nie folche lange Degen ge: 
tragen. Bei großen Zeierlichleiten bebienten ſich auch wohl 
die Mitter nicht ihres gewöhnlichen Schwertes, fondern 
hatten einen befondern Ehrendegen, ber meift immer pracht: 
voller und ſchoͤn ausgelegt war. Es ift wahrſcheinlich, 
daß ed meift foldhe Degen waren, bie fie in Zurnieren 
als Dank erfämpft hatten. 

Der Helm war eine Kopfbedeckung, ein Kopfſchutz 
im Kampfe fihon in gar alten Zeiten und bei den ver- 
fohiedenften Völfern, nur mannichfach fih umgeflaltend 
und fich verändernd, und er iſt es geblieben bis auf den 
heutigen Zag. Die Heldenzeit wußte auch viel von wun⸗ 
derbaren, gefeiten Helmen zu erzählen, und griechifche 
Dichtung, fü wie die nordifche, giebt und davon Beifpiele, 
In den norbifchen Goͤtter- und Heldenfagen finden wir 
auch Helme, die, wie bie Schwerter, ihren: eigenen Namen 
erhalten hatten. Was ben Namen Helm felbfi betrifft, 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 203 


fo kommt er von hehlen, bedecken her, und es ift merk⸗ 
wuͤrdig, wie dieſes Wort durch ſo viele Sprachen geht, 
daß man ſieht, es keimte aus einer gemeinſamen Wurzel. 
Schon Ottfried kennt das Wort Helm, im mittlern Latein 
lautet es Helmus oder Eimus, im Italien. Elmo, im 
Franz. Heaume, im Daͤn. Hiälm, im Angelſ. und Engl. 
Helm, im I8ldnd. Gialmur, im Schwed. Hjelm, ja 
fogar im-Poln. heißt e8 Helm. DaB Iatein. Galea und 
bad griech. Zain zeigen auf diefelbe Wurzel und bei Sui⸗ 
das heißt "Zlyua ein jeber Dedel, “Einos aber ber Dedel 
des Dreifußes zu Delphi. Mit diefer Bedeutung des 
Dedens und Deckels bangen nun alle Worte in den an⸗ 
dern Sprachen, wie berührt, zufammen. 

In den diteflen Zeiten machten die. Griechen ihre 
Helme aus den Häuten ber Seehunde; die Römer wech: 
felten zwifchen ftarbem Leder und Eifen und Erz. In ber 
. Zolge und in ber Ritterzeit warb er gewöhnlich aus Eifens 
blech, mehr oder minder flart, je nachdem feine Beflims 
mung war, und aus Stahl verfertig. Bei den alten 
Deutfchen waren bie Helme fehr felten: Paucis loricae, 
vix uni alterive cassis aut galea, ſagt Tacitus, (c. 6.) . 
und die römifchen Gefchichtfchreiber fagen ausdruͤcklich, daß 
fie mit entbiößtem Kopfe gefochten hätten, capitibus 
»udis pugnabant (Dio Cassius L. 38.). Die Erzaͤh⸗ 
lung des Plutarch im Marius, daß die cimbriſchen Rei⸗ 
ter Helme, die mit allerlei Zeichen und wunderbaren Ge⸗ 
ſtalten geziert geweſen, geführt hätten, widerſtreitet dem 
nicht, da es kein Zweifel iſt, daß die Cimbern ſie erſt von 
den Galliern angenommen hatten. Merkwuͤrdig bleibt aber 


204 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


immer die Verzierungsart, die wir auch ſogleich in der 
Ritterzeit wiederfinden werden. Nach Cluver in Antiq. 
Germania L. I. p. 286. war ber Helm zuerſt eine Sitte 
ber Aegypter, von denen er zu ben Griechen gekommen, 
bie ihn den Römern Iberwiefen, von welchen ihn bie Gal⸗ 
lier annahmen. Der offene Helm wurde der Turniers 
beim genannt (doc werben wir auch gleich fehen, daß 
er durch ein kleines Gitter gefchloffen war), ber gefchloffene 
Helm wurde. Stehhelm genannt. Wie das Wort Lanze 
und Harniſch, ſtand auch das Wort Helm in einem ſolchen 
Anſehen in fruͤherer Zeit, daß es fuͤr Ritter ſelbſt gebraucht 
ward, indem, wenn man ſagte hundert Helme, tauſend 
Helme, man immer hundert oder tauſend Ritter darun⸗ 
ter verſtand. Selbſt in dem Metall, von dem die Helme 
gemacht wurden, finden ſich Abſtufungen nach Stand und 
Würden der Ritter. So trugen Könige gewöhnlich ver: 
goldete Helme, die großen Reichövafallen verfilberte, vor: 
nehme Herrn von Abel flählerne, und der niedere Abel 
‚bloß eiferne Helme. Doch wurden dieſe Abtheilungen kei⸗ 
neöweges ſtrenge und beflimmt gehalten, indem dem Be⸗ 
"lieben des Ritters, feiner mehr oder mindern Prachtliebe, 
feinem ſtolzern oder demuͤthigern Sinne dabei viel über 
laſſen blieb. Allen gereichte er im Kampfe zu gleichem 
Schuge, indem er den Kopf gegen Kolbens, Schwert⸗ 
und Sfreitbammerfähläge, fo wie. das Geficht und ben 
Naden deckte. Der Helm warb unter ben Kinne mit 
einem Riemen befeftigt, und überdies fand er auch noch im 
Naden, durch ein bort an der Rüftung befinbliches Eiſen⸗ 


x 


2, Atheil. Waffen und Kleidung. 205 


ſtaͤbchen, welches in ein Loch bes Helmes einſtieß und 
einſchloß, eine Befeſtigung. 

Der offene Helm, Helm zum Schimpf (Scherz) ober 
Zurnierhelm im engern Sinne (galea aperta) war ents 
weber ganz-'geöffnet, und ‚hieß dann lat. galca aperta 
sine clathro, oder er hatte vor dem Gefichte Bügel, ober 
ein kleines Sitter, woran die Stäbe theils fentrecht, theils 
wagerecht liefen, welches man auf= und abfchieben Eonnte, 
wenn man frifche Luft fchöpfen wollte. Schob man bie 
Bügel oder dad Gitter nieder, fo ſchloß daſſelbe an das 
Kinnblech an, wodurch es fefigehalten ward. Darauf 
folgte nun das Halsblech; diefes war von dem übrigen 
Helme abgefondert, wurde nur durch ein Halsband von . 
gleichem Metalle mit demfelben verbunden, und ging bis _ 
über die Bruſt und bis zwiſchen den Schultern nieber. 
Diefes Halsblech war das, was in den Altern Zeiten, wie 
ich bereits bemerkt, Halsberg, d. i. Halöverberger, 
Halsbefchäger, hieß, und wovon fpäterhin der ganze Har⸗ 
niſch den Namen Halöberg erhielt. Die ganz offenen 
Helme, welche, dem Herkommen gemäß, nur von Königen 
und Fuͤrſten getragen wurben, weil, wie man glaubte; 
der, welcher die Herrſchaft habe, überall muͤſſe umher⸗ 
fehen Fönnen, um zu berrfchen, gebrauchte man in Deutfchs 
land weniger, ald in Frankreich; und daher kommt es 
auch, daß wir bie halboffenen Helme erft vom Jahre 1450 
‚on in ben Wappen bed deutfchen Adels finden. Sie waren 
in dem eigentlichen oder Hauptturnier Sitte, in dem nur mit 
ben Kolben oder bem Schwert, nicht mit den Zanzen gefochs 
ten warb, und wobei baher Feine Gefahr für das Geficht war. 


‚N 
206 3gweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Die Stechhelme, gefchloffene Helme, Helme zum 
Ernft (galeae clausae) waren. Durch ein ganz zugemach⸗ 
tes Viſier gefchloffen und hatten nur ein paar Heine 
Deffnungen für die Augen zum Durdblidn und zum 
Athembolen. Sie wurden im ernfllichen ;Gefachte, im 
Kriege und in den Zurnieren beim Stechen im: hohen 
Zeuge, d. h. wo mit Lanzen gekämpft: wurbe, ‚getragen, 
weil dabei das Geficht der Gefahr der Verlegung ausge⸗ 
fegt war. Wir finden fie auf Siegeln und Denkmaͤhlern 
mehrfach abgebildet. in höchft merfwürbiges Beifpiel 
von einem ſolchen ganz gefchloffenen Stechhelm, von über: 
mäßiger Schwere, befist der Herr Major von Barfuß 
(Gzur Zeit in Bredlau) in feiner Waffenſammlung. -Er ift 
in Neiße gefunden worden. Ganz mit didem Stahle ge: 
ſchloſſen, mußte er wie ein Kübel Über den Kopf geftürzt” 
werben, und hat nur in der Höhe der Augen ein paar ges 
folgte Deffaungen, bie zum Sehen und. Luftfchöpfen 
dienten. Breite Schloßbaͤnder und Spangen fchloffen ihn 
an ben Panzer, und nur dadurch, daß er auf dem Panzer auf: 
fand, ward er tragbar, Kopf und Genick des Ritters allein 
konnten ihn nicht halten. Entweder Fam nun der Helm ben 
Rittern, felbft wenn er mit Federn geſchmuͤckt war, doch zu 
kahl und einfach vor, ober fie wünfchten au den Helm an 
und fir fich fehwerer zu machen; dem fei wie ihm wolle, 
"wir finden, daß fchon in der Helbenzeit, ja bei ben Gries 
chen und Römern die Helme auf die abenteuerlichfie Weiſe 
geſchmuͤckt wurden, und bei ben Rittern mit Roßſchweifen, 
Hörnern, Federbuͤſchen, Adlersfluͤgeln, Puppen, Müten, 
Jungfrauen und andern Geflalten, die meiſt in fpäterer 


. Sn 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 207 


Zeit in die Wappen ber Bitter und bes Adels übergingen, 
oder wenigftend auf den Helmen in den Wappen fort: 
dauernd’ als Zierrath erfchienen, wenn ihre ehemaligen 
Träger fie auch ſchon längft abgelegt hatten Es kam 
nachher fo weit, daß die Helmfleinodien in Deutfchland 
erblich wurden. Wie die Geftalten im Schilde, die Wap⸗ 
pen, eine ganze Samilie bezeichneten, fo veuteten bie 
Helmkleinode die verfchiebenen Linien der Kamilie an, in: 
dem jede Linie, ein befondercs Kleinod trug. Wir werben 
dies bei ben. Turnieren wieber erwähnt finden, unb bie 
Wappenknnde muß es weiter ausführen. Könige nahmen 
Kronen zu’ diefer Bier, aus denen aber auch oft, wie bei 
höherem und nieberm Adel, Ungeheuer und fürchterliche 
fo wie fchredende Gegenftände aufffiegen. Um nur ein 
Beifpiel anzuführen, fo ließ ein Graf von Boulogne, wel- 
cher in dem Treffen bei Bourines größer fcheinen wollte, 
auf feinen Helm Hörner feßen, die aus den Rippen eines 
Wallfifches gemacht waren. Einen foldhen Auffat nannte - 
man im Franz. Cimier, und baraus warb im Altbeut> 
fchen das Wort Zimier gebildet, welches in den alten 
Gedichten überaus oft vorkommt, und wobei es an Er- 
wähnung wounderlicher Geſtalten nicht fehlt. Außerdem 
wurden dieſe Verzierungen mit Namen belegt, die in bie 
Bappenkunft übergegangen find, nämlich: Helmzierden, 
Helmzeichen, Helmzierrathen, Helmkleinode. Um fie zu 
- befeftigen, hatte man meift einen Wulft am Helme, ber 
von der Stirne mitten über den Helm, längs. bem Hin⸗ 
terkopf nieder, ging. Diefer Wulft erhielt allerlei Geftals 
ten, und daraus entflanden Kronen ober Kifien. 


208 Zweiter Abſchnitt. Mitter leb en. 


In Frankreich waren dieſe Kronen nach ber Würde 
bed Zragenden verfchieden, in Deutſchland durfte dagegen 
ein jeber, der einen offenen Helm hatte, eine Krone dar⸗ 
auf führen; die Krone des Herzogs war ber bed Ritters 
vom niebern Adel gleich. Der Turnierdank beftand naͤm⸗ 
lich in Deutfchland meifl aus Kronen und Krängen, die 
der Sieger daher auf feinem Helm tragen durfte. Daher 
war auch ein gekroͤnter Helm fo viel als ein Zurnierhelm. 

Da biefe Zimiere' aber doch oftmals zu ſchwer wurden, 
‘fo fuchte man fie durch leichtere Geftalten zu erfegen, die 
ein befiered Anfehen gaben und doch die Schwere nicht 
zu fehr vermehrten, und fie wurden daher auch von Holz, 
Thierhaut, von Pappe u. f. w. gemacht. Man fügte nun 
noch die Helmdeden (lambrequins) hinzu, die in einer 
Art von Bändern beftanden, Es ift zu bemerken, daß 
ber obere Theil bed Helmes, welchen alte Gedichte Frank⸗ 
reichs oftmals das hoͤchſte Gut des Ritters nennen, und 
wo die Zimiere ihren Platz hatten, der vorzuͤglichſte Ort 
war, wo die Danke, welche die Ritter von den Frauen er⸗ 
hielten, ihren Platz finden konnten; und da dies oft Tuͤ⸗ 
her, Schleier, Bänder waren, fo fann man barin viel: 
leicht den Urfprung der Helm: und Waffendecken fuchen. 
Diefe Helmbeden hießen meift im Deutfchen Helmbin: 
ben, auch wohl Helmloͤr (von Lör, alt, 'eine Binde). 
oder auch Brünlör (Loͤr in ber eben: angegebenen Be⸗ 
deutung, Binde und Brünn iſt das ſchon oben angeführte 
Brüunne, Panzer, welches früherhin nur einen Helm be» 
beutete). Dann hießen fie auch Bindelbünbe (Zindel iſt 
die leichtefte Art Zaft und bünde kommt von Bumb. her, 


3. Abtheil. Waffen und Kleibung. | 2309 


zuſammenhangend mit Band). Zuletzt nech kommen die 
Namen Wulſt, und von dem Fliegen der Baͤnder das 
Wort Wodel vor. Dieſe ſogenannten Helmdecken wur⸗ 
den aber auch oft die Baͤnder, mit denen die Helmmuͤtze 
cchaperon) an dem Helm befeſtigt ward, und ſie wurden 
darch den untern Rand des Helmes gezogen. Die Helm⸗ 
müͤtze, bie wahrſcheinlich in Deutſchland nur ſelten vorkam, 
war eine Kappe aus Maſchen, die den ganzen Helm eins 
huͤllte, wenn der: Ritter focht. Wollte er Luft fchöpfen, - 
fo nahm er ben. Helm ab und bedeckte ſich mit ber Helms 
möge, wobei bann die Helmbaͤnder über bie Schultern 
Hatterten. — Die Helme waren uͤberdies, da ihr Kopf 
groß und weit war, innerhalb mit Seide oder Leber übers 
zogen und ſtark mit Wolle oder Berg ausgefüttert, wos 
durch. fie enge an ben Kopf anfchloffen und zugleich durch 
biefe Vorrichtung . betäubende und verberbliche Hiebe abs 
hielten, ober ihre Kraft minderten. Die Knappen durften 
keine Helme tragen, ſondern ihnen waren nur Helmmuͤtzen 
ober eiferne Pickelhauben erlaubt, die keine ©itter vor dem 
Geht, die bekanntlich Biflere genannt wurden, haben. 
Dei. ven ritterlichen Stechhelmen war bas ganze Geſicht 
und der Kopf verhält, und es blieben nur, wie. aus ber 
bereitä angefuͤhrten Beſchreibung eines folden Helmes. herz . 
vorgeht, zwei Deffnungen für bie Augen übrig, wodurch 
das Ganze ein duͤſteres und Thauriges. Anfehn erhielt ‚ins 
dem man nur durch biefe Deffnungen das Zorn und Wuth 
bligende Auge ver Kaͤmpfenden erblidte ‚ welches raſch und 
- Hühend den Bewegungen bes Gegnerd folgte. Bei der 
Verleifung ber LRittermuͤrde wer ber Helu unentbehrlich, _ 
14 


210 Zuwehter Abſchnitt. Ritterleben. 


er mußte dem neuen Ritter als, wie geſagt, ein Haupt⸗ 
zeichen feiner Wuͤrde, auf den Kopf geſetzt werden. Es 
ward eine nicht geringe Geſchicklichkeit erfordert, den Helm 
auf die gehörige Art aufzuſetzen und feſtzuſchnuͤren (wobei 
die Riemen oder Schnüre, die dazu gebraucht wurden, im 
Parzifal unter bem Namen fintalen vorkommen), und 
wir haben oben gefehen, daß died mit zu den Obliegen⸗ 
heiten und Dienfen der Knappen gehörte. Die Augen 
mußten die Deffuungen bed Vifierd genau treffen, und dev 
Helm durfte weder zu feft, noch zu loſe angemacht ſeyn, 
damit er ſich theils etwas nach ben Wendungen des Kopfes 
bewegen konnte, theils aber auch nicht wieder zu ſeht 
ſchwankte und ſich etwa verruͤkte. Darum war in eineim 
alten Gedichte die Vorſchrift für einen Bitter enthalten: 
„euer Helm fen weber zu feft noch zu loſe, fondern fo, 
daß er paßt, aufgeſchnuͤrt.“ Irgend ein Verfehen konnte 
bei einem Turnier, noch mehr bei einem ernfthaften Kams 
pfe, Nachtheil herbeiflhren, ja’ den Tod bewirken, Hatte 
bei. einem Turnier ein Ritter die Augenlödyer (dad Biſter) 
feines Helmes aufgeſchlagen oder gar ben Helm abgenont= 
men, fo burfte ihn Fein Ritter mehr angreifen, bei Strafe 
der Ehrlofigkeit, Das Abnehmen des Helmes gefhah aus 
mehren Urfachen; einmal, wie eben erwähnt, wenn bee 
Ritter wicht mehr Tämpfen wollte, war 48 ein Zeichen für 
feine Mitkaͤmpfer, wenn er ben Helm abband; daher bes 
deutet auch die Rebendart: mit. anfgebundenem Hel⸗ 
me, baß der Ritter zum Kampfe bereit fey. : Dann: war 
es auch oft wohl eine Hoͤflichkeit. Wie z. B. Wigolais 
zur Königin Ginevra, Gemahlin des Artus, kommt: 
„8 \ 


n 


3. Abchel. Waffen und Kleidung 24 


Da er bie Funeginne vant, 

Sinen Helm er abe bant, 

Und fagt in uf den fatelbogenz 

Er was Hoffch (doͤſiſch, hoͤflich) und wol gezogen, 
Gin Houbet da; entwafent er. 409-412. 


Die britte Urfache war, wenn einer zum Gefangenen ge⸗ 
madyt wurde, dann mußte er auch den Helm abbinden, 
weil er nun kampflos war. 

In ber franzoͤfiſchen Geſchichte des Perceforef ‚findet 
fi) eine eigene Sitte, bie mit dem Bilde des Helms ans 
gebeutet ward, welche hier eine Anführung verdient: „Es 
"war — heißt es — in Großbritannien, fo lange bafelbft 
Bieberfinn hersfchte, die Gewohnheit, daß ale Edelleute 
und adeliche. Srauen auf bie höchften Gipfel Ihrer Landſitze 
einen Helm befeſtigen ließen, als ein Merkmal, daß alle 
adeliche Herren und Frauen, welche vorbeikamen, nur un⸗ 
verzagt daſelbſt, als wenn es ihre eigenen Haͤuſer waͤren, 
einkehren moͤchten; denn ihr Vermoͤgen gehoͤrte eigentlich 
allen edlen Herren und Frauen, die durch das Koͤnigreich 
reiſeten.“ Curne de St. Pallaye in ſeinem Werke uͤber 
das franzoͤſiſche Ritterweſen bemerkt, daß er dergleichen 
Helme noch auf den aͤlteſten Gebaͤuden Frankreichs, beſon⸗ 
ders auf dem Lande, bemerkt habe. 

Die Ritterſporen gehoͤrten ebenfalls zu den weſent⸗ 
lichen Theilen ber Ritterruͤſtung und durften nicht fehlen, 
indem fie den Ritter und feine Würde bezeichneten. Bei 
ber Ertheilung des Ritterſchlages wurbe dem neuen Ritter, 
wie wir bereitd oben gefehen haben, ber rechte ober Linke 
Sporn zuerft angelegt, worin bie Gebräuche wechfelten. 
Der Ritter trug auch als ein Zeichen feiner Wuͤrde goldene 

14 * 


212 Byefter Abſchnitt. Ritterleben. 


oder wenigſtens vergoldete Sporen, da es dem Knappen 
nur verſtattet war, ſilberne zu haben. Man nannte daher 
auch wohl die Ritter, welchen bei ihrem Ritterſchlage 
wirkliche goldene Sporen angelegt wurden: equites aurati. 
Wenn in frähemn Zeiten jemand fich in Frankreich Tür 
einen Ritter ausgab, ber es nicht war, fo hatte, 
vermöge alter Verordnungen und Gewohnheiten ber 
Parlaniente zu Paris, Drleand und Baronnie, ber 
König oder der Lehnsherr bad Recht, bemfelben bie Spos 
zen auf dem Mifte abnehmen zu laſſen und fein beweglis 
ches Vermögen ihm abzupfänden. Wenn im Kampfe ein 
Ritter überwunden warb, fo gab der. Ueberwundene dem 
Sieger, nebſt feinem zechten Handſchuh, aud feinen rech⸗ 
ten Sporn, ald eine Verſicherung, daß er bie verfproches 
nen Bedingungen treu erfüllen ‚wolle. Diefe Sporen 
wurben auch wohl ald Siegesbeute in ben Kirchen aufges 
hoben, und Pontus Heuter ergählt Lib. IL. rer. Bur- 
gundic, c. 44., daß noch im Jahre 1382 in ber Ober 
kirche zu Cortrycht 500 Paar guͤldene Sporen gehangen 
hätten, die man 1302, nad) einem Siege liber bie. Frans 
zofen bei Sröningen, den Rittern abgenommen habe. Die 
Kitter führten auch zuweilen auf ihren Giegeln, wenn fie 
auf ihnen in ihrer Rüflung erfchienen, Sporen, boch war 
dies nur meiſt auf fogenannten Meuterfiegeln der Ball, 
das heißt bei folchen Siegeln, auf benen die Geflalt bes 
Ritters zu Pferde erfchien. Bei den Fußflegeln, auf benen 
die ganze Geſtalt des Kitterd zu Buß erfcheint, mag man 
au wohl Sporen angenommen haben, aber wegen ber 
Stellung der Ritter darauf war ihr Daſeyn nicht . recht 


3. Abthell. Waffen und Kieitung 213 


fihtbar zu machen, . La. Colombiere erzählt in dem théu- 
tre d’bonneur,' ch: XXII. p: 298, daß bei dan Anklei⸗ 
den eined Ritterd zum Turnier ein anderer Ritter, zumei⸗ 
len auch eine. Frau, demſelben die goldenen Sporen ange⸗ 
legt babe, mit ber Vermahnung, daß ſolche ihm nicht bloß 
zur Forttveibung des Pferdes bienen, fonbern hauptſaͤch⸗ 
lich ihn erinnern .follten, daß Tapferkeit und Ehre der 
einzige: Sporn, ber eimzige Antrieb zu edlen Thaten für 
ihn feyn müßten. Zuletzt geht noch daraus, baß- bemi 
Bitter die Sporen mit in ben Garg.gelegt wurben, hers ' 
wor, wie boch man dies Zeichen ber. Ritterwürbe geachtet. 
Mas die Seftalt der Sporen anhetrifft, fo find fie, nach 
ben verfchiebenen . Beitaltern und nach ber wechfelnben 
Tracht: und Sitte ſehr verfchieden, und etmas Beftimmtes 
läßt ſich daruͤber nicht ſagen. Bald waren die Bügel 
ſchmal, die Hälfe klein und bie Räder Daran unbedeutend, 
ober bie Hälfe endeten ſich auch durch eine bloße Spion 
mit Seinen Raͤdern; bald wurden bie Bügel wieder breit, 
die Hälfe did, die Kaͤder groß und klirrend, fo daß ihr 
Getöne bei jedem Schritte. erfcholl, -. Weber die Bepanze⸗ 
zung bed Fußes wurden fie nur felten gefchnallt, gemeins 
hin mer. bei den Mafchenpanzern, bei den anbern aus ganz 
zen Stuͤcken war hinten eine Deffnung am Hafen, aus 
welcher die Sporen, welche ber Ritter um bie Stiefeln 
ſchnallte, ihre Hälfe hervorſtreckten.“ Die Alterthuͤmer⸗ 
feramlung der breslauer Hochſchule beſitzt ein Paar ges 
waltige, breite Sporen, die den Anſchein haben, daß es 
kaum möglich ſey, fie zu tragen; fo breit find bie Buͤgel, 
fo Tang.unb breit die Hälfe, fo groß. bie Schnallen, fo 


214 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


lang und bedeutend die Raͤder, und demnoch ſind fie fm 
Anfange des vorigen Jahrhunderts aus einem Grabe a 
Oyasd bei Liegnig entnommen worben. 

: Die Rebensarten: „nach goldenen Sporen Arche, bie | 
goldenen Sporen erhalten haben,“ "waren damals. mit bei 
Saͤtzen: nad ber. Ritterwürbe fireben- und. die Mitterwürbe 
erlangt. haben, gleichhebeutend. So warb benn auch beit 
Sporen eine fittliche Bebentung gegeben, inbem. fie ihre 
Träger erinnern ſollten, daß Schnelligkeit und. Thaͤtigkeit 
bei Eriegerifchen Geſchaͤften ftets erforberlih wären. De 
Gebrauch, Sporen zu tragen, blieb in manchen Gegenden 
ein Merkmal des Adels, wenigftend glaubte fich ber Abel 
bevorrechtet, Sporen: tragen zu dinfen, wenn er «uch Tein 
Reitpferd hielt. Died fol fich in Ungarn bei dem dorti⸗ 
gen Abel noch heut zu Tage zeigen, und auch in. Sthle 
fien ift der Glaube daran, baß nur ein Abelicher immer 
in Sporen erfcheinen dürfe, nicht ganz erlofchen. Ehedem, 
als der Stände Unterfchieb und Abzeichnung noch firenger 
umd -fchroffer war,. ward auch ben Doctoren ‘ber Rechte 
erlaubt, . fi der Sporen zu bedienen, als ein Merkmal 
ber ihnen beigelegten adelichen Wuͤrde. 

In den Turnieren, bei Zweikaͤmpfen und au, in 
kriegeriſchen Gefechten hatte der Ritter, außer Schwert 
und Lanze, noch einige andere Waffen, und dazu gehören 
befonderd bie Kolben. Diefe -beflanden aus einem ziem- 
U diden Stu Holz, welches gegen das Ende zu :einen 
bidern Knauf hatte: Dex Handgriff oder das Ende, wo 
fie fpiger zuliefen, war gewöhnlich mit Gold, Silber ober 
anderem Metal befchlagen. EB. gab Zurniere, In weichen 


. 3, Abthel. Waffen und .Riribung. 218 


nur mit Kolben und Schwert geſochten: werbden durfte, 
wenigſtens fagt die heidelberger Turnierordnung: „Es fol 
auch keiner kein Waffen haben oder führen, anders dann 
das ihm zum Turnier zugelaſſen iſt, nämlich im erſten 
Turnior die Kolben, im Nachturniere die Schwert.“ 
Toͤdtliche Hiebe ließen ſich durch die dicken eiſernen Ruͤ⸗ 
.ſtungen nicht damit führen, fonbern: nur meiſtens betaͤu⸗ 
bendej: doch gab e& auch Kolben, die ſo eingerichtet waren, 
daß ‚fie wohl toͤdten konnten. Dan gebrauchte biefe Kolben 
befonderd, um die Waffen bed Gegnerd’ bamit zu zerfchles 
gen und ihn betäubt zu Boben zu ſtrecken. Dazu bienten 
num folche Kolben, wie ich eben befchrieben und bie denen 
gleichen, welche bie .alte Bilbnerei dem Herkules gabs 
wollte. man fie aber gefährlicher mächen,. dann war an 
dem biden Theile, mit dem man zufchlug, bie Keule mit 
langen eifernen Spitzen beſetzt. Außer biefen ‚gab es noch 
eine andere Art von Kolben, wie folche Roland und Oli⸗ 
vier. gebraucht haben follen, und wie fie ſich auf manchen 
alten Denkmaͤhlern abgebildet finden. Dies war ein eifers 
ner, runber ober auch Yänglicht runder Klumpen, eine 
Schwere von 8 Bund: Haben (doch: folk es auch deren 
von 25 bis 30 Pfund Schwere gegeben haben), beſetzt 
mit eifernen Spiten. Diefe Kugel’ war durch drei eiferne 
Ketten an einen: bieten :Stod befeftige, und biefen Stod 
band fich meiſt der Mitten, der ihn führte, mit einem 
Strick ober fogar einer.Kette an ber zechten Hand fefl. 
Damit ſchlug man num auf ben Gegner, odet man ſchnellte 
‚oder ſchleuderte vielmehr mit aller Gewalt die fchwere, bes 
waffnete Kugel Alf des Feindes Han und Harniſch. Im 





216 - Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


Deutſchland hatte von ben Kolben ein gerichtlicher Kampf, 
ber mit Kolben: geführt. wurde, ben Nauen Kolbengericht, 
von bem in einer ber folgenden Abtheilungen bei Zwei⸗ 
kaͤmpfen und Kampfgerichten, die Rebe feyn fol. Senft 
hießen in Deutſchland die Zurniere, bei denen: man ſich 
sicht der Schwerter, fondern ber Kolben bebiente: ‚Stedens 
fpiele. Eine Art Zleiner Kolben, die mehr bie Geſtalt 
eines fehr einfachen: Zapters haben und die meifl ganz von 


Metal find, führten die Ritter ebenfalls. in den Turnieren; 


body nur in falhen,. wo leichtere Spiele ‚gehalten winden, 
und bie mehr als. ein Ringelrennen zu betrachten ‚waren, 
Die Knaͤufe an folden Kolben find auch meifl zepterartig 
durchbrochen, und Fonnten zu keinen ſtarken Kämpfen ges 
braucht werben. — Goͤtz v. Berlichingen nennt (6.118) bie 
. fernen Streitlolben: Kuͤriß⸗Bengel, doch vielleicht nur 
fpottweife,, indem es aus ber Stelle, worin das Wort 
vorkommt, nicht Elar wirb, ob es mehr. Ernfl ald Spott iſt. 
| Beildufig bemerfe ich, daß es auch noch eine anbese 
Art von Kolben giebt, die weit leichtere unb weniger ſchaͤd⸗ 
93 ‚ ja oft nur eine Art von Spielwerl waren. Diefe 
weniger gewichtigen Kolben wurben. in bem: gerichtlichen 
Bweifampfe zwifchen Mann und Frau gebraucht, von bem 
bei den Kampfgerichten die Mebe ſeyn wird. Gie beſtan⸗ 
ben meift nur in. einem leinenen Sacke, in den Sand ges 
fült warb und ber dann in der Mitte ungefähr zugebun⸗ 
beit wurde. Noch leichtere Kolben erhielten bie. Narren, 
welche an den ‚Höfen der Zürften ſowohl, ald auch oft in 
ben Schlöffern ber Ritter zur Beluftigung gehalten. wur⸗ 
ben, und die auch als Luſtigmacher im Lande umbergogen. 


3, Abthell. Waffen vnn Kielbüng. 217 
Diefe Kolben waren wohl: meiſtentheils nur: Spteliserke, 
damit micht etwa ein wirblich naͤrriſcher Menſch ein Un⸗ 
gluͤck damit amrichtete, was indeffen doch Vicht: unterblieb, 


und fie wãten aur eine Art um Pritſchen, womit in den 


letztern Zeiten der Hancbwurſt bei: Spielen und euſharte 
ten bed: Velkes die lante Freude wuͤrzen mußte. 
Andere Arten ber Bewaffnung ware noch ber 
Str eithammer, die Streitaunt und' die Döppel⸗ 
arf. Dieſe ei Welten, im Beauzar: mit rinander uͤber⸗ 
eintomntenb:, : inbem ed. .große, :: gewithtige: Hummer und 
Aexte waren, Wwelbe bie. Kaͤmpfenden führten, - ſtammen 
wieber and Ber ſruͤheſten Zeit her und find in ˖ den Mitter- 
waffen nur Beibehaltungen ber aͤlteſten affen. Die 
alten Voͤcker ;befaßen Re ſchotr, and aus nortiſcher Sit: 
terzeit iſt der Streithbammer, ben, der Guͤtterſage nach, 
der Gott Xhor führte, bekannt genug, MDierbeiben: erſten 
‚brauchen‘. Beine. Befchreibung,: ba fie bet: gewöhnlichen 
Haͤmmern und. Aerten emſprechen. „Wichtiger unb bedeu⸗ 
tender iſt die Doppelart (frauz. besague; lat. bisacuta), 
Sie ift. bie: gefährlichfte aller Nitterwaffen, und hieß fo, 
weil fie doppelfeitig zu gebrauchen, zweiſchneidig wur. 
Dieſe Streitart hatte einen duͤnnen Griff, und war oben 
auf beiden Selten fo mit: Eiſm beſchlagen, daß fie auf 
ber einen. Seite der gewöhnlichen. Streitart: glich, auf ber 
andern aber. eine fehr save :: Schueibe in ‚ber. Geſtalt 
eines halben Mondes hatte, der ſich in zwei ſcharfe Spiz⸗ 
gen endete. Wahrſcheinlich iſt dies Werkzeug daſſelbe, 
welches im Weißkunig Mordhacke genannt wird. , 
Nach einigen Nachrichten ſollen ſich die Ritter auch 


218 : Bmeiter Mlfenket. Ritterleben. 

ver Schleudern bedient haben, um Steine: oder Mitall⸗ 
Zugeln wegzuſchnellen, und damit ihren. Gegner :au& der 
Berne ‚zu treffen. - Diefe Waffe. ward inbeffen "gewiß immer 
felten gebraucht, ba fie gemg bem riiterlichen: Sinne, der 
. Yitterliihen Zeit widerſtrebte, die immer den Kampf Manz 
gegen Mann und fo nahe, wie moͤglich, verlangte. 

Der Dolch war eigentlich bloß eine Waffe: der Knap⸗ 
son, Dferbes und Fuß⸗Knechtẽz dieſe beiden ichten Die 
ner der Ritter waren meiſt nichts als Bauern” utıb Leib⸗ 
eigene, und ihnen war nur erlaubt, ‚auf. der Reiſe und 
im Kriege ein großes Mieffer oder einen Dolch zu tragen. 
Die Knappen bagegen: burften außer ben: Dolchen auch 
kleine, Kurze Degen (aber Tein. Kitterſchwert) beſttzen 
Inbdeſſen führten auch bie Ritter Dolche und trugen fie 
auf der. rechten Seite am Wehrgehaͤnge. Ihre Geſtalt 
war nach. dem Range deſſen, der fie fuͤhrte, verſchieden. 

Dieſen Dolch trugen die Ritter an der rechten Seite 
bed Wehrgehänges, und er wurde von Ben Franzoſen la 
misericorde genannt. . Diefer Dolch war den Rittern 
allein vorbehalten. Hatte ein Ritter feinen: Gegner aus 
ben Sattel gehoben, fo fprang er ſchnellvam Pferde, 
she fich jener aus ber Betäubung: erholen und in der 
ſchweren Ruͤſtung erheben. konnte, zog ben Dolch und 
ſuchte ſolchen in ben Leib feines ‚Gegners zu ſtechen, ober 
kniete ihm, wenn er burdh. ben Harnifch: nicht kommen 
konnte, auf die Bruſt, verſuchte mit vem Dolche bie 
Helmriemen zu zerſchneiden, um ihm dann die Spitze in 
die Gurgel zu ſtoßen. Die einzige Rettung des Gefaͤllten 
war nun, um Gnade zus rufen und. zu bitten oder mise- 


3. Abtheil. Vaffen uub. Kleidung. 210 


ricoide zu ſchreien, und baker ruͤhrt ber. Rame: hiefaß 
Dalches. Wis finden indeffen doch dieſen Dolch mehr in 
der älteren. Beit.. bed: Nitserwefens; als in Dex: ſpaͤteren 
In der fehhem „Reit, Kefamberb :zwifchen Nfttengeit. und 
Heldenzeit, ward den Deolch moch auf eine Ast. gchtaucht; 
hie; in. Ihe: Grauſemkeit nu Heftigkeit, fo.: wie; in. ihrer 
Unritterlichkeit, wehl auf morgasbändifchen Urfpmung deutet: 
Es war: hie, hafıder Dal aus der: Serne ‚auf: dem Unbes 
waffneten »gefchleibert: ware, wobal dann meift eine gefaͤhr⸗ 
lich verwandihete Stelle geſucht warde. Diefe Sutte fürden 
wir unter dem Mamen des: Mefferwerfen dn befonbers ib 
Heldenbuche mehrmals erwaͤhnt, und fie: komnut such. naih 
in Fecht⸗ und Minge⸗ Buͤchern des 16. Jaheh: var... Die 
Erkenntniß der, Srauſamkeit unde Auritterlichkeit vrs Ver⸗ 
fahrend. ſcheint aber: dieſe Kampfart in der agentlichen 
NRitterzeit ganz zuruͤckgedraͤngt i zju haben. 3 

Rittern und Knappen mine geameinſame: Waſſe wur 
ber Schild. Auch dieſe Maſſe ſſammt aus-amwralter Zeit 
und war bie fruͤheſte und ihefler Dede ie Kriege,!n md 
jegt von ben Wölfen, die auf ber unterflen Stufſe der 
Bildung fliehen, gebraucht... Geſtalt und Staffe; aus denen 
fie verfertigt. waren,: gaben in: ber. Alteflen Zeit fchan man⸗ 
nichfache Verfchiebenheiten, und fo Hatten bereits u RE 
mer Techferlei Aiten von Schilden, jebe verſchieden ‚benannt. 
Die Franzofen nannten ihn Bouclior, Yon. ber. Erhöhung 
(bosse oder boucle), die auf ber Mitte deſſelben füchtbar 
war. Diefer Name kam wit dem Umbo ber Mömer uͤber⸗ 
ein, ber eigentlich auch nur eine Erhöhung anfdewe Schilke 
bedeutete und dann dem ganzen :Schilbe den- Namen gab. 


220 Bwelter Abſchuutt. Nitterleben. 

Außerdem nannten auch bie Franzoſen den Schild éͤcu, 
eigentlich altfranzoͤfiſch esch, welthes aus dem lateiniſchen 
Scutum entflanben.. Was Me Schilde des. alten deutſchen 
Dolter betrifft, ſo waren Ne meiſt für bie Fußkaͤmpfer be: 
ſtimmt, ſelten für Reiter, und daher waren ſie ſo groß, 
daß ſir dent ganzen Marmcbebeckten, vrnn cr ſich dahinter 
verbergon: wollte, aus weiter Gruude ſie / auch meiſt mehr 
lang, als breit waren. Nach und nach wurden ſie kuͤrzer; 
doch hatten Auch ſehon in den aͤlteſten Feiten vinige Boͤl⸗ 
kerſchaften runde Schubr, wie; z. B. Alemannen und 
Franken; denn fie. pflegte, La een Bean, we 

Schilbe vorſich hin zu vallen. ln. 

Dilie Sthilde der Vitterzeit waren oe Pr ganz 
zumb (franz. zandaches), zum-Xheil nur Arund‘ (franz. 
zondelier), Einige waren oben geviereckt und, runbeten 
ober fpitten fich nad: wutes.-.gu. Diefe ‚Schilde waren 
nur kleini, und Perfonen von hohem Rauge und Panners 
beren: fcheinen. ſich derſelben vor allen aribern. bedient zu 
haben. - Wenigßens finden: wie dieſen Schild mieiſtentheils 
auf Bilbern: und Siegen an dem linken Arme vornehmer 
Mitter. Auch in ben alfbeutfchen Gebichten werben 
am haͤufigſten ſolche Schilde befchrieben, und die Spike 
des Schlides, in welche bie eine Seite auslaͤuft, Ort 
genannt... Bei Trauerzuͤgen wurden bie Schilde ums 
‚gelehrt (wie noch ‚bei Leichenzügen hoher Perfonen bie 
Soldaten ihre Gewehre umkehren), zum Zeichen bed Leids 
und ber Trauer, und fo lautet daher im Parzifal eine Stelle, 
Knappen wären dem Gamuret begegnet, die er wohl Tanne, 

mit aufgekehrtem Schildes Ort, 








3. Wehal. Waffou and richtung. 24 


bie ihm bie Nachricht von dem Tode feines Vrubers Gas 
Ines brachten. Manche Schilde waren bagegen fehr: lang 
und fo, baß.:ber ganze deib buch ſie bebedit warb; bitfe 
gebrauchten nur. diejenigen, welche zu Buße firktten. Noch 
zur Zeit Maxrimilians waren fie: gewöhnlich, vnd wir haben 
in feiner Iugenhgefchichte auch. ben damaligen Namen tens 
nen gdemt , die. boͤheimiſche Pafeſe, Pafkefum ober Setz⸗ 
. tartfche, ein großer Schild, ber. meiſtenthels unten einen 
Stachel hatte, mit dem: man ihm im Boden. befefligen 
konnte. Faſt alle Schilde waren flach, nur wenig erhaben; 
in ber Mitte hatten die Schilde, nach denen mit ber Lanze 
gerannt warb, gemeinhin eine Erhoͤhung, welche alte Ges 
dichte bie vier Magele, d. i. Nägel, nennen, und bie alfo 
aus vier erhöhten Nagelköpfen zu beſtehen ſchien. Sie- 
waren das Biel, nach dem meiſt die Ritter mit ihren Lanz 
zen vannten, wenn fie tumierten. Gar ungefüge war ber 
Schild, deflen fih Brunhilde in ben Nibelungen bediente, 
auch bier wieder bie uhertzadene Groͤße der Veddenzeit 
zeigend. V. 1763: 

Da kam ihr Geſinde, die trugen bar zuhand 

Bon allrothem Golde einen Schilbdesrand 

Mit ſtahlharten Spangen, viel groß und viel breit/ 

Darunter fpielen wollte bie minnigliche Maib. 

De Schild war unterm Huckel, ala uns das iſt geſaget, 

Wohl dreier Spannen dicke, ben ſollte tragen die Maged; 

Bon Stahel und auch von Golbe reich er war genug, 

Den ihr Kaͤmmerer ſelb vierte kaum ertrug. 


Bisweilen hatten die Schilde oben und unten. eine Spike, 
bisweilen, wie ſchon gefagt, nur unten, wo aldhann ber 
obere Theil vieredig war; kurz, man fand ig ber Ritters 
zeit vielfache Geſtalten derſelhen. 


29 DHwelter Abſchutit. Mittesieben.: 


Die ſaͤlteſten Schilde der Völker waren von Holz uber 
bon geflochtenen Weiden, fo wie von biegfamen Baum: 
äften geflochten, oder auch aus Latten von leichtem Holze 
gemacht. In ſpaͤteren Beiten nahm man flarke Leber 
fo wie Metal dazu. Auch die Schilde, welche die Ritter 
trugen, waren meiſt don-Holy5 ein eiſemer Ref und ein 
- Weberzug von zubereitetem. Leder, auf dem man bäufigft 
das: Wapken des Beſthzers fand, theils gemalt, theils auch 
ans Pelswerf und duͤnnen Holze gefchmitten und barauf 
befeftigt,, gab ihnen größere: Feſtigkelt und ein beſſeres 
Unfehen! "Solche Schilbe, aus ſtarken Riemen von Leber 
oder aus Sehnen geflochten, waren es wahrfcheinlich, bie 
man Schilde von Horn nannte ‚. wie Stellen bes Delbens 
buche Tagen: 

VDen Marken ſchilt von Horne 

Er im da gar erſpielt (durchhieb, ſpeltete) 
Man mag aber auch wohl: Schilde von großen Schildkroͤt⸗ 
Ruͤcken getragen haben.‘ Ben dem ſtarken Leder, welches 
die Schilde deckte, fol der Name Tartſchen kommen, 
indem man gewöhnlich das Leber von bem Rüden (tergo) 
ber Thiere dazu nahm. Diefe Ableitung ſcheint indeflen 
keineswegs richtig zu feyn, wenn man betrachtet, in wie 
vielen Sprachen dies Wort gleichartig vorfommt, fondern 
zeigt wohl auf einen tiefer liegenden Urſprung. So heißtes 5. 
DB. im Lat. targa, targia; franz. targe; ital, targa ; böhm. 
tarts; poln. tarcza, und ſelbſt im: Arab. findet es fich als 
Tarka oder Darka.  Das-Leber und die Einfaſſung von 
Metall hatten auch den Nuben, daß der Schild nicht nur 
defto eher Hiebe und Schläge, ſondern auch Feuchtigkeit 


3. Abthell. Waffen und Kleldung. 223 


aushalten Tormte, mithin wider die Faͤulniß geſchuͤtzt warb. 
In den altdeutſchen Gedichte kommt der Schild unter 
der Benennung Schildesrand, oder ‚uch bloß ber 
Rand vorz'fo heißt ed z. B. in den Nibelungen B:596: 
Hie wird von Ihnen verhauen viel mander Helm und Rand. 

. Da e8 befchwerlich war, den Schild immer mit fi 
zu führen, fo ließen bie Ritter ihn von Ihren Knappen 
tragen, wenn fie ihn nicht nöthig hatten; daher kommt 
das Wort Schildfnappe, Schildknecht, scutifer und 
auch das franzoͤſiſche Wort oͤcuyer hat bavon, ‚der richtis 
gen Auslegung nach, feinen Urfprung. Trugen ihn bie 
Ritter felbft, fo hatten fie ihn nicht am: Arme, wenn fie 
nicht Kampf erwarteten, -fondern er hing an einem Ries 
. men ober eimer Kette um ben Halt. Daher auch der. 
Ausdruck: den Schild zu Hals nehmen. Sölche Riemen 
werben in ben Nibelungen Schildfeffelm genannt, fo 
wie das, was in ben alten Gedichten Schildgefpenge 
genannt wird, bie Spangen waren, welche theils den 
Schild zuſammenhielten, theild auch wieder zum Schmucke 
gereichten, ba fie meiſt von edlem Metall gemacht wurden. 
Dahin gehört auch die in ben Nibelungen vorkommende 
Bezeichnung: Schild geſteine, ebele und andere prachts 
volle Steine, die zum Schmude der Schilde angewendet 
wurden. Ueberhaupt mag: in - früherer Zeit großer Prunk 
mit Schilden und andern Waffen getrieben worden feyn, 
befonderd. durch Beſetzung mit Toflbaren Steinen; denn 
wir finden viele. Nachrichten, in denen erzählt wird, daß 
nach den Turnieren dad gruͤne Gras und der Boden mit edlem _ 
Geſteine, die aus der Rüſtung gefällt worden, bedeckt waren, 





22% Awelter Abſchuitt Rieterleben. 


wobei auch edles Geſtein gemeint wird, welches ſich an 
Sätteln und dem Reitzeuge fand. Bon der hohen: Ach⸗ 
tung des Schübes ſowohl, als auch von feiner Wichtigkeit 
Tommen is. den. Nibelungen viele Gtellen wor. So vers 
ſchenkt z. B. Sotelinde, die Gemahlin des Markgrafen 
Rüdiger, an Hagen einen Schild, ber als hoͤchſt pracht⸗ 
voll beſchrieben wird, und der einſt dem Ritter Nudung 
gehoͤrte, damit ihn Hagen auf der Reiſe in Ezels Land 
führen ſolle. Aus derſelben Stelle geht aber auch hervor, 

daß in den großen Saͤlen der Burgen die Schilde ver⸗ 
ſtorbener Helden an den Waͤnden hingen; denn Hagen er⸗ 
blickt ihn an der Band und erbittet ihn fi, Die Wich⸗ 
tigkeit des Schildes zeigt eine andere Stelle der Ribelums 
gen. Bei dem graufen Kampfe im Saale Eyes, befim 
Schluß der Tod beinahe aller-Ritter ift, klagt Hagen dem 
Rübiger, als auch diefer zum Kampfe tritt, in ber Abens 
teure, in welcher fich die zarteſte Menſchlichkeit im Ruͤdi⸗ 
ger enthüllt; daß ihm ber Schild Nubungs in ben harten 
Stürmen gänzlich ſey zerhauen worden. Haͤtte er num 
einen folhen Schild, wie noch Rüdiger an feinen Händen 
trüge, „fo beblrfte er in ben Stürmen keiner Halsberge 
mehr." Da reicht ihm ber gegen ihn kaͤmpfende Ruͤdiger 
feinen Schild. — Fruͤherhin gebrauchte man hie Schilde 
beim Zurniere fowohl im Kolbens und Schwert : Kechten, 
als auch beim Lanzenrennen. In ben fpdtern Seiten bes. 
Ritterthums ſcheint der Schild weit weniger gebraucht 
worben zu ſeyn und verlor fi) am Ende ganz. So fagt 
fehon die Limburger Chronik beim Jahre 1389: „Ritter 
und Knechte, Buͤrger und reifige Leute führten zu firmen 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 225 


und zu flreiten Beine Zartfhen und Schilb mehr, - 
alfo daß man unter hundert Rittern und Smechten nicht 
einen fand, der einen Tartſchen oder Schild Hatte." Schild‘ 
und ber offene Turnierhelm blieben aber in bem Wappen 
des Adels, und die ‚mannichfache Geſtalt dieſer Schilde 
zeigt fich daher noch in der Wappenkunſt. 

Zur Bewaffnung gehoͤrten ferner die verblechten 
Handſchuhe, welche einen Theil der ganzen Ruͤſtung 
ausmachten, feſt die Hand bedeckten und dennoch wieder 
beweglich waren, um bei den Verrichtungen ber Hand 
nicht binderlich zu ſeyn. In dieſer Hinſicht war nur ber 
‚obere Theil van Eiſen; ber. aber, welcher in die flache 
Hand und auf die untere Seite der Singer fiel, war von 
flarfem Leder. Auch waren die Handſchuhe verfchiebenartig 
geftaltet. Einmal und am bäufigften glichen fie unfern- 
Fauſthandſchuhen und. befanden oberhalb der Hand unb 
ber Finger aus verfchiebbaren und beweglichen Streifen, 
Anderntheild hatten fie auch wirflide Zinger, wobei dann 
jeder Finger unten mit Leber befleivet war, und die Obers 
band fowohl- ald die einzelnen Finger beflanden aus bes 
weglichen Streifen. Die Handſchuhe ſelbſt waren wieber 
über der Handwurzel an ben Armfchienen befeſtigt. Sie 
Tommen in Werken des Mittelalterd auch unter dem Namen 
Manikel vor, 5. B. bei Dttofar von Hornek, Gap. 536: 

Die Handſchuhe wurden bei fehr vielen Gelegenbeitere 
gebraucht, und daher kam es, daß fie auch eine allgemein 
angenommene finnbilbliche Bedeutung erhielten. Man, bes 
biente fich nämlich des Handſchuhes von des echten Hand 
als eines Unterpfanbes oder eines Bürgen für ein gegebe⸗ 

15 


226 Zweiter Abſchnitt. Rit ter leben. 


nes Verſprechen. So war der Handſchuh zum Beiſpiel 
eines der vorzuͤglichſten Zeichen der Einwilligung eines 
Koͤnigs, wenn er einem andern die Auslibung gewiſſer 
koniglicher Rechte erlaubte. Und unter den Zeichen der 
Inveſtitur, das heißt, der Verleihung einer Sache, ober 
vielmehr der Einflhrung in eine Sache, oder der Webers 
| gabe einer Sache, finden wir ben Handſchuh befonders 
erwähnt und am häufigfien vorkommend. Unter ben In⸗ 
veftituren wird dieſe Art fo arigeführt: per gantum od. 
gwantum, wantum, wantonem (tin Wert des mittlern 
Lateins, entiehiit und entflanben aus dem altbeutfchen wat, 
want, Gewand, Kleid übeihauyf und bier Handhüͤlle, 
Handfhuhe). Die Handfſchuhe, beſonders der rechte, 
wurden dem, der belieben ward, in die Hand gegeben, 
«Daher findet man auf manchen alten Münzen, die aus 
Vergänftigung der Derrfcher geprägt wurben, einen Hand⸗ 
ſchuh abgebitdet. Wei der Hegung des peinlichen Berichts 
z0g ehedem ber Richter „Das Bloße Schwert und hielt es 
in ber rechten Dand, mit einem Blechhandſchuh angethan’. 
Sogar davon finden ſich Beifpiele, daß zumeilen vornehme 
-Bafallen abwefend ihrem Lehnherrn einen Handſchuh übers 
fendet und dadutch die Lehnspflicht amgelobt haben, flatt 
eine förmliche Belehnung zu empfangen. Hierbei ift es 
noch eigen, daB man ſieht, ber Handfehuh wurde von 
beiden Seiten gebraucht, indem ihn bier der Belehnte, 
nicht der Belehnende, fenbet. 

Sorberte ein Ritter den andern zum Zweikampf her⸗ 
aus, fo warf er, nach einer allbefannten Sitte, ihm’ ben - 
Handſchuh bin. Der Heransgeforderte hob ſolchen auf 


; 


3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 227 


und verband fich dadurch, zu erfcheinen. Ward jemand 
in einem Zweikampf ober in einer Fehde überwunden, fo 
dienten feine Dandfchuhe und fein rechter Sporn, auch oft 
fein Schwert zu Pfändern oder vielmehr. zur Berficherung, 
daß er bie Bedingungen, welche er dem Sieger verfprochen 
hatte, erfüllen wolle. Der Ritter Sebaſtian Schärtlin ets 
zahlt in feinem Leben, daß es zu feiner Zeit, .alfo im 16. 
Jahrh., gewöhnlich gewefen, daß ber Meberwinber dem 
Beſiegten Handſchuhe und Sporn felbft abnahm, das 
Schwert ihm aber durch einen der Seinen abnehmen ließ. 

Zu der Bewaffnung gehören nun noch die eifernen 
Hofen und die Beinberge, d. i. Beinpanzer, Bein⸗ 
harnifche. Der Ritter mußte vom Kopf bis zu den Füßen 
in Eifen gehluillt ſeyn, um jebem Hiebe, jedem Stoße . 
Widerfiand zu leiſten. Darum finden ‚wir auch fchon in 
ber aͤlteſten Zeit eine eiferne Umhuͤllung der .Lenden und 
Füße, die bald, wie ber ganze Panzer, aus Mofchen, 
bald aus Schuppen, bald aus ganzen Eifenflüden, mit 
beweglichen Bänbern, beſtand. Solch Eifengemand um: - 
bülte den ganzen Leib und ging bis zur aͤußerſten Fuß⸗ 
ſpitze. Was die Gurthofen betsifft, fo if es noch nicht 
gewiß, ob fie von Eifen oder von anderem Stoffe, Les 
der x» waren. u 

Wie ein Ritter in feinem Harnifch ganz eingeichloffen 
war, befchreibt uns deutlich Ottokar von Hornek in feinem 
Zeitbuche Deſterreichs, wenn er erzählt, daß der Erzbifchof 
von Kölin, Siegfried, der gepanzert ſelbſt gegen bie Her⸗ 
309 von Brabant und Geldern zu Felde gezogen war, 
1288 in ber Schlacht bei Wurnich gefangen genommen 

45* 


228 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wurde. „In dieſer Gefangenſchaft hat der Erzbiſchof viel 
Uebels erdulden muͤſſen. So gekleidet, wie er war, ſperrte 
man ihn ein; keins der Waffenſtuͤcke durft' er ablegen, 
vielmehr muſt' er, als ging' er ſtaͤts zum Streite, mit 
aufgebundenem Helme, mit Gurthoſen, Halsberg, 
Churſit, Platten und Schwert da ſitzen. Nur zum 
Efien band man ihm Helm und Manikel ab. Wär 
. ex bed Harnifches ungewohnt gewefen, er hätte ficher 
Kraft und Verſtand dabei verloren. Endlich erbarmte ſich 
feiner der Papft und verwendete ſich für ihn durch einen 
Legaten. Als diefer mit feinem Gefuche erfchien, erwiberte 
‚ ibm der Herzog von Brabant: bag ich einem Pfaffen 
etwas thäte, dafür Hüte ich mich allezeit; ich fing zwar 
einen Mann in dem Streite, der neulich erging, der ift 
aber in ritterlicher Geſtalt; folte man ihn zu den Pfaffen 
‘ zählen, benen fieht er ganz ungleich." Als der Herzog 
dem Legaten erlaubt, diefen gepanzerten Mann zu fehen, 
war bie Erkennung und Auslöfung leicht. Es möge bies 
zugleih zum Beifpiele dienen, wie hohe Geiftliche alter 
Zeit nit immer bloß dem Amt bed Friedens und ber 
chriſtlichen Milde dienten. 

Dies wäre nun die Bewaffnung bes Ritters, 
Zur Jagd bediente er ſich noch einiger Waffen, bie er ins 
defien nie auf Ritterzuͤgen gebrauchte, und die bloß von 
ben Knappen geführt wurden. Diefe find: Bogen, 
Pfeile und Armbrüfle Die Handbbogen wurden 
ſchon in fehr früher Zeit, befonder8 zur Jagd, gebraucht, 
in einem Köcher verwahrte man die Pfeile. So bedient 


3. Aöthelt, Waffen und Kleidung. 229 


ſich noch Parzifal zu feinen kindiſchen Jagden nach ben 
Vögeln des Waldes eines Bogens, V. 3501: | 
Bogen und auch Boͤlzelein 
Die Schnitt er mit feiner felbft Hand 
Und ſchos viel Voͤgel bie er fand. 
Schon ſeit dem 11. Jahrh. ward aber meiſt die Armbruſt 
gevoöhnlicher, wenn auch noch im 45. Jahrh., wie wir 
oben in der Jugendgeſchichte Maximilians gefehen haben, 
ber Handbogen gebraucht ward. Die Armbruft war eine 
Waffe, der man mehr Gewalt zu geben vermochte, indem. 
fie beim Anfpannen flärker angezogen werben konnte, 
weöhalb man auc, eigene Werkzeuge dazu hatte, um fie 
änzufpannen, die und bie Nibelungen Handwerke 
nennen. Dazu gebrauchte man aber immer noch die Koͤ⸗ 
cher, in denen man bie Bolzen trug. So heißt ed von 
Siegfried in den Nibelungen, ald er zur Jagd reitet, 
V. 3816: | | 
Hei! was er reicher Borten an feinem Köcher trug! 
Bon einem wilden Panther war barüber gezogen 
Ein Vließ um die Gefchoße. Auch führt’ er einen Bogen, 
Den man mit Handwerke muſte ziehen an, 
Der ihn fpannen wollte. 

Durch die Geftalt, welche man ben Pfeilen gab, und 
vornehmlich durch die Widerhafen, die dabei angebracht 
waren, Tonnten fie dem damit Verwundeten aͤußerſt ſchaͤd⸗ 
lich, ja fogar oft toͤdtlich werden. Zwei Arten der Pfeile, 
die mit der Armbruft abgefchoffen wurden, find jegt wenig 
bekannt; die eine war vieredig, wie das daran befindliche 
Eiſen, und zuweilen mit Erz gefiebert; die andere Art 
war dem Eifen einer Hellebarde gleich, mar leichter ſchwe⸗ 


— 


230 tZweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


bend, vermittelſt der dabei angebrachten Federn, die den 
Pfeil im Gleichgewicht hielten. Auch hatte man eine Art 
Pfeile, die laͤnger und weit dicker waren, als die gewoͤhn⸗ 
lichen; ſtatt der Spitze waren fie mit einem dicken runs 
ben Eifen verfehen, das alles, Schild, Helm, Panzer, 
MWammd und dergleichen zerfchmetterte. Sie hießen Mas 
tras und wurben auch mit der, Armbruft gefchoffen. Bei 
ber Armbruft hatten die Mauerbrecher und Katapulten 
ber Alten zum Muſter gedient, daher auch ihr lateinifcher 
Name: arcus balistarıus oder balista manualis. Die 
Armbruft erfhien dem Mittelalter als ein fehr gefährliches 
und allzufchäbliches Gewehr, indem durch das Fernhintreffen 
derfelben fchon ber perfönlichen Zapferkeit, Fauſt gegen 
Fauſt, Eintrag gefchah. Darum ward fie auf der zweiten 
lateranenfifhen Synode im Jahre 1139 verboten, Obgleich 
Dapft Innocenz III dies Verbot wiederholte, blieb fie doch 
in Srankreih, England und Deutfchland allgemein vers 
breitet und. gebraucht; auch hatten die Päpfte, in chrifls 
licher Milde, nichts dagegen, daß fie gegen die Ungläubigen 
ongewenbet ward, Der Ritter durfte fich indeflen, wenigs 
fiend in früherer Zeit, keiner Armbruft bedienen, es fey 
denn zur Jagd. Als daher Parzifal, nachdem ihm Iwas 
net die Waffen bed rothen Ritters angelegt bat, feinen 
Köcher und Bogen wieber verlangt, fo wie feinen Babis 
lot, von’ dem ich fogleich fprechen werbe, fagt ihm Iwanet: 
Sch reiche dir kein Gabilot, 
Die Ritterfhaft bie das verbot. 
In fpäteren Zeiten hielt man es nicht fo firenge, wenigs 
ſtens wird die Armbruſt oft in denn Leben des Goͤtz von 


3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 21 


Berlichingen erwähnt, Hand von Schweinichen fpricht 
auch von ihr, und fie erhielt fi bis, auf neuefle Zeiten; 
denn ed giebt noch Drte, gab ed wenigflend noch vor 
wenigen Jahren, an benen beim Vogelſchießen die Bürger 
fih der Armbrüfte bedienen. 

Außer ber Armbruft ift noch das Gabilot zu bes 
merken, im Franz. Javellot genannt, ein Wurffpieß, be 
fonders ein Jagdſpieß, in ben fich wahrfcheinlich Der fchwere 
Ser der Heldenzeit verwandelt hatte; denn Siegfried führt 
zur Jagd auch noch eine tuͤchtige Waffe (B. 3810): 

Sein Speer war viel gewaltig, ftarte und aud breit. — 
Das Meinere Gabilot führt auch Parzifal in feinem 
Malde und bei feinem Auszuge Außer einem Wurffpieß 
waren ‚unter Gabilot auch Pfeile vesftanden, bie in einem 
Köcher getragen wurden. So heißt es im Parzifal (4134): 

Da griff der Knappe hehre 

Zu feinem Koͤchere, 

Biel ſcharfer Gabiiot er fand. 
Beideß vereint ſich pieleicht badurh, wenn man unter 
Gabilot ine Art kurzer Wurfpfeile annimmt, die auch in 
einem Köcher getrapen wurden, da man immer mehre bei 
ſich hatte, und bie entweber mit ber Hand ober auch buch 
die Armbruſt gefchleudert wurden, Durch ein folches Gas 
bilot toͤdtet auch Parzifal den rothen Ritter Ither und 
erwirbt deſſen Ruͤſtung, indem er ibm das Gabilot durch 
bad Bifier-in Auge und Kopf ſchleudert. Daß Nitter es 
nieht. tragen busften, geht aud ber fchon oben angeführten 
Stelle des Parzifal. hervor, unb aus einer. andern beffel- 
ben Gedichts, worin befchrieben wirb, wie Parzifal ber 


232 Biveiter Abſchnitt. Mitterleben. 


Königin Gundwiramurs in Brubars zu Huͤlfe tommt, 
die heftig belagert wird; dort heißt es: 

Da ſtund auch mancher Kaufmann 

Mit Hatſchen (Aexten) und mit Gabilot, 

Als ihn'n ihrer Meiſterſchaft gebot. 

Zur vollſtaͤndigen Bewaffnung eines Ritters gehörte 
auch noch, daB er ein völlig gepanzertes Streitroß 
hatte. Diefe waren ed nun, welche bie Knappen, wegen 
ihrer Unbequemlichkeit beim Reiten, auf der Reife an der. 
rechten Hand führen mußten, und bie baber, wie ſchon 
oben berührt, dextrarii, franz. destrier genannt wurben. 
Es waren fchon an fich große und ſchwere Pferde, welche 
burch die Rüftung noch fchwerfälliger wurden. In Deutfchs 
land hießen fie Streithengfte, - weil immer Hengſte 
dazu genommen werben mußten (eine Stute zu reiten, 
war höchfte Schmach für einen Ritter), Schon die alten 
falifchen Gefebe fprechen von Streitroffen und nennen fie 
Waranniones, entflanden au War, Krieg, und Kenne, 
Renner (Schnelllaͤufer), alfo eigentlich Kriegsrennpferde, 

Kriegörenner. Diejenigen Pferbe nun, welche ber Ritter 
außer dem Kampfe ritt, hießen palafridus ober pale- 
fridus, ftartz. palefzoi, ein leicht gehendes und unbewaff⸗ 
netes Pferd. . Im Deutfchen giebt es viele Abtheilungen - 
ber Pferdbenamen, und einem folchen palafridus entfpricht 
am meiften dad Wort ors (Verſetzung für Rof), welches 
ein ſchnell Iaufendes Pferd bebeutet und von den Rittern 
auch zu Kämpfen gebraucht ward, wenn fie ihre ſchweren 
Streitroffe wicht bei fich hatten, oder wenn fie den Kampf 
du leicht hielten, um fie zu beſteigen. Im Parzifal kommt 


3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 233 


noch die Benennung Kaſtelan vor (VB. 4687.), welches 
als lang⸗ und hochbeinig gefchilbert wird, worauf Sther 
geritten, und welches ſich auch Parzifal, nachdem.er ben 
Sther getoͤdtet, zugeeignet. Dies Wort bebeutet wohl 
unftreitig ein ſchoͤnes, edles kaſtiliſches Roß, und ed war 
gewiß ein Streithengſt damit gemeint. Was in alten 
Werken unter dem Namen ritter pferde vorkommt, ift 
aller Bahrfiheinlichkeit nach nichts anders, ald ein Stteitz, 
bengft. Sonft dient dafuͤr auch das Wort rupzit (mittl, 
Latein ‚runcinus oder rossinus, franz. roncin). Dies 
waren wahrfcheinlich Wallachen, benn im Geltifchen heißt 
rheonsi, und daher runen, ruynen, runken — castrare, 
Die andern Pferdeabtheilungen find, um fie. hier beildufig 
anzuführen: veldtpferde ‚bie Pferde der Aderleute; ride 
pferde, Neitpferde, gewöhnlihe, der Knappen und ans 
derer; teldere, zelter, zeltend Pferd, find diejenigen, die 
einen leichten und angenehmen Trapp gingen und daher 
meift von Frauen zum Vergnügen und auf Reifen geritten 
wurden. Doc, ritten fie auch Ritter, wenn fie feinen 
Kampf fuchten, 3. 3. in dem Frauenturnier (Kolcz. Kod, 
B. L ©. 79): 
uf iren Gelben pferben, 

(mit, geräftet auf ihren Streitrofien) ritten bie Bürger zur Suͤhne. 

Welcher Unterfchied. zwiſchen ben Streithengſten und 
den gewoͤhnlichen Reitroſſen gemacht ward, geht auch aus 
den Gefetzen Kaiſers Friedrich J hervor, die Radewich de 
Rebus gestis Friderici I. c. 26. Lib. I. anführt, indem 
es heißt: si extrameus’ miles pacifice ad castra acces- 
serit, sedems in palefrido sine scuto ot armis (bie 


234 Zwelter Abſchnitt. NRitterleben. 


Knappen hielten und trugen fie, wie bereits fehber erin⸗ 
nert worden), si quis eum laeserit, pacis violator in- 
dicabitur. Alſo ald ein Landfriedensbrudy ward es anges 
fehen, wenn ein fo unbewaffnet auf einen gewöhnlichen 
Reitpferbe figender Ritter angegriffen ward. Dagegen 
fagen Diefelben Gefege, eines. das andere erflärend: Si 
autem sedens in dextrario et habens scutum in 
manu, ad castra acoesserit, si quis eum laeserit, pa- 
cem non violauit. 

Die Streithengfte waren, damit auch fie unverwunds 
barer wurben, wie bie auf ihnen figenden Ritter, gehar⸗ 
nifcht, fo daß Roß und Mann eine Eifenmafle zu machen 
ſchienen. Was die Geſtalt diefer Ruͤſtung betrifft, fo 
war alle auch feft und tüchtig in ihre zufammengefügt, 
damit da8 Roß fo viel wie möglich vor tödtliden Stößen 
und Stihen bewahrt war. Der Kopf war eine eiferne 
Larve, von der Geflalt und Größe eines Pferdekopfes. 
Die Augen waren groß ausgefchnitten, und jebes mit 
einem Heinen ſich rund wölbenden Gitter zum Schuß vers 
feben. Ueber die Nafe ging eine etwas Iängere Schneppe, 
aber unten war alles auögefchnitten, um bie gehörige Fe⸗ 
fligung des Gebiffes und der Stange anzubringen. Oben. 
an der Kopfrüflung waren ein paar Peine Röhren, worin 
- die Federbäfche befefligt wurden. Darauf folgte der wieber 
befonders gearbeitete Hals, auf dem oben an einen eifers 
nen Stäbchen der Kopf angehängt ward. Diefer Hals 
beſtand aus lauter verfchiebbaren Metallſtreifen, damit das 
Pferd mit Hals und Kopf jede Wendung und Beugung 
machen konnte. Won vorn und von oben nieder war 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 235 


zwiſchen dieſe Streifen mit einem ſpitzen Werkzeuge nicht 
zu kommen, hoͤchſtens und muͤhſam von unten hinauf. 
Dieſer Harniſch ſchloß einer Seits an den Bruſtharniſch 
an, ber eine ziemlich breite, aus einem Stüde. beſtehende, 
laͤnglicht um die Bruft gewölbte Maſſe war, bie mit Has 
fen an dem Sattel befefligt warb und vorn an jeber 
Seite eine große metallene, feſt baran gearbeitete Halbs 
kugel hatte, beflimmt, ben Stoß ber an einander anfprens 
genden und apfloßenden Pferde zu brechen. Anderer Seite 
war biefer Hals wieber genau an ben Sattel, alles mit 
eifernen Stiften, gefugt. Der Sattel war groß und 
fhwer, von Holz, ſtark mit Eifen befchlagen, beſonders 
vorn und hinten mit einer hohen Eifenwand, worin ber 
Ritter mit feiner Ruͤſtung feſt eingezwängt ſitzen mußte, 
und bie alfo. auch zu feinem Widerſtande beim Lanzenrens 
nen viel beitragen Fonnte. Die Geſtalt der Sättel kam 
der gleich, welche noch unfere fogenannten Schulfättel auf 
den Reitbahnen haben, nur waren die Vorbers und Hins 
ter⸗Polſter noch höher. Was nun nicht mit Eifen bes 
fchlagen war, befonderd der Si& und bie Seiten, wurde 
mit ſtarkem Leder ober mit Sammt gepolftet. An dem 
Sattel hingen an Ketten ober, wiewohl felten, an 
fehr ſtarkem Leber, die Steigbügel, welde mit unferen 
heutigen Steigbligeln übereinfamen und auch nur einem 
‚ Meinen Theile des Fußes eine Ruhe gewährten, nicht aber 
fhaufelartig gefaltet waren, wie morgenländifche Voͤlker 
fie haben. Hinten om Sattel waren zwei ſtarke eiferne 
Stacyeln, und in diefe wurde bie Rüftung für den Hin⸗ 
tertheil des Pferdes, die fehr groß, hochgewoͤlbt und. breit 


2360 8weiter Abſchnitt. Nitterleben. 


uͤber das ganze Hintertheil des Pferdes ſich erſtreckte, ein⸗ 
gehaͤngt. Damit dieſe nun das Pferd nicht druͤckte, auch 
bei ihrer Weite nicht um das Pferd ſchlotterte und es rieb, 
war inwendig ein kleines Geruͤſte, von Holz oder Fiſch⸗ 
bein, mit Leder uͤberzogen und gepolſtert, das feſt am 
Hintertheil des Pferdes anlag und jedes Verſchieben und 
Verruͤcken verhinderte. Dieſe Ruͤſtung der Kruppe, ſo 
wie die des Vorderbuges war nur ſo lang, daß gerade 
der Bauch bedeckt ward, die Fuͤße kamen unbedeckt und 
unbewaffnet darunter hervor, damit Lauf und Bewegung 
nicht gehemmt wurden. Außerdem waren aber die Roſſe 
auch mit großen und fliegenden Deden bekleidet, fo daß 
auch fie ihre Waffen 'gleichfam mit einem MWaffenrod um⸗ 
bult hatten, "befonders bei den Zurnieren, wo fie nicht 
gerüffet waren, fonbern höchflens eine Dede von Eifen 
über Naſe und Stirne hatten, um dieſe Theile beim Ans 
prellen zu fichern, und auch, wenn die Lanze fie etwa 
berübrte, biefen gefährlihen Theil zu ſchuͤtzen. Diefe 
langwallenden und fchön geftidten Deden hingen vorn 
und ber das Hintertheil nieder, und davon fprechen auch 
ſchon die Nibelungen V. 7561: 

Da war ihre Kurzeweile ſo lang und auch ſo groß, 


Daß durch die Deden nieder ber blanke Schweis flo 
Bon ben viel guten Roſſen, bie die Helden ritten. 


Schon die Laft der Pferderkfltung war höchft bedeutend; 
rechnet man nun noch bazu "die Laft der Ruͤſtung des 
Mannes und das Gewicht bes Ritters, fo kommt eine ges 
waltige Schwere heraus, welche die Roffe tragen mußten, 
und mit der fie im Kampfe gegen einander im Trab anliefen. 


3. Abtheil.. Waffen und Kleidung, 237 


Diefe Schwere vermehrte aber auch das Gewicht und. den 
Drud des Lanzenftoßes. Man nahm daher auch nur fehr 
ſchwere, harttrabende und: größe Pferde zu biefen Ritter: 
roſſen. 

Was fonft noch. bie Pferde betraf, . welche bie Ritter 
zu erhalten firebten, fo nahmen: fie befonders einfarbige 
Dferde,.: damit fie nicht Durch audgezeichnet farbige und 
ſcheclige Roſſe zu leicht befannt wurben, und fie fich baber, 
wenn fie verborgen bleiben wollten , eines Entdedung aus⸗ 
festen... Darauf deutet eine Eszdhlung ber heibelberger 
Handſchrift: von dem Roßtäufcher, in ber es inbeflen 
Scheint, daß mehr der Eigenfinn und ber üble Wille bes 
Ritters, der. den Roßtäufcher prellen wollte, .an ber Nichte 
annahme des bunten Pferdes fehulb war; indeſſen mußte 
diefer Einwurf doch ein folcher fen, ber annehmbar ers 
ſchien. Außerdem erfahren’ wir aus biefer Erzählung noch 
andere Pferbefehler, die ein Mitterroß nicht haben durfte. 
So liebte man nicht, daß ed den Kopf zu hoch trug, da 
dies beim Anlauf gegen einander binderlich war, indem 
man den kommenden Ritter nicht gehörig fehen konnte. 
Eben fo vermieb man eb, zu weichmäulige Pferde ſich an= 
zufhaffen, indem diefe. bei dem jaͤhen Anhalten zu . leicht 
überfchlugen... Ein Ritterpferd mußte daher immer flark. 
in der Fauſt liegen, und dahin kam es denn auch bald 
durch die ganze Art: und Weile dDeB Gebrauches. 

Was das Zaumzeug der Ritter betraf, fo. war auch 
biefed gemeinhin reich gefchmuͤckt. Daß bie’ Riemen breit 
fepn mußten, und fchmale Bäume und Gurte als veraͤcht⸗ 
lich angeſehen wurben , geht aus Parzifal V. 7639, hervor. 


\ 


238 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Doch wechſelte dies auch wohl nach Zeit und Sitte, wie 
eine Stelle der Nibelungen zeigt, V. 1609, wo wenig⸗ 
ſtens die Sattelriemen um die Bruſt des Pferdes (mal 
befchrieben werden; doch konnte auch beides neben einander 
beftehen. Außer reichen Steinen und Golb und : Silber, 
bie auch bier, bei großer Pracht, nicht gefchont wurben, 
gehören noch Schellen hieher, mit benen die Bruflgurten 
und bie Zaͤume befegt wurden, welche nun, fobald ber 
Reiter forttrabte, ober auch dad Pferd ſich nur bewegte, 
ein luſtiges Geklingel verurfachten. Davon mehr, "wenn 
wir weiter unten bie Schellentracht ber Ritter uͤherhaupt 
werden kennen lernen. 

Außer der ſchweren Ruͤſtung trugen auch die Ritter 
noch leichtere Bewaffnung, wenn fie auf die Jagd gingen, 
auf Reifen waren oder ſonſt nicht in ihrer ſchweren Rüs 
flung erfcheinen wollten, oder zu erfcheinen brauchten. 
Diefe befand meiftentheils in einem tuchenen ober leder⸗ 
sen Wamms mit Aermeln, über dieſes fchnaliten fie einen 
leichten Bruftharnifch. Ihre Handſchuhe waren von Leber 
ober von leichtem Blech, auf ihrem Haupte hatten fie 
eine leichte Pickelhaube, ohne Vifier und Anfchluß um das 
Kinn, leverne Beinkteider und lederne Stiefel Augen fie 
an ben Süßen. Ein Waffenrod fehlte, unb nur ihre 
Schaͤrpe hing von der rechten Schulter nach der Linken 
Hüfte. Einer folhen Tracht durften fi auch die Knap⸗ 
gen bedienen. . 

An bie Erzählung von ber Bewaffnung ber 'alten 
Kitter wirb ſich auch Leicht eine Nachricht von ihrer andern 
Tracht anknüpfen, die für manches aus alter Zeit erklaͤ⸗ 


3. Abthell. Waffen und Kleidung. 239 


rend, obgleich die Bedeutung einzelner Wörter und daher. 
auch ber Sinn mancher Nachrichten uns noch dunkel if. 
Die Waffen der Ritter und Knappen waren mit Toflbaren 
Bierrathen geſchmuͤckt, aber das ebelfte der Metalle, das 
Gold, war allein den Riftern, ihren Waffen, ihren Spos 
zen, den Deden ihrer Roſſe, ihren Mänteln und felbft 
den Harnifchen ihrer Roffe vorbehalten. So fagt und ein 
franz. Schriftſteller: Der vergolbete Harnif war in 
jeder Verfaſſung, ſowohl zu Pferde als zu Fuße, für 
den Nitter beſtimmt; indeffen konnte der König folchen 
auch den Bürgern, welche. er abelte, erlauben. Das Gold, 
in feidene Zeuge gewirkt oder geftidt, zierte die Roͤcke der 
Mitter, ihre Mäntel und alle Stüde ihrer Kleibung und 
ihres Aufzuges. Die Ritter allein hatten dad Recht, Eofts 
bares Pelzwerk, Dermelin und Grauwerk zu tragen. Die 
Mäntel waren meift lang und fchleppenb, doch auch, nah 
Wechſel der Zeit und Sitte, Fürzer. Sie waren die ebelfte 
und erhabenfte Bier, die des Ritter anlegen konnte, wenn 
‘er nicht mit feinen Waffen bekleidet war. Daher finden 
wir fo oft in alten Rittergebichten, wenn Ritter in Schlöfs 
fen und in Burgen ankamen, wie Knappen und Jungs 
frauen eilten, ihnen bie Waffen abzunehmen. In dem 
Rittergebidyt Iwain heißt es B. 266 ff.: 
ine Yungfrau die mi empfing > 

Die entwaffnete mid. 

Einen Schaden klage ich (fegt der erzählende Iwain hinzu), 

Daß der Baffenriemen Aſo wenig ifl, 

Daß fie nicht Läng’re Friſt 

Mit mir muſte umgehen, 

Es war gar zu bald geſchehen. 


240 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Darauf wurde ihnen die Schwaͤrze abgewaſchen, welche 
fie dur die Ruͤſtung erhalten hatten, theils burch bie 
Eifenrüftung feldft, theild durch ben Staub, welcher durch 
biefeibe geflogen und auf ihnen haften geblieben. So 
heißt es im Parzifal V. 5512: „Er war ganz ungleicher 
Farbe; da er nun ben Ram von fi mit Waſſer wuſch, 
hahe hätte er nun der Sonne ihren viel lichten Schein 
verdecket.“ — Nunmehr ward ihnen ein Mantel gebpten, 
welcher meift von Scharlah Farbe war, ber Haupt: und 
Ehren = Farbe der Ritter, gefüttert mit Hermelin, Zobel 
oder anderem Eoftbaren Pelzwerk. So heißt ed im Iwain 
bei der eben erwähnten Selegenheit B. 276:- 

Ein ſcharlachenes WMäntelein 

Gab fie mir an; 
und im Parzifal ®. 5518: 

Man bot ihm einen Mantel an, 

Geleich alfo der Rod (Waffenrock) getban 

Der eb’ vor an dem Helden lag, 

(die Rüftung Parzifald, welche er dem Sther von Gahevies abgenommen, 
war durchaus zoth.) 

Dep’ Zobel gab wilden neuen Schmag (db. i. Gerug). 
Solche Mäntel wurden nun Ehrenmäntel genannt, frans 
zöfifh manteau d'honneur. In einer fpdtern Abtheilung, 
worin von bem Empfange ‚der Ritter auf ihren Zügen 
die Rebe feyn wird, werde ich mehre auch hieher, gehörige 
Stellen am bequemeren Orte anführen koͤnnen. 

Könige und Fuͤrſten fchenkten den neuen Rittern, 
welche fie ernannten, Mäntel folcher Art, und oft wurde 
diefem Gefchen? ein Prachtpferd Hinzugefligt, oder wenig 
ſtens ein golbenes oder vergoldetes Gebiß für ein Pferd. 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. | 241 


Solche Geſchenke für Ritter gingen oft ins Ungehenre, 
und fo-heißt e8 3. B. in den Nibelungen-®B, 4170, als 
erzählt wird, wie Siegfried die Nitterwürbe erhielt, 
von feinem Bater Siegmund und feiner Mutter Siege 
linde: 

os und gute Kleider, das ſtob ihnen von der. Hand, 

Als 0b fie hätten zu leben nicht mehr denn.einen Leg. 
Die Herrfcher erneuerten oft bie Geſchenke folcher Mäntel 
ganz oder ‚zum Theil aus der Farbe, welche man ihre 
Leibforbe nannte, franz. Livrei, welches Wort nachher 
eine ganz anbere Bedeutung befommen, wie fchon oben 
von größeren Vafallen bemerft worden. Um folche Ges 
ſchenke zu ertheilen, wurden die Abwechölungen der Zahreds 
zeiten, bes Winterd und Sommers, befonberd bei ber 
Winter: und Sommerwende, Seile, bie, wie bereits. ebens 
falls bemerkt, eine alte heidnifche Bedeutung hatten und 
in das Chriftenthum übergegangen waren, benußt, ober 
man ergriff auch andere feierliche Hofverfammlungen. 

Hermelin, Zobel und Grauwerk zu tragen, gehörte, 
wie bereits, gefagt, ebenfalld zu ben Vorzügen ber Ritter; 
Knappen mußten ſich mit weniger koſtbarem Sutter von 
Pelzwerk begnügen, und das fchlechtefle war für Leute 
von geringerem Stande beftlimmt. Wie verfchwenderifch 
oft mit dem Hermelin-umgegangen warb, geht aus einer 
Stelle des Hornet hervor, bei ber Gelegenheit, als Kaiſer 
Albrecht und König Philipp der. Schöne zufammentamer. 
Beide .Herrfcher ermahnten ihre Ritter zur möglichften 
Pracht, da ein jeder wuͤnſchte, es dem andern. zuvorzu⸗ 
thun, umd die Deutfchen follen bie Franzoſen überglänzt 

6. 


3 


242 | Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


haben, denn ſie trugen mit Hermelin gefütterte Kleider 
und übertrafen fo bie Sranzofen an Reichthum der Ges 
wande, indem fonft nur bie Befäge von biefem edeln 
Pelzwerk genommen wurden. — 

Dem Buͤrgerſtande war nicht allein verboten, betlei⸗ 
chen Pelzwerk zu tragen, ſondern auch der Gebrauch des 
Goldes, koſtbarer Steine und goldener Einfaſſungen war 
ihm verwehrt, fo wie bie Bürger und Unabdelichen weder 
Steine, noch Perlen, noch golbene oder filberne Kronen 
fi anmaßen durften. Nah und nad aber verlor ſich 
dieſe Strenge, und das Uebermaß in Kleidungen griff 
gewaltig um ſich. Buͤrgern und gemeinen Leuten hatte 
man ſogar anfangs unterſagt, Seide zu tragen; ſparſam 
waren ſeidene Stoffe unter Ritter und Knappen vertheilt. 
Die Sorgfalt, eine jede Verwechslung der Stände zu 
vermeiden, ging fo weit, daß, wenn man bei Feierlichkei⸗ 
ten. die Ritter in feibenen Damaft gekleidet fah, Die 
Knappen nur Atlas ober Taffet trugen, oder wein biefe 
in feidenen Damaft gekleidet waren, fo trugen jene 
ſammetne Kleidung. So empfahl Renatus, König von 
Sicilien, in feiner Abhandlung von der Einrichtung ber 
M Turniere, den Oberhäuptern der Turniere, einem jeben 
der aus den Rittern erwählten Zurnierrichter ein langes 
Kleid von Sammet, und den beiden andern, bie aus den 
Knappen genommen wurden, ebenfalls lange Kleider, aber 
nur von Damaft, zu geben. Bei einem Feſte, welches 
der Herzog von Burgund im Jahre 1454 zu Lille gab, 
waren bie Ritter in Damaft, die Knappen und Edel: 


! 


3. Abthell Waffen und Kleitung 243 


leute in Atlas, die Knechte und Diem aber nus in wol- 
lenes Tuch gekleibet. 

Scharlach, oder jede andre rothe Zarbe, war, we⸗ 
gen ihres in die Augen fallenden Glanzes, eine Haupt⸗ 
tracht der Ritter, und dieſe Farbe hat ſich noch bis zu 
neuern Zeiten in der Kleidung hoher obrigkeitlicher Perſo⸗ 
nen einiger Laͤnder und Orte, und der Doctoren, bei Em⸗ 
pfang dieſer Wuͤrde auf einigen Hochſchulen, erhalten. 
Aus den bereits angefuͤhrten Stellen des Parzifal und 
Iwain geht hervor, daß beibemale ber dargebrachte Mans 
tel eine rothe Farbe hatte, und beim Iwain ‚findet fich auch 
die Benennung Scharlach. Indeſſen if bier, zum Ber 
ſtaͤndniß alter Gebichte,. zu bemerken, daͤß Scharlach auch 
der Name eined feinen Stoffes war, währfcheinlich des 
Sammets; denn, wenn ich nicht irre, kommt im Parzifal 
die Stelle vor: brun Scharlachen (braun Scharlachen). 

Aus einzelnen alten Nachrichten geht hervor, baß bie 
Ritter fih den vordern Theil bes Kopfes ſchoren, viels 
Yeicht aus Furcht, wenn fie in dem Kampfe ihren Helm 
verloren hätten, beisben Haaren ergriffen zu werbenz 
wielleicht auch, weil ihnen das ‚Haar unter dem eifernen 
Helme, mit dem fie fo häufig bedeckt waren, beſchwerlich 
ward. Anderer Seits hören wir aber auch wieder von 
herabwallenden Haaren, beren Loden bei Eröffnung bes 
Helmes hervorfielen. Was die Bärte betrifft, fo belehren 
und die alten Denkmaͤhler und Nachrichten, baß bie Ritter 
Bärte trugen, aber Feine langen Bärte, fonbern kurz ges 
flugte und zierlich gefchnittene. . So verachtet Ottokar von 
Hornet bei der Erzählung, wie 1261 Ottofar feine Nichte 

16* 


244 Zweiter Abſchnitt. Ritterteben. 


an ven König Bela von Ungarn zu Wien vermaͤhlt, eine 
Sitte der Ungarn, fagend: „in allerhand Schmuck ritten 
dazumal, um ihren Gral (Krol, Koͤnig) geſchart, die Un⸗ 
gern, ſo mit ihren langen Baͤrten ihre Hoffahrt und ihre 
Reichheit zeigten, nach ihren tartariſchen Sitten, 
wovor uns Deutſchen graut; ſie hatten naͤmlich 
in ihre Baͤrte gar manche weiße Perle und mandın Edel⸗ 
ſtein kuͤnſtlich eingeflochten.“ 

Da die Ketten zum groͤßten Staat Hehoͤten und als 
Shrenzeihen getragen wurben, fo machten alte Gefeße 
«die Reichöpoligeiorbnung v. 9. 41530. Nr. 14.) . einen 
Unterfchied in dem Werthe der Ketten, wie fie ein jeder 
tragen durfte. &olbene Ketten trug ber Abel, aber ber 
gewöhnliche Adliche nur eine von 200 Gulden Werth, 
Ritter eine für 300, Grafen und Herren eine für 500 
Gulden. 

Nach diefen allgemeinen Sägen, in welche ih nur 
Hin: und wieder einige Beweife aus alten Werken einmi⸗ 
{chen Fonnte, fol nun bier eine Reihe Nachrichten aus 
ältern Werken folgen; .bie Bewaffaung und Kleivung 
betreffend, woraus ſich theils Beftätigung des bereit Gr: 

zählten, theild aber auch noch manches Neue ergeben wird, 

Nicht allein die Waffenroͤcke waren, wie ich bereits 
bemerkt, wie eine Art Sad geftaltet und wurben über 
den Kopf geflulpt, fondern auch eine Art von Röden, 
welche die Ritter unter dem Harkifch trugen, hatte dieſelbe 
Geſtalt. Died ergiebt fih aus einer altveutfchen Erzaͤh⸗ 
lung, die freilich ein derber Schwank if. Diefe Räde 
bedeckten rundum, und von oben bis unten zu, auch ziem⸗ 


3. Abthell. Waffen und Kleidung: 245 


lich tief hinabgehend, gewiß bis über die Waden, "den Leib, 
etwa wit jegt noch die weſtphaͤliſchen und magdeburger 
Landleute, ſo wie Fuhrmaͤnner ein blaues oder ein weißes 
Hemde Don Leinewand über ihre Unterkleider ziehen. Der 
hoͤfliche Spaß, den fich ein Ritter machte, ber aber bes 
deutend unziemlich ausſchlug, aus dem biefe Kleidungsart 
beroorgeht, ift-fo: Ihn befuchte bei naßkaltem Wetter ein, 
fremder fahrender. Ritter, ben. eg wohl empfing, ein euer 
machen ließ. und fich mit ihm, Frau und Toͤchtern dazu 
feßte. Als das Feuer die Stube zu ſehr erwärmte, zog 
de? Wirth feinen Rod aus und bat den Saft, ein Gleis 
ches zu thun, der es aber dringend ‚ablehnte. Der Wirth 
bat noch mehr; neues und noch angelegentlicheres Verbitten, 
Da fagt der. Wirth feinen Knechten heimlich, - fie follen 
den Saft unvermuthet anpaden und ihm den Rod über 
ben Kopf mit Gewalt wegzieben; es geſchieht, und gur 
größten Schande ſteht der Gaſt num ohne Hemde uub 
ohne Beinkleider vor feinen Wirtben; er hatte nichts ans, 
deretz angehabt, als den Rock, und daher wohl Urfache, 
das Ausziehen zu verbitten. — Indeſſen giebt es aber 
auch noch eine andere Art, ſich in die enger anſchließenden 
Gewande zu huͤllen, welche wir oftmals in den alten Rit⸗ 
tergedichten unter der Benennung: in ein Gewand, in ein. 
Kleid naͤhen, finden. So z. B. im Wigolais V. 697 fr 


Sich’kleit der herre Gawein 

Mit wizzer (weißer) linwaete (Eeinwanb). 
Erin iuncfrouwe in do uaete 

In einen rock pfellin (Pelzrod‘) ; 

Mit einem pellez haermin (Hermelin⸗ ve 

Was.es gefurrieret (gefüttert). 


l 


246 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Sus (fo) wart er gerieret; 
Her Gawein was ein schone ‚man. 
Des selben pfelles leit er an _ 
Einen mantel, der was wit*). 


Im Ziturel finden wir ähnliche und in den Nibeluns 
gen mehrfach vergleichen Stellen. Dies Nähen bedeutet 
nun nichts anders als Schnüren. Knöpfe wurden bas 
mals wohl noch wenig geträgen; fie waren auch micht fo 
haltbar, wie die Ritter für fi wäünfchen mußten, indem’ 
bei ihren flarden Bewegungen fie leicht abfpringen konnten. 
Die, Kleider waren daher meiftentheild vorne ganz geſchloſ⸗ 
. fen, auf dem Rüden aber offen und hatten dort Schnür: 
Köcher, die durch eine feidene ſtarke Schnur mit einander 
verbunden und gehalten wurden. Da hierzu eine Schnürs 
Rabel gebraucht wurde, bie als Senkel gewiß unten an 
der Schnur befeftigt blieb, fo lag das Wort nähen fehr 
leicht bereit. Es beburften bie Ritter zum Aus⸗ und Ans 
Heiden daher auch faft immer fremder Hülfe, die ihnen 
Sungfrauen ober ihre Knappen gewährten. | 

In einer andern altveutfchen Erzählung, der Port 
genannt, finden wir die Schilderung einer Frau, welche 
als Ritter gelleidet ging, aus welcher hervorgeht, daß 
auch andere Ritter und Männer auf die Art, wie .fie be: 
ſchrieben wird, gegangen feyn müffen, da fonft ihre Tracht 
hätte auffallen Tönnen, und ihr Gefchlecht entdeckt worden 
wäre. Wir werben dadurch auf eine Tracht geleitet, über 
die etwas meitläuftiger gefpsochen werben muß. „Diefer 
Braueneitter führte einen Scharlach (d. h., wie wir ſchon 





*) Vergl. bie andern Stellen über Mäntel und been Weite. 


3. Abthell. Waffen und Kleidung. 247 


gefehen haben, einen Mantel von fcharlachnem Sammer 
oder Tuche), mit güldenen Borten aller Orten durchwirkt. 
Das darunter und daran gefegte Pelzwerk war Hermelin, 
und eine leuchtende Borte, die ihn umglürtete, gab lichten 
Glanz. (Alles Schilderungen, die wir bereits Eennen). 
Ein‘ löbliher Kranz zierte das blanke Haar. So mochte 
in ber Rittergefelfchaft — ſagt der Dichter — biefer weib⸗ 
liche Ritter dem beflen gleich erfcheinen.” Wir fehen alfo 
bier nicht allein eine Frau, fondern einen Mann, einen 
Ritter, denn dafür warb bie Frau doch gehalten, ber auf 


feinem Kopfe ein Kränzchen trägt, und finden biefe Sitte 


weit im Mittelalter, befonders in Deutfchland verbreitet, 
und fich durch viele Zahrhunderte ziehend. Diefe Kränze 
mögen verfchievene Seftälten gehabt haben, meift aber 
waren fie von Drath geflochten, "dichter ober-bünner, wie 
es die Sitte des Jahrhunderts nerlangte, mit gemachten 
Blumen, auch wohl zu Zeiten mit frifchen Blumen burdys 
flochten und mit Flittergold, undchtem Sefteine, Perlen, 
fo wie auch wieder mit dchtem Golde und dchten Steimen 
‚geziert und reich geſchmuͤckt. Solche Kränze finden wir 


nun bei Männern und. Frauen von fehr früher Zeit anz - 
fehon die Nibelungen und das Heldenbuch Ihren uns ihr . 


Dafeyn, fie gehen bis über die Mitte des fechözehnten 
Jahrhunderts, indem ich ſelbſt zwei Gemälde von Lukas 
Kranach befige, ein Mädchen und einen Knaben von 1529, 
welche beide ein Drathkraͤnzlein tragen, und eine Nachricht 
im Leben des Hand von Schweinichen zeigt ihren Gebrauch 
‚bei Juͤnglingen no im Jahre 1575,. Denn ald Herzog 
Heinrich den Kurfürflen «von ‚der, Pfalz in Heibelberg 





\ 


248 gweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


beſucht, ſchenkt der Kurfuͤrſt bei der Abreiſe dem Hans 
von Schweinichen und den andern Junkern, „einem jeden 
einen Kranz von Gold und Silber und einen Ring daran, 
welcher einer über 30 Thaler wuͤrdig.“ Ja Männer ſelbſt, 
nicht bloß Ebdelfnaben, befamen noch damals Kranze zum 
Geſchenk, denn (Bd. I. von Schweinichend Leben S. 399) 
als Herzog Heinrich mit Schweinichen aus Guͤſtrow fcheis 
ben will, beißt es: „Nach gehaltenem Tanze ſchicket die 
Frau Herzoginn meinem Herrn einen Perlenkranz und ein 
Kleinod daran, war uͤber 100 Thaler werth, und mir bei⸗ 
neben einen Kranz und Ring 18 Thaler wuͤrdig.“ Im 
Altdeutſchen heißt ein ſolcher Kranz Schapel, von dem 
franzäfifchen chapelet. Zuerft finden ‚wir ſolche Kränze, 
vote bereits erwähnt, fchon in ben Nibelungen. V. 2363 
heißt es, als Brunhilde und Chriemhild fich zuerſt freund⸗ 
lich empfangen, da Brunhild nad Worms kommt, Hereint 
mit. ihren Hofgefinden: 

+ Man fah da Schapel ruͤcken mit lichten Händen dann, 

b. h. fie umarmten ſich ſo freundlich und herzlich, daß bie 
“ Kränze auf ihrem Kopfe in Unordnung gerüdt wurden. — 
Ferner Nibel. 7450 ff. beweifet, daß auch ſchon damals 
Männer folche Kränzlein .trugen, und daß fi ie reich mit 
Steinen beſetzt waren: 

" Nun traget für die Roſen die Waffen in der Hand, 

"Kür Schapel wohl gefleinet-bie lichten Helme gut, 

Seit daß wir wohl erkennen ber argen Chriemhilde Muth. 
Auch die Rofenkränzlein, um die im Rofengartenlied des 
‚Heldenbuches im Rofengarten bei Worms gefämpft wird, 
find gerviß ſolche Kraͤnzlein gewefen, und bdiefer Kampf 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 29 


um Kraͤnze zeigt ebenfalls ihre Beliebtheit an. Daß 
Männer bei Frühlingöfeften Roſenkraͤnze trugen, geht aus 
der Sammlung ber Minnefinger Thl. 2. ‚©. 68. Sp. 1: 
hervor: 


Man darf auch niemand zeihen von Rofen Schapel ttagen, 
Man darf auch mein nicht warten, u 
Da fteht der grüne Klee, 

Roh fuhen in dem Garten 

Bei wohlgethanen Kinben, 

Ich fchwebe auf der See. 


So auch im Parzifal von Rinnem, bei Bargut. eines 
Feſtes, B. 23197: - 


Da ſtrich mancher Ritter wohl fein Haar, 
Darauf Blumen Schapel, 


Ehen fo im Triſtan des Gottfried v. Strasburg. . V. 10700: 


Atfo viel daß Zriftan 

Ihm felber davon nahm: 

Einen Gürtel der ihm recht am, 
Ein Schapel und ein Spängelein, 

Die ihm erwuͤnſcht mogten fein. 


Und in ber Fortfeßung des Zriflan von Zribert, V. 1176: 


Der Rod fi) an der Länge bot 

Richt weiter bis auf an die Knie; 
Deffeiben Tuches waren bie 

Hoſen, die der Knappe trug, ' . 

Roth feine Schuh und huͤbſch genug, 

Des Linden Laubes ein Schape! 
»Hatte auf feinem Haupt ber Knappe ſchnell 
Geſetzet jeher ſtolziglich. 


Zuletzt hier nur noch eine Stelle aus dem Ritter Vontus 
und Sidonia, einer alten Erzaͤhlung in ungebundener 
Rede, die ſich neu abgedruckt in dem Buche ber Viebe, 


250 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


herausſsgegeben von mir und v. d. Hagen findet, wo es fo 
heißt: „Die vorgenannten Zreien (welche fich in Begleitung 
des Königs von England fanden) waren alle gekleidet in 
Sammtröd’, die waren unterzogen (gefuttert) mit Dermes 
Iin und hatten auch fhöne Kränzlein auf mit Perlen 
unb Edelgeſteinen.“ So finden wir denn auch auf alten 
Bildern, Kupfern und Holzfchnitten, gar viele Ritter mit 
Kränzen in den Haaren, und im Weiskunig zum Beifpiel, 
zu welchem Hand Burgmaier bie zum Theil fchänen Holz= 
ſchnitte verfertigte, wird Marimilian meiſt immer, wenigs 
fiens in feiner frübern Jugend, mit einem. Kränzlein in 
den Haaren abgebildet. Wie gewöhnlich ſolche Kränzlein 
waren und daß fie oft aus Salvei und Raute geflochten 
wurben, gebt aus einer Stelle Horneks (in feinem Zeits 
buche Defterreich8) hervor, wo erzählt wirb, was wenige 
Stunden vor der Ermordung Kaiferd Albrecht gefchehen 
fey, indem ihn Johann (fein Neffe und, bald nad dieſem 
Ereigniß, fein Mörder) um Herausgabe feines Gutes wies 
berholt gemahnt hatte, heißt ed: „Albrecht, nichts weiter 
antwortend, feßte fih zu Zifhe. Der Mainzer (Bifchof) 
faß ihm zur Seite. Nun gefchah es, daß ein Junker mit 
dem Wafler, welches der Kaifer begehrt hatte, auch Kraͤnz⸗ 
lein brachte von Salvei und Rauten. Davon nahm der 
Kaifer mehre und ging, feine Gäfte damit bekraͤnzend, 
‚um ben Tiſch. Dem Neffen feste er den ſchoͤnſten auf, 
ließ ihm auch die beſten Stüde von Wildpret und Zifchen 
zeichen. -- I frübefter Zeit war dies Tragen ber Kraͤnz⸗ 
lein bei Frauen das Zeichen einer Jungfrau. Go heißt 
es 3. 8. in Pols Jahrbuͤchern der Stabt Breölau Bd. 1. 


3. Abthei. Waffen und’ Kleidung. 251 


die ich herausgegeben: „Im Jahre 977 ift zu Gneſen ver: 
ftorben die Herzogin, Dambrowfa, die zu Aufrichtung und 
Beförderung bed chriftlihen Glaubens in Pohlen und 
Schleſien viel geholfen. Im ihrem Eheſtande hat fie ihr 
Haupt nicht mit einer Haube oder Schleier bedeckt, fons 
bern wie eine- Jungfrau mit einem fchönen 
Kranze gezieret.“ 

Fur die Worte Schapel und Kranz wirb auch oft in 
ben Gedichten Gebäude gefagt, womit Borte gleichbes 
beutend genommen wird, ein Band, eine Borte, um ben 
Kopf gefchlagen, wodurch Haare und Flechten zufammens 
gehalten wurden. So Heißt e8 in ben Nibelungen 
V. 2289: 


Sechs und achtzig Brauen die ſah herfürgeh’n man, 

Die Gebäude trugen; zu Ehriemhilden bann 

Kamen bie viel ſchoͤnen und trugen reiche Kleid; 

Da kam auch wohl gezieret viel manche waiblidhe Maib, 

Zunfzig ımb viere, aus Burigundenland, 

Es waren auch bie beften, die man irgend fand, 

Den’n fah man gelbe Locken unter lichten Borten gehn. 
Befonderd geht aus V. 6622 der Nibelungen hervor, daß 
beides gleich war, obgleih dort nur Band fleht, bei 
dem aber allein die Vorſchlagſylbe Ge fehlt, und welches 
Wort fo mit Gebäude gleichbedeutend ift: 

Sie trugen auf ihrem Haupte von Golde lichte Banb, 

Das waren Schapel (Kränze) reihe, daß ihn’n ihre ſchoͤnes 

Doar 
3erführten nicht (nicht unorbentli machten) bie Winde 


Bismweilen unterfcheidet aber auch der Sprachgebrauch 
dad Wort Gebäude von der Bedeutung Kranz, und 
nimmt Gebäude bloß fük das um bie Haare gewunbene 


252 - Biwelter Abſchnitt. Nitterleben. 


Band, um biefe zuſammen zu halten, worüber banı 
noch eine Krone oder ein Kranz getragen wurde. Dafür 
fprechen zwei Stellen bes Triſtan. V. 4502 wird von 
Iſalde gefagt: 
Was ich von Gebäude 

J Jemals hoͤrte oder laß, 

Noch reicher ihr Gebaͤude was, 

Das ſie da trug, die Reine, 

Mit edelem Geſteine 

Gezieret und durchwirkt genug. 

Ihr Haupt eine Krone trug 

Ob dem Gebende. 
Und V. 3760 heißt es von derſelben Iſalde oder Mot, 
der Gemahlin des Koͤnigs Mark und der Geliebten 
Triſtans: 

Yſot alſo geſittet was, 

Und was ir ouch gezeme gnuec, 

Daz ſie ſtetes truc 

Ein vriſches Blumenkrenzelin 

uf dem gebende fibin. 

Da eben von Frauenbekleidung die Rede iſt, ſo moͤgen 
hier noch ein paar andere Stellen uͤber Frauentracht ihren 
Platz finden. Im Wigolais beſchreibt der Dichter, V. 
746 und folgende, die Tracht einer Jungfrau gar anmu⸗ 
thig: „Die edle Magd trug einen weiten Rod, von zweier: , 
lei Sammt, aber in gleihen Streifen gefehnitten, von 
grünem und rotbem Sammt, mit Gold geftidt und mit 
Hermelinpfellen durchweg "gefüttert. Darunter trug fie 
ein feined fchneeweißes Hemde von Seide, mit golbenen 
Naͤthen. Mit einem Gürtel hatte fie ihren Rod umfchlofs 
fen, ber fich zu folcher Meichheit ziemte Es war eine 


.3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 253 


Borte, mit eblem Geflein befegt, - Aus einem ſchoͤnen gruͤ⸗ 
nen. Smaragd war zur Seite eine Rinke Schnalle), anf 
ber von Gold ein Aar wohl erhaben gearbeitet, auf eine 
gefchmelztem Grunde. _ Was ald Spängel (Haken) daran 
bienen follte, waren Thiere, mit großem Zleiße non Gold 
gearbeitet. Zwiſchen die Edelfleine waren Perlen gemiſcht, 
und in der Mitte bed. Guͤrtels war ein Rubin, beffen 
Kraft, Anblid und Schein wirkten, daß ihr alles Leid, 
was fie nar fuͤhlte, verſchwand, wenn fie ihn anbHdte." 

In einer andern Befchreibung Heißt ed: „Der Rod, 
ben fe (die Markgräfin y. Brandenburg, Nichte König 
Dttofard von Böhmen, bei ihrer Vermählung zu Wien 
mit König Bela v. Ungarn). anhatte — erzählt Hornek 
beim Jahre 1261 — war ein Pfelel von Tyrant (Sei⸗ 
denftoff aus Tyrus); manch Zhierlein Hein wie ein Glaim 
(Gluͤhwuͤrmchen) war von arabiſchem Golbe auf das Pfels 
Tel gefireut, welches die Augen alfo blenbete, daß niemand 
lange auf den Rod der Markgräfin zu ſehen vermochte. 
Ihre vielen falben und krauſen Soden bedeckte ein ſchoͤnes 
Schapel, theurer geachtet, denn bie Koͤnigskrone von Eng⸗ 
land. Ihre Bruſt deckte eine Fürfpange, bie war pon 
ſolcher Meichheit, daß, werm man die Gewohnheit hätte, 
wie in Ungarn, wo Kleinodien und Jungfrauen⸗Gut nach 
Laͤnderwerth abgeſchaͤtzt werben, fo. hätte. man bie Fürs 
fpange der. Holdfeligen wohl zweien großen Landen gleich« 
fielen koͤnnen. Der Mantel: der Minniglihen war zu 
Nachſitz (2) gewirkt; er gab einen folchen Glanz und das 
Gold daran blinkte fo, daß es dem Auge faſt wehe that, 
auch waren mancherlei Bilder. vecht nach dem Leben. binz, 


254 - Swelter Abſchnut. Ritterleben. 


eingewoben, bie einen Eoflbaren Schein von ſich gaben. 
Darımter war federweißes Hermelin gefurret (gefüttert), 
und eine lange und nicht ſchmale Keifte, mit Perlen befest, 
woran auch mancher Epelftein lag, Tief daran’ hinunter. 
Schwarzbrauner Zobel fehimmerte um die blanke Weiße 
ihred Nadend. An ber Dünnung war fie mit einem 
Gurt umfangen, der an manchen goldenen Spangen 
reich war.“ 

Aus Ulrich von kichtenſtein Frauendienſt laͤßt ſich 
manche fuͤr Tracht, Waffe und Kleidung wichtige Stelle 
ausleſen, von denen hier einige folgen moͤgen. S. 37 
wuͤnſcht U. v. 2. unerkannt zu kaͤmpfen, und mit ihm 
follen 12 gleichgefleidete Knappen in einer Farbe fommen. 
Einfarbigfeit warb hierbei beſonders geſucht; denn danach 
ward ber Ritter zumeift bezeichnet: Es heißt num dort 
fo: „Dann begab ich mich heimlich in mein Gezelt, und 
von da rannte ih auf ben Berg, wo ich mein grünes 
Wappenfleib bereitet fand, mein Wappenrock und meine 
Dede (auf dem Pferbe naͤmlich) waren von grünen 
Sammt, und mein Schild und Helm waren grün, eben 
fo meine 12 Speere (welche die Knappen führten), meine 
Knechte waren grün und ihre Pferbe’' (alfo auch die Pferde 
der Anappen hatten Dedin, bier grüne). — Als er ©. 
40 von der Zubereitung zu einem Qurniere ſpricht, beißt 
es: „Sammt, Zobel, Pfelle, Hermin, Zendal fchnitt 
man freudig ohne Maßen viel zum Turnei, Silber und 
Bold wurde auf Zendal gelegt, mancher, der das nicht 
hatte, fehnitt Buckram (2), ieber ziemirte fich (feßte auf 
feinen Helm ein Zeichen), wie er wollte. Daraus geht 


3. Abtheil, Waffen und Kleidung ,» 255 


auch hervor, daß damals bie Helmzeichen noch Feinesweges 
fo beflimmt und fiber waren, wie in ben folgenden Jahrs 
hunderten, fo dag man zu jener Belt die Ritter daran 
noch nicht feft unterfcheiden und erfennen konnte. — Bie 
groß die Pracht oft war, lehrt ©. 41: „So waren fie 
auf das Feld gekommen, das von manchem lichten Ban: 


‚ner wonniglicy glänzte, man fah da viele leuchtende Speer 


und manchen Helm fchön ziemirt. Der Glanz ber Helme 
und Schilde leuchtete manchem fo in das Auge, baß er 
kaum fehen mochte; die Ziemir und Wappenfleiber fchies 
nen mit der Sonne zu flreiten.” — As U. v. 2. ben 
fonderbaren,, doc) gewiß damaliger Zeit nicht auffalenden 
Gedanken faßte, als Königin Frau Venus verkleidet und 
dabei gerüftet, die Lande zu durchziehen unb einem jeden, 
der Kampf begehrte, ein Lanzenrennen zu gewähren, fo 


erzählt er (S. 84) Folgendes, wie er ſich dazu bereitet: 


_ 


„Ich kam bald nach Venedig, wo ich Herberge nahm, 
ferne von den Leuten, daß mich niemand dort erkennen 
ſollte. Hier lag ich den Winter und ließ mir Frauenklei⸗ 
der fchneiden, zwölf Rödel wurden mir bereitet und breis 
fig Frauen Ermel an Meinen Hemden, bazu gewann ich 
zween Zöpfe, die ich mit Perlen wohl bewand, deren da 
wunderviele feil waren. Man fchnitt mir auch drei weiße 
Mäntel von Sammt; die Sättel waren filberweiß, an bie 
der Meifter große Mühfamkeit mit Arbeit legte, darüber 
Deden von weißem Tuche, lang und meiſterlich, auch 
waren die Zaͤume koͤſtlich. Zür 12 Knappen Tchnitt man 
von weißem Zuche guted Gewand, man machte mir auch 
hundert filberweiße Speere, alles, was bie Meinen führten, 


2356 , 3Zwreitet Abſchnitt. Ritterleben. 


war weiß wie Schnee, mein Helm war weiß und weiß 
mein Schild, aus fuͤnf Stuͤcken weißem Sammt ließ ich 
mir drei Decken ſchneiden zu Wappenkleiden auf meinem 
Roſſe, mein Wappenrock mußte ein wohl gefaltenes Roͤck⸗ 
lein ſeyn, von feinem weißen Tuche.“ Wie er nun den 
Brief abfaßt, den er in die verſchiedenen Lande ſchickt, 
wie er ſelbſt darauf kuͤhnmuthig umherzieht, das werben 
wir in der Abtheilung von den Ritterzuͤgen naͤher erfahren. 
Eben fo, wie er ſonſt ſeinen Zug anſtellt, und in wie 
reichem Aufzuge er erſcheint; nur bier noch die Kleidung 
(8. 87) „Hierauf folgte ich felbft zu Pferde, in einem 
gut gefchnittenen Kappenmantel (wahrfcheinlich ein 
großer Mantel, woran hinten eine Kappe war, bie über 
ben Kopf gezogen werden konnte, vermuthlich daffelbe; 
was auch in andern Gedichten, 3. B. im Triſtan, Reiſe⸗ 
fappe genannt wird), ber yon weißem Sammt war, ich 
führte einen klaren Hut,, mit weißen Perlen befireut, 
zween braune, große. und lange Zöpfe ſchwankten mir 
uͤber meinen Gürtel, bie waren auch mit Perlen bewuns 
ben, dann trug ich ein Rödlein, wie feine Frau nie ein 
beffered gewann (man muß fich hierbei erinnern, baß er 
als Frau gekleidet ritt); ich ‚führte ein blanke Hemde, 
fo lang als dad Rödlein, daran zween Frauen: Ermel, 
auch feidene Handſchuh.“ 

.Die Befchreibung ©. 89, wie Graf Meinhard v. Goͤrz 
gekleidet war, ald er der Frau Königin Venus entgegen 
ritt, um mit ihre zwei Speere zu brechen, lautet belehrend 
fo: „Mit Freude wappnete ſich der Graf, er ward ritters 
lich gezimirt, fein. Wappenkleid war koͤſtlich, ſein Helm 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 257 


war licht von Gold und hart wie ein Adamas, um den 
war von Federn ein Kranz, an den Febern hingen . 
viele Silberblaͤtter; der Schild war gehalbirt, das Ober: 
theil war blau, wie ein lichter Saphir, ‘darauf mar von 
Gold ein gefrönter Leu geſchlagen, deß Krone von edlen 
Steinen voll war (dad Dafeyn edler Steine an Schilden 
beweifend). Das Untertheil glänzte von Roth, Weiß, von 
Hermelin war zu acht Stüden meifterlich gefchnitten, auch 
war barauf mit Borten Weiß, Roth, Blau, Gold wohl 
ausgenommen. (Schon ‚oben bemerkte ih, daß zum 
Schmucke ver Schilde vielfach Pelzwerk genommen warb, 
verbunden mit Borten und Seide) Sein Wappenrod 
und feine Dede waren von grünem Sammt, darauf waren 
Schilde geflreut, feine Speere waren grün wie Klee; er 
fuͤhrte einen glänzenden Gürtel und Heftelein (die Spange, 
welche den Mantel ‚vorne zufammenhält), ' fein Halsberg 
und feine Hofen. glänzten von blankem Stahl, an bei 
Beinen trug er zwei goldene Sporen. Ih, — fährt 
Uri von Lichtenſtein von fich felbft fort, — war auch 
bereit in meinem weißen Wappenfleive, mein Helm war 
auch gekrönt mit einer glänzenden Krone, meine langen 
Zoͤpfe ſchwankten auf dem Sattel, ein Netz von Perlen 
war ihr .Dach, wodurch ſie ſchienen; ich führte ein weißes 
Roͤckel, in welches Frauen mit großem Fleiß. die Zalten 
gelegt. hatten, mein Ghrtel war breier Finger breit und 
mit Gold befchlagen, ein koͤſtlich Heftlein von Gold führt? 
ich dorn am meiner Bruſt. Ich ritt ein fehnelles Ros, 
bad war mit weißem Harniſch verbedt, ‘die Dede war 
Yang und weit und wmeiflerlich gefchnitten, mein Schild 
47 


258 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


war ſilberfarb, meine Speere waren weiß, und leuchtend 
mein Harniſch.“ As nun Ulrich v. 2. mit Meinhard m. 
Goͤrz und einem andern Ritter zu Tervis (Treviſo) ein 
Lanzengennen beſtanden, erſchienen am andern Morgen 
wohl 200 Frauen, um zu erfahren, wann er, bie Kun 
gin Venus, in bie Kirche gehen würde: „Da ich das 
- hörte, legte ich ſchnell Kleider an meinen Leib, - wie eis 
‚ werthes Weib wohl mit Ehren tragen mag. Ein Heine 
blantes Hemde, zu Maßen lang, daran zwei fchöne Aer⸗ 
mel waren, barnad ein Rörel, das mar Hein und weiß 
wie ein Schwan, unb einen weißen Mantel von Sams, 
“ darin von Golde manch fchönes Thier gewirkt war. - Meine 
Haube war.auch gut, aus ber meine Böpfe hingen, bie 
zum Theil mit Perlen bewunden waren, mit einem .guhgn 
Rieſen verband ich mich, damit Niemand etwas von mir 
fehen follte, als nur meine Augen. ' (Riefen wor ein 
Tuch, oder eine Binde, welche die Frauen um ben Mand 
und zum Theil gar bis über die Nafe legten, theils wohl 
zum Schuß gegen Kälte, theild zur Verſchleierung des 
größten Theils des Geſichts. Bei. Gemälden und Denk: 
mählern deuten folhe Binden, bie bis and 17. Jahrhun⸗ 
bert ſich hinziehen, an, daß die Frauen verflorben; dies 
jenigen, welche noch lebten, ala bad Bil) gemacht ward, 
find ohne eine ſolche Binde) Ich feste einen Pfaunenhut 
auf, zween Handſchuh trug ich an meinen Händen, und 
fo ging ich in hohem Muthe hin, wo mich mancher rathe 
Mund mit Gruß empfing, fie fprachen: Gott willen, 
Königin Venus! 


Einen Beweis, wie bie Waffen erfi beim nabenhen 


. f ® 
\ 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 259 


Kampfe genommen wurden, liefert S. 9: „Bor einem 
wunniglihen Foreis (forets, Gehöl;) wartete mein der 
Graf. von Görz mit mandem Manne, 12 fah ich unter. 
Helmen; da fpra ich zu den Meinen: ich fehe hier Rit⸗ 
"ter, bie Zioftirens begehren. Gleich ſaß ich auf mein Ros 
und vergaß ded Schildes nicht, den Heim band id zu 
Haupt und nahm ein Speer in die Hand.“ Als Ulrich 
einige Speere zerbrochen, zieht ex fih zuruck, um andern 
den Kampfplatz zu lafien, und fagt: „ish band meinen 
Helm ab;“ das fruͤher ſchon erwaͤhnte Zeichen, nicht mehr 
zu kaͤmpfen. — Wie wunderliche Kleidungen oft die Nit⸗ 
ter waͤhlten, geht auch noch aus Ulrichs v. L. Zug als 
Frau Koͤnigin Venus hervor, indem er (©. 102) erzählt, 
wie gegen ihn Fam „auch Herr Zashend von SHimelberg, 
weit von feinem Geſang befannt, der hatte ein Moͤnchs⸗ 
Heid über feinen Harnifch gezogen (bad biente ihm alfo 
als Waffenrock), eine ſchwarze Kappe, und hatte auf ſei⸗ 
nem. Helm ein Haar, dem mar eins Platte gefchoren. 
Er hatte einen theuren Eid gethan, daB er die Königin 
niederfiechen wolle. Dabei mochte body wohl dem Ulrich 
nicht. gut zu Muthe werden; benn er vermied ben Kampf, 
da er, als Zacheus gegen ihn auftritt, fich dem Helm ab» 
nehmen ließ und ihm zu fagen befahl: „Da er Moͤnchs⸗ 
Heid anbabe und auh Moͤnch flatt Ritter feyn wollte, fo 
wollte mit ihm die Königin (der Liebe) nicht Ritterſchaft 
pflegen.” Nachher wird er durch Zureden der Ritter, doch 
zum Kampfe vermocht, und da Ulrich, dem Zacheus von 
Herzen gram war, flicht er ihm fo derb vom Pferde, daß 
ee finnlos auf der Erde liegen blieb. | 
17* 


260 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Eine Nachricht in UL. v. &. (S. 106) führt uns auf 
eine Tracht, die wir oben nur beiläufig berührt haben, 
da fich Feine paſſende Gelegengeit dazu darbot, obgleich 
fie wichtig ift und eine lange Zeit hindurch allgemein war. 
Die ganze Stelle lautet: „Da kam auf dem Zelde wahl 
gezimirt gegen mich ein biedrer Mann, Herr Ilfung von 
Scheuflich, der immer nad) Ehren und Ritteränamen rang 5 
er führte wohl fünfhundert Schellen an fid, fein 
Ros fprang in Fleinen Sprüngen, laut erflang fein Zimir, 
Sol und Silber war auf rothen ımb grünen Zendal ges 
fhlegen und glänzte fo licht, bag um ben Rhein Fein 
Mann ſchoͤner gezimirt war, ald mein Landsmann. Er 
führte in feiner Hand ein Speer, daran viel kleiner 
Schellen hingen Schon in ben fruͤheſten Zeiten findet 
man bad Tragen der Schellen, : welches immer alß ‚ein 
Zeichen der Pracht angefehen ward. Gehen wir in frühefte 
Zeiten zurüd, fo trug bereitd Aaron bei. den. Jöraeliten . 


Schellen, und bei diefem Volke blieben fie die Prumktracht 


des Hohen: Priefters, der Frauen, Sundfrauen und Knaben; 
bie Perferkönige trugen fie auch, und die Schilde griechi= 
ſcher Helden waren, ſchon nad Aeſchylus, damit befekt. 
An Deutfchland nimmt man gewöhnlich an, daß erfi im 
44. und hauptfächli im 45. Jahrhundert dieſe Tracht im 
Gebrauch gewefen fey, aber dagegen. flreitet nicht allein 
biefe Stelle in bem Frauendienft des Ulrich von Kichtens 
fein, fondern auch mehre andre, aus denen hervorgeht, 
baß dieſe Tracht ſchon im 12. und 13. Jahrh. im Gebrauch 
war; und daß bie Zahl der Schellen, die man. anlegte, 


‚nicht Blein war, lehrt uns bie eben angegebene Zahl, nach 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 261 


per „wohl fünfhundert Schellen” an ber ganzen Ruͤſtung 
waren. Beſonders wurden auch Schellen an dem Riem: 
zeuge ber Pferde gebraucht, vornehmlid an ben Riemen, 
die von beiden Seiten des Satteld vorn um ben Bug des 
Pferdes gehen und zur flärtern Befefligung des Gatteld 
dienen, der bei jebem Lanzenrennen recht feft liegen mußte, 
wenn er nicht den Ritter mit zum unvermeiblihen Sturze 
geißen wollte. Kolgende Stellen gehören hieher, Nibel. 
1609: 


Ihre Sättel wohl gefteinet, ihre Vorbuge fhmal, 
(Bor s oder Für: Buge finb die Sattelriemen um ben Bug) 
Daran hingen Schellen von lichtem Golde roth. 


Gleiche Bedeutung hat V. 5226: 


auf den Wegen kam gerannt 
Mit klingenden Bäumen, manche Pferde wohlgethan. 


Die klingenden Zaͤume waren ſolche, die auch mit Schellen 


befegt waren. Im Parzifal iſt V. 8536 hieher gehoͤrig: 


Sein Ros über Hohe Stauden fprang, 
Manch gülbene Schelle dran erklang 
Auf ber Dede und an dem Mann, 

Nach ©. 110. des Brauendienftes, kommt dem ulrich 
von Lichtenſtein ein anderer Ritter, auch als Frau geklei⸗ 
det, entgegen, um mit ihm eine Lanze zu brechen. Dort 
heißt es nun, was hieher gehoͤrt: „Da wappnete ſich der 
biedere Mann in einen leuchtenden Harniſch, fein Helm 
glaͤnzte, auf dem war. ein weiter Ring gemacht, und koͤſt⸗ 
liche Oprringe hingen vom Helme herab, er führte zween 
blanke Zöpfe, deren Länge auf dem Sattel. ſchwankte, er 
hatte eine Godehfen an, das ift ein windiſches Weiber⸗ 


[4 


262 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Heid; fein Schild war koͤſtlich blau, und Schapel waren 
bie und da wonniglih barauf geftreut, fein Ros war 
fhön verdedt mit blauem Zendal, die Dede war voll 
Schapel geftreut, die leuchteten von allen Blumen, die 
nur des Maien Zeit giebt, er führte ein großed Speer, 
ganz mit Blumen umwunden.“ — © (5. 122) „Nah 
ihnen ritt der biedere Thumvogt, er trug einen Mantel 
von Scharlah, einen Hut von Pfaufedern, koͤſtlich mit 
Perlen geziert, fein’ Rod war von einem grünen Pfelle, 
manched Thier von Gold barein geftidt, welches glänzte, 
an feinen Beinen hatte er zwei fhwarze Hoſen.“ — Ein 
andermal reitet (S. 125) Ulrih von Lichtenftein auf fol- 
gende Weife, wie" er felbft fagt: "ich warb wohl ge: 
wappnet; tiber ben Harnifch legte ich ein weißes gefaltenes 
Nödelein, daruͤber gürtete ich einen Gürtel, dreier Singer 
breif, vor bie Vruſt fiedte ich ein fpannbreites Heftelein, 
einen &chleier legte ich auf das Haupt; mein Schleier 
verdedte mein Antlitz ganz, doch konnte ich fehr gut da⸗ 
durch ſehen.“ in Ritter, der ihm entgegen kommt, (5. 
126) „führte einen Bufh von Pfauenfedern auf feinem 
Helm, ellenhoch, ſein Wappenrod war von einem tothen 
Sammt gefchnitten, mit fchönen Eidyenblättern durchwirkt, 
fo gefärbt war auch feine Dede. Sein Schild war nies 
derthalben Gold, das Obertheil war von Pelz mannigfach, 
fein Ros war ſchnell, ſtark und gut.” Wie die Helme 
feftgebunden wurden geht aus ©. 129 des Frauendienſtes 
hervor, indem Ulrich von feinem Helme’ fagt: „den ich 
mit feibenen Schnüren feftgebunden hatte.” — Daß die 
Frauen, wenigftens zur Pracht,‘ lauge fchleppende Kleider 


% 


3. Abthell, Waffen und Kleidung. 263 


frügen, bemweifet ©. 135 des Frauendienſtes: „Der Wirth 
und feine Hausfrau gingen mir entgegen’ und viele Frauen 
folgten ihnen eine Stiege herab, ‚deren Kleider fielen man 
heit Fall ab der Stiege nach dem Tritte." 

Bir haben ſchon oben gefehen, wie Ulrich von Lich: 


tenflein von Srauenärmeln fpricht, und nach einer-Stelle _ 


müffen dies eine Art Ueberdrmel gewefen feyn, die man 
aber nicht über die Arme zog, fondern, wie noch bei pol: 
nifhen Srauens und Männertrachten, hinter dem Arme 
frei fchweben Tieß, indem fie zwar die Schulter bebedten, 
aber in ber Gegend des Ellenbogens, gegen vorn zu, 
burchfchligt waren, woburch man die Arme fledte, hinter 
denen alsdann die Aermel frei niederhingen. Es heißt 
nämlich (S. 136): „den fliegenden Ermel von dem 
Roͤcklein warf ich über mein Antlig, wodurch ich doch fehr 
gut ſah“ (er muß daher aus einem bünnen und leichten 
Zeuge gemacht gewefen feyn). Aber auch Männer trus 
gen folche lange Aermel, die oft fehr reich waren, beſon⸗ 
ders mit koſtbarem Pelzwerk befebt. Dies geht aus Dito: 
far v. Horneks Zeitbuch hervor, worin ein Schwabe, Herr 
v. Wangenberg, fagt: „Herzögen Albrecht muͤſte ja fein 


Gut reuen, das er jährlich an mich verthut. Die Defters j 
reicher beneiben mich fo fhon, wenn ich fo reite, fchars 


lachene (vergl. oben die Farben), auf die Schuh han⸗ 
gende Ermel trage, und fluchen dem Herzog, daß die 
Ermel fogar mit Hermelin unterzogen find, Die Ermel 
koſten manch Pfund, blog an Vehwerk fo viel, ald drei 


‚anderer Ritter Mantel an Zutter.” Zu bereitd im Allger 


meinen . Berhhrtem iſt auch folgende Stelle beweiſend: 





264 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


„Nach dem Banner (als Ulrich von Lichtenſtein zum Tur⸗ 
nier zu Neunburg ritt) fuͤhrte man meinen Helm, ſo licht 
als ein Schwert (alſo von Stahl hell aufgeputzt), darauf 
war ein Wele, (Qwehle, Zwehle, d. i. ein Tuch) von 
Gold mit guten ſeidenen Schnuͤren gebunden, die Wele 
war wohl gefalten und jegliche Falte blaͤttervoll und jedes 
Blatt von Golde. Dabei fuͤhrte man meinen Schild, der 
war weiß von Haͤrmin dadurch zwo Bar (Balken, Strei⸗ 
fen) von ſchwarzem Zobel geſchnitten, darauf ein koͤſtlicher 
Buckel, deßen Riemen waren gute ſeidene Borten. Mein 
Ros ging mit Scharlach verdeckt, die Decke war lang und 
weit und mit reichen goldenen Borten gegattert, von Sil⸗ 
ber waren viele Roſen darauf geſchlagen, die Dede war 
mit gelbem Zendal (Zindeltaffent) gefuttert."‘ 
Nachdem Ulrih von Lichtenftein einige Zeit gerubt 
hat, macht er wieber einen neuen Zug, als König Artus, 
der vom Paradiefe kommt, um die Ritterfchaft ver Zafels 
runde von neuem berzuitelen. Wer drei Speere, ohne 
zu fehlen, auf ihm verfticht, erhält einen Namen von 
einem Zafelrunder. Da tritt nun noch manches Wichtige 
für die BVefchreibung der Waffen und Kleidung ein, ©. 
229: „Auch legte ich einen Halöberg an, von feſtem 
leuchtenden Stahl, feharlachroth war mein Wappenrod 
(die höchfte Ritters⸗ und Königs» Farbe) mit einem gelben 
Zendal gefurret (gefuttert), feine Länge ſchwang bis auf 


‚ bie Erde (ein Beweis von ber Übermächtigen Länge ber 


Wappenröde, die auf alten Siegeln oft fo auffalend und 
kaum möglich erfcheint, da man glauben follte, biefe fals 
tige, wallende und flatternde Kleidung imüffe bem Ritter 


\ 








3. Abthell. Waffen und Kleidung. 25 ° 


hinderlich geweſen feyn), über den Knieen war er mit 
Borten gezegelt (geſchmuͤckt) und meiſterlich gegattert; 
über dem Waffenrock führte ih einen Gürtel, deß Borte 
wer grün und mit Gold befchlagen, an meiner Bruft fah 
man ein koͤſtlich Heftlein von Gold. Da zug man mir 
mein Rod her, dad war wohl verbedit mit Scharlach, die 
Dede reichte bis auf den Huf, fie war dem Wappenrock 
gleich gefuttert und mit Borten reich gegattert. Ich ſaß 
auf das Ros und band den Heim zu Haupte, ber war 
mit einer goldenen Wele (d. i. mie ſchon oben bemerkt, ' 
ein zufammengefoltenes Tuch) gezimirt, um die ging ein 
Kranz von Scharlach, die Zegel (Enden, Zipfel) ſchwank⸗ 
ten bis auf die Fenſter (des Helms ndmlich; bi auf das 
Viſier). Dann nahm ih den Schild zu Halfe, er war ' 
dem Wappenrocke gleih von Scharlach und reich mit Bor⸗ 
ten gegattert, er hing vol Schellen, bie lauten Klang 
von fich gaben.“ — Bon einem andern Ritter, Chabolt 
Waiſe, wird ©. 244 erzählt: „fein Helm leuchtefe, um 
den war ein weiter Kranz von dreizehn Federn, daran 

viel Siberblätter hingen, -fein Schild war ſchwarz, dar⸗ 
auf ein filberner Leu, deß Krone von Gold war und mit 
eblem Gefteine geziert, fein Wappenrod war ein kohlen⸗ 
fhwarzer Sammt, darauf waren viel filberne Löwen ges 
freut, eben fo gefärbt war die Dede, an feinem Speer 
hing ein Banner (auch davon fprach ich fehon oben), das 
war wie fein Schild. — Im Haufe gingen bie Ritter 
meift ſehr einfach, befonders, wenn fie eben erſt aus 
dem Bette aufgeflanden, wie uns 3. B. Ulrich von Lichs 
tenflein (©. 263) bei ſeiner Gefangennehmung, bie in 


266 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


das Jahr 1268 fällt, erzählt: „ich ſtand auf und ging 
freundlich zu ihnenz zwei Hoſen hatte ich angelegt, lin⸗ 
nene Kleid und Chürfen, (ein Wamms, weldes mit Pelz 
gefüttert oder wenigſtens gebrämt war) und Mantel." In 
Hinſicht der Chürfe, die auch Kurfit, Kürfit Heißt, iſt 
ed noch zweifelhaft, wie fie eigentlich gemacht war; denn 
ald U. v. 2. gefangen genommen wurde, winden fie ihm 
Ehürfe und Mantel um ben Hals und_ziehen ihn fo fort; 
indeffen iſt die größte WBahrfcheinlichkeit "dafür, daß dies 
Kurfit mit einem kurzen Waffenrocke nicht allein Aehnlich⸗ 
keit hatte, fondern ihm gleich zu erachten war. 

Died wäre nun die Sammlung beffen, was uns ber 
Frauenbienſt des "Ulrich von Lichtenftein über Waffen und 
Kleidung erzählt, und worin meift, alled berührt ift, was 
ih oben im Allgemeinen angab, und das dadurch näher 
erfiärt wird. Neben fo großer Pracht herrfchte auch wie: 
- ber große Armuth, und gerade aus dem Baterlande bes 
Ulrich von Lichtenflein, deſſen reiche Pracht fo eben in 
mehren Beifpielen erwähnt worden, erzählt die Sage: daß 
auf ihrer alten Stammfeſte in Steiermark 7 Gebrüder 
Herberftein faßen, die fo arm waren, daß fie zufammen 
nur eine Hofe hatten, und 9 Fräulein v. Herberftein 
trugen bei ihrer Vermählung , eine nad) ber enden, den 
felben Mantel, | 

Wie damals auc die Landleute gingen und fih ber 
trugen, ſtolz, hochmüthig, reich gekleidet, geht aus einer 
Stelle des Reithart hervor, und man fieht, daß, in einz 
zelnen Gegenden wenigftens, die Bauern Feineswegs Leibs 
eigene und unglüdliche Unterbrüdte waren. Diefe Stelle 


‚3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 267 


anzuführen, wird hier wohl der rechte Ort feyn. Neithart, _ 
ein Meifterfinger und zugleich Hofnarr oder Lufligmacher 
bei dem Herzoge von Defterreich, meiftentheild ein plums 
per, zotiger Gefelle, fagt und Folgendes von den Banern 
um Wien: „fie trugen langes, gelodteö, reides (blondes) 
Haar, das fie allnaͤchtig forgfältig in bie Haube verfchlofs 
fen und am Zage mit reichen Gugeln (Kappen) bedediten, 
die innerhald gefchnürt, außerhalb mit feidenen Vögeln 
benäht waren, und wozu manch Bändchen bie Finger. ges 
rührt hatte, Seide oder Zuch aus welfchen Landen warb 
gar oft getragen, um fich damit ben Hofleuten gleich zu 
ſtellen. Mit fogenannten Troien oder‘ Oberkleidern, mit 
aufgefchligten Aermeln, Halstraufen zweier Spannen - 
breit, die Gürtel hoch getragen, wie bie flogen Meisner - 
thun, Schuhe mit rothem Leder, daran Tſchappel (Kränze) 
- find genäht, mit Bilden vor ben Knieen, dazu ein breites 
Schwerdt und eine Kneipe (ein Mefler), fo kamen fie zum - 
Tanze.“ — 

Einzelne Säge aus ‘andern Gebichten find oben ans 
geführt worden, eine gleichlaufende Mufterung durch alle 
Gedichte würde nur ermüden und in ihren Wiederholungen 
langweilig werben. — . 

Was no die Schuhe aubetrift, fo trug man fie . 
fehr fonderbar, intem man Schnabelfchuhe hatte, die nad) 
Verſchiedenheit des Standes anderthalb, zwei bis dritt: 
halb Fuß lang waren, und an ihrer emporſteigenden 
Spitze mit — Schellen verſehen wurden. Von dieſer 
Laͤnge der Schuhe will man den ſprichwoͤrtlichen Ausdruck: 
auf einem großen Fuße leben, ableiten. — Was die Stiefel 


268 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. | 


anbetrifft, fo finden fih auch barin mancherlei Sitten. 
4362 erwähnte 3. B. die limburgiſche Chronik Stiefeln, 
welche „hatten oben roth Leber und waren verbauen (aufs 
geſchlitzt), und die langen 2eberfen (Stiefel) mit Langen 
Schnäbeln gingen an. Zum Schluß biefer Abtheilung 
mögen bier noch einige Mittheilungen aus ben fortfchreis ‘ 
tenden Jahrhunderten folgen. 

Die Iimburgifhe Chronik enthält viele Züge, 
welche eine Befchreibung der beutfchen Ritterwaffen zu 
einer beftimmten Zeit des Mittelalters liefern und von 
manchen bamit vorgegangenen Veränderungen ſprechen. 
Davon einiges, fo weit es nicht unverſtaͤndlich geworben: 
„In derfelben Zeit Cum das Jahr 1351) und manch Jahre 
nachher, da waren bie Waffen als nachher gefchrieben 
fiehet. Ein jeglih guter Mann, Fuͤrſt, Graf, Her, 
Ritter und Knecht, bie waren gewappnet mit Platten 
(d. i. mit Eifenblechen, aus denen bie Panzer gemacht ' 
wurden; daher Eommt das Handwerk der Plattner, bie 
folche Harnifche verfertigten), und auch die Bürger mit ihren 
Wappenröden daran über, zu fllrmen und zu flreitem, 
mit Schoffen (blechernen Hofen) und Leibeiffen (eifers 
ner Rüftung, die den Leib bevedte), das zu der Platte 
gehörte, mit ihren getrönten Helmen, barımter hatten 
fie Pleine Bundhauben. Und führte man ihnen ihr 
Schild und Tartſche nah und auch ihre Slene 
(Steve, Lanze). . Und den gefrönten Helm führte man 
ihnen nach auf ihren Globen (dies Wort ift fehr undeuts 
li; von ben vielen Bedeutungen, die das Wort Kloben 
‚bat, ſcheint Feine hieher zu gehören, und man muß fih 


3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 269 


daher nach andein umſehen. Wahrſcheinlich iſt mir, daß 
Handſchuhe darunter gemeint ſind, welche noch im Eng⸗ 
tiſchen Gloves heißen.) Und führten. fie an ihren Beinen 
Streihhofen (enganliegende Hofen) und daruͤber große 
weite Lerfen (Stiefe). Auch führten fie Beinge- 
wand, bad war vorne von Leder gemächt, alfo Armileder, 
oder alfo von Syred geftipt (von Seide gefleppt) und 
eifen Bödlein Ceiferne Beer, eiferme Schafen) vor ben 
Knieen. Da. wurben. bie reiſigen Leute (das heißt bie, 
welche zu einem Reiter auögerüftet find, die einen "Reiter 
abgeben) geachtet an hundert, zweihunbert und mehr ges 
kroͤnter Helme.” — „In biefer Zeit vergingen die Pläts 
ten wieber in biefen Landen (d. h. alfo die Harniſche, bie 
aus einzelnen Platten gemacht waren), und’ die reiſigen 
Leute, Herren, Ritter, Knechte und Bürger bie-führten 
alle Schauben (eine Art Mantel und baher hier ein 
mantelartiger Wappenrock) Panzer und Hauben (Pils 
kelhauben). Da achtete man reiſige Leute afo: an huns 
dert ober zweihunbert mit. Hauben. Die Manierung 
(die. Sitte, Art und Weife) von den Schauben hatte bes 
ſcheidene Länge, und die Anne waren eined Theils einer 
Spannen von der Achſel oder zweier Spann, und eines 
Theils Hatte nicht. mehr, denn da man bie Arte anſtoßet 
(d. h. alfo einige Hatten breite Achſelſtucke, zwifchen Rod 
und Aermel, anbere nur fchmale), und hatten feidene 
Quaſten nieberhangen, das war freudig. Die Unterwammö 
hatten enge Arm (Xermel) und in dem Gewerb (das heigt 
wahrfcheinlich in der Armbeugung) waren fie benäht und 
beheftet mit Städen von Panzer, das nannte man Ruß⸗ 


G 


270 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


eiſen.“ — „Im Jahre 1889 fuͤhrten Ritter und Knechte, 
Bürger und reiſige Leute Bruſt und glatt Beinge wand, 
zu flürmen und zu ſtreiten, und feine Zartfhen und 
Schild mehr, alfo, daß man unter hundert Rittern und | 
Knechten nicht einen fand, der eine Zartfchen oder Schild 
hatte." (Wie ich dieſe Stelle ſchon oben zum Theil ans 
gefuͤhrt habe.) 

Nah den Kreuzzuͤgen kamen beſonders die großen | 
und weiten Mäntel auf, wie fie die Vornehmen am grie: 
chiſchen Hofe und die Großen. des Morgenlandes trugen, 
Man naunte ſie Hoiken. Indeſſen blieben doch wohl 
bie kuͤrzern Waͤmſer und. Wappenroͤcke mehr herrſchend, 
vorzuͤglich in Kaͤmpfen und Turvieren. Als z. B. Hein⸗ 
rich non Lancaſter 1399 ſiegreich in London einritt, wie 
Froiſſart erzählt, ſo trug er nach deutſcher Sitte einen 
kurzen Waffenrock von Holhſtoff; bei dem bald darauf fols 
genden Aufzuge aber hatten alle Deren und Ritter weite 
(oder wie naltdeutſche Gedichte es Wadtneten: : “fe 
Praptmöntel, gefättert, mit. Delgmerl. . 

Goͤtz von Berlichingen giebt uns -mur: wenig Nach⸗ 
richten von feiner Kleidung. Das Wenige, mas ex davon 
fagt., werde ich bier kurz zuſammenſtellen. Die Geſchichte, 
wie er einen Poladen, „ber fein Haar. mit Seen gepicht“, 
beim Auffpringen vom Sitze neben ibm „mit einem gros 
Ben welſchen Rocke,“ das Haar · etwas zerzauſet, habe ich 
ſchon oben erzaͤhlt, und Bier iſt nur die Erwaͤhnung dieſer 
beiden Arten, ſich zu tragen, von Wichtigkeit. Daß die 
Männer auch Mäntel trugen, welche „Schauben“ genannt 
wurden , eigentlich eine Weibertracht, indem ſie auch bei 





3. Abel. Waffen. und Kleidung, 271 


den Frauen laͤnger als hei den Maͤnnern waren, haben 
wir ſchon aus oben angeführter - Stelle geſehen. Auch 
Goͤtz von Berlichingen erzählt ©..20: ber Markgraf habe 
ihm „eine. fammete Schaube, die war mit, Marder und 
Zobel gefüttert,’ verſprochen. Dieſe Schanben "waren hei 
fchneltem Bichen des Degens oft hinderlih, wie ed. ©. 22 
heißt: „und als der Zeiffolfen von feiner -Schauben (feiner | 
Schauben wegen) mit ber Wehr nit nachher kunt kommen“ 
(mit dem. Degen nicht konnte gleich nachlommen). Wie . 
fih Kaiſer Naximilian I zu Zeiten trug, erzaͤhlt uns Goͤtz 
v. 8. S. 27: „und fligß..der, Kaiſer in ber Nacht -augh 
zu: und, ber. bat. ein. kleines, grünes, altes Rödlein an 
und ein gruͤnes Stutzkapplein und einen großen ‚grünen 
Hut daruͤber, baf ihn einer für- einen „Koifer- gefangen 
ober angefehen hätt’. : (E8 fcheint wohl eipe- tyroler 
Tracht goweſen zu ſeyn,in welcher ber Kaiſerſich damals 
zeigte) — 

Goes, vr, wichtigſien Vicher für Track un: Sitte 
des 16. Jahrhunderts, wenn auch nicht für. Bewaffnung 
und Rittertracht, ift in. der Kunflfammlung ‚zu Braune 
ſchweig befindlih, unb ward. von Elias Ggöpar Reichard 
unter dem Jitel: Matthäus und Veit Konrad Schwarz 
nach ihren merkwuͤrdigſten Lebensumſtaͤnden und. vielfältig 
abwechſelnden Kleidertrachten,  befchrieben . (Magdeburg 
4786). Es find eigentlich 2 Handſchriften, Ale. von 2 
Ausburgern, Vater und. Sohn, Namens Matthäus. und 


Veit Konrad Schwarz,. herrübren, welche beibe in ber 


erften Hälfte des 16. Jahrh. von einer, außezorbentlichen 
Luft belebt wurden, ſich nach den verſchiedenen ‚Beränder- 


272 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


sungen und Abwechslungen ihrer Lebensumſtaͤnde, vor⸗ 
nämlich in Abſicht auf bie Kleidung, abmalen zu laffen, 
und fo Pie manderlei damaligen ſchwaͤbiſchen Trachten und 
Kleiderfitten auf die Nachwelt zu bringen. Das Eleinere 
Buch, welches die Kleidungen bed Vaters enthält, befteht 
aus 75 Blaͤttern, das größere, aber duͤnnere, bes Sohnes 
Kleidungen zeigend, hat 47 Blätter. Neben jeder Geftalt 
ſtehen die Beſchreibungen der Kleider auf den’ weißen 
Rand der Thierhaut gefchrieben. Manches ft, ber Erklaͤ⸗ 
rung ungeachtet, doch noch unverſtaͤndlich, und'eß ver: 
biente die aufmerkſamſte Nachfirchung, ob :zwei' Bücher, 
deren in diefen Trachtenbuͤchern Erwähnung geſchieht: ber 
Weltlauf: und das Kinderblichlein, welche von den’ beiden 
Schwarzen verfaßt wurben, nicht noch irgendwo zu finden 
find, ba’ fie für Sitte und Zeit jerier Tage überaus wich, 
fig feyn muͤſſen. Die Bilder fangen ber Matthäus 
Schwarz von feinen Eltern an, die er beide abbildeh Tieß; 
dann folgt ver Heine Matthäus In der Wiege‘ und fo fort 
nun bie Jahre hinaus, nach der wechfelnden Tracht. - Nut 
weniges zum -Beifpiel: ald er acht Sabre war, gaben 
ihn feine Eltern zu Cunz von\ ber Kofen, dem Hofnarten, 
ober wie es damals hieß, dem Iufligen Rathe Kaiferd 
Maximilian. Bei dem blieb er aber nur 3 Wochen; 
denn auf der "fechften Seite heißt ed: „Abi- primo sep- 
tembrio 1505 ſchickt man mich auf Heidenheim under bie 
zu, in diefer Oftalt in aſchenfarb und gren (grün) [ges 
Pleivet]. Dan Conz von ber Mofen bat gar’ eitren befen 
firid aus mir gezogen." Schwarz hat hier einen afchfars 
benen, grim gefütterten Rod an und fitzt auf einem 


3. Abtheil. Waffen und Kleldung. 273 


offenen Wagen, eime «gemeine Frauensperſon fiht hinter 
ibm, Dabei hat noch Schwarz ‚verzeichnet: ich fprang . 
bey 2 Meil von augspurg vom wagen vnd wollt daruon 
lauffen, abet mein pfaff und fein magt — ohne Zweifel. 
eben bie, welche, bei ihm auf bem Wagen ſitzt — die et: 
wuften (erwifchten). mich widerumb vnd handen mich Inn 
Kraͤtzen“ (das. find die.geflachtenen Wagen, Korbwagen). 
In Heidenheim hielt ey ed aber nicht Tang’ aus; denn auf 
dem ten Blatte figt er. mitten unter einer Heerde Kuͤhe; 
er hat einen Vogel auf ber rechten Hand, bem er mit ber. 
Linken ein Mäuschen vorhält. Unter dem linfen Arme 
hält er einen Stab, und neben ‚ihm liegt ein roth einge 
bundened Buch. Dicht vor. ihm fikt- ein dider Hirten⸗ 
junge, welcher genau und. achtfam zuficht, wie jener mit 
‚ feinem Vogel fpielt. In der Ferne erblickt man ein Haus; 
aus deſſen Fenſter ein bejahrtes rungliches Muͤtterchen 
dem jungen Schwarz, der mit ſeinem rothen Buche unter 
dem Arme vor dem Fenſter ſteht, ein Stuͤck Brot zuwirft. 
Dabei ſagt er: „Im 4506 im Mayen vnd Junius, lief 
ich meynen pfaffen wegg zw Haidenheim, er ſchlug mich 
zw hart: ich fang vmb das Brot zw Hochſtot, gundlfing 
u. ſ. w. vnd fayltz (feilſchte, handelte) dann mit den Hir⸗ 
tenbuben, daß ſy mich mit jhnen lieſen hueten d Khuͤe. 
Das ich meinen Pfaffen von Haidenheim wegglief, was 
die Vrſach, das er mich vnmenſchlich geſchlagen vnd ſchier 
Inn der Brentz ertrenkt hat: Da uͤberkam ich ſein whoͤr 
(ſeine Wehr, ſeinen Degen) vnd ging vnder der Bredig 
(Predigt) Inn fein Gartten vnd hacket Im al feine. Junge 
Kraut⸗ Koͤpf ab, und ſtecket darauf die whoͤr inns Erttreich 
| 48 


U 


14 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


vnd luef daruon.“ Dieſe wenigen Beiſpiele moͤgen aus 
dem wilden Jugendleben des Mathaͤus Schwarz genügen. 

Bon feiner Kleivung wirb dies hinreichen: Blatt 14 
trabt er in einem bramen Beifemantel, mit einer rothen 
Reifelappe Coon dieſen Kappen, als fchon weit früher 
gebräuchlich, fprach ich bereits gben) gu Pferde ganz flolz 
daher. Damals war er 15 Jahr alt, es gefchah im Jahre 
41542, unb fein Water ſchickte ihn in Gefchäften, nad 
Münden. 1518 erzählt er: „als Kalfer marimilianus 
auf dem Danghaus zw augspurg ein Danz hielt, was 
ich alto (allda): ein Daphat (tafftenes) Wams, biret von 
Zend! (Baret von Zindbel), ein gubie Kötti (eine gute 
Kette) vmb ein gulbin Kranz, bder- Rod mit attlas.“ 
Hier kommt einiges vor, was wir bereitö oben kennen 
gelernt haben: der Kranz; auf dem Bilde ifl die Kette 
um ben goldenen Kranz herumgewunden, und biefer hängt 
hinten auf dem Baret. — Auf dem folgenden Bilde ſieht 
man Schwarz auf dem Fechtboben. Dabei find der rechte 
Aermel des Wamſes, das rechte Hoſenbein unb der 
Strumpf am rechten Fuße gelb, Auf ber linken Seite find 
alle diefe Stuͤcke weiß und mit afchfarbenen Streifen durch⸗ 
zogen. Solche gemifchte Kleidung, die eine Seite von. 
einer andern Farbe, ald die andere, ift in jener Zeit fehr 
haufig, und es war damals der 'größte Staat, was jetzt 
nur die Kleidung der Züchtlinge ifl. Ueber jenem Bilde 
fließt: „Im Junius 4518 ald ich wollt Yernen fchirmen 
(escrimer, fechten), das wams was brikiſch Atlas” (Atlas 
aus Brügge, brüggifh). | 

As 1519 M. Schwarz feinen Vater verlor, erfcheint. 


3 Abtheil. Maffen und Kieidung, 275 


er in merkwuͤrdiger Trauertracht. Zuerſt „in der Kugl⸗ 
Kapp, mantel und rod, nichts von ſeidin.“ Er ift in 
einem langen fehwarzen Mantel und in einer Gugel— 
kappe (berem Erklärung fol fogleich folgen), welche vorn 
weit über das Gefiht hinaus geht; dies ift die tieffte 
Trauer. In der zweiten Abbildung ficht man Nur bie 
Augen und die Nafe, die Übrigen Theile des Geſichts 
verhllft noch die Kappe, der Zrauermäntel ift etwas Fürs 
zer, fo daß die Degenfpige unter demſelben hervorfcheintt 
bei den folgenden verfchwindet. die Gugel, und er trägt 
einen Hut auf dem Kopf. ES Find in allem vier Veraͤn⸗ 
derungen der Trauer. Was die Gugelkappe betrifft, 
fo ift dies ein Ansdruck, ber häufig in der Vorzeit erfcheint, 
und Zwar verfchieden: Gugel, Kugel, Kogel, Koggel, 
Kagel. Es ift ein Kopfpug, ber.beiden Gefchlechtern yes 
meinfam war, eine Fugelartige Geftalt bat und einem kuͤr⸗ 
Tifchen Bunde beinche ähnlich ſieht. Späterhin verſchwan⸗ 
ben bie fehweren Bugeln und leichtere Kappen bfieben, 
bei Frauen, Mönchsorden, Bergleuten, wo auch die Na⸗ 
men Kogeln, Gugeln, Gugelhüte, Gugelhauben, vors 
kommen. So heißt eö in der limburgifchen Chronik beim 
Jahre 1351: „die Kogeln waren um diefe Zeit groß; etlich 
trugen Kogeln, bie hatten vornen einen Lappen und bins 
ten einen Lappen, die waren verfchnitten und verzättelt.” 
Eben dafelbft heißt e8 beim Jahre 1362, daß die jungen 
Männer meift gefnaufte (gefniffte) Kugeln, als die Frauen, 
getragen, umd daß diefe Kopfzierrath mehr denn 30 Jahr 
fich in der Sitte erhalten hat. — Bei einer ändern Klei⸗ 
dung fagt Schwarz: „Im marko 1523, dad wand was 
18* 


276 Biwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


barchat (Parchent), bat 4800 ſchnittz wit ſamatin 
wilſchlen, alles weis.“ Alſo eine ſo ungeheure Anzahl 
von puffenden Schlitzen, beſetzt mit kleinen Sammt⸗ 
Streifen. Merkwuͤrdig iſt ein Rod, den er 1525 traͤgt, 
von dem er fagt: der rod. zw baid tail görecht (der 
Rod war zu beiden Seiten gerecht, d. h. man fonnte den 
Rod auf der linken und auf ber rechten Seite anziehen). 
Die Kleidung verändert fi) bisweilen jährlih ein paar⸗ 
mal, und es erhellt daraus, wie ſchnell fchon zu damali⸗ 
ger Zeit, wenigſtens bei den zierlich erſcheinenden Herren, 
die Sitte der Tracht wechſelte. 

he ih nun vom andern Schwarz, dem Sohne, 
ſpreche, wird wohl hier, auch der Zeit nach, am beſten 
eine belehrende Stelle uͤber Kleidung der Frauen und 
Männer, aus Zoh. Agrikola Auslegung gemeiner Sprich⸗ 
voͤrter, Stuͤck 370, eintreten: „Die Jungfrawen deutſches 
Landes tragen berline Bendel (Bänder mit Perlen geſtickt); 
an ettlichen orthen, als am Reyn, ynn Schwaben und 
Beyern, auch ynn Schweitz ſchlagen fie die Harflechten 
hynder ſich zurucke. Vnn Meyßen und Doringen flechtn 
fie die Zöpfe auf yhren Heuptern hoch empor, wie ein 
Storksneſt. Ynn Sahfen und Heffen ſchlagen fie fie 
umb yhre Ohren herumb, Die Röde find allenthalben 
lang, und fchier gleih, daß alſo ein yglich Land fein 
Manier hat zum ſchmuck. Der Menner fhmud aber ift 
faft gleich ynn gantzem beutfhen Lande: die Rüde bis 
auff die waden unter bie knie, wentte ermel mit viel falten, 
vnd hoch zu halſe; und were ein ſchande einem erbarm 
manne, on hofen zu gehen. Ein hut odder weyt pyrret 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 277. 


(Biret), Eurze har u. fe w. Der kleydung ynn beutfchen 
Landen habe ich‘ darumb gedacht, daß, dieweil fich der 
fhmud fo oft verendert hat, daß man wißen möchte, 
wie man und weib Anno 41523 gefchmudet- und gelleydet 
gangen ſeyen.“ 

Nicht minder, wie beim Vater, ſo auch beim Sohne, 


Veit Konrad Schwarz, finden wir die wunderlichſt wech⸗ 


ſelnden Trachten, aber auch davon kann hier nur ſehr 
wenig angeführt werben. So laͤßt er ſich z. B. 1553 
„Bloderhoſen (Pluderhoſen) mit eſchenfarbenem (aſchfarbe⸗ 
nem) Taffet machen; das liederin Goller (das lederne 
Koller) vnd die ſchuech (Schuhe) bracht ich mit mir gen 
Venedig.“ Die Pluderhoſen find dabei dweit und bauſchigt, 


aber nicht ſehr lang, denn ſie reichen noch nicht bis auf 


die Knie; ſie ſind aus gewuͤrfeltem Taft verfertigt. (Was 
die Pluderhoſen betrifft, ſo finden ſie ſich ſchon vor dem 
Jahre 1362. Sie ‚waren uͤbermaͤßig weit, fo daß über 


hundert Ellen Zeug dazu gehörten. Nichts Eonnte fie ver⸗ 


filgen, ald der herbfle Spott und große Gewalt. Selbſt 
heftige Predigten „vom Hofenteufel” finden wir gegen fie.) 
Das lederne Koller ift etwas bunt und vorn ‚herunter ‚mit 
goldenen Knöpfen zugefnspft. Im Jahre 1558 trägt ex: 
„an fchwarz ferifch (fächfifchen) Huet mit födern (Federn), 
ain ferifchen ſchwarz wullin mantl mit grienem tuech ges 
fuettert, und ain behaimiſchen Duſeggen ann der 
ſeitten.“ Der boͤhmiſche Duſaͤck oder Duſack iſt ein breites, 
ſaͤbelartiges, gekrummtes Schwert. — 1560 erſcheint er 
in einem „Leibroͤcklin, was wuͤllin (von Wolle) vnnd 
durchaus geſteppt, darbey 8 Tuzet Knepflen (3 Dutzend 


778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


“Knöpfe trug er auf der Weſte, kaum begreiflich, wie alle 
anzubringen, denn unter bem Worte Leibroͤcklein iſt eine 
Weſte gemeint). Das Wamms Attlas und durchaus ge⸗ 
Beppt; die Hoſen mit Attlas verbrembt (beſetzt) vnd Taf⸗ 
fet auszogen (es waren Schlitze in den Hoſen, und durch 
dieſe bauſchte der Tafft hervor), vnd die Cappen auch mit 
Attlas verbrembt - und geſteppt wie dad Wammes. Die 
Schuch wafen (maren) zerfchnitten (auch aufgefchligt) wie 
die Hofen.‘ Solche aufgefihnittene Schuhe finden fich 
noch auf alten Bildern vor; wie denn überhaupt bad Ganze 
ſich nur hinlaͤnglich durch Bilder erktären laͤßt. 

. Hand v, Schweinichen erzählt und manches von 
feiner Kleidung, wobei indeffen doc) einiges unverfländlich 
iſt. Nachſtehend mögen die Stellen folgen, welche hierher 
gehören: 1563 mußte er in einem Sammtrödlein beim 
Dofe Herzogs Heinrich aufwarten. 4566 läßt er fich ein 
Gammetbaret machen, und feine Mutter ſchickt ihm dazu 
eine. lange weiße Feder; bie hob er in feiner Lade auf und 
tzug fie bei Hochzeiten, Die Zeit über „war ih — ſagt 
er — in Parchent gekleidet und ferner einen parchenen 
Leib mit Damafchlenen (damaftenen) Ermeln und ein kor⸗ 
duan. Koller (heißt hier wahrfcheinlich nur der Theil, wel⸗ 
her Hald, Schultern und Bruſt bebedte, woran fich 
dann der eben bemerkte parchene Leih ſchloß), Hein, zers 
ſchnitten (aufgefchlist) Hofen wit braunem Harniſch (fo 
bießen bei den Damaflwebern Garnfchnüre) aufgezogen 
und einem tfchammelottenen (camelottenen) Mantel, mit 
Sammt gebramt ımd ein‘ Sammet Baret. 41568 warb 
ex wieder in Parchent gekleidet ohne weitere Beſtimmung. 


3, Abthell. Waffen und Kleidung. 279 


4569 zieht er mit. feinem Water nach Lublin zum Reichs⸗ 
tage, trägt eine goldene Kette am. Halfe und befchreibt 
ſo feine Kleidung: „ein parchent Wammes, fo mit Sammt 
verbraͤmt, ein’ Deutfch, auögezogn’ Hofe (d. h. eine Hofe 
mit Schligen oben und am Knie, wodurch fich das Untere 
futter bervorpufft, dies wird genannt: das. Unterfutter 
ausgezogen, weil ed hervorgezogen war), bie eine Hofe 
gelb und bie andere fihwarz (wir haben ſchon oben bei 
Meathens Schwarz gefehen, dag oftmals ein Bein eine 
andere Barbe, als das andere, hatte), mit Damifteln 
(ein undentliched Wort, vielleiht Damaſt), ungefähr 
46 Ellen burdzogen (ed muß alfo bad Zeug. feyn, 
Dad durch die Schlige vorgezogen warb und burchfchien). 
Desgleihen waren die Strumpffelle (eine hohe Art Stie⸗ 
feln) auch von Bodfellen, und einen ſchwarzen Rod mit 
Salten dazu. Ihro Zürftliche Gnaden hatten 80 Roff’, 
wie gemeldt, wohl gepußt, alle mit gelben Federn, und 
die Sungen alle mit Sammt-Mügen, als auch 9 Spieß⸗ 
jungen, darunter 3 Fleine Jungen, fo ſchwarze fammtene 
Mügen mit goldenen Pofamenten (Pofamentier : Arbeit, 
Borten) gebrämt, imgleichen die Stirnhauben Cwahr> 
ſcheinlich dicht anliegende und ben Kopf rundum einfchlies 
Bende. Hauben, auf welche man die Müssen ſetzte). Ihre 
Roſſe waren mit gelben Federn und großen Beberbüfchen . 
gefchweift, daß man die Jungen von vorne zu nicht wohl 
feben Fonnte, Und hatte jeder eine Panzerfette am Halſe 
vor 4000 fl. Ungar., als auch filbern Dolch und Schwert, - 
und führeten Heftlein (Heftel, Schlöffer zur Befefligung 
der Kleider vor ber Brufl), Hernach bie andern brei 


280 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Jungen waren imgleichen in ſchwarz ſammtene Röde, mit 
ſilbern Poſament gebraͤmt, gekleidet, fuͤhreten lange- ver⸗ 
goldete Roͤhre, ihre Roff’ waren mit gelben und ſchwar⸗ 
zen Federn gefchmweift, ald auch die Stirnhauben mit gros 
Sen Sederbüfchen und hatte ein jeder von großen Gliedern 
Ketten um, fo. unter 500 Gulden Feiner nicht ‚hatte, als 
auch filbern Dolch und Schwert. Das dritte Geb Jun⸗ 
| gen waren was (nur etwas) flärker, batte fammt gefal⸗ 
tene Röde an (wir lernten dieſe mit Kalten verfehenen 
Möde ſchon früher beim Goͤtz v. B. kennen) und führeten 
gewunbene Ketten, filberne Dolch und Schwerter, führe 
ten’ feidene Hüte mit gelben Federn und führeten Spieß, 
baran bie Eifen von Gold waren.” — Im Jahre 1571 
gab ihm fein Bater „gemeine Kleider von Harniſch und 
Parchent“ (hier erfcheint wieder die undeutliche Benen⸗ 
nung eines Zeuges: Harniſch, bie wir ſchon oben hatten; 
fie bedarf noch einer genauern Erklärung). Im Jahre 
1572 Heidet ihn fein Vater wieder „in Parchent und läßt 
ihm ein Zindeldrath Kleid machen.” (Zindeldrath if 
ein Schreibf., ed muß heißen Zindeldort, worunter 
eine "Art Raſch, Zuttertaft verflanden wird.) 4572 nimmt 
ihn Herzog Heinrich mit nach Dreöden und kleidet ihn 
“ und, die andern wenigen Begleiter: „in ſchwarzen Sams 
met, bie Hofen mit Drippeltaft durchzogen (wahr⸗ 
ſcheinlich ein flarfer Zaft mit dreifachen Faden, durchz o⸗ 
gen bebeutet wieder die Puffen, die durd die Schligen 
durchkemmen); auch Sammtbinden mit goldenen Rofen 
und gelben Feberbäfchen.” Daß aud damals noch ganze 
Kleidungen von Leber getragen wurden, zeigt fich beim 





3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 271 


den Frauem:länger als hei: den Männern. waren, haben 


X 


wir ſchon aus oben angefühster - Stelle geſehen. Auch 
Goͤtz von Berlichingen erzählt G..20: der Markgraf habe 
ihm „eine ſammete Schaube, die war mit. Marder und 
Bobel gefüttert,’ “ verſprochen. Dieſe Schauben waren bei 
fchnelfem Ziehen des Degend oft hinderlich, wie. ed, ©. 22 


heißt: „und alö ber Zeiſſolfer von feiner Schauben (feiner 


Schauben wegen) mit ber Wehr nit nacher Eunt -Bommen‘ 
(mit dem. Degen nicht konnte gleich nachkommen). Wie 
fi Kaiſer Marimilian. I zu Zeiten trug, ‚erzählt. uns Goͤt 
v. B. S. 27: „und fließ..der Kaiſer in ber Nacht auch 
zu: und, ber hat ein. kleines, grünes, altes Roͤcklein au 
und ein gries Stutzkapplein und einen großen ‚grünem 


Hut daruber, daß ihn kejner für- einen Keiſer gefangen 


oder angeſehen haͤtt'.“ (Es ſcheint wohl eine, tyroler 
Tracht gwwalen zu fepn,- „ welher | ber Fa damals 
zeigte) 
Cimetedet, wichtieften Biden für Zuadt, und: Sitte 
des 16. Jahrhunderts, wenn auch nicht für -Bewaffnung 
und Rittertracht, iſt in ber Kunflfammlung zu Braun 
ſchweig hefindlich, und warb non Elias Gaspar Reichard 
unter dem Jitel: Matthäus und Veit Konrad Schwarz 
nach ihren merkwuͤrdigſten Lebensumſtaͤnden und. vielfältig 
abwechſelnden Kleidertrachten, beſchrieben (Magdeburg 
1786)..Es find eigentlich 2 Handſchriften, die von 2 
Ausburgern, Vatet und. Sohn, Namens Matthäus und 
Veit Konrad Schwarz,. herrübren, welche beide in ber 
erſten Hälfte des 16. Jahrh. von einer, außerorbentlichen 


Luft belebt wurden, ſich nach den verſchiedenen Beränder- 


"282 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


trug er ſchoͤne Halbſtiefeln von braunem Sammet, und ein 
koͤſtliches Schwert, an welchem Knopf und Kreuz vergol⸗ 
det waren, die Scheide und der Guͤrtel aber waren gleich⸗ 
falls von braunem Sammet. Von einem Frauenzimmer, 
welches bei einem Aufzuge eine Goͤttin vorſtellte, heißt 
es: „Die Goͤttin war alſo gekleidet: ſie hatt' an einen 
Rock, gemacht von lauter gutem gelben Atlas, fein ver⸗ 
deckt und kuͤnſtlich vberzogen mit Beinen blawen vnd gel⸗ 
ben Federlin, auffm Haupt hett ſie einen hohen altfraͤn⸗ 
tiſchen Hut von guͤldem Stuck, wie man pflegt die Si⸗ 
byllen zu malen, vnd oben auff der ſpitz deß Huts eine 
ſchoͤne daffate Binde hinder ſich hinab, geziert und bereit 
von koͤſtlichem Gold,” Bei einem andern Aufzug.„kam 
geritten, auff. einem ſchoͤnen weiſſen Zelter, ein gar ſchoͤn 
Niederlaͤndiſch Jungfrawlein, vngefehr bey zehen oder eilff 
jaren, bekleidet mit einem gang weiſſen bamaßten Rock, 
mit guͤlden vnnd weiß ſeidenen Franſen verkoͤdert, vberauß 
wol gebutzt, vnd vber dem Sattel, darauff fie ritte, war 
eine lange weiſſe ſamate Decke, vmb vnd vmb mit Gold 
vnd ſchoͤner weiſſer Seyden verkoͤdert, das Zeug war forn 
und binden von weiſſem Sammat, vnd huͤbſch mit Silber 
beſchlagen.“ — 
Die Obrigkeiten ſhen ſich genoͤthigt, gegen den Klei⸗ 
berunfug Geſetze zu geben, und ba mag denn, als dies 
Beitalter hauptſaͤchlich bezeichnendb, hier noch eine Stelle 
aus einem züricher Mandat „wider ber Geiftlichkeit zu 
Stadt und Land Foftbares und. zehrhaftiges (verſchwende⸗ 
rifches) Leben vom 31 Weinmond 1581 dienen; barinnen 
wird Aber die Seiftlichen geklagt: „daß fo fich je länger 





4 Abtheil. Waffen umb Kleidung 283 


je uneerbarer vnnd Iychtfertiger. fielen (betragen) vnnd 
one Schühen (Shen) allhuͤrr in Ir Statt (allhier in ber 
Stadt Zuͤrich) mit ungebürliher Kleidung, als nämlich 
mit irren Ryt vnnd Khouffmannsroden (mit Reitz und 
Kaufmanndröden), Mänteln, hoͤchen Hueten (hoben Hüten), 
Dolchen vnnd Fangen Weeren (langen Degen) kommend, 
vnnd biemit vf ber Bruggen (auf ber Brüde). unnd Gaf: 
fen, nit one Ergernuß Srömbver vnd Heimfcher herum 
gand; vnnd fich ouch der nuͤwen wpbifchen Hoffart mit 
den hochen gefaldnen Kröffen (Kaufen, Halstraufen) nah 
Sren Hembberen nit fhämend. Welches alles auch by 
deren etlichen. gefechen wird, bie allhie in ber Stadt Ki 
und Schulienft hand (Kirchen: und Schulämtern vorftehen), 
oder als Augelaßne zum Prebigtamt täglic) auf ſolche 
Dienft warthen. So daͤnne befindt es ſich, daß ouch daß 
überflüßig Zeeren (Schmaufen). vnnd Zutrinken by etlichen, 
dermaſſen uͤherhand genommen, das fo unangefechen- Iren 
Stand, gleich wie andre Bürger, vf die Zunft und Zrinfs 
fluben, darzu in die offnen Wirthshaͤuſſer zu ven Zaglırten 
(Zechen, Gelagen) und Schlaftrunken (Abendgefellfchaften) 
gand (gehen); beögleichen vnnder Inen Schlegel (Schlaͤ⸗ 
gereien) anrichten, vnnd allerlei vnnöthigen Anlaßes zu 
irrem Zaͤchend (um Belage anzufellen) ſuchend; damit fy 
dann Ir Zeit uͤhel anleggend, bad Ir (Ihre) vnnützlich 
vertfun vnnd ze Zyten fich mit dem Wyn meer beladent, 
bann Item Stand zimme (gezieme) vnnd zur Erbawung 
der Kitchen (Kirchen) diene. Hatte fich hie wachfenbe 
Verderbniß ſchon fo ‚der Geiſtlichkeit bemächtigt, fo if 
wohl zu fürchten, daß die andern Stände noch ſchlimmer 


4 


+74 Smwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


vnd luef daruon.“ Dieſe wenigen Beiſpiele moͤgen aus 
dem wilden Jugendleben des Mathaͤus Schwarz genügen. 

Bon feiner Kleidung wird dies binreihen: Blatt 14 
trabt er in einem bramen Reiſemantel, mit einer rothen 
BReifefappe (von biefen Kappen, ' als fchon weit früher 
gebräuchlich, ſprach ich bereits gben) gu Pferde ganz ſtolz 
daher. Damals war er 15 Jahr alt, es gefhah im Jahre 
1512, und fein Vater fdyidte ihn in Gefchäften. nad) 
Münden. 1518 erzählt er: „als Kaiſer marimilianus 
auf dem Dantzhaus zw augspurg ein Danz hielt, was 
ich alto (allda): ein Daphat (tafftenes) Wams, biret von 
Zendl (Baret von Zindel), ein gudie Kötti (eine gute 
Kette) vmb ein gulbin Kranz, ber- Rod mit attlas.“ 
Hier kommt einiges vor, was wir bereitd oben Tennen 
gelernt haben: der Kranz; auf dem Bilde ift die Kette 
um den goldenen Kranz herumgewunden, und biefer hängt 
hinten auf bem Baret. — Auf dem folgenden Bilde ſteht 
man Schwarz auf dem Fechtboben. Dabei find der rechte 
Aermel des Wamſes, dad rechte Hofenbein und ber 
Strumpf am rechten Fuße gelb, Auf der linken Seite find 
alle diefe Stuͤcke weiß und mit afchfarbenen Streifen durchs 
zogen. Solche gemifchte Kleidung, bie eine Seite von. 
einer andern Farbe, als die andere, ift in jener Zeit fehr 
häufig, und es war damals ber größte Staat, was jeht 
nur- bie Kleidung der Züchtlinge if. Ueber jenem Bilde 
ſteht: „Im Junius 1518 ald ich wolt lernen ſchirmen 
(escrimer, fechten), das wams was brififch Atlas" (Atlas 
ans Brügge, brüggifch). 

Ks 1519 M. Schwarz feinen Vater verlor, erfcheint. 


3, Abtheil. Waffen und Rieidung. 275 


er in merfwürbiger Trauertracht. Zuerſt „in der Kugl⸗ 
Kapp, mantel und rock, nichts von ſeidin.“ Er ift ig 
einem langen ſchwarzen Mantel und in eine Gugel 
Tappe (deren Erflärung fol fogleich folgen), welche vorn 
weit uͤber das Geſicht hinaus geht; dies iſt die tiefſte 
Trauer. In der zweiten Abbildung ſieht man nur die 
Augen und die Naſe, die uͤbrigen Theile des Geſichts 
verhält noch bie Kappe, der Trauermantel iſt etwas Fürs 
zer, fo daß bie Degenfpige unter demfelben hervorſcheint; 
bei den folgenden verfchwindet bie Gugel, und er trägt 
einen Hut auf bem Kopf. Es Tind in allem vier Veraͤn⸗ 
derungen der Trauer. Was die Gugelfappe betrifft, 
fo ift dies ein Ansdruck, der haufig in der Vorzeit erſcheint, 
und zwar verſchieden: Gugel, Kugel, Kogel, Koggel, 
Kagel. Es iſt ein Kopfputz, ber.beiden Geſchlechtern yes 
meinſam war, eine kugelartige Geſtalt hat und einem tür: 
kiſchen Bunde beinche ähnlich fieht. Späterhin verſchwan⸗ 
den die ſchweren Gugeln und leichtere Rappen bfieben, 
bei Frauen, Moͤnchsorden, Bergleuten, wo audy die Nas 
men Kogeln, Gugeln, Gugelhüte, Gugelhauben, vors 
Tonımen. So heißt es in ber limburgifihen Chronik beim 
Jahre 1351: „die Kogeln waren um diefe Zeit groß; etlic) 
trugen Kogeln, bie hatten bornen einen Lappen und bins 
ten einen Lappen, bie waren verfchnitten und verzättelt.” 
Eben bafelbft heißt «8 beim Jahre 136%, daß die jungen 
Männer meift geknaufte (gekniffte) Kugeln, als die Frauen, 
getragen, und baß diefe Kopfzierrath mehr denn 30 Jahr 
fich in der Gitte erhalten bat. — Bei einer andern Klei⸗ 
dung fagt Schwarz: „Im marko 1523, dad wams was 
i x 18* 


276 Bweiter Abfchnitt. Bitterleben. 


varchat Parchent), hat 4800 f Hui mit ſamatin 
witfchlen, alles weis.” Alſo eine fo ungeheure Anzahl 
von puffenden Schligen, beſetzt mit Fleinen Sammt⸗ 
Streifen: Merkwuͤrdig ift ein Rod, ben er 1525 trägt, 
von dem er fagt: der rod. zw baid tail görecht (der 
Rod war zu beiden Seiten gerecht, d.h. man konnte den 
Roc auf der linfen und auf ber rechten Seite anziehen). 
Die Kleidung verändert fi) bisweilen jährlich ein paar⸗ 
mal, und ed erhellt daraus, wie ſchnell fhon zu damali⸗ 
ger Zeit, wenigſtens bei den zierlich erſcheinenden Herren, 
die Sitte der Tracht wechſelte. 
. Ehe ich nun vom andern Schwarz, dem Sohne, 
ſpreche, wird wohl hier, auch der Zeit nach, am beſten 
eine belehrende Stelle uͤber Kleidung der Frauen und 
Maͤnner, aus Joh, Agrikola Auslegung gemeiner Sprich⸗ 
woͤrter, Stuͤck 370, eintreten: „Die Jungfrawen deutſches 
“Bandes tragen berline Bendel (Bänder mit Perlen geſtickt); 
an eftlichen orthen, ald6 am Reyn, ynn Schwaben und 
Beyern, auch ynn Schweiß ſchlagen fie die Harflechten 
hynder ſich zurucke. Vnn Meyßen und Doringen flechtn 
fie die Zoͤpfe auf yhren Heuptern hoch empor, wie ein 
Storksneſt. Inn Sachſen und Heſſen ſchlagen fie fie 
umb yhre Ohren herumb. Die Röde find allenthalben 
lang, und feier gleich, daß alfo ein yglich Land fein 
Manier hat zum ſchmuck. Der Menner fchmud aber ift 
faft gleih yan gantzem beutfchen Lande: die Rüde bis 
auff die waden unter die knie, weytte ermel mit viel falten, 
vnd hoch zu halſe; vnd were ein ſchande einem erbaum 
manne, on hofen zu gehen. Ein Hut odder weyt pyrret 


3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 277. 


(Biret), kurze har u. ſ. w. Der kleydung ynn deutſchen 
Landen habe ich darumb gedacht, daß, dieweil fich der 
ſchmuck fo oft verendert hat, daß man wißen moͤchte, 
wie man und weib Anno 1523 gefchmudet und gelleydet 
gangen ſeyen.“ 

Nicht minder, wie beim Vater, ſo auch beim Sohne, 
Veit Konrad Schwarz, finden wir die wunderlichſt wech⸗ 
ſelnden Trachten, aber auch davon kann hier nur ſehr 
wenig angeführt werden. So laͤßt er fih 3. B. 1553 
„Bloderhofen (Pluderhofen) mit efchenfarbenem (aſchfarbe⸗ 
nem) Taffet machen; das liederin Goller (das lederne 
Koller) vnd die ſchuech (Schuhe) bracht ich mit mir gen 
Benedig.“ Die Pluderhoſen ſind dabei weit und bauſchigt, 
aber nicht ſehr lang, denn ſie reichen noch nicht bis auf 
die Knie; fie find aus gewuͤrfeltem Taft verfertigt. (Was 
die Pluderhofen betrifft, fo finden fie ſich fehon vor dem 
Sabre 1362. Sie waren ‚übermäßig weit, fo baß Über 
hundert Ellen Zeug dazu gehörten. Nichts konnte fie ver⸗ 
filgen, als der herbfte Spott und große Gewalt. Selbſt 
heftige Predigten „vom Hofenteufel’‘ finden wir gegen fie.) 
Das lederne ‚Koller ift etwas bunt und vorn ‚herunter mit 
goldenen Knöpfen zugefnöpft. Im Yahre 1558 trägt er 
„ain ſchwarz ferifch (fächfifchen) Huet mit foͤdern (Federn), 
ain ferifchen ſchwarz wullin mantl mit grienem tuech ges 
fuettert, und ain behaimifhen Dufeggen ann ber 
ſeitten.“ Der böhmifche Dufäd oder Duſack ift ein breites, 
fäbelartiges, gefrimmtes Schwert. — 1560 erfcheint er 
in einem .,‚Leibrödiin, was willin (von Wolle) vnnd 
durchaus gefleppt, darbey 8 Tuzet Knepflen (8 Dutzend 


778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


"Knöpfe trug er auf den Weſte, kaum begreiflich, wie ale 
anzubringen, denn unter dem Worte Leibroͤcklein iſt eine 
Weſte gemeint), Das Wamms Attlas und durchaus ge: 
Beppt; die Hofen mit Attlad verbrembt (beſetzt) vnd Taf⸗ 
fet auszogen (es waren Sclige in den Hofen, und durch 
biefe baufchte der Zafft hervor), und bie Gappen auch mit 
Attlas verbrembt und gefteppt wie dad Wammes. Die 
| Schuch wafen (maren) zerfchnitten (auch aufgefchligt) wie 
die Hoſen.“ Solche aufgefchnittene Schuhe finden fich 
noch auf’alten Bildern vor; wie benn überhaupt das Ganze 
Üch nur hinlaͤnglich durch Bilder erfiären laͤßt. 

. Hans v. Schweinichen erzählt und manches von 
feiner Kleidung, wobei indeffen doch einiges unverfländlich 
iſt. Nachftehend mögen die Stellen folgen, welche hierher 
gehören: 1563 mußte er in einem Sammtrödlein beim 
Hofe Herzog& Heinrich aufwarten. 1566 läßt er fich ein 
Ganmetbaret machen, und feine Mutter ſchickt ihm dazu 
eine. lange weiße Feder; bie hob er in feiner Lade auf und 
trug fie bei Hochzeiten, Die Zeit über „war ih — ſagt 
er — in Parchent gekleidet und ferner einen pärchenen 
Leib mit damafchlenen (damaftenen) Ermeln und ein kor⸗ 
duan Koller (heißt hier wahrfcheinlich nur der Theil, wel⸗ 
her Hals, Schultern und Bruft bededte, woran fich 
dann der eben bemerfte parchene Leib fchloß), klein, zer: 
ſchnitten (aufgefchlist) Hofen mit braunem Harnifch (fa 
bießen bei den Damaflwebern Garnfchnüre) aufgezogen 
und einem tfchammelgttenen (camelottenen) Mantel, mit 
Sammt gebrämt und ein Sammet Baret.“ 1568 warb 
er wieder in Parchent gekleidet ohne weitere Beſtimmung. 


L 


3, Abtheil, Waffen und Kleibung. 279 


1569 zieht er mit. feinem Bater nach Zublin zum Reichs 
tage, trägt eine goldene Kette am Halfe und befchreibt 
fo feine Kleidung: „ein parchent Wammes, fo mit Sammt 
‚verbrämt, ein’ Deutfch auögezogn’ Hofe (d. h. eine Hofe 
mit: Schligen oben und am Knie, wodurch fich das Untere 
futter hervorpufft, dies wird genannt: das. Unterfutter 
ausgezogen, weil es hervorgezogen war), bie eine Hofe 
gelb und die andere ſchwarz (wir haben ſchon oben bei 
Matheus Schwarz geſehen, dag oftmald ein Bein eine 
andere Barbe, ald das andere, hatte), mit Damifteln 
(ein unbeutliches Wort, vielleicht Damaſt), ungefähr 
46 Ellen burdizogen (ed muß alfo bad Zeug feyn, 
das durch die Schlige vorgezogen ward und durchſchien). 
Deögleichen waren die Strumpffelle (eine hohe Art Sties 
feln) auch von Bodfellen, und einen ſchwarzen Rod mit 
Salten dazu. Ihro Zürftliche Gnaden hatten 80 Roff’, 
wie gemelbt, wohl gepußt, alle mit gelben Federn, und 
die Jungen alle mit Sammt-Mügen, ald aud 9 Gpießs 
jungen, darunter 3 Fleine Jungen, fo ſchwarze fammtene 
Mügen mit goldenen Pofamenten (Pofamentier : Arbeit, 
Borten) gebrämt, ‚imgleihen die Stirnhauben (wahr⸗ 
ſcheinlich dicht anliegende und den Kopf rundum einfchlies 
Bende. Hauben, auf welche man big Müsen feste). Ihre 
Raoſſe waren mit gelben Federn und großen Federbuͤſchen 
gefchweift, daß man bie Zungen von vorne zu nicht wohl 
fehen konnte. Und hatte jeder eine Panzerfette am Halfe 
vor 4000 fl. Ungar., als auch filbern Dolch und Schwert, 
und führeten Heftlein (Heftel, Schlöffer zur Befefligung 
der Kleider vor der Bruſt). Hernach bie andern drei 


280 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Jungen waren imgleichen in ſchwarz fammtene Nöde, mit 
filbern Pofament gebrämt, gekleidet, führeten -lange- ver⸗ 
goldete Röhre, ihre Roſſ' waren mit gelben und ſchwar⸗ 
zen Federn gefchmweift, als auch die Stirnhauben mit gros 
Sen Federbuͤſchen und hatte ein jeder von großen Gliedern 
Ketten um, fo. unter 500 Gulden keiner nicht hatte, als 
auch filbern Dolch und Schwert. Das dritte Glied Jun⸗ 
| gen waren was (nur etwas) flärker, hatte ſammt gefal⸗ 
tene Röde an (wir lernten biefe mit Falten” verfehenen 
Roͤcke fchon früher beim Goͤtz v. B. Eennen) und führeten 
gewundene Ketten, filberne Dolch und Schwerter, führer 
ten’ feidene Hüte mit gelben Zebern und führeten Spieß, 
baran bie Eifen von Gold waren.” — Im- Jahre 1571 
gab ihm fein Vater „gemeine Kleider von Harnifch und 
Parchent“ (hier erfcheint wieder bie unbeutliche Benen⸗ 
nung eines Zeuges: Harnifch, die wir ſchon oben hatten; 
fie bedarf noch einer genauern Erklärung). Im Jahre 
1572 Heidet ihn fein Vater wieder „in Pardyent und läßt 
ihm.ein Zinbeldrath Kleid machen. (Bindelbrath if 
ein Screibf., ed muß beißen Zindeldort, worunter 
eine ‘Art Rafch, Zuttertaft verflanden wird.) 1572 nimmt 
ibn Herzog Heinrich mit nach Dresden und kleidet ihn 
und die andern wenigen Begleiter: „m ſchwarzen Sams 
met, die Hofen mit Drippeltaft durchzogen (wahr⸗ 
fheinlich ein flarfer Taft mit dreifachen Faden, durchz os 
gen bebeutet wieder bie Puffen, die durch die Schligen 
durchkemmen); auch Sammtbinden mit goldenen Rofen 
und gelben Federbuͤſchen.“ Daß auch damals noch ganze 
Kleidungen von Leber getragen wurden, zeigt ſich beim 


. \ ‘ 
3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 281 


Jahre 1575, wo er erzählt: „Es waren Weisgerber, 
reiche Leute, allda zu Krakau, fo von Mertſchuͤtz bürtig, 
die Inden mich mit meiner Gefelfchaft zu Gaſte ein, 
traftirten mic) alfo, als wenn fle einen Fürften gehabt, 
verehren mir Hirfchhäute zu einem Kleive, als auch Bock⸗ 
Haute und thäten mir fonft große Ehre an. — Als in 
demfelben Jahre Herzog Heinrich noch eine Reife machen 
will, leidet er feine 3 Junker, unter denen auch H. v. 
©. war, fürftlih „in rothen Damaft, auf Welſch, und 
ſchwarze Mäntel rgit goldenem Pofament (Borten, Pofa: 
mentierarbeit) gebraͤmt“ — Diefe Stellen mögen für 
die Zeit des Hans von Schweinichen genügen. Wir haben 
fhon früher’ gefehen, wie ſehr Zucht und Sitte damals 
fanten, wie ein verfehmenderifches Leben überhanbnahm, 
und von dem ruͤckſichtsloſen Leichtfinn, der damald herrfchte, 
liefert das beſte Bild die Lebenäbefchreibung des Hans von 
Schweinichen, auf die aber hier nur zu verweilen iſt, ba fie 
in drei Bänden ber Leſewelt gedruckt vorliegt. Die fürftlichen 
Häufer wetteiferten oft an Pracht und Zierlichleit, und fo 
erzählt ıms ein Buch, welches 1578 herauskam, von den 
Ritterfpielen,. bie Kaifee Mar IL als König von Böhmen 





anftellte, folgende Prachtanzüge. Der Erzherzog Karl zu " 


Defterreich war gekleidet in einen fchönen Föftlichen, mit 
Gold geägten Harnifh. Darliber trug er ein zerfchnittes 
nes Goller von braunem Sammet, mit Eleinen Rofen von 
gefchlagenem Silber geziert. Durch die Schnitte des Gol⸗ 
ler fah man ben Harnifch. Auf feinem Helm fledte ein 
gewaltig fchöner, hoher Federbuſch von braunen, weißen und 
gelben Federn, ber zu beiden Seiten herabhing. Auch 


"282 Zueiter Abſchnitt. Rieterleben. 


trug er ſchoͤne Halbſtiefeln von braunem Sammet, und ein 
koͤſtliches Schwert, an welchem Knopf und Kreuz vergol⸗ 
bet.waren, die Scheide und der Gürtel aber waren gleich⸗ 
fo0s von brammem Sammel. Bon einem Frauenzimmer, 
welches bei einem Aufzuge eine Göttin vorftellte, heißt 
48: „Die Göttin war alfo gekleidet: fie hatt’ an einen 
Rod, gemacht von lauter. gutem gelben Atlas, fein vers 
dedt und Fünftlich oberzpgen mit Pleinen blawen vnd gel: 
ben Zeberlin, auffm Haupt heit fie einen hohen altfräns 
kiſchen Hut yon güldem Stud, wie man pflegt die Sis 
byllen zu malen, vnd oben auff ‚der ſpitz deß Huts eine 
ſchoͤne daffate Binde binder fi hinab, geziert und bereit 
von koͤſtlichem Gold,” Bei einem andern Aufzug. „kam 
geritten, auff einem ſchoͤnen weiffen Zelter, ein gar ſchoͤn 
Niederlaͤndiſch Jungfrawlein, vngefehr bey zehen oder eilff 
jaren, bekleidet mit einem gang weiſſen bamaßten Rock, 
mit gülden vnnd weiß feidenen Franſen verköbert, vberauß 
wol gebust, und vber bem Sattel, darauff fie ritte, war 
eine lange weiffe famate Dede, vmb und vmb mit Gold 
vnd ſchoͤner weiſſer Seyden verkoͤdert, das Zeug war forn 
und binden von weiflem Sammat, vnd huͤbſch mit Silber 
beſchlagen.“ — 
Die Obrigkeiten ſehen ſich genoͤthigt, gegen den Klei⸗ 
derunfug Geſetze zu geben, und da mag denn, als dies 
Zeitalter hauptſaͤchlich bezeichnend, hier noch eine Stelle 
aus einem zuͤricher Mandat „wider der Geiſtlichkeit zu 
Stadt und Land koſtbares und. zehrhaftiges (verſchwende⸗ 
rifches) Leben vom 31 Weinmond 1581" dienen; darinnen 
wird über bie Geiſtlichen geklagt: „daß fo fich je länger 


3. Athell. Waffen und Kleidung 283 


je uneerbarer vnnd Iychtfertiger. fiellen (beiragen) vnnd 
one Schuhen (Schen) allhuͤrr in’ Ir Statt (allbier in ber 
Stadt Zürich) mit ungebürlicher Kleidung, als nämlich 
mit irren Ryt vnnd Khouffmanndroden (mit Reitz und 
Kaufmannsröden), Mänteln, hoͤchen Hueten (hoben Hüten), 
Dolchen vnnd langen Weeren (langen Degen) kommend, 
vnnd biemit vf der Bruggen (auf ber Brüde). unnd Gaſ⸗ 
fen, nit one Ergernuß Frömbver und Heimfcher herum 
gand; vnnd fich ouch der nuͤwen wybiſchen Hoffart mit 
den hochen gefaldnen Kröffen (Kraufen, Halskrauſen) nad) 
ren Hembderen nit ſchaͤmend. Welches alles auch by 
deren etlichen gefechen wirb, ‚die allhie in der Stadt Kilch 
und Schulbienft band (Kirchen: und Schulämtern vorflehen), 
oder ala Augelaßne zum Prebigtamt täglich auf ſolche 
Dienft warthben. So daͤnne befindt es ſich, daß ouch das 
uͤberfluͤßig Zeeren (Schmaufen). vnnd Zutrinken by etlichen 
dermaſſen uͤberhand genommen, das ſy unangeſechen Iren 
Stand, gleich wie andre Bürger, vf die Zunft und Trink⸗ 
fluben, darzu in die offnen Wirthöhäufier zu den Taguͤrten 
(Zechen, Gelagen) und Schlaftrunken (Abendgefellfchaften) 
gand (gehen); beögleichen vnnder Inen Schlegel (Schlaͤ⸗ 
gereien) anrichten, vnnd allerlei vnnoͤthigen Anlaßes zu 
irrem Zaͤchend (um Gelage anzuftellen) fuchend; damit fü 
dann Ir Zeit uͤhel anleggend, dad Ir (Ihre) vnnützlich 
vertbun vnnd ze Zyten fich mit dem Wyn meer belabent, 
dann Irem Stand zimme (gezieme) vnnd zur Erbawung 
der Kilchen (Kirchen) diene.“ Hatte fich die wachſende 
Verderbniß ſchon fo ber Geiſtlichkeit bemaͤchtigt, ſo if 
wohl zu fuͤrchten, daß die andern Staͤnde noch ſchlimmer 


296 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


mögen: gewefen ſeyn, und dieſes Aufwanbögefeg wird 
daher wohl am beſten die Vaqrichtin von. Waffen und 
Kleidungen beſchließen. 





> 


Bierte Abtheilung. 





Turniere und Sanjenrennen 


Die Turniere waren eine der wichtigſten Einrichtungen 
ves Ritterweſens, ja vielleicht kann man ſie wohl fuͤr die 
vorzuͤglichſte halten. Sie waren kriegeriſche Kampfuͤbun⸗ 
gen, bie in den Zeiten des Ritterthums an den Höfen der 
Könige und der Zürften, oder auch von dem Abel, bei 
Gelegenheit großer Zeierlichleiten, dann auch befonders, 
wenn einzelne Ritter fi Dazu vereinten, angeftellt wurden. 
Sie gewährten durch Pracht der Waffen, durch Glanz der 
Kleidung, duch die Wunder der Tapferkeit, durch bie 
Schönpeit und die Anmuth der vft dabei verfammelten 
- Srauen ein glänzendes Schauſpiel, und bienten zugleich 
als ein Mittel zur Uebung in den Waffen. Für di: Ritter 
" war ed bie größte Ehre, in biefen Spielen.ben Sieg davon 
zu tragen. Sie entflammten ben Ehrgeiz und nährten 
bie Zapferfeit. Ein Turnier war das größte Bell, bie 
hoͤchſte Beierlichkeit für den Ritter und Edlen. Hier hatte 
er Gelegenheit, vor ben berühmteften und tapferften Mäns 
nern, vor ben ſchoͤnſten und artigften Frauen feines Vater: 


% 


4. Abtheil. Zurniere und Lanzenrennen. 285 


landes ſich durch Zapferkeit hervorzuthun und Ruhm zu 
. erwerben Hier Tonnte er ſich, in prachtvoller Rüflung, 
in ber ganzen Kraft und Gefchidlichkeit feiner Kunft 
zeigen. Die Hoffnung, den Dank des Turniers zu errins 
gen, der Gedanke, ald Sieger während. ber Dauer bes 
Feſtes der Erſte unter einer glänzenden und. angefebenen 
Verfammlung zu ſeyn, die Blide Aller und befonders 
aller Frauen auf fich zu ziehen, ja vielleicht auch von den 
Minneſingern beſungen zu werden, dies alles gab ihm 
Muth zu feinen kuͤhnen Thaten, indem ex feine ganze 
Kraft mit firenger Uebung nach diefem Ziele zichtete,, Ein 
folches Zurnier war der Sammelplas alles Schönen und 
aller Pracht der damaligen Zeiten. Beſonders benutzten 
auch die Frauen diefe Gelegenheit, ſich durch koͤrperliche 
und geiflige Vorzüge, durch Geſchmack, durch Anfland, 
feines Belragen und gefellfchaftliche Bilbung auszuzeichnen. 
Ihnen zu Ehren fellte man gewöhnlid bie Turniere an, 
und eine ober mehre aus ihrem Kreife waren immer die - 
Königinnen des Feftes. 

Es ift Schon hieraus unnerfennbar, daß die Zurniero 
einen wichtigen Einfluß auf ben Geiſt bes Ritterweſens 
haben heroorbringen müflen, zumal ba die. Zurniergefege 
von denen, welche einem Zurmiere beimohnen wollten, 
außer dem Stande und ber Tapferkeit, auch noch den ˖ Be⸗ 
fig und die Uebung aller Tugenden und Pflichten des Rit⸗ 
terthums forderten. Jeder Ritter und Edle, ber Anfpruch 
auf Zurnierfähigkeit machen und der Schande, vom Zur: 
nier ausgefchloffen zu werden, nicht ausgeſetzt ſeyn wollte, 
mußte alfo auch in feinem ganzen Leben und Wandel 


N 


286 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


bemuͤht ſeyn, uͤberall und zu jeder Zeit die Pflichten ſeines 
Standes durch Achtung gegen die Religion, durch Tapfer⸗ 
keit, ‚durch huͤlfreichen Beiſtand gegen bie Unterbrüdten, 
Durch NRechtfchaffenheit und dur zarte Behandlung bes 
zweiten Gefchlechts zu üben. Natürlich war dieß allges 
meine Streben nah Bolllommenbeit oftmald von ben 
gluͤcklichſten Folgen fuͤr die Glieder des Adels; denn feine 
toben und wilden. Sitten verfeinerten fi in biefer, durch 
die Turniere ihnen felbft unbemerkt veranlaßten, Sittens 
fhule nach und nad) immer mehr. Betrachten wir daher 
nun bier nach einander das Entftehen, bie Ausbildung 
und bie Einrichtung der Turniere. 

Kriegesuͤbungen, die unter bem Namen eines Spiels 


zu Bolksluſtbarkeiten gebraucht wurden, finden wir ſchon 


bei vielen Völkern des Alterthums, ohrce boy, daß fie bie 
Bedeutung der Turniere gehabt hätten. Wir finden fie 
bei Zrojanern, Hebraͤern, riechen, Römern und den 
alten Deutfchen. Diefe gehören nun nicht in unfere Un- 
terſuchung, da fie ganz von uns entfernt liegen und etwas 
völlig anderes bezeichnen, als die Turniere ber Ritterzeit 
find. Bei fo manchem aber, das in alter Beit vorkommt 
und ber KRitterzeit in ben Turnieren entfpricht, ift ein 
Zweifel und gelehrter Streit entflanden ‚vb man’ bie 
Zurniere 
für ein in der früheren Verfaſſung des beutfchen Reis 
gegründetes Unternehmen, vder 
für eine Erfcheinung des in den Zeiten ber Kreuz: 
jüge in Europa entſtandenen Ritterwefens halten 


folle. 


4 Abtheil. Zurniere und Lanzenrennen 287 


Wenn wir, wie in fo manchen anderen bereits anges 
führten Einrichtungen, ‚zwar die alte Zeit nicht verfennen, 
aber die neuere Bedeutung unterfuchen, fo ift das Zur: 
nier auch durchaus wieber eine ganz eigenthümliche Ein⸗ 
richtung der Nitterzeit. Zunaͤchſt germanifchen Urfprungs 
iſt Die Einrichtung der Zurniere zu erachten; denn Tacitus 
fagt fhon: „fie haben nur ein. einziges und bei allen 
Zufammentünften das nämliche Schaufpiel. Nadende, zu 
diefem Spiel abgerichtete Juͤnglinge tanzen zwifchen bios 
Ben Schwertern und geworfenen 2anzen herum. Die- 
Uebung bat ed zur Kunſt und die Kunſt zur. Wohlanſtaͤn⸗ 
digkeit gebracht. Es gefchieht aber niemals um Lohn; 
die Freude der Zufchauer iſt der ganze Preis dieſes kuͤhnen 
Spielwerks.“ 

Sind hiermit auch nicht unmittelbar Turniere bezeich⸗ 
net, fo erſcheint Doch dabei ſchon die Unverzagtheit und 
Geſchwindigkeit, welche feitdem auch in ben Turnieren ſo 
glänzend bervortrat, und es waren WBaffenfpiele. Diefe 
behaupteten fpäterhin bei den Karolingern in allen Zeiers 
lichkeiten den erften Platz. Dahin deutet eine Stelle in 
dem Werke des alten Befcyichtfchreiberd Nithardus de 
dissensionibüs Aliorum Ludov. Pii L. III. p. 27, 
worin er erzählt, wie freundlich und brüderlich Ludwig der 
Deutfche mit feinem Bruder Karl dem. Kahleh, nach bem 
auf die Schlacht bei Fontenay 842 folgenden Brieden, 
gelebt habe: „Sie ertheilten einander unaufhoͤrlich Bes 
ſchenke; fie bewohnten zufammen nur ein Haus, und da 
fie in allem gemeinfchaftlich lebten, fo nahm ber eine an 
den Beluftigungen des andern Theil. Sie wohnten. mit 


288 .. Brositer Abſchnitt. Ritterleben. 


einander ben Uebungen bei, welche ihre beiberfeitigen Uns 
terthanen, in gleicher Anzahl, mitten unter einer außer- 
ordentlichen Menge Zufchauer vornahmen. Nach dem Ans 
bli@ diefer Kampffpiele zu urtheilen, "hätte man glauben 
follen, daß eine Tobfeindfchaft beide Parteien beiebe; mit 
einer ſolchen Haſtigkeit flürzten fie über einander her, bis 
bie eine von ihnen unter dem ‚Schuge ihrer Schilde die 
Flucht ergriffen hatte. Bald darauf flelte fich der Haus 
fen, welcher hatte weichen müffen, mit neuem. Muthe 
“gegen ben Feind, und verfolgte denfelben auch von feiner 
Seite; endlich rudten die beiden Könige mit aller ihrer jungen 
Mannfchaft zu Pferde hervor, ließen ihre Langen ober 
Wurffpieße ‚unter großem Gefchrei blinfen, und warfen 
bald diefe, bald jene. Der Edelmuth, die Zuruͤckhaltung 
einer fo zahlreichen Verſammlung aus fo verſchiedenen 
Voͤlkern, erwedte Bewunderung, und, was man kaum 
unter einer Eleinem Anzahl vertrauter Freunde erwarten 
würde, man ſah auch nicht einen einzigen beleidigenden 
Stoß, man hörte Fein einziges beleidigendes Wort." 
Diefe Schilderung nähert fi unfern Turnieren fchon 
um einen Schritt mehr, als die frühefte Beſchreibung des 
- Zacitus. In der legtern Befchreibung fehen wir den Kampf 
eines Haufend gegen einen andern, den man: in ber 
Folge Buhurt (franz. combats a la foule) nannte. Wie 
nun bei allen neuen @inrichtungen, bewußt ober unbes 
wußt, die Vorzeit einwirkt und Sitten des Altertbums 
bleiben, fo ift auch nicht zu. leugnen, baß wir die weſent⸗ 
Iihen Einrichtungen der Zurniere in biefen alten Kriegs⸗ 


4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 989 


fpielen ſuchen müffen, und bennod wurden fie fin der 
Folge ganz etwas Anderes und Eigenes. 

Gemeinhin nimmt man Kaiſer Heinrich I als den 
Erfinder der Turniere in Deutſchland an, und nennt ein 
Turnier im Jahre 938 als bad erſte, welches er gehalten 
haben fol. Was Heinrich that, der fo viel für die Wehr⸗ 
baftmachung Deutfchlands wirkte, bie Hunnen- verjagte, 
die Wenden zuruͤckdraͤngte und baͤndigte, iſt wohl nichts 
mehr, als daß er die frübern Fußkaͤmpfe in Reiterfpiele . 


umwandelte, ober: vielmehr den Fußkaͤmpfen hauptfähs 


lichft Reiterkaͤmpfe beifügte. Dadurch gefchah wicder‘ ein 
bebeutender Schritt zu den eigentlichen. Zurnieren, aber 
e3 ift keinesweges die wirkliche Einführung berfelben in 
dies Jahr zu fegen. Alle die früheften Turniere, die daher 
Rürner in feinem Turnierbuche, das zumeift eine Zufam- 
menfeßung von Fabeln ift, und nach ihm fo viele in ben 
Jahren 942 zu Rotenburg a. d. Zauber, 948 zu Koſtanz 
am Bodenſee, 968 zu Mörsburg (Merfeburg) a. d. Saale, 
996 zu Braunfchweig, 1019 zu Trier a. d. Mofel, 104% 
zu Halle a. d. Saale, 1080 zu Augsburg am Lech und 

4129 zu Göttingen hakten laffen, find daher noch keines⸗ 
| weges als rechte und Achte Zurniere anzunehmen, fondern 
erft in dem 42. Jahrh., unter Lothar II erfcheinen wirk⸗ 
liche Zurniere, indem die Kampffpiele der Deutfchen, 
durch Uebernahme der Gebraͤuche und Sitten, die damals - 
ſchon in Frankreich berrfchten, dazu umgewandelt wurden, 
und man nannte fie daher auch Iudos gallicos. In 
FZrankreich legen viele Schriftfteller dem Gottfried von 
Preuilly, der 4066 flarb, die Erfindung der Zurniere bei. 

' 19 


D 


2% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Dies iſt auch zu allgemein ausgedruͤckt; erfunden waren 
fie fchon früher, aber es ift wahrfcheinlih, daß er die 
Geſetze ſammelte und feſtſetzte, ja vielleicht einiges Neue 
‚erfand. Er war aber nicht nur ber Geſetzgeber dieſes 
neuen Spieles, er war auch das Opfer deſſelben, indem 
er unter ber Regierung Philipp's I von Frankreich zu Angers 
in einem Turnier meuchelmörberifcher und verrätherifcher 
Weife umgebracht ward. Vom 12. Jahrh. an fleht das 
Daſeyn der Turniere unbedingt feſt. Won Frankreich 
ging die Sitte nicht aus, aber die Geſetze und bie 
Vervollkommnung bed Ganzen kamen von ba nad 
England und Deutfchland, und felbft nach den Zeugniffen 
byzantinifcher Schriftfteller. follen die Völker des Morgens 
landes Kunft und Ausübung von ben Franzofen gelernt 
baden. — In Deutfchland wurben fie fehr allgemein, 
und es find uͤberaus viele Zurniere gehalten worden, bei 
weitem mehr, als uns Rürner in feinem Buche berichtet. 

Die Franzofen waren ed alfo, welche diefen Zurnie= 
ren ihre eigentliche Geftalt und Einrithtung gaben; und 
daß diefelben gerade von hier auögingen, Dazu famen eine 
Menge von Umfänden und Beranlaffungen zufammen. 
Zuerſt der Trieb im franzöfifchen Volke, allen Verhaͤlt⸗ 
niffen eine in die Augen fallende Geftalt zu geben. Aus 
dem Streben, in allen Verhaͤltniſſen Wohlgefallen zu erres 
gen, fuchten fie Sitten und Gebräuche auf, deren Annah⸗ 
me ihnen, in Verbindung mit ihren eigenen Sitten, eine 
‚gefälligere Außenfeite verfchaffen und ihre lebhafte Einbils 
dungskraft angenehm befchäftigen konnte; darum war «8 
auch möglich, daß das Ritterthum bei ihnen die hoͤchſte 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 291 


Stufe von Feinheit, Zartheit, Biegfamkeit und Gefällige 


feit erreichte. Schon oben habe ich aus Nithart die Stelfe 
angeführt, welche auf Kriegeöfampfübungen der Deutfchen 
und Franken hinwies; diefe vervolfommneten nun bie 
Franzoſen dadurch, baß ‚fie den bei ihnen urfprünglich 
bergebrachten Uebungen diejenigen hinzufügten, welche fie 
bei den benachbarten Arabern und Normännern kennen 
lernten, und fie allgemeinen SKampfgefegen unterwarfen. 
Ungeachtet der vielen Kriege und Feinbfeligleiten mit den 
eben genannten und oft fehr von ihnen gehaßten Nachbas 


ren, herrſchte dennoch wieder ein großer Verkehr mit dens 


felben. Nachdem der Normann Rolf in der Zaufe, zu 
Anfang des 10. Iahrh., den Namen Robert angenommen 
hatte und Herzog in ber Normandie geworben war, auch 
die Tochter des Königs von Frankreich ſich vermählt hatte, 
vereinte ſich der normännifche und franzöfifche Adel durch 
häufige Verbindungen, und dee Hof in ber Normandie 
wurde einer der glaͤnzendſten in ben Abendländern. Eben 
fo war der. Verkehr zwifchen ben koͤniglichen und fürftlichen 
Familien der Chriften in Spanien und Frankreich mit 
den Arabern in Spanien fehr lebhaft. Vermaͤhlungen 
chriſtlicher Prinzen mit maurifchen Prinzeffinnen knuͤpften 
diefe Bande noch fefter; die Söhne der fpanifchen und 
franzöfifchen Großen und des wohlhabenden Adels hielten 
fih oft lange an ben Höfen der maurifhen Könige auf, 
um fich in ben Künften des Krieges und ben feinen Sit 
ten des gefellfchaftlichen Lebens zu bilden. 

&o erhielten nun befonderd auch die Turniere ihre 
Ausbildung, und man ſuchte durch diefe beliebten Schau: 

19* 


= 


292 Zwelter Abfchnitt, Ritterleben. - 


fpiele jede Feierlichkeit zu verfchönern. Dei feierlichen 
Reichs- und Hof⸗Tagen, bei Vermählungen, bei wichti⸗ 
gen Ritterfchlägen, bei Beſuchen ber Großen unter einans 
der, bei Belehnungen, ja felbft bei Concilien und Syno⸗ 
den wurden Zurniere angeftellt., 
Was nun den Namen Turnier betrifft, fo heißt er 
im $ranzöfifchen Tournoy, im Stal. Torneo, im mittl. 
Latein Torneamentum, im Engl. Turnament, Turney; 
im Schwebifchen Torney. Wenn auch bie ausländifche 
Endung dahin deutet, daß das Wort aus fremder Sprache 
zu uns gekommen, fo ift doch die Wurzel deſſelben durch⸗ 
aus deutfh. Im Notker, einem Geiſtlichen des 10. Jahrh. 
im Klofter St. Gallen, von dem wir eine Ueberfegung 
des Buches Hiob, der Pfalmen Davids u. ſ. w. haben, 
finden wir dad Wort turnen für lenken, wenden; womit 
das franzöfifche tourner, das angelfähhfifche turnan, tyr- 
nan und das englifche turn zufammenhängt. Im Nieders 
fächfifchen heißt tornen noch: aufhalten, sich tornen, 
fich faſſen, ſich begreifen. Naͤher tritt aber der Bedeutung 
ber Turniere das isländifche turna und das ſchwediſche 
torna, fechten, ſtreiten, und man ſieht deutlich, daß alle 
dieſe Bedeutungen aus Einer Quelle kommen. 
Bei einer ſo feſt geordneten und durch Geſetze be⸗ 
ſtimmten Einrichtung war es unumgaͤnglich, daß manches 
zur Sprache kam, was fruͤher uͤbergangen oder weniger 
beachtet ward, und dahin gehoͤrte beſonders die Faͤhigkeit, 
in einem Turniere erſcheinen zu dürfen. Es kommen 
dabei Adel, Zurnierfähigkeit, Wappenfchau als nothwens 
dig / vor, und wir müflen deswegen bier, einiges noch vors 


⸗ 


\ 
\ 


4. Abtheil. Zurnlere und Lanzenrennen. 293 


Häufig betrachten, wenn wir im Stande feyn follen, alles, 
was fpäterhin erwähnt werden muß, zu verfiehen. 
Urfprünglich hatten alle waffenfähige Freigeborne, die 
zum Kriegesdienſt verpflichtet waren, Antbeil an ben alten _ 
Kriegesubungen und Kriegeöfpielen gehabt. Nachdem aber 
im 11. und 12. Jahrh. ſich der —— Adel durch 
Erblichmachung des Reiterdienſtes von Yen übrigen Freien 
abgefondert hatte und einen eigenen Stand bildete ; nach⸗ 
dem ſich der Adel durch Erblichwerdung der Reichsaͤmter 
in einen hohen und niedern theilte; nachdem ſpaͤter die 
Ritterwuͤrde zum hoͤchſten Rang bes Adels erhoben wor⸗ 
den war, gelang es dieſem, daß die Turniergeſetze nur 
adelichen und ritterbuͤrtigen Perſonen den Zutritt bei den 
Turnieren erlaubten. Vor Eroͤffnung eines jeden Turniers 
wurden Unterſuchungen angeſtellt, ob die, welche ſich ein⸗ 
gefunden hatten, durch ihren Stand und ihre Geburt fich, 
zur Theilnahme daran eigneten. In Deutfchland wurben 
die meiften Schwierigkeiten bei diefer Adelöprobe gemacht. 
Nach den deutfchen Zurniergefeßen war e8 nur dem urs 
ſpruͤnglich freien Deutfchen, dem Adel, erlaubt, bei den 
Turnieren als Theilnehmer zu erfcheinen. Daher bie 
Ähnenprobe, durch welche der, welcher an einem Zurs 
nier Theil nehmen wollte, beweifen mußte, baß er aus 
einem alten. adelichen und .alfo turnierfähigen Gefchlechte 
entfprungen fey. Urfprünglid war biefe Ahnenprobe 
nichts, als eine Ausbehnung des nach altveutfchen Rechten 
hergebrachten Beweifes der Freigeborenheit, durch 
welchen ein Breigeborner darthun mußte, daß er aus einer 
vechtmäßigen Ehe von Aeltern und Großältern abflamme, 


294 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die in keiner Leibeigenſchaft geſtanden hatten. Daher 
wurde in den aͤlteſten Zeiten die Ahnenprobe nur bis auf 
die Großaͤltern zuruͤck angeſtellt. Als aber zwiſchen der 
Ahnenprobe und dem Beweiſe der Freigeborenheit ein Un⸗ 
terſchied eintrat, mußte bei der Ahnenprobe, außer dem 
Stande der heeze ‚ aub die Ritterbuͤrtigkeit bes 
wiefen werden. itterbürtig war: deilen Vorfahren 
ben Kriegeshienft zur Vertheidigung bed Waterlandes zu 
Pferde gethan hatten. Nur der, deffen Vorfahren Reis 
-terdienfte gethban, war zu ben Vorzligen und Rechten der 
Reiterzunft berechtigt und konnte die höchfte Würde in 
derſelben, die Ritterwürbe, erlangen. So entftanden unter 
ben Freigebornen zwei XAbtheilungen, die zu Roffe Dienen⸗ 
den, der ritterbürtige niebere Adel, und die zu Fuß Dies. 
nenden, ber freie Bürgers und Bauernſtand. Nach und 
nach zogen fich die Sränzlinien zwifchen beiden Abtheilunz 
gen färfer, und unter Kaifer Friedrich, IL wurbe ber 
zweiten Abtheilung die Möglichkeit, fich durch Verdienſte in 
bie Reiterzunft zu bringen, und burch biefe Zünftigkeit zur. 
. Ritterwürbe ſelbſt zu gelangen, durch ausdruͤckliche Geſetze 
abgefchnitten. Damals hatte ſich auch ſchon ber Abel ben fonft 
allen Freigebornen zulommenden Namen miles zugeeignet. 
Später nannten fie fi, mit Nachahmung ber römifchen 
Berfaffung: equites, So magßte ſich denn auch ber ‚Abel 
befonderd die Turniere an, und man nahm hier befonders 
die Nitterbürtigkeit- in Anfpruch, vorzüglich feitbem ber 
Briefadel gewöhnlich geworden wars; und der alte Erbabel 
verſtattete denen vom Briefadel keinen Antheil an biefer 
Schule der Tapferkeit und Zierlichleit, fondern nur bem, 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 295 


ver aus einem alten ritterbürtigen Geſchlecht entfproffen 
wear und 4 ebenbürtige Ahnen beweifen konnte. Deshalb 
heißt das 12te Zurniergefeg: 

„Welcher vom Adel wollt’ einreiten und turniren, 
ber nicht von feinen Eltern Edelgeboren vnd ‚Her: 
kommen war, vnd dad mit feinen vier Anichen 
nicht beweifen kuͤndt, der mag mit Recht diefer 
Thurnier Feinen beſuchen.“ 

Der Briefadel, durch welchen die deutſchen Koͤnige 
aus hoͤchſter Machtvollkommenheit den Stand und die 
Rechte des Adels durch einen Gnadenbrief erblich ertheil⸗ 
ten, gab alſo noch keine Turnierfaͤhigkeit, und ſo wurden 
noch im Jahre 1438, bei einem Turnier zu Nürnberg, 
mehre Ritter, denen Kaiſer Siegmund bei ſeiner Kroͤnung 
in Rom dieſe Wuͤrde ertheilt hatte, davon ausgeſchloſſen, 
weil fie nicht ritterbürtig waren. In der Folge aber, da⸗ 
mit diefer neue Adel nicht zurüdflände, wurde ihnen in 
den Adels⸗ und Gnadenbriefen auch die Ritterbürtigkeit 
mit ertheilt; und wie dies ſchon in ben Verfall des Rit⸗ 
terwefens fiel, fo war es noch ein Grund mehr, bad Rits 
tertfum immer weiter zu untergraben und zu flürzen. 
Zwifchen dem freien Lands und Lehen⸗Adel, und dem Mis 
nuiſterial⸗ oder Dienſt⸗Adel war fonft fein Unterſchied; diefer 
war fo gut ritterbürtig und turnierfähig als jener. 

Auch die alten Patrizier, ober, wie fie hießen, die Ge: 
fhlechter in den Städten, wurben zu ben Xurnieren 
gelaffen, doch nur unter gewiffen Einfchräntungen. Das 
‚gegen lautete eine Verordnung rudfichtlich der Bürger: 

„Welcher aus freiem Willen in einer Statt figel, 


” 





2% 


Breiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Steuer und Wacht gibet, oder beampt, vnd das 
zu thun verbunden iſt, ſo dann in gemein inge⸗ 
ſeſſene Buͤrger zu thun ſeynd, die ſollen zum Tur⸗ 
nier nicht. eingelaſſen werben. Fuͤget ſichs aber, 


| baß ‚einer Schirm aus Nothdurft ˖ gefuchet hätte, 


oder fuchen müßte, das foll er nicht entgelten. 
Welcher auch vom Adel zu einer Statt beftellt ift, 
vnd fich nicht weiters verpflicht oder handelt, dann 
bem Abel zuflehet, der fol auch zum Zurnier nicht 
abgeſtricket (davon nicht weggewiefen) werben.‘ 


Damit nun diefes Geſetz nicht den Patriziern zumiber 


unb- hinderlich wäre, wurden in den Gnadenbriefen der Kais 
fer eigene Klaufeln dagegen eingefeht, bie ed wieder aufs 
hoben. Dagegen wurde der, 


„voelher vom Adel geboren und Herkommen — mit 


Kauffmannfhafft, Waͤchßlen, Fuͤrkauffen vnnd der⸗ 
gleichen Sachen, nehren oder ſein Eynkommen 
nehmen wolt, dardurch ſein Adel geſchmehet vnnd 
beracht wuͤrde, wo er auch feinen Hinderſaßen vnnd 
Anftöffern jr Brod vor dem Mund abfchneiden wolt, 
demſelb fo der ſtuͤck eins oder mehr vberfahren vnnd 
darwider thun würde, fol in Zurnier nicht 
zugelaffen werden." 


Dagegen war ber Landbau einem Ritter keinesweges 


unanftänbig, und man hatte dad Spruͤchwort: „Ein Edel⸗ 
mann mag vor Mittag zu Ader geben, und nad Mittag 
im Turnier reiten;“ nur ftäbtifcher Handel und Wandel, 


‚ Ras Ziehen in die Städte und überhaupt das Verlaſſen 


der alten väterlichen Landfige, um in ben Stäbten beffer 





4. Abtheil. Turniere und Sanzentennen. 297 


verpraffend zu leben ober im Gegentheil mehr Gluͤcksguͤter 
zu erwerben, warb ald Ehre verlegend, angefehen. 
Außerdem vernichteten Mißheirathen die Turnierfähigs 
keit; denn es heißt: 

„Ob ein Zurnierögenoß eined Burgers Tochter, ober 
eine Bauerin zu einem ehelichen Bettgenofjen neh⸗ 
me, der mag mit Recht, dieweil er lebt, ungeſchla⸗ 
gen und ungeflraft den Zurnier nit ges 
brauchen, auch berofelben Kinder von ber Weiber 
einem gebohren, und ihre Kindskinder, bis in das 

dritte Glied." 

Späterhin warb dies Geſetz beſchraͤnkt und dahin ges 
ändert: daß nur ber nebfl feinen Kindern der 
Zurnierfäbigkeit verluftig feyn follte, welder 
bie Tochter eines Handwerkers, eines Schenk⸗ 
wirths oder eines Eigenen heirathete; dagegen 
ſollte es dem nicht verargt werden, der eines ehrbaren 
Buͤrgers Tochter, um ſeine Umſtaͤnde zu verbeſſern, gehei⸗ 
rathet haͤtte, und der daher von den Turnieren nicht aus 
geſchloſſen ſeyn. 

Nicht zugelaſſen wurden zu den Turnieren alle die⸗ 
jenigen, welche unehelich geboren; ja ſelbſt diejenigen durf⸗ 
ten nicht erſcheinen, welche durch nachherige Verheirathung 
der Eltern und kaiſerliche Gnadenbriefe ehelich erklaͤrt 
worden, und erſt bei der dritten oder vierten Nachkom⸗ 
. menfchaft warb es vergeſſen. 

Bei allen diefen Bedingungen war ed nun nöthig, 
baß mehre Beweismittel eintraten, durch welche das 
Recht, an Turnieren Antheil zu nehmen, bewiefen ward. 


298 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Dieſer Beweis mußte immer vor Eroͤffnung des Turnieres 
geführt werben, und deshalb war man ſchon lange vorhe:, 
ehe dad Zurnier eintrat, ſehr geſchaͤftig, um den Eintritt 
zu ſichern. | 

Vorzüglich Beweiſe waren bie Waffen: Schild, Helm 
und Kleinod, Als bie gänzlihe Umhuͤllung mit Waffen, 
vom Kopf bis zu Fuß, ed unmdglih machte, aus: der 
Gleichheit aller, den Einzelnen zu erfennen, ſuchte man 
ein dußeres unzweifelhaftes Kennzeihen. Man malte 
baber beflimmte Zeichen oder Bierrathen auf die Schilde, 
bie man fchon in frühfter Zeit Deutichlands, wie uns 
Tacitus erzählt, mit Zarben beſtrich. Andere Geftalten 
brachte man an einem XTheile der Waffenrüflung an, ges 
wöhnlich an den Delmen und auch auf dem Waffenrocke. 
Daraus entftanden die Wappenfchilde und die Helmzeichen 
oder Kleinodien (altdeutfch meiſtentheils, mit Beibehaltung 
des altfranz. Wortes: Zimiere). Anfangs mochten mehre 
daſſelbe Zeichen erwaͤhlt haben; dadurch entſtand wieder 
Verwechslung, und man ſuchte nun, unter oͤffentlicher 
Beglaubigung, fich ein ſolches Zeichen zu ſichern. So 
entflanden die entfchiebenen feften  Waffenzeichen ober 
Wappen, deren Urfprung man von ber Zeit der Kreuz: 
züge annimmt, und bie von da an fich immer fefter und 
ficherer ausbildeten. Da dad Wappen für einen jeden ein 
ausfchließendes Unterfcheidungszeichen war, fo folgte dar⸗ 
aus die Forterbung des Schildzeichens und Helmkleinods 
vom Vater auf den Sohn, und auf dieſe Art wurden die 
Wappen erbliche, unter oͤffentlicher Beſtaͤtigung angenom⸗ 
mene Unterfcheidungszeichen der adelichen Geſchlechter. Die 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 299 


Mappenzeichen des Schildes führte gewöhnlich eine ganze 
Familie gemeinfhaftlih, durch bie Helmkleinobien aber, 
welche auf den Helmen gewöhnlih in Geflalten von Mes 
tall beftanden, wie wir fie ſchon oben haben Eennen lernen, 
unterfchieden fich bie verfchiedenen Seitenlinien, und zwar 
gleichfalls außfchliegend erblid. Doch erleidet diefe Bes 
ſtimmung manche Abänderung, von welcher in der Waps 
penkunde die Rede⸗ ſeyn muß, 
Der Beweis, zu einem gewiſſen Wappenſchilde und 
Helmzeichen geboren zu ſeyn, war daher auch ber beſte 
Beweis der Ritterbüttigkeit. Daher trat vor ben Zurnies 
ven die Wappenſchau ein, in wekher dazu beflimmte 
Männer über die Aechtheit der Wappen derer, welche 
turnieren wollten, urtheilen und unterfuchen mußten, ob 
fie zur Bührung berfelben berechtigt wären. Jeder Ritter, 
welcher im Zurnier einreiten, das beißt, ſich mit zu dem 
Kämpfern ftellen wollte, mußte zum Beweiſe feiner Zurs 
nierfähigkeit feinen Schild und Helm mit den Kleinobien, 
weiche er von feinen Ahnen, die auch Zurniere befucht, 
geerbt hatte, bei der Wappenfchau aufftelen. Hart war 
dies Unadelichen verboten: 
„Dazu ſoll kein vnadelich Mann — lautet das Geſet 
— laſſen aufftragen, ſchauen oder ſich bereiten, 
bei Poen zwantzig Mark Silbers, darzu ſoll ſein 
Thurniergezeug den Ehrnholden, vnd ſein Turnier⸗ 
pferd den Knechten verfallen ſeyn.“ 
Nur die, welche ihre Wappen bei der Wappenſchau 
“hatten aufſtellen, oder, wie es hieß, „aufftragen“ laſſen, 
wurden von den Turniervoͤgten und Beamten getheilt, 


⸗ 


300 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


d. h. zum Turnier für würdig und fähig erkannt, und in 
die Schaaren, wie fie mit einander kaͤmpfen follten, abges 
fondert und beſtimmt. Wenn fi einer nicht gemeldet 
hatte, fo flanden ſtarke Strafen feft, wenn er doch zum 
Turnier einritt: 

„Welcher darauf nicht getheilt und daruͤber (db. h. über 
die Schranfen) reiten wird, berfelbige fol fein Roß 
vnd Zurnierzeug verloren haben, vnd ein Xheil 
verfallen, auch hinfuͤr des Zurnierd zu ewigen Ta⸗ 
gen beraubt fein, vnd nicht zugelaßen werben.’ 

Einen andern Beweis für die Zurnierfähigfeit gaben 

die Zurnierbücer und Zurnierliften. Zur Eintraa 
gung in diefelben war ein jeder verpflichtet: 

„Vnd fo der beflimmte Tag, daß man turnieren foll, 

-tommt, ift ein jeder Zurnierer fchulbig, zu feinem 
Zurniervogt zu geben, unter: den er dann gehört (die 
beutfchen Ritter waren in verfchiebene Zurnierlande 
oder Kreife getheilt, wie fpdter bemerkt werden 
wird), ond fih lagen einfchreiben, dabei follen 
die Ehrnholden (Herolde) fein.” 

Auf dieſe Zurnierbücher konnte man fi wegen feiner 
Vorfahren berufen, und fie gaben einen unumflößlichen 
Beweis, u 

Nach geendigtem Turnier mußte ein jeder zu feinem 
Landeöturniervogt, der ihn eingefchrieben hatte, gehen 
und von ihm einen Turnierbrief annehmen, worin bes 
fcheinigt ward: er fey.bei dem Turnier gewefen. Darüber 
lautet das Geſetz? 

„Nah dem fol ſich ein jeber, ber geturniert hat, zu 


4. Abtheil. Turnlexe und Ranzenrennen. 301 | 


feinem Qurniervoigt, vnter den er georbnet ifl, 
firgen, von dem fol er feinen Zurnierbrief empfa= 
ben, das fol geſchehn in Beifein zweier Turnier⸗ 
vögte, und zweier Ehrnholden, von denen folen bie 
Briefe ausgegeben werben: Sie follen auch bei 
ihren Eiden feinem einen Zurnierbrief geben, er 
fei dann im Zurnier 'gewefen, und hab das mahl 
ſelbſt geturniert, des follen ſich die Zurniervögte 
unterfchreiben, ein jeder feines Viertheils.“ 
Solcher Zurnierbrief galt in der Folge auch! beweiſend für 
die Zurnierfähigkeit. — Mangelten nun alle dieſe Nittel 
einem Ritter, fo durfte er zulegt noch feine Zurnierfähigs 
keit durch Zeugen erhärten, und bied mußten immer 
zwei rittermäßige Ele ſeyn. 
| Außer diefen allgemeinen Geſetzen kamen aber auch 
noch des Ritters eigene Eigenfchaften ded Lebens und 
Wandels in Beruͤckũchtigung, und nur der, welcher 
uͤberall und zu jeder Zeit die Vorzuͤge und Tugenden eines 
rechtſchaffenen Mannes gezeigt hatte, erhielt die Erlaub⸗ 
niß, Antheil an den Turnieren zu nehmen. Durch dieſe 
Geſetze wurden die Turniere zur Seele des Ritterweſens 
erhoben; ſie waren die kuͤnſtlichſte und fruchtbarſte Ein⸗ 
richtung des Ritterweſens; denn ſie griffen von allen 
Seiten in das Leben, bildeten, belebten und belohnten 
den Ritter. Es wurden deswegen durch dieſe Geſetze bie 
Eigenfchaften eines volkommenen Mannes feftgefegt, und 
fie beflanden : in der Achturlg gegen die Religion, in Zreue 
gegen das Vaterland und den, in befien Dienft man war, 
in Zapferkeit und Muth, in Wahrhaftigkeit gegen feine 


. 


802 Bweiter Abſchnitt.“ Ritterleben. 


Mitbürger, in hülfreihem Beiftand für Unterbrädte, in 
einem artigen Betragen gegen die Frauen, und 'in einer 
unwandelbaren Ergebenbeit, Anhänglichkeit und Liebe zu 
der Auserwählten. — So durften nun in den Turnieren 
nicht erfcheinen Ketzer und Gotteslaͤſterer: 

„Alle die, fo rittermäßig von Abel geboren vnd Her: 
kommen find, die wifjentlich handeln und frevents 
lich thäten wider den hoͤchſten Schatz ber heiligen 

“Dreifaltigkeit, vnd die chrifliche Kicch, mit Anruͤh⸗ 
sung des chriſtlichen Glaubens, es were mit freves 
len Worten oder Werken, einigen Gethaten, wie 
dad gehandelt würde, daß der mit Recht nicht in 
den Turnier reiten ſoll.“ 

Ferner Kirchenraͤuber und alle die, welche gegen Kirchen 
und die Prieſter uͤbel gehandelt: 

„Alle die freventliche Kirchenbrecher vnd Zerſtoͤrer ber 
Gotteshaͤuſer vnd der Kirchen ſein. — Alle die, ſo 
ben Kirchen das ihre vnbillichen vorbehalten, vnd 
bie: Priefterfchaft fchmähen, ober vnwuͤrdiglich hal⸗ 
ten ohne Vrſach.“ 

Berner, wer fih gegen Kaifer und Reich heimlich ober 
Öffentlich vergangen: | 

„Welcher vom Abel geboren ift, der wider Kaiferlicher 
Majeftät Gebott vnd Verbott, aus das heilige roͤmi⸗ 
fche Reich freventlich thäte, vnd vernichtig darwider 
handelt, mit Rorten, Werfen, heimlich oder Öffentlich, 
ber fol im offenen Turnier vor allermänniglich ges 
fitaft, und mit ihm vmb das Pferd geturniert, er 
auch ſelbſt auf die Schranken gefegt werben.‘ 


4. Abtheil. Zurniere und Fanzenzennen. 303 


Weiter, wer fi gegen feinen Lehnherrn vergangen und 
in ber Schlacht felpflüchtig geworben: 
‚er vom Adel — Recht und That dazu gebe, daß 
fein eigener ‚Herr ermordet oder tobt geſchlagen 
wuͤrde.“ Und 
„Welcher eine Feldflucht gethan hat, unter ſeines 
Herrn oder Freund Hauffen, die im Beth geordnet 
fein.“ 

Dieſe Geſetze haben ſchon in frühfter germanifcher 
. Gitte ihren Urfprung. Wer, nad) Zacitus, feinen Schild 
verlor, war ehrlos und. warb von ber Gemeindeverfamm: 
ung auödgefchloffen. Verraͤther und Ueberläufer wurden 
dem Henker zum Strick übergeben, Feige in Moräfte vers 
fentt, und diejenigen, welde ihren Anführer im Treffen 
verließen und überlebten, traf eine lebenslängliche Ehrlo⸗ 
figkeit und Anrührigkeit. Auch Karl der. Große ſetzte noch 
die Todesſtrafe auf dad Verbrechen der Berlafiung bes 
Heeres, welches gegen den Zeind fland, wofür dad alte 
Wort ift: Herisliz. 

Ferner: ein Untreuer, Wortbrächiger und 
Meineidiger durfte nicht zum Turnier einreiten. 
„Welcher vom Adel geboren, der figelbrüdig, meins 
eidig, ehrlos erkannt, gefcholten und bafür gehals 
ten wird, baß berfelb in feinen Zurnier zugelafjen 
werden fol.‘ 
Ausgefchloffen blieben dann noch: Mörder, Stra 
Benräuber und Störer der öffentlihen Ruhe. 
„Ale die fich in Ihrem Stande des Adels mit Stras 
ßenrauben, Mörberei und Berrätherei, auch andern 


308 


Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 
Bodheit verhandeit haben, alſo daß die ſolches mit 
Ehren nicht verantworten koͤnnen, oder darumb 
fuͤrkommen doͤrfen, aus was Stuͤcken das ein jeg⸗ 
licher verſchuldt hat.“ 


Ferner: bie, welche einen geſetzwidrigen Gebrauch 


von dem Fauſtrecht gemacht und den Landfrieden brachen. 


„Alle die, ſo jemand das ſeine nemen, oder Beſchaͤ⸗ 


digung zuſchieben, vnbillich, oder ohn Behde nie: 
dergeworfen oder angefangen haͤtten.“ 


Damit aber Fehden nicht abhielten, zu den Turnieren 


zu kommen, ſo war verordnet, daß die Fehde ruhte, ſo⸗ 
bald ein Turnier ausgeſchrieben war, und ſo lange es 
dauerte. 


Ferner durften im Turnier nicht erſcheinen: die Ur: 


beber neuer Bölle.und Abgaben. 


„Welcher vom Abel geboren ober Herkommen ift, ber 


im Reich Neuerung vnd Beſchwehrung machen 
wollte, mit weiterer Auffegung, bann vor ber ges 
meine Landsgebrauch, Vbung und als Herkommen 
were, es ſey im Fürftenthundben, Herrſchaften, 
Staͤtten oder andern Gebieten, zu Waſſer oder 
Land, ohne der Obrigkeit, als eines Roͤmiſchen 
Kaiſers, Vergunſt vnd Wiſſen, in welcher Weiſe 
das were, dadurch der Kaufmann die Straſſen 
nicht brauchen moͤchte.“ 


Wer Witwen oder Waiſen beraubt, be 


ſchwert, oder ihnen Schutz verweigert. 


„Welcher — Wittiben oder Waiſen beraubte, auch 


ihnen ba8 ihre gewaltiglih vorhielt, fo doch ein 


4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 305 


jeglich rittermäßiger Mann ond die vom Adel, dies 
felben allezeit vor Gewalt vnd Vnrecht folten ſchuͤ— 
ben vnd beſchirmen.“ 

Zerner die, welche Tugend, Ehre und gute 
Namen der Frauen mit Worten oder Werten bes 
leidigt hatten, aud die Entführer. 

„Welcher Zrauen oder Iungfrauen ihre Ehr mit 

Worten oder Werken hat benemen wollen, und fich 
ihe berühmt, ober folched mit Gewalt thut.“ 





“ Und: 

„Welcher einem fein Eheweib, Tochter, Schwefter 
ober Freundin, vnehelich entführte oder hielte, wider’ 
fein Wiffen oder Willen. Item, welcher eine Clo⸗ 
flerfrau hinweg führet, vnd mit der zuhielte.“ 

Zulegt nun noch die, welche offenbare Hurerei 

trieben und Ehebrecher waren. 

„Welcher vom Adel geboren und Herkommen ift, ber 
für einen Chebrecher ungezweifelt und öffentlich er: 
fannt würde, ber in eigenem ehelichen Stande, 
oder außerhalb beffelbigen, mit andern Eheweibern, + 
ober geiftlihen Perfonen, in folcher Geflalt zu 
Schaffen hätte, auch rauen ober Jungfrauen 
ſchwaͤchte oder Öffentlich ſchaͤndete.“ 

Und: 

„Alle berühmte vnd offenbare Ehebrecher, und bie 
alfo in der Vnehe fitzen.“ 

Dieſe Geſetze beweifen, wie fehr man bemüht war, 
bie Zurniere zu einer Schule der Sitten zu machen, nicht: 
bloß bie Zapferkeit zu üben, und es geht ‚auch. baraus 

20 


306 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


hervor, daß, als das Ritterthum in ſeinem erſten Glanze 
ſtand, als alle dieſe Geſetze noch treue und redliche Beob⸗ 
achter fanden, die Ritter und Edlen ein ſo freundliches 
Band umfing, als man nur wuͤnſchen konnte, und daß 
alles dasjenige, was und die Ritterblicher von bem zarten 
und finnigen Leben jener Zage erzählen, wohl wahr und 
gegründet fepn mag, wenn audy, wie immer, in alle 
fih menſchliche Schwaͤche miſchte. 

Um nun über dasjenige, was wir fo eben als geſetz⸗ 
lich kennen gelernt, zu wachen, warb ein Zurnierge: 
richt niebergefegt, beflehend aus den Turniervoͤgten ober 
Zurnierfönigen, den ihnen beigeorbneten Herolden und 
einigen Frauen. Von biefen Perfonen werbe ich fogleich 
ausführlicher fprechen. Alle Klagen gegen die Turnieren⸗ 
ben mußten bei diefem Zurniergerichte angebracht: werben, 
fo ‚wie diefelben in allen Streitigkeiten und Vergehungen 
während der Zurniere entfchieben. Bei ber Wappenſchau 
mußte die Klage gegen einen Zurnierenden erhoben werben. 
Erbot fi) der Beklagte zu Ehre und Recht, fo mußte 
es der Kläger annehmen, body Fonnte er verlangen, baß 
der Beklagte feine Freunde für ſich verbürgen laffe, dahin: 
daß er fi) vor dem ordentlichen Richter zur Berantwor: 
tung fele, und zwar fo, daß die Sache binnen Sahress 
frift beendigt werde. Verſtand ſich der Beklagte nicht 
dazu, fo blieb er fo lange vom Zurnier audgefchloffen, 
bis er fich durch hinlänglichen Beweis von ber Befchuldi: 
gung gereinigt. Ritt er doch ins Turnier ein, fo follte 
er gefchlagen werden, und niemand follte ihn, bei Verluſt 
ber Zurniesfreiheit, fügen. Hatte er ſich zus, Berant: 


4. Abthell. Turniere und Lauzenrennen. 307 


wortung anheifchig gemacht, fo follte ihn Niemand ſchla⸗ 
gen *). Die alten Zurniergefege befagen bies fo in ihrer 
breiten und oft verwarrenen Sprache: \ 
„So einer einen fehlagen will vmb Stud oder Sachen, 

bie auf die Schranken gehören, vnd ihn darumb zu 
rechtfertigen bat, der foll ihn auf bem Zurnier, fo 

man aufträgt, oder vor Auftragen der Helm, 

wann er will, zu Rebe fegen: beutet er ibm Chr 

und Recht, das foll er von ihm aufnemen, ins 
maffen, wie hernach flebet, alfo, baß er ihm fo 

bald, durch feine Sreundfchaft ungefährlich gnugfame 
Buͤrgſchaft thue, daß er ihm vor feinem näheren 
ordentlichen Richter woll Rechtend fein, vngewei⸗ 
gert, ohne weiter appelliren ond Audzug, ‚und daß 

ſolchs in IJahröfrift zu Ende komme, und die Sad 

von Feiner Gefährligkeit nicht verzogen werde: wo 

er das nicht anneme. noch thun wollt, fo fol er 

bed Turniers ſtill fliehen, bis daß er ſich ber aufs 
gelegten Sachen vnd Beſchuldigung durch Recht 
entlebiget, daß er nicht *onehrlich "gehandelt habe. 

Thaͤt er das nicht, und vitte daruͤber, den foll nie: 

mand befchligen noch befrieben, bei Vermeidung 

“des Turniers, vnd dem ober denjenigen, fo ihn 
fblagen wollen, mit ihm zu turnieren vorbehalten 

fein, vnd ihn fonft (wo er folches aufnemen würbe) 


ber Sach halber nicht ſchlagen.“ 


— — 
”) Bas das Schlagen fm Turnier —* davon ont 
. ausführlicher. , y 


n 90* 


308 ° Bwelter Abſchnitt. Mitterieben. - 


Wenn nun einer ben andern, ohne ihn vorher zur 
Rede geftelit zu haben, im Turnier ſchlug (wir werben 
von diefem Schlagen fogleih näher hören), fo fol ber 
fein Roß und Turnierzeug verlieren und für fein ganz 


zes Leben von ben Zurnieren ausgefchloffen 


werben. Jedoch blieb ihm Rechtfertigung und: Belan⸗ 
gung des andern wegen ber Urſach ſeines Mißvergnuͤgens 
vorbehalten. 

„Welcher vber dieſe Ordnung einen ohn' Urfach zu 
Rede geſetzt, oder Anruffung des Rechten, ſchlaͤgt, 
vnd auf die Schranken ſetzet, deſſen Ros und Zur: 
nierzeug ſoll dem Ehrnholden vnd Geſellſchaft⸗ 
knechten verfallen, vnd darzu fein Lebenlang des 
Turniers beraubt, vnd ber geſchlagen ihm feine 
Korberung, die gethane Schmach zu rechtfertigen, 
vorbehalten ſein.“ 

Hatte einer den andern mit Unrecht belangt, und 
ward dies in der Folge klar, ſo war ein jeder Genoſſe des 
Turniers berechtigt, dies anzuzeigen und als Klaͤger auf⸗ 
zutreten. 

Mas nun die Turnierſtrafen betrifft, fo waren. 
fie von ven gewöhnlichen bürgerlichen Strafen ganz uns 
abhängig und verfihieben. Hatte einer daher auch ſchon 
eine bürgerliche Strafe fin fein Vergehn erlitten, fo ents 
ging er boch der Zurnierflrafe dadurch nicht, und umges 
kehrt. Ein breifacher Unterfchied: ſcheint vornehmlich bei 
ben Turnierftrafen Statt gefunden zu haben. 4) Wenn 
einer um Boshejt, d. h. um eines großen Vergehens 
oder Hauptverbrechens willen, geflraft ward. 2) Wenn 


— 





3. Abtheil. Zurniere und Banzenrennen. 309 


es.um Ehre gefhah, went er gegeri die Ehre feines 
Standes etwas gethan hatte. In diefen beiden Fällen 
waren die Schuldigen durchaus und für ihre Perfon auf 
immer von ben Zurnieren ausgefchloffen, wie biefes ber 
Schluß eines jeden der 12 Turnierartikel beweift, wo es 
gewöhnlich heißt: 

„Welcher — — (nun die und dies gethan hat) daß 

berfelb in keinem Zurnier zugelaßen werben fol.’ 

Meldete fich ein ſolcher ſchamloſer Weiſe dennoch, 
oder ritt gar ungetheilt ein, dann ward er ber oͤffentli⸗ 
hen Schande und Befhimpfung ausgeſetzt. 
Er wurde von den andern geſchmaͤht und gefchlagen und - 
mit dem Sattel auf die Turnierſchranken geſetzt, auch 
noch außerdem wegen ſeiner Frechheit mit Verluſt ſeines 
adelichen Namens, Schildes und Helmes beſtraft. Dafür 
warnten nun auch bie Turniergeſetze: 

„Es ſoll auch keiner ſeinen Helm in den Theil tra⸗ 
gen, der nach Inhalt der Articul abgeſtellt iſt, auf 
daß er ſich ſelbſt nicht ſchmaͤhe. “ 

3) Waren bie Strafen für diejenigen, die, wie ed 
beißt: im Zurnier empfangen wurden. Diefe 
waren nun ganz von ben beiden erſteren verfchieben, fie, 
waren bie unmittelbare gefegliche Folge gewiſſer weniger 
großer Vergehen; wer ſie uͤberſtanden, war wieder zur 
Theilnahme an den Turnieren faͤhig, dagegen die andern 
Verbrechen auf Lebenszeit davon ausſchloſſen. Es waren 
ſoichem ſchimpflichen Empfange in den Turnieren folgende 
ausgeſetzt: diejenigen, welche nach“ einem ‚langen Außen: 
bleiben und Nichtgebrauch derſelben wieder babei erſchienen; 


310 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die, welche wieder zuerſt faͤhige Mitglieder nach einer Miß⸗ 
heirath waren, um einem Turnier beizuwohnen, und ſo 
auch die Bruͤder und Verwandten eines ſolchen, der außer 
feinen Stand geheirathet hatte. Die Strafe beftand darin, 
daß der vor den Turnierfchranten Erfcheinende mit Kols 
benſchlaͤgen von ben gegenwärtigen Zutnierrittern empfans 

gen ward. So heißt das ausführliche Gefeg darüber: 
„Nach dem und al obgemelbt ,‚ warıımb man einen 
jeglichen, der zum Turnier reiten will, vnd ſtraf⸗ 
bar ift, ſtrafen foll, das fol man alfo thun: dies 
ſelben mit den Kolben und keinen andern Waffen 
ſuchen, doch unterhalb des Satteld, als dad Ges 
ſaͤß windet, da er blos und nicht mit der Blatten 
(mit bem Harniſch) gebedt ift, fol man ihm kei⸗ 
nen Schlag zufügen oder thun, vnd ob einem, ben 
zu flrafen fürgenommen, fein Harnifch, damit er 
gewapnet war, vom Leib gefchlagen würde, fo foll 
man denſelben, wo man ihn in allem fchimpflich em: 
pfahen, und nicht vmb Bosheit flrafen will, an 
bloffen Enden nicht weiter fuchen. "Welcher wider 
Ehre gethan hätte, darumb er zu ſtrafen fürgenoms 
men würde, dem mag man fein Rod abgewinnen, 
derfelbe fol auch mit dem Sattel auf die Schranz 
Ten gefegt werben, vnd darauf bleiben figen bis zu 

Ende des Turniers, . 

War nun einer gefchlagen worden und glaubte, mit 
Unrecht, ‚fo durfte er die, welche ihn gefchlagen, bei ihrem 
Eandeöturniervogt Belangen, der dann verpflichtet wat, 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 311 


nebſt zwei oder vier andern, die Sache zu unterfuchen und 
Darüber zu entfcheiben, 

Wir faben, daß alle biefe Einrichtumgen ſich auf 
Zurniergerichte bezogen, und ich bemerkte fchon oben, 
daß es aus männlichen und weiblichen Zheilnehmern zu: 
fammengefegt war. Die männlichen waren nun: 

Zurniernögte, 

Herolde, 

Grießwaͤrtel, und 
Turnierknechte. | 

Wir wollen ihre Obliegenheiten und ihre Rechte ein: 
zeln. betrachten. 

Die Turniervoͤgte ober Turnierkoͤnige hießen 
aud Richter der Turniere. . Des gefammten Deutfchlanbs 
turnierfaͤhige Freie (bie Sachſen ausgenommen) waren in 
vier große Geſellſchaften, Behufs der Turniere, eingetheilt : 
naͤmlich in bie Gefellfchaften vom Rheinftrom, von 
Baiern, von Schwaben und von Franken. Zus 
ſammen hießen fie die Ritterfchaft ber vier Lande. 
Bei den Zurnieren, welche dieſe Gefellfchaften wechfelss 
weis anſtellten, wurbe von einer jeden ihr Turniervogt 
um naͤchſten Turnier gewählt. Bei außerorbentlichen 
Armieren wählte aber auch jede Geſellſchaft ihren - Zur: 
niervogt, indem eine- jebe cine gewifie Anzahl ihrer Glieder 
zur Helmſchau verorhnete, und aus dieſen wieber bie 4 
Zurniervoͤgte wählte: Die Wahl, welche am Ende eines 
"Etrtniers zum möchflen in Hiuficht der Turniervoͤgte ges 
Halten warb, nannte man, zu Blaty tragen, eine 
dunkele Benennung, . bie.-wahrfcheinlich daher ‚entfprang, 





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— — | — GE = VE 


312 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben. 


daß die Wahl und Ernennung in eine Urkunde (if ein 
Blatt) gefchrieben warb, womit der Erwählte diefe Würde 
beweifen konnte. 

Außer ber Aufficht über die Ritter ihrer Gefelfchaft 
hatten nun biefe Zurnierkönige folgende Rechte und Pflich⸗ 
ten: 4) Sie beflimmten Zeit und Drt bed neuen Turniers 
und ließen dazu durch Herolde ober andere Abgefchidte 
einladen. Diefe Einladung geſchah ſchriftlich, wohl meift 
in einem offenen Briefe, dem die Vollmacht (das Blatt) 
bes Zurnierfönigs, worin wohl.immer fein Wappen, beis 
lag. 2) Den. Ort, wo bad Turnier gehalten werben 
folte, mußten fie dazu gehörig vorbereiten laſſen. 3) 
Mußten fie frei Geleit, Wohnung, Xebensmittel und 
andere Bequemlichkeiten fuͤr die. beſorgen, welche zum Tur⸗ 
nier fommen wollten, und barlıber gehörige Verträge mit 
ben Einwohnern des Ortes, wo das Turnier zu halten, 
abſchließen. 4) Bei Anfang des Turniers mußten fie bie 
Namen ber Theilnehmer annehmen und in die Turnier⸗ 
Rolle eintragen, oder eintragen laſſen. 5). Bei der. Wap⸗ 
penfchau, fo wie bei ber Helmtheilung, d. h. bei ter Thei⸗ 
lung ber Zurnicrenden in zwei Theile, waren fie zugegen 
und hatten die Oberaufficht. 6) Ihnen gebührte der Vor⸗ 
fig im Zurniergericht, fie waren Richter, leiteten bie Uns 
terfuchung und fprachen dad von ben Beifigern gefaͤllte 
Urtheil aus. .7) Bei den Zurnieren bielten fie zwiſchen 
ven Scilen (diefe Benennung wirb fi weiter unten er⸗ 
klaͤren) ud achteten genau auf Ordnung und Beobach⸗ 
kung. der Kanpfgefege- 8) Nach ben Turnieren mußten 
fie denen, weit babei geweſen, auf ihr Verlangen ‚din 


4. Abthei. Turniere und Lanzenrennen. 315 


nix immer auf das einzelne Land, in welchem bie Herolde 
lebten, gerithtet, aber darin war ihre Belanntfchaft auch 
gruͤndlichſt und wohl meiſt unfehlbar. Die Wappen⸗ 
kunde (Heraldik) war die Wiſſenſchaft von den Wappen 
aller wappenfaͤhigen Geſchlechter im Lande, ſo daß man 
die Wappen verſtehen konnte und im Stande war, durch 
bie Wappen beurtheilende Kunſt zu entſcheiden, ob ein 
Wappen Acht und dem Gefege der Wappenkunde entfpres. 
chend fey. Die Geſchlechtskunde (Genealogie) war 
eine Kenntniß von der Herkunft und Berwandtfchaft aller 


adelichen Geſchlechter. Die Erbbefchreibung begriff u 


bie Kenntniß des ganzen Landes, infofern fie auf bie 
Verhaͤltniſſe des Adels Bezug haben konnte, beſonders 
alſo eine Kenntniß aller adelichen Beſitzungen und der 
Thatſachen, warum fie diefer oder jener Familie zugehör: 
ten; dann Auch, wie und auf welche Art fie zum Beſitz 
derfelben gefommen. Dad Heroldsrecht endlich war 
ein Inbegriff von rechtlichen Srundfägen, welche auf bie 
. Kenntniß vom Adel Bezug haften, von feinem Urfprunge 
und Fortgange, von feinem Verhältniß zur hoͤchſten Ge⸗ 
walt und den übrigen Staatsbürgern, vom allgemeinen 
Rechte des Adels und einzelrier Gefchlechter, vom Recht 
der Bappen, ber Zurniere u. f. w. Zur Erlernung bies 
fer Kunft hielt man nur Adeliche gefhidt, und im Geiſte 
jener Zeiten wurden auch dieſe Geſchaͤfte zunft⸗ und 
handwerksmaͤßig verrichtet, indem man nur langſam vom 
Lehrling zum Meiſter uͤberging. Die Reihenfolge der 
Kenntniſſe und Aemter, welche dabei beobachtet wurde, 
war folgende: An einem jeden Hofe waren mehre Herolde. 


oe 


316 . 3weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Wer ein ‚Herold werben wollte, ber ging bei einem alten 
Herold in bie Lehre und lernte bei ihm, wie, ein Hands 
wertölehrling bei feinem. Meifter. Zuerſt erhielt ber Ler⸗ 
nende bie Stelle eined Lauferd ober Boten, der zu Fuß 
oder zu Pferde die ihm aufgetragenen Botfcaften volls 
bringen mußte. Er war unverleglih. Damit man fie 
nun als ſolche erkennen konnte, trugen ſie, wenn ſie zu 
Fuße waren, das Wappen ihres Herrn auf dem Sclofie 
des Guͤrtels; waren fie zu Pferde, fo war das Wappen 
auf der rechten Schulter angeheftet. Drei Jahre lang 
mußten fie ald Boten dienen, baun wurden fie Persevan- 
ten, Rat. Prosequentes , dem Geſellenſtande der Hand⸗ 
werker vergleichbar. Nunmehr trugen ſie das Wappen 
auf der, linken Schulter, Die Erhebung bazu geihah un⸗ 
ter manchen Zeierlichkeiten, deren haupsfächlichfte eine Art 
feierlicher Zaufe. war. Diefe geſchah immer am Sonntage 
und beftand darin, Daß der König oder ber Fuͤrſt, au 
deſſen Hofe der Meiſter des neuen Perſevanten angeſtellt 
war, einen Becher Bein über feinen Kopf goß und ibm 
einen eigenen Namen gab. Darauf mußte er eingn bes 
fondern Eid ablegen und fi) zu den Verpflichtungen feines 
Standes anheifhig machen. Nun hatte ex no fieben 
Jahre zu dienen und zu lernen, woher es denn auch wohl 
kam, daß foldhe Perfevanten, beſonders wenn ſie ef 
bei vorgeruͤckten Jahren zu biefem Amte traten, bejahrt 
wurden, wie denn 3. 8, Hans Sachs in feinem Lobfpruch 
der Stadt Nürnberg erzäflt: 


Im Augenbli@ warb. ich erwedet 
Von einem elten Perfifant. 


s 


4. Abthell. Turniere mb Lanzenrennen. B17 


Nach dem Berlauf von 7 Jahren Tonnten fie erft 
Herolde, affo Meiſter werben. Dieſe hatten, zum Unter⸗ 
ſchiede der Uebrinen, das Wappen ihres Herrn auf der 
Brufl. Ihr Anzug beſtand in einem Waffenrock; auf dem 
Kopfe trugen fie einen Federhut, und in ber Hand führten 
fie einen weißen Stab. Ihre Verrichtungen waren - fehr 
mannichfaltig und verſchieden. In Friedenszeiten 
wurden fie in Erbfolgefaͤllen, in Lehnsfachen und ih’ an⸗ 
dern Verhältnifien bes hoben und niebern Adels um ihr 
Gutachten gefragt. Man gebrauchte fie als Gefanbte; 
das ganze Wappenweſen fland unter ihnen, fie entſchieden 
in Streitigkeiten über die Wappen. Ueber Ritterblirkigfeit 
und Zurnierfähigkeit wurden ihre Entfcheidungen einges 
holt, und fie hatten Macht und Recht, einen Abelichen 
wegen fehlechter Aufführung öffentlich zur Rede zu flellen, 
ihm fein Betragen zu verbieten, ihn zur Beſſerung zu 
ermahnen. Im Kriege waren fie unverleglih. Sie 
Pandigten ben Krieg an und gingen zwifchen ben feind⸗ 
lichen Heeren, wenn es nöthig, hin und her. Während 
ber Schlachten beobachteten fie biefelben, traten gewähns 
lich nach der Endigung berfelben zufammen und beraths 
ſchlagten nach ihrem Gewiffen, wer die Schlacht eigentlich 
gewonnen. Erſt nach gehöriger- Ueberlegung und Vereini⸗ 
gung gaben. fie dee Schlacht ihren Namen. “ 

Bei ven Turnieren hatten fie eine nicht unbebeus 
tende Reihe von Gefchäften. 1) Die Turniervoͤgte ſende⸗ 
ten fie aus, um das bevorflehende Zurnier anzufündigen 
und dazu einzuladen. Bei den Zurnieren ber Ritterfchaft 
von den vier Landen wurden ihnen bie Zehrungstoften 


318 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


aus der gemeinſchaftlichen Kaſſe vergutet. 2) Waren fie 
bei der Wappenfchau und ber Delmtheilung zugegen, und 
es kam befonderd bei ihnen barauf an, die aufgefragenen 
Helme und Schilde zu beurtgeilen, ob. ber Befiger, feiner 
Geburt und den VBerhältniffen feiner Vorfahren nah, im 
Zurnier exfcheinen durfte Vielleicht erhielten fie dafuͤr 
auch in Deutfchland von einem jeden Ritter eine Beloh⸗ 
"mung; in Frankreich war dies wenigfiend ber Sal, wo 
ihnen von jebem Ritter 8 Sous gegeben wurden, wofür 
fie vor dem Turnier feinen Helm unter dad Wappen bes 
feſtigten. In Frankreich war es auch Sitte, daß bie 
Helme derer, welche zum erſten Mal beim Turnier erfchie- 
nen, bem Herolde verfallen waren, und bie Ritter mußten 
fie um ein beſtimmtes Geld auslöfen, deſſen Betrag vers 
fhieden war, je nachdem man einen Kampf mit bem 
Schwerte ober der Lanze eingehen wollte. „Hatte man 
aber den Helm für den höhern Kampf, den Lanzenlampf, 
ausgelöft, fo brauchte man für ben Schwertkampf nichts 
mehr zu geben, worüber dad Sprichwort galt: die Lanze 
macht bad Schwert, nicht aber das Schwert. die Lanze frei. 
3) Vor Anfang des Zurmierd mußten ſie die Geſetze, 
welche befolgt werden ſollten, befonderd in Hinficht bes 
Kampfes und feiner Art und Weife, öffentlich ausrufen. 
4) Erfchien einer im Zurnier, in beflen Familie ein ſol⸗ 
ches Vergehn begangen, daß die Glieder derſelben dem 
ausgeſetzt waren, daß fie geſchlagen werben könnten, wenn 
fie einritten, fo machte der. Herold, damit ein folcher Uns 
ſchuldiger nicht zu fehr gefchlagen wurde, feinen Namen 
bekannt und zugleich den, für welchen er feine Strafe litt. 


4. Abtheil. Turniere und Zanzenrennen. 319 


5) Bor Eröffnung des Turniers unterſuchten fie die Waf⸗ 
fen und bad Zurnierzeug ber Kämpfer, ob es den Ges 
feßen zufplge fo eingerichtet war, daß Niemandem baburch 
ein Schaden zugefügt werben konnte. Beſonders mußten 
die Schwerter gleich bei ber Helmſchau mit aufgetragen 
werden, um gefehen und geprüpft zu werben. Jedes warb 
barauf von ben Herolden gezeichnet, und eö war verboten, 
ein anbered zu braurpen. So fagt Rürner bei dem Zurs 
nier, welches 1481 zu GDeibelberg gehalten worden iſt, 

Bl. 180: 

„vnnd fol keyner keyn ander fehwerbt oder waffen in 
dem Thurnir flren ober brauchen, dann im zum 
Thurnir zugelaffen ift, von denjhenen darzu ges 
ordnet, zu befehen, welche man zulaßen fol, vnnd 
eyns jegklichen ſchwerdt, ſollen mit den Gleinotten 
oder Theylhelmen vff das Haug zu dem Theyl 
getragen werden, bie alsdann zu bejehen vnnd 
zeychnen, vnnd welches nit gezeychnet if, 
fol bei bed Thurnirs ſtraff nit zugela⸗ 
Ben werden. 

6) Während des Kampfes mußten fie ihre ganze Aufmerk⸗ 

famleit auf vie Kämpfer richten, daß diefe den Gefegen 

gemäß mit einander fritten, fie ermuntern oder loben, fie 
an bie Gefege erinnern, wenn fie zu higig wWurben, ober 

im Nothfall fie auseinander bringen; in zweifelhaften 

Faͤllen entfchieden fie, wem ber Sieg zukam. Deshalb 

mußten fie auch, wie die Turniervoͤgte, zwifchen den 

Seilen halten, d. h. ben Kämpfern ganz nahe, um 

gehörig. Achtung geben zu tun“ 2 In diefer Rüdficht 


320 welter Abfchnitt. Ritterleben. 


und bei diefem Gefchäfte hießen fie denn auch Luͤfner, 
Lünfener oder Warner. Lüfener umd Lünfener hängt 
unftreitig mit Laufen, Sehen und mit dem- befannten 
Lugen zufammen, und Barmer wohl mit Wahren, wahr: 
nehmen, wenigftens fcheinen dies die am naͤchſten liegen⸗ 
ben Erklärungen zu feyn, wogegen andere fehr eigene 
Ableitungen haben, 3. B. Schubart in feinem Werte: 
de ludis equestribus, bem beften älteren Buche über bie 
Zurniere, welcher Lünfener ‚von Lanze ableitet. 7) Wenn 
der Turnierkampf verlaufen war, und bie Schranken wieder 
geöffnet wurden, dann riefen fie die Namen ber Sieger 
öffentlich aus und ladeten fie ein, bie Belohnungen in 
Einpfang zu nehmen. 8) Zuletzt waren fie gegenwärtig, 
wenn nach geendetem Zurnier die Zurnierbriefe ausgeftellt 
wurden; denn bies mußte nad) der Regel in Anwefenbeit 
von zwei Herolden gefchehen. 

Die Srieswärtel, Kreiswärtel oder Staͤb⸗ 
fer. Auch über die Ableitung dieſes Namens find die 
Meinungen zweifelhaft. Einige leiten Grieswärtel von 
Brit (Kampf, Streit) ber und Wartel, Beobachter. Ans 
- dere, und dies befonderd Adelung, nehmen Kreiswärtel als 
das eigentlihe Wort an, aus dem Griewärtel nur ent= 
ftellt oder verftellt worden ift, indem Kreis, niederf. Kreit, 
der Kampfplatz bebeutet, alfo Wärter bes Kampfplatzes. 
Den Namen Stäbler erhielten fie von den langen Stä> 
ben, Stangen, die fie führten, und welce fie unter die 
Kämpfenden, wenn biefe zu higig wurden und dem Zuruf 
nicht mehr gehorchten, fchleuderten. Sie mochten deu 
Springftöden und Wurfftangen ber Häfcher auf einigen 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 34 


Hochſchulen gleihen, und hießen Griesflangen. Auch 
die Grieöwärtel waren Abdeliche, fie wurden von den vier 
Zurnierndgten zu gleicher Anzahl. erwählt und beſtellt. 
Rürner fagt davon bei dem Zurnier zu Darmfladt, 1403 
gehalten, BI. 144. a. 

„Da faßen die verorneten (Verordneten) auß den vier 
landen. nider, vnnd erwölten- zmölff zu Grleßwer⸗ 
teln, auß jedem Land drei, vnnd' zwifchen die 
Seyl erwölten fie auch noch. zwen, von jedem 
Land, damit jr zwölf waren mit den Thurnir⸗ 
uögten, die zwifchen Seyln hielten.“ 

Ihre Verpflihtung geht Thon aus diefer Stelle zum heil 
hervor. Sie mußten neben den Zurnieroögten innerhalb 
der Turnierſchranken, zwifchen den Geilen, bieß es in ber 
Zurnierfprache, halten, und, wenn fie bemerkten, daß die 
Kämpfer die Zurniergefege übertraten und einander zu 
ernſtlich angriffen, aus eigenem Antrieb oder auf Veran: 
laffung der Zurniervögte fie trennen und bie, welche in 
Gefahr gerietpen, ſchuͤtzen. Da trat denn aud oftmals 
der Gebrauch der ſchon berührten Griesſtangen ein. 
Zuletzt gehörten noch. zum Zurnier- die Turniers 
Inechte, bie, weil fie mit Stöden und Prügeln verfehen 
waren, auch Prügelinehte genannt wurden Sie 
waren verpflichtet, den Kämpfern Waffen zu reichen, bie 
verlorenen Waffen aufzuheben, ben in Noth Gerathenben 
zu Hülfe zu kommen, das zufchauende Voll in Orbnung 
zu erhalten und zur Ruhe zu bringen. Solche Prügels 
knechte find auch wohl gemeint, wenn wir auf den Abbil: 
dungen in Rürners Zurnierbuch auf einem Hofe Roffe 
21 


322 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


und Maͤnner verſammlet ſehen, zu denen oben aus dem 
Senfter ein Mann mit einem Stabe in der Hand drohend 
niebereuft: Stila bo! Im Notbfall brauchte man fie 
auch gegen bie Kämpfer, wenn fie die Gefehe des Kam⸗ 
pfes, oder, wie man ed damals nannte, die Zurnierfteis 
. heit vergaßen, um fie mit Gewalt auseinander zu bringen. 
Eine ſolche Nothwendigkeit, daß die Zurnierfnechte zugrei= 
fen mußten, erzählt Rürner vom Zurnier zu Darmflabt 
4403. Bl. 144: „Daruff wurden die Seyl abgehawen 
ond ging bee Thurnir an, fo bald der anfing,. wurden 
ſich die Franken und die Heſſen rottieren und fi fo hart 
‚ wider eynander zu der wehr fchiden, damit ſich aller Ades 
lichen tugend vnd Adels freiheyt vergeflen ward, vud 
warbt das ſchlahen fo flreng und hart, das weber Grieß⸗ 
wertel die zwifchen SeyIn ober Brügelfnecht mer fcheyben 
Tunden, vnd wurden auß ben Schranden getrieben, bie 


andbern Gürften, Grauen, Herren vnd die von Abel, fo die 


fach nit anging, hielten vff den vier orten (Eden) und 
lieſſen fie machen, biß fie der fach felb mid wurben, vnd 
jr felb. eynen jamer machten, wie nachuolgt. Als nun 
die Grießwertel fahen, das die fach nit mer zu flillen was, 
Ulieſſen fie die Schranken ofigon, wer auß dem Thurnir 
wol, der mocht herauß reiten, da mit er auch mit fchaben 
neme, alfo warbt ber Thurnir mit groffem fchaden gebals 
ten vnd vollendt. — Da wurden vff demfelben Thurnir⸗ 
plag fiebezehen Franken tobt gefchlagen vnd ertretten, und 
neun Heßen.“ 
Bereits oben wurbe bemerkt, daß auch Frauen und 
Jungfrauen zu den Zyrnieren gehörten und beſtimmte 


4. Abtheil. Zurnlere-und Lanzenrennen. 323 . 


Verrichtungen dabei hatten. Sie find daher auch zu ben 
Zurnierbeamten zu zählen. Einige waren zur Wappens 
ſchau und Helmtheilung beftimmt, und zwar, bei ben alls 
gemeinen Turnieren, von jeber ber vier Gefellfchaften brei, 
eine Frau, eine Wittwe und eine Jungfrau. Man nannte 
fie: die zu ber Schau und Helmtheilung verorbs 
neten Srauen und Jungfrauen. Sie mußten aus 
alten ritterburtigen und turnierfähigen Zamilien feyn, und - 
bei der Helmfchau lag ihnen befonders ob, bie Kechte und 
Vortheile ihres Gefchlechtd zu bewahren, wenn irgend ein | 
Frauenzimmer gegen den Befiger eines der aufgelragenen 
Helme Klagen anzubringen hatte. Im biefen Faͤllen war 
ihre Stimme entfcheidend. Andre Frauen waren beflimmt, 
die Daͤnke ded Turniers, d. b. die Preife des Zurs 
nierd, zu überreichen. Bei ben Eleineren Zurnieren 
wurben gleich diejenigen Frauen, welche bie Daͤnke auss 
theilen würden, vorher bekannt gemacht; bei den großen 
Zurnieren aber wurden einige ber anmwefenden Frauen ge: 
wählt, und zwar zu einem jcben einzelnen Dank eine bes 
fondere Austheilerin. Diefe Daͤnke oder Preife waren 
nämlich nach der verfchiedenen Urſache, um berentwillen 
fie vertheilt wurden, unterſchieden, wie weiter unten näher ' 
entwidelt werben wird. . 
Wie die Waffen, deren fich bie eitter bedienten, in 
den Turnieren ſeyn mußten, iſt ſchon oben bei den Waffen 
im Allgemeinen bemerkt worden. Hier nur noch ein paar 
Worte von den Pferden, die dabei gebraucht wurden. Sie 
hatten nicht die Eiſenruͤſtungen (wenigſtens in der Regel), 
weiche fie in den Kämpfen auf Leben und Tod ber Ritter 
21* 


324 Breiter Abſchnitt. Ritterleben. — 


trugen, da es verboten war, nach ben Pferden zu, ſchla⸗ 
gen und zu flechen, und es wurbe immer als ein großes 
Verſehen angenommen, wenn ber Ritter feine Lanze fo 
niedrig hielt, daß er etwa das Roß feined Gegners erſtach. 
Dagegen mußten die Pferde, welde dazu gebraucht wurs 
ben, flarf, dauerhaft muthid, unerfchroden, wohl zuge⸗ 
ritten und an den Kampf gewoͤhnt ſeyn. Andere, die hin⸗ 
ten ausſchlugen, die den Reiter abwarfen, dann auch 
wilde, beißige Pferde, ſolche, die an andere anſprangen 
und dadurch den Kampf ſtoͤrten, wurden zum Rennen 
unbrauchbar gefunden. Daher heißt es in den Turnier⸗ 
geſetzen: | 

„Er fol fi) auch bewahren, daß er Fein einfallend, 

beißend oder fchlagend Pferd babe, darauf er tur= 
nieren wol, ober er ſtehet in Straffe vnd fol 
darumb gefchlagen werden.’ 

Zufolge dieſes Geſetzes mußten bei der Wappenfchau 
auch die Pferde vorgeritten werben, um zu ſehen, ob fie 
nicht einen der eben beruͤhrten Fehler hätten, welches aus 
dem Rürner hervorgeht, der bei ber Beſchreibung bes 
Zurnierd zu Konftanz,. 948 angeblich gehalten, bemerkt, 
baß bei der Helmſchau: „warb ufgetragen, befchaut vnd 
beritten.“ Auch wegen des Pferbezeuges war verords 
net, daß es in allen Stüden fo gemacht feyn folle, daß 
Niemand damit verlegt werben Tonne. So lautet bie 
Zurnierordnung: 

„Es fol auch Feiner keinen Zügel vber brei Finger 
breit an Zaͤumen führen, ober flählen Stirn, 
verbedt noch offenbar, darzu am Sattel, Streif⸗ 


Sn 


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4. Abtheil. Zurniere und Lanzentennen. 325 


Ieder, auch an feinem Ros oder Leib Feinen Zeug 

haben, ber ſchneid oder ſteche, das gefährlich zu - 

brauchen, damit. jemands verlebt möcht werben.‘ 
J In Hinſicht des Sitzens auf den Pferden war befohs 
len, baß bie Kämpfer Feine unerlaubten Mittel gebrauchen 
ſollten, um feflzufigen: 

„Sich fol auch niemand im Turnier mit keinem 
Vmbſchweiff einfchlieffen ober befefligen laſſen, an: 
ders dann im freien Sattel mit ſchlechten Steig: 

ledern, ſich ber gebrauchen und alfo fitzen.“ 

Der Platz, auf welchem große Zurniere gehalten 
wurden, mußte forgfältig zubereitet werden, gegläftet, ge⸗ 
‚ebnet, mit Schranken verfehen. Ein folher Plag wurde 
meift in Deutſchland ein Zurnierhof genannt, fo wie 
bie Beflimmung deſſelben ‚genannt warb das Turnier 
legen. Es wurden oft freie Pläge in der Gegend, wo 
ein Kloſter lag, gewählt, damit man in. den Kreuzgängen 
einen bequemen Pla zur Aufflelung. ber Wappen, zur 
Wappenſchau, hatte. Sonſt wurden. aber auch Plaͤtze in 
ben Städten genommen, und big babei liegenden großen 
Haͤuſer, Rathhänfer u. ſ. w. zur Wappenſchau beſtimmt. 
Meiſt war nun ein Herold oder ein Perſevant zugegen, 
pm den zwiſchen den Wappen umherwandelnden Frauen 
und Rittern die etwa unbekannten zu erklaͤren, auch wohl, 
um etwaige Klagen gleich anzunehmen und ſie vor die 
Turnierrichter zu bringen... 

Um bie Turnierſchranken befanden ſich ringsum, außen 
wo die Wege zum Einreiten und Ausreiten der Ritter 
gelaffen waren, erhöhte Sitze, höher und niebriger, nad 


326 gZweltet Abſchniti. Ritterleben. 


Stand und Wuͤrde der zuſchauenden Perſonen, nach ihrem 
Verhaͤltniß zum Turnier ſelbſt, d. h., wie fie etwa auch 
“darin mit einzugreifen hatten, wie fie etwa auch babet 
beſchaͤftigt waren. Die rohen Holzgerhfte waren ſaͤmmtlich 
Kit Tuch bekleidet und verhuͤllt, und beſonders wurben die 
Emporen, auf welchen Kaifer, Könige, Zürften und hoher 
Adel faßen, ſo wie vor allen die der zufchauenden Frauen, 
mit den reichften Teppichen, mit geſtickten und geſchmuͤck⸗ 
ten Tuͤchern von Sammt und Seide geziert. Dieſe 
Ehrenplaͤtze erhielten auch die Ritter, welche durch ihr 
hohes Alter nicht mehr im Stande waren, an diefen Vers 
gnuͤgungen ihrer Zugend Theil zu nehmen. Wie nun 
ſchon diefe Teppiche und Tücher glänzend geſchmuͤckt waren, 
fo wetteiferte mit ihnen und überftrahlte fie noch in den 
Zurnieren der Glanz der Kleidungen, welche die Zufchauer 
und befonderd die Frauen trugen, und was oben von 
Schmuck und Bier der Waffen und Kleidungen gefägt 
worden ift, daß fand bier feine reichfte Ausbreitung und 
Darlegung. Dazwifchen ertönte nun der Schal der Ton⸗ 
werkzeuge, beſonders der Trompeten und Pauken, welche 
die vornehmſten Zuſchauer bei ihrem Eintritt auf ihren 
Plaͤtzen begruͤßten, die einreitenden Ritter bewillkommne⸗ 
ten, dann aber auch wieder beim Turnier ſelbſt das 
| Beichen zum "Anlauf, die Beflimmung und Erhebung be 
Sieges gaben. Dazmifchen ward gewiß Muſik gemacht, 
aber fie war uͤberaus einfach, wie überhaupt in der da⸗ 
maligen Zeit (ich werde noch fpäter darauf kommen), und 
befland meift nur in einem eintönigen Schlagen ber Trom⸗ 
“mel, begleitet von einer Queerpfeife, bie wir meift auf 


A, Abtheil, Turniere und Lanzenrennen. 327 | 


allen alten Bildern dargeſtellt finden. Doc wurde auch 
eine zufammengefegtere Muſik gemacht, und ein gar maͤch⸗ 
tiges Setöfe mag oft geherrſcht Haben. So heißt es im 
WM. v. 2. Zrauendienft (S. 243): „Da hörte man Speere 
krachen und Schilde tönen, Floiten, Pauken, Pofaunen 
und Scallmaien klangen laut, daß Niemand hören 
mochte.“ 

An dem Tage vor dem eigentlichen Turniere, der, 
nach der Bezeichnungsart, wie der Tag vor heil. Feſten, 
Vorabend (Vigiliae) genannt ward: der Turnierabenb, 
wurben Vorfpiele gehalten, und diefe gaben bie Knappen, 
in Nachahmung ber größeren Turniere der Ritter, auch 


um ihre fchon erlangte Sefchidlichfeit zu zeigen. Die ' 


Vorabende find, wie gefagt, noch jetzt bei den hohen Zeier: 
tagen ber römifchen Kirche von Wichtigkeit, und im Mit: 
telalter erflvedte man diefen heiligen Gebrauch auf jede 
wichtige Handlung, in welche die Verehrung Gottes immer 
mit eingewoben warb, ald das Höchite und Heiligfte, um 
die Beier zu erheben. Bei gerichtlichen Zweikaͤmpfen, bei 


Sottesurthein, bei Eid⸗Ablegung, bei Grtheilung der Rit⸗ 


terwuͤrde warb er immer feierlichft begangen ; man faftete 


von dem Vorabend an und brachte Die Nacht in der Kirche 


oder an. bem Grabe eined Heiligen zu. So wurde benn 
auch der Vorabend ded Turniers mit Uebungen gefeiert, 
die auf die Zefllichkeit des folgenden Tages Bezug hatten. 
Diefe Vorubungen und Rennen wurden fhon den Tag 
‚vorher durch Öffentlihen Ausruf von den Turniervoͤgten 
angekündigt. Wenn die Ritter, welche kaͤmpfen follten, 
gekommen waren, um ben Kampfplab zu befchauen, fo 


N 


328 Zweiter Abfchritt. Kitterieben. 


erfchien in Frankreich ein Herold, welcher laut rief: 
„meine Herrn Ritter, morgen werben fie den Turnier⸗ 
abend haben, wo man Zapferfeit mit Stahl und Eifen 
Taufen und verkaufen wird." Diefe Uebungen arteten 
fpäterhin aus und machten, daß die Kappen, ihren 
Stand und ihre. Stellung vergeflend, fih unter die Ritter 
mifchten. Was nun die Namen betrifft, welche den Kaͤm⸗ 
pfen an biefem Vorfeſte gegeben wurden, fo hießen fie: 
Berfuche (franz. essais), Proben (eprouves); auch: bie 
Turniervesper, und zuletzt das Geſtech (escremies). Die 
Knappen bedienten ſich dabei ſolcher Waffen, die leichter 
zu tragen und zu gebrauchen waren, als die der Ritter, 
und ſolcher, die eher zerbrachen und weniger geſaͤhrlich fuͤr 
die damit Verwundeten waren. Man gab zuweilen denjenigen 
Knappen, die ſich in dieſem Vorturnier ausgezeichnet und den 
Dank davongetragen hatten, die Erlaubniß, in dem großen 
Turnier mit bei den Rittern zu ſeyn; und dieſe anfaͤnglich 
belohnende Miſchung der Knappen und Ritter unter ein⸗ 
ander war ſpaͤterhin ein Grund mehr, der zum Verfall 
der Ritterwuͤrde diente. Zurufe an die Kaͤmpfenden im 
Turniere waren, wie wir ſehen werden, gewoͤhnlich, und 
ſo auch bei dieſen Vorturnieren, bei welchen in Frankreich 
gemeinhin gerufen ward: „Den Damen Liebe, den Pfer⸗ 
den Tod.“ Ein wunderlicher, ja ſelbſt widerfinniger und 
unbegreiflicher Zuruf. 

Am Tage des Turniers ſelbſt verkuͤndete der Schall 
der Drommeten die Ankunft der Ritter, welche praͤchtig 
bewaffnet, in. koſtbarem Anzuge, alle. zu Roß in bie 
Schranken einzogen, jeder. mit feinen Farben, feinem 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 329 


Bappen, feinem Helmſchmuck geziert, in ben glänzendflen 
Baffen, die er zu erhalten vermochte. Geziert war er 


dabei auch mit den Farben feiner Geliebten, -oft auch mit 


einem andern Zeichen, wodurch fie ihn beglüdt, welches 
gewöhnlih an dem audgezeichnetiten und fichtbarften Orte 
“ feines Helmes, auf dem Helmfhmud, wie ſchon oben bes 
merkt, befefligt war und beftand: in einem Gürtel, Schleier, 
Knopf, Armband, Kopfpuß, einer Spange ober einem 
andern Stud ihrer Kleibung, ihres Schmudes. 

.  Bie nun die eigentlichen Zurniere in ben verfchiebes 
nen Zeiten gehalten worden find, wie diefe wechfelten, und 
was eigentlich für befonbere Uebungen waren, daruͤber 
herrſchen noch hin und wieder Dunkelheiten, die nur in 
ber Folge durch fortgefeßtes aufmerkfames Lefen der alten 
Dichtungen und -Audfonderung deffen darin, was auf Les 
ben und Sitte Bezug hat, gemindert und gelöft werben 
koͤmen. Das eigentliche Zurnier war .ein’ Gefecht 
ganzer Haufen gegen eihander. In ben alten 
Gedichten, befonders in den Nibelungen, beißt ein folcher 
Kampf Buhurd, fo auch noch in den fpätern Gebichten 
und beim Ulrich von Lichtenflein. in folder Buhurd 
brauchte nicht in georbneten Schranken gehalten zu wers 
ben, eine jede Wiefe, ein jeder freier, geebneter Pag ‚war 
dazu hinlaͤnglich. Dabei ritten die Ritter im bunten Ge: 
wimmel unter einander, indem fie bad Bilb einer Schlacht 
lieferten ; fie kaͤmpften wechfelnd mit einander, wie ed Zeit 
und Gelegenheit gab, daß fie auf einander trafen, und 
machten fo viel Niebergeworfene ober Ergriffene zu Ge: 
fangnen, als fie nar konnten. Ein Bilb von ber Menge 


330 Bwelter Asfchnikt, Ritterleben. 


der Ritter und ihrem wechſelnden Durcheinanderreiten, lie⸗ 
fert uns der Frauendienſt des Ulrichs v. Lichtenſtein S. 
92: „Da erhub der Graf von Goͤrz einen Buhurt, er 
ritt vor und Frauen mit Kunſt nach ritterlichen Sitten 
daher, der Buhurt ging in Queere hiehin und dahin; 500 
Ritter waren wohl auf den Buhurt gekommen, da hoͤrte 

man das Stoßen von Schilden und das Krachen von 
Svpeeren, bie Ritter waren unmuͤßig um bie reinen füßen 
Weib.“ Das Wort Buhurd kommt urfprünglih von 
Hurt, die Schaar, der Haufen, her, und beutet fo in feis 
nem Namen ſchon die Menge an. Buhurbiren heißt einen 
Buhurd halten. Die Benennungen in den übrigen 
Sprachen zeigen, Daß alle dieſes Wort aus ber bentfchen 
Sprache nahmen. Im Franzöfifchen heißt buhurdiren: 
heurter, ital. urtare, engl. to hurt. Im mittlern Las 
'tein heißt es: bordiare, burdare; und ber Buhurd: bo> 
hordica, burdeicia, boffordo.. In ben andern Spra⸗ 
hen heißt ber Buhurd: Franz. behourd, ital, bagorda, 
ſpan. bohordo. 

Was nun das Gefecht in Haufen beim eigentlichen 
Zurniere ‚betraf, fo zerfiel e8 in das VBorturnier und 
Nachturnier. Im jenem warb mit ben. Zurnierkolben, 
in biefem mit bem Schwerte gefochten. Wenn fich bie 
"Kämpfer auf dem Zurnierplag verfanmlet hatten und ges 
erbnet worben waren, ftellten fie ſich innerhalb der Schrans 
fen in ben verfchiebenen Haufen auf, in welche man fie 
getheilt hatte, einer dem andern in Schlachtorbnung ges 
genüber. Darauf wurben bie Schranken gefchlofien, und 
auf Befehl der Turniervoͤgte und Grießwärtel wurde von 


ug 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 331 
ben XZrompetern bad Zeichen zum Angriff gegeben, ober, 


wie es in ber Zurnierfprache hieß: zum Turnier aufs 


geblafen. Die Grieswärtel bieben die Seile ab, welche 
zwifchen den verfchiebenen Haufen gezogen waren, und 


nun drangen ‘die Kämpfer mit den Kolben auf einander ' 
ein, und indem’ fie gleichfam eine wirkliche Schlacht hiels 


ten, und jede Abtheilung fich beftrebte, die andere zurüds 
zutreiben, warb dad Zurnier geführt. Nach einiger Zeit, 
oft erft nach dem Verlauf einiger Stunden, wurde wicber 
aufgeblafen, bamit der Kampf geendigt werbe. Nun vers 
taufchten fie die Kolben gegen bie Schwerter, um das 
Nachturnier zu halten, Died beftand befonders darin, bag 
die Ritter verfuchten, einander die Helmkleinode abzubauen. 
Died befagen die Zurniergefege fo: 
„Aber fo men zum Zurnier bereit ift, follen vier 
dazu als Grieswäitel und vier zwifchen die Geile 
geordnet werben, aus jebem Lande zween, bis 
man’ getheilt, vnd fo man zum Zurnier aufbläft, 
fo follen die zwifchen den Seilen die Seile abs 
bauen und turnieren laßen, die au flraffen, fo 
‚ Rraffbar feind. Alsbald das gefchehen ift, vnd daß 
- bie Griedwärtel wieber laßen aufblafen, fo follen 
fie ihre Kolben fallen laßen, vnd ein jeber zu 
feinem Schwert greifen, vnd einander die Kleinod 
abbauen. Wann das gefcheben ift, fo gehen die 
Schranken auf, und wird bie Turniersfreiheit ge⸗ 
halten.“ 
Auch die Art, wie nad) den Kleinobien gehauen 
werden mußte, war in bem Zurniergefege beftimmt, bamit 


* 


332 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben, 


dabei ebenfalls Willlür und Unbill vermieden würben. 
Es hieß baber: | 
„Vnd fo man geturniert bat vnd aufbläft, fo mag 
ein jeglicher fein Schwert ziehen, vnd gegen fei: 
nen Zurnierögenoßen verfuchen, fein Kleinod ab: 
zuhauen, mit dem er fih vermag, und daſſelbig 
an niemands, da er blos iſt, mit ſtechen oder 
hauen brechen, vnd nicht anders.“ 

Bei dieſen Turniergefechten durfte ein jeder Ritter, 
wie es ſein Stand ihm erlaubte, einen oder mehre Knap⸗ 
pen ober Knechte bei fi haben. Die Anzahl derſelben 
und ihr Antheil beim Gefechte waren beſtimmt. Nach den 
Zurniergefeben, bie Spangenberg befannt gemacht, durfte 
ein Fürft vier, ein Graf drei, ein Ritter zwei und- ein 
- Edler einen Diener oder Kuappen in feiner Begleitung 
haben. Die heidelberger Zurnierordnung erlaubt nur einem 
Sürften drei, einem Grafen zwei und einem: Ritter oder 
Edelmann einen. Die Pflicht diefer Diener war, während 
bes Kampfes immer um ihre Herren zu bleiben, ihnen bie 
Waffen zu reichen und Durch geſchickte Lenkungen ihrer 
Pferde fie vor den Kolbenfiplägen ihrer Gegner zu fichern. 
Sonſt durften fie ſich auf keine Weiſe in den Kampf mis 
Then, noch in den Zaum bed Gegners ihres Herrn greis 
fen, um fein Pferd wegzwführen, bamit feine, Streiche 
nicht treffen möchten. Dies beflunmten vie Gefege alfo: 

„Dieſelben Knechte ſollen bei ihren Herren oder Jun⸗ 

Fern nicht anders thun, dann welchen man ſchla⸗ 
gen will, den getzenlichen leiten mit feinem Jaum, 
ond Feinen andern mit der Pehre von ihm bringen... 





3. Abtheil. Turnlere und Langentennen. 333 


Es foll auch derfelben Feiner einen andern, dann 
feinen Herm oder Junkern zdumen (heißt. hier 
fo viel, als am Zaume halten, lenken), ober in 
feinen Zaum greifen ober fallen, noch. den bins 
wegleiten oder führen.‘ 
Dagegen durften aber auch bie Kämpfer dieſe Knechte 
nicht beleidigen, nach dieſer Beſtimmung der Geſetze: 
„Dieſelben Knechte ſollen auch von allen Turnierern 
gefreit ſein, die niemand mit den Kolben oder 
Schwerten ſchlagen, verletzen, noch fie gefaͤhrlich 
ernieder ſtoßen oder ſonſt tretten ſoll.“ | 
Eine andere Zurnierkbung war: das Gefecht eins 
zelner mit einander. Die Waffen, weldhe man babei 
gebrauchte, waren Lanze, "Schild und Stechhelm. Dies 
Zanzenrennen ward in ber altdeutfchen Sprache Zioft ges 
nannt. Im mittlern Latein heißt ed: jüste, jösta, jostra; 
im Franz. joute; und im Ital. heißt giostra. die Lanze, 
— Wir finden diefe Kampfart fchon fehr früh in Deutfchland, 
und es beburfte dazu Feiner Turnierſchranken, es konnte 
im freien Felde und wo zwei Nitter einander begegneten, 
gehalten werben, weshalb wir denn auch biefe Lanzenren= 
nen ‘oftmals in Nittergebichten und Geſchichten erwähnt 
finden. In den Zurnieren wurde aber auf verfchiedene 
Art mit ber Lanze gekämpft, und wir finden bei den deut⸗ 
fhen Turnieren befondere Daͤnke für dreierlei Lanzenge⸗ 
fechte , naͤmliche für das Stechen über die Schrau⸗ 
‚ ten, das Stehen im hoben Zeug und das Gefels 
lenftehen. Genau ift noch nicht ausgemittelt, wie diefe 
Stechen ſich eigentlich gegen einander verhielten und von 


334 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


einander abwichen. Nur das Stechen uͤber die Schranken 
kennen wir beſtimmter; es beſtand darin, daß auf dem 
Turnierplatz eine Wand von Latten aufgerichtet war, an 
welcher die beiden Kaͤmpfer, der eine auf dieſer, der andere 
auf jener Seite, mit den Lanzen im vollen Pferdelauf ge⸗ 
geneinander rannten. Die Lanze fuͤhrte man in der rech⸗ 
ten Hand, das Ende des Schafts wurde mit dem Arm 
gegen die Seite gedruͤckt, und bie Spitze hielt man über 
das linke Ohr des Pferdes hinaus, und verfuchte e3 nun, 
ben Gegner lauf den Leib, oder, wenn er ein Schild 
batte, auf bie Mitte des Schildes, zibifchen die vier Naͤ⸗ 
gel, hieß es in ber Kunflfprache, zu treffen, worauf dann 
der recht im Mittelpunct des Schilde Getraffene gewöhns 
U durch die Gewalt des Stoßes zu Boden ſtürzte. Wer 

‚ von feinen: Gegner auf diefe Weife vom Pierde geritten, 
oder aus dem Sattel gehoben warb, ber hatte einen les 
bigen Hall genommen, wie es bie Kunflfprache im 
Zurnier befagte. Sefchidte Kämpfer wußten fih durch 
kuͤnſtliche Wendungen fo zu kehren, baß fie gar nicht ge⸗ 
troffen wurden. Man rechnete ed auch für einen Gall 
vom Roſſe an, und ed war fo gut, als wenn man feinen. 
Gegner aus dem Sattel gehoben hätte, wenn man ihn 
fo traf, daß die Lanze’ zerfplitterte, er aber gar nicht ges 
troffen hatte und feine Lanze ganz blieb; denn das 3er: 
fplittern der Lanze war das fichere Zeichen eines regelrech⸗ 
ten Zreffens des Gegners, und ber Stoß, welchen baburch 
der Zreffende erhielt, war nicht minder bebeutend, als 
der, welchen der Angerannte erlitt. Auf welche Weife 
das Lanzenrennen nach Acht ritterlicher Sitte angeftellt 


e 





4, Abthell. Turnkere und Lanzencennen. 335 


werben mußte, beſagt ein altes Lehrgebicht des Mittels 
alters, dee Winsbed; welcher feinen Sohn über fein 
Leben und Thun belehrt: 
: Cum , nim das gegen bie Tommenben war, 
Und ſenke ſchone dinen haft, 
Als ob er r gemalet dar (fenke deinen Speer fo gerader | als 
ob er gemalt ſey), 
Las an die ors mit meifterfchaft, 
Ze bas und bad zuere im bie Kraft (treibe es zu dem Anlauf 
Immer ſtaͤrker und ftärker an); 
Se nagelen vieren uf dem fchilt da fol bin fpee gewinnen haft, 
Oder da der Heln (Helm) geſtricket ift (ba, wo der Helm feflges 


knuͤpft if); 
Du zwei fint rechtu ritter mal, und uf bee Bruft der befte lift. 


Lei dieſem Geſtech waren die Ritter nun meiſt immer 
in voller Ruͤſtung mit ganzer Bepanzerung; doch finden 
fi) auch: Beifpiele, daß fie die ganze Rüftung verſchmaͤh⸗ 
ten, entweder als Geluͤbde (bavon in einem fpdteren Ab: 
fhnitt), oder auch aus Webermuth und im Bemwußtfeyn 
ihrer Kraft. So heißt ed im Zrauendienft S. 94 von 
Reinprecht von Murede: „Bon guter Seide führte er ein 
Hemde, weiß wie der Schnee, er führte nicht anders 
Harnifches, ald Schild, Helm und Speer. Sehr oft 
geſchah es, daß beide Kämpfer, wenn fie gleich gut ge⸗ 
troffen hatten, zugleidh von den Pferden fielen. Es war 
eine Höflichleit gegen den Gegner, weldhen man aus bem 
Sattel gehoben hatte, ihm zu Ehren freiwillig den Sats 
tel zu räumen und mit berabzufallen. Danon’'erzählt noch 
beim Jahre 1564 Hans v. Schweinicyen in feinem Leben - 
ein- hübfches Beifpiel: „Es bat Kurfürft Auguft (von 
Sachſen) im Neinzuge (zu. Dresden) mit meinem Herrn 


336 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 

Vater; welche beide gute Renner und Stecher gewefen, 
ein Treffen mit einander gethan, jedoch gar heimlich und 
feft, daß es niemand, als die Kur= und Fürftlihen Per: 


fonen gewußt. Ihro Kurfürftl, Gnaden ‚haben meinem 


Vater den Küris felbft angelegt und geſehen, daß er wohl 
berwahret werde. Wie fie nun zufammen rennen, treffen 
fie beide einander ald gute Renner wohl. Wenn (da) 
aber ber Kurfürft nicht wohl einlegen mochten, hat ber 
Spieß den Kurfürften-etlihermaßen uͤberwogen, auch ges 
bolfen, daß alfo 3. 8. F. ©. fallen. Mein Vater aber 
fonften, ungeachtet daß der Kurfürft feiner auch nicht ge: 
fehlt, wohl hätte fißen bleiben können, weil er aber fah, 
daß der Kurfürfk fiel, begab er ſich auch in ben Fall, fam 
es das Anfehen hätte, 3. K. F. ©. Hätten ihn ’runter ges 
rannt, welches bernad dem Kurfürften eine :fonderliche 
Freude gewefen, auch gefagt: „Died folle fein letztes 
Treffen fein. Bisweilen fuchten fie au den Helm ober 
die Helmkleinodien leinander mit ber Lanze abzurennen; 
und Davon geben mehre alte Wilder ein Beifpiel, welche 
zugleich Die Art und Weife ber Lanzenrennen verfinnlichen, 
: bei denen man fich Feines Schildes bediente. 

Derjenige nun, welcher unter allen bie Meiften aus 
bem Sattel gehöben und die größte Anzahl von Lanzen 
gebrochen, welches man in ber Turnierfprache nannte: bie 


meiften Bälle gewonnen hatte, wurde für den Sieger 


gehalten amd ihm der Stechdank zuerkannt. - Die Zertig> 
feit, Lanzen zu brechen und doch buͤgelfeſt zu bleiben, war 
oft unglaublich groß, und es werben bavon in-ber Folge 
noch Beifpiele angeführt werben. Ueber dad Stechen im 


& 


4, Abthell. Zurniere und ganzenrennen, 337 4 


hohen Zeuge ſchweigen alle, die daruͤber Erklaͤrungen geben 
koͤnnten; mir ſcheint es, als wenn es Scharfrennen in 
voller Ruͤſtung waren, die ein Einzelner gegen einen Ein⸗ 
zelnen that und bei benen man fich ber. Lanzen bediente 
Es hatte mit dem Stehen Aber die Schranken Gleichheit, 
nur fehlten bie Schranken, welde die Ritter und Roffe 
von einander trennten, und bie Ritter waren auch ſchwe⸗ 
rer. bewaffnet. Indeſſen wird das große. thalheimerſche 
Schtbud, welches Schlichtegroll zu Münden im Stein⸗ 
drud ‚herauögiebt, darüber und beffer- belehren. „ Gleiche 
Bewandtniß hat es mit dem Geſellenſtechen, und auch 
hierbei habe ich nur eine Vermuthung aufzuweiſen. Das 
Geſellenſtechen iſt mir naͤmlich mit dem ſchon vorher er⸗ 
waͤhnten Gefecht ganzer Schaaren unter einander ‚gleich, 
wobei nur nicht mit Kolben und Schwert, fondern mit 
ber Lanze gekämpft warb, und jeder Ritter fich nach Gut⸗ 
bünfen und wechfelnd einen Gegner wählte. Diefe Art 
des Gefechtes iſt diejenige, welche, wie bereits bemerkt, 
eigentlich und vorzugsweiſe „Buhurd“ im Altdeutſchen 
genannt ward. Hierbei ritten nun die Ritter auf einan⸗ 
der, verſtachen ihre Lanzen, ließen ſich neue geben, zer⸗ 
ſplitterten ſie wieder auf dem Schilde eines neuen Geg⸗ 
ners, entſattelten dieſen und jenen und wurden auch wohl 
aus dem Sattel gehoben. In das wilde Reiten und Fech⸗ 
ten warb fpäterhin wahrfcheinlih eine. Regelmäßigfeit ges 
bracht. Ritter und Roffe bewegten fi) nad) abgemeffenen 
und vorgefchriebenen Gefegen, und fo entwidelten fi aus 
bem Gefellenftechen bie zitterlichen Spiele, weldye die Fol 
gezeit hatte und in welche ſich die Ritterfämpfe auflöften:- 
\ . 22. 


[4 


338 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


das Carouſſ el, bei welchem Gewandtheit des Koͤrpers 
genug gezeigt werden konnte, ohne daß doch dabei Einer 
den Leib des Andern zu ſeiner Zielſcheibe nahm, ſo daß 
dieſe Uebungen weniger gefaͤhrlich und toͤdlich wurden, 
und das ernſthafte Spiel fich mehr in eine heitere Luft 
auflöft, wofür freilich das Zurnier in feiner früheften Zeit 
den mannlihen Kämpfern, "denen Lanzenfplittern - eine 
Luſt war, auch gegolten hatte. M | 

Das Stechen über die Schranken und die andern 
Uebungen mit der Lanze folgten allemal erfl dem Haupt: 
turnier, welches mit Kolbe und Schwert gehalten warb, 
und zumeift ſah erſt der zweite Tag biefe Uebungen 
Man nannte fie daher auch das Nachturnier, doch durfte, 
den Gefegen nach, Feiner im hohen Zeuge ſtechen, ber nicht 
im Hauptturnier mitgefämpft. Diefes beſagt die heilbrun⸗ 
ner Turnierordnung ſo: 

„Fort haben wir geſetzt und geordnet, daß zu einem 
jeden Turnierhof niemand, dann wer von der 
Ritterſchaft zum Turnier gehoͤrt, turnieren, noch 
auch ſonſt jemand in hohen Zeugen vmb die 
Daͤnke ſtechen ſoll, dann die, ſo in demſelben 

Turnier geweſen ſind, vnd denſelbigen beſucht 
haben, vnd auch ſonſt keiner rennen oder ſtechen, 
er habe dann geturniert.“ 

Bei allen dieſen Lanzenſpielen mußte man mit der 

- Lanze nur auf den Kopf, den Schild und auf das Bruſt⸗ 
ftüd floßen, Stellen, wobei keine Verwundung oder Ver 
letzung fo leicht zu fürchten war. Zu hoch over zu niedrig 
war ein Fehler. Zu hoc), ging der Stoß in bie Luft, zu 





Dur euere ee sehe. 2 ee En en ee A ee — 


4. Abtheil. Turniere und Ranzenrennen. :330 


niedrig, war das Pferd des Gegners in Gefahr, und es 
ward als ein großer Fehler angeſehen, wenn ein Ritter 
das Pferd ſeines Gegners todtrannte; oft ein auch gewiß 
unerſetzlicher Berluft. Im Frankreich endete gewoͤhnlich 
kein Kaͤmpfer die Turniere eher, bevor er nicht noch zu 
Ehren ſeiner Geliebten mit einem andern eine Lanze ge⸗ 
brochen hatte; man nannte dieſe die Damenlanze. 
Ob in Deutſchland bei den Turnieren eine gleiche Einrich⸗ 
tung herrſchte, iſt nicht gewiß, doch bei der Aehnlichkeit 
‚fo vieler: Einrichtungen zwifchen beiben Ländern wahr: 
— 
In ſpaͤteren Zeiten erforberte ed die Ver inderung des 
Kampfes und die Art, die Kriege zu fuͤhren, daß der 
Adel nicht mehr allein zu Roß kaͤmpfte, ſondern auch zu 
Fuß. Daher mußten nun auch Ritteruͤbungen zu Fuß 
eintreten. Schon in der Heldenzeit finden wir die viel⸗ 
fahften Kämpfe zu Buße, und gerade dieſe Fußkaͤmpfe 
waren die hißigften, . unverföhnlichften und heftigften, bie 
meift mit einer vollen Niederlage endeten. Oft gefchah es, 
daß, wenn bie Ritter zu Roß an einander gelaufen waren, 
ihre Lanzen zerſplittert hatten und oft ſelbſt niedergewor⸗ 
fen waren, fie aufſprangen, ober ihre Roſſe verließen und 
nun heftig mit dem Schwerte auf einander losgingen. 
Einzelne, beſtimmte Kämpfe, 3. B. in Gottesurtheilen, 
durften nicht anders, als zu Fuß andgefochten werden, und 
die Reden ded Heldenbuches und der Nibelungen finden 
wir nur felten zu Roß kaͤmpfend, meiſt immer ihre Stärke 
und Sewandtheit zu Fuß meflend. Dagegen machen uns 
vie letztern Zeiten bes Ritterthums mit einer beträchtlichen , 
22 * 


30 .  Bieiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Anzahl von Kampfarten zu Zuß befannt, mit Ranzen, 
„Hellebarden und Schwertern, mit Kolben, mit und ohne 
Schild, wie eine bereits oben im Jugendleben angeführte 
Stelle beweift, in welcher angeführt warb, worin fich 
Maximilian in feiner Jugend übte. Aber alle diefe Kämpfe 
find nicht zu den Xurnieren zu rechnen, in denen ber 
Kreid der Uebungen durch das bereit3 Angeführte befiimmt - 
und feft gefchloffen war. Die Geftalten ber Kaͤmpfenden, 
wie fie mannichfach alte Bilder geben, werden inbefien 
pie Arten bes Fußkampfes verfinnlihen und d j 
machen, wobei befonderd hier nur auf_ben Weiskunig zu 
verweiſen ift, aus dem auch im Jugendleben einzelne, bier 
nicht zu wiebesholende Nachweife genommen find. Eben 
fo wenig gehören die Uebungen hierher, welche man im 
‚fpäterer Zeit vornahm, und bie mehr in dad Gebiet gros 
fer Feſtlichkeiten und größerer Rampfübungen gehören, 
als zu den eigentlichen Zurnieren zu rechnen find. Dahin 
rechne ih 3. B. Bolgendes: Man machte Heine Burgen 
von Holz, warf Erbwälle auf, baute hölzerne Thuͤrme 
und Schlöffer und übte ſich, diefelben anzugreifen und zu 
vertheidigen. Eben fo bemühte man ſich, eine Brürde, 
‚ einen engen Paß, ben Uebergang über einen Fluß ober 
‚einen andern Ort, deſſen Bewahrung oder Einnahme im 
Kriege einen großen Werth haben Bann, zu vertheibigen 
oder anzugreifen. In Nachahmung ber alten Heldens 
und Ritterzeit warf. fih, wie wir dies in alten Ritterges 
dichten und Gefchichten, 3. B. im Fierabras, der zum 
Kreife der Dichtungen von Karl dem Großen gehört, 
finden, ein einzelner Ritter auf, einen Paß, ein Thor 


A Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 341 | 


eine Brüde gegen jeden, der ed mit ibm aufnehmen 
wolle, zu vertheidigen. Der, welcher dazu Luft hatte, 
hing alsdann bei dem Drt, welchen er zu vertheidigen 
“ wmternammen hatte, feine Waffen an einem Baum ober 
Pfahl auf. Der andere, welcher den Kampf mit ihm bes 
ſtehen wollte, ‚berührte diefe Waffen mit dem Schwert, 
zum Zeichen der Ausforderung zum Kampf. Gewöhnlich 
festen nun beide -einen Preis für den Sieger fefl und 
kaͤmpften hierauf nach gewiffen feftftehenden Regeln. Dies . 
neigt fich aber alles fchon zu den kuͤnſtlichen Ritterübuns 
gen, bie in der Folge gewöhnlich wurden, bei benen ſich 
diefe Mebungen in ein gar zufammengefegtes Spiel veräns 
derten. Schon oben bezeichnete ich fie mit dem allgemeis 
mn Namen Carouffel, dem Ringelrennen, weldes. 
feine verfchiedenen Abarten hatte und von bem weiter 
unten noch Purz bie Rebe feyn wird. 

Frühere, in ber Heldengeit fo oft vorlommenbe Spiele 
mb SKraftubungen, als: Ringen, Springen, Rennen, 
Laufen, Stein= und Lanzenwerfen, wodurch alle koͤrper⸗ 
liche Vebungen umfaßt wurden, die ben Helden zur Zierbe 
gereichten, und die in ben Nibelungen und dem Helden⸗ 
buche fo oft erwähnt find, wurden zwar aud noch in der 
Nitterzeit getrieben, ‚aber eine Stelle bei den Zurnieren 
hatten fie nicht gefunden, und fie wurden daher nur bei 
andern Gelegenheiten, nicht bei folchen feierlichen und 
großen allgemeinen Kampfübungen, vorgenommen. Die 
Namen diefer Uebungen bezeichnen binlänglih im Allge⸗ 
meinen, was darunter verflanden warb, und aufbas Ein» 
zelne einzugehen, ift bier nicht. der Ort. Nur von dem 


343 Zweiter Abfchnitt. \ Kitterleben. 


Steinwerfen möchten ein Paar Worte von Wichtigkeit 
ſeyn. Das Schleudern eines ungeheuren Steines erzählen 
und bereitd die Nibelungen in den Wettkampf⸗Uebungen, 
welchen fih Brunhilde unterzieht. Schon ®. 1320 heißt 
es von ihr: 

Sie ſchos mit fhnellen Degen um Minne ben Schaft; 

‚Den Stein den warf: fie ferne, darnach fie weiter fprang. A 
Günther unterzieht fi dem Wettkampfe mit ihr, nachdem 
ihm Siegfried feine Hülfe, verborgen durch die unſichtbar 
machende Zarnkappe, verfprodhen. Wie gar gewaltig 
Lanze und Schild der Brunhild war, habe ich fehdn oben 
in einigen Stellen angeführt. V. 1809 ift die Befchreiz 
bung des Steines, ber ihr bargebracht warb: „viel ges 
waltig erfchien die Stärke der Brunhilde; man trug ihe 
einen fchweren Stein zu dem Ringe, groß und ungeflige, 
viel gewaltig und rund; ihn trugen faum zwoͤlf fühne 
und fchnelle Helden. Den warf fie zu allen Zeiten, fobald 
fie den Ger verfchoßen." Wie fie num damit warf und 
zugleich den Sprung darnach that, erzählt V. 1861: 

Da ging fie hin viel baldig, zornig war ihr Muth, 

Den Stein hub fie gar hoch, die ebele Magd gut, 

Sie ſchwang ihn Fräftigliche viel ferne von ber Hand, 

Da fprang fie nad) bem Wurfe, wohl erffang ihr alles ihr Gewand. 

Der Stein war gefallen wohl zwölf Klafter von bann, 

Den Wurf holt’ ein mit Sprunge die Magd fo wohlgethen. 
Darauf tritt nun auch Günther mit bem verborgenen 
Siegfried hinzu, wo der Stein lag. Siegfried warf den 
Stein noch ferner, dazu fprang er weiter. Durch feine 
ſchoͤne Liſt hatte er Kraft genug, baß er mit bem Sprunge 
aud ben König Günther von dannen trug. 


4. Abtheil. Turniere und Sanzentennen. 343 


Diefes Steinfchleubern war auch noch in ber Ritters - 


zeit üblich, und geht dies aus ber Nachricht von einem 
gewichtigen und großen Stein hervor, der im Altenhofe 
zu Rängen lag und wobei diefe Reime befindlich waren: 


Als nach Chriſti Geburt gezehlet war 
Bierzehenhunbert ond 90 Jahr, 
Dat Herkog Chriſtop hochgeborn, 
\ Ein Held von Baiern auserkorn, 
Den Stein gehebt von freier Erb, 
Vnd weit geworfen ohn' Gefebrd, 
Der, wigt 364 Pfund, 
Das gibt der Stein vnd Schrift Brkund. 


Daß Herzog Chriftoph aber auch ein tüchtiger Sprin⸗ 
ger war, und alfo die Uebungen der Nibelungen noch am 
Ende des funfzehnten Jahrhunderts zeigte, ging and ans 
dern Reimen an bemfelben Orte hervor: 

Dry Ragel ſtecken Hier vor Augen, 

Die mag ein jeder Springer hauen: 

Der erft zmölf Schuh hoch von ber Erb, 

Den Herzog Ehriftoph ehrenwerth - ._ 

Mit feinem Zus herab thät fchlagens 

Zaunritt (Name eines andern Gpringers) loff bis zum 
andern Nagel, 

Bol von ber Erb zehendhalb Schuch, 

Neunthalb Philipp Springer Iuff. 


. Sndeffen war dies Steinwerfen und Springen immer 


4 


mehr eine Probe Eörperlicher Stärke und Gewandtheit, als. 


eigentlicher rittermäßiger Hebung, und fie ſtehen daher ein: 
zen da, ohne in die Turniere mit aufgenommen zu feyn, 
die auf Kampf mit-Lanze, Schwert und Kolben befchräntt 
waren. Ein Ueberreſt der Uebung, mächtige Steine zu 


344 . gweiter Abſchnitt. Ritterleben— 


ſchleudern, zeigt ſich noch in der Schweiz unter dem Land⸗ 
volk, wo es Steinſtoßen genannt wird. 

Eine andere Uebung des Springens, die ſich aus der 
Heldenzeit mit in die Ritterzeit uͤbertrug, war die Kunſt 
eines geſchickten Reiters, in voller Rüflung auf das Pferd 
und in den Sattel zu fpringen. Davon: fi nden fih ſchon 
viele Nachrichten im Heldenbuche , befonders im BWolfdies 
terih, wo es z. B. beißt: 

An (ohne) Stegereif ber freige 
0. Do in den Gattel fpranf. 

Auch im dritten Theile des Heldenbuches kommt bie 
Erwähnung biefer ritterlichen Stärke vor: 

| Sin ors (Ros) man im bo bradıte, 
Das gurtet er nur bas, 
Gar bald er ſich bebadhte 
An ſteigreif er druf ſas. 

Nicht minder ruͤhmt dies der Stricker in feinem Ges 
dit von Karl dem Großen von biefem Kaifer: 

Der Kaifer. vf ein ors fprant 
Bil rinkliche ane fegereif. 

Diefe Uebung geht nun durch die ganze Ritterzeit 
hindurch, und es Laffen ſich davon viele Beifpiele aufzeigen. 
So zieht z. B. der Knappe Imanet, als Parzifal ben 
Ither erſchoſſen hat, dem Parzifal dar: 

Des todten Mannes Kaſtellan (ich erklaͤrte es ſchon 
oben durch kaſtiliſches Ro), 
Das trug Bein' hoch und auch lang. 


Der (naͤmlich Parzifal) gewappnet in ben Sattel fprang, 
Er begehrte Stegreifes nit. 


” 


4. Abtheil. Turniere amd Lanzenrennen. 345 


Oben, in dem Zugenbleben, führte ich den Ritter 
Bouckcaut an, der auch ald Knappe fi übte, in voller 
Rüftung auf ein Roß zu fpringen. - \ 

Nach diefen eingefchobenen Bemerkungen, Tehren wir 
wieder zum Turnier zurüd. Nach der Beendigung aller 
Zurnierkbungen wurben die Preife an die Gieger ausge⸗ 
ſpendet, welche in der Turnierſprache „Daͤnke“ hießen. 
Sie wurden von Frauen oder Jungfrauen vertheilt, die 
daher auch zu denen gehoͤrten, welche als beamtet bei den 
Turnieren anzuſehen waren und bereits ſchon genannt 
find. Bei den Privatturnieren wurden meiſt immer dieje⸗ 
nigen Srauen befannt gemacht, gleich bei der erfien Ein⸗ 
ladung, welche die Daͤnke auötheilen würden, und da 
bazu wohl faft imnier die fchönften und lieblichſten Frauen 
gewählt wurden, fo waren auch fie ſchon fuͤr die Ritter 
anreizend, ſich bei den Turnieren zahlreich einzufinden, 
oft um gerade aus dieſen Haͤnden den Siegerpreis zu er⸗ 
halten. Bei den großen gemeinſchaftlichen Turnieren des 
deutſchen Adels aber wurden zur Ueberreichung der Daͤnke 
einige der anweſenden Frauen erwaͤhlt, und zwar zu jeder 
Art derfelben andere. Diefe Daͤnke und Preife, welde 
bei den Zurnieren audgetheilt wurden, waren nämlich 
nad) der Urfache, um berentwillen ihre Vertheilung Statt 
fand, verfchieden. Bir finden in den alten Nachrichten 
5 Arten derfelben, von benen eine jede einen verfchiedenen 
Namen hatte. 41) Der Stecherdankz biefen erhielt ber 
Ritter, welcher ſich beim Gefellenftechen, oder bem Stechen 
im hohen Zeuge und bei dem Stechen über die Schranfen 

auögezeichnet hatte. Derjenige wurde babei für den Sieger 


346 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


und des Dankes wuͤrdig gehalten, welcher die meiſten 
Gegner buͤgellos gemacht und aus dem Sattel gehoben 
hatte, an beffen Bruft ihre Lanzen zerfplittert waren, 
ohne daß er felbit buͤgellos geworben war, noch irgend 
einen Beweis von Schwäche und Ermattung gegeben hatte. 
2) Der Zierdank war für denjenigen beſtimmt, welder 
bei einem Zurnier der Ritterſchaft der vier Lande in ber 
beften Ruftung erfhienen war. 3) Einen andern Dan? 
erhielten der oder diejenigen, weldye unter allen Anweſen⸗ 
ben aus ber entfernteflen Gegend zum Zurnier ges 
fommen waren, und alfo den weitelten Weg hatten machen 
müflen. 4) Der Dank ber Turniervoͤgte. Diefen er: 
hielten allemal am Ende eines jeden Turniers die von den 
Sefelfchaften der vier Lande erwählten vier neuen XZurs ' 
niernögte, 5) Der Aelteften Dank warb ven älteften 
Nittern zu Theil, welche beim Zurnier zugegen waren. 

Sn Hinfiht der Perfonen, an welche Daͤnke vertheilt 
wurden, waren zweierlei, nämlich: Ritterdaͤnke und 
Knappendaͤnke. Jene haben wir ſo eben kennen ge⸗ 
lernt; dieſe wurden ſchon oben erwaͤhnt, als ich von den 
Uebungen ſprach, welche an dem Vorabend des eigentli⸗ 
chen Turniertages gehalten wurden. Bei den Turnieren, 
welche die oben ſchon bezeichneten Ritter der vier Lande 
hielten, waren gewoͤhnlich auch drei oder vier Daͤnke fuͤr 
die drei oder vier Ritter, von jedem der Lande einer, die 
ſich beim Geſellenſtechen am meiſten ausgezeichnet hatten. 
Die Daͤnke beſtanden gewoͤhnlich in koſtbaren Waffen, als: 
Helmen, Schwertern, Wehrgehaͤngen, in goldenen Hals⸗ 
ketten oder Armketten, in Kraͤnzen, in goldenen Ringen, 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 347 


ober auch in Kränzen, bie von einer Bleineren oder größes 
en Anzahl ‚goldener Ringe zufammengehalten wurden. 
Ihr wahrer Werth war verfchieben, doch gewöhnlich fehr 
beträchtlich; deſto größer war aber der Werth, ven bie 
barauf festen, welche einen ſolchen Dank erhielten. | 
Diefe Daͤnke wurden nun entweder gleih an ben 
Schranken vertheilt, oder in dem Palaft, wohin die Sies 
ger, .von einer Menge Volks begleitet, geführt wurden. 
Alles, was um fie her war, hallte von den größten, oft 
übertriebenen Lobeserhebungen wieder, von dem Schalle 
ber Drommeten und Pauken, und von den lauten Auss 
rufungen, die den Sieg verkuͤndigten. Sobald die fieg⸗ 
reichen Ritter in den Saal getreten, wurden ſie von den 
Frauen entwaffnet. Sie legten ihnen praͤchtige Kleider 
an und führten fie, nachdem fie fich ein wenig erholt hats 
ten, in ben Saal, wo fig der Fuͤrſt erwartete. Diefer 
ließ fie bei dem Gaſtmahle an den vornehmften Plägen 
fiten, wo fie den Blicken und ber Bewunderung ihrer 
Mitgäfte und der Zufchauer ausgefeht waren, und oft 
von den Frauen bedient wurden. Ihre Thaten, ihre 
Tapferkeit, ihre Kraft und Gefchidlichkeit, fammt den 
Abenteuern der alten Ritter nnd Helden, woburd Volt 
und Ritterſchaft berühmt geworben, waren der Gegenftand 
ber Unterhaltung und Beluftigung bei dem Gaftmahle. 
Indeſſen ſollten, nach den Gefegen ber Nitterfehaft, immer 
Befcheidenheit und Demuth, auch bei diefen lauten Erbes 
bungen der Ritter, fie nicht verlaffen; ob dieſes Geſetz 
fletd gehalten worden, wollen und koͤnnen wir nicht uns 
terſuchen; inbeffen will ich doch hier die Geſetze bemerken, 


’ 
1 


-. . 


348 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben. 
die darauf hinleiten ſollten. Man lehrte ſchon fruͤh: daß 


ein einfaches und beſcheidenes Verhalten das ſchicklichſte 


Betragen ſey, den Glanz des Sieges zu erhoͤhen. „Ein 


Kitter muß laut ſchlagen und leiſe reden," war einer der 


Sittenfäße; dann:  „feid ſtets der Letzte, wenn ed darauf 
ankommt, in Geſellſchaften älterer Perfonen zu reden, und 


der Erfte, wenn in Schlachten zugeſchlagen werden fol." . 


Eben fo wurden fie angeleitet, von andern nur Gutes zu 
fprechen, und bie Sieger mußten fich bemühen, die Webers 
wundenen zu fröften und ihr Mißvergnügen zu lindern. 
So fagten fie denn zu denen, welche fich ihnen als Bes 
fiegte überliefern mußten: „Heute ift das. Glüd und Ges 
fhid der Waffen mir günftig, meine Stärke hat dabei 
fein Verdienſt; morgen werbe ich vielleicht unter den 
Streichen eined Gegners erliegen, der weniger furchtbar 
ift, als ihr." Die Beweiſe „edler Großmuth und ber, 
Menſchenfreundlichkeit, die man oft bei den Turnieren 
findet, mußte fi) auch auf den Krieg und die Wuth des 
Streited erfireden; doch iſt nicht zu verbergen, daß eins 


zelne Ritter auch diefe Tugenden vergaßen. 


Eine der glänzendflen und merfwitrbigften Arten, den 
Dank zu ertheilen, wobei nicht erft die Vertheilung abge⸗ 
wartet wurde, ſondern den ein jeder ſich ſelbſt auf ber 
Stelle nahm, findet ſich bei einem in Deutſchland gehal⸗ 
tenen Turniere, welches Heinrich der Erlauchte, Marl: 
graf zu Meiſſen und Landgraf in Thuͤringen, im Jahre 
1263 zu Nordhauſen anſtellte. Der Kampfplatz, oder 
wie er bei den Deutſchen hieß, ber Turnierhof, ſtellte 
einen Garten vor, in befien Mitte ein Baum fland, ber 


4. Abtheil. Turniere und ganyencennen. 849 


golbene unb, “ilberne Blätter trug. Diefe: Blätter waren 
die Daͤnke des Turniers; benn der, welder bie Lanze feis 
ned Gegnerd brach, befam ein filbernes Blatt; wer ihn 
aber gar and. dem Sattel gehoben hatte und figen blieb, 
empfing ein goldened. Wir finden davon .diefe kurze alte 
Befchreiung: „Er (Heinrich) ließ einen Hoff audruffen 
gen Rorbhaußen in Zy-ingen gelegen, aldo ließ ex machen 
einen großen Garten gar zierlih, und ließ darein Gezelt 
auffchlagen, darinne waren gar piele ſchoͤne Frauen, Rits 
ter und Kuecht, er ließ auch einen Baum. machen, ber 
war nicht Elein, mit gang guldenen und filbernen Blättern. 
In dem Garten wurde mit allen Züchten getanzt, und 
man ſchaͤtzte, daß dieſe Luſt ber, Freude Assveri zu vers 
gleichen, und wenn ihrer zween zufammen rannten, wels 
er feinen Speer zerbrach, daß fie beide fiten blieben, 
dem gab man ein filbern Blatt, welcher aber einen, herab⸗ 
flah, dem gab man ein gllben Blatt. Diefe Greube 
währete bei acht Tagen.’ 

Sonft gefhah die Zuerlennung der Daͤnke glei 
nach geendigtem Kampfſpiel von den Turniervoͤgten, den 
dazu verordneten Frauen und andern, welchen es aufge⸗ 
tragen war. Die Grieswaͤrtel und Herolde erſtatteten 
ganz genauen Bericht von dem ganzen Hergange des 
Kampfes, und was ſie von einem jeden, der ſich hervor⸗ 
gethan, bemerkt. Nach reiflicher Unterſuchung dieſer Be⸗ 
richte und Ausſagen, wurde durch Mehrheit der Stimmen 
entſchieden und beſchloſſen, wer den Namen und die Be⸗ 
lohnung eines Siegers erhalten ſollte. Die Herolde riefen 
ſeinen Namen unter dem Schalle der Drommeten und 


350 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben 


Pauken öffentlich aus, und führten den Gluͤcklichen zum 
Empfange des Dankes herbei. Die dazu beflimmte Frau 
überreichte ihm benfelben, entweder, wie eben’ vorher bes 
merkt, in einem nahe gelegenen Haufe, ober auf dem 
offenen Zurnierhof, unter dem Iubelgefchrei der anweſen⸗ 
den Edlen und des zufchauenden Volkes, :Der. Sieger 
hatte dabei zu Beiten das Recht, derjenigen Frau ober 
Sungfrau, welche ihm den Dank überreichte, einen Kuß 
zu geben, welches wohl‘ mit aus alten Gebräuden bers 
flammt, die wir, bei Betrachtung der Art, wie fahrende 
und reifende Ritter von andern Rittern und deren Frauen 
und Töchtern empfangen wurden, näher betrachten und 
Tonnen lernen werden. , | 

Man: muß dieſe Turnierdaͤnke indeſſen nicht mit einer 
andern Art von Gaben, bie bei ben Zurnieren gewöhnlich 
waren, verwechſeln. Dieſe beitanden in fleinen Ges 
ſchenken, welche als Zeichen des Andenken: von einzel: 
nen Grauen vor und wahrend bed Kampfes einzelnen 
Kämpfern, welche fie liebten, als cin Denkmahl ihrer 
Liebe, ober. auch andern, welche fie noch wenig fannten, 
geſchenkt wurden, um ihnen ihre Aufmerkfamfeit und Ads 
tung bemerkbar zu machen. Da Ruhm und Ehre bei 
diefen Turnieren zulegt auf die Frauen zurüdfiel, fo war 
auch ihr inniger Antheil an dem Schidfal der Ritter, bie 
ihre Farbe trugen, fehr natürlich. Die Kämpfer befefligs 
ten diefe Pfänber der Zuneigung oder Aufmerffamkeit an 
irgend einem Theile ihrer Rüftung, am Helm oder der 
Lanze, am Schild ober dem Panzerhemd. Gewöhnlich 
war ed etwas, was. die Geberin felbft gefertigt hatte: 


4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 351 


eine Schärpe, ein Schleier, ein Armband oder ein anderes 
Band; dann warb auch eine Haarlode gegeben, oder es 
wurde auch von ihr ein Theil ihrer Kleidung während des 
Kampfes gefendet: eine Schleife, ein Stüd ihres Schmuk⸗ 
kes u. ſ. w. Andere trugen auch das Bildniß ihrer Ges 
liebten an einer. goldenen Kette um den Hals. Zuweilen 
ging ein ſolches Kleinod in der Hitze des Kampfes verlos 
zen ober fieß einem andern Ritter ald Beute: zu. Dann 
wurde dem; der den Verluſt erlitten, von der Geberin 
wohl fogleich ein neues, durch einen Ebelfnaben gefenbet, 
und da bie: Site des Kampfes ed oft gewinnen und oft 
verlieren machte, fo waren manche Frauen gegen ben 
Schluß des Turniers vielmiald beinahe ganz ihres. Putzes 
beraubt. Dagegen brachten aber auch die Mitter bie 
Dänfe, bie fie erobert hatten, ihnen als ein Geſchenk dar. 
Einige leiten von dieſen Frauengefchenten das Entfichen 
ber Helmfleinode ab, indem bie Ritter fie am hoͤchſten 
Theile ihrer Rüftung, am Helme befeftigten, und dazu 
einen ausgezeichneten Platz beburften, den ihnen dieſe 
wunderlich geftalteten Helmkleinode darboten. Die Frans 
zofen nannten diefe Geſchenke faveur oder enseigne. 
Zulegt muß noch einer Art von Daͤnken Erwähnung 
gefchehen, indem man einigen Frauen biöweilen das Recht 
ertbeilte, die Zeit und ben Ort, wo bad neue Zurnier 
ſollte gehalten werben, zu beflimmen; welches in ber 
Kunftfprache der alten Zeit, wie bereits bemerft, das 
Turnier legen hieß. Diefen wurden nun von einigen 
dazu beftimmten Rittern und Edlen gewiffe Dänfe übers 
reicht, welche man Frauendaͤnke nannte Gin Bei⸗ 


352° 8weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Spiel davon wird fogleich in: ber Veſchreibung eines Tur⸗ 
niers folgen. 

Am Ende des Gaſtmahls, welches nach Austheilung 
der Daͤnke folgte, wurde ein Tanz oder eine Mummerei 
gegeben, und. dabei wurde ber Fackeltanz gehalten. Diefer, 
ver fi noch bei hohen Föniglichen und fuͤrſtlichen Feier⸗ 
lichkeiten, heſonders bei Vermaͤhlungsfeſten, erhalten hat, 
beſteht darin, daß den tanzenden Perſonen, die eigentlich 
nur in gemeſſenen Schritten durch den Saal umziehen, 
vornehme Perfonen oder andere mit Windlichtern oder Fak⸗ 
keln zur Seite und vorauf ſchreiten. So erzählt auch 
Ruͤxner in feinem Turnierbuche: „Wenn ber Kaiſer ge⸗ 
dantzet, haben ihm erſtlich zween Grafen mit Windlichtern 
vorgedantzet, darnach gefolgt andere vier Grafen, und auf 
die wiederumb vier Grafen, mit Windlichtern, auf welche 
der Kaiſer gefolget, und nach demſelben noch vier Grafen 
mit Windlichtern.“ Die alte Zeit liebte uͤberhaupt, alle 
große Feierlichkeiten durch angezuͤndete Lichter zu erhoͤhen, 
als wenn die reine Flamme den reinſten Glanz dem Feſte 
zu geben vermoͤchte. Es wurden beſonders alle kirchlichen 
und gottesdienſtlichen Feierlichkeiten durch Lichter erhoͤht, 
ſelbſt des Verſtorbenen Sarg umgaben Lichter, und Lichter 
begleiteten ihn zu ſeiner Ruheſtaͤtte. So haben wir auch 
oben geſehen, als der heil. Graal in das Zimmer vor 
Parzifal getragen ward, wie Jungfrauen mit Lichtern 
vorangingen. 

Nach dieſen allgemeinen Zuͤgen von den Turnieren 
folge hier eine Turnierbeſchreibung aus Ruͤxner im Aus⸗ 


a} 


4, Abtheil. Turniere und Eangenrennen. 353 


‚zuge, wobei daß, was ich. im Ganzen gefagt habe, durch 
das Einzelne beſtaͤtigt erſcheinen wird. 

„Die Ritterſchaft am Rheinſtromehaben ibre Zur⸗ 
nier nach Ordnung des Reichs unter. Kaiſer Philipſen 
Herzogen zu Schwaben. u. ſ. w. ‚Derrfehaft.. gen. Worms 
an Rhein befchrriben und verfündigen laßen, auch allda . 
gehalten.” Drauf folgen die Wappen bev vier Turnier 
vögte, wobei ſich bie Abtheilung ber vier. Sande ebenfalls 
zeigt. „Johann vom Ingelnheim 1J Ritter, Turniervogt des 
Rheinſtroms; Ernſt von Stauffel, Ritter, Turniervogt bes 
Landes zu Schwaben; Sighard ‚von Leubelfing, Ritter, 
Turniervogt des Landes zu Baiern; Ludwig von Redwitz, 
Ritter, Turniervogt des. Landes zu Franken.“ ‚Nach dem 
Wappen der Stadt Worms folgt die Jahreszahl 1209, 
und dann merden die acht Ritter genannt, ‚welche: „deſſel⸗ 
ben: Zurnierd Werber und Berreifer geweſen find; 
„Solchen Zurnier haben die Ritterfchaft vom Rheinſtrom 
den :vier Landen zugefchrieben, als ihren Herrn und guten 
Freunden, den auch- im Reich nad Ordnung berufen: und 
verkünden laffen, dermaßen, daß männiglich fo bemieldten 
- Zurnier befuchen wollte, möcht’ auf naͤchſt Sonntag nach 
Lichtmes (obgemeldt's Jahr's) zu Worms- am Rhein er⸗ 
fcheinen, und da an der Herberg fein, fo wollt’ man auf 
den nächften Montag darnach auftragen, (Helme und 
Schwerter zur Wappenſchau ausſtellen), befckauen .und 
bereiten (die Wappenfchau, halten und die Pferde vprreiten; 
um zu zeigen, daß fie zu Turnieren zu gebrauchen und 
nicht die Fehler hätten, welche ihren Gehrauch bei den 
Turnieren verboten), am Mittwoch und Donnerſtag 
23 


354 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


turnieren, rennen, ſtechen, tanzen, Daͤnk' austragen und 
was mehr zu folchen ritterlichen Ehren gehört.“ Darauf 
folgen die Fürften und die fürfllichen Frauen, welche dieſes 
Zurnier befucht haben. Dann tritt dad Berzeichniß ber 
Grafen, demnaͤchſt der Freiherren, ' hierauf ber. Ritter, 
.zulegt der Edlen ein. Nach diefen finden: „bie zwölfe, 
welche die Hauptleute mit aller Orbnung bed Turniers“ 
waren, ihre Stelle. Dann bie, „welche in diefem Turnier 
verordnet, zwifchen den Seilen zu halten, und die zu fünf: 
tigen Turniervögten erwaͤhlt.“ Zunaͤchſt werben bann bie 
41 genannt, mit denen man in biefem „Zurmer turnirt 
and fie empfangen” ‚hat. - „Hernach folgt, wie man 
:gwölf Daͤnk' zu gemelb’tem Turnier ausgab, nehmlich die 
erſten vier Dank’ wurben vieren, bie den Turnier am 
weitften befucht hatten, gegeben, bie andern vier Dänt’ | 
wurden vieren Frauen und Jungftauen gegeben, mit bee 
Freiheit, daß fie ven naͤchſten Turnier zw legen haben 
follten, und bie dritten vier DinP wurben den viern ges 
geben, die dad Be’ auf dem Turnierhofe mit: Rennen 
und Stechen thaten.“ Die Daͤnke wurden bierbei immer 
nach den vier Abtheilungen des Adels, die das Turnier 
befuchen: durften, gegeben: einem Zürften, Grafen, ‚ Zrei⸗ 
herrn und einem Edeln. 

„Die erſten vier Daͤnk' gab man denen, die den 
Turnier am weitſten beſucht haben: den erſten Dank 
bracht Frau Gertraud, geb. Pfalzgraͤfin bei Rhein, ein 
Gemahel Pfalzarafe Otten, — Herrn Bonifazien Mark⸗ 
grafen zu Monteferar, als einem Fuͤrſten, ber denſelben 
Turnier am weiteſten beſucht hatte; bad war ein gulden 


4. Abthell. Turniere und Lanzentennen. 354 


Harsbard 400° Gulden werth. — Den andern Dank 
beache FrauElfſabeth, ein Zochter Grafe Poppen von 
Hennebergs, — Graf Johann Yon Edmund, als einem 
Graferi, ber denfelben Turnier am vweiteften befucht hätte; 
dad war eihe -guldin Kette von 300 Gulden. — Den 
dritten Dank brach! Frau Elifabet geb. Gräfin zu Naſſau, 
din-Gemaht Grafe Dieterih8 von Manderfcheid, — Here 
den Wilhelmen von Balfenberg, als einem Herren, ber 
Henflben Turnier am weiteften befucht hätt’; das war 
ein’ guldin Kehlband 200 Guldin werth. — Den vierten 
Dank bracht’ iM’ Jungfrau von Rakunhaus, — Mann: 
gen Inbrüder von Defterreih, ald einem Edelmann, der 
denfelben Turnier am weitften befncht hätt’; das war ein 
guldin Armband 100 Guldin werth.“ 

„Hernach folgen der vier Frauen Daͤnk', die den 
nächften Turnier zu’ legen haben follten: den erften Dank 
brachten Herzog Leupold von Defterreih, genannt bet 
Shrentreich, und Friebrich Herzog zu Kothringen — Frauen 
Helena gebornen Königin zu Dännemark, ein Cemahel 
Herzog Wilhelms v. Sachſen ded Kurfürften, daß fie 
fammt den andern nachbenannten Frauen unb Jungfrauen 
fon? Macht haben, den naͤchſten Turnier zu legen. — 
Den andern Dank bracht Berchtold Burggraf zu Nuͤrn⸗ 
berg und Dietrich, Graf in Holland — Frauen Sophien 
gebornen Herzogin in Baiern, em Gemahel des ehren⸗ 
feften Landgrafen Herrmann von Thüringen und Heſſen, 
daß fie mit ben andern breien rauen und SJungfrauen 
moͤcht' den. nächften Turnier helfen legen. Den dritten 
Dank bracht Heinrich Graf zu Naſſau und Rudolf Graf 

23* 


' 356 Zweiter Abfehnitt. Nitterlebem. 


zu Werdenburg — Frauen Margarethen, geboren Frauen 
zu Burgau, ein’ Tochter Herren Alhrechts von Burgen, 
daß fie mit fammt ben andern breien Srauen und Jungs 
frauen den nächften Zurnier legen möchte, Den viersen 
Dank bracht’ Here Weirih Reuß von Plauen und Herr 
Ehrenbrecht von Rapoltſtein — Grauen. Agnefen gebornen 
Frauen von Stauffen, ein Gemahel Hersen Endreßen, von 
Ratzumhaus, daß fie mit fammt den vorgenannten. dreien 
Frauen und Jungfrauen folt’ Macht, haben den nad 
Zurnier zu legen. 

„Hernach folgen bie vier Daͤnk', fo ven Rennern und 
Stechern geben wurden: den erſten Dank bracht' Frau 
Kunaria, geborne Fuͤrſtin von Griechen, ein’ Tochter Kai⸗ 
ſers Emanuel von Konſtantinopel, ein Gemahel Mark⸗ 
grafe Bonifazien von Monteferar, — Herzog Boſſemis⸗ 
lauſen von Boͤheim, als einem Fuͤrſten, der im Nachtur⸗ 
nier mit Stechen in hohen Zeugen das Beſt' gethan haͤtt'; 
das war ein Kranz mit zwoͤlf guldin Ringen, ward auf 
zwoͤlfhundert Guldin geacht't. Den andern Dank bracht! 
Frau Maria geborne Zürflin von Bare, ein Gemahel Hers 
zogs Friedrich von Lothringen — Heron Ruprechten Gras 
fen im Kärntnerland, ald einem Grafen, der im Nach⸗ 
turnier in hohen Zeugen das Beſt' gethan hätt’; das mar - 
ein Kranz mit zehen guldin Ringen, der warb auf viers 
hundert Gulbin geacht’t. Den dritten Dank bradıt Jungs 
frau Barbara, ein’ Zochter Grafen Arnolds von Kleve 
— ‚Herren Walther Schenken, Herren zu Limburg, als 
einem Herren, der im Nachturnier, ins Stechen in Hohen 
Beugen bad Beſt' gethan hätt’; dad war ein Kranz mit 





4. Abtheil. Turniere amd Lanzenrennen. 357 ° 


8 gulbin Ringen, ward auf 200 Rheinifch Guldin geacht't. 
Den vierten Dank bracht Frau Mechtilda; geborne Frau zu 
Bitſch, Herren Georgen von Falkenſteins Gemahel, — 
Herren Heinrichen von Nüßberg, als einem Ritter, ber 

im Rachturnier mit - Stechen in hoben Zeugen das Bel 

gethan hätt’; das war ein Kranz mit 6 guldin Singen, 
ward auf anderthalbhunbert Guldin geacht’t. Noch ward. 
ein freier Kranz von hundert Guldin gegeben einem unter - 
dem Adel, fo nach biefen obernannten Fuͤrſten, Grafen, 
Herren und Rittern mit Stechen in hohen Zeugen das 
Beſt' gethan haͤtte: dad war Reinhard von Flerßheim; den 
Dank bracht' ihm ein’ Jungfrau von Dalberg und fie 
warb hernach fein Gemahel. Alſo endet’ ſich diefer- Zurs 
nierhof mit Freuden, darauf gewefen waren: 150 Helm 
an $ürften, Grafen, Freiherrn, Rittern und Eblen, bie 
Solche Turnier felbft befucht haben, und 289 geſchmuͤckter 

- Frauen und QJumgfeauen, darunter waren 34 geborne 
Frauen und Jungfrauen fürftlihen Geſchlechts, 85 Graͤ⸗ 

“ finnen und Sreiinnen, die andern waren von ber Nitters 
ſchaft.“ 

Mehres, was oben beruͤhrt worden iſt, kam in dieſer 
Turnierbeſchreibung nicht vor, daher moͤgen hier noch 
einige Auszüge aus andern Turnierſchilderungen folgen. 
1235 war dad Turnier zu Wuͤrzburg. Nah Aufzählung 
ber arigelommenen Perfonen folgt: „Wie zwölf Frauen 
und Jungfrauen zu der Schau ermählt' wurden: Vom 
Keinſtrom' erwaͤhlten fie Deren Friedrich Kaͤmmerers ehe: 
liche Hauswirthin gebome von Fleckſtein; Albrecht von 
Randeds nachgelaßene Wittib geb. von Ingelnheim, vnd 


38 Zwelter Abſchaitt. Ritterleben. 


Jungfrau Elifabet geborne von, Helfenſtein.“ Und ſo ges 
ſchieht die Wahl ferner aus den drei andern Landen 
(Baiern, Schwaben und Franken), immer eine noch vers 
eblichte Frau, eine Wittwe und eine Sungfrau Darauf 
folgen die vier Grießwärtel, dann bie vier, weldye verord⸗ 
net wurden, zwiſchen den Geilen zu halten. Hernach 
werden 20 benannt, die man zu biefem Turnier nicht 
zugelaflen, mit 6 andern bat man furniert, aber fie, beim 
Empfangen gefhlagen.. Die Urfachen, aus melden beides 
geſchah, find nicht mit bemerkt. „Nach dem gehaltenen 
Turnier haben die Berorbneten aus den vier Landen bie 
nachfolgenden vier neuen Zurnieroögte erwählt. Als num 
der Turnier fein Ende erreicht und fich auf, den Donners⸗ 
tag (Sonntags, vorher Fam man an in den Herbergen, 
Montag ließ man auftragen, Dienflag warb befchaut und 
beritten, Mitwoch wurde turniret, Donnerſtag wurden 
bie Daͤnk' ausgegeben) zum Tanz gefuͤgt hätt’, ward ein’ 
Gtille gerufen, alfo ‚verkündet man..bie vier neuen Zur 
niervoͤgt', darnach fing man an zu tanzen. Den erflen 
Tanz gab man Pfalzgrafe Lubwigen dem Kurfürften, mit 
Srauen Helena, gebornen Herzogin zu Sachſen, Burg: 
grafe Friedrichs yon Nuͤrnbergs Semahgl" u. f. w. Bw 
legt wurden 36 erwählt, um eine, Zurnierordnung ney zu 
machen und bie Zuxnierfreipeiten zu beflimmen (wahr⸗ 
ſcheinlich wohl wegen der 20 abgewieſenen und 6 geſchla⸗ 
genen Ritter); die follten einen gemeinen Tag gen Op⸗ 
penheim an’ den Rhein, ‚auf ben naͤchſten Sonntag nad 
heil. drei Königestag kommen. Da find fie auch zuſam⸗ 
men gekommen, aber Rüzner ſegt: waß fie aber beſchloßen 


3. Abtheil. Zurniere und Lanzencennen. 359 


und für ein’ _Orbnung gemacht haben, findt man nit in 


Geſchriften, wäre ſonſt aud hierin geſetzt worden.‘ 

Ehe wir nun zu ben Urfachen des Berfalld der Zurs 
niere kommen, ſcheint es am zwedmäßigfien, .nocd aus 
einzelnen alten Gedichten und Geſchichten Beifpicle anzu: 
führen, bei denen ſich hin unb wieder einiges wird erklaͤ⸗ 
rend bemgrken iaſſen. Noch bemerke ich, daß ich in dieſer 
Beiſpielſammlung die eigentlichen Turniere in Schranken 
und das Lanzenrennen in freiem Felde und beim zufaͤlligen 
Begegnen zweier zum Kampf voͤllig geruͤſteter Ritter ver⸗ 
miſcht anfuͤhren werde. 

Von der abgemeſſenen Einrichtung der Zurniere, wie 
fie in ber fpäteren Zeit des Mittelalters erfcheingn, und 
wie. fo eben die Haupterforberniffe befihrieben worben find, 
finden wir in den Nibelungen noch nichts, fo wie übers 
haupt in den alten Rittergebichten noch nicht folche kaſten⸗ 
mäßige Abtheilungen. erfcheinen, wie in der fpätern Zeit 
qals nothwendig erachtet wurden. Anzunehmen iſt, baß bei 
allen Schlöffern und Burgen fich große Hofräume und 
Pläge befanden, die fortwährend zu Zurnieren und Lan 
zenrennen eingerichtet und beflimmt waren, und daß daher 
bie zufammentommenden Ritter auf biefen Plägen- jeder 
Zeit ihre Lieblings » Vergnügung halten Fomnten. Daß 
gebt auch aus den Nibelungen hervor, wo es, V. 7505 
heißt: 


Chriemhild mit ihren Frauen in bes Saales Fenfter ſaß 
Zu Ezelen bem reidyen; viel liebe war ihm das. 
Sie wollten ſchauen reiten die Helden Fühn und bebr. 


. Het! was ba fremder Degen vor ihr im Dofe ritt daher. 


\ 


—— —— — 


— 


. — — —æ 


+‘ 


360 Zweiter Abſchnitt. Kitterleben. 


Außerdem wurde auf den Märkten der Stäbte has 
geregelte Turnier und nicht regelmäßige Gefecht gehalten, 
wo rundum die Häufer das Zuſchnuen erlaubten. Go 
heißt es in Ulrich v. Lichtenfleins‘ Frauendienft S. 1015: 
„Da entwappnete ih mid (zu Villach) und Pleidete mich 
als ein Weib, in einem Fenfter faß ich da und vor- mir 
erhub ſich ein Ritterfpiel, ed wurden da wohl 50 Speet 
vor mir verftohen, welches auf Dem Matkt geſchah.“ 
Wenn die großen Turniere auf den Märkten und in ben 


Straßen der Etädte gehalten wurden, fo ward durch die 


Bürger das Pflafter aufgeriffen und der Plag mit Sand 
befahren *). Es wurden aber auch fehr leichte Schranken 
um Zurnierhöfe errichtet, wie uns ebenfalls Ulr. v. Lich⸗ 
tenft. (S. 239) ein Beifpiel giebt: „Indem fah man uns 
Schön duch die Neuenſtadt reiten gegen Chezelindborf, da 
waren mir auf dem Anger 8 Hütten und 4 Gezelt ges 
fchlagen; vor das Gezelt der Zafelrunde waren 4 Banner 
geftoßen, daß keins die’ andern drang, denn fie waren 
Roffelaufend weit von einander, da herum war eine 
ſchoͤne Schnur gezogen, gelb und blau geflodhten von 
Seide, zween hundert Speer waren dort und hin gefloßen, 
an jeglih Speer ein Fähnlein, nach meinem Schilde ges 
färbt, in den Ring ging da Niemand, aber zwei Thore 
Singen in den Ring, und nur wer -tiofliren wollte, ritt 
herein, fo Fonnte Niemand den andern dringen.” Andere 
ähnliche Befchreibungen Tamen gelegentlich fchon vor ‚ober 





— 


*) Thebefius Liegnitzifche Jahrbuͤcher beim J. 1550. SL LI. 
©. 69. 


I | "OL se sy al 








4 Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 361 


werben noch Fünftig bei andern Befchreibungen gelegentlich 
erwähnt werben. Bon Dank⸗Austheilung war dabei nicht 
die Rede; denn der Preis war das Gefühl der Uebermacht 
und Kraft, mit ber man mehr oder weniger Mitter abges 
fattelt ‚Hatte. Das Wort Buhurd bedeutet, wie ſchon ges 
fagt, immer ein Lanzenrennen bunt unter einander, wobei 
jeder bier und dort. fich feinen Gegner wählt, wogegen 
Tioſt, tiofliren, bad Lanzenrennen bebeutet, welches zwei 
einzelne beftimmte Perfonen gegen einander hielten. So 
entfpricht das Buhurbiren dem Gefellenflehen, und das 
Zioftiren dem Stechen im hohen Zeuge. 

Als Siegfried mit 100 andern Juͤnglingen den Rits 
terfchlag erhalten hat, heißt es DB. 141 der Nibelungen: 

Sie liefen, ba fle funden gefattelt mannidy Ros 

Im Hofe Siegemunbes, ber Buhurt ward fo groß, 

Daß man ertofen hörte Pallaft und auch Saal; 

Die hochgemuthen Degen, die hatten wonniglichen Schall. . 

Von Weifen und von Dummen man hörte mandyen Stoß, 

Daß der Schäfte Brechen hoch gen ben Lüften toß; 


Die Zrümmer ſah man fliegen vor dem Pallaft hindan, 
Da hatten Kurzeweile beide, Weib und aud Mann. 


In dem Kriege der Burgunden gegen bie Sachſen 
finden wir eine Stelle, wo Siegfried auf die Warte und 
Beobachtung des Feindes hinausreitet, und da den König 
„ 2übegaft findet. Hier zeigt fi dad Beiſpiel eines eins 
zelnen Kampfes mit der Lanze, wobei die Befchreibung 
ber Art und Weife ganz dem fpäteren Rennen in ben 
Turnieren entſpricht: 


Die Roß' fie nahmen beide zu'n Geiten mit den Sporen, 
Sie neigten’auf dic Schilde die Schäfte mit ihrer Kraft. 


—— — — 


362 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Nach dem Stiche und wahrſcheinlich nach dem Zerſplittern 
der Lanze, was doch nicht beſtimmt in dem Gedicht aus⸗ 
gedruͤkt iſt, wenden fie mit den Zaͤumen die Roſſe, ziehen 
die Schwerter und ſchlagen mit dieſen auf einander los, 
bis Siegfried den Luͤdegaſt verwundet, bezwingt und ge⸗ 
fangen nimmt. 

Als freie Uebung im Felde, beim Empfange hoher 
‚und geliebter Perſonen, finden wir dad Lanzenrennen in 
den Nibelungen V. 2342, ald Brunhilde mit Günther vor 
Worms ankommt und von ſeiner Mutter und Schweſter, 
ſeinen Bruͤdern und Mannen empfangen wird: 

Hei! was ſtarker Schaͤfte da vor den Frauen barſt! 

Man hört’ au Hurtiglichen von Schilden manchen Stoß; 

Beil was da reiher Budeln (Schilde) vor Gedrange laut ertoß 
Und V. 2385: 

Run waren auch bie Bäfte zum Roffen alle kommen, 

Biel mannich reiher Tioft durch Schilde warb genommen. 

Das, Feld begunnte flieben, als ob alles das Land 

In Lohe wär’ enthranmet; ba wurden Helden wohl erkannt. 
Und V. 3193, als Siegfried und Chriemhild auf bie Eins 
' ladung aus den Niederlanden nach Worms kommen und 
in die Stadt einziehen wollen: 

Biel Schilde hörte man ſchallen ba zu dem Burgethor, 

Von Stichen und von Stoͤßen; viel Tange hielt davor 

Der Wirth mit feinen Gäften, eh’ daß fie kamen darin; 

Wohl ging ihnen bie Stunde mit großer Kurzeweile hin. 

Ulrich von Lichtenſtein erzählt auch manches von Zurs 
nieren. Inſofern indeffen die Hauptfache dabei Ritterzuͤge 
find, in denen dad Vornehmlichſte zwar auch bad Lanzen⸗ 
rennen ift, fo werde ich bavon in ber folgenden Abtheilung 





+: 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 363 


handeln. Zuerſt ſpricht er vom Zurnei zu Friſach; 
davon im Auszuge dies: „Gegen die Faſten (bad Jahr 
iſt noch nicht ausgefunden) wurde vernommen, daß der 
Markgraf Heinrich von Yſterreich den Fuͤrſten von Kaͤrn⸗ 
then angreifen wollte. Als der Fuͤrſt Leopold von Deſter⸗ 
reich dies vernahm, ſprach er: das geſtatte ich nicht, ſon⸗ 
bern ich will es verfühnen und in kurzem einen Tag 
(einen Sühnetag) machen. Es wurde von ihm. ein Bote 
"an die beiden Fuͤrſten gefandt, der fie freundlich grüßte 
und fie bat, fie möchten fich nach Freundes Sitten vers 
richten laflen (verfühnen laffen), wozu fie beide auch willig 
‚waren. Go wurde bann ein Zag zu Frifach gemacht, an 

St. Philippus Tage, zum Anfang des Maien, wenn ber | 
Wald fchon gelaubt ficht und die Haide ihre wonnigliches 
Sommerkleid angelegt hat. Da ich den Tag erfahren, 
warb ich frohs ich kam zu meinem Bruder Dietmar von 
Lichtenſtein und fprach zu ihm: Dietmar von Lichtenftein, 
wir ſollen und vereinigen und. Ritterfchaft uͤben; benn 
eine große Saft von Herren kommt ba zufammen. Er 
ſprach: du haft wohl gerathen, wir follen uns beide mit 
Ritter in einen Foreis (foret, Gehoͤlz) legen und, fo lange 
der Tag: dauert, jebermann Ritterfchaft gewähren, der fie 
von und begehrt (zum Kampf auf Begehren bereit feyn). 
Wir folen es in die. Land’ entbieten, erfahren ed bann 
‚bie Ritter, fo kommt mancher herbei, es ift überdies 
bie Maienzeit, wo fie ungern zu Haufe liegen. 
Du daft Recht, Bruder, fprach ich, fende bu dahin, ſo 
ſende ich dorthin. Die Boten fuhren nun allenthalben in 
die Sand und mander Bitter kam aus ehregigrigem Rit⸗ 


364 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


tersmuth, ſo kam auch mancher um die Weib herbei. 
Nun kam der Tag der Fuͤrſtenſprache, die Boten nahmen 
Herberge in der Stadt, der Marſchall des Fuͤrſten Leopold 
von Deſterreich bat, daß man ba gezogenliche wäre 
(freundlich, ohne Groll und Streit waͤre). In der Stadt 
wurde jeglich Fuͤrſt geherbergt, eben ſo die Grafen, Freien, 
Dienſtmann.“ (Es folgt hierauf die Reihe der Namen 
von denjenigen, welche -bort erfchienen.) 

„Es kam außer diefen nody mancher biedere Mann, 
um Ehre zu gewinnen, fo kam auch mancher -Mifter, der 
But zu gewinnen dachte. - Sechöhundert Ritter waren uns 
ter Schilden verfammelt, auch kamen mehr als 10 geifl: 
liche Zürften bin, bie den Krieg befeitigen‘ wollten und 
eine ftäte Suͤhne machen. Ich hieß ferne von der Stadt 
zehen Hütten und ein Belt auffchlagen, davor ſtieß man 
vier Banner und 500 Speer, dabei lagen 36 Ritter, bie 
um Frauen Ritterfchaft pflegen wollten, von: benen viele 
kaum ben Anbeginn bes Spiels erwarten konnten; ja wir 
lagen bie Nacht alle in folcher Begier, wg die Falken. 
Als die Sonne am Morgen aufging, zogen fie von allen 
Seiten zu mir, mit manchem reichen leuchtenden Banner, 
mancher war fo wohl geziemirt, daß er die Blumen und 
bad grüne Gras überglänzte.. Da liefen die Kroier (bie 
Ausrufer) hin und ber und riefen: wer num tiofliren will, 
ber komme herbei! Mancher gute Ritter ftapfte herbei, 
der Ehre und Leben um die reinen Weib wagen wollte. 
Da wir fie herzogen fahen, fprangen wir auf die Roſſe, 
da hub ſich mancher ſchoͤne Puneis (Kampf, Lanzentens 
nen); denn jeher bemühte ſich, wie-er ben andern nieder⸗ 


\ 


4. Abthell. Turniere und Lanzenrennen. 565 


Bedyen wollte... Die, Ritterfchaft währte den gangen Tag, 
“and mancher tioſtirte, der es vor noch niemals gepflogen, 
mancher „fiel zugleich, mit feinem Gegner, mancher Ing 
fiunlos auf der Erbe, mancher verlor das Ros, daß man 
ihn fern. dayon Bach. Manche flachen aus hohem Muth, 


manche um.But zus erwerben, manche um bie Weib und 


monde um zu ‚lernen. Als die Nacht. gekommen war, 
zogen. fie in Die, Stadt; wir muſten auch das ‚Zeld räus 
men, und fanden im Zelt. gut Gemach. Ich hatte an 
dem Tage wohl dreißig Speer perſtochen, und nun rich⸗ 
tete ich meinen Gedanken darauf, wie ich eine ritterliche 
That ausfuͤhren moͤchte. Ich wollte nehmlich am Morgen 
wieder ſtechen und mich dann vor den Leuten heimlich auf 
einen Berg bageben; dann will ich grün geziemirt mit 12 
Knechten wieder kommen, jeglicher ſoll ein gruͤnes Speer 
mit führen, auch ‚fol ihr Kleid und bie Bedeckung der 
Pferde gruͤn ſein. So geſchah es am andern Morgen, 
ih war mit den Hochgemuten früh bereit; ich verſtach 13 
Speere; dann ‚begab ich mich heimlich in mein Gezelt und 
von da rannte ich.auf ben Berg, mo ich mein grünes Wap⸗ 
penkleid bereitet. fand, mein Wappenrock und meine Dede 
waren von grünem Sammet, und ‚mein Schild und Helm 
waren grün, eben fo meine ‚42 Speere, meine Knechte 
woren grün und ihre Pferde. Ich nahm nun.ein grünes - 
Speer in meine Hand und ritt zum Ziofliren hin. Wohl 
100 Ritter fand ich fehon im Arbeit; ich freute mich, daß 
wich niemand erkannte. Mein Bruder kam zuerſt gegen, 
mich und ſprach: ihr, guter Ritter, folt mich zuerſt vor 
allen beſteh'n. Aber ic ſchwieg und wandte mich yon 


366 Zweiter Abſchnitt. Mitterichen. 


ihm. Da beſtand mich ein biederer Mann, Hug von 

Tiufers, er war reich geziemirt und ſein Speer wonnig⸗ 
lich. Wir fehlten beide nicht, er traf mich an das Kollet 
und ich ihn an den Helm, die Splitter flogen hoch, und 
die Leute kamen zum Schauen herbei; wir beibe verflachen 
wohl 10 Speer auf einander. Da kam Herr Hadmar 
von Kunringe, deffen Zimier ganz golden war. + Sch nahm 
mein Rod zu den Sporen und unſ're beiden Speer zers 
ſplitterten, die Schilde zerfloben und uhftte-Knie berührt: 
ten ſich; doch gefhah die Tioſt nicht ohne Schaden: er 
flach mir in den Arm und ich empfahd mich -was wund; 
Boch erfuhr er es weder, noch fonft da-Femand. Wir ries 
fen beide: Speere! Speere ber! Cein Aufruf, der bei alten 
Turnieren überaus oft erwähnt wird.) Man gab fie uns, 
und “wir verftachen wieder 7 Speer, mwöranf er feinen 
Helm abband (das ſchon angeführte Beichen, nicht mehr 
zu tämpfen). Hierauf baten meine Knaͤppen bie Ritter, 
flilte zu halten, und ich trabte vom Felde, aber alles Volk 
ritt mir nach; da kam der Markgraf Heinrich von Yſter⸗ 
reich, er ſprach: laſt diefen Ritter fahren, wohin er will, 
ba es fein Wille iſt, ımbelennt zu bfeiben. :-Mun ritt ick 
. bin, wo mich niemand fah, ich entwappnete mich fchnelf, 
und Fam anders geziemirt- auf dad. Feld zuruͤck. Ich vers 
ſtach noch am Abend 6 Speer, worauf die Nacht unferm 
NRitterfpiel ein Ende machte.” Die Ritterſchaft dauerte 
40 Tage, und bie Ritter waren gar nicht zur Bermittelung 
ber Sühne zu bringen, da fie das Ernſthafte „vermieden 
und nur dem Vergnuͤgen des Kampfes nachgingen. Diefe 
Luft war die ganze Zeit Aber nur ein freies Lanzenſtechen. 


- 





4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 36; 


Die Zürften ließen darauf, um der Sache ein Enbe zu 
gewinnen, ankündigen, daß ber eigentliche Zurnei am 
Montag feyn werbe. * 
Ih brach ab Hätten und Gezelt (die in bem Mälds 
chen angelegt waren), mit Freuden zogen wir vom Anger 
in die Stadt, und Sammt, Zobel, Pfele, Hermin, Zen⸗ 
bal (zu Wäffenröden und anderer Klelbimg), fchnitt man 
freudig ohne Maßen viel zum Zurnei, Süber. und Gold 
wurde auf Zendal gelegtz mancher, der das nicht:hatte, ſchnitt 
Buckram (ein minder koſtbares noch unbekanntes Zeug), 
jeder ziemirte ſich, wie er wollte, auch dachte man darauf, 
den Turnei mit Witzen zu theilen.“ Wrich v. L. giebt 
darauf an, wer und wieviel Ritter auf jede Seite gewählt 
wurden. Die Theilung gefihieht in zwei Schaaren. -. : 
„Am Montage, ald ber Tag aufging, diente man 
Gotte, nah der Meffe. hub ſich großes Gebrang von 
Knechten in allen Gaffen, laut war der Schall von Pos 
faunen, Flauten, Hoͤrnern und Paukenſchlagen. Die 
Kroiere liefen freudig umher und riefen: Nun zieht aus, 
ihr edeln Ritter gut! Nun zieht aus und ſeid freuden⸗ 
von! Nun zieht aus mit hohem Muthe, fo fehen es die 
Boten der Frauen! Nun zieht auf das geld, da liegt ber 
Lohn der Minnegehrenden! Alle zugen mit Schalle aus. 
der Stabt, ber Rottmeifter einer jeden Rotte bat die eis 
nigen, Acht zu haben, damit ihnen Preis würde, und daß 
fie fich nicht dringen ließen. So waren fie.auf dad Feld 
gefommen, bad von manchem lichten Banner wonniglich 
glänzte, man fah ba viele leuchtende Speer und manchen 
Helm ſchoͤn ziemirt, Der Glanz der Helme und Schilde 


368 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


leuchtete manchem ſo in das Auge, daß er kaum fehen 


mochte, bie Ziemir und Wappenkleider ſchienen mit der 

Sonne zu ſtreiten. Da ſah man den von Stubenberg 
(mit 34 Rittern) uͤber Feld her ſtapfen, gegen ihn kehrte 
Herr Hadmar v. Kunringen; er fuͤhrte die Seinigen (31 
Ritter) gegen die Schaar des von Stubenberg.-und er⸗ 
mahnte ſie, ritterlich zu tioſtiren; auch Herr Wolfing er⸗ 
mahnte bie ihm folgten, er fprach: Herr Hadmar will uns 
die mit Sperren beftchen, nun flapfet ihm entgegen, daß 
ein Duneis (Kampf, Lanzenrennen) hie geſchehe, wie ihn 
Gott felber. gerne fehen mögte.. Sie Hapften zu emanber 
md als fie kaum noch eines. Roffelaufes weit getrennt 


waren, dba war Punirens Zeit, man ſaͤh fie.an einander 


kommen und Mann und Ros fallen. Laut frachten Speere 


send Schilde, mancher warb ‚fo gefloßen, daß ihm bie Knie 


ſchwollen, mande holten Wunden und Beulen; fie woll⸗ 
ten umkehren, ba wurde manchem der Helm abgebrochen, 


manch Speer erflang auf Helmen, viele Schilde zerbrachen. j 


Herr Habmar von Kunringen mufte mit feiner Schaar 
entweichen, da kam ihm. ber reiche von Murede (mit 40 
Kittern) zu Hülfe und ritt gegen ben von Stubenberg, 
ba Fam diefem der biedere Mann von Orte (mit 36: Rit- 
tern) zu Huͤlfe.“ (Man fieht, wie immer eine Ahtheilung 


nach der andern mit in den gemeinfamen Kampfı. das 


Gefellenftechen, verwidelt wurde.) 

„Herr Hug von Ziuferd unb Herr Hermann von 
Chransberg ritten mit ber Schaar (jemer mit 20, dieſer 
mit 8 Rittern) auf einander, und beide wichen nach dem 
Puneis eines‘ Aders Weite. Der Graf von Lichenau 


4, Abtheil. Turniere und Lanzenkennen. 369 


rannte ba tapfer den von Lenzenbach ar, fein Rod: warb 
don dem Stoß verbuget, davon Fam ber Graf auf das 
Land; Herr. Sifrid von: Dozenbach und Here Gottefrieb, 
fein Better, biefe zween biedre Mann brachten das Ros 
des Grafen fort, dann kamen fie zu ihm zuruͤck, wo «er 
im Klee lag; er hatte vom Treten Schmerzen gelitten. 
Seine Ritterſchaft kam mit Tünftlihem Reiten, voran 
Herr Heinrih von Wigan, fie trennten den Zhumsogt - 
mit feiner Schaar von ihrem Herrn. Es ritten auf. ein⸗ 
ander der Graf von Hunenburg und ber Graf Hermann 
und ein lauter Schall ertofite von ihrem Stoß über das 
Fed. Der Graf von Tyrol rannte den von Kärnthenland' 
an, ihr beider Puneid wurde gut. Nach ihnen beiden 
kam ihre Schaar, daß das ganze Selb erklang, da wurbe 
-gerüngen und gefchlagen, und von ben Stößen ſaß mans 
ches Ros anf die Hechfen nieder. Noch hielt ber Fuͤnſt 
Leopold und bei ihm Diepolt, der Markgraf. Gegen ven 
bielf der Markgraf Heinrich von Hflerreich, und bei ihm 
der von Görz, beide Eehrten mit ihren Schaaren gegen 
den von Defterreich. Faſt wich der Zurnei auf den von 
Deſterreich, darlıber wurde der reiche Fuͤrſt zornig, da ritt 
er und die Seinen durch ben Zurnei und man hörte laut 
‚die Speere krachen. Ritterlich punierte der von Yſterreich 
und Graf Meinhard von Görz, wenige Schilde blieben 
ganz und manches Ros ward verbuget. Nun war der 
Zurnei von allen Seiten gemengt, man hörte Schalten, 
man fah Ringen. Der Graf von Goͤrz kam ritterlich an 
den von Defterreich, er nahm den Fuͤrſten in dem Zaum, 
der Fürft aber vergaß fich nicht, er nahm dem Grafen 
24 


:370 : : Bwehter Abſchuitt. Notterleben. 


‚feinen Helm und bie Ritterfchaft kam dem Füuͤrſten Leo» 
pold zu Hülfe, der Markgraf Diepolt führte fie an, da 
ward der Graf von Görz genommen, der fich aber boch 
wehrte, ald ein ritterlicher Mann. Da der biebere Rubolf 

von Raſe fahe, in welche Noth der Graf Meinharb von 
Goͤrz gefommen, fo fah man ihn mit 50 Rittern herbei= 
. fprengen, unter benen ber biebere Heinrich von Luͤnz war; 
‚fie halfen ihrem ‚Herren von dann; da ward großer Klang 
von Schwerbten und großes Gebränge vom Stoßen. Da 
der von Rafe fo ritterlich den Grafen- errettet hatte, wollte 

er nicht ohne Gewinn von bannen ſcheiden, er ritt hin 
und her durch des Zürften Schaar, bis er ‚Herrn Heinrich 
von Triwanswinkel gefangen hatte. Der biebre Markgraf 

Diepolt erwarb Ehre an dem Zage, er ritt vor: dem von 

Defterreich her, eben fo ritterlich that der von Schlüffels 

berg gegen ben Feind.” 

„Herr Dietmar von Lichtenflein brach wonniglich ge⸗ 
ziert durch die Schaar, er verfchwand (verfchwendete, ver= 
ſtach) wohl an dem Zage fünf und zwanzig Speer bie 
und dort mit feiner Hand; viele Helme er abbradh, bie 
und dort ritt er, und nach Preiß fiund fein Begehr, er 

ritt oft durch den Turnei und Beiner bat an dem Tage 
mit ritterlicher Arbeit beffer gethan. Mit dem Schwerdte 
hauend ritt der biedre Mann von Küngesberg hin und 
her (wir fehen alfo, daß auch diefes während des Lanzen⸗ 
tennens erlaubt war), er verftach auch ‚viele Speere und 
führete 5 Ritter gefangen. Wolfger von Gors verſtach 
wohl 20 Speere, der warb wohl an biefem Tage nicht 
um Gut, fondern um Würdigkeit. Herr Drtloff von 


4. Abtheil. Kurniere imb Pangentennen. 371 


Graͤtz errang an biefeni Zage viele Ehre, er war getreu, 
kuͤhn und weiſe. Herr, Ulrich von Murberg zeigte fich rit⸗ 
terlich, wie er ſchon oft gethan, ‘er war einer der Veſten 
won Steierland. Herr Ottodar von-Wolkenſtein glaͤnzte 
geziemirt als ein Engel, das war ſeine Sitte, wodurch 
er fich bei Frauen beliebt: machte; man fah.ihn wie einen 
Sturm durch, die Haufen brechen: mit Recht war er von 
den Frouen geliebt ,. denn er verdiente es fehr theuer, auch 
fprach fein Mund ſtets gut vom ihnen. Der werthe Orto 
von dem Waſen geigte ſich mit dem: Speer als “ein guter 
Ritter. Der Hatte Heinrich von. Chiom brach ritterlich 
durch den Daufen,. er fam an ben Grafen von. Tyrol, 
ben er mit großer Kraft von aller feiner Bitterfchaft weg 
zu fih nahm, ex wollte ihn: gefangen mit fich führen, 
wogegen ſich ber. Biedere fehr weite Herr Otte von 
Meizen erbat aber mit großen Buͤrgen von bem Herrn 
Heinrich von Chiow, daß er ben Grafen frei ließ; denn 
er brach ihm den Helm vom Haupte, ba mufte ber flarfe 
Mann den Strafen laſſen.“ . 

„Der Schenke Herrmann von Ders ritt tapfer 
hin und her, der Herr Reinher von :Eichelberg brac, wie 
ein Falke durch die Schaaren, und. mancher flolze Ritter 
mufle vor ihm niederliegen. Herr Kun von Friedberg ges 
wann 4 Roſſe, ber Held arbeitete nach Gut, drum errang 
er befien ‚auch viel; wo er es mit Ehren mochte haben, 
ließ er eö ungern. ‚Eben fo warben. ba Hetr Otte und 
Herr Heinrih von Buches um Gut, ed kuͤmmerte fie 
nicht, wer viel Speer verſtach, denn fie warben mehr um - 
But, als um wie werthen Weib. Man verflah an dem 

j 24* 


372 Qweiter Wſchnit: Ritterleben. 


Tage wohl 1000 Speer, viele Ritter wurden gefangen, 
wohl 450 ‚verloren ihte Roſſe, einer. band ermuͤdet feinen 
Helm ab, den fans man traurig, mandem daͤuchte ber 
Tag und ber Tumer zu kurz. Was ih an bem Tage 
und wohl fonft wo nody gean, wi. ich verſchweigen aus 
Zucht, ich fage nur fo viel: ih. war ba nit ber Beſte 
und auch nicht ber Boͤſte 

„Es wurde Abenb,. man band die ‚Heime ab und alle 
zogen in bie Stadt, we manches fehöne Bad bereitet war. 
In der Nacht babeten die Ritter, mancher war ohnmaͤch⸗ 
tig vor Muͤde, dem verband man die Wunden, der ließ 
fich ſalben, dem thaͤt der Arm weh, dem das Knie, mans 
cher war wie todt vor Schlaf, ein anderer litt von Ge⸗ 
danken Pein und dachte: ei! wie hab' ich heut gefahren, 
das mus mich wundern! — Am andern Tage muſten 
die Gefangenen manches koͤſtliche Pfand einſetzen, und die 
Gut gewonnen hatten, ſah man in freudiger Geberde. 
Der Fuͤrſt Leopold ſandte nach dem von Yflerreih und 
auch nach dem von Kaͤrnthenland und verſoͤhnte fie beide; 
nach dreien Tagen ſchieden ſich die Fuͤrſten.“ 

Died rege Gemälde eines Turniers belehrt uns über 
mehres, was von den allgemeinen Turnierordnungen ab⸗ 
wich und das Ganze nicht zu ſo einer geregelten Uebung 
machte, wie die andern Turniere waren, ſondern mehr zu 
einem geſelligen Spiel, einem Ringelrennen, einer Probe 
der Tapferkeit diente. Darum auch keine ausgeſetzten 
Daͤnke, ſondern ein jeder mußte ſich ſeinen Preis ſelbſt 
gewinnen, in Gefangenen, oder im Ruhme der Tapfer⸗ 
keit, oder in Bewunderung der Frauen. Hier war auch 





4. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 373 


nicht der gemeffene Gang ber Turniere, mit Kolben, 
Schwert unb Lanzenrennen, mit Zurniervögten und fo 
weiter, fonbern alles Fam auf ben Buhurd hinaus, auf 
das Sefellenfiechen, das Stechen einzelner Scharen gegen 
einander, welches wir ſchon in den Nibelungen finden, 
und welches fo geftaltet war, wie es auch zum Ernſt in 
Schlachten Statt fand. Die andern Nachrichten von Zurs 
nieren in Ulrichs v. Lichtenflein Frauendienſt flimmen mit 
dem Auögezogenen überein, und «3 wuͤrde zu weitläuftig 
werden, aus biefem Werke hier noch Ferneres anzuführen, 
um fa mehr, da noch manches in ber Abtheilung von den 
Ritterzuͤgen wirb berührt werden muͤſſen. Nur dies geht 
ned aus des Ulrich von Lichtenflein Frauendienſt hervor, 
daß, auch bei eigentlich zu einzelnen Lanzenrennen be= 


fiimmten Ritten, zwei, ja wohl drei auf einmal ober we⸗ 


nigſtens dicht hinter einander, auf eimen losrannten, wo 
alfo ein eigentlicher Buhurd entfland. Man ſchien dies 
nicht ald etwas Eigenes ımb Ungemöhnliched zu betrach⸗ 
ten, und bie Stellen barirber lauten fo: (S. 126, als 
Ulrich mit dem Thumvogt von Wien kaͤmpfen will) „man 
gab mir ein Speer in die Hand, ein anderer Ritter Gun⸗ 


dadar von Steir war indeß herfür gefommen, ber mit. 


dem Thumvogt zugleich gegen mich rannth, ich kam ihnen 
entgegen, den vordern fehlte ich, aber ben zweiten traf 
mein Zioft an den Hals, wo Schild und. Helm zufams 
mengeht, fo daß. bad Koller aufgefiennt würbe, und daß 
ver florfe Mann fich etwas neigte, beibe aber ;verflachen 
auf mich ihre Speere, und ber von Steir war froh, daß 
er ein Fingerlein von mir verdient hatte. Auf dem Zelbe 


374 3weiter Abſchnitt. Nitterleben. 


drungen fie nun fo ſehr bin und ber, baß ich mir Beinen 
King (keinen freien Umkreis, um einen tuͤchtigen Anlauf: 
mit dem Hoffe zu. nehmen) gewinnen mochte, das war 
mir verdrießlich, oft rannten ihrer drei zugleich 
gegen mid, fo groß. war zu tiofliren ihre Gier, dann 
faß ih mit Kunſt deſto fefter und. bat Gott meiner zu 
bewahren.” Sa auch ©. 243: „oft rannten zwei einen 
an.“ — | 

Wie nun auch bie alten Gebishte ein Turnier au dem 
Hofe. des Königs Artus befchreiben, wird am beften aus 
der Anführung eines Abfchnittes im Jiturel: Das Zurs 
nier zu Floritſchanze, fih ergeben. „In Böniglicher 
. Beife wollte Artus Ritter fohlagen, aber nicht in ber 
Stille, ſondern ‚offenbar, daß von dem Buhmb Berg, . 
Wald und das Gefilde erfrachen follten. Die Kitterfchaft 
erhob _fih an dem Morgen; ein Erzbifhof gab da ben 
Helden Schwerdt und babei feinen heilbringenden Segen, 
ibm half der König, wie er mit Recht ſollte. Reiche 
Banner wehten anf bem Felde, unb alles mahnte an, den 
ſtarken Buhurb nicht zu laſſen. Groß warb dad Getöfe 
von Handtrommeln und Poſaunen. Beute und Roſſe duls 
deten manche Pein von den Stößen bei dem Gegeneinan= 
berprallenz; der Meite Plan von Floritfehanze warb zu 
enge von bem Ueberflus der Ritter, wenn fie ben weiten 
Anlauf zu ihrem Buhurb nahmen. Wie durch ein Grobe: 
ben bewegte ſich Floritſchanze, und wenige der neuen 
Schilde fah man noch unverletzt, mit ihren Stlden war. 
das Grab beftreut, fo daß manches Ros barin ftrastheite 
und durch fein Fallen der Geliebten bed Ritters Irauern 





* 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 375 


verntſachte. Die Banner verwirrten ſich in einander an 

den Lanzen und manches warb von ber. Gleve abgezerrt. 
Ueberall erſchallten auf dem Gefilde Tamburen und Po: 
ſaunen, wenig Ruhe und Stilleſtand wer, und von dem. 
gewaltfamen gegen einander Laufen [wollen den Pferden . 
bie Bruft, den Rittern die Knie. — Nachdem die Müs : 
digkeit die Ritter vor einander. ſchied, ‚zeigte fich die Milde 

des Königs Artus in den reihen Geſchenken, die er gab, 

und wie er viele yon Schildfnechten zu Rittern, von Chelz 
knaben gu Knappen gemacht hatte, fo wuſte er vielen. 
auch noch andere füßere Belohnung zu geben, indem er 

fie mit reihen Zungfrauen feines Landes vermähite, ſo 
daß manche Magd. heute. frei war, ‚die morgen Mannes 
tigen, und mancher Ritter wor heute ohne Rand, ber. 
morgen Leute und Land befaß. Die Ermüdung nach dem, 
Tuxrvier war fo groß, daß man drei Zage lang die Roſſe 
und den Kampf zu meiben .befchlos. Da freuten ſich die- 
Jungen, daß fie nun ben werthen Frauen näher fein ſoll⸗ 
ten, daß fie nun fröhlicher Zanz, Haͤndedruͤcken, Sehnen 

und Meiden beglüden follte. Am vierten Morgen wollten. 
fie. wieber die Ros zu Felde reiten (d. h. zum Kampfe), 
und Artus gebot, daß fie alles Uebermaaß vermieden, 

damit ihnen nicht Zrauern aus der Freude -erwüchfe. So 

dauerte bad Turnier ben Tag liber, bis es zu dunkeln begann, 

ba zogen fie der vorgeführten Fahne nach zu Haufe. — 
Der Kampf währte nun noch in allem 30 Tage: an wel⸗ 
chem jeglichen andere Könige mit ihren Ritter» Schaaren 
zum Kampf aufziehen. — Als nun die Ritterſchaft (d. 
h. die ritterliche Uebung) geendet, als reiche Geſchenke 


376 Zweitet Abfchnitt. Nitterleben. 
vertheilt waren und ein großes Mahl die Ritter erquickt, 
da nahmen ſich Koͤnige, Fuͤrſten und alle, die da waren, 
bei den Haͤnden, zu einem Tanz, der ſeit manchen Jah⸗ 
ıren nicht fo treflich geſehen und mit Schönheit und Freude 
vollendet wurde.” Hieher gehört auch eine Geſchichte aus 
dem Leben des Ritters Boucicaut vom Sahre 1390, nicht 
ein eigentliched Turnier, fondern ein ſcharfes Lanzenrennen 
. betreffend: Dem Ritter Boucicaut ließ bad erlangen, 
feinen Muth zu zeigen und Ehre zu-eriverben, beinen an» 
dern Gedanken, ald wie er feine fchöne Jugend in ritter 
Uichen Thaten vollbraͤchte. (Wie er fih zum Ritterſtande 
übte, haben wir fon oben im Jugendleben gefehen.) 
Dies trieb ihn duch: zu dem Unternehmen, welches er, 
als ihm der König Urlaub gegeben, in- mehren Königreis " 
hen und chriſtlichen Landern, in England, Spanien, 
Aragon, Deutfchland, - Italien, verkünden ließ. Allen 
Sürften, Nittern und Knappen warb entboten, daß .er, 
begleitet von 2 Rittern, Roye und Sumpy, 30 Tage 
lang einen Paß vertheidigen werbe, wenn nicht wichtige 
Gründe ihn früher abriefn. Vom 20. Lenzmond bis zum 
20. Oſtermond wollten bie drei Ritter bei Ingelbert, zwi⸗ 
ſchen Boulogne und Calais, jeglichen erwarten, bereit und 
geruͤſtet, mit allen Nittern, bie es verlangen möchten, 
täglich zu kaͤmpfen, Freitags ausgenommen. Jeder ber 
drei Ritter ſollte bis zu 5 Stoͤßen mit fcharfer' oder ſtum⸗ 
pfer Lanze gehen; ‚gegen Feinde des Königreich! nähmlich 
auf die eine oder die andere Weife, nach ihrem Verlangen, 
gegen Freunde des Landes aber, welhe zum Kampfe ers 
dienen, nur mit flumpfer Lanze. Diefe Verfündigung 





ı 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 377 | 


geſchah 3 Monate vorher, bamit bie Nachricht von ber 
Unternehmung weit verbreitet würbe, und auch aus ber 
- Ferne viele Ritter herbei kommen möchten. 

As die Zeit heranrüdte, nahm Boucicaut Abfchieb 
von dem Könige, und begab fich mit feinen Kampfge: 
nofjen an ben genannten Ort. Hier ließ er in einer weis 
ten Ebene fein Gezelt auffchlagen, das groß, fchoͤn und 
Töftlih war. Daſſelbe thaten feine Gefährten, jeglicher 
für fih. Vor ben 3 Zelten, in geringer Gntfernung, 
ſtand eine. große Ulme. An brei Zweigen dieſes Baumes. 
hingen bie Schilde, zwei an jedem, das eine für den Frie⸗ 
den, dad andere für den Krieg; aber auch bie Krieges⸗ 


ſchilde waren nicht von Gifen oder Stahl, ſondern alle. 


waren von Holz. Neben den Schilden flanben an jeden 
Zweig 10 Lanzen gelehnt, 5 für ben Frieden und 5 für 
ben Krieg; (nämlich fcharfe ober ſtumpfe Lanzen.) ' Auch 
ding an dem Baum ein Horn, und ber Berfünbung 
gemäß mußte jeder, welcher den Kampf befiehen wollte, 
in dies Horn blafen, und wenn er ernfllichen Kampf verz 
langte, auf das Kriegeöfchilb fchlagen, oder, wenn er mit 
ſtumpfer Lanze zu kaͤmpfen begehrte, auf das Friedens⸗ 
ſchild. Jeder der 3 Ritter hatte fein Wappen über feine 


2 Schilde geftellt, welche verfchieben "gemalt waren nah . 


ihren Wappen, bamit jeglicher wüßte, wen er zum Kampf 
herausforderte. 
Boucicaut hatte ein großes und ſchoͤnes Zelt aufſchla⸗ 


gen laſſen, wo die Fremden ſich bewaffnen, aufhaͤlten und 


erfriſchen ſollten. Gleich nach dem Schlage auf das 
Schild mußte derjenige, dem es gehoͤrte, auf dem Streit⸗ 


378 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


roſſe mit der Lanze bewaffnet und kampffertig hervorſpren⸗ 
gen, oder alle 3, wenn drei Kaͤmpfer an bie Schilde ge⸗ 
ſchlagen hatten. Gute Weine. und: Lebensmittel ließ Bou⸗ 
cicaut auf ſeine Koſten reichlich herbeiſchaffen, um waͤhrend 
der Dauer des Kampfſpiels alle, die ſich einfaͤnden, zu 
bewirthen. Jeder der drei Ritter hatte zahlreiches Gefolge. 
Es waren Herolde, Trompeter und Spielleute genug und 
Volk von allerlei Stand. 

Am erſten Tage des Kampfſpiels ſtanden die Ritter 
gewappnet und geruͤſtet in ihren Zelten, bie Kämpfer ers 
wartend. Boucicaut war nor allen gar flattlich gekleidet. 
Und da er glaubte, daß vor Ende des Kompfipielö viele 
Fremde, fomohl Engländer ald andere, erſcheinen wuͤrden, 
fo nahm er; um anzudeuten, daß er zu jedem Kampfe 
bereit und gerüftet wäre, ben Wahlſpruch: Was ihr wollet! 
und ließ ihn auf alle feine: Wappen fegen. 

Die Engländer vernahmen die Kunde: von. dem ehren: 
vollen Unternehmen, und bie Meiften und Angefehenften 
unter ihnen fagten, fie wollten bei bem Kampfſpiele nüht 
fehlen. Gleih am erſten Inge kamen ihrer viele mit 
glängendem Gefolge. Als nun Boucicaut gewappnet in 
feinem Zelte fand, und feine Waffengefährten in ben ib: 
rigen, da kam ber Bruder des Königs Richarb von Eng⸗ 
land (der Graf von Hunctincten), mit zahlreichem Gefolge 
und voranziehenden Spielleuten auf feinem Streitroß 
heran. Er ritt gar fol; rings um den Platz, und ald 
diefes gefchegen, ging er zu dem Horn und blies ſehr 
laut; barauf fchlug er an Boucicauts Kriegäfchild, das er 
fih wohl gemerkt hatte. 





4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 37) 


Es zögerfe nicht der wadere Ritter, der auf feinem: 
guten Streitroffe gerade wie ein Schilfrohr ſaß; bie Lanze 
in der Zauft, das Schild vor der Bruft, von Spielleuten 
und Gefolge begleitet, trat er aus dem Zelte und ſtellte 
fih zum Kampfe. Dann legte er Mid feine. Lanze ein 
und rannte auf feinen Gegner, ber auch ein fehr waderer 
Ritter war und ihm zu begegnen wußte. Sie trafen 
fih alsbald und gaben einander fo Fräftige Stöße auf 
ihre Schilde, baß beide ſich rüdlings überbengten und bie 
ganzen in Splitter flogen. Laut rief man nun’ ihren 
Namen. Aber fie ließen fi neue Tanzen geben und 
rannten wieber gegen einander. So dauerte es, bis fie 
fih 5 Stöße mit ſcharfen Lanzen gegeben, und beide was 
ten fo tapfer, daß keinen ein Vorwurf treffen Fonnte. 

Als der Kampf geendigt war, gingen bie beiden Rits 
ter in bie Zelte; aber Boucicaut hatte nicht lange Ruhe, 
denn ed famen noch andere tapfere englifche Ritter, wel⸗ 
he ihn alle zu ernfllihem Kampf forberten. eine Waf⸗ 
fengefährten waren indeß auch nicht Iäßig, und es fanden 
fih genug Hitter, von welchen fie zum Kampfe mit fchars 
fem Eifen gefordert wurden. So dauerte es während ber 
beftimmten Zeit, und mehr ald 40 Ritter erfchienen, 
Spanier, Engländer, Deutfche, welche alle ernftlichen 
Kampf begehrten, und gegen alle ward gerannt, bis fie 
die Bedingung des Kampffpield erfüllt hatten; ausgenoms 
men einige, die aufhören mußten, weil fie verwundet 
woren. Als die Frift abgelaufen war, kehrte Boucicaut 
nach Paris zuruͤck, wo er von dem Könige und dem Hofe 
freudig aufgenommen und auch von den Frauen viel gefiert 





380 Amelter Abſchnitt. Rktterkeben. 


und geehrt ward. Nach Juvenal. des Ursins ſchenkten 
die 3 Ritter ihre Pferde und Hornifche der Frauenkirche 
zu Bonlogne. 

‚Ein Gegenflüd zu biefen Rampfe und wahrfcheinlich 
eine Nachahmung Wilelben, wie auch wohl Boucicant 
ſchon ältern Muftern folgen mochte, ift der Kampf. ben 
im Jahre 1434 Suero de Quinones in Spanien beging, 
welcher in einer alten Handfchrift befchrieben warb *). Es 
"giebt died zugleid audy ein Beifpiel aus dem’ Tpanifchen 
Nitterleben. As ‚König Joann II mit feiner Gemahlin 
Donna Maria, feinem Sohne und Erben Don Heinrich, 
und dem erlauchten und berühmten Herrn Alvaro be Luna, 
Großmeifter von Santiago und Gonnetable von Caſtilien, 
und vielen andern Prälaten und Rittern feines Hoflagers, 
in der edlen Stadt Medina del Campo am Neujahrötage 
4434 Nachtd gegen ein Uhr in feinem Saale em fröhliches 
Feſt feierte, da näherte fi dem Platze, wo der König 
faß, ehrerbietig fi beugend, Suero de Quinones-mit 
feinen 9 Rittern, alle von altchrifllichee Herkunft, alle 
ganz gewappnet, Tüßte ihm. Hand und Füße, und ließ 
ihm durch einen Herold eine Bittfchrift überreichen, fpls 
gendes Inhalts: „Es ift ein billiges und gerechte Ver⸗ 
langen, daß diejenigen, welche in Gefangenſchaft find, 
Freiheit begehren, und wie ih, euer Bafall und geborner 


*) Libro del passo honroso, defendido por el excelente 
caballere Suero de Quinones, copilado de un libro auti- 
guo de mano, par Juan de Pineda. 1583. (neue Yuflage 
Madrid 1783, 4.) Nad dem Auszuge bes Archivs für Geo: 
grapbie, Hiſtorie C. 529 ff. 


4, Abthell. Turnlere und Lanzenrennen. 381 


Unterthan, ſeit langer Zeit einer edlen Frau dienſtbar bin, 
und zum Zeichen jeden Donnerſtag dies Eiſen um den 
Hals trage, das iſt bekannt geworben durch Herolde an 
eurem Hofe, in eurem Weiche und im Auslande. Jetzt 


‘ aber habe ich im Namen⸗des Apoſtels Jaldb meine Aus⸗ 


loͤſung verabredet, welche darin befleht, daß tch und biefe 
geharniſchten Ritter 300 Yanzen mit mailaͤndiſchen Spiz⸗ 
zen im. Schafto brechen5 mit jedem Ritter nämlich, wel⸗ 
cher des Weges kommen wird, 3 Lanzen, fo baß diejenige, 
welche verwundet, "für gebrochen fol gehalten werben. Es 
fol dies geſchehen 15 Zage vor dem Feſte bes Apoſtels 
Jakob, des Schutzheiligen eurer Unterthanen, und 45 Tage 
nachher, wofern nicht vor: biefer Zrift ‚meine Auslöfung 
vollbracht wäre. Ich werde mid) an der Straße befinden, 
welche die meiflen Neifenden zu wählen pflegen, die zu 
dem Begräbnißorte des Heiligen wallfahrten, und allen 
fremden Rittern und Edeln, welche dert erfcheinen werben, 
will ich- verkünden, daß fie Rüflungen, Pferde, Waffen 
und Lanzen finden follen, deren fie fi bedienen Finnen, 
obne Zurcht, durch einen leichten Stoß biefelben zu zer 
brechen. : Allen achtbaren Frauen aber fei und, daß jede, 
welche dabinzlommen wirb, wo ich mich befinde, wenn 
fie keinen Ritter ‘hat, der für fie. kaͤmpfen Tann, ben 
Handſchuh der rechten Hand verliert. Aber dad Gefagte 
verfteht fi unter der Bebingung, daß Euer Königl. 


Hohheit nicht fol gehalten fein, jene Probe zu beſtehen, 


fo wenig als der erlauchte Herr Connetable Alvaro de 
Luna." | 
As der Herold dies Gefuch gelefen hatte, berieth 


382: Baveiter Abſchaitt. Ritterleben. 


fih der König mit feinen, Edeln, unb da. er fand, bag 
man's gewähren müßte, bewilligte und ließ ‘er. die Witte 
zu, wie fie vorgetragen.war, «auf daß ber wadere Suero 
pe Quinones ſich alfo befreien möchte. Darauf ſprach der. 
Herolb mit later Stimme im Saale: „Rund fey hiermit 
allen Rittera und Edeln unfers erhabenen Königs, daß er 
diefem Ritter Erlaubnis zu dieſem Unternehmen giebt, 
unter der Bedingung, daß weder ber König noch fein 
Gonnetable darin verwidelt werde.’ 

Nach dieſer Verkuͤndigung trat Suero zu einem der 
Ritter, die im Saale tanzten, bittend, ihm ben Helm ab⸗ 
zunehmen, ging darauf zu dem Sitze, wo der Koͤnig und 
der Kronprinz ſaßen, und dankte fuͤr die erhaltene Er⸗ 
laubniß. Er entfernte ſich alsdann mit feinen ritterlichen 
Gefährten, ſich zu entwaffnen, und als fie ihre. Leibroͤcke 
angelegt hatten, wie bie Sitte verlangte, kehrten fie im 
den Saal zurüd, um zu tanzen. Sobald der Zanz geen« 
Digt war, lief Suero die Gefehe bes Kempfes vorleſen, 
welche alſo lauteten: 

„Im Namen Gottes und ber heiligen Jungfrau, 
unſerer Frau, und des heil Apoſtels Jakob, made ich 
Suero de Quinones, KRitter und Vaſall des erhabenen 
Königs von Caſtilien, und von ber Familie des erlauchten 
Herrn Gonnetable, die Bedingungen meines Unternehmens 
bekannt, ‚dad ich am. Neujahrätage vor gedachten groß⸗ 
maͤchtigſten Könige angefündigt habe. 1) Es wird. allen 
Mittern und. Edlen, welche von biefer Waffenthat hören - 
werben, verfündet, daß ich mit neun Rittern, die mir bei 
ber Erlöfung aus ber Gefangenfchaft beiftehen, an dem 


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4, Abthell. Turniere. und Lanzentennen. 383 


Paſſe bei der Bruͤcke von Orbigo, ein wenig: ſeitwaͤrts 
vom Wege (fehd Stunden von Leon und duei non. Aſtor⸗ 
ga) mich ‚befinden werde, fünfzehn Tage vor dem Jakobs⸗ 
fefte, und. fünfzehn Tage nachher, wenn nicht früher. meine 
Befreiung vollbracht wäre. Sie beſteht darin, daß breis. 
„hundert Lanzen mit flartem Eifen in Eriegerifcher Rüftung 
mehr ala doppelt liegen. :2) Alle frembe Ritter werden 
dort Harnifche, Pferde und Ranzen finden, ohne daß dabei 
ich. und meine Gefährten einen Vortheil erhalten. 3) Mit 
jedem Ritter, welcher erſcheinen wird, werben brei Banzen 
gebrochen, und jebe ift für gebrochen zu achten, bie einen 
Ritter aus dem Sattel hebt und. Blut - fließen macht. 
4) Jede achtbare Frau, welche bei jenem Orte, ober in 
der Entfernung einer halben Stunde vorübergeht und 
feinen Nitter bat, ber für fie den Kampf beftehen will, 
verliert den rechten Handſchuh. 5) Wenn zwei Mitter 
ober mehre kommen, den Handſchuh einer Dame zu löfen, 
fol nur der erfle zugelaflen werden. 6) Da ed Manche 
giebt, die nicht wahrhaft fieben, und begehuen möchten, 
den Handſchuh von mehr ald einer Dame zu befreien, ſo 
ſoll es nicht verflattet feyn, wenn die brei Lanzen mit ihm 
gebrochen find. 7) Es werden don mir drei Frauen aus 
diefem Reiche durch Herolde erngnnt werden, um bei dem 
Unternehllien zugegen zu fein und durch ihr. Zeugniß zu 
befräftigen, was vorgeht; aber ich verfichere, es fol nicht 
ernannt werben die Dame, ber ich angehöre, unbefchabet 
der Achtung gegen ihre großen Zugenden. Der erſte 
Ritter, welcher auftreten wird, ben Handſchuh einer Dame 
von mir zu loͤſen, fol einen Diamant erhalten. 8) Da 


3684 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 
J 


einer oder zwei von uns, die wir den Paß beſchuͤtzen, von 
ſo vielen zum Kampfe koͤnnten gefordert werden, daß ſie 
ſolcher Arbeit nicht gewachſen wären, oder, wenn fie es 
"wären, den übrigen Waffengefährten eine Gelegenheit 
"zum Kampfe bliebe: fo fei allen fund, daß Niemand Je⸗ 
manden herausforbern darf, oder wiflen folf, mit wem er 
tämpfet, Bis die vorgefchriebene Zahl von Lanzen gebros 
hen iſt; aber jeber fei verfichert, daß fich ihm ein Ritter 
oder Edler entgegenftellen fol mit untabelichen Waffen. 
9) Werm aber Jemand, nachdem bie drei Ranzen gebros 
hen find, noch mit Einigen ber Papvertheidiger befonders 
zu Tämpfen begehrte, fo mag er feinen Wunſch Fund 
maden, und ed fol, mwofern bie Zeit es erlaubt, noch 
eine andre Lanze mit ihm gebrochen werden, 10) Wünfcht 
einer der Ritter, die fih zum Kampfe ftellen, eined von 
den vorgefchriebenen Stüden ber Rüftung abzulegen, fo 
mag er's mir fagen laffen, und ed wird ihm gewillfahrt 
werden, wern Zeit und Umflände ed geflatten. 41) Mit 
keinem Ritter wirb gekämpft werden, der nicht zuvor 
gefagt bat, wer er ift und woher. 12) Sollte einer ber 
Ritter beim Kampfe Schaden nehmen an feiner Perfon 
oder Geſundheit, wie's bei Waffenfpielen wohl zu gefches 
ben pflegt, fo will ich dort, Damit er geheilt werde, for: 
gen, wie für mich felbft, fo lange ald nothwkndig und 
länger. 43) Wenn einer der Ritter, die fich mit mir 
ober meinen Gefährten verſuchen, einen Vortheil über uns 
erlangte, ſo verfichere ich ihm auf Ritterwort, daß er 
weder von uns, noch von unfern Verwandten und Kreuns 
ben deshalb fol zur Rebe geftelt werden. 44) Ieber 


Nitter ober Edle, ber auf dem geraben Wege bie beilige 
Wallfahrt nach Compoſtella macht, ohne fi) dem Paſſe 
zu nähern, ben ich vertheidige, kann ungehindert von mir 
und meinen Gefährten feine Reife fortfegen. 45) Jeder 
Ritter, der von dem geraden Wege ausbeugend zu bem 
Paſſe kommt, den ich befchüke, kann nicht weggehen, 
ohne, zuvor die drei Lanzen zu brechen, ober eines von 
feinen WVaffenftüden, oder den rechten Sporn zurüd zu 


Aaſſen, mit der Verpflichtung, nie wieber ‚jene Waffe ober 


jenen Sporn zu tragen, bis er eine eben fo gefährliche, 
oder eine gefährlichere Waffenthat beflanden. 46) Wenn 
einer meiner Gefährten einem der Kämpfer, welde fi 
einfinden, eim Pferd töbtet, werde ich's ihm bezahlen; 
wofern aber dieſe einem von uns ein Pferd toͤdten, fo 
ſollen fie Erſatz leiften, wenn fie unredlich mit dem Gegs 
ner verfahren.. 17) Wenn einer ber Ritter im Antennen 
bad Pferd des Gegeners trift, und dieſer mehr oder weni 
ger auf den Harnifch ftößt, fol. die Lanze für gebrochen 
. gehalten werben, wegen der Unredlichkeit bes Gegeners, 
der auf das Pferd geflogen. 418) Wofern einer der Ritter, 


die zum Kampfe erfcheinen, nachdem eine Lanze gebrochen . 


iſt oder zwei, nicht weiter ſich verfuchen wollte, fol er 
bie Waffe oder den rechten Sporn einbüßen,; als ob er 
hätte gar nicht kaͤmpfen mögen. 19) Alle inländifchen Rit⸗ 
ter, welche bewaffnet zu Pferde erfcheinen, den Kampf zu 
beftehen, follen Waffen erhalten, und nicht mit ben ihrigen, 
noch auf ihren eigenen Streitroſſen kaͤmpfen, um allen 
Vortheil aufzuheben. 20) Wenn ein Ritter beim Kampfe 
durch die erfle ober zweite Lanze verwundet wuͤrde, fo 
25 


4. Abthell. Turniere und Eanzenrennen. 385 | 


4 


386 Zwelter Abſchnitt. Kitterleben. 


daß e er an dieſem Tage nicht weiter kaͤmpfen koͤnnte, wol⸗ 
len wir nicht gehalten ſein, den Kampf mit ihm zu er⸗ 
neuern, obgleich er ed für einen. andern Tag verlangen 
möchte. 21) Damit Fein Ritter oder Edler aus Beforg- 
nis, daß ihm nicht nad) Verdienſt feiner Tapferkeit Ge⸗ 
rechtigfeit widerfahre, unterlaffen möge, bei dem Pafle zu 
erfcheinen; fo follen zwei alte ‚in Waffenthaten erprobte 
und glaußwirdige Ritter und zwei Herolde zugegen fein. 
Die Kämpfer; welche ſich einftellen, müffen denfelben eid⸗ 
lich verfprechen, ihnen in Allem, was wegen des Kampfs 
foieles befohlen werben möchte, Folge zu leiſten; wogegen 
ihnen die Kampfrichter und Herolde fhwören, fie gegen 
Trug zu ſchuͤtzen und‘ wahrhaft nad Billigfeit und 
Kampfrecht zu urtheilen. Sollten aber neue Zweifel, 
welche nicht aus meinen Sampfgefegen gelöfet werben 
koͤnnen, ſich erheben, fo wird, jenen Männern die Ent» 
ſcheidung überlaffen, damit bie Vorzüge oder die Vor: 
theile, die jemand durch bie Waffen fich erwirbt, nicht 
verborgen bleiben. Die Herolde werden jedem, ber es 
verlangt, ein fchriftliched Zeugnis geben, wie ed nad) feiz 
nen Thaten der Wahrheit gemäß ifl. 22) Kund fei ed 
allen Herren in der Welt und allen Rittern und Eblen, 
welche von diefen Kampfgefeben hören werben, daß, wenn 
die Srau, ber ich ergeben, bin, bed Weges kaͤme, fie frei 
gehen fol, ohne daß ihre rechte Hand ben Handſchuh ver- 
Kiere, und außer mir fol kein anderer Ritter für fie kaͤm⸗ 
pfen; denn ed ift niemand-in ber Welt, ber es mit fo 


gutem Bug Pönne, als ich." 
Als dies vorgelefen war, übergab Suero dem Wap⸗ 


4. Abthell. Tueniere und Lanzentennen. 387 


penherolbe des Königs von- Caſtilien einen: Brief, worin 
er benfelben bat, allen: Königen, Fürften und Herren, in 
beren Gebiet er haͤme, zu fagen, wie Suero Dreihundert 
Lanzen. zu feiner Befreiung zu brechen wünfchtes und ba: 
ohne ben Beiſtand von Rittern, die mit ihm und feinen. 
Gefährten kämpften, dieſe Erloͤſung nicht möglich war, 
fo ſollte der Herbld Allen das Geſuch eroͤffnen, daß ſie 
„aus Hoͤflichkeit und um der Liebe zu ihren 
Damen willen“ ihm zu Huͤlfe kommen moͤchten. 

Der Wappenherold verſprach, den Brief an die Hoͤfe 
der Koͤnige zu bringen und oͤffentlich leſen zu laſſen, durch 
ausgewählte Herolde aber denſelben an andern Orten bez’ 
kannt zu machen. Während ber 6 Monate, die von dem 
Zage, wo bie Erlaubniß gegeben war, bis zu dem An⸗ 
fange des Kampffpield verfloffen, warb in der ganzen 
Ehriftenheit die Kunde von bem Unternehmen verbreitet. 
Suero benußte dieſe Zeit, Waffen, Pferde und die -ubrie 
gen Beduͤrfniſſe herbeizuſchaffen. Es ward viel Holz⸗ge⸗ 
faͤllt in den Waͤldern bei der Bruͤcke von Orbigo zu dem 
Baue deu Bühnen, ber Kampfbahn und des Saales. 
Nahe an der Straße war ein angenehmer Wald, in deſſen 
Mitte man eine große Kampfbahn von Holz, die 146- 
Fuß lang war und Banzenhöhe hatte, erbauete. Die eine 
Bühne, an dem einen Ende berfelben, war für Suero 
und feine Gefährten beftimmt, wenn fie in den Augen⸗ 
blicken, wo fie nicht ſelber kaͤmpften, bem. Waffenfpiele 
zuſehen wollten. Woran ftanden zwei andere, wo "bie 
fremden Ritter vor und nach dem Kampfe fi aufhalten 
fohten. Mitten in den Schranken aber erhoben fi zwei 

25 * 








368 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Bühnen, von melden die eine den Kampfrichtern, bem 
Bappenkönige, den Herolden, ben Zrompetern und 
Schreibern, die andre den ebeln Nittern beftimmt war, 
weiche dad Unternehmen durch ihre Gegenwart - ehrten. 
Sie beiden andern Bühnen waren den Übrigen Zufchauern, 
den Trompetern und Dienern der Ritter, die am Kampfe 
Theil nahmen, angewiefen. An beiden Enden ber Schranz 
fen waren Thuͤren, von welchen bie eine ben Vertheidi⸗ 
gern des Paſſes zum Eingange diente, und hier war das 
Wappenſchild der Quinones in dem aufgepflanzten 
Banner zu ſchauen; durch die andre Thuͤre aber traten 
die ritterlichen Abentenrer herein, welche den Lanzenkampf 
beſtehen wollten, und auch hier war ein Banner des 
Suers de Quinones aufgerichtet. 

Es warb ferner ein Herolb aus “Marmor gebildet, 
welchen man auf ein marmornes Geftell ſetzte Schoͤn 
geihmäüdt mit Gewaͤndern und Hut, fiemmte er die linke 
Hand in bie Seite und deutete auf die Landflraße mit 
der rechten, auf welcher gefchrieben fland: Hierher 
geht's zum Paffe!. Diefer fteinerne Herold warb jenz 
feitö der Brüde von Leon an ber Landſtraße aufgeſtellt 
am 10. Julius, dem erſten Tage ber Kampfſpiele. — 
An demſelben Tage wurden zwei und zwanzig Zelte er⸗ 
richtet. Die beiden groͤßten ſtanden an dem Eingange der 
Schranken, welcher den fremden Kaͤmpfern angewieſen 
war, und dienten dieſen, ſich darin zu bewaffnen. Die 
übrigen waren Wohnungen fuͤr die ritterlichen Abenteurer, 
fuͤr die Paßvertheidiger, fuͤr die Zuſchauer, und fuͤr das 
Gefolge und die Diener der Kaͤmpfer. Mitten unter dieſen 


3. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 389 


Zelten war ein hoͤlzerner Saal von Gitterwerk errichtet, 
ganz behangen mit koͤſtlichen franzoͤfiſchen Teppichen. Es 
ſtanden darin zwei Tiſche, der eine für Suero und bie 
ritterlichen Kämpfer, ber andre für die übrigen vornehmen 
Säfte. Im Hintergrunde war ein reich befeßter Schenk⸗ 
tiſch, und nicht weit von bem Saale floß einer ber Fluͤſſe, 
welche den Bald umgaben. Biel edle Herren chrten das 
Kampfſpiel durch ihve Gegenwart, und Suero bewirthete 
alle in einigen nicht weit entfernten Dertern, welche ſei⸗ 
nem. Bater gehörten. Auf Suero's Geſuch fandte feine 
Mutter gleich Anfangs eine edle Frau, Elvira Alvarez, 
bie Sattin eines wadern Ritters, zu dem Pafle, wo fie 
mit. ſechs andern Frauen als erfie Krankenmwärterin bie 
Ritter, welche bei- den Kampffpielen verwundet würden, 
verbinden umd pflegen follte. 

Am felbigen Tage, Sonnabendd den 20. Julius, 
meldeten des Wappenkoͤnig und ber Herold dem Ritter 
Suero und den Kampfrichtern, es wären bei der Brüde 
von Drbigo drei Ritter, welche den Lanzenkampf zu beftes 
ben begehrten. Der eine war ein Deutfcher, Namens 
Arnold von Rothwalb (Arnaldo de la Floresta bermeja), 
aus der Mark Brandenburg, die andern zwei Brüber aus 
Valencia. Erfreut über die Ankunft fo mannhafter Ritter, 
lieg Suero fie in fein Zelt einladen. Sie erſchienen, 
und Suero empfing fie ehrerbietig am ingange der 
Kampfbahn, in Gegenwart der beiden Richter. Sie fag- 
ten, es hätte bie-in ber ganzen Chriftenheit verbreitete 
Verkuͤndigung fie herbeigerufen, und fie winfchten.ben 
Kampf zu beginnen, ehe andere fämen. Die Kampfrichter 





N 


390 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wieſen den Wappenkoͤnig und den Herold an, den drei 
Rittern, weil ſie funfzig Schritte von den Schranken vor⸗ 
uͤber gezogen waren, die rechten Sporen abzunehmen, bis 
die Kampfſpiele angefangen haͤtten, wo man ſie allen 
zuruͤck geben wollte. Die Sporen wurden abgelegt und 
feierlich an einem franzöfifchen Teppich aufgehängt, ber ſich 
auf der Bühne der Nichter befand. 

Am folgenden Zage, bei Anbruch des Morgens, er: 
tönten die Zrompeten und andre Bladinflrumente und 
entzundeten mit Kampfluft die Herzen ber Krieger. 
Suero de Quinones erhob fih mit feinen neug Ges 
fährten, und als fie die Meffe gehört hatten, zogen fie auf 
ben Kampfplag in die Schranfen. Suero erſchien auf 
einem Eräftigen Roſſe, das mit blauer Dede geziert war, 
worauf fein gewähltes Sinnbild und das Halseifen in 
Stiderei fih zeigten, und über jedem Sinnbilde flanden 
die Worte: I faut deliberer. Er trug einen Waffenrod 
von olivengrünem Sammel, Beinkleider von Scharlach 
nach italienifchem Schnitt, gine hohe Scharlahmüge und 
reich vergoldete italienifhe Sporen. In der Hand hielt 
er das vergoldete entblößte Schwet. Am rechten Arm 
war um den Muskel ein Bild von feiner Unternehmung 
in Golb gearbeitet, zwei Finger breit gewunden, und 
umher ſtand mit blauen Buchſtaben: 

$i A vous ne plait de avoyr mesure, 
Certe je dis, 

Que je suis 

Sans venture. 


Ihm folgten auf fchönen Pferden drei Pagen, auf bern 
blauen Baffenröden dad Sinnbild des Ritters erfehien. 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 391 


Die Pferdebede bed. erfien Pagen war von buntem Das 
maſt, mit Zobel verbraͤmt, und mit biden, ſilbernen Rol⸗ 
len geſtickt. Auf dem Haupte trug der Page einen Helm, 
uͤber welchem ein großer vergoldeter Baum mit gruͤnen Blaͤt⸗ 
tern und vergoldeten Fruͤchten ſtand, an deſſen Fuße ſich 
eine gruͤne Schlange emporwand — wie an dem Baume, 
woran Adam ſuͤndigte — und mitten durch den Baum 
ging ein Schwerdt, worauf die Worte ſtanden: Le vray 
ami. In der Hand trug er feine Lanze. 

Bor Suero ritten feine neun Woffengefährten, einer 
hinter dem andern, . in ſcharlachenen Waffenröden und 
Beinkleidern, und alle trugen in Gtiderei dag Sinnbild. 
ihres Anführers, fo wie auf den blauen Pferdedecken ben 
Wahlſpruch: Il faut deliberer., Bor ihnen warb von 
zwei fchönen Pferden ein Karren voll Ranzen gezogen, 
welche von breierlei Art waren, dide, mittlere und bünne, - 
bie aber alle einen ziemlihen Stoß aushalten Eonnten. 
Ueber bie Lanzen wären blaue und grüne Deden gebreitet, 
auf welchen Dieanderbäume mit ihren Blumen geftidt 
waren, und auf jebem Baume war ein Papagei abges 
bildet. Oben faß. ein Zwerg, ber ben Karren lenkte. 
Den Anführer begleiteten mehre Ritter zu Fuße, wovon 
ginige fein Pferd am Zügel führten, um ihre Ehrerbietung 
ober ihre Ergebenheit ihm Zu bezeugen, 

Sp erfhien Suero in den Schranken, und als er 
fie zweimal umritten hatte, bielt ex beim zweiten Mitte 
mit feinen. Waffenbrübern vor der Bühne ber Richter, 
welche er bat, ohne Freundſchaft oder Feindſchaft über 
alles, was hier vorgehen möchte, zu urteilen, allen 


392 Biekter Abſchnltt. Ritterleben. 


gleiche Waffen zu geben, jeglichem die Ehre und den 
Ruhm zu ertheilen, ben er durch Tapferkeit und Geſchick 
lichkeit verbiente, und bie Fremden zu ſchuͤtzen, wenn fie, 
wegen Verwundung eines Paßvertheidigerd, von andern 
follten angegriffen werben. Fruͤh am Montage — wie an 
jedem Tage, fo lange die Kampffpiele dauerten — hörte 
Suero mit feinen Waffenbrübern und ritterlihen Gäften 
die Meſſe in dem großen Zelte, wo er eine Kapelle und 
einen Altar mit koͤſtlichen Reliquien und reichen Verzie⸗ 
rungen hatte. Darauf gingen die Kaͤmpfer in ein anderes 
Zelt, um ſich zu waffnen, und Suero ließ die Ritter 
einladen, auf daß fie ſaͤhen, mit welchen Waffen er ſich 
ruͤſtete. Er ſandte ſie dann in das Zelt, wo ſich die 
deutſchen Ritter rüfteten. Ritter Arnold zeigte feine 
- Baffen und fein Pferd, und bie Richter waren zufrieden, 
obgleich des Deutfchen Pferd beffer ald Suero's Streits 
xoß war. Der Kampfplag ward von mehren Schildknap⸗ 
zen, Armbruſtſchuͤtzen und Pikentraͤgern gefichertz und als 
die Richter auf ihre Bühnen geftiegen waren, ließen fie 
am Zuße berfelben große, mittlere und kleine tanzen aufs 
fielen, damit ein’ jeder fich nach Belieben wählen möchte. 
Suero erfchien zuerft beim Klange ber Muſik in 
ber Kampfbahn, und ihm folgte bald ber beutfche Ritter, 
begleitet von ben Brüdern aus Valencia und andern Rit⸗ 
tern, die ihn ehren wollten. Darauf befahlen die Kampf⸗ 
sichter dem Wappenkoͤnige und dem Herolde, durch einen 
Audruf zu verfünden, daß niemand, was auch einem 
Ritter begegnete, durch Worte ihm Rath, oder mit der 
Hand ihm ein Zeichen zu geben ſich erdreiſten ſollte, mit 


4. Abcheil, Turniere und Lanzenrennen. 393 


ber Drohung, jedem, ber gerebet, die Zunge ‚ jedem, der 
einen Wink gegeben, die Hand abfchneiden zu laſſen. 
Der Admiral von Caflilien und viele andere Ritter. ver⸗ 
bürgten fich, daß keinem Kämpfer, wenn er feinem Ges 
gener Wunden ober den Zod gegeben, jemals Leides ges 
ſchehen oder Rechenschaft abgeförbert werben ſollte. Darauf 
ließen die Richter alle Inftrumente laut ertönen, bad Zei⸗ 
chen zum Kampfe zu geben, und durch ben Wappenkoͤnig 
und den Herold ausrufen: . 
Legeres aller 


Legeres aller 
Et fair son deber, 


Suero be Duinones und ber beutfche Ritter leg⸗ 
ten ihre Lanzen ein, und als fie fünf Gänge gemacht 
hatten, waren bie brei Lanzen gebrochen. Die Richter 
erklärten den Kampf für vollendet, den Rittern befehlend, 
aus den Schranken zu weichen. Beide entfernten fich bei 
dem Schalle Eriegerifcher Muſik; Suero Iud feinen Ges 
gener zum Mabhle, und als er zu feinem Zelte gekommen 
war, entwaffnete er fich öffentlich. 

Mit gleichen Feierlichleiten wurbe an ben folgenden 
Tagen gelämpft. Wenn, bem Geſetze des Kampfes ges 
mäß, drei Ranzen gebrochen waren, oder einer ber Kaͤm⸗ 
pfer vorher eine Wunde erhalten hatte, erklärte ber Spruch 
der Richter bie ritterliche Arbeit‘ für vollbracht. Mehre 
“ wurben verwundet, welche man ohne Mufit und Zreube 
zu ben Zelten führte und der Pflege des Wundarztes 
übergab. Ein aragonifcher Ritter, Esberte be Elaras 
monte, warb burch einen Lanzenftoß fo gefährlich getrofs 


391 gZweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


fen, daß er todt vom Kampfroſſe ſtuͤrzte. Suero erzeigte 
dem Leichname des ungluͤcklichen Ritters alle Ehre, aber 
er vergaß auch nicht, fuͤr die Seele zu ſorgen. Er rief 
fogleich nach dem Unfalle ſeinen Beichtvater und andere 
anweſende Geiſtliche, um dem Gefallenen die Sakramente 
geben zu laſſen, und bat ſie, die Gebete uͤber ihn auszu⸗ 
ſprechen, welche bie Kirche verordnet hat. * Aber der Beicht⸗ 
vater gab zur Antwort, bie Kirche bielte nicht für ihre 
Söhne die Ritter, welche in folhen Kampffpielen ben 
Zod gefunden, weil fie in ſchweren Suͤnden geſtorben 
waͤren, und man koͤnnte Gott nicht fuͤr ihre Seelen bitten, 
weil die Kirche dieſelben fuͤr verdammt erklaͤrt haͤtte. 
Suero bewog den Beichtvater, zu dem Biſchofe von 
Aſtorga zu gehen, den er in einem Briefe bat, dem ge⸗ 
fallenen Ritter ein Begraͤbniß in geweihter Erbe zu vers 
gönnen. Als aber ber Priefter Abends ohne die erwünfchte 
Erlaubniß zurüdgelehrt war, wurbe ber Leichnam, fern 
von beiliger Erde, ehrenvoll von den ttauernden Rittern 
zu Grabe geleitet, 

Diefes Unglüds ungeachtet, dauerten bie Kämpfe bis 
zur beflimmten Friſt fort. In der legten Zeit waren 
eines Tages alle Vertheibiger des Pafles nicht im Stande, 
gegen die Ritter, welche zum Kampfe erfchienen, in bie 
Schranken zu treten, weil einige verwundet waren, und 
die uͤhrigen fich erſt die verrenkten Blieder muften einrich- 
ten laffen. Auch Suero warb einft fo heftig von. ber 
Lanze getroffen, daß ein Stuͤck der Spike in dem Viſier 
fteden blieb. Alle fürchteten, er wäre tödtlich verwundet; 
aber um feinen Breunben bie Bekuͤmmerniß zu nehmen, 


4. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 395 


rief er laut: Es iſt nichts, es iſt nichts, Quinones, 
Quinones! 

Es gab waͤhrend der Dauer der Kampfſpiele mannich⸗ 
faltige Abenteuer, welche der Bericht des Schreibers mit 
treuherziger Umſtaͤndlichkeit erzaͤhlt. — Gleich in der erſten 
Zeit zogen innerhalb der Graͤnzen des Paſſes zwei Frauen 
voruͤber. Die Kampfrichter ſandten den Wappenkoͤnig und 
den Herold zu ihnen, um zu erkunden, ob ſie edelbuͤrtig 
wären und einen Ritter bei fich hätten, der ihnen ben 
Daß frei machen könnte. Die Frauen antworteten, fie 
wären auf ber Wallfahrt nach Santiago begriffen und 
ebelbärtig; die eine war verheirathet und von ihrem Ges 
mahle begleitet, die andere Wittwe. Der Wappenkoͤnig 
bat um ihre Handfchuhe, die durch Lanzenkampf gelöfet 
werden follten, wozu fich aldbalb ein aragonifcher Ritter 
anbot. Der Gemahl der einen Pilgerin fagte, er hätte 
nichts gewuft von Suero's ritterlihem Unternehmen 
und wäre jetzt nicht darauf eingerichtet, das Abenteuer zu 
beftehen, aber fobalb er feine Wallfahrt geendigt hätte, 
wollte er zuruͤckkehren, um den Kampfgefegen Genüge zu 
thun. Bid dahin follten die Richter ihm Friſt geben und 
bie Hanbfchuhe bewahren. Der Wappentönig nahm die 
Handſchuhe mit, welche die Richter an dem Zeppiche aufs 
hängen ließen, bis zur Entfcheibung ber Sache. Nach 
kurzer Erwägung aber warb befthloffen, die Handſchuhe 
nicht zurüd zu behalten, damit man nicht die fromme 
Wallfahrt zu flören fchiene, und weil es die ritterlihe 
Antwort ber Frauen verdiente. Da nun viele Ritter bes 
zeit waren, bie Handſchuhe der Pilgerinnen zu Iöfen, fo 


- 


396 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben. 


befahlen die Kampfrichter einem Herolde, dieſelben den 
Frauen zuruͤck zu bringen und ihrem Begleiter zu ſagen, 
daß die Handſchuhe frei waͤren, und er nicht gebunden 
ſein ſollte, den Kampf zu beſtehen, zu dem er ſich erbo⸗ 
ten. — Einmal gefhah’d, daß drei Staunen, bie bei 


dem Paſſe vorbeizogen,. fi) weigerten, bem Herolde zu 


willfahren, der ihnen die Handfchuhe abforberte. Aber ein 


Ritter, welcher zugegen war, ſtellte ihnen vor, es wäre 


nöthig, dem Kampfgefege zu geborchen, und fie gaben 
willig ihre Handſchuhe dem Wappenkönige. Nur wenige 
Faͤlle gab's, wo dies Kampfgefeß vollzogen warb, fo fehr 
ſich auch ein Ritter bemühte, folche Abenteuer zu verans 
laſſen. Ein Zufall hatte ihn des Vorzuges beraubt, einer 
der neun Waffengefährten Suero’& zu werden ‚ und um 
nicht laͤßig zu fein in ritterlichee Arbeit, erklaͤrte ex fi 
zum Befreier aler Frauenhandſchuhe. Er ließ auf ber 
Brüde von Drbigo und in der Umgegend offene Briefe 
aushängen, woriner, „ein Edelmann von Ruf und 
Waffenruhm,” feine Dienfte den achibaren Frauen 
anbot, welche einen untaveligen Ritter zum Kampfe ftels 
len Eonnten, den „wadern Frauen, von welden 


"die Liebe ausgeht mit. allen ihren rühmligen 


Beffeln, oder den Banden.der Freundſchaft.“ 
Eined Tages warb gemeldet, es wäre, ein fremder 
Edelmann angefommen, der zu Kämpfen wuͤnſchte, aber 
weil er noch nicht Ritter war, zuvor den Orden der Rit⸗ 
terſchaft zu erhalten begehrte. Suero begab ſich mit 
feinen neun WBaffengefährten zu Buße, unter dem Klange 
der Muſik, zu dem Fremden, welcher ibn vor ben Schrans 





4. Abthell. Turniere und Sanzentennen: 397 


Fer erwarten muſte. Als fie am Eingange, wo bie ritters 
Yichen Abenteurer einziiten, angekommen waren, fragte 
Suero den Bremden, ob er Ritter zu werben begehrte, 
"und als biefer die Trage beia’te, zug Suero fein vergols 
detes Schwerdt mit. den ‚Worten: Edelmann, habt She - 
den Borfat, alle Pflichten, welche die ehrenvolle Würde 
eines Ritters fordert, zu halten, und eher zu flerben, als 
eine derſelben zu verlegen? Der Fremde ſchwur's; da 
gab ihm: Suero einen Streich mit dem entblößten 
Schwerdte über den Helm und fprach: Bott mache Dich 
zu einem guten Ritter und laſſe Dip die Geſetze erfüllen, 
die jeder gute Ritter halten muß. Darauf ward ber neue 
Ritter zum Kampfe gelaffen und brach feine drei Lanzen. - 

Zehn Tage wasen- verfloflen feit dem Anfange ber 
Kampffpiele, ald eine unerwartete Erfcheinung das Unters 
nehmen zu ftören brohte. Der Wappenkoͤnig beachte einen 
Brief von zwei Rittern aus Catalonien. Sie hätten - 
Kunde erhalten, fchrießen fie, wie Suero durch feine 
. Unternehmung andächtige Ritter und Edelleute flörte und 
fie zwänge, um ihrer Ehre willen Kämpfe mit ihm zu 
beſtehen; fie wären eilig aus ihrer Heimath aufgebrochen, 
in der Hoffnung, Gott und dem heil. Apoſtel Jakob zu 
dienen, : und -erböten ſich, alle Lanzen mit Suero zu 
brechen, -bie er. in feiner Aufforderung beflimmt hatte, 
Suero bankte in feiner Antwort höflich für ihr Erbieten, 
aber feinen Kampfgefegen gemäß, wendete er ein, Tönnte 
kein Kämpfer mehr als brei Lanzen mit einem Vertheidi⸗ 
ger des Paſſes brechen. „Nichts mehr daruͤber — ſchloß 
der Brief — denn ich brauche die Haͤnde zu andern ruͤhm⸗ 


398 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


lichern Dingen.“ Die cataloniſchen Ritker antworteten 
durch trotzige Herausforderung zu ernſtlichem Waffenkam⸗ 
pfez aber Suero behauptete ſeine Feſtigkeit und wun⸗ 
derte ſich, wie Ritter, welche des Waffengewerbes kundig 
ſein wollten, ſolches begehren, und in ſeiner begonnenen 
Unternehmung ihn willkuͤhrlich ſtoͤren Tönnten... Wenn es 
den Rittern, ſchrieb er ferner, nicht genügte, drei Lanzen 
zu brechen, und ein gefahrvollered Unternehmen ihnen er 
wünfcht wäre, fo möchten fie nach dem zehnten Kampfs 
gejege beftimmen, welches Stüd der Rüftung fie abzules 
gen begehrten, und es follten ſich ihnen zwei Ritter, auf 
gleiche Weife gewappnet, entgegen ftellen, welchen fein 
Ritter in der Welt einen Zabel anhaben möchte, Und 
fein verfichert, ſchlos er, es werben foldye fein, welde 

euch, da ihr doch für Gott freiten wol, gar bald zu ihm 
ſenden werden. 

So ward immer, wo jemand die Geſetze zu ‚erlegen 
trachtete, unter Aufſicht der Richter, das Kampfrecht 
firenge geachtet. Vergeben erbat einft Gope de Men⸗ 
doza — Ein Ablömmling des eben Helden Eid Ruy 
Diaz — ald er feine drei Ranzen: gebrochen hatte, bie 
Erlaubnis, noch länger zu Fämpfen, um-feine Schöne 
fich gerfeigt zu machen, denn er hatte ſich um einer Dame 
willen, die er fehr liebte ohme Gegenliebe, in das Unter 
nehmen eingelaffen. Suerd aber, fo verfländig als 
tapfer, giebt ihm zur Antwort, Mendoza möge fagen, 
wer feine Dame fei, und er werde dann zu ihr fich bege⸗ 
ben und ihr melden, welcher gute Ritter und tapfere. 


4. Abthell. Turniere und Lanzenrennen. 399 


‚Kriegämann ihr diene; doch Länger zu kaͤmpfin fei gegen 
‚die Geſetze des ritterlichen Unternehmens. 

Nicht die Ritter allein wurden von ebelem Betteife 
auf die Kampfbahn getrieben; ſelbſt ein lombardiſcher 
Zrompeter, ber eine Wallfahrt nach Santiago machte, 
wollte in feiner Kunftfertigkeit um den Preis der Ehre ringen, 
Er hatte einen Weg von dreißig Stunden: gemacht, um ſich 

mit einem berühmten Trompeter bes Königes von Gaflis 
lien, Namens Dalmao, der fich bei den Kampffpielen 
befand, zu meffen, und febte von zwei fehr guten Trom⸗ 
peten, die er bei fich hatte, die eine gegen Dalmao’8 Ins 
firument. Der Caſtilier nahm darauf bes Lombarden 
Trompete und entlodte ihr eine foldhe Mannichfaltigkeit 
barmonifcher Zöne, daß jener, ald cr alles verfucht hatte, 
was er wuſte und vermochte, fich vor den Kampfrüchtern 
für überrounden erklaͤrte. Er gab darauf feine Trompete 
bin und warb von dem fliegenden Kunftverwandten, fd 
lange die Kampffpiele dauerten, als Gaſt bewirthet. 

Am 9. Auguft verfloffen die dreißig Tage, welche 
Guero zu den Ritterlämpfen beſtimmt hatte. -E8 waren 
nach und nad) acht und fechzig Ritter gegen bie Verthei⸗ 
biger bed Paſſes in die Schranken getreten, und im ſieben⸗ 
hundert fieben und zwanzig Gängen (correras). nur: hun⸗ 
bert ſechs und fehzig Lanzen gebrochen worden. Die 
Kampfbahn und die Umgegend wurde feſtlich erleuchtet, 
und freudig erfhoN die Muſik. Da erfhien Suero mit 
acht feiner Waffenbrüder — der neunte lag ſchwer vers 
wundet zu Bette — im feierlichen Aufzuge vor der Bühne 
der Kampfrichter. Sie ritten in fchöner- Orbnung durch 


400 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die Rennbahn bis zum andern Ausgange, und dann in⸗ 
nerhalb ber Schranken .in einem Bogen zurld bis zu dem 
Eingange, durch welchen fie eingezogen waren, wie es 
- &itte ift, wenn Ritter ſiegreich aus dem Kampfe treien, 
Suero ſprach berauf zu ben Rittern, dem Wap⸗ 
penkoͤnige und dem Herolde: da er glaube alles erfuͤllt zu 
haben, was er in ſeinen Kampfbedingungen vorgeſchrie⸗ 
ben, fo bitte er die wackern Männer, ihm zu befsbien, 
baß er fein Halöeifen ablege, zum Zeichen feiner Freiheit, 
benn feine Audlöfung fei vollbraht. Wenn er aver in 
irgend etwas gefehlt habe, fo möge man's ihm fagen, da⸗ 
mit er fogleich Rebe fiehen Eönne, ober wenn noch etwas 
zu thun übrig, fo wolle er's erfüllen und vollbringen, ba 
er bereit und gerüftet fei.. 

„Wir koͤnnen euch billig nicht verweigern, antworte⸗ 
ten darauf bie Kampfrichter, eure ritterliche Unternel mung 
für vollbracht, und eure Ausloͤſung für wohl erfauft zu 
erklaͤren. Und wir fagen euch und allen, die hie zugegen 
find, daß von ben breihundert Lanzen, bie ihr brechen 
wolltet, nur wenig übrig bleiben, und auch diefe würben 
nicht übrig fein, wenn nicht einige Tage geweien wären, 
wo feine Ritter erfhienen, mit welchen ihr hättet kaͤm⸗ 
pfen koͤnnen. Um euch bes Eifens zu entledigen, befehlen 
wir dem Wappenkoͤnige und dem Herolde, es euch ſogleich 
abzunehmen, denn ihr ſeid, nach unſerer Meinung, von 
nun an frei von eurem Unternehmen und ausgeloͤſet.“ 

Der Wappenkoͤnig und ber ‚Herold fliegen von ber 
Bühne herab, und in Gegenwart ber Schreiber nahmen 
» fie dem Ritter feierlich den Eifenring vom Halfe. 


% 
% 


4. Abtheil. Zurnfere und Lanzenrennen. 401 


Suero verließ darauf mit feinen Waffenbrüdern und 


ben übrigen Rittern ben Kampfplag, und ald fie zwei 
Tage nachher fetlih in die Stabt Leon einzogen, wurden 
fie mit großen Ehren empfangen. 

Wenn died Beifpiel auch nicht der deutſchen Ritters 
welt entnommen ift, fo zeigt eö doch große Ueberein⸗ 


ſtimmung mit den Sitten und Gebräuden, welche wir in 


dieſem Abfchnitt bereitd oben Tennen gelernt haben, und 


vieles, was im Allgemeinen angeführt ward, fand hier 


feine befondere Stelle und Anwendung, aub zum Theil 
feine Erklärung. 


Ein anderes Beifpiel aus deutfcher Gefchichte iſt noch 


dieſes: 
Nach einer verderblichen, langen, endlich ausgegliche⸗ 


nen Fehde der Reichsſtadt Nuͤrnberg mit dem Markgrafen 


Friedrich von Brandenburg, beſchlos dieſer, die Herren 
von Nuͤrnberg, auf freundliche Einladung, zu beſuchen. 
Er kam mit ſeiner Gemalin, ſeinem und dem ihrigen Ge⸗ 
folge, den 14ten Febr. 1496. zu Nürnberg an und wurde 
glänzend empfangen. Der Rath fehte drauf ein Zurnier 
an, welches, ven 16ten mit großer Seierlichfeit begann, 
Eine 400 Schuhe lange, 50 Schuhe breite Stichbahn 
war auf einem offenen Stabtplake errichtet, mit flarfen 


Schranken umfaßt, der Boden mit Stroh belegt. Als der _ 


Mittag vorüber war, erfchien der Markgraf mit 9 Rittern 
auf der Bahn; von Seiten der Nürnberger, Dietrich von 


Harras mit 9 Edlen. Der, Marfguof führte auf feinem _ 


Helme einen. Frauenhandſchuh, und fo alle feine Ritter 
ein ſchwarz und: weißes Hähnlein Im dem ſeinigen allein 
’ 26 





- our. — — — — —— — — — 


402 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


war ein goldener Buchſtabe. Die andern Ritter führten 
Pelikane, Sterne, Hüte, Müten, Laternen, Ohren, Efel, 
Suchsfhwänze u. f. w. auf ben Helmen. Im Rennen 
gewann der Markgraf 9 mal den Preis, und 4 mal fiel er. 
Es wurde derb gerennt und geftochen, und am muthigften - 
benahm ſich auf der Bahn der Nürnberger Martin Löffel» 
holz. Der Markgraf, welcher alles was vorging, gar 


« genan beobachtet hatte, Fam endlich ganz unbekannt wieber 


zur Bahn mit einem ber Seinigen, und beide waren in 
allen Stüden fo gewappnet und fich einander gleich, 
daß Feiner von dem Andern zu unterfcheiben war. De, 
Markgraf ftellte fogleich fich Löffelholzen gegenüber und 
ließ ihn zum Gefteche aufrufen. Raſch rannten fie auf 
einander ein, und ber Markgraf mufte den Sattel räumen. 
Indem ‚ver Sieger langfam die Bahn -hinabritt, richtete 
der Markgraf fich fchnell wieder auf, ließ ſich aufs Pferd 
helfen und ritt, zum Zeichen daß er feinen Sthaden ges 
nommen babe, auf der Bahn ſchnell auf und ab. Dann 
abermals forderte er Löffelholzen zum Stoße auf. Gie 
tannten fo mächtig zufammen, baß beide von den Roffen 
ſtuͤrzten. Da richtete der Markgraf fih auf, ging auf 
Löffelholzen zu, gab ihm die Hand und fagte; „mir haben 
uns ein Stecher zu fein vermeint, aber du bift wahrlich 
auch einer. Wir wollen Sreundfchaft machen.” Diefer 
aber fprah: „Euer Fuͤrſtl. Gnaden find mir bier ganz 
unbekannt. Der Markgraf aber entgegnete: „Schweig, 
wir habens alfo haben wollen, und du haft dich gegen und 
ritterlich und tapfer verhalten.” Der Markgraf Tampfte 
ferner und mit Gluͤk. Endlich gegen Abend forberte er 


4. Abthei. Turniere und Lanzenrennen. 403 


Loͤffelholzen noch einmal zum Kampfe, und dieſer raͤumte 
den Sattel *), Nun theilten die Frauen bie Daͤnke des 
Turniers auf dem Kathhaufe aus, von denen ber Marl: 
graf den dritten erhielt, 

In dem Weißkunig finden wir ©, 15. bie Erzählung 
von einem Turnierzuge und einem Turnier, bei den ſchon 
oben erwähnten Bermählungsfeierlichkeiten ber Prinzeffin 
Elifäbefh von Portugal mit Kaiſer Zriebriih II, Da 
lautet es: „In bem ift fommen der König herab von feis 
nem koͤniglichen Schlos in die Stadt zu der lieben Schwe⸗ 
ſter, der vermaͤhlten Königin, in ſolcher Weiſe und Ges 
zierd: zum erſten ift geritten ein faft. fhöner Juͤngling. 
mit faft fchöner Gezier, auf einem hoben Ros, bedeckt 
mit einem guldin Zuch, dem hat nachgefolgt ein ſchoͤner 
gezierter Wagen, darauf waren Helm, Schild und Spiep’ 
zu dem Stechen und Rennen; darnach fein geritten zwölf 
Ritter in ihrem Harnifch und ihre Roſſ' mit großer Zier 
und jeder Ritter hat fünf Diener zu Ros wohl gefhmüdt, 
die haben die Spieß’ und ander Gezier zu dem Rennen 
und Stechen geführt, Nah ihnen find geritten zwölf 
Ehrenhold in ihren Kleidern und Wappenrdden wohlges 
ſchickt, darnach die Pofaunen, Drommeter und Pfeiffer 
mit wunderlicher Weif’ und Gezierd'. Nach folchem ift 
der regierend’ König in feinem fonderlichen fhönen Harz 
niſch geritten, und ihm find zu Ros nachgefolget ſechs 
Juͤngling in Gold und Silber, auf das Schönift bekleid't, 





”) Vielleicht nur aus Höflichkeit, wie dies wohl, als bereits oben 
bemerkt, geſchah. 


26* 


[2 


A404 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


und der Koͤnig iſt alſo in ſollicher Ordnung in der Stadt 
geritten zu einem Pallaſt, von Holz gemacht mit zweien 
hohen Thuͤrmen inſonderheit zu dieſer Freud', und die 
Dächer deffelben Pallaſts waren gemacht von gut. grauen 
unb fchwarzen Tüchern, mit Gold und Silber unterzogen ; 
barin blieb der König mit feinen Rittern über Nacht und 
bes andern Tages früh, mit der Sonnen Aufgang, find 
kommen die Chriften auf den erſten Zheil, die. Sarazenen, 
dad find die Heiden, auf den andern Theil, die Waldleut’ 
oder wild’ Leut' auf den britten Theil und auf ben vierten 
Theil die Juden, und ein jeder Theil hat nach feiner Zuns 
gen geruft, gefungen und gefrohlodt. Aber in ber erfien 
Stund’ ded Tags ift fommen ein wohlgeborner Mann, 
genannt Lemgreut, der Großhauptmann des Meers in 
bemfelben Königreich, felb fünf zu Ros mit großem nnd 
koͤſtlichem Gezierd’, für den hölzernen Palaft, darinnen 
ber König mit. feiner Ritterſchaft war. Und berfelb’ 
Hauptmann Hat durch feinen Ehrenhold dem König und 
aller feiner Ritterfchaft laſſen rufen, zu üben ritterliche 
Spiel’ und Werk. Alfobald ließ ihm der König verküns 
ben: er wollt’ kommen und fich wider ihn feßen. In 
berfelben Stund’ Fam ein groß Gemächt oder Factur einer 
übergrofen Schlangen, mit nufgeredtem Hals; auf dem 
ift gefeffen ein fehöner gewappneter Nitter, und hat bes 
gehrt des Königs und ihn erfordert zu ringen, fechten 
und flehen. Auf follich erfordern ift der König mit zwölf 
auserwählten Nittern in Löftlicher Gezier auf fchönen Rof: 
fen, mit guldin Tuͤchern bis auf bie Erde bevedt, aus 
feinem Pallaſt gezogen, und vor ihm ſind geritten, bie 


4, Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 405 


Ehrenhold, Poſarner und Drommeter auf einer Seiten: 


in einer weiten Gaſſen und auf der andern Seiten, in 
derſelben Gaſſen, iſt gegen den Koͤnig kommen ſein junger 
Bruder, genannt Heinrich, faſt koͤſtlich und zierlichen mit 
den Ehrenholden und Drommetern, auch mit 12 faſt wohl 
gezierten Rittern, und hat ſich geſtellt wider den Koͤnig. 
Darngch iſt kommen ein großer Elefant, und war ein 


Gemaͤcht oder Facur, und trug auf ibm einen Thurm 


mit Baſteien, von Holz gemacht; daranf find geflanden 
4 Drommeter und vier Fleine Mohren mit Lanzen und 
mit großen Meerröhren und haben: zu dem Volk geworfen 
mit Pommeranzen. Demfelben Elefant haben nachgefolgt 


8 gewappnet’ Ritter zu Rod, die haben gehabt mancher 


et Sarb’ und Figur. Der regierende König hat auf ſei⸗ 
nem-Helm geführt einen gulden Bafllisfum, und des Koͤ⸗ 
nigs Bruder bat auf feinem Helm geführt ein gulben 
Kronhaupt, und bie damit am ‘einander geflohen 


haben, Find ‚gewefen auf dreißig und ſollch' Stechen iſt 


nad) einander gehalten worden. Und des Königs. Gemal, 
Sie’ denn beffelb* Zeit ſchwanger war, hat dem Ritter, der 
an dem erfien Zag’ bad Beſt' that, einen filbernen über- 
guld’ten Kopf und dem andern Ritter, ber am andern 
Tage den Preis behielt, ein filbern vergufdet Gießfaß und 
dem dritten Ritter, der an dem britten Zap’ den Platz 
behielt, einen gulbnen Ring mit. einem koͤſtlichen Stein 
gefchenft, und dieſelben Nitter alle !brei dermaßen koͤnig⸗ 
lichen verehrt.“ 

Dies Ganze geht ober fon mehr. in bie allerhand 


ritterlichen Uebungen, in die: Mastenzüge und anbern 


v 


406 3Iweiter Abſchnitt. Mitterloben. . 


Spiele uͤber, die ſchon oben bemerkt worden ſind. Gleiche 
Bewandtniß hat es auch mit der Beſchreibung eines Tur⸗ 
niers zu Wien im Jahre 1565, worin einzelne merkwuͤr⸗ 
dige Züge vorkommen, die wieder erklaͤrend für bereits 
fruͤher Geſagtes ſind, und die den Beſchluß der Betrach⸗ 
tung uͤber die Turniere machen ſollen, da ſie auch ſo in 
den letzten Zeitraum des 16ten Jahrh. gehoͤren. Der Er⸗ 
zaͤhler iſt ein gewiſſer Wolf Wolfhart, der in Dienſten 
des Herzogs Albrecht von Baiern ſtand. Er berichtet: 
„Da war gekommen zu des Herzogs Hand ein offener 
Brief und Ausfchreiben von Wien, von dem Erzherzoge 
Marimiliaen, König in Böhmen, der da halten wollte zu 
Bohlgefallen feinem Herrn Vater, dem Kaifer Ferdinand, 
Herzog Albrechts und feiner geliebten Brüder und Schwer 
fern, ein ritterliches Ehrenfpiel zu Ros und zu Zuß. Diele 
Einladung nahm ber Herzog an, und rüflete ſich zu mit 
großer Pracht nah Wien abzugehen und dort zu erfcheis 
nen. Da fprach zu mir mein Herr Marler, der Ehren⸗ 
hold: Wolf, du folft auch. mit ziehen nad Wien zum 
Zurnier, und will ich dich machen zu meinem Perſevan⸗ 
ten. Da fragt’ ich: was ift das? Er ſprach: bu wirf’s 
erfahren. Nun mufte ich lernen bie Bilder und Figuren 
erkennen auf ben Wappenfchildern, und unterfcpeiden die 
Zinkturen: Gold, Silber, Beh und allerlei Farben, wie 
fie vorfamen. Auch Iernte ich ben Stab führen, ausrufen, 
Stillſchweigen gebieten, und thun, was die Perfevanten 
und Lehrlinge der Ehrenholde thun müffen. Und ich bes 
gef das alleb:fehr wohl. Da. fteute ſich mein Lehrer 
darüber, führte mich zum Herzöge und machte meine 


\ 


4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 407 


Aufnahme kund. Das geſchah, nach dem Gebrauche, an 
einem Sonntage. Da trat der Ehrenhold vor den Herzog 
und die fuͤrſtliche Verſammlung in ben Saal, angethan 
mit feinem Ehrenkleide, führte mit feiner linken Hand 
mich an meiner rechten und trug in ber Rechten zwei 
Schalen, gefült mit Waſſer die eine, mit Wein bie 
andere. Dany fragte er .ben Herzog, ob er feine Erlaub- 
nis gäbe, mich anzunehmen zu feinem Perfevanten? Da 
nun ber Herzog: ja fprach, begos der Meifter meinen 
Kopf mit Wein und Waffer und legte mir dann mein. 
neues Perfevantenkleid an, faft wie das Teinige, nur nicht 
fo reich geflidt und verbramt und ließ fi von mir ben 
Eid der Zreue ſchwoͤren. So war alles gut.“ 

„And ald wir nah Wien kamen, fahen wir des an⸗ 
gekommenen Volkes fo viele, daß wir fchier erflaunten. 
Es ift aud nicht zu fagen und zu befchreiben, mit wel: 
her Pracht und Herrlichkeit die Fuͤrſten und Herren ba 
erfchiengn und wie ſchoͤn die Jungfrauen fi zugerüftet 
und ausgefhmüdt hatten mit Edelſteinen, Ketten, Blus 
men und Bändern, daß man gar nicht wufte, wohin man 
die Augen wenden follte. Sch durchlief nur die Straßen, 
um zu hören und zu fehen was vorging. Da hörte ich 
Sang und Seitenfpiel gar lieblih und fein, und wäre 
fhier nicht in die Herberge gekommen, hätte ich dem 
Ehrenholde nicht ald Perfevant beiftehen müffen. Als nun 
das Turniers = Kartel angefchlagen war, wurden bie Dänfe 
befannt gemacht, die da gegeben werben follten, nach Er: 
kenntnis der Richter, der Frauen und edlen Sungfrauen. 
Da kamen nach und nad bie Gäfte alle herbei, unb war 


403 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben. 


des Volks faft zu viel in Wien, daß gar Fein Unterfom= 
men war. Wir aber wohnten in’ den Häufern des Gras 
fen von Salm, des Herrn Esinger und des von Harrach, 
von welchen Gänge eingebrochen waren, eimd in bed ans 
bern Haus, diefelben bequemlic zu bewohnen. Als nun 
mein Herr, der Herzog, bei kaiferlicher Majeſtaͤt gefpeifet 
hatte, ging er'mit allen Herrſchaften am 12 Junius bes 
Jahrs 1565 zur Jagd. Den folgenden Tag aber hub das 
Kußturnier *) an, und find zu bemfelben elf Partheien aufs 
gezogen, in großem Schmude, bie hatten bei fi) Trom⸗ 
meln, Pfeifen und Drommeten. Darunter war aud 
Herzog Ernft von Oeſterreich, des Kaifers Sohn, erft 12 
Zahr alt, der mit Herzog Karin von Deflerreich zwei 
Spieße im Rennen gebrochen und fünf Streidhe ‘mit dem 
Schwerdte gar zierlich gethan. Wie nun in der Ordnung 
wiederum aus den Schranken abgefchieben wurde, iſt er> 
ſchienen ein turzweiliger Markolfus, mit Hahnenfedern 
geſchmuͤckt, der ſaß auf einem ungefattelten Efel und hielt 
den Schwanz für feinen Zaum in der Hand.“ 

Am folgenden Tage ward (nach der Fronleichnahms⸗ 
Prozeffion) Abends „auf dem Schloffe gefpeifet, waren 
ber Weiböbilder dabei 454 und Abend war Hoftanz. 
Mitten in bem Tanze ließ der Spaniſche Abgefandte, 
Graf Luna, ein Turnier zu Roſſe ausrufen, im Namen 
ter Goͤttin der Liebe, und follte der gefangene Küpido 
erlebiget werben, von wegen Untreue und Salfchheit ſcoͤner 





+) Auch etwas Eigenes, der alten, wahren Ritterzeit Scembed, 
wie wir oben gefesen haben. 





4, Abtheil. Turniere umnd Laͤnzenrennen. 409 


Frauen im Kerker. Da war alles⸗froh and -folgte ein ' 
ſchoͤner Mummenfchanz (eine Mummerei) "darauf. — 
„als nun dad Zurnier der Liebe gehalten würde, da ers 
hielt meines vorigen Herrn Sohn, Gmf Nie, den 
erfien Dank, das war ein güldener Spieß. "Den zweiten 
Dank, ein gülbened Schwerbt, erhielt ber junge Graf von 
Plauen, ben- dritten: Freiherr won Zeltungeh;; Bert: vierten, 
ein guͤbnes Kraͤnzelein, Erzherzog Ferdinand. Here Ja⸗ 
kob Zeich; des Erzherzogs Karl Kaͤmmerer, der am ſchoͤn⸗ 
ſten geſchmuͤckt zur Bahn gekommen war, erhielt von den 
‚ Sungfrauen-den Zierdank, auch ein guͤldenes Kraͤnzelein.“ 
— „Am 17 Juni aber wurde wieder gar mächtig. turs 
niert, und ritten da allein 48 Fuͤrſten und Grafen mit 
zur Bahn, in vierzehn Partheien. Und kam nach ber 
zehnten Parkhei ein großer Zeld, mit Beinen. Baͤumlein 
beftedt, auf welchem ein Thurm fand. Als man num 
mit einen Stabe an den Feld fchlug, that fich derſelbe 
von einander, und es vitt heraus in völliger Ruͤſtung 
Herr Kaspar von Feld, Freiherr von Schenfenberg. Es 
war auch ein Galgen aufgerichtet, daran der Kupido follte 
gehängf ‚werben, "mitten: in ber Bahn, aber die edlen 
Frauen und Sungfrauen baten ihn los. Da wurde er 
denfelben tbergeben und zu eigen gefchentt und. in’s koͤ⸗ 
nigliche Frauenzimmer geführt. Alſobald aber ging das 
Thuͤrmlein neben dem Galgen mit großem Krachen und 
Platzen an und flogen umher mehr als 1000 Raketlein. 
"Dann aber wurde Tanz’ gehalten und die Danke wurden 
vertheilt. Den erften Dank, ein-golbened Kränzlein, bes 
Tam -Don Gaftelo Barcho, von ber Jungfrau. Laffede 


410 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Caſtilla, die er herzete und zum Tanz führte. Goldene 
Ringe bekamen Hans Kinsky, der Freiherr zu Ulting und 
ein Herr von Barnſtein. Darauf am Tage Johannes des 
Taͤufers hielt der Herr Graf Luna abermals ein Turnier 
vor Wien, im freien Selde, jenfeit ber, Schlägbrüde. Da 
waren :bie. Schranken errichtet, und ſchoͤn verziert mit 
Laub⸗ und Bjumenkränzgen, zwifchen hoben Palmenbäus 
men, je ſechs -Schritte weit von einander. Und an dem 
erften Bayme ‚hing ded Grafen Luna Wappen, zwiſchen 
ben Bildſaͤulen des Mars und der Venus. Die waren 8 
Schuh hoch und. flanden auf Säulen zwifchen Lorberbaͤu⸗ 
men, die Schwibböglein mit grünen Strauchlein ummwun- 
den. Die Bühnen aber, auf welchen ber Kaifer ſtandeuͤ 
und bie,eblen Frauen, waren fchön verziert und geſchmuͤckt, 
und mit Zeppichen behangen. Aber auf einer Fleineren 
Bühne, etwas unter ber geößern, faß eine fchöne Nieder: 
laͤndiſche Jungfrau, gekleidet in weißen Sammet mit Sit: 
ber. Bor ihr herab hing eine vothe Sammetdede, daran 
war gefehrieben auf Spaniſch: 

Dieſe iſt die Schönfte in der Welt. Leget nieder 
eure Waffen; denn durch ihre Liebe und Gunſt 
habe ich geſiegt. 

Unter der Buͤhne ſtand die Bildſaͤule ber Goͤttin Diana, 
umhaͤngt mit den vier Wappen der Mantenutoren (d. h. 
Platzhalter, hier wohl eine Art Turnierrichter). In dem 
Wappen des Grafen von Luna ſah man einen mit Waller 
umgebenen Zellen, an dem zu kurze Leiterm lagen, auf 
welchen ein Gewappneter die Spige erklimmen wollte, 
mit dem Spruche: dahin Fein Weg ift, fleht meine Luf. 





4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 414 


Der: Sohn des Grafen Luna führte faſt eben diefes Wap⸗ 
yon, darüber aber eine Hand, bie nach einer ſchwarzen 
und einer weißen Kugel griff; dabei ſtand: ich hab’ dem 
beſten Theil erwiſchet. Das dritte Wappen des Herrn 
Proskowky hatte den Spruch: Sie 8 mein 3 für o. 
Solite . heißen: Sie achtet mein’ Zreue für nichts, 
Das vierte Wappen ded Don Acruna zeigte einen Berg 
mit einer Perle. Dabei fland: Preciosa.’ 

„Als nun aber der junge Graf Luna, Don be Zni⸗ 
oned genannt, einritt in die Bahn, warf er gefchriebene 
Zettel um fi, darauf fland: - 

De ich mich an euch ergab, 

ſpracht ihr auch mein Urtheil ab, 

dennoch werd ich ſtandhaft fein - 
und euch lieben nur allein. ) 
Hierauf ritten nun die Partheien ein, gar treflich und zier⸗ 
lich geſchmuͤckt; und es gefiel mir befonders wohl der 
Herzog von Münfterberg. Diefer erfchien in einem mit 
Strohe verbrämten Kleide, und führte in feinem Schilde 
die Worte: 

Es liegt mir eben nichts daran, 

doch mus ich meine Urſach ha'n 

in ſolcher Farbe zu erſcheinen, 

das wiſſen die Edlen und Gemeinen. 
Das that er deswegen, weil er im erſten Turniere keinen 
Dank erhalten hatte, ob er ihn gleich verdient zu haben 
glaubte. Der Freiherr von Pannewitz erſchien ganz 
ſchwarz, und hatte den Spruch: ich weiß, warum ich 
traure. Freiherr von Zeltung führte den Reim: 


Des Glüd’s id) warf 
nad) meiner Art. ” 


412 3weiter Abfchnitt. Nitterleben. 


Aber dann Famen viele vermummt in Weibesfleidern, 
weiche mit ‘Larven, fpigigen Hüten, waren Spanifch ges 
kleidet und hatten den Reim: 
Spitzig Nafen, belle Stimmen, 

wohnet ber Teufel barinnen. | 
Es wurbe tapfer gerennt und geflochen, befam.aud) mans 
cher einen Gedankenzettel und Einige muften von der 
Bahn getragen werben. Aber den eriten Dank erhielt 
Erzherzog Carl, einen güfdenen Ring, durch eine Unga⸗ 
rifhe Jungfrau, ſchoͤn von Geſtalt. So auch erhielten 
Ringe als Dante des Zurniers: Herr Andread Teufel 
und Here: Raminger. Den vierten Dank erhielt Herr 
Dopel, der am zierlichfien erfchien auf ber Bahn; Graf 
Luna erhislt den Dank ber beften Invention und fein 
Sohn den Dank der beften Livrei und finnigften Sprüche, 
ein Kranzlein von einem Lorberbaume. Nun wurbe nad) 
einigen Tagen noch ein dazu erbautes Stäbtlein erobert, 
was ich aber nicht ſah; denn ich muſte an biefem Tage 
helfen einnaden und hatte nichtö dabei zu thun.“ 








413 


—Anhanmng. 


Befhränfungsgefege bei den Turnieren 
und Verfall derfelben. 


Nicht allein unter den Maͤnnern, vorzuͤglich auch bei den 
Frauen trat bei den Turnieren eine uͤbermaͤßige Kleider⸗ 
pracht, eine unbegraͤnzte Verſchwendung, um neuen 
Schmuck zu gewinnen, ein, und verbreitete ihre verderb⸗ 
lichen Folgen durch das ganze Familienleben. Schon in der 
vorigen Abtheilung war von dem großen Prunk in Hins 
fiht der Kleidungen die Rede, und da, wie wir in dieſer 
Abtheilung gefehen haben, demjenigen, der am beften ges 
kleidet erfchien, noch ein befenderer Zierdank gegeben 
wurde, fo erhielt auch dadurch die Prachtliebe einen neuen 
Zuwachs. Dan fah fi daher genöthigt, dieſem übertrie- 
benen Kleiderprunk _gefeglihe Gränzen zu beflimmen. 
Indem ich nun einzelne biefer Gefege hier, wo fie hinges 
hören, erwähne, fo mögen die darin enthaltenen Nachrich> 
ten- zugleich als ein Nachtrag zu der vorigen Abtheilung 
dienen, und mit derfelben, infofern das nun zu Sagende 
barauf bezüglich, zufammen betrachtet werben. 

In dem Cingange einer folgen, von und ‚für bie 
deutfihe Ritterfhaft gegebenen Kleiderorbnung heißt 
es: „Nachdem unfern Eltern der Turnier in allen Stuͤk⸗ 
sen, was dem Abel darin zu halten, weislich bedacht, und 
‘ein Maß geben, damit die Armen aus ber Ritterfchaft 


414. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


mit ihren Weibern, Toͤchtern vnd Schweſtern, auch fuͤr 
ſich ſelbſt den zu beſuchen haben mögen, ſo iſt hierin be⸗ 
dacht, die Koͤſtlichkeit, ſo jetzt unter dem Adel, wo das 
alſo bleiben, vnd ihm nicht eine Maß geben werden ſolt, 
daß die gute Meinung vnſers Fuͤrnemens vielmehr dem 
Abel zu Zerruͤttung vnd Zerſtoͤrung, dann gutem geſchehe. 
Daßelbig angeſehen, vnd den Turnier wieder aufzubrin⸗ 
gen, ſo haben wir im allerbeſten dieſe Ordnung, als her⸗ 
nach folget, zu halten fürgenommen, auf daß der Arme 
den Turnier ald wol ald ber Reiche befuchen möge. 
‚ Darauf folgen nun die nachſtehenden Verorbnungen: 

„1) Ob es gleich einem Nitter vorbehalfen wäre, 

“guten Sammet und Perlen zu tragen, habe man jeboh 
befchloffen, daß Feiner Röde oder Schauben von gülden 
Stud oder geſticktem Sammet tragen ſolle, um ſich bei 
ben Zusnieren damit zu fhnmiden. Mer diefes aber thun 
würde, folle von allen Rittein und Edlen verachtet, und 
ihm fein Dank oder Vortanz im Turnier zugelaflen 
werben. 2) Die gemeinen Edlen, welche nicht Ritter, jedoch 
aber Zurnierd und Ritterögenoffen waren, follten feinen 
Anzug oder Schmud mit Perlen geftidt oder auf andere 
Meife damit verziert fragen; nur eine einzige Perlenfchnur 
um bie Kappe ober den Hut follte ihnen erlaubt fein. 
“ 3) Niemand fol erlaubt fein, goldene‘ Ketten, Schnuren 
oder Goldftidereien zu tragen, ed wäre denn verdedit ober 
unfichtbar, wie ed die Alten gethan und hergebracht hätten. 
Auch fol Feiner zu einem andern Kleidungsflüd ald zum 
Bammes Sammt tragen; im Uebertretungsfall aber von 


-_ 


Anhang zur 4 Abtheil. 415 


Mittern und Edlen verfchmähet und ber Vortaͤnze und 
Dänfe beraubt ſein. 4) Alle Ritter und Edle ſollen, 
insbeſondere die Ritter, keine Decken und Wappenroͤcke 
von Goldſtuͤck, die gemeinen vom Adel aber nicht von 
Sammt oder Dammaft führen, wenn fie nicht von ben 
andern verfchmäht und der Vortaͤnze und Daͤnke beraubt 
fein wollten.” — Dies für die Männer; für die Frauen 
ſah man fich genöthigt zu verorbnen: „5) daß eine jede 
Frau oder Jungfrau zu ihrem Schmud nicht mehr als 
vier Roͤcke oder Kleider von Sammet oder geſtickte haben 
fole. Und zwar follten darunter nur zwei von Sammet 
oder dem Sammet gleich, die übrigen aber möchten fo 
fein, wie fie den Alten als fir ben Adel ziemlich und 
wohlanftändig, bergebracht hätten.- Welche Frauen aber 
diefed nicht halten, fondern eine größere Anzahl Kleider 
beim Turnier brauchen würden, die follten. von der Rit⸗ 
terfchaft, den Frauen und Iungfrauen verachtet, der Bors 
tänze und Vertheilung der Turnierdaͤnke beraubt fein. 
6) Sollten aber unter den Frauen und Jungfrauen einige 
fein, die keine folche koſtbare Kleider, befonders eine von 
Sammt hätten, die follten dennoch nad ihrem Stande zu 
Ehren gezogen werben.’ 

"Die Heilbronner Turnierordnung faßt dies alles Fürs 
zer fo zufammen: „Es follen die Frauen und Iungfrauen, 
die dem Zurnier zuftehen vnd verwant fein, Feine mehr 
im Zurnier zu gebrauchen haben, dann drei oder vier ges 
ſchmuͤckte Röde, darunter ſoll auch kein guͤlden Stuͤck oder 
ganz perlen Rod fein, vnd welche das vberfuͤhre, (daruͤber 
hinausginge) die fol im Zurnier Dante auszugeben, vnd 


416 Zweiter Abſchnitt. Nitterichen, 


der Vortaͤnze vnd Vertheilung der Turnierdaͤnke beraubt 
ſein, vnd ob aber eine Frau oder Jungfrau dermaßen mit 
Kleidung nicht geſchickt were, bie ſoll nicht deſto minder 
gu allen Ehren herfürgezogen werden. Item, es fol fein 
Edelmann, Turniersgenoß, Ritter ober Edelknecht, Fein 
gulden oder filbern Stüd tragen, dann zu Wammeßen; 
deögleichen ſoll Fein Zurnierer, der nicht Ritter ift, kein 
gefchlagen Gold noch Ketten, auch Fein Perlein öffentlich 
tragen, bann verdedt, ausgenommen Ringe und Kieinos 
den, barumb einer Ritterfpiel treiben wollt; welcher das 
oberführe vnd nicht bielte, den mag man im Turniere 
darumb ſtraffen.“ 

Das zweite Hauptſittengeſetz war gegen das uns 
mäßige Trinken. Diefe Leidenfchaft der Deutichen, 
die fie von älteften Zeiten her ſchon berüchtigt gemacht 
bat, mag auch wohl bei dgp Zurnieren fehr überhand ge= 
nommen haben, wie —— ſchon angefuͤhrte Bei⸗ 
ſpiele aus dem Leben des Hans von Schweinichen, wo 
ſich dieſe Voͤllerei oft in ben groͤbſten Zügen zeigt, in ber 
Zeit des Verfalls der Ritterfchaft, beweifen. Dieſes Lafter 
wuchs eben gegen das Ende bed 45. Jahrh. und im 16. 
Sahrhundert immer mehr, und ſo ward es um diefe Zeit 
nothivendig, daß auch Reichögefehe Dagegen gegeben werben 
mußten. Was die Zurniergefege betraf, fo waren fie bes 
fonderd gegen dad fogenannte ganze. und halbe Zus 
trinken gerichtet. . Die ‚Heilbronner Zurnierorbnung fagt 
daher gegen dad Ende: „Item, haben wir und, von ber 
vier Lande wegen, weiter vereinigt und vertragen, welcher 
Zurnierögenos zu ganzen ober halben zutrinfet, mit Dem 


sv N 


Anhang zur 4, Abthell. 4417 
mag. end fol man vmb das Ros turnieren, es ſoll auch 


ſolches Feiner (nach feinem Vermögen) feinen Dienen 


oder Knechten zu thun wiftentlich geſtatten.“ 


Bon den Heichögefegen, die mar in Deutfchland ges -. 


gen das Zrinten nöthig fand, wi ich hier nur zwei geles 
gentlid bemerken. Man beſchloß auf dem Reichstage zu 
Worms im Jahre 1495: „Der Kaifer folle allen Kurfuͤr⸗ 
fien, Fuͤrſten und Ständen fhreiben und gebieten, ar 


ihren ‚Höfen ihren Dienern, auch fonft allen Unterthanen ° 


dad Zrinden zu gleichen, vollen und halben nicht zu ge: 
flatten, fondern dad ernfllih zu flrafen: und ift gerath> 
ſchlagt, daß Seine Majeſtaͤt folches an Dero Hofe zu vers 
bieten und zu handhaben anfange.” Strenger noch iſt 
bie Verordnung, welche mehre geiftliche und weltliche Kurs 
fürften und Fuͤrſten bei einer Zuſammenkunft in Heidelberg 
4524 beſchloſſen, indem fie verfgyachen, fich für ihre eigene 
Perfon der Gottesläfterung unddes Zutrinkens zu enthal- 
ten, und daß fie auch darauf bedacht fein wollten, daß es 
von ihrer Dienerfhaft und ihren Unterthanen unterlaffen 
fein würde. — Doc mögen wenige fih dem Buͤndniſſe 
angefchloffen und noch fhlechter, eigener Schwächen wegen, 
barauf gehalten haben, daß es erfüllt würde; denn das 
16te Jahrh. gibt die größten Ausfhweifungen des Trin⸗ 
kens und Gotteslaͤſterns, wie denn aus dem Leben des 
Hans von Schweinichen z. B. Mar hervorgeht, der, wie 
oben im Jugendleben angeführt, von einer Verbindung 
von -Unflätern fprit, die den Befchluß gemacht, auf das 





allergröbfte Unflätereien zu üben. In der Heidelberger 


Verordnung von 1524 hieß ed nun: „Nach dem wir alle 
27 


m 


vd 


418 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


— bei und bedacht vnd erfunden, daß aus Gotteslaͤſte⸗ 
rung, vnd bisher gebrauchten Zutrinten, vielerley Bosheit, 
Brecht und verberbliher Vnwille, in ganger Teutſcher 
Nation entflanden vnd erwachſen, barumb uns, Gott dem 
Allmaͤchtigen zu Lob, vnd zuvorkommen fernern Vnrechts, 
mit einander einhelliglich entſchloßen, vnd das in vnd mit 
Kraft dieſes Briefſes, daß vnſer jeglicher Churfuͤrſt vnd 
Zuͤrſt obgemeldt, wir ſeyn Geiſtlich oder Weltlich, nun 
hinfuͤhro für vnſer eigen Perſon, der Gotteslaͤſterung und 
Zutrinckens gantz ober halb's, uns enthalten und müͤſſi⸗ 
gen, auch allen vnd jeglichen, vnſern Ober⸗ vnd Unter⸗ 
amptleuten, Hofgeſind end Dienern, Vnterthanen vnd 
Verwandten, bey einer namlichen Straf ernſtlich gebieten, 
dergleichen bey ber Ritterſchaft in eines jeden Fuͤrſtenthumb 
und Lande gefeffen, fleiffigiiähen "bitten und daran feyn 
ſollen und wollen, fich gleichermaß, wie wir, des Gottes: 
Yäfterens vnd Zutrindens gank ober halb's, zu enthalten 
vnd müffig zu ſtehen.“ Doc, wird die ausdrückliche Aus: 
nahme hinzugefügt und dadurch jeber Berlebung bed Ver: 
trages Thor und Thuͤr geöffnet: „Were ed aber, daß 
unfer von gemelbten Churfürften vnd Fuͤrſten einer ober 
“mehr, in bie Nieberland, in Sachen, die Marl, Medel- 

burg, Pommern, oder dergleichen, da Zutrinden die Ges 

wohnheit, vnd über fleiffige Weigerung Zutrindens nicht 

geübriget feyn möchte, follen dieſelbigen folche Beit mit 
ihrem Hofgefind vnd Diener vungefehrt, vnd mit biefer 
Drdnung nicht gebunden fein.” 

Der Verfall der Zurniere lag in ihnen. felbft ſchon, 
und von frübefler Zeit an, bereits in ber eigentlichen 





Anhang zur & Abtheil. 49. 


Blütenzeit der. Zurniere ff im 43. und 14. Jahrhundert, 
gab «8 „heftige Gegner berfelben und zwar unter ber 
Geiftlichkeit. Blutige und mörberifhe Auftritte waren 
dabei ‚nicht zu vermeiden, ja fie wurden oft geſucht, unb 
perföntiche fo wie landsmannſchaftliche Streitigkeiten gaben 
Anlaß, daß die Scherzfpiele oft zu großen Trauerſpielen 
ausarteten. Untreue und bervortretende landeͤmannſchaft⸗ 
liche Streitigkeiten, doch noch glüͤcklich endend, zeigt der 
Kampf zwiſchen den Schwaben und Kaͤrnthern, als Kaiſer 
Abrecht in Deſterreich ſich zum Kriege gegen König Wen⸗ 
zel von Bbhmen ruͤſtete. Heinrich von Kaͤrnthen zog mit 
feinen Rittern heran. Die Schwaben fordern zum Zurs 
‚nier -auf, und die Kaͤrnther nehmen's an. Es wird audges 
macht, die Ritter aus Kaͤrnthen, von ber Etſch unb vom 
Inn follen auf einer Seite fein, gegenkber bie Rheinlän= 
der und Schwaben, und des Gleichgewichts wegen follen. 
dieſe noch den Heinrich Klingenberg und ben. Beringer von 
Landenberg mit 10 andern an die Kärnther abgeben. — 
So gefhaart kamen fie zur Burg vor die Srauen geritten 
und begannen den Zurnei. Bald wurden bie Etſcher 
allermeiſt fattelleer; und man fing an zu merten, ba 
Kiingenberg und Beringer mit Fleiß faumfelig waren und 
nit halfen. Ein Kärnther war fehr mannhaft. Um ihn 
zu zwingen, machten fi: ihrer vier an ihn und Fonnten 
ihn nicht aus dem Battel floßen. Da ging noch einer 
auf ibm, und zwar voll Grimm's, und jagt’ ihm ein ſpitzuß 
Meſſer durch den Schlitz. Died erregte Laͤrm. Der Kai⸗ 
fer eilte hinzu, ſchlug dazwiſchen und ſprach: „um was 
wollt ihr dieſen Mann morden? das iſt unritterlich ges 
| 27* | 


AN . Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


than.“ — Num hatte eben. Herzog Heinrich Achnliches 
„gefehen, daß nehmlich feiner Mannen einer mit zween zu 
Schaffen hatte, und daß noch ein. brister anlief und den 
büsgelfeften Dann am: Fuß packend, ipn Aber ben Sattel⸗ 
:bogen ſchob, daß er fiel Das hatte der Herzog gefehen 
und ſprach deshalb fehe böfe zum Kaifer: „ich hätte beſſer 
gethan, meine Reife zu laſſen. Iſt das euer Wide, daß 
Wan ſo mit ben Meinen verführt? Dee Klingenberg. und 
der Landenbeig thum ihre Pflicht nicht. Das heißt man 
falfche Geſellſchaft.“ — Da machte der Kaifer zornmü⸗ 
‘tig dem Turnei ein Ende, aber der Herzog war nicht zu 
begütigen und ritt in feine Herberge, wo er vier Zage 
blieb und ſich vom Hofe fern hielt. Eliſabet, des Kaifers 
Gemal, weinte über dieſen Vorfall und befchulbigte den 
"Hermann Landenberg, dem, als Marſchall, das Turnei 
gu ordnen eigentlidy gebührt habe. So Hornet. Andere 
Beifpiele hat uns die Gefchichte mehr bewahrt, ‚Jowohl 
von zufälligen Toͤdtungen als auch von abſichtlichem Mord. 
So wurde 3. B. Lubwig, ein Sohn des Kurfürflen von 
der Pfalz, im Jahre 1257 in einem Zumier zu Nürnberg 
‚tödtlih an. ber Kehle verwundet und flarb ben zehnten 
ag darauf. Gleiches Schidfal hatten Johann, Herzog 
zu Brabant; Johann, Markgraf von Brandenburg ;. Pri- 
mislaus, ‚Herzog von Meckelnburg und eine Menge Ritter 
vom iebern Adel Im Jahre 1316 wurde zu Bafel.ein 
Graf von Kabenelleubogen von einem ‚Kern von Hol⸗ 
weil im Zurnier getoͤdtet. Markgraf Friedrich der Strenge 
von Meißen wurde im Jahre 1330 in einem Turniere zu 
Pegau bei einem ſcharfen Reunen wis einer Lanze. in den 


* 


Xahanı zur 4 Abtheit. - 421 


Unterleib geftochen, daß er beinahe davon gclerben waͤre. 
Im Jahre 1240 follen in einem ſcharfen Turnier zu Nuys 
60 Ritter und Knappen auf dem Platz geblieben feyn. 
Wie ungluͤcklich das Turnier zu Darmſtadt ini Jahre 1403 
abging, habe ich bereits oben erzählt,‘ als ich von ber Obs 
liegenheit der fogenannten Prügellnechte fprach, welche: 
“ Damals bie auf einander erzürmten Franken: und Heſſen 
nicht von einander zu ſcheiden vermochten, fonbern fie 
mußten ihren Grimm austoben laffen. Da blieben 47 
Franken und 9 Heflen auf dem Turnierplatze, theils ge⸗ 
toͤdtet, theild niedergeflochen und von den Pferden ertreten. 
Das Turnier zum -Schimpf oder Scherz’ war zwar 
weniger gefährlich, als das fogenannte Scharfrennen, bei 
dem die meiften Unglüdsfälle vorfielen; aber doch felbft bei 
den flumpfen Waffen jener Uebungen Ponnten durch das’ 
Zerfplittern der Lanzen Unfälle gefchehen, und ber Sturz 
vom Pferde und mit dem Pferde konnte noch größere Un⸗ 
gluͤcksfaͤlle herbeiführen. Ueberdies wurden aus ſolchen 
Turnieren oft ziemlich ernſtliche Gefechte, wenn z. B. ein 
alter Groll, wie in dem Falle zwiſchen den Heſſen und 
Franken, erwachte. Dann endigten ſich dieſe Scherz⸗ 
Kaͤmpfe, trotz aller Geſetze, die zur Verhuͤtung non Uns 
gluͤksfaͤllen gegeben wurden, und trotz ber Bemuͤhung ber 
Drbnungshalter, felten anders ald mit dem Tode vieler. 
. Kämpfen, und es Tonnte dann mit Kecht heißen, wie man 
in den alten Zurnierbirchern lieſt: „bei biefem Zurnier 
war fchlechte Luft und Kurzweil und mancerlei Schaden, 
und zog ein. jeder gas miäbergnügt nach Haus.“ 
- Verwundungen : waren in ben Zurmiexen überaus ge: 





422: Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


woͤhnlich, mib zwar bei allen drei Arten der Lanzenren⸗ 
nen. Einzelne Beifpiele beweifen. dies aus dem Leben des 
Ulrich vom Lichtenflein, eines der eifrigften und fleißigften 
Menner. (S. 37). wird gefagt, bei dem Zurnier zu Fries 
fach: . „mancher lag finnlos auf der Erde;“ (5. 38) „er 
flach mir in ben Arm unb ih empfand mich etwas wund,. 
boch erfuhr er es weber, noch fonft da jemand." (S. 42) 
„dann Tamen fie zu ibm zumid, wo er im Klee (vom 
Hoffe gerannt) lag, er hatte vom Treten Schmerzen ges 
Kitten.‘ (S. 45) „Sa der Nacht badeten die Ritter, mans 
“er warb ohnmaͤchtig vor Müde, dem verband man bie 
Wunden, der. ieß fich falben, dem thät der Arm weh, 
ben bad Knie, mancher war wie tobt vor Schlaf." (©. 
54) „Als fih der Turnei zerließ, bat mid der Here 
Ufchald von Boken, um meine Frau ein Speer mit ibm 
zu verftechen; ich band meinen Delm alsbald auf unb fo 
auch er, und mit zween flarten Sperren rannten wir auf 
einander, ed gefhah ein fchöner Tioſt, aber ber hochge⸗ 
lobte Ufchalch flach mir einen Finger aus der Hand. Als 
ich die Wunde fühlte, band ich den Helm ab und muſte 
dad Stechen laſſen. Alle Ritter beklagten gar fehr. meinen 
Schaden, ich ſprach: ihr follt das laſſen, denn ih bin 


> beffen froh, weil ed mie ift um ein Weib gefchehin, bie 


meinen Dienft daran erkennen mus. Wir zogen wieber 
in die Stabt, und ich ließ mie einen MWeifler Tamınen; 
da er die Bunde befah und wie der Finger nur noch an 
der Hand hing, ſprach er: er wirb wieder heil, wenn man 
euch fo thut, wie man fol. Des Troſtes war ih von 
Herzen froh und ſprach: beträgt. mich nicht. und: ſeid mir 


Anhang zur 4 Abtheil. #23 


‚getreu, fo geb’ ih euch mit gutem Willen fo Träftiges 
Gut, daß ihr deſſen immer Freude habt. Er unterwand 
fid mein und verband mir den Finger. Bis an den fechs 
ften Tag lag ic in Banden und ald er nun bie Wunde 
befehen wollte, war fie ganz ſchwarz, befien ich und 
der Meifter erfchrad. Da fprach ich: wie, Meiſter, ich 
mag wohl verfäumt fein mit eurer Meiſterſchaft, die 
Wunde ift fo haͤßlich. Er ſchwieg und fprach fein Wort, 
nur daß er jämmerlich ſah, in großen Sorgen faß er bei 
mir, ich ſprach: nun fahrt durch Gottes Haß ald ein 
Boͤſewicht von mir, ihr feid ein Mann gar ohne Sinn, 
daß ihr euch keines biedern Mannes annehmen dürft mit 
Arznei, denn ihe koͤnnt ed nicht." Go ſchlecht berathen 
mochten wohl oftmals die Ritter jener Zeit feyn. Ulrich 
reitet darauf nach Botzen, wo ein Meifter feyn follte, 
„As ich num zu Bogen gelommen, kam der Meifter zu 
mir und fprach: ihre ſollt ohne Angft fein, ich mache euch 
bald an eurem Finger geſund.“ (Dies gefchah auch; wie 
er ihn aber doch aus Übertriebener Liebe zu feiner Frau 
verlor, werben wir im einer fpäteren, ber fechften, Abthei⸗ 
lung erfahren) ©. 105 heißt es: „ich (Ulrich) machte 
ihm in feiner rechten Hand eine Wunde, was. mir innig⸗ 
lich Teid that, denn er war ein mannlicher Ritter.” Dann 
©. 410: „Der Helm hatte ihm (beim Abſtechen durch 
die Lanze) Nafe und Mund beftraufet (gefchunden), ba 
er. nicht mehr flechen mochte" S. 133: „Da kam 
Here Ruprecht von Purſtendorf gegen mich, ich flach ihm 
meine, Lanze durch feinen Harniſch und Hals, bag er da> 
von hinter bad Ros fallen mufle, das Blut drang aus 


424 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſeiner Wunde, daß das Gras nas wurde, man waͤhnte, 
er waͤre todt, und mit herzenlichem Leide ritt ich deshalb 
vom Felde in meine Herberge. Doch genas der biedre 
Mann.“ — Wenn auch keine Verwundung flatt fand, 
ſo wurden doch oft die Ritter ſinnlos hinter das Pferd 
geſtochen; fo erzählt Ulrich (S. 104): „Er verſtach fein 
Speer ritterlich, auch traf ihn meine Hand fo, bag er 
hinter das Ros fiel und ſinnlos da lag; der Fall that mir 
wenig leib, (es war Zacheus von KHimmelberg, ber als 
Mönch gekommen, um ihn, als Königin Venus, nieberzus 
fliehen), und der Biedre muſte noch Spott dulden. ©. 
243: „er flach da den Herrn Dietrich von Smiba nieber, 
daß er bis auf den Abend finnlos lag." So waren au, 
wie in bem ſchon oben angeführten Kampfe des Suero 
de Quinones erwähnt ift, an einem Tage alle Vertheidi⸗ 
ger des Paſſes in: diefem Kampffpiele nicht im Stande, 
gegen die Ritter, welche zum Kampfe erfchienen, in bie 
Schranken zu treten, „weil einige verwundet waren, und 
die übrigen fich erſt die verrenkten Glieder muften einrich⸗ 
ten laſſen.“ Verrenkte, zerfchlagene und zerquetfchte Glie⸗ 
der mußten oft vorkommen. Beſonders litten aber leicht 
bie Kniee, indem bie Ritter, wenn fie im Einzelrennen und 
im Buhurt auf einander anprallten, zuerſt fi mit ben 

Knieen ‚berührten, und bei dem Zufammenfloß gewiß nicht 
life. So erzählt daher auch Ottokar von Hornet, als er 
von bem Buhurt fpricht, der 1264 zu Wien zur eier 
bed Bermählungöfeftes yon Ottokar's von Böhmen Nichte, 
‚ber Marfgräfin von Brandenburg, mit König Bela von 
Ungern durch die deutfchen Ritter gehalten wurde, — umd 





Anhang zur 4 Abthell. 425 


wobei ber Lärm und dad Gekrache der Rüflungen und 
Speere fo groß waren, daß bie Ungern einen feindlichen, 
ihnen verbderblichen Anfchlag dahinter fürchteten, fo baß 
der erfchrodene Berichterſtatter des Kampfes: zum König 
Bela fagt: „dieſe Freundſchaft iſt gleih Chriemhildens 
Hochzeit zu erachten,“ anſpielend auf den grauſen Schluß 
dieſes herrlichen Volksheldengedichts. „Der Anprall war fo 
. groß, daB davon mancher fühne Ritter erfchraf, und ba 
mich immer gewundert hat, daß im Gange bed Buhurts 
auch nur zehn Knie ganz blieben, fo nahe trieben fie bie 
Roſſe mit den Sporen auf einander.” — Indeſſen warb 
auch das Geficht nicht gefchont, denn in berfelben Stelle 
heißt es fogleich: „mancher Ritter empfing da auf dem 
Antlig vorn ein Mahlzeichen.” Welche Stellen am mei⸗ 
fien dem Stoß, der Verwünbung und bem Drude ausge⸗ 
feat waren, bad fagt und ebenfalls Dttoler von erat: 

Manig Druck und Stoß 

Ward da empfangen 


Am Hirn und Wangen 
Am Knie und an Naſen. 


Durch dieſe vielen hier angefuͤhrten lebensgefaͤhrlichen 
Ereigniſſe waren daher auch bie Paͤpſte ſehr wider bie 
Turniere eingenommen, und fie wenbeten alle ihre Macht 
an, um den Abel davon abzuhalten. Doch umfonft droh⸗ 
ten die Schküffe der Kirchenverfammlungen und bie päpfts 
lien Bullen mit der Strafe des Kirchenbanned wider die 
Zurnierfämpfer und wiber diejenigen, welche ihnen die 
Zurnierpläge erlaubten. Innozenz II (der von 4130 bis 
1143 bersichte) fagte im Lateraniſchen Konzilium: „Aus 


» 


426. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


dieſen verabſcheuungswuͤrbdigen Schauſpielen folgt Leibes⸗ 
und Seelenmord. Diejenigen, die dabei umkommen wer⸗ 
ben, fallen alſo nicht nach Kirchengebrauch begraben wer⸗ 
den.” Dieſem Geſetze wollte auch Erzbifchof Wichmann 
von Magdeburg Folge leiſten. Als einſt in Sachſen im 
Jahre 1475 ſechszehn Ritter in Turnieren ihr Leben einge⸗ 
bußt hatten, that Erzbifchof Wichmann alle bieienigen in 
den Bann, melde Tünftig ein Turnier befuchen würben. 
Des Markgrafen Dietrich) von. Meißen Sohn, Konrad, 
wohnte beffen. ungeachtet einem Zurniere bei unb hatte 
das Ungläd, fein Leben babei zu verlieren. Nun ‚weigerte 
ſich der Mifcof, diefem Unglüdlichen had: Wegräbuiß in 
ber Kirche auf bem Peteröberge zu verflatten; und nur 
auf inſtaͤndiges Witten der Verwandten des Entſeelten und 

. eines zahlreichen Adels, welche dem Biſchof zu Buße fielen 
‚und verfickerten, daß ber Verſtorbene feine Suͤnde noch 

vor feinem Tode bereut hake, ließ ex ſich bewegen, bens 
felben von dem Banne loszuſprechen; jedoch muſten Kon⸗ 
rads Vater und Brüder ſchwoͤren, daß fie nie einem Zurs 
nier beimohnen, in ihrem Gebiete Feines geftatten und 
ipre Bafallen und Dienfimannen. einem wollten beiwoh⸗ 
nen laſſen. 

Ein Gleiches beweifet auch das ſchon oben ausfuͤhr⸗ 
lich angeführte Lanzenrennen, welches Suero be. Quinos 
nes in Spanien. gab, als der Bitter Esberte be Glare: 
monte blieb. Die Stelle 'gebist beſanders Hierher: 
„Buero erzeigte dem Leichngme des umglüdfichen Bittere, 
alle Ehre, aber er vergaß auch nicht für die Seele zu 
forgen. Er vief fogleich nach dem Unfalle ſeines Beicht- 


\ 
Habany zur 4 Abtheit. 427 


vater ımb andere anweſende Geiflliche, um dem Gefalles 
nen bie Sakramente geben. zu laſſen, und bat fie, bie 
Gebete über ihn auszufprechen, welche bie Nische: vesorbs 
net bat. Aber:der Beichtnater gab zur Antwort: die Kirche. 
bielte nicht für ihre Söhne die Ritter, welche in folchens 
Kampffpiele den Tod gefunden, weil fie in fchweren Suͤn⸗ 
ben geftusben wären, und man koͤnnte Gott nicht für ihre 
Seele. bitten, weil die Kirche biefelben für verbammt er» 
klaͤrt hätte, Suero bewog ben Beichtvater, zu dem Bi⸗ 
ſchof von Aſtorga zu geben, den er in einem Briefe hat, 
dem gefallenen Ritter ein Begräbnis in geweihter Erbe 
zu vergäunen. Als aber der Priefter Abenbd ohne bie er: 
wuͤnſchte Erlaubnis rüdgelchet war, wurde ber Leichnam, 
fern von: heiliger Erbe, ehrenvoll von den trauernden Rits 
tern zu Grabe geleitet.‘ 

Deffen usigeachtet blichen die Turniere in großem Ans 
fehen, denn fie hatten nicht minder zahlreiche Freunde und 
Vertheidiger unter ben Firſten und bem Adel, als bie 
Geiſtlichkeit fie angriff, und ſelbſt Domherrn ließen ſich 
nicht abhalten fie. zu befuchen, und. Geiſtliche vertheibigten 
dies Verfahren, wie Exzbifchof Diether von Mainz in 
einem Schreiben an Papft Sirtus that. Dann wibers 
ſprachen fich auch bie Geiſtlichen unter einander; und was 
ber eine aus beſtimmten Gruͤnden verbot, erlaubte ber 
audre wieber aus Mädfichten. So unterfägte. ber Karbis 
nal Nikolaus alle Turnierfpiele in Frankreich, fowohl dem 
Kämpfern felbft, als auch denen, die ed ihnen verflatten 
wuͤrden, ober huͤlfreiche Hand dabei leiſten Fonnten, ja 
ſogar den Fuͤrſten, tie dergleichen in ihren. Ländern er: 


428 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


laubten; er ſprach den Banufluch wider fie and and be⸗ 
legte ihre Befigungen mit dem Interdikt. Aber in ber 
Folge machte der Papſt, auf Anſuchen ber Söhne bes 
Königs von Frankreichs und vieler andern Leute, in Ans 
fehung ihrer, weil fie neue Ritter waren, eine Ausnahme 
hiervon, fo baß fie. brei Tage lang vor ben Faſten, aber 
nicht länger, ſich mit den gebachten Spielen beluſtigen 
durften. Auf dieſe Art ſchwankten auch die Koͤnige von 
Frankreich ſelbſt in ihrer Anficht über die Turniere: balb 
verboten fie fie, bald erlaubten fie fie wieder und belebten 
bie Turniere durch ihr eigenes Beiſpiel. 
Andere weit wirkfamere Mittel, in ben Turnieren 
felbft und in dem veränderten Geiſt der Zeit gegruͤndet, 
mußten eintreten, um bie Liebe gu dieſen Uebungen, ſchon 
erſchuͤttert, gaͤnzlich zu vernichten. Einmal wirkte der 
Verfall des Ritterweſens ſeibſt, indem die Rittetwuͤrde 
ihre hope Kraft, ihr großes Anfehen verlor, da der Rit⸗ 
terfiand nicht mehr Zapfern, Wärdigen und ben Tuͤchtig⸗ 
Ren ertheilt warb, ſondern alle Arten von Leuten Ritter 
wurben. Der Aufwand, melden die Bitter bei ben Tur⸗ 
nieren machten, wurde fo groß, baß die Ritter und Abes 
lien verarmten und nicht mehr im Stande waren, wenn 
ed im Kriege Roth that, ihre Lehnsherrn tüchtig und ent⸗ 
forechend zu unterflüten. Dann verweichlichte ſich aber 
auc) der Adel und fand Fein Bergnügen mehr an Spielen, 
die fo viel koͤrperliche Kraft und Anflrengung erforberten 
und mit fo viel Gefahr verknüpft waren. Endlich traten 
noch hinzu: die Einführung ber fiehenben Heere und ber 
Gebraug der Feuergewehte, beſonders auch des guoben 


Anhang zur 4. Abtheil,.. 4429 


Geſchuͤte Durch, die Einfuͤhrung ber ſichenden Heere 
hoͤrte das: ehemalige Vorxrecht des. Adels anf, im Kriege 
‚allein bie. Reiterei zu bilden; durch die Feuergewehre fing 
die gewöhnliche Turnierrüſtung an im ®elve größten: 
theils una zu werben... Die traurige Begebenheit in 
Frankreich, daß König Heinrich der zweite im Turniere 
vor eiger. fo ‚großen Anzahl feines Volkes fein Leben vers 
Yor, brachte .in. ven Gemuͤthern ber Franzoſen und in 
deren ſo leicht beweglicher Einbildungskraft eine neue 
Gaͤhrung hervor. Sobald die Turniere nicht: mehr anf 
die Bildung der Ritter Einfluß hatten, ſo erloſch auch 
bad Ritterweſen, denn eines war bed andern Hebel und 
Träger geweſen. Es trat nun bie Lufl an ritterlich ſchei⸗ 
nenden Spielen, die aber. gefabzlofer waren, hie Feine 
Ausbildung der Kraft mehr erfoxderten, fordern nur Ge⸗ 
wanbtbeit und Geſchicklichkeit fuchten, hervor, und fie 
ſchloſſen ih an die Höfe, als Hoffefte und. Verznuͤgungen, 
an. Dies waren befonders alle Arten von Carouſſels, 
als dad Ringrennen (das Abrennen und Abſtechen eines 
Ringes, der frei hing), das Quintanrennen (das Rennen 
mit einem kurzen Speere. nach einer auf einem bewegli⸗ 
chen Zapfen fiehenden Geſtalt, die, weun fie nicht recht 
auf die Mitte des Kopfes. ober auf bie Brufl. getroffen 
wurde, fich zafch drehte und dem. Vorheireitenden, wenn 
er fih nicht ſchnell wendete, einen tüchtigen Schlag ober 
auch wohl einen ſolchen Stoß gab, daß er vom Pferde 
gexiffen warb), das Kopfrennen (wobei mit. dem Degen 
Köpfe, mei Fuͤrkenkoͤpfe, von ber Erde aufgehakm werden 
mußten), und berg, Zuhetzt verlexen ſich ‚aber arch dieſe 


430 Zweiter Abfſchmtt. Ritterkeben. 


ritterlichen Uebungen in der neuſten Zeit mieiſtentheils 
ganz. "Mur Volksſpiele blieben noch laͤnger Übrig, z. B. | 
der Plattner (d. h. der Harniſchmacher), Geſtech zu 
Nürnberg, wo die Platter geharniftht waren und Lanzen 
swmit Kroͤnchen hatten, Feine Pferde aber: ritten, fonbern 
‚auf ‘hohen Geſtuͤhlen faßen, Welche mit Bhäbern verfehen 
wären und von einer Anzahl Menfchen- genen einander 
‚gezogen wurden, wie eine Abbildung und Beſchreibung 
in: meinten. wöchenflihen Rachrichten Bd. II. beweiſt. 
Dam ein Bauerngeſtech zu: Roß, welches 1585 bie Uns 
terthanen des Amtes Kapellendorf zu Beimar hielten; 
das Kuͤbel⸗Turnier, meiſt mit ausgeſtopften Seſtalten, 
und folche aͤhnliche Spaͤße. 

Bereits oben iſt vemerkt worden, daß auger den ſtreng 
ritterlichen Uebungen, auch ſchon leichtere und zierliche, 
beſonders bei großen Feſten, ſtatt fanden, welche die Grund⸗ 
‚lage der Ringelrennen und anderer Spiele wurden. Davon 
‚möge, Tlie viele geltend, ein merkwuͤrdiges Beiſpiel aus 
italieniſcher Geſchichte, das heiter begann und unglücklich 
endete, bier noch eine Stelle finden. Rolandini, ein ita⸗ 
lieniſcher Geſchichtſchreiber des 13. Jahrh., etwaͤhlit diefes 
Ereigniß Buch 1. Cap. 13 feiner Gefchichte, unter ber 
Aufſchrift: de Iudo quodam facto apud Tarvisium. 
Im Jahre 1214 war Albigo Podefla in Padua, ein kluger, 
gefchäfterfahrener, gewandter Mann, dabei mild’ und gefällig 
gegen Jebermann, unb wie in Regierungdangelegenheiten 
umſichtig und thaͤtig, fo auch gu rechter Zeit ji Erholung 
von Geſchaͤften, heitern, gewaͤhlten Scherzen und hoͤfiſchen 
Luſtbarkeiten nicht abgeneigt. Unter ſeinem Pobeſtat wurde 





Anhang zur 4 Abtheil. 431 


in bet Mark Treviſo ein ſeltſames heiteres Feſt, ein lufti⸗ 
ges Hoflager (curia selatii) angeordnet, zu dem der 
Adel von Padua vorzuͤglich geladen ward, und die fchöns 
fen vornehmen Braun ber Stadt, Das Sptel war fol: 
gendes: Ein Lager wurde aufgäfchlagen. Zwoͤlf Frauen⸗ 
zimmern mit ihren Kammerfeüuicin (domicellabus). wurde 
bie Befegung und Vertheidigung davon übergeben. Mit. 
reichen Tuchern von Purpur, Gmmet, Seide, Scharlach 
u. f. w. war es als zur Befeſtigung umhäwas.. In ihrem 
fhönften Schmude, mit goldenen Kronen. außdem Haupte, 
fhimmernd von Perlen und Edelſteinen aller Axt, verthei⸗ 
digten das luſtige Lager die: fchönen Frauen mir: ihren 
Dienerinnen gegen ben Sturm ber Ritter, bie .natärlid 
nicht mit Eriegerifchen Waffen, fondern nur mit zierlichem 
Geſchuͤtz verfehen waren, von verfchiebenen - Srächten, 
Aepfeln, Birnen, Kaftanien, Mandeln, Mustatnüffen, 
mit Blumen, Rofen, Lilien, Nelken, Beinen Kuchen und 
Bonbons, auch mit Släfchchen allerlei wohlriechenden Waſ⸗ 
ſers waren fie bewaffnet, und fo beramnten fie bie von - 
den Frauen vertheidigte Veſte. Auch viele venezianifche 
Srauen und Herren waren zur XTheilnahme des Spiels 
eingeladen. Da trug es fih zu, daß ein vorfchneller, 
unbefonnener Venezianer im bitigen Eifer, den Pabuanern 
es zuvorzuthun, mit der St. Markusfahne auf jene zu 
ungeſtuͤm eindrang und fie vom Thore bed Lagers weg» 
zudrängen fuchte, um die Ehre der Lagerſtuͤrmung feinen 
gandöleuten zu gewinnen. Die Paduaner, erbittert darüber, 
vergalten ihm feine Unhöflichleit auf gleiche Weife, fielen 
auf ihn ein und riffen ihm ein Stud aus der Fahne feines 


432 Zweiter: Abſchnitt. Ritterleben. 


Schutzheiligen. So erhub ſich Streit zwiſchen beiden 
Theilen, und es waͤre ſchon damals zu blutigen Auftritten 
gekommen, haͤtten fich-nixht die Obwalte der. Ergoͤtlichkeit, 
kluge, geachtete Maͤnner, ſogleich ihr Anſehen, das ihnen 
die eigene Wuͤrde und das Amt des Tages gab, mit Ernſt 
dazmiſchen gelegt, und bie durch tolle Hitze fo: unbequem 
geflörte Euſtbarkeit raſch aufgehoben. Aber bie Erbitterung 
der Parteien war nur für ben Augenblid gebämpft. Sie 
war der. Samen zu großen Uneinigkeiten, welde zwiſchen 
Benedig. und Dabua bald hernach ausbrachen, und in auf- 
gehobenen Verkehr, werhfeifsitigen Räubereien, Befehbun- 
gen und. Zobhaß beider Brüste, lange Zeit verberbend 
fortwiehen. 


Druckfehler bes erften Bandes. - 


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49. a. 1. in den Begeh. 
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Klammerftrid vor: der Oberflafchenbewahrer zc. und ber 
ach: im Staate, müffen beide wegfallen 
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v. u. I. rechten f. rechter ‘ 


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Bigeois f. Vignois 
v. u. l. ſchlechte f. ſchlichte 
u. 6 v. u. l. ſchmaͤhen f. ſchwaͤchen 
— 1355 3.7 v. o. I. Krommenau f. Krammerau 
102 3.71. eihterihen f. ritterlichen 
— 221 3. 7 v. 0. I. Paffefun f. Paffefum 
2 3. 1u. 2 v. u. L edlen Geſteinen f. edlem Sefteine 


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— 251 u. 252 muß allenthalben, wo.@ebäude ſteht, Gebände gde , 


fen werben 

— 2713. & v. u. I. Augsburgern f. au eourgern 

— 303 3. 16 Anrücigkeit f. Anruͤhrigkeit 

— 825 3.3 v. u. l. außer f- außen 

— 335 3.40. 0. bes f. das u. dir f. bie 

— — 3.14 v. o. bü f. du u. ‚rehtü f. rechtu (se ift eigentlich 
das altdeutfhe u mit einem Strich darüber.) 

Zen» 15 v. u. I. Dtto f. Otte 


Pf 
— 408 3.40. u 1. Erfordern f. erfordern 
— 432 3. 80.0. muß „fih” wegfallen 





di 





| 


\ 


Kitterzeit und Kitterwesen, 





RG 


- 





Kitterseit, 
| | und | | 


NRitterwefen 





Vorlefungen, 


gehalten und herausgegeben 
| u 
von, 


Buͤſchinng. . 





| Zweiter Band - 
— — — — — 
Leipzig: 
F. A Brodbam dk. 


182.3. 


u TEILT 


Inhalt des zweiten Bandes. 


\ 


weiter Abſchnitt. 


Ritterlebenn. 


(Fortfetung.) 


Fuͤnfte Abtheilung. Bewillkommnung und Empfang ber 
Nitter, Ritterzüge, fahrende Ritter. . . © 1 


⸗ 


Sechste Abtheilung. Die Frauen der Ritterzeit; Liebe, 
Ehe und haͤusliches Leben. . . . . — 63 


Giebente Abtheilung. Geluͤbbe der Rister, verbunden mit. 
ihrer Gottesfurcht und Liebe oder aus einzelnen _ 
Beweifen ihrer Tapferkeit entfpringenb. . -15 


vı Inhalt bes zweiten Bandes, 


Achte Abthelung. Bmweilämpfe und Ernſtkaͤmpfe ber 
. Ritter. ® .‘'‘ oo D . . er &. 183 


Neunte Abtheilung. Vorzuͤge und Auszeichnung ber 
| Nitterroürbes Verfall derſelben. .— 239 


Behnte Abtheilung. Strafen ber Ritter, Zob und Leis 
chenbegaͤngniß.229 


." ® 
7 
vr... 


Sünfte Abtheilung. 


Bewillkommnung und Empfang der Ritter, Ritters 
zuͤge, fahrende Ritter. 


Es war die Pflicht der Ritter, immer, ſo viel es ihnen 
moͤglich war, ein thaͤtiges, nie ermuͤdendes Leben zu fuͤh⸗ 
ren, Gefahren aufzuſuchen und immer dahin zu eilen und 

ſich zu wenden, wo ihre Huͤlfe noͤthig war. Daraus ent⸗ 
ſtand ſchon in fruͤhen Zeiten eine Abtheilung von Rittern, 
bie ſehr berühmt waren und Über welche ſpaͤter Cervantes 
die ganze fprubelnde Fülle feined Witzes ergoß: es waren 
die irrenden, fahrenden Ritter; und ein ergößlicheres Leben 
führte wohl feiner, wenn auch ein trüber Hintergrund 
nicht zu verfennen ift, indem ein fo eble8 Gemüth fein 
ganzes Sein und Tichten an eine undanfbare, wahnfinnige 
Grille ſetzt, als des unübertrefjlihen Cervantes Don 
Quixote de la Mancha. In den Burgen fanden die Ritter 
eine freundliche Aufnahme, und ſchon oben habe ich be⸗ 
merkt, daß in Frankreich Helme, bei Schloͤſſern und Bur⸗ 
gen außen auf die Zinnen geſetzt, ein Zeichen waren, hier 
wuͤrde ein jeder fahrende Ritter eine freundliche Aufnahme | 

| 1 | 





w 


/ 


2 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


finden. Gewiſſe herfömmliche Sitten, wie ſolche fremde 
Mitter empfangen wurden, hatten fi) ſchon feit der frühes 
ſten Zeit feftgefegt, fhon aus der Helbenzeit berfiammenb, 
und nur einiges mag bie fpätere Zeit nad) und nach, ge: 


ändert haben. Was wir davon wiffen, fol fogleich folgen. 


Außerdem wurben in der blühenden Zeit des Mittels 


alters noch Zuͤge Sitte, die bloß dazu abzweckten, an bes 


flimmten Orten Proben von Zapferfeit und Muth abzu: 
legen, inbem bekannt gemacht wurde, an diefem und jenem 
Lage winde der Ritter fih an einer genau befannt ge: 
machten Stelle einfinden und jedem, ber ihm Kampf ans 
aubieten geneigt fei, Kampf gewähren. Ober ed waren 
befannte Puncte, wohin ein mannhafter Ritter ziehen 
Tonnte und gewiß war, wenn ein beftinnmtes Zeichen ge: 
geben wurde, einen Kämpfer zu finden; und wie ver Arten, 
zu Kämpfen und Streit zu reizen, noch mehre waren. 
Viele Ritter gab es, die bloß darauf umberreiften, 


um durch ihre Tapferkeit Preife zu gewirmen und dadurch 


ihren Lebensunterhalt zu bekommen; denn Armuth herrſchte 


oftmals bei dieſen fahrenden Rittern. Sie waren es denn 


auch meiſt, die durch ihre reiche Anzahl die Höfe ber Gro⸗ 
Ben bei öffentlich bekannt gemachten Feierlichkeiten zierten, 
und: für fie waren am meiften die Gefchenfe beftimmt, 
welche bei foldhen Feſten, wie wir bereit8 oben gefehen 
haben, aufs veichlichfte vertheilt wurden. Ja, wir finden 
auch in ben alten Gedichten Nachweiſe, daß folche Ritter oft⸗ 
mald genöthigt waren, ihre Kleinodien, die fie gewonnen, 
ober was fie fonfl von Werth hatten, an Juden zit vers 
fegen, und die Stellen kommen daher auch vor, daß bie 


,; 


5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter 9 


Großen folhen Nittern ihre Pfänder auslöfen mußten, 
Indeffen heißen. einzelne Stellen, in benen. ber‘ Pfand- 
Auslöfungen Erwähnung gefchieht, oftmals auch fo viel, 
baß, wenn diefe Ritter von andern in Zurnieren ‚gefangen 
genommen worden, fie fi ch durch gegebene Pfaͤnder aus⸗ 
loͤſen mußten, und daß ſie oftmals nicht im Stande waren, 
das verlangte Geld zu zahlen, um ihre Pfaͤnder wieder 
zu erhalten, und daher bann die Großen, hie das Turnier 
gegeben hatten, huͤlfreich unterſtuͤtzend bazutreten mußten. 

Durch” dieſe Umherzüge gab es auch, vorzäglid in 
der Heldenzeit, viele Ritter, die faft überall hingelommen 
waren und daher alle berühmten Ritter Fannten. Das 
beweift die Stelle in den Nibelungen, als Siegfrieb mit 
feinen Mannen auf den Sand zu Wormö geritten Tommt 
und ihn die Hofleute nicht kennen. Da raͤth Ortwein 
von Mes, man folle nach feinem Oheim Hagen fchiden, 
der würde die Nitter wohl Fennen. Hagen tritt darauf 
an das Fenfter und gefteht, er habe die Reden nie gefes 
hen, aber es koͤnne niemand anders fo herrlich und. Erafts 
vol daſtehen, als Siegfried. 

Kamen folche fremde berühmte Ritter ober gar Könige 
und Fürften an Burgen und Sclöffern an, fo war es 
Sitte des Empfanges, daß die Frau und bie Zöchter bed 
Hauswirths die vornehmſten Ritter kuͤßten. So heißt «3 
in den Nibelungen V. 6609., als bie burgumder Fuͤrſten 
auf ihrem Zuge nach Etzelsburg bei dem treuen Rübiger 
und feiner Gemahlin anlangen follen: 

Biel liebe Trautinne — fo ſprach da Rüdiger — 

Ihr ſollt viel wohl empfahen bie edelen Könige hehr, 

1* 


4 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


So fie mit ihrem Geſinde vor euch zu Hofe gah'ns 
Ihr ſollt auch Thöne grüßen Hagenen, Günther Mann. 

Mit ihnen kommt au einer der heißet Dankewart, 
Der andere heißet Voller, an Zuͤchten wohl bewahrt; 
Die ſechſe folt ihr kuͤſſen, ihr und bie Töchter mein, 
Und ſollt auch bei den Degenen in Zuͤchten gütlichen fein. 
So gefchieht es denn auch beim Empfange; aber 
als die junge Markgräfin den grämlihen und grimmigen 
Bogen kuͤſſen fol (V. 6667): 

ba blickte fie ihn an, 

Cr bäuchte fie fo fürchterlich, daß fies viel gerner hätte gelarn. 

Hohe Geburt und Tapferkeit machten zum Empfange 
der Frauen durch einen Kuß würdig, und fo trat and 
Volker der Spielmann hier beim Empfange neben feine . 
Könige; denn. es heißt (B. 6672): 

am Teines Leibes Tugend warb ihm bad Grüßen gethan. 
Solcher Züge über Empfang der Ritter finden wir nun 
in den altdeutfchen Gedichten mehre, und es mögen daher 
Hier einige, bei denen fich überdies noch manches wird 
bemerken laſſen, folgen: 

Im Parzifal wird in Zazamang (V. 687) Gamuret 
freundlich von ber durch Feinde bebrängten Doprenftnigin 
empfangen: 

Ein wenig fie gen ihn ba trat, 

Shen Saft fie fi kuͤſſen bat; 
und fpäter werben die durch Gamuret gefangenen Ritter, 
. die hohen Stammes find, alle feierlich von der Königin 
empfangen; fo V. 1377: 
Er bat bie Königin reich 


Sn kuͤſſen und fahen zu ihr (. h. zu ſich zu fangen, 
zu fih zu ziehen). . 








5, Abtheil. Bewillfommnung ber Ritter ic. 85. 


V. 1406, 

Da warb aud) er von Gamurete 
Minnigliche empfangen, | 

Und oftermals umfargen 
Bon her Königinne reich 5 
Sie küfte ben Degen minnigleid. . 
Er war ihres Mannes Muhmen Sohn, 
Sie mocht' es wohl mit Ehren thun, 
Und war van Arte ein König hehr. 


iſo auch hier ſehen wir, daß die Hoͤhe des Standes 


einen bedeutenden Einfluß auf dieſe freundlicht Art der 
Aufnahme hatte. 

Eine andere Art des Empfanges, beſonders durch die 
Zuthulichkeit und Einfachheit des Wirthes bemerkenswerth, 
erzählt Hartmann von der Aue in feinem ergoͤtzlichen Ge⸗ 


dicht Iwain, der Ritter mit dem Löwen, oder legt viel⸗ 


mehr die Erzählung einem Ritter am Hofe des Artus, 
Kalogriant, in den Mund. 


Es geſchah mir, es ift wahr, . 
Es find nun wohl zwei Sahı, 
Daß id) durch Abentheuer zeit’, 
Gewaffnet nach Gewohnheit 
Zu Brezilian in dem Wald. 
Da fand ih Wege mannigfalts 

Da kehrt ich zu ber linfen Hand . 
Auf einen Steig ben. ih ba fand, 
Der war viel rauh und enge. 
Durch Dorn und durch Gebränge 
Ritt ich einen vollen Tags 
Für wahr ich bp! geſprechen magı 
Daß ich fo große Arbeit 
Bon ſchlechter Fahrt nie erleid’t. 
Da es an den Abend ging 
Ginen Weg ich ba fin, 
Der trug mid aus ber Wilde 


6 


Und als er mich begreif, 


Aweiter Abſchnitt. Mitteriebem 


und kam ich an ein Gefilde. 

Dem folgete ich eine Weile, 

Nicht voll eine Meile, | 

Bis ih eine Burg erſach, . 

Dar kehrt' ich durch mein Gemach (um Gemaͤchlichkeit, 
Ruhe zu finden). 

Ih ritt gegen das Burgthor, 

Da ſtand ein Ritter vor. 

Sr datt’, den ich da ftehend fand, 

Ein’n Maushabicht auf der Hand; 

Er war bes Haufes Herre. 

Und als ee mich von ferre (ferne) 

Bu ihm reiten fah, 

Mochte er nicht warten ba, 


Und lieg mir nit die Muße, 


Daß ich zu feinem Gruße 
Boͤlliglichen war gefommen, 

Gr Hatt? mir eh? benommen, 

Den Zaum und auch ben Stegereif, 


Da empfing ee mich fo ſchone, 

Daß ihm Gott immer Iohne; 

Denn mir wird leichte bis an meinen Toh 

Der Herberge nimmer mehr fo noth. 
Eine Tafel hing an dem Burgthor 

An zwei Ketten empor, 

Da fhlug er an, daß es erſchal 

Und in bie Burg erhalt. 

Darnach fand er unlang, 

Bis daß dort herausſprang 

Des Wirthes Semmelunge, 

Schöne und junge 

Jungherren und Knete 

Gekleid't nad, ihrm Regte. 

Die hießen mich willkomnen ſein; 

Beider, Roſſes und mein, 

Warb viel gut wahrgenommen. 

Biel fhiere ſah ich zu mir jommen, 

Als id in die Burg ging, 





3. Abthet. Bewilltommnung der Ritter 7 


Eine Jungfrau, bie mid empfing. 
Sch fprehe noch als ich da ſprach, 
Daß ich ſchoͤner Kind nie erfach; 
Die entwaffnete mid. 

Ein'n Schaben Flage ich, 

Daß der Waffen Riemen alfo wenig ie 
Daß fie nicht Länger Friſt 

Mit mir mufte umgeh’n, 

Es war gar zu bald geſcheh'n; 

Ich wuͤnſchte, fout es immer fein. 
Gin ſcharlachneq Mäntelein 

Gab fie mir an, 

Ich unfeliger Mann, 

Daß fie mein Xuge je erfah, 

Da uns zu ſcheiden geſchah! 


Nachdem fie in einem anmuthigen Garten einige Bei . 


mit freundlichem Geſpraͤch zugebracht haben, geht er mit 
ſeinem Wirthe zu Tiſche, der fich Höchlich über die Anwe⸗ 
ſeuheit feines Gaſtes freut und die Steige und Wege fegnet, 
welche ihn zu ihm führten Am andern Morgen reitet 
Kalogriant wieder feine Straße und beficht ein gar uͤbeles 
und ihm fchädliches Abenteuer. 
= Mancper-Empfang war auch überaus demuͤthig, befons 
berd wenn der empfangende Theil fi einer Schuld bes 
wußt war, So heißt es ®. 18561 bes. Parzifal: 
| Berne auf den Plan fie gen ihn ging, 
Die Magd ihn mit Freuden empfing. 
Gawan bot ihr feinen Gruß, 
Sie kuͤſt' ihm Gtegreif und Fuß, 
Und empfing aud bie Herzogin. 
Sie nahm bei feinem Zaume ihr 
‚Und bat abfleigen ben Mann, 


Den ausführlichften Beweis der Nitterzüge liefert 


uns Ulrich von Lichtenſtein in ſeinem Frauendienſt, und 


8 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


aus dieſem Werke ſind daher einige betraͤchtliche Auszüge 
noͤthig, um über bie oftmald eigen erfcheinende Sitte ins 
Klare zu kommen. Ulrich v. Licht. erklärt ben! Boten, 
ben er gewöhnlih zu feiner Geliebten heimlich ſchickt: 
„Ich fage dir, was ich erbacht habe, In ber Weife einer 
Frauen will ich um fie nach Preid ringen, und fo will 
ich mit Ritterfchaft fohren von bem Meere bis nach Boͤ—⸗ 
heim, ih will mich aus dem Lande fortfichlen und meine 
Fahrt vor allen Leuten verbergen, und das fol: in biefem 
Winter fein: ald ein bemüthiger Pilger will ich fahren, 
der um Gott nad) Rom geht, dann zu Venedig fo lange 
verborgen fein, biß bed Maien Schein wieder fommt, 
und dort will ich mich bereiten, recht wie eine Königinne 
foß „..mimnigliche Frauenkleid will ih anlegen und nad 
Sankt Georgen. Tage will ic mid am andern Morgen 
auf die Fahrt machen. von dem Meere zu Meifterö;. wels 
her Ritter bann mit mir. einen Speer verfliht um feine 
Srauen, dem will ich ein Zingerlein von Golde geben, 
auf ben Muth, daß ex es der gebe, bie ihm bie Liebſte 
ſei.“ Seine Geliebte erlaubt ihm bie Ausführung dieſes 
Planes und ift fehr wohl damit zufrieden.- „Ich war.fehr 
wohl bereitet — fährt er fort — zu ber ritterlichen Fahrt, 
ih hub mich ald ein Pilgrim vom Lande und nahm Ta⸗ 
ſche und Stab von einem Priefter, ald wenn ich wollte 
nch Rom fahren.‘ 

„Ich Tam bald nah Venedig, wo ich Herberge 
nahm, ferne von den Leuten, daß mich niemand bort ers 
kennen follte. Hier Ing ich den Winter und ließ mir 
Frauenkleider fehneiden (dieſe kennen wir ſchon aus ber 





5. Abthel: Bewillkommnung der Ritter. 9 


‘3. Abtheilung von Waffen und Kleidern). Mein Ros 
brachte man mir heimlich durch die Land', alle meine 
Knechte muſten von fremden Landen ſein, die ſich auch 
ſehr befliſſen, meine Fahrt zu verhehlen. Als ich und die 
Meinigen bereitet waren, da ſandte ich durch einen Boten 
einen Brief in bie Land, durch welche ich fahren wollte, 
ich ermahnte den Boten, mic) gegen niemand zu nennen. 
In diefem Briefe war meine Bahrt meiſterlich befchrieben, 
und wo ich bes Nachts in der Herberge fein wollte. Als 
der Bote abgereifet war, blieb ich noch breißig Tage, ber 
Brief aber lautete:“ 

„Die werthe Königin Benus, Göttin tiber Die Minne, 
entbietet allen den Nittern, bie zu Lamparten und zu 
Sriaul und’ zu Kärnthen und zu Steir, und zu Defterreich, 
zu Böheim gefeffen find, ihre Hulde und ihren: Grus, 
und thut ihnen Fund, daß fie um ihre Liebe zu ihnen 
fahren will, und will fie lehren, mit wie gethanen Dingen 
ſie werther Frauen Minne verdienen, oder erwerben ſollen. 
Sie thut ihnen kund, daß ſie ſich hebet des naͤchſten Ta⸗ 
ges nach Sankt Georgen Tage aus dem Meere zu Mei⸗ 
ſters und will fahren bis hin zu Boͤheim, mit ſo getha⸗ 
nen Dingen: wel Ritter gegen fie kommt und ein Speer 
wiber fie entzwei flicht, dem giebt fie zu Lohn ein gulden 
Singerlein, das foll er fenden dem Weibe, Die ihm bie 
liebſte ift, dad Fingergia hot die Kraft, welcher Frauen 
man es fendet, die mus immer deſto fchöner fein, und 
mus fonder Falſch minnen den, ber ed ihr geſendet; 
fliget meine Frau Venus einen Ritter nieder, ber fol an 
vier Enden in bie Welt neigen, einem Weibe zu Ehren; 


, 


10 weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſticht aber fie ein Ritter nieder, ber fol alle bie Roſſe 
. haben, bie fie mit fich führt. , Sie fährt des erfien Tages 
zu Tervis u. ſ. w. (alle Zage find beflimmt und liegen 
noch auf der Straße von der Küfte bes adriatifchen Mee: 
res bis zur Gränze von Böhmen; ber legte Tag iſt:) an 
dem 29 Tage ifi fie an ber Tyne gu Boͤheim. Da hat 
ihre Fahrt ein Ende. Sie will auf der Fahrt ihr Antlig 
noch ihre Hände niemand ſehen laffen *), fie will auch 
. wider niemand ein Wort ſprechen. Sie gebietet von dem 
Tage, ba ihre Fahrt ein Ende bat, am achten Tage **) 
einen Zumei zu Neuenburg Welcher Ritter ihre 
Fahrt vernimmt und gegen fie nicht kommt, den thut 
fie in-der Minnen Achte und im aller guten Weibe Aech⸗ 
tung, fie hat ihre Herbergen darum alle angefchrieben, 
daß ein jeglicher Ritter wille, wenn ober wo er „gegen 
ſie fommen fol, daB es fich ihm, zum Beſten füge," " 
„Wo diefer Brief in die Lande fam, waren bie Rit⸗ 
‚ter fröhlih; denn bie deutſchen Lande flunden fo, 
daß niemand ehrenreich war, ber nicht ritter: 
lich fuhr und durch Frauen hochgemut wurde, 
bas war damals Gitte, und wäre gut, es wäre nach**”). 
Die Ritter bereiteten fi und fo hatte ich mich auch bes 
reitet. Ich erhub mich am naͤchſten Tage nah Sankt 


*) Aus guten Gründen, da ber Bart und die rauhen, flarfen 
pin bee Königin Venus wohl Nht zierlich geweſen fen 
würden, 

*) Alſo aud hier bei einer weltlichen Geier, bie geiftliche Octave, 
der achte Tag, beibehalten. 

wor) So klagt ſchon Ulrich nen Lichtenſtein ſelbſt, als ex, in wohl 
nicht zu hohem Alter, feinen Frauendienſt bichtete. 


\ 


5. Abtheil Bewillkommnung der Ritter x.. 11 - 


Georgen eined Morgens ſehr früh; bie Laute ‚liefen viel 
herbei und um mich ward ein großes Gedrang. Mein 
Marſchalk und mein Koch ritten ſelb fünfe vor, von denen 
warb mein. Gemach bereitet, nachdem ſah man ein Banner 
„führen, weiß wie ein Schwan, neben welchem zween 
Mann ritten, die lauf in die Nofaunen fließen, ein großer _ 
Schall ward zu Meifters, Drei Saums Pferde z0g man - 
mir nach, benen brei Garzune beiliefen, nad) dieſen brei 
bedeckte Boffe, besen jegliches ein Knappe pflog, auf 
jedem lag ein. Sattel, der war ſtark und filbermeiß, von 
einem .guten Meiſter bereitet. Bei dem Roſſe führte man 
weinen weißen Schild, der nicht beffer gemacht fein konnte, 
auch meinen lichten Helm, ber meiſterlich gekrönet war. 
Dann ſchlug ein Holiblafer einen Sumber (Holiblofer iſt 
ein Pfeiffer oder Floͤtenblaͤſer, und Sumber ift eine Art 
rauſchender Trommel. vielleicht eine Handtrommel); nad) 
biefem ritten vier gut gekleidete Knechte, deren jeber in 
feiner Hand drei große zufammengebunbene Speere führte. 
Rach diefen ritten zwei Mägbe, alles was biefe antrugen, 
war von weißer Farbe; nach ihnen titten zwei .gute Fide⸗ 
lar, die mid) hochgemut machten, benn fie fibelten eine 
fröhliche Reifenote. (Alfo auch damals noch Fiheler, wie 
uns bie Nibelungen im Voller.dem Fideler zeigen; Reiſe⸗ 
note bedeutet einen Marſch.) Hierauf folgte ich ſelbſt zu 
Pferde, in einem gut gefchnittenen Kappemantel (bie 
Beſchreibung feiner Kleidung ift fhon oben in der Ab⸗ 
theilung von Waffen und Kleidern ausgezogen). Go 
hub ich mid) von dem Meere, und gar viele Leute folgten 
» air nad. Da hieß ich fragen, ob jemand Ritter ba 


12 833welter Abſchnitt. Ritterleben. 


waͤre? Sie ſprachen: liebe Fraue, ja, wohl tauſend ſind 
hie, die es ungerne laſſen, daß fie mit euch ſtechen, nur 
erlaubt es ihnen ber Podesta nicht, ber von Tervis, denn 
Diefer fagt, wer mit euch ein Speer verſticht, ber muͤſſe ihm 
5000 Pfund geben; er ft ein fo zomiger Mann, daß er 
anf Beine Freude achtet, man ihn auch nur felten lachen 
ſieht. So zog ich von Meifters fort nad) Tervis. Dort: 
hin war ein Graf mit So Rittern gelommen, es war von 
Goͤrz ber Graf Meinhard. Als der Biedre vernahm, 
daß man mich nicht ſtechen ließ, Tprach er: wie ift das 
gefommen? Man fagte ihm, der Podeſta habe ed verboten; 
das iſt eine Miſſethat, ſprach der ehrenbegierige Mann, 
ſollen wir denn keine Freude haben? das wollen wir beſſer 
verſuchen. — Sogleich ſetzte er ſich auf fein Pferd und 
ritt mit vielen Rittern bin zum Podeſta und feradh: 
Herre, ihr folt uns mit eurer Huld hie froh fein laffen, 
darum bitte ich euch. Der ſprach: ich verwehre euch Feine 
Freude, wo es ohne Schaden gefchieht, dad gönne ich 
euch fehr wohl; nur will ich auf eine Weife, daß jemand 
bier in Zervis in ein Wappenkleid komme, e& find zu viele 
Gäfte hergekommen, darum will ich es nicht geftatten, 
daß jemand hier Harnifch anlege, ich wäre wahrlich felbft 
ein dummer Mann, wollte ich bie Dummheit hier geftatten, 
es koͤnnte leicht Schaden gefchehen, darum erlaube ich es nicht.” 

So fchieb er mit Zorne von dem Pobefla and ritt 
in die Stadt, wo viele fehöne Frauen waren, benen klagte 
er: ihr fchönen Frauen, laßt euch um euren reinen, füßen 
Muth geklagt fein, daß mir ber Podeſta verfagt hat, daß 
er uns bier nicht wi Rechen laſſen, das geſchah doch fonft 


5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter ıc. 13 


wahrlich einem Ritter zu Tervis; er fürchtet, es komme ber 
Stabt. zu Schaden, weil zu viele Leute hergekommen find. 
Die Frauen fprachen: bies fol abgemandt werben, wir 
wollen ihn bitten berzufommen, wir glauben nicht, daß 
er und abichlägt, wad wir ihn freundlich bitten. Mit 
hoͤfiſchen Sitten ritt fchnell ein Ritter zu ihm hin, indeß 
kam auch ich mit Schalle durch die Stadt gezogen. Um 
mid; war großes Gedränge und fo zog ich in meine Her⸗ 
berge. Der Podeſta kam indeß zu ben Frauen, ba grüßte 
ihn manch rofenfarbner Mund, er neigte ihnen zischtiglich, 
die fchönen Frauen fprachen: ihr folt uns gewähren, was 
wir allgemein von euch bitten, ihr folt ber Königinne ihr 
Spiel hier lafien, damit wir Ritterfchaft fehen. Er ſprach: 
ungern verfag ich euch was, ich will dem Grafen um eure 
Bitte bie zwei Speer erlauben. Da trat mit zichtlicher 
Sitte Herr Leutfrit von Eppenftein herfür und bat um 
einen Speer, und er fprach: das will ich euch nicht vers 
fagen, mehr aber geſchieht wahrlich nit. Mit Zreuben 
wappnete fih ber Graf. (Seine Kleidung warb ſchon 
oben erwähnt). Es ſaß ber Milde auf einem ſchnellen 
und guten Roſſe, das in Sprüngen buch die Stadt fuhr, 
alle riefen: weicha! weich! So kam ber Sreche ritterlich. 
Ich war auch bereitet in meine weißen Wappenkleid (die 
auch ſchon oben angeführt worden). Sp Fam ich durch 
die Stadt, in allen Gaffen war großes Gedrähge, in 
Beinen Sprüngen fprang mein Ros. Der Pobefla von 
Tervis gehot mit Fleiß, daß man und einen.Ring räumte, 
das war aber nur verloren, denn ed waren fo viele Leute 
gelommen, daß man und auf keine Weife einen Ring in 


14 Zwelter Abſchnitit. Ritterleben. 


der Stabt machen mogte, wir konnten kaum zu einander 
kommen, auf einer Bruͤcke ſah ich den Hochgemuten, von 
der Bruͤcke trieb der Podeſta die Leute, daß ihrer nur 
wenige darauf ſtehen blieben, auf dieſer muſten wir tioſti⸗ 
ren und mancher roſenfarbne Mund fprach und Gegen 
nach.“ 

„Da ich ihn ſo ſchoͤn kommen ſah, nahm ich mein 
RKas mit Sporen, fo that er dem ſeinigen und wir kamen 
zufammen, ald wenn wir zu einander flogen, unfre Augen 
trügten und nicht, unfer beider Tioſt gerieth recht da, wo 
ſich Schild und Helm fcheiden, die Speere Trachten und 
die Splitter flogen. Die Schilde rührten einander (diefe 
Stelle voirft auch noch einiges erflärende Licht auf die 
vorige Abtheilung, wo man fich im Lanzentennen zu tref: 
fen ſuchte; wie auch nod einige folgende Auszuͤge 
früuͤher Bemerktes gelegentlid erklären). Der Tugendreiche 
band den Helm ab, und fo auch ich; ich fanbte ihm ein 
goldnes Fingerlein, daß er feiner Frau geben ſollte, bie 
ihm die liebfie vor allen Weiben fei, dabei ſollte fie feinen 
treuen Muth erkennen. Herr Peutfrit von Eppenſtein 
kam ritterlich gezimirt gegen mich, der ſtarke Mann war 
des Gutes reich und wohl bekannt an ber Mure, er führte 
ein großes rothes Speer in feiner Hand, Ich dachte: 
DaB ift ein ſtarker Mann und wohl geuͤbt in Rilterſchaft. 
Da machte ich den Puneis lang, ihm ſank fern Speer 
allzu niedrig und er flach mein Ros durch ben Hals, ich 
brady den Speer auf feiner Bruſt, mein Ros fprahg vor 
Schmerzen bach und ich muſte abfiten. Der Tag mar 
auch vergangen und bie Ritterſchaft mufte ein Ende haben, 


5. Abtheil. Bewillkommnung beu Ritter wc. 45 


ih fuhr in meine Herberge; gern wären mir alle tie 
Herren gefolgt, um mich zu fehen, das wurde aber vers 
mieden, denn ich ließ mich auf der ganzen Fahrt von kei⸗ 
nem Manne fehen. Am andern Morgen als ber Zag er: 
fihien und ich noch in meinem Bette lag, waren wohl - 
200 Frauen vor meine Herberge gelommen, um zu er⸗ 
fahren, wann ich in die Kirche gehn würde. Einer meis 
ner Knechte fah die Frauen und fprach zu’ mir mit Zuͤch⸗ 
ten: viel liebe Fraue, ich meine euch edle Koͤniginn, ich 
weiß nicht, ob ihre wißt, alle, Frauen aus der Stadt find 
daher gefommen, ihr Tieget allzulange. Da.icy das hörte, 
legte ich ſchnell Kleider an meinen Leib, wie fie ein wers 
thes Weib wohl mit Ehren tragen mag — und fo ging 
ich in hohem Muthe hin, wo mich mancher rother Mund 
mit Gruß empfing, fie fprachen: Gott willkommen, Koͤni⸗ 
ginn Venus! — ich bat fie, den Buhurt zu laffen, das 
wurde auch ſchnell gethan. Da ich zur Kirchen ging, 
nahm eine Graͤfin meinen Mantel und hielt ihm über 
mein Gewand empor, To führte fie mich zur Kirche, ich 
nahm ben Dienft in hohem Muthe an. Che ich zur Kirche 
kam, hätte mein Kammerer einen fehönen Teppich genom⸗ 
‚men und einen reihen Polfter, das lag hiber einem Stuhl, 
worüber ich mich zu neigen pflog. Ich bat Gott, daß er 
durch feine Güte möge meiner Ehre pflegen.” 

„Ein Pfaffe fang eine fchöne Meffe, groß Gedraͤnge 
war um mid von Frauen, als ich zum Opfer geben 
wollte, man bieß die Leute aufftehen, ich that breift mein 
Opfer. Da ich vom Opfer Fam und man bas Pace Her: 
trug, wurde genug gelacht, denn ich nahm bad Pate von 


— 


| 16 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


einem Buch, ſo mit verbundnem Antlitz, wie es ſich doch 
nicht ziemte, ſo bot ich es der Graͤfinn; die Hochgeborne 
ſprach: ihr ſollt die Riſen (das Tuch um Mund und 
Kinn) wegnehmen, denn ſo geziemt mir das Pace nicht. 
Im Augenblick nahm ich die Riſen vom Munde, worauf 
die Schoͤne lachte und ſprach: wie nun? ihr ſeyd ein 
Mann, das ſeh' ich wohl; was thut es; der Kus ſoll 
wohl geſchehen, ich will um alle guten Weib euch kuͤſſen, 
weil ihr Frauenkleider angelegt habt, ſo ſoll euch mein 
Kus nicht verſagt fein. Da fie nun das Pace von mir 
empfing und der füße Kus geſchah, ſo wurde ich davon 
fehr hochgemut. Die Meffe war nun gefungen und ic 
und manche fchöne Fraue gingen von ber Kirche, ein 
‚großes Gebränge war überall in ben Gaflen, ein großes 
Schalen von Pofaunen hörte man vor und, und alles 
war froh und zu fehn. Ih kam vor meine Herberge und 
nahm ſchoͤn Urlaub von mancher minniglichen Frauen; 
mit füßen reinen Herzen baten jie, daß Gott mein pflegen 
möge; und bavon habe ich ſeitdem viel Glüd gewonnen, 
benn Gott Tann guten Frauen nicht verfagen. Manch 
bochgemuter Ritter bat ben Pobefla, daß er mich mehr 
ftechen ließe; das gefchieht nicht, antwortete er, wer mit 
ihm tioſtiren will, ber ziehe mit ihm bis an ben Plat, 
das will ich erlauben. Ich fpeif’te und befleißigte mich 
bann, fehön durch bie Stadt zu reiten. Mancyer werthe 
Mann begleitete mich zu Pferde.‘ 

„Mit Sreuden 309 ich an den Plat, an einer ſchoͤnen 
Stelle fah ich Herrn Reinprecht von Murede, fein Speer 
war leuchtend von Bold, das ſchlug er unter feinen Arm, 





| X 
5. Abtheil. Bewillkommnung ber Ritter ıc. 47 


dad meine ſetzte ich auf mein Died, (auf meinen Schens 
tel), er flach fein Speer durch meinen. Schild, das von 
der Zioft nur wenig brach, mein Speer neigte ſich nicht, 
und fo erging ber Tioſt beiderthalb ritterlich; da gab ich 
dem reihen Mann ein golbenes Fingerlein, er dankte 
-bafür. Nun befland mich Herr Herrmann von Plintene 
berg und drei Wahlen, die ritterlich ritten und nicht fehl⸗ 
ten. Jeglichem gab ich ein Zingerlein: ich verftach die 
vier Speere. Darauf z0g ich fihöne nach Schegin, wo 
ich die Nacht bleiben wollte. Da ward ich wohl empfan- 
gen, bie Fenſter waren voll Frauen, bie. mich alle gruͤß⸗ 
ten. Ich. blieb die Nacht da, und als der Zag trfchien, 
hub ich mich wieder gewappnet auf meine Fahrt. Vor 
einem wunniglichen $oreiö wartete mein der Graf von 
Goͤrz mit manhem Manne, 12 fah ich unter Helmen, 
da ſprach ich zu ben Meinen: ich fehe hier Ritter, die 
Tioſtirens begehren. Gleich faß ic) auf mein Ros und 
vergaß des Schildes nicht, den Helm band ich zu Haupt 
und nahm ein Speer in die Hand, Gie rannten gegen; 
der Graf verfladh ein Speer auf meinem Helm, bad meine 
zerbrach an feinem Halfe. 7 Speere wurden da auf mid 
verftochen, 11 Speere wurden von meiner Hand ba rifters 
lich verfchwendet, 5 Ritter verfehlten mich, denen gab’ ich 
auch Feine Fingerlein. Ich band meinen Helm ab, Inbeß 
erhub fich auf dem Felde hier und da mancher Zioft, der 
Graf von Goͤrz flach einem Ritter feinen Helm ab, ein 
fchönerer Tioſt konnte nicht gefehen werben, ‘denn bee 
Ritter blieb kaum figen. Wohl 100 Ritter thaten da ritz 
terliche Arbeit, um bie Weib und -um ihre Ehre. 
2. 


18 Zweites Abſchnitt. Ritterieben, 


„Die Ritterfchaft zerließ fi nun, und fie zogen mit 
mir an dem Tage bis zu St. Ulrich, da wollte ich mein 
Gemach haben. Am andern Morgen wappnete ich mich 
ſchnell, und zog mit weißen Speeren auf das Zelb: einer 
war unter ben Rittern, von dem hatte ich vernommen, 
daß er Kleinod von Frauen mit ſich gebracht habe, der 
hieß Herr Dite von Spengenberg, ber 309 mir nad 
wohl gezimirt, fein Bimie gab lichten Schein, um feinen 
Helm führte er ein Rifen. Wie führten beide arte Speer, 
da wurde dee Puneid lang gemacht, beim er wollte mic) 
fällen, ich dachte auch: ich will biefen Mann fo treffen, 
ob er kann figen bleiben. Er trieb mit Gprüngen eilig 
gegen mich, fein Speer war gefenkt, ich warf mein Ros 
etwas von ihm zurüde, weil ich im Sinne hatte, dem 
Mann zu fällen, dann trieb ich wieder auf ihn umd mein 
Tioſt blieb an feinem Halfe, wovon ter hochgemuthe 
Mana beinahe einen Sal hätte nehmen müflen: er vers 
flach auf mie ein großes ‚Speer, und von unſer beiber 
Sperre Krachen ſah man bie Splitter hoch auffliegen, 
Zaum and Stegereif entwifchten ihm, er faßte ben Sat: 
telbogen, babei richtete er fich wieder auf, fonft wäre er 
nieder gefallen, Mit ihm ſtach ich felb fechfe, daß hie ein 
Behler geſchah, ich gab ihmen allen Fingerlein, band mei⸗ 
nen Helm ab und zog gegen Clenum. Da hatte ih ein 
Kitter gegen mid auf ben Plan in einent wonniglichen 
Gezelt gelegt, der war Herr Mathie genammt, auf Ehre 
ſtund fein Sinn: er hatie eine minnigliche Magb gegen 
mich gefchidt, die führte in ihrer Hand ein Speer, ritt 
ein ſchoͤnes Pferd und trug fehr gut Gewand. Die 





5. Abtheil, Bewillfommnung ber Ritter xc. 19 


Schöne fprach aus rothem Munde: Gott willkommen Koͤ⸗ 
niginne Venus, Herr Mathie hat euch durch mich entbos 
ten, baß ihr, Frau, ihm aud ohne Streit willfommen 
ſeid, denn er ſieht eu von Herzen gerne, er hat euch 
durch mich dies Speer gefandt, daß ihr 28 auf ihn ver: 
ftechen folt, das hieß er euch durch mich viel züchtiglichen 
bitten, nun nehmt es, fo lieb euch alle Frauen find, Ich 
nahm das Speer willigli und dankte der Botfchaft, und 
hieß die minniglihe Magd fagen, ich wäre bereit, alles 
zu thun, was fie mir gefagt. Die Magd dankte und ritt 
in hohem Muthe von dann." 

„De wappnete ich mic und band den Helm zu 
Haupt, ich nahm Speer und Ship; da Fam auch der 
Ehrengehrenbe Über den Anger geftapft, er führte an feis 
nem Speer ein gutes Rifen, und ein Schapel auf feinem 
Helm, dad von Golb und Perlen lichten Schein gab, er 
mochte der’ wohl zu Dienften leben, die ihm dad Kleinod 
gefchen?t hatte. Wir waren jegt fo nahe gekommen, daß 
ed Zeit war zum Puneis, jeder beflied ſich, daß er fchöne 
geritten kaͤme und nicht fehlte, wir trieben nun mit ben 
Sporen zufammen, und die Speere blieben nicht ganz; 
ed geſchah ein fchöner Tioſt, ich flach ihm den Helm vom 
Haupte, und die Nifen an feinem Speer vorn blieb in 
meinem Schilde, fein Tioſt bohrte mir weite Luden, oben 
wo des Schildes Rand mir dedte das linke Achfelbein. 
Sein Helm war ihm ſchnell aufgehoben, und ih fah noch 
6 Ritter gezimirt gegen mich traben, jeglicher führte ein 
Speer, die wurden von mir angerannt, ich vermißte kei⸗ 
nen, ihrer trafen mich aber nur viere. Die zween, bie 

3* 


⸗ 


20 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


mein da vermißten, waren traurig, der Wirth ſelb fuͤnfte 
holte da die Fingerlein. Ich band den Helm vom Haupte 
und ritt in meine Herberge, wo ich gut Gemach fand, 
Am Abend fah man die Ritter mit einem wonniglichen 
Buhurt kommen, ba ward ritterlich geritten vor meiner 
Herberge, es Tonnte Fein Buhurt fchöner Tein; da faß ich 
in einem $eniter, und fah die Arbeit der Ritter, ich war 
wonniglich gekleidet, recht wie eine Koͤniginn. Des Bu: 
hurts war nun genug, und aus meiner Herberge gab 
man ben Rittern des guten Weines viel, denn nach Arbeit 
trinkt mancher Mann gern, ich hieß ihnen Tchenfen in 
Köpfen, in Näpfen und filbernen Schalen, ba neigten fie 
mir alle und fuhren in ihr Gemach. Da hatte mein 
Kammerer 4 meiner Rödlein zur Waͤſche gegeben, das 
ward eine edle Frau gewahr, und aldbalb Tandte mir daS 
ſchoͤne Weib ein Rödel, fie gebot der Wäfcherinn auf ihren 
Leib, daß fie es verbürge unter meine Rödlein, darim 
war ein Brief, ein Gürtel und ein Schapel gebunden; fo 
empfing ed mein Rammerer und wurde deſſen nicht inne, 
worliber er nachher Verdrus hatte.” 

„Als der Tag gelommen war, hörte ich Meſſe, dar⸗ 
nach ließ ich mit mein Wappenkleid anlegen, meine Po⸗ 
ſauner blieſen mit Schalle eine ſuͤße Weiſe, damit thaͤt 
man den Rittern kund, daß ich bereitet waͤre; mancher 
hochgemuthe Mann wappnete ſich, in den Gaſſen trug 
man Schilde, Helme und Speere. Da zog ich fuͤr die 

Stadt. Herr Mathie hatte fein Gezelt mir wieder in 
Weg aufgeichlagen, er hielt da vor dem Gezelt ſchoͤne ges 
zimirt auf bem Plan, da ſtapfte ich zu ihm und er nahm 


5 Abtheil, Bewillkommnung der Ritter ꝛc 21 
ſein Ros mit. beiden Sporen, da warb ein Tioſt fo ritter⸗ 
‚U: und ſo wonniglich geritten, daß ich nie es ſchoͤner 
„babe geſehen, die Schilde kluben ſich von ber Tioſt und 


hoch flogen die Splittpe von den Schäften. Da waren. 


auch aus der Stadt. wohl dreißig Ritter gefommen, ba 
nahm man die, Roffe mit Sporen, und mancher ſchoͤne 
Puneis ward geritten. Da lag das Felb vol Splitter; 
mit 41 Rittern flach ih, auf wekhe ih 9 Speere ver⸗ 
flach, zween verfehlte ich, darauf band ich meinen Helm 
ab... 7 Zingerlein gab ich dahin, Die fie wohl verbient 
hatten, die vier, besen Speer ganz blieben an dem Zuge, 
woren zornig, baß fie mein verfehlt hatten. — Zur Klaufe 
‚batte ih zu Nacht mein Gemach. Am andern Morgen 
ſtach ich mit dem von Liunz ritterlich, er und feine Ges» 
‚ fellen verbienten drei Zingerlein, das geſchah ohne Fehlen. 
An dem Lage zog ich bis zum Thor. — Am andern 
Morgen hub ic) mich früh von bem Thor, ba hatte fich 
. auch ber Fuͤrſt von Kaͤrnthen fchon auf einen grünen 
Anger gelegt, ex lag bes Imbiß wegen ba, was er immer 
gerne auf dem Grafe pflog. Bei ihm lagen wohl hundert 
Ritter. Da ich ihn fo vor mir liegen fah, ſagte ich aus 
hohem Muthe: ich fehe dort Ritterfchaft gegen mich liegen, 
des bin ich von Herzen froh. Da hieß ich meine Poſau⸗ 
ner blefen, ihre Blaſen erſcholl Laut und füße. Da der 
Herzog und die Ritter den Schall von den ‚Rofaunen er⸗ 
hörten, ſprachen fie: wer zieht da zu und? Man fagte: 
die Königin fährt, daher,’ wie ihr ihre Briefe gehört habt. 
Sie fprachen:. die fei willkommen, wir follen fie bier 
Schöne empfangen, Der Zürft und feine Gefellen hießen 


> 
. 


92° Beoelter Abſchnuitt. Rittetleben. 


mich willfommen fein, fie tiefen: Buge waz primi gralva 
Benus! (Gott willlommen, Königin Venus!) Sie hießen 
mic; fragen, ob ich tiofliren wolle; ich ſprach: ja. Da 
wappriete ſich mancher Biedre Mann, und: 50 waren bald 
in ifren Harnifchen, die alle tiofliren: wollten. Der zuerft 
gegen mih Fam, war ein biedrer Dann, der hieß ber 
fchöne Herrmann von Dfterwiß, feine Tapferkeit war weit 
erkannt, Wir Beide ritten einen ſchoͤnen Tioſt: weiche! 
weich! rief man dort und bie; man fah Die Speere auf 
beiden Helmen brechen, und bad Feuer fprang aus ben 
Helmen. Man gab mir ein ander Speer, und mein Herr 
Chol von Finkenftein kam gegen mich, ber konnte wohl 
tiofliren, denn er verflach einen Speer an meinem Helme, 


das meine zerbrach an fenem Schild. Fuͤnfzehen Speer 


wurden: da auf: mich verſtochen, ich verſtach 16 Speer, 
worauf ih meinen Helm abband. Ich yab benen 45 
Fingerlein, die fie verbient hatten, worauf ich mit Freu⸗ 
beit nach Wilach zog, durch das Raſtthal. Der Fürf aus . 
Kaͤrnthenland zog mit mir und zu Bi worb mancher 
Speer verſtochen.“ 

In der Nacht hatte ich zu Vilach gut Gemach, am 


andern Tage hoͤrte ich eine ſchoͤne Meſſez ich hatte won⸗ 
nigliche Frauenkleid an mich gelegt, und fo ging ich nad 


ber Kirche, worüber mancher Mann lachte. — Da Fam 
ein Bote, der ſprach: edle Königin, ihr ſollt jeht gewapp« 
het fein, die Ritter find ſchon bereit und ziehen anf dus 
Feld. Ich wappnete mich alsbald in meine weißen Wap⸗ 


penkleid und zog auf das gelb, wo ich wohl 40 Ritter 


fand. Herr Swikker von Frauenftein Führfe gehen mic 





5, Athell: Bewillkommnung ber Ritter x. 23 


ein ftarkes Speer, das er mir auf der Bruſt verſtach, 
mein Speer blieb eben fo wenig ganz. Da kam gegen 
mic ein biebrer Mann, Rudolf von Rafe, ein edler Ritz. 
ter, der nie Fuß breit aus der Bahn der Ehren trat, bee 
reine Hochgemute flad) mir meinen Helm ab unb ich vers 
wunbete ihn am Arm, das that mir fehr leid. Nun warb 
auf dem Selbe bie und bort viel tioflixet, das Felb lag 
der Splittern voll, Ich verflach ba 15 Speere, dann zog; 
ich in mwine Herberge unb gab 12 Zingerlein benen, bie 
fie verdient hatten, Dann entwappnete ich mich und Pleis 
dete mich als ein Weib, in einem Fenſter ſaß ich ba und 
vor mir erhub fich ein Ritterfpiel, ed wurben ba wohl 50 
Speer: vor mir verſtochen, welches auf dem Markt geſchah. 
‚ Nun warb ed Abend, und da fie vom Morgen bis zum 
Abend Ungemach gehabt Hatten, ſah mancher die Nacht 
fehr gern, weicher mäbe war, mander wollte ben Frauen 
gern noch mehr dienen, was der Abend da hinderte. Als 
der Dritte Tag Fam, zog ich nach Feldkirchen und wohl 20. 
Ritter folgten. mir, — Auch kam Here Zacheus vom 
Himmelberg, weit von feinem Gefang bekannt, ber hatte 
ein Noͤnchslleid Aber feinen Harniſch gelegt, eine ſchwarze 
Kappe ımb auf feinem Helm «in Haar, dem war eine 
breite Platte gefchoren, Er hatte einen theuren Eid ge: 
than, daß er bie Königin, nieberfiechen wollte, 11 Ritter 
kamen da gegen mich, auf bie ich 10, Speer verſtach, 
ihrer jeglicher brach auch feinen Speer auf mich, Da das 
der Mönch gewahi wurde, kam er gegen mich auf den 
Ring, das war aber umſenſt, mir warb ber Helm 
abgenommen, und ich ließ ihn fagen, ba er Moͤnchskleid 





24. Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en. 


an habe, und auch Moͤnch ſtatt Ritter ſein wollte, ſo 
wollte mit ihm die Koͤnigin nicht Ritterſchaft pflegen; 
da ritt ich in meine Herberge, wo mir ein gutes Gemach 
bereitet war. Als der andere Tag erſchien, ſchied ich von 
dannen und zog bis St. Veit. Als man dort meine An⸗ 
kunft erfuhr, warteten die Ritter nicht lange, ſie ritten 
mie entgegen und ich warb als ein Freund von ihnen em⸗ 
pfangen. Ich zit in Die Stabt und ließ den Rittern 
fagen, wer mit mir tiofliren wolle, der folle ji) wappnen. 
Alle. wappneten fich freudig, wohl 25 werthe Ritter. — 
Auch der Möuch mit einem neuen Speer war wieberges 
Sommen. De ich ihn gegen mich halten fah, ſprach ich 
in Ungemuthe: wahrlih, ich fleche gegen euch nicht! 
Sogleich band ich den Helm ab und fuhr in meine Her: 
berge, wo ich die Nacht gut Gemach hatte. Am andern 
Tage bereitete ich mich wieber auf die Fahrt und ließ die 
Nitter fragen, ob einer tiofliren wolle. Da waren am 
Morgen: 6 bereit, fogleich nahm ich ein Speer und gegen 
mich ritt Herr Ortolf von Oſterwitz, bie Splitter ſah 
man fliegen und die Speere brachen an beiden Hälfen. 
Herr Wichard von Garlöberg Fam nur mäßlid gegen 
mid, davon fein Speer auch ganz blieb” u. f. w. 

„Der Möndh kam in Moͤnches Weife wieder, und 
wollte an mir Preis erjagen, ba fagte ihm mein Bote 
“von mir, fo lange er Mönchen Kleid führte, wuͤrde ich 
Mit ihm nicht ſtechen. Der Moͤnch fprac aus hohem 
Muthe: fo fahr ich ihr doch immer nad), wohin fie immer 
fährt, fie mus mit mir tiofliren, das kann nichts anders 
als der Zod hindern. Da ritten bie Ritter alle zu mir 








5. Abtheil. Bewiltkommnung ber Ritter x. 25 


and ſprachen mit Zuͤchten: Fraue, ihr follt uns das ge⸗ 
waͤhren, was wir euch bitten, daß ihr mit dieſem Moͤnche 
hier ein Speer verſtecht, welche Kleiber er auch traͤgt, da 
fein Muth auf Ehre ſteht. Ich ſprach: da ihr es fo zuͤh⸗ 
tig begehrt, will ich es euch gewähren. Ich ließ. mir ein 
Speer geben, und marhte. ven Puneis lang, denn ich war 
ihm von;.Derzen gehas, ich hatte recht ben Willen ihm 
feinen Heim zu treffen. Er verſtach fein. Speer ritterlich, 
auch traf ihn meine Hand fo, daß er hinter dad Ros fiel 
und finnlod da lag; ber Fall that mir-menig leid und ber 
Biedre mußte noch, Spott bilden. Ich hatte ihm durch 
ben Helm geſtochen und gab- ihm und den andern 14 Fin⸗ 
gerlein. . Damit ritt. ich mit Zreuben von bannen und 
kom an dem Tage nach Frieſach. Dort war mancher gute 
Ritter, der meiner. wartete; ich ward von ihnen minnig⸗ 
lich empfangen und ſchon vor. ber, Stadt ritten: fie mir 
entgegen. Sie fragten zuͤchtiglich, ob ich bed Tages da 
ſtechen wollte, ich ſprachr jaz da baten fie mich allge⸗ 
meine, daß ich bis zum Morgen. früh warten ſollte. Was 
ihr geliebet, fol gefihehen, ſprach ich und. fuhr in meine 
‚Berberge, ‚vor ber. großes Gebränge von einem Buhurt 
würde; es wurbe kuͤnſtlich und zittewlich geritten, man ſah 
viel Schilde brechen, das Spiel wurde bis auf ben Abend 
getrieben, daß die Roffe fchäumten. Als der Abend Fam, 
muſten fie ihren Buhurt laſſen.“ 

„Die Nacht nahm ein, Ende, ba -wappnete ic mich, 
jo thaten die Hochgemuten, ich zog auf das Feld, ſehr 
fröhlich ,-. daß ich meiner: lieben; Frauen wieber dienen follte. 
Auf dem Felde hielt Herr Konrad vyn Medekke, ber 





26 Ä Zweiter Abſchuitt. Nitterleben. 


rannie mich ritterlich an, fein Punris war ſchoͤne und 
lang, er trieb fein Ros mit ben Sporen und dachte auf 
Frauenlohn, er verſtach ritterlich fein Speer, daß ich es 
an meinem Halfe empfand, ich machte Ihm in feiner rech⸗ 
ten Hand eine Wunde, was wir inniglich leid that, denn 
er mar. eim mannlicher Ritter, —: Mit 7 Rittern ſtach ich 

und zog von bannen, 5 Bingerlein gab id) ihnen. Man 
fah mic; gen Scheuflich veiten in das werthe Steietland, 
49 Ritter ritten mit mir und nus flnf warteben meiner, 
die zitsen mir mit freundlichen Gruß ’entgegen. Got 
willkommen, Venus, edle Koͤnigin, zu Freuden in dies 
Land! Da neigte ih züchtiglich. Ich blieb die Nacht in 
Scheuflich, und am Morgen wappnete ih mid, fo thaten 
auch die Ritter, die tioſtiren wollten Da kam auf bem 
Felde wohl gezimirt gegen mid; ein biedrer Mann, Herr 
Ilſung von Schtufli, der immer nach Ehren und Rit: 
terönamen rangs — er führte in feiner Hand ein Speer, 
daran viel Meiner Schellen hingen; er nahm fein Ros 
mit den Sporen und ach mir meinen Schild vom Arm, 
daß ale Riemen wie von einem Donnerfthlag brachen, 
der Tioft erflang, mein Schild fiel him, auf feiner Achfel zer⸗ 
brach mein Speer, wie man dinen großen bütren Aſt von 
einem Baum abreißt. Nie babe ich jemals von einem Bioft 
einen ‘fo großen Krach gehört, weit weg ftoßen feine 
Schellen, die Schilde zerfluben ſich. Nach dieſem ſchoͤnen 
Tioſt ſtach ich noch mit.4 Rittern, und gab ihnen 5 Fin⸗ 
gerlein, fie ſprachen: wahrlich, dieſe Kongin fährt eine 
ſchoͤne Fahrt, Gott hat fie bisher beſchuͤtzt, der muͤffe ihrer 

ferner pflegen. So zog ich im hohen Muthe nach Juden⸗ 





5. Abtheil. Bewillkommmnung ber Mitter cc. 27 
Hürg. Ich: wähfchte, daß meine werthe Fraue meinen 
Muth: zu Ar: erkennten moͤchte md: daß fie; mie dan 
gnaͤdig wre: Zu Judenburg empfing man "mich feeuhbs 
Aich, ih hatte die Nacht gut Gemach, und als der Toy 
Jam; wappnete ih mich und Ahr gezimitt auf vas Bein, 
da hatten ſich auch 9 Ritter ſchoͤn gegen. mich gezimitt, 
anf die id Speer ohne Fehler verſtach, 3-verfeßlten da 
Meiner undb ih gab 6 Fingerlein. Freudig hob ich mich 
dann gen Chautelfelde zu Thal an der Mur bin. Am 
andern age verflach ih 2 Speer und gab 2 Fingerlein. 
Muich Lioben ritt ich und fand da wohl 20 Ritters ich 
ward von ihnen minniglich empfangen und dankte ihnen 
Freundlich. "Ich 'rift in meine Herberge und als am Mor: 
‚gen die Some alifging, hoͤrte ich in det Gaſſen den Ton 
von Floiten; die Ritter zogen ſchoͤn gezimirt auf das Feld, 
in leuchtenden Waßpenklelvern. Ich wappnete mich in 
ein: Wappenkleid weiß wie ein "Schwan, und fuhr mit 
16 Speeren nuf das Feld, "Da kam gegen mich Herr 
Dietmar von Slkeir, wir trieben eilig die Roſſe auf ein⸗ 
-aitder und die Speere fielen als Heine Stuͤcke in das Gras, 
Ritterlich Fam dann gegen mi Herr Sifrit von Lorfidl, 
unfre beiden Speere Trachten und die Splitter flogen. . 
43 Speere wurden ba auf mich verſtochen, und ich ver: 
fehlte dreier Tiefe, 13 Fingerlein gab ich hin. 

„Von oben zog ich zu Thal hinab, wo bie Mur; 
ihren Fall hat-in die Muhre, das: ift ein fifchveiches Waſ⸗ 
fer, bei dem ritt ich zu Berge unter eine Burg, bie febr 
hoch liegt weiche Thapfenberg heißt, und im Gteferlande 
wohl bekannt iſt. Auf der Taß ein Wirth, der immer den 


Pr 


28 3Zrxweiter Abſchnitt. RNitterieben 


Muth, hatte, alles Lob zu. erwerhen, das einem "Ritter 
geziemt, er war milbe, kuͤhn uud wohlgezogen, der hieß 
Wulßng. von Stubenberg, er way reich an Leuten unb 
an Sub, und lebte loͤblich. Als der 'chrbegierige Mann 
‚meine Ankunft hörte, ſprach er: die edle Königin fol mir 
willkommen fein. Der Hochgemute ließ meinen Boten 
verkünhen, beß fie Ihr. Kaufen fein ließen, ex fprach: bie 
edle Königin foH es von. mir bie nehmen. _ Da man -fie 
nicht mollte kaufen laſſen, wolten. die Boten fortgehen, 
er ſprach: mein, ihr follt Hier bleiben, da eure Fraue auf 
ihrer Fahrt fo gemushet iſt, daß fie nichts umſonſt nehmen 
wid, fo kauft nur fo. viel ibe immer wollt, fie follte aber 
lieber bei mir bie fein, denn ich gebe ihr gerne. . Mein 
Schaffner ſprach: Das lohne euch Sott, denn ihr Muth 
ſteht ſo hoch, daß ſie uns auf das Leben verboten hat, 
etwas anzunehmen, das. man ihr: umſonſt geben wolle, 
Da hieß ber Hochgemute alsbald meinem Wirthe kund 
thun, fo lieb ihm das Leben ſei, ſollte er mir ben Kauf 
ſo geben, daß er fuͤr das, was drei Mark werth war, nur 
einen Pfennig foderte. Da meinem Schaffner dieſer Kauf 
bekannt ward, ritt er eilig von dannen; bes Wiebre ſandte 
ihm wieder nach und ſagte: wo willſt du hin? — „Von 
hier, denn der Kauf iſt hier allzugut.“ — Do laͤchelte 
ber edle Mann und fprach: ich ſehe wohl, ich. mus durch 
Bucht euch ganz euren Willen laffen, ober ihr bleibt nicht 
bier, fchafft e8 nun, ‚wie ihr wollt. Damit ritt er fort 
und empfing mich ritterlich. Mit ibm. kamen wohl 30 
Ritter zu Roffe, gekleidet nad Ritters .Gisten, niemals 
ward ich beffer empfangen, als wie mich ber Zugenbreiche 


5. Abthelli Bewlllkommnung ber Ritter. 29° 


"empfing. Nach dem ſchoͤnen Gruße ritt ich in meine: Ber⸗ 
berge, wo ich die Nacht Gemaches pflog. Am andern 
Zage ward ich wohl gezimirt, und Mein minnebegehrendes 
Herz war hobes Muthes; auf dem Seide hielt koͤſtlich "ge: 
zimirt der von Stubenberg gegen mich, fein reiches Wap⸗ 
penkleid glänzte wie die Sonne, er ritt mir feinen Tioſt 
fo nahe, daß ber Stoß kaum vermieden wurde, beide 
Speere bohrten ein Loch duch die Schilde, Laut erflang 
der Tioſt und die Splittern fielen nieder und zum Theil 
die Schilde, beide Arm hatten Mahle und einige Ringe 
vom Harniſch waten verfchnitten. Ale, die bie Tioſt mit 
angefehen hatten, fagten, fie wäre ritterlich geritten. Da 
band der von Stubenberg feinen Helm ab und foderte ein 
Singerlein von mir, das Hab ich ihm mit Freuden. Dar- 
nach verſtach id noch 412 Sperre. und es gefchah nad 
meinem Willen, daß ich Feines: Ziofles verfehlte, auch 
fehlte von den zwölfen meiner Peiner, und ich gab ihnen 
42 Fingerlein. Da ritt ich mit’ Urlaub gegen Chinnen⸗ 
berg, da faß ein bieberer Mann, Otto von Buchenen, 
weit durch Zucht und Mannheit befannt. Sein Bote ritt 
mir eine Meile entgegen und fpradh: viel edle Königinn, 
euch heißt in biefem Lande ein Wendiſch Weib willkom⸗ 
men, bie will ſich mit Witterfchaft auf den Plan gegen 
euch verfuchen, wenn. ihr es ihr vergönnet, denn ich fage 
euch fürwahr, in diefem Thal ift Fein Nitter gefeflen, ber 
den Tioſt pflege, darum will fie mit Speeren gegen euch 
kommen und burch eure hohe Wuͤrdigkeit ſollt ihr ihr Tioſt 
gewähren.” Nach. mehrem hin: und wieder Heben, ba 
Ulrich die Tioſt verweigert, fagt der Bote: „meine Grau 





30 Bwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


iſt ein hochgemuter Ritter und hat ſich als ein Weib ge: 
kleidet, gr iſt ein minnebegehrender Mann und hat oft 
fein Zeben um bie minniglichen Weib gewagt. Ich ſprach: 
wenn eure Frauen ein Manz ift und er mid burd feine 
— beſtehen will und Weibskleid angelegt hat, ſo 
bin ich das inniglich froh, und ein Tioſt wird ihm ge⸗ 
waͤhrt, da er ihn auf ſo ſchoͤne Weiſe bittet. Damit ritt 
der Bote von mir und ſagte ſeinem Herrn, daß ich ihn 
mit Tioſt beſtehen wollte. Da wappnete ſich der biedre 
Mann in einen leuchtenden Harniſch, ſein Helm glaͤnzte 
— er führte ein großes Speer, ganz mit Blumen um⸗ 
wunben. So Fam ber Biebre gegen mich; ich hatte in= 
deſſen auch ein großes Speer genommen, auf zweien 
fchuellen Roffen kamen wir an. einander, fo daß die Splits 
ter hoch flogen, bie Ziof brach durch die Schilde, daß 
man es auf beiden Armen ſah. Nach diefem Fam ein 
wohlbelannter Ritter gegen mich, Ottokar Traͤge war er 
genannt, der rannte mich mit einem Speer an, das un: 
mäßig groß war, was ihm aber wenig frommte, benn ich 
ſtach ihm nad meinem Willen dad Speer durch feinen 
Helm ab den Fenſtern, baß der Helm an meinem Speer 
fiywebte, und beide Speere blieben ganz; der Helm hatte 
ihm Nafe und Mund befiraufet, daß er nicht mehr ſtechen 
mochte. Da kam gegen mich der wohlbelannte Herr Si⸗ 
bot von Reichenfelö, fein Zioft und auch der meine konn⸗ 
ten nicht fchöner fein. Weiter fand ich da Feinen Tioſt. 
Von Pruchenowe der Degen foberte da von mir fein Gold, 
und fo auch Herr Sibot, ich gab ihnen 2 Zingerlein. 
Des Taͤge ungefuͤges Speer wurde mir da, das legte ich 








5. Abthell. Bewillkommnung ber Mitter ı. 31 | 


auf meinen Wagen und gab ihm Fein Zingerlein, weis 
er-mein gefehlt hatte Deſſelben Tages zog ich na 
Murzeſlage.“ 

„Hier hatte ich die Nacht Gemach, und am andern 
Tage zog ic über den Semernik gegen Glockenig, wo ich 
6 Ritter fand. Der von Ringenberg verſtach ba ein Speer 
gegen mic, darnach fließ ich Herrn Ulrich von Zorfewel 
nieder, als ich von ihm ritterlic angerannt wurde. Dar: 
nach verſtach ich noch 4 Speer, und mehr Ritter fand ich - 
hier nit. Da ward mie mein Helm abgenommen, ic) 
gab G Fingerlein und fuhr in meine Herberge.” — Heims 
lich vitt er darauf zu feiner ehelichen Frau und blieb dort 
3 Tage; darauf ritt er nach Neuenkirchen. — „Da em: 
pfingen mic die Witter gar ſchoͤn, 9 warteten meiner; 
zuerft kam gegen mich ber biedre Ortolf von Graͤz, kit 
einem fchönen Tioſt verwundete er mich durch mein Schild 
und Harnifch in bie Bruſt; ald ich die Wunde bluten fah, 
deckte ich das Blut und die Wunde mit meinem Roͤcklein. 
Die beiden Brüber, Herr Otto und Hert Heinrich von 
Püten ritten rvikterlich gegen mich, fie vermibten mich nicht 
und ich verſtach auf fie zwei Speer Da kamen 6 Kitter 
gegen mich und ihrer aller Tioſt gerieth fo, daB bie Splits 
tern boch flogen. Als ich 9 Speere verfinchen hatte, fuhr 
ich im meine Herberge, um zu ruhen, bazu machte mir bie 
Bunde Noth; 9 goldene Fingerlein fandte ich den Mittern, 
die es verdient hatten, und ein guter Meifter verband mir 
meine Wunde. Da wurbe bie Mähre fund, daß die Kb: 
nigin non einem Tioſt verwundet fei, fo, daß fie nicht 
mehr flechen möchte; das that ben Biedern allen leid, 


pP) ⸗ 


32 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Da ich dad Härte, ſagte ich: ich will im bie Kirche gehe, 
und morgen bie bleiben, um ben Leuten zu zeigen, baf 
mein Leib gefund iſt, denn ich bin nur ein wenig ver- 
wundet, dad will ich den Leuten verbergen, unb mich fo 
ritterlich fiellen, daß es Niemand gewahr wird. Am ans 
dern Morgen Meibete ich mich wonniglih als ein Weiß’ 
und ging fo zur Kirche. Wer mich fo hochgemut zur 
Kirchen geben fah, fprach: bie Koͤniginne iſt ja wahrlid 
gefund. Um mid wurbe fo großes Gebränge, daß fie bie 
Kirchthuͤr niederdrangen, als ich wieder ans ber Kirche 
ging. Ich Hätte gerne noch ba geflochen, aber. ich fand 
Niemand mehr, und fo 309 ih mit Freuden bin zu ber 
Neuenſtadt. Ih ritt an den Charbad und fah gegen 
mich herführen ein Banner und wohl 40 Speer, das 
Banner war filberweiß und barin ein blauer Ember (Eimer) 
gefchnitten, hinter dieſem Fam ein Ritter, der hieß Herr 
Berthold; ich wappnete mich alsbald, band ben Helm zu 
Haupt unb nahm ein Speer, ba kam er gegen mich als 
ein ritterliher Mann, fchön unb lang war ber Puneiß, 
dad euer fprang aus beiden Helmen und beibe. Speere 
zerbrachen, er flach mie mit feinem Ziofle den Helm am 
Kinne, daß mir das Kinn vom Blute nad wurde. Ich 
band meinen Helm fefter und das war noth, benn feine 
Riemen waren abgerifien Da kam gegen mid Herr 
Bulfing von Herſchendorf, auf den ich brei Speer vers 
ſtach, er verfehlte aber die Tioſte. Darnach befunden 
mich 5 gute Ritter, denen der Tioſt gerieth.. Damit fchieb 
ih vom Belde und gab 6 Fingerlein bin, Herr Wulfing 
erhielt kein's, weil er-mein gefehlt hatte." 


. Abtheil. Bewilikommnung der Ritter x. 33 


Drauf fährt Ulrich gegen Defterreih. „Da ih an 
bie Biſtnic kam, ſah ich lichte Schilde, gezimirte Helme 
und weiße Speere fcheinen, Ritter kamen mir entgegen, 
die mich freundlich empfingen, es waren 30 ober mehr, 
ihr einer hieß Herr Wolfker von Gors, ein volllommener 
Ritter, der ſprach zu mir: Frau Königinn, ich will eine 
Bitte an euch begehren, laſt mich euer Gefinde fein, ihr 
font mit euer KammersAmt anbefehlen. Als er noch 
fprah , ritt der tapfre Gotfrieb von Dotzenbach zu 
mir, der fagte: hört meine Bitte, mich hat mein Here 
hieher geſandt, der euch willkommen heißt, es iſt der 

Thumvogt von Regensburg, der iſt euch zu allen Dien⸗ 
ſten bereit und bittet euch, daß ihr ihn, edle Koͤniginn, 


laſt euern Marſchalk ſein, um eure hohe Wuͤrdigkeit will 


er euch dienen. Ich hieß ihnen beiden ſagen, daß ich 
ihrer zu Amtleuten froh waͤre, wer aber mein Amt haben 
wollte, der muͤſte es mit Speeren empfangen; auch mus 
-er bie Tioſt recht thun, denn meine Amt find ritterlich 
und geben viel Mühe, mein Amtmann Tann leicht die 
Ehre verlieren, auch kann er wohl hohen Preis erringen, 
darum darf ein Bager an meinen Hof kommen, benn da 
giebt es viel Speereskrachen. Da fprach Herr Wolfker 
von Bord: Frau, an eurem Hof wird man ehrenreid, 
wenn mir euer Kammeramt wird, will ich ihm, wills 
Gott, Feine Schande machen und ed auch mit Speeren 
von euch empfangen. — Sa, das fol zu Dredficchen 
geſchehen, denn ihr feib ein fo gefüger Mann, daß ich euch 
gerne zu Gefinbe haben will, auch koͤnnt ihr Frauen wohl 
-dienen, darum fol man euch ehren, Da dankte mir ber 
3 


34 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben. 


biedre Mann und ritt hinweg nad Dresfichen, wo er 
fein Harnifh und Wappentleib fand, Dad legte er. fehnell 
on, und warb ald ein Engel gezimist. Als er wegritt, 
fprach der höffche von Dotzenbach: Hochgelobte Königin, 
was fol ic meinem Herrn fagen, daß ihr ihm Fund thut, 
denn mein Here fommt gern fruͤh zu euch? Sagt. dem 
Thumvogt, wenn er um Weib wil Preis erjagen, fo fol 
er mein Gefinde fein, wil er mein Marſchalk fein, fo 
mus er Speer mit mie brechen. Der Hoͤfſche ritt von 
mir nah Wien, wo er meine Botfchaft mit Züchten ſei⸗ 
nem Herren fagte. Des war ber Botſchaft erfreut, und 
bereitete in der Nacht fich und feine Gefellen mit glänzen 
ben Zimiren. Indeß kam ich nach Dreslischen geritten, 
wo der bievre Mann, Wolfker von Gors, meiner wartete, 
er kam gegen mich geritten, unb wie bie Sonne ſchien 
mir fein Zimir in die Augen. Als ich ihn kommen fah, 
ſprach ich: hier kommt mein Kammerer, ber auf Ritter⸗ 
weife mein Amt empfangen will. Da band ich meinen 
Helm zu Haupte, wir flapften gegen einander, unb als 
wir nahe genug gelommen, nahm ich mein Ros mit ben 
Sporen, und fo thät er dem feinen, ba ward mit Kamſt 
der Tioft fo nahe geritten, daß ſich Die Schilde beide klu⸗ 
ben, und daß die Splittern hoch flogen, auf beiden ‚Del: 
men brachen die Speer. Go hatte mein Kammerer von 
mir fein Amt empfangen. Darnach befunden mich 10 
Ritter, die 7 Speer zerbrachen, denn 3 verfehlten mein, 
biefe fchämten ſich fehr, ich verflah 14 Speer unb gab 
den 7 und auch meinem Kammerer Fingerlein, dem waren 
alle Biedern hold, ihn lebten bie Frauen und ulle Welt. 


5. Abthell. Benilltommnung der Ritter. 35 


Mein Kammerer hatte fih und feine Geſellen fehr wohl 
gekleidet, felb acht Fam er zu Fuß in ritterlichen Kleidern 
zu mir, er empfing meinen Harniſch, den er fäubern ließ; 
zu Buße führt? er mih am Baum in meine Herberge, 
gütlich ſprach der Höffche zu mir: raue, euch thut gutes 
Gemach noth. Da gebot er, daß man meine‘ Herberge 
zufperrte bis zum Morgen früh." | 

„Als der Zag erfchien, ward ich wonniglich gekleidet 
in weiße Frauenkleid; niemald trug ich fehöner Gewand, 
denn ich wufle wohl, bag ich an dem Tage manches füße 
Weib fehen würde. Als mein Gefinde bereitet war, hub 
ich mih von dann, ber biedre Mann von Gors, mein 
Kammerer, führte mich am Zaum und ging zu Fuß, er 
hatte ſich ſchoͤn gekleidet Ich ritt auf die Straße fuͤr 
Malansdorf.“ — Nachdem dort ulrich einen Boten ſei⸗ 
ner Geliebten geſprochen, der ihm ein Ringlein von ihr 
bringt, wovon ſpaͤter in ber naͤchſten Abiheilung die Nede 
feyn wird, ſchickt er einen Boten zu den Rittern, die in 
Der Nähe hielten. „Als ber Bote zu den Rittern kam, 
riefen ſie alle: Harniſch her! Sie zimirten ſich, ſo wie 
auch ich mich ſchoͤne zimirte; ich nahm ein ſtarkes Speet 
da ſah ich den biedern Mann von’ Horfchendorf gegen 
mid Fommen, ber gern mit feiner Tioſt ein Fingerlein von 
mir verdient hätte, 410 Speer verftach ich auf ihn, er aber 
verfehlte jeden Tioſt, woruͤber er ſehr zornig war, mit 
feinem 410ten’ Tioſt flach et meinen Koffe durch das 
Haupt, daß es kaum davon genas, das ‚that dem Dies 
dern leid. Ich ſaß auf ein ander Fo um mehr zu 
ſtechen, als Hert Wolfker von Gors, mein Kammerer, 

3* 


36 , Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


zu mir kam und ſprach: es ſoll nicht ſein, ich laſſe euch 
hie nicht mehr ſtechen. Um ſeine Bitte ließ ich es. Ich 
entwappnete mich und legte weibliche Gewand an mich, 
und ſo ritt ich gegen Wien mit 80 Rittern. Da ritt mir 
auf der Straße der ritterlihe Thumvogt entgegen, man 
führte vor ihm ein Banner, weiß und roth gebalbirt, 
darnach zogen 50 Armbruſt⸗Schuͤtzen hinter ihm, bie 
trugen alle ihre Armbrüfte empor, vor ihnen gingen 50 
Laufpferde, alle fchön und ſchnell, mit türkifchen Sätteln ; 
denen folgten 50 wohlgebleivete Anappen, je zween und 
zween, jeglicher von ihnen führte ein Speer; nach biefen folgte 
wieber ein Banner, To gefärbt wie das erfle, dieſem nach zog 
man 50 Roffe und eben fo viel Schilde, neu und leuch⸗ 
tend, der obere Xheil der Schilde war weiß und blau, 
- der niebre Gold, unter diefem Wappen holte ihr Here 
oft den Dank ber Frauen. Darnach , führte man 300 
Starker Speer’, alle Knechte neigten mir und zogen fchöne 
vor mir über: darnach fah man 50 Nitter in fchönen, 
genen Mänteln reiten, von denen ich wohl empfangen 
wurbe und benen ich höflichen Dank fagte, ihr Gefchmeibe 
Hang laut, indem fie zogen. Nach ihnen ritt ber biebre 
Thumvogt, — ein flarkes Pferb trug ihn, das fanft ging, 
ich habe weber ehe noch nachher fo fchönes Pferb gefehen. 
Als er zu mir Fam, ſprach ber Hochgemute höflich: Ve⸗ 
nus, viel edle Königinn, ihr feib mir willfommen, was 
ih euch dienen kann, thue ich mit rechten Treuen gerne. 
Ich neigte ipm und hieß ihm fagen, daß ich ihm mit 
Treuen ein holdes Herze trüge, ba er durch feine Wuͤr⸗ 
digkeit mir bienen wolle, fo fliege dadurch fein Preis fo 


‚ 


5. Abtheil, Bewilltommnung der Ritter ic 37 


höher. Er fprach: ich will euch immer dienen, leihet mit 
euer Marfchall = Amt, beffen ich mich geru heut unterwigs 
den möchte; ich wollte in ber Stadt berbergen und ich 
rathe euch, laſt jeden Ritter von euch die Herberge neh: 
men. Ich ſprach: was ihr gebietet, lieber. Marfchalf, das 
fol fein, denn jeder Dienft, den ihr mir thut, behagt 
mir wohl, und was ihr mir Ehren entbietet, damit bes 
reichert ihr euch felbfl. Damit rannte der Thumvogt gegen 
Wien, und feine Schügen und Knappen folgten ihm eilig, 


feine Ritter blieben bei mir und mit Freuden und Schimpf 


(Scherz) ward bie Zeit vertrieben. Der Thumvogt beher⸗ 
bergte ſich in der Stabt gemaltiglih, da war Fein Bürger 
fo reich, er mufle ihm die Herberge laffen; da das gethan 


war, bat er feine Leute, daß fie in der Stabt mit Zuͤch⸗ 


ten leben möchten. — Die $rauen waren zu Wiene gut 
gekleidet, als ich zu ihnen. ritt, alle Gaſſen maren voll 
von Frauen, davon ward ich hochgemut, von mancher 
word ich freundlich empfangen, Bor meiner Herberge 
hatte ein bieberer. Mann meiner mit giner ritterlishen 
Schaar gewartet, Herr Hadmar von Chunringe; vor 


meiner Herberge war groß Gedränge von einem. Buhurt, 


mit dem mid Herr Hadmar non Chunringe empfing. 


So ritt ich in meine Herberge. Da faß ich ih einem, 


Venſter, als ein Weib gekleidet, darum litten bie Biedern 
‚Ungemad) , denn bie Rotten ritten hin und her und ſtießen 


einander in dem Buhurt. Da hieß ich meinen Marſchalk 
ſagen, daß er ſie baͤte, es zu laſſen. Drauf ließ man den 


Buhurt alsbald und alle ritten in die Herberge.“ 
„Als der Tag erfchien, da vernahm ich eine Meſſe, 


Aa a un 2 


38 2 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


und empfahl mich Gott, wie es ſich geziemet; denn ohne 
ihn mag Niemand einen halben Tag ſeine Ehre behalten. 
Dann ging ich in meine Kammer zuruͤck und ward wohl 
gewappnet; — — da hatte ſich mein Kammerer von 
Gors ſelb achte gekleidet, daß es nicht ſchoͤner fein konnte, 
er ging zu Fuß und nahm mein Ros am Zaum, und 
mancher biedre Mann folgte mir nad. Das Gedränge 
war fehr groß, bie Senfter waren vol Frauen, beren 
Glanz meinem Herzen wohl that. Sanft ritt ich durch 
die Straßen, und 100 ſchoͤn gekleidete Ritter ritten mit 
mir auf ſchoͤnen Pferden, fie fangen und waren frob, 
babei ritten 60 gemappnete Ritter, deren Wappenkleider 
wunniglich waren. So kam ich auf das Feld, wo meiner 
der hochgemute Thumvogt gewartet hatte. Als er mich 
ſah, band er ſeinen Helm zu Haupt und nahm ein Speer 
in ſeine Hand. — Von Gors mein Kammerer ſprach: 
Frau, viel edle Koͤniginn, hie kommt der Thumvogt gegen 
euch, nehmt in eure Hand ein Speer und ſitzet feſt, denn 
er iſt ein ſtarker Mann. Man gab mir ein Speer in die 
Hand, ein andrer Ritter, Grundacker von Steir, war 
indeß herfuͤr gekommen, der mit dem Thumvogt zugleich 
gegen mich rannte, ich kam ihnen entgegen, den vordern 
fehlte ich, aber ben weiten traf mein Tioſt an ben Hals, 
wo Helm und Schild zufammen geht, fo daß dad Koller 
aufgetrennt wurde und baß ber ſtarke Mann fi etwas 
neigte, beide aber verflachen auf mich ihre Speer, und ber 
don Steir war froh, daß er ein Fingerlein von mir ver⸗ 
dient hatte. Auf dem Felde drungen fie nun fo fehr bin 
und ber, daß ich mir Beinen Ring gewinnen mochte, dad 





5. Abtheil.. Bemiflfummnung‘der Ritter x. z0 


war mir verdrießlich. Oft rannten ihrer brei- zupleich 
gegen: mich, fü groß war. zu tioſtiren ihre Gier, dann ſaß 
ich mit Kunſt deſte feſter, und bat Gott, meiner zu. be⸗ 
wahren. So ritt ih an dem Tage fo kuͤnſtlich, dag ich 
Zufammenftoßen vermied, dba ward mancher Speer vera 
Kochen und ‚mancher Harniſchring aufgetrennt. Da ich 
wohl 20 Speer verftochen hatte, Bam ein Ritter gegen mich, 
Herr Conrad von Streitwifen, der ſchon viele hohe Dinge 
um Frauen gethan hatte, er führte ein ſtarkes Speer, das 
en mir auf ber Bruſt verfiach, fo daß es mir durch bie 
Pintte drang, ich traf ihn oberhalb. des Schilbes am Halfe 
fo ſtark, daß er auf das Land fallen muſte. Davon wart 
auf bem Felde ein geoßer Schal, mancher fprach im Spotte 
fo; ei! wie die Köntginn Venus die Ritter bie nieberfticht! 
ich habe bei meinen Zeiten nie gefehen, daß Grauen alfo 
die Männer fällen. koͤnnen. Da gab man mit ein ander 
* Speer, und mein Herr Sifrit von Dotzenbach Fam gegen 
mi, ber fam mir, als er fein Speer ritterlich verſtach, 
fo nahe, daß er mir mit feinem Schilde den hangenden 
Ermel vom. Rödlein zerrte, ich traf ihn da, wo der Helm 
den ‚Aigen ihren: Schein. ‚giebt, fd daß bie Bande des 
Helmes zerbrachen und der Helm auf das Land fiel, der. 
Biedre aber blieb ſitzen. Darnach verſchwand (verſchwen⸗ 
dete, verbrauchte) ich noch neun Speere, mein Schild 

war ganz zerſtochen, daß er nur noch an den. Riemen 
hing, da Sam der Thumvogt und nahm mir den Schild 
von ber Hand und band mir den, Helm ab, er ſprach: 

viel edle Koͤniginn, ich Taffe euch hie nicht mehr flechen, 

ie Habt hie 30 Speer verſtochen, das iſt such allzuviel, 


40 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


und ich geſtatte e8 euch nicht mehr. Da nahm mich ber 
Hochgemute bei dem Zaum und ritt mit mir von den 
Lenten hinweg, wo ein Teppich niebergelegt war, darauf 
entwappnete ich mich und Pleibete mich ald eine Frau in 
koſtliche Kleider, dann faß ich auf ein ſchoͤnes Pferd und 
sitt hin, wo ich tiofliren fah; ba war ein großer Krach 
von Speeren auf dem Felde und es war ein ſchoͤnes Rit⸗ 
terfpiel. Endlich bat ich es die Ritter laffen, unb wir 
zogen gegen die Stadt. Da ritt ein Ritter zu mir und 
ſprach: viel edle Königinn, mein Herr, Herr Habmar 
‘von Chunringe, hat euch entboten, daß er euer Diener 
fein wolle, wenn ihr hie feiner wartet, bis er gewappnet 
iſt, damit ex ein Speer nody heut gegen euch verſteche! 
Ich ſprach: fagt dem Herrn Dabmar, daß ich heut zu 
müde bin, und daß er ſich Durch feine Fuge bis Morgen 
‚enthalten möge, dann bin ich ihm bereit, und wenn er 
40 Speer gegen mic, verftechen will. Der Bote ſprach: 
edle Königinn, er fol es heute gerne laſſen, da ihr ihm 
morgen bereit ſeid. Der Bote ritt von mir und fagte 
dem Herrn Habmar, was ich ihm mit Züchten entboten- 
‚hatte, ber ſprach: ich bin es zufrieden, wenn fie e8 mors 
. gen gerne thut. So ritt ih in mein Gemach, worauf 
die Rede ging, die mir fehr leid that: die Königinn bat 
dem Herrn Habmar ihren Zioft verfagt, was fie noch 
‚ einem Ritter gethan bat, vieleicht thut fie es darum, 
weil man fpricht, er minne die Dann. Als Here Habs 
mar biefe Rebe vernahm, warb er mir von Herzen gehaß 
und ſprach: um diefe Rede mus die Königinn nieder Liegen. 
Ich hatte gutes Gemach in meiner Herberge, da kam ein 





4 


5. Abthell. Bewillkommnung ber Mittir x. 41 


Kitter zii mir, der biebre Herr Engelfchall von Königess 
Brunn‘ und that mir durch feine Zucht heimlich Fund, daß 
mir Here Hadmar gehaß wäre, und warnte mich, weil en 
fi) vermeffe, mir ein Leid zuzufuͤgen. Ich fprach) dem 
mag wohl Rath werden, wer mich mit Stoß barnieber 
zeiten will, gegen den treibe ich. mein Ros fo, daß es 
ihm wohl mas leib werben, und er zuſammt mie mus zu. 
Haufen Hegen. Ich dankte dem biedern Mann für feine 
Barmung:und ging zur Ruhe in mein Bette. Am andern 
Morgen kleidete ich mid und ritt mit manchem biebern 
Mann von daumen gegen Neuenburg, ich fuhr da ber 
bie Donau und ritt jenfeit nad; Neuenburg, wo wohl 
hundert - Ritter meiner worteten, bie wich ſchoͤn em⸗ 
pfingen.' | | 
„Wir griffen fogleih zum Nitterfpiel und ed warb - 
ein ſchoͤnes Ritterſpiel ſchon früh am Morgen getrieben, 
zuerft flach mit mir Herr Gotfried von Dotzenbach, der 
um Umfang ber Brauen warb und viele gute Lieb von 
ihnen fang. Darnach tioflirte mit mie Here Ulrich von 
Stenug; mach ihm verflah Herr Dite von DOttenflein ein 
großes Speer auf mich, dann rannte mid ber flarfe 
Mann von Ehiow an und flach einen Speer durch meinen 
Schild, daß man es weithin krachen hörte. Der arge 
Heinrich von Hakenberg . flach loͤblich mit mir, der ſehr 
arg und eben fo tapfer war. Noch mander Tioſt ge: 
ſchah wit mir und breimal wurde mie ber Helm vom 
Haupt geftochen, den ich doch mit feidnen Schnären feſt⸗ 
gebunden hatte; doch neigte ich mich nie, was bie Ritter⸗ 
ſchaft wundert. Den ganzen Tag währte bie Ritter⸗ 


42... Bweiter Abſchnitt. Ritter leben. 


ſchaft, fo daß mein Leib endlich muͤde warb, denn ich 
hatte im. Dienft meiner Frauen bis auf ben. Abend tioſtirt. 
Da nun Herr Habmar fah, daß ih wohl 40 Speer vers 
ftochen Hatte, und daß ich müde und ſchwach War wie ein- 
Weib, da thät er ein unhöfifch Ding, bean er bradte 
gegen mich einen Ritter, ber ‚mich 'nieber reiten ſollte 
Da ſprach der biedre Herr Engelſchalk von Känigäbrunue: 
Frau Königinn, fehet,..bied iſt ber. Ritter, der Mich nies 
berreiten fell, ich ſah bei :meinen Zeiten wahrlich nie ‘fo 
groß. Unfuge, ald Herr Hadmar fie begeht: Ich ſprach: 
das mag wohl Rath werben,’ wenn er mich :ded Stoßes 
nicht erläßt, fo mag ihm Schaden gefcheben,. denn ich Fenn’ 
den Pımeid beffer. Ich war ihm gehoß und machte Den 
Puneis lang, da Fam er gegen mich, ich fuchte ihm in 
bie Queere anzulommen und ed gelang wir, baß ich ihn 
mit meinem Roffe traf, daß das feine. ſtrauchen muſte und 
ich ihm den Sattel - Yaufch und Stegereif abritt, und 
hätte ihn nicht ein»Breunk gegriffen, fo maͤre er in. bad 
Grad gefallen. Da brachte Hers Hadmar einen andern 
Sattel, den man auf das Rod legte, man gab und zwei 
andere Speer, da dachte ich: es Tann nicht anders fein, 
wir müfien beide bie liegen, ober einer mus die Ehre bes 
Sieges haben. Ich trieb mein Rod an und da er ed ge: 
wahr ward, daß ich ihn mit Stoß beftehn wollte, furchte 
fi ber. Mann fo, daß er mir auswich, werüuber fein 
genug geſpottet wurde, doch flach ich ihm mit. Tioſt ben 
Helm vom Hanpte. Diefer Ritter war Herr Bope von 
Bufenberg genannt und diente den Frauen. fonder Wank. 
Der Tag war fchon zergangen, da kam ein hoͤffcher Mann 


5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter x. 43 


zu mir, ‚Herr Ruͤdiger vpn Autfchome , fein Bappenrod, 
feine Dede, fein Speer war alles von helles Farbe roth, 
er hatte oft in feemben. Landen um Ghre große Noth ers 
‚ litten... Ds es finfter geworben, fandte ich nach großen 
Litern, deren kamen viele auf dad Feld. So flachen 
wir beim Schein des Lichtes, und im Dienſt meiner 
Srauen verſtach ich noch ‚auf den Herrn Rüdiger 6 Speer. 
Daum z0g.ich in meine „Herberge und gab den Loͤblichen 
35 Fingerfein; 43 Speere hatte ich an dieſem Tage ver⸗ 
ſtochen. “ 

„Am andern Zege zog ich gegen Miſtelbach , ba 
wurbe auch viel tioflirt; ich. nerftach 10 Speer und 41 
wurden auf mir zerbrodden. De. gab ich ben 11 guten - 
Nittern: 11 Zingerlein und fuhr in mein Gemach. Des 
andern Tages ritt ih von bannen und mir folgte mancher 
bievre Mann, wohl 200 Ritter. Ich zog die Straße 
‚gegen Felöberg, wo mich ber Wirth. fehr wohl empfing, 
dad war ber Herr Kabolt.von Zelöberg, er ritt mix mit 
49 Rittern entgegen, ich wurde von ihnen ſchoͤn und 
freundlich empfangen, ber Wirth hieß mich züchtig bitten, 
baß ich mit ihm fein möchte, er ſprach: es foll die Könis 
ginn Durch Zucht hie mein Brod eflen, benn fo gern iſt 
ed ihe noch nie geboten. Ich hieß ihm fagen, daß er bie 
Bitte laſſen möchte, möchte ich von jemand bie Herberge 
nehmen, fo würde ich fie am liebſten von ihm nehmen, 
er. folle es aber nicht übel haben, daß ich auf-ber Fahrt 
von niemand etwas umfanft annaͤhme. Gr ſprach: Fraue, 
dad fol gefchehen, ‚aber ich will euch hope und klare 
Frauen fehen laſſen, die euch gerne ſchauen, und um fie, 


44 Ziwelter Abſchnitt. Mitterleben: ' 


edle Königinn, geruhet bei mir fein. Ich ſprach: bie 
Frauen will ich gerne fehen, wenn ihr mich der Herberge 
erlaßt. Da warb ber biedre Mann unftoh, daß ich es 
ihm fo gar verfügte, und ich ritt in meine Herberge. Da 
fand ich gutes Gemach, und alsbald Fam flr weine Hers 
berge Herr Dietmar von Lihtenflein in fchönem Wappen⸗ 
Heide von leuchtender Farbe gezimirt, er hielt da mit aufs 
. gehobenem Speer; da kam mein Kammerer, Herr Wolfs 
ter von Gors zu ihm, ſchoͤn gezimirt und Herr Dietmar 
von Lichtenftein ritt gegen ihn, die Splittern flogen hoch 
von ihrer beider Tioſte und manche fchöne Fraue ſah ihr 
Kitterfpiel an. Da fie noch viel tioſtirten, ſprach ich: 
bringt mir meinen Harnifch, ich kann es nicht mehr mit 
enfeben, ich mus bier auch tiofliren. Da hieß ich den 
Kittern Fund thun, wer um Frauen tiofliren wolle, daß 
ich dem bereit fei. Sogleich wappnete ſich mancher biedre 
Mann ‚gegen ini, auch ich warb gezimirt, überall war 
großer Schall ih der Stadt und wir zogen auf das Selb. 
Da Fam gegen mich ein Ritter, ber ſchon manche ritters 
lihe That gethban hatte, und immer ben Frauen wohl 
gebient und den Umfang von manchen gewonnen hatte. 
Sifrid Waife hieß der biedre Mann, der immer mit rite 
terlicher Arbeit nach hohem Preife gerungen hatte, ber 
führte ein großes Speer in feiner Hand, und ſchnell 
rannten wir gegen einander, ber Puneis war lang, Herr 
Sifrid hatte den Gedanken, daß er mich nieberflechen 
wollte, eben fo dachte auch ich, wir trafen beide fo, daß 
Schild und Speere brachen, Schild und beide Knie ruͤhr⸗ 
ten da emander, bie Schilde zerkluben fich, durch beide 


5. Abtheit. Bewillkommnung der Ritter x. 45 


"Koller ward gebohrt. Ale, die bie Tiofl ſahen, prieſen 
ſie, als ganz ritterlich. Nun rannte mich an Herr Bert⸗ 
hold der Rebeſtock, ſein Wappenrock, Schild und Decke 
war geſchachet Blau und Gold, ſein Speer zerbrach auf 
meinem Helm, daß er laut erklang, er fuͤhrte meinen 
Speer in ſeinem Schilde von dannen, der hing, wo 
Schild und Helm zuſammen gehen. Darnach verſtach ich 
noch 21 Speer; das letzte that in ſeiner ſchoͤnen Tioſt 
noch Schaden; ich hatte ein ſtarkes Speer in meine Hand 
genommen, da kam Herr Ruprecht von Purſtendorf gegen 
mich, ich flach ihm meine Lanze durch feinen Harnifch und 
Hals, daß er davon hinter das Ros fallen mufle, das 
Blut drang-aus feiner Wunde, daß das ‚Gras nas wurde, 
man wähnte, er wäre tobt, und mit berzenlichem Leide 
ritt ich deshalb vom Selbe in meine Derberge. Doc ges 
nad ber biebre Mann. Am andern Morgen wollte ich gern 
fortgeritten fein, da ließ mich züchtiglich der Wirth, mein 
Herr Kabolt von Feldberg bitten, daß ich fein Weib und 
manche gute Fraue fehn möchte. Ich fprach: um ihn will 
ich die Frauen gerne fehen, ich will heute Meffe bei ihm 


vernehmen. Da wurbe ber Bote von Herzen froh, er vers 


kuͤndigte ed fogleich dem Wirthe und. die Frauen freuten 
fi. 2 

„Ich legte ſchoͤne Kleider an und ritt in hohem Mus 
the auf die Burg, wo man mic, willig empfing; ber 
Wirth und feine Hausfrau gingen mir entgegen und viele 
Frauen folgten ihnen eine Stiege herab, deren Kleider 
fielen manden Fall ab der Stiege nach dem Zritt, ihre 
gute Geberde, ihre fanften Sitten, ihr minnigliper Schein 


1 


46 3Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


thaten meinem Herzen wohl. Da ſie gegen mich kamen, 
wollte ich durch Zucht auch nicht laͤnger ſtehn, ich ging 
ihnen entgegen, deſſen laͤchelten alle Frauen, daß ich es 
fo frei anfing und Weibeskleider trug und fo ſchoͤne Zoͤpfe, 
darüber ward da viel gelacht. Der Hauswirth ſprach: 
Frau Koͤniginn, ſeid mir willkommen. Ich neigte ihm 
mit Zuͤchten; die Frauen grüßten mich’ auch und ihrer einer 
bot ich meinen Kuß, barlıber wurde fie rofenroth, dann 
ging ih zu einer andern, die auch vor Schaam rofh 
wurde. — Ich ging ganz in Frauenfitte und bewegte 
mic fo, mein Tritt war kaum hänbebreit. — Der Wirth) 
und feine Hausfrau baten mich, da zu imbiffen, ich ſprach: 
ich thäte ed gern, nur habe ich es verlobt, und darum 
kann es nicht fein, ich habe diefe Fahrt fo gethan, ohne 
daß mir jemand etwas gegeben hat, außer die eine, der 
ich zu Dienften bin, die Bat 'mir hohen Muth gegeben, 
Mich fegnete da mancher füße Mund, fie fprahen: Frau 
Königinn, wohin ihr fahrt, laſſe euch Gott felig fein! So 
ſchied ich als ein hochgemuter Mann von den Frauen und 
ritt in meine Herberge, und fandte den Rittern Fingerlein, 
deren waren 23; 22 Speere hatte’ ich da 'verflochen. Dar: 
nach ritte ich fhöne von bann, mit einem neuen Mantel 
und einem neuen Roͤcklein; ich zog Uber die Thye in das 
Böheimland, da ftand eine wunnigliche Ane, da wappnete 
id mich und mid) beftund ein flolzer Nitter, Herr Otte 
von Schönenfirhen; die Splitter fledten in den Schilven 
und ber Zioft war vitterlich ergangen. Wohl 100 Kitter 
waren zu Felde gekommen, die ehrbegierig hin und Her 
fprengten, da wurde viel Tiofl getrieben ‚, daß oft ihrer 





5. Abtheil.- Bewillkommnung der Ritter x. 4 


drei gegen mich ritten. Als ich 15 Speer verſtochen hatte, 
kam der Vogt von Langenbach, der Thumvogt genannt, 
und verſtach ein Speer gegen mich, auch verfehlte ich fein 
nicht, .danm band er den Helm ab und ritt zu mir und 
fprah: nun geflatte ih ed euch nicht mehr, wenn iht 
auch noch fo ſtark feid, fo habt ihr doch genug geftochen. 
Er nahm mein Ros beim Zaum, fo fehr ich es ihn auch 
zu laſſen bat. Nein, fprach er, ich laſſe es nicht (und 
nahm mir dad Speer aus der Hand), viel eble -Königinn, 
ihr ſollt jegt mit Tioſtiren aufhören, dad bitte ih euch 
um eurer Frauen willen. Da ließ ich es mit fanfter 
Sitte. Ich gab ihm den Schild und band den Helm vom 
Haupte, den fliegenden Ermel von dem Rödlein warf ich - 
über mein Antlig, woburd ich doch fehr gut fah. Auf, 
dem Felde ward noch mancher fchöne Tioft geritten, Speer, 
Schilde und Helme lagen da verfireut, auch etliche Tioſti⸗ 
ver waren: auf dad grüme Grad gefallen: Da fprach ber 
Thumvogt zu mir: raue, viel edle Königinn, ihr folt 
nicht länger bei uns fein, denn eure Fahrt iſt wohl volls 
bracht, nun laſt euer Gefinde mit mir fahren. Ich that 
nad) feinem Rath und ehe ich ſchied, gab ich noch 19 Fin⸗ 
gerlein hin. Im Holze entwmappnete ih mid und nahm 
minnigli ven meinem Gefinde Urlaub, heimlich ritt ich 
mit einem einzigen Mann hinweg, ber mir hold war, das 
war des Thumvogts Knecht, der hieß Chol von Vraunho⸗ 
‘ven, dee kannte alle Straßen gegen Wien durch das Land 
gar wohl. Ich Fam bald nah Wien ımd nahm heimlich 
eine Herberge, worinnen ich 3 Tage war. In dieſer Zeit 
wurden mit Wappenkleid fin so Ritter bereitet und 


46 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


kuͤnſtlich geſchnitten. Als ich von meinem Gefinbe fortge⸗ 
ritten war, nahm mein Kammerer meine 3 Pferde, bie 
Mäntel und Rödelein, er legte alles, und was noch zu 
ben Frauenkleidern gehörte, auf bie Pferde, fo führte er 
es aus der Aue, wo er bie Ritter fand; da dieſe mich 
nicht mehr fahen, und wie mein Gewand auf den Pferben 
lag, fprachen fie: wo ift die Königinn? Mein Kammerer 
ſprach: meine Frau die Königinn hat wahrlich übel an mir 
gethan, fie hat mich bie verlaffen, daß ich nicht weiß, . 
wohin fie gekommen iſt, biefe Pferde und biefe Kleider 
find zurüdgeblieben, rathet mir, was ich damit tu? Da 
fprach der Thumvogt: kluger Knappe, es duͤnkt mich gut, 
daß ihr ed bie ben Fahrenden (nämlih Rittern) gebt, 
eure Sraue ift wohl ander Gutes reich, daß ihr diefe Gabe 
nicht ſchadet. Da fprad mein Kammerer, Herre, id) 
win euch folgen. Da gab er alles den Fahrenden und 
der Thumvogt unterwand fich meines Gefindes und führte 
es mit fih. Da ritten die Ritter wieber Über die Tye 
nach Defterreich, gen Felsberg, zu dem hochgelobten Wirth 
Deren Chabold von Feldberg, Er empfing die Ritter alle 
wohl, fie muſten die Nacht bei ihm bleiben, und gute 
Speife, Meth und Wein gab er ihnen völigid. Am 
andern Tage ritten fie bavon. Da fprach ber Thumvogt 
auf ber Straße zu meinem Kammerer: Freund, du follt 
mir fagen, wie viel Speere bat deine Fraue auf biefer 
Fahrt verfiochen? ber fprach: ich will es euch fagen, 307. 
bat fie auf diefer Fahrt verftochen, und Gott hat fie fons 
berbar bewahrt, daß es ihr nie mißlang, ich wähnte nicht, 
daß das gefchehen koͤnnte, als fie bie Fahrt begann; fie 


x 





5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter w. 49 


bat 771 Fingerlein hingegeben und ſo viel Speere find 
auf-ipr verflochen und fein einzigesmal hat fie fi nur 
geneigt ,. ſie aber hat vier Ritter ‚mit rechter Tioft auf 
das Land geftochen, Gott lafje fie immer felig fein. Da 
ſprach der Thumvogt; Gott weiß, mir warb nie feine 
fo sitterliche Fahrt bekannt, fie hat. mit Recht hohe Ehre 
davon gewonnen. Die Ritter, die dabei ritten, ſprachen: 
wer ſie nicht preiſet, der muͤſſe immer unſelig ſein, was 
fie gethan bat, mus man immerdar, auch in kuͤnftigen 
Beiten, rühmen. Da wurde viel von mir gefprochen, 
biefe redeten fo die andern fo, manche freuten ſich meines 
Gluͤckes, manchen war. es ein Herzeleid. Wohl dem, der 
fo beneibet wird!’ 

Dies iſt die ausführliche Schilderung aus dem Frauenis 
dienfte, wie Ulrich v. Lichtenflein feinen Zug ale Königin 
Venus einrichtete, Einige Jahre hernach machte er einen 
neuen Zug, als ‚König Artus, jeber Ritter muß Drei 
Speere auf ihm, ohne zu fehlen, verflechen, dann erhält 
er von ihm ben Namen eines Zafelrunders und tritt in 
feine Geſellſchaft. Von diefer Fahrt ift und leider nur 
ein Bruchſtuͤck übrig geblieben, und es wuͤrde überdies 
eine ganz unnöthige Weitläuftigkeit feyn, von Einem 
Ritter mehre feiner Zuͤge anzuführen, bie fih doch immer 
unter einander gleichen, . 

Auf äbnliche Weife mag es auch gewefen feyn, was 
und Rothe's thüringifches Zeitbuch ſchon beim Sabre 1226 
von einem thüringifchen Ritter erzählt, amd ‚zwar fos 
„Waldmann von Sattelſtaͤdt hieß ein weiblicher Ritter, ber 
wor gefefien auf Satteliädt, da hatte .er ein ſteinernes 

4 


0 | Zweiter Abſchnitt. Rittetteben. 


Haus, da noch der Wald liegt. Der war ein großer 
Stecher und Hofirer (zietlicher Hoferitter). Nun hatten 
die Herren einen Hof zu Eiſenach gehat, ber ward gele⸗ 
get gegen Merſeburg. Da begab fick dieſer genannte 
Kitter zu Eifenach vor den Herten and bat fi es aus, 
daß er zu dem Hofe gegen Metfeburg mit feinem Herren 
Landgrafen Ludewig reiten wollte, und mit ihm führen 
tine wohlgeſchmuckte Jungfrau auf einem zeltenden Pferde, 
die follte führen einen mwöhlbereiteten Sperber mit einem 
guten Stäuber, nad St. Walpurgen Tag, und wollte 
Ritterfchaft gegen einen jeglichen ehrbaen Mann dann 
wartend fein und alle Zage zu bem ‚Hofe, auf dem Hofe 
und wieber heim bis gegen Eiſenach, drei Tioſte (Ranzen- 
rennen) mit breien ehrbaren Mannen halten und wer ihn 
nieder fläche, der foüte die Jungfrauen verdienen, ben 
Zelter, ven Sperber, den Stäuber und feinen Harniſch, 
alfo er ritte. Aber die Jungfrau die follte fih loͤſen mit 
“einem güldenen Fingerlein (Ring) von einem Gulden 
(Werth). Wen er Auch nieberftäche, ber -folte der Jung⸗ 
frauen ein Zingerlein und ihm ein Zingerlein geben, ber 
jegliches eines Gulden werth wäre. Derfelbe ſtolze, maͤnn⸗ 
liche und flarfe Ritter zog Alfo mit feinem Hertn Lands 
Hrafen Ludwig zu Hofe, da mancher ſtolzer Ritter und 
waibelihe Mann unterwegend auf ihn hielt, daß ihn mie⸗ 
mand niederftach und brachte feine Jungfrau wieder mit 
feinem Herren, und mit den ehrbaren Frauen, bie ba mit 
‚ fuhren gegen Eiſenach, und die Jungfrau brachte dlfo 
viel guldne Fingerlein, daß fie ale Hoffuitgfrauen begabte.“ 

An ritterlihen Aufzuͤgen, die wohl mit zu dieſer 





“s. Abtheil. Bewiltkommmung der Ritter x. 51 


Abtheilung zu rechnen find, herrſchte oftmals große Pracht, 
gtoßer Aufwand, zuweilen waren fie aber auch wieder 
geringe. Bon prächtigen Aufzuͤgen Habe ich ſchon oben 


im dem Ritterzuge Ulrichs v. Lichtenſtein als Frau Koͤni⸗ 


gin Venus etwas angeführt, manches Andere läßt ſich 
noch aus dem Werke duch in dieſer Hinficht -fammeln. 
Als Ulrich feinen eben genannten Ritterzug geenbet hat 
und in Wien fih aufhält (S. 139); gewinnt er ſich so 
Ritter zu feinem Zuge und fagt num: „Als ber Sonntag 
Fam, zogen wir mit großem Schalle auß ber Stadt (Wien) 
nach Neuenburg, ich hatte ein Banner angebunden, das 
war von einem weißen Zendal, dadurch zwo Barren, 
fpannenbreit, von ſchwarzem Zendal gefchnitten waren, 
fchief nach dem Schwerbt zu Thal; großen Schall machte 
man davor, meine Pofauner bliefen eine hohe SReifenote, 
— Mein Ros ging mit Schatlady verdedt, die Dede war 
fang und-weit und mit reihen goldenen Borten gegattert. 
‚Dann zog man das Ros bed Thumvogts nach, feine 
Dede war von rothem Zendal, meiner Schilde war viel 
darauf geftreut, und mein Herze freute fich, daß er meine 
Schild tragen follte; fein Helm war ſchoͤn gezimirt. Aller 


beren Roffe, die meinen Schild trugen, zog man nah 


meinem Banner; alle ſo verbedt, wie das Ros des Thum? 
- vogts, jeder Kitter trug aber feinen fonderlichen Helm, 

doch Wappenkleid, Schild und Dede waren gleich." 
Dann (8. 255): „Dem Banner führte man unfre 
Säumer nach, bei ihnen hörte man Paufenfhlag und 
Floitenton,“ (alfo immer bie Begleitung von Tonwerk⸗ 
. zeugen: bei diefen Zügen: Zlöten, Pauken, Pofaunen); 
4* 





+ 


32 Zweiter Abſchultt. Ritterleben. 


„darnach zog man hinter einem andern Banner unfre Roſſ', 
viel Knechte ritten hinter den Roſſen, die fuͤhrten ſtarke 
Schaͤfte, nach den Knechten folgte das dritte Banner, 
hinter welchem mehr als 100 ſchoͤn gekleidete Ritter ritten, 
je zween und zween, darnach vitt ih und bei mir Here 
Nikola von Lebenberg, den hatte ich Triſtan genannt 
. @&iefe Beſchreibung faͤllt in Ulrichs Ritterzug als König 
Artus). Viele Fiedelere (alſo noch wie in den Nibelun⸗ 
gen) ritten mit uns, deren Saiten hochgezogen waren. 
So zogen wir nach Neuenſtadt über bad Steinfeld 

Vornehme Ritter hatten meiſt ein großes Gefolge, 
welches bei ihren Einzuͤgen in die Staͤdte oder auf Bur⸗ 
gen vor ihnen herſchritt. Ein Beiſpiel davon liefert der 
Parzifal (V. 525 nach dem muͤllerſchen Drucke). „So 
zog der Muthesreiche (Gamuret) behaglich in die Stadt 
(Palelamunt). Zehen Saumroſſe wurden voran geführt 
durch die Saffen und benen folgten zwanzig Knappen 
nach. Vorauf gingen feine geringern Diener, feine Köche 
und Kücenknaben. Hinter den Knappen vitten zwölf 
wohlgeborne Edelfnaben, welchen acht mit Zindel bedecte 
Roſſe folgten. Das neunte trug feinen Sattel, feinen 
Schild trug ein wohlgemuther Knappe babei. Nach dem⸗ 
felben ritten Pofauner, „„deren man auch bedarf,““ wie 
es im Gedichte heißt, und ein Zambur ſchlug und warf 
dann feine Handtrommel in bie Höhe. Drauf titten Floͤ⸗ 
tenfpieler und vier gute Zibeler; allen war nicht zu eilig, 
ſondern fie ritten langfam. Zuletzt ritt er ſelbſt (Gamu⸗ 
ret) hinten nach.“ — | | 

Kamen hohe Herrn, Kaifer, Könige und Fuͤrſten, 


5. Abtheil. Bewilikommnung ber Kitten. 53 


-zufammen, und follte biefe Berfammilung recht feierlich 
werden, ſo wurden auch die Ritter dazu eingeladen,” 3. B. 
wie Hornek erzaͤhlt, als Kaiſer Albrecht mit Koͤnig Phi⸗ 
lipp dem Schoͤnen eine Verſammlung zu Tull hahen 
wollte: „Wer von ſeinen Rittern den Kaiſer begleiten 
ſollte, ward beſtimmt, und ihnen empfohlen, fi ſich koͤſtlich 
mit" Kleinod ünd Kleidern zu verfehen, und mit allem, 
was zur Zehrung, wie zum Turnieren und Tioſtiren er⸗ 
forderlich ſei; die Unkoſten ſollten erſetzt werden.“ 
Allenthalben finden wir hier in den Erzaͤhlungen, in 
welchen etwas von Ritterzligen und ‚Fahrten vorkommf, 
daß fie bie Begleitung der Spielleute liebten und fuchten, 
Daß fie diefe nothwendig fanden, um ihre Züge munter 
und aufgewedt zu machen, fo wie ja noch. jegt zur Era 
heiterung ber Krieger, auf Heeres = und friedlichen Zügen, 
immer die Zonkunft bie wanberlufligften Lieder und Reife: 
noten angeben muß. So wird denn auch in einer alts 
deutſchen Erzählung, überfchrieben: der port (das iſt die 
Borte, ein ſchoͤnes mit Steinen beſetztes Band, ein Guͤr⸗ 
tel), erzaͤhlt, daß eine Frau, die ihrem Manne untreu 
geworden war und von. ihm verlaſſen warb, ihm nachzog. 
Und als fie in ein von ihrer Heimath entferntes Land 
Fam, entließ lie ihre. Knappen, bildete dem Wirth ein, 


fie fey ein Ritter und verlangte von ihm, er folle ihr 


zwölf begenhafte Knechte ſchaffen und jedem ein gutes 
Roß „Harniſch, Kleider und MR auch Rittersgewand. 
Der Wirth, heißt es nun, 


Daz allez gewan 
vnd ouch einen ſpilmann. 


s 
. . 
. 


54 Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en. 


Dieſe Spielleute waren beſtimmt, ein ſchallendes Betöfe 
zu maden, fobald. bie Ritter an einem Orte ankamen. 
Daher ſchiugen ſie gewoͤbnlich eine Pauke oder eine ‚Hands 
trommel (wie die eben angeführte ‚Stelle aus dem Parzis 
fal lehrt), oder bedienten fich auch vieleicht bisweilen einer 
großen Pauke. So heißt es denn auch .in ber eben ans _ 
gezogenen Stelle des Ports, als bie Kitterin nach Bra⸗ 
bant vor eine Burg kommt: 
bo hiez ſi oil vrolich 
Slahen vf einen ſchal, 
daz es doͤnte vber al. 
Daß außerdem Poſauner, Siötenfbieler und Siebeler zu 
diefen Spielleuten gehörten, haben bereits andere ‚oben 
angeführte Stellen befagt. 
Solche Begleitung von Spielmännern geht noch ſehr 
tief in die uns naͤheren Jahrhunderte nieder, und ein Reſt 
davon findet ſich im Leben des Hans v. Schweinichen, 
wo derſelbe beim Jahre 1574 erzählt: „Zogen J. 8. G. 
den 12 Februar von Liegnitz aus, nach Dresden zu mit 
2 Kutſchen. Nahmen faft niemand mit, ald Herrn Fa⸗ 
bian von Kittlig, mich und Kadpar Heilung, imgleichen 
auch zwei Jungen; fonft war Sefretär Pfeiffer unb 
ein Bogner *) zur Begleitung.” "Aus Schweinichend Les 
ben geht aber auch hervor, daß ſolche Drommeter ihre 
Stuͤckchen bliefen, wenn ihre Herten durch eine. Stadt 
ober Überhaupt wohl eigen bewohnten Dre reifen. Unges 
fähr um ben 17. Septbr. 4574 zog Herzog Heinrich nach 


’ . .r 





*) Bogenfpanner, ex wollte zum Vogelſchieten nah Dresden. 





5. Abtheil. Bewilikommaung ber Rittör ꝛc. 55 


Neiſſe, um den neu gewaͤhiten Biſchof . Gerfimann dort. . 
einzuführen: „Wie nun I. 3. ©. zu Brieg vor Tage 
mit einem Reiſigenzeng von 60 Roſſen auszogen, ging 
ein groß Feuer auf, welches zu Grotte war. Wie nun 
J. F. G. nahe an Grotfe kamen, und allda mit dem 
Biſchof ‚hätten frühftüden follen, ſchickte der Herr Biſchof 
zu 3.5.6 md ließ bitten, I. 5. ©. wollten in der 
. Stille bucchziehen und :gar nicht brommeten laffens 
bean ber gemeine Mann wäre ganz aufrührifch, wegen 
des Veandes und zugefligten Schadens,” Go auch, wie 
Herzog Heinrich nah Köln von Frankfurt a M. aus 
reiſet Cl. 192): „Rach diefem waren I. 5. ©, wieder 
auf. und fagten:fih J. F. ©. mit Roſſ' ımd Wagen in 
bie Schiffe und fuhren auf dem Rhein nah Köln zu. 
Hatte in 3. F. Gnaden Schiff acht Drommeter und eine 
Kefjibrommel, die find den Zag nicht viel flille, weil e& 
auf dem Wafler duftig zu fahren und bie fhönften Städt’ 
und Schlöffer und ‚wohlgehaute Dirfer auf beiden Seiten 
am Rhein liegen.“ Und I. ©. 195: Sie „fuhren bis gen 
Killu am Rhein und find J. 3. ©. den 30. Febr. 1576 
mit. großer Pracht und. acht Drommetern, welche: in dem 
Schiffe allezeit biiefen, ankommen. : Wenn denn das 
Mafler‚fchön heimlich war, als wenn es in Schlefien um 
Pfingfen: gewefen, Tief. dexmaßen Volk zu, daß viel’ hun⸗ 
bet -Menfchen. am ‚Rampe ftunden, ‚wie wir aus bem 
Schiffe ſtiegen, vermeinten nicht anders, denn daß wir 
weiche deute wären unb hätten Gold und: Gut genugfam, 
und koͤnute bei und: fein Mangel fein, kann aber mit 
Behand fazen, daß J. F. ©. in ihrem Beutel nicht mehr. 


56 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben. 


als anderthalb Thaler hatten und waren doch auf 2 
Nachtlagern ſchuldig geblieben.” Trotz der großen Armuth 
und des ewigen Borgens ließ Herzog Heinrich dennoch (I. 
900.) „täglich zu Zifche mit acht Drommeten blafen und 
Keffeldrommel fchlagen und hielt fih ganz fuͤrſtlich.“ 
Nachdem in Köln dem Herzöge alle Sachen abgepfänbet 
‚worden, alle Pferde und Magen in Beſchlag genommen, 
wird er doch, durch den Verein mehrer gluͤcklichen Um⸗ 
ſtaͤnde, wieder ausgeloͤſet, und es heißt nun (I. 242): 
„Sind alſo Ihro F. ©. zu Köln gelegen von dem 20. 
Sebr. 1576 bis auf ben 18. Septbr. und baben diefe "Zeit 
über, über 9000 Rthlr. darin gelaflen und fen I. F ©. 
alſo mit guten Ehren und löblichem Namen, daß fie jebers 
mann gezahlet hätten, neben einem tapfern Anfehen, aus 
der Stadt Köln, mit 6 Drommetern und einer. Keffels 
drommel, neben 54 reifigen Roffen, durch bie ganze Stadt 
gezogen und ſich jebermann fehen lafien, daß alfo bie 
Ehre ‚gleich groß war, ald die Schande wegen bes Arre⸗ 
fled geweſen.“ Diefe Beifpiele aus Herzog Heinrichs 
v. Liegnig Leben und dem Ende. bes fechzehnten Jahr⸗ 
hunderts, wo. die Begleitung von Spielleuten erwähnt 
wird, mögen genügen. 
Saftfreiheit warb geuͤbt und. war nothwendig, das 

noch unangebaute Land bot bloß den Rittern bie Burgen 
zur Herberge bar und die Schlöffer der Großen. - Darunt 
haben wir auch fchon oben gefehen, daß die Ritter und 
Adelichen in. Frankreich Helme auf ihre Wohnungen fehen 
ließen, zum Zeichen, daß jeber reifende Ritter bei. ihnen 
eine freundliche Aufnahme finden würde. Einzelne Stellen, 





5. Abtheil· Bewillkommnung der Ritter x. 57 


bereits angeführt, baden diefe Aufnahme auch fchen aus 
deutfchen Gedichten bewiefen, und bazu gehört noch fols 
gende, die in einer Erzählumg ber heibelberger Handfchrift 
ber Erzählungen flieht. „Ein Ritter war auf einer Fahrt 
zu eilem andern als Gaſt gekommen. Der war feiner 
Ankunft froh, empfing ihn freundlich und ließ ihn feine 
Frau und Tochter Tüffen (eine bereits oben beruͤhrte Sitte). 
Dem Koch warb ein gutes Effen zur Nacht befehlen und 
Dann ließ ber Wirth, da der Gaft kalt und nad war, ein 
Schönes Zeuer anmachen; dazu fehten fie ſich mit Freuden. 
Der Wirth hatte drei ſchoͤne Toͤchter, welche fi um ben 
Saft herſetzten, ihn mit freundlichen Gefprächen unterhiels 
ten, und fo verging ber Abend bis zur Mahlzeit.’ 
Was noch die fahrenden Ritter anbetrifft, fo möchte 
man dieſe, nad ben alten Gefchichten und Erzählungen, 
ihrem Zwede nach dreifach theilen, indem alle zwar auf 
Waffenkaͤmpfe audzögen, aber in verfehiebenem Streben: 
die einen, um durch ihre tapfern Thaten die Bewunderung 
ihrer Geliebten, ober der Frauen überhaupt zu erregen, .. 
Dabin mag man auch Ulrichs v. Lichtenftein Züge, bie ihn 
den fahrenden Rittern beigefellten,, rechnen; die andern 
z0gen aus; um in Turnieren und Langenrennen bie auds 
gefeßten Preife zu verdienen, Gefangene babei zu machen, 
bie fi dann mit reichen Gaben ausläfen mußten, da fie 
ſelbſt, wenn fie. gefangen genommen wurden, eine fchlechte 
Beute waren, indem fie nichts zu ihrer Ausloͤſung hatten, 
als oft nur Schulden, weil fie an Juden Nfänder verfeht, 
die reihe und freigebige Große ihnen oftmals ausloͤſten. 
Zuletzt trieben die fahrende Mifterfchaft diejenigen, welche 


68 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Bloß darauf auszogen, ihre Memnhaftigkeit: zu zeigen, 
Ehre und Ruhm zu erwerben. Solche mit reichen Ges 
ſchenken zu verfehen und alfo an- ihren Hof zu ziehen, 
- war das Beflreben aller Könige, Zürften und, ber hoben 
Geiftlichen, die einen Hof hielten... So heifit es ben auch 
in dem Gebicht: der Pfaffe Amis, einer Sammlung ſehr 
erheiternder Schwänfe, worin ein Geiſtlicher indeffen doch 
als ein zu arger Trügner auftritt, als dieſer Pfaffe Amis 
in Konftantinopel einen Bürger um reiches Pelzwerk bes 
trügt, indem er ihm einen Tahllönfigen Maurer als einen 
Biſchof vorführt, deffen Kayelan er fey und ihm benfelben 
zu Pfanpe laͤßt, während ex ſelbſt mit dem Pelzwerk 
gluͤcklich entwifcht, folgendermaßen: 


Der ist ein bisschaf riche, 
Vnd wil vil herliche 

Dise pfingesten leben, 
Vnd sol vil Rittern geben 
Kieider, ors vnd swert, 


Nicht aber bloß fahrende Ritter erhielten folche Geſchenke, 

fondern bei heben und veichen Fuͤrſten, aud andere Kür: 
ſten. Als Ottokar, König v. Böhmen, bie Wermählung 
feiner Richte mit dem: Koͤrig Bela, bie ſich fo ſchnell, 
aus thörichter Furcht der Ungern, ſchied, 1261.40 Wien 
gefeiert hatte, erzählt Ottokar Hornek von ihm: „And 
bie armen fabrenben Leute fertigte er fo gütlich ab, daß 
fie alle reich wurden. An Zucht gebrach es ihm wicht, 68 
wurde der König und ber Gaſt und jeher, der um feinet- 
willen dahin gefommen war, mit ‚But und mit Verhei⸗ 
fung fo geehrt, daB ich fürwahr weiß, daß er deshalb 
ungeſcholten blieb; denn reichlich warb bat, mas man 


5. Abtheil. Bewilllommnung ber Ritter ıc. 59 


fhulbig wer, wiebervergolten. Dad Leben eines folden 
fahrenben ind abentenrenden Ritters, ber befonders um 
Sranengunft wirbt, erzählt uns bie Handſchrift der Erzaͤh⸗ 
lungen, von der eine Abſchrift zu Heidelberg, die andere zu 
Kolocza fich findet. Hieraus gehört einiges higher, um 
bie Art und Weife zu zeigen, wie ein folcher Mitter bald 


jm Sande umberzog, bald an einem Drte, burch irgend 


einen Grund bewogen, blieb. 

„Ein Ritter und ein werther Degen, gar verwegenes 
Leibes und Muthes, hatte alle ſeinen Sinn, wie noch 
mancher frommer Ritter thut, darauf gewendet, daß er 
um Frauen Gunſt durch Ritterſchaft, die ihm manch blu⸗ 
tiges Mahl zuzog, rang. Schild und Speer waren ſeine 
Waffen, Tugend und Milde zierten ſeinen Sinn, und ſo 
ward er weit hekannt. Dieſer Ritter kam auf ſainen 
Fahrten nach Ahenteuren, wie er pflegte, in eine Stadt 
geritten. Die Leute dort waren ihm unbekannt, nur ein 
Bürger allein, ben er bort antraf, gehörte zur. feiner Be⸗ 
kanntſchaft; denn. er hatte ihn vor gefehen. Dem nahte er 
ih, redete ihn an als einen Bekannten und fragte ihn; 
antwortete: wenn ihr die fehen wollt, fo jeige ich fie euch 
bald. Morgen ift bier Kirchtag, da fehet ihr ‚fie alle und 
diejenige, welche euch am..beften gefällt, die weif’t mir 
durch ein Zeichen und Winke der: Augen. Sie thaten'ß 
and bald fiel dem Ritter eine Frau fo auf, daß. fle ihm 
nie wieder aus dem Herzen ſchied, bis fie ihm ben Ted 
brachte. Diefe Frau nun zeigte er dem ihn ‚begleitenden 
Qürger und bjefer — erkannte darin fein eigenes Weib. 


60 Zweiter Abſchtt. Mitterlebem. 


Laͤchelnd bat ihn der Bürger; "fein Saft zu fen, aber ber 
Yehnte ed, nun ganz befangenen Herzens, ‘ab nnd ging 
“alle Tage umher, wo er die von ihm geliebte: Frau ſehen 
koͤnnte. Zunaͤchſt ihrer Wohnung gewann er eine Her⸗ 
berge, damit er fie deſto öfter erſchauen moͤchte. Aber Die 
Frau nahm feine Liebe nicht an und war ihrem Manne 
getreu; der Ritter aber vwerblieb'in ber Stadt bis zu 
feinem Tode, wovon in einer der nächften Abthellungen 
die Rede feyn wird. 

Was ein fahrender Nitter ſey, einer ber auf Aben⸗ 
teuer reitet, das erklaͤrt uns auch ein altdeutſches Gedicht, 
der Iwain, worin der Ritter Kalogriant zu einem Manne 
kommt, der wild und ſchrecklich ausſehend, eine Heerde 
von ungethuͤmen Thieren weidet. Dem ſagt er: ich ſuche 
Abenteuer. Auf die Frage, was das ſey, antwortet er: 
„Nun fiehe, wie ich gewappnet bin. Ich heiße ein Ritter 
und bin des Sinned, daß ich fuchenb außreite, um einen 
Mann zu-finden, der mit mir flreitet, und ber wie ih 
gewappnet ſey. Schlägt er mich, fo wird er pepriefen, 
befiege ich ihn aber, fo haͤlt man mich fin einen Dann 
und ich werde dadurch wuͤrdiger, als ich bisher war.“ 
Das ift in wenig Worten das ganze Streben und Brmi: 
hen der Ritter, die man bie irrenden nannte und bie bet 
Don Quirdte des Cervantes in ihrer großen Verirrung 
mit fo fehr erheiternden Zuͤgen darftelt.. 

Diefe fahrenden Ritter gehen noch tief bis in bie 
Beit bed Verfalls der Ritterwuͤrde hinein. So burchzog 
in ben Jahren 1452 bis 1458 ein fchmwäbifcher Ritter, 
George. von Ehingen, wohlgeuͤbt und erfahren in Kaͤm⸗ 








5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter x. 61 


pfen und Ritterfpielen, außer feinem Baterlande auch noch 
Burgund, Frankreich, England, Spanien, Porkugat, 
focht bei Ceuta ‚mit einem Mauren, der beinahe. ein Rieſe 
war, erlegte ihn, turnierte allenthalben, wo er offene 
Schranken fand, ſchiffte nach Rhodus, befuchte das Heil, 
Grab zu Serufalem und fam mit Kleinobien und koſt⸗ 
baren Geſchenken von Königen und Fürften gluͤcklich wieder 
auf. feiner väterlichen Burg an, bie Zeugniffe feiner Mann⸗ 
lichkeit und Zapferkeit zeigend und beweifend, wie er feine 
Nitterfchaft erprobt hatte, 

Als Kaifer Marimilien der Erſte feinen erſten Reiches 
tag im 3. 1495 zu Worms hielt, Fam ein Sranzofe dahin, 
Claude de Batre genannt (wie man meinte, abgeſchickt 
von feinem Könige), ein gefürdhteter Ritter, und trotzte 
gewaltig auf feine Stärke. Kaum hatte er Pop in der 
Herberge gefunden, ald er feinen Schild an berfelben ums 
ter feinem Fenſter aushing, indem er durch einen mit ihm 
gefommenen Herold ausrufen ließ: Sofern ein Deutfcher 
Luft habe mit ihm zu kämpfen, auf Leib und Leben, auf 
Gefängniß oder auf eine Rittergabe, fo fey er zu jedem 
diefer Kämpfe bereit. Es wollte ſich nicht fogleih einer 
finden, der Luft hatte, etwas gegen biefen Prahler zu 
wagen, dem der Ruf voranging, er fey im Kampfe der 
Teufel felbf® Das verdroß den ritterlichen und wadern 
Kaiſer Marimilian nicht wenig. Er fendete feinen Herold 
ab und ließ feinen Schild mit dem Wappen von Defter- 
reich und Burgund neben jenem des franzoͤfiſchen Ritters 
aufhängen. Der Kampf warb verabrebet um ein ritter- 
liches Gefaͤngniß, und ging neun Tage ‚na ber Ausfors 


62 Zweiter Abſchutt. Mitterieben. 


derung vor fih. Gewappnet erfchienen beide auf ber 
Bahn. Keiner ſprach ein Wort zu dem andern. Die 
“ Erwartung vwiegte mit Burcht und Ungewißheit fih auf 
allen Geſichtern der Zufchauer, alle Blide waren auf bie 
- Gerüfteten gerichtet, die, als zum dritten Male die Drom: 
meten ertönten, die Lanzen einlegten und auf einander 
losrannten; fie trafen fo, baß die Stöße abglitten. Sie 
warfen die Lanzen ad, griffen nach den Schwertern und 
bieben einander eine gute Weile auf die Köpfe. Der 
Sranzofe führte unter andern einen harten Stoß auf ben 
Kaifer, ber diefem den Panzer trennte und ihn ein wenig 
verwimbete. Dergleichen aber gar nicht achtend, ging 
biefer erſt recht Präftig feinem Gegner, zu Leibe, als babe 
er biöher nur Spiel ‚getrieben, machte ihn matt’und zag⸗ 
haft, traf ihm auch dermaßen, baß er, als eben der Kais 
fer mit einem derben Stoß ihm zum Herzen rannte, feine 
Waffen firedte, fi ergab und Zum Gefängniß fich zu 
ſtellen gelobte. Alfobald wurden die Schranken wieder 
‚aufgeblafen, und ‚mit großem Jubelgeſchrei begleitete bie 
fröhliche Menge den mannlichen Kaifer, der bie Ehre der 
beutfchen Ritter fo wohl vertheibigt date, in fein Ein: 
lager (feine Herberge). 








6. Abtei. Die Frauen der Ritterzeit x, 63 


Sechste Abtheilung 


Die Frauen ber Ritterzeit; Siebe, Ehe 
und bäusliches Leben. 


Hier ift für ben, ber es wünfcht, wohl ber meifte Stoff 
geliefert, in ein unbeffimmtes Sprechen und ein fehnflichs 
tiges Vergöttern des Mittelalters fich zu verlieren und 
uns eine foldie Maſſe von Herrlichkeiten vorzuführen, 
bie in Erflaunen fegen koͤnnte, wenn man fich einem fol: 
chen geſchminkten Weſen hingeben wollte. Uns ift «8 
darum zu thun, fo viel ed nur möglich iſt, Wahrheit aus 
den Quellen zu fchöpfen, und manches muß uns daher 
in einem weit weniger fteundlichen Lichte erfcheinen, als 
eine bloß verfchönernde Darftellung gewährt. Schwerer 
wird es aber auch Hier, ein richtiges Urtheil zu fällen; 
dem Öffentlichen Leben folgt man leicht, im Kampf, Zur: 
nier,. Jagd und Waffen kann man eher die Menfchen bes 
laufthen, von dem öffentlichen Leben gibt uns die Gefchichte 
‚ immer bad melfte, aber in die ftillen häuslichen Räume, 
worin benn body gerabe dad, was der Vorwurf biefer 
Abtheilung ſeyn fol, fih um meiſten entfaltet, dahin haͤlt 
es ſo ſchwer zu folgen, wenn Jahrhunderte und ganz 
veraͤnderte Anſichten dazwiſchen liegen. Es erſcheint daher 
am beſten, weniger in dieſer Abtheilung auf ein geſamm⸗ 
tes Bild ber Gegenſtaͤnde, die in ihr behandelt werden 


[4 


64 welter Abſchnitt. NRittsrieben. 


follen, ſich einzulaffen, da daraus nur zu leicht ein ge: 
ſchminktes und entſtelltes Bild entſtehen kann, als viel⸗ 
wiehr einzelne, fuͤr ſich ſelbſt redende Beiſpiele jener Zeit 
anzufuͤhren, und es nun der Einbildungskraft eines jeden 
zu uͤberlaſſen, welche Zeichnung er ſich vom ganzen Zeit⸗ 
raume entwerfen will. 

. Wie St. Palaye in feinem Werke Über das franzoͤſi⸗ 
ſche Ritterwefen bie Bildung und dad Bemuͤhen ber fran⸗ 
göfifcpen’ Frauen befchreibt, bezeichnet dieſe etwas im All⸗ 
gemeinen, und mag daher biefe Schilberung hier voran 
ihre Stelle finden. Er fagt: „Die Höfe und Schlöffer 
der Großen waren nicht nur für die Edelknaben, fondern 
auch für das junge adeliche Frauenzimmer vortreffliche 
Schulen der feinen Lebensart und mancher anderen Zus 
genden. Hier lernten junge Perfonen vom ſchoͤnen Ge: 
ſchlechte frühzeitig ihre weſentlichſten Pflichten kennen. 
Hier bearbeitete und vervolllommnete man an ihnen jenes 
ungezwungene Gefaͤllige und jene zaͤrtlichen Geſinnungen, 
wofuͤr fie die Natur ſcheint gebildet zu haben. Den Rit- 
teen, die ſich in den Schlöffern ihres Aufenthalts einfans 
‚den, kamen fie mit zuvorfommender Höflichkeit entgegen. 
Sie nahmen ihnen bei ihrer Rüdkche von den Zurnieren 
und von ben Feldzügen die Waffen, überreichten ihnen 
feifhe ‚Kleidung und Wäfche und warteten ihnen bei 
Tiſche auf. Da fie zu Fünftigen Gattinnen eben berfelben 
Ritter beſtimmt waren, bie fi in ben Haufern einfanben, 
wo fie erzogen und gebildet wurden, fo ließen fie e& bei 
ihren Gäften weder an Sorgfalt, noch an zuvorkommen⸗ 
den Dienflleiftungen fehlen, wodurch fie die Herzen berfelben 





6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit a. 65 


feſſeln Tonnten. Sie lernten hier ihrem Gatten einſt alle 
die Dienſte und Gefaͤlligkeiten erweiſen, die ein muthvoller 
Krieger von einer zaͤrtlichen und edeldenkenden Gattin er⸗ 
warten konnte. Sie machten ſchon hier Zubereitungen’ zu 
ſeinem innigſten Lohn und zu der ſuͤßeſten Erquickung, 
für feine hoͤchſt beſchwerlichen und gefahrvollen Unterneh= 
mungen. Mit einer Begierde und mit einem Wetteifer, 
den nur warme Zuneigung bervorbracdhte, eilten fie, ihm 
zuerſt den Staub und das Blut abzuwiſchen, womit er 
fih, ihres eigenen Ruhmes willen, befubelt hatte Man 
barf daher glauben, daß das fchöne Geſchlecht in ben Ritz 
terzeiten den Verwundeten alle erforderliche und anhaltende: 
Huͤlfe leiſten konnte, die eine geſchickte und mitleidige 
Hand dem Leidenden zu verſchaffen im Stande iſt. Nicht 
Schönheit allein alfo war es, woburd bie Frauen in ber 
Ritterzeiten ſich Ehrerbietung und Liebe erwarben, ſondern 
Tugend, Klugheit, Wohlredenheit, feiner Anſtand und 
die Kunſt, ſich gefaͤllig zu bezeigen und zu gefallen. Der 
Ritter de la Tour gab in dem Unterrichte an ſeine Toͤch⸗ 
ter ihnen folgende Lehren: „ein gefaͤlliges, fanftes, fih 
ſtets gleich bleibendes Betragen anzunehmen; nicht ſchwatz⸗ | 
haft, fondern hoͤflich im Antworten, nicht flatterhaft, nicht | 
zornig, nicht keck zu ſein; eine Sache nicht obenhin zu 
betrachten, und weniger aus ſich ſelbſt ‚au machen, als fie 
wirklich wären; indem manche ihre Ausſichten auf Ver⸗ 
malungen deshalb verloren, haben, weil ſie ailzuvie ſchei⸗ 
nen. ‚wollten. “ 

Sehr bezeichnend fur die Bitdung ber Frauen fi nd 
auch i bie Lehren welche die Winsbekin ihrer Tochter ‚gibt, 

5 


66 Zwelter Abfchnitt. R itt erleben. 


eben fo wie, ruͤckſichtlich der Männer, bie, welche ber 
Winsbek feinem Sohn gibt. Diefe beiden Lehren geben 
den Inbegriff deffen, was die damalige Zeit in der Erzies 
hung zu erlangen fuchte. Ein Auszug ber Anweiſung, 
welche die Winsbefin ihrer Tochter gibt, ift daher hier an 
feiner Stelle. „Zrautes Kind, du ſollſt hohes Gemüthes 
fein, und darunter in Züchten leben, fo wirb bein Lob 
den Werthen gut und bein Rofenkranz fleht dir redhf. 
Den Ehrebegehrenden follft du mit Zlichten deinen ſanften 
Grus geben und las in deinem Herzen Schaam und Mä- 
ßigkeit ftätig fein, und hüte deine Blide; wo Lofe Merker 
find, las fie nicht umbherfchweifen. Schaam und Mäßig- 
feit find zwei Tugenden, bie ben Frauen hohen Preid ges 
währen; ſchenkt dir diefe Gott in deiner Jugend, fo grünet 
das Reis beined Heiles, du magſt in Ehren alt werben. 
Was ih die eben umberfchweifende, wilde Blide nannte, 
find bie, wenn ein Weib fill vor fih hin fehen fol und 
doch bie Blide umhergehen laͤſt, als wenn fie unftäten 
Sinn habe. ' Davon hat ihr Lob einen ſchwachen Gewinn, 
bald merkt es einer und melbet diefe unfre Sitte. Drum 
- zwinge beine Augen beffer, da8 rathe ich bir, Tochter, und 
darum bitte ih. Wenn weile Worte die Werke begleiten, 
fo find deine Sinne nicht betrogen, wenn aber die yuten 
Werke fehlen, dann find die weifen Worte nichts als Lügen. 
Wenn ein Vogel zu früh fein Neft verlaffen hat, der giebt 
fi) den andern zum Spiel und fein Wefieder wird ihm 
ausgerupft; fo, Kind, wird es bir auch gefchehen, wenn 
bu in beiner Jugend weife Rebe haft, dich aber dumm in 
Werken zeigſt. Biel wandelbar find die Männer, ſie 


— —— — u net, ade eier we — u tn — 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 67 


tragen. Nebellappen bei ſich (d. h. fie Fommen und vers 
ſchwinden leicht, wenn fie mit ihrer Rebe bethört haben). 
Die meiften Löhnen zu guten Weiden fuͤße Rede fpres 
den‘, doch ift fie innerhalb nicht ohne Verderbnis; denn“ 
werwunbet fie dich, fo müffen die Ihränen deiner Augen 
beine Wangen baden. Man fagt: die Weib haben Furzen 
Muth, dabei doch alle langes Haar; leider handelt dem 
Sprichwort manche gleich, fo daß es bewährt wird, Wie 
e8 auch um die Untreue der Männer ficht, wir Frauen 
follen fefler fein, und im allgemeinen denen Has tragen, bie 
ihre Bucht nicht an und zeigen; thäten wir e3, fie ſchon⸗ 
ten unfer gewis mehr. Man fol. die Frauen guͤtlich bit⸗ 
ten und lieblih in dem Herzen tragen, fie aber fellen 
zuͤchtiglich vorweigern. Wäre nun eine ſinnlich und ſchwach, 
dann mag fie fih nachher auch nicht zu fehr- beklagen; 
benn fpäte Reue ift gar nichtig und die-Wanbelbare' wird 
verfpottet, wenn ber Schade geſchehen iſt. Handelſt du ſo, 
daß dir hier kein Vorwurf gemacht werden kann, ſo biſt 
du mit deinen Sinnen auf rechtem Wege, aber behalte ſie 
auch, daß dich die Liebe nicht etwa blind mache. Gar 
weiſe Herzen ſind doch durch ihre Macht zu Kindern ge⸗ 
worden; wenn du dich ihrer Gewalt erwehren willſt, ſo 
mus dich Gott mit ſeiner hohen Kraft bewahren. Wenn 
auch die Kraft von hunderttauſend Herzen in deinem allein 
liegen moͤgte, ſo wuͤrde doch die Meiſterſchaft der ſuͤßen 
Minne endlich ſiegen; gar ſtarke Herzen hat ſie doch ge⸗ 
packt. Koͤnig Salomo, wie weiſe er war, ſein Herze 
konnte fich doch nicht ihr entziehen. Will ſich daher die 
Minne in dein Herz prägen, bu kannſt fie hicht vermeis 
5* 











68° Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en. 


ben, es ſei denn, daß bir Gott Huͤlfe und Friede gehen 
wollte. Wer nun das Zwingen hoher und ebler. Minne 
verlangt, der fol alles, was Unfuge ‚und. Schlechtigkeit 
heißt, verlaffen und fih den Werthen werth zu machen 
fuchen. Wenn bu ein Feufched Herze trägft, fo mußt du 
Lob und Ehre haben. Bil die Minne dir nun dies etwa 
nicht gönnen, und will bidy mit Gewalt zwingen, daß du 
einen Dann liebſt, der Heiles unb Ehren werth ift, fo. 
ſollſt du ihm body nichts gewähren, was nicht recht und 
fhidlih if. Hier kann dir Mutter Rath nicht helfen, 
dein eigener ſtaͤter Muth mus dich bewahren, denn wer 
zu fehr hütet und wacht über einen andern, ber ‚erfährt 
oft Schaden und wer baber anders. hütet, als er fol und. 
als es fich ziemet, der geht darauf aus, daß er Unehre 
in ſein Haus einladet. Ein reines Weib, das werthe Tu⸗ 
genden traͤgt und das wohl ſeiner Ehre huͤten kann, das 
ſoll man ſich ſelbſt behuͤten laſſen, und erſt bei einem 
Weibe dummer Sitte, das ſich ſelbſt keine Ehre goͤnnt, 
da mag man die Hut anheben. Hut iſt immer der Ehre 
des Weibes gram, wenn ſie auf nichtigen Wahn geſchieht, 
ein gutes Ende vernahm man davon noch nie; denn „ges 
zwungene Liebe iſt nichtig, da fie keinen hohen Muth 
giebt. Die Liebe fol von Herzen fommen und mit fläter, 
Treue ihre Pflicht erfennen, auf. allen Gewinn und auf 
allen Verluſt; die andere Liebe iſt flüchtig, fie fchweift da 
und dorthin. Nun Eönntefl du wohl mich fragen um. bie 
Minne: ob bie bier bei und auf Erben fei, oder ob fie 
in den Lüften ſchwebe? Darüber macht uns ein weiſer 
Mann, Doibins, klar, ber ſagt: fi fie fei ‚genannt Venut, 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛac. 69 


fie verwunde füße Herzen und mache fie nach ihrem Wil: 
len wieber gefund,; aber auch wieder ſiech, fo fei immer 


ihr Wechfel; unfichtbar fährt fie wie ein Geift und hat! 


nicht Ruhe Tag und Nacht. Die hohe, ebele Minne bes 
gehrt nur das Herz, für fie ift nicht Höhe oder Niedere 
des Standes da. Die fie in Züchtigkeit froh findet, die 
zieht fie mit fih fo hoch, daß fle ſchwachen Muth vers 
fchmähen und felbft eines Zürften Drohung kann nichts 
hindern. Die Herzen derjenigen, welche ihr behagen, 
werben eng in einander geflochten und auf die Niedern 
ſieht ſie nicht So mus ein jedes Weib hoher und edler 
Minne nachſtreben.“ Der Schlußſatz der ganzen Lehre 
und Ermahnung iſt: „ein Weib, die Lobes und Ehren 


theilhaftig ſei, die neide eine andere, welche auch vorwurfs⸗ 


frei iſt, nicht darum.‘ 
Auf eine fehr umſi ichtige und belefene Weiſe hat Herr 
Dr. Kunifd aus alten Gedichten des Mittelalterd alles 
zufammengeftelt, was auf die Frauen Deutfchlands Bezug 
hat, und ich erlaube mir, einen Theil feiner Auszüge alter 
Werke hier einzureihen. 

Bon ber frühften Sugendbildung und Erziehung ber 
Mädchen wiffen wir wenig, Zoden (Puppen) waren auch 
damals fchon der Mädchen Tiebfles Spielwerk, das geht 
aus mehrem hervor. So aus dem Ottokar von Hornek 
(Say. 174.), als Koͤnig Rudolf ſeinen Sohn Rudolf mit 
der Tochter Ottokars von. Boͤhmen, noch als Kinder, ver⸗ 
lobt: „Sie redeten kindlich mit einander; die Maid ſagte 
von ihren Tocken, wie die geſtaltet wären; er erzählte ihr 
dagegen, was fein Spring (Balke) gefangen hätte. So 


‚ 








70 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


auch im Titurel, wo Tſchionatulander mit der jugendlichen 
Sigune zuerſt über Liebe und feine Liebe zu ihr ſpricht, 
und fie, in Einblicher Unfchuld, fagt: 

| Sf Minne ein Sie oder ein Er? 

Magſt du mir Diinne erflären? 

Sag mir, was bie Minne begehr’? 

Wenn fie mir kommt, womit fo ih fie naͤhren? 

Mus ich fie behalten bei ben Doden? 

Oder ift fie ein wilder Kalter 

Ich kann ſie lieblich wohl zu Handen lockken)? 

Nachdem die Maͤdchen dem kindlichen Spiel mit den 
Puppen entwachſen waren, wurden ſie wohl unter Anlei⸗ 
tung der Muͤtter im Spinnen, Weben, Wirken, Gewaͤn⸗ 
derſchneiden und in jeder weiblichen Arbeit und Kunſt un⸗ 
terwiefen, doch warb ed wohl nur wenigen fp gut, in ber 
Schule eines weiſen Pfaffen im Lefen und Schreiben, ober 
wohl gar in ber füßen Kunft bes Gefanged und Saiten⸗ 
fpield unterrichtet zu werben. 

Indeſſen konnte dad Lefen und Schreiben bei edlen 
Jungfrauen und Frauen. auf feinen Zall etwas ganz Un 
gemöhnliches ſeyn, da ihnen fo oft zärtliche Briefe und 
Lieder zugeſchickkt wurden, und nicht felten auch zierliche 
Antwortſchreiben von ihrer Hand erwähnt werden. 3. B. 
Brauendienft S. 14: „Meine Niftel nahm Lieb und Brief 
und fandte fie meiner Frauen; als fie beides gelefen, 





») Es ift merfwärbig, daß bier Puppen und alte wieder neben 
einander ftehen; nod wichtiger wird es aber, wenn wir im 
Ottokar Hornek fehen, daß er bei ber obigen Stelle Sigune 
und Tſchionatulander namentlih mit aufüpet und es Bar wird, 
daß ihm Diefe Stelle gerabe genau vorſchwebte. 


J 


8 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ꝛec. 74 


ſchrieb ſie gleich einen Brief.‘ Und eben daſelbſt, 
‚©. 48: „Da bie Gute den Brief gelefen hatte, ſchrieb 
fie ſelbſt einen. andern Brief." | 

Bei reiferem, Alter nahmen fie fehr bald an jedem 
haͤuslichen Geſchaͤft der Muͤtter Theil. Das Weben, Be⸗ 
reiten und Anfertigen der Gewaͤnder fuͤr ihren eigenen und 
der Maͤnner Bedarf war ihnen ausſchließlich zubeſchieden 
und mag von ihnen, wenn man den alten Erzaͤhlungen 
glauben darf, bis zu einem hohen Grade kunſtreicher Voll⸗ 
endung ausgebildet worden ſeyn. In edeln und hohen 
Haͤuſern ſchnitt die Tochter des Hauſes wenigſtens die 
Gewaͤnder zu, die ſodann von den dienenden Jungfrauen 
und Maͤgden zubereitet und fertig gemacht wurden, wohin 
eine Stelle ber Nibelungen (B. 1441 ff.) zu. deuten fcheint. 
Selbft wenn bei Bewirthung fremder und lieber Säfte bie 
Hausfrau im Speifezimmer an der Tafel erfcheinen mußte, 
vertrat die Tochter unterbeffen. ihre Stelle im Hausweſen 
und blieb im Nebenzimmer bei den übrigen Kindern fin 
wie die Nibelungen V. 6702 beweifen: - 

Durch ber Bäfte Liebe hin zu Zifche gie 
biu edel Marchgravinne; ir Tochter fie bo lie 
belieben bi den chinden, ba fie von rehte fag. 

Bei fo großer Zurücdgegogenheit mußte ber Anblid 
fchöner Jungfrauen damals etwas weit feltneres ſeyn, als 
in unfern Tagen, und die Dichter ber alten Zeit unter 
laſſen daher auch nie bei Befchreibungen fefllicher Turniere 
und Feierlichkeiten. die Zahl und Schönheit. der edlen Fraͤu⸗ 
dein und rauen zu preifen, deren Exrſcheinung bad Bell 
verherilichtt. Außerdem ſah man. ſie nur zuweilen am 


72 | Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 
Senfter, oder im Münfter während der Meffe, wo bie 


Frauen ein abgefondertet Geftühl hatten, aber body fo, 
daß die Männer fie fehen Fonnten, und 'ed mag wohl oft⸗ 


mals gefchehen feyn, daß durch dad Anbliden der Frauen 
während der Meſſe „Gott da nicht viel gedient warb’, 
wie Ulrich von Lichtenſtein S. 134 feined Frauendienftes 
fagt. 
Bisweilen ſahen ſich die jungen Maͤnner und Jung⸗ 
frauen auch im Gruͤnen, beim laͤndlichen Reihentanz unter 
der Linde, oder beim Luſtwandeln. Der Mai lodte bie 
Alten unwiderſtehlich ins Freie, die ganze Natur ward 
berührig und lebendig. „Es iſt die Maienzeit, — heißt 
es in einer ſchon früher angeführten Stelle des Ulrich von 
Lichtenftein, — in welcher die Ritter nicht gerne müßig 
baheim liegen.” Man eilte in die junge Natur hinaus, 
wenn ber Mai mit aller feiner Wonne kam (Heinrich von 
Der Vogelweide I. 116.). Dann war „niemand alt’ (daf. 
417) und man gab ſich der Fröhlichkeit hin, ſchauend 


„Wonne mannidfalt” (Kilchberg I. 13). Es mar damals. 


ein froheres, frifchered Leben in und mit der Natur. 
Sehr oft fingen die Minnefinger von ben Frühlings: 
reihen fröplicher Mädchen im Mai. Hinaus eilten fie in 
ben Schatten (Nithart IL. 84.) jungbelaubter Linden 
(Chonzler II. 241.), und in Iufligen Reigen (Landegge I. 


200.) mit Gefang ſchwebten fie lieblich dahin. Zünglinge 


miſchten fi) in-ihre Zänze, aber bie Alten meinten babet 


auch, vergangene befjere und fittigere Zeiten preifend: „das 


würde man ehedem nicht gebiliiget haben, daß Mädchen 


mit Sünglingen in ben Hain zum’ Tanze gelaufen waͤren.“ 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 73 


Allezeit war ed aber für Maͤnner und Juͤnglinge ein froͤh⸗ 
licher Anblick, und gern eilten ſie daher hinaus, dieſen 
Reihen zuzuſchauen. Aber auch die Maͤdchen freuten ſich 
darauf immer ſehr und manche bedauerte, wie die Minne⸗ 
finger dichteten (Hohenvels I. 87.): daß ihnen der Anſtand 


nicht erlaube, fo „Freiheit und Freude“ mit zu genießen.. 


Ein Strohhut, aber Freiheit dabei, wäre ihnen lieber, als 


ein Roſenkranz mit firenger Bewachung, -meinten fie 


(Hohenveld I. 85.). Oft ging ed bei dem Tanze ber 
Landmaͤdchen aber auch fehr wild zu, wie Goeli II. 57., Tan⸗ 


bufer IE. 61. und vor allen Nithart IT. 81. 85. manches | 


gar Verfängliche darüber gefungen haben. 

Die Tonwerkzeuge, welche man dabei hatte, waren 
 meiftentheild ®löten und Geigen, fo wie auch ein laut 
tönendes Werkzeug, Sumber genannt, eine Art von raus 
fehender Handpaufe. Am gemöhnlichften wurben aber, wie 
noch in Tyrol, diefe Reigen gefungen, und baher die Menge 
Lieder der Minnefinger, welche Worte zu diefen Tanzwei⸗ 
fen enthalten und unter den Namen Frauentänze, Tanz⸗ 
weifen, in ben alten Minnefingergefangbüihern vorkommen. 
Je mehr man nun die Frühlings = Ergöglichleiten liebte, 
befto fchmerzlicher warb ed, wenn ber Krieg folche Luſt 
zaubte. „Da fenfzeten bie fehönen reinen Frauen, daß ber 
Tanz nichts mehr gelte, daß bie Iünglinge den Kranz 
weggemworfen und Kriegeöfleid, Sturmhaube und Schwert 
genommen; benn der Kampf hatte bie Liebe vertrieben‘ 
(Konrad v. Würzb. IT. 498.) | 

Wurden nun dieſe freubigen Taͤnze auch durch den 
Sommer und Herbſt wiederholt, der Winter mußte ihnen 


74 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


jedesmal ein Ende machen; doc eilte man zu biefer Luft 
ſchon ſehr früh hinaus, denn wir finden Reihentaͤnze er 
wähnt zu Zeiten, wenn noch. Schnee lag. Kam aber ber 
Winter, dann verbargen ſich die Frauen in's warme Zim: 
mer und ließen fi nicht mehr im Freien ſehen; fie bedeck⸗ 
teh Bruft und Naden mit weichen. Pelzwerk, vertaufchten 
ihr leichtes Leinengewand. gegen fchwerere und bichtere 
Kleidung, und Hände und Arme maren verhuͤllt (Hadlub 
11. 496.). Daber denn auch die allgemeinen Klagen ber 
Minnefinger über ‚die Ankunft des Winterd, der nicht 
bloß die Sommeraue entfärbe und den. Wald feines luſti⸗ 
gen Grüns beraube, fondern auch ihnen den Anblid ber 
bolden Grauen entziehe. Mönchen und. Krauen mußten 
indeffen auch wohl zur Winterzeit an Feiertagen. oder an 
frohen Xbenben in geräumigen Gemaͤchern bie Zeit unter 
fih angenehm binzubringen, bald mit Bidelfpiel (Würfel: 
fpielen), bald mit Zangen, befonder& mit einem, ben bie 
Alten Kovenanz nannten; aber es ift ſchlimm, daß. Diefer 
Name, fo wie viele andere ſolche Tänze, welche und. Nits 
hart (U. 76. 77.) und Burkhart von ‚Dohenveld (I. 83.) 
anführen, unſern Tagen ganz unverſtaͤndlich geworben 
find. Doch kaum war der erſte Fruͤhlingshauch da, fo 
fah man auch bie Frauen alsbald wieder in bem Wurz- 
gärtlein luſtwandeln, wo fie Rofen, Blumen und buftende 
Kräuter brachen (Burkhart von Hobenveld I. 88.), ober 
auh im Baumgarten, wo fie mande ſchalkhafte Blide 
mit jungen Männern wechleln mochten, wenigftens fingt 
Hablub (II. 193.): 





6, Abthell. Die Frauen der Rittergeit a’ 75 


Es ift ougen wunne, hort, 

So man fhone Krowen fament 
In ben Baumgarten fiht ganz 

Da hoert man ir fenften Wort, 

Wan fie fi fo wiblich fhament, 

So it achtet junge Man; 

Mon ſiht da an in fo los Geberde, 

Das der Manne fin wirt frölih gar. 


Sorgfame Mütter fahen dies, wie ſchon früher gefagt, 
nicht gerne und fie verſchloſſen daher wohl zu folchen Zei: 
ten ihren Töchtern die feſtlichen Tanzkleider im Schrein, 
um fie von jebem Ausgange abzuhalten. (Nithart II. 75. 
80. 84 — 85.) 

So fehr nun aud bie jungen Mädchen damaliger 
Zeit vor Männeraugen oft gehuͤtet und bewacht wurben, 
fo wußte doch die Liebe auch dafür guten Rath, und 
Juͤnglinge fuchten entweder durch weibliche Verwandte 
Liebesbelanntfchaften anzufnlipfen, wie Ulrich von Lichten⸗ 
flein (Srauendienft 6. 7.) durch feine Bafe, oder die Ge⸗ 
liebte in ber Meſſe zu fehen und während bed Gottesdien- 
fles bedeutende Blicke mit ihr zu wechfeln, ober auch durch 
überfandte Briefe, Lieder und Botfchaften (Frauendienſt 7. 
70. 172.) ihre Liebe fund zu thun, bie benn meiſtentheils ers 
wibert warb; ja der Minnefinger Hablub wagte es fogar, 
in ein Pilgergewand gehüllt, feiner Geliebten in ber Mors 
gendaͤmmerung, ba fie eben aus ber Fruͤhmette kam, nach: 
aufchleichen und ihr, vermittelft eines Hafens, einen Brief 
hinten an ihr Kleid anzuhängen. 

Beſonders aber wurde die Vorliebe, womit Frauen 
und Jungfrauen zum Zeitvertreib kurzweilige Bücher oder 
anmuthige Lieber zu lefen pflegten, von jungen Männern 





7° Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


und Rittern fleißig benuzt, um ihnen Geſchenke dieſer 
Art und dabei manche Erklaͤrungen in die Haͤnde zu 
ſpielen. Die Buͤchlein wurden dann aͤußerlich ſchoͤn ge⸗ 
ſchmuͤckt; man ließ ſie wohl gar in gruͤnen Sammt mit 
Gold binden, und mit Schloͤschen in Geſtalt zwei Heiner 
Händchen, wie Ulrich von Lichtenflein, da er feiner Gelieb⸗ 
ten ein Bändchen feiner Lieber überfandte (Frauendienſt 
©. 70); welches dann die Empfängern gelegentlich da⸗ 
durch ermiderte, daß fie ihm, da er zu Bogen frank lag, 
vier Büchlein überfchidte, mit dem Andenten: „da folt 
ihr eure Meile mit fürzen, denn es ift gute Hitterfitte zu 
leſen, was fchon zuvor bievere Männer um werthe Frauen 
gethan haben” (Frauendienſt 54.). | 

Unffreitig war ihnen aber doch nichts Hieber, als bie 
zur Feier ihrer Reize auf fie gedichteten Lieder, oder bie 
Liebeögefänge ihrer VBerehrer und Geliebten. „Die nah: 
men fie, laſen fie mit funkelnden Augen, minniglic 
Yächelnd und froh“ (Frauendienſt S. 149.) Doch Iafen 
fie auch gerne folche Lieder, wenn fie auch nicht an fie 
felbft gerichtet waren (Brauendienft S. 207.). 

Die Geliebte Rudolfs von Rotenburg bat ihn einft 
beim Scheiden, ihr bie Lieder feiner Sehnfucht zu über: 
fenden. Nun wußte er nicht, durch wen er fchidlich ihren 
weißen Händen diefelben übergeben folte. Doch er wollte 
lieber Tauſende ſchicken, feinen füßen Sang zu überbrin: 
gen, um vielleicht einen Habedank zu erringen. Ulrich 
von Lichtenſtein fpielte der Geliebten feine Lieber, mie be: 
seits erwähnt, durch feine Bafe in bie Hände. Einmal 
gab man ihr ein. Büchlein mit Liebeögefängen als em 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ic. 77 
Abendgebetbuch. Sie, nahm das Büchlein ‚und -wöhnte, 


daß ein, Gebet darin ſtuͤnde; fie fehauete ed an, ‚hier und 


bost,runb fank eine füße Rede darin geſchrieben (Frauen⸗ 
dienſt S. 20). Doch fie ſchidte es zuruͤck mit ber. hinein— 
geſchriebenen Bemerkung: 


Wer wuͤnſcht, was er nicht foll, 43 2.. 
Der hat ſich ſelbſt verſaget wol. 


Eine ſolche Liederſendung war freilich die beſte giebesver⸗ | 


Eunderin, und müßte deſto tiefern Eindrud machen, wenn 
ber fie uͤberbringende Diener gar im Stande war, bie 
Lieder lieblich varzufingen, wie im Frauendienft S. 60 
eine Stelle, vertont, bie. weiter unten ‚angeführt werben 
wird. 


Sur. ein ganz beſonderes Zachen der Frauengunſt. sale 


ten im Mittelalter bie golbenen Zingerlein (Ringe)... Einen 
Bing von. der Geliebteh zu erhalten, war eine ſehnlich ers 
wünfßte Freude, ‚ und die Gabe felbft war ein kollliches 
Cleinod. ” En la 2.0 . ’ 

: Geber’ hete ich von ir Tome '- 

Niht, wan ein Eleines vingerlin, 


Danne bas rich und ouch die Trone 
Mit der fürften willen were min, 


fingt Rudolf, von Rotenburg (1. .38). Solche Geſchenke 


wurden nämlich als ein Wahrzeichen ber Liche angefehen, 


heſonders wenn, ‚die Frauen dieſe Ringe ſelbſt getragen 


hatten „Sie iſt euch hold," — heißt es in Ulrich von 
Lichtenſteins FZrauendienſt (S. 124).. — „bad hat fie Euch 
wohl erzeiget, daß fie- von se Pine weißen Hand, Ed 


78 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


bad Fingerlein gefendet bat, bad u das Wahrzeichen 
ihrer Liebe fein.’ 

Indeſſen mochte doch wohl Fehr viel dazu gehören, 
ehe ein. verfländiged und ehrbares Mädchen einem Bewer⸗ 
ber fein Ringlein fehenkte, wenigflens fingt Neimar ber. 
Alte (I. 72): 


Menniger Twüre wol, der nu bie beſtat, 
Sr hete allen ſinen willen mit den wiben. 
Selaube er mir, das es fo lihte niht zeugat, . 
Wil er bie, duͤ ſinne und ere hat! — - 
Weis Got, gutes wibes vingerlin 
Dac fol niht ſenſte nu z'ierwerbene fin. 
Mütter gaben bisweilen ihren Soͤhnen und ſcheidende 
Männer ihren Frauen beim Abfchied einen Ring zum Anz‘ 
denken, wie uns ber Lohengrien &. 181 in bem britten 
Bersfage ein Beiſpiel davon erzäplt; doch gehören bie 
Beifpiele, daß Männer an rauen? Ringe geſchenkt, ww 
den feltenern. 

Was die Tracht der Frauen betrifft, fo habe ich bavon 
ſchon in ber Abtheilung von den Waffen und der Kleidung 
der Ritterzeit gefprochen; nur dies wenige hier, daß ſie, 
im haͤuslichen Leben und wenn ſie nicht geſchmuͤckt waren, 
nur aus einem Rocke beſtand, der von oben bis zu den 
Zen niederſloß, das leinene (bisweilen auch wohl ſeidene) 
Hemde barg und mit einer Fuͤrſpange auf der Bruſt, mit 
einem Guͤrtel um die Huͤften befeſtigt wurde.“ Darüber‘ 
trugen fle einen weiten Mantel. Der Kopf var frei, mit 

‚ wallenden Locken, ‚oder auch mit einem” Rifen (einem 
Schleiet) bedeckt, fo wit auch' oft "eigehfhämliche, aus 
ſtarkem Zeuche gearbeitete Hauben vorkommen, oder die 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzett c. 79 


Locken dedte auch der fchon früher bemerkte Kranz (Gchas 
pel) und ein feidenes Gebdnde, damit 

ihnen ihr fhöne® Haar 

Berführten nicht die Winde 
(heißt es in den Nibelungen B. 6631. 32). Die einfache 
Fracht wich aber duch oftmals ber ‚größten Kleiderpracht, 
an Feier⸗ und Feſt⸗Tagen und bei der Ankunft Hoher und 
lieber Säfte, wie bie Nibelungen mehr als einmal uns 
erzählen. Da wurden die koͤſtlichſten Gewande aus Laden 
und Schreinen herdorgeſucht und alled angewendet, um 
fih in größtem Schmud, in hoͤchſter Zier zu’ zeigen. Das 
von wurden die noͤthigen Beifpiele fchon in jener fruͤhern 


Abtheilung angeführt, bier ift nur noch zu bemerken, daß - 


auch die Schminke ſchon in jener Zeit wohl oft nicht vers 
fhmäpt ward, um zum Glanze der edlen Steine und der 
koͤſtlichen Gewaͤnder auch ein blühended Sefi ht zu fügen; 
benn es heißt in ben Nibelungen, als die Burgunden 
zum Markgrafen Rüdiger nach Bechebaren kommen follen, 


und fih alles zu ihrem Empfange auf das koſtbarſte 


bereitet, lobend und die Schoͤnheit und gefunde Friſche 
der dortigen Frauen noch mehr hervorhebend: 
Gefaͤlſchter Frauenfarbe viel wenig man ba fand. 

Nicht zw allen Zeiten war die Tracht der Frauen fo, daß 
firenge Sittenrichter fie Biligten. Klagen’ darliber werben 
in allen Jahrhunderten geführt, und wie um dad Jahr 
4000 'ein alter Zeitblichers Schreiber, Viſcho Dithmaͤr 
davon ſpricht, bemeifst-folgende. 5 Werkes (©. 


225 ber Urfinus’fchen Ueberfegung)” Cr „aipmiaine Mehfir- 


Chrifina öl seien hufne-Ben BEI An 


/ 
80 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſaghvon.i ihr: „Bon den Übrigen rauen a — 
Art una 2 Weile war fie ganz unterſchigzen "Eine wie die 











trägt dad, wa chergen folte, gleichfam 
feil, und zeigt es I Mi gjebhabern aufgebedt. So 
fehr es vor Gott ein Tal, in vor der Melt eine 





Algen geht, ben Frommen zum Spott, d 
Nachahmung.“ 

Aus einer Stelle der Minnelieder des Ariſtan von 
Horneck I. 46) ſcheint abzuleiten zu ſeyn, daß es zum 
Prunk der Frauen gehoͤrte, in ihren Gemaͤchern, in glaͤ⸗ 
ſernem Kaͤficht, einen Sittig (Papagei) zu haben, der 
durch ſein Geſchwaͤtz beluſtigte. Wer nicht ſeiner Frau 
. ober Geliebten eine fo theure Beluſtigung gewinnen konnte, 
der begnuͤgte fi wohl mit. einem Staare, ber ia auch 
menſchliche Stimmen naczuahmen gelehrig iſt (Heinrich 
v. Morunge I. 51. 52). 

In ihren Gemaͤchern faßen bie Frauen auf Stuͤhlen, 
die mit koͤſtlichen Madratzen uͤberhaͤngt waren, oder lagen 
auf Ruhebettlein, die mit ſeidenen Deden i, toͤſtlichen Pol⸗ 
ſtern und Kiſſen belegt waren, worin mit Sol. Bilder 
gewoben (Nibel. B. 1421): 

Da ging fie mit ihn'n ‚beiden, ba fie eh’ ba fa$, 


Auf Mabragen, bie viel reihen, td will wohl wiffen das, 
Gewuͤrkt von guten Bilden, mit Wolde wohl erhaben. 


6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeit x. 81 


.. Die Betten und Lagerfidtten in vornehmen und reis 
en Haͤuſern waren nicht minder koflbar, indem feidene 
Deden, Hermelin und Zobelfele dazu genommen wurden, 
und an Himmelbetten, die Vorhänge von arabifcher Seide 
hatten, fehlte es auch nicht. Vgl. Nibel. B, 7331 und 
die folgenden: „weiche Betten, lang und. breitz" — „viel 
mancher Kolter ſpaͤhe (zierliche gefteppete Dede) und mans 
des Beite « Dach von Arabifcher Seide;“ — „die Ded: 
lafen. von Hermelin und von ſchwarzem Zobel.“ Das 
prächtige. Schlafgemach ber Geliebten Ulrichs von Lichtens 
flein werben wir, weiter unten kennen lernen. 

Daß bei dem Empfange werther und vornehmer Säfte 
bie Mutter des Hauſes und die erwachſenen Töchter dieſe 
Fremden mit einem Kuffe begrüißten, habe ich ſchon in der 
vorigen Abtheilung bemerkt. Ihre Reifen machten die 
Frauen meift immer zu Pferde, da die Magen noch nicht 
bequem und in fonderlichem Gebrauche waren. Sie ritten 
dann gewöhnlich in Mänteln und auf ſchemmelartigen $rauens 
fätteln, So heißt e8 in den Nibelungen. V. 2293 ff: 


Heil wa da Lichtes Goides von den Mähren (Pferden) fein 
(ſchien)! 

Ihn'n leucht'te von den 3dumen viel mancher Edelſtein; 

Die guldenen Schemmel (Sättel), ob lichtem pfele gut, 

Die bradt’ man den Frauen. 


Die Nitter hoben bie Frauen auf bie Pferde und von 
benfelben, wobei fie fich bisweilen einer Art von kleinem 
eifernen Schemmel bedieuten, der leicht mitzunehmen war, 
und worauf die Frauen vom Sattel traten, damit fie kei⸗ 
nen zu großen Sprung gu machen, ober fich zu fchr den 
Armen ber Ritter anzuvertrauen haften, Wenigſtens 

6 | 


82 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſcheint dahin bie Stelle in Ulrichs von Lichtenſtein Frauen⸗ 
dienft zu deuten zu feyn, wo ed (©. 17) lautet: „Man 
hieß die Frauen von ben Pferden heben, ich nahm das 
Hebeeifen und hob. manche klare raue ab. 

Was, um eb hier beiläufig zu bemerfen, bie Vorna⸗ 
men der Frauen betrifft, fo ſtimmen fie hauptſaͤchlich noch 
mit den unfern überein, da der Kalender mit feinen Heis 
ligen immer die meiften Namen lieferte. Indeſſen finben 
fi) auch viele wunderbare und lädherlihe Namen vor, bie 
wohl meift aus Zufammenziehung und Verbrehung anderer 
befannter Namen entflanden. Es wird daher bier wohl 
nicht am unrechten Orte feyn, eine Stelle aus dem Mins 
nefinger Graf Konrad von Kilchberg J. 14) anzuführen, 
in der er eine Menge von Mädchen zu fröhlichen Reihen⸗ 
tänzen aufruft: 

Bol uf Rofe, Gepe, Hiltegart, 

Geri, Gute, trut an bie Bart, 

Irdide, Anne, Ellin, Igelgart, 

Neſe, Engel, Uebelhilt, Beate, Giſel, Ute, 

Diemut, Wille, Göge, Irmellin, 

Glare, Wunne, Ite, Minne, Tilge fin, 

Hetze, Metze, Salme, Katrin, 

Kriftin, Berte, Liebe, Adelgunt, Bite, Ute, 

Mije ' Suffie, Elſe, Uedelſint, 

Sydrat, Kunigunt, Pride, 

Heilwig, Hilte N Luͤgge, Edellint, Herburg Kint, 

Grete, Salvet, Elide, Hille, Zuge, Hemme, Fibe. 
Gleiche und andere Namen ruft auch der Nithart (U 
85) auf: Gerbrut, Chunze, Gepe, Giſel, Iüte, Hetze, 
Mebe (auffallend ftehen beide auch bei dem Konrad von 
Kilchberg zufammen), Bertha, priſel, „Heilwig, Fridrun, 
Slömut, Wilwirk, Trute. 








a eg 


6. Abiheil. Die Frauen ber Ritterzeit gc. 89 


Was die Verheirathung ber Ayngfrauen betrifft, fo 
wurbe bei hohen und vornehmen Perfonen bie Vermählung 
wohl durd Boten, Geſandte geworben, wie König Ekel 
bie Spielleute Werbel und Swemmel (Abentheuer 20 ber 
Nibelungen) an ben ‚Hof der Burgunden » Könige ſchickt 
um ſich die ſchoͤne Chriemhilt als Gemablin zu erwerben, 
Zu Zeiten geſchah aber auch wohl die Werbung muͤndlich 
und augenblicklich, wie die ſchoͤne und liebliche Stelle in 
den Nibelungen uns belehrt, als der junge Giſelher um 
des Markgrafen Ruͤdiger Tochter wirbt (V. 6709). Nach⸗ 
dem Volker, der Spielmann, die Werbung begonnen, 
Koͤnig Gernot ſie freudig anerkannt, und Hagen auch ſein 
Wort dazu gegeben, willigen Ruͤdiger und ſeine Gemahlin 
Gotelinde gerne ein, und die Morgengabe der Jungfrau 
wird gleich beſtimmt: 

Man beſchied der Jungfrau Burgen und auch Land. 
Drauf erklaͤrt Ruͤdiger: I 
Ich gebe zu meiner Tochter Silber und auch Gold, 
So Hundert Saumroſſe immer nur mögen tragen. — 
Da hieß man nun beide treten, nach ber Gewohnheit, 
in einen Kreis, | 
Und zu fragen man begann bie minniglide Maib, 
Ob fie den Reden wollte? ein Theil war es ihre Leib, 
‘Und dachte body zu nehmen den waiblichen Mann; 
Sie ſchaͤmte ſich ber Frage, fo manche Magb hat gethan. 
Ihr rieth ihr Water Rüd’ger, daß fie fpräde: ja, 
Und daß fie ihn gerne nähme: viel baldig da war da 
Mit feinen weißen Händen, ber fie umſchloe, 
Giſelher der Edele. 
Hier und ſo immer in gluͤcklichen Faͤllen, erfolgte die 
Verlobung gleich auf die Werbung. Die Hochzeit wurde 
\ 6* 


34 8weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


dann fpäter, in Gegenwart aller Verwandfen und anderer 
lieben Gaͤſte gefeiert. Am Hochzeitmorgen gingen Braut 
und Bräutigam mit den Eltern, Verwandten und allen 
Anweſenden zur Nirhe und wohnten der Meffe bei. 
Dann zug man heim, die Verlobten wurden in den Saal 
geführt, und die Anweſenden fchloffen um fie einen großen 
Ring; man fragte die Braut, ob fie den Bräutigam zum 
Ehemanne haben molle, und, war das Jawort erfolgt, fo 
forach der Priefter oder Biſchof die feierliche, kirchliche 
Weihe daruͤber. Die Zwifchenftunden füllte man mit Tio- 
fliren unb Ritterfpielen aus, wobei die Frauen aus ben 
Fenſtern zuſahen.“ Gegen Abend erfolgte dann das ge⸗ 
woͤhnliche Hochzeitsmahl, nach deſſen Endigung den Neu⸗ 
vermaͤhlten ind Brautgemad, geleuchtet wusser Am Mor⸗ 
gen nad ber Oqhr edenocht kamen fruͤh die Eltern, brach⸗ 
ten die Morgengabe und begaben ſich, ſobald die Glocken 
riefen, abermals mit dem neuvermaͤhlten Paare und ben 
Verwandten in die Kirche, um Meffe zu hören. Oft ging 
auch dort bloß die junge Frau mit ihren Freundinnen hin. 
ar dies vorlber, fo ward auch diefer Tag noch mit 
Ritterſpiel und fröhlicher Mahlzeit hingebracht *). 

Die Zartheit der "Empfindung, die uns aus fo vielen 
Dichtungen des Mittelalterd entgegentritt und befonders 
ald ein Eigentum der Frauen und der Sänger jener Zeit 
anzunehmen ift, hat oft eine fehr bedeutende und firenge 
Rohheit fich gegenüber ftehen, die wir mit den Geſinnun⸗ 
gen und Anfichten unſers Zeitalters nicht reimen koͤnnen 


+) So weit die Auszůge aus des Herrn Dr. Kuniſch Aufſatz, un⸗ 
termiſcht mit meinen Zufägen. 


6, Abtheil. Die Grauen ber Ritterzeit u. 85 


und bloß in dem Beifte jener „Agit.etrachten guhffen: 
Wie,in ber Gemuͤths⸗ und Sinnes Weit fi dieſe Freng 
aung zwifchen Zartheit. und Strenge ober Derbheit, zeigte, 
fo quch in dem Körperlihen, und jene, Zeit mag. daher 
darin nicht weit von der unſern abgeſianden haben, daß 
neben ben zart gebauten Frauen auch wieder viele Ebrpep 
lich fehr Kart gebaute fi fanden; au. iſt wohl, erauns; 
den Frauen ebenfalls. "überwiegend. war, "wie denn ı eine | 
größere Leibes⸗ Kraft: ‚bei menfsblichen Geſchlechts ſich in 
allem zu jenen Tagen zeigte. Bewejſe, daß die Frauen 
damals groͤßer, ſtaͤrker, ritterhafter waren, liefern ung 
manche altdeutfhe Gedichte und Erzählungen. Sp. er 
fcheint Die ſchoͤne Frau in der Frauentreue, von ber, d 

Eingang ſchon in der vorigen Abtheilung, bei Gelsgenhe ke 
ber fahrenden Ritter „angeführt ward, und beren. Schluß 
nur bier eine Stelle verlangt, indem ber mittlere Theil. ber 
Geſchichte in eine andere Abtheilung gehört, von gar be: 
beutenber Leibesſtaͤrke. Deun ald der Ritter ſich van der 
ihrem Gatten Treuen verſchmaͤht fi eht ‚ da beſchließt ex 
bad Aeufierfie zu wagen und ſteigt deshalb in ber, Nacht 
durch das Fenſter in dag Schlatzimmer der Ban ‚unh 
ihres Gatten. Als fie aud bier unmuthig feiner. viebes 
klage widerſteht und er wie ein Bethoͤrter ſie umfaſſen 
will, ba reißt eine alte Wunde, wieder auf und er inzt 
im Augenblicke todt nieder. Die hoͤchſt teſturzte ‚Drau 
‚wagt nicht ihren Mann zu werden 7 deſſen Verhacht ‚fie 
fuͤrchtet, und daher entſchließt ſie ſich ſchneu und ‚trägt. dep 
Leichnam bed Ritterß auf dem Wege auf welchen ber 


4 


u Biden Abſchnitt. Ritterleben. 


Lebende zu ihr efonimen war, durch —2 bie Leis 
tee nieder ımb Dinge in in fein benachbartes offenes 
Haus und in fein Bemach, wo am andern Morgen ihn 
die Knappen entfeeld finden. Neben dieſer gewiß micht 
geringen Leibesſtaͤrke zeigt fi nun’ aber auch eine große 
Heftigkeit des Gemüthes, wie man bei ſtarken Naturen - 
zur Verwunderung oft findet. Denn als der todte Ritter 
von feinen Kappen in die Kirche getragen worden, und 
dort die Leiche ausgeſtellt war, fo ging auch des Buͤrgers 
Srau bin, um für bie‘ Seele bes Verſtorbenen zu beten 
und. zu opfern. Als fie nun feinen Leichnam fieht, da 
Ibermannt fie das Gefühl, daß fie ja allein durch ihres 
Herzens Härtigkeit an feinem Tode ſchuld fey, und indem 
fie zu dem Verſtorbenen die Liebe gewinnt, welche fie für 


. ben Lebenden nicht kannte, finkt fie tobt am Sarge nieber. 


Einen adkgrn Beweis von ber Stärke und Kraft ber 
Frauen giebt die Erzaͤhlung vom Frauenturnier, bie bereits 


oben angeführt worden, nach welcher alle Frauen einer 


Stadt am Rheine die Rüftungen ihrer abwefenden Männer 
nahmen und gegen einander heftig Fämpften, wobei befons 
ders eine Jungfrau ald Siegerin erfehien. Und wenn au) 
die meiften dabei uͤbel zugerichtet wurden, fo zeigt es doch 
fon von Muth und Eörperlicher Kraft, daß fie fo etwas 
zu beginnen wagten. 

Als ein drittes Beilpict gilt eine dritte noch unges 
druckte altdeutſche Erzählung, der Port (bad iſt die Borte) 
genannt; worin eine Frau von ihrem Manne, wegen 
Verdachts der Untreue, verlaffen wird und ihm durch 
bie Eande, als eih "Ritter gekleidet und ritterliche Kämpfe 





6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit u. 87 


nicht vermeidend, een fih in ihnen auszeichnend, nach⸗ 
zieht, bis «8 ihr gelingt, ihren Mann aufzufinden und ihn 
mit fich auf eine. ‚etwas onderbäre | Weiſe zu verſoͤhnen. 
Wenn fi aber die Frauen anch "ih felbſt in ben 
Kampf mifchten, wenn fie mehr, wie ihr Gefchlecht vers 
Inigte, ſich in die. häuslichen Räume zuruͤckzogen, fo 
geftaltete fich doch damals das Leben ganz anders, durch 
bie allgemein herrfchende Vorliebe zu ben Ritterfämpfen 
und duch dad überwiegende Gefühl ber Ehre, welches 
ſowohl bei Männern, bie ‚für bie Frauen und um ihre 
Liebe kaͤmpften, ald bei den Frauen, für welche und 
zu deren Preis die Ritter Tämpften, herrfchte. Wir 
finden daher eine ganz eigenthümliche Sitte, ein uns jest 
ſelbſt vermerflich fcheinendes Streben in ber bamaligen Zeit, 
daß die Ritter ſich eifrig bemühten, immer eine Frau der 
Gedanken, bed Herzens zu haben, für welche gekaͤmpft 
ward. Keinesweges war:diefe num immer ein Luftgebilde, 
wie die fchöne Dulcinea in des Cervantes unuͤbertrefflichem 
Don Quirxote, fondern meift eine wirkliche Perfon. Nicht 
. allein ber unverheirathete Ritter hatte eine folche Geliebte, 
für die ex kaͤmpfte, der ber. Preis feiner Siege ald Ruhm 
gebuͤhrte, fonbern auch bie verheiratheten Ritter hatten 
folche Frau ihres Herzens, wie fie biefelbe meift nannten, 
und biefe war fogar oftmals auch verheiratet. Daß dieſe 
Liebe nun nicht immer eine bloße Befchäftigung der Ein- 
bildungskraft war, daß fie fich nicht immer anf einer dich⸗ 
terifchen Höhe erhielt, ſondern daß oftmals fehr menſch⸗ 
lihe Wuͤnſche dabei vorwalteten, das iſt nicht. zu bergen, 
‚und. auch bei der wenigen Schwäche nicht anders zu 


83 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben.- 


erwarten und zu verlangen. Die alten Ritterbücher haben 
‚uns davon fehr unterhaltende und fehr feltfame Erzählun: 
gen aufbewaßet, bie wir nicht durch. alle Rittergeſchichten 
‚verfolgen Eönnenz aber auch bier tritt wieder das Leben 
des Ulrich von Lichtenflein in feinem Frauendienſte, als 
der Wahrheit entſchoͤpft, ald beweifend ein. Daraus find 
baher auch hier einige Stellen mzuführen, um fo mehr, 
ba fie einen .lebenbigen und unterbaltenden Blick auf bie 
ganze Zeit werfen. _ 
Bann Ulrih von Lichtenflein ſich verheirathete, ti 
noch unbefannt; baß er aber vwerehelicht war, geht: aus 
einzelnen Stellen jeined Frauendienſtes hervor, fo wie 
euch, daß er feine Frau liebte, achtete und ihren Werth 
erfannte; denn er fags einmal (©: 148):. ‚ich ritt nach 
einem Drie, wo mir viel Gemaches gefchab,. zu meinem 
lieben Gemahl, die mir nicht lieber fein konnte, wenn ich 
„mir auch eim ander Weib zu meiner Frauen (das .heißt 
‚Srau bed Herzens) erwahlt hatte Bei feinen erften 
bloͤden Liebes⸗Abenteuern ſcheint er noch nicht verheirathet 
geweſen zu ſeyn; aber als er den Zug als Koͤnigin Venus 
durch die Lande machte, da wer er es ſchon. Wie Ulrich 
von Lichtenſtein bereits in feiner. frühen Jugend einer 
Srauen Diener warb, das. haben wir oben im Ju⸗ 
‚gendleben ausführlicher gefehen. Diefel war- beun nu 
noch die Frau saller feiner Gchanfen, ald er ſchon Ritter 
: war und im Lande umherzug, um Kampf und Lanzenren⸗ 
nen zur Ehre -feiner Geliebten zu ſuchen. Wie damals 
feine Angelegenheiten des Herzens fanden, das etzaͤhlt er 
‚uns felbft (S. 5)3 „meine Frau wer: fo bebiktet,. daß ich 





6. Abtheil. Die: Ftauenidor Ritterzeit ic 89 


ihr nic Kand than. konnte, def. fte:mir. lieber ſei, als mein 
eigener Leib, ich konnte ſie nie ſehen, auch konnte ich 
keinen Böten haben; dersihe recht ſagte, wie fo herzlieb 
fie mir fei: „Darum wife Pe auch nicht, daß ich ihr dies 
nen ‚wollte. Da ritt ich auf’ eine Burg, wo der Wirth 
mid freundlich kmpfings ſein, Weib, meine. Niftel, kam 
zu mir: ımb fprach.: ‚lieber Neffe, du ſollſt willkommen fein. 
Sie ließ mich nieberfigen, wo und Niemand fah, worauf 
:die Süte zu mir ſprach: daß ich dich fehe, daran. gefchieht 
mir Liebe; nun fage. an, wie gehabſt⸗ du dich, ‚und biſt 
du froh? Sie laͤchelte und ſprach: ich mus bein lachen, 
und ſollte es wohl verſchweigen, aber ich war vor einigen 
Tagen bei einer Frauen, und wir beide gedachten deiner; 
fie ſprach? mir. iſt von ihm geſagt, daß er von Frauen 
wohl ſproͤche, und daB er. einer Frau ſonderiich zu Dienſte 
bereit: ſei, das iſt ritterlich gethan; ba ſprach ich: das hab’ 
ich auch nernommen, eine Frau ſei ihm lieber, als alle 
Weib, wer ſie aber ſei, weiß ich nicht. Da bat ſie mich, 
daß ich dich baͤte, bu ſollteſt mir die Fraue nennen, und 
daß ich es ihr dann anzeigen möchte; darum, lieber Neffe, 
nenne mis nun den Namen. deiner Frauen.“ Died vers 
weigert Anfangs, Ulrich; als ihm aber feine Bafe Hülfe 
und gegen andere Verfchwiegenheit verfpricht, entbedt er 
ihr, daß es gerabe die ſei, mis der fie Über ihn gefpros 
chen habe, und fie verheißt ihm, biefer Frau zu entbeden 
daß er. ihr Ritter fenn wolle, und babei ihm in allem 
immer hälfreich zu feyn, obgleich bie Frau, ber-:er. ſich au 
ſtaͤtem Dienft verpflichtet habe, ihm wiel zu⸗hoch gehauen 


* 
[4 





90 Aweiter Auſchnitt. Nitterleben. 
ſey. Zugleich nimmt fie ein von ihm gedichtetes nenes 
Lieb an feine Geliebte mit. 

Nah 5 Wochen eilt er wieber zu feiner Bafe, aber 
die giebt ihm wenig Troſt; fie Habe zwar jener Frau feine 
Liebe entdeckt und ihr fein neues Lieb vorgelefen, aber 
„da ſprach die Reine: die Lieb find wahrlich .gut, aber id) 
will mich ihrer nicht annehmen, drum fchweige fill mit 
deiner Rode; wenn bein Neffe ein bieberer Mann wird, 
das goͤnne ich ihm mit Recht, denn er ift fonft mein 
Knecht geweſen, aber folche Rede foll er laſſen, benn ich 
will fie ihm nimmer gewähren, er fol die Dummheit 
laſſen, denn ich werbe feinen Dienſt nie annehmen, es 
‚wäre ihm, weiß Gott, zu viel" — „Wäre er aber auch 
in aller WBürbigkeit ganz vollkommen (tie ich von ihm 
doch noch nicht gehört babe), fo mäfte einem Weibe doch, 
immer fein umgeflrge ſtehender Mimd Leib fein, benn er 
ſteht ihm Abel, erlaub' es mir zu fagen, wie du fenk 
wohl weißt.‘ 

So alfo mahnten die Frauen auch wieber immer zu 
‚größerer Ausbildung an; benn ber Wunfch, ihre. Rilter 
‚Immer in höherer Würbigkeit und Vollkommenheit zu fehen, 
"trieb fie zu freundlicher Ermahnung und bie Bitter zu 
tapfern und hohen Thaten. Was hier noch befonbers bie 
- Rüge von Ulrichs übel geflaltetem Munde betrifft, fo hatte 
er wahrſcheinlich, wad man eine Hafenfcharte nennt; benn 
er ſelbſt fagt weiter Hin: „fiehl von den Lippen, beren 
ich drei habe, will ich eine abfchneiden. Dies Verſpre⸗ 

chen leiftet er denn auch feiner Baſe, die ihn durch nichts 
davon abwendig machen kann und die ihm dann, wenn 


x 


6. Abthell. Die Frauen der Ritterzeit wc. 91 


er dieſe wichtige Veränderung feines Gefichtd glüdlich und 
zur Vermehrung feines beffern Anfehens vollendet hat, 
noch Unterflügung weiter bei feiner geliebten Rrau vers _ 
ſpricht. 

Wir werden hier gleich ein großes Opfer in koͤrper⸗ 
lichen Leiden ſehen, welches ein Ritter fuͤr ſeine Geliebte 
zu bringen ſich nicht weigerte; denn Alrich ritt bald nach 
Graͤz' in Steierland und machte dem beſten Meiſter dort 
ſeinen Willen kund. „Der ſprach: jetzt kann es nicht ge⸗ 
ſchehen (es war im Winter), vor dem Maien ſchneide ich 
euch nicht, im Maien aber ſchwoͤre ich euch, euren Mund 
alſo zu machen, daß ihr deſſen froh ſeid; denn ich bin des 
Dinges ein ganzer Meiſter.“ Als er nun noch im Win⸗ 
ter umhergeritten und gegen den Mai auf dem Wege nach 
Graͤz war, begegnete ihm zufaͤllig ein Knecht ſeiner Frau, 
dem er ſeinen Entſchluß anzeigte und der es fuͤr ein gro⸗ 
ßes Wunder, „ja wahrlich ohne Sinn“ erklaͤrte, daß er 
fih fo wagen und wohl gar todt liegen wolle, Aber Ulrich) 
Laßt ſich durch nichts abwendig machen und nimmt ihn als 
einen ihm erfreulichen Zeugen mit. Eines Montags Mors, 
gend fing der Meifter an, ihn zu fchneiben, er wollte ihn 
binder, Ulrich wollte es aber nicht, und der Meifler ſprach: 
„ed Tann euch Schaden gefchehen; denn rührt ihr euch 
nur um ein Haar, fo nehmt ihr Schaden.” Ulrich ſprach 
Dagegen: „ich bin willig daher zu euch geritten, und wenn 
ich auch tobt liegen follte, wie weh mir auch von euch 
gefchieht, fo fol man mich doch nicht wanken ſehen.“ 
Gluͤcklich uͤberſteht er diefen Schnitt und beffen Heilung 
und entläßt ‘ben anweſend gewefenen Knecht 'mit diefen 


92°, Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Worten: „du ſollſt von. mis deiner Frauen nichts als 
meins Dienfte jagen, ich darf ihr nicht mehr entbietenz 
boch wenn bu fonft will, dann fage von mir: was hier 
mein Leib erlitten bat, dad fei um ein Weib geſchehen, 
bie gefprochen hat, mein Mund flünde mir nicht wohl; 
was der an mir nicht behaget‘, bad wird aud von mir 
gebaßt, und wenn fie fagte, meine rechte Hand gefiele 
ihr nicht, fo ſchlüge ich fie ab, bei Gott! denn ich will 
nichtö anders, ald was fie will.“ | 

So that er ihr kund und doch auf eine verfchwiegene, 
ife allein bekannte Weiſe, daß fie es fey, deren Wuͤnſche 
und Befehle er befolgt hätte und immer zu erfüllen ge⸗ 
daͤchte, und ſechs Wochen lang dulbete er, während feiner 
Heilung, die größten Schmerzen, bie größte Pein. Da 
erbarmt fich denn auch die hohe Frau feiner, daß fie ihm 
durch feine Baſe fagen läßt, fie würbe von ihrem jegigen 
Aufenthalte an einen andern beflimmten Ort reiten, und 
unterwegeö koͤnne er fie fehen, ja er koͤnne auf dem Wege 
zu ihr reiten und mit ihr. reden, was er wolle, jeboch 
nicht zu viel. Aber bier zeigt fich die Bloͤdigkeit bed noch 
jugendlichen Gemuͤthes, daß er diefe Gelegenheit nicht er⸗ 
greift und benutzt, und er felbft erzäplt es recht anmuthig 
fo; „da war ich froh. Ich ritt gleich nach der Werthen, 
wo ih fie vor mir reiten ſah, mein Herze ſprach in 
Freuden: nun hin, nun folft du mit ihr reden, alled was 
dir gefällt, unbehütet reitet fie vor bir, nun fprih mit 
ihr, was dich gut duͤnkt. Go ritt ich kuͤhnlich zu ihr hin; 
als ſie mich bei ſich gewahr ward, kehrte ſie ſich von mir 
um, ba. warb mein Sinn fo zaghaft,. baß mir die Junge 





6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛc. 93 


alsbald perflummte. und mir das Haupt niederfant, alfo 
war ich jegliches Wortes beraubt. Ein anderer Ritter 
jagte zu ihr, da fah ih auf und blieb furchtfam und vers 
zagt hinter ihnen. Da ſprach mein Herz wieder: nun,’ 
du verzagter Leib, du fürchteft eine fo gute Frau? Weiß 
Gott, fie hätte dir nicht5 gethan, wenn du nur hätteft 
fprechen können. Höre, Leib, wilft du mit Worten ver: 
zagt fein, fo kann bir nie Liebe gefchehen, und ſcheideſt 
du fo von ihr, fo wird fie dir nimmermehr hold, fondern 
mus dich für einen Jagen halten. Wie mein Herz mid 
fo beftrafte, ermannte ich, mich wieder und ritf zu ihr; 
die reine Süße fah mid an und von ihrem Anſehn ers 
fhrad mein Leib fo, daß ich wieder ſchweigen mufte, die 
Kraft der Minne band mir meinen Mund zufanmen, ich 
wufte wahrlich nicht, wo ich faß. Leib, ſprach nun wieder 
mein Herz, unfelig müfjeft du fein, denn du bift ein böfer 
Mann, da fie dich fo freundlich anfieht, haft du duch nicht 
mit ihr, recht ald wÄreft du ein Wicht, gefprochen. 
Sieh, mein Herz, wenn ich gegen fie was fprechen foll, 
fo weiß ich night, wovon es gefchieht, daß ich Fein Wort 
Tann fagen, der Mund wirb mir fo verfperrt, daß ich 
Unfeliger Fein Wort herfür bringen kann. Leib, du ſollſt 
mir glauben, daß du dir felbft groß Unheil fchaffeft, ich 
and du erleiden Plagen und feine Stunde ift uns wohl; 
aber wenn bein böfer Mund nicht mit Worten meinen 
Willen tund thut, fo mus es dein Ende fein; fieh doc, 
dad werthe Weib reitet vor dir, ganz allein und unbehüs 
tet; wie bift du fo furchtfam, daß du nicht zu ihr reiteft 


94 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


und ihr all deinen Sinn ſagſt? Nur hin, das iſt mein 
Rath, weil du ſonſt die Gelegenheit verlierſt.“ 

„Nun ritt ich wieder zu ihr und fühlte, daß ich vor 
Furcht bleihd war, meine Angft zu ſprechen war groß, 
das. Herz fprang mir in meiner Bruft, es gelüflete ihm 
fehr zu reden, es fagte: nun fprih! nun fprih! nun 
fprih! da dich niemand hindert. Wohl zehnmal thät ich 
ben Mund auf, zu ihr zu fprechen, ba lag aber die Zunge 
nieber und wollte Fein Wort fagen, So ſchied ich wieder 
von ihr wie erft, daß ich ihr fein Wort fagte, dad ge: 
ſchah mir dieſes Tages wohl fünfmal. Die Zagereife 
nahm ein Ende und die Reine, Süße, Gute kam, wo fie 
in der Nacht fein follte, ba war mein Herz fehr traurig. 
Man hieß die Frauen von den Pferden heben, ich nahm 
das Hebeeifen und hob manche Mare raue ab. Die Fal⸗ 
ſches Freie hielt noch immer auf ihrem Pferde, und viel 
Kitter und Knappen flanden um fie, mit denen fie ihr 
Scherz und Spiel hatte; da ich mit bem Hebeeifen zu ihr 
kam, fprad fie: ihr feid nicht ſtark genug, daß ihr mich 
abheben möget, ihr feid zu krank und ſchwach. Des 
Scherzes warb gelacht und fie trat auf das Hebeeiſen; als 
fie aus dem Sattel flieg, ergriff fie mich bei meinem 
Haar, und ohne daß ed jemand fah, brach die Gute mir 
heimlich eine Locke auß: „ndas habt bafür, daß ihr ver: 
zagt ſeid! Man hat mir von euch nicht wahr geſprochen.““ 
Sie ging darauf zu ihren Frauen und er in großer Ver: 
zweiflung in fein Kaͤmmerlein, wo er bie ganze Nadıt in 
Klagen und Bekuͤmmerniß zubringt, bis an den Morgen; 
dann, während die Magb des Haufes ihn für Trank hält, 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 05 


wirft er fih auf ein Pferd und jagt nach der Stelle hin, 

wo er ſie am vorigen Tage verlaſſen. 
„Als ich mich dem Orte naͤherte — etzaͤtt er weiter 
— ſah ich, wie fie mir von dort in Frauen⸗Weiſe in 
einem Mantel entgegenritt. Als fie mich fab, neigte fie 
mir und nun ſchwieg ich auch nicht länger: Gnade, ſprach 
ich, meine Fraue, ihr muͤſt mir gnaͤdig ſein, denn an 
euch liegt alle meine Freude, ihr ſollt mir glauben, daß 
ich euch ſeit meinen fruͤhſten Jahren gedient habe, als ich 
euch zuerſt kennen lernte; laſt mich drum euren Ritter 
ſein, und erlaubt mir, um eure Tugend, dieſen Dienſt; 
denn nie kann ich jemals etwas ſo Edles gewinnen, als 
euren ſuͤßen Leib: um euch will ich mein Leben wagen in 
ritterlicher Arbeit und will euch als euer Ritter bis zu 
meinem Tode dienen. — Schweiget, denn ihr ſeid ein 
Kind und ſo hoher Dinge unverſtaͤndig, reitet gleich fort 
von mir, ſo lieb euch meine Huld iſt. — Wohl habt ihr 
Recht, meine liebe Fraue, daß ich noch zu dumm bin, 
um ganz auszuſprechen, was mein Sinn meint, ſonſt bin 
ich weiſe genug, um in eurem Dienſt den Preis eines 
Ritters zu gewinnen. — Fahrt jetzt von mir, das iſt 
mein Rath, wenn ihr noch Sinn habt; laßt euer Fluͤſtern, 
denn ihr wißt wohl, daß man mein huͤtet; hat jemand 
eure Rede gehoͤrt, ſo mag es euch zu Schaden kommen: 
Laßt mich! wahrlich ihre ſeid cin verdrießliher Mann. — 
Indem fah die Gute fih um und ſprach zu einem Kitter: 
reitet doch her zu mir, denn es ziemt ſich nicht, daß nur 
ein einiger Ritter neben mir reite, fehet, daß das nicht 
wieber gefchehe! Sch ſprach: fie hat Recht, denn es iſt 


6 “ Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


eine Unhuübſchheit, daß ihr fie felbander reiten laſt, heißt 
mehr herfommen. Indem kamen ihrer ſechs herzu, die 
nach Nitterfitte mit ihr ritten. Ich nahm Urlaub und 
war von Herzen froh, daß ich meiner Frauen nun doch 
einen Theil meiner Gedanken gefagt hatte.‘ 

So lehrt und nun biefe Erzählung Zucht, Anftand 
und Sitte ber damaligen Zeit kennen, und das Einzelne 
ift, wenn auch nicht für die ganze Zeit und alle Erfcheis 
. nungen, doch für dad Meiſte und für einen weiten Kreis 
als bezeichnend anzunehmen, um fo mehr, ba das hier 
Mitgetheilte uns mitten in die Handlung felbft verfest. — 
Um nun die Neigung feiner Geliebten zu erwerben, zog 
Ulrich im Lande umher und ſuchte Turniere, wo fie nur 
immer zu finden waren; dort Fämpfte er immer zur Ehre 
feiner Geliebten, aber diefe ward noch nicht gerührt, und 
als feine Bafe ihn ihr wieder rühmte, da fagte fie: „du 
Iobeft mir fehr deinen Neffen, dad mag wohl von wegen 
der Sippe (Verwandtſchaft) fein, die Fremden loben ihn 
aber nicht, darum kann bein Lob nicht gelten, und lobeft 
du ihn gar zu hoch, fo mus ich e& für Thorheit achten.” 
Als Ulrich dies vernahm, da fchämte er ſich der Botfchaft 
und dachte: „fie mus mir wegen Ritterthat noch hohes 
Lob fprechen, ober Leib, Gut, Sinne und Leben wird 
verloren;“ und er fuhr weit in die Land, wo jemand nur 
KRitterfchaft übte zu Schimpf (Scherz) oder zu Ernft, und 
verzehrte fein Gut und wagte willig feinen Leib. Unb gar 
fhlimm ging es ihm bei einem Zurnier zu Briren, wo, 
nahdem am ganzen Zage gekämpft worben war, ihn 
noch Herr Ulſchalch von Bogen aufforderte, um feine Frau 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit c 97. ö 


dr Gpeer mit ihm: zu. verflechen. - Dies: gefchieht, aber 
dahei ſticht ihm. fein Gegrer einen Finger. aus der Hand. 
‚Mierühel- es ihm dabei durch feinen erfien Wundarzg ging; 
habte⸗ ich, ſchon in dem Abſchnitt von den Turnieren und 
Lanzenrennen angeftihrt; endlich wurde ihm der Finger 
von einem andern Meiſter, obgleich ſteif, doch völlig ges 
heilt. MDa ſchickt ihm feine geliebte Frau, als ein erftes 
Heichen ihrer Huld, eisen. Hund, und er verfihert,- nie 
ein Ichäneres Dünblein.:gefeben. zu haben. . 

::. Da.aber feine Waſe nieht mehr die Botfchaften as 
feing -Brau werben, will, fo fehlt ihm ein Abgefandter, bis 
er endlich. einen Boten in einem getreuen Knecht enthedt. 
Den ſchidt er ihr und befiehlt ihm: „Tage ihr, daß fie 
mir lieb ift vor allen Dingen, daB meine Treue unwan⸗ 
beibar amd daß ich vor kurzem um fie. einen Zinger vers - 
loren habe, der ihr zu Dienſt geboren war, ber iſt von 
einer Zioft hinweg; aber Verluft und Gewinn will ic) für 
fie immer mit Freude und mit Klage tragen; bitte fie, 
daß fie. mich laffe ihren. Kitter fein, und bitte fie um ihre 
große Wuͤrdigkeit, daß -:fie mir burch Dich ‚etwas entbiete, 
wovon mein Herz getröflet werde. Bringe ihr auch biefe 
Lied und gieb fie. ihr züchtiglich, und. fage ihr, daß ich 
ihrer au feinem Zage vergaß; fie liegt allezeit in meinem 
treuen, Herzen gefangen, nimmermehr fommt fie daraus, und 
Bett gebe, baß es mir wohl ergeh’!" — Da warb aber 
die Herrin ber Botfchaft erzuͤrnt und fprach zu dem Knecht: 
An fage ihm von mir, höffcher Knabe, daß er die Rede 
gegen mich laſſe, denn fie gefaͤllt mir nicht; er fol feinen 
Muth.dahin wenden, wo es ihm gegiemt; ich will alfe 

7 


98 Zweitet Abſchnitt. Ritterleb en. 


alt werden, daß mir das nimmer befannt wird, was fie 
heimliche Minne heißen; auch habe ich ihm das ſchon feibik 
gefagt, daß mir nitht gefällt, was er fo dummlich ass 
mid begehrt; ex müht ſich umfonfl, denn bie Duninsheit 
wird nie gefdjehen, daß ich feinen Dienſt anneme und 
meine Ehre kraͤnle“ Go und mit andern Vorwürfen und 
Abmahnungen ontläßt fie ben Knecht, und als biefer nad 
längerer Zeit mit neuen Liebern. und neuer Liebesbewer⸗ 
bung. feines Herrn kommt, ſtraft fie ihm wieder mit Wors 
ten und wirft ihm und befonders feinen Herrn Eigen vor, 
da biefer ja noch ben Singer habe, beffen Verluſtes, zu 
ihrer Shre, im Turniere er fi) ruͤhme. Der Knecht giebt 
zu, daß Ulrich den. Singer noch wm feiner Hanb habe, 
aber er könne ihn nicht brauchen, „er fei ganz erfrummt,‘ 
und Wirich Einne mit ihm nur in hoͤchſter Beſchwer ein 
Speer erheben. Gie darauf: fie goͤnne ihm wohl feinen 
Binger, nur ſolle er ihr nichts vrlügen. 

Der Bote befleßt, was fie ihm gefagt. Da dachte 
Ukich: „will mir meine Frau um meinen Zinger gehaß 
fein, dem kann wohl Rath werden, da er mir doch etwas 
gerummt iſt, ich fehlage ihn ab und fende ihn ihr, fo 
müßt’ fie e8 doch wohl glauben, daß er verloren fei, wenn 
fie ihn felbft fieht.” Darauf verlangt er von einem 
Freunde, er folle ihm den Finger abſchlagen, der aber erft 
nicht daran will und ſich weigert; enblid aber boch, einen 
Beweis bietend, wie hoch und Heilig, auch im Ritterthum, 
wicht bloß in der Heidenzeit, noch Freundſchaften gehalten 
wurden, antwortet er ihm: „ich th alles, wa ihr weis, 
denn ich babe euch mir zum Freunde erwaͤhlt und bin ud 





6. Abthel. Die Brauen der Mretergeit u. M 


mit Dienften unterthan. u" — Da nahm ich fein Meſſer 
— fügt Alrich — und fahl’ es anf meinen Finger unb 
ſprach: „„nun ſchlage zu, biederer Mann!uEr ſchlug 
und der Finger ſprang abz die Wunde blutete kraͤftig.⸗ 
Drauf dichtet Ulrich ein Buͤchlein, laͤßt es m einen grags 
grünen Sammt binden „und von einem Goldſchmidte zwei 
goldene Brettlein wirken; darin band man das Büchel, und 
was die Sperre ſollte fein, "das waren zwei Beine Haͤube, 
gar loͤblich gemacht, und’ darein machten: wir ben Finger.“ 
Ste empfing Büchlein und Finger, ausrufend: „O weh, 
das iſt eine größe Geſchicht! die Dummheit hätt’ ich ihm 
nicht zugetraut, daß je ein verfländiger Menſch fo etwas 
thun würde“ : Sie entbietet ihm darauf: er folle fortan 
der Frauen noch beffer dienen, als er biäher gethan; ben 
Finger wolle fie zwar in ihrer Lade behalten, "aber er folle 
nicht darum glauben, daß fein Dienft gegen fie je um ein 
Haar ‚helfen folle. Ulrich, ſchon erfreut daruͤber, daß. fie 
den Finger behalten, beginnt barauf den Zug als Königih 
Frau Venus durch die Sande, den wir in der vorigen Ab: 
theilung, bei ben Ritterzuͤgen, Eennen gelernt haben, auf 
dem er ſich fo muthig halt und den er ihr zum vorans 
ankindigen läßt, damit fie allein weiß, daß zu ihrer Ehre 
von ihm diefe Waffenthat unternommen werde. (Daß zu 
jener geit Ulrich verheitathet war, werben wir weiter 
unten fehen.) Und auf biefer Reiſe und bei diefem Kampf 
zuge erhielt denn auch‘ Ulrich ein Beichen ber Neigump ; 
denn eines Tages. kommt fein Bote gar freudenreich zu 
ihm md ſpricht: „Euch giebt Willkominen eures Herzens 
Maienſchein, die hieß: euch minniglidy gräßen und ſpricht, 
— 7*8 — 





nm —— u Eee — 
% 

4 

’ 

* 


400 . Benelter Abſchnitt. Rit terteben. 


fie ſei herzlich ſrok, wenn ihr fuenbepreich fein; fie ent⸗ 
\ bietet 9 hog ſie bohes Gemite dued eure: Wuͤrdigkeit 


zum —* *2 euch Ehre gefieht, bean ihr habe 
am fie dieſe Fahrt gethan. Ste hat dies (Bingerkein. euch 
zur Liebe, hergefandt, das hat fie. mehr als zchen Jahr 
an. ihrer weißen Hand getragen.!' „Da ich das Fingerlein 
empfing, kniete ich. auf meine, Anie,- nieder und kuͤßte es 
wohl kunpertmgl, womit id) ihm meine Liebe, Eynd. that; 
ich, ſprach: o wohl mir! dies „Heine Zingerlein. fol ‚mir 
immer hohen Muth.geben und. gegen, alled Irauern gut 
fein, fo Iange ich lebe: o wohl mix ber wonnenollen Gabe. 
meinem ‚Herzen mus dieß Beine Fingerlein lieb fein . ich 
liebe es mehr, ald: alles, was ich habe. oder nur gewinnen 
ann: o wohl mir, daß ich je: gehoren ward, und daß ich 
‚fie zuf Fran erkoren habe, das FAN, füge, ſelige Weih. 
‚immer, dienen kaun, bas hat fi e mir ſo wohl befohnts 
kein. Mann trägt fo hohes Lob, ihm ‚wäre, die Wuͤrdigkeit 
genugy bie mir ‚heute geſchehn iſt.“ Drauf fchidt ex ben 
Boten wieber. zu jhr mit Dank und. ber Bitte, . ihm ein 
Kleinod zu fenden,. das er bei. dem nacfolgenben Turnier 
tragen könne. BEER 
Aber mit gar unbeimlicher. und, Mauriger Rageigt 
kehrt der Bote zu ihm zurüd, und voll ber Betribniß 
bringt er Ulrich beinahe zur Verzweiflung. Er ſagt ihm: 
„Eure Frau hat euch entboten, daß fie euch immer „Das 
trüge und nimmer hold würbe, wegen eurer Untreu; fie 
- will euch in kurzem ein Herzleid zufügen, ihr Gingerlein 





6. Abtheil. Die Frauen’ der Ritterzeit ꝛc. 101 


will ſie nmer beklagen, das fie euch gefahdt bat, fie zuͤrnt, 
daß!ihr "an eurer ‘Sand tragt, 'fie bat mir "fleißig an⸗ 
befohlen, daß ich: es ihr’ zuruͤkbringen follz ſie ſei euch 
deswegen gehaß; weit fie fuͤt wahr vernommen habe, daß 
ihr einer andern Frauen mit Dienſt bereit feld; fie iſt fo 
ungemut, wie ich es an Frauen niemals ſahz! fie ſprach' 
fo heftig gegen mich, baß ich Lieber bas: ‚Sand raͤumen 
wollte, “ehe ich noch erfimal zu ihr ritte:“ 

Hierüber beipt Hm Ulrich im die größten Klagen 
aub,“dah er den Doinvogt vun Wien, bir ihn während 
feiner erflen Verzweiflung beſucht, ‘fo mi ſich fortzeißt; 
daß auch der mit ihm zu weinen und Hagen beginnt, une 
geachtet (wie Ulrich felbſt fagt) „es wunderlich war, De 
er gar nicht wußte, wartım: ich wehite.U : Durch diefe eins 
ſtimmenden Klagen feines Freundes wird Ultich nun noch zu 
größerem ‚Wehe. vermocht; bis endlich fein "Schwager, 
Heinrich von Wafferberg ; zur Thuͤre Lintritt und dieſem 
thörichten Yammer- Bäder mit folgenden! gerechten und 
ſtrengen Worten ein Ende macht: „Wer hat euch beiden 
wa3 ‚gethan? Das iſt ſchwach, daß Ritter tlagen; ihr weint 
ja wie:bie’ armen unb verwaiſten Kind, und wie kranke, 
blöde Weiber! Sollen‘ Ritter” alfo weinen? Rein, ir 
mögf "euch beide deffen fhametd >. 

Die Heftigkeit der Empfindung und bie neßchtloſe 
Darlegung des Schmerzes, bie und ſchon äus diefem' Ber 
nehmen, entgegentreten, werden durch eine ‚gleich batauf 
folgende Erzählung noch überboten ,- in-Ver fich aber’ auch 
wieder die Heftigkeit der Gefühle zeigt und.nie/Spannung; 
in welcher die Gemifther jeher Zeit Fich'*befanbeit. : Sie 


102° 3weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſcheint mir daher hier eine Stelle zu verdienen, venn fie 
auch und unglaublich, wenigfiens zu übertrieben. erfcheis 
nen muß. Indem nämlich Heinrich von Wafferberg mit 
den vorigen und andern Morten feinen Schwager ſtraft 
und firenge zu einem mannhaften, nicht weibifchen Weſen, 
das ihm, nach Erlangung fo wieler Ehre, gar nicht ges 
zieme, ermahnt, da bricht dem Ulrih bad Blut aus. dem 
Munde und der Nafe. Drauf ſprach Heinrich von Waſ⸗ 
ferberg: „viel ſuͤßer Gott, ſei gedankt, daß bu mich. vor 
meinem Tode ben Mann haft fehen laffen, von dem id) 

mit Wahrheit fprehen mag, baß er ein Weib fo recht 
ohne Wanken liebt.“ Da kniete ex auf feine beiden Knie 
unb hob feine beiden Hände in bie Höhe und ſprach recht 
aus. dem Herzen: „o wohl mir, baß ich das erfab; wohl 
mir, baß ich das wiflen fol! des will ich immer froh fein, 
- fo lange ich lebe.“ Darauf ermahnt er ihn, ed werde 
gewiß nur. eine Probe fein, bie feine Frau mit ihm ans 
fiellen. wolle; er Tolle nun um fo mehr ſich vor jeder. Uns 
treue hüten, und: gutes Muthes ſeyn, benn fie werbe ihn 
nun gewiß erhoͤren. Nunmehr teöftet fi Ulrich und ents 
fendet. auch feinen Boten wieder om fie. Auch feine. Frau 
beat fich. inbeffen in ihrem Sinne gewanbet; fie empfängt 
den Boten wieder freundlich, und ald er ihr bad Leiden 
feines Herrn erzaͤhlt, fagt fie ihm, fie wiſſe alles, denn 
ipr heimlicher Bote. habe die drei Maͤnner bei den Klagen, 
bie ich eben erzählte, belaufcht; aber- nie würde er doch 
das gewinnen, was er wünfche, benn das würbe fie nie 
einem Manne gewaͤhren. 

Und nun Be uns Ulrich ‚eine Vegehenhen aus 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ıc. 18 


feinem Leben, wie fie und. manches Ritterbuch verkuͤndigt, 
wie Liebe zu Liebe heimlich gelommen ift, und wie verbars 
gene Liebe gar oft ein. fpdttliches Ende genommen. Klar 
wird und daraus, daß die Rittergebichte, welche freie Era 
findungen find, immer ihre Zeit fo wie das Leben ihrer 
Beitgenofien ſchilderten, und daß jene oft darin vorfommens 
‚ben ergöglichen Schwaͤnke aus dem Leben gegriffen find, 
Bas fo zur Erklärung der Ritterbuͤcher gereicht, beförbert 
nod mehr die Kenntwiß den Sitte. jener Zeit; und um 


biefe genauer. kennen zu lernen, iſt die Erzählung diefes 


luſtig⸗ traurigen: Abentewerd bier wohl an ihrer. Stelle. 
Nach mehren Geſpraͤchen und nachdem fie die Lieber, 
weiche der Ritter in erfreulichem Minnegefange ihr gefuns 
gen, gelefen hat, fagt fie zum Boten: „Nun reite zu 
beinem. Herrn und fage ihm, daß ich ihn gerne fehe, und 
wenn es fein mögte, fo ſoll er ſich und mich fo bewah⸗ 
ren, daß ex auf ber Hin⸗ und Herreife nicht vermelbet 


werbe: fage ihm meinen Rath, daß er als Ausfägiger ann 


fommen, Sonntags Morgens fruͤh mit ben Ausſaͤtzigen; 
thut mir mit Klopfen eure Ankunft Fund, fo fende ich 
euch meinen Boten, unb was ber fagt, bad thut heimlich. 
Er ſoll aber darauf- nichtmehr 
wolle yeais-tegen; daß ich ihn gerne ſehe Jonere nicht 
fo deuten, baß ich ihn hie minnen wolle; ich erlaube es 


ihm nur darum, weil du fprich, er babe mir fo Jange 


gebient, ich will ihn ‚bie freundlich bitten, baß er mid) 
Dienftes frei laſſe.“ | 

Froh fucht der Bote feinen Riter auf, der zwar von 
feiner Geliebten fehr entfernt gezogen ift, aber doch 





104 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben. 


alles Moͤgliche anwendet, um die vietzig Meilen, durch 
die er von ihr getrennt ſich befindet, in nicht viel mehr 
als 14 Tage zu vollenden. De nun die ganze fernere 
Erzählung wieder einen bedeutenden Blick auf das Leben 
des Mittelalters eroͤffnet, indem wir hier abermals ſehen, 
wie fo vieles, was uns bie alten Gebichte erzaͤhlen, nichts 
als das Leben der damaligen Zeit, wie ſchon bemerkt, iſt, 
und fo mandyes Dunfle in einzelnen. Sebichten fo feine 
Aufklärung erhält, möge auch. bier wieder Ulrich ſelbſt 
redend eintreten: 

„Samstages fruͤh hub ich mich auf meine Fahrt ſelb 
dritte, Niemand wußte, wohin ich fuhr; am Samstage 
ritt ich 36 Meilen, und von meiner großen Tageweide 
und Eile ward ich {ehe muͤde, zwei meiner Pferde lagen 
mir auf der Straße tobt. Die Nacht war ich in einer 
Stadt, wo ich mir Zöpfe bereiten ließ, wie fie bie Aus: 
fägigen haben, und ſchwache Kleid, die legte ich am Mor⸗ 
gen an, und dergleichen auch mein Bote, lange Meſſer 
nahmen wir zu uns, wenn unſer Leib in Gefahr kommen 
ſoilte. Sonntags Morgens ritt ich von dannen, 2 Meis 
len, ſo ſchwaͤchlich gekleidet, dann ließ ich wo die Pferde 
verborgen ſtehen, und ich und mein Bote gingen 2 Mei⸗ 
len fuͤr eine wunnigliche Burg, worauf die Tugendreiche 
mit Hauſe ſaß (wohnte). Vor der Burg fand ich viel 
armer Leute, es ſaßen ba wohl dreißig Ausſaͤtzige, denen 
ihr Siechthum wehe that. Ich muſte zu ihnen ſitzen, was 
ich lieber nicht gethan hätte, aber mein Befelle weiſ'te 
mich hin, ald wenn ich auch unkräftig waͤre. Die Siechen 
grüßten und und ich faß im Grafe zu ihmen nieber. Da 








6. Abtheii. Die Srauen der Kittergeit ıc. %05 


fragten fie- alle: ‘von wannen wir hergekommen ‚wären? 
Die Trage that mir leid, ich ſprach: wir find zween 
Gäfte und find. noch nie hie geweſen, unfte ‚Armut rieth 
und hieher, ob und jemand webl hie Gutes. thaͤte. Sie 
fprachen: ihr feib recht hieher gekommen; wir wiſſen nicht, 
ob ihr gehört habt, daß bie Haußfran jetzt ſiech hier. liegt, 
davon giebt man uns hie oft Pfennige und Speife genug, 
. eine Jungfrau .bfingt und immer Brod und Wein und 
wüßte man, daß ihr bie wigtz man.gäbe euch nude etwas; 
ihr mögt. wohl: anklopfen und. nach: armer Raute Art bitten, 
fo bringt man euch Wein und, Vrod, und wenn mar. euch 
beut’ Feine Pfennige giebt, ſo gefchieht es morgen.’ 

„Da ging ich von den Siechen gegen ein Fenfter, 
wofür ein guter Teppich gehängt war, wie man wohl 
öft vor ein Fenſter thut, wenn man den. Wind abhalten 
will, oder dad Sicht; da nahm ich meinen Napf und 
klopfte ſehr laut an, zugleich.bat ich viel jaͤmmerlich, daß 
man mir Brod geben möchte, weil mir ber Hunger. weh. 
thäte. Da fah eine. Sungfrau aus dem Fenſter her, und 
ba fie und zween abgefondert von den andern, ſtehen ſah, 
that fie das Fenſter wieber zu und ging zu ihrer rauen 
bin und fagte, daß wir da möreh.... Da, ging die Sungs 
frau aus dem Thor, fie gab den Siechen allen; jeglichen 
einen Pfennigz ald fie zu uns kam, ſprach die Süße: 
fagt an, - wann feib ihre hergefommen, ich fah- euch doch 
bier noch nicht. Ich ſprach mit verkehrter Stimme, baß 
wir von Ungemach, Siehthum und Armut Kummer listen; 
„wer uns und Gott Gutes thut, wirkt fein ewiges Heil“ 
Sie ging und näher und fprach: „ihr ſollt mich. willen 





⸗ 


106 Zweiter Abſchnitt. Ritkderleben. 


laſſen, wer ihr ſeid, ich darf bei euch nicht laͤnger ſein; 
ſeid ihr um meine Frau gekommen, fo ſagt es mir ſchnell.“ 
Ulrich antwortet ihr darauf: „ihre Brau habe ihm geheißen, 
berzulommen, und er fei der, welcher ihr immer bis am 
feinen Zed bienen woße.” Die Jungfrau geht darauf in 
die Burg zurüd, meldet feine Ankunft und kommt berauf 
mit Bein und Speife genug zuruͤck, bie eine anbere Jungs 
frau ihr tragen hilft, weiche ihm ben Grus feiner Frau 
und die BWelfung bringt, den Berg zu verlaffen und gegen 
Abend erft ajgrlich wieber zu fommen. Da ißt er mit 
den Stechen zufammen, obgleich ihn vor ihrer Krankheit 
und Unreinlichkeit geaufete, und es hätte gewis nicht — 
fagt er — mit ihnen gegefien, wenn er nicht bie ‚Ehre 
feiner Frau Hätte huͤten muͤſſen. Damit bie Siechen ihm 
nicht erfennen follten, hatte er fi mit Wurzen (Wurzeln) 
auch ein krankes Ungehen gegeben; benn er kannte „eine 
Wurz, nimmt man bie in den Mund, fo fchwilt man 
umb- bekommt bleiche Farbe.“ Er geht barauf vom Berge 
in dad Dorf und bettelt darin umher, bis bie Sonne uns 
terging, dad gefammelte Geld legte er aber an ber Straße 
in einer Zeile (Reihe) bin und wußt’ er nicht, wer es 
etwa gefunden. Als ed Abend geworden, ging er wieder 
anf ben Berg, wo bie Kranken bereitö waren,-um abers 
mals gefpeifet zu. werden, Da fngte ihm die Magb: ihre 
Frau Pönne ihn heute nicht. fehen, er folle morgen zur 
Eſſenszeit wiederkehren, vor morgen Nacht koͤnne fie ihn 
nicht fprechen. So wanderte ex wieber traurig vom Berge 
ab und nahm bie Herberge nicht an, bie ihm einer ber 
Siechen anbot, fonbern verbarg fich mit feinem Gefährten 


6. Abthell. Die Frauen dee Ritterzeit w. 107 


- fern von ber Burg im hoben Korn, Da gewann er aber 
eine ſehr böfe Nachtz denn als es finfler warb, erhub ſich 
ein großer Wind und ungefüge gos der Regen, Er litt groß 
Ungemach; ein elenber Mod und fchlechtes Maͤntelein waren 
fein Dach gegen den Regen und er farb faſt vor Froſt. 
Herzlich froh war er, als er den Schein bes Tages erfahz, 
ba Jief er fo lange herum, bis er warm warb. Als bie 
Sonne hoch ſtand, ging er wieder vor die Burg und bat 
mit Klopfen, daß man ihm etwas gäbe. Er erhielt etwas 
und zugleich die. Anweifung: in ber Nacht wolle ihn feine 
Frau fehen. Als er gegen Abend wieber erfchien, fagte 
ihm bie Magb: fobald ſich Tag und Nacht fcheiden würden, 
folle er wieber kommen und ſich gut in dem Graben vers 
bergen. Sobald man aus dem hohen Fenſter, welches fie 
ihm zeigte, -ein Licht hinaushalte, muͤſſe er nicht Iänger 
fänmen, fondern ſchnell daher Eommen, ba ‘finde ex Leila⸗ 
chen zufammen gebunden, womit man ihn hinauf zichen 
würde. 

„Als es finfler war — erzählt nun Ulrich ſelbſt — 
eilte ich in den Graben und vermauerte mid; da mit Stei⸗ 
nen, baß mich niemand fehen Eonnte; alfo that aud mein 
Gefele und wir lagen beide fehr ſtill. Als wir fo verbors 
gen waren, ging ber. Dausfchaffer felb ficbent um bie 
Burg hin und per, er nahin fieifig wahr, ab jemand. 
irgend wo verborgen fei. Dann ging er in bie Burg und 
ich ſah bas Licht aus dem Zenfler; ſogleich zog ih mein 
' Obergewand ab, das ich ald ein Siecher trug, und vers 
barg es; ich fchlich unter bad Zenfier, wo ich hie Leilachen 
bangenb fand, bareim trat ich willig, mein gefuͤger Gefelle 


108 Zweiter Abfchnitt Ritterleben. 

ſchob naqht, ünb zarte Händlein zogen mich etwas empor. 
Da ich To hoch war, daß mein gettener Geſelle mir nicht 
“mehr helfen konnte, da mochten ſie mich nicht weiter brin⸗ 
gen! und ſie ließen mich ſchnell wieder nieder; don neuem 
verſuchten fie es, aber fie mrürften mich immer wieder nieder⸗ 
laſſen, und das heſhah dreimal.“ Da wird Ulrich endlich 
ungemut unb'befiehlt feinem Gefährten, ber leichter als 
er, in 'die Lalen zu freten, und biefer wird nun fchnell 
emporgezogen ind oben mit einem Kuffe von Ulrichs 
Nichte, bie ihn fir Ulrich nimmt, empfangen. Drauf 
half num ber Geſelle den Frauen, und da war Ulrich alds 
bald oben.: Dort ward er. in eine Sudenie (d. if ein 
weites oder Mantel: Gewanb) "bon ;Seive ımb Bold ges 
huͤllt und dann zu feiner Frau geführt, die in ihrem Ges 
mach, umflanden von acht gut gefleiveten Frauen, faß, 
mit bedeutender Pracht umgeben. - Er Tniete vor ihr nieder 
imb fie empfing ihn guͤtlich; aber in dem fich entfpinnens 
ben Geſpraͤch verſicherte ſie auch zugleich, daß ſie nie 
ihrem Gemahk ˖ untreu werden und ihm nie irgend etwas 
gewähren wuͤrde, was ihrer Ehre nicht gezieme. Er ver 
traut dber auf fein gutes Glüd, daß ihm wohl mehr ge 
währt werdet koͤnne, und deutet feine Wunſche Elar an, 
worauf fie ihm zornig zu ſchweigen gebietet, wenn er 
nicht ganz ihre Huld verlieren "wolle. Beſtuͤrzt klagt er 
feiner Baſe heimlich ſeine Noth; doch dieſe troͤſtet ihn, 
nur mit Ruhe die Entſchließung "feiner Herrin abzuwarten. 
Dieſe führt: ihn darauf in ein anderes Zimmer, worin ſie 
ſpeiſen und Wrich feine ungeziemlide Bitte won neuem 
wiederholt. Abermals droht fie ihm heftig, und der Areſt 


. 


8. Withell. Die Fraurn de eR““t⸗z eit ꝛc. 400 


ſeiner Baſe will michts bei ähm aneichen ,:olgmahnmegfichert 
er: daß er nicht pon: dannen weichen wuͤrde, fie habe denn 
feine Wuͤnſche erfuͤllt. Wohl⸗ ſey ihn. bekannt „rend ihm 
bevorſtehe, wenn er. bis: zum Morgenlicht bliehnnghernex 
wuͤrde doch wicht: wejchen, denn dann, wenn. ‚ey, entdeckt 
wuͤrde, habe fie ja auch ihre, (Ehre Lerlopenenn Ms: hinter⸗ 
bringt die ⸗Vaſe ihrer Frau, welche Ihe amamertat; ihr 
Neffe ſolle vernünftig ſeyn and ſolle auchoi hir Willen 
genuͤgen; denn, je mehr an. ihren Willen arfuhgsuie eher 
werde ſie auch dem feinen: figprergebens ‚ahee. alle Srdan- 
ten on, Biwalt, falle er fahren: laſſen. hue ex. guͤtlich, 
was fie ihm.heiße, ſo wale: fie „ihn: minniglich grüßen, 
wie .ein guted Weib ihren Tieben Mann!!. -Des-; hinter 
bringt bie Baſe on Ulrich, und bie hohe. Bray..trift, zum 
Geſpraͤche ſelbſt, ‚fraft ihn, daB er ſo boͤsliche Gedanken 
hege, daß er ihre Ehre durch ſein Bleiben bis zu Tage 
verderben wolle. „Aretet wieder — Yagt. ſie — in das 
Leilachey, ſo laſſe ih euch ein wenig mieder. und ziehe 
dann, euch wisber ber und grüße euch minniglich; wenn 
dp euch fo empfangen habe, fu him ich euch ganz unter⸗ 
than, was ‚ihr, mit mir beginnen wollt, denn ich habe mir 
zu Freuden euch vor allen Rittern wählt." — „Braut, 
wuͤßt' ich das, — erwidert er — fo that! ich euern Willen; 
nur mus ich aber fuͤrchten, daß ihr mich miederlaß und 
mich nicht wieber- heraufziehrt.“ Sie ſpnach: „ich dwill 
auch ein Pfand fegen, ihr ſollt mich faſt Deisdse Hoand 
halten, das erlaube ich euchzihr, mägt. wohl nicht gar 
getreu ſein, da ihr mir nicht; verttauen wollt „Liebe 
Zraue, ich. will mich in «use; Gnade empfohlen ſejn Jafien." 


110 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 
Sie ſprach: „ed ſoll euch gut werden, wenn ihr hie meinen 
Willen thut, ſeid ohne Augſt, ich thue dann euren Willen.“ 
Die Gute nahm mich bei der Hand und führte mich zu 
den Leilschen zu dem Jenſter, da hieß fie mid, eintreten‘ 
und ſprach: ſeid nun ohne Angſt, ich laffe- ud nicht fo 
von mir kommen. Mit Sorgen tvat ich in den Lellachen, 
da Heß man mich fo weit hinab, daß man mich wieder 


hinauf ziehen Tolle, da ſprach Sie Gute mit-Eifien zu mir: 


Bett weis, daß ich nie fo lieben Nitter fah, als der mich 
bie bei der Hab hat, darum fei-mir willlommen! Sie 

fing wich bei dem Kinne und ſprach: Breund, nun kuͤſſe 
mic. Davon ward ich fo froh, deß ich ihre Hand fahren 
Heß; in demſelben Augenblicke ſuhr ich fo ſchnell hinab, 
daß ich mich wohl zu tobt gefallen hätte, wenn mich Gott 
nicht beſchuͤzte. Als ich unten war, zag.man bie Leilachen 
wieder ui. 

In größten Klagen auffchreienb ſtuͤrzte Micky “einen 
ſteilen Weg nieder, um fi in ein benachbartes, tiefes 
Waller zu werfen, Aber fein Gefelle, den man: ihm 

ſchnell nachgelaſſen, lief ihm eilig nad), ergriff ihn, als 
er den Fall in das Waſſer thim weilte, mahnte ihn an, 
Feine Thorheit zu begehen, und brachte ihm von ſeiner Ge⸗ 
Hiebten „ihr Wangenkiſſen, worauf fie manche Nacht gele⸗ 
gen.“ Das troͤſtete Ihn in etwas und noch mehr die Vers 
ficherung, feine GBellebte wide ihm gewiß elnmal Feite 
MWanſch⸗erfaͤllen. Dadurch warb ex in etwas beruhigt; 
er fah .die Nothwendigkeit ein, daß er fehnell aus der Ges 
gend fich entfernen muͤſſe, um feinen jungen Knecht aufs 
zufuchen-, den er bei den Pferden gelafien Hatte, weil ber 


I) 


6. Abtheil. Die Frauen ber. Ritterzeit x 118 


ſich nicht Kaths wiſſen wuͤrde, ex leicht entdeckt und ihm 
die Pferde. genensihen werden Lönnten. Daranf enteilen 
beide. Als fie nun zu den Pferden gelangen, ba fagt ihm 
fein Geſelle: mun kann ich euch fagen, was. mir. ae 
rau befohlen hat. Sie hat euch entboten, ba ihr von 
heut über. 20 Zage zu ihr kommen folt, fo. will fie euch 
fo empfangen, baß ihr immer froh fein mögt; fie het auch 
‚ jegt fehr ungern von ſich gelaſſen, nur daß eine Fraue bei 


{hr war, um bie fie es Mufle; bie. fährt nun .von dannen, 


deſſen fie berglich froh iſt; -bramf follt ihre wieder. kommen, 
dann will fie euch 10 Tage da hehaiten und es euch fo 
entbieten, wie ein gutes Weib (been Sreunde fol.” Das 
tröftet ibn noch mehr. 

Wie oft folche verborgene. unb heimliche Befuche ſtatt⸗ 
gefunden haben moͤgen, beweiſen die ſo ſehr vielen Waͤch⸗ 
terlieder, welche fich in der maneſiſchen Sammlung der 
Minnelieder finden. Hier iſt immer ber Wächter bes 
Thurms mit in dad Geheimniß verfiochten und .er warnt 
durch ein Lied dem verborgenen Ritter, daß 'er nun feine 
Geliebte verlaffen und enteilen folle, damit er nicht von 
böfen Merkern erfpäht werde; benn ber Tag wolle mit 
feinem Schein bald auf feyn und im Morgen röthe fi 
ſchon der Himmel, Go hörte auch bier, als Ulrich, aus 
dem Fenſter gelaffen, fo gewaltig fihrie, ihn ‚ber Wächter 
unb ging von ber Zinne und fagte in ber Burg: er höre 
den Baland (den Zeufe); man fragte ihn, wie unb we, 


er fagte: da bei ber Mauer, ex ſchrie web, und fuhr 


den fleilen. Weg zu Thal, daß ich deſſen erſchrack; die 
Steine rollten ihm nach, ich fegnete mich in der Angfl.“ 


IT 


412  . ::° Beelter Abſchnitt. Mitterleben. :'.. 


&o treten’ auch diefe..einzelnen Wächterlieber für äbre Zeit 
bezeichnend and lehrend ein, wenn fie auch keinesweges 
ein Muſterbild der Sitte und Zuͤchtigkeit jener Tage find. 
Es verdient indeſſen noch hier. bemerkt zu werben, was 
Ulrich vor Lichtenſtein (S. 250) von dieſen Wuͤchterliedern 


bemerkt, woraus man: indeſſen doch nicht. den Schluß 


ziehen darf ; daß: fie wenigersbem. Keben enfupmmen worden 
und nur ver Embildungskraft angehörtemg .benn als er 
einmaf barlıber.nachbachte, wieıbie. Minne klagt, daß fie 
von .thiem Herzlieb ſcheidet und er davon eim Lieb bichtete, 
fage ee: „meine Meifter. haben. geſungen, daß ‚ihnen bie 


MWäaͤchter mit ben Wecken wehe gethban haben, was ich doch 


nicht glauben ann; denn ein hochgeboren, witzig Weib 
wird wohl Teinen Bauern um ihr Geheimnis wiſſen laſſen; 
man hat: feine eblen Wächter, Bauern kann man nichts 
vertrauen, benn fie verfehweigen nicht; eble Art kann 
ſchweigen, drum ſoll fe. Geheinmiſſe wiſſen; das mus eine 
‚arme Fraue fein, bie den Morgen fuͤrchtet, und nicht eine 
Magd geminen kann, die es hindert, baß ihre Freund 
gefeheh-werbes auch iſt. eß wohl geſchehen, daß ein edles 
Weib bei ihrem Freunde betagt iſt (daß der Tag beide bei 
einander uͤberraſchte), und er iſt doch verbargen worden.“ 

Der Begleiter Ulrichs hatte ihm indeſſen nur etwas 
Faͤlſchliches vorgefptochen, um .bie erften Ausbrüche feines 
Unmuths und feines Zorned zu hemmen. Da er. darauf 
wieder von Ulrich. an feine Geliebte gefenvet wird, erzählt 
er ihr, was er in ihrem. Namen verfprochen hat; aber 
diefe "will "davon nichts gewähren, fondern verlangt, er 
miiſſe ihretwegen. eine Bahzk iber's Meer thun,. dann wolle . 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ic 113 


fie ihm lohnen, daß alle fein fehnendes Leid geendet würbe, 
Man fieht, daß die Frau alles Mögliche anwendete, um 
ihn von fih zu entfernen, ja ihn gänzlich zu verderben; 
umb dies ahnet auch fein Befelles benn als Ulrich ver⸗ 
ſpricht, auch dies: zu erfuͤllen, fagt ber Bote: „uns ges 
fant die Fahrt nicht, denn ihr möget wohl todt liegen, 
wann ihr über See fahrt; und verliert ihr fo um ein Weib 
den Leib, fo habt ihe auch die Seele verloren, darum 
foßt ihr .bier bleiben.” Aber Ulrich will nicht wanken mb 
"weichen ven dem, was ihm feine Frau befiehlt, und ent- 
fendet den Boten, ihr feinen Entſchluß zu melden; fie 
aber läßt ihm fagen: er ſolle nicht fo oft zu ihr ſchicken, 
es errege Verdacht, mit ber Fahrt folle er noch zögern, 
bis fie ihm die Zeit ‚näher beflimme. Da zieht Ulrich 
wieder rüflig und viel turnierend im Lande umher und 
fendet der Geliebten feine Lieb, bis biefe wirklich durch 
feine Bewerbungen, feine ftandhafte Liebe und feine freund: 
lichen Lieder gerührt wird. „Da ließ fie — fagt er — 
meinen Beten rufen und ſandte ihn gu mir, der mir allen 
ihren Willen kund that. Mehr will ich nicht ſagen und 
aus Zucht viel verſchweigen. Darnach erließ mich die 
Gute der Fahrt; denn ſie ſah mich gern im Lande, davon 
nahm all' mein Trauern ein Ende. Der Sommer kam 
wieder, meine Gedanken ſtanden froh. . 
So reitet nun Ulrich einige Zeit lang in Freuden im 
Lande umher, turniert mannlich und erwirbt immer hoͤhern 
RKuhm; aber bald endete auch wieder feine Freude; denn 
„in diefem Sommer that feine Frau etwas, dürfte er-aus 
Zucht daB melden, fo würden ihn bie Biedern beklagen 
5 





— — — — 22* 


114 Zweiter · Abſchnitt. Ritterleben. 


helfen, daß ein ſo werthes Weib ihren Freund ſo beſchwe⸗ 
en konnte;“ ein fo ſchmaͤhes Leib geſchah ihm von ihr, 
baß er „bis an feines Lebens Ende daruͤber klagte Auf 
ein von ihm gebichteted Klagelied änderte feine Frau body 
noch nicht ihr Handeln, fondern fie that ferner, was er 
Immer Hagen muß und was er niemand vertrauen wil. 
Da fie nun ihre Unthat nicht ließ, fo ſchied er aus ihrem 
Dienſte; „denn ber ifi ein unweifer Mann, ber auf bie 
Länge dient, wo man feinen Dienft nicht belohnen Tann.“ 
Darauf. firaft er aber bie, bie ihn fo beleibigte; daß er 
fie verlaffen mußte, in vielen. Liedern, die von ber Weiber 
Untreue und Wankelmuth handelten, welche diefe feine 
frühere Geliebte heftig erzuͤrnten und kraͤnkten, aber fein 
ungemuthed Herz ſchwieg nicht. Nach ben Liedern ſah 
er.ein Weib, von ber man viele Zugenden rühmte, bie 
bat ihn, daß er um alle guten Weib fein Zürnen gegen 


die fein ließe, bie er fonft feine Frau nannte, denn es 


flünde ihm Abel an. Um die Gute muſte er ed nur laſſen, 
er ſchalt fie nicht mehr, diente ihr aber auch nicht mehr. 
So war er in feinem Herzen ein Frauen freier Mann; 
boch fchied er von Weibes Lob nicht, ſondern fang nun 
wieber zu ihrer Erhebung. 

Aber nicht lange ertrug er ed, ohne eine Geliebte zu 
feyn, und bald flellte er folgende Betrachtung an, bie 
wieber für dad ganze ritterliche Streben ber bamaligen 
Zeit bezeichnend iſt. „Ich dachte, wie lange foll es dann 
fein, daß mein Herze ohne Frau it das ift mir nicht 
gut; denn wer feine Jahre fo verſchwendet, daß er nicht 
mit Zreuen gute Weib minnt, dem wird bie rechte Wuͤr⸗ 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit x. 415 


bigfeit verfagt: fihadenreih wird, wer bie. Weib nicht 
bezzlich minnt, das weiß ich an mir felber. Da ich mich 
erſt beflis, meiner Frau ſchoͤn zu Pienen,. ba fah man 
mich freudig und ritterlich gemut, meine. Zeit ging mit 
Freuden bin; nun biene ich weber dort noch hie, das ift 
Fein ritterlicher. Muth, ich follte wieder eine Fraue haben, 
der ich. mit Dienft untertban wäre, die mus. mir Gott 
bald geben; ich habe viele Frauen gefehen, bie fchöne und 
gut find, deren will ich mir .eine zur Frauen nehmen, und 
ihr dienen, wie ich Tann. . Da wählt er denn auch bald 
eine. Frau und reitet fogleich zu ibr, um ihr feinen Willen 
fund zu thun. „Ich fage nicht — fpricht er in. feinem 
Buche — was fie ba ſprach, aber hochgemut kam ich von 
ihr zuruͤck; fie hatte recht, daß fie mir gut war, denn fie 
war mir vor allen Weib.” — „Was ich ihr gebient habe, 
und. was fie mir Gutes gethan, well ich verfehweigen; nur 
das will ich fagen, daß ich ihr Lob zu allen Zeiten fang;” 
und wirklih tritt nun eine Reihe ber lieblichfien und 
fhönften Lieder in feinem Büchlein auf. 

Uirich war auch in biefem vorgerüdten Alter nicht 
faumfelig, um das Lob feiner Frau zu erheben. Wie er 
feine erfle ungetreue Geliebte dadurch ber Welt theuer 
zu machen fuchte, daß er um ihretwillen ald Frau Köniz 
gin Venus durch die Kande zog, ſo unternahm er nun, 
feiner neuen Geliebten zum Ruhme, einen abermaligen 
Zug und zwar trat er als König Artus auf, ber vom 
Paradieſe kam, um bie Tafelrunde wieder herzuftellen. 
Jeglicher Ritter, der Mitglied diefer Gefellfchaft werben 
wollte, mußte, ohne zu fehlen, drei Speer. auf dem König 

8*. 


116 "Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


verſtechen, dann erhielt er Zutritt und ward nach einem 
der Tafelrunder genannt. Wir haben leider davon nur 
ein Bruchſtuͤck, indem in der einzigen Handſchrift, bie bis 
jegt von Ulrichs Frauendienſt befannt if, gerabe der Au⸗ 
fang dieſer Fahrt fehlt. Was daraus für das Rittermefen 
merkwürdig iſt, hat bereitd feine Stelle in anbern Abthei⸗ 
lungen gefunden; für biefe erhellt weiter nichts daraus — 
Obgleich den Ritter fpäterhin manches Unheil im Lauf der 
Sabre exgriff;-obgleich ihm einige Burgen, :babei ‚viel von 
feinem Vermögen geraubt wurbe und er bebeutend 
verlor; obgleich die Zeiten in ber Steiermark fo truͤbe 
wurden, daß bie Ritter nicht mehr bem Dienfte der Frauen 
und fröhlichen Zurnieren fich wibmeten, fondern nur bem 
Raub und der Bedruͤckung oblagen, wie Ulrich ſelbſt in 
feinem Bude fagt: fo war er doch froh gemut in ber 
Neigung feiner Geliebten und fang ihe feine Lieber Bis in 
fein hohes Alter. L 

Dies einzelne Beifpiel ift wenigftens für manche Bes 
flrebungen jener Zeit, die aus einem beſſern Sim ent» 
fprangen, bezeihnend. So untreu nun auch bie Ritter 
durch diefe Liche, bie bei ben meiften wohl keinesweges 
ein bloßed Spiel der Einbildungsfraft blieb, ihren Frauen 
waren, fo geht boch wieber aus bem Frauendienſt bes 
Ulrich von Lichtenflein hervor, daß in bem Verlauf folcher 
Liebesbuͤndniſſe die Ritter eine jede Unfreue, felbft bie 
fheinbare, zu vermeiden trachteten, und daß ſie fehr ers 
zärnt waren, wenn ihnen eine Liebeöbezeigung von einer 
andern Frau warb, wodurch ber Verdacht der Untreue 
hätte erregt werben koͤnnen. Darlber mögen ein paar 





6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeit x. 147 


Stellen aus dem Frauendienſte ald Beweis: fpretben: Al⸗ 
Ulrich einmal, auf der Fahrt als Königin Venus, feine 
Roͤclein durchficht Findet er ein fremdes Roͤckchen darun⸗ 
ter, darin. war ein Glͤrtel, ein Schapel (ein Kränzchen) 
und ein Heftlein gebunden, die alle brei fehr ſchoͤn waren, 
und dabei lag’ ein deutſcher Brief, worin bie Schreiberin 
erklaͤrte, daß fie immer inniglich froh fey, wo Ulrich Ehre 
und Lob gefchehe ‚Lant daß fie darum ihm fo gewogen fey, 
weil er zur Ehre der Frauen das Gewand einer Frau ans 
- gelegt habe, um ihren Ruhm zu erhöhen. So fchmeis 
chelhaft ihm dies auch ſeyn muß, fo wird ee doch darüber 
erzuͤrnt, da er fürdtet, feine Geliebte könne es erfahren, 
und ihm dadurch Unbil und Unzufriedenheit von ihr ges 
ſchehen u 

Noch erzuͤrnter ift er bei einem ähnlichen Ereigniß zu 
Neuſtadt, Welches ihm auf demfelben Zuge geſchah. Dies 
erzählt er (8. 113) fo: „Ich Heß mir von meinem Kams ' 
merer außerhalb der Stadt ein Bad bereiten. Heimlich bes 
gab ich mich dahin und feste mic in bad Bad, wovon 
ich meine Mübe vergaß. Die Bader babeten mich, von 
denen mich Beiner kannte; ba geſchah mir im Babe eine 
neue wunderliche Gefchicht, ed wurde mir Tiebes Leid und 
freubiges Ungemach von Weiben fund, davon mein Herz 
verwundet wurde. Mein Kammerer ging von mir nach 
der Herberge, um mir ein Gewand zu holen; da faß ih 
allein, gar ohne Sefinde, ımd ich glaube, was gefchehen 
ſoll, das füget fich, wie e8 aud immer mag; denn indem 
ih fo alleine faß, kam ein fremder Knecht zu mir, gut 
gekleidet, Höfifch und Flug; der Knappe trug einen guten 








118 Zweiter Abſchnitt. Rittarleben. 


Teppich, ben nahm er und legte ihn vor das Bad, darauf 

legte er Frauenkleid, ein Riſen (ein uch, beſonders um 

den Kopf und den. Mund zu binden) und ein ſchoͤnes 
Roͤckelein, dazu ein wunniglich. Haftsd, sein Schapel und 

ein Fingerlein; ber Stein im Fingerleia war ein Rubin, 
." "fo roth wie ein Fhgen Frauenmund, darzu legte er einen 
Brief, der mit füßen Worten fagte, wer mir die Kleinod 
ſandte. Da ich die Kleinod fah, ſprach ich mit großem 
Born: fagt an, mem habt ihr dies hergebracht? Denn ihr 
follt mir wahrlich: glauben, daß ich es nicht annehme; 
tragt e8 wieder fort, das iſt euch gut. Der Knappe 
ſchwieg und ging, Fam aber gleich mit zween andern 
Knechten wieber, bie trugen ihm Roſen nach von ſchoͤner 
Röthe und friſch geblättert, davon fireute er fo viele auf 
mich, daß. mich in dem Babe niemand ſah, wobei ber 
Knappe kein Wort redete. Was ich auch zuͤrthe und was 
ih auch bat, er fireute immerbar die Rofen über mich, 
fo viel, daß ber Fußboden wunniglih von Rofen gefärbt 
war... Darnach neigte er mir mit Züchten und ſchwieg 
fit, was ih auch reden mochte; ee war mir ganz unbe 
kannt, und fo ging er von mir. Hierüber ift Ulrich 
hoͤchſt erzuͤrnt und will nichts von den gefchenkten Kleinobien 
wiflen, fondern fie beim Bader laffen; aber fein Kaͤmme⸗ 
ser räth ihm doch, fie mitzunehmen; denn fonft koͤnne es 
ja am erflen befannt werben, daß ihm aus Liebe etwas 
gefendet fey. Lieber wolle er alles bewahren, und wenn 
einmal die Schenterin bekannt würbe, koͤnne er es ihr 
wieberfchiden. Damit iſt auch Ulrich einverflanden und 
fagt, die Denkungsart jener Zeit und bie Gtrenge ber 


6. Abtheil Die Frauen der Ritterzeit u. 119 


Treue bezeichnend: „So bewahre ed denn fo fange, bis 
mir die Frau befannt wird, daß ich ed dann ihr wieder⸗ 
fenden kann; ich nehme es wahrlich nicht, um meine Treue 
nicht zu kraͤnken; benn ich weis doch, daß niemand dem 
andern etwas gegen feinen Willen fchenten kann; und 
meine Sinne wären krank, wenn ih von anders 
jemand etwas nähme, als von der, ber ih Zait 
meines Lebens dienen. will. Der Brief enthielt 
wieder nım fein Zob.und die Verficherung ihrer Freude an, 
feiner ritterlichen Erhebung der Frauen, aber genannt | 
hätte fich die Frau nicht. 

" Auch in dem Leben Ulrichs fehlte e8 an Augenbliden 
nicht, in denen ihn der Anblid vieler fchöner Frauen und 
ihre freundliche Dinneigung zu ibm, ber als ein fo tapfe- 
ser Dann gerühmt warb, nahe babei war, ihn von feiner 
lange gehegten Liebe abmendig zu machen, aber immer 
ernannte. ſich wieder fein Herz. Er felbft hat und einmal 
(S. 134, 135) einen folhen Kampf zwifchen langjähriger 
Meigung und dem Gindeud des Augenhlidd, nod auf 
feiner Sahrt als Frau Königin Venus, gefchildert: „bie - 
Hausfrau zu Felsberg nahm mich bei der Hand und führte j 
mich in eine fchöne Kirche, eine Meffe fang man Gott zu - 
Ehren und bei mir flanden viele Srauen; ich mus geftehen, 
daß Bott da nicht viel gedient ward. Faſt hätte mich da 
das Netz der Minne und mancher ſuͤße Blick gefangen, 
ber von lichten Augen ging, und nus meing Treue wandte 
es ab, daß ich da nicht von der. Dinne gefangen wurbe; 
beinahe hätte ed eine von den Zrauen gethban, ihre gute - 
Geberde und ihr lichter Schein hrach durch meine Augen 





10 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben, 


bis in ben Grund meines Herzens, und ihr rofenfarbner, 
other Mund, den ich gegen, mic) lachen fah und der fo 
füß zu mir ſprach. Ei! wäre mir ba.nicht meine Treue 
zu Hülfe gekommen, fo ‚hätte fie meine Sinne bezmungen. 
Da ich fie aber fo vom Herzen anſah, ſprach meine Treue 
zu mir: Wie nun? wie nun?! was fol denn Bas feink 
Wem wilft bu dern beine Fraue laflen, an ber boch nach 
Sott bein Leben ſteht? Aendre deinen Muth, denn: ich 
geftatte dir ſolche Dinge nicht! Da mich meine" Treue fo 
beſtrafte, wurde mein Der; gar unfroh, daß mir biefer 
Wank gefchehen war; ich dachte: Ich will dieſes wunnig- 
liche Weib nicht mehr anfeben, fie ift fo minnigliche, daß 
id wohl Schaben leiden möchte, wenn ich fie länger bes 
trachtete. So warf ich die Augen von ihr und gebachte 
herzlich: Hätte mich nun der lichte Schein diefer Frauen 
in Zweifel gebracht gegen meine liebe Fraue, fo wäre mir 
bie größte Unbill widerfahren: nen! ich will fie nicht mehr 
anfehen! denn meine Augen find Schuld; als fie mich fo 
guͤtlich anſah und ich ihren rothen Mund erblidte, ba 
ließen meine Augen ihren Tichten Schein gleich mitten in 
mein Herze, das Laffe ih num micht mehr geſchehen, dem 
cch verſtatte meinen Augen dieſe Freiheit nicht mehr; ic 
fehe, wenn mein Herze meinen Augen ſolgen wollte, fo 
riethen fie ihm wohl, wovon ich immer müßte Haß meis 
nen beiden Augen tragen.‘ . 

So Handelt nun das ganze Buch Ulrichs, wie auch 
(don der Titel: Frauendienſt, beſagt, nur von dem, was 
er im Dienſte ſeiner Geliebten fuͤr Heldenabenteuer beging; 
wogegen denn feine wirkliche, eheliche Frau ganz zuruͤcktritt 





6. Abtheil. Die Frauen der Mitterzeit w. 121 
und ‚ihrer; nur dreimal im Buche Erwähnung gefchieht, 
woraud. wenigſtens dad gewiß wird, daB wähtend all’ ber 
Abenteuer, die bereits oben erzaͤhlt ſind, er verheirathet 
war. Als Ulrich z. B. feinen‘ Zug als Frau: Königin 
Venus hielt und über den Semernik gegen Glokenig ik 
der Steiermark -gefommen, : wo feine: Beñtzungen lagen, 
erzählt e S. 111): „Da ich entwappnet war, wurde 
. meine Herberge zugelperrt, :untr mit einem Kurcht Stahl 
ich mich don dannen, wo: ich mein liebes Gemal, 
fand, bie mich freundlich‘ enipfings.. fie freuten ſich, daß ich 
zu ihr gelommen war. Hier haste ich mit. Freuden gutes 
Gemac bis an den Written Tag; als der dritte Tag kam, 
hoͤrte ich eine Meſſe und bat Gott, daß er meine Ehre 
hinen möchte, . Minniglich nahm ich Urlaub und ritt mit 
bebrem Muthe.“ So blieben bie Frauen vieler, in ber 
meiften Ritter, bie im Waffenhandwerk ihren ‚größten 
Ruhm fanden, meift immer allein, verlaffen;- ja zuruͤck⸗ 
gefest, und wenige nur mögen die geweſen feyn, - welche 
die Waffentbaten ihrer Männer als eine Erhebung ihrer 
Schönheit anfehen Tonnten. Um fo leichter warb es ihnen 
nım, ja um fo größer war ter Reiz; der Werfährung, 
den Liebesbewerbungen anderer Ritter, bie nım auch wies 
der ihre Schönheit im Kampfe zu erheben bereit waren, 
fich hinzugeben. Klar wär e8 aber auch, daß auf biefem 
Berge, Tobald nicht mehr die firengen Geſetze der Ritters 
ſchaft herrſchten, fobalb bie: Embildungstraft ihre Stärke 
verlor und die Sinnlichkeit ganz Überwiegend wurde, bie 
Sittenverderbniß und Sittenunreinheit herrſchend werben 
mußten, die wir beim Verfallo bed‘ Ritterthums ſinden. 


122 3weiter Abſchultt. Bitterlebem. 


In der Bluͤthenzeit des Ritterweſens achteten und lichten 
wenigſtens doch noch die Ritter ihre Frauen, wie Alrich 
auch in einer Stelle, die ich bereitd oben zum Theil ans 
führte, fagte: „ich ritt traurig von ihm (nämlich feinem 
Boten, der ihm von feiner Geliebten böfe Nachricht brachte, 
wie wir oben geſehen) nach. einem Drt, wo wir. viel Ge⸗ 
maces (Bemächlihkeit) gefchah, zu meinem lichen Gemal, 
bie mie wicht lieben fein konnte, wenn ich mir audy ein 
ander Veib zu meiner Frauen .erwählt hatte. Zehen Zage 
blieb ich da und ritt daun nach Lichtenflein in fehnendem 
Kummer... Zuletzt kommt noch gegen bad Ende bes Ge: 
dichts einmal feine Frau vor, und dabei werben auch feine 
Kinder. erwähnt. a ifl, wo er von zween Männern gefangen 
genommen wird, au dristen Sage nach Sankt Bartholomäus, 
als er auf feiner Burg Brauenburg, eben nad) einen ges 
sommenen Babe, in feiner Kammer lag. Sie trieben 
alle die Seinigen aus dem Haufe; indem lief feine Haus⸗ 
frau zu ihm, und rief: was: fol dies fein? Die Ungetreuen 
ſprachen zu ihe: Frau, geht fogleich vor das Thor, da 
findet ihr die Eurigen, gleich geht fort! — „Da ſah mid 
: bie Gute weinenb an; ich fprach: gebt nur, fo lieb euch 
eure Ehre ift, bleibt nicht Iänger hier bei mir. Da ging fie 
wit meinen Kindern gegen tod Thor. Frau! euren Sohn 
müßt ihr uns auch bier laſſen, rief Pilgern. Da nahm 
er ihr das Kind von der Hand, auch alle Kleinod, bie 
er bei ber Frauen finden mochte, nahm er, bann trieb er 
fie aus dem Thor, und mein Sohn blieb bei mir.“ 
Gewöhnlich führten die Ritter und Zrauen ein fehr 
einſames und files Lehen in ihren Burgen, wenn nicht 


6. Abtheil, Die. Irauemiber Ritterzeit cc. 123 


. einzelne FeſternKitter and: Knappen gu ihnen brachten und 
die Ritter auf Turniere und große Hoffeierlichkeiten mit 
ihren, Frauen hinauszogen, aun ſolchen Ergöglichleiten bei⸗ 
zuwohnen. Nur der Verbeizug hoher Herren, Könige und 
Kaiſer, erheiterte das ſtille Leben bisweilen — wie ſelten 
is manchen Gegenden! — mopen ein. Beifpiel Hornek 
in feinem oͤſterreichiſchen Seitbuche erzählt: . „in welcher 
Stadt‘ König: Pttofar von-Mäkmen; «insitt, da muflen 
ſich hie. rauen vor ie in Armen und. Beigen feben 
laſſen.“ 

Die Frauen mit cheen. — und pP weiblichen 
Bedienung waren babeim, wie dies fchon ‚oben ausfuͤhrlt⸗ 
cher un durch Stellen belegt, banerkt morben iſt, meiſt 
befchäftigt, zierliche Gewaͤnder, Kleider, Mäntel, Teppiche, 
Prunkdechen über die Roffe,. Banner u. ſ. w. zu ſticken; 
der Mann -pefchäftigte fich mit der Iagb und andern rit⸗ 
terlichen Uebungen; die Naben wurden von den Knappen 
in ben ritiewichen Kuͤnſten unterwiefen. So ging das 
Leben einfach und ſtill hin, und manche‘ Frauen mochten 
ed daher wohl nicht ungerne ſehen, wenn ihnen ein heim⸗ 
licher Liebhaber die Stile des häuslichen Lebens etwad 
belebte. Im den langen Winterahenben mag es daher ofts 
mals traurig, ſtill und büfter auf den Burgen zugegangen 
feyn, wenn nicht ein aufgenommener Wanderer, «in vor⸗ 
überzichender Sänger, ein auf Ritterfahrt begriffener und 
einlehrender Ritter die Stunden. erheiterte. Man trachs 
tete daher bald, beſonders in den Jahrhunderten, die den 
Verfall des Ritterthums umfchloflen, banach, das Dans 
ſelbſt mit einer luſtigen Verſon zu verfehen, bie. auf eigene. 


\ 





124 Zweiter Abfchhite,  Mitterieben. 


oder frensde Koften den Stoff zur Unterhaltung und zur 
Ergoͤtzlichkeit darbot; und hier tritt uns, beſonders bei 
den Vornehmen, ein: Haubgewofle entgegen, von ben wir 
einige Worte fagen müffen; '- Ik dies der Narr. Im 
‚ eine beeberen und weniger ruͤckſichtsvollen Beit, wie jene 

Yes Mittelalters war, Finden wir, daß alles Das, was 
unſer Mitleid, unſerd Scyonting,ifa ein gewiſſes . Sefühl 
von fliller Scheu und Achtung erfordert, nicht gleiche Ges 
weit über die damaligen Menſchen ausuͤbte; und was jegt 
nur Spielwerk roberer Menfchen wird, wurde damals auch 
von den hoͤhern Ständen "nicht von ber Hand gewiefen. 
Hierhin gehören z. B. Lörperlihe Gebrechen: zwetghafte, 
verkruͤppelte Perſonen wurden als Mittel: zu allerhand 
Luſtbarkeiten gebraucht, beſonders zu ſolchen, bei denen 
ihre Geſtalt, ihr ganzes: Bewegen und Beflrebe leicht in 
das Laͤcherliche fallen mußte. Blinde wurben daher zu 
allechand Spielen gebraudt, beſonders zu ſocchen, bei 
denen Pruͤgel ausgetheilt wurben, die fie dann meiſtentheils 
auf einander ſelbſt gaben, indem ſie andere Gegenſtaͤnde 
zu treffen glaubten. Alte Weiber wurden in Sauͤcke ges 
bunden und mußten. nım um einen Preis Iaufen, ober 
vielmehr hipfen,; und was dergleichen Spiele "die bis tief 
gegen unfere ‚Zeiten gu ben Volksluſtbarkeiten gehörten, 
mehre waren. So dienten denn auch zu Geſpoͤtt und Lufl 
diejenigen, weiche ſich burch Afbernheit oder einen ſtillen 
Bahnfinn von den andern unterſcheiden, und die dann, 
wenn man ihre Schwaͤchen benutzt, wohl zum Gelaͤchter 
Stoff genug geben koͤnnen. Zu ſolcher oft rohen Beluſti⸗ 
gung wurden bie, weiche wirklich naͤrriſch waren ober ſich 


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6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit m. 195 
närrifch fteßten, häufigfi gebraucht, und wir finden baber 
oft als Hausgenoflen . vorncehmer Ritter des Mittelalters 
einen Narren. : Ihm war es erlaubt, allerlei Schalkſtreiche 


auszuflgeen, ben Herrn, -die Frau, die Kinder, das Ger 
finde und die fremden Beſucher weiblich zu necken; dach 


war er auch dem ausgefeht, wenn er es zu toll machte, daß 
er recht tüchtig mit Ruthen geftrichen wurde. Im der 
fruͤhſten Zeit Scheint man ſich bloß an ben Schalks⸗— und 
Norrens Streichen exgögt zu Haben; wenigftens geht dies 
aus der ganzen Art und: Weiſe hervor, wie bie Narren 
‚gebraucht wurben, die wir fogleich kennen lernen merben. 
Erſt im der fpäteren Zeit Tam man darauf, wie es doch 
leicht moͤglich fey, durch den Mund eines fcheinbaren 
Marren hohen unb vornehmen Perfonen recht viele und 
tüchtige Wahrheiten zu fügen, ohne daß man barhber an ' 
Leib und Leben. litte, ohne daß man Ehre und Vermögen 
dadurch verlöre, fondern dies letzte vielmehr noch dadurch 
gewann. So blieben Hofnarren bis über bie Mitte bes 
achtzehnten Jahrhunderts nicht ungewöhnlich, und es finden 
ſich Beifpiele, daß gerade die Narren recht tüchtige, wohl 
meinende und gefcheute Männer waren. Eine Entfehulbis 
gung fir aBes, was folk ein Narr ſprach, war: ber Narr 
har’8 geſagt. Die Hersfcher befamen die Wahrheit zw 
hören, und die Diener des Fuͤrſten mußten bes Narren 
Bemerkungen fürchten, die er oͤffentlich über ihre Sitten, 
Handlungen, Laſter machte, und die nicht feltew ihren . 
Planen gefährli wurden. Es fehlt nicht. an berühmten 
Schalksnarren in Deutfchland; einer ber diteften iſt Nits 
hart, am Hofe des Herzogs Dito von Defterreich zu Wien, 


126 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


deſſen plumpe Scherze und Spaͤße mit den. Bauern um 
Wien von. ihm ſelbſt gedichtet worden find, ba er auch 
zugleich ein Meiflerfinger war. Er fand fein Grab in ber 
Stephanskirche zu Wien, wo noch vor Jahren fein Leis 
chenſtein gezeigt ward. Dann if Kunz von der Ros 
fen, der Narr Kaiſer Maximilian des erfien, bekannt ges 
nug geblieben, und zuleßt Klaus Narr, der am fächfts 
feinen Hofe feine Späße trieb und befien Narrenftreiche, 
Scherz⸗ und Spigs Reden fogar gebrudt worden find. 
Ale Narren, die in Dienflen bei Fürſten, Bifchöfen, 
Srofen, Aebten, Edelleuten u. ſ. w. fanden und in ihrem 
Sold und Brote waren, hatten ihre eigene Narren 
kleidung. Auf glatt befehornen Köpfen ſaß die Narren⸗ 
kappe, welche am Kragen bed Kleides befefligt war, fo 
daß die Spaßmacher fie vom Kopfe abmwerfen Tonnten, 
ohne fie zu verlieren, wie bie Mönche ihre Kappen. An 
beiden Seiten biefer Kappe flanden zwei lange, oben mit 
Schellen beſetzte Eſelsohren, unb in ber Mitte erhob fich 
der rothe Hahnenkamm. Das Oberkleid endigte ſich in 
mit Schellen befegten Zipfeln, welche auch an den Kraus 
fen, Aermeln, Guͤrteln befeſtigt waren und zu Knoͤpfen 
des Wamſes dienten; je größer, je beſſer. Im ber Taſche 
trugen fie die Werkzeuge ihrer Spaͤße und Spiele, und 
auf dem Aermel hatten fie gewöhnlich dad Wappen ihres 
Herrn. In der Hand trugen fie die Rarrenloibe. Diefe 
war entweber ein Rohrkolben, ober ein zierlicher Stab, 
oben mit einem Narrenkopfe geziert, welcher Kappe, 
Ohren und Schellen hatte, fo wie fein Herr, ber ihn 
führte; ja ed war oft ein Fleiner Narr in halber Geſtalt, 


6, Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛc. 4297 


doch ohne Füße, darauf abgebildet oder gefehnigt, dem dann | 
Die Narren, als ihrem Kinde, mit allerhand Scherzreden 


and Späßen lieblofeten, zu Zeiten aber auch wieber mit . 


Diefem lieben Kinde tüchtige Hiebe und Piüffe austheilten. 
Sole Späße der Narren mit ihren Kolben und Stöden 
zeigen manche alte Bilder. Daraus wurde in fpäterer 
Zeit die Pritfche, beſtehend aus gefpaltenen und klappern⸗ 
ben Holzflreifen, oft auch eine Art Kolben von Leder, mit. 
Wolle ausgeftopft. Bei der Tafel flanden die Hofnarren 
hinter ihrem Herrn und erhielten für ihre Späße zuwei⸗ 
len einen Becher mit Bein ober einen fetten Blſſen über 
bie Achfel gereicht. Sie befanden fi) bei allen Hoffeften 
mitten unter den Anwefenden und kurzweilten in der Vers 
fammlung berum. Bei den Zurnieren fehlten fie auch 
nicht, und man findet daher auf vielen alten Bildern, . neben 
den gepanzerten und turnierenden Rittern, arten mit 
ihren Kolben und Späßen, bie ben Ernſt durch ihre Schds 
kereien und Nedereien mäßigten und um fo wirkfamer 
dazu beiteugen, daß oft fo gefährlihe Spiel mehr zu 
einem heitern Scherz zu machen. Bei allen Volksluſtbar⸗ 
feiten, als z. B. dem Fiſcherſtechen, dem Plattnergeſtech, 
dem Schoͤnbartlaufen (einem nuͤrnbergiſchen Volksfeſte), 
dem Vogel⸗ und Scheiben: Schießen, dem Urbansreiten 
ond allen Aufzügen ber Handwerker vermißte man bie 
Luſtigmacher und Narren bis auf die neuefte Zeit niemals. 
So treten fie num auch in einzelnen Werken des Mittels 
alters auf, und ihr Wis iſt meift beißend und fcharf, oft 
aber find fie auch plump und albern. 

Wie ein folder Nars im häuslichen Leben ſpaͤterer 


128 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Zeit ſich behabete, wird am beſten aus einer Erzaͤhlung 
jener Zeit ſelbſt hervorgehen, aus: Wolf Wolfraths Bege⸗ 
benheiten und Beſchreibung des Turniers zu Wien im 
Jahr 1565, wovon ſchon oben in der Abtheilung von ben 
Turnieren die Rede geweſen iſt. Wolf Wolfrath war 
naͤmlich ſchon in ſeiner Jugend ein huͤbſcher Saͤnger und 
guter Saitenſpieler, und wurde von einem Freunde feines 
Baters an den Hof des Herzogs Albrecht von Baiern 
nach Muͤnchen gebracht, der bie Tonkunſt ſehr fchäbte, 
ſelbſt darin erfahren war und Orlando di Laſſo, einen be⸗ 
rüuͤhmten Tonſetzer des 16. Jahrh., bei ſich hatte Wie er 
zu ihm gekommen, erzählt nun Wolf ſelbſt: „Und ba 
neigte ich mich tief, als ich eintrat in den Saal. Da 
faßen an einem Zifche der Herzog und fein Gemal (war 
Kaifers Ferdinand Tochter), fein Ohm, ber Biſchof, fein 
Zruchfes, zwei frembe Edelleute und mein Derre von 
Neydeck, die fpeif’ten; und flanden fchöne Kannen und 
Becher zwiſchen den Schäfteln. Ich aber hatt’ mein Ba: 
retlein unterm Arme und meine Harfe in der linken Hand, 
wie mir da8 gelehrt war. Und da kam bed Herzogs Narr 
mit feinem Schellengellapper auf mich zu, ſah mir in’ 
Geſficht und vief aus: Federn, eitel Federn! Sprac ber 
Herzog: Schweig, Narr! da ſetzte ber Narr fich bei ihm 
nieder an den Boden und trieb laͤcherliches Gefpiel Hab 
Zeug. Des Herzogs Gemal wendete fich freundlich zu 
mir und fagte: wohlen, junger Spielmann, finge uns 
etwas. Da ließ ich mein Baretlein fallen und griff raſch 
in bie Saiten. - Aber ed trat ein Diener herbei und 
‚brachte mir ein Bänklein, darauf feste ich mich.“ Der 


6. Abtheil. Die Frauen ber. Ritterzeit ı. 129 


Herzog rief: „ſei ohne Aengſtlichkeit, lieber Wolf! und 
laß und hören, was. du kannſt!“ Der. Narr aber ſprach: 
„ihr werdet auch hören, waßıer nicht kann.“ Der Hers 
309 ſprach: „ſchweig, Narr! Singe, mein Sohn!” Als 
er geſungen, fragt. ber Herzog: „Narr! wie hat der 
Sänger gefungen?' Da ſprach der Narr: „beiler als 
mein Efel. Dad verdroß mich fehier, daß ich gang roth 
wurde.” — Der Herzog aber lachte und befahl ihm noch 
eines zu fingen. Drauf fingt er ein. Ljebeöliedchen, wels 
ches er kaum geendet hat, ald der Narr drein fchreit: 
„po& hinkende Gans! der Bub’ iſt verliebt wie ein 
Spas." Alle lachten laut auf. Ich aber ſprach: „es ift 
nur fo ein Lied, das ich gelernt babe.” Da fragte ber 
eine Ritter: „du bift alfo nicht verliebt? Wohl dir!“ 
Die Herzogin drohte ihm mit dem Finger und ſprach Fein 
Wort dazu. — Sie ftehen darauf von der Zafel auf und 
ber. Herzog ſagt ihm im DVorbeigehen: „ich nehme dich 
in meinen Dienſt.“ Der Narr aber giebt ihm einen 
Schlag mit feiner Iedernen Kolbe und fagt: „da haft du 
Handgepp. Die Kammerfrauen ber Herzogin nehmen: 
Darauf den Sänger in ihr Zimmer. und führen allerlei 
heitere und luſtige Gefpräche mit ihm: „Wie wir nun fo 
fprachen, Fam der Narr herein, was mir gar verdrießlid) 
war, und fihrie: po& hinkende Gans! da ſitzt der Gimpel 
. bei den Sperbern. Da fprangen die Jungfrauen auf und 
fehlngen auf den Narren zu. Die Gürtel: Magd (d. i. 
die erfte Kammerfrau) aber ergriff ein Beſ'lein, rieb's Ihm 
unter die Naſe und fprach: vieh, NarrF. Da fchrie der 
Narr, wie einer, ber da niefet, und ſprach: Euere Blume 
9 


130 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


riecht gar zu ſtark! Da ſchrien ale drei: Kopfweh, Kopf: 
weh für did! Mir war bei dem Laͤrmen gar fonderbar 
zu Muthe und blieb ich figen, erwifchte ein Kännlein mit 
Wein und zog es aus, Aber der Narr bat, ihn bleiben zu 
laflen, er wolle fromm fein, und fe nur gekommen, mich 
zu prüfen, ob ich im Latein gut befchlagen ſei. Da bes 
kam ich Muth (ich meine, das Kännlein hatt’3 gemacht) 
und fagte: stultus apage! Hei! fagte der Narr, der 
Bube ift fo gelehrt wie ber Kaplan, aber hübfcher; nicht 
wahr? Ihr werdet den Vogel fchon fliegen lernen. Die 
Sungfrauen aber fließen den Narren hinaus und vers 
fchloffen die Zhir.” Go blieb Wolf bei dem Herzoge 
und wurbe von einem alten Ehrenholde in der Wappen⸗ 
kunſt zu einem Perfevanten unterwiefen. Als er darin 
nun, wie wir oben in der Abtbeilung von den Turnieren 
gefehen haben, unterrichtet worben war, wurbe er durch 
die gewöhnliche Weihe zum Perfevanten angenommen, 
welches auch bereits oben erzählt worden iſt; bier nur, 
wie der Narr bed Herzogs ſich weiter im häuslichen Les 
ben zeigte. „Als die Seierlichkeit vorüber war, ſprach ber 
Narr: — fo erzählt Wolf ſelbſt — ich fähe aus, wie eine 
Gans, der die Flügel gebunden wären. Da war ich mus 
thig und fprach: fo fehe ich doch beſſer aus, als ein Narr. 
Der Narr nahm feine Kappe ab und reichte: mir feine 
Kolbe; ich aber ſprach: ich mache nicht gerne arme Leute. 
Naͤhm' ich dir bie Kolbe, fo wärft du gar nichts. Alle 
lachten, und mein Herz fagte: Nun, Kunz! haft du genug 
Kraut auf die Schüffel? Der Narr ſprach: das Fleiſch 


6. Abthell. Die Frauen ber Nitterzeit ww. 131 


fehlt. Da fagte ih: ſtecke dich hinein, ba giebt's 
Schweinwilbbrett drinne. Die Herzogia freuete fich dar⸗ 
iiber und fagte: Kunz hat feinen Dann gefunden. Nein! 
feinen Zungen, fagte der Narr. Ich aber fprach: es iſt 
ein junger Kukuk, bie alte Grasmüde koͤnmt um ihren 
Kopf. Da fagte der Herzog: höre, Wolf, du follft zus 
weilen bem Narren etwas abgeben, damit er klug wird. 
Da fprach ich: gnädiger ‚Herr, laßt ihm liebe einen Nars 
ren bleiben, fo.verhungert er nicht. Dich füttern die 
Kommermägde, drum biſt du fo wigig geworben, fagte 
der Rarr und fchrie laut: wer Fauft? wer kauft? hola, 
wer Pauft meine Kappe? Wir aber gingen davon. Und 
da mir der Fürfiin Guͤrtelmagd begegnete, fagte fie: Lieber! 
komm diefen Abend zu und, bringe deine Harfe mit und 
finge und etwas vor, Und ich verfprach’s, und kam und 
fang. Als ich nun von dannen ging, fah es der Narr, 
lief auf mich zu und fragte: welche Zeit iſt es? Ich ſprach⸗ 
ed ift die Zeit, wo man den Narren aus bem Wege geht. 
Er aber gab mir einen Schlag und fagte: es fchlägt Eins 
auf einmal... Ich ſprach: laß das fein! Er fagte: was 
machſt du bei den Maͤgden? und wollte mich wieber ſchla⸗ 
gen. Ich aber nahm ihm die Kolbe, fchlug ihm zu Bo⸗ 
ben, ging davon und fprach: Narren muß man bie Kolbe 
laufen. Da ließ er mid nachher gehen und fhlug mich 
nicht mehr, wenn er mich auch nedte.“ 

Auf ſolche Art nun betrugen ſich die Narren und 
erregten Spaß ‚ auf ähnliche Art wurden fie behandelt, 
und je fchärfer und fchlagender bie Reden waren, die von 
ven, ber ben Narren nedte, ausgingen unb zu ihm 

9 x 


132 BZS8weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wieder heruͤber kamen, deſto mehr Luſt fand man in ſol⸗ 
chen Unterhaltungen. Auch auf Reiſen wurden die Nar⸗ 
ren wohl meiſtentheils auf. eine ausgezeichnete Weiſe mit⸗ 
gefuͤhrt, damit ein jeder gleich ſah, wes Geiſtes Kind der 
Reiſende war. Denn als Herzog Albrecht von Baiern 
mit ſeinem eben erwaͤhnten Narren Kunz die Reiſe nach 
Wien zum Turnier antrat, „fuhr der Narr auf einem 
Kaͤrnlein, in einem Gegitter, faſt wie in einem Vogel⸗ 
Kaͤfig, hinter dem Wagen des Herzogs her.“ Haͤlt man 
dieſe Art zu reiſen mit der zuſammen, wie der ungluͤck⸗ 
liche Don Quixote nach ſeinem erſten Auszuge auch in 
einem ſolchen Narrenkaͤfig nach Hauſe gebracht ward, ſo 
mag ed wohl damals bie gewoͤhnliche Art in allen Laͤndern 
gewefen ſeyn, die Narren wegzufchaffen. Wie fi) denn 
auch in manchen Städten, 3. B. in Breslau, fonft auf 
dem Markte Käfige befanden, in welche närrifhe Pers 
fonen, oder andere in Strafe, zum Spott der Voruͤber⸗ 
gehenden, eingefperrt wurden. 

Zu den Hausgenofjen großer und vornehmer Perſo⸗ 
nen gehoͤrte wohl oftmals auch ein Saͤnger, der den 
Frauen in heitern Liedern die langen Abende verkuͤrzte. 
Die eben angefuͤhrte Erzaͤhlung des Wolf Wolfhart zeigt, 
daß wenigſtens Herzog Albrecht von Baiern einen ſolchen 
in der Perſon dieſes Wolf an ſeinen Hof nahm, aber er 
hatte ſchon einen andern Saͤnger, und Wolf ward eigentlich 
der zweita Denn als er im Begriff ift, feine Probe zu 
fingen, „kam audy ein Mann in den Saal, der trat ents 
fernt, hatte ein ſchwarzes Wamms an und einen kurzen 
Mantel um. Er trug eine goldene Kette und war, wie 


N .. 


6. Abtheil. Die Frauen der Nitewejeit ıc 133 


ih hernach erfuhr, Meifter Wohlgemut, des Herzogs 
Hoffänger." Dieſem wird auch. Wolf. zur Uebung im 
Singen übergeben, und der führt ihn' denn "auch gleich 
über zwei Säle in ein Stuͤblein, ba-'faßen-brei. feine 
Tungfranen, die waren : Kammermägbe der. : Herzogin 
und fpeiften. Da ſprach Meiſter Wohlgemut:da iſt ein’ 
. Saft, ver auch gern etwas Hätte, unfer neues Saͤngerlein. | 
Sie aber lachten, rüdten zufammen und ſprachen: feßet 
euch her.” Konnten die Mister nun nicht allein einen 
Sänger ımterhalten,. oder waren fie - felbft: nicht‘. Dichter 
und Saͤnger, wie Ulid) von Lichtenſtein und viole andere 
63 waren, ſo mußten fie ſich mit den fahrenden, d. h. mit 
den umherwandernden Saͤngern begnügen, wenn die ehwa: 
ihre Burg berührten und im heitern Gefange ihnen bie 
Abende verkürzten. Da. der "Gefang inbeffen meift nicht 
kunſtvoll, ſondern einfach und ungezwungen, wie unfere 
einfachen ‚.ı ächten heutigen. Volksweiſen, fo war gewiß: 
diefer Geſang ſehr allgemein, und Ritter und. Frauen, 
Knappen und Maͤgde miſchten wohl oft ihts Stimmen in 
fröhlichem Gefänge, und die wandernben Sänger, die fah⸗ 
renden, fangreichen Ritter brachten ihnen: nur neue "Lieder 
und Weiſen. Daß die Ritter ſelbſt viel fangen, gebt aus 
Ulrich von Lichtenfteins Zrauenbienft hervor, aus bem zwei 
Stellen hier beweifenb find (&.-126): „Sanft ritt ich 
durch die Straßen und hundert fhön gekleidete Ritter ritz 
ten mit mir auf fchönen Pferden, fie fangen und waren 
froh 5" dann (S. 233): „die Lieb wurden viel gefungen 
und dabei mancher Tioſt sitterlich geritten. "Daß aber 
auch bie Knappen fangen, dis zu freundlicher. Botichat 


134 weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


gebraucht wurden, geht wieder aus dem Ulrich von Lich⸗ 
tenſtein hervor, wo es (S. 60), als Ulrich ſeinen Boten 
mit Liebesbewerbung an ſeine Frau geſendet hat, ſo heißt: 
„Er hat euch Lied durch mich hergeſandt, die ihr gern 
hoͤren ſollt, denn fie find gut, fie werben euch fröhlich 
machen; bie Worte find gut, die Weife iſt neu; er bat 
mich, daß ich fie euch fingen follte; nun hört nur, 
ich kann bie Lied, 

Vornehme rauen hatten reiche Bedienungen an 
Kammermaͤdchen um fih. Die kurz vorher angeführte 
Stelle von Wolf Wolfhart zeigte, daß bie Derzogin von 
Baiern drei Iungfrauen wenigftens zu ihrer Bedienung 
hatte, und es mögen wohl noch weit mehr gewefen feyn. 
Manchmal warb bei diefen Dienerinnen nicht fowohl auf 
Schönheit und Anmuth gefehen, fondern auch auf Sonder: 
barkeit. Go hatte die eben erwähnte Herzogin von Baiern 
ein feltenes Muſter bei fi, nämlich: „die Jungfer Bars 
bara, ihre Zofe, die einen langen Bart hatte, von Natur 
"wie ein Mann.” Ulrich von Richtenftein verräth uns nicht, 
wer feine ‚Beliebte war; aber daß es eine vornehme Frau 
gewefen feyn muß, bad geht aus ben Verficherungen ber: 
vor, die er felbft von ihrer hohen Geburt giebt und die 
fie auch immer wiederholt, daß es ihe nicht ziemen wärbe, 
ihre Liebe auf einen Mann, der nicht hoͤhern Standes, als 
Ritter, fey, zu wenben. Als fie den Ritter heimlich em⸗ 
pfängt, wie wir oben bereits gefehen haben, ftehen acht 
Srauen bei ihr zu ihrer Bedienung. | 

Die Einrihtumg bed häuslichen Lebens war bamals 
unendlich einfacher, ald jest, Sieht man bie alten Burg: 


6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeic x. 495 


truͤmmer an, fe begreift man oft nicht, wie in dem alten, 
meift Eleinen Gemäcern, nur unterbrochen von einigen 
übergroßen Stuben, ein fo großer Hausftand Raum haben 
konnte; nur einige große Burgen machen bavon eine Außs 
nahme. Die Herrfchaften lebten damals mehr mit ihren 
Untergebenen zufammen; gemeinfame Räume umfchloffen 
fie alle, fie theilten die Freuden und Bebürfniffe bes Haus 
ſes mit einander, fo wie bis zur Mitte des vorigen Jahr⸗ 
hunderts felbft in den mittlern Ständen noch eine-gröe 
Bere Vereinigung herrfchte. 

Daß bie Frauen Schmud. der Kleibung liebten, das 
haben ſchon Schilderungen der Abtheilung uͤber die Klei⸗ 
dung der Ritterzeit gezeigt. Auch Ulrich von Lichtenſtein 
ſpricht (S. 123) Davon, indem er ſagt: „Jegliche Frau 
hatte den Neid, daß ſie ſich beſſer, als die andere, kleiden 
wollte; denn Frauen moͤgen jung oder alt ſein, ſo haben 
ſie gern viel Gewandes; will es auch manche nicht gern 
tragen, ſo freut ſie doch der Beſitz, daß ſie nur ſagen 
kann: wenn ich wollte, ich koͤnnte mich wohl viel beſſer 
kleiden, als dieſe und jene.“ Darum erſchien es in den 
ſpaͤteren Zeiten auch nothwendig, durch Aufwands⸗Geſetze 
und Kleider⸗Ordnungen die zu große Pracht, beſonders 
außer den Haͤuſern und bei feierlichen Turnieren, zu hem⸗ 
men, wie wir bereits oben geſehen haben; und ed warb 
daher feſtgeſetzt, daß eime jede Zrau oder Sungfrau zu 
ihrem Schmud nicht mehr, als vier Röcke oder Kleider von 
Sammer ober geflidte, haben dürfe. Und zwar follten dar⸗ 
unter nur zwei von Sammet, oder bem Sammet gleich, 
die übrigen aber möchten fo ſeyn, wie fie die Alten als 


— — —— — ——— ——— 


436 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


fuͤr den Adel ziemlich und wohlanſtaͤndig hergebracht haͤtten. 
Welche Frauen aber dieſes nicht halten, ſondern eine grö⸗ 
Bere Anzahl Kleider beim Turnier brauchen würden, bie 
follten von der Ritterfchaft, den Frauen und Jungfrauen 
verachtet, des Vortänze und Vertheilung ber Turnierdaͤnke 
beraubt ſeyn. Sollten aber unter den Frauen und Jung⸗ 
frauen einige feyn, die feine folchen koſtbaren Kleider, bez 
fonderd Beine von Sammet hätten, bie. follten dennoch 
nach ihrem Stande zu Ehren gezogen werben. Diefe Stelle 
ift auch ſchon ausführlicher, mit andern Geſetzen verbunden, 
in der Abtheilung von den Turnieren angezogen worden. 


Im haͤuslichen Leben gingen nun zwar die Frauen 


und Männer. einfacher, doch mag beim Eintreffen von 
Gäften, erwarteten oder unerwarteten, wohl immer eine 


größere Pracht geherrfcht haben. Schon darin fehten ges 


wiß Einige etwas, daß fie ihrem Gafte bei feiner Ankunft, 
wenn er feine Rüftung oder Reiſekleidung verlaffen hatte, 
einen beſonders reichen und fhönen Mantel, oder ein fol: 
ches Oberkleid uͤberreichen ließen, worein gehuͤllt, er ſich zu 
ihnen ſetzte, und wir haben davon auch bereits oben mehre 
Beiſpiele gehabt. Das Geraͤth in den Stuben war meiſt 
wohl einfach, oder wenn es reicher war, ſo zeichnete es 
ſich durch innern Werth beſonders aus. Wie zum Beiſpiel 


reiche Stoffe, welche zu Teppichen uͤber die Fußboͤden, a 


über die Tiſche, uͤber die Ruhebetten oder zu Vorhaͤngen 
genommen wurden; und beſonders moͤgen wohl meiſt 
allenthalben in den Schlafzimmern die Betthimmel aus 
ſchoͤnen und ſchweren Stoffen beſtanden haben. Dann er— 
freute ſich die damalige Zeit, die Geraͤthe zum Eſſen und 


6. Abthell. Die Frauen' der Ritterzeit m. 4137 


Trinken, die Gefaͤße, in welchen vor und nach dem Eſſen 
das Waſchwaſſer gereicht ward, von Silber zu haben, 
und ſo waren ſchwere, ſilberne, oft vergoldete Kannen, 
Schuͤſſeln, Waſchbecken u. ſ. w. gewiß in ben: Haͤuſern 
und Burgen der Reichen gewoͤhnlich und beliebt. Wenn 
Died nun auch alles einen bedeutenden Aufwand erforderte, 
fo wurde ex doch dadurch verringert, daß folche Geraͤthe 
meiftentheild für bie ganze "Lebenszeit, ja oft noch für 
Kinder und Enkel ein werthes, mmoeruußerlches Beſitz⸗ 
thum blieben. 

Die Werke des Mittelalters geben uns bin und mies 


der Nachrichten non ber Art, wie die Zimmer der Burgen .- 


ausgeſchmuͤckt und mit welchen Gerdth fie verfehen waren. 
Davon fpricht auch Ulridy von Lichtenflein (8. 160), als er 
beimlich feine Geliebte befucht, und dies eine Beifpiel möge 
genügen: „Sie faß auf einem Ruhebette; auf dem lag von 
Sammt eine Madrage, darüber zwei feidene Leiladen, 
darauf lag ein herrliches Deckelaken, auch lag da ein Töfl« 
liches Polfter und zwei wunnigliche Kiffen, dad Bettge⸗ 
ruͤſt ſah man nirgend herborfcheineh, ‚und manch guter 
Teppich war fein Dach; zu den Füßen am Bette brannz 
sen zwei große Licht auf zweien Kerzflaln, und an ben 
Wänden hingen wohl Bundert Licht." Die Wohnungen 
in ben -alten Burgen hatten alle dicke und fhwere Mauern, 
aber meijt waren boch weite Fenſter darin angebracht, in 
benen an ben ‚breiten Fenſtergewaͤnden Sige waren, ent 
weder von Stein eingemauert, ober von Holz; baran ges 
fhoben. In dieſen Zenftern faßen oftniald Ritter ‚und 
Brauen, um die weite Gegenb zu uͤberſehen und bie Friſche 





— — — — — — — — 


138 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


der Luft durch die geöffneten Kenfter zu genießen. Da 
lag denn gewöhnlich” auf diefen Baͤnken (Parz. V. 692.) 
ein weiches Bette und darüber meift noch ein härteres 
Kiffen, oft prachtvoll von geflepptem Sammet. 

Im haͤuslichen Leben herrfchte, nach allen Anzeigen, 
das Du vor, die Gatten und Kinder nannten fi fo, und 
bie Diener und Dienerinnen wurden wohl. meift ebenfalls 
mit biefem Worte angerebet. Dagegen bebienten fi 
diefe legtern gegen ihren Herrn und ihre ‚Herrin des 
Wortes Ihr, und dies ift auch bad gewöhnliche Wort, 
welches alle Stände in ber Unterrevung mit einander ges 
brauchten. Das Du trat.in vertraulichen Gefprächen wohl 
ein, bann aber auch, wo dad Vertraulichere auf fpöttifche 
Beife gebeuchelt ward, wie z. B. Ottokar Hornek bei 
einer Verfammlung aller Edlen Deſterreichs erzähltı als 
Albrecht, Herzog von Defterreich, ihre Hülfe gegen König 
Andreas von Ungarn heifchte, und alle begierig waren, 
wieviel ber Abt Heinrich von Admund wohl Mannen ftellen 
würbe, da fagte Buchheimer zu ihm: „Heinrich, laß dich - 
gegen Defterreich durch den Bifhof (von Sekkau) nicht 
ausſtechen.“ | 

Wenn wir in dieſer Abtheilung alles zu betsachten 
gefucht haben, was Ehe und Liebe der Ritter betrifft, fo 
müffen wir bier wohl noch von einer Einrichtung fprecen, 
die für jene Zeit überaus bedeutend war und auch für 
bie unfere immer noch als einzig und merkwuͤrdig erſchei⸗ 
nen muß, Dies find die Minnegerichte, Liebesgerichts⸗ 
böfe, Cours d’amour, In Deutichland erfcheinen fie 
nicht; fie find eine rein franzöfifche Spitz findigkeit in 


⸗ 


6. Abtpei. Die Frauen der Ritterzeit ıc. 139 


Unterfuchungen über bie Liebe; aber eine Neigung der 
Deutfchen eben bahin zeigt ſich doch in ihren Gedichten, 
in mannichfacher Betrachtung und Entwidelung einzelner 
Bragen uͤber Liebe felbt, über Ausübung der Pflichten, 
die in Wett: und Kamıpfs Gefprächen erörtert werben, fo 
daß das, was in Kranfreich vor einem wirklichen Gerichts⸗ 
hof verhandelt ward, bier nur von einem Dichter aufges 
worfen, unterfucht und entfchieden wird. Die Liebeshöfe 
in Frankreich blühten in den Ritterzeiten; fie waren mit 
ben wibigfien Köpfen jenes Zeitalters beſetzt und konnten 
als eine Schule der bamaligen ſchoͤnen Geiſter Frankreichs 
angefehen werben. Auch in Italien fanden fie Statt und 
bießen dort: Parlamento oder Corte d’amore, und bie tief: 
fimigen Gedichte der ditern italienifchen Dichter zeigen,. 
wie bemuͤht fie waren, alle Abgründe und leiſeſten Veraͤn⸗ 
derungen ber Liebe zu durchforſchen. Nicht immer waren 
fie bloß ein tändelndes Spiel, wie die Meiſten angenoms 
men. haben, fondern im nörblichen Frankreich waren fie 
zumeilen in einem recht eigentlichen Sinne Gerichts hoͤfe, 
indem über wirklich vorgefallene Liebeszaͤnkereien das Recht 
gefucht und Urtheil gefprochen wurde. Die mannichfach- 
ſten fruͤhern Unterſuchungen, die oft nicht: mit bebeutender 
Gruͤndlichkeit gemacht wurden, und wobei einer immer fi 
zu viel auf den andern verließ und neue Unterfuchungen 
nicht anftellte, werben durch ein Werk Überboten, welches 
die grünblichften Nachrichten ertheilt, und dies führt den 
Xitel: Roland Recherches sur les prerogatives des Da- 
mes chez les anciens Gaulois, sur les Cours d’amour, 


440... : Bmwektee Abſchnitt. Ritterleben. 


sur les privileges des ‚meres nobles etc. Paris, 
1788. 8 *). | 

Was die innere Einrichtung biefer Liebeshöfe betrifft, 
fo giebt dariber am beften eine Hekbfchrift Nachricht, 
welche im Jahre 1727 gefunden ward, von ber fich Aus⸗ 
züge T. VIEL der Memoires de. Pacadômie des Inscrip- 
- tions finden. Einige Schriftiteller "haben behauptet, daß 
der cour d’amour von dem cour amoureuse verſchieden 
fey, daß jener wirklich ernfthafte Liebesfragen entfchieden 
hätte, und daß biefer, ber erfi unter Karl VI. von Frank⸗ 
‚reich um's Jahr 1387 entflanden feyn fol, nur den Iwed 
gehabt hätte, die ernfthafteften. Dinge Iächerlich zu machen. 
. Die dafür angeführten Gründe find Teinedweges ald ent» 
ſcheidend zu betrachten, und beibe gehen gewiß in einander 
über, da es ganz bem fpätern Zeitgeiſt angemeflen war, 
dasjenige, was im früherer Zeit mit Ernſt umd Strenge 
betrachtet wurde, in ber fpätern in's Lächerliche zu ziehen 
und einen Scherz damit zu treiben, ber auch oft. nahe 
genug liegen mochte. Nach. ben eben bemerften Hands 
fchrift waren viele Abtheilungen von Beamteten bei dieſen 
Höfen; und da- hier gerabe ein beftimmter Liebeshof in 
ber Handſchrift beſchrieben wird, fo find immer die Namen 





* 


+) Die neueſten, in. Deutſchland erſchienenen Unterfuhungen haben 
durch einen Zufall hier nicht benust werden können, und leider 
muͤſſen wir uns in biefem Augenblide begnügen, nur ben Titel 
anzuführen: Die Minuehdfe bes Mittelalters und ihre 
Entſcheidungen oder Ausfprüäde. Gin Beitrag zur Geſchichte 
bes Ritterwefens und ber romantiſchen Rechtswiſſenſchaft. 8. 
Leipzig, 8.4. Brockhaus. 1821. 1 hir. 12 Or, 


6, Abtheil. Die Frauen ber Nitterzeit x. 14 


der Perfönen, welche bie Wuͤrde bekleideten, angeführt. 
Der Anfang der Handſchrift fehlt; daher laͤßt fich. nicht 
ſagen, welche Würde die .erfie Abtheilung bekleidete, aber 
ba wir in ihr die Namen der erflen und vornehmſten 
Derfonen Frankreichs finden, fo läßt ſich vermuthen, daß 
diefe Abtheilung die erfte. Stelle in ‚dem Gerichtshofe eins 
nahm. Darauf famen 2 Grands Veneurs de la Cour 
(Oberhofiägermeifter), denen 188 Minnegerichtd = Regiftra: 
toren (Tresoriers de chartres et registres amoureux) 
folgen. Die meiflen derſelben haben den. Zitel eines 
Ecuyer. Dann folgen die Auditeurs de la Cour amon- . 
reuse. (Unter den Namen, welche hier ermähnt werben, 
findet fich ein Doctor der Theologie, einige Domherren von 
Paris, Tournai ‚ Sambrai, Saint⸗Omer, und verſchiedene 
Darlamentöräthe.) Die naͤchſte Abtkeilung beficht aus 59 
Chevaliers d’honneur, als Räthen des Hpfes der Minne 
(Conseillers de la Cour amoureuse), welche ſaͤmmtlich 
Edelleute waren. Dann folgen 52 Chevaliers tresoriers 
de la Cour amoureuse, wo unter die Adlichen ein Wechs⸗ 
ler aus Zournai und ein anderer Bürger ebendaher ges 
mifcht ifl. Demnaͤchſt 57 Maitres des requetes de l& cour 
amoureuse, meiftend Kammerräthe, Münzwardeine, Kafs 
firer, Geheim Schreiber, Chorherren, Doctoren und Ad⸗ 
vocaten. Schreiber der cour amoureuse waren 32. Dann 
kamen 8 Gehülfen des General = Procurators (der in dem 
verlorenen Theil der Handfchrift erwähnt feyn muß), laus 
ter Geiſtliche. Hierauf folgen 4 Concierges des jardins 
.et vergiers amoureux, zulegt 10 Veneurs de la cour 
"amoureuse, meiftend Haͤſcher und Gerichtsdiener. 


142 gZweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Frauenzimmer finden wir gar nicht hier erwaͤhnt, und 
doch geht ihr lebhafter Antheil an dieſen Liebeshoͤfen aus 
einer Menge anderer Nachrichten auf das deutlichſte her⸗ 
vor. Vermuthlich waren ihre Aemter und Würden auf 
den erflen, verloren gegangenen Blättern der Handſchrift 
verzeichnet. Ohne Zweifel finden wir auch aus eben ber 
Urfache den Präfidenten ber Cours d’amour nicht benannt, 
den man Prince d’amour nannte. Moreri fagt von ihm 
in feinem gefchichtlihen Wörterbuche unter Troubadour: 
„die Stelle eines prince d’amour wurbe jährlich neu bes 
fegt. Der König Richard, der König Alfons von Arras 
gonien, ber Dauphin von Auvergne, ber Graf von Pro⸗ 
vence und andere große Hetren mwechfelten darin mit eins 
ander ab." ja Art und Weiſe, wie bie Streitigfeiteg 
vor biefem Gerichfähofe geführt wurden, erhellt unter An⸗ 
dern fehr deutlich & \ bem Arr& d’amour, wel zum 
Vortheil Wilhelms Cabeſtaing erlaſſen me, und 
deſſen weſentlicher EN, am beften ald Mſpiel dienen 
wird. „Der. Junker fang tußerhalb der Ecranken; eine 
Dame verrichtete das Akt Ne *9. bieners, Nachdem 


























fie ihn dreimal gerufen hatte‘, Kaby ihn eine anbere bei 
der Hand und fagte zu ib dem fie ihn einführte: 
„Edler Zunker, laßt eure Ggf vor den Schranken, 
babt bei den Frauen Feingfander: N affen von nöthen, als 
eurer HöflichPeit und, Artigkeit; zeigt mur ein wenig Be- 
gierbe zu gefallengfmüßte einer ja le, Herz, noch Blut, 












noch Augen en, der nicht begterig vg % ben Grauen zu 
gefallen," Als er in ben Kreis trat, WIRb er auf der 


Seite der Ritter ſtehen; num ward gegen hn von ber 





6, Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit «. 143 


Brau Eleogoxg und. dann von der Dariolette Kg ges 
Mgtte bedeutet in der Sprache der Kitter⸗ 
fchaft Kammer, fo’ wie der Ehemann ber au, die 
einen Geliebten Ya, immer unter dem Namen.bes Dan- 
gier vorkommt, wär peinlich von danger, Gefahr.) Er 
erröthete, denn er Ya, ein unfchuldiger Zängling. Er 
mußte nicht, wie er fig dertheidigen ſolltez denn er fuͤrch⸗ 
tete, die liebenswuͤrdige dund zierlich gefuͤgige Rechtsver⸗ 
fammfung zu beleidigen. gr gerkte night, daß fein Handel 
einer von denen war, bei ‚eiepeöhof gewählt hatte, 
. um fih zu unterhalten; (Bier AS dieſer gelegentlichen 
Aeußerung folgt, daß auch einſiche Händel: vor dieſem 
Gerichtshof entſchieden wurden.)E Eräbegehrte daher einen 
Mechtöbeiftand. Es wurde i N „geftäktet, fich denfelben 
aus feinen Richterinnen au fuck, ha ſich der 
edlen Margaretha von Tgfascon, Ini vor ihr nieder 
und reichte ihr ſeinen Hañdſchuh. u Vihrgaretha nahm 
ihn erröthend, erhob ſich von ihrem Sun d ſtellte fich 
neben den Junker. Nachdem die Verthlbigurtägrede geen⸗ 
biegt war, fagte ihm ein Gerichtsdiener Ne ds er3 
laubt euch, euern Mechtsbeiſtand auf die ge — kuͤſſen. 
Er ließ ih dies nicht zweimal wiederholenk Reumund, 
der Gemal der Margaretha, wollte dagegen Mecfägülfe 
ſuchen; maß antwortete ihm nur durch ein jemöne 
Gelaͤchter. Der Junker ging nun zu allen Rid nen 
und kuͤßte einer jeden die Hand.“ 

„Ghen wollte das Gericht den Ausſpruch chun, "ars 
ein Maffe hereinkam, den Cabeſtaing mit gebundenen 
Händen batte herflihren laſſen, ba er von ihm betroffen: 























! 


1446 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


worden war, als er einem ſchoͤnen Bauermaͤdchen Gewalt 
anthun, dollte. Der Pfaffe verklagte ihn als Ehrent uber 
bes X Cabeſtaing widerſprach dem nichk, aber 
das Maͤdchen ſagte: Edle Frauen, nichts hat mir Br ſchoͤne 
Junker geräußt, Ich felbit habe ihm alles gägeben und 
wäre faſt beic geweſen, haͤtte er nicht dee nehmen 
wollen; hätte bas gefuͤrchtet, es geſchaͤhe au⸗ Verachtung. 
Das Maͤdchen wär fp reizend, bie Entfepulbigung fo buͤn⸗ 
dig; kurz, Frau ehe, die ſeelengut war, ſprach 
den Schuldigen frei. Aun wurde zum: Ausſpruch in ber 
Hauptfache gefchritten. , Daß Gericht gebot Stillſchwei⸗ 
gen und Eliſe von Zurchon Praͤſidentin des Liebeshofes, 
ſprach -felgendes Urtheil ad: Nichts iſt ſtrafbar in eurem 
Handel, ſchoͤner Junker, habt gethan, was ihr gewollt 
mit Dariolette, habt nicht ußt, was ihr der Frau 
Eleonore ſchuldig waret, habt tgelhan, was die Gelegen⸗ 
heit mit ſich brachte mit dem Bauernmaͤdchen. Der Hof 
fpricht euch los ‚und trägt: zuch auf, Nicht mehr fo ſchuͤch⸗ 
tern, fondern artiger zu fein gegen, de Frauen, und bei 
und bie Gefege der zierlichen Sefügfgtok (Salanterie) zu 
lernen. Der Pfaffe fol Ioögebunbin werden und ſein 
Paternoſter beten. Trefft ihr ihn wieder kei einem Maͤd⸗ 
chen an, fo ift es euch geflattet, ihm bie Aafe abzubauen. 
Seined Gleichen find beſtimmt, Gott zu pi 
von unſern Sünden los zuſprechen. 

Die Laitigkeit, ja Verberbtheit ber 
biefem ganzen, vor einem Liebeöhofe gefüh | 
hervorgehen, bedürfen Feines Nachweiſes. 








» 


6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 145 








fondern eine; 
fonnten, was 


Joch größere der Frauen, welche vertheidigen 
uͤchtigkeit und Sitte bis in?s Innerſte 
verletzte. Und die elloſigkeit war nicht. etwa in den 
Herzen und Gefinniihgerfginzelner verlargen, ſondern fie 
wagte es fogar ſich Kent auözufprechen, ja durch 
einen feierlich und foͤrmlich efprochenen Rechts beſcheib 
als etwas gar Guͤltiges ib eier fi fi hinzuſtellen. Ins 
deſſen tft auch nicht fu fi Aberfehehh, * der eben erzaͤhlte 
Rechtshandel guf Linem zu Paris | ee Minnegericht 
be Aufhören der 
ichte faͤllt, wo fie gewiß —* 1 Stoßer Entars 

tung‘, wie bie ganzen Sitten, waren. N“, nf 
Aus- n fließt. man, 
daß es der Cour d’amour an nichts fehlte, was zu einem 
ordentlichen Gerichte gehörte: Die Anftelung der Häfcher 
und Gerichtödiener beweift, daß die Schriftfteller recht 
haben, welche bejaupten, man habe wohl gewußt, felbft 
firenge Rechtöfprüche, die einmal ergangen waren, zu bes 
haupten und in Wirklichkeit zu. feßen. Aber sein noch 
beutlicherer Beweis, daß fie wirklich als feſtſtehende Gerichts⸗ 
höfe betrachtet wurden, ift, daB Serichtöfporteln von dem 
verlierenden Theile gezahlt werden mußten; und bamit hat 
auch daB fogenannte droit de Pelotte in Frankreich Zu: 
fammenhang, welches in einer Abgabe beftand, bie von 
ben zur zweiten Ehe Schreitenden, zur Strafe ihrer Uns 
enthaltſamkeit und Untreue, und von folchen, die fi) mit 
. Bremden verehelichten, bezahlt werden mußte; und das 
ganze Streben biefes Geſetzes zeigt auf eine Entftehung 

aus Befchlüffen ber Minnegerichte hin, - 








19 


146 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Auch die Orte, an welchen in Frankreich Minnege⸗ 
richte gehalten worden ſind, wurden uns noch zum Theil 
aufbehalten. Noſtradamus ſpricht von einem zu Pierre- 
feu unb einem andern zu Signes, unb nennt fogar bie 
Srauen, welche zu Ende des 12. Jahrh. dabei den Vorfitz 
führten. Dann waren welche zu Lille und Paris, und 
fogar zu Avignon wurde zu ber Zeit, als die Päpfie da⸗ 
feloft Ihren Hof hatten, eine Cour d’amour gehalten. — 
Bann bie Minnegerichte eigentlich aufhörten, läßt fich 
nicht genau beflimmen, es ift aber zu vermuthen, daß fie 
fi nach dem Berfehwinden der Zroubabours nicht lange 
werben erhalten haben; denn biefe Sänger waren «8, 
welche ihnen am meiſten Leben und Bebeutung gaben. 
Auch befonders die Einführung eines fremden Rechtöwes 
fens, des römifhen, mußte bie Liebeshoͤfe, die fich auf 
heimifche Rechtseinrichtungen bezogen, immermehr zurüd» 
drängen; doch geht auch aus einigen Zügen hervor, daß 
fie noch im 415. Jahrh., wenn auch nur ſchwach, vorbans 
ben waren. Späterhin hat man noch verfucht, fie wieber 
im Einzelnen barzuftellen, und ber Prince d’amour findet 
fih noch im 47. Jahrh. wieber erneut. 

Als feſtes Zeichen der Minnegerichte blieben uns die 
Ausſpruͤche derſelben, bie Arr&ts d’amour, von been ed 
mehre Sammlungen giebt. Wenn auch diefe Rechts⸗ 
fprüche fchwerlich in diefen Gerichten aufgezeichnet wurden, 
fo hatten fie doch viel zu viel Anziehendes, als daß nicht 
ein und ber andere Zheilnehmer oder Betheiligte fich davon 
etwas aufgefchrieben haben follte, zu feiner oder feiner 
Sreunde Erinnerung; und die Troubadours fammelten aus 


6. Abtheil. Die Frauen ber Mitterzeit . 447 


folchen alten Schriften die verfchiebenen Streitigkeiten, 
welche zwifchen Verliebten vorgefallen” waren, und bie 
Urtheile, woburd fie entfchieven wurden. Daraus ent⸗ 


fanden benn die Sammlun auch gebrudt ers 
ſchienen und in viele Sprodgmesfest wurden. Hiervon 
ift auch eine beutfche Leber orhanden, welche Chris- 


flophor Freiherr von Aretin unter der Auffchrift: Ausfprüche 
bes Minnegerichte, 1803 zu Münden herausgab. Er 
ſetzte ihnen noch, aus alter Handſchrift, eine Erzählung 
voraus: wie ein Ritter am Hofe bes Königs Artus die 
Geſetze der Minne fand, welche ihre Erdichtung Har und 
beutlich an ber Stiene trägt. Die darauf folgenden Ges 
feße der Minne und Liebe dagegen tragen fchon einen 
größern Glauben ber Wahrhaftigkeit in fi. Jene Erzähs 
Iung laſſen wir daher auch auf fich beruhen, und aus ben 
Geſetzen fcheinen nur einige zur Probe eine Anführung zu 
verdienen: 

Niemand mag ſich von ber Liebe entnehmen und 
Davon rechtlich fpeiden. — Die Liebe mus allweg wach⸗ 
. fen ober abnehmen. — Wenn ein Lieb zwei Jahre ohne 
Buhlen ift, das ift wider die Buhlſchaft. iinfehuniikiet . 

mag ud mnbl-beu „ltich — 











—— — Niemand ſoll feiner Lieb’. 
und Minne ohne Urfach beraubt werden; — Niemand. 
mag recht lieb haben, bann wo ihn fein Herz und Minne 
binteögt. — Liebe mag bei Seizigfeit nicht wohnen. — 
Es fol niemand minnen, noch lieb haben, deſſen er 
| 10* 


‘ 
% 


4148 Zweiter Abſchnitt. Ritterlebe n. 


Schande hat. — Die geöffnete weit erſchollene Minne 
mag gar felten Yang währen, (darum fuchten bie Rıfter 
auch heimliche verborgene Liebe und waren bemüht, ben 


Kamen ihrer Geliebtc a Selt zu verhehlen) — Wer 
wird bald verfhmäht. — 
. — Frömmigkeit allein 


Yeichtlich gewährt, d 

Neue Liebe : vertreibt 

macht die Liebe wuͤrdig. — Ein rechter minnefüchriger 
Buhle ift allmeg forgfältig. — Da iſt rechte Freude, 
wo Liebe mit Liebe bezahlt wird. — Ein rechter Buhle 
meint, daß nichts beflerd fei, denn daß er feines Liebe 
Willen thue. — Ein klein wenig Argwohn macht in der 
Liebe miödenten. — Einen rechten minnefüdhtigen Buh⸗ 
Ien duͤnkt allmeg, wie feines Liebs Geſtalt vor ihm ſtehe. 
— Einer Frau ift verboten zwei Lieb, und einem Mann 
find verboten zwei Frauen zu Buhlen. — 

Zur Probe mögen nun bier auch noch einige Aus: 
fprüche der Minnegerichte ihre Stelle finden: Von zwei 
Buhlen, deren einer dem andern in allen Sachen gleich 
ift, denn allein im Gut, welcher aufzunehmen iſt? Es 
waren zween Buhlen, deren einer bem andern in Sitten, 
in Zugend und in aller Ehrbarkeit ‚gleich war, allein, 
daß ihre Gut ımd ihre Haab’ ungleich war. Nun magf 
du fragen, welcher fei einer werthen Frauen aufzunehmen? 
Darum gefchah ein Urtheil, welches bie Gräfin von Cham: 
panien gefprochen bat. „Es wär’ eine ungleidde (ums 
rechte) Sache, follte Reichheit und But wohlgezierte Sit: 
ten und Tugenden übertreffen. So wäre auch unziemlid,, 
daß ein wohlgezierter reicher Mann follte der Armuth 
nachgeben und folgen. Und barum ifl die Frau reich und 







6. Abtheil. Die Grauen ber Ritterzeit wc. 149 


bat viel Gut's, um bie fie beibe buhlen und werben, fo 
fol und mag fie den Armen nehmen, und den Reichen 
ausſchlagen; denn es iſt ihr. ehrlicher und ziemlicher, denn 
daß fie den Reichen aufnehme; want ed fol und ift Fein 
Ding den Leuten als (alfo) fchwer und leid, benn fo ein 
bied’rer armer Mann mit Armut verbunkelt und verkürzt 
üiſt, oder Armut erduldet. Darum wird die Reiche billig 
gelobt, wenn fie ihn ninimt, und den Reichen fallen läßt, 
denn mit ihrer Reichheit mag fie bem Armen helfen; denn 
es iſt nichts, das Weiber und Männer in Buhlfchaft fo 
hoch ehrt und preifet, denn fo jegliches dem andern mit 
allem feinem Vermögen in Nothdurft hilft und beifteht. 
Mär’ aber, die Frau litte Armut, fo nimmt fie billig 
auf die Liebe des Meichen, denn, fo fie beide Geliebte in 
Armut Schwimmen, fo wirb ohne Zweifel ihre Liebe nicht 
‚ Tange währen; denn Armut verfchämt alle gute Leute, 
und bringt fie viel in erufiliche Sorge und Gedanken; und 
in dem Schlaf fo betreugt Armut und Unmut fo fehr, 
daß fie rechte Lieb’ und Minne vertreiben thut.“ J 
Ein anderes Beiſpiel entſcheidet die Frage: „ob einer 
rauen ziemlich fei, einen neuen Buhlen zu nehmen, wenn 
fie in zwei Jahren Beinen Brief noch Botſchaft gehabt hat, 
fo ihr Buhl’ vom Lande iſt geritten? Es war eine Tran, 
vie hätt’ einen Buhlen, ber nun lang’ über Meer aus 
gewefen war, daß feine Wiederkunft niemand mehr hofte; 
die fuchte ihr einen anbern Buhlen. Nun hatte der erfle 
Buhler einen geheimen Diener, berfelbe verbot ihr, daß 
fie nicht einen andern Buhlen begehren noch nehmen folte, 
wann ihm was faft leid um feinen Herrn, Die Frau 


"410 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


wollte feinem Rath nicht folgen, und befchämte fich mit 
dieſen Worten: Seit einer Frauen ziemet, daß fie in zwei 
. Sahren nad ihres Manned Tod mag einen andern Mann 
nehmen, fo ziemt es baß einer Frau, die ihren Buhlen 
verliert; denn fo ich doch in zwei Jahren nie Boten noch 
Brief gehabt habe, und doch der Boten genug find gewes 
fen, bie es wohl gethan hätten. Da aus diefen Sachen 
viel geredet war, fo gingen fie Binter bie Gräfin von 
Champanien. Die entfchieb diefen Krieg mit einem fols 
hen Urtheil und fprach: die rau thut nicht recht, ob fie 
ihren Buhlen verleußt (verfchmäht) und ausfchlägt, darum, 
daß er lang aus iſt, fie wäßte dann, daß er ihr die Freue 
gebrochen hätte; denn fo ein Buhler von feiner Noth 
wegen, ober von Bitterfchaft wegen fo lang aus iſt in 
fremdem Lande, und fi da befleißet, feiner Frau zu 
‚ dienen, wie mag ihr größere Lieb’ und Freude gefcheben, 
oder wenn fie weiß, baß er ift bei frommen Leuten. Ja, 
‘fie mag wohl fpredhen, ich habe auch einen Diener bei 
. biefen Sachen; wenn *), daß er weber Boten noch Briefe 
gefandt hat, das mag ihm zu großer Weisheit geſchaͤtzt 
werben; benn feinem Fremden ziemt dee Minne Geheim⸗ 
niffe zu ſagen; denn hätt’ er Briefe gefandt, die möchten 
durch Tod des Boten in eine fremde Hand gekommen 
fein, womit die-Geheim ber Liebe geöffnet worben wären.” 

Eine dritte Brage und Entfcheibung. ifl: „ob eine 
Srau ihren Buhlen ausfchlagen möge, wenn er im. Streit 
feiner Glieder eines verloren hatte? Es geſchah auch eine 





*) benn, 


6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ıc. 151 


ſolche Irrung in der Liebe, da ein Ritter vitterlich im 
einem Streit verlöre ein Aug’ oder eine Hand, ob er billig 
von ſeinem Buhlen verworfen und ihm Freude und Luſt 
verſagt werde. Dawider iſt die Fuͤrſtin von Narbon mit 
ihrem Urtheil und ſprach alſo: Die Frau iſt aller Ehren 
unwerth, die ihren Buhlen darum verſchmaͤht, daß er im 
Streit ſeiner Glieder eines verloren hat, und ein klein 
(wenig) ungeſtalt iſt; denn doch Mannheit und harter 
Streit darum von Maͤnnern getrieben wird, daß ſie die 
Liebe damit mehren und innbruͤnſtig machen, denn ein 
rechter maͤnnlicher, unverzagter Mann mag keinem Weib 
misfallen. So ein hübfcher Ausgeſtrichener (ein hüͤbſch 
Gebildeter) ein Zag' (ein Verzagter) iſt, der niemand und 
keiner ehrbaren Frau behagen mag, warum ſollte denn die 
Sache, die von Mannheit kommt, die Liebe mindern, ſeit 
doch die Mannheit der Liebe Siegel iſt?“ 

Das vierte und legte Beifpie| enblih, bad hier ans 
zuführen ift, befagt zugleich dasjenige, was die Liebenden 
einander fchenkten, und lehrt außerdem, wie fie fich heim⸗ 
lich vor aller Welt verborgen Kalten follten mit ihrer Liebe: 
Es heißt: „Was Gab’ und Kleinod ein Lich von dem 
andern glimpflich möge empfangen, nebſt einigen andern 
Vorſchriften. Es warb auch gefragt von der Gräfin von 


Shampanien, was Kleinod oder Gab’ ein Lieb von dem 


‚andern ohne Schande wohl möchte empfangen. Die Graͤ⸗ 
fin beantwortete daB alfo: Gin Lieb mag von dem andern 
empfangen und nehmen Korallen, Schnüre, Haarband, 
Bürgefpänge von Gold oder Süber, Häftlein, Handſchuhe, 
Ermelsinge, Büchfel, Spiegel, Gürtel, Beutel, Horn⸗ 


t 


X 





152 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben, 


gefaͤß, Waſchgeſchirr, Kandel, Schreinerl, Panier u. ſ. w. 
zu einem Gedächtnis, und daß wir es in einer gemeinen 
Rede begreifen: ein Leib mag von dem andern wohl ems 
pfangen alle, bad zu dem Leib zu zieren gehört und klein 
‚ft; oder wobei ein Leib bed andern mag gedenken, das 
mag eined von bem andern wohl empfangen, glimpflid 
ohne Schande, und doch, baß ‚darin Feine Geizigkeit ges 
fhehe. Doc fo wollen wir, daß alle Minnesfitter lehren: 
wil ein Lieb von dem andern ein Zingerlein empfangen 
und fragen, fo foll es an ber tenben (linten) Hand, an 
dem minnften (mindeften, Heinften) Finger tragen, und 
ben Stein des Fingerleins allweg innwärts verborgen 
tragen und kehren. Das ift darum, daß die tenke (linke) 
Band felten unziemliche oder unflgliche Dinge thut bes 
rühren, und darum, daß man fagt, daß in dem minnften 
Singer der Tod und das Leben des Menfchen ſei; unb 
desgleichen iſt jegliches Lieb dem andern ſchuldig und 
pflichtig, daß er fein Lieb unbetruͤbt und unverſehrt laſſe; 
ober ob bie Lieb? einander mit Briefen ſehen und troͤſten 
wolle, ihre Namen follen darinn nicht fein; und desglei⸗ 
chen was Geſchicht und Klage vor bie Frauen zu Recht 
koͤmmt, ba foll Jedwedes Name verfchwiegen bleiben, fons 
dern man fol ed in einer Gemein darlegen und bie ges 
fandten Briefe follen nicht mit befannten Sigillen ver 
pettjchaftet werben, fondern mit geheimen Sigillen, bie 
niemand, benn fie zwei erfennen und bie Boten; alfo 
bleibt die Liebe allweg unverſehrt.“ 

‚Soolcher Beifpiele giebt es nun, auch: außer biefen 
Auöfprüchen der. Minnegerichte, eine nicht unbebeutende 





6. Abtheil, Die Frauen ber Ritterzelt ıc. 153,‘ 


Menge; die franzöfifchen Werke ewhalten fie in großer 
Anzahl. Die Dichter des alten Frankreichs, die Trouba⸗ 
dours, nahmen ſolche Streitfragen der Rechtöwillenfchaft 
ber Liebe, wie man fie nennen möchte, auch in ihre Dich: 
tungen mit auf und gaben ihnen den Namen Jeux-Partis. 


In ihnen trägt der Dichter eine Meinung vor, eine zweite 


Perfon tritt mit einer andern dagegen auf, Die Frage wirb 
durch einige Versſaͤtze gut oder fchlecht verhandelt, dann 
kommt eine dritte Perfon und thut ben Ausfprurh, ober 
man betrachtet die Sache ald durch den entfchieben, ber 
bas legte Wort führt. Einige diefer Jeux-Partis, beſon⸗ 
ders die aus den jüngern Zeiten, verrathen Die größfe 
Unſittlichkeit, andere dagegen bezeichnen wieber eine Rein⸗ 
heit ber Liebe, die bis zur höchften Schwärmerei gefleigert 
if. Es wird nicht am unrechten Ort fepn, bier ein Bei⸗ 


fpiel in ein paar folhen Fragen aufzuftellen: „Was wäre ” 
euch lieber, daß eure Liebſte ſtuͤrbe, ober einen andern heis \ 


ratete?“ — „Diefer rühmt fi nicht empfangener Gunſt⸗ 
bezeugungen, jener macht bie erhaltenen befannt — wer 
von beiden "verdient mehr Tadel!" — „Wenn ihr mit 
eurem Liebchen eine nächtliche Zuſammenkunft hättet, wuͤr⸗ 
bet ihr lieber bei eurem Eintritt mich von ihr, oder bei 
eurem Weggehen mich zu ihr gehen ſehen?“ — Und 
diefer Fragen nun giebt es noch viele, gegen welche bie 
angeführten noch unfchuldig zu nennen find. 


Wenn es auch in Deutfchland Feine Liebeshoͤfe gab, . 


fo find doch manche folher Fragen von den Dichtern un: 
terfucht und behandelt worben, indeſſen nie mit folcher 
Ausbehnung, wie in Frankreich; nie warb in Deutſchland 





N 








154 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


das ganze Verhaͤltniß fo auf die Spitze geſtellt, wie dort, 
und nie wurbe wahre Liebe und eine rohe Sinnlichkeit fo 
ſchroff fi berührend gegen einander geſetzt; wenigftens 
findet fi) davon in den auf uns gefommenen Werfen bes 
Mittelalters Feine Spur. Eine größere Tuͤchtigkeit, eine 
zeinere Sefinnung bewahrte die Deutfchen davor, wenn es 
anderer Seits auch wieber nicht an einer größern Derbbeit 
fehlte, die zu rohern Thaten hinriß. Diefe Rohheit war 
wenigſtens beſſer, als die fchleichende alles vergiftenbe 
Zrüglichkeit, welche in Sranfreich nur zu bald die Ober⸗ 
band gewann, bie fi) in eben ſolchem und in noch ärges 
rem Schmuze ber Sinnlichkeit geftel, nur feiner ihre Wege 
verbedite. Darum fehlt in den deutfchen Dichtungen bie 
fein giftige Mitte, welche ſich in den franzoͤſiſchen Dich⸗ 
tungen findet, eine hohe, geiftige Liebe fleht flarr und 
entfernt von einer plumpen Sinnlichkeit und iſt einer hands 
greiflichen Zotenhaftigteit entgegengefegt, bie leiber Statt 
findet, aber von der fich der beffere Sinn gleich erröthend 
abmendet. 


. 





⸗ 


7. Abthell. Gelubde ber Ritter ꝛe. 155 


Siebente Abtheilung. 


Geluͤbde der Ritter, verbunden mit ihrer Gottes⸗ 
furcht und Liebe oder aus einzelnen Beweiſen 
ihrer Tapferkeit entſpringend. 


J. einem Zeitalter, in dem alle Gefuͤhle ſo ſehr geſpannt, 
ſo hoch geſteigert waren, iſt es nicht zu verwundern, wenn 
man fieht, zu welchen abenteuerlichen, ja verderblichen Uns 
ternehmungen fich die Ritter anheiſchig machten; indem fie 
bie Ausführung derfelben durch heilige Eide unverbruͤchlich 


verfprachen, oder durch ihr bloßes Wort und Verheißen 


befräftigten, das ihnen glei) heilig als ein Eid war. 
Bir mirffen hier auf den ganzen Stand der religid: 
fen und wiſſenſchaftlichen Bildung, fowohl ber Geiftlichen 
jener Zeit ald auch der Weltlichen, einen kurzen Blick 
werfen. Die einfachen Fertigkeiten des Lefens und Schreis 
bens, bie in unferer Zeit jeder, wenn er auch bed nie: 
brigften Standes ift, fich zu erwerben fucht, waren da⸗ 
mals nicht weit verbreitet, im Gegentheil gehörten fie nur 
“ zur wiffenfchaftlihen Ausbildung einiger wenigen. So 
mußte Ulrich von Lichtenflein oftmals tagelang walten, 
ehe er erfuhr, was ein Brief oder ein Büchlein enthielt; 
benn ed heißt ©. 33 feines Frauendienfles: „Mein Schreis 
ber war nicht bei mir, der mir meine heimlichen Briefe 
laß und mir auch bie meinigen fehrieb, davon blieb das 


156 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Buͤchlein zehn Tage ungeleſen. Nach der Zeit kam mein 
Schreiber, ich nahm ihn in ein heimliches Zimmer und 
bat ihn leſen, was da geſchrieben ſtand.“ Daß dageqen 
wieder auch viel Bildung bei einzelnen hohen Perſonen 
herrſchte, ja daß ſelbſt Frauen ein gelehrtes Wiſſen ſich 
zu verſchaffen ſuchten, das weiſet uns die Geſchichte ſchon 
in einer Zeit nach, die kurz der Entwicelung des eigent⸗ 
lichen Ritterweſens vorangeht, indem im zehnten und elfs 
ten Sahrhundert es Frauen, und unter ihnen gar Kais 
ferinnen gab, bie eine völlig gelehrte Bildung ihrer Zeit 
empfangen hatten; und fo werben wir wohl zu bem 
Schluß berechtiget, daß hie und ba auch gleiches Streben 
noch in ber Ritterzeit, wo eine fo große geiflige und leibs 
liche Xhätigkeit und Lebendigkeit herrfchte, waltete. Daß 
die Srauen des Leſens und Schreibens kundiger feyn mochs 
ten, ald die Männer, ift gewiß; benn Ulrichs Gelichte, 
um nur ein Beifpiel anzuführen, liefl die Briefe, welche 
. fie von ihm befommt, fogleih und beantwortet fie auch; 
und wirklich blieb auch den Frauen im ſtillen haͤuslichen 
Leben überaus viel Zeit, um fich in biefen Kenntniſſen 
mehr auszubilden, indem bei den Männern die Triegerifchen 
und „Kampf = Hebungen den größten Theil ihres Lebens 
einnahmen, und die bamit unzertrennliche Ermübung bes 
Leibes ihnen, nach Vollendung ber Uebungen, um fo mehr 
alle Luft mit andern ernflen Befchäftigungen raubte, Wenn 
alfo zumeift bei den Männern, die nicht Geiſtliche waren, - 
bie erflen Bedingungen einer willenfchaftlichen Bildung, 
Leſen und Schreiben, fehlten, war es natürlich, daß eine 
tiefere Entfaltung der geifligen Kräfte ganz mangelte, 


7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter ic, 157 


Indem aber dagegen wieber bad ganze Leben bedeutend 
auf bie Einbildungskraft wirkte, ja alle Zriebfedern der 
ganzen Zeit in die erregte Einbildungskraft ihre Wurzeln 
fentten, fo iſt ed nicht zu verwundern, daß ih fo viele 
ünmuthige, wahre Raturs Dichter unter den: nicht weiter 
gelehrt und wifjenfchaftlich ausgebildeten Rittern fanden, 
daß fo liebliche Gefänge von ihnen ertönten, bie fie in 
&reuem Gebächtniß bewahrten, bis ihre Schreiber fie in 
dad Pergament eintrugen, ober fie felbft diefeben ihren 
Geliebten und Hausgenoffen fangen. Aber damit konnte 
eine große Geifteseinfalt, ein bedeutendes mährchenhaftes 
Helldunkel Über dies eigentliche Ziel geiftiger Beſtrebungen 
gut beftehen, und fo konnte ber mannhafte Ritter wohl 
in einem kindlichen Dunkel, rüdfichtlich höherer Bildung, 
wandeln. Be 
Bollen wir nun Sinn und Ziel der Geläbbe dama⸗ 
liger Zeit begreifen, fo ift e8 auch noch nothmendig, wes 
ige Blicke auf die teligidfe Denkungsart jener Tage und 
auf die gottesdienſtlichen Uebungen ber Ritter zu werfen *). 
Ob die Gottesfurcht der, Ritter eine wahre und innige, 
ober ob fie bloß eine mehr äußere geweſen fey, wie mans 
che Schriftfieller gemeint haben, das möchte doch.jetzt zu 
entfcheiven fehr fehwierig erfcheinen. Der Unterricht ber 
Geiftlihen mag oft Tau und gering gewefen ſeyn; aber ifl 
der auch immer wohl die Hauptfache? Gin freudig Gott 





*) a8 hier im vorigen und biefem Gage nur: kan; angedeutet 
warb, ift beflimmt, in ber Zolge, wenn einzelne Quellen noch 
tiefer haben unterfucht werben können, eigene Ausführung zu 
finden. Man erlaube mir daher hier nur eige -Anbeutung. 


158 weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


vertrauendes Leben und Wandeln iſt ein oft mehr beleh⸗ 
rendes Beiſpiel, als lange und erbauliche Reden anderer 
Seits, die mit dem Leben des Sprechenden nicht im Ein⸗ 
klang ſtehen und oft mehr eine angenommene Form als 
eine aus ben. Ziefen des Gemuͤths kommende Ueberzeu⸗ 
gung find. Was auf dad Aeußere lebhaft wirkte, mußte 
bei folchen ſinnlich thätigen Menſchen auch gar leicht eine 
innere Wirkung betvorbringen, und bie fromme Ausuͤbung 
der Religion mit ber verfammelten Gemeinde wirb wohl 
bei den meiften, mehr noch als in unfern Zagen, ihre 
Wirkung nicht verfehlt haben; denn ed gab in jener Zeit 
nur zu viel Lagen des Lebens, wie in ber unfern nod 
fortdauernd, in denen Stimmungen bewirkt wurden, die 
wohl aufferberten, einen Blid vom Aeußern ind Innere zu 
thun. Gewiſſe tägliche gottesdienflliche Uebungen mußte der 
Ritter vollbringen; das legten ihm fchen die Gefege der 
Kitterfchaft auf, die er, wie wir gefehen, bei Erlangung 
ber Ritterwuͤrde befchwören mußte, und dazu gehörte bes 
fonders die Vorſchrift: täglich die Meſſe zu hören. Es 
mag wohl nicht an foldhen Rittern gefehlt haben, bie 
glaubten, wenn fie die Meſſe gehört, hätten fie ſich mit 
Gott abgefunden, um nun vieles zu begehen, was weber 
vor göttlichen noch menfclichen Gefetzen beftehen konnte, 
und . gegen Menſchlichkeit, Redlichkeit und Reinheit 
der Sitten verſtieß. Solcher Veifpiele mag es mehre ges 
geben haben; benn auch bad Beſte und Tüuͤchtigſte kann 
verzerrt werben, und neben das Tiefe und Züchtige flellt 
fi im Leben nur zu leicht das Hohle, Nichtige und Böfe 
bin. Bei dem großen Einfluffe indeflen, weichen bamald 








7. Abthell. Getübde der Ritter. 159 


die Geiflichfeit auf das ganze Leben hatte, gab es immer 
wieber andere Mittel, um von folchenLaftern auf einen beſſern 
Weg wo möglich zurkdzuführen: eine Pilgerfahrt nad 
einem heiligen Orte, wenn die Sünde ſchwer zu fühnen 
war, nach Rom oder nach dem gelobten Lande, ein Zelds 
zug wiber bie Ungläubigen — biefe Werke hielt man flr 
geeignet, große Sünden, ja felbfl Verbrechen zu fühnen, 
Bei ben oft ungeheuren Befchwerlichkeiten, denen die Rits 
ter ſich dabei unterziehen mußten, mag ed wohl nicht an 
Augenbliden gefehlt haben, in denen die Büßenden von 
dem Aeußerlichen fich zu dem Innern und wahrhaft wieder 
. zu Gott wendeten. Ehe ein ernfllicher Kampf unternom⸗ 
men ward, beichteten dle Ritter und hörten Meſſe. Die 
Zurniere wurden gemeinhin im Namen Gottes und ber 
beiligen Jungfrau verfündiger; und baß fie fich beim Be: 
ginn diefes Spieles felbft, che fie in die Schranken ritten 
und ehe fie ein Lanzenrennen begammen, mit dem Zeichen 
des Kreuzes gefegnet‘ haben mögen, wenn auch nur dies 
bamald wie jeht, zu einer Angewöhnung unb gelernten 
Form geworben, ift gewiß. ‚ 
Damit nun die Ritter ihren Unternehmungen einen 
fihern Erfolg verfchaffen möchten, fo lag ed Iganz im 
Seife jener Zeit, daß fie fih burh ein Geluͤbde vers 
banden, irgend etwas zu erfüllen, fobald ihr Unternehmen 
fo gelingen würde, als fie es wuͤnſchten. Diefe Geluͤbde, 
die wir bier kurz betrachten wollen, Tönnte man breifach 
eintheilen, in: Geluͤbde der Religion, ber Ehre und der 
Liebe, 6 
Bu den Geluͤbden der Religion bereiteten fie ſich oft 


> 


160 weiter Abſchnitt. Ritterleben. 


durch Kaſteiungen, durch die Beichte und durch andere 
gottesdienſtliche Handlungen vor, und darauf ſprachen fie 
dann, kniend, die Hand auf die Bibel gelegt, die Worte 
des Geluͤbdes aus, zu dem fie fich verbindlich machen 
wollten. Diefe Geluͤbde befanden darin, daB die Ritter 
3. B. verfprachen, gewifle heilige Orte, von beren Schutz⸗ 
heiligen fie fich befonderd viel Hülfe verfprachen, zu be= 
fuchen; ihre eigenen Waffen oder die Waffen ihrer über- 
wundenen Feinde in Kirchen oder Klöfter niederzulegen; 
an gewiffen Tagen zu faflen; u. dgl. Ober fie machten 
fih auch anheifhig: wenn fie einen feſten Platz glüdlich 
vertheibigt, eine Heflung eingenommen, oder das Feld vor 
dem Feinde behauptet haben würben, gewifle Bußhbungen 
zu verrichten. Hierzu bieten die Rittergeſchichten alter 
Zeit, fowohl die Dichtungen als die wahren Erzählungen 
von bem Leben einzelner Ritter, überaus viel Belege bar, 
nur ift ed meiftentheild fehr fchwierig, bie Gelübbe ber 
Religiofität von denen der Ehre zu trennen. Aus dem 
Leben ded Bertrand bu Guesclin, eines berühmten fran⸗ 
zöfifchen Ritters, wird ein Beifpiel genügen: Ehe fich 
Bertrand auf die Reife zu einem Kampfe begab, zu bem 
ihn ein Engländer durch eine Ausforberung geladen hatte, 
hörte er vorher die Mefle, und als er bei biefer zum 
Opfer Fam, gelobte er Gott feinen Leib und feine Waffen, 
bie er wider bie Ungläubigen zu gebrauchen verfprach, 
wenn er in biefem Kampfe fiegen wuͤrde. 

Die gewöhnlichften Gelübde waren bei den Nittern 
die der Ehre, und diefe traten gemeiniglich bei geringern 
Deranlaffungen und Unternehmungen ein. Sie murben 





7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter. 1461 


meiſtentheils durch das bloße Wort, durch den Handſchlag, 
durch ein gegebenes Zeichen der Ruͤſtung, beſiegelt. Als 


«in ſolches Geluͤbde der Ehre kann man auch die Hinwer⸗ 


fung des Handſchuhes, wodurch die Ankuͤndigung des 
Kampfes bezeichnet ward, anſehen. Denn dieſer Hand⸗ 
ſchuh enthielt die ſeierliche Betheurung, daß man ſich ſei⸗ 
nem Feinde ſtellen wuͤrde, und war zu gleicher Zeit ein 
Pfand, welches der Ausforderer ſeinem Gegner hingab, 
und das er auszuloͤſen ſich dadurch anheiſchig machte, es 
mochte nun ſo viel Nachtheil, ja Ungluͤck, als nur wollte, 
ibm daraus entſtehen. Als ſolche Ehrengeluͤbde kann 
man auch mehre annehmen, die zwiſchen dieſen ſtreng als 
Ehrengeluͤbde zu betrachtenden, und denen der Religion 
mitten inne zu ſchweben ſcheinen. Dahin gehoͤrt das hei⸗ 
lig gegebene und beſchworene Verſprechen des Bertrand 
du Guesclin, als er der Feſtung Monttontur gegenuͤher 
ſtand, welche vor ihm ſchon lange von Cliſſon belagert 
worden war, ohne daß es gelingen wollte, fie einzuneh⸗ 
men. Bertrand gelobte, als er den Oberbefehl Aber das 
Belagerungsheer annahm: er wolle nicht. cher Fleiſch effen, 
‚nicht eher feine Ruͤſtung ablegen, bis er ben Pla& würde 
eingenommen haben. Ein anbermal that er das Geluͤbde, 


nach dem Abendeſſen, welches er eben genießen wollte, - 


feinen Biffen mehr zu fi zu nehmen, bis er fich mit den 
Engländern würde gefhlagen haben. Eben‘ fo erzäpk 
Sroifjarb, in dem 29ſten Hauptſtuͤcke, von den Gefandten, 


welche der König von England nach Valenciennes fehicte, - 


um das Buͤndniß genehmigen zu laſſen, welches der Graf 
von Hennegau ihm im Reiche verſchafft hatte: ſie erſchie⸗ 
44 


162 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


nen daſelbſt mit der groͤßten Pracht, in Begleitung einer 
großen Anzahl Ritter. Und es waren unter ihnen einige 
junge Ritter, deren jeder ein mit Tuch bedecktes Auge 
hatte, fo daß fie nicht ſehen konnten; man ſagt, daß dieſe 
den Frauen ihres Landes gelobt hätten, nie anders, als 
mit Einem Auge zu fehen, bid fie in dem Königreich 
Frankreich in eigener Perfon einige Heldenthaten würden 
verrichtet haben. Hiermit ift auch dad weiter unten er: 
wähnte Reihergeluͤbde zu vergleichen. 

Manche diefer Geluͤbde hatten bisweilen‘ einen licher 
lichen Anftrich, fo ernſtlich fie auch gemeint waren. So 
mußte fih 3. 8. Bertrand du Guesclin, kurz nach dem 
bei den Gelübden der Heligiofität erwähnten Kampfe, 
wieder einem Zweikampf mit einem andern Engländer uns 
tetziehen, der, 'indem er fein &Streitzeichen hinwarf, ge: 
ſchworen hatte, nicht eher in einem Bette zu ſchlafen, ald 
bis er diefen Kampf würde ausgeführt haben. Du Gues⸗ 
ein bob fogleich ſchnell das _Streitzeichen auf und gelobte, 
feinen Gegner noch überbietenb und ten Kampf aus un: 
beflimmferer Ferne ganz nahe ruͤckend, daß er nur brei 
Beinfuppen im Namen der heiligen Dreieinigleit effen 
wolle, bis er fich mit ihm würde gefchlagen haben. 

Am .zahlreihfien waren die Gelübde ber Liebe, bie 
freilich immer durch die Zapferfeit gelöft werben mußten, 
und fo alfo auch als Ehrengelübbe in gewiſſer Hinficht zu 
betrachten find, wie ja bei allem in damaliger Zeit ſtets 
die Ehre im Hintergrunde ſtand. In dieſen Geluͤbden, 
bei welchen die Liebe als das Vorherrſchende anzuſehen 
war, fand die groͤßte Abwechſelung Statt, und ſie wurden 


7 a 
— — — — —U⸗ 


7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter. 4163 


anf die verſchiedenſten Arten ausgeſprochen und geloͤſet. 
Einige Beiſpiele mögen hier genügen. In der ſchon eini⸗ 
gemal in früheren Abteilungen angeführten Erzählung, 
welche: die Frauen Zreue, von dem altdeutfchen Dichter | 
betitelt ward (Koloczaee Goder I. 277 ff.), verliebt fich 
ein fahrender Ritter if die Frau des Bürgers einer Stabt, 
durch welche er reifet und in ber er Darauf verbleibt. Doch 
halfen ihm feine Bewerbungen nichts, die ihrem Manne 
getreue Frau wollte ihn nicht erhören, und um ihr num 
“ein bedeutended Zeichen feiner Liebe. zu geben, that er 
das Geluͤbde und ließ ed in der Stadt überall laut 
ausrufen, daß, fofern jemand gewilligt fey, ihn im Kampfe 
zu beftehen, und ihn zur Zioft gewaffnet empfangen wollte, 
fo wolle audy er ſich gegen ihn fielen, und zwar hicht in 
feiner Ruͤſtung, fondern nur in einem ſeidenen Hemde. 
Natürlich fchonten bei folcher Gelegenheit die Ritter ihten 
minder. bewaffneten Gegner, denn Feiner wolle ja fo leicht 
dem andern einen nie zu vergütenben Schaden zufügen 5 
fondern ein jeder. wollte feine Stärke und Tapferkeit zei⸗ 
‚gen, ohne daß doch der Gegentheil, welcher ihm fo viel 
Vorrechte einrdumte, dabei mit feinem Willen meht ge: 
fährvet wurde, als ihm ber Zufall fchon Gefahr bereiten 
konnte. Der Ritter in eben etwähntem Falle erfüllte 
auch fein Werfprechen, aber leider kam ein Dummer gegen 
ihn, der ihn Nicht fchonte, ſondern in feiner Xhorheit 
heftig auf ihn antrieb und fa mit dem Speer auf ihn 
ſtach, daß das Eifen im Leibe des Mitterd abbrach und 
darin ftedden blieb. Obgleich geheilt, verurfächte dieſe 
re | Ce 


164 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Wunde body bald feinen Tod, wie bereits oben erzäple 
worben iſt. 

Man möchte noch eine andere Erzählung, bie ein 
franzöfifher Sänger aufbewahrt hat, hierher rechnen, bie 
ein ähnliches gewagtes Abenteuer enthält, vwoelches man 
auch wohl zu den Gelübben ber’ Liebe rechnen koͤnnte, 
wenn gleich es kein freiwillige, fondern nur ein aufge 
drungenes war. Ob bier eine wahre Gefdichte ober 
eine Erdichtung zum Grunde liege, ift zweifelhaft; 
dem Geiſte der Zeit nach, glaube ich wohl eine wahre 
Begebenheit ald Grundlage annehmen zu Finnen; wenn 
dies aber auch nicht wäre, fo deutet biefe Erzählung 
body die ganze Beflrebung ber Zeit fo Mar an, daß fie 
immer bezeichnend für diefen Zeitabfchnitt iſt. Die Er⸗ 
zählung heißt: des trois chevaliers et del chemise, van 
ben drei Rittern und von’ dem Hemde. Sie fleht in einer 
wörtlichen Heberfegung in Klübers Ueberfegung des Wer: 
kes von Saint Palaye über dad Nitterwefen IH. ©. 375: 
„Eine ſchoͤne Edelfrau hatte einen Kitter von gutem ‚Her: 
fommen geheiratet, deſſen Schlos die Einkehr aller guten 
‚Sitter war, welche einen wohlhabenden Herrn an ihm 
fanden, der immer bereit war, feine Pracht fehen zu 
loffen. Zeichnete er ſich nicht in der Ferne bei Zurnieren 
aus, fo glänzte er wenigftend in feinem Haufe durch 
einen guten Zifch und durch reiche Gefchente, mit welchen 
er die überhäufte, bie ihn befuchten, auch genos er bie 
Achtung aller feiner Nachbarn.” (Auch biefe Züge find 
für. die damalige Zeit wichtig und bezeichnen.) _„Ein 
Zurnier war in bem Lande verfünbigt worben, brei Ritter 








7. Abtheil. Gelübbe ber Ritter we.  . 165 


kamen zu dem Herren, von benen zwei mächtig an Freun⸗ 
den und durch ihren Reichtum eben fo fehr ald durch 
ihre Tapferkeit berühmt waren, aber der dritte war nicht 
reich, doch von hoher Tapferkeit. Alle drei liebten bie 
Frau bes Herren, aber jeder hatte fie umfonft mit feinen 
Klagen beunrubiget, feiner von ihnen war weber erhört 
noch abgewiefen worden. Die Nähe ded Zurnierd zwang 
fie zur Abreife. Sobald fie weg waren, ging die Frau 
zu ihrem Schranfe und nahm ein Hemde heraus, welches 
fie ihrem vestrauteften Knappen,gab, mit dem Befehl, 
dafjelbe von ihrer Seite an ben einen Ritter, den fie ihm 
nannte, zu bringen und ihm zu fagen: er folle augen 
blidlich zu dem Zurnier abreifen, und wenn er zu ihrem 
Dienfte leben und fterben wolle, fo folle er dieſes Hemde, 
ſtatt des Panzers, anlegen; übrigens möge er zu feiner 
Rüftung nur feinen Helm, feine eiſernen Beinfchienen, 
fein Schwert und feinen Schild brauden. Nähme ber 
Ritter dad Hemd und die Bebingung an, fo folle ber 
Knappe gleich wiederkehren, wenn nicht, fo folle er es 
eben fo heimlich dem zweiten, unb wenn biefer ed auch 
verfchmähe, dem dritten: (Died war ber arme) anbieten. 
Der erfie Ritter nimmt es glei an und begiebt fih am 
den Platz des Turniers; aber als er ed nun anlegen foll 
und das Getuͤmmel fieht, wie die Ruͤſtungen erbröhnen 
und die Speere an ihnen erfrachen, und er dagegen Die 
leichte Umhuͤllung half, welche für ihn beflimmt ift, ba 
überwiegt die Muthlofigbeit die Liebe, .er ruft dem Knap⸗ 
pen, welcher kluͤglicherweiſe noch gewartet, und giebt ihm 
das Hemde zuruͤck. Heimlich geht ber Knappe barauf zum 


En} 


166 Zweiter Abſchnitt. Ritterleden. 


zweiten Ritter, der will aber gleich ſich aufs nichts ein⸗ 
laſſen, ſondern weiſet ihn zuruck. Mit Entzüden nimmt 
der dritte es auf, er legt es ſogleich an, ſchnuͤrt ſeine 
Stiefel, guͤrtet ſein Schwert um, ergreift ſeinen Schild, 
ſpringt zu Pferder und ſetzt ben Helm auf dad Haupt. 
Auf allen Seiten fommt es zum Handgemenge, allents 
halben fieht man nichts als zerfchnittene Schilde, zerbros 
chene Harnifche und zerquetſchte Helme. Die Stiefeln des 
furdhtlofen Ritterd waren aufgefchnitten und in Stüden 
zerriffen; fein Leib war mit Wunden bebedt, aber. fein 
Herz unterftüßte ihn und erbob ihn über alle Furcht, er 
empfand nichts von den Stößen, die er erhalten hatte. 
Das Hemde warb überall von den Schlägen zerrifien, und 
feine vielen Verwundungen Überbediten über und über bafs 
felbe mit feinem Blute. Go kaͤmpfte er ohne Unterlaf, 
bis die Zeit herbeifam, wo die Ritter aus den Schranken 
ritten, da das Zurnier geenbet. Der Preid warb ihm 
zuerkannt, alle wollen ihn in feine Wohnung begleiten; 
ber Knappe, welcher ihm das Hemde gebracht, forgt für 
ihn, der nur begehrt, man folle für daB Hemde, das ihm 
als Panzer gedient, bedacht fein, da er ed um alles in 
ber Welt nicht verlieren möchte. Hoc erfreut und zus 
gleich betrübt, daß ihr Ritter fo fehr verwundet, iſt bie 
Frau, welche ihm das Hemde gefendet. Ihr Gemal aber 
veranftaltet große Fefle, und unermeßlich war die Pracht, 
die dabei herrfchte, gro8 die Anzahl ber Kleidungen, wel: 
he ausgetheilt wurden, ber Weberflus der herrlichen Spei⸗ 
fen. Die Frau des Haufes felbft bediente die Gaͤſte, in- 
bem ihr eine große Anzahl: von Zräuleinen in gleicher 


> 


7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter ıc. 167 


Beſchaͤftigung folgte. Der hart verwundete Ritter hört, 
daß die, Geliebte, für bie er fo. viel unternommen, forte 
fahre die Gäfte zu bedienen, um das Feſt zu verherrlichen. 
Er fhidt ihr daher das Hemde durch feinen Knappen 
zuruͤck und befchwört fie, -daffelbe umzuhangen, aus Liebe 
zu ihm es nicht abzulegen, und fogar folches über allen 
ihren andern Putz anzuziehen, bis fie ihren Dienft ganz 
würde verrichtet haben; wobei er ihr verfihern laͤßt, daß 
dieſes unter. allen die größte Gefaͤlligkeit für ihn fein würde. 
Der Knappe nimmt dad Hemde und bringt es ihr, fie 
ergreift ed mit ihrer Hand, fo blutig ed auc ifl. Eben 
deswegen, fagt fie, weil ed mit dem Blute meines treuen 
Freundes überzogen ift, betrachte ich daſſelbe ald einen 
biebern Putz. Weder feines Gold noch Edelgeſteine koͤn⸗ 


nen mir fo werth fein, als dad Blut, womit es gefärbt 


ift. Sie verfprach baffelbe umzuhangen, fo lange fie Eſſen 
und Trinken austheilen werde, um dem Befehl ihres ge: 
liebten Zreundes zu folgen. Nachdem fie hierauf biefes 
toftbare Gewand zärtlich gekuͤßt hatte, legte fie daſſelbe 
auf ihre Schultern. Nicht geringes Auffehen und Spres 
chen erregte diefo Thatz denn jedermann wußte, daß es 
nicht ihe Mann fein Eonnte, dem zu Ehren fie das im 
Kampfe blutig geworbene Hemde trug, weil dieſer ſich 
nicht mit den Waffen befchäftigte. Den Schluß der Er: 
zählung macht der Dichter fa, daß er fich an die von und 
zu Ende ber vorigen Abtheilung berührten Minnegerichte 
und Minneaqusſpruͤche anfchließt, und bad Ganze alſo nur 
als ein Liebesrechtöftreit zu betrachten iſt, ber zur Entſchei⸗ 
bung vorgelegt wird, fo. daß dieſe Erzählung Rittermuth, 


168 Bivelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Geluͤbde, Frauen = Gunft und Minnegerichtöfprud in fich 
vereinigt. Der Dichter fagt nämlih: „Nun bitte ich Jakob 
. von Paffiu, die Ritter und dad Frauenzimmer, Frauen 
und Fräulein, und die ganze Rittergefellfhaft, ein unpar= 
theiiſches Urtheil zu fällen, nämlich: welcher von beiden 
mehr Muth gezeigt hat, ob der, welcher aus Liebe zu feiner 
Geliebten fein Leben den größten Gefahren ausfest? ober 
bie, welche die Zurcht überwindet, den ſchmaͤhlichſten Ta⸗ 
del zu leiden, diefen für ‚nichts achtet, in Bergleichung 
- mit der Befchwerde, ihm zu misfallen oder ihn zu erzürs 
nen, und einen Anftand nahm, zu feiner Ehre fi mit 
dem Hemde zu putzen, welches ihr fo viel Misvergnügen 
zuziehen mußte? 

Ein eben fo feltfames als auch unverbruͤchliches Ge⸗ 
luͤbde war das des Pfauen oder des Faſans in Frankreich. 
Wie hoch Pfauenfedern als Schmuck geachtet wurden, 
haben wir in der Abtheilung von den Kleidungsſtuͤcken ge⸗ 
ſehen; wie wichtig der Pfau als Gericht war, wie muͤhſam 
ſeine Zerlegung war und wie kunſtreich dieſe ſeyn mußte, 
wurde bereits in der Abtheilung von den Gaſtmahlen 
und Feierlichkeiten erwaͤhnt. Hieraus erhellte ſchon die 
Bedeutſamkeit des Pfauen, mit dem der Faſan gleichbe⸗ 
deutend erachtet ward Beide Voͤgel wurden daher auch 
gebraucht, um auf ihnen feierliche Geluͤbde abzulegen. 
An dem Tage nun, an dem man ſeine Verbindlichkeit 
feierlich erklaͤren wollte, ward ein Pfau, der zuweilen ge⸗ 
braten, allemal aber mit feinen ſchoͤnſten Federn gefchmüdt 
war, auf einer großen goldenen ober filbernen Schäffel, 
von einem Zrauenzimmer mitten in bie zahlreiche Ders 





7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter wc ' -469 


fammlung der zufammenbernfenen Ritter getragen. Je⸗ 
dem von ihnen warb derfelbe dargebracht, und jeder that 
fein Selibbe über dem Vogel. Hierauf trug man folcyen 
zurüd auf einen Tiſch, wo man allen, die zugegen waren, 
davon vorlegte. Der Vorfchneider mußte feine Geſchick⸗ 
lichkeit, wie bereitö früher bemerkt, darin zeigen, daß alle 
davon zu eſſen erhielten. | 

Am beutlichften geht Die Art und Weife diefes Pfauen⸗ 
geluͤbdes aus der Vefchreibung eines folchen hervor, wie 
es an dem Hofe des Herzogs von Burgund, Philipps 
bes Gutmuͤthigen, zu Lille im Jahre 1453 gehalten ward. 
Man rüftete fih naͤmlich dazumal zu einem Kreuzzuge 
wider die Zürken, welche kurz vorher die Eroberung des 
- griechifchen Kaiferthbums durch die Einnahme von Konftan: 
tinopel vollendet hatten. Wohl beburfte ed daher der Ges 
luͤbde vieler, um ein ſolches Unternehmen auszuführen. 
Während deſſen, daB man die nöthigen Zubereitungen 
‚machte, und die zufammenberufenen Ritter nach und nad) 
ankamen, wurden bie Rittergaͤſte von den anmefenden 
Großen mit verfchiedenen Luftbarkeiten unterhalten. Bei 
ber lebten, die der Herzog von Kleve angeftellt hatte, 
warb bad Feſt feines Oheims, des Herzogs von Burgund, 
"welches der Gewohnheit gemäß, achtzehn Zage darauf ger 
halten werben mußte, angelündigt. Eine Frau flieg auf 
einer Pleinen, beſonders hiezu verfertigten Treppe auf 
bie Tafel, wo der Herzog von Burgund feinen Platz ges 
nommen hatte, kniete vor ihm nieder und ſetzte dieſem 
Fuͤrſten einen Blumenkranz auf das’ Haupt. Diefe erfie 
“ Beierlichkeit war bie Ankündigung ber erhabenen, gofteds 


= 


170 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


fuͤrchtigen und ritterlichen Geheimniſſe, die bei dem Gaſt⸗ 
mahl, wo der Herzog von Burgund feinen ganzen Hof 
und den ganzen Adel feiner Staaten verfammlete, offen= 
bart werben follten. | 

Der Tag dieſes feierlihen Gaſtmahls kam heran, 
Wenn die Pracht des Zürften ſchon Bewunderung vers 
diente, wegen ber Menge und bes Ueberfluffes in ber Be: 
wirthung der Rittergäfte, fo zeigte fich folche noch mehr 
in den, damals unter dem Namen der Iwifchenfpiele, bes 
kannten Schaufpielen, die das Feſt luſtiger und feierlicher 
machten. Es erſchienen im Saale mannihfaltige Verzie⸗ 
sungen, Mafchinen, außerordentliche Menſchen⸗ und Zhiers 
geftalten, Bäume, Berge, Fluͤſſe, ein Meer und Schiffe. 
Alle diefe Gegenflände, untermifcht mit. lebendigen Perfos 
nen, Vögeln und andern Thieren, waren in dem Saale 
ober auf der Tafel in Bewegung, und ſtellten Handlun⸗ 
gen vor, bie ihre Beziehung auf dad Vorhaben bes Ders 
3098 haften. Plöslich trat ein Rieſe in den Saal, bes 
waffnet wie ein Sarazene aus Granada, und in alters 
thümlicher Kleidung. Er führte einen Elephanten, der ein 
Schloß trug. In diefem faß eine abgehärmte Frau, die 
in lange Trauerkleider, wie eine Klofterfrau oder Betz 
ſchweſter, eingehuͤllt war. Als ſie ſich im Saale mitten 
unter der Geſellſchaft erblickte, ſagte ſie einige Reime her, 
worin fie dem Rieſen befahl, ſtille zu halten. Dieſer fegte 
jeboch, indem er fie mit flarrem Blick anſah, feinen Gaug 
fort, bis er zur Tafel des Herzogs gelommen war. Legt 


eröffnete die gefangene Frau, welche die Religion vorftels 


len follte, eine lange Klage in Verſen über das harte 





\ 


7. Abtheil. Geluͤbbe der Ritter ꝛc. 171 


Schidfal, welches fie unter ben unbarmherzigen Händen 
ber Ungläubigen ertragen muͤſſe. Sie beflagte ſich über 
bie Langſamkeit derer, die ihe Hülfe fchaffen und fie be- 
freien follten. Auf diefe Jammererſcheinung folgte ber 
Wappenkoͤnig des Ordens vom goldenen Vließ, mit einer 
langen Reihe von Wappenoffizieren,. die voraudgingen. 
Auf feinen Fauſt trug er einen Jebendigen Faſan, der mit 
einem goldenen, mit Edelſteinen und Perlen beſetzten Hals: 
bande gefchmüdt war, So trat er vor den Herzog von 
Burgund und fiellte demfelben zwei Frauenzimmer vor, 
. wovon die eine, Yolande, eine natürliche Zochter diefes 
Fürften, und die andere, Sfabelle von Neufchatel,- eine 
Tochter des Herrn von Montaigu, war. Jede von ihnen 
ward von einem Ritter bed goldenen Vließes begleitet. 
Zugleicy Üiberreichte ber Wappenkönig dem Herzoge ben _ 
Vogel, im Namen ber beiden genannten rauen, die ſich 
dem Schuß ihres Herrſchers empfablen, um fich den alten 
Gewohnheiten gemäß zu befragen, nach welchen man bei 
großen Feſten und in vornehmen Gefelfchaften den Zürften, 
Herren: und Edelleuten einen Pfau oder einen andern ebeln 
Vogel überreicht, damit fie Gelübde zum Nuten der Frauen, 
bie fich ihren Beiſtand erflehen, thun mögen. Nachdem 
ber Herzog dad Begehren des Wappenkoͤnigs aufmerkfam 
angehört hatte, gab er ihm einen Zettel, ber laut vorges 
lefen ward, unb der mit folgenden Worten anfing: ich 
gelobe Bott, meinem Schöpfer, vor allen andern, und der 
glorreihen Jungfrau, feiner Mutter, und hernach ben 
Frauen und dem Fafan u. f. w. Das Uebrige waren 
Betheurungen, die Ungläubigen mit Krieg zu überzishen, 


172 | Zweiter Abfchnitt. Nitterleben. 


zu Befhükung ber unterbrüdten Kirche. Die Frauen und 
ihr Gefolge begaben ſich darauf wieder zuruͤck, nachdem fie 
vorher alle die finnbildlichen Rollen, welche diefe Perfonen 
foielten, und das Schloß, dad fie für das Schloß des 
Glaubens audgaben, erflätt hatten. Das Geläbbe des 
Herzogs war bad Zeichen, auf weldes fein ganzer Hof 
andere, bis ind Unendliche veränderte Gelübde that. Jever 
beftrebte fich, feinen Muth wider die Tuͤrken durch eine 
feltene und fonberbare That audzuzeichnen, entweder für 
fi) allein oder in. Geſellſchaft mit einem andern Ritter, 
der dad Nämliche gelobte. Ale legten fich willlürliche 
Bußwerke auf und ſchwuren, ſolches bis zur gänzlichen 
Erfüllung ihres Geluͤbdes fortzufegen. Einige burften z. 
B. in keinem Bette fehlafen, andere bei dem Eſſen fi 
keines Tifchtuches bedienen; mandje mußten fih an ges 
wiſſen Zagen in der Woche bed Fleiſches und Weins ent: 
halten; andere durften nie ein beflimmtes Stüd ihrer 
Kuͤſtung führen, ober fie mußten e8 Tag und Nacht tras 
gen; noch andere verfprachen, ſich in haarene Tücher und 
andere grobe Zeuge zu kleiden. Den Beſchluß der Geluͤbde 
machte ein neues Schaufpiel. Eine Frau, bie weiß wie 
eine Klofterfrau gelleivet war und auf ihrer Schulter 
‚eine Rolle trug, worauf mit goldenen Buchſtaben gefchries 
ben fland: Gräce - Dieu, dankte ber Geſellſchaft und 
ſtellte derſelben 12 Frauen vor, die von eben ſo viel Rit⸗ 
tern gefuͤhrt wurden. Dieſe Frauen ſollten verſchiedene 
Tugenden bedeuten, und jede derſelben mußte ihren Na⸗ 
men auf einen Zettel geſchrieben tragen. Sie ſollten auf 
der Reiſe Geſellſchaft leiſten, damit ſolche gluͤcklich von 


7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter x. 473 


flotten geben möge. Sie traten in einer Reihe auf und 
überreichten alle, eine nach der andern, ihre Namenzettel 
der Frau, welde Gräce - Dien benaunt war, folche 
ablas und jebesnial einen Gefang von acht Verſen dabei 
berfagte. Die Namen derfelben gehören wohl hierher, ba 
aus benfelben erhellet, welche Zugenden man zu einem 
wahren und vollkommenen Ritter erforderte. Sie waren: 
Zreue, Menfchenliebe, Gerechtigkeit, Vernunft, Klugheit, 
Mäßigkeit, Stäuke, Wahrheit, Freigebigkeit, Fleiß, Hoffe 
nung und Tapferkeit. Zuletzt fingen alle an in ihrer Ver: 
Pleidung zu tanzen, um das Feſt auf eine Iuflige Art zu 
feiern, und ein Schmaus endete ed wieder. 

Eine zweite merkwuͤrdige Erzählung von einem Ges 
lühde, das. Reihergellibve genannt, liefert und ebenfalls 
eine franzöfifche Dichtung, bie im Jahre 1338 verfertigt 
worden if. Sie möge auch bier im Auszuge eine Stelle 
finden, um diefe ganze Art, Geluͤbde abzulegen, auf das 
beftimmtefte darzulegent — Im Fruͤhling 1338 hielt 
König Eduard III., König von England, ein feierliches 
Hoflager, mitten unter allen feinen Baronen figend; er . 
ſah zerfireut und träumend aus, fein Haupt war auf bie 
Bruft gefenkt, aber die Gedanken, welche feinen Geift be: 
fchäftigten, waren nur Gedanken der Liebe. 

Um gleiche ‚Zeit wollte Robert von Artois, welcher 
aus Sranfreich verbannt war und fi nach London ge⸗ 
flächtet hatte, bie Ergögung der Jagd genießen. Sein 
Bogel, den er auf der Fauſt hielt, bemerkte in ber Luft 
einen Reiher; alsbald erhebt er fih, ergreift feine Beute 
und bringt fie feinem Deren. Robert erröthei vor Aerger 


17% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


über einen fo ſchlechten Fang. Nachdem er einen Augen⸗ 
blick darüber nachgebacht hat, faßt er den Vorſatz, ſolchen 
zu ber Rache zu. gebrauchen, bie er fich vorgenommen 
hatte. : Ex widelt den Reiher aus ben Klauen feines Vo⸗ 
geld los und übergiebt ihn dem Küchenbeamten, um ihn 
zupfen und braten zu laffen. Nachdem er ihn. aldbann 
gwifchen zwei filberne Schüfleln gelegt, trägt er ihm 
mit großem Pomp in den Palafl; ihm folgen zwei Sei: 


genſpieler, ein Zitterfpielee und zwei artige Fraͤulein, 


‘ 


welche ihre Stimme mit den. Toͤnen der Saiten vereinig- 
ten. Als er mit biefem Gefolge in den Saal trat, fagte 
er: „Deffnet die Schranken und laßt die braven Bitter 
einziehen, welche die Liebe hier verfammelt!' Ex wendete 
fih darauf zu den Rittern felbit mit folgenden Worten: 
„ih komme, um fie einzuladen, daß fie über biefem Reiher 
Gelübde thun mögen, bie Ihrer Tapferkeit würbig find. 
Es ift dies das fchlechtefle, wie fie willen, und das furcht⸗ 
famfte unter allen Xhieren, denn es fürchtet ſich wor ſei⸗ 
nem Scatten. Auch ift derjenige ber feigfte unter allen 
Menfchen, dem ich bafielbe anbieten werde.” Hierauf 
wendet fich der Graf gegen Ednard und bietet ihm den 
Reiher, als einen Beweis feiner Gleichguͤltigkeit gegen 
eine Krone bar, bie er auf eine feige Art der Willkuͤr 

feines Nebenbuhlers üherlaffe. Durch diefen Vorwurf ge 
teoffen, Enirfcht der Prinz vor. Wuth mit ben. Zähnen, er 
erBlärt feierlich, daß das Jahr nicht verfließen Tolle, ohne 
daß Philipp ihn mit Feuer und Schwert auf dem Gebiete 
Stanfreich8 erbliden werbe, um ſich wegen der Schmach 
zu rächen, bie man ibm angethan, ſollten ihm auch bie 


7. Abtheil. Geluͤhde der Ritter x. 175 


Sranzofen ein zehnmal zahlreichered Heer, als das feinige, 
entgegenfeßen. | 
Robert verbirgt feine Freude, Iächelt boshaft und 
freut fich heimlich über diefen gluͤcklichen Erfolg. Indem 
er fich hierauf beflagt, daß er von Philipp von Frankreich 
nah fo vielen Dienftleiftungen fo unwuͤrdig behandelt 
‚worden fey, verfpricht er, mit bewaffneter Hand fi auf 
das franzöfifche Gebiet zu begeben und ſich bier wegen 
ber Beleidigungen und des Unrechtd, das er erlitten hat, 
Recht zu fchaffen. Er nimmt feine beiden filbernen Schäfs 
fen, und feine Zonkünftfer folgen ihm. Diefe begleiten 
mit dem Klang ihrer Tonwerkzeuge bie beiden Fraͤulein, 
welche ein Lied fangen, das fo anfing: ich fehe in das 
. Orln; denn die Liebe lehrt mich dies u. f. w. Er geht 
durch den Saal und wendef fih an den Grafen von Sa: 
lisbery, welcher in bie Tochter des Grafen von Erby 
fterblich verliebt war und neben ihr ſaß. Er ladet denſel⸗ 
ben, als ven Tapferſten und Verliebteften in ber Geſell⸗ 
(haft, ein, den Uebrigen dadurch ein Beiſpiel zu geben, 
baß er ein Gelübd' über, dem Reiher thue. „Gerne — 
antwortete Salisbery — wenn bie Jungfrau Maria in 
Perſon bier gegenwärtig wäre, wenn fie einwilligte, ihre 
GSöttlichfeit abzulegen, um derjenigen, bie ich liebe, den 
u Preis der Schönheit ftreitig zu machen, fo wüßte ich nic, 
welcher von beiden ich den Vorzug einräumen’ follte, und 
ich würde fürchten, eine für die andere zu nehmen. Wo 
koͤnnte ich den ftärfften Beweggrund finden, mich auf bic 
böchfte Stufe der Zapferfeit zu erheben, wenn dies nicht 
unter den Augen der Schönen wäre, deren Zeffeln zu... 


176 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


tragen ich immer fuͤr ruͤhmlich halten werde. Ungeduldig, 
die Erkenntlichkeit zu erhalten, bie fie mir unbarmberzig 
verweigert, verlange ich heute eine einzige Gnabe von ihr: 
daß fie mir einen Zinger ihrer fchönen Hand erlaube und 
folchen auf ‚mein rechtes Auge fo zu legen geruhe, daß 
daffelbe ganz davon bebedit werde.” Das Fräulein erlaubt 
ihm ſtatt eines Singers zwei und. fchließt ihm das Auge 
fo gut, daß er nicht ben mindeflen Gebrauch davon machen 
kann. Sogleich fhwört der Ritter: daß er bafielbe nicht 
eher Öffnen wolle, ald bis er das Gebiet von Frankreich 
betreten und, um Eduards Anfprüche zu raͤchen, Philipps 
Kriegesheer in einem ordentlichen Zreffen gefchlagen habe. 
(Dies, Geläbde. mögen ihm viele junge Ritter nachgethan 
haben, wenn wir bamit vergleichen, was bereitö oben aus 
Froiſſard erwähnt warb.) In der That erlaubte fih auch 
ber Graf nicht, während ber ganzen Zeit, als biefer Krieg 
dauerte, aus biefem Auge zu feben. Das ganze Heer, 
welche® Zeuge feiner Großthaten war, war es auch in 
Anfehung ber Treue, mit welcher er fein Verſprechen 
erfüllte. 
Der Graf von Artois rief darauf bie Tochter des 
ebelmüthigen von Erby auf und labete fie.ein, an bem 
über dem Reiher zur Vertheidigung ber Rechte des Königs 
von England gefchehenen Geluͤbde Theil zu nehmen. Das 
edle Fräulein gelobte auf der Stelle, einem Herren, wer 
ex auch fey, anzuhören, bevor nicht das Gelübbe ihres 
Liebhaberd erfuͤllt ſey. „Alsdann, fagte fie, wenn. er 
noch am Leben ift, mache ich ihm meine ganze Perfon, 
ohne Rüdhalt, zum Geſchenk.“ Bei diefem Worte fühlte 


7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter xc. 177 


ſich das Herz des liebenden Ritters, der vor Freude außer 
fi war, von neuem Muthe belebt. 

Ungeduldig, feiner Rachſucht Genüge zu leiften, er: 
griff Robert abermals feinen Reiher und hielt ihn dem 
Ritter: Gautier von Manny vor. Um die Pflichten der 
Ehre zu erfüllen und fich' der Helden, die ihm- fo fchöne 
Beifpiele gegeben, würdig zu zeigen, gelobt dieſer fapfere 
Kitter der heiligen Iungfrau eine Stadt, die von Suͤm⸗ 
pfen eingefchloffen und durch gute Shore beſchuͤtzt, und deren 
Vertheidiger feit langer Zeit Goddemars du Fay war, in 
Aſche zu legen. Sie fol verheert und bie Befagung um: 
gebracht werden. „Ich verlange — fagt er — gefunb’und 
wohl, ohne die mindefle Wunde davon zurädzufomnen, 
und auch. die rüfligen Krieger, die mit mir bahin gezogen 

fein werden. mit mir zuruͤckzubringen. Uebrigens werfe 
ich mic) in die Arme Gottes. Von ihm allein kann ber 
Erfolg meiner Bemühungen fommen, um mein Verſpre⸗ 
chen zu erfüllen.’ 

Robert ruft hierauf den Grafen von Erby zu fi 
und bittet ih, nleich den Webrigen, fein Gellibve zu fagen. 
Diefer nimmt das Wort: „Wenn der König von England, 
fagt er, uns auf dad Gebiet von Frankreich über das 
Meer hinüber führt, werben wir jenen furchtbaren ‚Grafen 
Ludwig von landern, denn fo nennen ihn bie Leute Phi- 
lipps vun Valois, erbliden, den unrechtmaͤßigen Beſitzer 
des Titels: König von Frankreich, troß der Rechte unfers 
Herrſchers; wir werden ihn fehen, biefen fchredlichen Gra⸗ 
fen von Flandern; denn ich gelobe: ihn. allenthalben auf: 
zufuchen und ihm nahe genug zu kommen, um ihm einen 

12 


’ 


178 2 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Kampf anzubieten. Kann ich ihn hierzu nicht nöthiger, 
- fo will ich mich wenigftend dadurch rächen, daß. ich das 
Land, in welchem er ed wagen wirb, fich blicken zu laſſen, 
unter. feinen Augen mit Feuer verheeren- werde. 

"Robert wird von biefem neuen Schwur bezaubert; 
ex verfpricht fi, endlich am Ziele feines Uuglüds zu ſeyn 
und die Befreiung feiner Familie zu erhalten. Alsbald 
erhebt er die beiden filbernen Schuͤſſeln und trägt fie vor 
ben: Grafen von Suffort (wohl Suffolk gemeint), um 
denfelben einzuladen, daß er nach Belieben ein Geluͤbde 
thun möge. Guffort fehwört: wenn der König von Eng⸗ 
land ihn auf das Gebiet von Frankreich bringt, den König 
von Böhmen, bes Kaiferd Sohn, allenthalben zu verfols 
gen, und wenn er ihn perſoͤnlich antreffen kann, mit ber 
Lanze in der Fauſt, ober mit dem Degen in ber Hant, 
wider ihn zu kaͤmpfen; er will ihm die Stärke feines 
Armes fühlen laſſen, ipn zu Boden flürzen, ober ihm 
fein Pferd, entweder mit feinem Willen oder mit Gewalt, 
abnehmen. Hierauf holt Johann von Laumont einen tie: 
fen Seufzer. Diefe Verunglimpfung eines Fürflen, der 
fein Verwandter ift und der fo viele Staaten erobert, 
bringt ihn in Zorn. „Vergeblich haßt er mid — ruft er 
aus — noch fühle ih, daß ich ihn liebe, und ich werbe 
ihn nie verlaffen, fo lange ex meine Dienſte nöthig haben 
wird. Suffort, wenn Ihr nicht auf Eure übertriebenen 
Entwürfe Verzicht thut, fo verbinde ich mi, Euch ges 
fangen ‚zu nehmen; ja ich werde Euch in das Gefängniß 
bes Königs von Böhmen einfchließen, aus welchem Feine 
Macht Euch befreien wird. Der Entfchluß hiezu ift gefaßt, 





7. Abtheil. Geluͤbbe der Ritters. 179 


ich werde ihn nicht ändern." Suffort fürchtet, daß man 
fich erzuͤrnen möchte: „Laßt und warten — fagt er —. 
biß der Krieg, der den Weg ber Ehre öffnet, uns er: 
laubt, unferm Muth freien Lauf zu laſſen; jeder wirb 
alsdann thun konnen, was ihm die Liebe zu dem Ruhm 
und den Frauen eingeben wird. Die Annaͤherung unter 
den Kaͤmpfern wird ſtolz fein, aber ber wichtigſte Punkt 
bericht darin: zu willen, mas ber Erfolg davon. fe 
- wird. 

Der Straf von Xrtois laͤßt bie: heil flingenden Zne 
feiner Spielleute verdoppeln, und die Fräulein fangen. an 
zu tanzen, um den Muth ber Helben noch. mehr anzu⸗ 
feiern. Robert ergreift hierauf den zwifchen ben Schüf: 
feln eingefchloffenen Reiher, ruft ben unerfchrodlenen Aben⸗ 
teurer Fauquemont und ladet ihn ein, uͤber biefem Vogel 
zu fchwören, daß er ſich in dem Zwiſt der beiden Könige 
durch einen neuen Ruhm auszeichnen wolle, „Wozu ſoll 
ich mic verbindlid machen? — antwortet eg — ich befige 
nichts auf der Welt. Alles was ich thun kann, um Euch 
meine Ergebeitheit zu bezeigen, um mich meiner Ehre ge: 
treu zu beweifen, befteht darin, daß ich werfpreche und ich. 
ſchwoͤre es, dah, wenn der König von England fich über 
Das Meer begiebt, um durch Cambreſis nah Frankreich. 
zu gehen, man mic immer zuerſt an ber Spike feines 
Vortrabes erblicken wird, zwo ich den Feind ungreifen 
und Verwüftung, Brand und Morden verbreiten will, 
ohne weder Kinder, noch Greife, noch Kirchen, noch Als 
täre zu verſchonen.“ Bei dieſen ſtolzen Drohworten 
gab ihm jeder um die Wette den Beifall zu erkennen, 

12* 


180 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


welchen ein ſolcher Eifer fuͤr die Ehre ſeines Herrn ver⸗ 
diente. 
Alsbald wurden bie zwei Schiͤſſeln aufgehoben, und 
die Fräulein fingen mit lauter Stimme folgendes Lied an: 
Uns ſchmuͤckt biebere Liebe, fie bezaubert uns u. f. w. 
Ale Blide fielen auf den Oheim bes alten Grafen von 
Denniygau, es war Johann von Baumont, berühmt durd) 
feine Eroberungen. Robert fordert ihn auf, ebenfalls fein. 
Gelübde über dem Reiher zu thun. Vielleicht ermübet 
durch ſo viele Verheißungen, macht Idhann der Verſamm⸗ 
kung im Ernfte begreiflish, wie uandg dergleichen übereilte 
Großfprechexei · ſey. Er ermahnt fie, ihre Kuͤhnheit für 
ben Zeitpunkt des Handelns aufzubewahren. „Nichts iſt 
zu theuer in Gegenwart biefer fohönen rauen, denen wir 
‘und befireben zu gefallen. Ih will glauben, daß es 
unter Euch Dliviere und Rolande giebt, welche die Aqui: 
lane und Vaumonte zu Boden flüszen werden; aber erin: 
nert Euch, daß diefe Helden - ihrerſeits von andern Krie- 
gern befiegt wurden.” Nachdem er fie ferner mit Worten 
geftraft, fagt ex: „Ich erfiäre, daß, wenn ber Könie von 
England in Hennegau eindringt, durch Brabant und Cam: 
breſis zieht und feinen Fuß auf das Gebiet von: Frank: 
veich fest, fo wird man mid, ald Marſchall feines Hee⸗ 
res, feinem Vortheil aufeichtig ergeben finden, und ich 
werbe den beftigften Krieg wider Philipp führen, Ohne 
Zweifel fege ich mich ber Gefahr aus, mein Landgut und 
das wenige Vermögen, das ich befige, zu verlieren. Mag 
ed fein, ich unterwerfe mich dem Schickſal; aber ich fage 
Euch zum voraus, daß, wenn Philipp freiwilig und nad 


7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter... 181 


einer glüdlichen Betrachtung ‚über ſich felbft, meine Ver⸗ 
bannung widerrufen und mich nach Frankreich zuruͤckladen 
wollte, ih mic alsdann von dem König von England 
losmachen winde. Und welchen Vorwurf würde man mir 
in biefem Falle machen Eännen? Wenn hingegen ber König 
von Frankreich darauf beftept, mich von feinem Sande ent: 
fernt zu halten, fo werbe ich dem König von England 
aus allen meinen Kräften beiſtehen, ich werde ſtets fein 
Heer und feinen Vortrab befehligen.” König Cduard ants 
wortet auf diefen Vortrag mit herzlicher Bepugung feiner 
Erkenntlichkeit. 

Robert, mit feinen beiden filbernen Schüſſeln In ber 
Hand, geht weiter fort, begleitet von feiien Tonkuͤnſtlern 
und von ben beiden Maͤdchen, welche ſingend einhergehen. 
Hierauf nähert er fih der Königin, wirft fi auf feine 
Knie nieder und fagt ihr, daß nichts übrig fen, als den 
Reiher zu theilen, und daß er nur: den Augenblick erwarte, 
we fie dasjenige zu erklären. geruhen wolle, was ihr Herz 
ihr eingeben werde. „Vaſall, — antwortete fie, — angelettet 
durch der Ehe heil. Bande, kann ich Feine Verbindlichkeit 
ohrie die Einwilligung und den ausbrüdlichen Befehl des 
Gebieters unternehmen, der folchen nach Gefallen beftaͤti⸗ 
gen oder vernichten kann. — „Daran foll es nicht. lies 
en, — fagt Eduard — thut Euer Gelübde nach eigenem 
Belieben, ich genehmige baffelbe im voraus; ich werde 
bejjelbe, fo viel in meinen Kräften fleht, erfüllen; Gott 
fiehe Euch bei. Hierauf ließ fich die Königin mit land: 
bafter Stimme vernehmien: „ich befinde mich ſchwanger, 
ih kann daran nicht zweifeln, ich Habe das Leben meines 


182 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Kindes empfunden. Ich gelobe demnach Gott und der 
heil. Jungfrau, daß dieſes koſtbare Pfand unſerer Verbin⸗ 
dung nicht das Tageslicht erblicken ſoll, bevor Ihr mich 
nicht, uͤber das Meer geführt habt, um unverzuͤglich Euer 
Gelübde zu erfüllen. Wenn mein Kind vor dem Jeitraume, 
den ich mir vorfchreibe, zur Welt kommen wollte, fo würde 
id mir lieber diefen Dolch, mit dem ich bewaffnet bin, 


in die Geite ftechen; ich wuͤrde demnach durch einen eins 


zigen Streich mein Leben und mein Kind vernichten.‘ 
Ban Sraufen bei diefen Worten ergriffen, verbietet Ebuarb, 
in dem Gelübde fortzufahren. Der Reiher wirb getheilt, 
und bie Königin fpeifet davon. Nachdem der König die 
nöthigen Auſtalten getroffen hatte, ſchiffte er die Königin 
nebſt allen feinen Rittern ein und führte fie bis Antwer⸗ 
per hier brachte fie einen ſchoͤnen Knaben zur. Welt, der 


in ber Zaufe ben Namen: Löwe von Antwerpen empfing, _ 


Ihr Gelübde war; erfüllt, das ganze englifche ‚Heer bricht 
Auf und ſetzt ſich in Bewegung. 





8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernfitämpfe d. Ritter. 183° 


N 


Achte Abtheilung. 


Zweikaͤmpfe und Ernſtkaͤmpfe der Ritter. 


Wenn auch die Turniere ſchon, wie wir oben geſehen, fuͤr 
Leben und Geſundheit der Ritter ſehr oft nachtheilig waren, 
wenn dad Rennen auf einander mit zugefpisten Lanzen, das 
fogenannte Scharfrennen, häufig den Tod nach ſich führte, 
fo ward dies Unglüd boch immer nur als eine feltene Zufäls 
ligkeit angeſehen, die bei allen folchen angefirengten Leis 
besübungen nicht zu vermeiden war. Sobald indeſſen 
ein ſolches Unglüd oder eine Verwundung flattfand, fos 
gleich hörte der Kampf auf. Anders war es bei ben Ges 
fechten, die in vollem Ernſte gehalten wurden, und bei 
denen ed auf Tod und Leben der Streitenden ging. Hier 
enbete nur bie tödliche Verwundung oder ber Tod des 
einen der Streitenden den Kampf, beſonders in den Eins 
zeiftreiten, Monn gegen Mann. Wiederum verfchieben 
war der Kampf in ben Befehdungen, das heißt, in den 
Heinen’ Kriegen, welche einzelne Ritter und Burgenbefiger 
gegen ihre Nachbaren führten, wo fie mit ihren Vaſallen 
ih Meinen ober größeren Heerhaufen gegen einander ruͤck⸗ 
ten, einer die Burg des andern belagerte, fie zu erobern, 
zu zerfiören und zu berauben trachtete, wobei die ruhigen 
. Dörfer der Kriegführenden plündernd, mordend, fengend 


A‘ 


| 184 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


und brennend überzogen wurden, und wo nur ſelten 
eigentliche Gefechtkaͤmpfe in freiem Felde flattfanden. 

Diefe Befehdungen haben in Deutfchland zur Zeit 
des Fauſtrechts eine ungeheure Gewalt ausgeübt, und 
durch fie ift viel des Schönen, was fih in und nad ber 
Nitterzeit hätte entwideln können, unaufhaltbar vernichtet 
worden. Betrachten wir nun Zweikaͤmpfe und Befehdun⸗ 
gen einzeln und genauer. 

Die Zweitämpfe waren einer geboppelten Art. Eins 
mal betrafen fie bloß Shrenfachen, die man nicht vor Ge⸗ 
eiht brachte, und um beventwillen gleich auf dem ben beis 
ben Streitenden nächften freien und bequemen Plate, ohne 
befondere Anflaiten, oft nicht einmal in Beiſeyn eines 
ritterlichen Gehülfen, ' fondern. nur ber Knappen beider 
Streiter (oft fehlten aber auch dieſe felbfi) gefampft 
wurde. Zum andern betrafen aber aud die Zweilämpfe 

die Entfcheivungen wichtiger bürgerlicher und peinlicher 
Rechtsſachen, zu deren Löfung fie nicht allein von den 
Gerichten bewilligt, fondern fogar oft. vorgefchrieben wur⸗ 
ben. In biefem Ichten ale erhielten fie den Namen: 
gerichtlihde Zweikaͤmpfe. Diefe beiden Arten der 
Zweitämpfe finden wir in der früheften deutfchen heibnifchen 
Vorzeit begründet. Blut forderte Blut zur Suͤhne, die 
Blutrahe für einen getöbteten Verwandten warb baher 
meift ein Zweikampf. Aber auch befonders ein. Urteil 
Gottes, eine göttliche Entſcheidung fah man in dem Zwei⸗ 
kampfe, und zu ihm fchritt man daher immer, wenn ein 
bedenklicher Fall zu entfcheiden war. Gottes Stimme 
offenbarte ſich dadurch, glaubte man, daß er in befien 


— 


8, Abtheli. Zwei⸗u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 185 


Hand den Sieg legte, der ihn verdiente, den zum Ueber⸗ 
winder machte, der das Recht auf ſeiner Seite hatte. 
Eines der wichtigſten Gottesurtheile, Ordale, war daher 
der Zweikampf, durch ihn ſprach Gott, und aus der heid⸗ 
niſchen Zeit entlehnt, blieb er in den gerichtlichen Kaͤm⸗ 
pfen durch viele Jahrhunderte des Chriſtenthums. Der 
Zweikampf trat mit andern Gottesurtheilen dann ein, 
wenn die Wahrheit einer Sache weder durch Zeugen, noch 
durch Urkunden erwieſen werden konnte; wenn der Mund, 
der daruͤber Auskunft geben konnte, durch den Tod ver⸗ 
ſtummt; oder eine Sache fo im Schleier des Geheimniſſes, 
fo im Dunkeln verübt worden, daß kein anderer Beweis 
zu führen möglih war; benn man. glaubte, daß Gott 
ſelbft im Schwachen ſtark feyn würbe, daß er der gerech⸗ 
ten Sadje beiftehe und bem Unfchuldigen den Sieg ge 
währe. | 
Der Aberglaube, welcher bei unſern heidniſchen deut⸗ 
ſchen Vorfahren herrſchte, das unbegraͤnzte Vertrauen, 
welches ſie in ihre Gottheiten ſetzten, denen ſie die groͤßte 
Ehrerbietung bezeigten, kam ihnen bei der Einrichtung der 
Ordale zu Hülfe Sie glaubten die Götter auf das hef⸗ 
tigfle zu beleidigen, ihren gerechten Zorn auf fich zu Läden, 
wenn fie ihnen. nicht bei gewifien Umſtaͤnden vie Entdek⸗ 
tung der Wahrheit, die für Menſchen unmöglich fchien, 
überließen. Die Götter folten den Ausfpruch in ber 
Sache thun. Dan Eonnte ſich nicht überzeugen, daß 
Gottheiten den Unfchuldigen würden Unrecht leiden laffen, 
man glaubte feft, dag durch ihre Einwirkung die Wahr: 
beit einer Sache fih auf irgend eine Weiſe offenbaren 


186 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


muͤßte. Daher beſtanden denn auch die Ordale in beſtimm⸗ 
ten koͤrperlichen Handlungen, die eigentlich ihrer Natur 
nach dem Menſchen ſchaͤdlich ſeyn mußten, wobei aber die 
Schaͤdlichkeit durch göttliche Hülfe abgewendet warb, und 
fie mußten fo, durch ein Wunder, unſchaͤdlich werben. 
Es gab daher eine beträchtliche Anzahl von Ordalen, deren 
Betrachtung nicht hieher gehört, indem wir uns allein mit 
ben Zweikaͤmpfen zu befchäftigen haben. Aus dem Hei⸗ 
denthume gingen diefe Gottesurtheile mit vielen andern 
heibnifchen Gebräuchen in dad Chriſtenthum über, inbem 
die Geiſtlichen fie gefhidt zu ihrem Vortheil zu gebrauchen 
wußten. 

Bei den Burgunden waren bie Zweilämpfe geſetzlich 
beftätigt und als ein rechtliches GEntfcheibungsmittel fefts 
gefegt worden. Man nimmt an, daß von ihnen biefer 
Gebrauch nach und nad zu allen deutſchen Stämmen ges 
tommen fey, wenn nicht. vielmehr gleiche Urbegriffe von 
Ehre und deren Suͤhnung allen deutfchen Stämmen [bon 
aus ihrem Urfig her gemeinfam waren, und bei dem einen 
und andern fich dieſe allgemeine Anſicht nur fefter und 
beflimmter ausſprach, oder das Herkommen früher -eine 
faſt gefegliche Richtung erhielt. Won dem‘ Deutfchen breis 
tete fich diefe Anerkennung des Zweikampfes, als rechtlicher 
Entfcheidung, zu ben meiflen europäifchen Völkern aus. 
In den fruͤhſten Zeiten war der Zweilampf allen freien 
Deutſchen erlaubt, in den fpdtern Zeiten warb. er aber 
ein auöfchließliches Recht des Adeld. Wie das Ritter⸗ 
wefen fortfchritt und fich immer mehr und mehr entwidelte, 
fo breitete fich die Gewohnheit der rechtlichen. Entſcheidung 





8. Abtheil. Imels u, Ernfllämpfe d. Witter. 187 


durch den Zweikampf, auch immer weiter aus. In dem Zeit- 
alter der Hohenflaufen, in welchem die ganze geiflige Bils 
dung der Deutfchen eilend- vorwärts. fchritt, hatte ſich auch 
das Kampfrecht allgemein verbreitet. Ungeachtet burch bie 
Papfte bald hernach ſtreng und wieberholentlich verboten 
ward, dieſe Kampfgerichte einer rechtlichen Entſcheidung 
gleich zu halten, ſo hatte ſich doch die dabei obwaltende 
Anſicht zu innig mit der ganzen Denkungsart damaliger 
Zeit verſchwiſtert, war ſchon zu tief mit der fruͤhſten Bil⸗ 
dung verbunden, als daß die Ausrottung moͤglich gewe⸗ 
ſen waͤre. Noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts 
mußte ſie die tridentiniſche Kirchenverſammlung verbieten 
und ſtrenge Verordnungen dagegen erlaſſen, und doch 
faͤllt das eigentliche und gaͤnzliche Abkommen derſelben in 
Deutſchland erſt gegen die Mitte des ſiebenzehnten Jahr⸗ 
hunderts. 

Wie uͤberhaupt die Nachrichten über bie fittliche Bil⸗ 
bung bes Mittelalters und nur fpdrlich zugelommen, fo 
beſonders auch uͤber die Kampfgerichte, von denen wir 
manches Einzelne wiſſen; aber etwas Zuſammenhangendes, 
eine fortlaufende Geſchichte derſelben, in Hinſicht der Ent⸗ 
ſtehung und Ausbildung, aus der Quelle geſchoͤpft, die‘ 
fehlt und noch ganz. Nur hie und ba werden fie. in ben 


Schriftfielern erwähnt, bald lobend, bald tabelnd. Die | 


alten Gefege, welche auf und gekommen find, verbieten 
fie bald, bald erlauben fie fie wieder. So wirb nur eine 
ber Wahrheit ſich anndhernde Gefchichte, durch Muthmas 
ßungen unterflügt, von Entflehung und Bortgang möglich, 
Darüber ein paar Worte, 


188 3welter Abſchnitt. Ritterleben. 


Von den Ordalen ſprechen ſchon die ſaliſchen Geſetze, 
welche im 5. Jahrhundert geſammlet wurden. Unter die⸗ 
fen fand nun- der gerichtliche Zweikampf balb eine übers 
wiegende Anwendung, unb die Burgunden waren es 
wahrſcheinlichſt unter allen germanifchen Stämmen zuerfl, 
wie bereits gefagt, weiche biefen Zweikampf förmlich durch 
Gefege einführten. Man fchreibt dies Geſetz ihrem - König 
Gundobald im Jahre 502 zu. Auch ald die Franfen un» 
ter ihrem König Ehlobwig das Chriſtenthum annahmen, 
börten die Ordalen keinesweges Auf, vielmehr bemächtig- 
ten fich die chriſtlichen Priefter herfelben als eines Mittels, 
auf das Volk einzuwirken; unb fo fanben, wie keinem 
Zweifel unterworfen ift, durch buͤnſtliche Mittel, Nachhuͤlfe 
und Taͤuſchung, die gefährlihfien Ordale, ſcheinbar gegen 
bie Gefege der Natur, ihren glüdlichen Audgang Karl 
der Große und Ludwig der Fromme beflimmten durch 
Kapitularien den "Gebrauch der Drdale genauer. Das 
Anſehn der Gotteöurtheile uͤberhaupt,, und vorzüglich der 
gerichtlichen Aweikaͤnpfe, mußte baburch: immermebr wachs 
fen, obgleich damals ſchon verfiäntige Männer, wie 5. B. 
Agobard unter Ludwig bem Frommen, fich dagegen erklaͤr⸗ 
ten und ihr Anfehen zu untergraben fuchten. Unter ben 
fächfifchen. Kaifern- wurden: die Kampfgerichte immer haͤu⸗ 
figer, und daher aud immer beflimmter georbuiet. Otto 
der Große ließ fogar eine ftteitige Rechtsſrage: ob die En⸗ 
tel, bei: Beerbung der Großeltern mit den noch lebenden 
Kindern zu gleichen Theilen gehen follten, durch einen 
Zweikampf entfcheiden, wie und MWittihindb von Corbei 
in feinen Jahrbuͤchern erzählt, indim er ben Vorſchlag, 


‚ 





8, Abtheil. Amei- u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 189 


Schiedsrichter niederzuſetzen und ihren Ausfpruh als 
smabänderlich anzunehmen, verwarf. Er beflimmte bie 
Entſcheidung durch den Zweikampf; diefer erging und 
endete zum Bortheil der Enkel, da ihre WBerfechter den 
Sieg davontrug; dieſer göttlih geglaubte Ausſpruch 
-wurde darauf durch ein ewigesGeſetz beſtaͤtigt. Bemuͤ⸗ 
hungen, .fie abzuſchaffen, mußten immer unwirkſamer 
werben, und fie wurden ganz nichtig, als die beiden bes 
rühmten Gefegbücdyer der. Deutfchen des 13. Yahrh., der 
Sachſen⸗ und Schwabenfpiegel, den Zweikampf -ald ein 
altes. Herkommen feierlich mit anerfannten. Die übrigen 
Ordale verloren ſich, wie bereits geſagt, nach und. nad, 
aber der gerichtliche Zweikanpf blieb die langte Zeit in 
Achtung und Würden. 

Als eine großed Unheil bringende Folge der geſetz⸗ 
lichen. Beſtaͤtigung der Kampfgerichte erſcheint in: Deutſch⸗ 
land das Fauſtrecht, oder dad Recht der Vornehmen, für 
ſich Einzelkriege zu fuͤhren. Dies Fauſtrecht hat Deutſch⸗ 
land, bis zur Errichtung des ewigen Landfriedens durch 
Kaiſer Maximilian, zu einem fortwaͤhrenden Schauplatz 
von Gewaltthaͤtigkeiten gemacht. Won da ab find aber 
nun zwei Arten von Zweikaͤmpfen zu umterfcheiben: vie 
außergerichtfichen der Ritter und Vornehinen, welche Eh⸗ 
renſachen .betraftn; die Zweikaͤmpfe, welche bis auf unfere 
‚Zeit geblieben And; und dann die Kämpfe, welche jeder 
höhere Richter allen denen, die bei ihm Recht fuchten, ohne 
Unterfchied der Geburt, wenn es nur freie Leute waren, 
in denjenigen Fällen, welche die Geſetze bezeichneten, erlau⸗ 
ben oder fogar verordnen konnte. Was dies für Bälle 


1900 3welter Abſchnut. Ritterleben. 


waren, werden wir ſogleich bemerken. Zu einem ſolchen 
gerichtlichen Beweismittel durch Kampf konnten ſogar 
Prieſter und Frauen zugelaſſen werden, indem ſie Kaͤm⸗ 
pfer zu finden ſuchten, die, im Vertrauen auf die gute 
Sache und auf die Rechtmäßigkeit der Anſpruͤche und For⸗ 
" derungen derſelben, fir fie dem Kampfe fich unterzogen. 
Srauen wurden aber auch felbft zum Kampfe mit ‚ihrem 
Manne, oder uͤherhnupt mit Männern gelaffen, indem 


man bei beiden Zheilen eine Gleichheit in bee Kampfart 


berzuftellen fuchte, wie wir in emer kurzen Bemerkung 
üuͤber den Kampf. zwifchen Mann. und Weib weiter unten 
ausführlicher fehen werben. 

Merkwindig iſt e8, daB, fo fehr die Päpfte auch 
gegen bie Kampfgerichte eiferten, doch in Deutſchland von 
weltlichen Herrſchern, auch in ben fpätern Zeiten, Teine 
Verordnungen genen dad Kampfrecht erlaffen wurben, 
fondern daß es ſich nur, bei der fleigenven geiſtigen Aus⸗ 
bibung des Volls, nach und nady von: felbft verlor. 
Während die hohenflaufifchen Kaifer, z. B. Friedrich II., 
in ihren außerdeutſchen Befigungen, wie Gizilien, bie 
Kampfgerichte mißbilligten und. verbeten, inuͤſſen fie fie doch 
‚mit der Denkart ‚und. Bildung bes deutſchen Volks fo 
verfchwiflert gehalten haben, ſo aus ber innern deutſchen 
Denk» und Handlungsweiſe enſptoſſen, daß fie hier Beine 
Befehle Dagegen ertheilten. Mannichfach bat man in neue: 
rer Beit an der Sitslichleit der Kampfgerichte gezweifelt, 
und, im Stolze auf bie verfeinerte Bildung ber. neuern 
Zeit, fie mit Schimpf und Verachtung .belegt. Aber gewiß 
mit Unrecht, wenn man die ganze Zeit, in welcher fie 





8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter 191 


herefchten , mit diefer Einrichtung zufammenhält. Die 
Rohheit und Ungebumbenheit der. frühern Zeit, die Ban: 
benlofigkeit der fpäteren Zeit im Fauſtrecht, machten durch 
* die gerichtlichen Zweikaͤmpfe fchon einen Fortſchritt zum 
Beffern und zur Ordnung. Bei einem zum Kriege und 
zu den Waffen geübten Volke war der Zweikampf unter 
_ allen. andern Gottedurtheilen wohl das vernuͤnftigſte; benn 
das Gefühl feines Rechts konnte wohl dem Kämpfenden 
eine geößere Stärke geben, fo- wie das Bewußtſeyn bes 
Unrecht die Kräfte lähnten, und für jeden, auch unbedeu⸗ 
tenden Vorfall während des Kampfes, Bebeutfamkeit er: 
weden konnte. Selbft in unfern heutigen Zagen haben 
wir etwas in unierer Gerichtöverfaffung, was einem Got» 
tesurtbeile ähnlich ift, naͤmlich den Eid, befonders den 
nothwenbigen Eid, der ald Ergänzung fehlender Beweis: 
mittel gebraucht wird. Auch bier wird die Entfcheibung 
» eigentlich Gott überlaffen, daß er das befiere Gefühl, den 
religioſen Sinn des Schwörenden lebendig erhalte, auf 
daß er nichts unter der Anrufung Gotted erhärte, was 
‚ nicht der Wahrheit gemäß ſey. — Schredlih war bad 
Mittel, welches im 15. Jahrh., nach ber Einführung des 
roͤmiſchen Rechts, in vielen Fällen die Stelle der gerichts 
lichen Zweilämpfe vertrat: es war die Tortur, welche bald 
ein noch unſicherers, verruchteres und abfcheulicheres Mits 
tel ber Unterfuchung ward, als die gerichtlichen Zweikaͤmpfe 
je gewefen waren, je ſeyn konnten. 
Im gerichllichen Iweifampf warb als Hauptſatz an⸗ 
genommen, daß, um fo zu fagen, Recht und Unrecht 
felbft mit einander flritten, und es ward geglaubt, Gott - 


192 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


werde dem Rechte gewiß fein Recht widerfahren lafſen. 
Die Perſonen kamen nicht in Betracht, darum konnten 
auch ganz andere, als die eigentlich in Unterſuchung Be⸗ 
griffenen, in die Schranken treten; darum konnte ſogar 
das ſchwaͤchere Geſchlecht mit dem ſtaͤrkern, bie Frau mit 
"den Wanne kaͤmpfen; darım finden wir fogar Menſchen 
mit einem: Thier, eineh Ritter mit einem Hunde in jener 
Zeit flreiten, inbem auch dad Thier als Kämpfer für 
Wahrheit und. Recht angefehen werben Eonnte, wie wir 
weiter unten. an einem beſtimmten Beifpiele ſehen Werben. 
Diefer gerichtliche Zweilampf war alfo überhaupt in allen 
Gtreitigleiten erlaubt und vorgeſchrieben, bei welchen zu 
ihrer vechtlihen Entſcheidung alle andern gewöhnlichen 
Beweismittel fehlten. Dann gab 28 aber auch noch viele 
befondere &älle, in welchen der Zweifampf.crlanbt war, 
und in denen ‚berfelbe nicht verweigert werben durfte, wenn 
der Kläger gleich bei der Anklage darauf drang, oder wenn 
der Beklagte fi dazu anheifchig machte. Diefe Fälle 
nun waren: 

4) Wer einen andern .vor Gericht um ben Zweilampf 
anfprechen woßlte, mußte ihn befchulbigen, Daß er entwe⸗ 
der auf der Öffentlichen Straße, oder im Dorfe, oder auf 
eine andere Art den Frieden an ihm gebrochen, ferner, 
daß er ihn mit Gewalt angegriffen, verwundet und bes 
vaubt babe, wobei er die Wunden ober Narben mußte 
aufmweifen können. Nur dann, wenn er ihm biefes alles 
auf einmal Schuld zu geben vermochte, und biefer nicht 
freiwißig bekennen woßte, konnte er auf den Zweikampf 
bringen, | | 





\ 
8. Abtheil. Zwei: u Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 193 


2) Konnte man einen, welcher ber Verraͤtherei gegen 
das Reich, oder gegen feinen vechtmäßigen Herren, oder 
andere ehrbare Beute, ober bes Mordes, Brandes und 
Raubes, oder ber Nothzucht und Siftmifcherei war bes 
fhuldigt worden, zum Zweikampfe verurtheilen. -In Hin: 
fiht des Mordes bedurfte es nicht einmal „daß er begans 
gen war, auch fchon ber Vorſatz dazu erlaubte eine Ans 
Plage auf den Zweikampf. Ein Beifpiel davon giebt die 
beutiche Gefchichte. Rudolf, Herzog in Schwaben, ber 
in ber Folge Heinrich des IV Gegenkaiſer wurde, klagte 
dieſen an, er habe einen gewiſſen Reginger beſtellt, ihn 
zu ermorden, und verlangte vom Kaiſer, ſich mit demſel⸗ 
ben in einen Zweikampf einzulaſſen, damit Gott die Sache 
entſcheiden moͤchte. Heinrich war dazu bereit; endlich aber 
wurde durch Vermittelung mehrer Fuͤrſten die Sache dahin 
gebracht, daß ſein Liebling, Ulrich von Koßheim an ſeiner 
Stelle mit Reginger kaͤmpfen ſollte. Es unterblieb aber 
hernach, weil Reginger kurz vor dem sum Zweikampfe 

beſtimmten Tage ſtarb. | | | 

3) Fand der Zweikampf noch in allen folhen Sachen 
flott, in welchen der Richter das von dem Kläger gleich 
bei der Klage mit angebrachte Verlangen um ben Zwei⸗ 
kampf beſtaͤtigte und die Sache fuͤr eine Kampfſache 
erklaͤrte. —— | 
4) Zuletzt warb der Zweikampf auch überhaupt bei 
allen Klagen zugelaffen, die einen öffentlichen Friedens⸗ 
bruch zum Grunde hatten. 

Da bie Entſcheidung durch Kampfgerichte eine voͤllige 
geſetzliche war, fo war auch die Art und Weiſe, wie 

13 


8 


194 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


"die Ausforderung zun Zweikampfe geſchehen mußte, feit 
beſtimmt, wie aud) die Punkte, welche bei der Führung 
bed Kampfes in Anregung Tamen In Hinfidt ber 
Ausforderung war noͤthig: 4) baß ber, welcher fein 
Recht oder feine Unſchuld durch den Kampf darthun 
wollte, ein rechtliches Erfenntniß des Richters forderte und 
diefen um die Erlaubniß dazu bat. Denn felbft bei 
beftimmten Kampfſachen konnten Umflände eintreten, Durch 
welche die Anwendung bed Zweikampfes verhindert wurde. 
Diefed gefchah, wenn der Verdacht gegen ben Bellagten 
gar keine Wahrfcheinlichkeit für fich) hatte, ober wenn es 
möglich war, den Beklagten durch Zeugen zu überführen. 
— Hatte nun 2) der Richter dem Kläger durch Urtbeil 
und Recht die Erlaubniß ertheilt, feine Sache vermittelt 
bes Zweikampfs entfcheiden zu laffen, fo mußte er aber: 
mals durdy den Ausfprud des Richters belehrt werben, 
wie er feinen Gegner zum Kampf auffordern follte. Es 
wurde ihm alfo 3) aufgegeben: er folle denfelben oben 
bei dem Halfe am Kleide ziehen. War bie Führung bes 
Rechtsſtreits durch den. Zweikampf auf biefe Art, den 
Rechten gemäß, von dem Kläger eröffnet worben, fo 
mußte er, nachdem er den Beflagten wieder losgelaffen 
hatte, 4) feine Klage nochmals auf bie oben beflimmte Art 
in des Bellagten Gegenwart vor dem Richter anbringen, 
um daburch feine Ausforberung zu rechtfertigen. Bei Diefer 
Klage auf den Zweikampf fand, wenigftens in ben fpäte: 
ren Zeiten, eine beſondere Form ſtatt. Der Beklagte 
verlangte von ſeinem Gegner die Gewaͤhrleiſtung der Klage, 
und ließ ſich nun auf dieſelbe ein. Wollte er ſich nicht 


) 


8. Abthell. Zwei: u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. - 195 


in Güte mit ihm vergleichen, und leugnete er die Bes 
fhulbigung , dann wurde ber Zweilampf nochmals durch 
Urtheil und Recht von dem Richter vorgefchrieben. Dem 
Beklagten war es nur dann erlaubt, fi) von der Beſchul⸗ 
digung burch einen Eid zu reinigen, fobald ihm ber Klaͤ⸗ 
ger dazu ſeine Einwilligung gab. 

Nachdem nun der Richter auf den Zweikampf erkannt 
hatte, und nachdem die Ausforderung von Seiten des Klaͤ⸗ 
gers an den Beklagten geſchehen war, folgte nach dem 
Geſetze des Kampfrechts zunaͤchſt die Verbuͤrgung der 
Streitenden zu dem Zweikampfe. Dieſe Buͤrgſchaft nannte 
man Kampfſchatz, welchen entweder der Klaͤger ſogleich, 
wenn der Richter auf Kampf erkannt hatte, durch einen 
Geldbetrag leiſten mußte, oder die Streitenden gaben ein⸗ 
ander gegenſeitig ein Pfand, welches dem Richter einge⸗ 
liefert und von dieſem als die Verbuͤrgung zum Kampfe 
angenommen wurde. Dieſe zweite Art der Buͤrgſchaft 
geſchah in Frankreich ehedem fo, daß der Klaͤger dem Bes 
Hagten, wenn er ihn herausforberte, ben Handſchuh zu⸗ 
warf, welchen dieſer aufhob, und ihm dagegen den ſeinigen 
gab, zum Beweiſe, daß er in den Kampf willige, weil 
man den Handſchuh fuͤr ein Zeichen der Einwilligung und 
Annahme bei einem Verſprechen hielt, und er daher in der 
alten Rechtöwiffenfchaft bei den fogenannten Inveſtitur⸗ 
Arten häufig vorfommt. Es iſt daher wohl feinem Zwei⸗ 
fel unterworfen, daß in Deutſchland eine Ähnliche Sitte 
wie in Frankreich geherrfcht hat, und daß der Handſchuh 
auch bier ein Zeichen des angenommenen Kampfgerichts 
war, wie. fein Dinwerfen hberpaupt als Ausforderung 

13 * 


u - u R teen DO 


1% Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 
zum Kampfe, fein Aufnehmen als Einwilligung in den 
Kampf galt. 

Einzelne Fälle gab ed, in welchen dem Beklagten bie 
Erlaubniß zuftand, den Kampf auszuſchlagen. Diefe 
Hille waren: 1) wenn ber Kläger von geringerer Gebur: 
als er war, ba hingegen ein Hoͤherer von Geburt allemal 
einen Geringeren mit Recht zum Zweikampf auffordern 
konnte. Wenn alſo ein freier Mann einen andern zum 
Kainpf aufrief, ſo konnte dieſer von dem Klaͤger verlan⸗ 
gen, ſeine vier Ahnen und ſein Handmahl, d. h. ſeinen 
ordentlichen Gerichtsſtand, zu beweiſen. Konnte er dieſes 
nicht, ſo war der Beklagte von dem Zweikampfe befreit, 
und der Klaͤger mußte Strafe geben ‚ weil er nicht das 
Recht hatte, ihn herauszufordern. Ein fpätere Herkom⸗ 
men ftellte dagegen dem Beflagten frei, wenn ber Kläger 
ihm nicht ebenbürtig war, auf fein Recht, den Kampf 
auszufchlagen, Verzicht zu thun, und auch mit einem nicht 


. ebenbürtigen Audforderer den Zweilempf zu halten. 


Fernere Urfachen, den Kampf auözufchlagen, waren 2), wenn 
der Kläger wegen. Verbrechen und Unthaten befannf, ober 
unehelich geboren war. — 3) Wenn man Rahmittags zum 
Kanıpfe ausgefordert worden war. Den Kampf auf den 
Nachmittag konnte man nur dann nicht außfchlagen, wenn 
man fchon Vormittag mit einem gefämpft hatte, und biefer 
ben Kampf Nachmittags fortfegen wollte. 4) Berwanbte 


konnten den Kampf unter einander ausfchlagen und gegen- 


feitig verhindern. 5) Wenn der Beklagte an dem Orte, 


‘wo er verflagt und zum Zweikampfe aufgefordert wurde, 


ein Fremder und einem andern Gerichte unterworfen war. 


u 


N 


8, Abthell. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 197 


6) Endlich Eonnte auch der den Zweikampf .ausfchlagen, 
welcher aus Schwächlichkeit oder Gebrechlichkeit des Keibes 
nicht fechten konnte. | 

Es waren mehre Umflände im Herkommen und in 
den daraus entfprungenen Gefegen feflgeftellt, durch welche 
bie Hauptperfonen von dem Zweilampfe befreit werden 
konnten, daß fie nicht gendthigt waren, ihn in Perfon zu 
halten. Dann war es ihnen erlaubt, einen freiwilligen 
Kämpfer an ihrer Stelle zu fchiden, oder fogar einen fols 
chen, der von ihnen mit Geld gemiethet war. Man nannte 


fie Vormünder ober Vorfechter. Das firenge Mittelalter 


hielt aber doch diejenigen Vorfechter, welche fich für Geld 
zum Kampfe miethen ließen, für unebrlih, ja ſelbſt auf 
die Kinder derfelben warb es ausgedehnt, die man auch 
noch für ehr⸗ und vechtlos hielt. Einen folchen Stelver: 
treter deö Iweilampfs zu ernennen, war nun in folgen: 
den Zällen erlaubt: 4) wenn berjenige, welcer dazu auf: 
gefordert wurbe oder darauf klagen wollte, ſchwaͤchlich und 
gebrechlic war, fo baß er nicht fechten konnte. Sobald 
biefer Umftand eintrat, mußte derjenige, welcher kaͤmpfen 
folte, zuexft feinen rechten Vormund, das heißt, einen 
feiner ebenblrtigen Schwertmagen, einen Verwandten väs 
terlicher Seitd, auf den Kampf für ihn zu Magen, ober 
derauf zu antworten, auffordern. Konnte er nun einen 
Eid leiften, daß er nit im Stande fey, einen folden zu. 
fielen, dann war ihm erft erlaubt, jeben, der ed aus 


| Freundſchaft thun wollte, oder ven er für Gelb dazu ge: 


winnen konnte, als feinen Vorfechter zu flellen. 2) War 
allen denen ein Vorfechter erlaubt, Die wegen ihrer Jugend 


‘ 


198 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


oder wegen ihres Alters nicht fechten konnten oder durften. 
Das Alter, welches man befitzen mußte, war durch die 
Geſetze beſtimmt; doch kann man nicht genau angeben, 
welches Jahr in Deutſchland angenommen ward. Darf 
man aus dem ſchließen, was ‚ber hohenſtaufiſche Kaiſer 
Friedrich IL. für Sizilien beſtimmte, fo wäre bie Zeit der 
Kämpfjahre vom 25ſten bis zum 6oſten Jahre gewefen. 
3) Geiftlihe konnten einen Vorfechter Fiefen. In ditern 
Zeiten hatten fie bisweilen in Perfon gekaͤmpft, bis es 
ihnen durch eine Verordnung der Päpfte Alerander und 
Coͤleſtin II. unterfagt worden war. - 4) Frauen war ed 
verflattet, einen Vorfechter zu flellen. 5) Konnten aud 
bie Tobten, wenn fie in ihrem Grabe beleidigt waren, 
durch Vorfämpfer im Imeilampfe vertheibigt werden. War 
der Kläger im Stande, dem Zodten dad Verbrechen, deffen 
er ihn befchulbigte, durch 7 Zeugen zu beweifen, fo 
brauchte er nicht fih zum Kampfe anheiſchig zu machen. 
Außerdem mußte er dies aber thun und mit jedem Ber: 
wandten deſſelben, ber fich zu feiner Vertheidigung anbot, 
den Zweikampf eingehen. | 

Sand nun Fein einziger von ben eben angegebenen 
Ablebnungsgründen flatt, aus denen dem Ausgeforberten 
frei_ftand, den Kampf zu vermeiden, fo mußte er ihn 
annehmen und ſich dazu verbinblih machen, wenn man 
ihn nicht für fchuldig und uͤberwieſen halten follte. Der 
Zweikampf brauchte aber nicht gleich gehalten zu werden, 
indem dem Beklagten eine gewille Zriit gegeben war, um 
fi dazu vorzubereiten, Nach Berfchiedenheit der. Höhe 
bes Standed wurde biefe Friſt bewilligt, befonderd in dem 


8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernfifämpfe d. Ritter. 199 


Falle, wenn man vor Gericht gerufen wurde, ohne daß 
man vorher gewußt hatte, man würde einen Zweifampf 
beftehen muͤſſen. Diefe Friſt beitand bei den fchöppenbas 
ven Sreien, ben Semperfreien, in ſechs Wochen, bei ben 
Minifterialen ober Dienflmannen und bei den übrigen 
Freien in vierzehn Zagen. Während dieſer vergönnten 
Stundung durfte Feiner den andern beleidigen; gefchab es 
doch, fo wurde der Beleidiger nach dem Zriedendrechte ge: 
firaft, welches im Mittelalter fehr firenge war; denn das 
Verbrechen des Friebensbruches zog nach den Gefehen des 
Mittelalters den Verluft des Kopfes nach fih. Der Ort 
bes Zweikampfs wurbe vom Richter beſtimmt und durch 
eine Umzdunung eingehegt, um das Anbringen des Volkes 
zu verhindern. Diefer zum Zweikampf beflimmte Platz, 
oder das Kampffelb, hieß in der alten beutfchen Sprache 
Kreyt, Kryt, Krais, Grais, und hatte gewöhnlich eine 
eirunde ober runde Geftalt, weswegen ihm auch der Name 
Ring, oder wie im Sachienfpiegel und Reineke Voß, 
Warf gegeben ward, Die Rüftung und die Waffen, 
welche die Kämpfer tragen burften, waren durch die Ges 
fege beſtimmt und zwar, nach der Anleitung bes fächfifchen 
Landrechts, folgender Geftalt: jedem ber beiden Kämpfer 
war erlaubt, Leber und leinenes Zeug anzuziehe., fo viel 
er wollte, Haupt und Füße mußten vorne bloß feyn, und 
an den Händen follten fie nichts ald dünne Handſchuhe, 
über ber Rüftung aber einen Rod ohne Aermel anhaben. 
In der rechten Hand mußte jeder ein bloßes Schwert halten; 
außerdem war ihm erlaubt, nach feinem Belieben noch ein 
ober zwei Schwerter umzuguͤrten. In der linken Hand 


— — 


6 


200 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſollte er einen bloß aus Holz und Leder verfertigten run⸗ 
den Schild haben, an dem nur bie Buckeln von Eiſen 
wären. Wir finden inbeffen auf Abbildungen, die wir 
von folchen alten Kämpfen befigen, daß die Streiter große 
länglihe Schilde hatten, oben und unten mit einer Spige, 
welche den ganzen Leib bebedten, und bie wir ſchon oben 
unter dem Namen ber böhmifchen ‚Pafefen kennen gelernt. 
Der Richter mußte jebem der Kämpfer zwei Männer zu⸗ 
ordnen, welche darauf Acht hatten, daß bie Waffen auf die 
gehörige Weife angelegt wurben. j 
Erfehien nun nach dem gefegmäßigen Gange bed bis 
jetzt befchriebenen Kampfrechtöftreitö der zum Zweikampf 
beflimmte Zag und die angefehte Stunde, fo begab fidy 
der Richter nebft den Beifigern und einigen zu diefem Zweck 
befonders verorbneten Kampfrichtern, die meiften® alte, verz 
diente Ritter waren, auf einen erhöhten Plag, der an den 
Schranken des Kampfringed für fie beſonders zugerichtet 
war. In die Eden des Kampfplages wurde, wenn ber 
Kampf auf Leben und Tod ging, für jeden Kämpfer eine 
Tobtenbahre mit allen Zubehörungen gefeßt, zum Zeichen, 
daß bier auf Leben und Tod gelämpft werde, ber Beftegte 
jedoch" ein anftändiges Begräbniß erhalten follte Nun ers 
fhienen die Kämpfer, jeber von feinen Beichtvater, feinen 
Verwandten und anderm Gefolge begleitet, vor ben 
Schranken. Sie gingen zu dem Richter und baten noch— 
mals um die Erlaubniß, ihre Sache durch den Zweikampf 
ausmachen zu dürfen. Der Kläger legte feierlih den Eid 
ab, daß feine Beſchuldigung wahr und gegründet ſey; der 
Beflagte dagegen, daß er unſchuldig angeklagt fey. Beide 


z 
% 


8. Abtheil. Zwei: u. Ernfflämpfe d. Ritter. 204 


baten Gott, ihnen bei ihrem Kampfe zu helfen. Diefer 
gefegliche Kampfeid wurde nach der damaligen Sitte auf 
die Reliquien von Heiligen geleiftet; der Kläger aber 
mußte bei der Ablegung beffelben ben Beklagten oder deſſen 
Kleid anfaffen. "Außerdem mußten die Streitenden noch 
fhwören, daß fie ehrlih und aufrichtig fechten wollten, 
und daß fie Beine Zauberfräuter oder andere Beſchwoͤrungs⸗ 
mittel an ſich verborgen trügen. Nach Ablegung des 
Eides unterfuchten die Kampfrichter die Ruͤſtungen und 
Waffen der Kaͤmpfer, ob alles mit der Vorſchrift der Ge⸗ 
ſetze uͤbereinftimmte. Der Beichtvater reichte dem Ritter, 
welchen er begleitete, bas heilige Abendmahl; fogleich tra= 
ten fie, zuerſt der Kläger und jeber von einem ober zwei 
Srieswärteln begleitet, in den Kampfplatz. Diefe Gries- 
wärtel hatten lange Stangen oder Bäume in der Hand, 
unb waren den Kämpfen zum Beiftand gegeben. -Fiel 
einer ber Kämpfer zur Erde, ober ward verwundet und 
bat, daß der Grießwärtel mit feinem Baume ihm huͤlfreich 
beifpringen folle, fg konnte diefer, mit Erlaubniß bes 
Richters, die Kämpfer trennen, dem Gefallenen Luft 
machen oder dem Verwundeten beiftehen. Ueberhaupt 
mußten die Grieswärtel bei den „gerichtlichen Zweilämpfen 
‚darauf fehen, daß dabei alles ohne Zrug, Lift und Ges 
fährde zuging, daß Sonne und Wind, Licht und Schatten, 
alles ganz genau und gleich getheilt wurde, damit Feiner 
. einen fihtbaren Vortheil über ben andern hätte. Sobald 
die Kämpfer in ben Kreis getreten waren, fo gebot. ber 
Richter ober Herold der umftehenden Menge Stillſchweigen. 
Er drohte dem, der fi) unterfangen würde, zu fehreien, 


+‘ 
⁊ 


202 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


oder ſonſt ein Geraͤuſch zu verurſachen, mit harter Strafe, 
ja ſelbſt mit dem Tode. Darauf folgte nun eine Todten⸗ 
ſtille, und dieſe vermehrte noch die bange Erwartung 
des Ausgangs. Die verſammelten Frommen in dem Hau⸗ 
fen der Umſtehenden baten Gott im Stillen um ſeinen 
Beiſtand fuͤr den Unſchuldigen. Die Kaͤmpfer traten 
gegen einander auf; man ſtellte ſie ſo, daß keiner die 
Sonne allein im Geſichte hatte. Nun rief der Herold 
dreimal laut oder gab ein dreimaliges Zeichen mit der 
Trompete, und beim dritten Male gingen die Kaͤmpfer auf 
einander los. Das verhaͤngnißvolle Schweigen lag auf 
der umſtehenden Menge, alle Aufmerkſamkeit war auf die 
Kaͤmpfer gerichtet. Man hoͤrte nichts, als den Schall der 
auf die Schilde und den uͤbrigen Theil der Ruͤſtung fal⸗ 
lenden Schlaͤge, das fuͤrchterliche Klappen der auf einander 
prallenden Streitkolben. Lange ſchlug man ſich mit dieſen 
letzten herum, ohne daß man ſich beſchaͤdigte, ſich nur 
durch die gewichtigen Schlaͤge ermuͤdete und vielleicht hin 
und wieder, wenn einer traf, auf Augenblicke lang be⸗ 
taͤubte. Drauf warf man fie weg und zog die Schwerter. 
Es gab aber auch verfchiebene Gerichte in Deutfchland, 
wo nur mit ber einen ober der andern biefer beiden Waf⸗ 
fen audfchließend gefämpft wurde, und dies war beſonders 
das fogenannte Kolbengericht, bei welchem nur mit Kols 
ben gefochten ward; bavon weiter unten. — Das Ende 
des Kampfs war da, fobald «einer von beiden todt zur 
Erde fiel, ober ſchwer verwundet anerkannte, baß ber 
andere fein Sieger, -er der Weberwundene ſey. War es 
ber Beflagte, fo warb über ihn nach den Rechten gerichtet, 





8. Abtheil. Zweis u. Ernfllämpfe d. Ritter. 203 


vie das fchuldgegebene Verbrechen heifchtes war es ber 
Kläger, fo warb der Beklagie von der Anklage und Bes 
fhuldigung vollflommen frei gefprochen, jener aber zur 
Bezahlung der verfprochenen Buße verdammt. Zur Endis 
gung bed Kampfes war es nicht nöthig, daß ber eine 
Theil volllommen befiegt oder gar getöbtet wurbe, viel: 
mehr war es ſchon genug, wenn er belannte, er fey über: 
wunben; gefeßt auch, er wäre bloß von feinem Gegner 
entwaffnet worden, ober hätte nur eine leichte Wunde er⸗ 
halten. Auch hing die Beendigung ded Zweikampfs von 
dem Ermeflen des Richters ab, welcher ben Befehl zur 
Aufhebung deffelben den Kämpfern durch die Grieswaͤrtel 
befannt machte, und auch den Sieger durch biefelben mit 
großer Feierlichkeit vor fich führen ließ. Das Herkommen 
beflimmte, daß derjenige, welcher fih verwundet feinem 
Gegner ergab und um Gnade bat, ehrs und rechtlos er: 
achtet wurde. Er verlor Amt und Ehre, burfte Feine 
Waffen und Rüfltung und Feine andern Ehren und Ritter: 
Zeichen mehr tragen, Bein Pferd mehr befleigen und fich 
den Bart nicht mehr fcheeren laſſen. Dies war daher auch 
der Grund, daß ſich nur höchft felten einer ergab und daß 
der Kampf meift immer. bi6 zum Tode und zur legten 
Krafterfchöpfung ging, fo daß der Tod wenigſtens bald 
nach ber durch die Kampfermübung nothwendigen Beendis 
gung bed Streited folgte. Derjenige, welcher tobt auf 
dem Kampfplage blieb, wurde ehrlih unb anſtaͤndig zur 
Erde beſtattet. Gemeiniglich forgte ber Sieger felbft für 
das anfländige Begraͤbniß des überwundenen Gegners, 
Hier bei diefen Kämpfen war es auch befonderd, wobei 


204 Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en. 


der Sieger dem verwundeten, zur Erde geſtreckten Feinde 
auf die Bruſt kniete und den kleinen Dolch zog, den er 
an feiner Seite trug, den Dolch der Barmherzigkeit (mi- 
sericorde), wie man ihn nannte. Rief der Verwundete 
nun nicht um Barmherzigkeit und Gnade, fo fließ er ibm 
denfelben durch die Fugen der Rüftung in ben Leib. Un⸗ 
gewiß ift, ob die gerichtlichen Zweikaͤmpfe auch zu Pferde 
gehalten worden find, wie es die außergerichtlichen meiſt 
immer wurden. Die Beichreibungen und Abbilbungen, 
weiche uns aus jener Zeit geblieben find, zeigen meift 
immer nur Kämpfe zu Zuß, doch kommt auch hin und 
wieder einer vor, bei bem bie Kämpfenden zu Rofle ſich 
befinden. Indeſſen fimmt die ganze geſetzlich beflimmte 
Kompffleidung nur zu einem Fußkampfe, und als Regel 
ift daher gewiß anzunehmen, daß nur zu Fuße geflritten 
ward; doch waren in einzelnen und feltenen Fällen, bes 
fonderd in früherer Zeit, vieleicht Kämpfe zu Rop vers 
ftattet. 

Zuweilen geſchah es, daß der Beklagte, wenn bie bes 
flimmte Zeit des Zweikampfs dba und ber Kläger in den 
Schranken erfchienen war, audblieb und fich nicht einfand. 

In einem ſolchen Zalle mußte der Richter, fo verorbnete 
ed ber Sachfenfpiegel, den Frohnboten in Begleitung 
zweier Schoͤppen in das Haus ſchicken, wo ſich der Be⸗ 
klagte aufhielt, und ihn nochmals durch dieſelben vorladen 
laſſen. War dieſes dreimal geſchehen und der Beklagte 
nach der dritten Aufforderung nicht erſchienen, ſo ſtand 
der Klaͤger bei dem Kampfplatze auf, trat auf denſelben 

und bot ſich, indem er zwei Hiebe und einen Stich in bie 


8. Abtheil. Zwei⸗u, Ernftlämpfe db. Ritter. 205° 


Luft that, zum. Kampfe an. Dann warb die angebrachte 
Klage, mit welcher er feinen Gegner in Anſpruch genom- 


men hatte, für erwiefen gehalten, und biefer von dem - 
Michter eben fo verurtheilt, ald ob er im Kampfe übers 


wunden worben fey. Died geſchah befonders dadurch, daß 
über ihn die Kampfacht ausgeſprochen warb unb zwar 
aus folgenden Gruͤnden, wie fie bie Gefeßbücher in ihrer 
alten Sprache angeben, wegen feiner: „Ungehorfambteit, 
Verachtung und Verfmehung des heiligen Reich und dig 
Landgericht.” Dabei fand folgendes Verfahren Statt. 
Der Auögebliebene wurde nochmald von bem Landgerichts: 
boten mit lauter Stimme breimal .gerufen, und nun mußte 
der andere bis zum Untergang der Sonne warten. Erſchien 
jener bis dahin nicht, dann mußte der, weldyer fich einge: 
ſtellt hatte, bei dem Gericht anhalten, ſeinen Gegner, 


weil er nicht vor Gericht erſchienen ſey, mit ber Kampf⸗ 


acht zu richten. Hierauf ſtanden nun, nach Vorſchrift der 
Kampfordnung, der Landrichter und Landſchreiber des 
Landgerichts auf, wandten fich ‚zu der Gegend- hin, wo 
der Außengebliebene anfäßig war, und erklärten ihn mit fol- 
genden Worten, weiche der Landrichter dem Landfchreiber, 
der fie aufgefchrieben hatte, - nadfprechen mußte, in die 
SKampfadıt: 

„Ich nimb N. N. Ehre und Recht, aigen und Lehen, 
und fege das aigen in des Reichs Sammer, und das Lehen 
den Herrn, Herrn, von dem ober den fie zu Lehen rühren. 
Ich verfinde auch fein Weib zu einer Wittwen, fein Kind 


zu Waifen, und theil fein Leib frey den Vögeln in den 


Lüften, den Thieren in den Zelden, ben Fiſchen in ben 


206 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Wagen (Wogen, Wellen), und ſetz ihn von allen Rechten 
in das Unrecht, und ich nimb ihn auß dem Friede, und 
ſetz ihn in den Unfried gehn allermenniglich, und ſprich ihn 
hiemit offenbahrlich in die Kampf⸗Acht, wie Recht iſt, 
und erlaub ihn allermenniglich, daß niemand an ihn ge⸗ 
frevelt hab, der ihn angreift, von Klag wegen N. N., der 
das kempflich auf ihnen erklagt und erlangt hat, als Recht 
ift: darumb daß er an bad h. Römifhe Reich gerathen 
und dad nit verantwort noch verfprocdhen hat, als Recht 
if.” Anders ift der Schluß der Kampfacht, welche ſich in 
der Ordnung bes Kampfrechts am Landgericht zu Franken 
nach 1512 findet, der weit verwünfchenber und weit furcht⸗ 
barer alfo lautet: „Wir erlauben auch menniglich uff allen 
Straßen, und wo ein jeglih Mann Fried und Bleib 
(Geleit) hat, da foltu keines Haben, und: wir.weifen dich 
die vier Straßen ber Welt, in dem Namen des Zeuffels 
bei der Eiden in der Sach." 

Wie bereitö gefagt, waren die Dipfe den Kampf: 
gerichten heftig entgegen, unb hin und wieder fuchten auch 
bie deutſchen Kaifer, wie wir weiter unten fehen werben, 
diefelben zu befchränten. Doc gaben fie auch wieber 
Vorrechte, ein ſolches Kampfgericht zu begen. Befonbers 
erhielten einzelne Stäbte einen ſolchen Vorzug, vermöge 
deſſen in dem Bezirk ihrer @erichtöbarkeit, mit Genehm⸗ 
habung und unter Aufficht ihrer Obrigkeiten, bie in ge⸗ 
wiſſen beflimmten Faͤllen vorgefchriebenen Zweikaͤmpfe fol: 
ten angeftellt werben, um baburd ben Streit der Rechts⸗ 
huͤlfe Suchenden zu fchlichten. Dergleichen Bhrrechte zu 
einem befonbern Kampfgerichte hatten bie Stäbte Hall 








8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernftlämpfe d. Ritter. 207 


in Schwaben, Bürzburg, Anſpach, bad Burggrafthum 
Nürnberg, das Landgericht zu Franken u. f. w. Diefe 
Kampfgerichte hatten ihre eigenen Gefege und Orbnungen 
für den Zweilampf, welche Rampforbnungen genannt 
wurben. Das Kampfgericht der Stabt Hall in Schwaben 
war dad berühmtefte jener Zelt. Es wurde von vielen 
befucht, um bafelbft ihre Streitigkeiten durch ben Zwei: 
Tampf auszumachen. Vorzüglich haben die Adelichen unter 
fih Zweikaͤmpfe bei dieſem Landgerichte gehalten, wenn 
einer ded andern Ehre angegriffen, ober ihn fonft eines 
Verbrechens befchuldigt hatte. In folchen Fällen kamen 
fie häufig mit einander überein, ihre Sache. vor biefem 
Kampfgerichte auszufechten. 

Wie Überhaupt num biefe Kampfgerichte gehalten 
wurden, haben wir fchon oben gefehen; wie ed aber be: 
ſonders zu Hal berging, das befchreibt und Müller in 
feinem Richtstagötheater Thl. 1. Kap. VII. $. 37. (nach 
Sebaſtian Muͤnſter's Kosmographie 3. 308.) fo: „Zu fols 
hen Kampfgerichten wurden auch gewiſſe Derter beftellt, 
maßen dann in der Stadt Hal in Schwaben .ein folch 
Kampfgericht gewefen, wenn 2 ebel Rittermäßige mit eins - 
ander kaͤmpfen wollen, um Ehr’ und Glimpf, wobei diefe 
‚Ordnung gehalten worden: nachbem der Rath bafelbft von 
Kaifern und Königen von vielen Jahren befreit ift, fo 
fih alfo zween edel Rittermäßige mit einander verunwillis 
gen, und bei dem Rath um Plab und Schirm bitten, 
fhreibt ihnen der Rath folgender Geftalt: Ihr Schreiben 
und Begehr hab’ ein Rath gehöret und der Unwill zwi⸗ 
hen ihnen fei ihm leid, wollten gerne, daß fie vom ihrem 


> 


208 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben. 


Füuͤrnehmen abſtunden, und bitte fie mit allem Fleiß, das 
zu fiberheben, ynd fonf in andrer ehrlicher und ziemlicher 
Weif’ Mittel und Weg zu vereihigen; deß wolle ſich ein 
ehrbar Rath zu ihnen verfehen, das begehre ein Rath um 
fie zu verbienen. Und da fie beide wieder fchrieben, ber 
Meinung wie vor, und wollten nicht abflehen, auf das 
ſchreibet ihnen wieder ein Rath, wie vor. Wenn fie aber 
weiter auf ihrem Fuͤrnehmen beharren, benennet ihnen der 
Rath einen Tag, darauf zu erfcheinen, ihr beider Klag', 
Anfpruch und Anliegen gütlich zu erhören, und fo fie den 
Tag annehmen zu kommen, fo hört ein Rath, ihr Anlies 
gen, und nad Verhörung thut der Rath möglichen Fleiß, 
fie auf andere Art und Weife gütlich oder aufs Recht zu 
vereinigen. Wenn aber foldyes fruchtlos abgehet, umd fie 
don ihrem Vorſat nicht abflehen wollen, fo faget ein 
Rath ihnen Platz und Schirm zu und benennet ihnen 
einen Zag zu kommen. Und wenn fie erfcheinen und ihr 
Begehren wieberholen, müflen fie zu Gott fchwören, ihrem 
Vornehmen flradd auf den beſtimmten Tag Folge zu thun, 
und benennet jedem eine Anzahl Leute, fo er mitbringen 
möchte, aber mehr nicht, ald ihnen vom Rathe verwilliget 
wird, Auf folhen Tag läßet ber Rath den Markt ober 
Play mit Sand befchütten, denſelben umfchränten, und 
jedem eine Hütte, ba er mit ten Grießwarten und feinen 
Berwandten fein möge, machen, und jedem eine Todten⸗ 
bahre mit Kerzen, Baartüchern und andern Dingen, bie 
‚zu einer Reiche gehören, fegen. Es wirb auch einem jeben 
feines Gefallens ein Beichtvater, zween Griegwarten und 
einem als dem andern gleiche Harnifch und Wehr zugelaßer, 


x. 


8, Abthell. Zweis m, Ernfllämpfe d. Ritter, 200 


ober mögen fich desfalls felbft zu Ros vder Fuß vereinen, 
wie fie deshalber in Schriften verfprochen und zugefaget 
haben. Und alödann in Gegenwart ihrer beiden läßt ein 


Rath gleihen Schug und Schirm öffentlihen ausrufen” 


unb verlündigen, baß niemand ſchreie, deute ober winke 
und fonft Zeichen thue oder gebe. Und welcher dem nicht 


alfo nachläme, dem wollte der Rath dur den Nachrichter 


(fo gleich da flehet und aufmartet) mit einem Handbeil 
auf einem Bloch bie rechte Hand und ben linken Fuß abs 
bauen Iaffen, !ohne alle Gnade. Es werben alle Thore 
verfchloffen, ale Thuͤrme, Wehr und Mauern befekt, und 


alle Gaſſen mit eifernen Ketten durchzogen, bewahret und, - 


verfehen. Weiter wirb verboten und beftellet, daß Fein 
Frauenbild noch Knabe, unter 13 Jahren alt, dabei fei, 
oder ihm zuzuſehen geftattet werde. Alsdann beflimmet 
der Rath ihnen beiden eine gewiſſe Stunde auf dem Pla 
mit ihrem Beichtvater und Grießmwarten zu fommen, und 
verwechfelt alödann einen Grießmwarten und befiehlt jedem 
in feine Hütte zu gehen, und auf das allerheftigfte mit 
allem Fleiße Aufmerken zu haben, daß Feiner wider ben 
andern Untreu, noch Gefährbe, noch Vortheil der Wehr 
und Waffen fuche ober habe, in Feine Wege. So das 
alles geſchieht, alddann läßt man fie gegen einander an⸗ 
treten, unb wird beftellt, mit lauter Stimme dreimal zu 
zufen, zum erflen, zum anbern und zum brittenmale. 
Alsdann wenden fie fi ch gegeneinander und heben ben 
Kampf an. Welcher verwundet wird -und fich dem andern 
ergiebt, ber foll hinführo geachtet werden ehrlos, auf kein 
Pferd mehr figen, Zeinen Bart befcheren, noch Waffen 
£ 14 


v 





210 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


“ober Wehr tragen, auch zu allen Ehren untüchtig fein. 
Ber aber tobt bleibet und alfo überwunden wird, ber fol 
ehrlich zur Erde beftattet werden. Und biefer, ber alfo 
obfieget, der fol feine Ehre genugfamlich bewahret haben 
und forthin ehrlich gehalten werben.‘ 

Eine andere dabei vorkommende Einrichtung ifl aus 
der Ordnung des Kampfrechts am Landgericht zu Franken, 
wo ebenfalls Eprengerichte abgethan werden konnten, zu 
merken. Darin heißt ed: „baß der Landrichter, als ein 
Herzog in Franken, fein Schwert zwifchen den Beinen 
liegen habend, auf einem hohen Stuhl im Harniſch, unb 
bei ihm auf einem niebern Stuhl 9, 11 ober mehr Ritter, 
auch im Harnifch, fiken follen. Der Zorberer und Ants 

worter follen in ihrem Kampfgewand, nehmlich in einem 
grauen Rod mit einem Kampfhut, vernähet mit Riemen, 
in grauen Hofen ohne Füßling, mit Kolben und Schild, 
burch den Kämmerer, fo auch ein Ritter war, bei der 
Hand mit Geſang und Gefchrei: im Namen Gottes fahs 
ren wir ıc. vor Gericht gebracht, jebem ein Fürfprecher 
durch Urtel der Richter gegeben, 3 Gerichtstage von 14 
zu 14 Zagen.(d. i. drei alte deutſche Labungen) gehalten, im 
dritten Gerichtötage ber untere Kreis beſchraͤnkt und bie 
Schranken mit Rittern, Knechten und Wappnern beflellt 
werben. | 

Ein immerwährendes Kampfgericht hatte auch das - 
Burggraftpum Nürnberg, von dem noch eine. Kampford⸗ 
nung aus dem Jahre 1410 übrig iſt, woraus ſich die dor⸗ 
tige Einrichtung von demjenigen, der ſich ausführlicher 
darüber belehren will, erfehen läßt. Der Zweilampf vor 


8, Aöthei. Zwei: u. Ernfllämpfed. Ritter 211 


dieſem Kampfgerichte wurde allemal zu Fuͤrth bei Nuͤrn⸗ 
berg gehalten. Das Burggrafthum Nuͤrnberg hatte von 
alten Zeiten her das Recht, daß das Amt zu Fürth die 
Schranken um den Kampfplag mußte fertigen laflen, und 
baß es in alle, im Umkreis einer Meile von Fürth. geles 
.. genen Häufer das Aufgebot ergehen laſſen konnte: jedes 
folle am Tage bed Zweilampfs einen gerüfteten Mann zu 
früher Tageszeit nach Fuͤrth ſchicken; alte Weibsperſonen 
“und andere, die nicht kommen konnten, ſollten einen ans 
dern tauglihen Mann an ihre Stelle ſchicken, damit fies, 

„den Schirm der Herffchaft getreulich helfen hands 

haben und fehügen, nach ihr jedes beſtem Vermoͤ⸗ 
gen, auf ihr feibft Koften, und welche, oder wels 
cher auf dem gefehten Tag nicht kommen, oder 
fhiden, und. ohn redlich Urfach außen bleiben, .. 
den hat die Herrſchaft des Burggrafthums zu 
Nürnberg darumb zu fltaffen umb 410 Heller, - 
alter Währung ‚ und fol Straf foU man dem 
Volk verkünden, fo man bie fordert, dad Kampf 
gericht zu beſchirmen.“ 

Schon obeh bemerkte ich, daß es ſelbſt Zrauen vers ' 
ftattet wurde, gegen bie Männer zu Tämpfen, um ihre 
Unſchuld an den Tag zu legen. In, Branfen vorzuͤglich 
war ed ben Frauen vergönnt, wenn ihre Unfchuld burch 
boshafte Beſchuldigungen angegriffen warb, benjenigen, 
der es wagte fie auf diefe Art zu beleidigen, zum Zwei⸗ 
kampfe zu nöthigen. Diefer Kampf ging auch unterweis _ 
len auf Leben und Tod. Die Verfahrungsart dabei war . 
verſchieden; hier einige Nachrichten daruͤber: zuerſt, wie 

14 * 


\ 


212 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die Verordnungen im Bruͤckengericht zu Würzburg daruͤber 
fprechen. Indem nad) den Geſetzen des Zweikampfs ein 
jeder Kämpfer bem andern nicht allein im Hinſicht auf die 
Waffen, fondern auch an Stärke und. Gewanttkeit, fo 
weit als möglich, gleich feyn folte (daher man B., 
wenn einer ber Kämpfer eindugig war, bei ben Kampf: 
gerichten dem andern einige Tage vor bem Gefechte das 
eine Auge zuband), fo wurden auch Anſtalten gemacht, 
dem ftärferen Marne nicht zu viele Vortheile im Kampfe 
mit dem fehwächeren Weibe zu laſſen. Die Gefege dar: 
über Tauten daher nun fo: Sfem: in der Maß foll ed. ge: 
halten wirben, daß man dem Mann mitten in dem Kreis 
ein’ Gruben machen fol, die dreier Schuhe weit fei, zu 
ring um (ringsum), und als (alfo) tief, daß fie ihm bis 
an den Nabel gebt. Darinn fol er fliehen und daraus 
gen ber Frauen kaͤmpfen und ‚fol ein® Wehr’ haben, 
nehmlichen ein'n Stecken, vorderlichen (vorne) zweier 
Mannsdaumen did und einer Elle lang, derer foll er drei 
haben unb je ein’n nach dem andern gebrauchen, durch 
fein’n Grießwarten. Item: die Frau foll haben ein Haͤs⸗ 
leinfteden (Hafelfteden) von einer Sommerlatten (eines 
Jahres alt), und fol auch einer Ellen lang fein, und 
vor der Dand gleich bes Mannes Eteden lang, und vorm 
daran fol gebumden fein ein Wade (Stüd) von einem 
Stein, der eines Pfundes fihwer tft, und fol zuſammen 
umwunden fein in ein’n Stauden (eine Art Schleier) 
mit einem fchweinen oder roffen Riemen (Riemen von 
Schweine: oder Pferde: Leder), in Kolben weif’ (nach Art 
eined Kolben); und derer fol fie auch drei haben, und je 








N 


8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 213 


einen nach dem andern gebrauchen, durch ihren Grießwar⸗ 
ten. Item: wenn der Mann nad) der Frauen ſchlaͤgt und 
mit dem Schlage mit ſeiner Hand oder Arm die Erde 
. rührt, fo bat er ein’ Stange verloren, das iſt einmal die 
Sicherheit. Thut er dad zum andernmale, fo hat er aber - 
-ein’ Stangen verloren, die ander? Sicherheit. -Und thut 
er dad zum-brittenmal, fo hat er ganz verloren den 
Kampf, daß die Frau mag über ihn laſſen richten zum 
Zod, ob fie will, oder mit ihrem Willen laßen teibingen, 
und barnach mit der Herrfchaft und dem Gericht. ' Und | 
ber Tod ift: enthaupten. Item: beögleichen waͤre ed, daß 
die Frau nach Dim Mann fchlug, fo er in Sicherung vers 
fiel, in obberuͤhrter Maß; thut fie das einmal, fo hat fie 
auch ein’n Stangen der Sicherheit‘ verloren; thut fi ſie das 
zum andernmal, ſo hat ſie aber ein'n Stangen verloren, 
thut fie das zum drittenmal, ſo hat fie ben Kampf ganz 
verloren. So mag der Mann alsdann aud über die 
Grauen zum Tod lafjen richten, nach Erkenntnis des Rech⸗ 
ten, ob er will und mit feinem. Willen laſſen teibingen, 
und darnach mit der Herrſchaft und Gericht; und der 
Frauen Tod iſt: lebendig begraben. Item: der Frauen 
Kreis, darin ſie ſein ſoll, der ſoll zehn Schuh lang fein, 
zu ring um (ringsum) von des Mannes Gruben, darin 06 
iſt.“ Hier beftand alfo. die Häuptfache darin, daß jeber 
der Kämpfenden feine.drei Waffen zu bewahren fuchte: der 

Mann verlor feine Stäbe, wenn cr beim Schlage mit Leib 
oder Stab bie Erbe beruͤhrte, die Frau, wenn ſie ihn, 
waͤhrend er ein ſolches Verſehen beging, ſchlug. Dies 
wenigſtens ſcheint der Sinn der langen Geſetzſtelle zu ſeyn. 


216 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Etwas abweichende Gebraͤuche beſchreibt Thalhofer, in ſei⸗ 
nem großen Fechtbuche, welches auf der koͤniglichen Buͤ⸗ 
cherſammlung zu Muͤnchen aufbewahrt wird. Nach ſeiner 

Angabe mußte der Mann bie Frau uͤber Kopf in feine 

Grubke flürzen, um für den Sieger erflärt zu werben, 

oder die Frau zog als Siegerin ven Dann aus der Grube, 

Thalhofer giebt eine Reihe. von Worftellungen, wie ber 

Dann die Frau, und eine andere Reihe, wie die Frau ben 

Mann bezwingen konnte, welche Abbildungen fih Bd. I, 

der Suriofitäten Taf. 18, 19 finden. | 

Wieder etwas anderes erzählt ein altbeutfches Gedicht, 
| Apollonius von Tyrland genannt, welches Heinrich von 
ber Neuenftabt, zu Wien, ein Arzt, um 41400 bichtete, 
biefen Kampf zwifchen Mann und raus der bier auch 

kurz zu erwähnen, da ſich eine etwas abweichende Art der- ° 

Serihtöverfaffung babei zeigt, und auch. die Frage darin 

beantwortet wird, in welchen Fällen die Gerichte einen 

ſolchen Zweikampf erlaubten. Das Gebicht erzählt fo: Der 

König fitzt an der Zafel, als plöglich eine ſchoͤne Jungs 

freu auf einem flattlihen Hoffe berangeritten kommt, be: 

gleitet von einem Knappen und einer Zofe. Sie verneigt 
fih ehrerbietig und erfucht den König, ihr Gerechtigkeit 
gu verfchaffen, da einer ber Witter feines Gefolges ihre 

Schweſter, deren Gemahl er toͤdtlich haßte, im Walde 

allein gefunden und ihr Gewalt angethan habe. Der 

Mann, fie für ſchuldig haltend, habe fie eingekerkert; ſei⸗ 

nen Vorſat indeſſen, bie ihm angethane Schmach zu rächen, 

babe er noch nicht ausführen Finnen, weil ber Verbrecher 
‚entflopen ſey. Sie ſelbſt finde ihn nun bier und begebre 








8, Abtheil Bweis u Ernfilämpfe d. Ritter. 216 


mit ihm zu kaͤmpfen. Obgleich fie ein ſchwaches Weib 
fey, vertraue fie boch ihrer gerechten Sache, hoffe den 
Verraͤther zu befiegen und die Unſchuld ihrer Schwefter 
zu erweifen. Nach aufgehobener Tafel geht der König 
mit feinen Mannen zur Entſcheidung der Frage: ob der 
Streit flattfinden fole. Die Königin und ihre Frauen 
folgen ebenfalls, da Flordeliſe (bie Klägerin) durch ihre 
Schönheit und Anmuth alle für fi) gewonnen hat. Die 
Klage wird vorgetragen, aber der Angeklagte, Silvian 
mit Namen, weigert fi) mit der Frau zu kaͤmpfen, weil 
keine Ehre babei zu gewinnen fey, er möge den Sieg 
davon fragen oder im Kampfe unterliegen. Dagegen ers. 
bietet er fich, einen Eid zu leiften, daß er unfchuldig fey. 
Diefen will aber Flordeliſe nicht zugeben, ſondern verlangt 
wieder ben Kampf. Wie fol dieſer ergeben? fragt ber 
Königs fie ift ja ein ſchwaches Weib, und wäre ein ganz 
zes Deer der Mägde, das in ben Kampflreis mit ihm 
träte, fo triebe er fie alle zurüd. Da antwortet ihm 
einer der Alten und Vornehmen bes Hofes: Herr, verfiche 
wohl, was diefes Urtheil befagen will. Wenn ein Weib 
mit einem ſtarken Manne kämpfen fol, fo theilt man die 
Kampfesart unter fie gleih. Ein Weib iſt nur einem 
halben Manne gleih zu achten; darum foll ein jeder. 
Mann in einer engen Grube flehen, daß er halb darin 
fey. Scharfe Waffen find ihm nicht erlaubt, unb auch 
feine rechte Hand fol hinter ihn gebunden werden: das iſt 
mein rechtes Urtheil. Einen Steden, ber die Länge einer 
Ele hat, fol man ihm geben, auf daß er bamit fein Les 
ben wehre; ben giebt man ihm in bie line Hand uud nui 


* 


216 Zweiter Abſchnitt. Ki tterleben. 


feine Waffe mehr; ein bloßer Rod, über ein Hembe anges 
legt, iff fein Kleid. Die Frau geht außen herum (aber 
wieder in einer Umzaͤunung, wie das Bild anzeigt, von 
der indeffen hier im Gedichte nicht die Rebe ifl) und hat 
einen leinenen Beutel, zwei Ellen lang, in der Hand; in 
ben ift mit einem Riemen ein Stein gebunden, ber eine 
Schwere von drei Pfunden hat. Bon ber Mitte des Mors 
gens biß auf den Tag fol der Kampf dauern; Tann Feiner 
bem andern bis dahin einen merklichen und bedeutenden 
Schaden angewinnen, fo fol der Mann ald genefen und 
von der Frauen Befchulbigung Iedig angenommen werben, 
Schlägt aber fie ihn zu Tode, oder er fie, fo bat der 
überlebende Zheil durch diefen Sieg fein Recht bewährt, 
Da erflärten alle: fo foll es feyn und ergehen. Zlorbelife, 
bie kuͤhn und unverzagt war, erfreute fich diefes Beſchluſ⸗ 
ſes, aber Silvian nicht, indem er fagte: wie fol mir. je 
gut gefchehen? Schlage ich fie, das ſteht mir nicht wohl; 
ſchlaͤgt fie mich, iſt es noch übeler, bann heißt es: eine 
fhwache Magd hat einen Dann erfchlagen. Ihr Schwa⸗ 
ger folle Dagegen kommen, — meint ee — wenn er brav 
fey, mit ihm wolle er kämpfen. Aber eö erging ber Magd 
Begehr und Willen, fo leid e8 auch allen that, die dabei 

waren, daf eine fo ſchoͤne Magd ihr junges Leben wagen 
ſollte. Sie erhielt ihre Waffe, einen vn einen Beutel feit 
gebundenen Stein, fie gürtete fih und band ihre Haare 
‚und Zöpfe oben um ihre Hauptloden, und nun fprang 
fie um den in der Grube Stehenden her, ihn bald ba, 
bald dort bebrohend; aber er fehlug mit dem Stabe, ven 
er in ber linken Hand hielt, tapfer um fich, und gab ihr 


\ . 


‚8. Abthelt Bweis u. Senfitämpfe.d, Ritter. 217 


auch einen tuͤchtigen Schlag über ben Rüden. Indem fie 
ihm nun wieder einen. Schlag zufchleuberte, ergriff er fie - 
bei dem Saume ihres Kleides und zog fie zu fih. Da, 

war großes Leib bei allen, die es fahen, und allgemein 

fprachen fie: Flordeliſe iſt verloren und todt. Sie aber 
wand ihre Waffe feſt um und gab ihm einen Schlag auf 
die Hand, daß ihm der Kampfſtecken entfiel. Da ſchlug 
ſie ihn einmal auf die Augen und darnach auf den Schlaf, 
daß er laut aufbruͤllte. Vollendet war Flordeliſens Kampf, 
fie ließ ihn für tobt liegen. Man wollte ihn darauf vers 
brennen; aber ald man zu ihm trat, fpürte man noch 
einige Lebensbewegung in ihm. Als der König dies erfuhr, 


trat er ſelbſt zu ihm und befragte ihn: ob die Anſchuldi⸗ 


sung Zlordelifens wahr gewefen? und er bejahte es, das 
ihm Schuld gegebene Verbrechen befennend. Da warb er 
verbrannt, und -fo büßte et- feine Sünde. 

Auch die fchweizer Chronik von Johann Stumpf 
(Züri 1548. fol. Buch VIII Gap. VI. &, 250) ers 
zählt ein Beifpiel von einem Kampf zwifchen Mann unb. 
Frau mit folgenden kurzen Worten: ,,,Darnach im jar des 
Herren 1288 am 5 Bag Ianuarij gefchah zu Bern an ber 
Motten (da yesund die groß Kilchhofmauer ſtadt) ein 
kampff zwifchend "einem man vnd jeinem wenb. Das 
weyb lag ob, und gewan den kampff.“ 

‚ Schon oben erwähnte ih, daß fogar Menfchen mit 
einem Thiere impfen durften, indem auch dieſes ein Got: 
teöurtheil war, wodurh Schuld oder Unſchuld entdedt 
werden konnte. Natürlich war dies nur immer ein feltes 
ned Ereigniß, und der Sonderbarkeit wegen verdient wohl 


⸗ 


218 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 

ein ſolcher Kampf hier angefuͤhrt zu werden, der im Jahre 
. 4374 unter der Regierung Königs Karl des V zu Paris, 
auf der Inſel Notres Dame, in Gegenwart bed Königs 


und des ganzen Hofſtaates, zwiſchen einem Ebelmanne - 


und einem Hunde gehalten wurde. La Colombitre in. 
feinem Theätre d’honneur et de Chevalerie Tom. IL 
p. 300 erzählt diefen Zweikampf fo: Macaire, ein Ebels 
mann und Bogenfchüge bei ber Leibwacht bed Königs, 
beneidete einen andern Edelmann, Aubry be Montdibier 
genannt, welcher ebenfalls Bogenſchuͤze war, um bie 
Gunſt, welche ber König für ifn hatte Er Iauerte ibm 
baher fo lange auf, bis er ihn enblih, bloß von feinem 
Hunde begleitet, im dem Walde von Pondy antraf. Hier 
fand er bie günftige Gelegenheit, feinen Haß zu befriebis 
gen: er brachte ihn meuchelmörberifcher Weiſe um das Leben, 

fcharrte ihn in dem Walde ein, und Tehrte darauf unbe: 
fangen nach Hofe zurüd. Der Hund aber blieb fo lange 
unbeweglich auf der Grube, worin fein Here lag, bis ihn 
bie Gewalt des Hungerd zwang nad Paris zur Hofhal⸗ 
tung be& Königs zu gehen und von den Freunden feines 
Herrn Brot zu begehrten; wonach er alfogleih wieder an 
ben Ort zurüdfehrte, von dem er 'gefommen war. Da 
er dies öfter wiederholte,‘ babei fehr. niebergefthlagen und 
‘ traurig war. und. durch fein außerosbentliches Bellen feis 
nen Schmerz verrathen zu wollen ſchien, fo folgten ihm 
einige, die ihn immer fommen und geben fahen, in bem 
Wald. Dort fahen fie ihn auf einem Orte ſtille fichen, 
wo die Erbe noch ganz friſch umgegraben war. Dies 
bewog fie nachzugraben, und fie fanden ben Ermorbeten, 


8, Abthell. Zwel⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 219 


den fie bann auf eine anfländigere Art zur. Erbe beſtatteten. 
Ein Verwandter des Ermorbeten nahm ben Hund nad: 
her zu fih; und da diefer feinen neuen Herrn begleitete, 
bemerkt er von ungefähr ben Mörder feines erſten Herrn. 
Sogleich fiel er denfelben in der Mitte von andern Edel⸗ 
leuten mit der größten Heftigkeit an, ſprang ihm an den 
Hals und ſchien ihn erwuͤrgen zu wollen. Man ſchlug 
ihn, man jagte ihn weg, er aber kam immer wieder zu⸗ 
rad; und weil man ihn abhielt, fi) dem Mörder zu nds 
hern, fo richtete er fein Gebelle und feine Drohungen nad 
dem Drte zu, wohin fich derfelbe gerettet hatte: Da er 
feine. Angriffe jedesmal wiederholte, fo oft er jenem bes 
gegnete, und ba er übrigens niemand was zu Leibe that, 
fo fing man an, bie Urfache davon zu vermuthen, Der 
König, welcher von allem benachrichtigt warb, wollte bie 
Bewegungen des Hundes felbft mit anfehen. Er ließ, ihn 
daber zu fich bringen und befahl, daß ſich der verdaͤchtige 
Edelmann in die Mitte der Anweſenden verbaͤrge, die in 
großer Anzahl zugegen waren. Der Hund waͤhlte fich 
unter allen dieſen ſogleich ſeinen Mann aus, er warf ſich 
mit noch groͤßerer Heftigkeit als gewoͤhnlich auf ihn und 
ſchien den Koͤnig durch ſein erbaͤrmliches Gebelle um Ge⸗ 
rechtigkeit und Rache anzuflehen. Er erhielt fie auch. 
Denn der Koͤnig, durch dieſen wunderbaren und ſeltenen 
Vorfall und durch andere Anzeigen bewogen, ließ den 
Verdaͤchtigen vor ſich kommen und drang in ihn, die 
Wahrheit von dem zu bekennen, deſſen ihn die allgemeine 
Sage und die Angriffe des Hundes beſchuldigten. Aber 
aus Schaam und Furcht, eines ſchaͤndlichen Todes ſterben 


. ‘ 


220 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


zu muͤſſen, laͤugnete er alles auf das hartnaͤckigſte; fo 
daß der Koͤnig endlich gezwungen war, einen hoͤchſt ſon⸗ 
derbaren Zweikampf zwiſchen ihm und dem Hunde zu 
verordnen; als das einzige Mittel, wodurch mit Gottes 
Fuͤgung die Wahrheit entdeckt werben moͤchte. Sie wurden 


- daher beide in Gegenwart bed Königs und bes ganzen 


Hofes auf den Kampfplag geführt. Der Edelmann war 
mit einer großen und ſchweren Keule.bewaffnet; der Hund 
hatte außer feinen natürlichen Waffen nur ein Faß mit 
burchbrochenem Boden zu feinem Zufluchtsorte. Sobald 
er losgelaſſen wurde, lief er fogleich auf feinen Feind’ zu; 
aber durch die Keule deffelben, ‚welche flarf genug war, ihr 
mit einem Schlage zu Boden zu ſtrecken, wurde er bewos 
gen, ihm auszumeihen und bald da bald dort um ihn 
berum zu laufen. Endlich erſah er feinen Vortheil fo 
wohl, daß er ſich mit Einem Sprunge an bie Kehle feines 
Feindes warf und ihn fo gut faßte, daß er ihn zu 


Boden riß. Nun war diefer gezwungen, um Barmherzigs 


keit zu rufen und den König zu bitten, daß man bad _ 
wüthende Thier von ihm los machen möchte, indem er 
alled bekennen wolle. Der Hund wurde alfo von ihm 
meggebracht, und er befannte ben Richtern, die fi) ihm ‘ 
auf Befehl bes Königs genähert hatten, daß er feinen 
Amtögenoffen ermordet, oͤhne daß es jemand gefehen hätte, 


als der Hund, ben er für feinen Sieger erkannte. 


Schon oben habe ich, der papfilichen - Verordnungen 
gegen’ die Kampfrechte, die als etwas Gottlofes und Vers 
werfliches betrachtet wurden, gedacht; hier zum Schluſſe 
moͤgen noch einige Worte von den Verordnungen folgen, 


= 
v 


4 « 


8. Abtheil. Zweis⸗- u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 221 


welche die deutſchen Kaiſer, Koͤnige und andere Fuͤrſten 
gaben. Sie ertheilten beſonders den Bewohnern der 
Reichsſtaͤdte Vorrechte und Verguͤnſtigungen, daß fie, 


. wenn fie auch gefordert würden, nicht kaͤmpfen 


foliten. Diefe Bergünftigungen find für die ganze ba: 
malige Zeit bedeutfam; fie beweifen, daß die Bürger, bie 
Bewohner der Städte, nachdem fie in den unruhigen Zei⸗ 


ten. der fränfiichen und fchwäbifchen Könige das Recht der . 


Wehrhaftigkeit und hierdurch dad vom Adel ihnen oft und 
lange beſtrittene Recht der freien Geburt wieder erlangt 
haͤtten, auch vollkommen befugt waren, ſich des Kampf⸗ 
rechtes zu bedienen, wie es dem Adel und den andern 
Freien erlaubt war. Aber der frühere kriegeriſche Hang 
war durch bürgerlichen Fleiß und Arbeitſamkeit gemäßigt 


Ey 


worden, fie fanden wenig Behagen daran, durch eine fo 


heftige Art und Weife fih Recht zu verfchaffen und ſich 
von Belhuldigungen zu befreien. Vielmehr ging ihr Bes 
fireben nunmehr dahin, fich diefer Werbindlichkeit des 
Kampfes, wenn fie dazu aufgefordert wurden, zu entlebi= 


gen. Deöhalb waren fie bemüht, von den Königen bie - 


Vergünftigung zu erhalten, daß fie nicht zu dem Zweis 
Tampfe gezwungen werden durften, und erhielten fie auch. 
So gab Rudolf von Habsburg der Stadt Rothenburg. an 
der Zauber 41274 eine folche Verguͤnſtigung, worin es 
beißt : 
„Es fol noch mag kein Auswartman (fein außer ber 
Stadt Geſeſſener) vmbe keinerley Sache nicht 
. laden, noch kempflichen 'anfprechen, keinen vnſern 
Burgern von der vorgenannten Statt.“ 


Sn 


) 
‘ 


— 


J 


222 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


Kaiſer Karl TV beftätigte im Jahre 1358 das ſchon 
von Rudolf von Habsburg und deſſen Sohn Albrecht der 
Stadt Frankfurt am Main ertheilte Vorrecht mit folgen⸗ 
den Worten: 

„Daß niemand keinen vnſern noch des Reichs Bur⸗ 
ger von Franckfurt, auß derſelben Statt von 
Franckfurt vor kein Gericht laden noch beclagen 
ſoll — weder vmb Gut, noch vmb Schuld, 
aigen, Lehen, Pfandſchaft, noch vmb Fein ander 
Gut — vnd auch in Kampfweiſe.“ 

Eine gleiche Verguͤnſtigung ertheilte Karl IV im 

Jahre 1355 auch der Stadt Worms: 

„Wir Beflätigen ihnen auch ‘die Freyheit, dag fie nies 
mand Temppen (zum Kampf ausfordern) mag.” 

Soldier Verordnungen finden wir num mehre; bei ben 

meiften indeffen ift anzunehmen, obgleich es nicht klar 
ausgeſprochen ift, daß bie NReichöblirger, bie Bürger alfo 
bevorrechteter Städte, nur die Bergünftigung erhielten, fich 
nicht bei auswärtigen Gerichten zum Zweikampf zu flellen, 
bei ihren eigenen Gerichten aber konnten fie ihn nicht aus⸗ 
fhlagen. Als ein merfwürbiges Beifpiel, wie verbreitet 
biefe Kampfesgewphnheit war, wie fie die Kaifer ſelbſt 
nicht zu vernichten wagten, zeigt eine Verguͤnſtigung, 
welche König Siegismund im Jahre 1437 feinem beruͤhm⸗ 
ten Kanzler Kaspar Schlick ertheilte, worin es heißt: 
„Es follen auch egenante Gaspar, Seine Brüber 
vond Ihre Erben, niemand wer ber ſey pflichtig 
ſein, zu antworten, oder ſtatt thun, es ſeye vmb 


® 


8. Abthell. Zweis u. Ernftlämpfe d, Ritter. 293° 


Kampf, ober Teinerley ander Sachen willen, es 
ſey dann ein Graf oder Grafens Genoß.“ 


d 


* 
* * 


Wir gehen nun von dieſen Einzelkaͤmpfen zu den 
Geſammtkaͤmpfen der Ritter uͤber, und zu der Art, wie 
‚fie im Feld⸗ und Feſtungs-Kriege mit einander ſtritten. 

Die Verkündigung des Kriege ward fehr einfach ges 
halten, indem man Friebe und Freundſchaft feierlich aufs 
ſagen ließ. Ein Beifpiel aus Ottokar v. Hornek wird 
dies am beften verdeutlichen. | | 

Nach Dftern kamen ungrifhe Boten (von König 
Andreas von Ungarn) in Wien an, beforgten fich zuerſt 
Herberge und gingen am andern Tage zum Herzoge (Als 
brecht), der fie minniglich grüßend empfing. Sie ſprachen: 
Gnade, edler Zürfl, fey euch von und gefagt. Worauf 
einer von ihnen dem Herzog. ihre Beglaubigung überreichte. 
Der Herzog gebot einen Schreiber zu rufen, der den Brief 
: öffne und leſe. Das gefhah. . In dem Briefe fland: 
Was euch die Meberbringer diefes im Namen ihres Herrn 
‚vortragen, bad folt ihr fuͤr gültig annehmen. Da ſprach 
Albrecht: ich glaube gern, was ihr von eurem Herrn 
bringt; redet alſo. Hierauf nahm der Boten einer das 
Wort und nach der Anrede: Edler Fuͤrſt und Herr! bat 
er, daß man feinen Auftrag nicht ihm zurechnen möchte, 
und fragte den Herzog, ob er geneigt fey, in die Auslies 


ferung der neulich von ihıh genommenen ungrifhen Orte | 


zu willigen. Als Albrecht, flatt ber. Antwort, weitläuf> 
tig zu erörtern verfuchte, .wie er zu jener Fehde durch 





⸗ 


224 Aweiter Abſchnitt. Ri ttetleben. 


den ungriſchen Grenzherrn Grafen Iban ſelbſt genoͤthigt 
geweſen ſey, ſo lenkte die Botſchaft wieder auf ihre Frage 
ein, ſie nochmals in beſtimmte Worte faſſend. Ich bin 
bereit zu Necht und Minne, erwiderte der Herzog darauf, 
fruͤher geb' ich aber die Feſte nicht. Darauf erklaͤrten die 
Boten Abſage und Aufhoͤren von Fried' und Suͤhne im 
Namen ihres Herrn, des Koͤnigs, der bereits die Heer⸗ 
fahrt gegen Oeſterreich gelobt habe. „Es iſt nicht zum 
erftenmale, rief Albrecht, Daß von ben Ungern gegen biefe 
Lande geftritten worden, ohne und von Ehr’ und Habe 
zw vertreiben." Die Boten aber beurlaubten fich. 

Die Ritter waren ed, denen bie ganze Laſt Diefer 
genannten. Kriege oblag, inbem fie fletö bereit waren zu 
Pferde zu ſtreiten, oder ſogar auch von den Pferden ab⸗ 
aduſizen, um Verſchanzungen anzugreifen und gegen bie 
Mauern einer befefligten Stadt Sturm zu laufen. Die 
übrigen Kriegsvoͤlker leiſteten nur eine ſchwache Hälfe. 
Einige ſchlechte Bogenfhlsen und eine zahlreichere Mafie 
von fchlecht zufammengehaltenen und noch fchlechter ges 
übten Gemeinen diente faft. zu weiter nichts, als daß fie 
die von der Ritterfchaft gefhlagenen, niedergemachten Oder 
verjagten Kriegsvoͤlker umbrachten und beraubten. An der 
Seite der Ritter und ‚unter ihrem Faͤhnlein fochten ibre 
Knappen, Knechte, Wappener, bie Fußgänger u. f. w., 
wenn die Ritter im Stande waren, eine Anzahl folcher 
Leute im Kriege zu ernähren und zu unterhalten. Wenn 
fie dies nicht Eonnten, fo war es ihrer Würbe nicht nach⸗ 
theilig, der Lehnmann eines Teicheren und maͤchtigern Rit⸗ 
terö zu werden, Sold von demfelben anzunehmen, und 


- 


8. Abtheil. Zwei u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 260 


unter deſſen Panier Kriegesdienſte zu thun. Sobald die 
Ritter auf ihre großen Streitroſſe ſich begeben hatten und 
es zum Handgemenge gekommen war, hielten die Knap⸗ 
pen hinter ihren Herren, die vollſtaͤndig von ihnen bewaff⸗ 
net worden waren, und fie konnten meiſt als muͤſſige Zus 
fchauer betrachtet werden. Die Ritter waren entweder in 
Flügel abgetheilt, oder nach einer Linie in boppelte Glieber 
geftelt. Diejenigen, welche erfl vor dem Treffen bie Rit⸗ 
terwürbe erhalten hatten, wurben gewöhnlich in das vor⸗ 
derſte Glied geſtellt, um ihnen Gelegenheit zu verfchaffen, 
die gute Meinung zu rechtfertigen, welche man von ihrem 
Muthe gefaßt hatte. In Heinern Geſchwadern zu flreiten, 
ſcheint erſt in der fpätern Zelt aufgefommen zu feyn. In 
dem Gefecht der beiden Ritterfchlachtordnungen rannten 
die Ritter mit niedergelaffenen Lanzen auf einander: los. 
Die, welche verwundet, geftürzt ober aus dem Sattel ges 
hoben waren, rafften ſich. entweder felbft auf, ober ihnen 
wurde burch ihre Anappen in die Höhe geholfen; fie ers 
griffen ihre Schwerter, Gtreitärte oder Kolben unb fuch 
ten fih zu rächen ober wieder in Gegenwehr zu ſetzen. 
So fluthete dann in Iautem Gewimmel die Schlacht, hin 
und ber, meiſt von aller Ordnung verlaſſen, bis der eine 
Theil ſichtbar die Oberhand gewann. 

Wie ſolche Schlachten in fruͤhſter Ritterzeit geführt 
wurben, das beweifet uns wohl am beften die Abenteure 
der Nibelungen, in welcher erzählt wird, wie Giegfrieb, 
als Schaarmeifter, das heißt Führer der Burgunden, ges 
gen die Sachfen flreitet. Die Fahne, welcher bje ganze 
Schaar folgte, führte Volker, und als Schaarmeifler zitt „ 

13 


/ 


226 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Siegfried dabei. Als ſie des Feindes Land beruͤhrten, 
verwuͤſteten ſie es mit Raub und Brand. Sobald fie in 
die Nähe des Feindes ruͤckten, fonderte ſich ber Heereszug, 
die Ritter z0gen voran und ihnen folgte, als eine Nach⸗ 
hut, die Schaar der Knechte, geführt und befhüst von 
Dankwart dem Marfchall und Ortwein. Draufritt Sieg⸗ 
fried allein gewappnet auf die Warte aus, um zu beob⸗ 
achten, wie des Feindes Heer gegen fie anrüde, feiner 
Schaar Befehl an Hagen und Gernot überlaffend. Bald 
erblickte aber Siegfried, daß auch ihm ein Held von tes 
Keindes Heer auf ber Warte entgegengefprengt war, um 
auch feiner Schaaren Zug zu beobachten. Das war. ber 
Führer des ihm feindlichen Kriegsgeſchwaders, der König 
Luͤdegaſt. Beide hatten fi kaum erfehen, als fie auch 
gleich mit ihren Lanzen auf einander losrannten, Imd als 
diefe zerbrochen waren, gezogenen Schwertes wieder auf 
einander -ritten. Nachdem Siegfried feinem Gegner brei 
tiefe Wunden beigebracht hat, nimmt er ihn gefangen und 
fhlägt darauf noch von den 30 Mannen, bie ihrem König 
zu Hülfe fommen, 29 nieber, nur. einen am Leben laſſend, 
ber die Nachricht von der Toͤdtung feiner Gefährten und 
der Gefangennehmung bed Königs ind Lager bringt. - 
Als Siegfried mit feinem hohen Gefangenen zu ſei⸗ 
nen Sreunben zuruͤckkehrt, heißt er ihnen die Fahnen auf: 
binden und fich feiner Leitung in bie feindlichen Schaa⸗ 
ren, die nun Lübeger, bei Bruder des gefangenen Luͤde⸗ 
gaft, befehligt, überlafien. Frohlockend eilten alle zu 
ihren Roſſen, der kuͤhne Spielmann Volker bob bald die 
. Sahne empor und ritt muthig der Schaar vorauf. As 


! . = 


2 


8. Abtheil. gwei⸗ u. Ernfik ampfe d. Ritter, 227 


beide feindliche Heere einander naheten, da drangen fie . 
auf einander ein mit grimmigen Stößen und furchtbaren 
Schwertes⸗ Streichen, und viel manche weite Wunde warb 
gehauen, fo daß man über die Sättel das rothe Blut fliegen 
ſah. Laut hörte man bie Helden, ihre viel fcharfen Wafs 
fen in der Hand, ertönen, und die von den Nieberlanden 
drangen ihren Herren, bie ihnen vorauf ritten, in bie harte 
Schaar des Sachſen⸗Feindes nad. So ritt wie durch bintige 
Straßen dreimal Siegfried mit feinen Mannen durch das 
Heer des Feindes, und ihm folgten, auf allen Seiten in 
dad Heer ber Feinde dringend, die Burgunden= Mitten, - 
Endlich reiten auch Siegfried und Luͤdeger gegem einander. 
Da aber dieſer an einer Krone, bie auf deffen Schild ges 
malt war, den Helden Siegfried erkennt, da ruft er ſei⸗ 
nen Sreunden und. Mannen laut zu, bed Streites ſich zur 
. begeben, da Siegfried vom böfen Teufel hier gegen Sach⸗ 
ſen geſendet worden ſey und mit ihren Feinden ſtreite. 
Nun wäre Fein Sieg zu hoffen, und fie ſollten die Fahnen 
niederlaffen, damit fich des Kampf im weiten Zelde Iege, 
So geſchieht es auch. 

Dies mag ein ungefaͤhres Bilb von dem geben, wie 
der Kampf in freiem Felde gehalten ward; und ſo lange 
es bloß auf koͤrperliche Kraft, Stärke und Gewandtheit 
ankam, if wohl anzunehmen, daß es immer fo. blieb 
und fi nur in wenigem änderte Die Ritter führten 
auch oft Gefehwaber ihrer Mannen ober Soͤldlinge an, 
theild in offener Feldſchlacht, theils zu Heinern Gefechten, 
An Ermahnungen vor Beginn bes Kampfes fehlte es nicht, 
beſonders in ben Augenbliden, wenn bie erſte Nachricht 

15° * 


1 


228 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 
von der Nähe des Feindes kam. So erzählt denn 3. B. 


Hornet in der Schilderung eines Krieges in Kaͤrnthen 
(Kap. 566—676), ‚daß ber Marſchall des alten Herzogs 
Meinhard von Tyrol und Kärnthen, ‘Heinrich ber Zold, 
mit einer Schaar Kaͤrnthner, ſo wie Konrad von Aufen⸗ 
ſtein mit einem Haufen von der Etſch, einen Zug gegen 
die Stadt Griven machte, worin der Gegner ſeines Her⸗ 
zogs, Graf Ulrich von Henneberg ſaß, dem ein Dienſt⸗ 
mann des Herzogs, Wilhelm Scherfenberg, beſtochen durch 
4000 Mark, zugezogen war. Als die Nachricht von ber 
Nähe und Menge des Feindes erfcholl, da rief Heinrich 
mit flarker Stimme: ihrer keinen möchte ich von. bannen 
wuͤnſchen; wir gewinnen deflo mehr, wenn ihrer viele 
find, Ich ſehe bier fo manchen werthen Mann, von dem 
heute fo mannlih und fo wohl gethan wird, daß ihm 
Herzog Meinharb der Alte immer bafür danken fol. Wer 


daheim eine liebe Ameie (Freundin, Geliebte) hat, der fol 


fi heute durch fie vor Hauptfchande befreien. Ihr Kärnts 
ner, gedenkt, daß man euch zaghafter That vor kurzem 
gezieben, vernichtet heute diefen Ruf. Nun drauf, ihe 
zieren Leutel Gedenkt an den Augenblid, wo ihr von 
rethem Munde freundlichge grüßt fein werbet, und wißt, 
daß ihr euren Frauen jede Trauer nehmt, wenn: ihr euch 
heute fo erfchauen laßt, daß man fagt, ihr feid gut. 
Nichts thut dem Gemüt der Frauen fo fanft, ald wenn 
man ihrem Geliebten ben Preis zuerkennt.“ — Drauf 


ſprach Konrad von Aufenftein: „So wie ber Marfchall 


hier den Kärntnern gerathen bat, fo fei auch den Etfcher 


-. Herren von mir gerathen, daß fie nicht handeln, wie fie 


8. Astheil. Zwei⸗ u. Ernfllämpfe d. Ritter. 229 


banbelten, al3 man zu St. Veit meinen Herren aus dem 
Kampfe binführte, daß ihrer Feiner unter ihnen weder an 
feinem Leibe noch an feinem Ros eine Wunde empfing. 
Hinfort fagt man von und nichts Ehre Bringendes, fons 
bern: wir wären hohes Muthed vol, wenn wir Zirolifh 
bei den Frauen tanzen und in Kleibern berumfchwänzen, 
die mit Silber befchlagen find, Sehe ich heute einen Ver⸗ 
zagten, der fei gewiß, er fei wer .er wolle, wenn ich nach 
Meran komme und fehe ihn bei feiner Frau figen und in 
feiner Minne mit höflichen Geberben gar ſchoͤn thun, ich 
ruf ihn darum an. Heute ſollen wir und wehren und 
ſolch Fechten erbliden laſſen, baß die Frauen baheime 
Streit darüber Haben, wer der Dann fei, welder bad 
Befte gethan.“ — So ritten bie Schaaren gegenfeitig 
heran; bald erflang das Kyrieleis, und fie flürzten gegen 
einander, baß dad Krachen weit hin erfchof. 
An Zaghaften fehlte es, trog der ermuthigenden Rebe, 
auch hier nicht, die fprengten entfegt zuräd und fchwuren, 
wo fie hinkamen, es fey hinter ihnen alles umgelommen, 
Solchen ging es dann Aber boch gemeinhin fchlecht, 
wie Hornet in berfelben Stelle ein Beifpiel erzählt. Unter 
ihnen war ein Dann von ber Etſch, Schöneder geheißen, 
den 'man, dem Leibe nad, für einen Weigand (maͤchti⸗ 
gen Kämpfer) hielt. Der war mit 7 Knechten gelommen; 
4 yon ihnen hielten wader im Streit aus, aber nicht fo 
ihre 3 Mitknechte und der ‚Herr felbfl. Diefer fpottete 
bes Marfchalld, der, als ein bejahrter Mann, von rothen 
Lippen geſchwatzt habe und ihretwegen den Tod im Felde 
ſuchen wolle. Freilich koͤnne ber wohl ſterben. da er fo 


l 


230 3welter Abſchnitt. Ritterleben. 


alt ſey, und feine Kinder wuͤrden vom Herzog deſto mehr 
Gewinn zu erwarten haben. Auch der Aufenſteiner ſey 
ein Thor, mit den Frauen zu drohen. Ich, ſetzte er hinzu, 
bin ein junger Ritter, der Lebensfreuden nicht ſatt. Mich 
mag meine Frau lieber geſund ſchauen und herzen, als 
ſchwere Wunden falben. Dies ſeinen Knechten ſagend, 
ritten fie friſch zu uͤber das duͤrre Moor. Da traf ſichs, 
baß Here Friedrich von Chanol, ein mannhafter Ritter, 
um noch am Streite Theil zu nehmen, mit zween Knech⸗ 
ten eilig des Weges dahertrabte. Wie er durch den 
Staub den Fluͤchtling mit aufgebundenem, glaͤnzendem, ver⸗ 
ziertem ‚Helme erblickt, redet er ihn ſofort an und fragt: 
wo er hin wolle? und obgleich jener erwidert: ber Told 
und der Aufenſteiner ſind auch auf der Flucht, wir haben 
den Sieg verloren, — merkt er dennoch, daß er einen 
Fluͤchtling vor fi) habe. So ſollſt du auch vor mir ver: 
toten feyn, vuft er ihm zu und fält ihn umwillig an, 
Mit blutigen Wunden endlich läßt er ihn und die Knechte 
weiter ziehen und reitet dann zum Kampfplatz. Nicht beffer 
ging es den andern Flüchtlingen, die gen Volkenmarkt 
geeilt waren und dort dem Sohne des Herzogs Mein: 
bard, Heinrich, verkünbeten- der Streit fey verloren. 


Der war fehr betrübt, bis der wahre Bote angeritten fam, 


ber Sieg und Freude verkündete, und fich reichen Boten 
lohn erwarb. Nicht Tange, fo z0gen pie heimkehrenden 
Siegeshelden heran. Das Thun der Fluͤchtlinge ward 
nun offenbar. Vorm Spott mußten fie ſeitwaͤrts in Stäls 
Ten ſich verbergen und ließen fich wohl zehn Tage lang 


% 


:8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 231 


‚ ihre Speifung durch Knechte bringen.  Andern Tages fah 
. man. die Beute theilen, viel Eifengewand und Roſſe. 

Die Art und Weife der Ritter, in ganzen gefchloffe: 
ner Reitergefchwabern , Mann gegen Mann, oder auch 
einer gegen mehre, von ber Nähe aus zu fämpfen, wurbe 
ſchwaͤbiſche Sitte genannt, weil das ritterliche Leben | 
und Kämpfen in Schwaben’ und den Rheinlanden wohl 
feine ‚größte Ausbildung gefunden hatte. Schlimm waren 
nun bie Ritter daran, wenn fie mit andern Völkern, z. 
B. den leichten Ungarn und Zartaren, bie eine ungefchlof: 
fene, fchwärmende Kampfart hatten und aus bey Zerne 
ſchoſſen, ftreiten foßten; dann verloren fie gemeinhin, bes 
fonderd wenn fie tolfühn in dieſe Kampfart eingingen. 
Ein Beifpiel, welches uns Ottokar v. Hornek in feinem 
öfterreichifchen Zeitbuche Kap. 268-— 279 ebenfald erzäplt, 
möge für viele dienen. Es ift der Kampf ber Ungarn 
unter Graf Yban mit Herzogs Albrecht v. Deflerreich 
Mannen, welde fein Marfhall von Landenberg, ein 
Schwabe, führte, im Jahre 1286. Beide Schaaren waten 
gegen einander gerüdt, und die Markmänner hatten wohl bie 
große Anzahl der Bogenfhligen erkundet. Da hält ber 
Marfchall von Landenberg Rath: die Herren Albert von 
Buchheim (ein Deſterreicher) und Berthold von Emmerberg 
(ein Steirer) rathen zum Ruͤckzug, da man bier im ung⸗ 
ifhen Zelde Umgehung und Schießen aus ber Berne, 
worin man bem Feinde ungleich fey, fürchten muͤſſe. 
Diefer Meinung flelten fih die anmelenden ſchwaͤbiſchen 
Herren entgegen, welche ſolchen Rüdzug für Zaghaftigkeit 

anfahen. Befonderd breit mit Worten machte ſich einer 


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232 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


von ihnen, der Herr von Wangenberg, ſprechend: „Her⸗ 
zogen Albrecht müßte ja fein Gut reuen, das er jährlich 
an mir verthut. Die Defterreicher beneiden mich fo fchon, 
wenn ich fo weite, fcharlachene, auf die Schuh hangende 
Ermel trage, und fluchen dem Herzoge, daß bie Ermel 
fogar mit Hermelin unterzogen find. Die Ermel often 
manch Pfund; bloß an Vehwerk fo viel, ald brei andrer 
Ritter Mantel an Zutter koſten. Man ſchrie gewis mehr 
über mich zu Wien, wenn ich folder Milde heute nicht 
bienen wollte. Wer weggehen will, gehe. Ich wil mit 
Ungarn fireiten.’' 

Ein Herr von Wartenfels ſprach jm gleichen Tone, 
und ber von Ried ſagte: „Ziehen wir zurüd, fo pluͤndern 
bie Ungern in Deftereih. Drum dent’ id, wir empfans 
gen fie mit Stich und Schlag. Mit uns Schwaben follen 
fie nicht, -wie mit den Markmaͤnnern, zu thun haben, ihrer 
beften Schüßen vier laſſ' ich auf mich ſchießen. Wann ich 
in meiner Platten und in meinem Helmfaß bin, was frag’ 
ich darnach? Here Marſchalk, ich mil hier bei diefen guten 
Knechten bleiben und mit den Ungern fechten. Wem das 
nicht behagt, der reite, wo er will.“ — Noch mehre vom 
Hofgeſinde ſprachen. Die Verhandlung dauerte lange. 
Unterdeß kam ein Wartmann gerannt und ſchrie: „Berei⸗ 
tet euch ſchnell, die Ungern ziehen heran, Ros an Ros, 
Speer an Speer!“ — „Herr Marſchall, — riefen die 
Schwaben, — nun gilts, die kommen nicht zum Spaß!" 
— ber ein Defterreicher rief: „„Defterreich geht zu Schans 
ben, eb’ ihr die Geigen flimmt! (ehe ihr mit Kriegsrath 








8. Abtheil. weis u, Ernfilämpfe d. Ritter. 233 


fertig werdet und ‚zum Auffpielen mit blutigen Biebelbo: 
gen bereit ſeyd).“ 

Im Fluge kamen bie Ungern mit ihrem Bogenge: 
ſchoß, worin fie ſtark zu fürchten find. Die wenigen Bos 
genſchuͤtzen befehligte man ihnen entgegen; aber bald wur: 


den ber Ungern immer mehr und mehr, und zur Verwun⸗ 


berung wie zum Berbruß der Schwaben, welche glaubten, 
daß nach [hwäbifher und rheiniſcher Sitte ge⸗ 
kaͤmpft werde, bemerkten fie, daß die Beinde fih nicht 
fchaaren wollten. Vban hatte den Befehl ertheilt, man 
folle die Deutfchen nur in ihren Rotten Jaffen und fie 
allein mit Schießen beängfligen; niemand ſolle fv nabe 
gehen, daß es zum Stechen und Schlagen fame. So 
wurden nun bie Deuffhen umzogen, vorn und hinten, 
und viel Pferde und Leute erfchoffen.. Man fah keinen 
Ausweg. In der Noth rief der Marſchalk die Geſellen 
um Rath an: „Ihr habt — antwortete der Buchheimer - — 
heut meinen und anderer Maͤrker Rath verſchmaͤht. Sehet 
nun, was kommt. Ich jedoch bleibe bei euch, und wär’ 
es nur, um zu wiſſen, wie viel Ungern ihr hier im wei⸗ 
ten Felde erſchlagt. Ich und meine Geſellen (bie mehrfach 
genannten Markmaͤnner, Gränzvertheidiger, die allein auf 
Kampf mit den Ungern fich einkaffen konnten, da fie ihre 
Art verftanden), wir koͤnnten und wohl retten, wir thun 


e8 aber nicht. Ich will nicht den Fluch auf mich laden, | 
baß ih den Magenbuch (einen andern früher genannten 


Ritter, der ungrifche Roffe fangen wollte) abgehalten, für 
feinen Wirth in Bien fich vier ungrifche Roffe zu fangen, 
um damit fein Pfand zu Iöfen.” 


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⸗ 


224 Aweltet Abſchnitt. Mitterleben. - 


ben ungrifchen Grenzherrn Grafen Iban felbft genötbigt 
gewefen fey, fo lenkte bie Botfchaft wieder auf ihre Frage 
ein, fie nochmals in beflimmte Worte faſſend. Ich bin 
bereit zu Recht und Minne, erwidgrte der Herzog darauf, 
früher geb’ ich aber die Zefte nicht. Darauf erklärten bie 
Boten Abfage und Aufhoͤren von Fried’ und Sühne im 
Namen ihres Herrn, bes Königs, der bereitö die Heer: 
fahrt gegen Defterreich gelobt: habe. „Es ift nicht zum 
erftenmale, rief Albrecht, daß von den Ungern gegen biefe 
Lande geflritten worden, ohne und von Ehr' und Habe 
zu vertreiben." Die Boten aber beurlaubten fi. 

Die Ritter waren ed, ‚denen bie ganze Laſt dieſer 
genannten Kriege oblag, indem fie ſtets bereit waren zu 
Pferde zu ſtreiten, oder ſogar auch von den Pferden ab⸗ 
zuſizen, um Verſchanzungen anzugreifen und gegen bie - 
Mauern einer befefligten Stadt Sturm zu laufen. Die 
übrigen Kriegsvoͤlker leiſteten nur eine ſchwache Hüuͤlfe. 
Einige ſchlechte Bogenſchuͤtzen und eine zahlreichere Maſſe 
von ſchlecht zuſammengehaltenen und noch ſchlechter ge⸗ 
uͤbten Gemeinen diente faſt zu weiter nichts „als daß fie 
die von ber Ritterfchaft gefchlagenen, niebergemachten oder 
verjagten Kriegändlfer umbrachten und beraubten: An der 
Seite der Ritter und unter ihrem Faͤhnlein fochten ihre 
Knappen, Knechte, Wappener, bie Fußgaͤnger u. ſ. w., 
wenn die Ritter im Stande ‚waren, eine Anzahl folcher 
Leute im Kriege zu ernähren und zu unterhalten. Wenn 
fie dies nicht konnten, fo war es ihrer Würde nicht nach: 
theilig, der Lehnmann eined Teicheren und mächtigern Rits 


ters zu werben, Som von demſelben anzunehmen, und 


- 


8. Abthell. Zwei: u. Ernfitämpfe d. Ritter. 225 \ 


unter beffen Panier Kriegesdienfte zu thun. Sobald die 
Ritter auf ihre großen Streitroffe fich begeben hatten und 
es zum Handgemenge gefommen war, hielten die Knap⸗ 
pen hinter ihren Herren, die vollfländig von ihnen bewaffs 
net worden waren, und fie konnten meift als müffige Zus 
fhauer betrachtet werden. Die Ritter waren entweber in 
Flügel abgetheilt, oder nach einer Linie in doppelte Glieder 
geſtellt. Diejenigen, welche erſt vor dem Treffen die Rit⸗ 
terwuͤrde erhalten hatten, wurden gewöhnlich in das vor⸗ 
beifte Glied geſtellt, um ihnen Gelegenheit zu verfchaffen, 
die gute Meinung zu rechtfertigen, welche man von ihrem 
Muthe gefaßt hatte. In kleinern Geſchwadern zu fireiten, 
ſcheint erft in der fpätern Zeit aufgefommen zu feyn. In 
dem Gefecht der beiden Ritterſchlachtordnungen rannten 
die Ritter mit niedergelafienen Lanzen auf einander: los. 
Die, welche verwundet, geflürzt oder aus bem Sattel ges 
hoben waren, rafften ſich. entweder felbfl auf, oder ihnen 
wurde durch ihre Kappen in die Höhe geholfen; fie ers 
griffen ihre Schwerter, Streitärte oder Kolben und ſuch⸗ 
ten ſich zu rächen oder wieder in Gegenwehr zu feßen. 
So fluthete dann in lautem Gewimmel bie Schlacht, bin . 
und ber, meift von aller Ordnung verlaflen, bis der eine 
heil ſichtbar die Oberhand gewann, 

Wie folhe Schlachten in frühfter Nitterzeit geführt 
wurden, bad heweifet uns wohl am beften die Abenteuse 
ber Nibelungen, in welcher erzählt wird, wie. Siegfried, 
als Schaarmeifter, das heißt Führer der Burgunden, ges 
gen die Sachſen flreitet. Die Fahne, welcher bje ganze 
Schaar folgte, führte Volker, und ald Schaarmeifter ritt 

| 15 


226 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


Siegfried dabei. Als fie des Feindes Land beruͤhrten, 
verwuͤſteten ſie es mit Raub und Brand. Sobald fie in 
die Nähe des Feindes ruüͤckten, ſonderte ſich ber Heereszug, 
die Ritter zogen voran und ihnen folgte, als eine Nach⸗ 
hut, die Schaar der Knechte, geführt und beſchuͤtzt von 
Dankwart dem Marfhall und Ortwein. Draufritt Sieg⸗ 
fried allein gewappnet auf die Warte aus, um zu beob> 
achten, wie des Zeindes Heer gegen fie anrüde, feiner 
Schaar Befehl an Hagen und Gernot überlaffend. _ Bald 
erblidte aber Siegfried, daß auch ihm ein Held von bes 
Keindes Heer auf ber Warte entgegengefprengt war, um 
auch feiner Schaaren Zug zu beobachten. Das war. ber 
Führer des ihm feindlichen Kriegsgeſchwaders, der König 
Lüvegaft. Beide hatten fih kaum erfehen, als fie aud 
glei mit ihren Lanzen auf einander losrannten, und als 
diefe zerbsochen waren, gezogenen Schwertes wieder auf 
einander -ritten. Nachdem‘ Siegfried feinem Gegner brei 
tiefe Wunden beigebracht hat, nimmt er ihn gefangen und 
fhlägt darauf noch von den 30 Mannen, die ihrem König 
zu Hülfe fommen, 29 nieder, nur. einen am Leben laffend, 
ber die Nachricht von der Zödtung feiner Gefährten und 
der Gefangennehmung bed Königs ins Lager bringt. - 
Als Siegfried mit feinem hohen Gefangenen zu ſei⸗ 
nen Freunden zurüdfehrt, heißt er ihnen bie Fahnen auf: 
binden und fich feiner Leitung in die feindlichen Schaa⸗ 
ten, bie nun Luͤdeger, ber Bruder des gefangenen Lübe: 
gaſt, befehligt, uͤberlaſſen. Frohlockend eilten alle zu 
ihren Roffen, der kühne Spielmann Bolfer bob bald bie 
. Sahne empor und ritt muthig der Schaar vorauf. Als 


7 . . 





T 


8. Abtheil. Zwei: u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter, 297 


beide feindliche Heere einander naheten, da drangen fie . 
auf einander ein mit grimmigen Stößen und furchtbaren . 
Schwertes⸗ Streichen, und viel manche weite Wunde ward 

gehauen, ſo daß man uͤber die Saͤttel das rothe Blut fließen 
* Laut hörte man die Helden, ihre viel ſcharfen Waf⸗ 
fen in der Hand, ertönen, und die von ben Niederlanden 
drangen ihren Herren, die ihnen vorauf ritten, in bie harte 
Schaar des. Sachſen⸗Feindes nad. So ritt wie durch blutige 
Straßen dreimal Siegfried mit feinen Mannen durch das 
Heer des Zeindes, und ihm folgten, auf allen Seiten in 
dad Heer ber Feinde dringend, die Burgunben= Mitten, - 
Endlich reiten auch Siegfried und Lüdeger gegem einander, 
Da aber diefer an einer Krone, die auf deſſen Schild ges 
- malt war, den Helden Siegfried erdennt, da ruft er feis 
nen Freunden und Mannen laut zu, bed Streites ſich zu 
begeben, da Siegfried vom böfen Teufel hier gegen Sachs 
‚fen gefendet worben ſey und mit ihren Feinden fireite, 
Nun wäre kein Sieg zu hoffen, und fie ſollten die Fahnen 
niederlaffen, bamit ſich der Kampf im weiten Belde lege, 
So gefchieht es auch. 

Dies mag ein ungefaͤhres Bilb von dem geben, wie 
der Kampf in freiem Felde gehalten ward; und fo lange 
es bloß auf körperliche Kraft, Stärke und Gewandtheit 
ankam, ift wohl anzunehmen, daß es immer fo. blich 
und fih mur in wenigem änderte, Die Ritter führten 
auch oft Gefchwaber ihrer Mannen oder Sölblinge an, 
theils in offener Feldſchlacht, theild zu Beinern Gefechten, 
An Ermahnungen vor Beginn bed Kampfes fehlte es nicht, 
befonderd in ben Augenbliden, wenn bie erfle Nachricht 

15* 


238 8Bweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


etwaigen Ruͤckzug Halt und Staͤrke zu geben. ungern 
traten die Ritter in dieſe Nachhut. 

Unterdeſſen muſterten Ritter und Knechte ihre Vaf⸗ 
fenſtuͤcke, Uebergurte und Steigbuͤgel, in ber Seele von 
verſchiedenen Gefuͤhlen bewegt. „Manchem, der noch nie 
betaͤubenden Schlag empfand, ſchlug das Herz Dieſer 
und der traf Anordnungen zur Pflege ſeines Weibes da⸗ 
heim, und ein Freund ſagte dem andern zu, am Tage der 
Schlacht ſtets nah und gegenwaͤrtig zu ſein. Man 
beichtete, man hoͤrte die Meſſe im Lager und genoß den 
Leib des Herrn, und zwar fruͤh am Tage, worauf die 
Zeichen der Heerpauken und Poſaunen oder Trommeln 
und Heerhoͤrner erhallten.“ Alsbald beſtieg man die Roſſe, 
die Rottmeiſter und Marſchaͤlle ordneten ſchnell, und die 
Schaaren ruͤckten aus. In dieſem Augenblicke ſprengten 
der Jungherren viele zu ihrem Fuͤrſten und Feldherrn 

heran, mit dem hoͤflichen Geſuch um den Ritterſchlag, der 
ihnen, wenn bie Zeit koſtbar iſt, nur kurz, über, ‚Schild 
und Schwert ertheilt wird. (König Albrecht gab an einem 
folchen Morgen 100 Jungherren das Schildedamt.) 

Drauf rüden nun die Schaaren weiter und breiten 
fih im Gefilde, oft getheilt in 2, 4, 6. Schaaren unb 
Treffen. Ihre Führer oder Bifchöfe und andere Geiſtliche 
ermuntern fie durch Reben. Sobald der Feind erblidt 
wird, ftürzt man die Helme nieder, und ein Kyrie Eleis 
fon oder Sancta Maria wird angeflimmt, welches bümpfe 
murmelnd in ben Helmen ertönt haben muß. Selten nur 
wurben einzelne Schügen, alfo geringe Anappen, voran⸗ 
gefendet, um ben Feind zu hindern, daß er fich in feine 





D 
h | 


8. Abtheil. Swei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 239 


‚Rotten theilen konnte; gemeinhin ritten einzelne Ritter 
aus Hoffahrt oder Ruhmſucht auf den Plan, um einzelne 
Kaͤmpfe zu ſuchen. Dieſe rief man nun entweder zuruͤck, 
und dies galt als Zeichen des Schlacht⸗-Anfangs, oder 
ihnen folgten auch wohl' mehre, wie den Wartmaͤn⸗ 
nern, und fo entzuͤndete ſich oft nach und nach die 
Schlacht. 

Anders war es, wenn ganze Schaaren auf einander . 
flürzten. „Womit fou ih, ruft Hornet (Kap. 154) aus, 
den uͤngeheuern Krach vergleichen, ber fich erhub, als man 
flart anreitend von beiden ‚Heeren mit kraͤftigem Drud 
zufammen ftieß, mit Hurt in einander ſich klemmte und 
mannhaft ſtach und fchlug?" 


Da ward, heißt es auch Kap. 521, ehr. 
Zemmern und ein Klingen 
Bon Swerten und Kolben ſwer, 
Als do taufend Mäder (Mäder) 
Schärfen ihd Sennseifen. 
Und (Kap. 521.): 


Da warb gebengelt und getemmert 

Und auf Helmen gehämmert, 

"Daß das Feuer gleft (alänzte) 

Aus manchem Helme feft, 

Bon manchen Swertes lägen. 
Entweder fochten nun alle Schaaren zugleich in ber 
" Breite bes. Feldes mit den Schaaren der Feinde, ober 
nach einander aufreitend, ‚erft die worberften, bis Diefe ers 
mübet, don den andern unterflügt wurden. Der beutfche 
‚Heerführer zeigte fich ſelbſt als mannhafter Ritter mit 
Speer und Schwert, wie denn Kaifer Rudolf in der 





230 welter Abſchnitt. Ritterieben. 


Edhlacht am Weidenbache dem Ritter Herbot von Füllen: 
flein mit. dem Speer durchs Helmfenfter flach, daß er 
vom Roſſe flürzte.. (Wogegen bie Könige von Zranfreich 
und Ungarn, wie ‚Hornet fagt, dem Herkommen ihrer 
Lande gemäß, ben Kampf mieben und nur von ferne zus 
ſchauten.) | 

Bar bed Gegners Mächt burchritten und gefchlagen, - 
fo wandten fi bie Sieger, um bie Abgefchnittenen und 
VBügellofen zu Gefangenen zu machen, was aus Ritter 
lichkeit und des Löfegeldes wegen dem Morden vorgezogen 
wurde. Die Gefangenen behandelte der Ritter, ber fie 
fing und behielt, mit Milde und Großmuth; nur wer ben 
Ungern in bie Hände fiel, mußte fogleih Harnifch und 
Kleider hergeben. 

Vebrigens ſchwaͤrmten Schildknechte und Buben auf 
dem Wahlplatze und im erſiegten Lager umher, wo die 
Kammerwagen erbrochen, die Saumſchreine zerſchlagen, 
Watſaͤcke umgeſtuͤrzt und zerſchnitten wurden. Treue 
Krnechte ſah man nach ihren Herren ſuchen. Der Sieger 
blieb aber, nach alter Sitte, auf dem Schlachtfelde bis zum 
britten Tage, bie Zodten und Verwundeten zu beforgen. 

_ Für unritterli ward jeder Zeit das Ablegen bes 
Harnijches und verftellte Flucht, um dadurch Vortheil zu 
gewinnen, gehalten. Vielmehr fagt Hornek: 


"An Rittern priefen bie Frauen 

Nichts anders dann hauen 

und feſte vorhalten. 
Was den Feſtungskrieg ber. Ritter enbetüift, den 
Krieg gegen feſte Staͤdte und ihre Burgen, ſo mangeln 


8* 


8. Abtheil. Zweis u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 241 


daruͤber theils Nachrichten im Ganzen, und Aur einzelne 
Bruchſtuͤcke kamen auf und, theils war aber auch bie ganze 
Kampfart fehr einfach, Was den Kampf aus ber Ferne 
betraf, fo fagt und bavon die Chronik von Speier beim 


Jahre 1375: „in und außer der Stadt Speier find Ges 


ſchuͤtt, Bliden genannt, geftellt worden, bamit man mit 
großen Steinen gegen die Zeinde werfen könne. Auf bie 


Thuͤrme und Mauern hat man viele große Böde mit Arm⸗ 


brüften gebracht, daraus man ſtarke, dide, mit Eifen aufs 


gefpigte und gefiederte Pfeile gefchoffen. Ehen fo warf 
man mit folhen Schlehderwerkzeugen große Steine, ja 
auch Kugeln von Metall, fuchte die feindlihen Mauern 
zu zertruͤmmern, die Gegner zu erfchlagen und unter 
den niebergeflürzten Mauern zu begraben. Befonders 
wichtig erachtete man aber aud an den Drten, bie auf 
flachem Felde lagen, unterirdifche Gänge zu machen und 
fih in die Burgen und Städte hinein zu graben, um un⸗ 
vermufhet die Belagerten anzugreifen und zu empfangen. 
Je größer nun bie Gefahr war, durch biefe unterirdifchen 
Gänge in die Städte einzubrechen, um fo mehr. brängten 
fih die Ritter zu diefen Unternehmungen voran; und fo 
oft diefe Kriegsliſten auch glüdten, fo waren fie. doc 
auch wieder zu gewöhnlich und befannt, als daß nicht da= 


gegen gearbeitet worden wäre. Die Belagerten hatten 


Wege und Mittel, ſolche Arbeiten vorher zu entdeden, und 
dann ward eifrig aufgefehen, rauen und Männer waren 


Tag und Nacht bereit und wach; dieſe, um den erften, 


ber ben Kopf hervorfiredte, auf's Haupt zu fchlagen;z 
jene, ihm brübheißen Brei und Waffer auf den Kopf zu 
_ 16 


2342 Zweiter Abſchnitt. Ritterlebe n. 


gießen und fo ihn und die .ihm folgenden zu erfliden, 
. Bei dem Sturm der Feflen war ed dagegen die Haupt: 
fache, zuerſt auf der Mauer zu ſtehen und im Angeſicht 
der Feinde die Fahne des Ueberwinders aufzupfln en. 
Ritter fcheuten fich nicht, im Sturme bie erfien zu ſeyn 
und die Leitern hinan zu fleigen; ja es gehörte bisweilen 
mit zu ben ritterlihen Gelübden das Verſprechen, die 
Mauern der belagerten Stadt ober Feſte zu erfleigen, 
wenn auch gewiller Tod dort ihnen drohte. Diefen flanb 
denn auch oftmals fchredliches Verderben entgegen, indem 
die Belagerten ungeheure Felfenftüde und Steine auf bie 
Anklimmenden ſchleuderten und ſie, ſo wie ihre Sturm⸗ 
werkzeuge, zu zerſchmettern ſich bemuͤhten. Da waren 
denn auch die Frauen, wie wir eben geſehen, nicht ferne 
mit glühheißem Breie und fiedendem Wafſfer, welches 
ebenfalls bie Köpfe ber Belagerer traf und fie vom Sturme 
abſchreckte, oder fie gar unfähig machte, ihn auszuführen. 

Bei Belagerungen feller Drte fuchte man ben in ber 
Feſte Befindlichen allem möglichen Abbruch zu thun, daß 
man feinen Vorrath, Beinen Entſatz hinein ließ, das 
Trinkwaſſer und die Gräben ihnen abgrub und die Mauern 
zu zerſtoͤren fuchte, um deſto leichter in die durch Mangel 
von Beſatzung entblößte Stadt dringen, oder die Burg flürs 
men zu innen. Als Sturm: und Bertriimmerungswerf: 
zeuge gab ed nun viele, welche genannt wurden: Bliden, 
Aummerer ober Tummier, Katen, Ebenhoch, Petrer (pe- 
trarii), Antwerke, Rutten, Mangeln und Igelswehr. 
Meift alle find Wurfwerkzeuge, um Steine von gewaltiger 
Schwere gegen die oberen Wehre und Erker der Thuͤrme 





8. Abtheil. Bwei= u. Ernftlämpfe d. Ritter 243 - 


zu fchleudern. So heißt e8 z, B. in Hornek's Zeitbuche, 
Kap. 691, bei einer Belagerung: „72 Wagen waren fort: 
während befchäftigt, Steine herbeizufahren, und 4 Bliden 
und einige Mangeln, arbeiteten Tag und Nacht bis Wehre 
und Erker an den Ringmauern und am Thurme zerflürz: 
ten.” Außer dem, daß fie zertrümmerten, füllten diefe 
Steine auch die Gräben aus. 

Aber nicht bloß Steine, ſondern auch eigends bereitete 
Schwefelfeuer wurden ‚von biefen Gefchlsen geworfen, 
Im Hornet (Kap. 311) thun dies einmal die Meifter mit 
Nutten und fielen Antwerke bahinter, um eine Maffe von 
Steinen in die Gegend ded Daches, mo bad Feuer faffen 
folte, zu ſchleudern und das Löfchen zu verhindern. 


Ja Kap. 789 wird erzählt, daß in der Belagerung ' 


von Kuttenberg Albrechtd Deeifter ein Antwerk aufrichtete, 


4 


woraus er große, mit brennbarem Stoff. gefüllte Kugeln 


ſchoß, die beim Nieberfallen ein wüthendes Feuer von fi) 
gaben. 
Was die oben bemerkten Sagen betrifft, fo find dies 


gedeckte Werke mit Stoßzeug im Innern, die man, nad’ 


Ausfülung der Gräben, trotz ber Gefchoffe der Belagerten, 
bis dicht an die Mauern vorſchob. Eben ſo wurden bie 
Ebenhoch hinangetrieben, eine Art von Thürmen, mit 
Wurfzeug verfehen und hoch, daß fie dazu bienten, in’s 
Innere der belagerten Schlöffer zu bliden. Daher au 
ber Name. 


Hören wir, wie Kaifer Albrecht die Stadt und Burg. 


Bingen belagerte! Da ihm fehr daran lag, biefe Orte zu 
erhalten, fo arbeitete fein finnreicher Meifter, Rot Erme: 
N 16 * 


f j — / 
J 
244 83weiter Abſchnitt. Ritterleben. 
lein genannt, gar thaͤtig an allerlei Geruſt zur Bre*ung 


der Mauern, und nicht minder Thaͤtig waren bie andern 
Meiſter niit ihren Werfen. Einige Bliden-kamen bald in 


Schwuͤng, große Steine zu fehleudern; Kagen und hohe 


Ebenhoch wurden binangetrieben, felbft unter der Erde 
ward gearbeitet. . 

Nah 6 Wochen hatten fie die Mauer durchlöchert 
und fo weit zerworfen, daß man hinein fonnte. Da wars 
teten die Buͤrger den Sturm nicht ab, und fobald fie 
durch Verordnung ber Herren Gnade erhalten hatten, 
fbmuren fie dem König und dem Reihe. Run wendete 


fin der Angriff gegen bie -Burg an der Nabe, wo der 


Meg fo ſchmal war, daß Seine weite Katze da fleken 


‚Tonnte, Der Eunftreiche Meifter ließ daher eine kleine 


Katze machen und trieb fie ohne Saͤumen an die Mauer. 
Die Belagerten, um die Kage zu verdrängen, gruben ba= 


j gegen. Darauf wußten bie Angreifer Feuer in diefe Gru- 


ben zu bringen, Rauch und Geſtank zu erregen. Jene, 
zur Rache, wehrten fi wieder mit Rau, indem fie 
Mafjen pechigen Holzes daran wandten. Da gelchah, Daß 
von bem ungeheuern Qualm fich die Burg entzundete, fo daß 
die Befagung nur einen einzigen Thurm zu enger Zuflucht 
behielt. Sie dachte an Ergebung. Dies war nicht mach 
Albrechts Sinn, der fie gern, zum ſchreckhaften Beifpiel, 
getödtet hätte. Nur die Zürfprache Herzogs Dito von 
Baiern und vieler Freien, Grafen, Ritter und. Knechte, 
bewog ihn, daß er nachgab und freien Abzug fammt der 
Habe verwilligte. | 

Die Belagerung ber Stadt Günz und ihre Einnahme, 


ZAbtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 245 


welche Ottokar v. Hornet, Kap. 312, erzaͤhlt ,‚ wird das 
: Bild der Belagerungstunft und Art jener Zeit vollenden. 

Als Albrecht fih mit ſtarkem Haufen der Stadt na= 
hete, begann ein Pleiner Krieg in der Umgegend. Graf 
Yan wupte den Zutterholern alerlei Schlingen zu legen, 


fo daß man unter den Deutfchen bald an 600 Scyilds 


knechte vermißte, viele andere Haͤnd' und Füße verloren 
und ferner nur mit Angft nach ‚Futter audgeritten warb. 
Endiih nah 11 Tagen hatte man fi zum Sturm bereis 
tet. Sobald dies ber Feind an dem Echallen und Zofen 
ber unfrigen — Hornek erzählt — merfte und ſah, wie 
die Panner gewappneter Helden fi naheten und man 
Zartfchen und Leitern trug, fo gab er bie untere Stadt 
verloren und flüchtete in bie Burg. ‚Leicht wurden alfo 
die Unfrigen Meifter des Orts, worauf die Schildfnechte 
plünderten, vieles zerfchlugen und Häufer in Brand ſteck⸗ 
ten. — Schwerer war die Einnahme der Burg. Zwar 
trieb man Antwerke, Kagen und Ebenhoch binan, und 
was irgend zur Vernichtung von Erker und Mauer ‚dienen 
tonnte, und des Herzogs finnige Meifter bemüheten fich 
Tag und Naht; aber die Befagung hielt fi, wie es bies 
‚bern Männern geziemt. 

Nun war ein Graben ba, tief unb naſerreich 


Dorthin wurden alle Katzen getrieben, beſonders eine, die 
gar tuͤchtig gearbeitet, an entbloͤßten Stellen mit Rinders 


haͤuten gededt und fonft gegen Beuerwärfe und Steine 


wohl gefchirmt war. Man hatte fie bereits, dem feinblis 


chen Schießen zum Trotz, bis in die Mitte des. Grabens 
getrieben, als die Ungern, bie Gorglofigkeit der Wache 


Tin 


246 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


merkend, bei Nacht auf einem Floß uͤberfuhren und die 
Katze anzuͤndeten. Es gelang ihnen ſo, daß bald die Lohe 
aufſchlug. Zum Gluͤcke aber ſchnell bemerkt, ward das 
Feuer geloͤſcht, und die Anzuͤnder mußten ſich eilig ent⸗ 
fernen. Seitdem ſchuf Albrecht beſſere Hut; Ritter oder 
Knechte, an wen die Reihe kam, der mußte ſeine Zeit 
huͤten. Tumberer, Rutten und Bliden arbeiteten derweil 
unverdroſſen, und Wehr und Erker ſtuͤrzten von der Mauer. 
Selbſt unter der Erde ließ der Herzog einen Verſuch 
machen; das Waſſer war jedoch zu tief. Mehr fruchtete 
ein langer, mit Eiſen beſchlagener Stoßbaum gegen die 
Mauer. Um aber die Kraft deſſelben zu brechen, ließen 
die Belagerten dreifache Huͤrden herab, womit ſie die 
Stoͤße auffingen. Der Herzog ließ deshalb ſcharfe, große 
Sicheln an lange Stangen befeſtigen, und die Stricke der 
Huͤrden damit abſchneiden. Endlich ſiegte Gewalt uͤber 
Wis; die Burg vermochte fi nicht laͤnger zu halten; ob 
der Derzog gleich ſchwere Rache nehmen wollte, fo ward 
‚ er boch eines andern berebet, und ber Beſatzung wurde 
freier Abzug bewilligt, mit fo viel, als die vorhandenen 
Männer und Pferde tragen Tonnten. 

Das Ziel und der Zwed aller diefer Pleinen und groͤ⸗ 
fern Kämpfe war, dem Feinde fo viel als möglich Abbruch 
zu thun. Mar man nun biefer Plackereien fatt und muͤde, 
dann wurde der Friede unterhandelt. Ein Beiſpiel, wie 
dies geſchah, wird alles dahin Gehoͤrige am beſten erlaͤu⸗ 
tern, und da wir oben geſehen haben, wie Koͤnig Andreas 
bon Ungarn mit Herzog Albrecht von Oeſterreich ben Krieg 
“anfing, fo wollen wir hun fehen, wie er den Frieden ſchloß. 


€ 
\ 


B. Abtheil. Zweis w. Ernſtkaͤmpfe b. Ritter 247 


Sechs Wochen, oder mehr, hatte das ungariſche Kriegs⸗ 
volk auf oͤſtreichiſchem Boden gelegen, und der Stadt Wien 
ſo nahe, daß die Frauen haͤufig auf die Thuͤrme ſtiegen 
und den Gefechten zuſahen. Endlich, des Unfugs übers 
brüffig , ward Friede gewuͤnſcht. Bon Seiten der unga⸗ 
riſchen Biſchoͤfe von Gran und Kolitſcha wurden die deut⸗ 
ſchen Biſchoͤfe von Paſſau und Sekkau zu einer Zwieſprach 
geladen, worauf ein lebhaftes Botenſchicken zwiſchen Wien 
und dem ungariſchen Lager, und gar bald ein Ftiede auf 
8 Tage erfolgte. Sobald died erreicht war, wählten bie 
Ungern 4 hohe Grafen aus bes Könige Rath, welche, 


nebſt den zween genannten Bifchöfen, mit Vollmacht zur 


Suͤhne verfehen, nach Wien ritten. Die Bifchöfe unfrers 
feits *) und viel andre Herrn ritten zur Ehrenbezeugung 
entgegen. Als man zufammentraf, begrüßten fich die geil: 
lichen ‚Herren lateinifch; bie andern, fo weder Latein noch 


Deutſch verftanden, verneigten ſich nur gegenfeitig. Dann 


sitten alle gemeinfchaftlih nad Wien, wo ihrer beim Her⸗ 
zog, auch bei der Herzogin und deren Frauen, welche fich 
mit den beflen Kleidern geſchmuͤt hatten; ein freundlichen 
Empfang wartete. 

In der Sikung nahmen Steirer und Ofterreicher nes 


ben dem Herzöge Platz, gegenüber fetten fich bie Ungern. 


Unfrerfeits führten ber Bifhof von Sekkau und der 
Ordensmeiſter, Berthold von Maurperg, als Dolmetfcher, 
das Wort. Man Fam überein, daß bie Gegner zuvor dad 





*) Man fey immer eingeben, daß bier ber Oeſterreicher, Ottokar 
„von Hornek, fprict. 











248  Bielter Abſchnitt. Ritterleben. 


Land raͤumen, alsdann die völlige Ausgleichung durch ben 
Rath beider Zürften, auf dem Felde zwiſchen Heunburg 


und Presburg vor fi geben ſolle. Der Herzog nd 12 


feiner Herren ſchwuren fernere Haltung des Stilftandes. 
Zum Heimritt ward den ungrifchen Gäften ein Geleit 
von 40 Herren gegeben, benen vielg ihrer Mannen folgs 
ten. Sie hatten zugleich den Auftrag, vom König Ans 
dreas bie Beſtaͤtigung des Verabredeten zu empfangen, 
die ihnen nicht verſagt wurde. Der Koͤnig gab ſogleich 
Befehl zum Ruͤckzug, und ließ die deutſchen Herren durch 
Ungarn und Valbe wieder nad Wien geleiten. 
“Man fah nun auf dem beflimmten Plan zwifchen 
Heunburg und Preöburg, herrliche Gezelte auffchlagen, 
Der Herren, bie fich alle da verfammleten,. war eine nicht 
geringe Anzahl, fo. Ungern als Deutfche. Und als bie 
Verhandlung begann, gingen aus ‚ben 23 nicht "fern von 
einander errichteten Hauptgezelten bie Redner bin und 
ber, ben ganzen Tag burch, bis noch vor Anbruch ber 
Nacht befchloffen ward, :baß jede Partei 4 Schiedsrichter 
waͤhlen folle. Diefe 8 follten ſchwoͤren, nach Treue, Recht 
und Wahrheit die Streitfache zu ebnen. — Der König 
wie ber Herzog, benen die Meldung davon zukam, gelob: 
ten fchriftlich, dem Ausſpruch berfelben ſich zu fügen. 
Es war in Heunburg, wo die ermählten Schiedsrich⸗ 
ter ſich befprachen, und einig in-ihrem Ausſpruch, beide 
Fuͤrſten nach Presburg luden. Nach wenig Tagen langs 
ten fie mit zahlreichem Gefinde an. Der Herzog, welder 
fich zuerfl eingefunden, fprang vom Pferde, dem einreis 
tenden König entgegenzugehen. In ben. höflichen Reben, 





78, Abthell, Bwels u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 249 


deren bier viel geführt wurben, erinnerte man fich ande 
. Königs vormaligen Aufenthalt in Wien. Als darauf beide 


von ber getroffenen Einigung unterrichtet waren, veichte 


man in feierlicher Verſammlung dem Könige die Hands 


feſte, die er mit 30 Magnaten beſchwur und mit koͤnigl. 
Juſiegel verſah; worauf fie durch den Erzbifhof,v. Gran 
dem Herzog überreicht wurde, der ebenfalls nebft 30 Her⸗ 
en -fchwur und fein Infiegel daran befefligen ließ. Als⸗ 
dann flelfte man fie dem Könige wieder zu, ber fie laut 
zu derlefen befahl. Das Fernere gehört nicht hieher. 

Ein viel befprochened und in der Gefchichte des Mit⸗ 


telalterS und in der Kitterwelt oftmals vorfommendes. 


ort, ift dad Wort Fehde. Ueber bie Ableitung. beffels 
ben herrfchen verfchiebene Anſichten; fo viel erfcheint nur 
gewiß, daß. es mit Hecht, d. h. Yeindfchaft zuſammen⸗ 


haͤngt, und damit fehten, fechten und alſo auch be⸗ 


fehden verbunden iſt. Im mittlern Latein heißt dies 
Wort Faida, Feindſchaft, ſowohl Öffentliche, als auch heim⸗ 
liche. Jemandem eine Fehde ankuͤndigen, iſt daher nichts 
anders, als einem ſeine Feindſchaft oder den Krieg ver⸗ 
kuͤndigen; ein ſogenannter Fehdebrief iſt deswegen eine 
ſchriftliche Ankuͤndigung des Unfriedens; und daraus ſchon 
moͤchte allein erhellen, daß die Zehden oder Befehdungen 
nichts anders ſind, als die Kriege einzelner gegen einan⸗ 
der, durch welche einer ein erlittenes Unrecht oder eine 
Beſchimpfung abzutreiben oder zu raͤchen fuchte. Die 
Fehde ankuͤndigen, hieß im mittlern Latein: diſſiduciare 
oder difidare. — Der Urfprung der Fehden iſt nicht 
erſt, wie einige geglaubt haben), vom 12. und 43. Jahr⸗ 


7 


» 











2% - Bwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


hundert ab zu rechnen; vielmehr iſt er ſchon weit früher 
begründet, wenn auch in jener Zeit die Fehden hauptſaͤch⸗ 
üb überhand nahmen und diefer Unfug fehr eingeriffen 
war. Auch bier müffen wie wieber auf die frübeften Sits 
ten, Gewohnheiten und- Anfihten der Deutfchen zurück⸗ 
geben, die es fo fehr liebten, alles, was fie nur dadurch 
gu ſchlichten vermochten, durch die Schaͤrfe des Schwertes 
zu entſcheiden; und Vellejus Paterculus ſagt daher auch 
im ten Buch feiner Geſchichte, Hauptſtuͤck 118: daß bie 
Deutfchen ſich ſehr vermundert hätten, wie fie bei den 
Römern gefeben, daß das, was fie durch die Waffen aus» 
machten, bei diefen nach den Rechten erörtert würde. — 
Dieſe alfo fthon in den frübften Anfichten des deutſchen 
Volkes begründeten Fehden wuchfen unter Heinrih IV, 
Friedrich I und deren Nachfolgern, fo wie durch das ſo⸗ 
genannte Interregnum immer mehr, ja belamen von 
jener Zeit an eine: beflimmte Form und Regelmaͤßigkeit, 
wie auch fogar eine Art Geſetzlichkeit, wodurch fie fpäter« 
bin um fo fchwerer audzurotten wurden. Wie fih num 
in bem Dittelalter deutfche Gewohnheiten und Rechte beis 
nahe über ganz Europa verbreiteten, fo finden. wir auch 
bie Fehden in England und in Frankreich wieder, doch 
nirgends in ſolcher Ausdehnung, wie in Deutſchland. 
Dieſe Fehden konnten nun in der Regel nur von 
Reichsunmittelbaren an Reichsunmittelbare erklaͤrt werden; 
und wenn man auch Beiſpiele findet, daß Mittelbare an 
Reichsunmittelbare ihre Erklaͤrungen ausgehen ließen, fa 
gehören biefe doch zu ben feltenen Erſcheinungen. Hier 
kommt auch mauches laͤcherliche Beiſpiel vor, von denen 


8. Abtheil. Imeis u. Ernftlämpfe d. Ritter. 251 


und z. B. Müller in feinem Reichsſtags-Theater, & 96 
ein Beifpiel aufbewahrt hat, wonach der Koch eines Her» 
ren von Münzenberg, mit allen feinen Untergebenen, als 
Kuͤchenknaben, Metzgern, Schliffelwäfchern un f. w. einem 
Strafen von Solms die Fehde ankuͤndigte; welches Schreis 
: ben indeflen mehr ald ein Spaß lautet, denn baß es 
Spuren ber Wahrheit in ſich trägt. Am allerhaͤufigſten 
waren die Sehden in Schwaben und Kranken, wo die 
ſchwankenden Verhältniffe der größern Herzöge bie übers 
müthige Selbſthuͤlfe Bleinerer Edelleute nicht zuruͤckzudraͤn⸗ 
gen und zu vernichten vermochte. Mit diefen Fehden iſt 
indeffen das Fauſtrecht nicht zu vermifchen, fonbern davon 
gehörig zu unterfcheiden, indem, wie gefagt, bie Fehde 
nur von einem Neichöunmittelbaren dem andern erklärt, 
dee Kampf im Fauflrecht ‚dagegen von einem jeden 
Einzelnen unternommen werden konnte. Die Zehden 
waren durch geſetzliche Beſtimmungen gebuldet; ja es 
wurden zu ihnen gewiſſe Feierlichkeiten gebraucht, wenn 
fie als geſetzlich beftätigt und erlaubt angefehen werben 
follten, da das Fauftrecht meift wuͤſt hinein feine Angriffe 
machte. Inbeflen giebt es auch wieder. Punkte, wo ber 
Unterfchiedb zwifchen beiden ſchwer zu ermitteln, und bie 
Srenzlinie nicht wohl genau zu ziehen ſeyn möchte, 

Ein Lehnsvafall durfte feinen Lehnherrn ebenfalls 
befehden, obgleich einige darein Zweifel gefegt haben, aber 
es gebörte dazu, daß ber Vaſall vorher dem Lehnherrn 
fein Lehn auffagen mußte. Nachher wurbe aber nit 
eher Frieden gemacht, als bis das aufgefagte Lehn dem 
Bafallen wieder zurüdgegeben worden. Nach bem ſchwaͤ⸗ u 


. 


‘ X 
— 


% ’ \ 


252 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


biſchen Lehnrechte mußte einer dem andern bie Fehde 


muͤndlich oder perfönlih ankündigen. Dabei beftimmte 


bafjelbe aber auch zugleich, daß, wenn der Lehnherr Das 
freie GSeleit verfagen würde, um die Fehde anzulimiigen, 
ober, während derfelben, um das aufgekündigte Leben 
zurüdzufordern, fo fey es dem DVafallen erlaubt, an das 
ben Lehndherrn naͤchſt gelegene Haus zu geben und Das 
felbft feine, Fehdeankuͤndigung fo laut zu rufen, daß, wer 
in felbigem Haufe wohnte, folches hören und dem Lehn⸗ 
herrn davon Ndkpricht geben koͤnne. — : Drei Tage vorber, 
ehe die Fehde begann, mußte fie angelündigt werden, 
weshalb ed fchon in einer Verordnung des Kaiſers Frie⸗ 
drich I vom Jahre 1187 beißt: Werram propıiam pro 
amico, pro parente, vel causae cujus, quam alterius 


“ occasione suscipere licet, modo damnum alii facere 


« 


aut laedere ipsum intendens, tribus ad minimum 
ante diebus, per certum nuntium suum difliduciaret 
eum. Ward diefes nicht beobachtet, fo wurde die Fehde 
füt ungerecht, die Befehder aber für ſchaͤndliche Verrätber 
gehalten und von den Zurnieren audgefchloffen. — Daß 
durch biefe häufigen Fehden unendlich viel Unglüd über 
bie deutfchen Lande gebracht wurde, daß fie kaum Aufge⸗ 
bautes bald wieder zerjtörten und feiner fich eines ruhigen 
Befisthums erfreuen fonnte, daB lehrt und die Geſchichte. 
Die Kaifer waren daher bemüht, dieſen Uebeln ab;uhelfen, 
indem 3. B. Rudolf I die Raubfchlöffer zerftörte, und die 
übrigen Kaifer, befonderd Sigismund, Albert II und 
Friedrich III die Fehden auf das firengfle verboten. Da 
alle diefe Verbote nichts fruchten wollten, ließen die Kaiſer 


u 





8. Abtheil. Zwei⸗ u, Ernfifämpfe b. Ritter. 253 


fogar die "Verbote, welche fie gegeben, vom Papſte beſtaͤ⸗ 
tigen und zog'n ſerme geiſtlichen Strafen zu Hülfe. Alles 
dieſeslwollt indeſſen nicht den gewuͤnſchten Erfolg haben, bis 
endlich durch den Landfrieden, den Kaiſer Maximilian im 
Jahre 1495 ‚gab, dem Uebel Einhalt geſchah, obgleich es 
nicht im Augenblide mit der Wurzel ausdgerottet wurde, 
incem wır noch mancherlei Fehden nachher finden, aber 
‚body keinesweges in einer ſo bedeutenden und uͤbermaͤßigen 
- Art, wie fruͤherhin. Bier Urſachen trugen endlich am 
nteiften zur völligen Ausrottung biefes für Deutfchland 
- fo großen Uebel bei: die Anordnung des Reichs⸗Kammer⸗ 
gerichts, wodurd eine rechtlihe Hülfe bei obwaltenven 
Streitigkeiten fejlgefegt ward; die Eintheilung des Reichs 
in veitimmte Kreife, wodurch die Verordnungen ded Reichs⸗ 
Kammergerichtö mehr Unterſtuͤtzung gemannen, indem nun 
‚ von einem feften Punkte aus verfahren werden konnte, 
da es jest möglich ward, beftimmte Landerabfchnitte theils 
verantwortlich zu machen, wenn die Erkenntniffe nicht in 
Ausübung gefegt wurden, theild aber auch als hilfreich 
für einen und. den andern zu beflimmen. Dann traten 
‘die Buͤndniſſe hinzu, welche in diefer Zeit zwiſchen Hohen 
und Niedern zu gegenfeitiger Beſchutzung, Vertheidigung 
-" und Friedhaltung gemacht wurden; und zulegt ver große 
ſchwaͤbiſche Bund, der befonderd zur Aufrehthaltung des 
Friedens beitrug und die Mitglieder gegenfeitig ſchützte. 
Die Art und Weife, wie die Ritter nun bei ſolchen 
Fehden einer dem andern halfen, waren meiſt ſo, daß, 
ſobald einer ſeinem Feinde oder Beleidiger eine Fehde an⸗ 
kuͤndigen wollte, er. es feinen Freunden und Verwandten 


* 


\ 2 


26% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


meldete und ihre Huͤlfe begehtte. Ein Gieiches that nach⸗ 
her derjenige, gegen den die Fehde gerichtet war, ſobald 
fie ihm verkuͤndet worden. Jeder ſammelte feine Dienſt⸗ 
mannen und Vaſallen, ſo viel er erhalten konnte, ſeine 
Freunde fanden fich zu ihm, und der Krieg begann meift 
mehr mit einem Kriegführen gegen die ruhigen Dörfer 
und mit. deren Vernichtung, als mit offenen Feldſchlachten. 
Einer fuchte dem andern fo viel Schaden und Abbruch, 
als nur irgend möglih, zu thun, um ihn zu zwingen, 
die Friedensbedingungen, bie er ihm vorſchrieb, anzuneh- 
men, ober er fuchte feinem Feinde eine bedeutende Beute 
abzugewinnen. 

Das im Mittelalter in Deutfchland fo berlichtigte 
Kauftrecht hatte ini manden Stüden Aehnlichkeit mit 
den Fehden, nur war es eine zügellefere, weniger nad) 
Geſetzen geregelte Art und Weiſe, bei ber bloß. nah Gut: 
duͤnken einzelner rohen Ritter der Kampf angefangen 
ward. Schon fehr früh hatten die Deutfchen begannen, 
fi) nach dem Mufter römifcher Zeften Burgen auf Berg» 
böhen zu erbauen, und nur zu leicht ward nun ein jeder 
Burgbefiger verführt, fich des Rechts der Waffen gegen 
feine Nachbaren zu bedienen. Die Fehden, ald erlaubte 
Kriege Einzelner gegen Einzelne, find mit eine Folge diefes 
Fauſtrechts, aber hauptfächlich benannte man To bad uns 
vermuthete Ueberfallen Wehrlofer, die Beraubung ber auf 
ben Landflraßen ruhig ziehenden Kaufleute; denn man 
übte dieſes Fauftrecht nicht bloß gegen feine Feinde, ober 
gegen folhe aus; an die man gegründete Anfprüche zu 
machen hatte, ſondern bie mächtigen Burgbefiger brauchten 





l. 


8: Abtheil Bmweis: u. Ernfttämpfe d. Ritter. 255 | 


ed auch, ohne allen rechtlichen Scein, die benachbarten 
Landbebaner zu überfallen, zu berauben ober zu zwingen, . 
fi unter ihren Schug zu begeben, und deshalb auch ihnen 
Dienfte zu leiten. Selbſt damit begnügten fich die Burg⸗ 
befiger noch nicht; viele von ihnen lebten fogar als offen- 
bare Räuber, worin fie das Vorrecht in ihrem Stande zu 
finden glaubten, indem fie bie benachbarten. Heerfiraßen 
mit ihren Reifigen befegten, um die Worbeiziehenden zu 
berauben, zu plündern, ober fo lange mit in ihre Burgen 
zu fchleppen, bis fie- ſich durch ein großes Loͤſegeld frei 
machen fonnten. An-ihren Burgen zogen ſich meift Lands. 
firaßen und Bergwege vorüber; von ihren hohen. Warten . 
Fonnten fie die ganze Gegend umfchauen, und bald ward 
ein vorüberziehender Kaufmann ihnen verratben, um als 
Beute in ihre Hände zu fallen. 

Die deutſchen Könige widerſetzten ſich zwar. gleich | 
-anfangs, fo vıel fie nur konnten, diefen Gewalttpätigkeiten 
und Raͤubereien; fie waren aber zu ſchwach, ihren Dros - 
hungen Nachdruck zu geben, und das eingeriffene Uebel 
nahm immer mehr Überhand. Als: das eigentliche Ritters 
weſen und die Ritterzeit eintrat, da war ed ſchon ein fo 
gewöhnliches und feſtgewurzeltes Uebel, daß die edlern und 
beitern Geiftesrichtungen,, die fi m und mit dem Ritters 
thum entwidelten, nicht mehr darauf wirken konnten. 
Die Könige mußten zufrieden ſeyn, wenn ihre Vaſallen 
die Lehndienſte gehoͤrig leiſteten, ſo oft ſie es verlangten; 
und fie durften ſich nicht viel darum bekuͤmmern, was 
jene mit ihren Bauern oder Leibeigenen vornahmen, oder 
was fie unter einander für Streitigkeiten hatten. So gab 


⸗ 


256 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. | 


" es denn im frühern Mittelalter Zeiten, in benen, nad 
ber Erzählung damald lebender Schriftfleller, ein großer 
Theil des Adels vom Straßenraube lebte. Die Könige 
und Kaifer Deutfchlands waren bemüht, durch Gefege 
diefen ‚gefeglofen Zuftand zu verbannen; aber vergeblich, 
und die meiften mußten fi damit begnügen, daß fie eine 
fogenannte Treuge burchfegten und einführten. Diefe 
beftand darin, daß, durch bie Geiftlichen beflätigt, alfo 
gewiflermaßen auf göttlichen Befehl felbft (und fo ward es 
wenigftend angefehen), einige Zage in ber Woche verord⸗ 
net wurden, an denen bei ſchwerſter Ahndung ein Waffen: 
flinftand feyn mußte und Feine Waffenkaͤmpfe flattfinden 
durften. Durch diefe einzelnen, feft beflimmten Wochen: 
tage wurden die Landfrieden vorbereitet, welche unter ben 
Hohenftaufen oftmals, wenn auch meiſt vergeblich, be: 
ſchworen wurden, indem felbft die entehrende Strafe, Der 
fih die Landfriedensbrecher unterwerfen mußten, nichts 
fruchtete. Diefe Strafe war damals dad Hundetras 
gen, befonders in Franken, Schwaben und Sachſen ge⸗ 
woͤhnlich, und darin beſtehend, daß der Verbrecher einen 
raͤudigen Hund bis an einen beſtimmten Ort tragen mußte. 
Zuweilen geſchah dieſes vor der Vollziehung des uͤber den 
Verbrecher geſprochenen Todesurtheils; gemeinhin war 
aber der Verluſt des Lebens nicht damit verbunden, ſon⸗ 
dern der Verurtheilte wurde nach Erfuͤllung dieſer Strafe 
von dem Banne oder der Acht losgeſprochen, in welche er 


durch die Brechung des Landfriedens gefallen war. Der 


Ursprung diefer Strafe fällt, nad) Wittichinds von Eorbei 
Zeugniß, in bie Zeiten Kaifers Otto I, wenigftens ift bis 


8. Abtheil. 8weis n, Ernſtkaͤmpfe 5. Ritter. 257. 


jegt Fein früheres Beifpiel gefunden worben. Einzelne 
Kaifer wendeten dies firenge Mittel ohne Anfehen ber 
Perſon an, und fo traf die Strafe fogar den Pfalzgrafen 
Herrmann und andere Grafen und Ritter unter Kaifer 
Friedrich J. Die- Verordnungen und Einrichtungen end⸗ 


lich, die wir bereitS oben kennen gelernt haben, buch . 


welche die Fehden gehemmt: wurden, vernichketeg auch das 
Fauſtrecht. 

Indeſſen erſcheint das Wegelagern und das Leben 
vom Stegreif, wie man es wohl auch nannte, noch bis 
zu Ende des ſechzehnten Jahrhunderts; denn etwas anderes 
iſt es doch nicht, wenn der Herzog Heinrich II, als er in 
Eimbeck iſt, eine Burg will heimlich uͤberrumpeln laſſen, 
oder wenn der bei ihm befindliche, landsknechtiſche Haupt⸗ 
mann Braun Wagen, worauf heimlich in Bachs gegoſ⸗ 
fenes Geld geladen ift, mit Gewalt auf offener Straße 
nehmen will, ober gar der ‚Diener des Herzogs, Seiden⸗ 
berg genannt, einem Juden auf offener Landſtraße mehre 
Selpbeutel abnimmt. Eben dad alte Fauſtrecht iſt es, 
welches denfelben Herzog in feinem eigenen Rande, das 
aber von feinem Bruder, nad) kaiſerlichem Befehle, ver⸗ 
waltet wird, dahin bringt, daß er dieſem ſeinen Bruder 
die Feſte auf dem Groͤditzberge mit Gewalt überfällt und 
abnimmt; daß er ausreitet, um feinem Bruder Fifche aus 
bem arensborfer Zeiche, Wolle aus Groß⸗Wandris, But⸗ 
ter, Schoͤpſe u. ſ. w. zu ſtehlen: wie dies alles im erſten 
Theile des Lebens von Hans von Schweinichen ausfuͤhr⸗ 
licher zu ſehen iſt, worin wir, wie ſchon oben bemerkt, 

17 


A) 





⸗ 


> 


28 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


das ritterliche Leben in feinem ganzen Verfalle, in feiner 
größten Entartung, einem gemeinen und zügellofen Hof: 
wefen weichen, erblicken. Da eben wir bes Ritterlebens 
größte Entwürbigung; von der Wir in folgender Abthei⸗ 
kung noch einige Pankte berühren müffen. | 


— 

















260 Zweiter Abſchnitt. Ritter leben. 


terfchlag erhalten hatten.. Im Deutfchland nannte. man fie 
in Urkunden, Gefprächen, Liedern und andern Verhand⸗ 
Jungen nody mit verfchiebenen Beinamen zu biefem Worte 
Ritter, naͤmlich: ehrenhafte, - chrenfefte, edle, fromme, 
tüchtige, firenge Ritter u. dgl. Ihren Frauen wurden bie 
für heutiges Tages einfachen, für jene Zeit aber bedeuten- 
den Benennungen gegeben: ehr⸗ und tugenbhafte Frau, 
Gemahel, Hausfrawe; ihre Töchter hießen Iungfrauen. 

| Außer der Kleidung, bie ihnen als Rittern beſonders 
erlaubt war, zeichneten, fie ſich durch die verschiedenen 
Wappen aus, die fie auf ihrem Schild, auf ihrem Wap⸗ 
penrock, auf dem Faͤhnlein ihrer Lanze, oder der Spitze 
bes Helms trugen. Die erfien Ritter hatten, als biefer 
Stand eine eigene verleihbare Würde ward, meiſt Titel 
und Schwert von ihren herrſchenben Gebietern und den 
Oberlehnsherren empfangen, auch rechneten ſie es ſich bei 
ihrer Aufnahme zur Pflicht und Ehre, die Wappen derer 
anzunehmen, von denen fie in den Ritterſiand aufgenom⸗ 
men worden waren, ober wenigſtens ein Stuͤck aus dem 
Wappenſchilde derſelben dem Wappen ihrer eigenen Fa⸗ 
inilie beizufügen. Hiervon ſchreiben fi) zum Theil denn 
auch oftmals bie fo ſehr zuſammengeſetzten Wappen her. 
Wenn nun dieſe Ritter in ber Folge andern bie Kitter⸗ 
würde ertheilten, fo trugen fie auch auf biefe die Wappen 
über, welche fie felbft von andern angenommen hatten. 
* Dies war befonders in Frankreich der Zall; und baher 
kommt ed, daB in einzelnen Landſtrichen beflimmte Farben 
in den Wappen, oder befondere Auszeichnungen darin, 
bie dem Beherrſcher zubamen, fi auch in vielen Wappen 


— 





9, Abtheil. Vorzüge u. Auszeichn. d, Ritter. ic, 261 | 


der Ritter biefed Landſtriches fanden. Ein folches Wappen 
und Giegel zu führen, war nun ein befonderes Vorrecht 
der Ritter, andern Berfonen wurbe es meift immer vers 
weigert. ° 

Aus dem Vorrecht der alten römifchen Soldaten mag 
es fih wohl auf deutfchen Boden verpflanzt haben, daß 
ein Ritter frei von allen Abgaben war, bie ſonſt auf die 
Lebensmittel und auf Waaren gelegt waren, welche er zu 
feinem Privatgebrauche nöthig hatte. Died Vörrecht bes 
freite ihn aud von allen Arten ver Zölle. Doch war aud) 
diefer Grundſatz möglichfler Freiheit fchon in ben alten 
deutfchen Gewohnheiten gegründet, wonach alle Laften auf 
eine Abtheilung bed Bold, Die Unfreien oder Minderfreien, 
dewälzt ward. Des Ritterd ganzer Anzug, vielmehr noch 
feine Ruͤſtung, machte ihn fchon aus weiter Berne kennt⸗ 
ich, und ſobald er fich daher näherte, öffneten ſich ihm 
alle Thore, Schlagbäume und andere Schranken, um ihm 
einen freien Durchzug zu gewähren. Je mehr ihm nun 
hier Freiheit vergönnt war, allenthalben ungehindert zu 
erfcheinen und fich aufzuhalten, um fo mehr mußte er aber 
auch darauf. halten, daß diejenigen, welche in feinem Ges 
folge waren, fireng auf. Zucht und Orbnung fahen, damit bie 
Einwohner bes Landes Feine Urfache hätten, fich über - 
Bedruͤckungen zu befhweren. Wurden bergleichen begans 
gen, fo mußte ber Ritter für: feine Leute fliehen und die 
Strafe bezahlen; doch ward gewiß vieles im Stillen vers 
ſchmerzt, damit durch bie einftweilige Entſchaͤdigung nicht 
etwa’ der größere Zorn gereist und andere heimliche, diefer 
greifende Bedruͤckungen veranlaßt werden möhten, Wollte 


262 Imeiter Abſchnitt. Nitterleben. 


der Ritter ſeine Wohnung in einer Stadt nehmen, ſo 
durften auch ſeinen Leuten die Abgaben und Schatzungen 
nicht. aufgelegt werden, welche die Bürger von allen neuen 
Einwohnern zu erheben berechtigt waren. Hingegen hatten 
fogar die Befiher adelicher Güter dad Recht, wenn ihre 
älteften Söhne die Rittermürde empfangen follten, zu ben 
hierzu erforderlichen Koſten von ihren Unterthanen eine der 
vier Arten von Abgaben zu erheben, die man Ritter⸗ 
ſteuern nannte. Außer diefem einen Falle, in weldgem 
die Unterthanen eine Ritterfieuer zahlen mußten, gab es 
„ Roch drei andere; namlich: wenn der Ritter eine Zochter 
vermählte; ferner: wenn er in Gefangenfchaft gerathen 
‚war und ein Gelbbettag verlangt wurde, gegen befien Er⸗ 
legung er Iosgelaffen werben follte; und zulegt: wenn er 
fi entfchloffen hatte, eine Reife uͤber's Meer zu machen, 
bie natürlicherweife immer einen frommen Zwed hatte, 
indem er entweder bie Unglaubigen befämpfen wollte, oder 
auch eitte fromme Wallfahrt zum Srabe bed Heilen 
bes ſich vorgenommen hatte. Der KRittertitel, der bei 
allen Ständen des Staats in Anſehen fland, fand in 
jebem Berichtstofe Richter, die ſtets geneigt waren,, feine 
Rechte zu bandhaben. Außer dem, daß ein Ritter nur 
mit ter gehörigen Schonung und Achtung für feine Bürde 
vor Gericht gefordert werden durfte, erhielt er auch, wenn 
ihm der Gegner ſeine Koſten erſetzen mußte, boppelt fo 
viel, ald man einem Knappen zuerfannte; wurbe er aber 
verurtheilt, fo warb er auch um fo. viel firafbarer erachtet, 
da er andern ein Muſter aller Tugenden und vorzuͤglich 
der Rechtlichkeit und Billigkeit ſeyn ſollte, und er mußte 











9. Abthell. —R u. Auszelchn. d. Ritterm. ꝛe. 208 | 


daher feine Strafe noch einmal höher, als ein Knappe, be 
zahlen. So war bie höhere Geltung auch immer mit hoͤ⸗ 
herer Verpflichtung verknuͤpft, und ein hierin merkwuͤrdiges 
Beiſpiel giebt uns die franzoͤſiſche Geſchichte, in der beim 
Jahre 1441 erzählt wird, in ben Begebenheiten ber Bes 
lagerung von-Dun sle« Roi, daß den Bittern auferlegt 
worben fey, 8 Gtrauchblindel zu ben Wällen zu tragen, 


ba bie Kappen im Gegentheil nur viere tragen burften.. 
Beil die Ritter, als Freie und Adeliche, nach. germanifchen - 


Sitten, feit ihrem Urfprunge Oberhäupter und Räthe aller 
Serichte waren, fo erhielten fie fich) auch lange Zeit in 
dem ausfhließenden Rechte, daß gewifle anfehnliche obrig⸗ 
keitliche Aemter mit Gliedern ihres Ordens beſetzt werben 


. mußten. Gben daher wurden fie auch in der Bolge zu | 


. allen wichtigen Unterhandlungen gezogen. Mußte man 
z. B. Geſandte fchiden, um Unterhandlungen Liber bie 
wichtigſten Angelegenheiten, wegen Krieg und Frieden zu 
pfliegen, ſo waͤhlte man zu jeder Geſandtſchaft und zwar 
immer in gleicher Anzaht, Geiſtliche und Mitter. Die 
Wahl der Geiftlichen zu ſolchen Gefchäften erklärt fi ich 
leicht. Beide Staͤnde wurden als die hoͤchſten und vor⸗ 
nehmſten betrachtet, ja man verglich beide mit einander 
und fand in ihnen große Uebereinſtimmung. Dann waren 
aber bie Geiftlichen damals beinahe allein diejenigen, bie 


eine höhere Kenntniß der Wiffenfchaften befaßen; und was 


daher die Ritter durch ihre dußere Erfcheinung und ihr ges 
wichtiges Auftreten folhen Gefchäften an Glanz verliehen; 


ba8 mußten bie Geifllichen, bei denen die äußere Würde. 


und die Anerkennung berfelben zwar auch nicht fehlte, 


‘ 


. _ 


es 


. 


24 awelter Abſchnitt. Ritterleben: 


durch Kenntnifle und Gewandtheit in Geſchaͤften erhöhen, 
und fo ergänzten fich beibe Stände, im Verein zu ein 
und bemfelben Sefchäfte, gegenſeitig. Nach und nach ver- 
loren aber aud) die Ritter den Vorfitz in den Gerichten, 
ald die deutichen urfprünglichen Gefege und Eimihtungen 
bes Landes durch das römifche Recht verdrängt wurden, 
als alles nach einem auslänvdifchen, oft unpaflenden Mu⸗ 
fler geregelt ward, und nun viele Geiftlihe und Laien 
das römifche Recht außer Deutfchland, befonders auf ita= 
lienifchen Rechtöfchulen, erlernten und eine ganz andere 
Anficht .mit beim brachten, als bie fchlihten Ritter mit 
ihren ungelehrten, aber durch richtiges Gefühl geleiteten 


- Beifigern in den Gerichten hatten. Spuren jener früher 


Einrihtung der Gerichte zeigen ſich indeffen nod hin und 
wieder in Deutfchland, befonders in der bei einigen Ge⸗ 
richten gewöhnlichen Abtheilung der Beifiger einer abelis 
hen und unadelichen Bank. 

Eber: berührte ich die Aehnlichkeit zwiſchen der Ritter⸗ 


und geiſtlichen Wuͤrde, welche beſonders oft von Dichtern 


ergriffen und ‚durchgeführt worben ifl. Diefe zeigte ſich: in 
ber Xehnlichkeit der Namen und Titel, in der Kleidung, 
in ihren Vorrechten und in ihren Pflichten oder Berbinds 
lichfeiten. Dichter, wie gefagt, und Gefchichtfchreiber ha⸗ 
ben biefe Aehnlichreit durch Vergleiche hervorzuheben ge⸗ 
ſucht, um einer jeden dieſex beiden Wuͤrden dadurch einen 
hoͤhern Glanz zu geben. So nennt 3. B. der Verf. des 
Werkes: l’ordre de chevalerie, ben, ber bie Ritterwürde 
ertheilt hatte, einen irdifchen oder weltlidhen Ritter, und 
ben Priefter, zu welchen fich der Reuzuweihende begeben 





9, Abtheil. Vorzüge % Auszeichn. d. Ritterw. ꝛc. 265 


hatte, um jene von ihm zu empfangen, einen geiſtlichen 
oder uͤberirdiſchen Ritter. In Hinſicht der Kleidung ſag⸗ 
ten ſie: eben ſo, wie jeder Schmuck des Prieſters, womit 


er, wenn er Meſſe haͤlt bekleidet iſt, eine auf ſeine Ver⸗ 


richtung ſich beziehende Bedeutung hat, ſo ſind auch fuͤr 


dad Amt eines Ritters, das große Aehnlichkeit mit dem 


Amte eines Prieſters hat, gewiſſe Waffen und Kleidungs⸗ 


ſtuͤcke beſtimmt, die auf den Vorzug feines Standes und " 
feiner Würde ihren Bezug haben. — Die mit ber geiſt⸗ 
lichen Kleidung verbundenen Vorrechte waren auf gleiche 
Weiſe mit der Kleidung ber Ritter verknuͤpft; und wenn 
der Ritter dieſen Stand annahm, um gewiſſe zeitliche 
Vortheile zu erlangen, fo warb dies fuͤr verbrecheriſch ge⸗ 


halten. Dagegen war es ſehr haͤufig, daß, um ewige 
Vortheile zu erlangen, in weit vorgeruͤckten Jahren, wenn 
dem Ritter ber Fampfgewohnte Arm ermübete, die Gattin 
geſtorben, die Kinder erwachſen und felbft wieder anfäßig 
waren, er in den geifllihen Stand überging. Einzelne 
“Dichter haben fogar, damit in ber PVergleichung des Ritz 
terftandes mit dem geiftlichen Stande nichts fehlen möge, 
auch die Verbindlichkeit zum ehelofen Stande auf die Rits 
ter. erſtrecken wollen, und ba bie Kirche ihren Dienern die 
Ehe verbietet, fo wollten fie folche auch denen vom Rit⸗ 
terftande verfagen; vin Berlangen, worein inbeffen bie 
Ritter zu willigen, niemals ſich bereit zeigten. Indeſſen 
liegt boch in dieſen dichterifchen Wuͤnſchen und Vergleis 
dungen alles bad, was die Vereinigung der Geiftlichen 
und Nitter in einigen geiſtlichen Ritterorden bewirken 





— — — — 


266 Awelter Abſchnitt. Xitterleben. 


konnte und jene merkwuͤrdigen Ritterorden der Johanni⸗ 
ter, deutſchen Ritter und Tempelherren begründete. | 

Auch die Wohnungen der Ritter mußten mit Merl: 
malen verfehen feyn, die ihre Vorzüge vor anbern bewies 
fen und fo fchon im Stande waren, von außen Achtung 
für.die Einwohner zu erweden, inbem bereits diefe dußern 
Zeichen dahin wiefen, baß bie in dem Gebäude Wohnens 
den durch Auszeichnungen erhöht warn. Go zeigten 
fon bie Thieme und Mauerzinnen, welche zur Beſchuͤz⸗ 
zung ber Schlöffer dienten, den Vorzug ihrer Einwohner 
an. Nur bie Erelleute hatten bad Recht, bie Gipfel ihrer 
Häufer mit Wetterfahnen zu ſchmuͤcken, und ſelbſt bie 
Geftalt dieſer Wetterfahnen zeigte bie Würbe des Haus⸗ 
beſiters an. Woren fie nach Art der Fähnlein gebilbet, 
fo bedeuteten fie Ritter. Waren fie wie Panner gefchnits 
ten , fo bebeuteten -fie Pannerberren. ' Bei dem Eintritt 
m biefe Häufer konnte man den Rang bes Befigerd noch 
beſſer an den verſchiedenen Verzierungen des Bausgerathe 
erkennen. 

Die Einrichtung der Ritterſchaft erlaubte ſelbſt armen 
Nittern in bie Reihe ber reichern zu treten, ja feßte fie 
in den Stand, Telbft Reichthuͤmer zu erwerben, ober wes 
nigſtens fo viel, daß fie auf eine anfländige Art ihr Leben 
zu führen vermochten. Wer den Krieg mit vorzuͤglicher 
Wachſamkeit, Tapferkeit und Thätigkeit führte, ber ward 
durch Beute bereichert und burch die Gelder, welche für 
bie Loslaflung der Gefangenen bezahlt wurden. Näch der 
Schlacht ward gemeinhin die Beute vertheilt; Bold, Gil: 
Ber, Pferde, Prunkroſſe und Maulefel erhielten gewoͤhnlich 


9, Abtheil. Vorzüge m, Auszeichn. d. Ritterw. x. 267 


bie Ritter; das Uebrige ber Beute warb vermutblich. ben | 
Knappen überlaflen, ‚und was biefe nicht wollten, ben ges 
singern Perfonen, die fich in dem SHeeresgefolge befanden. 
Nach verfchiebenen verglichenen Angaben befland das Loͤ⸗ 
fegeld, wie es ſcheint, gewöhnlich in den einjährigen Eins 
Hanften des Gefangenen. — Einem Ritter war e8 er⸗ 
laubt, befonderd einem berühmten, nicht allein einem 
Fürften und‘ Hofe feine Dienſte zu leiften, ſondern auch 
mehren; und von jedem durfte er die freigebigen Beweife 
ber Gnade und der Anerkennung feiner ritterlichen Kraft 
und SBerlhmtheit genießen. Es war auch ‚gerabe nicht ' 
nöthig, daß ein Ritter bei einem Hofe in Dienften war, 
um von ber großmüthigen Zreigebigfeit deffen, ber den 


Hof hielt, Vortheil zu ziehen. Ein jeder fahrender Ritter - 


warb an den Höfen fröhlich und mit Luft und Liebe aufs 
‚genommen ; ja auch anbere Perfonen aus dem Heere und 

Adelftande nahmen bie fahrenden Ritter freundlich und 
gerne in ihre Wohnungen ein, und hatten beshalb, wie 
wir fchon oben bemerften, als Zeichen ber bereitwilligen 
Aufnahme, Helme "über die Thore ihrer Burgen und 
Schiöffer fegen laſſen, weiche als ficheres Schild ‘günfliger 
Aufnahme eines jeden Ritters galten.‘ Wenn .alfo Ritter 
und Knappen, bie auf Zurniere, ober in ben Krieg, ober 
zu andern Abenteuern reiften, fi an diefen Höfen oder 
in diefen Schlöffern einfanden, fo wurden fie bafelbft mit 
allen Merkmalen der Achtung und Sorgfalt aufgenommen. 
Indem man fie und ihr Gefolge während Ihres Aufents 
halts in allem frei gehalten hatte, wurben fie fogar noch 
bei ihrer Abreife mit Geſchenken uͤberhaͤuft. Man verehrte 


l 


a 


268. | ‚Spoelter Abſchnitt. Ritterleben. 


ihnen Waffen, Eofibare Kleiver, Pferde, ja man fehenkte 
"ihnen fogar Geld. Aber auch hier fand das ſchon oben 
erwähnte Verhaͤltniß ſtatt: die Ritter erhielten einen bops 
pelt fo flarken Betrag an Gold und Silber, ald bie 
 Knappen, und eben fo erhielten die Pannerherren noch 
einmal ſo viel, als die bloßen Ritter. Bei diefen Se: 
geſchenken war das Eigene, daß ſelbſt die vornehmſten 
Herren die Annahme derſelben nicht ausſchlugen, und dies 
aus dem Grunde, daß man dieſe Gaben eigentlich nicht 
als. Geſchenke betrachtete, welche ber Perſon des Gaſtes 


gemacht wurden, fonbern fie bebeuteten vielmehr, daß man 


an dem Vorhaben beffen Theil nähme, dem man es gab, 
und daß man das Seinige zu dem Ruhme beitragen wollte, 
ber dadurch auf die ganze Ritterſchaft fiel. Noch war es 
ein ſicheres und oftmals in "Ausübung tretended Mittel 
für aͤrmere, aber tapfere und dadurch befannt gewordene 


. Mütter, daß ein reiches Erbfräulein, oder auch eine vor- 
nehme Frau, bie mit anfehnlichen Befigungen Wittwe ger 
- worden war, außerordentliher Hülfe bedurfte und einen 


folchen Ritter von bekannten guten Eigenfchaften und 
Faͤhigkeiten zu Hülfe rief; Verhältniffe, die nicht Bloß bie 
NRitterromane erzählen, ſondern die häufigft in ber Ge 
fchichte vorfommen, da fie ſich im Leben ereigneten. Eine 
folche übergab num diefem Ritter, ünter dem Titel eines 
Schloßvogts, die Beſchuͤtzung ihres Schlofies und ihrer 
Lehnguͤter, nebft der Befehlöhaberftelle Uber die unter ihrer 
Botmäßigkeit ſtehenden Lehnleute und die zum Kriege 
Verpflichteten. Hierdurch gewann der Ritter ein ruhiges, 
bepagliches und geficherted Daſeyn; aber biöweilen belohn: 





9, Abtheil. Vorzüge u; Auszeichn. d. Ritterw. x. 269 
ten auch die von ihm Beſchuͤtzten ſeine wichtigen Dienſte 
durch das Geſchenk ihrer Hand. Solche Verbindungen 
wurden meiſtentheils auf Anrathen und mit Genehmigung 
der Herrſcher des Landes eingegangen. Als geborene Be⸗ 
ſchuͤtzer der adelichen Wittwen und Waiſen in ihren Staa⸗ 
ten, erfuͤllten die Fuͤrſten, eben durch die Verbindung der 
Vortheile zweier Perſonen, die edelmuͤthigen Pflichten‘ des 
koͤniglichen Schußes, und zugleich belohnten fie damit die 
Tapferkeit der tüchtigften Ritter an ihrem Hofe. 

Wenn ein Edelmann bie Ritterwürbe erhielt, fo 
wurde er. von diefer Zeit an nicht mehr als ein Minders 
jähriger betrachtet, und ſtand nicht mehr unter der vaͤter⸗ 
lihen Gewalt, wenn er auch no fo jung wer, da man . 
Beifpiele hat, daß junge Leute im funfzehnten oder ſech⸗ 
‚zehnten Jahre fchon die Ritterwuͤrde erhielten. Wenn in 
den uns nähern Jahrhunderten die Söhne herrfchender 
DPerfonen fhon in der Wiege zu Rittern gemacht wurden, 
fo faut dies gerabe in die Zeit, in welcher das Ritterthum. 
bereitö verfiel, in ber die Würbe des Ritters nicht mehr 
fo geachtet ward; und bie Befreiung von der vaͤterlichen 
Gewalt fand alfo dann gewiß nicht ftatt. Ließ das Schick⸗ 
fal des Krieges einen Ritter in die Hände feiner Feinde 
fallen, fo befreite ihn ſchon feine Würde allein von den 
Feſſeln, wenigftens bei allen chriftlichen Mächten, und auch 
bei den Kreuzzuͤgen war wohl meiftentheild eine ehrenvols 
lere Behandlung der Ritter vorherrfchend, bis die geſtei⸗ 
gerte Wuth des Religionökrieges alles andere vergeffen 
machte und jede Rüdficht vernichtete, Des Ritter Ehrens 
wort war ſonſt das ſtaͤrkſte Band, das ihn zuruͤckhielt. 


| 70. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben, 


Nach ihrer verfchiedenen höhern Würde im Ritterſtande, 
3. B. ob fie Pannerherren waren oder nicht, richtete fih 
auch mandjes in ihrem Briegerifhen Schmud, und man: 
ches Heinere Stud ihrer Ruͤſtung befam baburd keine 
andere Geflalt, die fich befonvers an ben Helmen, Helm- 
. kleinodien, Helmdeden, Kronen u. f. w. zeigte. Diefe eins 
zelnen Vorzüge in bet Tracht gingen am Ende in ihre 
Bappen über, wo fie fich erhielten, ja bis auf unfer 
Tage bewahrten. \ 

Wenn wir baher fo viele Vortheile und Vorzůge mit 
der Wuͤrde und dem Stande des Ritters verbunden ſehen, 
iſt es wohl natuͤrlich, daß recht viefe fich bemühen, dieſer 
-Bürde thejlhaftig zu werden; und in dieſer Vermehrung 
ber Ertheilung des Ritterſtandes muͤffen wir eine Haupt: 
- urfache vom Verfalle bes Ritterweſens finden: So wie 
fih die Turniere, welche einzelne Perfonen gaben, und 
die innerlichen fo wie auch bie äußerlichen Kriege verviel⸗ 
fältigten, ward auch eine Vermehrung ber Ritterſchaft 
immer nothwenbiger und fand fi durch mannichfache An: 
reize von felbft. In fruͤhern Zeiten hatte auch wohl eine 
bedeutende Vermehrung der Ritterfchaft zu einer Zeit 
ftattgefunden, befonder8 bei großen Zeftlichfeiten, vor 
feierlichen Zurnieren, bei Vermählungen hoher Derfonen, 
wobei dann diejenigen, welche die Würde ertheilten, ihren 
Reichthum und ihre Macht zeigen wollten, da, wie wir 
aud) bereitö oben gefehen haben, ed Sitte war, folche nen - 
gefchlagene Ritter vollkommen zuͤ bekleiden und mit allem, 
was zu ihrer Ausruͤſtung gehörte, zu befchenfen, fo wie 
ihnen auch reichliche Gaben an Gelbe zu geben. Um auch 











9, Abthell. Vorzuͤge u, Auszeichn. d. Ritterw: ı. 774 


hier nur ein Beifpiel Diefes reichlichen Kitterſchlages/ zu 
erwaͤhnen, ſo ſchlugen die drei Soͤhne Philipps, des Soh⸗ 
nes Philipps des Schoͤnen, als ſie dieſe Wuͤrde ſo eben 
erhalten hatten, gleich nachher 400 Knappen zu Rittern; 
und daß funfzigen zu gleicher Zeit dieſe Wuͤrde ertheilt 
warb, dies fiel gar nicht ‚auf, wie dies alles ausführlider | 
"im Abfchnitt von dem Nitterfchlage und den Zeftlichleiten . 
des Mittelalters bemerkt worden if. — Die Großen eines 
Reichs, die gegen einander oder gegen ihr Reichsoberhaupt 
in Fehde waren, glaubten ſich nur mit Huͤlfe der Ritter⸗ 
ſchaft erhalten zu koͤnnen; und da ſie nicht bedachten, daß 
nur die gute Verfaſſung ber Kitterſchaft und nicht 
die Menge der Ritter ihre Stärke ausmachen koͤnne, f6 
fuchten fie fidy eine große Anzahl von Anhängern zu ges 
winnen, um beren Rechtfchaffenheit, Aufführung und gute 
Sitten fie fi übrigens nicht befümmerten, indem fie eine 
große Maffe zur Ritterwuͤrde beförberten. Aber auch bie 
Herrſcher felbft. wurden immer verfchwenderifcher mit ber 
Ritterwuͤrde. Sie ertheilten fie nicht nur an unadeliche 
Gelehrte und Staatömänner, auch Bürger und geringere 
Leute erhielten fie. "So ging 3.8. ſchon Kaifer Friedrich 1 
in Deutfehland fo weit, daß er, zum großen Xergernif 
und Nachtheil ber Achten Ritterſchaft, anfing, geringe _ 
Soldaten, Kriegölnechte, ja fogar Handwerker auf dem 
Schlachtfelde zu Rittern zu fchlagen, wenn fie fih nur 
tapfer gehalten, ja bloß bucch einen rohen Muth auöges 
zeichnet hatten. Ihn giebt man auch als Urheber des Ges 
brauchs an, die. Ritterwürbe an Gefchlehter (Patrizier) 
au ertheilen, bie das "Recht hatten, daß aus ihnen in den 


272 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


Staͤdten die vorzuͤglichſten Ehrenſtellen und Aemter befegt 
werden mußten, und bie daher einen ſtaͤdtiſchen Adel bil: 
beten. Kaiſer Friedrich LIT ertheilte endlich fogar allen 
Bürgerlichen fürmlih dad Recht, daß fie zu Rittern ge⸗ 
fchlagen werben konnten. Dadurch verringerte fih ver 
- Glanz der alten Ritterfchaft nicht wenig: die alten Ritter 
. fohen mit Mißvergnügen auf biefen neuen Anwuchs nieber; 
fie mochten die Kampfbahn nicht mit denen theilen, bie 
‚nicht auf gleicher Stufe mit ihnen flanden, und fo erfal- 
tete bei ihnen die Liebe für Ritterthaten und zur Ritter 
Schaft. Wie e8 aber auch hierbei noch nicht ein Bewenben 
hatte, fondern man fogar Kinder und Knaben, Gaukler 
und Poffenreißer, und Leute des niedrigften Standes und 
keinesweges edler Geſinnungen, | zu Rittern machte, als 
ein jeder, der nur ein wenig geſchickt Banze und Schwert 
zu führen wußte, ſich felbft für einen Knappen und Ritter 
andgab; ald bie alten Zurnierhöfe den Fechtſchulen und 
“ den Uebungen darin, die von meiſt rohen und ungebilbes 
ten Menfchen gehalten wurben, wichen: da war es kein 
Wunder, daß der alte Rittergeiſt und mit ihm bie erftaus 
nenswürdigen Wirkungen, die er durch Jahrhunderte über 
einen fo großen Theil Europas ausgeuͤbt, verflogen. Nach 
dem aber fchon länger der Geift eines in feiner’ Blüte fo 
ſchoͤnen Strebens und Lebens gewichen, und nur die 
tobte Form und ein leeres Spielwerk übrig geblieben, 
wollen wir nicht Elagen, daß auch dieſes entwich und bie 
ganze Achte Kitterzeit als ein fchöner dichterifcher Traum, 
vielleicht pft durch bie. Einbildungsfraft zu ſchoͤn ges 

ſchmuͤckt, vor dem Blick ber Geſchichte liegt, zumal da ber 


4 Pa | 
€ 2 


4 


9. Abtheil. Vorzüge m, Auszeichn. d. Mitterw.ic 273. | 


eigentlich baran nagende Wurm, der fogleich zu erwähnen, 
viel Böslihes und Gehäffiges bineingetragen hatte, 

Diefe das Ritterwefen hauptfächlich' vernichtenbe innere 
Urſache war: die gar mächtig anwachfende Sittenvers 
derbniß, die fi durch alle Stände zog, und bei den 
Rittern, die in Gluͤck, Reichthum und Wohlleben ſich be⸗ 
fanden, die mit allen Staͤnden in ſo vielfache Beruͤhrung 
kamen, und gerade durch den Schwung der Einbildungs⸗ 
kraft leichter bewogen werden konnten, von der edlen 
Seite der Bildung abzugehen und ſich einer verderblichen, 
Geiſt, Gemuͤth, Herz und Leib zerſtoͤrenden Schrankenlo⸗ 
figkeit hinzugeben, vorzuͤglich tief Wurzeln geſchlagen 
hatte. Gottesfurcht und Liebe, die Grundpfeiler eines 
edlen Ritterthumes, waren nad) und nach ganz untergras 
ben worden. Wie finnli die Gotteöverehrung fi in 
jener Zeit geflaltete,; das haben wir fchon oben gefehen, 
und bie Diener der Religion trugen gewiß fehr viel zum 
Verfalle der Gotteöfurcht bei. Der Wunſch „ihre Stif⸗ 
tungen zu bereichern, hatte bie Geiſtlichkeit, beſonders 
waͤhrend den Kreuzzuͤgen, zu manchen Schritten vermocht, 
wodurch das Vermögen der einzelnen Familien ſehr ver⸗ 
ringert worden war; und die ſo bereicherten Kloͤſter lebten 
jetzt nicht mehr bloß ihren frommen Werken, nicht etwas 
den Wiſſenſchaften, fondern genofjen die Reichthuͤmer, die 
fie gefammelt hatten, oft im praffenden Wohlleben. Die :- 
dadurch bewirkte größere Freiheit der Sitten erſtreckte ſich 
auch uͤber die Graͤnzen der Kloſtermauern und die Ritter, 
weiche manche andere Begriffe und Anfihten mit ans dem 
Morgenlande brachten, fahen fo bie Geiſtlichkeit, die von 

. 48 


ba x 





Na Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. 


dem Vermoͤgen ihrer Voreltern ſchwelgte, nicht bloß mit 
neidifchen Augen an, fondern fie verfuchten auch’ die Gi; 
ter, die fie ſich ungerechtermweife .entriffen achteten, wieder 
zu erlangen. Die Zänfereien, Streitigkeiten und Befehs 
dungen, welche baraus entflanben, erbitterten bie Gemüther 
und erfüllten fie mit Haß gegen diejenigen, welche fie fir 


Räuber des ehemaligen Eigenthums ihrer Väter anſahen. 


Aus .diefem Haffe gegen die Diener der Religion entflan 
auch Geringſchaͤtzung, Abneigung und Verachtung der 
Sottesverehrung; und daraus floß eine laue und verderb⸗ 


liche Anficht aller der Pflichten, welche bloß die Menfchen Ä 
in einer edlen Geiſtes⸗ und Thater: Richtung erhalten 
Fönnen, Wie nun bie Gottesfurcht ſchwand, fo verrin⸗ 
gerte fich auch die. zweite Grundfefte des Rittertbums und 


“der große und mächtige Hebel deffelben, der fo viele be 
wunberungswürdige Thaten hervorgebracht hatte: die Ber 
ehrung ber Frauen und bie reine, durch Sinnlichkeit fo 


wenig wie möglich gefrübte Liebe der. Bitter. Die Bu 
kanntſchaft, die fie in ben Kreuzzuͤgen mit dem morgen: | 


laͤndiſchen Frauen und deren Verhältnig zu ben Maͤnnem 
"gemacht hatten, war ihnen höchft nachtheilig gewefen und 
diente nur zu fehr dazu, bie geiftige Liebe, die fie fonft 
beherrfchte, und die fie vor allem, wenn auch nicht immer, 
doch oft gefucht hatten; zu untergraben. Dazu kam, daf 
bie europälfchen rauen, verführt durch Beiſpiel und Ge 
fpräche der ausgearteten Ritter, felbft finnlicher wurden; 








und fo begarın die Verführung und Anleitung zu immer | 


höher wachſender Sinnlichkeit ihren Kreislauf unaufhaltfam 





’ 


6. Abthell. Vorzüge u. Auszeihn, b. Ritterw. ꝛc. 275 


wodurch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt der Sittenverfall fich 
verſchlimmerte. Die ehemaligen Anſtrengungen der Ritter, 
ihre Pflichten zu erfuͤllen und ſich auszuzeichnen, bloß um 
einige geringe Gunftbezeugungen ihrer Geliebten zu erhals 
ten, Bänder, Schleifen, Armbänder und anderen Schmud, 
ben fie an ihren Helmen befefligten, hörten auf, da fie 
nun die größten Gunftbezeugungen mit leichter Mühe von 
benfelben erhalten konnten. 
So war durch innere zerrüittende Gruͤnde die dußere 
Haltung und der Orundpfeiler des Ritterthums vernichtet, 
es hatte das Bertrauen in fich verloren und Liebe, Ach 
! tung und Vertrauen ber damaligen Zeit meift ganz vers 
ſcherzt, fo daß einzelne Ritter, bie den alten Rittergeiſt 
zu erneuern und in ſich zu befefligen fuchten, als ein 
Wunder daſtanden und bie erftaunten Blicke und bie Lob⸗ 
preifungen ihrer Zeitgenoſſen auf fih zogen. Es bedurfte 
nun nur eines äußern Beweggrundes noch, um das 
Ritterweſen ganz zu vernichten, es bedurfte num noch eines 
Anleits, das Anfehn ber perfönlichen Tapferkeit zu erſchuͤt⸗ 
tern und die Laſt, fo wie bie Ehre bes Krieges, von ben 
Nittern ab auf einen ändern Stand zu fchieben, die 
Unentbehrlichleit der Ritter in ben Kriegen aufzuheben: 
und dies beides bewirkte — die Einführnng der ſtehen⸗ 
ben Heere und bie Erfindung bes Schießpulvers mit 
dem Geſchuͤtz. So wichtig auch für die Herrſcher die Huͤlfe 
ber Ritter gewefen, fo war und blieb es doch immer nur 
eine. freie Hülfe, fie war durch Bein beflimmtes Banb 
gefnupft und unaufloslich, noch weniger blind an den . 
Ä 18* " 


276 | Zweiter Abſchnitt. Ritte rleben. 


Willen bed Herrſchers gebunden. Dieſe blinde, bloß fol⸗ 
gende, nicht erwaͤgende Huͤlfe ſich zu verſchaffen, war ein 
Hauptſtreben der Herrſcher; ſie bemühten fi) daher, durch 
ihren Sold und andere Vergünfligungen eine Maſſe fich 
zu gewinnen, bie immer: fih um fie befinden Tonnte 
‚und ganz in ihrer Hand war. Dies begann befons 
ders in Frankreich mit König Karl VII, ber die Drs 
donnanz⸗ Compagnien, befannter unter dem Namen 
GSensb’armerie, einführte. Bald fah er aus diefer Einrich> 
fung Krieger hervorgehen, die folgfamer und ihm ergebner 
waren, als bie Ritter, und die ex baher für völlig würbig 
hielt, die Stelle diefer einzunehmen; ia er hielt bafır, 
daß fie im Stande feyn würden, der Ritterfchaft alle Den 
Ruhm 'einft flreitig zu machen, in beffen ausfchließendem 
Befitze biefelbe biöher gewefen war, wenn auch nicht ab 
nend, daß fih mit und durch fie eine neue Art der Rit⸗ 
terfchaft entwideln würde, die auf bie Geflaltung Europas 
in den folgenden Jahrhunderten fo vielen Einfluß, bis auf 
bie heutigen Zage, gezeigt hat. Je mehr Eifer die neu 
angeworbenen Krieger zeigten, unb je mehr fie belohnt 
und begünftigt wurden, um fo mehr bemühten ſich die 
Adelihen, darin mit aufgenommen zu werben, befonbers 
auch darum, weil -fie dad Recht erhielten, bie Befehls ha⸗ 
berftellen dabei einzunehmen. - Die neue eifrige Einübung 
ber zum Kriegesdienſt gehörigen Söldner erwarb dieſen 
* bald eine große Sertigkeit, fo daß fie, da fie auch meiß 
nichts. anders trieben, fondern ihre Tage zwifhen Müßigs 
gang und weniger Uebung. theilten, bie ritterlichen Künfte 


9, Abtheit. Vorzüge u. Auszeichn. 6. Nitterm. x. 7. 


bald inne hatten und nur darauf warteten, fe auf den 
Wink ihres Fuͤrſten ondzuäben, 
"Ueber ein halbes Jahrhundert fpäter, als in Frankreich, 
entſtand in Deutſchland unter Kaiſer Marimilion I, gerade 
unter dem Kaifer, ber als ber letzte Ritter Deutfchlands 
zu betrachten if, und ber des Ritterthums aͤlterm Glanze 
freudig nachfolgte und nachfpfirte, der neue Stand der 
Soͤldner und Landsknechte, die damals indeſſen als ein 
fehr wuͤſtes und unheimliche, in Deutfchland herums 
ſchwaͤrmendes und viel Uebeles anrichtendes Voͤlklein von 
ben Gefchichtfchreibern befchrieben wurden *). Esft” der 
berühmte Faiferliche Feldherr Georg von Frundsberg gab 
ihnen eine beffere und paſſendere Einrichtung, die mehr 
Ordnung und Regelmaͤßigkeit unter fie brachte. Derglei⸗ 
chen Soͤldnerhaufen oder ſtehende Kriegeöheere wurden in 
ganz Europa’ immer gewöhnlicher, und bie Ritter übers 
nahmen wohl den Oberbefehl folcher Fähnlein, oder wars. 
ben felbft welche, wie das Leben des Goͤtz v. Serlichingen 
fhon mannigfache Beifpiele enthält. Nun Fam dazu 
j noch bie Vervielfältigung des Schießgewehres, befonber& 
bed groben Geſchuͤtzes, welches in feinen reißenden ‘und 
furchtbaren Wirkungen alle bie alten Wurfgefchüge hinter 
fih ließ, und indem es die ganze Kampfart verwandelte, 
beſonders bie Angriffswaffen der Ritter - beinahe ganz 
unnuͤtz machte. . Die mächtigen Vertheidicungswaffen, die 


*) Man ſehe nur, was bee Renner und Hans Sacht von. ihnen 
Tagen. 


778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


ſie bisher trugen, gereichten ihnen nach und nach nur 
zur Laſt; und je mehr ſie bavon ablegten, je mehr 
wich auch der wahre Rittergeift, der fo nur noch ſchwach 
in ihnen gelebt, von ihnen, und man könnte ihn daher 
wohl zum Theil an jene Waffenflüde gebannt erfidren. 





N 


40, Abtheil. Strafen dee Bitter, Tod x. 279 


Zehnte Abtheilung. 


Strafen der Ritter, Tod und. Seichenbegängniß. Ä 


Nachdem wir dem Glanze der Ritterſchaft bisher durch 
alle Abtheilungen des Ritterlebens gefolgt ſind, kommen 
wir nun auf die, in welcher zu erzählen iſt, wie ber 
Glanz diefes Ritterlebens Verf, fey eö nun als Strafe, 
ober durch die Auflöfung aller menfchlichen Einrichtungen. 
und VBetriebfamkfeit, durch den Zod. Se höher und allges 
mein die Ritterwürbe geachtet wurbe,. je größer man bie= 
ſes Vorrecht hielt, um fo mehr bemühte man ſich aud, 
baffelbe zu bewahren; und eben hierin ift auch ein Grund 
zu fuchen, daß man bie Lebensart vermieb, burch welche 
man biefe Würde verlieren Tonnte, benn fo unzerflörbar 
biefe Würde auch war, wenn man fie einmal erhalten 
hatte und einen Lebenswanbel führte, her ihrer Anficht 
entfprach, fo gab es Doch Bebingungen, unter denen fie 
aufhoͤrte. Geringere. Strafen der Nitter haben wir ſchon 
oben in der Abtheilung von den Turnieren kennen gelernt, - 
als z. B. Entfernung von den Vortänzen bei ben feierlis 


en Tanzen, welche nad) Zurnieren gemeinhin ſtattfanden; 


Berbot, die Zurniere zu befuhen; Empfang mit Schlaͤ⸗ 
gen berjenigen Ritter in den Zurnieren, welche fi durch 
irgend einen geringen Sehler ftrafbar gemacht hatten, wobei 
bie Strafe mehr ober minder heftig war, je nachdem ihr 


2 


\ 


280 Zwelter Abſchnitt. Nitteriihen. 


eigenes, großes ober. kleineres Verbrechen, fo wie das 
eines nahen Anverwandten in ihnen beſtraft ward; zuletzt 
Beraubung des Pferdes und Zwang, waͤhrend des Turniers 
auf den Schranken der Turnierbahn zu reiten, wie dies 
alles ausfuͤhrlicher im Abſchnitt von den Turnieren eroͤr⸗ 
tert und betrachtet worden iſt. 

Wenn nun aber gar ein Ritter ſeinen Stand durch 
ſchlechte Handlungen, durch ein Verbrechen, oder durch 
irgend eine andere entehrende That brandmarkte, bann 
warb er mit dem ſchandvollſten Zuflande, durch eine Abs 
fegung aus ber Ritterwuͤrde, durch eine Erniedrigumg 
beftraft. 

Diefe Entfehung ber Ritterwürbe haͤufte auf ben 
Verbrecher, wie es in ber bamaligen firengen Zeit gewoͤhn⸗ 
lich war, eine große Mafle bedeutender und ergreifenber 
Beſchimpfungen. Denn fobald ein Ritter für feine Vers 
brechen zu folcher Befhimpfung gerichtlich verurtheilt wors 
ben war, wurbe er fogleich auf ein Gerüfle geführt, wo 
man vor feinen Augen alle feine Waffen und bie verfchies 
denen Stüde feiner Rüftung, bie er entehrt hatte, in 
Stüden brach und ihm vor die Füße warf. Die Sporen 
wurden ihm auf einem Mifthaufen abgenommen (jenes 
Hauptzeichen ber Ritter ‚und ihnen fo werth, daß, mie 
wir bereit8 oben gefehen haben, der Ausdruck: bie Sporen 
anlegen, mit Ertheilung der Ritterwuͤrde gleichbedeutend 
war), feinem Pferde warb ebendafelbfl der Schweif abge 
hauen. Auch mußte er fehen, wie fen Schild, auf dem 
das Wappen audgelöfcht "war, an dem Schweife eines 
ſchlechten Pferdes hangend, mit ber Spitze in bie Höhe 


—W 











10. Abthell. Strafen der Ritter, Lob c 31 


gelehrt, auf eine ſchimpfliche Art durch den Koth gezogen 
ward. Die Umkehrung des Schildes, ſo daß die Spitze 
in die Hoͤhe gekehrt war, bedeutete immer, wie bereits 
oben bei der Betrachtung des Schildes angeführt worden, 
‘daß der Inhaber und Eigenthlimer verflorben fey. Hier 
ward alfo der Ritter wie ein Verſtorbener betrachtet, und 
fein fittlicher Tob galt für einen wirklichen Leibestod. 
Wappenkönige, Herolde und Bappenperfevanten mußten 


für die Vollziehung diefer Strafe forgen, wobei fie gegen 


den Frevler bie bitterften Beleidigungen und Schimpfworte 
audftießen. Die Priefter verlafen über ihn, nachdem fie 
vorher die Bigilien der Todten abgefungen hatten, ben 
hundert und achten Pfalm, welcher viele VBerwünfchungen 


und Vermalebeiungen wider die Verräther enthält. Dreis _ 


mal fragte der Wappenkoͤnig oder ber Wappenherold nach 
dem Namen bed Verbrecherd. Jedesmal nannte ihn der 


Wappenperſevant, und immer. fagte der Herold, daß dieſer 


nicht der Name desjenigen wäre, ber bier vor-feinen Augen - 


flände; denn an diefem erfenne er weiter nichts, als einen 
. Verräther, einen Zreulofen und Eidbrüchigen. Hierauf 
nahm er aus ben Händen eben dieſes Wappenperfevanten 
‘ein Beden mit warmem Waſſer, warf es mit Unwillen 
auf dad Haupt des ehrlofen Ritterd, um dadurch die heis 
Nlige Würde, welche ihm durch den Ritterſchlag verliehen 
worden war, zu vertilgen. War der Verbrecher auf dieſe 
Weiſe herabgewuͤrdigt, ſo wurde er an einem, unter ſeinen 


Armen befeſtigten Stricke von dem Geruͤſte niedergezogen, 
auf eine Schleife oder Tragbahre geworfen, mit einem 
Todtentuche bedeckt und in die Kirche geſchleppt, wo man 


[7 


2 Bueiter Abſchnitt. Ritterleben. 


die naͤmlichen Gebete und Feierlichkeiten, wie bei Ver⸗ 
ſtorbenen, über ihm verrichtee. Bei ſchweren Verbrechen, 
3. 8. ber beleibigten Majeflät, warb bad Wappen, wie 
noch heut zu Tage gefchieht, durch ben Scharfrichter 
öffentlich zerbrochen. Sleidanus in feinem Comment. B. 
VI..p. 146 erzählt ein folches Beifpiel von dem Herzoge 
Karl von Burgund, wegen feines Abfalls von den Könige 
won Frankreich. | | 
Haren geringere Verbrechen begangen, fo war auch 
bie Strafe milder, und es wurde zum Beifpiel der Ritter 
zur von der Zifchgefellichaft anderer Ritter ausgeſchloſſen. 
Hatte die Ankündigung‘ diefer Entfernung aus ritterlicher 
Zifchgemeinfchaft keinen Eindrud auf ihn gemacht, war er 
frech genug, fich zur Rittertafel zu draͤrrgen und baran 
Plag zu nehmen, fo warb vor ihm das Tiſchtuch zerſchnit⸗ 
ten, indem ein Wappenherold an ben Tiſch trat und ers 
Härte, Eein ehrfamer Ritter Eönne mit ihm das Mahl ein: 
uehmen, wobei er dad Tiſchtuch vor ibm entzweifchnitt 
and fein Brot umkehrte. Verſtattet war ed aber auch 
dem Nitter, der fo verunglimpft ward, feine Unſchuld zu 
‚beweifen, oder auch, wenn er bies wirklich nicht 
konnte, ſpaͤterhin durch ein untadelhaftes Betragen feine 
Schmach wieder zu fühnen. Ein Beifpiel davon liefert 
und die Geſchichte: Als einft Wilhelm von. Hennegau, 
Graf von Oſtrevan, an der Tafel Königs Karl IV fpeifete, 
trat ein Herold in den Saal und fchnitt vor dem Grafen 
das Tiſchtuch entzwei, unter der Ankündigung, daß ein 
Unbewaffneter nicht verbiene, an ber Zafel des Königs zu 
fiten. Der Graf, den diefer unerwartete Auftritt überaus 


WB ra zu ‚2 


[ 


| 40. Abthell. Strafen der Mitter, Lob. 33 


befremben mußte, antwortete, baß er fo gut wie andere 
Kitter Schild und Lanze führe. Unmoͤglich, erwiberte der 
ältefte Herold, denn Ihr wiflet, gnädigiter Herr, daß 
Euer Sroßoheim von den Zriefen getübtet worden ift, und 
daß fein Tod bis jegt ungerächt blieb; hättet Ihr Waffen, 
fo würde dies gewiß laͤngſt gefchehen feyn. Diefe Bes 
ſchimpfung erregte den Ehrgeiz des Grafen, der nun an, 
‚nichts weiter dachte, ald wie er feine Schande wieder gut 
wachen könne; er fand das Mittel und erreichte feine Abs, 
fiht. (Histoire general de la vie privee des Frangais.), 
Bar ein Ritter genöthigt worden, durch bie vor ihm 
geſchehene Zerfchneibung des Tiſchtuches die Stelle an ber 
Kittertafel zu verlaffen, fo warb ihm nicht einmal erlaubt, 
an ber. Tafel ber Knappen feine Stelle einzunehmen, wenn 
er nicht einer gleichen Beſchimpfung gemrärtig feyn wollte“. _ 
Dies beweifet eine Stelle aus dem franzöfifcyen Gedichte 
Zancelot du Lac, wo ed heißt: Ein Ritter, den man als 
einen beruͤchtigten Menſchen anfah, Fam an ben Hof bes 
Königs Artus und wollte an der Rittertafel Plag neh⸗ 
men; keiner wollte ihn aber daran, leiden. Verſtoßen aus 
jebem Rarige, wo er fich. zeigte, wollte er fein Tiſchtuch 
auf der Knappentafel auflegen; hier empfing man ihn 
nicht beffer, fit jagten ihn ebenfalls von ſich; endlich war 
er genoͤthigt, ſich eine Stelle außerhalb des Saales zu 
ſuchen. — Diefe Erzaͤhlung ſcheint durchaus aus dem Leben 
gegriffen zu feyn und beweifend bier eintreten, zu Fönnen, 
Nach Alain Chartier, ſoll Bertrand du Guesclin, die⸗ 
ſes Muſter eines franzoͤſiſchen Ritters, der erſte geweſen 
ſeyn, welcher dieſen Gebrauch eingefuͤhrt hat; indeſſen iſt 


d 


. 2 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben. 


es nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Sitte erſt von ihm her⸗ 
xuͤhren ſollte; vielmehr iſt wohl anzunehmen, er erneuete 
fie, da das ganze ritterliche Weſen in ihm ‚einen Anhalt, 
eine Stüge fand, fowohl durch fein eigenes Verhalten, 
als auch durch die von ih ausgehenden Verorbnungen. 

Solche erttehrende Strafen, bie letzte etwa ausgenom⸗ 
men, batten immer die Folge, daß der Ritter feinem rit⸗ 
terlihen Werke entfagen mußte, denn niemand würbe wohl 
zit ihm gelämpft haben. Gleiche Entehrung traf benz 
auch, wie wir bereitö früher gefehen haben, biejenigen, 
welche in einem angeorbneten Kampfgerichte ausgeblieben 
waren, ober überwunden und nicht töbtich verlegt, das 
Mitleiden ihred Siegers angerufen, hatten; bloß um ihr 
Keben, und noch dazu von ba an ein ſchmachvolles ſich 
zu retten. Died braucht indeflen. bier nur angebeutet zu 
werden, da ed alsführlicher in ber achten Abtheilung er⸗ 
zaͤhlt ward. 

Es gab indeſſen auch eine drendolle Art, wie der 
Bitter feine Rampfzeit enden konnte: durch bad Alter. 
Henn auch ein franzöfifher Dichter, Balbuin von Gonde, 
‚meint, ein Ritter muͤſſe das Kriegeswerk fo lange treiben, 
als es feine Kräfte verflatteten, fo trat denn doch ein 
Beitabfchnitt ein, in welchem er ehrenvoll, bei noch nicht 
ganz erfchöpften Kräften, zurüdtreten Tonnte: dies war, 
" fobald er das fechzigfte Jahr erreicht hatte. Zuerſt zogen 
fih diefe Alten von den Turnieren zuruͤck, wobei fie doch 
noch zugegen feyn durften, ja immer-eine ehrenvolle Stelle, 
wohl gar Dänke, ven Aelteſten⸗ Daft, empfingen. Sie 
‚waren bier nicht allein den jüngern Rittern ermutbigende 


u 


40. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ı. 285 


SBeifpiele durch den. Ruf ihrer Thaten, ‚fondern beſonders 
auch Richter; denn fie kannten alle Arten des Kampfes, 


fie wußten nah Recht, Gitte unb Billigkeit den Sieg 


zuzufprechen. 
Gemeinhin turnierten vor dem Schluſſe ihrer Ritter⸗ 


beſchaͤftigungen ſolche Greiſe noch einmal, zeigten IC 
mannlih und wader und gelobten num, nicht mehr zu 


Tämpfen. Ein Beifpiel davon Liefert die franzöfiihe Ger 


fhichte unter König Ludwig XII. In den Nitterfpielen, | 


die im Gegenwart des ganzen. Hofes in der Straße Gt. 


Antoine gehalten‘ wurden, zeichnete fi), ‘wie Jean de St. 


Gelais (Gefchichtfchreiber Ludwigs XIL) erzählt, unter ans 
dern Herr von Clerieur, ein Mann, der fchon im Winter 
feiner Lebenszeit war, auf das bewunberungswürbigfie 
aus. Denn durch einen Lanzenwinf firedte er einen Edel⸗ 
mann aus ber Picardie, Reuter und Pferb zugleich, zu 


Boden, und alfobald, nachdem er biefes gethan hatte, ‘ 


ging er hin und legte die Ruͤſtung ab, um frifche Luft 
zu ſchoͤpfen. Er überfchidte, zwifchen zwei fchönen Züs 


ern, feinen Helm einer parifer vornehmen Frau, mit dee - 


Bitte, da fie folhen aufbewahren möchte, indem er num 
feine Laufbahn geſchloſſen habe und gefonnen fey, nie 
wieder bei einem Ritterfpiel oder Turnier, wo man einen 
Harnifch tragen muͤſſe, fich einzufinden. Ungern wichen 
indeflen die Ritter aus dieſer geliebten und ehrenvollen 


Beſchaͤftigung und verflachen wohl noch gerne, wenig: 


ſtens in der Stile, eine: Lanze: wie ber Kurfürfl: vor 
Sachſen heimlich mit Georg von Schweinichen, dem Vater 
des befannten Hans von Sıhweinichen, noch eine Lanze 


, 





266 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


bricht, und als beide fallen, der Kurfürft vom Stoß und 
der Schwere feiner Lanze Übermogen, Georg von Schweis 
nichen aber aus Höflichkeit gegen den fallenden Kurfürften, 
gelobt auch der Kurfürft, dies folle feine legte Lanze ſeyn, 
die er braͤche *) Die Kitter, welche das fechzigfte Jahr 
überfchritten hatten, brauchten auch Feine Ritterdienfte, in 
Hinſicht ihres Lehns, mehr zu thun, und überfchidten Daher 
ftatt ihrer Perfon dem Lehnheren ihr Pferd und ihre 
Waffen, oder flellten auch, wie Georg von Schweinichen, 
.. an ihrer Statt den aͤlteſten Sohn. 

Alles ſchloß aber ber allen. gemeinfame Zod, und 
auch hier wurde nun die moͤglichſte Pracht angewendet, 
um bie letzte Ehre dem Ehrenvollen noch auf die wuͤrdigſte 
Art zu beweifen. Gemeinhin wurden die Ritter in voller 
Rüftung beerdigt, vorzüglich aber mit dem Schwerte und 
den Sporen, angethan mit ihrem WBappenrode, es ſey 
denn, daß fie felbft gewünfcht hatten, auf eine nicht fo 
weltliche, fondern mehr geiftliche Art beigefegt zu werden, 

das beißt, angethan mit der Kutte-eined Geiftlichen, wos 
burch fie glaubten manche weltliche Suͤnde abzubüßen. 
In Deutfchland wurde die Beerdigung mit Schild und 
Helm dann befonderd angewendet, wenn der letzte einer 
abelichen Familie dem Schooß der Erde anvertraut wurde. 
Mit ihm gingen ja die Zeichen und Kleinodien feines Hel⸗ 
mes und Schilded zu Grabe. In Deutfchland ift dieſe 
©itte fehr alte Manche Schriftfteller wollen fie aus der 
Zeit Kaifer Heinrichs V herleiten, der im Jahre 1125 ohne 





®) Leben bes Hans don Schweiniden. 8b. L ©. 89. 





10. Abthell. Strafen der Ritter, Tod ı. 287 
Nachkommen verftard, und ber nad ‚Crusius (annales 


Sueuicae) Nachrichten lib. IX, P.H. c. 11. zu Speier 
(wovon indeſſen die fpeierfchen Jahrbücher nichts erzählen) 
mit Schild und Helm begraben worben feyn fol. Hoͤchſt 
wahrſcheinlich iſt aber diefe Sitte uralt und fchreibt ſich 


fchon aus dem Heidenthume ber, wo ja alle Waffen und 


ſogar das Leibpferd des Verſtorbenen mit verbrannt und 


beerdigt wurden, er ſey num ber letzte ſeines Stammesß 


geweſen, oder habe auch noch ſo viel Nachkommen gehabt. 
Aber auch Nachfeiern feines, Todes fanden ſtatt, welches 
er indeffen mit ben Übrigen Chriflen jener frühern Zeit 
‚theilte, indem ber britte, fiebente und breißigfle Tag feier- 
lich begangen ward. Denn ſchon der im elften Jahrhundert 


lebende Bifchof Dithmar von Merſeburg fagt in feinem hoͤchfſt 
wichtigen merfeburger Zeitbuche (©. 383): „benn eben war - 


es ber dritte Tag nad) dem Abfterben bed Erzbifchofs, wel: 
cher fo, wie der fiebente und dreißigſte, bei eines jeden 
gläubigen Chriſten Abfchiebe feierlich begangen wird, und 
zwar um beö Geheimniffes willen, welches damit verbuns 
den ift, nämlich wegen des Glaubens an bie heilige Drei⸗ 
faltigkeit, und wegen ber fiebenfachen Gaben des heil. 


„Geiſtes.“ Nicht minder wurde der Jahreötag feines Todes | 


gefeiert, und, wie finden daher bebeutenb viel Stiftungen 
in alten Urkunden, theils von ben Verſtorbenen felbft, 
theild von ihren uͤberlebenden Kindern, Erben und naͤhern 


Freunden, die Seelenmeſſen zum Heil der Verftorbenen 


auf beftimmten Altären oder in genau angegebenen Kirchen 


fiften. 


- 


Rach den Bemerkungeh „welche la Colombitre in 


288 Bielter Abſchnitt. Mitterlebem. 


feinem theätre @’honneur I. 625 gemacht bat, föllen 


durch bie verfchiebenen Umflände, welde ben Tod Des 
Ritters begleiteten, ob er im Kriege, ober in einem Kant= _ 
pfe, oder bei den Kreuzzügen, ober im Schooße dei Frier 
dend geftorben ‚ wenn er Sieger, Weberwundener ober 
Befangener war, verfchiebene Stellungen eingetreten feyn, 
die man feinem Schwerte, Schilde und Helme auf feinem 


. Dentmahle gab. Da aber ia Colombitre felbft gefteht, 


‘ 


feine Lehren flimmten nicht immer mit dem überein, was 
fich auf dem Denkmahle dieſes und jenes Ritters finde, 


ſo iſt es wohl beſſer, ein ſo wenig haltbares Gewohnheits⸗ 


geſetz mit Stillſchweigen zu uͤbergehen. Favin verſichert 
in feinem theätre d’honneur, daß Ritter, die nach uns 
ternommenem Kreuzzuge farben, wenn fie bemfelben auch 
nicht bis an das Ende beigewohnt hatten, „mit freuzweife 
üben einander gefchlagenen Beinen beerdigt wurben. 

D. Vaisette erzählt (in feiner hist. de Languedoo 
T. IV. p. 520 beim Jahre 1443): „in jenen Zeiten lief 
man ed in Anfehung ber Pracht bei Beerbigungen ober 
Begraͤbniſſen an nichts fehlen, und die Großen verorbnes 
ten hierzu in ihrem legten Willen cußerordentliche Geld⸗ 
beiträge. „Ran beobachtete eine fonderbare Gewohnheit . 
bei: den Begräbniffen ber Freiherrn und andern Ritters 
man ließ in dem Prunfbette, das man an ben Ort des 
Begräbniffes trug, einen lebendigen, vom Kopfe bis zu 
den Füßen gerhfleten Mann liegen, der die -Perfon des 
Berftorbenen vorfiellen folte. In den Rechnungen des 
Hauſes Polignac findet fic) dazu der Beweis, indem darin 
bemerkt ik, daß man im Sabre 1573 fünf Sons an 


10. Abthell. Strafen der Ritter, Tod x. 289 


Blaife gab, meil derfelbe, bei ber Beerdigung Johanns, 
Sohns des Randonnet Armond, Vicomte von Polignac, 
den todten Ritter gemacht hatte.“ 

Die Waffen der Ritter wurden auch haͤufigſt an den 
Deden und Pfeilern ber Kirchen befefligt, damit fie im 
dieſen ein fortwährendes, feierliches Andenken blieben. 
Entweder weihten die Ritter felbft, nach einem bebenklichen 
und fchweren Kampfe, ihr Schwert, ihre Sporen, oder 
auch wohl die Ruͤſtung ihrer „Gegner, wenigſtens eineh 
Theil derfelben, einer Kirche, oder wenn fie flarben, wura 
ben die Rüftungsftüde, die bei der Beerbigungs = und 
Leichenfeierlichleit gebraucht worden waren, ‚neben ihrem - 
Leichendenkmahle befeftigt. Am häufigften finden fich Lanze, - 
Schwert, Sporen, Helm und Handſchuh, man findet aber 
auch in Kirchen vielfältige Beifpiele, daß große Tafeln 
befeftigt worden find, um baran bie ganze Ruͤſtung, naͤm⸗ 
lich die fchon bereitd ermähnten Stude, und außerdem 
och. den Panzer, die Arm» und Bein » Schienen zu beften. 

Wenn auch ‚hierüber allgemeine Geſetze geherrfcht haben, 
— wie z. DB. einem Kitter ‚fein Panier, feine Stand⸗ 
arte und fein Fahnlein zufammen_nur dann mit in fein 
Grab. gegeben werben durften, wenn er in einer Schlacht 
geblieben war, außerdem aber nur eined ober zwei ber 
genannten brei Sachen, nie alle brei zufammen, — fo 
waren boch fo viel befondere Einrichtungen dabei, daß fi) 
daruͤber nichts in ganz allgemeine Säge faflen laͤßt. 

Starb ein fehr berühmter und mannbafter Ritter, fo 
fuchte man. fein Andenken auf alle Weife zu erhöhen und 
bad Gefuͤhl des großen Verluſtes auf jegliche Art auszu⸗ 

Ä 19 


200 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


druͤcken. Land, Ort, die Perſon, welche betrauert ward, 
und die Perſonen derjenigen, welche die Trauer⸗Feierlich⸗ 
Zeit veranſtalteten, machten dabei bedeutende Unterſchiede; 
und es muß daher genügen? ein einzelnes Beiſpiel anzu⸗ 
führen von einem ber mannhafteſten und beruͤhmteſten 
Ritter Frankreichs, dem Konnetable Bertrand bu Gues⸗ 
clin, genannt die Blume der Kitter. 
Als du Guesclin im Jahre 1380 Chateau⸗ neuf oder 
das Kaſtell von Randon belagerte, begannen beide Theile, 
über den Ausgang auf gleiche Weiſe beunruhigt, Unter⸗ 
handlungen und kamen überein: bon ber einen Geite, 
die Angriffe einzuftellen, von ber andern ben Plag zu 
übergeben, wenn die Engländer nicht in dem Tageslaufe 
bed zwölften. Heumonds eine ausreichende Unterftügung 
‚exhalten wirrben, um die Aufhebung der Belagerung zu 
bewirken. Indeſſen erkrankte der Konnetable in dem Laufe 
des Waffenſtillſtandes; die Aerzte erklaͤrten feine Krankheit 
bald für toͤdtlich. Als dieſe Entſcheidung bekannt ˖ ward, 
waren der Schmerz und die Beſtuͤrzung im Heere allgemein: 
Generale, Hauptleute, Soldaten, alle erſchreckte der Ver⸗ 
luſt eines Vaters und unſchaͤtzbaren Freundes. Die Altaͤre 
waren Tag und Nacht von Flehenden umringt, die ihre 
Geluͤbde und ihre Gebete um feine Erhaltung dahin führte; 
felbft die Belagerten, ein erſtaunenswuͤrdiges Ereigniß, 
ftellten Öffentliche Gebete an umd forderten von bem Him⸗ 
mel die Herflelung eines Zeindes, ber ihnen fo furchtbar, 
aber fo vol Zugend und Güte, fo ebelmüthig im Siege 
war, ‚daß fie es für ruhmmiürbig hielten, vor ihm bie 
Waffen nigberzulegen. Du Guesclin fühlte feinen Zuſtand 


‘- 


I) 


10. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ıc. 291 


ohne Unruhe: er ließ feinen Degen, den er ald Konne⸗ 
table führte, auf fein Bette bringen, faßte ihn mit den 
Händen fo kraftvoll als ehemals in ber Mitte der Schlach> 
ten, betrachtete ihn einige Minuten fchweigend, wie zur 
Erinnerung an den Ruhm, mit dem er ihn empfangen 
und den er.bucch ihn erworben hatte. Ich denke, fagte 
er zu dem Marfhall Sancerre, indem ich dieſen Degen 
betrachte, darüber nach, ob ich jemals in dem Gebrauche 
‚ beffelben gefehlt häbe. Ich geflehe ed, daß andere einen 
beffern Gebrauch von ihm hätten machen können, aber 
Peiner konnte reinere-Abfichten Haben, als ich; ich bebauere 
nur fierbend iebt, daß ich die Engländer nicht gänzlich 
aus dem Königreiche vertrieben babe, wie ich hoffte; Gott 
hat diefen Ruhm für einen Würdigern aufbewahrt, viels 
leicht für Euch, Herr Marfchall, vielleicht wird. der Him⸗ 
mel Euch diefe Gnade erweifen; ich wünfche es und halte 
Euch für den Mann im Königreiche, dem diefe Ehre vors 
züglich gebührt. Dann ließ er fein Haupt entblößen und 
fagte zu dem Marfchall: empfangt den Degen von meiner 
Hand, und — ich bitte Euch — wenn Ihr ihn dem Koͤ⸗ 
nige zurüdgebt, fo drüdt ihm meine Dankbarkeit für feine. 
Wohlthaten aus, und mein Bebaucen über, die Fehler, 
die ic gegen feinen Dienſt dur Unwifjenheit Tann bes 
sangen haben, die aber niemals abfichtlich gewefen find; 
verfichert ihn, daß ich gls fein Diener und als der ihm 
ergebenfte von allen flerbe. Er umarmte den Marfhall 
zärtlich, der, in Thraͤnen zerfließend wie alle Umſtehenden, 
ben Degen binnahm. Und dann, an die bejahrten Haupt» 
leute ſich wendend, bie fein Bette umgaben, fuhr er fort: 
' 19* 





292 BZweiter Abſchnitt. Mitterleben, 


meine theuern Gefaͤhrten! Ihr ſeht meinen Zuſtand, und 
daß der Tod mich ‚übereilt und mir nicht erlaubt, bad für 
Euch zu thun, was ich gewollt habe; aber das muß 
Euern Muth nicht niederfchlagen; wenn ic; bei dem 
Könige nicht mehr für Euch reben kann, fo mülfen Eure 
Dienfte für Euch ſprechen. Fahret fort ihm gut zu dies 
nen, er if gerecht und edelmäthig, und wird Euch gewiß 
belohnen, wenn Ihr ed verdient habt. Aber ich will Eud, 
ehe ich fierbe, noch die Worte wiederholen, bie ih Euch 
taufendmal gefagt habe: "erinnert Euch überall, wo Ihr 
Krieg führt, daran, daß die Geiſtlichen, bad arme Volk, 
Weiber und Kinder niht Eure Feinde find, daß Ihr bie 
Waffen nur zu ihrer Vertheidigung und zu ihrem Schutze 
‚tragt: ich habe Euch das immer anempfohlen, und wie: 
berhole es Euch zum legten Male, indem ich Euch mein 
Jetztes Lebewohl fage und mich Euch anempfehle. 
Er ſprach noch einige Augenblicke, blieb dann faſt 
eine Viertelſtunde ſchweigend, die Blicke auf ein Chriſtus⸗ 
bild geheftet, das er in beiden Haͤnden hielt; in dieſem 
Zuſtande ſeufzte er noch zwei oder dreimal, und gab ſeine 
edle Seele dem Himmel zuruͤck. Dieſer trauerbringende 
Tag war ber 13. Julius 1380. Du Guesclin war damals 
‚in dem Alter von 60 bis 62 Jahren. 

Da die Engländer die erwartete Huͤlfe nicht erhalten 
hatten, warb ber Kommandant des Gaftelld von Ranbon 
von dem Marfchall Sancerre zur Uebergabe des Platzes 
aufgefordert. Er hatte ben Tod bed Konnetable erfahren, 
fühlte einen fehr Iebhaften Kummer und beantwortete bie 
‚Aufforderung als ein ebelmüthiger und hochherziger Mann: 


) 





10. Abtheil. Strafen de Ritter, Tod ıc. 293 


ich babe Euch nicht verfproden, meine Feſtung an Euch 
zu übergeben; dem Heren Konnetable babe ich mein Wort 
gegeben, und ihm will ic es halten; aber es fol auf 
eine außerordent!,he Weife geſchehen, welche die Achtung 
ausdruͤckt, die ich immer vor ihm gehegt habe, und bie 
ih, von feinem Andenken beibebalte; ich würde mich ſchaͤ⸗ 
men, einem andern ald ihm meine Thore zu Öffnen; es 
ift gerecht, daß ich ihm erweife, was ich ihm ſchuldig bin, 
obgleich er tobt iſt. Ich will die Schluͤſſel einer Feſtung, 
deren wahrer Befieger er ift, auf feinen Sarg nieberlegen. 

‚Das franzöfifche Lager ward in Schlachtordnung ges 


ſtellt, mit fliegenden Fahnen, in der Stellung der Sieger. 


Die Englaͤnder traten beim Schalle der Trommeln aus 
der Stadt, durchzogen das Feld und gelangten zur Woh⸗ 
nung des Verſtorbenen. Sie fanden ihn noch auf ſeinem 
Todeslager von Waffenherolden umgeben, ben Degen, 
welchen ex als Konnetable geführt, entblößt an feiner 
Seite, auf einem Kiffen von vioienfarbenem, mit goldenen 
Lilien überfireuetem Sammt. Der Marfchall Sancerre 
führte den englifhen Kommandanten und deſſen Daupk 
leute binein; biefe knieten nieder und verrichteten ihr - 
Gebet. Der Kommandant erhob fich, richtete feine Worte 
an ben entfeelten Konnetable und fagte: „nicht an biefen 
Leichnam, ben ich gefühllod hingeſtreckt vor mir fehe, — am 
Euch felber, Herr Konnetaöle, übergebe ich meine Feſtung; 
die Macht Eures unſterblichen Geiſtes allein kann mich zur 
Uebergabe an die Franzoſen zwingen, obgleich ich dem 
König von England geſchworen habe, fie bis zu meinem 
legten Blutstropfen zu vertheidigen.“ 


296 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. 


So ſprach er, legte die Schluͤſſel zu den Fuͤßen des 
Verſtorbenen nieder und zog ſich mit denen, bie ihm folg= 
ten, in Thraͤnen zerfließend, zuruuckk Ueberall in Franf= 
reich ehrten Thraͤnen den Edlen nach ſeinem Tode; die 
Engländer ſelbſt beweinten diefen edelmuͤthigen und menſch⸗ 
lichen Sieger. Aber der Schmerz des Koͤnigs war unbe⸗ 
ſchreiblich; er kannte den ganzen Werth und den Umfang 
der geleifteten Dienſte Guesclin’s, und ſchloß von der 
Vergangenheit auf das, was er für die Zukunft haͤtte 
hoffen dürfen. 

Der Marſchall Sancerre Tieß ben Leihnam einbalfa= 
miren und nach ber Zranzisfanerlirche zu Puy in Belay 
bringen, wo bie innern Theile eingefenft wurden. Als 
man ben. Körper zu der Gruft feiner Vorfahren nach Bre⸗ 
tagne führen wollte, kamen Befehle des Königs und ein 
Beflaftungsgefolge an, um ihn nah St. Denys zu brin= 
gen, wo ber Köntg für fih und für die Königin Johanna 
von Bourbon, die ſchon feit dem Sabre 1377 daſelbſt 
zuhte, eine Kapelle hatte erbauen laffen. In diefer Ka⸗ 
pelle und in demfelben Gewölbe ward’ die Leiche des Kon⸗ 
netable beigefeßt, bamit auch ber Tod fie nicht trennen 
follte. In nicht langer Zeit warb auch der König mit ber 
Königin, feiner Gemahlin, vereinigt, da & wenige Monate 
‚nah dem Konnetable flarb. Da der König befohlen hatte, 
bie Leiche nad) St. Denys zu führen, fo warb dort aud tie 
Todtenfeier gehalten, und mit allen Feierlichkeiten, allem 
Aufwande und aller Pracht, wie bei den VBeerbigungen 
ber Könige. Die Herzöge von Anjou, von Berry, von 
Burgund und von Bourbon waren, begleitet von ben 











I} 


40. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod x. 298 


größten und berühmteflen Männern bed Königreichs, an 
der Spitze bed Todtenzuges; es warb eine Leichenrede ges 
halten, .eine Ehre, vie bis bahin ben Königen und Prinz 
zen vorbehalten war. 

Zehn Sahre darauf ließ Karl VI dem -Konnetable 
‘eine neue Ehre erweifen, und zwar folgende: das Bild 
des hochberühmten Zobten ward unter ein erleuchtes 
tes Trauergeruͤſt geflelt, das mit Fadeln und Wachsker⸗ 
zen bebedit war; in’ der Mitte eines Chors, das gleichfalls 
Fackeln und Kerzen umgaben, bie ‚während ber ganzen 
Feier brannten. Herr -Dlivier von Eliffen, Konnetable, 
: von Frankreich, führte, nebft ven Marfchällen Lubwig von 
Sancerre und Monton von Blainville, ben Leichenzug, 
den der Graf von Zonguenille, Dlivier bu Guesclin ® ber 
Bruder bes Verflorbenen, und mehre andere Herren von 
hohem Stande bildeten; alle des Verftorbenen Verwandten 
ober vorzäglichften Freunde, in Trauerkleidung, nach Fries 
gerifchen Gebraͤuchen dad Zodtenopfer bringend. Der Bi- 
fchof von Aurerre, der die Meſſe las, ging, da er ben 
Dienft des Meßopfers verrichtet, mit dem Könige bis an 
bie Thür des Ehors, um fie zu empfangen; da erfchienen 
vier Ritter in ber volftändigften Rüftung und mit ben 
Wappenzeichen des verfiorbenen Konnetable; ihnen folgten 
vier Waffenträger auf den fchönften Pferden aus dem Stalle 
des Königs, beren Deden diefelben Wappenzeichen hatten, 
und trugen bie Paniere des Konnetable, die vormald ben 
Beinden des Reichs fo furchtbar waren. Der Bifchof 
empfing bie Pferde mit Auflegung ber Hände auf, ihre 
Köpfe, dann naheten fich der Konnetable von Cliſſon und 


796 Bwelter Abſchnitt. Mittericben. 


bie beiben Marfchälle zum Zodtenopfer, in ber Mitte von 
acht Begleitern, deren jeber einen Schild mit ben Wap⸗ 
penzeichen des Verftorbenen trug, deſſen Spike in Die 
Höhe gekehrt war, ald eine Anbeutung feines Todes; alle 
waren - von brennenden Wachskerzen umgeben. Dann 
folgten ber. Herzog von Zouraine, bed Königs Bruder; 
Johaun Graf von Nevers, der Sohn bed Herzogs von 
Burgund; Peter, der Sohn des Königs von Navarra; 
ſaͤmmtliche Prinzen vom Geblüt, und Heinrich von Bar, 
des Königs Vetter: alle mit niebergefenktten Augen unb 
jeder mit einem bloßen Degen in ber Hand,. den er an 
ber Spike: faßte, anzubeuten, daß fie Gott bie erfochtenen 
Siege zum Opfer braͤchten, daß fie eingeländen, fie 
bur® feine Gnade und durch den Muth bes Verftorbenen 
gewonnen zu haben. In dem dritten Zuge erfchienen bie 
vier Erſten unter ven Großen des Hofes, in voͤlliger Ruͤ⸗ 
fung, von acht Waffeiträgern, ben Juͤngſten bes koͤnig⸗ 
lichen Hofadels, begleitet, beren jeber einen Helm in ber 
Hand trug; darauf vier andere, wie jene, in fchwarzer 
Kleidung, ein aufgerolltes Panier tragend, mit bem 
Wappen bu Guesclin's bezeichnet, dem fchwargen Adler 
in filbernem Felde. Ale gingen in gehaltenem Schritte, 
mit großem Ernſte und Zeichen der Betruͤbniß; und jeber, 
nach feiner Reihe, Eniete vor dem Altar, vor bem alle 
Stüde dieſes Ehrenopfers niedergelegt wurden, und trat 
in gleicher Ordnung zurüd, nachdem. er dem bienflverrichz 
senden Prälaten die Bände gelüßt hatte Der Bifchof 
beflieg nach. der Vollendung des Opfers die Kanzel, um 
bie Leichenrede zu halten. Er fprach über bie Worte: 


— 


10. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ꝛc. 297 


nominatus est usque ad extrema terrae, und zeigte, 
durch die Herzählung- feiner großen Zriegerifchen Arbeiten, 
.. feiner hohen Waffenthaten, feiner Siegeszeichen und feiner 
Zriumphe, daß er die wahre Blume der Ritterfchaft war, 
und daß nur der. wahrhaft ein Braver ift, der ſich, wie 
er, durch Muth und Rechtlichkeit auszeichnet. 

Und mit dieſen Begraͤbnißfeierlichkeiten ber Blume 
ber Ritterfchaft, mit welchem Namen, wie geſagt, Ber⸗ | 
trand du Guesclin belegt warb, fchließen wir wohl am 
beflen diefe Borlefungen, 





\ 


. | Druckfehler zum zweiten Bande. 


S. 6 3. 9 v. u. I. Sammelungen f. Semmelungen 
— 18 3. 6 v. u. I. Clemun f. Clenum 

— 29 3. 2 dv. 0. l. pfleg f. pflo 

— 38 3. 10 v. u. I. Gundacker f. Grundacker 

— 47 3. 2 v. 0. I. Lengenbach f. Langenbad) 

— 52 3.16 dv, o. I. Pafelamımt f. Palelamunt 


54 die Gtelle aus Dans von Schweinicen vom 12. Febr. 1574 
. iſt gang zu flreidhen, indem ihre Einrüdung nur aus 
einem Verſehen geſchehen ift, ba Pfeiffer, oder wie bie 
andere Benbiset t fagt: Prüffer, ber Name bes Sekre⸗ 
’8 if. 
60 2 8 v. o. einer ift zu ſtreichen 


— 67 3. 14 v. o. l. verweigern f. vorweigern 

— 70 3. 3 v. u. I. merkwuͤrdig f. merkwuͤrbig 

— 72 3. 6 v. u. I. Chanzler f. Chonzler⸗ ⸗ 
— 79 3. 12 v. u. I. Bechelaren f. Bechebaren 

— 89 3. 13 v. o. I. meiner f. einer 

— 109 3.4.v.u.Leud f. auf 

— 111 3. 14 v. u. I maneffifhe f- manefifhen 

— 113 3.5». o. I. mir f. uns 

— 115 3.8». u. 4. theurer f. theuer 

— 1213. 5 v. o. I. Glokeniz f. Glokenig 

— 143 3. 8 v. u. I. Raimund f. Reumund 

— 149 3. 1 v. u. I. war f. was 

— 152 3.3 u. 5 v. o. I. Lieb f. Leib 

— 157 3. 9 v. 0. I. diefelben f. biefeben 

— 159 3.13 9. ©. l. bie f. dle 

— 176 3. 5 v. u. I. keinen f. feinem . 
— 177 3.8 v. o. fehlt Hinter Iungfrau ein Komma 
— 178 3. 16 v. o. I. ihn f. ihm 


ihm 

3.19 v. 0. l. Baumont f. Laumont 

— 227 3. 5 v. o. L. ben f. die 
— _ 3.8 u. 9.v. 0. I. So ritt, wie durch blutige Straße, dreimal 
— 241-3. 7 v. o. I. koͤnnen f. Tönne . 

— 294 3. 11. 0. I. einbalfamen f. ‚einbalfamiren ' 





— ⸗