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HARVARD COLLEGE
LIBRARY
IN MEMORY OF
GEORGE SILSBEE HALE
AND
ELLEN SEVER HALE
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Kitterzeit und Kitterwesen.
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Kitterzeie
und
Kitterwefen.
Dorlefungen,
gehalten und herausgegeben
von
Buͤſſching.
Erſſter Band.
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
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/ HARVARD
_ JUNIVERSITY
_ LIBRARY
JAN B 1945
.»
Dem -
Königlichen Regierungs⸗ Rath
Herrn Streit
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Dankbarkeit und Siebe.
zugeeignet |
j i ab
zur Seier feiner funfzigiährigen ruhmvollen
| Amtsführung
" überreidt
verfaffer.
..
—
Borberidt
ST setefungen Fönnen und follen nicht einen Gegen⸗
fand erfchöpfen, fondern zumeift nur anleiten, ans
regen. Der Hörer, welcher dem Worte des Lehren⸗
den mit Theilnahme folge, wird bann wohl gern
auf dem vorgezeichneten Pfade fortfchreiten und das
fih in eigener Forſchung ergänzen: und ausführen,
was ihm nur in Umriſſen gegeben werben konnte.
Die vielfältigen Arbeiten für das Schriftwefen
deutfcher Vorzeit, die bald im Anfange diefes Jahr⸗
hunderts begannen, haben fo viele früher unbekannte
vıu ' Vorbericht.
Quellen fuͤr die Geſchichte des Ritterthums an das
Uicht gefördert, daß es wohl an der Zeit erſchien,
‚neue Betrachtungen bes Nitterwefens anzuftellen,
und einzumeben in früher gemachte Befchreibungen
und Entwidelungen der Ritterzeit das, was uns
bie neu ans Tageslicht getretenen Quellen gaben;
fo daß gleihfam eine Blumenlefe aus mehren biefer
Werke gemacht warb, um vielleicht auch auf dieſe
Weiſe Liebe und Antheil an den Gedichten der Vor⸗
zeit, die in der neuern Zeit etwas ſchwaͤcher gewor⸗
den zu ſeyn fcheinen, wieder zu heben.
So bildeten ſich Die nahfolgenden Vorlefungen,
welche mannichfad). verändert und vermehrt, zu dreien
Malen bier an der Hochfchule gehalten worden find.
Erft nicht dem Drucke beflimmt, traten in der neuern
. Zeit Umftände hinzu, die mich doch dazu bewogen,
- fie den Händen bes Herrn Werlegers, der fie gleich
Anfangs, als ein Bruchſtuͤck aus ihnen in der Ass
fania erſchien, zu drucken mwünfchte, zu übergeben,
indem ich nur mweniges an ihnen änderte, haupt⸗
fachlich bloß das, was auf mündlichen Vortrag ſich
bezog; dann das Ganze in eine fortlaufende Form .
brachte, aus der die Abfchnitte und Webergähge ‚der
ſtuͤndlichen Vorträge mweggelaffen wurden, und ein-
zelne Yuszüge, die im münblicyen Vortrage beſchraͤnkt
— — —
Vorbericht. a u 1x
worben, mehr erweiterte, um bem Leſer ein volle
fändigeres Bild zu geben. >
Die wenigen Werfe, welche wir in Ducſ
land uͤber Ritterweſen haben, ſind leider nur ein zu
treuer Abdruck der kluͤber'ſchen Ueberſetzung des be⸗
ruͤhmten franzoͤſiſchen Werkes von Saint» Palaye;
und mir iſt fein einziges befannt, welches den tuͤch⸗
tigen Anmerkungen, welche Klüber diefem Werke
zufügte ‚ neue Forfcehungen beigefellte hätte. Daß
aud) ich haufig darauf zurücgegangen "bin, wird
der Augenfchein lehren. _
Nicht ganz zweckmäßig erfchien mir die Fin«
richtung, welche Saint » Palaye feinem Werfe gab,
daß er eine. fortlaufende Gefchichte des Nitterwefens
erzähle und alle Beweiſe aus der ihm zu Gebote
. ftehenden reichen Mafle von-Handfchriften und Ges
fhichts- Werfen in die Anmerkungen verwies. Mur
zu leicht war es möglih, auf diefem Wege zwar
‚ein wortreiches und zierlich geglättetes Bild des
Ritterweſens zu geben; aber auch zugleich mifchen
fich die Meinungen und Anſichten des Erzählers
nur zu. bald ein und geben ba, wo reine gefchicht-
liche, Wahrheit am meiften gewuͤnſcht wird, nur zu
fhnell ein. gefehminftes . Bild. Wer überhaupt mit
Antheil und Liebe einen Gegenſtand ergreift, iſt
3
‚x | Vorbericht.
* feiche bewogen, bie fhönere Seite allein‘ hervorzu⸗
fteflen. Mir fchien es daher am beften, eine bedeu⸗
tende unb merfwürdige Zeit ganz unverfümmert, mit
ihrem Licht, mit ihrem Schatten, fo viel ‚dies in
meiner Macht ſtand, und ſoweit auch nicht wieder
eine gtoße, nicht von mir zü läugnende Vorliebe
für das Mittelalter etwa meine Hand und meine
Anſicht in einzelnem leitete,. fo binzuftellen, wie fie
einft war. Nie ift es mir eingefallen, mas der be=
‚ geifterten Vorliebe für das Mittelalter oft auf eine
thörichte Weife vorgeworfen ift (aber wurde nicht
. gleicher Vorwurf den Freunden des Alterthums nur
zu oft gemacht?), Jahrhunderte zurücichrauben zu
wollen, zu verfuchen das zu erneuen, mas unferer .
Zeit und den Bedingungen unfers Lebens, die ganz
andere find, widerſtreiter; nicht foll bie theure Errun«
genfchaft von Jahrhunderten, nicht follen die Erfennt-
niffe aufgegeben werden, die oft mit Strömen Blu
tes erworben find: — aber erforfchen, mit Antheil
und Siebe betrachten wollen wir eine Zeit, die ihre
| Fußtapfen tief in alle Länder Europa’s drückte, und
die wahrlich nicht etwa jegt als ſpurlos voruͤberge⸗
gangen betrachtet werden kann.
Je mehr ich mich nun huͤtete, ſelbſt betrach-
tend und ſprechend über jene in ihren Regungen
!
4
Vorbericht. . xı
und ihrem Streben uns oft noch dunfle Zeit ein- u
zufreten, um nicht fo ein Sceinbild Hinzuftellen,
um fo mehr beftrebre ich mid) dagegen, die Zeit
ſelbſt fprechen zu laſſen; und ſo entſtand dies Werk,
das ich nur als eine Moſaik vorfuͤhren kann, bei
der es mir allein wuͤnſchenswerth iſt, wenn die Fu⸗
gen nicht zu weit aus einander ſtehen, ſondern dem
Leſer ſich ein einigermaßen gefällig zuſammengefuͤgtes
Bild entwickelt. | |
Man wird mir, bitte ich, daher auch gütig
verzeihen, wenn in einzelnen Stellen, die Auszuͤge
vielleicht zu lang erfcheinen; je. mehr ich aber die
Zeit ſelbſt redend in ihren Werfen einzuführen.
wünfchte, um fo mehr fihien es mir nothmwendig,
“feinen Pinfelftrich zu vertilgen, der dahin zu füh-
. ren vermochte, und ich glaubte noch immer bemerfe
zu haben, daß das Wort der alten Zeit weit ein»
bringlicher und belehrender fey, als ein oft weitläuf-
tiges Hin» und Her- Sprechen über fie.
Wie einzelne Betrachter der Mitterzeit das
Werk von St. Palaye gebrauchten, fo habe ich nicht
für unrecht gehalten, außer diefem auch die andern
Bücher woͤrtlich zu benutzen, welche durch triftige
und gründliche Unterfuchungen ſich auszeichneten, und
folhe Stellen find in meinen Vortrag nicht minder -
a Borberigt. |
mit verwoben tworben, wie bie, melche alte Hands
ſchriften mie lieferten. So verdanfe ich den umfid-
tigen‘ und fleißigen Unterfuchuhgen, die mein ver-
ftorbener Freund Friedrich Majer in einzelnen Wer-
fen über das Mittelalter angeftellt hat, ſehr viel.
Es ſcheint mir dieſe Bemerkung darum beſonders
nothwendig, ‚weil ich, bei meiner Ausarbeitung zu
den Vorträgen, an einzelnen Stellen es verfäumte,
meine. Gewährsmänner und Vorgänger, denen ich
wörtlih folgte, anzugeben, und fpäterhin war e& .
mie nicht möglich, bie einzelnen Bücher wieder
durchzugehen und den Urſprung vieler Stellen ans
"zugeben. Was fo früher der gelehrten Welt über-
geben warb, betrachte ich als ein Gemeingut, das
ein jeder in. feinen Nutzen verwenden kann, und id)
hoffe, daß aus den Quellen doch wohl gar man-
es zufammengeftellt worden ift, was fruͤher in ſol⸗
chem Zuſammenhange noch nicht erſchien. |
Wenn ih nun in dem Eingange der Abthei⸗
fungen einzelne allgemeine Anfichten und Ergebniffe
zufammenftellte, fo bemühte ich mid) dagegen in dem
Verlauf verfelben fo wie gegen das Ende, die ein-
zelnen Zeugen 'gleichfam aufzurufen und eine Reihe
von Beweisſtellen anzufügen, in denen manches
früher Gefagte feine Erklärung fand, viel Neues
!
/
Vorbericht. —* .
aber auch zur Sprache gebracht ward und ſeine
nachträgliche Entwickelung erhielt. Auch St. Palaye
iſt nicht arm an Beiſpielen; aber er ſcheint mir
darin ein Verſehn gemacht zu haben, daß dieſe
Beweiſe aus allen Jahrhunderten der langen Ritter⸗
zeit unter einander gemifche ‚find. Schwer ift es,
immer genau die einzelnen Zeiten zu fondern, vor⸗
züglich dann, wenn fogar Blicke in bie vovritterliche
Zeit, in das Heidenthum nothwendig ſind. So
viel ih vermechte, habe ich dieſen Fehler zu ver
meiden gefucht, indem ich in meinen Beifpielen -
immer eine Zeitfolge zu beobachten mich beftrebte:
- Zuerft Blicke auf die Heldenzeit, wann es nothwen⸗
dig erfchlen; dann vielleiht, wo es thunlid wat,
Stellen der Nibelungen, die durch ihre Meberarbei-
tung in ber Ritterzeit ein ritterliches Anfehen ge»
wonnen, wenn fie auch nicht als ein Rittergedicht
zu beteachten find; darauf Auszüge aus Werfen
bes dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts, als
dem eigentlichen Mittelpunct des Ritterweſens; end»
lich das legte Auffladern des Ritterthums unter Kaifer
Marimilien, und zulege das ganze Verflachen def.
felben in ein tobtes und oft von niebrigen Leiden⸗
fhaften und Laſtern beflecktes Hofweſen im ſechszehn⸗
sen Jahrhundert. So habe / ich ben Kreis der Rit⸗
7. Vorbericht.
terzeit fehr erweitert; aber ich glaube auch dadurch
Blicke auf ihr Enefproffen, ihr Blühen, ihr Ver-
welfen und Verſinken eröffnet zu haben — wenig⸗
ſtens war dies mein Wunſch und Ziel; wie ich es
erreicht, moͤgen nachſichtsvolle Richter entſcheiden.
Ueberblickt man die dargelegten Abtheilungen,
ſo wird leicht bemerkt werden koͤnnen, daß einige
Unverhaͤltnißmaͤßigkeit in ihrer Ausdehnung und
Ausfuͤhrung herrſcht; reicher ſtroͤmende oder minder
ergiebige Quellen waren an dieſer wechſelnden Aus-
ſtattung ſchuld. Auch wird nicht unbemerkt bleiben,
daß mancher Gegenſtand eine naͤhere Eroͤrterung, eine
eigene Abtheilung wohl verdient haͤtte. Dies erkenne
ih an, und der Grund, daß ich ſolche einzelne Gegen⸗
fände überging, liegt nur darin, meil ich einige
Abtheilungen für Die Folge zurüdlegte, indem ich
mit dem wenigen, was id barüber gefammels
. hatte, noch nicht zufrieden, und Forſchungen, Die
ich früher angeftellt hatte, jegt — beim Drange
anderer und ganz verfchiedenartiger Gefchäfte —
nicht gleich fortzufegen im Stande war, fondern fie
für fpätere. Zeiten aufbewahren mußte. Dann war
es aber auch nicht mein Wille, und dies ließ fich
auch nicht in Borlefungen zwängen, ein erfchöpfen-
des Bild des Ritterwefens, der Ritterzeit binzuftellen;
Vorbericht. | xy
fondern es follte nur der Verſuch gewagt werden,
einmal aͤltern Unterſuchungen nette Ausbeuten anzu⸗
knuͤpfen, und ich wuͤnſche nur, daß die gegebene
Skizze ein nicht ganz unfreundliches Bild liefere,
und ſo lange belehre, erfreue und unterhalte, bis
ein anderer etwa ein ausgefuͤhrteres Gemaͤlde dafuͤr
hinſtellt, wie ich denn auch ſelbſt nieine Hand nicht
davon zuruͤckziehen, ſondern mich beſtreben werde,
immer weiter zu ſammeln und zu beſſern.
Eigentlich vorzuͤglich der Betrachtung deutſchen
Ritterweſens beſtimmt, ward durch Saint Palaye's
Werk, welches nun einmal jetzt das Grundbuch iſt,
viel aus der franzoͤſiſchen Ritterwelt eingemiſcht, und
ich habe es nicht fuͤr unrecht gehalten, einige wenige
Blicke auch auf Spanien, Portugal und Italien zu
werfen, woraus hervorgeht, wie gleichmäßig ſich auch
dort die ritterliche Würde entfaltete.
Wenn ich ber gefelligen Verbindungen, ber
geiftlichen Ritterorden (Johanniter, Templer, Deuts
ſchen Ritter u. ſ. w.), fo wie der’ Rittergefellfchaf-
‘ ten gar nicht gedachte, fo gefhah es nur darum,
“weil gerabe diefer Zweig bes Ritterwefens den Mei-
ften am, naͤchſten lag und. der ausgebehnteften For.
[dungen ſich bereits erfreute; und Doch ift noch fo
vieles auch - für dieſe zu thun übrig, befonders was
!
zvı Vorbericht.
das Leben der Ritterorden in ſich betrifft, daß dieſe
Zuſammenſtellungen wieder zu weit von Dem Zwecke
der Vorlefungen mich entfernt haben würdeh, auch
mir es an neuen und wichtigen Nachrichten. fehlte,
deren andere Freunde, bejonders Prof. Voigt über
Die deutſchen Ritter, fich erfreuen.
Es braucht indeffen in unferm beutfchen Vater
lande nur .ein Ton angegeben zu werden, und bald
flimmen mehre darin ein. Freuen werde ich mic,
‚wenn auch mein Werf Ergänzer finder, und zwar
ſolche, die mir nicht ganz unfreundlich geſinnt ſind,
indem ich eine Bahn verſuchte, auf welcher der
zweite und dritte ſchon immer ſicherer geht, als der
erſte; denn er weiß, was er zu vermeiden, wovor
er ſich zu hüten hat. |
Breslau, im März 1823.
| Buͤſching.
vem.-
Königlichen Regierungs⸗ Rath
Herrhn Streit
mit
\ Dankbarkeit und Siebe.
sugeelgnet |
und
zur Feier feiner funfzigjaͤhrigen ruhmvollen
Amtsfuͤhrung
uͤberreicht
—
verfafſſer.
—
x VIix Inhalt des erſten Bandes.
Zweiter Abſchnitt. J Zu
NRNitterlebem
Erſte Abtheilung. Ritterſchlag und Ritterwͤrbe. ©. 85
Zweite Abtheilung. Feſtlichkeiten. .— u . — 18
Dritte Abtheilung. Waffen und Kleidung. . .. . — 167
‚ Bierte Abtheilung. Turniere und Lanzenrennen. — 4
Anhang. Beſchraͤnkungsgeſetge bei ben Zuenieren unb
Verfall dvrf len. - > 2 een hl
Erfier Abſchnitt.
ZugendIeben
Erfie Abtheilung,
Das Kind,
Die erſten ſechs Jahre verlebte das Kind unter ber
Auffiht der Mutter, der Amme und der Pflegerinnen;
denn fo verlangt ed die Natur, welcher .alte Gefege und
Gewohnbeitsrechte beftätigenb beitraten. Erſt mit dem
fiebenten Jahre fam der Knabe in bie Obhut ber Männerz
daher befahlen in Franfreich die Coütume de Beauvoisis
vom Jahre 1283. Hauptflüd 57. S. 292, daß in dem
Falle eirier Ehetrennung bie Knaben unter fieben Jahren
unter Aufficht ihrer Mutter bleiben folten. In den Ge:
dichten bed Sranzofen Euſtach Defhamps, welcder noch
im vierzehnten Jahrhundert lebte, fagt daher auch eine
Mutter von ihren Knaben: „bis in das fiebente Jahr und
noch weiterhin drohen ihnen nur zu viele Gefahren; allein
unfern Männern fällt davon nichts zur Laſt.“
Indeſſen erhielten auch bier die Knaben fchon bie
Anleitung. zu ihrem kuͤnftigen Leben; benn man fagte
ihnen: „baß niemand Würbigkeit erwerben möchte, ber
nicht fonder Wank guten Weiben zu Dienfle bereit fey,
4 *
4 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
Niemand ſey auch ſo recht froh und wohlgemut in der
Welt, als der eine reine Frau ſo lieb haͤtte, als ſeinen
eigenen Leib. —“ Solche Lehren, bie und Ulrich von
Lichtenflein im Eingange feines Werkes, Zrauendienft ges
nannt, erzählt, fogen die Knaben fchon mit der Mutter:
milch und unter der Pflegerinnen Obhut ein, und fo war
ed nicht zu werwundern, wenn Minne und Ehre fih in
ihrer Seele unzertrennlich verſchwiſterten; denn: „Ich war
ein Kind — faͤhrt Ulrich v. L. fort — als ich das hoͤrte,
. und noch fo dumm, daß ich auf Gerten ritt, und doch
gedachte ich in ber Dummheit: da bie reinen Weib den
Mann fo hoch theuer machen, fo will ich immer den
Frauen dienen, mit Leib, Gut, Muth und Leben,“
Wirin von Grafenberg erzählt uns in feinem Ritter:
gedichte Wigolais: daß die Mutter des Wigolais dieſes
ihr geliebte Kind, deſſen Vater der am Hofe des Artus
fo berühmte Ritter Gawan war, nie einen Tag von fi
laſſen wollte, da durch einen ungluͤcklichen Zufall fein
Vater fi von ihr getrennt hatte. Aus Liebe pflegte fie
felbft mit manden andern Frauen dad Kind, fo daß es
in einem Jahre mehr wuchs, denn ein anderes in zweien. '
Man Ichrte es früh und fpät Verfländiges und Gutes.
Auch war fein guter Sinn zu allen Tugenden ſtark, fo
daß er nur das Beſte that.” Hier zwar behält die Mut⸗
ter ihren Wigolais bis zum zwölften Jahre in ihrer Auf:
ficht, aber er wurde auch waͤhrend dieſer Zeit ſchon zu
ritterlichen Uebungen angeleitet; denn als ein Koͤnigsſohn
brauchte er nicht den ſtrengen Junker⸗ und Knappendienſt
zu vollfuͤhren. Allerhand Ritterſpiele lehrten ihn die Ritter,
4. Abtheil. Das Kind. 5
fechen und turnieren und ſtarke Speere zerfplittern, fich
gegen Lanzen und Gefchoß zu fchirmen und wieder zu
fchießen. Wenn ihn nun bie Ritter unterrichtet hatten,
fo nehmen ihn die Zrauen wieder und. führten ihn, den
fie wegen feiner Tugenden und Anmuth liebten, freundlich
umber.
Anders war ed, wie Parzifal, über deſſen Thaten
und Wolfram von Eſchenbach ein großes Rittergebicht
hinterlaſſen hat, erzogen warb; und daß biefe Erziehung
wieber ald etwas Beſonderes von dem Dichter bezeichnet
wird, lehrt, wie allgemein die Erziehung auf ein ritter:
liches Leben bin in Deutfchland feyn mußte. Es war
nämlich, diefem Gedichte nach, welches den Namen feines
Helden führt, der Ritter Gamuret im Kampfe gegen bie
Heiden Afiens gefallen und hatte feine Gemahlin Herze⸗
loide in Frankreich ſchwanger hinterlaſſen. Bei der Nach⸗
richt ſeines Todes gebar ſie einen Knaben, welcher Par⸗
zifal genannt ward, und zog mit ihm in einen wilden
Wald, theils um ihrer Trauer nachzuhangen, theils um
den Knaben ganz von dem Leben und Treiben der Welt
abzuziehen. Den fie umgebenden Männern und Frauen
gebat fie, daß fie nimmer von Ritterfchaft fprächenz denn,
fagte fie, erflhre ihres Herzens Zraut, was Ritters Leben
wäre, fo müßte ihr baburd) ‚großes Leib entftehen. So
wurde ihm alle Ritterfchaft verhehlt, von nichts ward
gefprochen, was Minne und Ehre betraf, und über bie
Sränzen feines Waldes gingen feine Kenntniffe nit
hinaus. In dem Walde zog er umber, fehnitt fich Bogen
und Bolzen mit feiner eigenen Hand und jagte nah
6 Erſter Abſchnitt. Jugenbleb en.
Voͤgeln des Waldes, und mit einem kleinen Speere, Gas.
bilot bei den Alten genannt, erlegte er auch groͤßere Thiere.
So, ohne von Ritterſchaft und der Welt, Minne und
Gluͤck etwas zu wiſſen, erſtarkte er, und ritterliche Kraft
ergoß ſich in feine Glieder, Erſt, als er ſchon zum
Juͤngling erwachſen, erblidt er einen Ritter, welcher ihm
in feiner Pracht als Gott erfyeint, der ihn aber belehrt,
er fey ein Ritter, und König Artus ertheile die Ritter
(haft. Da eilt der Juͤngling zu feiner Mutter und
erzählt ihr diefe Mähre, welche erſchreckt audruft:
Sohn, wer hat gefagt
Dir von Ritters Orden?
Wo bift bu’& innen worben?
Er antwortet:
Mutter, ih fah vier Mann,
Noch lichter, denn Gott, gethan,
Die fagten mir von Ritterſchaft.
Artus koͤnigliche Kraft
Sol mid nah Ritters Ehren
Zu Schildes Amt Behren.
So verläßt er feine Mutter, bie ihn, um feine Ruͤckkehr
zu gewinnen, nicht nach Ritter Art, fondern in Thorens
Weiſe gekleidet entläßt, wie weiter unten, im Juͤnglings⸗
leben, noch audführlicher angegeben werben wird. Sein
Scheiden ift die Stunde ihres Todes, aber er wirb einer
der mannlichflen und größten Ritter, deflen Thaten jemals
die dichterifche Vorzeit befungen hat.
Gleicher Weiſe erzählt und auch Gotfried von Strass
burg in feinem lieblihen Zriftan die Gefchichte der erfien
Lebensjahre feines Helden Zriflan: Nachdem dad Kind
4. Abtheil, Das Rind. 7
getauft worben und fo nach chrifllicher Sitte bewahrt war,
nahm bie tugenbreiche Marfchallin ihr liebes Pflegekindlein
wieber zu fich in ihre: heimliche Sorge und Iegte an ihn
am ihren füßen Fleiß, fo daß er zu Feiner Stunde. uns
fanft niebertrat. Nun fie das bis an das fiebente Jahr
mit ihm getrieben hatte, daß er gute Rebe und au Ges
bärde vernehmen Tonnte und auch vernahm, da warb er
von ſeinem Vater, bem Marſchall, einem weilen Manne
zur Lehre uͤbergeben. | |
So reich an Beweisſtellen für das Leben ber Bitter-
welt ift ein dußerft wichtiges, leider beinahe noch ganz
unbenutztes Wert bes Mittelalters: ber Weißkunig, welcher
bad Leben bes Kaifers Marimilian bes I., unter erbichtete
Kamen verhüllt, enthält. Unter Marimilian, ben ein
feuriges Gemüt leitete, flammte zum lebten Male das Rits
terthum auf, und in ihm allein fand es einen Halt, denn
er war einer der ritterlichften Kaiferr. Marr Zreizfaurs
wein, Geheimfchreiber bes Kaifers, mußte diefes Werk
auffegen, und ber Kaifer felbft hat mehres darin gefchrieben.
Hans Burgkmair, ein berühmter Holzfchneiber, ſchnitt bie
Bilder dazu in Holz, und fie find vielfach über Zeit und Sitte
erflärend, wo bad Wort bes Schriftflellers fehlt. Dies
ift gleich bei der Erzählung von ber frühften Jugend
Maximilians der Fall, wo ed nur fo lautet: „Im Anfang,
als das Kind anhub zu reden, ba ließ der alt’ Weißkunig
(hierunter ift fein Vater Kaifer Friedrich W. gemeint) in
feinem Königreich viel ebler Knaben beftellen, von Art und
Natur die allergefhicteftien, und that diefelben Edelknaben
zu feinem jungen Sohn, ihn bie. Sprach zu lehren und
8 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
mit ihm Kurzweil nach ber Kinder Gewohnheit zu Treiben.
In kurzer Zeit lernt’ der jung’ Sohn die Sprach', und:
“fing an alle Eurzweilige Tindliche Spiel mit den Edelkna⸗
ben zu treiben, bie man nur erbenten mocht’, und: hielt
fih unter den Edelknaben gar fanftmüthig und fröhlich
und war allwege fr bie andern Edelknaben geſchickt, auch
mit allen fröhlichen, FTurzweiligen und ehrlichen Spielen
neufuͤndig.“ Die Kinderfpiele felbft werben nicht genannt,
aber der dazu gehörige Holzfchnitt belehrt und einigermas
Ben darüber, doch würde eine nähere Befchreibung im
Buche von großer Wichtigkeit feyn. Man ficht einmal
ven kleinen Mar, wie er oben auf den Schultern eines
Mannes reitet, ihm gegenüber liegt ein Mann, ber auch,
einen Knaben auf der Schulter trug, rüdlings auf der .
Erde, vier Edelknaben fpringen in allerhand Beſchaͤftigun⸗
gen und Stellungen um ihn ber; es fcheint beinahe, als
wenn bie beiden großen Männer als Pferde gebient hätten,
auf denen die Knaben turnierartig an einander geritten
wären, Weiter hinten fit. er an einem niebrigen langen
Zifche, „über ben eine Dede gebreitet ifl, und auf dem eine
Beine Einzdunung ſich befindet, mit einem andern Knaben
ihm gegenüber. Jeder hat eine Eleine Rittergeftalt, völlig
geharnifcht, zu Pferde, vor fih und fchiebt fie dem andern
entgegen. Marimiliand Ritter, mit eingelegter Lanze, -
fliht den Ritter des andern, ber ſchon zuruͤckgebeugt liegt,
nieder. Man fiehf daraus, daß felbft fchon die Kinder in
ihren Spielen nur. das Fitterwefen vor Augen hatten.
An einer andern Stelle fpannt er einen Bogen; babinter
ſchießt er mit einer Armbruft nach einem Vogel, und ſeit⸗
1. Abtheil. Das Kind. 9
waͤrts davon brennt er eine kleine Kanone ab. Auf ber
andern Seite reicht er mit einer Art von kleinem runden
Kiffen gegen einen Baum hinauf, auf weichem ein Heiner
Bogel ſitzt; der Zweck dieſer Stellung iſt umbentlih. Aus
dem Weißkunig iſt ed auch nicht Elar, wie die verfchiebes
nen Alter fich. trennen, und das Kind zum Knaben und
Juͤngling übergeht. Hier muß daher nad) eigenem Er⸗
meſſen verfahren werben, und ich habe deshalb mit biefen
Webungen feine Kinderjahre abgefchloffen.
Den feinen fruͤhſten Jahren erzählt und Goͤtz von
Berlichingen nichts, fondern fagt blos im Eingange feiner
Lebensbefchreibung: „Erfllih babe ich wohl von meinem
Vater und Mutter feeligen, auch meinen Brübern unb
Schweftern, die älter waren, denn ich, und auch von alten.
Knechten und Mägden, fo bei ihnen gedient, vielmals
gehört, daß ich ein wunberbarlider junger Knab' gewefen
und mid, dermaßen in meiner Kindheit erzeiget und gehals
ten, baß männiglih daraus geſpuͤrt und abgenommen, -
daß ich. zu einem Kriegs⸗ s ober Reitersmann gerathen
wurde.“
Der Liegnitziſche Ritter Hans von Schweinichen er⸗
zählt in ſeinem eigenhaͤndig aufgeſetzten Leben *): „bin
alfo von 1552, da ich geboren worden, bis auf 1558,
Montags nah Margaretha, auf dem Gröbisberg als ein
*) Erſchienen unter dem Titel: Lichen, Luft mb Leben der
Deutſchen des fechzehnten Jahrhunderts, in Begebenheiten des
Schleſiſchen Ritters Hans von Schweinihen, von ihm felbft aufs
gefegt. Herausgegeben von Buͤſching. Bredlar, Bd.l. 1820.
8». Il. 1822. 3. III. 1829,
10 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
Kind von meinen geliebten Eltern in der Furcht Got⸗
tes aufgezogen worden; ſo mir denn von meinen
geliebten Eltern große Wartung mit Kindermaͤgden
halten und ſonſten beſchehen ſeyn ſoll.“ In dieſen ſpaͤtern
Zeiten mag indeſſen die alte Sitte, mit dem fiebenten
Jahre die Kindheit abzuſchließen und des Knaben Beſchaͤf⸗
tigungen anzufangen, nicht immer gehalten worden ſeyn,
wenigſtens verlaͤngerte Hans von Schweinichen ſeine Kin⸗
derjahre bis in fein neuntes Lebensjahr, welches wir
ſogleich ſehen werben, fo wie, welche wunderliche Beſchaͤf⸗
tigungen ihm von ſeinen Eltern gegeben wurden, die eben
nicht auf ein ritterliches Leben abzweckten.
Zweite Abtheilung.
Der Knabe.
Sobald der Knabe die Kindheit verlaſſen, d. h. ſobald er-
das fiebente Jahr erreicht: hatte, ‚welcher Lebensabfchnitt
Ach auch noch in dem Spruche bei uns fortgepflanzt. bat,
„fieben Sahre ein Kind“ u.f.w., erhielt er dad Amt eines
Edelknechts, oder Junkers, im Sranzöfifchen genannt
Page, Varlet, Damoiseau oder Garcons, welches das
verdrehte Latein des Mittelalters durch Gartio überfebte.
In altbeutfchen Gedichten wird bied Wort beibehalten und
nur in Garzun verändert, Diefe Benennungen waren
-
2. Abtheil. Der Runde, re
indeſſen fehr wechſelnd, indem: fie. auch in had Jimglings⸗
alter hinüber gingen und oft denen gegeben wurden, bie
wir bald unter dem Namen Snappen werden Tennen
lernen. Zur Unterfcheibung von ihnen wurden bie andern
Diener von geringerem , nicht rittermäßigem Stanbe
Knechte oder Groß⸗Knechte (Gros Varlets) genannt, wie
es denn 3. B. in einem alten Geſchichtobuche beim Jahre
1386 heißt: „Es waren bafelbft acht taufend Ritter und
Knappen, und Packknechte und Großknechte (gros Var-
lets) ohne Zahl.” Doch zeigt ſich auch hier das oft
Schwankende der Sprache, indem man bisweilen felbft
diefen geringern Knechten den Namen Page, Junge,
Knappe ober Knecht beilegte, und fo gebraucht auch der
alte franzoͤſiſche Zeitbuchfchreiber Froiffart das Wort
Gargon für einen Diener geringern Standes. In Deutſch⸗
land erhielten die Junker den damals keinesweges ehren⸗
ruͤhrigen Namen: Buben, wie Goͤtz von Berlichingen in
feiner Lebensbeſchreibung ſagt: „und ob er (fein Better
Konrad von Berlichingen) ſchon je einmal heim kam,
waren ſein' und ſeiner guten Freund', auch der Ritter⸗
ſchaft in Franken Geſchaͤfte fo viel’ und weitlaͤuftig, daß
er als ein alter Ritter für und für wenig Ruhe haben
kunnt', dabei ich denn allenthalben als ein Bub’ unb
Sunger (d. h. Junker, fpäterhin Jungherr) mußte mits
reiten und gebraucht werben.” Die mit Bube wechfelnde
Benennung Junfer war fo allgemein und dabei boch in
ſolchem Werthe, daß felbft Prinzen, bie nicht in der Herr⸗
[haft des Landes ihren Vätern folgen follten, Junker
genannt wurden, Der Aufſeher biefer Junker hatte im
12 Erſter Abſchuitt. Jugendleben.
Deutſchen den nicht eben, wohlklingenden Namen Buben
zuchtmeifter. „ Ein, folcher Aufſeher, der nachmald ber
treufte Freund und ſtaͤtige Gebieter feines Zoͤglings ward,
ift ber, welcher ben Helden: Zriflan erzog, ber treue Kur-
neval, den feine Treue zum Spruͤchwort bei Erwähnung
ftandhafteer und unwanbelbarer Diener in dem Schrifts
thume des Mittelalters gemacht bat. Der beutfche Name
mag und. aber fhon andbeuten, daß die Erziehung nicht
eben ein Spiel, fondern ernflhaft und hart war; umb fo
war ed denn auch wirklich. Darum fagt auch Triſtan:
„Mitterfchaft. muß von ‚Kindheit ihren Anfang nehmen, -
ober.fie wird ſelten ſtrenge.“ (B. 4300.)
+ Auch Hab’ ich ſelber wohl gelefen,
Daß Ehre will bes Leibes Roth,
Gemach *), das ift ber Ehre Tod,
Da man's zu lange und zu diel
In der Kindheit pflegen will.“
Vorbereitung und Abhärtung zu Kampf und Krieg,
als der Hauptbefchäftigung eines Ritters, wurde baher
auch befonders gefucht und bezwedit; dies erlaubte Feine
zu zarte und milbe Behanblung. Fehlte e3 an elterlicher
Unterflügung, fo waren fürftlicde Höfe und Schlöffer bes
rühmter Ritter vorhanden, wo unentgelblid. die Jugend
ihre Unterweifungen zum Ritserleben erhalten konnte; ja
meiftentheilä wurde mit großem Edelmuth;, mit bebeuten-
ber Freigebigkeit für ven völligen Lebensunterhalt und alle
Bedürfniffe der Knaben geforgt. Sich zu irgend einem
. berühmten Ritter zu ‚halten und bemfelben in feinen Anges-
*) Gemachlichkeit.
h
2 Abtheil. Der Knabe. - 13
Iegenheiten zur Hand zu Ten, war damals weber nach⸗
theilig, noch. erniebrigend; man leiſtete dadurch Dienfte fir
Dienfte. So wurden denn aud in Frankreich unter bem
erften franzoͤſiſchen Koͤnigen die jungen Adelichen in den
Haͤuſern der Großen des Reichs unterrichtet, ehe fie an
dem koͤniglichen Hofe erfcheinen durften, und dies ſchildert
ein alter Schriftfieller Frankreichs fo: „Es ift eine ſchoͤne
Gewohnheit bei unferem Volle, baß man in guten Haͤu⸗
fern unfere- Kinder aufnimmt, für ihren Unterhalt forgt
und fie zu Ebelfnaben, als einer Stufe des Abels, ers
zieht; ja man hält es für unhöflich und beleidigend, dieſes
einem Edelmanne abzufchlagen.”
Was nun ein Edellnabe zu verrichten batte, waren
die gewöhnlichen Gefchäfte der Dienenden bei ihren Herren,
fowohl bei dem Gebieter, als auch bei deſſen Gemahlin.
Sie begleiteten diefelben auf. der Jagd, auf Reiſen, bei
‚ Befuchen und Spasiergängen, wurden verfenbet in Ange⸗
legenheiten des Herrn und ber Herrin, warteten fogar bei
Zifche auf und ſchenkten das Getraͤnk ein. Dies Aufwar:
ten bei Tiſche wirb 3. B. auch im Leben des berihmten
NRitters Bayard erzählt, der, nachdem er die Schule ver:
laſſen, von feinen Verwandten in das Haus feines Oheims,
des Bifchofs von Grenoble, gebracht warb, ber ihn mit
fi) an den ſavoyſchen Hof nahm. Als der Bifchof mit
zur Zafel bed Herzogs gezogen warb, reichte ihm während
berfelben fein Vetter, der gute Ritter (Bayarb), das Ges
traͤnk mit vielem Anſtande und betrug ſich fehr artig.
Anbere Stellen, fpäterhin anzuführen, werben bemeifen,
wie dieſe Aufwartungen auch noch ins SJünglingsalter
14 Erſter Abfeonktt. Jugendleben.
hbergingen. Die erſte Unterweiſung, die man ihnen gab,
war vorzüglich auf Liebe gegen Gott und bie Frauen ge:
richtet, alfo auf Gottesfurcht und zierliche Gefhgigkeit im
Umgange. Die bereitd angeführte Stelle des Wigolais
fimmt mit dem überein, was in bem Zeitbuche eines
Sraänzofen, Johann von Santıe, erzählt wird, welcher fagt:
bag die Frauen felbft dad Amt. zu übernehmen pflegten,
die jungen Knaben zugleich in den erfien Lehren des Chri⸗
ſtenthums und in der Kunſt zu lieben zu unterrichten.
Dies erfüllte fchon im frühfter Zeit die Jugend mit einer
tiefwurzelnden Schwärmerei, fchon früh hatte der Knabe
ein Vorbild weiblicher Würde, das ihm als das Ziel hoͤch⸗
ſter Vollkommenheit verfchwebte, wie benn dies am klar⸗
ſten and Ulrichs von Lichtenfiein Frauendienſt (©. 2.)
hervorgeht, wo es heißt:
„In diefen Gedanken (bie ich bereit8 oben anführte:
man müffe einer Frau mit Leib, Gut, Muth und Leben
bienen) wuchs ich bis in das zwölfte Iahr, Da gebachte
ich in meines jungen Herzens Sinn hin und her und
fragte nach der Sitte, Schönheit, Muth und Tugend
aller Frauen im Lande; wer von guten Weiben Lob fagte,
dem fchlich ich lächelnd nach, denn von ihrem Lobe war '
ich freudenvoll, Won einer hörte ich, deren Lob fich ‚die
Beiten im Lande angenommen hatten, und an ber man
bie meifte Tugend fand; fie war von hoher Art geboren,
fie war ſchoͤn und gut, keuſch und rein, fie war in’ allen
Tugenden vollfommen. Diefer Frauen Knecht war ich
beinahe bis in das fünfte Jahr. Da fprah mein Herze _
zu mir: guter Freund, Gefelle, wilft bu bich einer Frau
2. Abtheil. Der Knabe. 15
- zu eigen geben, fo muß ed diefe Frau ſeyn, denn fie if
alles Wandels frei. — „Ich folge bir, Herze, doch if
es uns beiben zu viel, DaB wir ihr um den Sold bienen,
den man von Frauen bolt, denn fie iſt uns zu hoch ges
boren, drum mögen wir beide wohl unfern Dienfi vers
lieren.“ — Schweig, Leib, Fein Weib war je fo hoc
‚reich, daß einem edlen Bitter, ber ihr mit Muth,
Herz und Leib dient, nicht endlich gelingen mochte. —
„Herze, ich ſchwoͤre dir bei aller Seligkeit, daß fie mir
keber ift, als mein eigener Leib, auf deu minniglichen
Wahn, den ich gegen fie habe, will ich ihr immer bienen.”
Da fich fo mein Leib und mein- Herz .entfchloffen hatten, «
um bie Gute zu werben, ging ich vor fie fliehen und ſah
fie minniglich an; ich dachte: wohl mir! fol das meine
füße Fraue ſeyn? Wie fol ich ihr aber fo recht gezie⸗
mend bienen, befier, als fo manches edle Kind in ihren
Dienften? Vielleicht dient von benen eines beffer, und fo
haßt' mich meine Grau; ich weiß nichts anders, als ihr .
fodt und früh zu dienen: vieleicht dient ihr einer mehr,
dena fein Herz doch nicht fo zu ihr fleht, als das meinige;
aber in meiner Liebe zu ihr will ich ihnen allen vorgehen.
Eins geſchah mir oft. Wenn ich wo des Sommers fchöne
Blumen brach, fo trug ich fie meiner Frauen bin; wern
fie die in ihre weiße Hände nahm, To dachte ich in meiner
Sreube: wo bu fie angreifeft, habe ich ihnen eben fo
gethan. Wenn ic, hinkam, wo man. meiner herzlieben
Brauer Waſſer über ihre weißen Hänblein goß, fo nahm
ich dad Waller, das fie angerliprt hatte, heimlich mit mir
und trank es aus vor Liebe. So diente ich ihr kindlich
16 Erſter Abſchnitt. Jugendledben.
viel, ſo viel als ein Kind vermag, bis mich mein Vater
von ihr nahm, an welchem Tage mir herzliches Trauren
und der Minne Kraft bekannt wurde. Mein Leib ſchied
nun wohl_von bannen, aber mein Herz blieb bortz; das ”
wollte nicht mit mir. Ich hatte wenig Ruhe Tag und
Nacht, wo ich ging ober ritt, war mein Her; immer bei
ihr, und wie fern ich von ihr war, ſchien ihr Lichter
Schein bed Nachts in mein Herz."
Es wird hieraus deutlich, wel eine überzarte Fein⸗
beit ber Liebe fich fchon in dem Gemüte bed Kindes
durch die damalige Erziehung feflfehen mußte, unb wie
alles dahin wirkte, die ſchon im alten ‚Deutfchlande fo
hohe Verehrung der Frauen zu ihrer hoͤchſten ‚Stufe zu
ſteigern. Es war ein Herfommen geworben, ja beinalhe
Geſetz, daß ein jeber, welcher in der Kindheit den Pfab
bes Ritterthums betsat, frühzeitig eine der ebeiften, ſchoͤm⸗
fien und tugendhafteflen Frauen des Hofes, an welchem:
er ſich aufhielt, wählen mußte. Ihr vertraute er, gleidh-
ſam als feiner irbifch erfcheinenden Gottheit, alle feine
GSefinnungen, Gedanken und Handlungen an; body fehen
wir auch, wie eben aus der Stelle des Lebens von Ulrich
v. 2. hervorgeht, daß eine foldhe Liebe auch oft in bie
ſtillſten Räume des Herzens gebrängt warb, daß fie nicht
bervorzutveten' wagte, und baß fo die Frauen unbewußt,
außer den Huldigungen ber Ritter, auch noch die innigfte
Anhänglichkeit in den Herzen ber in ihrer Dienerfchaft
befindlichen Knaben fanden, wodurch natinlid ein ‘noch
innigered unb freunbfichered Band zwifchen Herrin und
Diener gewoben werden mußte. Kein gezwungener Dienfl
2. Abthell, Der Knabe 17
war ed mehr, fondern ein verfrauungsnolles, zartes und
unwandelbared Dingeben. Doc iſt nicht zu verbergen,
daß diefe Liebe, bisweilen bie geiſtigſte und zaxtefte,
oft auch fo nachſichtsvoll war, daß minder reine und
minder anſtaͤndige Begierden einen Dedmantel in ihr
fanden. Denn auch bei.dem Höchften und Beften wird ſich
nie die menfchliche Schmäche verläugnen; aber wir follen
nue immer das Höchfte und Beſte fuchen, nicht nach den
Schwähen und Mängeln 'grübeln und forfchen, um, wie
einige Darfteller des Mittelalters; aus ihm ein Zerrbild
voll Ekel und Gräul zu machen, indem das Edle ihnen
unter plumpen Händen entfchwindet.
Die Grundfäge der Kiebe, welche bas Ritterthum
aufſtellte, verbreiteten in dem Umgange mit den Frauen
eine Achtung "und Ehrerbietung, die ſich ſchon von den
frühften Jugendjahren flufenweis entwidelte. Als Regel
kann man wohl annehmen, daß der Unterricht, welchen
die Jugend in Beziehung auf Anſtand, Sitten und Zus
gend empfing, durch das Beifpiel der Zrauen und Ritter,
denen fie dienten, unterflügt ward. An ihnen hatten fie
Mufter des aͤußern Anflagbes, den die Welt immer ver:
langt, wenn fie nicht nach und nad durch Plumpheit,
die auf Plumpheit gefegt wirb, zu einer widerlichen Roh⸗
peit finten fol. Es bildete fih ein freundliches Wechſel⸗
verhältniß des vertrauungsvollen Nehmens und Gebens,
welches immer bie fhönften Früchte zeitig. Die ebel-
müthige Sorgfalt der Großen, diefe Menge junger, off
in Dürftigkeit geborner Leute zu erziehen, blieb für fie
feld nicht ohne Nuten und Belohnung. Außer dem,
2
18 Erfter Abſchnitt. Sugendkeben.
- daß fie den jungen Abel zu ihrer perfönlichen Bedienung
gebrauchten, fanden auch ihre Kinder an demfelben Erzie⸗
ber und Muſter, weiche Liebe zu ihren Pflichten bei ihnen
erwecken. Die Verbindungen, welche ein langjähriger
Umgarig ‚nothwendigerweife unter ihnen einführte, und
weiche durch das doppelte Band ber Wohlthaten und ber
Erkenntlichleit gefnüpft waren, wurden unaufloͤslich.
Daher auch in der Ritterzeit fo manche feſte Verbindung
der Ritter auf Leben und Tod und für immer. Die
Kinder waren flet3 willig, zu ben Wohlthaten ihres Das
ters neue binzuzufegen; und bie andern immer geneigt,
durch wichtigere Dienfle ſich dafür erfenntlih zu zeigen,
und fie flanden ihrem Wohlthäter ober bemjenigen, welcher
an feiner Stelle war, in allen feinen Unternehmungen bei,
Der widhtigfte Gegenfland bei: dem Unterrichte eines
ſolchen Zoͤglings war Ehrfurcht gegen den erhabenen Geiſt
des Ritterweſens. Hierin warb er auch am beften unters
richtet. Er mußte an ben Rittern diejenigen Vorzüge
ſchaͤtzen lernen, wodurch ſich biefe gu ber hohen Ehrenftufe,
- auf welcher fit flanden, erhoben hatten. Hierdurch wurden
die Dienfte, welche ber Zoͤgliag ihnen leiflete, im ben
Augen. deffelben noch mehr veredelt. Einem Ritter
Dienfte leiften, war eben fo viel, als dem ganzen Ritters
flande dienen. Sogar bie Spiele, welche man ben Zoͤg⸗
lingen in den Erholungsſtunden erlaubte, waren fo bes
ſchaffen, baß fie zu.ihrem Unterrichte dienen mußten. So
fpielten auch fie mit Langen und Armbrüften, vertheidigten
einen Weg und. einen Ort, oder fuchten ihn einzunehmen.
Hierbei erhielten fie auch die Unterweifung ihrer Lehrer,
2. Abtheil. Der Knabe 19
bie, wie oben bereits bemerkt, Bütbenzuchtmeifter in
Deutfchland genannt wurden *). Gie empfingen einen
Vorſchmack an den verſchiedenen Arten der Zurngefechte
und begannen fich zu ben eblen „Uebungen eines Waffens
trägers und Nitterd zu bilden. So- vermehrte fih bei
ihnen von Zage zu Tage bie Racheiferung, welche für
jeden Stand und jedes After bei alfem Tuͤchtigen und
Guten fo heilfam ift. Sehnſucht nach dem Dienft eines
andern, etwa vornehmern, maͤchtigern ober beruͤhmtern
Herren, ober Begierde, ſich zu der Stelle eines Knappen
ihres Herrn, oder eined Hausdieners ihrer Gebieterin em⸗
porzufhwingen, welches oft der legte Schritt zu der rit-
terlichen Wuͤrde war, feuerte fie zu Dienfteifer und Fleiß
in ihren UVebungen an. .
Die Züge ber frühern Erziehung der Knaben gehn
aus vielen Gedichten und gefchichtlihen Werken hervor, -
und e& fann bier nur darauf ankommen, einzelne Nach⸗
richten darzulegen. Die Nibelungen, die, wie ſchon
gefagt, durch ihre Ucherarbeifung in dem 12. Jahrh. auch
erlauben, daß man ihrer in einer Geſchichte des Ritter⸗
wefens erwähnt, fagen bei der "Erziehung des Siegfried:
(8. 88. ff.)
Man z0g ihn mit dem Fleiße, als ihm das wohl zukam;
Durch feinen eignen Sinn mehr Zugend er an fi) nahm.
Drob wurden brauf gezieret feines Vaters Land’,
Daß man ihn zu allen Dingen fo recht herlichen fand.
*) Das Wort Bube hat im Altdeutfchen und beſonders auch noch
in einigen beutfhen Mundarten durchaus Keine üble Bedeu:
tung. Bube oder abgekürzt Bub’ heißt ein jeder unverheira—
theter junger Dann.
[4
2*
U
X Erſter Ahſchnitt. Jugendleben.
Er war nun ſo erwachſen, daß er zu Hofe reit't;.
Die Leute ihn ſahen gerne, manche Fraue und manche Maid
Ihm wünfhten, daß fein Wille ihn immer trüge bar; :-
Kolb wurden ihm genug, das warb ber Herre wohl gewahr.
Biel felten unbehütet man reiten ließ das Kind;
Ihn hieß mit. Kleidern zieren Stegmund und Siegelint;
Ihn pflegten audg die Weifen, den’n Ehre war bekannt.
Drum mocht' er wehl gewinnen, beide, Leute und auch Band.
Hier fehen wie nur allgemeine Züge, wie das Kind
Siegfried erzogen, -veich befleipet: und immer unter auf:
merkfamer Hut gehalten wird. Seller und auf die Ritters
Beftimmung abzwedend find ſchon die Stellen, welche ich
oben aus dem Wigolaid angab.
Einzelne. Beweiſe liefert und auch das herrliche Gedicht
Wolfram's von Eſchenbach, der Ziturel, Aus ihm erfah:
ten wir wenigflend, wie Edellnaben aus den Händen es
einen Ritterd oft in die Hände eines andern übergeben
wurden. Denn fo heißt ed, als bie Abenteuer auf Schio=
natulander, den eigentlichen Haupthelden des Titurel,
kommt:
Da Gamuret durch Minne
Nahm Schild von Anfoleifen *),
Die edle Kranzöfinne
Ihm lieh das Kind; bas mäffen wie noch preifen.
Anfoleife alfo übergab den Schionatulander in bie Pflege
und Erziehung Gamurets, der auch feine Nichte Sigune
bei fich hatte und, wie der Dichter fagt:
Die Kind bei einander
In feiner Kammer lieblich zog.
Ten .
*) Anfoleife war Königin von Frankreich und bes Ritters Gamurets
Geliebte. „Gamuret nahm Schild von Anfoleifen’‘ heißt fo vier,
als: er warb ihr Ritter.
2, Abthell, Der Knabe 21
Freundliche Liebesbotfchaft war auch oft das Geſchaͤft der
Edelknaben: fie brachten Briefe und Liebesgruͤße von dem
Nitter an feine Geliebte und wieder zuruͤck, und auf dieſe
Weiſe erfuhr auch die Gewalt und Kraft der Liebe der
junge Schionatulander
Bon mancher ſuͤßen Botſchaft,
Die der Franzoſen Kön’gin Anfoleiſe
Durch ihn entbot dem werthen Anfdevine.
[Der Anſchevine iſt Gamuret, beffen Land Antſchove (Anjon) war.)
Sn dem Rittergedicht Wigamur wird der Knabe Wi:
gamur von einem Meerweibe geraubt und mit ihren Töch-
tern erzogen. Nachdem das Meermweib aber feinen Tod
gefunden, wird der Knabe von einem andern Meerwunder,
einem Manne, erzogen und ernährt; und babci gibt der
Dichter auch den Kreis der Dinge an, die zum Unterricht
bes Knaben gehörten, ehe er zum Zragen ter Waffen reif
gefunden ward. Er ſagt:
Er lernt’ in feiner Kindheit
Tugend und Gefügigkeit,
Bingen und Saitenfpiel
Und auch andre HübfchHeit viel:
Schirmen und Springen,
Laufen und auch Ringen,
Bis er Fam zu feinen Tagen,
Daß er ſollt' haben getragen
Shmwerbt und Mannes Wehre.
Triſtan's frühe Sugend haben wir bereits oben tens
nen gelernt; feine Anaben=Zeit bis zum 14. Jahre ſchil⸗
dert uns der Dichter (V. 1952.) fo: Mit dem weifen
Manne, dem der Marfıhall bie Erziehung des jungen
Zriften anvertraute, fandte er ihn bald, fremder Spradhe
wegen, in fremde Lande, auf daß er dort auch fogleich
22 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
. anfinge aus den Büchern zu lernen. Zriftan- legte feinen
Fleiß fo fehr daran, daß er aus ben Büchern mehr Iernte,
als früher oder ſeitdem je einer in fo kurzer Zeit gelernt
bat. Unter zwei „Lernungen,“ wie der Dichter fagt, war
feine, Zeit getheilt, eines Theils den Büchern, andern
Theils der Zunge gewidmet; denn jeglihem Saitenſpiele
widmete er viele feiner Stunden und Eehrte feine Aemſig⸗
keit ſpaͤt und fruͤh ſo eifrig dazu, bis er es wundervoll
konnte. Er lernte alle Stunde, heute dies und morgen
das, heute wohl und morgen beſſer. Ueber dies alles
lernte er mit Speer und Schild behendig reiten, zu bei⸗
den Seiten das Roß verſchiedentlich ruͤhren, vom Sprunge
es kuͤhn abhalten, es wenden und ihm Freiheit laſſen,
bann es aber auch wieder mit den Schenken zufammen:
nebmen. Wohl fih gegen Hieb und Stoß zu firmen,
ftart zu ringen, gut zu laufen, fehr zu fpringen, dazu
bie Lanze zu fchießen, das that er wohl nach feiner Kraft.
Auch lernte er Pirfchen und Jagen. Nie war ein Dann
fo wohl, ald cr, es fey auch wer er wolle. Allerhand an
Höfen gemwöhnlihe Spiele that er wohl und konnte er;
auch war er fo an dem Körper geflaltet, baß ein Juͤng⸗
ling vom Weibe nie feliger geboren warb.
Etwas früher beginnt fihon, nach dem Gebichte Flos
und Blankflos, die Knaben = Erziehung bes jungen Flos,
welchen ber König bereits im fünften Jahre zu Unterwei⸗
fung in den Büchern fegt, denn, fagt der Dichter, (V. 360.)
Er.tbat, alfo noch die Weifen thun,
Die liebe Kind durch weifen Rath
Lehren, ſonder Miſſethat,
Zucht, Ehre und Tugend;
2, Abtheil. Der Knabe, 2
Denn den Kinden in ber Jugend
Die Lehre allermeifte frommet,
Die darnach zu Nutzen kommet,
So ſie zu verſtaͤndigen Jahren gelangen.
Dies Gedicht enthält die Liebe des Flos und der Blank⸗
flos, zweier Kinder, er ein Koͤnigsſohn, ſie einer Gräfin
Tochter, an einem Tage geboren und: beide einander
auffallend aͤhnlich. Schon früh entwickelt fich die Liebe
der zufammen erzogenen Kinder, bie auch nichts zu vers
nichten vermag,- und 8165 bittet daher feinen Vater, daß
er fie beide Schulgenoffen werben laſſen, was auch ber
König verfiattet: Da laſen fie fleißig zufammen, fagt ber
Dichter, die Bücher, auch bie, welche von Minne han
bein, und
Dabei fanden fie gefchrieben,
Wie mandem, ber nad) Minne rang,
Es misging und auch gelang,
Mancher war verborben,
Mancher hatte Lieb’ erworben.
Alfo auch bier wurden ſchon in früher Jugend die Lehren
der Liebe in bie jungen: Derzen gefenkt. Hecht Licblich
ift auch dad Yugendleben der Kinder außer der Schule in
dieſem Gedichte. befchrieben, wenn es beißt; Wann fie aus
der Schule heim kamen, fo gingen die Zarten in einen
ſchönen Baumgarten, ber hübfch und weit war. Darin
hüteten 3108 und feine Geliebte immer bie Vögel auf ben
Zweigen. Es fland darin ein fchöner Graswaſen, mit
Blumen wohl bedeckt und mit Bäumen überfchattet, roth,
braun, grün unb weiß in Farben fpieknd, Da hielten
die Kinder täglich ihr Mahl, und die Gefpielen freuten _
fih, wenn fie darin faßen. In der Schule fihrieben fie
24 Erſter Abſchnitt. Jug endleben.
dann wieder an ihre Taͤfelein von den Blumen, wie die
aus der Erde ſprießen, von den Voͤgelein, wie die ſingen,
und viel von Minne, von anderm nichts. Ihre Taͤflein waren
von Elfenbein, und dazu hatten ſie ſchoͤne Griffel von Golde.
In fuͤnf Jahren, alſo im zehnten Jahre ihres Alters,
waren ſie dahin gekommen, daß ſie vor jedermann alles,
was fie wollten, in Latein ausdeuten konnten. Bon rit⸗
terlihen Uebungen erfahren mir hier michts, alles dreht.
fih um ein zarted Liebesband; denn bies nur rollt das
ganze Gedicht vor uns auf.
Wir haben oben geſehen, wie Kaiſer Maximilian in
kindlichen Tagen erzogen worden, und da, wie bereits ge⸗
ſagt, in ſeiner Erziehung keine beſtimmten Abſchnitte
gemacht zu ſeyn ſcheinen, ſo moͤge hier nur folgen, was
wahrſcheinlich im Knabenalter ſeine Beſchaͤftigung war.
Sein Vater erwaͤhlte „etliche hochgelehrte Meiſter, die
ein's frommen, geiſtlichen Lebens waren, und verordneete
die zu ſeinem Sohn, ihm Latein und darinnen am aller⸗
erſten die Zucht und Furcht Gottes und darnach die heilige
Geſchrift, mit ämfigem Fleiß zu lehren und zu unter
weifen. . Es wurden ihm auch viel mächtiger. Herren und
Edelleut Kinder zugeorbnet, mit fammt ihm zu lernen
und auf ihn zu warten. — „Nachdem der junge Weiß⸗
funig in ber heiligen Gefchrift genugſamlich hat gelernt,
da kamen ihm oftmalen fchöne Schriften vor. Wiewohl
ihm nicht noth war, fondere gufe Schrift zu lernen, aber“
nach feinem Gemüt, daß er in jedem andern gleichmäßig
ſeyn wollt', unterfiund er ſich und übet fi fo viel mit
dem Schreiben, und nahm Lernung auf, barinnen er kei⸗
J
2. Abtheil. Der Knabe 26
nen Verdrieß hatte, ſondern es war ihm ein? Kurzweil
und lernt alſo mit ſeinem Fleis, und mil der taͤglichen »
Uebung eine ſonders gute Schrift, die er bald von Hand__,
ſchrieb.“ — „Drauf befahl der alt’ Weißkunig den Meis
flern, feinen Sohn die fieben freien Künfte zu lehren.
Und lernet' anfänglich die Grammatifa, als den Grund
der andern fechs freien Künft’; darnach die Logifa, darnach
die andern. fünf freien Künfl’ und wurde in kurzer Zeit
in denfelben fieben freien Künften unlıbertrefflichen gelehrt.‘ |
Drauf fleißigt’ er fi) des geheimen Wiſſens und der Ers
fahrung der Welt, ausforfchend das Verhältniß der Stände
und des Reiched und alles kernend, was zur Staatsweis⸗
beit gereicht und lehrt, wie ein Herrſcher mild und gluͤck⸗
ch über fein Voll walten kann; denn fein Vater gab
ihm bie Lehre: „wiewohl ein jeder König iff, wie ein
and’rer Menſch, fo müflen doch. die Könige, die felbft
regieren, mehr wiflen, benn die Fuͤrſten und das Voll,
damit daß ihre Regierung bei ihnen bleibe.’ — Demnach
fernt” er gar Amfiglihen die Kunft des Sternenfehens
„und vernahm gar eigentlichen des Himmeld Einflus und
der Sterne Birkung, bavon die Menfchen ihre Natur und
ihr Weſen empfahen; auch die Ordnung und Zirkel bes
Himmels.’ — Um nun das Gemüt ded Knaben zu
ſtaͤhlen, daß er in reiferm Alter- nicht verführt wuͤrde, ließ
er ihn durch einen Meiſter auch in der ſchwarzen Kunſt
unterrichten; aber der Knabe ſah, gefeſtet durch die frühen
erhaltene Lehre, daß fie eine Verflihrung zur Stunde und,
Schande fey und abkehre von der Erfenntniß des alleini>
gen Gottes. Daher, nachdem er ihren Ungrund und ihr
J
3 Erfter Abſchnitt. Jugendleben. -
verführerifches, trügerifches Gleißen erfannt hatte, fendete
er ben Meifter wieder von ſich; und fo ift es kommen, daß,
als er zur Herrfchaft gelangt, .,,er feinen Unglauben oder
Ketzerei anfachen, noch erwachfen laſſen, die fonft oftmalen
überhand genommen haben.‘
Hier läßt fich vielleicht ein Abfchnitt deſſen machen,
was er als Knabe zu erlernen bemüht war, obgleich auch
bei Vorbemerktem fchon manches in das Juͤnglingsleben
hinüber zu falle fcheint. Das Uebrige feines vielfachen:
Lernens wirb daher in Marimilians Juͤnglingsauer ange⸗
fuͤhrt werden.
Mit dem Verfall ber Ritterſchaft verſank aber- auch |
biefe zarte und von anderer Geife doch wieder kraͤftige
Erziehung, und ber Knabe ward auf ganz andere Art zu
einem rohern Kriegerleben gebildet.
Kurz nur fpriht Gig von Berlichingen von feiner
Augend, indem er erzählt: „Und zwar, fo bin ich anfaͤng⸗
lich zu Niedernhall am Kocher ein Jahr lang in die Schule
gangen und bei einem Vettern gewefen, der hieß Konz
von Neuenfein und faß zu Niederhall, allda hatt’ er ein -
Haus gebauet.. Ald ih aber nicht viel Luft zur Schulen,
fondern vielmehr zu Pferden und Reiterei trug, und mich
babei finden ließ, bin ich folgends alsbald nach demfelben
zu Hera Konrad von Berlichingen, meinen Better feelis
gen, kommen, bei dem ich drei Jahre Yang verharret und
für einen Buben gebraucht worden.‘
Erheiternde und lächerliche Züge feiner Jugend erzählt Ä
und Hans von Schweinichen, fernab freilich von dem,
was aus dem Triſtan, Flos und Blankflos gefchöpft,
2. Abtheil. Der Knabe, 27
ſo eben benierkt worden iſt, aber er liefert uns dagegen
auch ein aͤußerſt reges Gemaͤlde der Sitten, des Lebens
-und Treibens feiner Zeit, des völlig verfallenden Ritter⸗
thumes. „Als ich — ſagt er — meines Alters in's
neunte Jahr und alſo der Jahreszahl nach ind 1561. Jahr
kommen und alfo wenig bad meinen Verſtand erlanget -
habe, habe ich zu Mertſchuͤt zum Dorfſchreiber Jorge
Pentzin gehen und allda zwei Jahr ſchreiben und leſen
lernen. Wenn ich denn bald war riſch, und wann ich
aus ber Schulen kam, mußte ich die Gaͤnſe hüten. Wie
ich einft die Gaͤnſe hütete und fie fehr umliefen, ſpillt' ich
den Gänfen allen dad Maul auf; da blieben fie ftille
fliehen, waren alſo bald verduͤrſt't, welches die Frau
Mutter gewahr warb und gab mir einen guten Schilling.
Durfte hernach nicht mehr bie Gaͤnſe huͤten. Ich bekam
aber ein ander Amt: Daß ich auf den Staͤllen und in
Scheuren Eier ſuchen mußte, und wenn ich ein Schock
zuſammenbrachte, ſo gab mir die Frau Mutter ſechs Heller
davor; die waͤhreten nicht lange, ſo hatte ich Gloßen und
Schnellkuͤlichen davor.“
„Wie ich nun ein wenig zu leſen angefangen und
faſt, wie zu ſagen, ſtammeln koͤnnen, als auch im Schrei⸗
ben die Buchſtaben zu ſetzen, und wie man pflegt zu ſagen,
Krohnfüße +) zu machen, bin ic Anno 1562, vierzehn
Zage vor Dflern, von meinem lieben Herrn Vater zu
‚Io Fürſtl. Gnaden Herzog Friedrich III zur Lirgnig,
weil Ihro 5. ©. allda in der Kuſtodia angehalten worden,
”) Krähenfüße. . \
28 Erſter Abſchniit. Jugendleben.
gegeben, daß ich mit J. F. G. H. Friedrichen, dem jun⸗
gen Herrn und vierten dieſes Namens, ſtudiren ſollte.
Da denn damals dem jungen Herrn ein Praͤzeptor gehal⸗
ten ward, Hans Pfitzner genannt von Goldberg. Da
gab mir der Herr Vater zum Buͤcher Kaufen und zur
Zehrung 32 Weißgroſchen. Da aber neben dem jungen
Herrn ſonſt niemand als ich und Barthel Logau mit zu
ſtudiren gegeben worden, und wir kleine Knaben waren,
hat J. F. ©. H. Heinrich, als damals regierender Lan⸗
desfuͤrſt, des jungen Herrn Praͤzeptor ein eigenes Zimmer,
als die kleine Baſtei, eingegeben, darin wir taͤglich ſtudi⸗
ren mußten, als auch das Rosarium und ſonſt Lateiniſch
leſen lernen, auf alle Tage vier Vocabula behalten und
wenn die Woche herum war, auf einmal rezitiren. Wie
denn der Praͤzeptor den jungen Herrn und uns ganz
ſtrenge gehalten; wiewohl ich allezeit einen Vortheil vor
dem jungen Herrn und dem Logau gehabt; weil mir die
Frau Mutter Mitheller zuweilen geſchickt, kauft' ich mich
beim Praͤzeptor nachmals abe; denn der gute Mann ging
gerne an die Buhlſchaft zu ſchoͤnen Jungfrauen und hatte
nicht Geld. Darum ließ er ofte fünfe gerade mit mir
feyn, damit ich ihm nur aufwarte und Geld gab. Bin
alfo die Zeit, weil er Präzeptor war, tiber zweimal nicht
geftrichen worden, welche ich doch wohl verdient gehabt
und er es ehrenthafben nicht umgehen hat mögen. Sonſten
bin ich neben dem von Logan mit Effen und Trinten wohl
gehalten worden; mußten auch dem alten Herrn im Zim⸗
mer aufwarten, Eſſen und Trinken holen und dies leiften,
was Jungen zuftehet, auch mehrentheild, wenn I. 3. ©.
2. Ubtheil. Der Knabe, 29
einen Rauſch hatten, im Zimmer liegen; denn J. F. G.
nicht gerne zu Bette ging, wenn fie berauſcht waren.“
„J. F. ©. gaben mir bald ein. Amt, daß ich Keller
here feyn mußte; dergeflalts Demngdh I. F. ©, «ine Anz
zahl Weins aus Herzogs Heinrich Keller haften; wenn
nun Ihro F. G. nicht Luft zum Trinken ‚hatten, mußt
ich. ſolchen Wein in ein Faͤßlein in J. F. G. Kammer
ſammeln, darin ungefähr ein Eimer ging. Sobald ſolches
voll ward, baten 3. $. G. Säfte,. ließen au nicht abe,
bis ausgetrunken war, Danach hatte ich aych im Befeh⸗
ih 3. 3. G. Rappier’, welde fie allezeit meine Jungfer
Käthe geheigen haben. Und wenn 3. F. G. fagten:
„Duff, daß dich Basmatter! gieb mir meine Jungfer
Käthe her, ih will ein Zänzlein thun!“ fo hatte ih Anz
fangs davon eine Fuͤrſtliche Maulfchelle,. mit Vermeidung
von 3. $. ©. Bruder; „Wie gefällt dir bag? War «8
nicht eine gute Fuͤrſtl. Maulſchelle?“ Wenn ich folches
lobte, fo gab I. 3. G. mir einen Silbergrofchen zu
Semmeln; aber die Maulfchelle war viel befjer, ald 20
Sitbergrofchen, und follte doch große Gnade ſeyn, der ih
lieber entbehren hätte wollen. Ferner mußte ih auch 93.
3. G. Geſchoß, das ift das Blaſe⸗Rohr, nebſt Küchlein.
und Bolzen, ald auch die Nägel dazu, wenn mit bem
Blasrohr gefchoffen ward, in Verwahrung haben. Und
wenn I. 8. ©. fremde. Leute, fo mit fchoflen, hatten,
welcher gewann und ben Vogel ’runter fchoß, hatte ich
einen Kreuzer; welches mir manchen Tag ſechs auch fieben
Weisgroſchen bracht. Dagegen mußt ich beim Schnitzner
auch Vögel machen laſſen und gab für einen zwei Heller.’
=
30 Erfier Abſchnitt. Sugendleben.
„Bin alſo von’ 1562 von Ofterm bis 1563 ausgehend.
bei 3. 3. ©. in ber Custodia gewefen und aufgewartet.
Mein Lernen iſt gewefen Deutfch und Lateinifch ſchreiben
und Iefen, und daß ich dabei den Katechismus und bie
Gebote auswendig gelernet und was fonften für eine Aus:
mufterung zum Hofe geweſen, hat feyn mögen.’
Hans von Schweinichen blieb nicht bis zum Schluß
ber Knabenjahre in Liegnitzz; warum er nicht‘ luͤnger fich
Hort aufhielt, erzaͤhlt er auch felbft: „Die Urfachen aber,
warum mic; mein Hetr Vater in fo weg und nicht fafl
zwei Jahr wieder abgefordert, iſt dieſe. Demnach I. $.
©. der alte Herzog Herrn Leonhard Kränzheim, der Zeit
Hofpredigern, ziemlich gram umd gar nicht leiden konnte,
datten 3:5. ©. ein Pasquill gemacht, welches auf Herzog
Heinrich als Ben Hofprediger sing; ba ich mir biefen leg:
ten Vers bebaften:
Alles Unglüd und Iwietraht -
Zwiſchen meinem Sohn H. Heinrich hochgeachtt,
Das richt't alles der Suppen-Pfaffe an,
Der verlaufrne Fraͤnkeſche loſe Mann.
Welches Pasquill ich auf den Predigtſtuhl in die Schloß⸗
r
kirche legen mußte, damit es Herr Leonhard gewiß bekom⸗
men möchte. Wie Herr Leonhard auf den Predigtfluhl
fteiget, findet ex den Zettel, welcher ziemlich lang war,
wird darüber erzuͤrnet Wie er das Evangelium foll leſen,
lief’t er das Pasquill; darlber werden 3. F. ©. Herzog
Heinrich ergrimmet. Nach gehaltener Predigt halten 3.
J. G. Eramen, da denn bald meine Verräther da waren,
und fagten, daß ich’8 gethan hätte, fonderlich aber auf Befehl ,
J. F. G. Darauf ſchicken 3. 5. ©. H. Heinrih alsbald
2. Abtheil. Der Knabe, 31
nach meinem Vater, verwiefen {hm folches, mich von fol:
hem abzuhalten. . Wenn denn ber Herr Vater berichtet
worden, daß ich es auf I. 3. G. Befehl thun mäflen,
und ich mich als ein Kind nicht verftanden, hat fich mein
Herr Vater bei 3. 3. G. H. Heinrich angeben, mich vom
Hofe wegzunehmen; benn ihm nicht lieb, daß zwiſchen
den Fuͤrſtl. Perfonen Uneinigkeit follte geſtiftet werden.
Bin aber nicht gerne heimgezogen, denn ich allbereit des
Hofe Wefend gewahr worden. So hatte ich auch einen
Anfang zum Studiren, konnte alſo Lateinifch ſchreiben
und leſen, daß ich mir Eſſen und Trinken konnte Latei⸗
niſch heißen geben, konnte auch ben kleinen Katechismus
Lutheri auf ein Naͤgelchen auswendig, als auch das Roſa⸗
rium und etliche Pſalmen.“
Es wird hieraus Mar, daß die Kenntniffe, welche bas
mals ein junger Ritterfnade bis zu feinem 12. Jahre zu
erlangen bemüht war, die größte Mittelmaͤßigkeit nicht
überfchritten. Erſt in den Jünglingsjahren werden wir
feben, wenn ich auf dad Leben des Hans von Schweis
nichen wieber fomme, daß Doch noch mehrere Kenntniffe
nöthig erachtet wurden, wenn gleih auch fie nur fehr
oberflächlih waren. Hier nur noch, wie Hand von
Schweinichen feine Knabenjahre beſchloß.
Sein Vater wünfchte, ihn zu dem alten Markgrafen
nach Preußen zu fchiden, damit er mit dem damaligen
jungen Herrn ſtudiren follte. Diefe Gegend war aber der
Mutter zu entfernt, und fie berebete den Vater, es zu
unterlofien. Darauf ließen ihn feine Eltern wieder zum
Dorffchreiber in die Schule gehen Bei mehren Beifen,
n
32 Erſter Abſchnitt. Sugendleben.
welche der: Vater unſers Hand mit Herzog Heinrich machen
mußte, nahm er den Knaben mit fih, bei welchen‘ Geles
genbeiten er dann, 3. ©: 1563, als H. Heinrich am 28,
Chriſtmond taufen ließ, (wobei auch Kaifer . Marimilian
ber Afle gegenwärtig war) „vor Edelknaben, in einem
Sammtrödtein, wie diefelbe Zeit braͤuchlich, aufwarten
helfen muͤſſen.“ Im Jahre 1564 reiſte Herzog Heinrich
von Liegnig nach Anſpach und Stuttgart „neben einem
zeifigen Zeug (wie H. v. Schweinichen erzählt) ungefähr
. etlihe 60 Ros und etliche Wagen, darunter fechd Spieß-
jungen, drei große und drei Tleine, geweien. Bin ich,
Hans- Arleben von Kaltwafjer und ein Retfhin, ein
Böhme, die kleinſten geweſen. Da ich aber des Reitens
ungewohnt, aud) die Zeit bräuchlih, daß bie Jungen in
Schweifen, (d. h. Steigbügeln, bie nicht in der Mitte des
Sattels, fondern vorne am Sattelknopf befefligt waren)
haben reiten müflen, babe ich es nicht vollenden mögen,
fondern babe mich Iegtlich zum ‚Herrn Vater aufn Wagen
feßen müflen, und ift ein anderer an meiner Stelle ge:
braucht; nicht weniger habe ich mich täglih im Aufwarten
3. 5. ©. gezeigt." — „Des ausgehenden 1564 unb
1565ſten Jahres bin ich daheim. gewefen und zum Pfarr
in die Schule gegangen, auch vom Herrn Vater in ber
Wirthfchaft zuzufehen unterwiefen und dazu gehalten wor: _
den, und bin neben, wenn der Herr Vater verreifet, als
ein Junge aufgewartet und zu Ros mitgeritten und ges
fahren, wie es dem Herrn Vater Gelegenheit gegeben hat.“
Diefe hier angeführten Züge aus dem Verfchwinden
bes Ritterweſens geben zugleich ein Bild der ganzen Zeit,
3. Abtheil. Der Jüngling. 33
welches bei den demnaͤchſt mitzutheilenden Auszuͤgen aus
alten Ritterbuͤchern und Gefchichten noch klarer und deut⸗
licher werben wird, da ich glaubte, daß die Auszüge nicht
zu Eur; gegeben werben dürften, damit man aus ilmen
ſelbſi, nicht qus einer daraus gezogenen Bolgerung erfähe,
wie der Ritter in und mit feinem Zeitalter in jebem ber
verfchiebenen Jahrhunderte ſtand.
Dritte Abtheilung.
Der Juͤngling.
Eine gottesdienſtliche Feierlichkeit war noͤthig, um bie
Hülfe des Höchften auch bei dem neuen Lebensſchritte an⸗
zurufen, fobald der Edelknabe oder Page bie höhere Stufe
feined Lebens mit dem 14ten Jahre betrat und die Stelle
eines Knappen ober eined wichtigern und vertrauten Haus⸗
bieners in Töniglihen oder hochfürftlichen Häufern erhielt.
Diefe Feierlichkeit hatte den Zweck, die Juͤnglinge von
dem Gebrauche des Degens, der ihnen alddann zum erften
Male Überreiht ward, zu unterrichten, das heißt: ihnen
nun Die Würde und das Anfehen, welches fie durch das
ragen beflelben erhielten, anfchaulich zu machen; denn
in den Uebungen mit dem Degen waren fie zum Theil
Ihon im Knabenalter, wenigftend in einzelnen Faͤllen,
untersictet worben. Die Eltern des Juͤnglings, ber jebt
ö
34 Eriter Abſchnitt. Jugendleben.
.ben Evclfnaben = Stand verlich, begleiteten ihn an den
Altar und fchritten, mit brennenden Wachökerzen in ber
Hand, feierlich zum Opfer. Der Priefier nahm einen
Degen nebft dem Degengehänge von dem: Altare, fprach
verfchiebene Segen daruͤber und umglrtete den jungen
Edelmann damit, ber ihn nun von diefer Zeit an tragen
durfte. So war es in Frankreich. ‚
Diefe ganze Art der Wehrhaftmachung bed jungen
Adelihen weifet auf wralte deutfche Gebräuche zuruͤck, bie
in Frankreich aus fränkifcher Zeit blieben. Tacitus exzaͤhlt
uns in feinem Buche über Deutfchland (Gap. 13.):
„Deffentlihe fowohl als Angelegenheiten ber Einzelnen
unternehmen fie nicht anders, als gemwaffnet. Es ift aber
. nicht Sitte, die Waffen eher anzulegen, als bis die ganze
Ortfchaft folches genehmigt hat. Alsdann ſchmuͤckt ent⸗
weber ber Vornehmſte, ober ber Vater, oder fonft ein
: Verwandter den Juͤngling vor oͤffentlicher Berfammlung
mit Schild und Lanze. Dies iſt ihre Toga, das erfte
Ehrenzeichen bes Juͤnglings. Zuvor gehörte er dem Haufe,
nunmehr dem gemeinen Wefen. Eben fo erzählt Paul
Warnefried (de Gestis Longobardorum L. I. c. 15.),
daß der Iongobardifche König Anton nicht eher feinen
eigenen Prinzen mit an feiner Zafel wollte fpeifen laffen,
als bis ihn ein ausländifeher König wehrhaft gemacht
hatte.
Diefer altdeutfche Gebrauch lag bei der ſpaͤtern Sitte
der Wehrhaftmachung der Juͤnglinge unftreitig zum Grunde,
body wandelte er ſich in der Folge beim Witterwefen in
Deutfchland um, und bie Gebräuche wurben roher, als
3, Abtheil. Der Süngling. 35
fie in Sranfreich waren.- Je firenger die Erziehung ber
Kinder und Knaben war, je fefter die Aufficht, unter der
fie gehalten wurden, je mehr mußte der Schritt,‘ welcher
ihnen Selbſtſtaͤndigkeitgab, an alles das erinnern, was jetzt
hinter ihnen lag und ihre nunmehrige Freiheit ſcharf an⸗
deuten. Vor der Feierlichkeit der Wehrhaftmachung mußte
daher in Deutſchland der Knabe in Gegenwart des ganzen
Hofes, oder bei geringern Rittern in Beiſeyn der ganzen
Hausgenoſſenſchaft, nochmals dad Amt eines Edelknaben
durch allerhand beſchwerliche Geſchaͤfte und Aufwartungen
verrichten, ſich auch manche unangenehme Behandlung ges
fallen laſſen, deren Beſchluß cine Ohrfeige made.
Sie war ald ein Zeichen -anzufehen, daß er ſich manche
unangenehme Behandlung babe früher gefallen laſſen
mäRen, aud wohl. Schläge erbuldete, dieſes fey aber die
legte. Ohrfeige, die er fich dürfe gefallen Iafien. Indeſſen
iſt es unldugbar ein Zeichen von Rohheit, wenn einwichz
tiger Lebensabſchnitt durch an und für ſich entehrende
Handlungen begleitet wirb, aber dies fiel jener Zeit nicht
auf; denn ed war eine Einrichtung im Geifte jener Zeit,
der in Derbheit und Strenge weit von dem unſerer Tage
abwich. Wir finden folche Gebräuche und Sitten, nur
noch breiter und weiter auögefponnen, nur noch entehren⸗
der und derber, in den Zünften wieder, bie, aus jener
Zeit entfproffen, erſt in dem neuern, alled vertilgenden
Zeitabfchnitte ihre Zerſtoͤrung fanden. Der Lehrling, wel:
ber aus dem Lernftande entlafien und Gefelle ward,
mußte fich vor feiner Freimachung, wie es genannt ward,
auch noch ſolche entehrende Arbeiten und Behandlung
_ 3*
⸗—— = —— —
36 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
gefallen laſſen, bis auch er als lehrentlaſſener Geſelle zu
einem freien Mann erklaͤrt ward. Solche kleine Zuͤge, wo
eine gewiſſe Art der Freilaſſung durchſchimmert, zeigen
ſich in mehrem, was noch bis auf die neuern Zeiten ge⸗
kommen iſt. Der Juͤngling und Knappe war nun durch
die Ohrfeige zwar von allen entehrenden Strafen der Ju⸗
gend befreit, aber aus dem etwaigen Schwertſtreiche er⸗
zuͤrnter Herrn und Ritter war er noch nicht entnommen;
davon befreite ihn erſt der Ritterſchlag, als der letzte
Schlag, der den nunmehr ganz freien Mann treffen konnte.
Beide Gebraͤuche ſtehen in Verbindung, und wie der Le⸗
bensabſchnitt geehrter war, ſo waren es auch die Zeichen,
wodurch das Uebergehen aus dem einen in den andern
angedeutet wurde.
Die ſo entlaſſenen Günglinge erhielten im Deutſchen
ben- Namen Knappen, Knechte, Schildteäger, Wappener;
Benennungen, welche ihre Befchäftigungen zum heil bes
zeichnen. Im Lateinifchen nannte man einen folhen: Fa-
mulus ober Armiger; im Sranzöfifchen heißen fie Ecuyer. .
Indem man blos die Befchäftigung des Knappen im Auge
batte, der beflimmt war, allenthalben feinem Her zu
folgen, gleichfam der Schatten feines Herrn zu feyn, hat
man das Wort Ecuyer au für andere bildliche Bedeu⸗
tungen genommen, aus denen wieber erklärenb hervorgeht, -
wie innig das Verhältniß des Ritters und feines Knappen
war. So heißt im Franzoͤſiſchen Ecuyer ein Sprößling,
ber am Weinſtamme bervortreibt, und- bie Jäger nennen
Ecuyer einen jungen Hirſch, der einem alten Hirſch nach⸗
folgt und ihn begleitet. Beſonders dieſe letztere Bedeu⸗
3. Abtheil. Der Juͤngling. 37
tung entſpricht dem Verhaͤltniſſe des Ritters und des
Knappen ganz.
Die Knappen wurden nach verſchiedenen Benennun⸗
gen eingetheilt, beſonders an großen Höfen, wo ein rit—⸗
terlicher König oder Fürft zu bedienen, je nachdem ihre
Befchäftigungen waren. Der Leibknappe hatte die perſoͤn⸗
liche Bedienung des Herrn ober feiner Gemahlin. Gewöhn:
lich flieg er zu den andern nach umd nad empor. Der
Kammerjunfer, Kammerknappe oder Kämmerer (Cham-
bellans im Franzoͤſiſchen) vermahrte das Gold und Silber
feines Herrn. Der Borfchneider, der Stalljunfer ober
. Stallmeifter, der Flafchenbewahrer. Diefer legte, Bou-
teillers im Franzöfifchen, Buticularius, Butiglarius im
mittlern Latein genammt, von Butta ober Buza, deutſch
Butte, ein Faß oder Weingefäß, hatte die Aufficht über
den Weinkeller. (Daraus entflanden in ber Folge Reichs⸗
erbaͤmter; am braunſchweig⸗limeburgſchen Hofe war z.
B. das Erpotkeramt oder Erbpuͤtkeramt, von Pot, nieder⸗
deutſch umgedreht für Top, Zopf). (Der Oberflaſchenbe⸗
wahrer bed Königs von Frankreich (Grand - Bouteiller
de Frange), auch eine Knappenſtelle, ward fpdter einer
der Vornehmſten im Staate.) Er hatte das Recht,
fh des koͤniglichen Weinkeller zu bedienen, und die
Wirthöhäufer im Königreich flanden unter feiner Aufficht.
Aus diefer Stelle entftand ſpaͤterhin die Oberkellermeiſter⸗
wirrbe, boch mit geringern Vorrechfen. In dem weinteis
en Frankreich mußte man oft in die Erde Ciſternen
maum, um batin ben Wein zu bewahren. Hieraus.
wurde er in lederne Flaſchen, Schläuche, gefuͤllt, welche
38 - Erfter Abſchnitt. Jugendleben.
die Diener hinter ihren Herrn hertrugen und an ihre
Saͤttel hingen. Dieſe Sitte hat Cervantes ſehr erheiternd
in feinem herrlichen Don Quixote benutzt, wie Sancho
Panſa auf ſeinem Eſel hinter ſeinem Ritter herzieht und
den Weinſchlauch ſeines Herrn einmal uͤber das andere
bruͤnſtig umarmt und ihn bis zum letzten Tropfen leert,
waͤhrend der liebende Ritter nach ſeiner Dulcinea ſeufzet
und des Leibes Nahrung ſo wie die Aufſicht uͤber ſeinen
genaͤſchigen Knappen dabei ganz vergißt. - (Diefe Wein⸗
fhläuhe wurden auch namentlih mit in die Vorrechte
verleihenden Urkunden aufgenommen. So legte eine Vers
ordnung aus dem 13. Jahrhundert den Lohgerbern von
Amiend auf, zwei große Felle zu Weinen für die bifchöf:
lichen Vafallen, wenn ein Aufgebot an fie erginge, zu
liefern. Auch follten die Schlaͤchter Zett zum Einfchmigren
der Schläuche hergeben, damit der Bein nicht verduͤrbe.) —
Der Junker-Mundſchenk Cechanson im Franz.) war nicht
immer eine Perfon mit dem Zlafchenbewahrer, fondern
zwei Berfchiebene befleibeten jeder eins biefer Aemter.
Zuletzt kommt nun noch vor ber Junker Speifemeifter,
ber Brodfpenner oder Truchſeß. So in Frankreich; in
Deutfchland nur zum Xheil, indem biefe Verrichtungen
meift den Minifterialen oder den. Hofdienfimannen übers
-tragen waren; und deren Weberbleibfel find noch die Erb⸗
bofämter und andere Hofbebienungen.
Der Knappenfland näherte die Zünglinge noch mehr
der Perfon ihres Gebieterd und feiner Gemahlin; ein vers
trauterer und freierer Zutritt war ihnen verſtattet, wie fie
dem befonders dad Anz und Auskleiden ber Bitter
Ss
3. Abtheil. Der Juͤngling. 39
heſorgen mußten. Sie bewarben fich daher um bie Gunft
ihrer Herrn, fuchten ben vornehmen Gäften und andern
Perfonen des Hofes zu gefallen, und beftrebten fih, ben
Kitten und Knappen, bie ihren Herrn befuchten, alle
erforderlide Chrenbezeugungen zu erweifen. In dem
Umgange mit den Rittern hatten fie immer Vorbild und
Anleit zu aller ritterlichen Zierlichkeit. Beſonders war es
den Knappen, welche das Amt eines Vorfchneiders an
den Tafeln bekleideten, mehr erlaubt, auch beim Mahle
in der Nähe ihres Herrn und feiner Säfte zu bleiben,
und diefed Amt verrichteten daher oft in den vornehmften
Häufern die Söhne des Haufes. Soinville, der Gefchicht-
fhrejber Ludwig des Heiligen, als er den prächtigen Hof
dieſes Koͤnigs bei ſeinem Aufenthalt zu Saumur in Anjou
beſchreibt, redet von neuen Rittern, die an der Tafel des
Koͤnigs zugegen waren, und ſetzt hinzu: An einer andern
Tafel vor dem Koͤnige ſpeiſete der Koͤnig von Navarra,
der ſehr koſtbar in Gold gekleidet war, vor welchem
ich die Speiſen vorſchnitt. (Einige Zeilen ſpaͤter fuͤhrt
er an, daß er damals nur noch Knappe war, „noch kei⸗
nen Harniſch angelegt hatte.“)
Andere Knappen ſorgten wieder fuͤr Zubereitung der
Tafel und reichten das Waſſer zum Waſchen dar, eine
Sitte, von der wir in der Folge ſprechen werden; nur
eine Stelle aus einem altfranzoͤſiſchen Gedicht (de la
mäle Dame) ift hier anzuführen, woraus hervorgeht,
daß die Knappen auch dies Gefchäft zu beforgen hatten:
„Die teizende Königin fpeifete, Die Tafel war mit vielen
koſtbaten Speifen, mit viel gutem Wein und gutem
40 Eeſter Abſchnitt. Jugendleben.
Klaret beſetzt. Viel Ehre erwies man der Koͤnigin; nach
dem Eſſen unterredete man ſich, und dann wurde durch
ben Knappen Waſſer zum Waſchen umhergereicht.“
Die Knappen brachten beſonders auch alle die Speiſen
und beſonders die Getraͤnke auf die Tafel, welche wir in
ber Folge, in der Darlegung bes ritterlichen Lebens, in
der Abtheilung von den Seftlichkeiten, werben Tennen
Vernen. Am Schluſſe der Feſtlichkeiten reichten fie ben
Schlafwein, der immer vor dem Zubettgehen gereicht ward,
und dann begleiteten ſie die fremden Gaͤſte in die Bimmer,
welche für fie zubereitet waren.
Bei ber Beflimmung der Ritter, zu Roſſe zu kaͤm⸗
pfen, war auch eine fleißige Beforgung und Abrichtung
der Pferde nothwendig, und biefe Geſchaͤfte, befonderd das
Veßtgenannte, gehörten wieder zu ben Sbliegenheiten ber’
Knappen. Diejenigen, welche dazu gefchidt waren, rich:
teten. bie Dferde zu allen Kriegesthungen und Wendungen
ab und hatten wieber jüngere Knappen unter fi, welchen
fie Unterricht in diefer Kunft ertheilten. Dann waren die
Kappen aber auch wieder Leiter des Unterrichtd der Jun⸗
Fer und Edelknaben, wie 3. B. der berühmte Ritter Bay⸗
ard in feiner frühern Jugend von bem Herzoge von
Savoyen einem Knappen anvertraut warb, welcher bie
Aufficht über feinen Unterricht führen mußte. Died ganze
Leben war fo ein fufenweifes Erziehen; ein jeber war
Lehrer und Lernender, und um deſto wirkfamer war Lehren
und Lernen, | |
Ein ober mehrere Anappen waren wieber beftimmt,
Die Waffen ihrer Herrn ſtets gepußt-und für den Augen:
x
3. Abtheil. Der Juͤngling. 4
blick, in welchem fie gebraucht werben follten, bereit zu
halten, Dieſe einzelnen Befchäftigungen Iöften ſich aber
alle in die allgemeine des Kampfes und Krieges auf,
wenn der Ritter in den Krieg zu ziehen genöthigt war.
Sobald ber Ritter ſich zu Pferde ſetzen wollte, mußs
ten die Knappen ihn bedienen und ihm ben Steigbügel
halten. Ein Tiebliches Beiſpiel von Anhänglichfeit und
Unterwürfigkeit eines Mädchens, welche diefen Knappen⸗
dienft für ihren ‚Geliebten übernahm, enthält das ſchon
angeführte Gebiht von Flos und Blankflos. (V. 1341.)
Als Flos durch feinen Vater gendthigt wird, feine geliebte
Blankflos zu verlaffen, wobei ihnen doch vorgefpiegelt
wurde, Blankflos folle ihm folgen, nimmt er einen
innigen und zärtlihen Abſchied von feiner Geliebten.
„Da folgete fie an die Stelle, da die Gefährten auf ihn
warteten. Er fand mit guten Geleiten einen Zelter da
flehen; und als er zu ihm kam und den Saum ergriff, fo
hielt Blanfflos den Steegreif (Steigebuͤgel) fo lange, bis
er aufſaß. Da ward ihr Gewand ganz naß von dem
Beinen, das fie beging, ald der Züngling von ihr ſchied.“
Andere Knappen hatten dem Ritter die verfchiebenen
Arten feiner Rüftung ſchon zuvor herbeigebradht und ihm
angelegt, aldı Armbleche, Panzerhandfchuh, Helm, Schild
u. ſ. w., Waffen, die wir alle weiter unten genauer werben
kennen lernen. Im Felde ritt der Knappe, wie fein Ritter,
ein leicht fchreitendes und bequemes Pferd, boch mußte es
ein Hengft, Eräftig, von flasfen Knochen und zu Krieges:
Abungen abgerichtet feyn. Die großen Renns und Streits
Roſſe, welche die Ritter in ben Gefechten gebrauchten,
4% Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
wurden bis zum Kampfe von dem Knappen an der rech⸗
ten Hand gefuͤhrt, weshalb ſie den Namen Handpferde
(im Franzoͤſiſchen Destriers), welches alſo Streitroſſe
waren, erhielten. Daß die Knappen die Streitroſſe fuͤhr⸗
ten, geht' aus vielen Stellen ber Dichter hervor, eben fo,
daß fie. auch feine andern Waffen zu tragen hatten, wenn
er keines Kampfes gewärtig war. Dies mögen einige
Stellen aus dem franzöfifchen Gebichte von Lancelot du
Lac (Lancelot vom See) beweifen, lautend: „Man fieht
Heren Gauvain (zr deutſchen Gedichten beißt ex Gawan
und iſt der bereits angeführte tapfere Neffe bes Koͤnigs
Artus) mit zwei Knappen fommen, wovon ber eine beflen
Streitroß (destrier) an ber rechten Hand führte und fein
"Schwert trug, der andere feinen Helm und Sch
brachte. — „As er in den Wald bineinging, begegne:
ten ihm vier Knappen, bie mit ihrer rechten Sand vier
weiße Streitroffe führten. — „Hierauf begegnete ihm
ein Junker, welcher einen guten fchnellaufenden Hengft
ritt und mit feiner rechten Hand ein ſchwarzes vandroß
fuͤhrte.“
So wie die Knappen auf der Reiſe und auf fried⸗
lichen Zügen, wenn noch Fein Feind erwartet warb, bie
Waffen ihres Herrn tragen mußten, eben fo war es ihre,
Pflicht, biefelben zu halten, wenn der Ritter fie ablegte,
um in die Kirche zu gehen, ober fonfl ein vornehmes und
ihm ehrwürbiged Haus zu betreten. Died Waffen : Able=
gen fand indeffen nur in fehr feltenen Fällen Statt, es find
nicht häufig vorlommende Ausnahmen. Indem ben Ritter
nichts mehr ehrte, als feine ganze Waffenrhflung, konnte
3. Abtheil. Der Süngling. 43
er wohl dem, welchen er beſuchen, oder demjenigen, wel⸗
chem er feine Ehrerbietung bezeigen- wollte, ja ſelbſt Gott,
nicht höhere Verehrung beweifen, als wenn er .in feinem
hoͤchften Schmude, in voller Rüftung, vor ihm erfchien.
Die Stelle, welche in ber franzöfifchen Gefchichte des
Gerard de Roussillon vorfommt, ift daher als eine Aus:
nahme zu betrachten. Sie lautet: „Peter von Monrabey,
als er an dem Schloffe zu Rouffillon ankommt, geht über
bie erſte Bruͤcke in das Schloß. Unter dem Schwibbogen
bed Thurmes gingen bie Kitter herum; er übergiebt fein
Schwerdt feinem Knappen und geht darauf in bie Kirche,
feine Andacht zw verrichten.” "Die Gründe, welche obs
walten Tonnten, den Helm abzulegen, werben wir näher
in der Abtheilung uͤber Waffen und Kleidung, bei Gele:
genheit der Betrachtung des Helms kennen lernen, da ſie
nicht hieher gehoͤren.
Wem die Ritterſchaar, in einer Heiße vorreitend,
zum Kampfe ging,. fo bildeten die Knappen bie zweite,
binter ihre reitende Reihe. Anfangs müßige Zuſchauer des
Kampfes, wodurd) ihr Auge geoͤffnet wurde, ein Kampf⸗
feld zu uͤberſchauen und den Angriff abzuwaͤgen, wurden
fie im Thaͤtigkeit geſetzt, ſobald die Reihe ihrer Ritter mit
ber feindlichen, Lanzen floßend und brechend, zuſammen⸗
traf. Wer durch die Lanze niebergeflochen warb, raffte
fi) wieder auf, um mit Steeitart, Schwert und Streits
tolhen einen Fußkampf zu beginnen. Jeder Knappe mußte
baber die Bewegungen feines Herrn beobachten, um ihm.
friſche Waffen zu reichen, ihm wieber auf dad Gtreitroß
zu helfen, ein fcheu geworbened Roß, beffen Ritter nieder:
4 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
geſtochen war, wieder zu fangen, feinem Ritter ein friſches,
muthiges Pferd zuzuführen. Auch dienten fie dazu, ges
fäprliche Stiche und Streiche, ald Kampfgehülfen, doch
nur als Vertheibigenbe, nicht ald Angreifende, von ihren
Herren Abzulenten. Dann wurden aber auch von den
Kittern die Gefangenen den Knappen zur Verwahrung
uͤbergeben. In dem franzöfifchen alten Werke: Guillaume
le Breton, heißt ed: „Mit nicht geringem Muthe unters
halten die übrigen Gefährten das Gefecht; fie Tchlagen
ihre Feinde zu Boden und übergeben biefelben ihren
- Waffenträgern, um ihnen’ Zefleln anzulegen.‘
Durch die That ward eines Theild dem Anappen: der
lehrreichſte Unterricht ertheilt, andern Theils befam er
aber auch Gelegenheit, feine eigenen Kräfte zu verfuchen
und zu erfahren, ob er, Befchwerlichleiten und Gefahren
diefer Art felbft zu übernehmen, fähig wäre. Die ſchwache
und noch unerfahrne Jugend burfte nicht bie brüdende
Laſt des Krieges tragen, ohne längft vorher verfucht zu
haben, ob ihr auch Kräfte und Geſchick dazu inne wohns
ten. Langjährige Proben von Gehorfam und Unterwuͤr⸗
figbeit bereiteten den, welcher einft befehlen follte, vor, in
feinem kuͤnftigen Stande Lehre und Beifpiel zu geben;
denn es iſt eim altes, durchaus bewährtes Spruͤchwort,
dag nur derjenige, welcher zu gehorchen verſteht, einfl
zweckmaͤßig befehlen kann, und baß Folge und Gehorfam
im bürgerlichen Leben nie aus ben Augen gefeht werden
dürfen, wenn nicht das ganze Verhältniß aller Einwohner
eines. Staats. einen unbeilbaren Schaden erleiden fol. _
- - Bangfam und flufenweife gingen bie Vorbereitungen
3. Abtheil. Der Juͤngling. 45
zum Nitterleben: nicht ſchnell trat der Knappe aus dem
unfriegerifchen Dienifle in das gefahroollere Leben; jeber
mußte fehen unb lernen, fo wie nach ugb nad fih an
bie Gefahren, Laflen und Mühen bed ritterlicken Lebens
geroöhnen. Die Höfe und Schlöffer waren Schulen, wo
mon unermübet ‚mit ber Bilbumg ber jungen Krieger, bie
man zum Dienfle und zus Vertheidigung des Staats be>
ſtimmte, befchäftigt war. Mübfame Spidle, wo:ber Koͤr⸗
per bie in dem Kampfe erfprbexliche Gelenkſamkeit, Staͤrke
und Geſchwindigkeit erhielt; Ringrenmen, zu Pferde und
mit Lanzen, hatten ihn lange: vorher zu Turnieren, . die
indeſſen auch nur fchwache ‚Bilder des wirklichen Krieges
waren, abgerichtet. Die rauen, beven Gegenwart. bie,
welche ſich hier auszeichnen wellten, anfeuerte, machten
fich ein edles Bergnuͤgen daraus, dieſen Spielen beizus
wohnen. . : . . No u
Welcher Mäfle von Uebungen Sie Anappen ſich un⸗
terwarfen, geht aus ber Lebenäbefchreibung.. eines alten
franzöfiichen Ritters bes 15. Jahrh., Boucicaut, hervor,
worin es beißt: „Jetzt machte: Boncicaut einen Verſuch,
in voller Rüftung auf ein Merd zu fpringen; bann lief
oder ging er lange zu Fuß, um fich einen langen Athens
anzugewöhnen und Befchwerlichleiten. Iange aushalten. zu
lernen; ein ander Mal fchlug er heftig mit einem Hanmmer
oder einer Art auf große Stuͤcke. Um ſich an bie. Ri:
kung zu gewöhnen und feine Haͤnde und Arme gu einen
leiten und. anhaltenden Bewegung abzuhaͤrten, machte
er in völliger Rüftung, den Helm. ausgenommen, allerlei
Oprünge, unb wenn er tanjte, fo .that er es in einem
46 Erſter Apſchnitt. Jugend leben.
Panzerhemde von Stahl; er fprang, ohne Huife eines
Steigbuͤgels, voͤllig geharniſcht auf ein Pferd. Einem
großen, auf einem hohen Pferde ſitzenden Manne ſprang
er, obme-weitere Huͤlfe, von hinten mit auseinander ges
ſperrten Beinen auf die Schultern, indem er denſelben au
der eimen Hand am Ermel anfaßte.. Eine Band auf
dem Sattelknopf eines großen Rofjes und bie andere zwis
ſchen die Ohren. deſſelben legend, ergriff er dafjelbe bei der
Mähne auf ebener Erde und fprang zwifchen feinen
Armen hindurch auf die andere Seite des Pferdes.
Standen zwei mit Kalk überzogene Mauern: eine Elle
weit von einander ab und hatten fie bie ‘Höhe eines
Thurmes, fo Fletterte ex mis Hülfe feiner Arme und Beine
bis auf die größte Höhe derfelben, ohne weder beim Herz
aufs noch beim Hinabfteigen zu fallen. Eben fo flieg er
umgekehrt auf einer gegen eine Mauer gelehnten: Leitex
bis. oben Knauf, ohne biefelbe mit ven Füßen zu berüh:
sen, fonbern inbem er bloß mit beiden Händen zugleich
von Sprofie zu Sproſſe fprang, mit einem flählernen
Panzerhemde bewaffnet; und. wenn er dies ablegte, erhob
er fih, nur mit Hälfe einer Hand, mehre Sproſſen
hoch. War. er zu Haufe, fo übte er fich mit den übrigen
Knappen im Zanzenwerfen und in andern ‚Kriegeshbungen,
damit er auch da nicht in Ruhe ſeyn moͤchte.“
. Damit nun aber bie väterliche Liebe nicht vielleicht
ben. eigenen Sohn gu ſehr fchone, war es gewöhnlich, daß
der Ritter. fanen Sohn zu einem andern Ritter in das
Haus gab, damit er dort die Verrichtungen eines Knap⸗
pen lerne, : Sp fagt das altfrangöftfche Werd: :1’Ordre de
\
3. Abtheil Der Juͤngling. 47
Chevaleris: „Und es gebuͤhrt ſich, daß der Sohn eines
Nitterd, fo lange er Knappe iſt, mit der Pferden umzu⸗
gehen wife, daß er vorher diene und eher Unterthan, als
Her, fey; außerdem würde er, wenn er einft Ritter wäre,
die Vorzüge feiner Herrfchaft nicht erfennen: und um des⸗
willen muß jeber Ritter feinen Sohn in den Dienft eines
andern Ritters geben, damit er in feinen jungen Iahren
bei Tafel vorfchneiden und: vorlegen und einen Ritter an⸗
Heiden und bewaffnen lerne. So wie einer, ber ein
"Schneider :ober Zimmermann werben will, einen Meifter
diefes Handwerks haben muß, eben fo gebührt es fich
auch, daß jeder Edelmann, welcher ven Ritterſtand liebt
und einſt ein braver Ritter. feyn ober werben will, vorerſt
einen Meifter Hat, der felbft Ritter iſt.“ Hier entfchied
nun nicht höherer Rang des Ritters, fondern nur ritter-
licher Ruhm und ritterliche. Ausbildungg denn ber Sohn
eined Ritters vom höhern Adel fchenete Fich. nicht, ber
Knappe eined Ritters von nieberem Abel zu.merden.
Euſtach Deſchamps, ein alter, bereits früher ange-
fuͤhrter franzöfifcher Dichter, deſſen Werke noch nicht ‘ges
druckt finde, fpricht fo von ber ſtufenweiſen Auäbildung ber
jungen Leute, ehe fie zum Ritterthum gelangten: „Die
jungen Leute traten in den Stanb ber. Perfenauten *);
*) Diefe Perfevanten (Poursuivants, Folger, Lat. Prosecutores
armerum) waren vorzäglich bei den Turnieren gebraucht, wos
bei fie Gehuͤlfen und Lehrlinge ber Herolde waren, um bie
Wappen der Ritter zu prüfen, Stille zu gebieten, wenn die
Herolde etwas ausrufen Toten, uf. w. Steye den Abſchnitt
don den Turnieren.
48 Erfter Abſchnitt. Jugendleben.
fie trugen die Lanzen und Heime der Ritter, lernten reis
ten und fahen ber breyfachen Befchäftigung des Priegeri:
ſchen Adels zu. Hierauf mwurben fie Waffenträger, wars
teten bei Tafel und allenthalben auf und nahmen fehr
gerne ben Mantelfad ihres Herrn hinter fi auf das
Pferd. So machten ed bamald. aud) die Anappen, bie in
. der Küche halfen. Nach diefem wurden fie Krieger und
verfuchten ihre Zapferleit acht bis zehn Jahre lang. Sie
machten große Reifen und wurden 'ſendlich demuͤthige,
tapfere, berühmte und hurtige Ritter; fie ehrten die Frem⸗
den. Aus Befcheidenheit begnägten fie ſich mit: Kampf⸗
vennen; hernach turnierten fie. Dieſes machte fie beliebt;
. fie ehrten bie Grauen; bie fie wegen ihrer Vorzüge liebten;
fie waren kuͤhn und ſtolz gegen ihre Feinde, und gegen ihre
Freunde gefällig."
Erft wieder nach einem fiebenjährigen Abfchnitte, im
ein und gwangigften Lebensjahre, konnten junge Leute,
nad) fo vielen Moben, zur NRitterwürbe gelafien werben.
Diefe Regel warb inbeffen nicht immer genau beobachtet,
wie denn überhaupt die höheren. Standeöverhältniffe ober
auch bisweilen’ perſoͤnliche Lage, die angegebenen Graͤnzen
verrucdten; doch waren fie als Grundlage angenommen.
An Frankreich murben fo fchon oftmals die Prinzen in
der Wiege zu Rittern gemacht, befonders in ber Zeit des
fhon verfallenden Ritterthums. Aber auch andere „große
Vorzüge, befonderd Leibesſtaͤrke und Gefchidlichfeit, ers
laubten eine Ausnahme, So ward z. B. im Jahre 1060
an Foulques, Grafen von Anjou, bie Ritterwürde in ſei⸗
nem 17. Jahre von feinem Oheim Gottfried ertheilt, und
3. Abtheil. Dee Juͤngling. 4
Kittergefchichten liefern und Beifpiele von Ertheilung der
Ritterwuͤrde im 14ten und 15ten Jahre.
Einzelne Beiſpiele kommen aber auch vor, daß bie
Erlangung der Ritterwuͤrde bis in ſpaͤtere Jahre verſcho⸗
ben ward. So nahm z. B. der Graf von Toulouſe im
Jahre 1235 erſt in ſeinem funfzigſten Jahre die Ritter⸗
wirde zu Hagenau von Kaiſer Friedrich IJ an. Er that
dies darum ſo ſpaͤt, weil in ſeinem Stamme das Vorur⸗
theil herrſchte, daß keiner daraus als Ritter lange am
Leben bleiben koͤnne. Auch in dieſem Alter wuͤrde er ſie
noch nicht angenommen haben, wenn ˖jhm nicht feine bei⸗
ben Schwiegerföhne, die Könige von Frankreich und Eng⸗
land, deshalb fehr angelegen hätten, weil fie es für uns
ſchicklich Hielten, einen Schwiegervater zu haben, ber bie
Ritterwuͤrde noch nicht erhalten hatte. Andere Umſtaͤnde
traten außerdem hinzu, welche diefe Seierlichleit oft weiter
hinausfchoben, ja oft fie gar nicht zur Ausführung brach⸗
ten. So hielt manchen ber Aufwand zurid, ber mit der
Ritterwuͤrde verbunden war; "ein Gewiffenhafter fand es
oft bedenklich, fhon bie großen Verpflichtungen zu übers
nehmen, welche die Ertheilung ber Ritterwuͤrde mit fi
führte. Zuweilen hegten einige fo große Verehrung und
Anhänglichleit gegen einen Großen ober einen andern Kits
ter, baß man nur durch "feine Hand die Ritterwuͤrde zu
erlangen wuͤnſchte; oder man. wartete auch Umftände ab,
die geſchidt waren, bie Ehre der Ritterwürbe, welche man
erlangte, noch mehr zu erhöhen, wie 3. B. Schlachten
und einzelne andere Kämpfe. Dann waren aud einige,
Die fich des Ritterſchwerts für unwuͤrdig hielten, folange
4
50 Erfter Abſchnitt. Jugendleben.
ſie nicht mit den Waffen in die Laͤnder der Unglaͤubigen
ſich begeben hatten, in der Abſicht, die Ritterwuͤrde ent⸗
weder vor oder nach einer Schlacht zu erlangen, und ſo
an ein großes und wichtiges Ereigniß, im Kampfe für
Gottes Ehre, die Erlangung bes hoͤchſten Zieles ihres Le⸗
bens zu knuͤpfen.
Dies waͤren nun ungefaͤhr bie Grundzüge bes Zeit:
raums, welchen der Ritterbürtige als Juͤngling verlebte,
nach allgemeinen Säten entworfen, bie hin und wicher,
wie ſchon bemerkt, wohl ihre Ausnahmen fanden, in ber
Regel aber feſt und unverbrüclich gehalten wurden. Die
dazu gelieferten Belege, wie auch die Ueberfücht des Gan⸗
zen, find bis jest von mir aus der franzöfifchen Ritter
welt genommen worben, die, da fie ein völlig ausgebilde⸗
tes Ganzes war, am beiten ald Grundlage der Betrach:
tung der Nitterzeit angenommen werden kann; jest wende
ich mich, wie bereitö bei den vorigen Abtheilungen gefche:
ben, zu ben Belegen, welche uns das beutfche Ritterthum
‚gibt, von bem ich nur einzelne wenige Züge oben gele:
gentlich bemerkte, woraus ſich das etwa Abweichende am
klarſten ergeben wird.
Ulrich von Lichtenſtein fpricht Jeider über feine Ju⸗
gend nur kurz, indem er, nach ber Erzählung, wie er
einer geliebten rau als Edelknabe gedient, was ich oben
anführte, fagt: „Man gab mich einem Heren, der hober
Zugenden reich war, ber hieß Markgraf Heinrih von
- Deflerreih. Der diente den Frauen mit rechter Treuen
und ſprach wohl von ihnen, wie ein Ritter fol; er: war
milde, kuͤhn und hochgemut, weife mit den Weifen und
⁊
3. Abtheil. Der Juͤngling. 51
dumm mit den Dummen, er litt Ungemach um Ehre, und
ſein Mund ſprach kein boͤſes Wort; allen ſeinen Freunden
war er bieder und getreu, und Gott mimete er von
Herzen. Dieſer werthe Herr ſagte mir: wer wuͤrdiglich
leben wollte, ‘der muͤſſe ſich einer Frau zu eigen geben,
Er lehrte mich viel von feiner füßen Tugend, er lehrte
mich fprechen über die Weib, auf Roſſen zeiten und in
Briefen füße Worte dichten. Er fagte: baburch würde
em junger Mann getheuert, wenn er füß über die Weib
fprechen könnte; denn nie, fagteer, kann e& bir bei guten
Weiben gelingen, wenn bein Sinn auf Schmeicheln und
Lügen ſteht. Hätt’ ich alles mit Werfen erfüllt, was er
mir fagte, fo wäre ich werther geworden, als ich bin. —
Indeffen lag mein Bater tobt. Da mußte ich heim, wie
fo mancher, dem feine Bordern Gut laſſen. Mein -Herr
gab mir Urlaub, und ich ritt gen Lichtenflein in das
Steierland. Hier fand ich viel Zurnierens von Knech⸗
ten, bie dadurch die Ritterfchaft Iernten. Ich unterwand
mich deffen auch um meine liebe Fraue und dachte: wenn
ih ihre will zu Dienflen feyn, fo mus es durch. Ritter:
fhaft gefchehen, unter Helm mus ich Preis erjagen. So
fuhr ich turnieren in Knechtes Weil’, um es zu erlernen,
drei Jahr.“
Wir fehen hieraus, daß auch die Anappen Kampf:
foiele anftelten, um fi in Handhabung der Waffen- zu
üben, ja daß fie, wie die Ritter, umherzogen, um diefe
Uebungen anzuftellen, ‚auch wenn fie nicht mehr im Ges
folge eines Ritters Waren. Sogleich barauf erzählt er
und, ex fey Ritter geworden. Zählen wir die Sabre,
4*
%
52 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
welche er angibt, zuſammen: 12 Jahre, da er Edelknabe
ward, 5 Jahre Edelknabe, vielleicht 4 Jahr bei Heinrich
von Defterreih, und dann feine dreijährige Umfahrt als
Knappe, fo kommt wieder die Zahl von 21 Jahren her⸗
‚aus, ald Ulrich von Lichtenflein die Ritterwirfde erlangte.
Wie Triftan ald Knabe gelebt, ift ſchon oben erzählt
worden. Aus ber Beſchreibung ſeines Knappen⸗Lebens
laͤßt ſich aus dem Gedicht auch nur wenig ſchoͤpfen. Es
erzaͤhlt nur: „daß, wie er fein vierzehntes Jahr erreichte,
ihn der Marfchall heim nahm
und hieß ihn zu allen Zeiten
Fahren und reiten,
Erkennen Leute und auch Land,
Durch daß ihm recht würde erkannt,
Wie des Landes Sitte wäre. -
Dies that er fo loͤblich, daß in dem ganzen Reiche Fein
Kind fo tugendlich Iebte, als Triſtan. Ale Welt trug
ihm Freundes Augen und holden Sinn, wie man dem
billig thut, deſſen Gemüth zu nichts, ald zu Tugenden, fteht,
und ber allen Untugenden abgefagt bat.” Als Zriflan bie
norwegifhen Kaufleute feinem Bater entführen, erfahren
. wir aud, baß er im Schachfpiel gewandt und tüchtig
war, und baß er lieblihe Weifen zu fingen wußte. Als
er darauf von den Kaufleuten, bie im Meerflurme, wegen
ber begangenen ‚Sünde der Entführung, das Gelübbe
thun, ihn wieber and Land zu bringen, im Reiche feines
ihm unbelannten Oheims Mark auögefegt wird, da _ zeigt
der Süngling noch eing neue Kenntniß, welche lehrt, daß
auch biefer fich die Knappen widmen mußten: er belehrt
bie Jäger feines Dheims über manche JIagbvortheile und
3. Abtheil. Der Juͤngling. 53
zeigt beſonders in det jägermäßigen und gefchidten Zer⸗
Igung eines Hirfcheö eine große Fertigkeit. Es ift gewiß, .
daß befondere Knappen zür Jagd angeleitet wurden; und
was darüber etwa hier beizubringen ifl, werde ich im
zweiten Abfchnitte, im WRitterleben, wenn wir auf bie
Vergnügungen ber Jagd Tommen, erwähnen. Als das
Sagdgefinde von ber Jagd heimreitet, zeigt Zriflan eine
neue Fertigkeit, indem er auf einem Jagdhoͤrnlein blaͤſt
und fo lieblihe und anmuthige Töne hervarlodt, daß alles
Burggefinde zufammenläuft, und die übrigen Säger mit '
ihren Hörnern dem lieblichen Getöne nicht zu folgen ver:
mögen. Wenn auch die Erzählung im Triſtan, wie er
die Harfe mit einem bazu beflimmten Werkzeuge ((plec-
drun nennt e8 dad alte deutſche Gedicht, und es ift das
plectrum ber Alten gemeint) fchlägt und dazu, zur Be:
wunbderung bed Hofes, in brittifcher und gadlifcher Spra-
he, Franzoͤfiſch und Latein fingt, fo ift dieſe Nachricht
zwar in dem altfranzöfifchen Gedichte und noch weiter in
dem altenglifchen oder walliſiſchen Gebicht, als ihrem Ur⸗
fprunge, zu fuchen, aber fie ift wenigflens auch deutfam
für und, daß auch in Deutfchland Sarg und dazu Spiel
bei Evelfnaben und Rittern nichts Ungewoͤhnliches gewe⸗
fen it. So iſt auch Triſtan in Sprachen noch weiter
ausgezeichnet; denn ber Dichter Tpriht auch von ihm,
daß er norwegiſch, irlaͤndiſch, deutſch, ſchottiſch und
daͤniſch, außer den ſchon genannten Sprachen, geredet
habe. Hier verlaͤßt uns nun die Geſchichte, und das Meiſte
faͤllt der Dichtung anheim; denn ſolche Edelknappen moͤch⸗
ten wohl nirgend, oder wenigſtens ſo uͤberaus ſelten, wie
&
54 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
auch Triſtan dem Hofe erſcheint, geweſen ſeyn. Ja, was
noch mehr iſt, alles dies begibt ſich ſchon, alle dieſe
Kenntniſſe zeigt er ſchon, als er noch ein Kind von vier⸗
zehn Jahren iſt, denn es heißt:
AU die Welt: die höre ber:
Ein vierzehnjährig Kind
Kann all’ die Lifte, die ba find.
Afo ſchon beim Antritte der Knappen : Zeit hatte Triftan
bie Fertigkeiten erreicht, welche Andere am Ende ihrer
Knappen = Laufbahn ald unerreihbar anfehen mußten.
Wir haben oben gefehen, daß den Sinappen beflimmte
Acmter zur Verwaltung gegeben wurden; davon _findet
fi auch ein Beifpiel im Triſtan, indem König Mark zu
ihm fagt: i
Sieh’, mein Pferd und meine Spor'n,
Mein’ Armbruft und ein gülben Born,
Gefelle, das befehle ich bir,
Des unterwind’ di, das pfleg’ mir.
Auh mit Triſtan wird eine Ausnahme gemact, indem
er fhon, da er aller Vollkommenheiten fo vol ift, im
18ten Jahre feines Alters zum Ritter gemacht wird;
denn .alle Ritter fagen:
Triſtan hat Kraft genug
Und ift ein wohlgewachſen Mann.
As Wigolais, von dem ich ſchon oben einmal fprach,
fein Alter von ein und zwanzig Jahren erlangt hatte, da
verließ er den Hof feiner Mutter, um feinen Bater, ben
er nicht gefannt hat, ba berfelbe durch Zauber nicht in |
fein verlaffenes Land, das rund um von Felfen befchloffen
ift, zuruͤckzukehren vermochte, aufzuſuchen. Die oben er:
wähnte Sitte, zu wünfchen, von einem berühmten Ritter,
n
3. Abthell. Der Juͤngling. 55
oder an einem großen; weltbefannten:Hofe jum Nitter ge-
fhlagen zu werben, zeigt fich auch in dieſem Gedichte, in⸗
dem Wigolais zu Artus fagt: „Zum Herren habe ich euch
erforen, wenn ihr mich behalten wollt. Mit meinen
Dienften wollte id erwerben, was ich immer gewünfcht
babe, ob ich der Ehre werth ware, daß ich bier Ritter
würde. Denn in der Welt ift Fein Hof dem euern gleich.”
Artus iſt dazu bereit‘ und übergibt Wigolais an Gamin,
der fein Vater ift, den er nicht kennt, und ber ihn, feinen
Sohn, nicht kennt. Diefer prüft feine Kenntniffe und
feine Mannheit: „Dem Könige ward Wigolais darauf ein
geheimer Diener und. diente fo gut, als er nur immer
forinte, ale Tage. Denen von ber Zafelrunde war er-
allen wohl bereit, zu Zurnieren er mit ihnen ritt, und wo
man Mannheit beging, da verſaͤumt' er fid nie, cr war
zuvorderft in der Schaar. Alle mußten feiner wahrneh:
men, benn feine Mannheit war fehr groß. Da verdrbnet
denn Artus eine Peftlichkeit, um ihn zum Ritter zu
machen, wie wir in der Folge fehen werben.’
Wie Parzifal entfernt von aller Kenntniß ritterlichen
Lebens aufwuchs, habe ich bereits oben mitgetheilt. Das
Erbliden von ein paar gerüfteten Rittern entflammt ihn,
auch er will in Kampf und Streit hinausziehen. Die
klagende Herzeloide beſchließt daher, ihn ſo zu kleiden,
daß er, bald das Geſpoͤtt der Ritter und Knappen, in
kurzem zuruͤckzukehren gezwungen ſey. Sie ſchneidet ihm
daher aus einem Sacktuche Hemde und Beinkleider bis
zur Mitte des Beines, beides aus Einem Stuͤck, welche
Tracht für Narrenkleidung erkannt ward; Cine Gugel,
46 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
das iſt eine Kappe, war oben daran; von einem friſchen
rauhen Kalbsfel wurden ihm zwei Gtiefeln gefchnitten.
"Seine Waffen find allein fein Köcher mit Pfeilen und fein
Sabilot, das ift eine Art Wurfpfeil Er ritt ein’ ſchwaͤch⸗
liches Pferdehen, und von Baſt war fein Zaum. Darauf
gibt fie ihm folgende Lehren, deren erfle der Ritterfchaft
wiberfprechend ift, um feine Ihaten fo in Wiberftreit mit
den Wünfchen feines Herzend, ein mannlicher Ritter zu
“werben, zu feßen: „Auf ungebahnten Straßen follſt du
keine dunklen Wege reiten, fondern nur die, welche licht
und lauter find.” (Aber gerade ungebahnte Wege und
finftere Steige fuchten die Ritter, da fie vermuthen konn⸗
ten, daß auf ihnen ſich Unbill verberge, oder ein einfamer
Wanderer durch wilde XThiere in Noth gebracht würde.
Indefien könnte wohl feyn, daß diefe Lehre nur bildlich
zu verſtehen wäre, nicht von dem Wege, ben der Ritter
ſuchen folte, fondern von bem Lebenswege überhaupt, da
fie ja hernach ihm nur nahrhafte Lehren gibt, die er freis
lich in feiner Unkenntniß der Welt falſch deutet.) „Wenn
dich — bier gibt fie nun ihm nahrhafte Lehre — ein
grauer weifer Mann Sitte lehren will, wie er wohl im
Stande ift, fo folft du ihm folgen und ihm nicht wibers
feslih feyn. — Wo bu ein Ringlein ‚und einen Grus
- von einem guten Weibe erwerben magft, dad nimm, es
büßt dir deinen Kummer; auch neige dich zu ihrem Kuffe
und umfange feſt ihren Leib, das gibt dir, wenn fie gut”
und keuſch ift, hohen Muth und Glück.“ Lehren, die ihn,
da er mit ber Welt Lauf ganz unbekannt ift, in manches
Abenteuer ziehen. — An Artus Hofe wird Parzifal mit
3. Abtheil. Der Züngling. 97
ſcherzhaftem Spott empfangen und erfchießt vor bem
Hoflager den Ither von Gahavied, welcher den Beinamen
ber rothe Ritter hatte. _Der Anappe bed Arthus, Ivanet,
Fleidet ihn darauf in die Ruͤſtung bes Getöbteten, gibt
ihm ven Speer in die Hand ımb unterrichtet ihn mit we⸗
nigen Worten, wie er fich behaben folle. So veitet Pars
zifaf, ritterlich geßleidet und doch noch nicht Ritter, von
bannen. Er kommt baranf zu Gurnemanz von Grahars,
einem alten Ritter, der ihn ſehr freundlich aufnimmt, ihn
feine Thorenkleider, die er unter dem Panger anbehalten
bat, ausziehen läßt, ritterlihe Zracht ihm gibt und ihm
dann in den Lehren bed Ritterthumes Unterweifung gibt,
die auch bier, da fie auf das ganze Ritterleben Bezug
haben, anzuführen find. Ä
„Seid nicht zu verſchaͤmt — fagt ihm Gurnemanz —
ſondern freimuͤthig und keck; erbarmet euch der Noth der
Armen,, beſonders der Kummerhaften, die mit Schaam
ringen und ihre Noth nicht ſagen moͤgen. Seid, ihr
moͤgt arm ober reich werben, gleich; denn der zu viel ver⸗
thut, der verräth kein rechtes Herren Gemuͤth; fammelt er
aber zu großen Schatz, fo ift ihm. dies auch eine Unehre.
Ihr follt nicht zu viel fragen. .(Diefe Lehre, die Parzifal
zu firenge beobachtet, macht ihn nachher auf mehre Sahre
lang fehr unglüdlih.) Wer euch im Kampfe um Sicher:
heit bittet, babe er euch auch Herzeleid gethan, gewährt
fie ihm, |
Geld mannlich und auch wohlgemut,
Das ift zu werthem Preife gut;
Und laſt euch Tieb fein die Weib,
- Das, theugrt junges Mannes Leib.
58 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
Wanket keinen Tag an ihnen, das iſt rechter mannlicher
Sinn. Wollt ihr mit Unwahrheit Minne heucheln, ihr
fönnt viele betrugen, aber das laßt ferne von euch fein.
Wahre Minne hat firenges Gefühl gegen liſtige Kunſt,
und wenn ihr daher dad Misfallen würdiger Minne euch
anzieht, fo müßt ihe immer befchämende Pein erleiden.
Mann und Weib find eins, fie blühen aus Einem Kerne.‘
Died wären bie Lebenslehten, bie fich meift um die Liebe
und Achtung ber Frauen drehen.
Nun kommt Gurnemanz zu ben flreng sitterlichen
Lehren, fagend: „An mancher Wand habe ich den Schild
beffer bangen fehen, ald an eurem Halfe, als ihr zu mir
geritten kamt.“ Damit verbindet er nun thätigen Unter:
richt, indem er für fi) ein Roß bringen Idßt, fo wie für
Parzifal, und mit Ritteen und Knappen auf eine Pläne
hinauszieht. Da zeigt er ihm nun, wie er dad Roß im
Zrabe mit den Sporen und mit den Schenkeln auf der
Rennbahn wenden folle, wie er den Schaft recht ſenken
und ben Schild zur Tioſt, das iſt zum Lanzenftoß eines
Einzelnen, vor fih nehmen muͤſſe. Nun ließ er einen
Nitter zum Bruch einer Lanze ihm entgegenlommen; ba
brachte der Süngling feinen erften Tioft' durch einen Schilb
(d. 5. er ſtach feine erſte Lanze durch einen Schild).
Einen neuen Schaft zur Hand nehmend, ſtach er einen
zweiten ſtarken Ritter vom Roß auf den Ader, und fo
noch fünfe, feine ihm vom Vater angeerbte, nicht durch
. viele Uebungen erworbene Mannlichkeit zeigend. So hatte
nun Parzifal feinen Beruf zum Ritter gezeigt, und er ver
läßt die Burg des Gurnemanz, ‚zwar nicht ald ein zum
3. Abthei. Der Juͤngling. 59
Kitter gefchlagener "Kämpfer, doch als ritterlich beglaubigt
und zu Ritterwerk geeignet. Es ift eine eigne Erfchei-
nung, daß Parzifal auf folche Art ins NRitterleben übers
geht, aber es mag wohl daher. fommen, daß der Dichter
feinen Held auf diefe Weife noch theurer und höher zu
machen firebte, daß er eine Ertheilung ber Ritterwürbe
nicht erwähnt. Wie Parzifal aus angeborner Tapferkeit
und kuͤnſtlicher Ritterfitte im Augenblide alle Obliegenheis
ten und Thaten eined Ritterd erfüllt, als er die Ruͤſtung
angelegt hat und ben Speer ergriffen, nur burch wenige
Worte belehrt, fo ift ihm gleihfam auch die Ritterwürbe
angeboren, und er bedarf nicht eines Außeren Zeichens, um
von männiglich für einen wirklichen und aͤchten Ritter
gehalten zu werden. Auch mag in dem hohen Adel ber
Geburt des Parzifal ein Grund liegen, warum man bei
ihm die Zeierlichkeit eines Ritterfchlages unnoͤthig erachtete.
In Deutfchland mag das Kitterwefen bald von feiner
dichterifchen, die Einbildungäfraft erregenden Höhe, auf
der ed auch hier einige Zeit lang fland und fich längere
Zeit in Frankreich hielt, zerflofien feyn, wenigftens finden
wir fchon in einem fittenſpruͤchlichen Gedichte, dem Ren⸗
ner, welchen Hugo von Zrimberg im Jahre 1300 vollens
dete, einen Abfchnitt, ürberfchrieben: „von den Schylt
Knechten,“ in welhem bie Sinappen ber damaligen Zeit
in keinem erfreulichen Lichte erfcheinen. Doch ift wohl
bie nur von Knappen gefprochen, bie immer auf biefer
untern Stufe ftehen blieben, die nie ihrer Geburt, ihren
Taten, ihrem Wandel nach hoffen Fonnten, eine höhere
Stelle einzunehmen, niemald Ritter werben follten ober
60 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
wollten. Man ſieht aber auch daraus, wie nicht allein
die Erziehung der Knappen ſtrenge war, ſondern wie fie
ein muͤhvolles und hartſeliges Leben durch Vernachlaͤſſi⸗
gung und Schuld ihrer Herren fuͤhren mußten. Der Ren⸗
ner ſagt ferner ungefaͤhr dies: „Alle Aemter ſind ſo ge⸗
macht, daß, wenn die, welche ſich ihnen gewidmet, ihre
Arbeit vollbracht haben, fie ihrer Gemaͤchlichkeit ſich hin⸗
geben und eine Weile ver Rube pflegen. Nun iſt aber
ein Leben, dem hier auf Erben nichts Gutes gefchieht,
bad iſt der Schildknechte Amt, bie fieht man rauben und
morben, ludern, fechten und fi) miühen, ohne alle Ges
mäkhliehfeit mit Aengflen leben. Wenn man fie nun erſt
an bie Feinde gehetzt hat und fie dann an den Xifch ſetzt,
fo mus ber, welcher Fuß, Bein, Hände und feine Seele
in bem Streite waget, oft gaffen und warten, ehe ihm
Speife, Brod und Zleifh von unmürbigen Knechten
werben möge. Died Ungemach würde ihm fchwer feyn,
wenn er in einem Kloſter wäre, nun leidet er ed und
weiß nicht warum, und auf ihn faͤllt der Welt und Gottes
Has. Mir ift erzählt worden: Ein Ritter faß einmal am
Tiſche und aß; da traten brei feiner Knechte mit ihren
Waffen, wie e8 ihre Sitte ift, vor ihn. Der Herr ſprach:
„wo find die andern?" Cie ſprachen: man hat uns fehr
gejagt, es find unferer achte geblieben. — „Euch gefchah
ganz recht, fagte ber Herr, wer hieß euch ohne meinen
Befehl reiten.” Seht, dieſer große Verluſt warb anders
nicht, als nur fo beklagt. Das ift ein Amt ohne alles
Frommen und wer baffelbe erhält, der mag wohl von
Noth fagen,“
3. Abtheil. Der Süngling. 61
Sehr freudig, lehrreich und anmuthig verging das
Juͤnglingsalter des Kaiſers Maximilian J, wie es denn
leicht war, daß in fo hohem Stande ſich noch die Anmuth
und Regſamkeit früherer Zeit wieder erneuen Tonnte, -
Schon Zünglingsbefhäftigungen fpielten in das Knaben⸗
alter Marimilians hinein, und der neue Zeitraum zeigt ung,
wie vielfache Bildung er füchte. _ Eine kurze Darlegung
derfelben wird und aber auch lehren, was bie bamalige
Zeit als bilbend verlangte und fuchte, und aus dem Leben
des Einzelnen und deſſen Befchreibung wirb ber Blick auf
das ganze Zeitalter und das wiſſenſchaftliche Streben defs
felben geöffnet. „Der junge Weißlönig fragte in
feiner Jugend gar oft von ben koͤniglichen Geſchlech⸗
ten; denn er hätte gern gewußt, wie ein jedes fönigs
lich und fürftlich Gefchlecht vom Anfang herkommen wäre.
Darinnen er in feiner Jugend Fein’ Erkundigung erfragen
mocht, barob er denn oft einen Verdrus trug, baß die
Menfchen der Gedächtnis fo wenig acht nähmen. Und als
er zu feinen Jahren Fam, fparte er Feine Koften, fondern
er ſchickte aus gelehrte Leute, die. nichts anders: thaten,
denn daß fie fich in allen Stiften, Klöftern, Büchern und . |
‚ bei gelehrten Leuten erfundigten alle Gefchlecht der König’
und Fürften, und ließ alles in Schrift bringen, zu Ehr'
und 2ob ven koͤniglichen und fürftlichen Geſchlechten.“
Auf Erforfchung der Gefchichte und Bewahrung des An⸗
denkens der Altvorbern hat er viel Zeit und Geld gewendet.
— Ein weifer Meifter wurde ihm darauf zugeordnet, von
dem er bie Arzneifunde erlernen folle, um ſich ſelbſt und
Andern huͤlfreich beifpringen zu Tonnen. Dies bat ihn
X
U
62 Erſter Abfchnitt. Jugendlebe n.
aber auch vermocht, immer einen maͤßigen und ruhigen
Lebenswandel zu führen. — Da der alte Weißkunig er-
fah, wie nuͤtzlich einem Herrſcher iſt, genau die Gefchäfte
zu kennen, bie fein Kanzler und Geheimfchreiber verwal:
tet, fo nahm er „feinen Sohn eine Zeit zu ihm und
braucht? ihn mit der Schreiberei, was denn einem Kanzler
und Sekretari zugehöret, das denn eines jeden Königs
meifte Regierung ift, daburch er ſich möcht’ erfunden den
Grund der Regierung und erkennen lernen die Eigennüßi:
gen.” Diefe Lehren fchlugen. fo gut an, daß bald Mari:
milian folgende weiſe Gerrfcherfäge, gleihfam als ein
Glaubensbekenntniß, feinem Vater Hinftelte: „Welcher
König in eine Perfon fein Vertrauen fest und bat in
feiner Handlung, mit feiner fchönen Rede, bei ihm Glan:
ben, derfelb’ und nicht der König regiert. Welcher König
die Unwahrbaftigen und Eigennügigen nicht erfennt, bems
felben König wirb fein Gelb und Reich in viele Theile
getheilt. Welcher König die Wahrhaftigen und die in der
echten Ehr’ leben, nicht lieb hat, derſelb' Koͤnig ift ein
Verzehrer feines Volks und ein Austilger der Gerechtig-
keit“ — Bon einem Bauer lernte darauf Marimilian
heimlich Wendifh und Böhmifh. — „Da ihm ein alter
weiſer Mann fagte: „welcher ein rechter Kriegsmann und
Heerführer feyn will, der mus malen fünnen und darin
nen einen befondern Berfland haben,’ fo befliß er fich
auch der Malerei und ward barin fehr geübt. Mancherlei
Handwerk und Kunft fuchte er zu erlernen, und fo übte
er auch die Kunft, Gebäude von Stein aufzuführen, und
zwar dreierlei Baue, zur Luft, zur Nothdurft und zur Ber:
3. Abtheil. Der Nüngling.: 63
theidigung. Nicht minder erlernte er aber auch das Zim⸗
merhandwerk, welches ihm bei feinen vielen Kriegen gar
großen Nuten gewährt. — Drauf lernt’ er mit großem,
ämfigem Fleiß erfennen die Art des Gefanges und Sai⸗
tenfpield und begriff in urzer Zeit den Grund des Ges
fanges und aller Saitenfpiel, und ald er kam in feine
gewaltige Regierung, hat er eine folche Kantorei aufgerich-
tet, mit einem folchen lieblihen Gefang, von der Men-
ſchen Stimme wunberlih zu hören, und folche Liebliche
Darfen, von neuen Werken und mit neuem Saitenfpiel,
daß er alle Könige übertraf und ihm Niemand gleichen
mocht'. Auch hat der junge weife König ein männlich,
fröhlich Pfeiffen und Trommelſchlagen aufbracht und der⸗
maßen in feinen Ötreiten. gebraucht. Wenn er gegen
ſeine Feinde in den Streit gezogen ift, haben dieſelben
Trommeln und Pfeiffen nicht allein des Menfchen Herz
erfreut, fondern der Hall davon bat die Luft erfüllt, das
durch der junge Weißkoͤnig nicht allein viele Lande bezwun⸗
gen, fondern dazu in dem Hauptſtreite allwege ſeine
Feind' beſtritten und geſchlagen hat.“ Darauf erkundigte
er ſich aller Speiſen und Getraͤnke, was des Truchſeß
und Schenken Amt erfordert. Dann befliß er ſich, das⸗
jenige zu erkennen, was zu Banketten und Mummereien
noͤthig zu wiſſen iſt, und hat damit in ſpaͤterer Zeit
Wunder verbracht, denn kein Koͤnig mocht' es ihm gleich
thun. Er ging gerne in die Mummereien und erdachte
ſich zu einer jeben eine befondere Geftalt, und wie.er. vet
flreitbarfie König war, fo iſt er auch der fröhlichfle König
geweſen. Nicht minder ging er in feines Vaters Muͤrze
64 Erflee Abſchnitt. Jugendleben.
und erkundigte ſich über dad ganze Werk, und daher iſt
es kommen, baß er die allerbefle Münze von Gold und
Silber. während feiner Herrfchaft hat fchlagen laſſen, über
alle andere Könige. Dies führte ihn auch auf die Erfor-
fung und Erhaltung der Bergwerke; und er bat fie immer
gehegt und gepflegt, aber aud erfahren: „daß, welcher
König in feinem Reich die Bergwerk mit ihrer Orbnung
nicht unterhielt’, berfelbe König empfinge nicht viel Nutz
davon. — „Der alte Weißkoͤnig hatte an feinem Hofe
viel Hufaren, die zu Ros mit dem Handbogen viel Witz
terfpiel trieben. Wer berühmt werden wollt’, der mußt’
mit dem Hanbbogen bie Voͤgel in ber Luft ſchießen.“
Dies lernte Maximilian dem beften Hufaren gleich und
begnügte fi damit nicht, fondern lernte auch mit dem
englifchen Handbogen ſchießen, welches er fo flark zu
vollbringen wußte, „daß er einen hölzernen. Schaft, ber
Fein Eifen gehabt, durch ein dickes Lerchenholz, das tüchs
tig bart-und drei Zwergfinger di gewefen, gefchoffen
bat.’ — Zerner lernte er auch mit der Armbruft und
bem ftählernen Bogen fchießen, „und als derſelb' jung’
König zu feinen Jahren Fam, ift er mit der Armbrufl
und mit dem flählenen Bogen ber beſt' Schuͤtz im Ernſt
und der gewiflefte Pirfcher bes Wilbbrettd gewefen, and. ,
feiner ift ihm nie zugelommen, ber ihm darin gleichen
bat mögen. — Drauf übte er die „edle Falkenbeitze und
Weidnerei” (d. i. die Kunft, mit abgerichteten Falken zu
jagen). Nicht weniger jagte er Hirfche, Steinböde, Gemſen,
wilde Schweine, Murmelthiere, Hafen und ander Wild⸗
pret.. Außerdem liebte und übte er aber auch bie Fiſcherei
6. Abtheil. Der Juͤngling. 6
ſo wie den Vogelfang, wie er denn beſonders auch ein
großer Freund des Vogelgeſanges war: „da er denn in
feinen Koͤnigreichen und Landen in vielen Städten eigene
Bogelmeifter hatte, die ihm ſingende Vögel hielten. Bann
er benn in derfelben Städte eine kam, fo ließ er biefelben
Bögel in feine Schlaffammer, Säle und. Stuben tragen.
Es war oft in feinen Zimmern von ben Vögeln ein folcher
Sefang, wenn zween mit einander vebeten,. daß einer bes
anbern feine Rede nit wohl merken konnt. Er hatte auch
einen eigenen Vogelmeiſter bei ihm am Hofe, wenn er
auf bie Jagd und das Beigen ritt,. der ihm fingende
Vögel nachtrug, und wo er über Nacht lag, mußte ber
Vogler diefelben Vögel in des Königs Zimmer thun; und
die Vögel, die man ihm nachtragen hat, haben oft auf
dem Wege, dieweil man fie tragen hat, mit heller Stimm’
gefungen. Wann bie Vögel bei ihm in feinem Bimmer
gefungen haben, bat er fonbere Freude darin gehabt, und
wann er über Land geritten ift und bat, etwo in einer
Au ober in einem Holz, eine Nachtigal hören fingen, To
it er auf ein Drt geritten und bat dem Geſang fleißig:
lichen zugehoͤrt.“
Dies iſt num die Befchreibung deſſen, was Marimilian
in luſtigen und vergnuͤglichen Uebungen, in Sprachen und
in geifliger Ausbildung, von benen nichts vernachläffigt
ward, getrieben bat, woburd ed dahin gelangte daß
mir Maximilian noch einmal der letzte Schein einer
aͤchten und erfreulich lieblichen Ritterlichkeit aufflammte,
um bonn ganz zu zerfallen, wie uns ſchon bad Leben bed
64 von Berlichingen und beſonders das bed Hand von
Ä 5
66 Erſter Abſchuitt. Jugendleben.
Schweinichen, von welchen beiden bisher immer Beiſpiele
angefuͤhrt worden ſind, zeigt. Wir haben jetzt nur noch
kurz die Nachrichten von Marimilians ritterlicher Bildung
zu bemerken. „Der junge Weißkoͤnig betrachtete, daß ihm
auch noth waͤre, daß er lernet' in allerlei Waffen fechten
und auf ſolches lernet' er in den Schwertern, Stangen,
kurzen und langen Degen, Landsknechtſpießen, Dreſchfle⸗
geln bloß (ohne Schild⸗Deckung) fechten und mit Meſſern
(wahrſcheinlich iſt hier das alte Werfen der Meſſer gegen
den Feind gemeint); und begriff die Meiſterſtuͤck und den
rechten Grund in kurzer Zeit, und übete ſich infonderheit
faft damit und ward barin gar meifterlichen und kuͤnſtli⸗
chen, und konnte bie Waffen alle gar wohl brauchen, nad
feiner Schicklichkeit und nach feiner Stärke.” — „Alsbald
der junge Weißkoͤnig das bloß’ Fechten begriffen hatte,
lernet' er zuſtund an, zu Buß in der böhmifchen Pafefen
(einem großen und mächtigen Schilbe, gemeinhin mit einer
Spike unten, um ihn in ber Erbe zu befefligen, wenn
man ihn abnahm) und zu Ros in dem hufarifchen Taͤrtſch⸗
fein (Zartfche, ein Pleines Schild), mit dem Kanzel, mit
dem Säbel, mit der Mordhade (eine veraltete Art des
Gewehres, beſtehend aus "einer kleinen Art an einem lan-
gen Stiele, wahrfcheinlich einft mit der Streitart einerlei)
und mit der Wurfhade (ein nicht recht beutliched Kriegs:
werfzeug, entweder, jemanden aus der Ferne zu verwunben,
oder eine Art Hafen, womit man ben Gegenfänpfer
durch Wurf ergriff und an ſich zog, um ihn in der Nähe
dann tödtlich zu verwunden, wie jest noch Wurfhaken
beim GEntern ber Schiffe gebraucht werden) — fechten
3. Abtheil. Der Juͤngling. 67
und kehret barinnen auch guten Fleiß für und murbe
darin gar meiſterlich“ — „AS nun der junge Weiß:
koͤnig hat gelernet bloß, auch in bem Pafefen und
Taͤrtſchlein zu fechten, beweget er aus trefflichen Urfachen,
daß ihm infonberheit Noth thun würbe, baß er konnte
gewappnet fechten zu Ros und zu Fuß; denn an einem
folchen Zechten iſt einem großmächtigen König am meiften
gelegen. Und hub an mit großem ernfllihen Fleis zu
lernen, im Harniſch gewappnet zu fechten und anfänglis
hen zu Buß im Ahlſpieß Cich erkläre es mir, bei man⸗
gelnder Ausbeutung, für einen Spieß mit langer glatter
Spige, ber Hellebarbe entgegenfichend, die unter ber
Spitze noch ein- breited artförmiges Eifen hat) und in ber
Helmbarte (Hellebarde), und darnach zu Ros mit dem
Reitſchwert, und mit bem kurzen Üeitbegen, auch
mit dem Kolben und Reiſeſpieß, und warb barin gar
meifterlichen.” — „Nachdem er nun das Fechten zu Ros
und Fuß genugfamlich gelernt hat, ba hub er darnach an,
fich zu üben in den Ritterfpielen mit Rennen und Stechen
und befand, baß. einer, ber in ben Mitterfpielen berühmt
wolt werben, bie Uebung mit ben Thaten und nit- bie
Lernung mit den Werken brauchen müßte Bald hat er
auch bie rechten Nitterfpiel fir fi genommen und, von
dem ’Ringen *) zu den fchweren Ritterfpielen gegriffen und.
barinnen allmege den Preis behalten. Und ald er zu feiner
Mannsſtaͤrke kam, da übet’ er fich, in bem hoben Zeug **)
2) geringen. -
+) Das, was unter hohem Zeuge gemeint iſt, werben wir
Pe
68 - Erftee Abſchnitt. Jugendleben.
zu flechen, amd übertraf darinnen alle andern.” — „Eben
fo fah er ein, daß es ihm noͤthig thue, die Weitere er:
kennen zu lernen in Schimpf (Scherz) und Ernfi, auch
in Rothburften und Gepräng’, beögleichen, daß er wiſſe
aller Pferde Art. Er erkannte die Pferde nach ibrer Art,
welche gut waren zum Streit, welde Nus waren zum
ſtreifen (raſch und reißend zu reiten) und welche tauglich
waren zu ben Ritterfpielen. (Eine wichtige und zu’ mers
kende Stelle, beweifend, wie fehr bie alte Zeit die Pferde
nach der Verfchiebenheit ihres Gebrauches zu theilen und
anzuwenden wußte) Er tonnte au einem jeglichen
Dferde nach feiner Art Gebis laffen machen, benn es ge:
ſchieht gar oft, daß ein Pferd uͤberzaͤumt wird, baburd)
der Mann, fo barauf fitet, in bem Streit unterliegt; fo
begiebt es ſich oft, daß ein Pferd nicht genugfam gezaͤumt
ift, bad. den Mann, ber barauf fißt, mit Gewalt unter _
bie Feind' trägt." — Drauf befand er auch, „daß er in
ber Harnifchmeifterei alle Stuͤck und meifterliche Kunſt
lernen und erkennen müßte.” Auch barin brachte er es
zu einer großen Fertigkeit und hat viel neue Erfindungen
in ber Plattnerei fpäterhin geleitet. — Nicht minder
machte er fih mit DVerfertigung und Leitung des ſchweren
Geſchuͤtzes (denn das Pulver, dad Grab des Mitterlebens,
hatte ſchon feine verderblihen Wirkungen begonnen) bes
kannt und erfand auch hierin vieles, Als die letzte feiner
Triegerifchen Uebungen wird angegeben, daß a tunfreihf
weiter unten im Ritterleben, bei ben Waffen und Turnieren,
näher Kennen lernen.
3. Abtheil. Der Juͤngling. 69
eine Wagenburg zu fertigen gewußt habe, nach Lage bed
Landes, nach Art ver Aufftelung, nach Größe und Be⸗
duͤrfniß feines Heeres verfchieden. |
Goͤtz von Berlihingen erzählt und auch mandherlei
von feinen Reiterfahrten, bie er ald ein Anappe gemacht,
von dem indeffen mur einige Züge, die einen Blick auf
das bamalige Leben werfen, bieher gehören. Den erſten
Ritt ald Knappe machte er mit feinem Better Konrab
von Berlichingen im Jahre 1495 (in welchem er Knappe
geworden, denn er hatte das 414. Jahr erreicht), welchen
Markgraf Friedrich von Brandenburg zu Onolzbach auf
den Reihötag gen Wonns ſendete. Auf diefem Wege
macht er täglich 8 bis 9 Meilen und fagt davon: „Und
daucht' mich damalen meinem Thun nach, wie ich .ein Ge⸗
fell war, weit und viel ſeyn, aber feit berfelbigen Zeithero
babe ich es wohl gewohnt und etwa in wenig Tagen
und. Rächten weite Reifen vollbracht und dabei nichts
geßen oder getrunfen, welches bie Nothdurft alfo erfor⸗
dert bat; denn ed etwan nicht anders fein kunnt'.“ Auf
dem Reichstage zu Lindau 1497 flarh fein Vetter Konrad:
„und haben ihn feine Knecht’ und ich als ein Knab' mit
der Leicht (Leiche) herabgeführt bis gen Schoͤnthal in das
Kloſter.“ — „Und glei hernach um Pfingſten thaͤt ich
mich zu Markgraf Friedrich (von Onolzbach), und iſt
deſſelbigen males Hanns Berlin von Heilbronn, des
Markgrafen Thuͤrhuͤter, auch mein- und anderer Buben
Zuchtmeiſter geweſen.“ Wie Goͤtz von Berlichingen ſeinem
Herrn aufgewartet, geht aus folgender Stelle hervor; als
fe in Hochburgund überfallen werben und ihre Schaar
70 Erfter Abſchnitt. Jugendleben.
ruͤſten, ſagt er: „Da gab ich meinem Herrn den Gaul,
das Helmlin und den Spieß und ich den naͤchſten hienach.“
Wie damald Ritter und Knappen lebten und Krieg fuͤh⸗
reten, ganz dem rohen, wilden und unmenſchlichen Weſen
bingegeben, das über Deutfchland fo furchtbar gewüthet
und fo viel Herrlihes und Treffliches zerftört hat, mag
folgende Stelle aus Berlichingens Lebens andeuten: „und -
zogen demnach auf denfelben Zag wieder bis in die Nacht,
und famen in ein ander Lager, ba war ein Schloslein
und ein’Wafferhäuslein, war aber doch franzöfifch. und
hatten allda nichts zu eſſen, allein für die Gäu funden
wir Fütterung genug; denn es waren eben da die Scheus
‚ern al’ vol Waaren. Doc befchehrt’ uns Gott damals
in der Noth Huͤner und Fiſch', welche wir Nachts über:
kommen, und wir bed Morgens braten und wie wir's im
Sinn’ hatten, gleich wohl bamit leben wollten. Aber, wie
nun das Effen fertig war, und alle Ding’ zugerlifl’t, da
kommt Botfchaft, wir follen ſchnell auffen, denn man
wolle anftoßen (anzüunden) und brennen. Da nahmen wir
den naͤchſten die Gaͤul' und banden fie heraus an die
Bäune und das Harnifch auch heraus zu ben Zdunen, und
konnten alfo die Saul’ und Harnifch kaum herausbringen,
da fing das Haus, Scheuren und das ganze Dorf ſchon
allenthalben an zu brennen und fprangen die Gaͤul' Hitz
halben vom Feuer an ben Zdunen wie bie Boͤck', alfo daß
wir alda von: Stund an wieder auffein unb abermal
wieder fortzichen müflen, und hatten wir und bie Gaͤul
in 3 Tagen und 2 Nächten nicht viel zu eßen gehabt.’
Man extennt hieraus die heillofe Art umd Weife, wie im
3. Abtheil. Der Jungling. 71
15. und 16. Jahrhundert der Krieg gefuͤhrt ward, und wie
das Edle des Ritterthums und der den Rittern ſo nahe tre⸗
tende Knappe ſchon ganz verwildert und ausgeartet war.
Fernere Lebenszuͤge find noch die: „Folgendes hat Mark:
graf Friedrich loͤbl. Gedaͤchtnißes — fährt H. v. B. fort —
mich ald,einen Knaben (Edelknaben, Knappen) auferzogen
und muſt' ich ſammt etlich viel andern Knaben auf Ihro
Fuͤrftl. Gnaden, wann fie eſſen wollten, warten, wie ich
dann thaͤt; und begab fich auf eine Zeit, daß ich. mid)
neben einem Poladen zum: Eſſen nieberfeget, welcher fein
Haar mit Eier gepicht (eine nicht ummichtige Nachricht
von damaliger Art, fih zu tragen). Und hatt’ ich zu
allem Stud einen großen welfchen Rod an, ben mir Herr
Veit von Lenteräheim in Braband hat machen laffen.
"Und wie ih dann neben jebt bemeldtem Poladen heraus⸗
fpring’, hatt’ ich ihm das huͤbſch' Haar mit dem Rod
etwas erwifcht umd im einander verwirret; da erfehe ich
ungefährlich im Springen, DaB er nach mir flicht mit
einem ˖ Brodmeſſer, und hat doch mein verfehlet, welches
mich nicht unbilig zum Born beweget, und wiewohl ich
einen langen und Turzen Degen bei mir hatt’ (diefe Bes
merkung, daß er mit zwei Degen verfehen gewefen, iſt
auch nicht unwichtig), fo nahm ich doch das kurze Dege⸗
kein und ſchlug ihn damit um ben Kopf, wartet” aber
doch nichts deſto weniger auf mein’n Dienft, wie denn ber
Brauch war- und blieb Nachts im Schloffe. Auf Ver⸗
langen bed Beleidigten foll G. v. B. darauf geftraft wer⸗
den, weiches mit einem viertelftündigen Verhaft im Thurme
abgethan wird, ba, wie er fagt: „ale Buben und Edel⸗
— —— ——
12 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
knaben bei mir ſtunden (b. h. fuͤrbittend auf meiner Seite
ſtanden), die damalen bei dem Markgrafen am Hof' waren,
und ich glaub', daß deren in die 50 oder 60 geweſen.“
Hieraus geht hervor, welche reiche Anzahl foldyer Knap⸗
pen und Evelfnaben auch an ben Eleinern beutfchen Höfen
gefunden wurden, gefchweige nun an größern, und befons
ders an den prachtvolleren Höfen Frankreichs. —
Wie die Knappen ihren Herrk in bie Schlacht beglei: .
teten, habe ich fehon oben im Allgemeinen bemerft, ein
Beifpiel aus ©. v. B's Leben wird bied beutlicher zeigen:
Die Haufen hielten in Schlachtordnung „und führt’ ich
meinem Herrn dem Markgrafen einen großen Spieß,
fammt einem großen Bahnen daran, nad, unb war ber
Spieß weiß und fchwarz und hatt’ ich auf dem Helmlein
eine große Feder, die war auch weiß und ſchwarz und
fund ſtracks über ſich.“ Die erwähnten Farben find Lie
brandenburgifchen Hausfarben. Damals war ©. v. B. um
47 bis 18 Jahr alt. Ein paar Jahre nachher, im Jahre
4500, fagt ©. v. B., nachdem er wieber von einigen „Hera
umzügen gefproden: „das war das erfle Panzer und
Harnifch, das ich anthätz fonft war ich für einen Jungen
ziemlich verfucht und gebraucht worden in Kriegen: und
anders, doch in Anabenweif’, und macht’ in biefem erſten
Angriff bei dem Thalacker mit berührten Knechten und
Reutern Kundfchaft, daß ich folgende als ein Junger
(Sunter) wohl zwei Jahr mit ihnen ritt und ihnen an⸗
. bängig war." Hiernach geht das Knappenleben ganz nach
Gutduͤnken bes jungen Reiterömamnes, bloß buch ven
Sahress Abfchnitt, in ein Ritterleben über; benn . diefer
3, Abtheil. Der Juͤngling 73
Ausdruck „Harniſch nehmen“ bedeutet nichts anders, als
Ritter werden. Dennoch nennt er ſich ſelbſt noch einen
Jungen (GJunker), und als einen ſolchen ſehen wir ihn
noch in :den zwei folgenden Jahren mit dieſen Reiter⸗
haufen, die ſich an alled anfchlofien, was nur zu Krieg
und Streit führen konnte, umherziehen, keinesweges einem
unabhängigen Ritterleben ſich ergebend. Vielmehr dienten
damals die. Abelichen, ven Namen Junker führend, diefem
und jenem im Kriege mit einem Meinen Faͤhnlein, das fie
anführten, "wie num. guter ober boͤſer Geiſt fie leitete.
Der eigentlihe Ritterfian war verloren, und fo auch bie
ritterliche Bedentung ber Yahres > Abfchnitte.
Noch deutlicher wirb dies in dem Leben bes weit
fpäter lebenden Hans von Schweinichen, wo alles in ein
unbeſtimmtes Herren = Dienen audartet. Da aber biefer
Lebensabfchnitt des Hans von Schweinichen wieder voll
ſehr ergöglicher Züge if und den lichteſten Bid auf bie
legte Hälfte des 16 Jahrhunderts wirft, fo fcheint es mir
nicht unwichtig, auch bier wieber Die eigentliche Gränze
der Ritterzeit zu überfchreiten und einzelne Ereigniffe ans
zuführen, um fo mehr, da auch diefe wicber eriduternd
und erklaͤrend für das frühere Ritterleben find;
„anno 4566 (alfo ald Schweinichen gerade 14. Jahr
alt war) bin ich von, meinem Herrn Vater in die Schule
zu Solbberg gethan worden, daß ich allda habe ftudiren
folen. Ward fleißig unterwiefen, daß ich auch innerhalb
4 Jahren zu bem, was ich vor konnte, gelernet, daß ich,
was weine Nothdurft, Lateinifch reben, ein Argument
auf einen halben Bogen machen Fonnte und bad) zu Gold;
74 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
berg dieſe Zeit uͤber nicht einen einzigen Schilling alan⸗
get; außer daß mich M. Barth, der. mich ſonderlich in
acht nahm, mit einer Ruthe auf bie Hände ſchmis, da
ich ihm follte den Terentium rezitiren, -welchen ich Dies
felbe Stunde nicht gelernt hatte, fagend: lernet ein ander
Mal oder ich werde euch die Hofen herunterziehen. Weit
aber: allbereit in meinem Haupte das Hofwefen, bei wels
chem ich zuvor gewefen, ftedte, hatte ic) mehr Luſt zur
Reiterei, als zu’n Büchern, und war mein Herz mehr dazu
geneigt, als zum fleißigen Stubiren. Derowegen machte
ich allbereit Anfchläge, wie ich möchte von Golbberg wegs
fommen, Es wollte aber bei meinem Heren Vater nicht
feyn, fondern allemal ermahnt, ich follte zum Studiren
Luft haben; da ich fie nicht hätte, fo wuͤrden mir bie
Präzeptored felbige-Faufen, mit guten Ruthen. Letztlich
aber wurde ih am Fieber Trank, darauf ward ih heim
geholt, ed war mir aber nicht fa fehr, als ich nachgehends
mich ſtellte. Wie ich nun einmal anheim kam, da war
ed bald aus; ‚denn es fonft auch zum Goldberg die rothe
Ruhr zu regieren anfing. ‚Derowegen behielt mich ber
Dater anheim; habe alfe, wie man pflegt zu fagen, die
Schule durch den Bauch geflohen und dies, was in +
Jahren gelernt, in vierzehn Tagen wieder vergeſſen.“
„Sonften habe ich in Goldberg die Freiheit gehabt,
daß ich habe mögen auf die Hochzeit, fo oft ich gebeten
worden, gehen, welches bie Andern nicht gehabt. Weil
denn damals der alte Albrecht Bock ſchoͤne Töchter gehabt
und fie oft in die Stadt zu Bürgerhochzeiten geladen
wurden, habe ich, neben Hanns Schweinig, Freiherrn auf
3. Abtheil. Der Juͤngling. Y5
Fieleneck, welcher damals zu Goldberg flubiret, gemeinig-
li eine Jungfrau führen muͤſſen. Wenn folches gefches
ben, däuchte ich mich in meinem: Sinne, ich müfte ja ein
tapferer Kerl feyn, weil ich zu diefem gebraucht warb, da
bo ſonſten viel groß gewachſene Gefellen vorhanden :
waren und biefe Würde nicht. befommen mochten. Sonder:
lich erhub mich auch dies, Daß des Herrn Bod Tochter,
Sungfer Käthlein, etliche Worte Latein konnte reden, und
wenn fie mir eines lateinffch zutrank, daß ich ihe antwor⸗
ten konnte. Wußte ich nicht anders, ich Tünnte fo viel
Latein, als ein Doktor und wäre nun gelehrt genug.”
Diefer Bug des gefellfchaftlichen Lebens wird noch durch
einige in ber Folge vermehrt werben.
„Wie nun zuvor gemeldet — fährt Schweinichen fort
— bin ih aus der Schule wieber anheim kommen und
hernach meine Luft auf das Waidwerk geworfen, darin ich
mich täglich gebraucht; mit Sperberreiten, Gaͤns und
Antvogel Stellwerk, Windreiten die Zeit zugebracht, in
der Wirthſchaft aber, wie zuvor gemeldet, meinem Herrin
Bater zugefehen und ihm aufgewartet, mit ihm geritten
und gefahren und fonft, wie es fi einem Zungen ge: .
bührt, gezeigt, mich auch im beutfchen Schreiben. gelibt;
habe dem Herrn Vater glle Kopeien feiner Schreiben ab»
gefchrieben. Bin alfo nicht viel müßig gegangen, fondern
ftündlich zu thun gehabt." — „Im Sabre 1567 hat mir
der Herr Vater mein erfles Schwert gekauft, Davor er
gegeben hat 34 Weißgroſchen; habe damals noch keinen
Wein getrunken, fondern mich allezeit nüchtern gehalten.‘
(Nachher ward er ein großer umd berühmter Trinker,
76 Erſter Abſchnitt. Jugenbleben.
wovon beſonders im Ritterleben einige eigenthuͤmliche und
dad ganze Zeitalter bezeichnende Geſchichten zu erzaͤhlen find.)
Im Jahre 1569 zog H. v. ©. mit Herzog Heintich
und feinem Vater zu einem Reichstage nach Bublin.
„Darum fih Ihro 5. ©. auch flattlich ausrüftete, mit
einem reiſigen Zeug, 80 Pferde ſtark — allda mein Vater
und ich neben ihm auch mitziehen muͤſſen, ich meine gol⸗
dene Kette am Halſe, die Wehr aber mehrentheils unter
dem Arme, als umgeguͤrtet getragen. Habe nichts weni⸗
ger aufgewartet und I. F. ©. nebſt den JIungen, neben
fonft fechfen vom Abel, bad Efien tragen helfen; habe
bei meinem Heren Vater im Wagen gefahren, außer bes.
Einzugs zu Zublin, bat ber Vater fowohl als ich reiten
mäflen, da JaF. ©. und Pferbe geliehen.“ — Dort gab
auch H. Heinrich „ein groß Banket und hatte bie vora
nehmſten Pohlniſchen Herren zu Gaſte, welches gar koͤnig⸗
lich zuging. Diefen Tag habe ich den brittn Bars
fhneider an einer langen Zafel zum erflen Mal abge:
geben und gemacht, fo gut ichs vermocht. Wie wohl ich
vor Anbern berühmt war, daß ichs gut gemacht.‘ Dies
ift eim beweifendes Beifpiel bes in ben allgemeinen Zus
- fammenftelungen Eingangs diefer Abtbeilung bemerkten
Gebrauchs, daß Knappen die Vorfchneiber machten, auch
für Deutfchland, — Wenn H. b. S. auch meiſtentheils
bei feinem Vater auf dem Gute Mertſchuͤtz blieb, fo ‚ers
zählt er doch, daß er „etliche Mal von 3. 8. ©. ‚Herzog
Heinrich nach Riegnig zum Aufwarten erfordert wors
den’ ſey. Dann ift er aber auch „zun Nachbaren auf
Hochzeiten, Kirmes und Taufen, jedoch allemal bapin ger
3. Abtheil. Der Juͤngling. 77
beten, gezogen”. Sonft aber befchäftigte er fih vorzügs
ih mit dem „Waidwerk, wozu er folche Luſt hatte, daß
er davor nicht ſchlafen noch eſſen konnte“.
Bis gegen fein zwanzigftes Jahr hatte ſich H. v. S
vom Lafter bed Trunks, bad damals in Deutfchland fo
fehr im Schwange .ging und die Deutfchen auch außer⸗
. halb ihres Vaterlandes berüchtigt machte, entfernt gehalten.
Wie er aber auch dazu gekommen unb hernach ein fo gros
fer Trinkmeiſter geworden, erzählt er folgender Geftalt:
„Es trug fich aber zu, daß mein Herr Vater gute Weine
im Keller hatte, und da er einmal auf die Dochzeit (hier
wohl, wie immer im Altbeutfchen, eine jebe große Zeier:
lichkeit) ziehen follte, hatte er Jungen (Junker, Kappen)
zu fich. erbeten, fo mit ihm dahin zeiten wollten. Dars
unter einer Kadpar Ede von Tfiſchwitz, welcher auch gar
ein ‚junges Blut war; mit bem nahm ichs in Mein
an (d. h. verabrebete mit ihm eine Art Weinturnier, wer
den anbern zuerſt unter ben Zifch trinten würde). Wie
wir nun trinken und tch des Weines ungewohnt war,
währet es nicht lange, daß ich mich unter dem Tiſch fand
and fo vol war, daß ich weder gehen, noch fiehen, nod)
seven konnte, ſondern ward alfo weggetragen, ald ein
tedter Menfch. Habe ich hernach zwei Nachte und zwei
Tage nach einander gefchlafen, daß man nicht anders ges
ment, ich werde fierben, aber gottlob, es ward beffer.
Inmittelſt babe es nicht. allein gelernt, Wein zu trinken,
fondern auch gemeint, es wäre unmöglich, daß mich einer
vollfaufen . Tönne,, und habe es hernach ſtark Fontinuirt.
Ob es aber mir zur. erlitt und Geſundheit gersichet,
78 Erſter Abſchnitt. Jugendleben.
ſtelle ich an ſeinen Ort.“ — Bei fuͤrſtlichen Feierlichkeiten
mußte H. v. S. immer in Liegnitz erſcheinen; fo trug er
bei der feierlichen Beerdigung Herzog Friedrichs vor dem
Sarge Lichte vorauf, und eine Tochter Herzog Heinrichs
trug er in Gefellfchaft 23 Anderer zu Grabe. Alfo lauter
Befchäftigungen, die einem Knappen gebührten. Dann
sitt er aber auch „auf Hochzeiten und fonften, wohin er
‚gebeten worben, jedoch ganz und gar nicht unfrieblic,
wie die Zeit gebräuchlich war, ſondern“ — welches alles
bedeutend fuͤr die Erkenntniß jener Zeit iſt, ſagt er —
„habe mich mit Jedermann wohl vertragen, daß ich mit
Befland kann fagen, fo ich wüßte, keine Gefellfchaft einiz .
gen Unwillen auf mich gehabt; denn ich fraß und foff mit
zu halben und ganzen Nächten und machte ed mit, wie
fie e8 haben wollten. Waren fie empfindlich‘, fo gab ich
nichts nach, fondern ſchnarchte au, gaben fie nach, fo.
war ich auch gut. Allein fahe ich auch bahim, zu wem
ich ‚mich hielte, daß ich mich nicht zu ben Perfonen, fo
Feindehaber waren, viel um fie brängte, noch mit ihnen
umging.“ Dies find alles bedeutende Sittenzlige für bie
Beit der letzten Hälfte bes 16ten Jahrh. Sie zeigen, in
. welch einen großen Verfall das frühere zierliche Ritterleben
gerathen war, wie alles, aus einer rohen Zeit fchon kom⸗
mend, der Völlerei und anderer Rohheit fi entgegen
brängte. Dennoch ift in dem, was ich bereitö mittheilte, —
und in anderm, was ieh fpdterhin erzählen werde, wird
dies noch deutlicher werben, — ein noch immer vitterlicher
Sinn, ein erhelendes Licht edlern Strebens nicht ganz zu
verkennen, als ein erfreuliches Zeichen, daß bie edlere
3. Abtheil. Der Juͤngling. 79
Natur im Menſchen ſich immer wieder aufrankt, moͤgen
fie auch die Fluthen einer laſterhaft werdeuden Zeit uͤber⸗
flürzen. =
Wie konnte es aber auch anders ſeyn? Bon ritters
lichen Uebüngen erzählt und H. v. ©. nihtd; von freund⸗
lichem Saitenfpiel, lieblichem Gefange, anmuthigem Sagens
erzählen, worin das eigentliche Ritterthum fich fo freudig
erging und feine Wurzeln mit darin heftete und fand,
wird und gar Feine Kunde. Wir fehen H. v. S. nur als
einen höher Bedienſteten des Herzogs von Liegnitz; und
daß er dabei ein guter Land- und Haus= Wirth war, ein
ruͤhmliches Beftreben,. befonders in einer Zeit wachfenden
Verfalls, erfahren wir auch von ihm ſelbſt, und zwar in
folgenden Worten, die ald ein Gegenſtück zu Zriftans
und Ulrihd von Lichtenflein ritterlicher Erziehung gelten
mögen: „Im Jahre 1571 (er war beinahe 20 Jahr alt)
„war ich daheim, mußte dem Herrn Vater die Mühle
verfehen, mit Ausmegen und vor’5 Hans zu malen und
davon Rechnung und Befcheid geben, auch fonflen im der
Wirthſchaft fleißig zufehen helfen, und wenn ich daheim
war, fo mußte ich auch die Gäfte mit Saufen bewirthen
und bie Fiſcherei verfehen, alles Futter ausgeben, auch
mit den Drefchern aufheben und fonften verrichten, was
möglich.” Ja, diefe Nachrichten Aber wachfende Gemein⸗
beit und Unfläterei, immer die Folgen, wenn das Geiftige
und Hoͤchſte, das Willen, zuruͤckgedraͤngt und bem Leibe
ein ungebührliches Vorrecht eingeraͤumt wird, aus dem
verzerrten Satze, daß in einem gefunden Körper auch eine
gefunde Seele wohne, indem in einem unflätigen Körper
80 Erſter Abfhuitt, Sugendleben. -
nur eine unflätige Seele Platz nimmt — diefe Nachrich⸗
ten des 16. Jahrh., ſage ich, ſteigen durch eine Erzaͤhlung
bes H. v. ©. bis aufs Hoͤchſte, indem er fagt: „Es
waren biefer Zeit im Lande Unfläter, fo man die 27 hieß,
welche fich verfhworen hatten, wo fie hinfämen, unflds
tig zu ſeyn, auch wie fie irgend ed möchten anfangen.
tem, es follte Feiner beten, noch fi) wafchen und ans
dere Gotteötdflerungen mehr; welche denn zu vieren und
fünfen auf einmal öfters bei meinem Herrn Vater ges
wefen, aber wenn id ſchon um fie war, bin ich boch mit
‘ihnen niemals aufftößig worden.“
Wie bei G. v. B., finden wir beim H. v. S. Feine
Spur mehr von einem Ritterfchlage, vielmehr erzählt er
bloß beim Anfange bed Jahres 1572, wo er alfo 20 Jahr
alt ward, daß er „zu einem Junker geworden,’ d. h. zu
einem ritterlihen jungen Deren, ber als ritterlich ans
gefehen wurbe, aber nicht die volle Ritterwürbe bekleidete,
da fein Vater noch lebte; dagegen verfah er nach wie vor
bei dem Herzoge feine Dienfte und wurbe als ein Hof—⸗
junfer gehalten. Dan fieht aber deutlich daraus, wie die
Geſetze und Satzungen ber alten Kitterfchaft damals
ſchon zerfloffen waren. Ganz wie vorhin febt H. v. ©.
feine Beichäftigungen durch Herumtreiben im Lande,
Waidwerk, häusliche unb wirthfchaftliche Hülfe bei feinens-
Vater fort, und wartet, wie gefagt, bei dem Herzoge als -
Hofiunter auf. Bon feinem Ritterthum, ober wenigs
ſtens, daß er nunmehr als Ritter betrachtet ward, erfolgt
erft beim Jahre 1574 eine nähere Anzeige, wodurch jener
Wink, er fey Junker geworben, mehr erflärt wird, inbem
3. Abtheil. Der Jüngling, 8
er fagt: „Kurz hernach warb von I. Kaif. M. eine Mus
flerung in Schlefien angeftelt, darauf warb ich auch von
J. F. ©. mit einer Rüftung, anflatt der Ritter
Dienfte wegen meines Herrn Batern, gefordert.‘
Sp zeigt fih der deutliche Weg, wie das game Ritz
terwefen immer mehr verfchwand und das Hofweſen fich
immer weiter ausbehnte, um alle ritterlihe Würde und
Tuͤchtigkeit zu verfchlingen.
Zweiter Abſchaite.
Ritterleben.
6*
PS |
Erfie Abtheilung.
Ritterſchlag und Ritterwuͤrde.
Schon oben habe ich bemerkt, daß Tacitus uns erzaͤhlt,
wie bei Ueberreihung des erflen Schwertes die Deutfchen
gewifle Feierlichkeiten feftgefegt hatten. Es war dies alfo
ein Gebrauch, den die Ritterzeit aus ber Heldenzeit ent=
lehnte oder vielmehr mit übernahm, und ganz falfch würde
es feyn, von der Zeit an, in welcher diefe Sitte erfcheint,
fhon das Daſeyn bed Ritterthums herleiten zu wollen.
Wir finden diefen Gebrauch, um fo den Weg zu zeigen,
den er von Attefter Zeit. biö zum Ritterthum nahm, auch
unter den Karolingern; fo Überg&b 3. B. Kaifer Karl der
Große feinem Sohne Lubwig dem Frommen, den er aus
Aquitanien hatte kommen laffen, unter gewiſſen Feierlich⸗
feiten das Schwert und die ganze kriegeriſche Ruͤſtung.
Ein Gleiches that diefer Ludwig ber Fromme 838 mit
feinem Sohne Karl. Es ift dies die erfle Wehrhaftmachung
des zum Juͤngling Gereiften, bie ich fchon oben bei ber
Feierlichkeit erwähnte, die Start fand, fobald ein Ebdel-
Inappe zum Knappen erhoben ward. Gar etwas Höheres
80 Zweiter Abſchnitt. Ritt erleben.
und Anderes aber war der Ritterfchlag, welcher nur
feit Entſtehung bes eigentlichen Ritterlebens vorkommt;
denn „die Ritter ſind von ſehr großem Werth, ſie beſitzen
unter allen Menſchen die groͤßten Vorzuͤge, ſowohl Lob
als Herrfchaft” (Roman de Floire et de Blancheflor).
Die Ritterwürde wurde als bie höchfte Ehrenftufe im Krie:
gerleben angefehen, und Kaifer und Könige hielten es
* ihrem Range durchaus entfprechend, Ritter zu feyn. Oben
führte ich bereits ein Beifpiel von dem Grafen von Tou⸗
loufe an, der noch im 50. Jahre Ritter ward, da feine
koͤniglichen Schwiegerföhne es für eine Schande hielten,
einen Schwäher zu baben, ber nicht Ritter war. Daber
fagten alte Schriftfleler: „Vorzug und Ehre find in Sa⸗
chen, wo e8 auf bie Waffen anfommt, bad Kennzeichen
der Ritterſchaft.“ Und nad dem Ritter de la Tour (in
feinem guidon des guerres) waren „die Ritter in bem
Kriegsftande dad, was die Magifter und Doctoren in ans
dern Wiffenfehaften waren,” d. h. ben hoͤchſten wiſſen⸗
ſchaftlichen Würden entſprach die höchfte Eriegerifche Würbe,
ber Ritterfland.. Oft fprechen die alten Gebichte das Lob
der Ritterfchaft und Ritterwuͤrde aus, 3. B. Parzifal V.
481286 beißt es:
Des scildes ambet ist so hoch,
Daz der von spotte je sich gezoch (dem Spotte
immer ſich entzog ˖ zc.)
Swer riterscaft ce rehte pflach.
Die Ertheilung ber Ritterwinde hat mit ben Feier⸗
lichleiten Zufammenhang und Aehnlichkeit, welche bei Ers
theilung eines Lehens Statt fanden, und es iſt Feinem
1. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwürde. 87
Zweifel unterworfen, daß beides eine Verbindung hat,
um fo mehr, da in ber fruͤhſten Zeit durch das Wort
miles ein Lehnmann, em Vaſall angebeutet warb, und
erſt das 413. Jahrh. brauchte in dem Nitterzeitalter das
Wort miles für Ritter Eine nähere Auseinan⸗
derfegung biefes Verhältniffes gehört in bie Geſchichte
des Lehnwefens und in bad Lehnreht. Aus dieſen
Urfprungsgrünben war aber auch dad Recht, den Ritter⸗
ſchlag zu ertheilen, in ben Händen mehrer Perfonen, und
nicht allein Kaifer, Könige und andere weltliche Fuͤrſten
verliehen dieſe Wuͤrde, fondern auch fogar Biſchoͤfe. Eben
fo hatte aber auch ein einmal zum Ritter gefchlagener Mann
das Recht, diefe feine Würde dur den Ritterſchlag Ans
dern zu ertheilen. Ia man hat Beifpiele, daß ein kaum *
erſt geworbdener Ritter fofprt feine neue Würde Andern
ertheilte. Die Chronik yon St. Denys, welche Mabillon
bekannt machte, erzählt, baß, als Philipp, ber Sohn Philipp
des Schönen, Königs von Frankreich, an dem Pfingſt⸗
fefte feine 3 Söhne, Ludwig, Philipp und Karl, zu Rittern
machte, biefe Prinzen darauf ſogleich vierhunbert ans
dere Knappen zu Rittern ſchlugen. Gin gleiches Beifpiel
erzählt die Chronik des Gottfried von Vignois: als Mal⸗
tolm, König von Schottland, bei ber Belagerung von
Zouloufe den König Heinrich von England begleitete,
wurbe er von biefem zum Ritter erhoben und machte nun
. auf der Stelle dreißig Andere dazu. Die Ehre, bei koſt⸗
baren und prächtigen Feſten die Waffen erhalten zu haben,
bei denen gewöhnlich ber Herr, welcher den Ritterſchlag
vollzog, alle Koften übernahm, wovon ich gleich Beifpiele
88 Zweiter Abſchnut. Mitterleben.
anführen werde; die hierbei gewöhnlichen Austheilmgen
"von Kleidungen, von reichem Pelzwerk, koſtbaren feidenen
Zeuchen, praͤchtigen Mänteln, Waffen, Edelfteinen und
Geſchenken aller Art, auch Gold und Silber nicht aus⸗
genommen, dad man in Menge fchentte — alle dies mußte
die ohnehin ehrbegierige Iugend noch mehr entflammen,
aus den Händen fo milder Herren bie Ritterwürde zu
verdienen und zu erlangen. Mit Bezug auf dieſe freiges
bige Gewohnheit fagt dad alte Gebicht l’Ordre da Che-
valerie: „es ift billig, daB man an dem Zage, an wel⸗
chem die Ritterwärbe ertheilt wird, ein großes Feſt anz
ſtellt, fchöne und anfehnliche Geſchenke austheilt, große
Gaſtmahle zubereitet, Ritteruͤbungen und alles Uebrige vor⸗
nimmt, was zu einem Ritterfeſte gehoͤrt. Und der Herr,
welcher den neuen Ritter ernennt, muß dieſen nebſt den
uͤbrigen Rittern beſchenken. Auch muß an dieſem Tage
der neue Ritter die uͤbrigen beſchenken; denn wer ein ſo
wichtiges Geſchenk, als der Ritterſtand iſt, erhaͤlt, der
verlaͤugnet ſeinen Stand, wenn er nicht ſo, wie es ſich
gebührt, Gaben austheilt.“
Die Gebräuche nun, welche hauptfächlic dabei Statt
fonden, find: der Knappe mußte fich einem firengen Faften
unterwerfen; dann brachte er mit einem Priefter und mit
einem Beiſtande, welcher in das Verhältnig eined Tauf⸗
yathen zu. feinem Täuflinge gegen ihn trat, die Nacht
vorher wachend und in Gebetsübungen zu; hierauf mußte
er in eimer Kapelle oder Kirche feierlih und andaͤchtig
Buße thun, und der Priefter ertheilte ihm barauf, nachdem
er ihm das Schwert um ben. Hals befefligt, das heilige
1. Abtheit.. Ritterſchlag und Rittermürbe. 89
Abendmahl. Bisweilen wurde auch zur Reinigung ein
Bad am Tage vorher‘ ald nothwenbig erachtet, aber burchs
aus nothmendig war die weiße Kleidung der Snappen,
welche die Ritterwürbe erwarteten. Diefe weißen Kleider
müflen wir als eine allgemeine, freundliche Sitte ber Zeit
betrachten, bie ſelbſt auch durch dußere Kleidung eine geis
flige ober herzliche Richtung anzudeuten fuchte. Darum
zu Handlungen, in denen ein reines, lauteres Gemüth und
Herz voramdgefeßt ward, bie weiße Kleidung, und zu
denen, wo ein befrübtes Herz eintrat, die fchwarze Klei⸗
dung. In diefem Sinne legten vormals auch die Könige
von Großbritannien am -Abend vor ihrer Krönung weiße
Kleider an, ald ein Zeichen ihrer Reinheit. Ja auch das
Lebloſe ward zumeilen zu Lebendigem durch bie Einbil:
dungsfraft ober feine Beftimmung erhoben, und erfuhr
dann eine gleiche Behandlung. Daher: zur Zeit, als bie
Siodentaufen noch gebräuchlich waren, ber Gebrauch,
die Glocke, nachdem fle vorher getauft, gefalbt, beräuchert
und eingefegnet war, mit einem weißen Hemde zu beffei-
den, und fie dan unter Sefang und Gebet zu ihrem
hohen Sitze auffleigen zu laffen.
Dies waren die, Vorbereitungen zu bem Ritterfchlage,
ehe die näheren Feierlichkeiten begannen. Nachdem num
dies alles erfuͤllt war, trat der Knappe in bie Kirche, das
Schwert, wie bereitö angegeben, mit einer Binde um ben
Hals gehängt. Bor den Altar getreten, nahm er «8 ab
und überreichte e8 dem Priefter, der es feierlich einfegnete.
Nach der Einfegnung legte ihm ber Geiſtliche wieder das
Schwert um den Hals. Nun begab fih der Knappe in
90 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſeiner einfachen Kleidung mit gefaltenen Haͤnden hinweg,
zu dem hin, welcher ihm die Ritterwuͤrde ertheilen ſollte,
welcher ſich entweder in der Kirche oder Kapelle ſelbſt be⸗
fand, oder auf einem Saale ſeines Schloſſes, auch auf
dem Hofe der Burg, ja ſogar auf freiem Felde war, we⸗
nigſtens ſich befinden konnte, und kniete vor ihm nieder.
Der, welcher dem neu zu Weihenden das Schwert uͤber⸗
reichte, fragte ihn darauf, in welcher Abſicht er in den
Orden der Ritter treten wolle. Das ſchon angeführte
Werk, NOrdre de Chevalerie erklärt ſich darüber fo:
„Derjenige, welcher bie Ritterwürbe ertheilt, muß von
dem, der fie begehrt, erfahren, in welcher Abficht er fich
- am folche bewirbt; thut er dies, um reich zu werben, um
in Ruhm und Ehre zu leben, ohne dem Ritterftande Ehre
zu machen, fo ifl er ihrer unwuͤrdig.“ — „Schließt daher
“ — fährt das genannte Werk fort — einen Knappen, ber
nur nad eitlem Ruhme firebt, ber nur kriecht und ſchmei⸗
chelt, von ber Ritterwürde aus; denn ein folcher unterhält
die verberblihen Sitten, die ein Ritter, vermöge feines
Standes, aus dem Wege rdumen fol; er vernichtet ben
Edelmuth, ber bad Loos eines Ritters feyn muß." . Die
Wuͤnſche des neuen Ritterd mußten nur auf die Beſchuͤz⸗
zung und ben Preis der Gotteöverehrung und ber Ritters
[haft abzwecken. Damit aber nicht ber neue Ritter ein
Verfprechen ablege, das der Meinung und bem Streben
feines Herzens, ehtgegen lief, fo ſetzten auch barüber alte
Beflimmungen das Gehörige feſt. „Keiner darf — heißt
es in einem folchen Geſetze — zu ber Ritterwuͤrde erhoben
werben, von dem man nicht weiß, wie er für das gemeine
-. Am
4. Abthell. Ritterſchlag und Ritteswärde 91
Befte und dad Wohl des Reichs gefinnt ift, ob er geneigt,
den Befehlen des Herrfcherd gemäß, alle Uneinigkeiten bes
Volks guͤtlich beizulegen, und ob er bereitwillig, alle Hins
derniffe ded aflgemeinen Wohls, die er entbedt, fo viel
in feinem Vermoͤgen ſteht, wegzuraͤumen.“ Dabei ward
auch auf das Aeußere bes Knappen gefehen, und es follte
nach den Geſetzen ber Ritterfehaft Feiner aufgenommen
werben, ber lahm fen ober ein anderes koͤrperliches Ges
brechen trage, welches ihm bei feinen Kriegeöverrichtungen
auf irgend eine Art binderlich feyn koͤnne, er möchte auch
noch fo reich, noch fo vornehm feyn, ober auch noch fo
viel Muth haben. |
Hatte ber die Ritterwärbe Wünfchende folche Ants
worten erteilt, welche man erwartete, fo willigte derjenige,
der die Ritterwürbe verleihen folte, in fein Begehren und
nahm ihm einen Eid ab, Nun wurbe ber neue Ritter
von einem ober mehren anbern. Kittern, zuweilen auch
von Frauen oder Fraͤuleinen, mit allen aͤußern Zeichen
des Ritterſtandes bekleidet. Man überreichte ihm die
Waffenſtuͤcke meift in der Folge, wie ich fie nacheinander
enführe: die goldnen Sporen, wobei gemöhnlid mit dem
linken der Anfang gemacht warb, (doch fagt eine Stelle
im Lancelot du Lac: nachdem der rechte Sporen dem
neuen Ritter angelegt war, wie es damals die Gewohn⸗
beit mit fich brachte) das Panzerhemde, den Harnifch,
die Armbleche und die Panzerhandſchuhe; dann glrtete man
ihm das Schwert um, welches er vorher an feinem Halfe
getragen hatte, und dies um ben Leib gefchnalte Wehrge:
bänge (cingulum militare), woran dad Schwert hing,
ı.
92 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
erhielten nur die Ritter, nicht etwa die Knappen, wie
einige geglaubt haben, bei ihrer Wehrhaftmachung, dei
welcher zwar die Knappen auch ein Schwert, aber in
ganz verſchiedenem Sinne, erhielten. War nun der Ritter
ſo ausgeruͤſtet, ſo ſenkte er ſich demuͤthig auf die Knie.
„Der Knappe muß fi — wie das alte Gedicht ’Ordre
de Chevalerie fagt — auf bie Knie vor dem Xltare
werfen; er muß die Augen feines Leibes und feines Geis
ſtes zu Gott erheben und feine Hände zum Himmel auss
ſtrecken.“ _ Darauf erhob fich derjenige, welcher ihm bie
Ritterwuͤrde ertheilen folte, von dem Site oder bem
Throne, auf welchem er faß, und gab ihm ben Ritter:
fhlag (franz. Accolade). Dies waren gewöhnlich drei
Schläge mit dem bloßen flachen Degem auf bie Schulter
ober den Hals besjenigen, ben er zum Ritter machte; zus
weilen war es aud ein Badenftreich mit der flachen Hand.
Dies follte ihn an fein Verfprechen erinnern, an bad
wichtige Amt, welches er übernommen hatte, und an bie
große Ehre, die ihm durch die Ritterwürbe ertheilt war. Aber
auch “auf die Befchwerden folkte er hingewiefen werben,
auf bie er fich vorbereiten und die er flanbhaft fragen
müßte, wolle er feinen Stand auf eine wiürbige Art bes
haupten. Bei Ertheilung diefer leiſen Schläge ſprach aber
der Ertheilende folgende oder benen ähnliche Worte: „Im
Namen Gottes, des heil. Michael und bed heil. Georg
mache ich dich zum Ritter. Die Namen ber beiden hei⸗
ligen ritterlichen Engel wurden meift gewählt, doch konnte
auch ber Beiftand anderer Heiligen angerufen werben.
Sp bat 3. B. der Ritter Seintre, als er einen Zelbzug
4 Abtheit. Ritterſchlag und Ritterwürbe. 93
gegen bie Ungläubigen in Preußen unternehmen wollte,
den König von Böhmen, ihm die Ritterwürbe „im Namen
Gottes, der heiligen Jungfrau und bes heil. Dionyfius‘‘
zu ertheilen. Oftmals wurden noch die Worte hinzuges
fügt: „ſeyd tapfer, umverzagt und getreu!” Nun fehlte
ihm nichtd mehr zu feiner Ausruͤſtung, als Helm, Schild
und Lanze, welhe ihm auch alöbald überreicht wurden.
Man führte ihm dann ein Pferd herbei, auf welches er
fi, oft ohne Hülfe des Steigbügeld, in ganzer Ruͤſtung
fhwang. Er tummelte das Pferd umher, ſchwang feine
Lanze und machte allerhand Schwingungen mit feinem
- Schwerte, welches indeſſen Fein wefentliches Erforders
niß war. Dagegen fagt das fchon oft angezogene Werk
l’Ordre de Chevalerie: „der neue Ritter muß in ber
Stadt herum reiten und fi dem Volke zeigen, Damit
jebermann erfahre, baß er vor Furzer Zeit die Ritterwürbe
erhalten hat, und daß er verbunden ift, die Ehre ber Rits
terfchaft zu handhaben und zu vertheibigen; biefes wird
ihn um fo mehr abhalten, fchlihte Handlungen zu beges
hen; denn wegen feiner großen Schambhaftigfeit gegen
Leute, welche dem Ritterftande Dienft und' Ehre erweifen,
wird er fich oft enthalten, wider die Grundfäge ber Rit⸗
terfchaft zu verfloßen.” Man fand es auch recht, daß ber,
welcher zur Vertheidigung des Volkes beſtimmt war und
der Richter des Volks ſeyn ſollte (wie wir weiterhin
ſehen werden), auch bald dem Volke bekannt wurde; denn
die alten Dichtungen ſagten, daß der heil. Schrift nach
drei Staͤnde in einem Staate nothwendig waͤren: „Ritter
zur Beſchuͤtzung und Vertheidigung, Priefler zur Verrich⸗
94 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
tung ber Andacht, und Arbeiter ober Landleute zur Be:
bauung bed Landes." Wir drüden es noch durch die drei
befannten Namen: Wehr⸗, Lehrs und Nährftand aus,
Sp vergleicht auch ein franzdfifcher Dichter die Kirche mit
dem Haupt bed Menfchen, die Ritterſchaft mit feinen
Armen, und ben Stand der Bürger, Kaufleute mit ben
übrigen Gliedern bed Leibes.
Mehre der erwähnten Zeierlichleiten waren mit eige:
nen Gebeten und Formeln verbunden, welche noch in alten
Sormelbüchern aufgehoben find und z. B. in dem Theätre
d’honneur et de chevalerie par Favin p. 89. 90. ab⸗
gebrudt worben find. Diejenigen Obliegenheiten, welche
der Ritter bei Ertheilung feiner Würde übernahm, und bie
er befchwören mußte, find von la Colombitre im theätre
d’honneur Jet de CThevalerie I. 22. aufgezeichnet und
wenn biefe Säse in ihrem ganzen Umfange nır von den
franzöfifchen Rittern beſchworen wurben, und vielleicht kaum
von allen, fo find fie doch für die ganze Nitterzeit bedeut⸗
fam und verdienen eine Anführung. Sie waren:
4) Sott fromm zu fürchten, zu verehren und. zu bies
nen, für den Glauben aus allen Kräften zu ftreiten und
lieber einen taufendfachen Tod zu "erleiden, als je dem
Chriſtenthume zu entfagen,
23) Ihrem gebietenden Fürften treu zu gehorchen und
fuͤr ihn und ihr Vaterland tapfer zu kaͤmpfen.
3) Fuͤr Erhaltung des guten Rechts der Schwachen
in rechtmaͤßigen Klagen zu ſorgen, beſonders fuͤr Wittwen,
Waiſen und Jungfrauen, und ſich dem, was die Nothwen⸗
digkeit heiſcht, für fie zu unterziehen, doch ohne daß es
t
4. Abtheil. Mitterfhlag und Ritterwärden __
gegen ihre eigene Ehre ober gegen ihren König ober ihren
angeborenen Zürften ftreite.
4) Sie folten niemanden boshafterweiſe beleidigen,
niemals fich das Gut eines Andern anmaßen, ſondern viel⸗
mehr gegen die kaͤmpfen, die es antaſteten.
5) Daß Geiz, Belohnung, Gewinnſt und Vortheil
fie nie bewögen, irgend eine Handlung zu unternehmen,
fondern nur allein der Ruhm und die Tugend.
6) Daß fie für das Wohl und den Nugen ber öffents
lichen Sache. firitten. |
7) Daß fie den Befehlen ihrer Obern und Haupt⸗
leute, bie ein Necht hätten, ihnen zu befehlen, gehorchten.
8) Daß fie die Ehre, den Rang und Orden ihrer
Genoſſen in gutem Andenken hielten, und daß fie nichts
aus Stolz oder Gewalt gegen irgend einen berfelben uns
ternähmen.
9) Daß niemals mehre gegen einen Fämpften, und
daß Betrug fo wie Arglift immer von ihnen entfernt wären.
10) Daß fie nur einen Degen trügen, es fey denn,
daß fie gegen zwei ober mehre ftreiten müßten.
41) Daß fie fih in einem Zurnier, oder in einem
andern Kampfe zum Vergnügen, niemals der Schärfe
ihres Schwertes bedienen follten.
42) Daß fie, ald Gefangene in einem Turnier, bei
Treue und Ehre die Bedingungen des Unternehmers von
HYunct zu Punct erfüllen müßten; oder fie müßten ihre
Boffen und ihre Roſſe dem Sieger Übergeben, wenn er
fie Haben wollte, und dürften ohne feine Erlaubniß in kei⸗
nem Kriege ober anderswo mit flreiten.
eo‘
Bwelter Abſchnitt. Ritterleben.
43) Ihre Treue müßten fie unverletzlich aller Welt
halten, und befonders ihren Genoflen, aus deren Ehre
und Vortheil in ihrer Abwefenheit erhalten,
14) Einer müfle den andern. ehren und lieben, und
Hülfe und Beiſtand allemal leiften, wann fich die Gele-
genheit zeigte; auch Feiner folle gegen ben andern fireiten,
ed fen denn, daß ed aus Irrthum geſchehen waͤre.
15) Daß, wenn ſie das Geluͤbde oder Verſprechen
geleiſtet haͤtten, irgend ein Unternehmen oder wichtiges
Abenteuer zu beſtehen, ſie niemals die Waffen ablegten,
ausgenommen bei naͤchtlicher Ruhe.
16) Daß ſie bei Verfolgung ihres Unternehmens oder
Abenteuers niemals die boͤſen und gefaͤhrlichen Paͤſſe ver⸗
mieden, auch ſich nie von dem geraden Wege abwendeten,
aus Furcht, ſtarken Rittern zu begegnen, oder Ungeheuern,
wilden Thieren, oder andern Hinderniſſen, welche die Kraft
und den Muth eines einzigen Mannes uͤberwinden koͤnnen.
17) Daß ſie niemals einen Lohn oder eine Beſoldung
von einem ausheimiſchen Fuͤrſten annehmen ſollten.
18) Daß, wenn fie bewaffnete Haufen befehligt en,
welche zur Sicherheit des Landes gebraucht wuͤrden, ſie
immer auf die moͤglichſte Ordnung und Befolgung ihrer
Befehle ſehn ſollten, und beſonders in ihrem eigenen
Lande, wo ſie nie leiden ſollten, daß irgend ein Schade
angerichtet oder eine Gewaltthaͤtigkeit begangen wuͤrde.
19) Daß, wenn ſie verpflichtet waͤren, eine Frau
oder Jungfrau zu führen, fie ihr dienen, fie beſchuͤtzen
und erretten follten aus allen Gefahren und aus jeber
Beleidung, oder eher den Tod finden,
4. Miheil. Ritterfchlag und Ritterwärde, 97
20) Daß fie niemals Frauen ober Iungfrauen Ge:
walt anthun folten, wenn fie fie auch durch ihre Waffen
erobert hätten, ed ſey denn mit ihrem Wiſſen und Willen,
21) Daß, wenn gleicher und ehrlicher Kampf an ihnen
gefucht würde, fie ihm nie verweigerten, es fey denn, daß
Wunden, Krankheiten ober anbere wichtige Verhinderungen
ſie davon abhielten.
22) Daß, wenn fie es beſchloſſen haͤtten, ein Unter
nehmen zu enden, fie Jahr und Zag baran wenden müß- -
ten, es ſey denn, daß fie zum Dieufle ihres Königes und
ihres Baterlandes zuriidgerufen wuͤrden.
23) Daß, wenn fie ein Geluͤbde gechan hätten, irgend
eine Ehre zu erlangen, ſie ſich nicht eher zuruͤckziehen
duͤrften, als bis ſie dieſelbe oder wenigſtens eine verhaͤlt⸗
nißmaͤßige Entſchaͤdigung erlangt haͤtten.
| 24) Daß fie fehle Beobachter ihres Wortes und ihrer
gegebenen Treue wären, und daß, wenn fie in ehrlichen
Kampfe zu Gefangenen gemacht worden wären, fie unver
zuͤglich das verſprochene Löfegeld zahlen, oder fich wieber
in Haft nah Tag und Zeit ihres geleiſteten Verfprechens
ſtellen müßten, wibrigenfaßs fie für chrlos und meineibig
erflärt werden follten.
25) Daß fie, bei dee Ruͤckkehr zum ‚Hofe ihres Bes
bieters, eine wahrhafte Erzaͤhlung ihrer Abenteuer liefern,
ja fogar dann, wenn fie zu ihrem Nachtheil gereichten,, bei
Strafe der Verfloßung aus der ritterlichen Gefellfchaft.
236) Daß fie in jedem Kalle treu, Höflich und demuͤ⸗
thig ſeyn ſollten, auch niemals ihr Wort brechen, es möge
dabei auch auf dem Spiele flehen, was ba wolle.
. Ä — 7
s
t
08 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Daß zu dieſen 26 Sägen eine ſpaͤtere Zeit, als das
eigentliche Ritterthum ſich mehr in ein abhaͤngiges Heeres:
wefen auflöfte, manche Beſtimmung gethan haben mag,
kann wohl nicht :in Abrebe geſtellt werben, doc, geht das
Meifte aus Nachrichten und Beifpielen, welche bie Ritters
zeit und gibt, als ſchon damals beobachtet hervor.
Was die Frömmigkeit betrifft, fo zeigt fich bie -ri
mahnung dazu in. vielen alten Gebräuchen, und man Tann
wohl annehmen‘, daß die innerlich recht frommen und ihrem
Berufe getreuen Ritter, bei hohen Feſten, ja vieleicht auch
jevesmal, fo oft fie bie Meſſe hörten, ihr Gelübbe ſtill⸗
fchweigend ermenten. . Ia bie Sitte, weldye lange Zeit ſich
in Polen erhielt, wo indeſſen ein eigentliches Ritterthum
mangelt, und wir diefen Gebrauch us als einen aus bes
nachbartem Ritterlande uͤbergenommenen betrachten müffen,
daß, wenn man bad Evangelium in der Kirche las ober
fang, die Großen und Edelleuté flehend den Degen in bie
Hand nahmen und die Spitze deſſelben in bie Höhe rich⸗
teten, bezieht -fich wahrfcheinlich auf eine bildliche Anzeige,
daß fie fletö- bereit: wären, den Glauben zu bebäten.
Nicht minder hoch war die Verpflichtung, Frauen und
Jungfrauen, Wittwen und Baifen zu befchüsen, und diefe
Vertheidigung erforderte felbft die Aufopferung bes Blutes
und Lebens. So durften fie ehrbare Frauen nicht. ſchwaͤ⸗
hen, und alih nicht zugeben; daß ſich jemand im ihrer
Gegenwart unterfiand, fie zu befchimpfen. Wir haben
ſchon oben gefehen,: was alles erforderlich war, um fich
30 einem guten Ritter vorzubereiten, und was nun ein
tüchtiger Ritter alles befiben mußte, das fagt ber fran:
41. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwürde. 99
söfifche Roman von Gerard ‘de Roussillon, wo es von
einem Bitter Zoulque fo Heißt: „Er iſt tapfer, gefällig,
gefprächig, frei, gutmüthig, berebt; ex weiß in dem Walde
eben fo gut zu jagen, als auf Dem Waller; er verſteht
das Schach⸗, Bret⸗ und Würfel Spiel, er tbeilt von
ſeinem Bermögen mit, und laͤßt ſolches alle, die um ihn
find, und Jedermann: ohne Unterfhied, Gute und Boͤſe,
genießen. Als ein erflärter Feind ber Ungerechtigkeit und
eines jeden, der auf ihre Seite tritt, war er allemal un:
troͤſtlich, wenn er fie night hintertreiben konnte; kurz, er
verließ nie feinen Hof, ohne an den mit Schranken ver
fehenen Orte die Billigkeit feiner Ausfprüche behauptet: zu
haben.” Anberweit heißt es wieder: „Ein Ritter verrichtet
alles unter der Hand Gotted und in dem Namen beffelben,
um ſich durch . merbwärbige Handlungen hervorzuthun,
jedoch ohne ſich ſelbſt zu rühmen; denn ob aus eigenem
Munde iſt Beſchimpfung; aber dem, der nicht ſich, ſon⸗
bern Gott lobt, gereicht das Lob zur Ehre. Legt ſich ein
Knappe wegen feiner Thaten eitlen Ruhm bei, fo verdient
er nice, Ritter zu werben; denn eitele Ruhmfucht iſt ein
2after, welches Verdienſte, Stüsen und: Wohlthaten der
Kitterfchaft vernichtet und zu ‘Boden fihldgt.“
Was die in den. Geſetzen angegebene Verpflichtung,
fen Wort zu halten, betrift, fo ifl Dies ein Zug, der auß
ber allgemeinen Natur und Anſicht germanifcher Voͤlker
ihöpft und in bad Kitterweſen tsen-übergegangen -ifl.
Eine Stelle des Tacitus ſpricht dafuͤr, indem er: fagt:
„Würfel s oder Bretfpiele nehmen fie wunderbar genug!)
nüchtern und ald.eine ernſthafte · Sage.vor.; auch mit ſolcher
7*
100 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Verwegenheit bei Gewinn und Verluſt, daß ſie, wenn
alles daran gewagt iſt, endlich Leib und Freiheit aufs
Spiel ſetzen. Der Berlierende tritt feine freiwillige Knecht⸗
ſchaft an, laͤßt fich feſſeln und binden, ungeachtet ex juͤn⸗
ger und flärler il. So groß iſt, auch bei einer uͤbeln
Sache, ihre Hartnädigkeit: fie nennen's Treu und
Glauben.“ Die Empfehlung‘ der Zugend: Xreue und
Glauben zu halten, wiederholt fidy daher faſt in allem.
alten Rittergefchichten, und damit ein paar Beifpiele für
alle gelten, fo erwähne ich hier zuerſt den Artus, ber als
ein Muſter des Ritterthums gilt, von bem im Lancelot
vom See erzählt wirb: ,,A8 König Artus einem Bitter
ſein Wort gegeben hatte, ihn bie Rönigin wegführen zu
laſſen, achtete er weber auf das Flehen dieſer Fuͤrſtin,
noch auf die Vorſtellungen, bie man ihm that. Er gab -
blos zur Antwort, baß er fein Verſprechen gegeben habe,
unb daß ein König fein Wort nicht zurüdziehen muͤſſe.
Lyonel, der ihn davon abbringen wollte, erwiderte: alfo
iſt ein König mehr Sclave feines Wortes ald ein anderer?
und verbammt fey ber, welcher da König werben möchtel
Die Königin wird weggeführt, bamit das Verſprechen
ihres Gemahls erfüllt werde.‘
Diefem Beifpiele kann man entgegenfeken, daß es
aus der Dichtung genommen fey, denn das Dafeyn bes
Artus, fo, wie es durch Geſaͤnge gefeiert worben, ſuchen
wir noch vergebens in der Gefchichte, wenn auch bad ges
ſchichtliche Daſeyn eines brittifchen Königs Artus gewiß
if. Dem tritt eim unuͤbertrefflich herrliches Beiſpiel aus
der deutſchen Geſchichte zur Seite. Der römifche Koͤnig
ı
4. Abtheil. Ritterſchlag und Mitterwärde. 104
Ludwig von Boiern hatte feinen Gegenkoͤnig Friedrich von
Deſterreich bei Ampfingen überwunden und gefangen.
Mach einiger Zeit erhielt diefer von jenem unter gewiflen
Bedingungen die Freiheit und verſprach in fein Gefängniß
zurlid zu fommen, im Ball er folche etwa nicht erfüllen
koͤnnte. Diefer Zall traf wirklich ein. Sein mächtiger
Anhang, der fich trotz der erlittenen Nieberlage flärker,
als der von feinem Gegner fühlte, erlaubte ihm nicht, das
Derfprochene zu leiten. Friedrich nahm Feinen Anftand,
Lieber fein Schickſal wieder in die Hände feines Neben:
buhlers an der Krone, ben zu Überwältigen er allen An:
ſchein für fi Hatte, zu überliefern, als fein Wort zu
brechen; und Ludwig dachte edel genug, ihn von Stund
an wie feinen vertzauteften Freund zu behandeln, ja ſogar
ihm felb die Vertheidigung von Baiern gegen„feinen eige:
nen Anhang aufzutragen, ald er burch andere Händel fich
genöthigt ſah, anberwärts binzueilen. Ein anderes Bei⸗
fpiel von Frauenſinn und Ritterverfprechen liefert
bie franzöflfche Seſchichte Joinville, der Lebensbeſchreiber
Ludwig bes Heil, liefert es S. 79. Der Erzählung von
ben, dem chriftlichen ‚Heere Lubwigs.im Morgenlande bes
gegnäten wibrigen Schidfalen, und von der Gefangenneh⸗
mung des heil. Lubwig fügt er eine Befchreibung bed
noch betruͤbteren Zuſtandes bei, in welchem. fidh die Könis
sin, defien Gemalin, befand. „Durch die Rachricht von fo
vielen traurigen Begebenheiten in ben hoffnungsloſeſten
Zuſtand und in eine Beflürzung herabgefunten, bie ihr
nicht erlaubte, nur ein Auge zu ‚fließen, und ba fie
uͤberdem jeden Augenblid ihre Entbindung fürchten mußte,
100 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Verwegenheit bei Gewinn und Verluſt, daß ſie, wenn
alles daran gewagt if, endlich Leib und Freiheit aufs
Spiel fegen. Der Berlierenbe tritt feine freiwillige Knecht⸗
ſchaft an, laͤßt fich feffeln und binden, ungeachtet er jlın=
ger und ſtaͤrker il. So groß ift, auch bei einer uͤbeln
Sache, ihre Hartnädigkeit: fie nennen’d Treu und
Glauben.“ Die Empfehlung der Zugend: Xreue und
Glauben zu halten, wiederholt fidy daher faſt in allem.
alten Rittergefchichten, unb bamit ein paar Beiſpiele für
alle gelten, fo erwähne ich hier zuerſt den Artus, der als
ein Muſter des Ritterthums gilt, von bem im Lancelot
vom See erzählt wirb: ,,A8 König Artus einem Ritter
fein Wort gegeben hatte, ihn die Königin wegführen zu
laſſen, achtete er weber auf das Flehen biefer Fuͤrſtin,
noch auf die Vorſtellungen, die man ihm that. Er gab
blos zur Anutwort, daß er fein Verſprechen gegeben habe,
und daß. ein König fein Wort nicht zurüdziehen müſſe.
Lyonel, der ihn davon abbringen wollte, erwiberte: alfo
iſt ein König mehr Sclave feines Wortes als ein anderer?
und verbammt ſey ber, welcher ba König werben möchtel
Die Königin wird weggeführt, bamit das Verſprechen
ihres Gemahls erfüllt werde.”
Diefem Beifpiele kann man entgegenfegen, daß es
aus der Dichtung genommen fey, denn bad Dafeyn bes
Artus, fo, wie es durch Gefänge gefeiert worben, fuchen
wir noch vergebens in ber Gefchichte, wenn auch das ges
ſchichtliche Daſeyn eines brittiſchen Könige Artus gewiß
if. Dem tritt ein unuͤbertrefflich herrliches Beiſpiel aus
ber deutſchen Gefchichte zur Seite. Der römifche König
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4. Abtheik Ritterſchlag und Mitteriwärde, 101
kLudwig von Beiern hatte feinen Begenkönig Friedrich von
Defterreih bei Ampfingen überwunden und gefangen.
Nach einiger Zeit erhielt dieſer von jenem unter gewiflen
Bedingungen bie Zreiheit und verſprach in fein Sefängniß
zurück zu kommen, im Ball er folche etwa nicht erfüllen
koͤnnte. Diefer Fall traf wirklich ein. Sein mächtiger
Anhang, ber ſich tro& ber erlittenen Nieberlage flärker,
als der von feinem Gegner fühlte, erlaubte ihm nicht, das
Verſprochene zu leiſten. Friedrich nahm Feinen Anfland,
Lieber fein Schickſal wieder in die Hände feines Neben⸗
buhlers an der Krone, den zu Überwältigen er allen An:
ſchein für fih hatte, zu überliefern, als fein Wort zu
brechen; und Ludwig dachte edel genug, ihn von Stund
an wie feinen vertrauteften Freund zu behandeln, ja fogar
ihm felbf bie Vertheidigung von Baiern gegen „feinen eige:
nen Anhang aufzutragen, als er durch andere Haͤndel fidh
genöthigt fah, anberwärts hinzueilen. Ein anderes Bei:
fpiel von Frauenfinn und Ritterverfprechen liefert
die franzoͤſiſche Seſchichte Joinville, der Lebensbeſchreiber
Ludwig bed Heil, liefert es S. 79. Der Erzählung von
ben, dem chriſtlichen Heere Ludwigs. im Morgenlande bes
gegneten wibrigen Schidfalen, und von ber Gefangenneh-
mung des heil. Ludwig fügt es eine Beſchreibung bed
noch beishbteren Zuſtandes bei, in welchem ſich die Koͤni⸗
ein, deſſen Semalin, befand. „Durch die Nachricht von fo
vielen traurigen Begebenheiten in den hoffnungsloſeſten
Auftend und in eine Beflürzung herabgefunten, bie ihr
nicht erlaubte, nur ein Auge zu fehließen, und ba fie
überdem jeben Xugenblid ihre Entbindung fürchten mußte,
102° Bieiter Abſchnitt. Mitterieben.
erblicte fie: ſich in ber nahen Gefahr, lebendig in bie
Hände der Ungläubigen zu fallen. . In diefer Lage faßte
fie den aͤußerſten Entfchluß; fie warf fi zu ben Züßen
eines mehr als achtzigiährigen Ritters und befchwur den⸗
felgen, ihr einen Gefallen zu erweifen. Der Greis willigte
ein und verfprach es ihr auf feine Ehre. Diefer einzige,
fo: fehnlich erflehte Sefallen beſtand darin, bag er ihe das
Leben nehmen möchte, bevor die Sarazenen fie gefangen
nehmen Fünnten, im Fall biefelben die Stabt Damiette,
in welcher fie eingefchloffen war, einnehmen würden. Die
Antwort zeigte die Verbindlichkeit der Ritter noch deut⸗
licher; er hatte, ohne fo lange zu warten, ſchon vorher
feinen Entfchluß gefaßt; und der Ritter, fagt Joinville,
antwortete ihr: daß er es fehr gern thun wolle, und daß
er fchon darauf gedacht hätte, ed fo zu machen, wenn
fich der Fall ereignen würde.” Gtüdlicherweife brauchte
die harte That nicht zur Ausführung zu kommen. |
Auch das Geſetz bei ber Ruͤckkehr von Ritter⸗ und
Feldzuͤgen treulich von ihren gluͤcklichen aber unglüdiithen,
rühmlichen oder befhämenden Begebenheiten Berichte. ab}
zuftatten, welche die Herolde verzeihen mußten, war
nicht ohne gute Folgen. Die Erzählung gihdlicher Unter⸗
nehmungen feuerte Den Muth anderer Ritter an, die Sizaͤh⸗
lung mißlungener Anſchlaͤge troͤſtete im voraus die, been
bad naͤmliche Schickſal begegnen konnte, und lehrte fie, den
Muth nie ganz ſinken zu laſſen. Daun warb aber auch
dadurch die Wahrheitöliebe in ben Herzen ber. Ritter et⸗
halten, denn nur zu leicht konnte eine falſche Erzaͤhlung
entdedt und ihre ganze Ehre zeiixiunmert werben. Das
4. Abtheil. Ritterfhlag und Roͤtterwürde. 108
alte Gedicht: 1’Ordre defChevalerie, fieft alles zuſammen,
mad ein Ritter meiden mußte, unb was man von einem
Kitter verlangen konnte. Es fagt: „Den Meineid, beu
Stolz, die Unzeinlichleit, die Unenthaltfamfeit,, die Traͤg⸗
heit, den. Geiz, den Zorn, das unmaßige Effen und die
Trunkenheit muß ein Ritter verabfcheuen. Auch enthalte
er fich aller nieberträchtigen und beleivigemden Worte und
fuche feinen Edelmuth in. Zreue und Glauben, in Hoff:
nung, Milothätigkeit, Gerechtigkeit, Stärke, Maͤßigkeit,
‚ Weblichkeit und in andern Tugenden.“ — „Die Fertig⸗
Feiten, d. i. Die Zugenben unb Sitten, bie man von einem
Ritter fordert, beftchen in 7 Zugenben, wovon 3 theolo:
gifch find: Glaube, Hoffnung uud chriſtliche Liebe; die 4
andern find Haupttugenden, nämlich: Gerechtigkeit, Klug:
heit, Stärke und Waͤßigkeit. Die 7 Woöͤſimden find da:
gegen: die Unmaͤßigkeit im Eſſen und Trinken, die Schwels
gerei, ber Müßiggang, ber Stoll, ber Geiz, ber Neid
und ber Zorn.
Eine umfaflenbe BMitterlehre gibt - mit kurzen Worten
der Troubadour Euſtach Deſchamps in ſeinen noch unge⸗
druckten Dichtungen, von denen eine ſo lautet: „Ihr, die
ihr den Ritterſtand begehrt, müßt ein neues Leben führen;
ihr muͤßt anbächtig wachen im Gebete, bie Sünde, den
Stolz und die Niebertzächtigbeit meiben, bie Kirche, Witts
wen und Waifen vertheibigen, und mit ebler Kuͤhnheit dad
Vu. beſchuͤtzen. Ein Bitter muß fi als ein redlicher
Beihliger, ohne gudern das Ihrige zu entziehen, auffuͤh⸗
ren; er ſey ſtets unnerdroſſen, ſtets mit. den Werrichtun⸗
gen ſeines Standes Bveſchaͤſftigt, mit rechtmaͤßigen Fehden,
t
108 Zweiter Abſchnitit. Ritterleben.
mit Reiſen, wit Turnieren, mit Ritteruͤbungen zum Dienfl
feiner Geliebten; er muß nach jeder Ehre fireben, fo daß
man ihm weber Schimpf noch Niedertraͤchtigkeit in feinen
Danblungen vorwerfen kann; ex maße ſich nie eines Vors -
. zuges vor Andern an. So fey die Aufführung eines Rits
terd. Er liebe feinen rechtmäßigen Deren, und bie Be⸗
mwahrung ber Befigungen beffelben ſey fein eifrigfles Bes
ſtreben; er zeige Gerechtigkeit und ebelmüthige Freigebig⸗
beit; er fuche die Geſellſchaft angefehener Leute, höre gerne
ihre Erzählungen und lerne daraus; er vernehme gern bie
Ihaten der Helven, bamit er auch im Stande ſeyn möge,
große Handlungen zu verrichten, wie es ehebem König
Alerander machte. So fey bie Aufführung eines Ritters
beſchaffen.“ |
Died wären nun ungefähr erſt die Sitten des Ritters
fhlages, und dann der Begriff von der Würbe bed Ritters,
Die daburch ertheilt wurde. Ehe wis nun zu ben Feierlich⸗
keiten übergeben, welche noch bamit verknüpft waren, bie
wohl am befien ihre Stelle in einer Betrachtung ber
Ritter = Feſte überhaupt finden, wenn fie auch zu bem
. eigentlichen Ritterfchlage mitgehören, fo ift hier noch bie
Befchreibung - eines deutſchen Ritterfchlages einzufügen,
bie, wenn fie auch nur einen einzelnen Ball begreift, doch
über daB Gange ber babei vorkommenden | Beirzlihfeiten
Licht verbreitet.
Graf Wilhelm von Holland, als er zum roͤmiſchen
Könige erwaͤhlt worden war, erhielt. 4247.3u Koͤlln bie
Ritterwürde. „Da der Juͤngling zur Zeit ſeiner Wahl
noch ein Knappe war, ſo iſt alles, was noͤthig war, mit
\
1. Abtheil. Ritterſchlag und Ritterwuͤrde. 105
Eil zubereitet. worben, auf daß er nach dem Gebrauche
der chriftlichen Kaifer Ritter würde, ehe ihm bie Krone
bed Reiches zu Aachen aufgefeht wurde. Daher ward,
als alles in ber Kirche zu Köln vorbereitet wer, nad)
porhergegangener Mefle, der Knappe Wilhelm vor den
Gardinal (es war Pater Capuzius, Legat- des Papſts In:
nozenz) burdy den König von Böhmen geführt, welcher
fo fprach: „Eurer Ehrwärbigkeit, geliebter Water, ſtellen
wir bier biefen erwählten Knappen vor, demüthigft bit:
tend, daß ihr in Vaͤterlichkeit fein gewuͤnſchtes Bekenntniß
onnähmt, woburc er unferer Ritterverbindung wuͤrdig
beitreten Ionne.“ Der Garbinal aber, in prieſterlichem
Schmude daſtehend, fagte zu dem Knappen: „Was ifl,
- nach der Ableitung bes Wortes ein Ritter? Derjenige,
welcher dis Ritterwürbe erwerben will muß: hochherzig,
offenherzig, freigebig, vorzüglich und frenge.feyn. Hoch⸗
herzig nämlich im Unglüd, offenherzig in feiner Verbin⸗
‚bung, freigebig in der Ehre, vorzuͤglich in ver Höflichkeit
und firenge in. männlicher Meblichleit. Aber ehe du das
Verfprechen deines Geluͤbdes gibſt, nimm erſt bad Joch
des Standes, den bu fuchft, in reifliche Weberlegung. Dies
find die Regeln des Ritterordens: 1) Vor allem mit from:
mer. Erinnerung täglih bie Meſſe des göttlichen Leidens
zu hören. 2) Bür den Tatholifchen Glauben kuͤhn Leib
und Leben zu wagen. 3) Die heilige Kirche mit ihren
Dienern von jeglichen, ber fie antaften will, zu befreien.
4) Wittwen, Unmünbige und Waiſen in aller ihrer Noths
durft zu fügen. 5) Ungerechte Kriege zu „vermeiden.
6) Unbillige Belohnungen abzuweiſen. 7) Shr bie Frei⸗
106 - weiter Abſchnitt. Ritterleben.
heit eines: jeben Unfchuldigen einen Zweikampf einzugeben.
8) Kriegeriſche Webungen nur zur Vervollfommnung ber
Priegerifchen Kraft zu befuchen.. 9) Dem römifchen Kaifer
oder feinem Ötellvertreter ehrfurchtsvoll in allem Zeitlichen
zu geborchen. 410) Das gemeine Beſte unverlegt in feiner
Kraft zu erhalten. 41) Die Lehugüter des Reiches und
Kaiſerthums auf Feine Weiſe zu veräußern. 12) Und ohne
Malel yor Gott und Menfhen in diefer Welt zu leben. —
Denn du diefe Geſetze der Ritterfchaft fromm beobachten
wirft und gegen männiglich. forgfältig beſchuͤtzen, fo wiſſe,
daß du dadurch auf Erden zeitliche Ehre und nad diefent
Leben bie, ewige Seligkeit im Himmel erwerben wirft.‘
Als dieſes alles der Kardinal gefagt ‚hatte, Iegte er bie
gefalteten Hände bed jungen Krieger in das Meßbuch
auf das gelefene Evangelium, fo fprechend: „Willſt du num
die Ritterwürbe im Namen Gottes fromm empfangen und
die dir von Wort zu Wort gefagten Lehren, fo viel bu
vermagſt / erfüllen?” Ihm entgegnete der Anappe: „Ich
will!“ Darauf gab der Cardinal bem Knappen folgendes
feierliches Bekenntniß, welches ber Knappe vor allen
Öffentlich alfo las: „Ih Wilhelm, Graf von Holland,
Ritter und des heil. römifchen Reichs freier Bafall, bes
kenne fchwörend, die Regeln ber Ritterwürbe. zu beobachten,
in Gegenwart meines Herrn, Petrus zum goldnen Vließ,
Diakonus Cardinal und des apoſtoliſchen Sitzes Legat,
bei dieſem heiligen ECvangelium, welches ich mit meiner
Hand berihre." . Darauf dee Garbinal: „Dies fromme
Belenntniß ‚gebe bir vollſtaͤnbigen Ablaß einer Sünden.”
Died gefprochen, gab er einen Schlag auf den Hals des
*
ben 4
I
41. Abtheil. Ritterfhlag und Ritterwürde. 107
Knappen und fagte: „Zur Ehre Gottes des Allmaͤchtigen
mache ich dich zum Ritter, und nehme dich in bie Verbhin⸗
dung auf; Uber fey eingebent, wie dem Weltheiland vor
dem Dberpriefler Hanna ind Geficht gefchlagen, wie ex
vor dem Landpfleger Pilatus verfpottet warb, wie er mit
Geißeln - gefohlagen, mit Dornen gefrönt ugb vor dem
König Herodes mit dem Könige = Mantel bekleidet und
verlacht: warb; und wie er ‚vor .allem Volke nadt und
verwundet an das Kreuz gehängt worben; feiner Schmach
zu gebeten rathe ich die, fein Kreuz; auf di zu nehmen,
ermahne. ich. Dich; feinen Tod zu rächen, erinnere ich dich.“
As allfolches feierlich gefchehen wer, rannte nad gehörs
ter Meſſe der neue Ritter, ‚bei fhmetternden Drommeten,
wirbelnden Pauken usb dem Klange aller Tonwerkzeuge,
dreimal gegen den Sohn des Königs von Böhmen im
Lanzenkampf an und : zeigte darauf feine Wafſenuͤbung
im Gefechte mit glängenbem. Schwerte. Dann hielt er
einen beeitägigen Hof und bewies durch reichliche Geſchenke
allen Großen feine Eprenhaftigksit.‘'
Die andern gewöhnlichen Beweisftellen, welche ich
jeder Abtheilung anflıge, werden für dieſe erſt bei ber fol⸗
genden Abttheilung ihre beſte Stelle ſinden. Hier nur als
Anhang eind⸗ Betrachtung aus der Zeit, als das Ritter⸗
thum ſich ſchon fo ausgebueitet hatte, daß es nicht mehr
das alleinige Vorrecht eines Standes war. Die Ausbil:
dung. der Städte hatte emen eigenen Adel, einen ſtaͤdti⸗
ſchen Adel, Patrizier genamt, oder mit dem deutſchen
Namen „die Geſchlechter“ hervorgebracht, bie denſelben
Uebungen ſich widmeten, welchen die Ritter oblagen, und
=
41068 3weiter Abſchnitt. Ritterleben.
an die ſich mehre Buͤrger in der Nothwendigkeit, bei Ver⸗
theidigung ihrer Stadt gegenwaͤrtig zu ſeyn, anſchloſſen.
Wir finden daher ſchon bald, im 14. Jahrh., ritterliche,
gewappnete Bürger, mit alle bem verfehen, was einem
Mitter gebührt und nöthig, Panzer, Helm, Schild, Lanze
und Schwert und wie bie Bewaffnung, bie wir in ber
dritten Abtheilung werben‘ Tennen lernen, heißt. Sie
zogen auf Kämpfe aus, hielten unter einander Gefteche
und vertheibigten ihre Kaufleute und Mitbürger gegen bie
wegelagernden Ritter und Abelihen. Durch mehre Bei:
fptele erhellt Died und wirb gewiß, aber ich will hier von
dem ritterlichen Behaben der Buͤrger nur einen Schwank
anführen, den ein alter Dichter des 14. Jahrh. erzählt hat. -
Nah ihm war eine Burg am Rheine, in ber vierzig tüch⸗
tige, mannliche und ritterliche Bürger lebten, beren keinem
ein Uebel zugefügt wurbe, ohne daß der anbere als Rächer
aufgeftanden, auch befuchten fie manches Turnier. Run
war ein Ritter in ber Nähe, der Viele bebrängt hatte,
boch brachten fie e8 zur Suͤhne und ed warb verabredet,
daß alle bie ritterlihen Bürger und bie benachbarten Ritz
ter. an einem Sonntage zufammen kommen wollten zur
Sühne an einem beflimmten Orte, alle ohne Waffen, nur .
mit dem Schwerte umghetet und. leichte Reitpferde (tzelden
Dferde) zeitend. Ihre allein zuruͤckgebliebenen rauen ers
hoben fich freubig auf einen vor..ber Stabt liegenden wons
niglihen Plan und ergingen."fih dort in Befprächen.
Nach mehrem Hin- und Widerreden rühmt bie eine Frau
ihre Männer, . bie in der ganzen Gegend als tapfer und
mannlich. und als Schiebörichter anerkannt ‚würben. . Da
‚ - «u
1. Abtheil. Ritterfchlag und Ritterwürde. 109
beſchließen die. Frauen, bie Rüflung ihrer Männer anzules
gen, die Hoffe fich bringen zu laffen und, in zwei Theile
gefchaatt, ein großes Turnier zu halten. So gefchieht es.
Zufammen nennen fi) die Frauen die Frauengemeinde,
und jede Frau nennt ſich nach. dem ritterlichen Namen
ihres Mannes. Died Fonnte eine Jungfrau nicht ımb nahm
baher den Namen bed Herzogs Walrabe von Limburg,
eines bamals um ben Rhein berühmten Ritters, an. Das
Zurnier begiunt, und diefe Jungfrau übt die. ritterlichen
Werke mit ſo viel Kraft, Bemanbheit und Geſchicklichkeit,
daß fie meift alle andern rauen aus bem Gattel hebt,
bie denn ihren Uebermuth durch Wunden, zerbrochene
Arme .unb Beine und zerfhlagene Glieder bäßten. Drauf
brachten fie die Roſſe heim, bie. Harniſche lehnten fie an
ihre Stellen, die Kranken legten ſich zu Bette, verboten
den Dienern, davon zu reben, und hofften, es würde nicht
befannt werden. Aber ihre Mäuner fanden, als fie heim
kamen, ihre Roſſe vol Schweiß, viele Frauen bettldgrig
und befragten daher ihre kleinen Edelknaben, wie bied zus
gegangen. Die erzählten alles. Da lachten Die Männer
ber Thorheit ihrer Frauen, ober im ganzen Lanbe warb
bald die abenteuerliche Mähre umhergetragen. Auch Herr
308 Walrabe von Limburg erfuhr. fie, und wollte gern
die Sungfrau ſehen, die ihn fo mannlich vertreten und in
feinem Namen fo tapfere Thaten gehbt. Er kam in bie
Stadt, und da er die Jungfrau arm fand, gab er ihr 100
Dart zur Auöfleuer, und Roß umb Pferde, und verlobte
fie einem rechtlichen Mann. So endigte der Trauen
x
110 :- Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Turnei, auf ben ih mich in ber Folge r einigemal
werde bezichen muͤſſen
Hier möge auch noch bie Bemerkung ihren Platz Anden,
daß ber Ritterfchlag auch untermweilen, in ber’ fpätern Zeit,
häufiger folchen ertheilt ward, die nicht vitterblrtig und
von Adel waren, wenn ſie fich um ihre Gebieter als Knap⸗
pen ganz befondere und bes Dankes werthe Verdienſte er⸗
worben hatten, oder fich auch durch Zapferkeit, Muth und
Geſchicklichkeit in ritterlichen und Kriegesäbumgen fo aus⸗
zeichneten, daB fie eine ſoiche Erhebung verdienten. Aber
eben diefe große Vermehrung der Ritter war in. der Folge
wieder an dem größern und wachſenden Verfall des Ritter-
ftandes ſchuld, indem nicht mehr mit fo wiel Auswahl und
Strenge .bei Ertheilung biefer Würde, wie fonft, verfah⸗
sen warb.
Indeſſen mag doc, dabei wohl nie mit ſolchen Leicht⸗
ſinn verfahren worden ſeyn, wie in Frankreich, wovon
Ottokar von Horneck in ſeinem Zeitbuche Deſterreichs bei
Gelegenheit. bes Krieges zwiſchen den flanderiſchen Städten
umd König Philipp dem Schönen von Sranfreich ein
WBeifpiel erzählt. Er fagt: „daß die flanberifchen Städte,
welche ſich von dem ihnen -aufgeladenen franzoͤſiſchen Joche
befreien wollten, durch eine Kriegesiift faſt das ganze
Heer und befonders ben ritterlichen Theil vernichteten,
indem fle viele Gruben machten, innen mit eiſernen Spiben
audgefüttert und außen leicht zugebedt, aber täufchend,
daß man ihr Dafeyn nicht benterfen Tonnte. Die Flans
derer zogen ſich darauf feitwärtd. zurüd, das frarzöfifche
Heer folgte unbefonnen und bie Krieger flürzten in bie
—
4. Abtheil. Ritterfhlag und Ritterwürbe. 411
Gruben, viele wurben erfchlagen, andere gefangen. Mans
her. Ritter fand den od, benn bis Sonnenuntergang
währte daB Morden, und hoch am andern Tage liefen
Bauern herum, um zu töbten, was man lebenbig antraf.
Solchen Schimpf auszuldfchen warb‘ Philipp: allenthälben
um Ritterfchaft. Wo einer in den Städten zween Söhne -
hatte, da mußte. ber eine Ritter werden, und von dreien
Söhnen zween. "Auch lud man fremde Ritte ins Land,
fi mit franzoͤſiſchen Wittwen zu vermählen Manches
Handwerkers Sohn ward Ritter, und mohl 3000 junger
Pfaffen kamen zum Kriegsblenſt. Alſo gewann der König
viel Volks; aber am Tage der Schlacht, die wieder dar⸗
auf nach der neuen Näftung begommen warb, ſah man
mandyen neuen Schwertdegen, der befler hätte Schuhe
machen können, als daß er zu flreitbaren Dingen rathen
ſollte, und der Erfolg war baher für den König noch
ſchimpflicher und für fein Volt noch verderbicer als
das erſtemal.
Wir haben oben gefehen «u und werben- in der nädhften
Abtheilung noch ausführlicher Finden, wie viele Feierlich⸗
keiten mit dem Ritterfchlage meift immer verbunden waren.
Indefien gab es auch Gelegenheiten, wobei kürzer ver:
fahren warb. Fuͤrſten und Heerführer wählten nämlich,
meift auch dem Wunſche der jungen Knappen, welche
die Ritterwürbe begehrten, gemäß, oft den Augenblid ber
Ertheilung, wenn die Deere im Begriff waren, auf ben
Zeind los zugehen, da das Gefuͤhl der neuen Ehre den
Muth und die Tapferkeit des erſt ernannten Ritters noch
mehr ſtaͤhlen mußte. Da hat uns die Geſchichte eben
11% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
lichkeit die Ritterwuͤrde zu ertheilen, einen eigenen Reichs⸗
tag auf das Pfingſtfeſt im Jahre 1184 bei Mainz aus.
Daſelbſt fanden ſich eine große Anzahl deutſcher Reichsſtaͤnde
und viele italieniſche, ſpaniſche und andere Große aus den
meiſten europaͤiſchen Ländern, ja fogar Geſandte aus Kon⸗
ſtantinopel und Jeruſalem ein; und am zweiten Pfingſt⸗
tage, nach dem feierlichen Hochamte, erhielten beide kaiſer⸗
liche Prinzen, der roͤmiſche Koͤnig Heinrich und deſſen
Bruder Friedrich, Herzog von Schwaben, in dem Ange⸗
ficht einer unglaublichen Menge von Zuſchauern die Rit⸗
terwuͤrde, nachdem ſie vorher ihre Ritterproben abgelegt
hatten. — Bo erhielt auch Otto, Sohn des baieriſchen
Herzogs Ludwig, im Jahre 1225, oder wie Einige wollen,
im Jahre 1298, am Pfingfifefte mit großer Pracht zu
Straubingen, in Gegenwart Kaifers Heintich VIE
und einer guoßen Anzahl beutfcher Fürften, bie Ritter:
würde, St. Palaye führt an, daß von der Regierung
Philipp Auguſt's in Frankreich an bis auf Philipp den
Schönen, viele der Söhne und Brüder der Könige von
Srankreich die . Ritterwürde am Pfingfifefte erhielten.
Andere Beifpiele. werben noch weiter unten vorkommen,
und ich bemerkte nur, daß auch ber alte Dichter des Rei⸗
nede FJuchs ben Tag der Hofhaltung des Königs ber
Thiere auf einen Pfingfitag ſetzt, woraus bie allgemein
beobachtete Beftlichkeit dieſes Tages unbedenklich hervorgeht.
Dann diente zur Ertheilung ber Ritterwürbe ber Tag
der Verkündigung eined Friedens, ober eines Waffenſtill⸗
flandes. Hierquf: die Koͤnigskroͤnung; bei der Kaiſer⸗ und
Königd: Krönung in Deutfchland hatte fich biefer Gebrauch
*
2, Abtheil Feſtlichkeiten. 116
bis auf bie Krönung des letzten deutſchen Kaifers erhalten.
Vie anſehnlich ſolche Ritterfchläge mern, geht Daraus
hervor, daß Kaifer Maximilian bei feiner Krönung, auf
den Throne fißend, gegen 200 Ritter fchlug, unter denen
die Kurfürften von der Pfalz und ven Sachſen und viele
andere Reichsfuͤrſten fi befanden. Weiter: die Geburt
und die Taufe der Prinzen aus ben regierenden Haͤuſern;
die Zage, an welchen dieſe Prinzen felbft die Ritterwürde
oder die Belehnung über gewifle Lehngüter erhielten; dann
aber wurde auch die Ritterwürde an den Zagen verlichen, .
wenn bie Ritter felbft eine Belehnung von ihrem Lehns⸗
herrn, ober die Verleihung ihrer Lehne empfingen. ers
lobungen, Vermaͤhlungen ber Lehnsherrn und ihre Ein:
züge in bie vornehmften Städte ihres Gebiets wurden
gleicherweife, dazu verwendet. So wurden z. B. 4238
viele zu Rittern in Compiegne gemacht, als Robert, der
ältefte Bruder bes heil. Ludwig, feine Vermaͤhlung feierte;
und dergl. Beifpiele bietet und bie Gefchichte oftmals,
audy die beutiche, an: z. B. Kaiſers Friedrich I Sopn,
Philipp Auguft, feierte im Jahre 1196 bei Augsburg am
einem Orte Gunzinlech fein Beilager mit großer Pracht,
nachdem er felbft vorber bie Ritterwuͤrde angenommen
batte. Außer. biefen großen Seierlichkeisen wurben aber
auch alle andern irgend nur- feierlichen Anlaͤſſe ergriffen,
um ſolche durch einen. Nitterfihlag noch feierlicher zu
wochen. Gebe andere Hoffeierlichleit, jeder vornehme Bes
ſuch, ein glädticyer Zufall, Rettung aus großer Gefahr
u. f. w. wurden dazu benust, und auf..siefe Weile ward
eine jebe Feierlichkeit noch feierlicher gemacht, So erzabli
. 8 *
®
116 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
3. B. Ottokar v. Hormed in ſeinem gereimten Zeitbuche
des Landes Deflerreich,, einer veichen,. in vieler Hinficht
noch wenig benutzten Quelle flr mannichfache Forfchungen,
die fich in Pez Scriptoribus rer. Austriac. T. III. finden,
Gap. 639 von Herzog Albrecht von: Oeſterreich:
: Dem Margrafen zu Ern
Funffczkch Chnappen hoch und ‚wert
Schildes Ampt und Echwert Ä
Dez Tags er enpfaben hiez. U
Dann Gap. 7468 |
Deffelben Zages frue
Der Chunig Albredt
Gab Ritters: Ampt und Recht
Wol funfzig Man.
Wir werden dergleichen Beifpiele noch in der Folge mehre
hören, befonderd von der bedeutenden Anzahl, die immer
auf einmal zu Rittern gemacht warb; hier wollen wir nur
bemerken, daß felbft die Wahl der Zage und die Umftänbe,
unter denen bie Ritterwürde erfheilt ward, dazu hinwirk⸗
ten, einen größten Slanz über dieſe fir das Leben des
neuen Ritters fo wichtige Handlung zu verbreiten.
Die Zubereitungen zu den Feierlichkeiten des Ritters
ſchlages waren in Frievenszeiten gewöhnlich fehr prachtvoll
und bedeutend, und gemeinhin folgte auf den Witterfchlag
ein Zurnier, indem die neuen Ritter bann ihre Behen⸗
bigeit zeigten und bewiefen, daß fie wohl würdig waren,
biefer neuen Ehre theilhaftig geworden zu fern. Man
firebte um die Wette, ſich durch Muth, Stärke und Ges
ſchicklichkeit auszuzeichnenz; und da immer eine große Ans
zahl von Frauen dabei verfammelt war, fo waren Die
2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 117
Zurniere auch die Schule zierlicher Ritterſitte und Hoͤflich⸗
keit. Auf dieſe Weiſe waren eigentlich dieſe Scherzkaͤmpfe
auf das innigſte mit der Feierlichkeit des Ritterſchlages
verbunden; aber es ſcheint mir doch zweckmaͤßiger, ſie in
einer ganz eigenen Abtheilung zu betrachten, wenn wir
noch vorher einiges. andere dahin Gehörige kennen gelernt
haben, und ich begnüge mich daher, hier nur von bem
Feierlichkeiten und Seften zu fprechen, die ohne Rüdficht
auf ritterliche Uebungen gehalten wurden, wenn auch im
Einzelnen diefer Mittelpunct des ganzen Lebend immer
wieder durchſchimmern wird und erwähnt werben muß.
Zuerfi gehört wohl hieher die Vermaͤhlungsfoier
bes jungen Herzogs Rudolf, Sohns des Kaiſers Albrecht,
mit Blanka, Tochter des Königs Philipp des Schönen
von Frankreich. Bei feiner Annäherung an Paris ritt
ihm erſt der König entgegen, begleitet von reichen Herren. -
Als dieſer fich beurlaubet, kam die Königin angeritten,
mit 30 Frauen, unter Pofaunenhall; und fo hielt er feinen
Einzug. — Die Hochzeit warb an bem Sonntage, zu
nicht geringer Luft der Parifer, gehalten. Man fah bie
fhöne, edel gekleidete Jungfrau, begleitet von ber Königin
Mutter und vielen Frauen, ins Münfter führen. Im
Chor an einer Seite auf koͤſtlich gepolfterten Stühlen nah⸗
men fie Platz, zu oben bie Braut, deren feiben lodig
Haar nach Landesart ungeflochten herabhing, kraus und
blond. Ihr gegenhber fah man den FZürften aus Deſter⸗
rei und neben ihm König Philipp, feine Sippen und
bie Hohen des Landes. Ein Erzbifchof hielt die Meſſe, vor
deren Beendigung er vom Altare vortrat, und aus Letzner
118 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
(Eeczionar) und Yſalter manches fuͤr Eheleute gute Wort
und auch Fragen herlas, welche zuerſt der Herzog und
dann die Braut, die es verſchaͤmt nach jungfraͤulicher
Weile that, mit Ja zu beantworten hatten. Dann eg⸗
nete er fie und wieder zum Altare gewendet, fang er bie
Meſſe bis zum Schluß. Man fah den König und alle
Anwefende aufmerkfam , wie fi) dad Brautpaar benehmen
würde. Aber gar nicht zaghaft faßte der Junkher bie
Wänglein der Braut mit beiden Händen ımb kuͤßte ihren
rothen füßen Mund, fo daß mancher ber Zuſchauer fagte:
dad wird einmal ein rechter Bann, der, was er zu thun
bat, fo keg angreift. Hierauf ritten die Frauen und
die Herren mit großer Hoffahrt in die Herberge. Im
weiten Saal des koͤniglichen Palaſts war Tafel fuͤr die
Herren. Nach Tafel gab es ein ritterlich Tioſtiren auf
fhönem Plan vor dem Palaſt der Frauen, worin bie
deutfchen Gaͤſte ſich als Meifter zeigten. Und fo verlief
der Tag und ber Abend in Ergöglichleiten. Zu Nacht
aber Iegten fich nach Landesfitte die Bermählten zufammen.
Am lichten Morgen gingen biejenigen, denen es nach Sitte
zuſtand, wieder zu ihnen and Bette, und Gluͤck und Ges
gen ward gewuͤnſcht. Diefen Tag und noch zween währs
ten die Feſte am Tönigl, Hofe. Darauf Iud der junge
Fuͤrſt den König und die hohen Herren auch zu fi, fie
nach äfterreicher Weife bewirthend. Und Tags darauf Iud
er die Königin fammt ihren Brauen, unb ließ aufwarten,
was feine Amtleute und Schaffer nur erfinnen und haben
konnten. Am dritten Tage wurbe die Gefelfchaft der edlen
Schüler (der Parifer Studenten), welche ihn bewillkommt
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 119
hatten, eingeladen, und am vierten bie erſten Buͤrger ber
Stadt. So ging die Zeit fröhlich hin. Oies erzaͤhlt ber
wadere und ergößliche Horned.
Derfelbe bejchreibt und auch die Vermaͤhtung der Habs⸗
burgerin Anna mit Hermann von Brandenburg Ich an⸗
muthig, und zwar ſo:
Zuerſt wurden Knappen reich bekleidet, um zn Rittern
geſchlagen zu werden. Der Biſchof von Bethlehem uͤber⸗
nahm es, nach geleſener Meſſe die neuen Ritter zu weihen,
ſammt ihren Schildern und Schwertern, worauf ein gro⸗
fies Buhurd begann, ‚mit vielen und kraͤftigen Stoͤßen.
Als auf des Herzogs Wink dieſes Vergnuͤgen geendet war
und man den Tapfern andre Gewande ausgetheilt hatte,
fo kleideten fih die Ritter nun in Tanzgewande, leicht
und reih, und gingen zum Efien. Rad ben Imbiß
risten die Herren mit hoffärtiger Sitte zu Hof, wo bie
Herzogin mit ihrer Zochter und ihren Frauen im ‚Garten
auf grünem Raſen ſich befand, den Bifhof von
Sokkau in ihrer Gefelfchaft. Und alle Frauen und Man:
nen, bie ſich im Ring umber hauften, priefen die minnig-
liche Braut Frau Anna und geflanden: dem werde von
Xrauer nie weh, ber fie erhalte. Drauf gab der Bifchof
das Brautpaar zufammen, und die Freude war groß. Wer
gern Frauen fchaute, blieb im Baumgarten; wer den rit:
terlichen Tioſt wollte wahrnehmen, ber zitt bei bam Baum⸗
garten nahe zu einem Ader, wo die wadern Helen fich
tummelten um ber Frauen Lohn,
um bie ja alles geſchieht,
Was man die Drannen fieht
Ringen nad Preis.
120° | Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Da der Herzog die. Sitze hatte ſehr hoch machen laffen,
fo konnten die, welche darauf faßen, ſowohl in ben Baum»
garten ald auf ben Ader fchauen.
Am andern Morgen zogen Die Frauen mit der jungen
Markgräfin in ‘die Kirche, woräuf in ben Geſiedeln ge:
geffen wurde, während im Baumgarten die Harfen, Pos
faunen, Ziebeln und Pfeifen ertönten. Sechs Tage waͤh⸗
reten die Freuden bed Feſtes. Des Herzogs milde Hand
gab einem Jeden, der ed werth war, oder der es bittlich
begehrte, Silber, RoB und Gewand. Dies gefhah 1295.
Da, den Rittergebichten nach, immer Zeierlichfeiten mit
bem Ritterfchlage verbunden waren, fo mögen auch hier
die Stellen folgen, weldye für den Ritterfchlag noch von
Wichtigkeit find, da fie fi auch auf das Einzelne, erſtrek⸗
fen, was bei einem Ritterſchlage Gewohnheit und Sitte
war, und fo eigentlich bie Beweiöftellen auch für die. vorige
Abtheilung mit find. Es geht aus ihnen aud hervor,
wie immer viele junge Anappen zuſammen bie Ritterwürbe
erhielten, und wie milde die Ertheiler der Ritterfchaft waren.
Zu gleicher Zeit werde ich aber auch die Stellen anführen,
welche von Feftlichleiten und befonders Gaſtmalen fprechen,
ohne Rüdficht auf Ritterfchlag, dem Inhalt dieſer Abtheis
lung angemeffen.
, Die Siegfried, der manmlichſte und berühmtene deut⸗
ſche Held, die Ritterwuͤrde erlangt, erzaͤhlen uns die Ni⸗
belungen von V. 109 an. Wenn auch, wie wieder zu
erinnern iſt, die Nibelungen vor die Zeit des Ritterthums
fallen und der Heldenzeit angehoͤren, ſo hat ihnen doch
die Bearbeitung im 13. Jahrh., wie wir ſie jetzt haben,
:2, Abtheil. Seftlichixiten,..;, 2
meiſt dochweg ein. rittermäßiges Anfehn. gegeben. und ale
Befege der Ritterfchaft finb-in fie. eingetragen worden.
„Run .war Siepfrieb in der . Stärke,. daß er .mohb
Waffen trug. — Da hieß fain. Vater Siegmund ſeinen
Manmgtz kuͤnden, er wollte Hochzeit (ein el) mit lieben
Freunder hohen. Die Maͤhre warb in anderer Koͤnige
Lande. gefuͤnrt, und ben, fremden Rittern ſomohl, wie ben
einheimiſhen, wurden Roſſe und Kleider geſchenkt. Wo
man einen ‚fand, der ihmm an, Geburt gleich war, ber Rit⸗
ter waden Bennte, ben ladete man zu biefer Defllichkeit
in daß Land, und. fie. erhielten: barauf mit -bem jungen
Könige das Schwert. Wunder ‚möchte man, von; ber Feſt⸗
lichfeit ſagen. Durch ihren. Reichthum mochten Siegmund
und Sigelint wohl. große. Ehre erlangen, denn fie vertheil⸗
ten davon viel, und darum fah-man viele bee fahrenden
Ritter zu. ihnen in bashand-giehen. - Vierhunkert Schwert⸗
begen (d. h. KRitter) follten mitſammt Giegfried reiche
Kleider erhalten, und manche ſchoͤne Maid war daher in
ihrem Werke nicht muͤßig, denn fie waren ibm wohl ges
wogen; und viele. ber edelen Steine hefteten die - Srauen
in Gold, das fie mis Worten wollten auf dad Gewand
der jungen flolgen Reden wirken. An der Sonnenwende
war es, daß Siegfried den Namen: eined Ritterd gewann.‘
(Ich bemerkte dahei, daß eben die Erwähnung des
Feſtes der Sonnenwende ein wichtiges Zeichen iſt, wie die
Sage aus heibnifchen, fruͤheſter Zeit ſich entwickelt hat;
denn im Heidenthum, ‚bei allen Völkern, welche Deutfchs
land und den Norben Europas bewohnten, ja auch bei
den weftlichen, welche Druiden ‚zu ihren Prieflern um
423 Srodter Abſchnitt. Ritterleben.
Volkeleitern hatten, finden wir, daß das FJeſt ber Sonnen⸗
wande beſonders heilig geachtet warb; und biefer Glaube und
biefe Sitten reichen wieder -tief in Afien, in bie urfprüng:
lichen Sitze der Völker ein und in bad Leben und die Res
ligionsgebräuche der noch dort befindlichen. Die Zeit bei
Sonnenwende war den Völfern des Alterthums "ein. großes
und hohes Naturereigniß, indem fich ihnen an diefe Zeit
ded neuen Jahres Anfang knuͤpfte, ben fie mit vielen
Feſtlichkeiten begingen. Spuren: davori finden fi noch
bei beinahe allen Völkern, und befonders find die Späße
am erften April, die fi in-Deutfchland, England, Frank⸗
reich u. f. w. fo wie in Indien wiederfinden, -ein Andenken
und ein Zufammenhang mit’ der Fruͤhlingsſonnenwende.)
Das Schicht fährt fort: „Da ging zu einem Münfter gar
mancher Ritterfnecht (hier wohl dies Wort in der Bedeu⸗
tung von Edelknappe gebraucht) und mancher edele Ritter.
Recht hatten die Alten, daß fie den Jungen bienten, als
ihnen war vorbem gethan. Bott man da zu Ehren eine
Meſſe fang (mit diefen wenigen Worten wird bie gottes⸗
dienflliche. Feierlichleit angedeutet, die ich ſchon oben
bei den allgemeinen Gebräuchen in Erlangung ber Ritter:
wuͤrde als nothwenbig anflhrte, und worin fich auch wies
der die chriſtliche Abfaffungszeit der Nibelungen zeigt, von.
ber, jo wie vom Ghriftentyume überhaupt, fonft fo wenig
Anzeigen im Gedichte find), Da hub fich von den Leuten
ein gar großer Gedrang, als fie nach ritterlicher Sitte
zu Rittern wurden. Sie -iefen, ba fie im Hofe Sieg⸗
munds gefattelt fanden manches Roß (die oben bemerkten
sitterlichen Uebungen nah Empfang ber Bitterwürbe,
2. Abtheil. Feſtrichkeiten. 123
worin ein Jeder zeigte, daß feine Lörperlihe Kraft und
Gewanbtheit tuͤchklig genug wäre, um mit Recht bad Amt
eines Ritters erhalten zu haben und verwatten zu Fönnen).
Der Buhurb (d, b. wie wir in der Folge noch fehen wer⸗
den: der Kampf mehrer gegen mehre) warb fo flarf, daß
man Pallaft und Saal von dem Schalle ertafen hörte.’
Nachdem nun kurz noch des Zurniered Gang unb Bolgen
angegeben find, fo geht ber Dichter zu dem Gaſtmahle uͤber,
mit dieſer Wendung: „Da gingen des Wirthes Gäfte,
ba man die Sige für fie bereitet hatte. "Viele edele Speife
unb der allerbefle Wein, bavon man ihnen viel vortrüg,
bob ihre im Kampfe gewonnene Muͤdigkeit; den fremben
fowohl als ben einheimifchen Gäften bot man der Ehren
genug. Die Feftlichleit waͤhrte fieben Tage, und bie fahs
sende BRitterfchaft hatte wenige Ruhe; denn fie. bienten
nach der Babe, die man dba reichlich fand, (b. h. fie fireb-
ten eifrig, die audgefekten reichen Preife zu erhalten.)
Eigelint bie zeiche that, wie fie nad alten Sitten ge⸗
wohnt war, fie vertheilte ihrem. Sohne zu Liebe des
rothen Goldes viel, Armer fahrender Ritter man da
wenige fand, denn Roffe und Kleiber fioben den Herrfchern-
der Niederlande fo von ber Hand, ald wenn fie nicht
mehr als nur noch einen Tag zu leben hätten;' (fo wenig
warb auf Sparſamkeit gefehen, ſondern alles war in Sue
und Rrichheit ba.)
Ulrich von Lichtenſtein erzaͤhlt, wie er feine gitter⸗
winde erbielt, fo: „Darauf ward ich Ritter zu Wien
bei einer Hochzeit (Feſtlichkeit ꝛc.), bie ich ſeitdem nimmer
fo fchön gefeben habes da war großes Ungemad vom
124 Zivokter Abſchutt. Nitterlehen.
Gehränge. Der Fuͤrſt Leupolb aus Defterreich gab ferne
minnigliche Tochter einem Zürften von Sachſen zum Ge⸗
mahl. Der ebfe Fürft. gab dritthalb hundert Knappen
Schwert; den Grafen, Freien, Dieufimannen und wohl
taufend Rittern gab der edle Fuͤrſt Gold, Silber, Roſſe
und Kleider. Fuͤnftauſend Ritter aßen da des werthen
Fuͤrſten Brod, da war viel Buhurd und Tanzes und man⸗
ches Ritterſpiel. Da waren die reiche Herzogin und ihre
minniglihe Tochter und mauche gute Fraue. Meiner
Freuden Schein war auch bort, meine reine füße raue,
doch ſprach ich bei diefer Zeierlichkeit. fein Wort mit ber
Zugendreichen, worüber ich lange traurig war; ich ließ
ed, um ber Merker böfes Spähen zu vermeiben.. Als fie
mich unter Schilde fah, ſprach die Gute gegen- einen: meis
ner Freunde: ich" bin wahrlich froh, daß Herr Ulrich bie
ift Ritter worden, ich weiß noch, wie ich den von Lichten⸗
flein von mir gab, damals war er noch viel ein. Als
mir mein Zreund fagte, baß ihr meine Mitterfchaft Lieb
fey, freute ich mich von Herzen und backe: wie, wenn
fie mich mit ihrem Willen zu ihrem Ritter haben will?
Diefer dumme Wahn war mir fuͤß und machte match hochz
gemut. Die Hodjzeit nahm ein Ende und ander ſchied
froh von dannen.“
Auch aus dieſer Stelle ſehen wir wieber, in wie großer
Maffe die Ritter gefchlagen wurden und wie man bemüht war,
eine ſolche Zeierlichkeit immer recht allgemein zu machen.
Dann aber auch erhellt daraus die an den Höfen herr⸗
ſchende Pracht, und wie bie Fuͤrſten fi beftrebten, Durch
veiche und große Geſchenke die tapferfien Ritter an ſich
\
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 125
und ihre Sache zu knuͤpfen, wie denn bier, „wohl taus
fend Ritter Bold, Silber, Ro’ und Kleiner” befamen.
Der lebte Theil deilen, was ich and bed. U v. L. Frauendienſt
anführte, gehört weniger hierher; er zeigt nur, wie bie
somantifche Liebe, welche U. v. 8. zu feiner vormaligen
Herrin gefaßt hatte, immer: noch: feinen Sinn: und- fein
Gemüt) befhäftigte, wenn auch wohl ihr hoͤheres Alter
eine eigentliche Neigung . feines Herzens nicht hervorge⸗
bracht haben Eonnte. Es war ber allgemein angenommene
Sag, ba ein jeder eine Frau feines Geiſtes, eine griſtige
Liebe, der fein hoͤchſtes Streben gewidmet warb, haben
muͤſſe. Wir werben dies, was bier nur oberflächlich be:
rührt werden kann, in einer andern Abtheilung genaues
Tennen lernen.
Als Triſtan Ritter wird,
Sie gewannen Harniſch und Gewand "'
Innerhalb dreißig Tagen,
Das dreißig Ritter follten tragen,
Der’n fich der hoͤviſche Triſtan
Zu Gefellen wollte. nehmen an.
Recht lieblich ift die Befchreibung, wie dieſe ‚Kleider zu⸗
ſammengebracht wurden und wie ihre Reichheit war;
denn uͤberraſchend ſagt der Dichter, da ſich ſonſt das Mit⸗
telalter gern in Beſchreibung zierlicher Kleider ergeht, wie
dem unbefangenen Naturſohne immer das Aeußere von
großer Wichtigkeit iſt, und er es gerne beſchreibt und be⸗
lobt, indem des einfachen innern Gemüthes Schilderung
ihm weniger einfällt — demnach alſo fagt überrafchend der
Dichter: „viererlei Reichheit war an diefe Kleider gewen⸗
det: das eine war hoher Muth, das Andere das war voll-
126 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
kommene Guͤte, das dritte war Beſcheidenheit, die dieſe
zwei zuſammen ſchnitt, und das vierte, was allen dieſen
dreien nahte, war hoͤflicher Sinn.“ Dieſe vier Reichthuͤ⸗
mer find es, bie auf eine ſinnige Weiſe der Dichter uns
nennt, welche den hoͤchſten Glanz auf einen Ritter warfen;
und waren fie fein Schmuck, fo bedurfte er feines andern. —
Triſtan begab fi mit ben andern Rittern und bens
jenigen, . die Ritter werben follten, zur Kirche, vernahm
die Meſſe und empfing den Segen. König Mark legte
ihm darauf Schwert und Sporen an und ſprach: Neffe,
.feit du nun Ritter geworben bift, fo bedenke ritterlihen
Preis; deine Geburt und beine Edelkeit feyen deinen Au:
gen vorgelegt: fey bemäthig und unbetrogen, |
Sey wahrhaft und fey wohlgezogen,
Den Armen den fey immer gut, |
Den Reichen immer hochgemut,
Biere und mach’ werth deinen Leib,
Ehre und minne alle Weib.
Sey milde und getreue
Und immer barin neue;
Denn auf mein’ Ehre fag’ id das,
Daß Gold und Zobel flund nie bas
Dem Epeer unb bem Schilde,
Als Treue und die Milde,
Hiemit both er ihm den Schild dar;
Er kuͤſt' ihn und ſprach: Neffe, nun fahr,
Und gebe dir Bott duch feine Kraft
Heil zu deiner Ritterſchaft;
Sep immer höflich, fey immer froh.
Bir feben hier die immer wiederkehrenden und fich wieber-
botenden Lehren der Ritterfchaft, und ein jegliches Beiſpiel
. erhärtet, wie allgemein alle biefe Minrichtungen, Satzun⸗
%
2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 127
gen und Lehren waren. Dagegen erfahren wir noch etwas
anderes, indem es ſogleich heißt:
Criſtan berichtete aber da
Seine Befellen an der Gtäte,
Recht, ald ihm fein Oheim thäte,
An Schwert, an Spor’n, an Schilde.
Demute, Zreue, Milde
Die legt er jegliches Kür’ (Wahl)
| Mit beſcheidenlicher Lehre für.
Bir lernen daraus, was ich oben ſchon nur im Vorbei⸗
gehn berübrte, daß, wenn ein Bornehmer zum Ritter ges
ſchlagen warb, er in bem ‚Augenblid auch die Machtvoll⸗
kommenheit exrdielt, fogleih anderen. die Baum erhaltene
Würde zu ertheilen; denn dad „berichtete deutet auf
die Handlung, durch welche bie Ritterwuͤrde ertheilt warb,
Nachdem nun auch Zriflen. bie andem zu Rittern gemacht,
wurde nicht mehr gezögert, fonbern alle eilten, um zu reis
ten und zu buhurdiren, alfo von ihren früher erlangten
Geſchicklichkeiten nun, ald neue Ritter, einen Beweis abs
zulegen.
Ein anderes feſtliches Gaſtmahl mag hier ſeine Stelle
ſinden, indem wir unn zu den allgemeineren Feſtlichkeiten
übergehen und die Reichheit und Fuͤlle, welche dabei herrſch⸗
ten, durch Beiſpiele belegen wollen. Als Parzifal, den
wir ſchon fruͤher kennen lernten, in dem Schloſſe Mont⸗
ſalvaz (d. h. der behaltene, der heil. Berg) ankam und
ihm der heil. Graal gezeigt ward, beſchreibt uns die Dich⸗
fung zugleich ein Feſt, welches. zur Ehre des Graals ver⸗
anſtaltet warb. (Diefer Heil. Graal iſt das Gefäß, des
Kelch, worin Joſeph von Arimathia das Blut bes ſterben⸗
128 Zweiter Abfepnit. Ritterleben.
den Chtiſtus anffing, von dem altbritannifche, franzoͤſiſche
und beutfche Dichter wundervolle Mähren gefchrieben haben,
unter denen die Dichtung des Deutſchen Wolfram von
Eſchenbach in ſeinem Titurel am herrlichſten und hoͤch⸗
ſten iſt, um ſo mehr, da die Dichtung des Wolfram v. E.
als eine rein chriſtliche da ſteht, und der Graal in ihm
nichts als ein tiefes chriftlihes Geheimniß ausſpricht,
wie er denn auch immer in einer göttlichen und überirdi:
ſchen Höhe ſchwebt, wenigen nur fichtbar und erreichbar,
dem gewöhnlichen irbifchen Treiben enthoben, und zulebt
im fernen Indien dem Blid der Menfchen mit feinen Huͤ⸗
tern verfchwindet. Anders find, um es hier anzmdeuten,
bie britannifchen und aus ihren gefloffenen franzöfifchen
Dichtungen. Sie fcheinen auf das Heidenthum fich zu
beziehen, und ed ift nicht unmahrfcheinlich, bag druibifche
Geheimnigiehren und Vorftellungen damit verflochten find; .
wenigſtens iſt die heil. Höhe, auf welcher der Graal ber.
deutfchen Dichtung, ſteht, ganz von ihr entfernt. Died
beiläufig bemerkt, komme ich nun zur Gaftmahlöbefchreis
bung von dem’heil. Graale.)
. „Parzifal ging mit feinem Führer auf einen Pallaſt,
auf dem hundert Kronen 'mit vielen Kerzen: über den
Hauägenoffen hingen. Kleine Kerzen waren noch an der
Wand umber angebracht, hundert Ruhebette, mit Polſtern
barauf, flanden an der Wand umher. Bon Marmor wa=
ren in dem Saale drei vieredige Feuerrahmen gemauert,
auf welchen das Feuer lag, zu bem theures und 'herrliche&
Aloe» Holz genommen ward. An der mittlern Feuerſtaͤte
faß auf einem Spannbette der König, Amfortas genannt;
I
2. Abtheil. Feſtlichkelten. 429
und feiner Krankheit wegen waren die großen Feuer ans
gezündet, und warme Kleiber umhuͤllten ihn, ein Pelz weit
und lang von Zobel, und darüber ein weiter offener Man
tel, Auf feinem Haupte trug er eine Mübe von Zobel,
rundum mit einer arabifchen Borte, oben darauf, als ein
Knöpflein, war ein helleuchtender Rubin. (Die Krank:
beit des Königs nahm daher ihren Urfprung: er hatte ſich
durch minder keuſche Gedanken, als ſich gebuͤhrte, gegen
die Heiligkeit des Graales vergangen und war an dem
Tage in einem Kampfſpiele mit einer Lanze verwundet
worden. Dieſe Wunde wollte fih nun auf keine Weiſe
wieber fchließen, unb nur dann war Rettung zu hoffen,
- wenn Parzifal, ein keuſcher und reiner Ritter, nach Mont:
ſalvaz kam und um die Bebeutung ber Feierlichkeiten, bie
wir fogleich werben kennen lernen, fragte. Er Fam zwar,
fragte aber nicht, fich und dem Könige großes Wehe bes
veitend, welches erſt nach mehrjährigen Ritterfahrten endete,
worauf Amfortad genaß und Parzifal König in Graale
ward. Died zur beiläufigen Erklärung.) :.
Diele Ritter faßen nun dort mit dem Könige und
feinem Gaſte in dem Saale verfammelt, ald man großen
Sammer vor fie trug. Ein Knappe fprang zur Thuͤr hers
ein, ber -trug eine Lanze, von. beren Schneide Blut an bem
Schaft hernieberfloß. Wehe: Gefchrei und Weinen verbreis
tete fidy über den ganzen Palafi, ald ber Knappe bie
Lanze im Saale zu den vier Wänden umtruy and dann
wieder zu ber Thüre hinaustrat. (Diefe Lanze, ober diefer
Speer, war der Spieß, oder bebeutste ihn, mit welchem
Ehriſti Seite geöffnet ward, als er.am Kreuze hing; es
9
130 welter Abfchnite Mitterichen.
Niſt alfo die heil. Lanze, welche durch die ganze frühere
chriftliche Zeit fo bedeutend geachtet wurde.)
Zu Ende des Saales eröffnete fih, ald Weinen und
Klagen geſtillt waren, eine flählerne Pforte, aus welcher
zwei fchöne Iungfrauen traten, mit Kränzen auf dem
bloßen Haare, mit Blumen umwunden. Jede trug in ber
Hand einen goldenen Leuchter mit brennendem Lichte;
ihre Haare walten lang über die Schultern nicder, von
braunem Tuche waren ihre Kleider, die durch einen Güre
tel um die Hüften gehalten wurben. Ihnen: folgte eine
Herzogin mit ihrer Gefpielin, jede einen Unterfegfuß von
Elfenbein zu einem Tiſche tragend und biefe beiden vor
ben Wirth fiellend. Darauf erfchienen acht Jungfrauen,
von denen vier große Kerzen trugen, bie andern vier
trugen einen lichten und klaren Stein, groß, lang und
. breit und zu einem Tiſche, an dem ber König aß, ges
meflen. Den Stein nennt der Dichter einen Granat Ja⸗
chant. Diefen legten fie auf die Zifchfüße (Stollen im
Gedicht genannt) vor den König. Diefe acht Frauen hats
ten geine Sammtröde an, lang und weit, und mit einem
Sürtel um die Hüften gefeftet. Jede diefer Frauen trug
auf ihrem Kopfe ein Eleines Blumenkraͤnzchen. "Darauf
erfhienen wieber vier Jungfrauen mit Lichtern, zwiſchen
denen zwei gingen, welche auf Tuͤchern zwei filberne Meffer
trugen, die fie vor den Wirth niederlegten. Darauf ers
fhienen wieber ſechs prachtvoll angelleibete Jungfrauen,
und nach ihnen Fam eine gefrönte Jungfrau, welche den
Graal mit ihren Händen trug. Die Jungfrauen vor ihr
trugen in ſechs langen, lautern und wohlgethanen Gläfern
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 131
brennenden Balſam als Lichter; die Traͤgerin des Graales
und die Jungfrauen werneigten ſich vor dem Könige, und
der Graal warb vor ihm auf ben Tiſch gefebt. Darauf
traten diefe fieben zu den achtzehn andern. So viel uım
Ritter da waren, fo trat'immer zu vier und vieren ein
Kämmerer, mit einem ſchweren goldenen Beden (auf daß
fih, wie im Mittelalter gewöhnlich war, ein jeder vor
dem Gaſftmahle wufch, eine Sitte, die theild in dem Ges
fühl der Reinlichkeit feinen Urfprung hatte, da man fich
der Gabeln noch wenig bebiente, wie im Morgenlande,
theil3 aber auch wohl noch unbewußt aus der heibnifchen
Zeit, als ein Reinigungöopfer, heruͤbergekommen feyn
mochte), und ein wohlgethaner Junker (Evellnabe) folgte
ihm, ein weißes Tuch tragend.
Der Tafeln mußten hundert feyn, die man zu ben
Thüren berein trug; vor vier ber werthen Kitter fegte
man immer einen Tiſch, mit weißen Zifchtüchern belegt.
Der Wirth nahm felbft Wafler, und mit ihm zuſammen
wufch fih Parzifal; ein feidenes Handtuch bot darnach
eines Grafen Sohn ihnen bar, ber es knieend barreichte.
(Hier fehen wir, was fchon oben im Sugenbleben von mir
ausführlicher beruͤhrt worden iſt, den Dienft der Edelkna⸗
den, und in dem, was ich ſogleich mittheilen werde, er⸗
ſcheint der Dienſt der Knappen. Einzelne Stellen mußten
ſo angeführt werben, daß fie ruͤckwaͤrts für ſchon Geſagtes
beweiſend waren, ſo wie fuͤr das gerade in Rede Stehende,
da manches nicht getrennt werden konnte, indem es ſonſt
durch zu viele Zerſtückelung ganz undeutlich und Ihdenhaft ge⸗
worden wäre.) Wo eine Tafel fland, da mußten vier Knappen
. 9 *
432 Zweiter Abfchnitt. Ritterlebe n.
diejenigen, die daran ſaßen, beſorgen: zween knieten
(alſo ein ſehr beſchwerlicher Dienſt) und ſchnitten die
Speiſen vor, zween andere trugen Trinken und Eſſen dar.
Vier Wagen, die manches theure Goldfaß enthielten, wur⸗
den an den Waͤnden herumgezogen fuͤr die Ritter, und
man ſah dieſe Gefaͤße von vier Rittern auf die Tafeln
ſetzen. Ein Schreiber ging ihnen nach, um alles zu ver⸗
zeichnen, damit, wenn das Mahl geendet, er alles wieder
ſammle. Hundert Knappen ward darauf befohlen, daß ſie
in weiße Tuͤcher Brot vor dem Graale nahmen und dieſes
an die Tiſche rund um vertheilten. Ein Wunder war
hierbei, alles, was an Speiſe benoͤthigt war, was
einer nur wuͤnſchte warm und kalt, zahm und wild, alles
ward durch die Kraft des Graales ſogleich herbeigeſchafft,
nichts mangelte, der Beſcheidene und der Unmaͤßige, ein
jeder fand ſeine Befriedigung. Eben ſo ſtand jedes Ge⸗
traͤnke, welches verlangt ward, in dem Trinknapfe eines
‘jeden da. (An Getraͤnken werben genannt Marras ober
Moras, ein gemifchtes Getraͤnk, eine Art Obflwein, ent
weder aus Maulbeeren oder aus Kirfchen gemacht; ein
Trank, welcher bäufinft in jener alten. Seit und beinahe
in allen Gedichten vorkommt, fo daß man baraus ficht,
es muß ein fehr beliebter Genuß geweſen ſeyn. Dann
Wein, roth wie Sirop, wordus es beinahe fcheint, daß
Bamald nur. dunkle Weine, wenigſtens am meiflen, bes
kannt und beliebt waren.) Nachdem nun bad Gaſtmahi
vorüber, geſchieht alles in umgekehrter Ordnung, wie vor:
ber, und bie Yungfrauen heben "auch den. heil. Graal auf
und tragen ihn wieder von bannen, B
2. Abtheit, Feſtlichke iten. 133
Die Befchreibung dieſes Gaͤſtmahls iſt wenigſtens fuͤr
manches Einzelne, was im Mittelalter vorkommt, erklaͤ⸗
rend geweſen, wenn es auch eigentlich keine große Feſt⸗
lichkeit bezeichnet. Die meiſten andern Feierlichkeiten ſind
mit Turnieren verbunden, und erſt die ſpaͤtere Zeit gefiel
ſich in der Anordnung uͤberaus prachtvoller, reicher und
theurer Feſte noch mehr. Aus der ſpaͤteren Zeit laͤßt ſich
daher bei weitem mehr ſammeln, doch koͤnnen nur immer
einzelne Beiſpiele angefuͤhrt werden, da eine zu große
Maſſe ermuͤden wuͤrde.
Was das kurz vorher angemerkte Knieen der vor⸗
ſchneidenden Edelknaben betrifft, ſo wurde dieſe Demuͤthi⸗
gung als eine ganz beſondere Ehrenbezeugung angefehen,
fo daß felbft eine Königin ſich dazu bergab, wenn fie
einen Ritter, ber ihr große Dienfle geleiftet hatte, oder
von bem fie dergleichen erwartete, befonders ehren wollte,
So bedient die Königin Belifane den Gamuret zu Zaza⸗
manch (Parzif. V. 966.), wo es heißt:. .
Sie war-mit Jungfraun gelommen 5
Sie Inieete nieder, das war ihm leib.
Mit ihrer felber Hand fie fchneib’t
- Dem Ritter feiner Speiſe ein Theil.
Bon dem großen, ja ungeheuern Aufwande, der bei fol«
hen Feſten herrſchte, belehrt und auch Ditolar Horned
in feinem gereimten Zeitbuche des Landes Deflerreih, wenn
er beim Jahre 1261 erzählt, wie König Dttofar von Boͤh⸗
men feine Nichte, die ſchoͤne Markgrafentochter von Bran⸗
denburg, an Koͤnig Bela von Ungarn vermaͤhlte. Er
ſagt; „Es war da fo viel zuſammengebracht, daß, wer es
recht betrachtet hat, furwahr geſtehen muß, daß er nie bei
43% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
einer Hochzeit oder an einem Orte mehr Vorrath an allen
- Dingen geſehen. Blos an Wein war fo viel da, daß,
wenn fo viel Leute, als in zween Landen find, da zu
trinken begonnen hätten, ihnen ber Wein, Dieweil bie |
Hochzeit währete, nicht abgegangen feyn möchte. Der
König von Böheim fand ganz fo viel, ald er begehrt hatte,
Es waren da fünf Haufen von Futter über einander ges
ſchobert. Jeder, der ed da gefehen, müßt mit mir, —
wär” ich ihm auch fremd — einflimmen, daß jeglicher
Haufe größer war, ald die Kirche zu Salchenau. Da
war Aue und Haide voll feifter Rinder, und was Tonft
noch dazu gehört, an Schweinen und Kleinvieh; ich kann
es mit Wahrheit fagen, da ich ed erfahren habe — Das
‚ wurde von allen denen, bie da waren, in vier Wochen
nicht aufgezehrt. Ungerechnet bleibt noch das Vieh, fo
. auf dem Werder fund, und das, fo man herzutreiben fah.
Wie groß der Aufwand an Brobt war, bavon fagte mir
ber, fo darüber waltete, daß er dazumal bie Zahl nicht
. gewußt habe, wie viel des Brodtes gewefen, bis des Koͤ⸗
niges Schreiber fih zur Rechnung nicderfegten. Das
Brodt, das fie da gegeffen, nebſt dem, melches über blieb,
betrug bei der Rechnung taufend Mutt (ein Getreibemang
von 30 Wiener Metzen) Weizen, ohne dad, was man
hinſchuͤttete, und was niemand nehmen wollte; wer das
noch hätte rechnen wollen, fo waren e3 wohl an 400
Mutt Weizen. Eines wundert mid) bloß: wo man ben
Vorrath an Hühnern und Wilbpret hernahm? Deſſen
führte man fo viel dahin, daß man wohl fagen fann, es
war, als ob alle. Meifen uͤnd Sperlinge in Mähren und-
2. Abthei,‘ Feſtlichkeiten. 135
Defterreich Hübner gewefen wären. Des Ueberfluffes war
ba genug, Kaum trug die Donau in ben Schiffen bie
Laft der Speife, und manches barft in dem Gedraͤnge.
- Bon dem Aufwand bei foldhen Feſten weiß die Vor:
zeit manches zu fagen, Hanne von Schweinichen erzählt
beim Jahre 1578 (Bd. I.), daß er mit feinem Herrn nach
Krammerau in Böhmen zu Wilhelm von Rofenberge
Hochzeit geladen worden fey, und fagt davon:
„Es ift dermaßen eine Hochzeit gewefen, daß nicht
genugfam kann gefagt werden, was vor Pracht und Ans
zahl Volkes da gewefen ſey. Denn man fieben Lage mit
Zanzen, Gechten, Ringelvennen, Mummerei, Feuerwerk
und anderer Kurzweil zugebraht. Man hielt davor, daß
bie Hochzeit über 400,000 Thaler geftanden habe, wie ich
denn aus der Küche ein kurz Verzeichniß des Aufganges
bekommen:
Ganze Hirſche 113 Eier Bu " 40,837
Hirfchwildpret in Th. 24 Gentner Schmalz 417
Wilde Schweine 98 Fettes in Tonnen 39
Schweine in Thl. 49 Fohren, fogroßwaren 5,960
Rebe 162 Lachs in Pafteten 117
Hafen 2,292 Grün Lachs 50 °
Faſanen 470 Gar große Hechte 470
Auerhuͤhner 26 Haupthechte 4,374
Rebhühner 3,910 Karpfen, Stüd 415,800
Krametvogel 22,687 ou allerlei andern
Weſtphaͤliſche Schinten 88 Zifchen in Zuben 478
Ochfen 370 Große Aale - 314
Shöpfe 2,687 Welfe 37
136° Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Kaͤlber - 4,579 Auſtern, Tonnen 6
Bratlaͤmmer 421 Eimer Rheinwein 4,787
Spidfchweine 99 Eimer Ungriſch 2000
Gemaͤſtete Schweine 300 Oeſterreicher 700
Spanferkel 577 Eimer boͤhm. Wein 448
Indianifche Hühner 600 Eimer Maͤhriſchen 4,100
Gemäftete Kapaunen 3,000 Süße Weine allerli 370
Gemäftete Hühner 42,887 Weiß Bier, Viertel 5,487
(8. 9. 12,581.) Rakonitzer Bier |
Zunge Hühner - 2,500 Viertel 180
Gemaͤſtete Sänfe 3,550 Gerfien- Bier, Viertel 920
(B. H. 3,250.) Schoͤps, Viertel 24
Vor Gewuͤrze, Marzipan und Confect 12,743 Thaler.
Weizen zu Mehl 26 Malter.
Korn zu Brodt 128 Malter.
Haber zu Futter 478 Malter.
Ich war bericht't, daß die Kleidung, Mummerei,
Feuerwerk, die Zimmer zu beſchlagen und dergleichen auch
über 40,000 Thaler hatten geſtanden. So hat man auf
allen feinen Herrfchaften und Dörfern die ganze Hochzeit
über täglich arme. Leute gefpeifet; was allda aufgegangen,
fonnte man nicht wiſſen.“
Solcher verfchwenderifchen Fefle gab es nun mande
in Deutfchland, von denen uns noch Nachrichten geblies
ben find, wobei hauptſaͤchlich auf Bd. I. der Curiofitäten
zu verweilen ift, in dem mehre ſolche Kuchenzettel aufbe⸗
wahrt worden.
Betrachten wir dieſe ungeheuren Maſſen, die oft zu
jener Zeit auf einmal verzehrt und verbraucht wurden,
-
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 137
wovon hier nur ein einzelnes Beiſpiel angefuͤhrt werden
konnte, und erſtaunen wir daruͤber, fo wollen wir. auch
bedenken, daß damals. die Preife aller Sachen überaus
geringe waren, ehe bie Entdedung Amerikas die Maffe bes
Goldes und Silbers, und fo des Geldes häufte, und bes
vor diefe Menge fi in Europa gleichmäßig vertheilte; doch
ift auch zu erwägen, baß jene wohlfeilen Preife den ſpaͤ⸗
tern und dem unfern nicht gleich zu flellen find, da eben
die größere Seltenheit des Geldes auch feinen Werth ers
höhte. Wir wollen zum Beweis des Gefagten auch bier
einige Preife jener Jahrhunderte anführen.
As Herzog Wilhelm von Sachſen 1452 mit einem
anfehnlichen Gefolge aus 92 Perfonen mehre Tage in
Saalfeld verweilte, betrug die gefammte Zeche, laut der
dortigen Amtörechnung, mit Einfhluß der Trinkgelder
und der Anſchaffung von vier Faͤſſern Wein, neunzig
Schock Brodten und vier und ſechzig Scheffeln. Haber,
des Zleifches, ber Fifche u. f. w. nur 7 Thaler, 14 Gro>
fihen, 7 Pfennige. In Judenbach reichte gebachter Herzog .
1457 fogar mit 8 Groſchen aus, und war doch ein fo
angefehener Fuͤrſt, daß man, zu Folge des Sprichwortes,
den Klang feiner Sporen dur ganz Thuͤringen hörte,
As fein Eanzler ſich (1417) zwei Tage lang in Saalfeld
aufhielt, koſtete felbiger ber Stadt 3 Grofchen 7 Pfennige
und 2 Zinshühner. In jenen Zeiten galt ein Schod He:
tinge 10 ©r., ein Kalb 7 Gr., ein halbes Rind nicht
volle 2 Thlr., ein Schod Eier 14 Pfennige, ein Scheffel
Salz 14 Gr., 4 Pfund Hecht 1 Gr., das Faß Bier
2 Thlr. 12 Gr., das Zuder Kohlen 16 bis 20 Gr., das
138 Bweiter Abſchnitt. Nitterleben.
Fuder Heu 15 Gr., eine Elle Leinwand fuͤr den Herzog
4 Gr., ein paar Schuhe 5 Gr., ein Pelz mit rauher
Muͤtze 12 Gr., ein Hufſchlag 6 Pf., das Pfund Zuder
dagegen koſtete 1 Thlr. 8 Gr., und bei einem Fürftenmahle
warb daher oft kaum ein halbes Pfund verbraucht. Die Trink⸗
| gelber, welche. ber Herzog gab, betrugen felten über 2 Gr.
Zehn Groſchen erhielt bei jenem Zufpruch in Saalfeld: der
Bürgermeifter als eine Verehrung, der Kämmerer 2 Gros
fen. Eine Magd mar mit einem Jahrlohn von 4 Thlr.
46 Gr. zufrieden.
Zu allen Zeiten war die Pracht bei Könige. Gaſtmaͤh⸗
lern in Frankreich groß. Man lieſt in dem Zeitbuche bes
‚ Alberit von einem prächtigen Feſte, das bei ber Vermaͤh⸗
lung Roberts, des Sohns vom heil. Ludwig, mit Mas
haut, Gräfin von Artois und Zochter bed, Herzogs von
Brabant, im Jahre 4237 gegeben wurde, wo man bie
nieblichften Speifen auftrug und die vornehmen Gäfte
während ber Mahlzeit mit fonderbaren Schaufpielen unters
hielt. Man fah einen Mann zu Pferde auf einem: Audges
fpannten. Seile reiten; an ben vier Eden des Saales bes
fanden ſich Spielleute, die auf Ochfen ritten, welche mit
Scharlach bedeckt waren und bei jedem Auffa& von Spei⸗
fen auf Walbpörnern bliefen. Bei folchen Gelegenheiten
wurden auch Hunde in den Saal gelaffen; man fah Affen
auf Biegenböden reiten, die Harfe fpielend. — Au
größere Darfiellungen wurben zu andern Zeiten gegeben,
ald z. B. die Eroberung von Ierufallm durch Gottfried
von Bouillon im Jahre 1378 bei einer Feſtlichkeit, welche
König Karl V von Frankreich feinem Oheim Kaifer Karl IV
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 139
gab. — Bei einer andern Feierlichkeit wurde die Erobe⸗
rung von Troja durch die Griechen dargeſtellt.
Sehr beliebte Feierlichkeiten waren in jenen und auch
noch in ſpaͤtern Zeite Mummereien, die wir daher
oftmals erzaͤhlt finden, wenn man ſie auch zu einzelnen
Zeiten zu vermeiden ſuchte, da ſich oftmals Verrätherei,
'heimlihe Tide und Mord dahinter verbargen, wenn ges
reizte Leidenfchaften ind Spiel traten, indem bie vorges
nommene Larve geeignet war, leicht den Verbrecher jeber
Nachforfhung zu entziehen. Es iſt auch als eine Art lang
fortgefeßter Mummerei zu betrachten, wenn Ulrich von
Lichtenflein, ald Königin Venus oder ein andermal als
König Artus verkleidet, im Lande herumzieht und jeglichen
Kitter zum. Kampf auffordert, wovon in ber Abtheilung
„Ritterfahrten und Ritterzuͤge“ die Rede feyn wird.
Auch davon abgefehen, daß Feine heimliche Tüde ſich
einfchlih, fo gefchahen doch durch Unvorfichtigfeiten bei
diefen Mummereien manchmal Unglidsfäle, von denen
und bie Beitblicher mehre Beifpiele aufbewahrt haben. So
wurden 3. B. bei biefen DMummereien wilde Waldmenfchen
häufig dadurch dargeftellt, daß fich bie Männer in Wolle
rauh einhuͤllten, welche mit Harz und andern brennbaren
Stoffen überzogen und flarr gemacht worben war. Ziel
nun auf einen fo Vermummten ein brennenver Funken,
welches leicht war, da theils der Saal fehr erleuchtet war,
theils auch oft mit Lichtern getanzt ward, fo war gemeins
bin der Brennende verloren, da die dicht anliegenden Kleis
ber nicht fo leicht abgezerrt werden konnten und oft ſelbſt
Waſſer nicht leicht in ber Nähe war. Solcher traurigen
140 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Faͤlle ereigneten ſich mehre; ein Beiſpiel moͤge genuͤgen.
Als Koͤnig Philipp der Schoͤne im Jahre 1313 den Prin⸗
zen von Geblüte bie Ritterwuͤrde ertheilte, wurben vers
ſchiedene Tänze getanzt. Einer davon beſtand aus Wilden,
die Befleln trugen. Ihre Kleidung beſtand aus Leinewand,
auf welcher Werg mit Harz 'angelleiftert war. Diefe ſelt⸗
fame Kleivung hätte beinahe Karl IV, ber einer der Wil⸗
den war und 4 andere an Ketten zufammengefchlofien
führte, das Leben gekoſtet. Bon ungefähr kam ber Herzog
von Orleans einem biefer Wilden mit einer brennenden
Badel zu nahe. Die Kleidung deſſelben fing plöglicy
Feuer und theilte folches fogleich den übrigen Verkleideten
mit, die fi) wegen der Feſſeln nicht von einander los:
machen konnten. In diefem hoͤchſt gefährlichen Augenblid
hatte die Herzogin von Berry fo viel Gegenwart bed
Seiftes, daß fie fogleich den Prinzen mit ihrem langen
Sewande ummidelte, wodurch fie bad euer an feinem
Kleide erflidte. Niemand von dieſer Geſellſchaft der Wil:
der Fam mit dem Leben davon, als der Prinz und nady
malige König Karl IV. Der Graf v. Joigny ſtarb auf
der Stelle,‘ und die Übrigen, Hofleute, welche aus den
vornehmften franzöfifchen Familien waren, überlebten dies
fen traurigen Borfal nur wenige Tage. — Auch in
Liegnitz begab fich ein folches Unglüd im 14. Jahrh., und
da man Überhaupt bie Mummereien für etwas Heibnifches
und Gottedläfterliches in der fpätern Zeit Hielt, fo wurden
heftige Berbote gegen biefelben gegeben. So fagt 3. 2.
bie wirtembergifche Landordnung: „Dieweil das Mummen
und Butzenkleiden, fonderlich Die, ba fich Frauen in Manns
2. Abthell. Feſtlichkeiten. 141
und Maͤnner in Frauenkleider verſtellen, vor Gott ein
großer Graͤuel iſt, auch viel Schande und Laſter darunter
gefchieht, fo verbieten ‚wir ernſtlich daß niemand zu eini⸗
ger Zeit des Jahres mit verdeckten Angeſichten, ober in
Butzenkleidern geben fol, bei Straf’ des Thurmes ober
Narrenhaͤusleins.“
Ungeachtet der heftigen Verbote, die fih in vielen
Ländern wieberholten, gingen diefe Mummereien immer
fort und‘ fanden ſtets ihre Liebhaber, befonderd an ven
Höfen, und wir haben ja fogar oben gefehen, daß Kaiſer
Marimilian, als ein Juͤngling, Unterricht barin nahm,
wie folhe Mummereien zu veranftalten und einzurichten
wären.
Um nun von ben Mummereien noch etwas anzufüh⸗
zen, bie zu Marimiliand Zeit Statt fanden, fo erzählt
uns ber Weißkunig beim Jahre 1451 eine ſolche auf diefe
Art: „Es find vor die Durchlauchtigſte Königin kommen,
Bappen, Perfenanten und Ehrnholde und haben gebracht
von allen Königreichen ber Chriftenheit gefchriebene Sende
driefe und der jungen Königin mit großer Bier überants
wortet. Danach find kommen fchwarze Leu’, die Mohren,
mit einem wurlberlichen Machwerk, als ein großer Drache,
und haben mit ihren Gebärden und Sitten ber jungen
Königin befondere Ehre und Reverenz gethan. Nach fols
chem iſt Fommen ber jungen Königin junger Bruder mit
feier Geſellſchaft in einer Farbe, faſt Föftlichen und wohl
bekleid't, und hat in feiner Hand einen Brief, damit er
feiner Ritterfchaft Zukunft. auf die Hochzeit verkuͤndet.
Darnach find kommen wilde Menfchen ‚ bie ihre Wohnung
nn
4
142 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
haben in einem EA und Winkel der Welt, in weiten und
fernen Infeln des Meeres, bie aber mit ihrem Gehorfam
unter vorberührtem König waren. Diefelben wilden Men:
ſchen rebeten zu ber jungen Königin, wie fie. von ihren
Dberen zu dieſem Feſt der Vermählung wären gefenbet, und
thaten darauf einen fonderlichen, wunderlichen Tanz, nad
ihren Sitten; denn Frau und Mann find in berfelben
Inſel nadet und bloß gangen und ber jungen Königin
Dater hat daſſelb' Volk erft bezwungen und zu Gehorfam
bracht. (Unter biefen wilden Völkern find die Einwohner
ber Inſel Madera und ber canarifchen Infeln gemeint.)
Nach ſolchen ift derfelben jungen Königin Bruber kommen,
ber regierender König in dem Königreich Portugal war;
und bat mit ihm genommen feine trefflihe Ritterfchaft,
mit koͤſtlichen goldenen und fanımtenen Kleidern auf das
allerzierlichft? befleiv’t und angelegt, und gab feiner Schwe⸗
fler der jungen Königin einen Senbbrief in die Hand und
ſprach: er wäre aus fernften Enden ber Erden mit feiner
ftreitbarften Ritterfchaft zu ihr bieher kommen, in ber
Meinung und mit Begehrung, vor ihr zitterliche Werk
zu treiben und zu üben. Darnach find kommen wohlge:
borne Herren aus des alten weifen Könige Königreich,
mit Traufen und langen gelben Haaren über die Achfeln;
mit fonderer Zier und haben der jungen Königin auch
einen. Brief mit großer Reverenz Üüberantwortet, und dar⸗
auf gefagt, wie fie hieher Tommen feyen aus bem hohen
Lande des alten weifen Königs zu dieſer Hochzeit, in ber
Meinung, daß fie allen andern Razionen und Jungen
Bibertheil halten wollen mit ritterlicher That.’
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 143
Aber auch in andern Feſten und Feierlichkeiten und
in deren Erfindung und Anorbnung war man reich, und
barin liefert der Weißkunig ebenfalls viele Beifpiele, wovon
einiges hier folgen möge, ba es ſich überdies nicht allein
an bie eben erzählte Mummerei anfchließt, fondern felbft
noch eine Art Larvenfpiel ift:
„Des andern Tages ift biefelbe junge Königin (eb
war Tlifabet, Peters, Herzog zu Coimbria, Tochter, Ges
malin Kaifer Friedrichs III, die Mutter Marimilians I) mit
großer Würde, Bier und hohem Gepränge, von bem koͤniglichen
Schloß herab in die Stadt, in einen Palaft in Mitten ber
Stadt geführt, und in ſolchem Führen viel fchöner luſtiger
Spiel’ Hin und her gehalten worden und infonberheit, als
diefeib? Königin neben die große Kirche kam, Da war ber,
Hohe Thurm an derfelben Kirchen mit wunderlicher Kunft
der Menfchen zugerichte. Aus bemfelben Thurm in ber
Luft iſt gegen bie junge Königin abgefliegen ein Juͤngling,
ber war geziert ald ein Engel und hat- bracht ber ver:
mählten Königin eine gulbene Krone, und in ber Luft
alfo gefungen: o bu vermählte Königin! empfah und
nimm die Krone hier auf biefer Erben, daß du gekrönt
werbeft in dem Himmel über alle Elemente. Daſelbſt ift
auch zugerichtet gewefen eine Stabt oder ein Garten, als
das Paradeis, daraus em Sungling ald ein Engel in ber
Höh durch ein Fenfter eines Thurmes kam, und bracht’
in einem vergulbeten Beden Rofen und warf biefelben
Rofen auf der bemeld’ten Königin Haupt und berfelbe
Engel fang alfor „nimm die Blumen und Rofen, baß bus
und dein Saamen blühen werben auf dem Erdreich und
444 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
mit den Blumen der Tugend mit langer Zeit auf dem
Erdreich werdeſt verdienen die Bluͤten und Roſen der ewi⸗
gen Seligkeit zu empfahen in dem Himmel.” „Darauf an
‚einer andern Stelle hat ein ebler Doctor. eine fhöne Pre:
bigt’ ober Rebe auf eine halbe Stunde gethan. Nach, fol:
‚chem find vor die vermählte Königin kommen drei Jungs
ling’ in englifhem Gewand’. Der erfi! Engel hat tragen
ein Kruzifir, und fih genennt den Glauben, der ba iſt
eine göttliche Zugend; ber andere Engel hat in feiner
Hand gehabt einen grünen Zweig, der hat fich geheißen
bie Hoffnung; ber dritte Engel bat gehalten in feiner
Hand eine iebendige Taube und bat ſich genannt bie Liebe,
und biefelben drei Engel haben mit ſchoͤnen geſetzten
Sprihwörtern mit der vermählten Königin alfo gerebet:
daß fie ſollt' haben zu ihrem allerliebftien Gemal und
- Herten eine fläte Hoffnung, die da wäre eine Behalterin
aller Zugend, auch einen ganzen rechten Glauben und
WVertrauen, ald zu der unbeweglichen Säul’ des chriftlichen
Glaubens und eine vollkommene Lieb, mehr denn zu Vater
und Mutter und allem ihrem Gefcjlecht. Richt fern’ davon iſt
geweſen ein Brumnen, kuͤnſtlich gemacht, daraus ift gefloffen
wohlſchmeckend (mwohlriechend) Rofenwafler, zu Labung und
Ergoͤtzung der Menſchen. Dafelbft ift auch gemefen ein
Thiergarten mit vielen und mancherlei wilden Xhieren:
Nah ſolchem allen ift bie Königin aber an eine Stadt
kommen, da find vor der "Königin gefeflen dreizehn Pro:
pheten in ihren Kleidern, nach Gewohnheit der Propheten,
und jeder ein Buch in feiner Hand und haben geweiſſagt
viel guter Ding’ von dem Bräutigam und Braut. An
‚2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 145
dem andern Tage folgte dieſem Beſchriebenen ein feierli⸗
cher Aufzug zu den ritterlichen Uebungen und ein Turnier,
wovon bei den Turnieren die Rede ſeyn wird.
„Am Tage nach dem Turniere ſind kommen vor der
vermaͤhlten Königin Pallaft, etliche viele Jäger, mit einer
merflihen Anzahl großer Hunde und haben geführt einen
Löwen, einen Bären und ein Wilbfehwein und vor ber
Königin ein wunderlich Jagen vollbracht. Nach derfelben
Jagd find kommen zwölf Grafen und Herrn auf großen
Pferden, bedeckt mit guldenen Züchern bis auf bie Erde,
in ihrem. Harnifch, und ein jeber hat gehabt einen Knecht
zu Ros, ber mit dem Spieß ift vor ihm geritten. Und
ein jeglicher Knecht iſt fo zierlichen befleid’t geweſen, als
man bie ſchoͤnen Engel.malt. Und dviefelben zwölf Grafen
und Herrn haben bei vier Ur (Auerochfen) geflohen und
als fie. wieber abzogen feyn, da iſt einer zu Ros kommen
mit koͤſtlicher Gezierde und großer Gefelfchaft, mit großen .
und wunderlichen Pferden und hat fich genannt einen Kb--
nig von Zroja und mit ihm gehabt drei Soͤhn'; der erſt'
hieß Hebtor, der ander Primus, ber dritte Ajar, im
Einiglichem Gewand und haben fich gegen den Böniglichen
Pallaſt gekehrt, darin bie vermählt” Königin mitfammt
ihren Brüdern und Schweftern, mit ihren eblen Herrn
war. Und derfelb’ König von Troja ließ vor bemfelben
Palaft durch feinen Ehrenhold rufen, wie er in weiten
Landen und uͤber Meer, infonderheit in feinem Königreich
Troja, vernommen haͤtt', wie der König deſſelben Reichs
feige Altere Schwefter bem allerhochgelobteflen Herrn, dem
alten weiſen König, vermählt hätt. Und dieweil benz
40
4146 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
gedachter König mit etlichen feinen Landen in Afrika fein
Nachbar wäre, fo hätt’ er nicht unterwegen laffen mögen,
und wär’ dem alten weifen König, auch ihm zu Tonber
Lob und Ehre ihrer Kronen, zu ihm in fein Königreich
fommen und wollt’ bei ihm in feinem Reich ftreitbarlich
und ritterlih Wert üben und wollt’ fih mitfammt feinen
dreien Söhnen ftellen wider alle die, wad Geburt oder
Zungen die wären, Alsbald der regierende König mit
- feiner Ritterſchaft daB gehört hat, iſt er mit feiner Ritters
ſchaft Yerfür Fommen und von Stund' an gegen feine
Widerpartei vor ber vermählten Königin und ihren Schwe⸗
fiern und vor feiner Gemahlin der Königin ein luſtiges
Geſtech angefangen, und mit Freuden vollend’t. Alſo
haben bie Königinnen mit einander durch eime geborne
Gräfin, die eine fonders ſchoͤne Jungfrau war, bem Her«
ren, der das Beſt' gethan hatt’, einen gulbnen Ring mit
einem Edelſtein gefchenft und nad ſolchem Geſtech, als
die Sonn’ hat wollen untergehen, aus Töniglichem Ge⸗
fchäft find die guten Tücher, die man hat aufgefpannt an
bie Wind’, von dem gemeinen Volk raubweif genommen
worben, und wad ein jedes hat mögen zumege bringen,
dos ift fein gewefen. Nach ſolchem, am andern Tag', iſt
ein großmächtiger Herr faft fcheinbarlih, mit feiner Ges
felfchaft vor der vermählten Königin Pallaſt geritten und
hat durch feinen Ehrenhold laffen rufen: er fey der groß
mächtig König Europa. Er hat auch durch feinen Ehren>
hold weiter berufen laſſen, allen Königen und Fürften mit
den Worten: o ihr, die wefen und wohnend in dem Kreis
der Welt, nehmt wahr, nehmt wahr bie Boͤfen, die da
⸗
2 Adtheil. Feſtlichkelten. 147
wachfen und über uns kommen; und bat inbem aufgethan
ein groß Buch und ferner laſſen rufen alfo: o ihr Kinder
ber Menfchen, urtheilenb rechtlich und was recht iſt, das
ſollt ihre brauchen; und hat viel von her Gerechtigkeit
rufen laſſen. Auf das find kommen eine merkliche Anzahl
der Sarazenen und Heiben zu Res mit ihren Schilden
and Lanzen und haben vor der Königin Pallaft mit ander
geſtritten und die allerſchnelleſten Ros, ſpringend wie Reh⸗
boͤckchen, gehabt. Nach ſolchem find auch für und fuͤr von
dem Stadtvolk und von dem gemeinen Volk viel’ ſeltſam,
abentheuerliche Spiel’ getrieben und gelibt werben. Solches
alles zu befchreiben, wäre zu lang. Und ald feld Mitter-
fpiel und Freud’ vollbracht feyn worben, hat ber regierend’
König in feinem Pallaſt ein groß Mahl und Gaftung
zugericht't.“
„Derſelb' Pallaſt iſt auch mit toſtlichen gewiekten Tuͤ⸗
chern und Figuren auf das allerfhönf’ umhaͤngt und ges
ziert gewefen. An den Tafeln, die dann koͤſtlich mit Gold .
und Silber umlegt waren, nad Föniglihen Sitten, haben
bie verſchiedenen hohen Perfonen gefeilen und bie andern,
welche zur Hoffeierlichfeit gelaben. Es find aud, kommen
bie Singer und mancherlei Spielleut', die mancherlei ſelt⸗
fame Gefang 'gefungen und Spiel getrieben haben. Und
dieſelb? Mahlzeit iſt mit großer Freud’ und Frohlockung
vollendet worden.‘
Dies nun waren bie Beierlichleiten, welhe bei ber
Vermaͤhlung des Kaiferd Friedrich III mit der Elifabeth
von Portugal in Portugal gehalten wurden, wo Elifaheth
dem Kaifer durch eine Botſchaft augetraut ward, Die
10*
148 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Beſchreibung zeugt von ber finnigen Bedeutung und von
der abwechfelnden und immer wieber ergögenden Pracht,
die man ben Feftlichleiten zu geben wußte; und was bier
von Portugal erzählt wird, bad gilt auch für Frankreich,
Italien und Deutſchland meift auf gleiche Weile; wogegen
, wir jest fo in der Anordnung und Ausführung ber Fefte
unb in ber 2ebendigfeit der Einbilbungskraft, etwas zu
erfinden, meift erflorben find, daß wir beinahe bei allen
Feierlichkeiten nichts aufzubringen willen, als bie allbe⸗
Tannten und zehnfach wieberholten jungen Mädchen mit
weißen Kleidern und Blumenfränzen.
Wie wenig man den Sreuben ber Mummerei entfagte,
geht aus vielem hervor, und beſonders gefielen die Umge⸗
flaltungen der Männer in Frauen, und umgekehrt. So
erzählt auch z. B. Hans von Schweinichen Bb. I. ©.
246. beim Jahre 1576, daB, ald er mit feinem Herzöge
in Köln war, nicht weit von ihrer Wohnung fi ein
Nonnenklofter befand, in welchem Schweinichen Belannt-
Schaft hatte und Zufprud) gewann. Nun wollte der Herzog
auch gerne hinein und befchloß: „ich follte — erzählt
Scweinihen — der Xebtiffin anfagen, baß ich ihr und
den Iungfrauen einen Mummenfchanz (d. i. eine Mums
mexei) auf den Abend bringen wollte, mit welchen benm,
nach ber Anfage, die Frau Aebtiffin wohl zufrieden war,
und fasten wir den Abend zu kommen an. Derowegen
fo ließen 3. F. ©. eine Mummerei machen von Xaffent,
die Männer auf italtenifch gekleidet, die Iungfrauen auf
ſpaniſch. Wie nun berfelbige Abend Tommt, legen I. 5.
©. ſich und wir andern die Mummerei Kleider an und
a
2, Abtheil, . Feſtlichkeiten. 149
waren 3 Mann und 3 Jungfrauen und hatten ſchoͤne
Mufit dabei und ritten auf ſchoͤnen Gaͤulen nach bem
Klofter zu, ein jeder die fpanifche Jungfrau binter fich.
Nun ſaß ih im Sattel und I. F. G., als eine fpanifche
Jungfrau, hinter mir auf dem Roſſ'. Wie ih nun nabe
an die Sungfrauen in Hof fommen, da denn bie Frau
Xebtiffin mit der ganzen Verfammlung im Hofe- ftund,
uns anzunehmen, wollte ih ben Gaul einen Sprung thun
laſſen und werfe die fpanifche Jungfrau, id est den Her:
309, fo hinter mir faß, mit fammt bem Gefchmeibe in
eine Pfulch, daß 3. F. ©. waren ald ein Meller, mußten
alfo zuvor wieder zuruͤckgehen in ein Haus und I. 3. ©.
auswafchen. Hernach zogen wir wiederum auf, waren
alfo Yuftig und guter Dinge mit den Nonnen, tanzten
und trunken fehr; weil 3. F. ©. den Wein mußten felber
holen laſſen, wie braͤuchlich war, hatten wir 22 Thaler
vertrunken.“
Schon fruͤher, als Hans von Schweinichen mit ſeinem
Herrn noch in Liegnitz war, beim Jahre 1574, erzählt ex
Folgendes, woraus hervorgeht, daß es nicht fonderlich ehr:
bar bei folchen Verkleidungen zugehen mochte (Bd. 1.108.)
‚3. F. ©. waren diefe Zeit über luſtig mit Zangen und
fonften, fonderlich in Mummerei gehen. Das waͤhret faſt
ein ganz Jahr alle Abend in der Stadt zu ben Bürgern
Einer fahe J. F. ©. gerne, ber andere nicht. Gemeinig: .
lich waren 4 Mönche und 4 Nonnen, und 3. 3. ©. waren
allezeit eine Nonne; wie benn auch oft J. 3. ©.
auf einem großen Wagen alfo in die Mummerei fuhren,
nach Goldberg und Deinau. Ich habe ‚aber niemals Luft
7
150 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
dazu gehabt und mich davon entbrochen, wo ich gewußt;
denn es in ſolcher Mummerei ſeltſam zuging, daß die
Jungfrauen mit den Noͤnnlein (nicht mit den Moͤnchen)
den Abtritt nahmen (ſich entfernten), als (wenn es) eine
Jungfrau (mit der andern) waͤre. Solch Narrenwerk war
3.8. ©. liebſte Luft und meine Unluſt.“
H. v. Schweinihen erzählt uns außerdem vieles von
Feſtlichkeiten und Vergnuͤgungen feiner Beit, was hoͤchſt
belehrend fuͤr Sitte, Gebrauch und Leben des deutſchen
Volkes iſt. Nur einige Züge. Wie luſtig es, außer den
Mummereien, in jener Zeit zuging, ſagt uns H. v. S.
z. B. beim Jahre 1574: „Auf den Abend machten J. F.
G. ein Panket und nach Zifche hielten fie einen Tanz,
welcher bie ganze Nacht währete. Die Mufit war lieblich,
ber Wein gut, das Brauenzimmer fihön und bie Gefells
ſchaft vertraulich, vornehmlich aber der Herr mit luſtig;
datum war kein Zrauern noch Kummer, fondern lauter
Freude und Wonne. Wenn ich- biefe Zeit vom Himmel
auf die Erde fallen follen, wäre ich nirgends als gen
Liegnig gefallen, ald in's Frauenzimmer (in die Wohnung
der weiblichen Bedienung im Schloffe); denn ba war taͤg⸗
ich Freude und Luft mit Reiten, Ringrennen, Muſik,
Tanzen und fonften Kurzweilen, welches den jungen Leu⸗
ten, ald auch ich einer war, wohlgefiel, und hätte mich zu
folchen Wefen kaufen wollen, gefchtweige denn, daß ich
dazu bin gebeten worden. Darum recht gefagt: wenn
Sugend Zugend hätte, was wäre fie?" — Und in bems
. felben Jahre: „Denn es diefe Zeit ein Infliger Ort, war
(Liegnig) mit Muſik, Tanzen und luſtig feyn, daß auch
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 454
3. 8. 8. nichts darnach fragten, wenn wie auf bem
Schlofie eine ganze Nacht tanzten, auch mit der Muſik
vor 3. 5. G. Zimmer, kamen, machten fie auf und waren
wohl zufrieden, hielten auch wohl im Bette einen Trunk
mit und. Damit behielt der Herz bei feinen Dienern
Gunſt und genaue Aufwartung, wie ex benn fonften auch
haben wollte, und war aljo 3. &. ©. mit den Junkern,
wenn wir luſtig waren, wohl zufrieben, wenn wir es
auch in der Stadt ziemlich grob machten, nocd halfen uns
J. F. ©. fohlihten. Alleine Feine Unflätereien konnten
3. 8. 6. nicht leiden.” — Wenn au der Herzog, wie
hier gefagt, Feine Unfläterei litt, fo waren die Späße,
welche er trieb, doch auch nicht fehr fein und erbaulic.
&o der folgende: „Den 16. Novbr. bin ich von 3. 3.6.
gen Liegnig zu einem. Panket erforbertz das Panket aber
war biefed. 3. F. G. hatten eine Luſt angericht, in wel:
der Axleben zum Kaifer gemacht, auch eine kaiſerliche
Tafel beftelt. 3. J. ©. H. Heinrich waren Mundſchenk,
. die Junker Truchſeß, und follte ſich Arleben allemal wie
der Kaifer im Trinken halten und alfo über der Mahlzeit drei
Truͤnke thun, eben aus dem Glafe, daraus zuvor 9.
Heinrich dem Kaifer Ferdinando geſchenkt hatte; darein
“ging ein halber Zopf Wein. Zu folchem ließ fich der von
Azleben gebrauchen und wußte feing Reputazion zu halten.
Der von Arleben ald der Kaifer, betrank fih von zwei
Truͤnken, baß er weber gehen noch ſtehen konnte. Da
lag der Kaifer und alle feine Pracht. Darüber ward 2.
3. G. luſtig und hielten darauf eine lange Tafel und nad
Tiſche einen Tanz und wear Inflig and guter Dinge.
- \ '
152 Stoeiter Abſchnitt. Ritterleben.
Dies war eine Sache vor mich, daß ich mir 5 nicht
beſſer hätte wünfchen wollen, wenn ed ein n ganzes Sahr
gemwähret hätte.’
Aus den fernern Abenteuern Schweinichend und feines
Herrn gehören folgende Bruchſtuͤcke hieher: Hans von
Schweinihen machte mit feinem Herrn große Reifen durch
Deutfchland, bei denen denn oftmald der Herzog in ber
erbärmlichften Geldnoth war, wodurch bie Tächerlichften
Abenteuer hervorgebracht wurden. Indeſſen verftand er
ed auf eine trefflide Weife, den Leuten ein Darlehn abs
zufchwagen, unb fo gelangte er oftmald auf doppelte Weife -
zu Feſten, einmal zu benen, die er felbft durch fo er=
worbenes Geld gab, dann zu andern, bie ihm gegeben
wurben, meift vorher, ehe man feine fchlechten Geldzu⸗
flände wußte.
So erzählte nun Schweinichen beim Jahre 1575:
„Ich warb einft auf eines vornehmen Gefchlechts Hochzeit
(zu Augsburg) eingeladen, darauf ich denn auch ging.
Nun wären I. 3. G. (Herzog Heinrich) aud gerne da
geweien, bamit fie bie Gebräuche und anderes hätten
ſehen mögen, wußten aber fonft fein ander Mittel, als
dies, daß fie mein Knecht worben unb auf mich warteten,
als einem Knecht gebührt. Nicht weiß ich, wie ed ‚der
Knecht verſah, daß er ein Raͤuſchlein bekam, damit ich
ihn abfuͤhren mußte laſſen. Wie nun J. F. G. ausge⸗
ſchlafen und es ihnen ſonſten allda wohlgefallen, ließen
ſie ſich beim Braͤutigam angeben, ſie wollten zum Abend⸗
tanz zu ihm kommen. Dies der Braͤutigam gerne ſah
und wurden J. F. G. durch drei vornehme Freunde mit
2. Abthell. Feſtlichkeiten. 163
einem Wagen, wie dort braͤuchlich, ſtattlich geholt, da ſich
denn dieſelben auch einſtellten und wurden *hrftlich und
wohl gehalten. Wem I. F. ©. tanzten, fo tanzten alle>
mal zwei vornehme Rathöheren vor. Sonften ift der
Brauch), daß allemal zwei Perfonen, fo lange rothe Röde
anhaben, mit einem weißen Ermel, vortanzen und darf
fonft Feiner, er fey wer er wolle, keinen Tanz anfangen.
Es tanzten bie zwei voran und wenn fie fih drehen, do
mögen fich die, fo tanzen, auch verkehren, als auch, wenn
fie fih mit einander im Tanze herzen, fo mag der Jung
gefele die Jungfrau, fo oft es von ihnen gefchieht, auch
herzen. Es werben die gemeldten Perfonen oft mit Gelbe
beflochen, daß fie einander an einem Reihen etlihe Male
herzen, daß nur der junge Gefelle die Jungfrau deſto
Öfterer herzen mag. Wie ich denn auch felbft gethan und
mit einem halben Thaler im Zanzen viel Herzen zumege
bracht worden. Alfo warb mein gewefener Knecht wieber
mein Zürft und Herr. Und wie ih J. F. ©. darum
fragte: warum fie dahin Fommen wären? gaben fie zur
Antwort: fie hätten gefehen, daß allda fchöne Jungfrauen
wären gewefen, welche mir hätten gute Worte gegeben.
Deromwegen wären fie hingefommen, ob ich irgend anbeis
fen wollte, mich davon abzuziehen. VBelennen muß ich,
daß ich mein Lebtage Fein fchöner Srauenzimmer bei eins
ander gefehen, als ba; benn ihrer waren über fiebenzig.
Und, der Braut zu gefallen, alle weiß gekleidet in Damafl
und dergleichen, auch mit Ketten und Kleinobien über die
Maßen gezieret. Und war in eimem großen Saal, welcher
mit Gold und Sitber gefunkelt, und ‚waren über -etliche
154 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
hundert Lichter, groß und klein, darinnen, daß, wie man
pflegt zu ſagen, man vermeint', es waͤre mehr im Him⸗
melreich, oder das rechte Paradies allda waͤre. Mir iſt
ſehr wohl geweſen, denn, wie gemeldet, die Jungfrauen
waren ſchoͤn und gaben auserleſene hoͤfliche gute Worte.”
Auch die Fortſetzung dieſer Nachricht enthaͤlt noch viel
Beluſtigendes, aber es gehoͤrt nicht fuͤr dieſen Zweck. Nur
das Gaſtmahl, welches Max dugger dem Herzoge gab,
will ich bier beruͤhren.
„Es lud Herr Mar Fugger J. F. G. einſt zu Safle,
neben einem Deren von Schönberg, welcher fonft auch in
J. F. ©. Lofament lag. Ein dergleihen Panket iſt mir
bald nicht vorkommen, daß auch der römifche Kaifer nicht
beſſer haͤtte traktiren mögen und war babei überfchwengs
lihe Pracht. Es war in einem Saale das Mahl zuges
richt’t, der war mehr von Gold, ald von Farben gefehen
worden, Der Boden war von Marmelflein und fo glatt,
als wenn man auf Eis ging Es war ein Kreuztifch
aufgefchlagen, durch den ganzen Saal, der war mit lauter
Kredenzen befegt und merklich fchönen venebifchen Glaͤſern,
welches, wie man fagt, weit über eine Zonne Golbes feyu
ſollte. Ich flund 3, 5. G. vor dem Trunk (d. h. ih
war Mundſchenk, mußte dem Herzog das Trinken befors
gen und einfchenten). Nun gab ber Herr Bugger bemfels
ben einen Willkommen, welches von dem ſchoͤnſten vene-
difchen Slafe ein Schiff war, Fünftlih gemacht, Wie ic
ed num vom Schanktifch nehme und über ben Saal gebe,
batte ich neue Schuhe an und gleite, falle mitten im Saal
auf den Rüden, gieße mir ben Wein auf den Hald, und
2, Abtheft. Feſtlichkeiten. 155
weit ich eim neu roth dammaſten Kleid an hatte, warb es
mir ganz zu Schanden. Das ſchoͤne Schiff ging aber auch
in viel Stuͤcke. Ob nun wohl unter der Hand und maͤn⸗
niglich ein groß Gelaͤchter ward, ſo ward ich doch hernach
berichtet, daß der Herr Fugger geſagt: er wolle daſſelbe
Schiff mit hundert Floren geloͤſet haben. Es war aber
ohne meine Schuld; denn ich weder geſſen noch trunken
hatte. Da ich aber hernach einen Rauſch bekam, da ſtund
ih darnach feſter und fiel darnach kein Mal, auch im
Tanze nicht. Ich hielt davor, daß Gott die Pracht nicht
haben wollte mit mir; denn ich ein neu Kleid angezogen
und daͤuchte mich, ich waͤre der Stattlichſte geweſen. Bei
dieſem waren die Herren und wir alle luſtig.“
Die Menge der zu Hoffeften 3. B. verfammelten
Herren war oft fehr groß, wie denn z. 8. bei einem fols
chen Hoftage, welchen Kaifer Rudolf zu Nürnberg hielt,
wie Hornek erzählt, an Fuͤrſten, fowohl Pfaffen als
Laien, 74 da waren, Grafen unb Freie an 300, und 5000
der Übrigen Herren. Wie groß mag dba nun noch das
Gewühl und die Menge der Reifigen und Knappen und
Knechte geweien ſeyn?
Eine andere Gelegenheit, bei der ſich eine gewaltige
Maſſe von Menſchen zuſammenfand, waren die kirchlichen
Feſte, beſonders Erhebung der Gebeine eines Heiligen,
große Ablaͤſſe, Wallfahrten u. ſ. w. Das ritterliche Leben
ward freilich hier zurkdgedrängt, indeſſen laſſen ſich aus
Beſchreibung derſelben doch, wie natuͤrlich, wieder ſehr
tiefe Blicke von anderer Seite in die damalige Zeit werfen.
Wie die Gebeine des heil. Virgil, des achten Biſchofs zu
N
156 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Salzburg, im J. 1288 erhoben wurden, erzaͤhlt Hornek
und ſagt, daß „der Erzbiſchof Rudolf ein Conzil auf den
Martinstag anfagen ließ und verhieß allem Volk, das da
kommen würbe, Ablaß und Gnade. Für Empfang und
Speifung warb geforgt. Der anlangenden Pilger und Bü:
Ber war fo große Zahl, daß alle Straßen ſich anfüllten.
Im Gedraͤnge find Leute bed Todes geweſen und Herbers
gen waren theuer. Draußen in ben $Zeldern fahb man.
. Feuer wie Sterne am Himmel. Im Dom durften nur,
während ber Ausgrabung ber Gebeine, die hohen Pfaffen
erſcheinen, die Inful und Stab trugen. Allererſt, als die
Sebeine bed Heiligen gefunden und aus der Erde gelefen
- waren, thaten fich des Münfters Pforten auf, damit das
Volk zu Ablaß und Andacht herein koͤnne. Das Opfer
war groß, denn die Buͤßer konnten die Zeit kaum erwars
ten, wo fie ihr Opfer brachten. - Vier Bifchöfe geleiteten
diefe in bie Kirche, während 4 andere an der Thür blies
ben,“ woburch bie Buͤßer eintraten. Das Gedränge des
Einlaffes dauerte ſchon bis zum Schluß der Beöper und
bed Complet, und war noch nidt m Ende Da bieß
man von den Pilgern die Opfer zufammenlefen, und ber
mußt’ gar arm fein, der. nicht außer bem Opfer für Vir⸗
gils Gebeine aud) dem Bifchofe ein's fuͤr das Geleite gap.”
As Anhang zu dieſer Abtheilung möge noch einiges
über die Speifen und Getränke bier feine Stelle finden,
"welche bei Rittermahlzeiten und Feſten vorzüglich vorkamen.
Etwas weniges habe ich fchon oben bemerkt, und dies find
auch nur einzelne Züge, die ich anführen Fann, indem
2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 157
dieſe Borfefungen ſich nicht zu ſehr in Kuͤche und Keller
‚ ber alten Welt vertiefen koͤnnen.
Pfauen und Zafanen, die man eble Vögel nannte,
wurben bei Softmahlen, beſonders an Eöniglichen Tafeln,
vorzüglich hoch gehalten, und’ ed gab daher ein eigenes
Geluͤbde bei diefem Vogel, das Pfauen ober Fafanens
Geluͤbde, von bem ich in der Abtheilung reben werbe, bie
ſich mit den alten Rittergelübden befchäftigt. Pfauen und
Safanen lieferten durch den Glanz und durch die Mannich-
faltigkeit ihrer, Farben ein Bild der Majefldt ber Könige
unb der prachtuollen Kleidung, womit fidh die Herrſcher
fhmüdten, wenn fie an ihrem Hofe große Feſte feierten.
Ja es gab Ritter, die große, ein Rab fchlagende Pfauen⸗⸗
fhwänze auf ihren Helmen trugen, ald ausgezeichnete
Helmzierden. Nach alten Romanfchreibern warb das Fleiſch
ber Pfauen und Faſanen nur ald eine Speife für Tapfere
und Berliebte betrachtet. Pfauenfedern waren ber reichfte
Schmud, die anmuthigfie Bier, welche eine Frau einem
Zroubabour überreichen. zu koͤnnen glaubte, indem fie diefe
Federn gewöhnlih in die Kronen flochten, melde ben
Dichtern gegeben wurden; unb dies erſtreckte fich noch bis
zum Jahre 1659, wo. bei dem Friedensfeſte, welches die
Stapt Marfeille gab, die Zroubabourd in ber fiebenten
Drpnung des Zuges erfchienen, alle mit Pfauenfebern ge:
kroͤnt, mit denen fie früher von ben Frauen bed Landes
beſchenkt worden waren. Die Augen, welche fich auf den
Pfaufedern darſtellen, und mit denen der Pfau, wenn er
ein Rad fchlägt, ſcheint umgeben zu ſeyn, follten vor⸗
158 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſtellen, wie die Augen des ganzen Volkes zur Anhoͤrung
ihrer Geiſteswerke auf fie gerichtet wären.
. Bei großen Feierlichkeiten warb auch ein Pfau auf
die Zafel gefeut, der meifl gebraten, aber immer mit feis
nen fchönften Federn gefhmüdt war, auf einer großen
golbenen ober filbernen Schüffel. Bei dem Pfauengeläbbe
brachte ihn eine Frau oder Jungfrau in das Zimmer, worin -
die Ritter verfammelt waren. Jedem von ihnen ward ber
Pfau dargebsacht, und jeder that fein Geluͤbde uͤber demſelben.
Aber auch ohne Bezug auf dies Geluͤbde warb ber Pfau,
als ein gar koſtbares Efien, in feinem ganzen Federſchmuck
auf den Tiſch geflelt, und allen, bie zugegen waren,
mußte ein’ Stud bes Pfaues vorgelegt werden. Es war
nun eine hauptfächliche Gefchidlichkeit des Vorſchneiders,
den Pfau fo zu zertheilen, daß ein jeder ber Anwefenden
etwas davon befam. In dem franzöfifchen Roman bes
Lancelot vom See werben bem König Artus große Lob⸗
fprüche ertheilt, weil er an der runden Zafel den ‚Pfau
fo. vorgefchnitten, daß ein jeber der funfzig Ritter, bie
feinem Feſte beimohnten, etwas davon erhielt; und noch
bazu war ein jeber mit feinem empfangenen Stüde zus
frieden. Selbſt das Ueberbeingen und bie Stelle, welche
ber Pfau erhielt, war niche ohne Bedeutung. In dem alten
Gedichte vom Pfauengelübde (les voeux du Paon) wird
erzählt, daß die Frauen einen ber waderften Ritter aus
der Gefellfchaft erwählt Hätten, um in feiner Geſellſchaft
bemjenigen Ritter, welchen biefer für den tapferften halten
würbe,. ben Pau zu überreichen. Der von ben Frauen
hierzu erwaͤhlte Ritter fette bie Schüffel demjenigen vor,
2. Abtheil. Teftlichleiten. 159 .
welcher, nach feiner Ueberzeugung, ben Vorzug verdiente,
zerſchnitt den Vogel vor feinen Augen und vertheilte ihn
an bie Umftehenden. Ein ſolches Merkmal der Achtung,
womit glänzende Thaten belohnt wurden, burfte nur erſt
nad) langer und befcheibener Weigerung angenommen
werben. | J
Außer andern gewoͤhnlichen Spriſen wurde die Ge⸗
ſellſchaft auch mit Gewuͤrzen bewirthet, dann wurde Zuk⸗
kerwerk herumgereicht, mit einzelnen eingemachten ‚und
uͤberzuckerten Speiſen. An Getraͤnken ward ein rother,
durch Honig verfüßter Wein gegeben, dieſer ward Gairet
im Franzoͤſiſchen genannt; hiemit haͤngt auch wahrſcheinlich
der Wein zuſammen, den ich bereits oben anfuͤhrte in
einer Stelle aus dem Parzifal: Mein roth wie Syrop.
Am Deutfchen heißt der Elairet Lutertrank, Lauter⸗
tranf, lauterer Trank, und Dies: bebeutet nicht etwa
einen ungemifchten Wein, wie es fcheinen möchte, fondern
einen geläuterten Trank, und es iſt eine wörtliche Webers
fegung von claretum, Rother Wein ward immer zu ihm
angewendet. Ferner ein anderes Getraͤnk, welches Pigs
ment genannt ward, und welches eine Mifhung aus Dos
nig, Gewuͤrz und Wein war, wahefcheinlich hoͤchſt beraus
fhend und flarf, weswegen ed auch in den Geſetzen bes
Klofters Cluniak den Moͤnchen deſſelben verboten war.
Eine andere Art von gewärztem Weine warb Hippo:
kras genannt. Wir haben alte Beſchreibungen, wie biefe
Miſchweine verfertigt wurden. Davon einiges. Glairet iſt
and Wein und Honig und Gewuͤrzen gemiſcht. Man zere
Rößt die Gewürze in ben feinften Staub und legt fie in
169 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ein leinenes Beutelchen mit Honig oder Zucker. Mit dem
beſten Weine wird nun dieſe Miſchung übergoffen, bis fie
ausgelaugt ifl, und fo lange wird ber Aufguß fortgeſetzt,
His die Kraft der Gewürze ganz in den Wein Üübergegans
gen. Dann wird die Miſchung aufs beſte abgeblaͤrt,
wodurd fie vom Weine die Kraft und ben flarfen Ges
fhmäd, von ber Mifchung den gewürzigen Gefhmad und
Geruch behält, Durch den Honig aber Süße befommt. —
Bisweilen wurden auch foldhe Weine mit Gewürze gekocht.
Es ift auffallend, daß ed ſcheint, man habe felten veinen
Bein getrunken, fonbern fafl immer einen Mifchling, zu
denen auch ber fchon bereitd oben angeführte Moras
oder Maras, welcher in ben Rittergebichten fo haͤufigſt
vorlommt, gehört. Indeflen vermehrt Dttofar von Hor:
ned bie Reihe des Weine durch manche Namen, die er
unter der Beute nennt, welche bie Trieſter bei Eroberung
der ihnen bicht "vor ihrer Stadt gebauten Zwingburg,
semper Venetia, machten. Dan fand: Mugler und
Raival (Mofeler und Rheinfall?) Kriechelwein und Ter⸗
sant, Mustatel und Bin de Plant, GSlairet und Schafe:
nad, von Genf und von. Malvafein, Pinoil und Wein
von Arras und von ber Mark Anton, Elfe und Zribbian
und Bein von Wippach, Pazner und andre Weine —
Außerdem ward auch noch.ber altdeutfche Meth getrunken,
denn ©. 138 des Frauendienſtes von U. v. 2. heißt es:
„Sr empfing die Ritter alle wohl, fie mußten die Nacht,
“ bei ihm bleiben, und gute Speife, Meth und Wein gab
er ihnen voͤlliglich“ — Die Urfache, warum fo wenig
reiner Mein getrunfen warb, erblärt fich leicht. Man baute
2, Abtheil. Feſtlichkeiten. 161
in Deutfchland und in Frankreich im Gegenden Wein,
von benen man jest glaubt, daß fie Feine reife Traube
mehr zu zeitigen. vermögen. Die Weine waren baher
meift fchlecht, fauer und unangenehm, daher verfeßte man
fie mit Wermuth und Honig, ober vermifchte fie mit dem
Saft von Beeren and Zucker, wodurd ihre natürliche
Saure verftedt ober gemildert wurde. Fremde Weine,
befonderd griechifche, wurden indeffen an ben großen Ta⸗
feln des Mittelalters häufig. getrunfen.
Eine befondere Sitte war auch, daß man die Fefte
gewöhnlich damit befchloß, daß jeder Saft, ehe er fich zur
Ruhe begab, nor einen Trunt Wein nahm, ben man
den Schlafwein nannte. Es mochte damit wohl bie
Ausbringung einer Geſundheit und eine Danffagung fuͤr
die Bewirthung verbunden: feyn, eine Sitte, die in ältern
Familien und in einzelnen Drten fih noch in dem Dank⸗
fagungs = Zrunte beim Schluffe der Mahlzeit fortges
pflanzt und erhalten zu haben ſcheint. Doch findet fich
bie Sitte auch fo, daB, wenn ber Ritter die Gefellfchaft
fhon verlafien hatte und in feinem Schlafgemad war,
ihm bann der Schlaftrunt mit etwas Eflen - dazu ge:
reiht ward, fo daß alfo dieſe MWeberreihung des
Schlafweind gänzlich van der Abendmahlzeit getrennt war.
Dies war um fo eher thunlich, da die Abenbmahlzeiten weit
früher, als bei und, ſchon wenigfiens um 6 Uhr gehalten
wurden. Zwei Beifpiele, das eine aus einem franzöflfchen,.
das andere aus einem beutfchen Werke, werden biefe Sitte
am beften darlegen.
In. dem Roman, Gerard von KRouffillon, worin
11
: 162 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
wir zugleich Nachricht von der Abendbeſchaͤftigung finden,
heißt es: „Iſt die Tafel gedeckt, ſo ſetzt man ſich zu Tiſche.
Nach dem Eſſen geht man in den Vorhof, um ſich zu
beluſtigen. Weiß jemand ein Lied oder eine Fabel, fo
fagt er fie ber, und bie Ritter erzählen ihre Thaten und
Abenteuer, woran Gerard und die Seinen ſich fo lange
vergnügen, bid die Nacht Eühler geworben if. Der
Graf laͤßt fi Wein geben und gebt zu Bette.
Morgens fteht er mit anbrechendem Tage auf und feine
Kappen beifn ihm, fi anzukleid'n.“
Im Gedichte Parzifal lautet die hieher gehörige Stelle
fo. Nachdem das oben bereitö angeführte Mahl vollendet
war und Parzifal in fein Gemach gefühet worben, Feiden
ihn die Anappen aus und er eilt auf das nächtliche Lager.
Da traten noch vier Jungfrauen zu ihm ein, von denen
drei auf ihren weißen Händen Moras, Wein und Lauters
trant trugen; die nierte hielt auf einem weißen Tuche
Obſt von folcher Art, als wenn es im Paradiefe gewach⸗
fen wäre. Diefe knieten vor ihm nieder und Überreichten
. ibm bad, was fie trugen.
Der Herre trank, ein Theil er aß,
Mit Urlaube fie gingen wieber,
Beiläufig ift zu bemerken, daß in den aͤlteſten koͤnigl.
franzoͤfiſchen Rechnungen des Hofſtaats, der Schlafwein
oftmals als ein mit gewiſſen Aemtern verknůͤpftes Recht
angegeben wird. —
Indeſſen berrfchte neben großer Verſchwendung, die
wir hier in Beifpielen angeführt haben, auch viel Armut
und Beichränktheit In den Nahrungsmitteln in manchen
2. Abtheil. Feſtlichkeiten. 4163
Gegenden und Familien. Gewöhnlich aß man nur gefal-
zene und geräucherte Fiſche und Fleiſch, harte Huͤlſen⸗
feuchte, unverdauliche Mehlfpeifen und einige Kohlarten:
Su den Zeiten ded Aentas Syloius (im 15. Jahrh.) waren
Die Zifche der deutſchen Fürften mit alles Arten von Leckereien
befest, allein die Hofbedienten mußten oft fi mit ſchwar⸗
sem Brote, faulen ober ftinfenden Fiſchen, zaͤhem Kubz,
Siegen» oder. gar Bärenfleifche und mit faft ungenießbaren
Hülfenfrüchten oder Kohlarten begnügen. Man lebte meift
einfach und fchlecht. Der Gachfenfpfeges (TI. 42) geflat-
tete den Gerichtöboten oder ben Beifigern ber gräflichen
Gerichte im 13. Zahrb. drei Eſſen: „Die Boten. follen
feyn fihoppenbar freie Leut . . . die full dann ber Richter
bekoͤſtigen: Brodt und Bier foll er ihnen genug geben,
drei Gericht zu dem Effen, die die Zeit gewöhnlich find,
und einen Becher Weins; zwei Berichte den Anechten. "—
Gewöhnlich Fochte man am Sonntage für Die ganze Wach
So auch in andern Linden. Der Graf Northumberland
hätte unter der Regierung Hemrich VII: (1485 — 1509)
nur 2 Köche, ungeachtet bei ihm täglich 233 Perſonen
fpeiften. Die Hausbedienten ded Grafen erhielten. das
ganze Bahr durch Fein anderes ald geſalzenes ober geraͤu⸗
chertes Fleiſch und Fiſche. Friſches Fleiſch exfchien ſelbſt
auf der Tafel des Grafen nur von ber Mitte des Som—
mers bis Michaelis. Im dem geößern Theile des Jahres
aß er, wie feine Bebienten; ausgenommen, daß Kapaunen,
Feldhuͤhner, Faſanen und Wilb bisweilen auf feine Tafel
gebracht wurden. Das Fruͤhmahl des Grafen und det
Gräfin befand in einem Quart Bier und Wein, in zivei
41*
164 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Stuͤcken von geſalzenem Fifch, in 6 geſalzenen und 4 fri⸗
ſchen Heringen, oder in einem Teller voll Sardellen.
An Fleiſchtagen kam eine gebratene Hammelkeule ober ein
gutes Stuͤck gekochtes Rindfleiſch dazu. Man af um 10
Uhr zu Mittage und um 4 Uhr zu Abend. (50 Jahr
fpäter war beides ſchon um 1 Stunde vorgerüdt.) Die
Franzoſen aßen im Mittelalter das Fleiſch von keinem
zahmen Thiere ſo gerne, ald Schweinefleifch, welches ſo⸗
wohl friſch als gefalzen auf den vornehmfien Tafeln er-
fhien. Als Humbert, Dauphin von Vienne, im 93. 1345
feinen Kreuzzug antreten wollte, fo ordnete er vorher fein
Haus, fegte dad Gefolge und die Bedienten feines Gemah⸗
In auf 30 Perfonen feft und wies diefen 30 Perfonen.
wöchentlich ein friſch gefchlachteted und jährlich noch 30
eingefalzene Schweine an. Erbſen mit geräuchertem ober
gefalzenem Schweinefleiſch hielt man für ein Gericht, wels
dos felbft Könige. Lüftern mache und koͤnigliche Tafeln
ziere. An mehren Bellen trug man Feine anderen Gerichte,
als: von Schweineflifh auf, und foldhe Feſte wurben
Schweinefleiſch⸗ oder Schinkenfefte genannt (Festins ba-
coniques). Unter dem Geflügel fchäßte man die Gans
am meiften. Junges Wildpret wagte man nicht zu effen,
weil man bad Fleiſch beffelden für unreif und unverbaulich
hielt. Dagegen aber af man in das vornehmften Haͤu⸗
fern: Reiher, Kraniche, Kraͤhen, Stoͤrche, Schmäne,
Raben, Rohrbommeln, Geier, ja felbft Meerfchweine,
Seehunde und das Fleiſch und die Zungen von Wall;
fifiden. So heißt es im Parzifgl, als Gamuret in Zaza⸗
. 2. Abtheil. Feſtlichkeiten. "465
wanz ankommt unb von dem Burggrafen ber Königin be:
wirthet wird (V. 962.),
Hie flund der Reiher, dort der Fiſch.
Dies ging beinahe das ganze 16. Jahrh. hindurch. Bei
dieſen oft widerlichen Speiſen war der Genuß heftiger
Gewürze in ben Bruͤhen zu den Speiſen nothwendig.
Die unzertrennlichſten und allgemeinften Beftandtheile aller
Brühen waren Safran. und Zucker; alle Gerichte wurben
mit Zuder überflreut. Zum Nachtiſch aß man Überzuderte
Gewürze, um ben Magen zu erwärmen, bie im Franz.
epices genannt wurden.
Dben haben wir gefehen, wie verſchwenderiſche Tage |
Hans von Schweinichen mit. feinem Herzog erlebte, und
wenn Geld vorhanden war, wurden folche auch von ihm
ſelbſt angerichtet. Dagegen ging ed auch oft fehr ſchlecht;
fo 3. 8. 1578, als Herzog Heinric, auf dem Gräbigberg
ſaß. Da hatte er eine Zeit lang nichts als Pilze und
Heidelbeeren zu eſſen; endlich Faufte er. mit anderer
Leute Gelde 325 alte Bode, und da fagt Dans von
Schweinichen (I. 353.): „Alfo befamen wir wieder Pros
viant an den alten Böden, welche denn vielmal auf ach⸗
terfei zugerichtet wurben, Pilze auf dreierlei, Heidelbeeren
auf- zuoeierlei.'
Daß man felbft noch am Ende des 45. Jahrh. viele
Effen und Gebräuche, der Mahlzeiten hatte, die in frühes
ver Zeit Sitte gewefen, geht auch aus einer Nachricht
von der Befchreibung der Feierlichkeiten hervor, da 1487
die Zuͤricher auf bie Kirchweihe gen Uri zogen. Diefe
Nachricht, gleichzeitig aufgeſetzt, ſteht im 2. Jahrgange
o.
166 - Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
des ſchweizeriſchen Muſeums. „Während ihres dreitaͤgigen
Aufenthalts daſelbſt mocht' einer eſſen, wo er wollt’, und
gab einen nüß (bezahlte nichts). Da waren wilde Gem:
fen, Steinbod, Hirzenthiere (Hirſche), Recher (Rebe),
Beren (Bären) und wilde Schwin, mer dann man geflen
mocht; ouch mangerley guter Weine: Malfenfiger (Mals
vafier), Klaret, Ipikratz (beide Weine erflärte ich fchon
oben), Feltliner (aus dem Veltlin in Graubünden) willen
und rothen; Elfaßer war der mindfl’ und ſchwechiſt. Da
fing man am Morgen an, und aß Simmeln (Semmeln)
und Malfenfiger, demnach Gefottes und Gebrattes, Willy
und Zamß (wildes und zahmes Fleifch) und dad trib man
ung (bi8) in bie Naht. Dann gab man zum Schlaf>
trunk (auch die fchon erwähnte Sitte) aber welche (aber>
mals einige) Win (Weine), und die Tifh uͤberſchuͤttelt
man mit Confer unb Zuderärbfen, fo koͤſtlich, daB davon
nü& (nichts) zu fagen if."
[4
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 467
Dritte Abtheilung,
Waffen und Kleidung.
Die Berufung auf bie Waffen und bie Kleidung ber
Ritter wird in ben folgenden Abtheilungen zu oft vors
fommen, als daß hier nicht der Ort feyn follte, barüber
zu fprechen, damit e3 als etwas Bekanntes vorausgeſetzt
werden kann.
Die geſammte Waffenkleidung, den vollſtaͤndigen
Schmuck des zum Kampf geruͤſteten Ritters, den er auf
ſeinem Leibe trug, nannte man Sarabat (wie Horneks
oͤſterreichiſches Zeitbuch an mehren Stellen beweiſet),
oder auch Sarwat, Sarawat, Kriegesge⸗
wand, Kriegesanzug. Da die Ritter nun nicht immer
geharniſcht ritten und gingen, ſondern oft in leichter Klei⸗
dung ihre Zuͤge anſtellten, ſo wurden die Ruͤſtungen dann
in Saͤcken und andern Huͤllen verborgen getragen, damit
auch ber Glanz bed Stahles und Goldes nicht leiden ſollte.
Soihe Hüllen und Säde nannte man Sarbalg (Wis
golais V. 6112.), indem Sar Rüflung, Hamifch bedeu⸗
tet. — Die einzelnen Theile ber ganzen ritterlichen Ruͤ⸗
ſtung ſind aber dieſe: |
Die Lanze. Sie mußte ſtark und aus fehwer zu
zerbrechendem Holze feyn. Man nahm dazu gerabed und
leichtes Holz und gewöhnlich von Zichten, Linden, Maul:
468 Smeiter Abſchnitt. Ritterleben.
beerbaͤumen oder Espen, aber am vorzuͤglichſten und mei⸗
ſten wurde Eſchenholz dazu genommen. Eine eigene Art
von Lanze nennt und ber Titurel (1333): er furt ain
lantze die wz gros# roryne, er führte eine Lanze, die
war groß und von Rohr. Es mag dazu wohl ein flars
tes und feſtes Rohr eined außereuropäifchen Landes ges
nommen worden feyn, welches der lebhafte Handel dama⸗
iger Zeit ald eine Seltenheit mitbrachte. Der Schaft
ter Lanze war bisweilen mit Farben bemalt, die, wie bet
ben Gemälden damaliger Zeit, auf einen Kreidegrund,
ber die ganze Lanze umzog, getragen wurden, und meifl
waren Blumen, Blätter und dergleichen darauf gezeichnet.
Die leichte Verletzbarkeit diefer Malerei hat gemacht, daß
man deren wenige findet; die breslauer Kunſt⸗ und Wafs
fenfammlung befist eine foldhe, wenn auch nicht eine uns
verlegte. Die Lanzen waren eine SHauptunterfcheidung
‚ber Ritter; Knappen durften für ſich felbft Feine führen,
fondern hielten nur die ihred Herrn; ihnen blieb bloß die
Bewaffnung mit Schwert und Schi. An dem einen
Ende der Lanze war: eine Spige von gutem Stahle aufs
gefegt, womit der Ritter, wenn er folche flraff und flare
hielt, und das Pferd ſtark war und im rafchen Anbrange
blieb, zuweilen feinen Gegner im Ernfllampfe dur und
durch ſtieß und denfelben meiftentheils aus bem Sattel
bob. Bei ben Zurnieren gebrauchte man zweierlei Tanzen,
fpige und flumpfe Die ſpitzen Lanzen wurden zum
fogenanntm Scarfrennen gebraucht oder zum ernfllichen
Kampfe; die ſtumpfen dagegen, welche von ben Kronen,
mit denen biefelben- oben an der Spike verfehen waren,
8
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 169
Krönige genannt waren, wurben bloß im Scherzfpiele
gebrauht. Die Abbildung folcher Kroͤnige zeigt und Rürs
ners Zurnierbuch ini manchen Holzfchnitten. Gegen un⸗
ten zu hatten fie eine etwas dinnere Stelle, wo man fie
mit ver Hand ergreifen Eonnte, und die man beim Lanzens
rennen unter ben Arm ſchlug. Dover die Sanzen hatten
auch, wie wir Died an mehren Holzfchnitten in Ruͤxners
Turnierbuch fehen, gegen das Ende, Über der Hand, eine
Art von kleinem Stichblatt; doch fcheinen fie folcher Tanzen
fich blos in den Scherzrennen, nie im Kampfe bedient zu
haben, fo daß es wahrſcheinlich iſt, daß nur die, welche
Kroͤnige hießen, dergleichen Stichblaͤtter hatten. Andere
Lanzen hatten aber auch Aehnlichkeit mit unfern heutigen
Meiterlangen, indem fie von oben bi8 unten eine Stärke
hatten. Bei dem Scherzrennen gehörte eine eigene Ges
Tchicflichfeit dazu, feinen Gegner fo zu treffen, daß die
Lanze nicht abeutfchte, fondern flarf traf und im Stoße
zerfplitterte, wogegen es wieder eine Kunſt des Anges
rannten war, biefem ungeheuren Stoße Praftvoll zu wider: -
fieben, um nicht aus dem Sattel gehoben zu werben.
Dazu halfen auch die großen Sättel, auf denen fie faßen,
welche Hohe Rüdlehnen und Worderfeiten hatten, fo daß
fe feft in dieſelben eingeklemmt waren und fih einem
Ritter unferer Zage gewiß Leib und "Seele eilfertigft von
einander trennen würben, wenn er folchen Stoß nur Eins
mal erbulden Tollte.
Der obere Theil ber Lanze war bisweilen mit einer
Sahne geziert, die einen langen und weit wallenden
Schweif hatte; immer findet fich eine ſoiche Fahne nicht.
170 Bivelter Abſchnitt. Ritterleben.
Dieſes Faͤhnchen (franz. penon, lat. pendo) fuͤhrten die
Ritter fo lange, als fie noch keine gewiſſe Anzahl Lehn⸗
leute unter fich hatten, ober andere Ritter befolden konn⸗
ten; es endete fi) mit einem Bipfel, An der Seite des Rita
‚ terd und unter feinem Faͤhnlein fochten feine Knechte, Knap⸗
pen, Wappener, wenn er bergleichen unterhalten Eonnte.
Bar er dies nicht im Stande, fo hielt man es feiner
Ehre und Würde nicht nachtheilig, auch noch ald Ritter,
wie früher der Knappe eines Mächtigern, nun ber Lehn⸗
mann eines Reichern und Mächtigern zu werben, Sold
von bemfelben anzunehmen und unter dem Banner deflels
ben Kriegesdienſte zu leiften. Verſtatteten aber feine Um⸗
flände, daß er für fich felbft ein anfehnlicyes Gefolge von
Kittern, Lehnleuten und Knechten unterhalten Tonnte, fo
bat er den Kriegesheren oder befien Feldhauptmann, fein
Faͤhnlein in ein Banner zu verwandeln. Man fchnitt
dann ben Zipfel bed Faͤhnleins ab, denn die Banner
waren vieredig, und nun war aus dem Ritter ein Panierz,
oder Panners, Bannerherr geworben (lat. bannerius,
vexillifer, vexillarius). Diefer Borzug war ehedem fo
lange erblich bei der Familie bed Bannerheren, als ihre
Gluͤcksumſtaͤnde unverändert blieben, das heißt, fo lange '
fie die erforderliche Anzahl von Rittern und Knechten, im
Frankreich wenigftend 25, in Deutfchland aber gemeinigs
ich 10 Helme ober Spieße „wohlerzeugter Leute! gegen
den Feind fielen und unterhalten konnte. Es gab ins
deilen auch Bannerherrſchaften und Länder, welchen das
Recht oder bie Pflicht, das Banner zu führen,. gleichfam
anflebte und wo alfo baffelbe jedem Inhaber zukam. Für
‚3 Abtheil. Waffen und Kleidung. 171
einen Reſt dieſes Gebrauchs hat man in Deutfchland das
fonft gewöhnliche Fahnenlehn gehalten, deren Befiger vom
Kaiſer mit einer Fahne belehnt werben.
Die Lanze bat in den alten Gedichten und Gefchichtö=
werfen verfchiedene Namen. Sie wurde meiftentheild nur
der Schaft genannt; Lanzen = Spiele, Zurniere halten,
heißt: Schäfte brechen. So lautet es 3 B. in den Nibe⸗
lungen V. 2328.:
Man trug aud dar mit Schilben viel manchen efhenen
Schaft,
woraus auch zugleich das Holz, aus dem die Lanzen ge⸗
macht wurden, wie ſchon oben berührt, Far wird. Dann
kommt das Wort Glefe oder Gleve vor, ein Name,
der duch mehre Sprachen gebt und immer ein fpikes
und fcharfes Werkzeug bedeutet. So heißt eine. Lanze im
Niederſaͤchſ. Glaͤyink, im Schwed. Glafwen, im mittl.
Latein Glavea. Am Walliſ. iſt Glaif eine Sichel und im
‚Engl. Glave, im Franz. Glaive ein Degen. Es hängt
zufammen mit gladius. Eigentlich ift Gleve aber nichts
anders, als die eiferne Spitze der Lanze und wurde
nachher nur für den ganzen Speer gebraucht, obgleich
fpäterhin, als Gleve ſchon bie ganze Lanze bebeutete,
dafuͤr Gleven⸗Eiſen gefagt ward. Eine Stelle bes Titurel
(1333) ift dafür bemeifend:
Er furt ain lantze die v grost roryne,
Golt var stahel (goldfarbener Stahl, vergolbeter
Stahl) ausz india
Was die gleuy, gewirret mit rubyne (bunt befegt
mit Rubinen.)
-
*
172 Broelter Abſchnitt. Ritterleben. -
Sn der fpätern Zeit heißt Gleve aud) ein mit einer Lanze
bewaffneter Reiter, ja eine Zahl von 4 — 5 bewaffneten
Meitern warb fo genannt. Dahin gehören die Benennun⸗
gen: Glefenreiter und Glefenbürger, fowie
Glef
Außer dieſen großen Lanzen hatten nun noch die
Ritter kleinere, welche ſie aus der Ferne auf einander ab⸗
ſchoſſen und warfen, wenn fie auch gleich manchmal im
Uebermaaß ihrer Kraft bie großen, gewichtigen Ranzen fo .
gefchleudert haben mögen, wie denn Brunhilde auch eben
Beinen Beinen Speer warf. Diefe hatten meiftentheild den
Namen Spieß ober Speer auch bei ver Jagd gebraucht;
der hauptfächliche Name aber war alt Ger, zufammens
bangend mit Wehr. Sie lieferten befonders dadurch einen
Beweis der Kraft, daß jemand einen Schilb halten mußte,
Und ein anderer fchleuderte aus ber Ferne den Ger dage⸗
sen. Der Schuß mußte den. Schild burchbohren, oder
wenigftend der Ger im Schilde haften bleiben, und ber
andere mußte ben Wurf aushalten. Am deutlichſten zeige
das Ganze die Befchreibung bes ungefügen Speered, ben
Brunbilde ſchoß. So lautet es V. 1773:
Da trug man ber Fraun, viel ſchwere und auch groß
Einen Ger viel ſcharfen, den ſie alle Zeiten ſchoß,
Stark und ungefuͤge, ſehr groß und breit,
Der zu ſeinen Ecken viel harte, furchtbaren ſchneid't.
Von des Geres Schwere hoͤret Wunder ſagen:
Wohl viertehalb Maße (7) waren dazu geſchlagen;
Den trugen kaum dreie der Brunhilden Mann;
Dieſen ungeheuren Ger nun ſchleudert Brunhilde durch
den Schild aus der Ferne, daß Siegfried und Güuͤnther
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 473
beide zuſammen, und noch dazu durch die Tarnkappe mit
erhöhterer Starte ausgerüftet, es kaum aushalten konnten
und beide vor ‚ber ungeheuren Erſchuͤtterung ſtrauchelten.
Drauf ſchießt ‚Siegfried füs Günther, verborgen, ben Ger,
aber umgelehrt, damit die Schneide bie Jungfrau nicht
verlege, auf fie ab, fo. daß ihre Waffenruſtung laut ers
klingt, und fie auch niebarflürzt, Dean fieht hier in allem
die Riefenhaftigkeit und ungefuͤge Größe ber Heldenzeit. —
Was diefen. Ger nun noch wichtiger macht und ihm wohl
fhon in fruͤheſter Urzeit ſeine Stelle enmeifet, iſt fein noch
heut zu Zage gewöhnlicher Gebrauch in Afien, dem Muts
terlande der Voͤlker. Die Perfer nämlich, haben. einen
Wurfſpieß, den fie noch heut zu Zage Dſcher nennen,
der ein leichter Wurffpieß ift, deſſen fie ſich bei ihren .
Luſtkaͤmpfen zu Pferde, einer Art von Turnieren, bebienen:
Der Panzer oder Harnifich. heißt im Franz. Hau-
bert, Cotte de Maille, Brugne; im: Latein. Pancera;
Brunia, Lorica. Im Deutfchen kommen and mehre Bes
nennungen für ihn vor, namlich, außer Panzer und Hars
nifch nody Ringe, Dalöberg und Bruͤnne. — Brinmen
heißen bie Bruftparnifche ſchon zu den Zeiten ber Karo⸗
linger. — Die Ableitung. des Wortes ift . verfchieben.
Einige leiten ed von der dunklen, braunen Barbe bed
Eifens ber, doch mit Unrecht. Beffer it die Erklärung, wenn
man das Wort brün in feiner alten Bebeutung fuͤr glaͤn⸗
zend, licht, verfteht, und es fo_von bernen,. brehben,
Drennen ableitet. Daher beißt auch brunen, : bruniren;
putzen, Metall aufglätten. Audese erklären es ſuͤr Bruſt⸗
flü@ (thovax), abgekitet von dem Gambrijchen broni,
174 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
die Bruſt. Adelung endlich leitet das Wort von Bryn,
Braun, Brun, ab, der Rand, das Oberſte einer Sache,
daher noch Augenbraun, Braͤm eines Kleides ober Pel⸗
zes, und darin würde nun der Begriff des Schuͤtzens,
Bergens, Bebedend liegen. — Jeder Franke, der 12
Manfos (ein Ackermaaß, unferem Worte Hufe entfpres
chend) in Befig hatte, mußte mit einer Brunia, d. h.
völlig fampffertig gepanzert und mit zwei Schildknappen
im Felde erfcheinen. Schon in den ſaliſchen und ripuari⸗
fchen Geſetzen kommt diefes Work Brunia vor, wie es
fih denn auch im Angelfächfilcyen als Byrn, Byrna, im
Srländifchen als Bringa und im Altdeutfchen ald Brunia,
Bringe, Bränne, Brünne und Brimme findet. Es ift zu
bemerfen, baß wir die Benennung Bränne nur in ben
Gedichten finden, welche auf aͤcht deutſchem Grund und
Boden erwachfen find, alfo in dem Heldenbuche und ben
Nibelungen, fo wie auch in ben beutfcher Dichtung fo
nahe fallendert Gefängen von Karl dem Großen; daß es
in ben andern Gedichten, die welchen Urfprungs find,
vorfäme, wenigſtens bedeutend oft gebraucht würde, wüßte
ih) durchaus nit. Died gewährt auch einen Beweis,
wie utalt ber Stoff der Nibelungen und des Heldenbuches
tft, und in wie ferne Zeiten bie erfle Bearbeitung fällt,
ald die Benennung Brünne no im Volle allgemein. war.
Dagegen war bie Benennung in der eigentlichen Ritterzeit,
wo nicht ganz verfchwunden, doch fo zurüdgebrängt, daß
fie nicht mehr von den. Dichtern gebraudt ward, und bie
Gedichte daher, welche in ber eigentlichen Kitterzeit erſt
gearbeitet ober uͤberſetzt wurben, haben dies Wort nit. -
\
J. Abthei. Waffen und Kleidung. 175
Zum Beweife, wie biefes Wort vorkommt, nur zwei
Stellen der Nibelungen, V. 275:
Ihre viel lichten Bruͤnne, die wurben auch bereits
und V. 7115:
Ich mwähne, fie an dem Leibe bie feften Brünne tragen.
Im Heldenbuche tommt diefes Wort uͤberaus oft vor.
Auch hieraus werben zwei glei auf einander folgende
Stellen genügen:
‚Darum will ich euch geben
Ein’ Brinne wunnefan,
Die kein Herr in fein Leben
Richt beßer mag geha’n.
Wohl achtzig taufend Marke
Sf diefe Brinne werth.
Halsberg iſt eigentlih dasjenige Stuͤck des Panzers,
welches ben Hals bedecket, daher auch der Name, vont
den Hals bergen. Wir denn, mit bergen verbunden,
noch ebenfalls bie Zufammenfegung: Beinberge, für eine
Bekleidung und Bepanzerung ber Füße vorfommt, wodurch
die Bedeutung des Wortes für ein einzelnes Waffenſtuͤck
Har wird. . An den Ruͤſtungen fieht man auch immer,
dag die Verpanzerung bed Halfes und des obern Theils
ber Bruſt, worunter fi dann ber Bruft: und Bauch
Panzer anfchließt, befonders if. Darum theilt auch das
Gedicht vom heil. Anno, auch eines ber urfprünglic, deut⸗
fhen und fehr alten Gebichte, Haldberg und Brünne von
einander ab, indem ed fagt:
Balspergin unti Bruinu
Duͤ gart er fi ci flurm.
\
1776 : Bwelter Abſchnitt. Ratterleben.
Späterhin warb bad einzelne Stud der Bewaffnung für
den ganzen Panzer gebraucdt.. Im mittlern Latein heißt
das Wort alsberga ober halsberga, im Franz. hauber-
geon, im Stalienifhen usbergo; Islaͤnd. Halsbjorg.
Alles died zeigt, Daß das deutfche Wort immer das Grund⸗
wort war, aus dem jededö andere hergeleitet ward. Im
Deutſchen find mit dem Worte Dalsberg noch überein:
fommend: Platte, Krebs, Küris, Bruſtblech oder Hals:
hembe, welche Benennungen aber auch wieder meift für
das Ganze der Bepanzerung mit gebraucht werden. Eben
fo tommt-die Benennung: Spaldenier oder Spalbes
ner vor, welche eigentlidy .auch nichtd anders als Hals:
berg bedeutet, nämlich die Ruͤſtung, welche die Schultern
deckt. So iſt es in Ulrichs Yon Lichtenflein Frauendienft
(S. 141).: „Da wappnete fi mander Denn, und aud
ich legte Waffen an, ein Spaldenier und auch zwei
eifene Hofen.” Die Benennung Halsberg erſcheint übers
aus oft in den alten Gedichten, ein paar Stellen werben
genligen. Nibel, 6098:
Die Nibelunges Helben kamen mit ihnen bann
In taufend Halsbergen.
V. 8880 — 4:
Daß das Sort vom Himmel nun geruhen wollte,
Das ih Schild To guten hier noch tragen ſollte,
Alfo bu Haft vor Handen, viel ebler Rüdiger,
So bedürft? ich in den Stürmen ‚bie keiner Halsberge mehr,
Aud beiden Stellen geht aber. uch hervor, daß bie ganze
Bepanzerung bed Leibes fo genannt ward. Dann findet
fi) Halsberg noch in der Bedeutung für „Bitte ſelbſt.
V. 7749 der Nibelungen:
3. Abchell. Waffen und Lieibung 177
Die Blobelines Relen, die waren bereitet gar;
Mit taufend Halsbergen huben ſie fid dar,
Da Dankwart mit den Knechten ob den Zifchen faß.
Wie man in der fpäteren Zeit auch fagte: er fam mit fo
und fo viel Harnifchen „,d. h. er Fani mit fo und fo viel
Kittern, und wie man aud) in heutiger Zeit bloß Pferbe
für Reiter fagt: der Feind ſchickte 200. Pferde vor,
"Died Wort Halsberg wird nicht bloß in den. alten
Gedichten gefunden, welche älteft deutſchen Urſprungs ſi nd,
wie das vorher erwähnte Brünne, fonbern auch in ben
fpätern und in denen, welche aus den fremden Sprachen
übertragen worden. So z. 8. Triſtan ®. 5201:
Die Ritter ſich bereit'ten
. Und unter ihr! Roͤcke leiten (tegten)
Ihr Halsberge.
So auch in der altdeutſchen Meberfegung ber Aenede, im
trojaniſchen Kriege u. ſ. w.
Die Ringe oder das Ringgefpänge bedeuten
gleichermaßen ben Panzer und zeigen beſonders bie ganze
Weiſe an, wie eine Art berfelben verfertigt warb. . Das Wort
Ringe kommt befonders- häufig vor und findet ſich in allen
Gedichten ded Mittelalters, ſie mögen .einheimifchen ober
fremden Urfprungd feyn. Um es befler zu verftehen, muß
ich hier von den: verfchiebenen Arten ber. Panzer forechen.-
Die Altefle Art der Panzer, wenigſtens ſcheint es nach
den älteften Bildern fo, war aus ſtarkem Eifendrath und.
meift doppelt geflochten. Es bildete fich ‚daraus ein Teicht
bewegliches gemafchtes Kleid, welches ziemlich enge an ben -
Leib anſchloß und als ein voͤlliges Mamms, mit Aermeln,
Beinkleidern oder auch wir ein bloßer Schurz : rundum,
42
478 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
wie eine Jacke mit Aermeln, und wie Struͤmpfe gebilbet war.
(a8 darunter und darüber gezogen wurbe, werben wir
gleich feyen.) Daher fchreibt fi) auch die Benennung
Maſchen; denn ed waren förmliche Maſchen, wie an
einem gewebten ober geflridten Wamms. Im mittlern '
Latein hießen fie Maculae, und im Franz. warb danach
der ganze Panzer Macles, Mailles, ‚Cottes de Mailles
genannt. Won ſolchen Panzerhemden finden wir oftmals
noch einzelne Stüde in Ruͤſtkammern vor, theild ganze
Waͤmmſer, theild Aermel, Beinkleider u. f. w. Wir fehen
diefe Art der Rüftung auf Dentmählern und auf alten
Bildern. Als Denkmahl ift bierbei uͤberaus wichtig dad
Grabmahl Herzog Heinrich des IV von Bredlau, des
Minnefingers, welcher 1290 ſtarb und in ber breslaner
Kreuzkirche, das nicht allein an und fuͤr ſich ein bedeuten⸗
des Kunſtwerk iſt, ſondern an dem ſich die ganze Ruͤſtung
quf das deutlichſte zeigt, und beſonders auch der Maſchen⸗
panzer ſichtbar wird, Klar iſt dieſe Ruͤſtungsart auch auf
dem Grabdenkmable eines Altern Herzogs von Sthleſien,
ber ſchon hundert Jahr vor Heinrich IV lebte, des Her⸗
zogs Boleslaus, er ſtarb 1201, der ſeine Ruheſtaͤtte und
ſein Denkmahl in Leubus fand. Eben ſo zeigt er ſich in
ben alten Bilbern, welche die maneſiſche Handſchrift ver
Minneliever zu Paris enthält.” Ein kuͤrzlich daraus nach⸗
geſtochenes Bild des Schenten von Limburg macht bies
beutlich. Diefer Mafchenpanzer lag nun nicht etwa enge
an, fondern er fchlug in Zalten über die Bruſt und hing
auch fo an ben Armen, nur an ben Füßen und Lenden
ſcheint ex dicht angelegen zu haben. An biefem Panzer
.
3, Abtheil. Waffen und Kleibung. 179
if der. Theil, welcher Halsberg genannt wigb, nicht vecht
fichtbar. Wahrſcheinlich war er hei ihnen eine dicht um
den Hals fchließende und bie Bruft bedeckende Blechbeklei⸗
dung, welche unter den Mafchenpanzer angethan warb,
wenigſtens ſcheint darauf ein haldbandartiger Schmud bei
‘den Rüftengen, z. 8. bei der Heinrichs IV, hinzubeuten;
aber er lag auch ald ein dicker, faltiger Wulſt auf der Beruf.
“ . ine andere Art der Panzer muß aus metallenen,
zuweilen auch hornenen Schuppen beftanben haben. Daß
Schuppen von Horn gemacht wurden, geht aus. einer
alten Ehronik von Koͤlln hervor, in der beim Jahre 4115
von bed Kaiſers Heinrich V gepanzerten Kriegern gejagt
wird, qui .loricia .cormeis ferro impenetrabilibus ute
bantur; welches in. einer alten Ueberſetzung fo verbeutfcht
wirb: bie alle hatten Halsperghe von Horne gemacht,
Diefe Schuppen waren Fleine, butchbrochene, viereckige
- &shde Eifen und rantenförmig., In der Wappenkunde
haben die Rauten, befonderd die an einer Ede ausgebro⸗
denen, welche von den Franzoſen noch jegt Macles ges
nannt werben, bie Geflalt und die Bedeutimg jener alten
Schuppen. Diefe Schuppen mußten fe fehl auf einander
gelegt und in einanber gefchichtet werben, daß aller Raum
dazwiſchen, fo viel möglich, vermieden warb. Solche
Schuppenpanzer mäffen auch ſchon fehr früh Sitte gewes
fon ſeyn, ja fie fallen weit vor die Zeit bes Ritterthums,
und gingen nur aus alter Bewaffnung in bad Ritterweſen
über. Sir das frühe Daſeyn diefer Panzerart fpricht das
Gedicht: de expeditione Attilae ac de rebus gestis
Walthari, ein Gebicht, welches zum Kreiſe bed Helbens
12”
\
4180 Zweiter Abſchnitt. "Ritterleben,
buchs gehört und im 9. Jahrhundert von einem Mönch,
Edehard im Klofter St. Galten, gedichtet warb. Daria
beißt es V. 470;
Praecin gito ‚corpöra ferro 5
Fortia. squamosusthorax iam texga recondat.
| Die dritte Art der Panzer iſt endlich diejenige, bei
denen die Rüflung aus großen Blechen befteht, die nur
an Armen, Schultern, Lenden und Füßen beweglich‘ find,
um’ ben Bewegungen bed: Leibes machzugeben, in. dewen
auch der Ritter vom Kopf bis zur. Fußzehe gehüllt war,
und die meift von heil gegjättetem und glängendem Stable,
oft andy mit fchönen eingeägten und dann vergoldeten Ge⸗
flalten geziert waren. Diefer Panzer aud ganzen. Eifen-
fidden, von bem ein trefflich gearbeiteter fih auf ber
bresiauer Alterthuͤmerſammlung findet, machte ben. Strei⸗
ter gelenkſamer und beweglicher, als ber Maſchen⸗ „und
der Schuppenharniſch; und als ex eingeführt war, warb
auch fogar ber Schild entbehrlich, indem er auf die gehoͤ⸗
zigfte Weife den Leib deckte umb fich doch den Bewegungen
keicht fügte. Solche Ruͤſtungen nunnte man noch im 16.
Jahrh. den Krebs, von ihrer Frebsartigen Geftalt, indem
mit deſſen Schaalendecke eine unverfennbare Aehnlichkeit ob⸗
waltet. So uͤberſetzt auch noch Luther das griechiſche Wort
Gupak durch Krebs, und Leonhard Frundsberg fpricht in
* feinem Kriegsbuche von der Rüflung, die er Krebs nennt.
Zum Beweife, wie ein folcher Krebs geflaltet war, dienen
faft alle die Rüftungen, welche wir noch auf den Bühnen
feben; die meiflen Ritterabbilbungen vom 15. Iabrh. ar
liefern ebenfald biefe Rüftungen aus ganzen Stüden, und
3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 181
deutlich ift fie auch auf dem Siegel der fchlefifchen Ges .
fammtherzoge zu Münfterberg ums dahr 1500, welches
ich habe in Eifen gießen laſſen.
Ob nun unter dem Ramen Platten, welcher eben=
falls häufig für Panzer vorfommt, wur die.dritte Art ge⸗
meint ift, ober auch bie zweite, iſt noch nicht ficher aus⸗
zumachen; fo viel ift aber genaß, daß noch in hen ſpaͤte⸗
fien Zeiten die Harniſchmacher und Harniſchſchmiede bie
Platt ner-Zunft bildeten, fo daß wohl der Name beſon⸗
ders für bie dritte Panzerart gilt.
Unter dem Harnifch trug ‚man gewöhnlich ein Wammp
von Leber oder feivenem Zeuge, welches mit Baumwolle,
Flachs, Werg ober Zumpen did außgefhttert war, um ben
Streih de3 Gegners zu entkräften, der außerdem fehr
empfindliche Quetſchungen hätte verurſachen Finnen, bes
fonder8 bei den Mafchenharnifchen, menn bie Mafchen zu⸗
nächft am Leibe gelegen hätten. Im Franz. hieß dieſes
Wamms: Gobisson, Gambesson, im, mittlern Latein:
_Wambasium, Gambeso. Sole dicke Bekleidung unter
dem Panzer bat gewiß zu allen Zeiten. und bei allen Ge:
fialten des. Panzers geherrfchtz; denn fie war nothwendig,
bamit der Panzer nicht zu nahe den Leib berührte, ihn -
druͤckte und beſchaͤdigte. Sn fpäteren Zeiten warb bie ges
wöhnliche Ritterkleidung eines Wammſes und langer Bein⸗
Eleider, meift beides von Leber (ein ledernes Koller, wie
es hieß), darunter getragen. Zu ber ritterlichen Ruͤſtklei⸗
dung gehörten auch die Gurthoſen; ob. dieſe nun immer
son. Eifen waren, oder auch von Leder ſeyn durften, dar⸗
über fehlen, noch. ſichere Befimmungen. -- .
482 Zweiter Abfchnitt. : Ritterleben.
Dieſer Panzer, er mochte nun ein Maſchen- oder
Schuppen⸗Panzer oder ein Krebs ſeyn, bedeckte immer
den ganzen Leib, vem Halſe an bis zur Fußzehe, nur
die innern Seiten der Lenden hatten keine Bepanzerung,
damit der Ritter nicht am feſten Schluſſe auf dem Roſſe
gehindert wurde, ſondern die Lenden unmittelbar an den
Sattel druͤcken konnte. Ale Stuͤcke waren fo enge mit
einander verbunden, daß fo leicht Fein Stoß ober Hieb
‚dazwifchen kommen Tonnte, wenigftens im firengen Kam⸗
pfe zwifchen Mann gegen Mannz nur tüdifcher Verrath,
Ueberfall von hinterrüds, wobei man die Fugen auffuchen
Tonnte, um Schwert ober Lanze dazwifchen zu floßen,
Eonnte eine folche Verwundung bewirken. An biefe Ruͤ⸗
flung ward nun die Kopfbededung ‚ ber Helm, fo feft ges
fügt, daß auch zwifchen ibm und ber übrigen Rüftung
keine Luͤcke blieb. Dazu diente nun, befonbers bei ber
Mofchenrtftung, ber unter derfelben auf ber Bruft befeftigte
Halöberg, an bem hinten, wie an dem Kreböpanzer, ein
eiferner Stachel war, ber in ein Loch am Helme paßte,
| wodurch die Befefligung bewirkt wurde, aber doch noch
Beweglichkeit blieb, indem fonft bei jeber Beugung bes
Kopfes eine dem Bitter fehr verberbliche Deffnung im
Nacken aufgelafft hätte. Bei den Stechhelmen zum
Scharfrennen findet man au vorne Spuren, daß biefels
ben völlig angefchloffen wurden.
. Ueber biefe Leibruͤſtung zogen große Herrn und vors
nehme Ritter einen
Waffenrod. Dies war ein‘ Oberlleid, in einer
ſackartigen Geſtalt gemacht, das wohl meiſtentheils uͤber
0
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 183
den. Kopf geworfen werben mußte und weder hinten noch
vorne geöffnet war. Der Waffenrod hatte nie Aermel
und wear von dem feinften Zuche gemacht, zuweilen mit
Gold oder Silber durchwirkt, oft auch von Pelzwerk oder
Zoftbarem Zeuge. Bei diefem Mantel war die Länge ſehr
verfchieden; er reichte entweder bis auf. die Knie, oder bis
über bie Waden, ja bid auf bie Knöchel, je. nachdem es
ber Wille des Ritters und bie Sitte der Zeit verlangte.
Dft erforderte ein beſonderer Zweck eine andere Einrich⸗
tung biefer Ride, naͤmlich, daß fie fehr lang waren, ja
dann auch fogar oft Aermel hatten, wenn nämlich bie
ganze Rüftung verhüllt und verſteckt werben follte, beſonders
wenn ein geheimer Ueberfall beabfichtigt ward. Dann waren -
fie aber mehr eine Art von Mänteln, ald bag fie ben
Wappemroͤcken entfprocyen hätten, welche nur mehr zum
Schmud dienten und nie bie freie Bemegung bed Krieger
hemmen durften ober durch lang wallenbe Theile etwa gar.
in bie Streiche und dad Schirmen ber Ritter mit dem
Schwerte fi verwideln konnten, um fo fchäblih und
verberblich zu werben. Weber die langen Mäntel iſt eine
Stelle im Triſtan bemerkenswerth, V. 5493 u. ff. Als
Triſtan nach Britannien kommt, um bon Morgan- fein
Reich wieder zu erhalten, faßt er den Plan, ihn zu über:
fallen, und hieß „feinen Rittern, ſich bald bereiten und
unter ihre Röde ihre Haldberge (ed ift auch hier bie .
Benennung Halöberg zu bemerden, in einem Gedichte,
das aus dem Franzöf. üuberfeht ift, woburd auch klar
wird, daß es bamals ein ganz allgemeiner Ausdrutk war,
welches auch Urkunden und Gefchichtöblicher beweifen) und.
⸗
18% BZweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ihre Waffen bergen, fo daß niemand irgend einen King
(auch . diefe Benennung ift zu bemerken) aus dem Ges
wande bervorfcheinen ließe.” — Meiftentheild war diefer
Mantel mit dem Wappen bed Mitterd geziert, Doch auch
oftmals ganz glatt. Man findet auf alten Bildern und
auf Siegeln die vielfachſten Vorſtellungen folcder alten
Waffenroͤcke, und kann ſich daher von ihrer Art und Weife
leicht überzeugen. Ein Beifpiel eines kurzen Waffenrods
bis zu den Knieen ift anf dem Siegel des Herzogs Hein⸗
rich IV von Breslau, des Minnefingers, welches ich habe
in &ifen gießen laſſen. Es ift der weite Rod ohne Aermel,
vom Panzer fieht man die kleinen Maſchen der Armbepan⸗
"zerung, und bei den Füßen ſieht man auch einige, wenn
‘auch nur undeutlihe, Spuren derfelben. Klarer erfcheint
‚beides, wie ſchon gefagt, an dem fehönen und merkwuͤr⸗
Digen Grabdenkmahl diefes Herzogs in der Kreuzkiche zu .
‚Breslau. Einen Iängern Waſſenrock bis über die Waden
sliefert das Bild des Wolftam von Eſchenbach, entlehnt
‚aus ber maneſiſchen Handſchrift der Minnefinger und
"beim: erften Hefte des Beufeuins f. altd. Literatur v. Has
gen, Docen und mir, befindlihd. Ein ganz langer Waf-
fenrod endlich. zeigt fich bei dem Bilde des Schenken von
Limburg aus berfelben Handidrift: Der Name Ehurfit,
welcher in alten Gebichten oftmald vorkommt, bezeichnet
nichts anders, als auch den Waffenrock.
Damit ber Waffenrock nicht ‘zu fehr vom Bine
möchte ergriffen werden, flattern und fich fo am den Rit⸗
‚ter, ja wohl gar in fein Schwert und die Hiebe, die er
führen wollte, widelte, bediente mar ſich eines Gürtel
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 185
oder eine Schaͤrpe, um-ihn uͤber den Hüften feſtzuhal⸗
ten. Diefe Schärpe deutete auch oftmals durch ihre Farbe
an, aus welchem Lande der. Ritter war; fo trugen z. B.
bie Engländer vothe, die Franzofen weiße. Schärpen.
Die frangöfifhen Großen ſuchten noch zu biefer weißen
Farbe eine andere, ihre eigene Hausfarbe, in ihre und
ihres Vaſallen Schärpen zu fügen, 'und nannten biefe,
ihre eigene Leibfarbe, Livrei, woraus fich fpäterhin bie
Tracht ver Bedienung entwidelte, welche auch den Namen
Rivrer erhielt.
Das Beifpiel einer ſolchen Schärpe liefert fchon aus
dem Jahre 1175 das Siegel des Herzogs Boleslaus,
welches ich habe in Eifen gießen lafen, bei dem man das
Daſeyn eines .Waffenrodd nicht recht deutlich ficht, da ex
fehr kurz mar, aber das flatternde Ende einer Schärpe
bemerkt. Späterhin ward dieſe Schärpe ‚ da fie durch
ihre Farbe Bedeutſamkeit gewonnen, auch über bie bloße
Ruͤſtung gelegt, aber nicht mehr um bie ‚Hüften, fondern
son ber reiten Schulter zur linken Seite übergehängt.
Gewoͤhnlicher in-Alterer "Zeit war und warb in fpäterer
Zeit wieber:.der Bürtel; davon fogleich.
. Die Befchreibung, welche ih von ben Baffenröden
gab, daß fie die Geftalt eines Sackes gehabt: hätten, ber
über den Kopf geworfen warb, beftätigt fich auch aus ber
kunſtloſen Art und Weiſe, wie. manche Ritter ſolche Waf⸗
fenröde, die fie der Gewohnheit nach tragen mußten,
auch wohl um KLanzenfliche abzumenben, ſich verfchafften.
Ein. merkwuͤrdiges Beifpiel der Art erzählt Johann Te
Sevre von St. Remi (Hist.' de Charles IV. p. 9.).
⸗
180 3weiter Abſchuitt. Nitterleben.
Der Herzog von Brabant kam, vom Koͤnig von Frank⸗
reich geſchickt, im Jahre 1415 gerade in dem Augenblicke
an, ald die Schlacht bei Azincourt gefochten werben follte.
Da er nur in gewöhnlicher Rüftung war, lief er fehr
eiffertig hin und nahm eine von ben Panieren feiner
Zrompeter, machte in ber Mitte deſſelben ein Loch unb
bing fi) nun daſſelbe ald einen Waffenrod über.
Diefem Beifpiele eines ungefhmüdten und leicht vers
fertigten Waffenrockes fichen dagegen bie Nachrichten von
böchft koſtbaren Waffenroͤcken gegenüber, da fie, als ein
borzügliches Kennzeichen ritterlicher Würbe, wie wir gleich
fehen werden, oft überaus prachtvol angefertigt wurben.
Daß fie von Seide und feinem. Tuche gearbeitet waren,
habe ich bereit bemerkt, aber fie waren auch außerbem
mit Gold und Silber reich geftidt, und reich durchwirkt,
und mif dem prächtigften Hermelin, mit Grauwerk, Zo⸗
beipelzen und andern vergleichen koſtbaren Sachen gefüts-
‚ tert. Die Barbe der WBaffenröde war meiftentpeils will
kuͤrlich; oft wurden fie aber auch geflidt, und zwar nicht
allein mit..den Wappen ber Ritter, fondern auch mit eins
zelnen Theilen der Wappen und beſonders mit Sternen,
Monden, Sonnen, Thieren, Vögeln und dergl. beftreut.
Der Aufwand nahm in biefem Schmude, befonders in
Kriegeszeiten, fo zu (auch wenn bie Ritter über Meer
zogen, wo fie benn oftmals. außer ber Stidlerei, noch. koſt⸗
bare Achte Perlen darauf fegen. ließen), daß bie Herrfcher
fih genoͤthigt fahen, eigene Aufwandögefege bloß über
die Zragung der Maffenröde ausgehen zu laffen. König
Philipp Auguf von Frankreich und König Richard von
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 187 -
England verorbneten im Jahre 1190, daß man fich Fünf:
tig des Scharlachd, Grauwerks, Hermelind u. dergl. ent⸗
halten folle, und biefes befolgte felbft Ludwig der Heilige
bei feinem Zuge jenfeit des Meered. Soinville ‚verfichert
in feiner Gefchichte dieſes Königs, daß, fo lange er mit
dieſem Könige über Meer gewefen, er kein geftidtes und
reich beſetztes Kleid gefehen habe... In England wurbe
fogar in zwei Parlamentöfihungen verboten, daß Jemand,
ber nicht jährlih 400 Pfund Einkünfte Hätte, fich der
Waffenröcde bebiene. Durfte fich ein Ritter des Waffen:
rods bebienen, fo trug er ihn bei großen Zeierlichkei-
ten, Kriegeözügen und bergleichen. Gewohnheit war es
im Mittelalter Kleider, Mäntel, Zeppiche, Schärpen,
Sürtel, Schleier, Deden auf Tiſchen und Betten, und
dergleichen Gewandſachen mit Sprüchen, weiche eingeſtickt
wurden, zu zieren, und ſo ſchmuͤckte man auch die Waf⸗
fenkleider mit ritterlichen, ſittlichen oder frommen Spruͤ⸗
chen. Solche Spruͤche, die dann gewoͤhnlich feſt ange⸗
nommene Denkfpruͤche der Ritter waren, nennt man im
Franzoͤſiſchen Devifen; unb waren daher die Waffenzöde
auf dieſe Art geziert, fo nannte man fie habits en divise.
In den Nibelungen und in andern Gedichten wird ber
Waffenrock alıh Waffenhemde genannt, welches ex
benn auch wirflid war, wie bie ganze befchriebene Geſtalt
zeigt, nur daß er Feine Aermel hatte. So beißt es von
der Brunhild B. 1723:
Sie hieß ihr da zu Streite bringen: ihr Gewand,
Eine Bruͤnne rothes Goldes und einen guten Schildesrand.
Ein Waffenhembde ſeiden, das legte an die Maid,
Das noch in keinem Gtveite Waffen nie verfäneib't,
R
—
—
*
I
188 = Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Bon Stoffe aus ber Eybta, es war viel wohl gethan;
Bon Borten liht Gewirke, das fah man fcheinen baran.
Auch hier ſchon Stiderei und Eingewirkte. Die Golds
blättchen, welche eingenäht und darauf geſtickt waren, hei⸗
Ben in ben Nibelungen Zaine, und die Art, wie fie mit
dem Zeuge verbunden wurden, freuen, welches foviel wie
einwirken, ſticken iſt. In dieſer Bebeutung iſt z. 8.
V. 3822:
Vom Haupte bis ans Ende geſtreut man darauf fand
Auf dem lichten Rauchwerk viel manchen Goldeszain.
Die Waffenroͤcke wurden auch als vorzuͤgliche Kennzeichen
des Adels gebraucht, wenn man beweiſen konnte, daß
Voreltern ſolche getragen hatten. Denn niemand, als ein
Ritter, durfte einen Waffenrock tragen, und keinem Knap⸗
pen war er erlaubt, fo wenig, wie er einen Ritterpanzer
tragen durfte” Die Anappen = Kleibung werbe ich kurz
fpdterhin anführen. i
Die Gürtel verbienen noch eine eigene Erwähnung,
indem fie durch das ganze Mittelalter gehen und bei Laien
und Geiftlichen, bei Vornehmen und Geringen, bei Rit-
tern und Knechten, bei- Frauen und Männern gefunden
werden. Die ganze Tracht ded Mittelalters machte den
Gebrauch der Gürtel nothwendig, da meift weite, faltige
Kleider gefragen wurben, bie eine Befefligung um bie
Hüften nothwendig .erforderten. Die Frauen, gefchidte
Weberinnen und Stiderinnen in ber Zeit des Mittelalters,
wirkten und woben dieſe Girtel und ftidten Geftalten
oder Worte hinein. Co ift befannt, daß die Gemalin
Heinrichs EI, die heil. Kunigunde, für ben heil. Gotthard,
3. Abtheil. Waffen und Kleidung 189
Abt des Klofters zu Nieberaltaich, einen Gürtel wirkte,
der einen "halben Daumen breit war, und -auf dem bie
Worte: Sola fides, fich zwoͤlfmal wiederholten. Auch die
Kitter, ſie mochten nun das gewöhnliche kurze Wamms
tragen, oder einen weiten Waffenrock, ober ben weiten Rod,
den fie auch, ohne darunter eine Ruͤſtung zu legen, gebrauch»
ten, anhaben, ‚bedurften inımer eine: Umgirtung. Dazu
kommt :aun noch ber Gürtel, woran das Schwert hing,
welcher ebenfolld ein Zeichen der Ritterwuͤrde war und
cingulum militare genannt ward. Es fcheint Geſetz ge:
wefen zu feyn, wenn auch nicht inımer beobachtet, daß
bie Kappen und nicht: ritteimäßige Märnmer das Schwert,
an einem Wehrgehänge uͤher die vechte- Schulter gelegt
und nad des linten Seite nieberhangend, ttugen, woraus
denn -auc Ser oben erwähnte: Gebrauch beim Ritterfchla-
gen, mit bem Schwerte um den Hald vor den Priefter
und Altar zu’ treten, ehtfprang, worauf dann fpäter erſt
die vitterliche Umglrtung folgte; und auf dieſes Um guͤr⸗
ten des Schwerte wird. ja auch immer ein befonderer
Nachdruck gelegt. Um nun wieder auf den Gürtel, wels
der bie Kleider um die Hhften befeſtigte und innfchloß,.
zu fommen, fo fehen wir auf alten Bildern von Stein‘
und in Farben diefen Gärtel immer befonvers hervorgeho⸗
ben, und es.if. unflreitig, daß mit demſelben große Pracht
getrieben warb. Am geringfien war. die Pracht, wenn der
Gurt bloß reich geflidt war mit Geflalten von Zhieren,
Blumen oder mit andern Zuͤgen. Bei den reichern Sticke⸗
reien wurden. Perlen eingelegt, und bei ben vorzüglichften
ſah man Ebelfteine, reich in Gold gefaßt, und dam
I)
I)
190 -Bweiter Abſchnitt, Rittkerleben.
befeſtigt. Solcher Schmuck findet ſich beſonders an den
Guͤrteln hoher Perſonen, der Kaiſer, Fuͤrſten und Herzoge,
wie z. B. an dem ſchon fruͤher erwaͤhnten Denkmahle
Herzogs Heinrich II von Breslau ſichtbar, bei dem ber
Gürtel in breite Vierecke getheilt iff, die mit Ebdelfteinen
auögefllit waren. Geringere Gürtel, wahrfcheinlich nur
geftichte, zeigen fich auf andern Dentmählen. Gemeinhin
warb diefer Gürtel beſonders, und vom Schwerte-getzennt,
getragen; wie benn fchon’barans erkennbar. ift, daß, wie
angeführt, ex beiven Gefchlechtern und allen Ständen ge
meinfam wear. Das Wehrgehänge und eigentliche cingu-
lum militare befand dann aus einem breiten Gurte, der
bie Riemen bes. Schwerteß trug, und an ben, beim Um⸗
ſchnallen, ein breiter Riem varne, mehr ober minber lang,
doch nie zu lang, nieberbing. Am deutlichſtes zeigt ſich
dies, ja fogar, was nicht recht Har ifl, zwei Streifen
bangen nieber, bei dem Grabſtein des Herzogs Boleslaus
bed Langen von Breslau, deſſen gleichzeitiges Denkmahl
ſich zu Leubus befindet *). - Hier fiebt man ſehr Par das
Wehrgehaͤnge mit dem daram befindlichen Schwert, ben
Heinen Dolch, von dem ich fpäter fprechen ‚werde, ben
Maſchenpanzer des ganzen Beihes, vom Hals bis zu ben
Sehen, und ben barüber ‚befindlichen, bi8 zum Ende ber.
Wade beinahe gehenden Waffenrock, bei dem indeſſen ber’
Zeichner am obern Theile einige Verſehen fcheint begengen
zu haben.
Eine eigene Berhäfihtigung verdient noch bie: bis⸗
..
*) Abgebitbet in Ipebeflus Legnittigen Jahrbuͤchern.
3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 191
weil vorkommende Waffenfhürze Sie wurde um
die Hüften gewunden, war von ben. edlen Stoffen, die zu
ven Waffenröcden genommen wurden, und bedte die Lenden
bis zum Knie. Ihre Beſtimmung ift nicht vedst deutlich,
auch ward. fie wahrfcheinlich nicht immer und nicht zu allen
"Zeiten getragen. Allem Anfehn nach ward fie nur dann
umgensmmen, wenn’ der Waffenrod nicht getragen warb,
und diente zur Verhuͤllung ber Lendenruͤſtung, in der fich
wohl der Ritter nicht gerne fehr beengen mochte, und bie
daher meiſt weniger gut, ja eigentlid fogar weniger
anſtaͤndig, als bie andere Rüftung, ausfiel. Man findet
die Waffenſchurze noch in fpäter Zeitz denn G. v. Berli⸗
hingen fagt (& 229): „und ließ mein Harnifch zum Theil,
auch Schurz und Ermel und was ed denn war, zu Hei⸗
delberg zum Hecht liegen“.
Das Schwert warb, als bie vorzuͤglichſte ber git⸗
terwaffen, ſehr hoch gehalten, wie denn überhiipt dieſe
Waffe bei allen alten und kriegeriſchen Voͤlkern in hohen
Ehren gehalten wurde. — Nach den alten Nachrichten,
bie wie haben, trugen ſchon die Cimbern Schwerter. Sie
waren, fo wie bie der alten Gallier, fehr lang, ohne
Spige und nur auf ben Hieb eingerichtet. Die Rugier
und Lemonier hatten kuͤrzere. Der Degen, welchen man
in dem Grabmahl des fraͤnkiſchen Königs Ehilderich gefun⸗
den hat, war von Stahl, drittehalb Schuhe lang und ohne
Spite. Die Franken trugen dad Schwert an einem um
bie Hüften gehenden Gürtel, die Gothen an einem über
die Schulter geworfenen Degen = oder Wehrgehänge
Ueberhaupt waren bei den Germanen in der früheften Zeit
192 Zweiter Abfıhnitt. -Ritterleben ;.
die Schwerter felten und ſchlecht. Die Alemannen nann⸗
ten ihr Schwert Spade, Spate, Spatha. -Win fols
ches war von befrächtlicher Länge und Breite, zweiſchnei⸗
big und one Spige. Es wurde mit beiden Händen ges
faßt, und fo. mit der ganzen Kraft beider Arme. auf ben
Feind geführt; und wenn mir den alten Erzaͤhlungen
Glauben beimefien können, fo war ein flarfer Wann vers
mögenb, mit einem ſolchen Schwerte Mann uud Pferb
mitten von einander zu fpalten. |
Die frühere Zeit des Mittelalters gab, ein Uebeibleib:
fel der Heibnifchen Zeit, den Schwertern Namen, und fo
lehren und noch viele Gedichte -die Namen alter Schwerter:
Um einiged aus ber heibnifchen Vorwelt anzuführen, fo
heißt in. den Edda⸗Liedern von den Nibelungen das
Schwert, welches Regin dem Sigurt fihmiebet, Sram; in
ber Helgie Saga bat Hromund ein Schwert, Miſtelteir;
Wieland Eſchmiedet in der Willina = Saga das Schwert
Mimmung. In den Nibelungen heißt Siegfrieds Schwert
Balmung, und damit es auch in ben Gedichten, welche
wir aus dem Welfchen empfingen, nicht en dem Namen
eines Schwertes fehle, fo hieß das des Artus, Eskalibor.
In den Gedichten von Karl dem Großen giebt -e3 mehre.
Schwerter⸗Namen, von bepen ich nur amführe: Joyeuſe,
bad Schwert Karl des Großen ſelbſt; Durandel, das
Schwert Rolands; Flamberg, das Schwert Richards von
Montalbon; Heitellere, das „Schwert Diivierd u. f. w.
Alle diefe Namen und noch mehre andere finden fih in:
dem: erfien Bande des Buches ber Liebe, herausgegeben
von mir und v. d. Hagen, ©. 158., in ber Geſchichte
3. Abtheil. Waffen und Kteibung. 193
des Rieſen Zierrabrad, der felbft drei Schwerter befaß,
welche alle drei ein berühmter Schmidt gemacht und alle
drei benannt hatte. Bei den alten Britten herrfchte eine
folche Liebe des Schwertes, daß es Gewohnheit der Mut⸗
ter eined jeben Knaben war, diefem bie erſte Nahrung
auf der Spite von feines Waters Schwert darzubieten,
und mit der Nahrung ihm den erfien Segen ober Wunſch
dahin zu geben, daß er feines andern Todes flerben möchte,
als durch das Schwert, d. h. im Kampfe*). Diefer
Werth und dieſe Heiligkeit des Schwertes zog ſich auch
noch durch die Ritterzeit; und wenn dieſe Wichtigkeit auch
nicht mehr, bei veraͤnderten Anſichten, beſonders bei dem
Glauben an göttliche und uͤbernatuͤrliche Einflüffe, fo bes
deutend hervortreten Eonnte, wie in der Heibenzeit, fo
war doch mancher kleiner Zug übergeblieben, ber biefe
frühere Bebeutfamkeit verrietb. Go ertegten die Schwer:
ter und übrigen Waffen, welche die berühmteflen Ritter
im Streite geführt hatten, und bie fo oft Werkzeuge ihres
Sieges gewefen waren, ben Ehrgeiz ber Zelbheren und
ſelbſt hersfchender Zürften. Sie flrebten, fie zu befigen,
entweder um felbft Thaten damit zu verrichten, welche
dem Andenken der früheren Inhaber würbig wären, oder
um folche in ihren Waffenfälen und Zeughäufern als
mertwürbige Dentmahle aufzuheben. Zuweilen fchenkte
man fie ben Kirchen (davon mehr bei ber Abtheilung von
bem Tode der Ritter); man weihte fie fo ber Gottheit,
*) The Cambrian popular antiquities by Roberts. London
1815. p. 211.
- 48
4192 weiter Abſchnitt. Rittetleben.
dem einzigen Urheber des wahren Heldenmuthes und aller
uͤbrigen Tugenden.
Das Streben, ein beruͤhmtes Schwert zu erhalten,
ober ſagen zu koͤnnen, man ſey in dem Beſitz eines
Schwertes, welches einſt ein großer und beruͤhmter Held
getragen, war beinahe durch alle Zeitalter daſſelbe und
zeigt fih dur mehre Beiſpiele. So ift es nicht ohne
- Bedeutung, wenn es in ben Nibelungen V. 381 heißt,
als Siegfried von Schilbung und Nibelung aufgefordert
wird, daß er ihnen den Nibelungen : Schaß, über ben fie
entzweit, theilen foll:
Da gaben fie ihm zu Miethe (als Lohn voraus) das Ribelun:
gen s Schwert.
Auch die Art, wie Attila fein fiegreiches Schwert erhalten
haben fol, wird bebeutfam erzählt: Einft weibete ein
Hirt feine Heerbe und bemerkte von ungefähr, daß ein
Ochs am Beine biutete. Er ging hin und ward gemwahr,
daß etwas aus ber Erde hervorragte, grub es vollends
aus, und fiehe, da war es ein großes Schwert, welches
er dem Attila verehrte; denn männiglich meinte, Mars
müffe ed ehemals an ber Seite gehabt haben.
In wie weit diefer Glaube ſich noch in die Ritterzeit
binein erfizedte, geht aus dem Leben der Jungfrau von
Orleans hervor, von der ed bekannt ift, wie fie auf wun⸗
berbare Art zu einem alten Schwerte gelangen mußte, das fie
zur Befreiung ihres Baterlandes brauchte; und Fein anderes
Tonnte es feyn, als des mannlichen Helden, der fir Deutſch⸗
land und Frankreich von gleicher Wichtigkeit gewefen, Karlö
des Großen. Man behauptet, daB Sainte: Katharine de
3. Abthell. Waffen und Kleldung. 195
Fierbois, ein Flecken in Zouraine, eine halbe Meile von
Sainte:Maure,. ber Ort fey, wo das Mäbchen von Or⸗
leans dies Schwert Karls des Großen gefunden habe,
weiches fie bei ihren Kriegeözligen brauchte, und fagt,
daß ſie folches dem Grabe eined Kriegerd entnahm.
Das Querfiüd an dem Griff des Schwertes gab ihm
meiftentheild zugleich die Geſtalt eined Kreuzes, womit
man einen gotteöflsschtigen Glauben verband. Es diente
baber dem Ritter, wenn er in lebenögefährlichen Kampf zog,
als ein Kreuz zur Anbetungs und wenn ein Eid abgeforbert
und geletftet werben ſollte, fo half auch dazu die Darreichung
diefes an feinem Griff gekreuzten Schwertes. Wie nun
die eigentlichen Nitterfchwerter gefaltet waren, fo giebt
es daruͤber verfchiedene Nachrichten und abweichende Meis
nungen. "Eine allgemeine Gleichartigkeit in ihrer Größe,
Länge und Breite herrſchte nicht, ſondern es kam wohl
alles auß das Belieben, ſo wie auf die Kraft des Ritters
an, ber ein Schwert führte, wie ex es ſich wollte zu
Handen machen laffen, ober wie ed ihm feine Stärke ober
fein Wuchs zu tragen erlaubte. Aus der Heldenzeit find
und theils Nachrichten, theils wirklich Schwerter übrig
geblieben, bie uͤberaus groß und gewichtig find. So
wurde zu Saint Pharon de Maur ein Schwert gefunden,
welches Ogier, einer der berühmteflen Vetter und Helden
Karl des Großen geführt haben fol. Die Klinge davon iſt
3 Fuß und 1 Joll lang, gegen das Stihblatt. 3 Zoll und
gegen bie Spitze 14 Zoll breit. Das Stichblatt hat im
Durchmeſſer 7 Zoll. Mabillon ließ es wiegen und fand
8 54 Pfund’fchwer. Faſt von einer gleichen Größe if
13*
196 meter Abſchnitt. Ritterleben.
das Schwert, welches man noch jetzt in einer tuͤrkiſchen
Moſchee zu Bruſia oder Burfia in Afien, der ehemaligen
Hauptſtadt des tuͤrkiſchen Reiches, zeigt, und don dem
man behauptet, es ſey das Schwert Rolands, obgleich
weder einzuſehen, noch zu beweiſen iſt, wie dies dahin ge⸗
kommen ſeyn ſollte. Wahrſcheinlich erſann man nur dieſes
Beſitzthum, indem man ein ausgezeichnetes Schwert einem
Ritter beilegte, deſſen Namen der Mund der Sage und
ber Dichtung To hoch empor getragen hatte.
Es ſcheint, daß ſchon feit dem erflen Kreuzzuge
und während der ganzen Ritterzeit die Schwerter meiſt
lang, felten kurz, getragen worden find; wenigftens finden
wir viele Nachrichten, wo von tief am Boben nieberhan»
genden Schwertern gefprochen wird, bie beim Beben an
die Sporen anfchlugen. Haft alle Nachrichten flimmen
darin überein, daß Die Breite ber Ritterfchwerter fehr ans
fehnlich war, daß fie nur einfchneibig und fo ſtark gemacht
wurben, daß, wenn fie die Rüflung nicht trennen, fie
folche doch wenigftens zerfehmettern Tonnten. Die Bes
hauptung Einiger, baß fie ohne Spitze gewefen wäreı,
laͤßt ſich ſchwerlich allgemein durchführen, noch weniger
beweiſen; auch hier herrfchte‘ gewiß. Abwechfelung nad
Gutduͤnken und Laune bed Waffenſchmiedes. So viel iſt
indeffen gewiß, baß fie von gut gehärtetem Stahl fenn
mußten, wenn fie Helme und-Panzer durchdringen follten.
Und bier haben die Sagen von ber Schwerter Verferti⸗
gung in ber Helbenzeit fi, möchte man fagen, orbentlich
einander uͤberboten; denn gar wunderfam lautet bie Ver⸗
fertigung mancher Schwerter in den norbifchen Sagen;
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 197
und wenn auch nicht hieher gehörig, fo iſt die Anführung
eines kurzen Beifpiels doch wohl nicht zu entfernt. Einer
ber berühmteften Schmiede der nordifchen Zeit ift der in
ber Bilfinafaga vorkommende Wieland, ber das Schwert
Mimmung verfertigte, welches ich fchon oben unter den
berühmten Schwertern nannte. Er wettete. mit bem
Schmied Amiliad auf Leib und Leben, wer eine beffere
und haltbarere Rüftung oder ein befjer ſchneidend Schwert
fchmieden koͤnnte. Wieland fehmiedete nun eins — fo ers
zählen die alten nordifhen Saga's — das bem König
Nidung, bei dem er und Amilias lebte, gar wohl gefiel,
aber dem Eunflreihen Schmieb noch nicht genug war. Er
ging daher wieder zur Schmiede, ergriff eine Zeile und
zerfeilte dieſes Schwert zu eitel Staub, nahm dann bie
Beilfpäne und ſchuͤttete fie in Milch, mengte Mehl barein
und knetete alles zuſammen. Darauf nahm er Maflvögel,
ließ fle drei Zage hungern, nahm ben Zeig und gab ihn
ben Bögeln zu freien. Darnach nahm er den Vogelloth,
brachte ihn in bie Eſſe, und ſchied und fehmelzte nun aus
dem Eifen alles, was no von Schladen barinnen war;
mb aus dem gereinigten Eiſen machte er wieder ein
- Schwert, welches Eleiner war, als dad erfte Um eine
Probe über die Schärfe deſſelben zu machen, geht er mit
bem Könige zum Fluß, wirft ein zwei Fuß bides Flock
Volle hinein und läßt es mit dem Strome gegen bad
Schwert treiben. Das Schwert ift fo feharf, daß durch
den ſchwachen Andruck fchon die Wolle zerfchnitten wird.
Aber auch dies war Wieland noch nicht feharf genug; er
wiederholte daher bie eben- erzählte Art und Weife, unb
198 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
brachte nun ein mit Gold ausgelegtes, mit ſchoͤnem Griffe
verſehenes Schwert zu Stande, welches ein 3 Fuß dickes
Stud Wolle auf gleiche Weiſe zerſchnitt. Bei der Pruͤ⸗
fung, wer die Wette gewonnen, erſchien Amilias mit ſei⸗
nem Helm und Panzer, der gar praͤchtig war, und ſagte
zu Wieland: er ſolle mit ſeinem Schwerte nun zuhauen.
Aber der drüdte fein Schwert vom Helme nieder durch
Helm und Haupt und Panzer und Bauch bis zum Guͤr⸗
tel, und fragte darauf ben Amilias: ob er jetzt fpüre, daß
ed ſchneide. Mir ift, antwortete Amiliad, alö ob mir
kaltes Waſſer über den Leib führe. Schüttle dich, fagte
Wieland; und als er fich ſchuͤttelte, fielen die zwei Hälfs
ten auseinander.
Solche Kabeln nun erzählte bie Helbenzeit von mächs
tigen Schwertern; und es ift baber wohl nicht zu vers
wundern, daß, wie wir eben vorher gefehen, man ſich
bemühte, alte Helbenwaffen zu befommen, deren Entfteben
oft durch den Mund der Sage hoͤchſt wunderbar angege:
ben ward, und daß man ſich höchlich erfreute, wenn man
ein ſolches erhielt. _ War man nicht fo glädlich, Beſitzer
eines alten, fchon erprobten Schwerts zu werben, fo
fuchte man wenigftens eine neue tüchtige Waffe zu erhals
ten, ſtark, wohl gehärtet, flählin und der Zauft bequem.
Um nun auch Rittern zum Befis mehrer und tischtiger
Schwerter zu verhelfen, da bie eine Waffe im Kampfe
wohl leicht zerfpringen konnte, ober auch fehartigt und fo
verlegt wurde, baß fie nicht mehr brauchbar war, gehörten
Schwerter bei Zurnieren zu ben ehrenvollſten Daͤnken.
So heißt es 3. B. in Rümerd Turnierbuch ©. 45 "bei
3. Abtheil.. Waffen und Kleidung. 199
Gelegenheit des erſten beutfhen Zurniers, welches, der
Annahme nach, zu Magdeburg 934 gehalten feyn fol,
zu einer Zeit, die freilich Uber das eigentliche Ritterweſen
noch hinaudliegt, obgleich ſchon lange nicht mehr der Hel:
benzeit gehörig, fo: „Den vierten Dank (gab) eine ge:
borne Gräfin von Acheln einem Grafen von Caſtell, als
einem Franken, und ein guldenes Schwert mit,
wie er bie in hohen Zeugen (das heißt in voller ritterli=
her und Steh = Rüflung) mit ritterliher That erobert
hatte." Nicht allein die Scheiden der Schwerter, fondern
auch die. Andufe und Griffe der Schwerter waren, mit
edlen Gefteinen verziert. So heißt es 3. B. im lateini-
fhen Gedicht von Walther von Aquitanien: gemma-
tum vaginae condidit ensem. In den Nibelungen
. (®. 74145.) lefen wir: J
Der übermüth’ge Hagen legt’ über feine Bein’
Ein viel Lichtes Warten, aus deſſen Knauf thät Schein
Ein viel lihter Jaspis, grüner denn ein Gras.
und weiter von bemfelben Schwerte:
Sein Gefäße das war gulden, feine Scheibeborten roth.
Das Schwert führte man, wie bereitö gefagt, an dem
Gürtel, oder an einem befondern Wehrgehänge, welches
auch oftmald reich geihmüdt war, und bad auf alten
Bildern und Grabfleinen mit abgebildet ift, indem es ſich,
wenn die Ritter das Schwert in ber Scheibe in ber a
haben, um dad Schwert gewidelt findet. So ift es z. B
bei dem Grabdentmahle Herzogs “Heinrich IV in ber
Kreuzkirche zu Breölau, der dad zur Schulter empor ge:
hobene, in der Scheide befindliche, mit dem Wehrgehänge
umwidelte Schwert in ber rechten Hand hält.
200 Bwehter Abſchnitt. Ritterleben.
Doß die Ritter auch wohl mehr als Ein Schwert ge:
tragen haben, geht aus vielem hervor. Go zuerft aus
den Gefeben, die ein Ritter bei ber Uebernahme feiner
Würde befchwören mußte, worin ed, wie bereits angeführt,
im Geſetz 10 beißt: „daß fie nur Einen Degen trügen,
es fey denn, daß fie gegen zwei ober mehr flreiten muͤß⸗
ten.” So fagt uns auch Goͤtz von Berlidhingen aus ber
Zeit, ald er noch Knappe war, bei einer Gelegenheit, ie
‚ bereits oben bemerkt: „Und, wie wohl ich einen langen
und kurzen Degen bei mir hätt’, fo nahm ich doch das
kurze Degelein und ſchlug ihn damit um, den Kopf.”
Dies find aber auch die einzigen’ Beifpiele, bie mir bis
jest vorgefommen find.
Nur Adeliche und Ritterbärtige durften ein Schwert
tragen; wer fonft damit betroffen ward, der mußte Strafe
zahlen, 20 Solidos, oder es ward ihm genommen (wie
II. 27, des Lehnrechts beflimmt). Ein Kaufmann burfte
nach eben diefer Gefegftelle ein Schwert auf Reifen tragen,
aber nicht umgürtet, fondern er mußte e8 anf den Wagen
legen, oder, wenn er vitt, es am Sattelknopf bangen
haben.
Die Turnierſchwerter waren eigends beftimmt.
Sie mußten nach gleichem Maaß und gleicher Geſtalt ge
"macht feyn, nämlich: drei Zoll und darüber breit, vorne
wie hinten, flumpf abgefchliffen, damit fie nicht fchneiden
ober ſtechen konnten. Sie mußten bei der Wappenfchau
mit aufgetragen werden, damit fie unterfucht und gezeich-
net werben konnten; denn ungezeichnet durfte Feined im
Zurnier gebraucht werben, wie bie Rurniergefege befagen:
3, Abthell. Waffen und Kleidung. 201
„Man will Fein Schwert zulaflen, es fey denn
brei ober vierthalben Zinger breit, und fonberli>
hen an der Spitzen, da ed auch flumpf abge:
fchliffen feyn fol, daß es daran nicht fchneide
oder fteche, vnd foll Teiner Fein ander Schwert
oder Baffen in dem Turnier führen oder braus
hen, dann ihm zum Turnier zugelaffen ift, von
demjenen barzu verorbnet, zu befehen, welche
man zulaffen fol, vnd eines jeglichen Schwert
ſollen mit den Kleinoden oder Zheilhelmen auf
das Haus zu dem Theil getragen werben (d. h.
in dad Haus, wo die Wappenſchau gehalten und
die Theilung der Ritter vorgenommen ward), die
alsdann zu befehen und zu zeichnen, und welches
nicht gezeichnet ift, fol bei des Turniers Straffe
nicht zugelaffen werden.”
Ein Borrecht der Ritter war: ein Siegel flhren zu bür-
fen, und bie Ritter rechneten biefe Siegelfähigkeit zu ihren
bebentenöften Vorrechten. Um nun das Siegel immer bei
der Hand zu haben, fo ließen fie es oftmalen in den
Knopf ihres Schwertes einfchneiden, wovon wir im Mit:
telalter manche Beifpiele vorfinden, ja ſchon in ben Zei⸗
ten, die vor dem eigentlichen Ritterzeitalter liegen. Druͤckte
nun ein Ritter den Knopf feines Schwertes in das weiche
Bachs unter einer Urkunde, fo bekräftigte er fie gleichſam
auf dreifache Weife: einmal durch dad Siegel felbfl, dann
durch das dabei emporgehaltene blanke Schwert, und zuletzt
durch das Kreuz, welches, wie gefagt, das Querſtuͤck des
Griffes gemeinhin mit Dem Schwerte bildete.
‘ 202 Zweitet Abſchnitt. Ritterieben.
Bir finden noch in alten Ruͤſt⸗ und Zeug-Haͤuſern
große Schwerter und befigen auf der Waffenfammlung der
breslauer Hochfchule ein dergleichen.
Diefe Schwerter find in der Regel nit zum Fechten
und zu ritterlihen Uebungen gebraucht worden, fondern
wurden nur fürftlichen Perfonen und Rittern als Zeichen
der ritterlichen Gewalt bei Aufzügen oder bei Hinzu:
gen zur Gerichtsſitzung vorgetragen. Indeſſen hatten die
Ritter auch Kämpfe mit Dem fogenannten langen Schwerte,
zu denen ſolche übergroße Haudegen genommen wurben,
die fie mit beiden Händen faßten, und dann auf einander
einhämmerten; diefe wurden ihnen indeflen immer befon=
derd gebracht, und fie haben nie folche lange Degen ge:
tragen. Bei großen Zeierlichleiten bebienten ſich auch wohl
die Mitter nicht ihres gewöhnlichen Schwertes, fondern
hatten einen befondern Ehrendegen, ber meift immer pracht:
voller und ſchoͤn ausgelegt war. Es ift wahrſcheinlich,
daß ed meift foldhe Degen waren, bie fie in Zurnieren
als Dank erfämpft hatten.
Der Helm war eine Kopfbedeckung, ein Kopfſchutz
im Kampfe fihon in gar alten Zeiten und bei den ver-
fohiedenften Völfern, nur mannichfach fih umgeflaltend
und fich verändernd, und er iſt es geblieben bis auf den
heutigen Zag. Die Heldenzeit wußte auch viel von wun⸗
derbaren, gefeiten Helmen zu erzählen, und griechifche
Dichtung, fü wie die nordifche, giebt und davon Beifpiele,
In den norbifchen Goͤtter- und Heldenfagen finden wir
auch Helme, die, wie bie Schwerter, ihren: eigenen Namen
erhalten hatten. Was ben Namen Helm felbfi betrifft,
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 203
fo kommt er von hehlen, bedecken her, und es ift merk⸗
wuͤrdig, wie dieſes Wort durch ſo viele Sprachen geht,
daß man ſieht, es keimte aus einer gemeinſamen Wurzel.
Schon Ottfried kennt das Wort Helm, im mittlern Latein
lautet es Helmus oder Eimus, im Italien. Elmo, im
Franz. Heaume, im Daͤn. Hiälm, im Angelſ. und Engl.
Helm, im I8ldnd. Gialmur, im Schwed. Hjelm, ja
fogar im-Poln. heißt e8 Helm. DaB Iatein. Galea und
bad griech. Zain zeigen auf diefelbe Wurzel und bei Sui⸗
das heißt "Zlyua ein jeber Dedel, “Einos aber ber Dedel
des Dreifußes zu Delphi. Mit diefer Bedeutung des
Dedens und Deckels bangen nun alle Worte in den an⸗
dern Sprachen, wie berührt, zufammen.
In den diteflen Zeiten machten die. Griechen ihre
Helme aus den Häuten ber Seehunde; die Römer wech:
felten zwifchen ftarbem Leder und Eifen und Erz. In ber
. Zolge und in ber Ritterzeit warb er gewöhnlich aus Eifens
blech, mehr oder minder flart, je nachdem feine Beflims
mung war, und aus Stahl verfertig. Bei den alten
Deutfchen waren bie Helme fehr felten: Paucis loricae,
vix uni alterive cassis aut galea, ſagt Tacitus, (c. 6.) .
und die römifchen Gefchichtfchreiber fagen ausdruͤcklich, daß
fie mit entbiößtem Kopfe gefochten hätten, capitibus
»udis pugnabant (Dio Cassius L. 38.). Die Erzaͤh⸗
lung des Plutarch im Marius, daß die cimbriſchen Rei⸗
ter Helme, die mit allerlei Zeichen und wunderbaren Ge⸗
ſtalten geziert geweſen, geführt hätten, widerſtreitet dem
nicht, da es kein Zweifel iſt, daß die Cimbern ſie erſt von
den Galliern angenommen hatten. Merkwuͤrdig bleibt aber
204 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
immer die Verzierungsart, die wir auch ſogleich in der
Ritterzeit wiederfinden werden. Nach Cluver in Antiq.
Germania L. I. p. 286. war ber Helm zuerſt eine Sitte
ber Aegypter, von denen er zu ben Griechen gekommen,
bie ihn den Römern Iberwiefen, von welchen ihn bie Gal⸗
lier annahmen. Der offene Helm wurde der Turniers
beim genannt (doc werben wir auch gleich fehen, daß
er durch ein kleines Gitter gefchloffen war), ber gefchloffene
Helm wurde. Stehhelm genannt. Wie das Wort Lanze
und Harniſch, ſtand auch das Wort Helm in einem ſolchen
Anſehen in fruͤherer Zeit, daß es fuͤr Ritter ſelbſt gebraucht
ward, indem, wenn man ſagte hundert Helme, tauſend
Helme, man immer hundert oder tauſend Ritter darun⸗
ter verſtand. Selbſt in dem Metall, von dem die Helme
gemacht wurden, finden ſich Abſtufungen nach Stand und
Würden der Ritter. So trugen Könige gewöhnlich ver:
goldete Helme, die großen Reichövafallen verfilberte, vor:
nehme Herrn von Abel flählerne, und der niedere Abel
‚bloß eiferne Helme. Doch wurden dieſe Abtheilungen kei⸗
neöweges ſtrenge und beflimmt gehalten, indem dem Be⸗
"lieben des Ritters, feiner mehr oder mindern Prachtliebe,
feinem ſtolzern oder demuͤthigern Sinne dabei viel über
laſſen blieb. Allen gereichte er im Kampfe zu gleichem
Schuge, indem er den Kopf gegen Kolbens, Schwert⸗
und Sfreitbammerfähläge, fo wie. das Geficht und ben
Naden deckte. Der Helm warb unter ben Kinne mit
einem Riemen befeftigt, und überdies fand er auch noch im
Naden, durch ein bort an der Rüftung befinbliches Eiſen⸗
x
2, Atheil. Waffen und Kleidung. 205
ſtaͤbchen, welches in ein Loch bes Helmes einſtieß und
einſchloß, eine Befeſtigung.
Der offene Helm, Helm zum Schimpf (Scherz) ober
Zurnierhelm im engern Sinne (galea aperta) war ents
weber ganz-'geöffnet, und ‚hieß dann lat. galca aperta
sine clathro, oder er hatte vor dem Gefichte Bügel, ober
ein kleines Sitter, woran die Stäbe theils fentrecht, theils
wagerecht liefen, welches man auf= und abfchieben Eonnte,
wenn man frifche Luft fchöpfen wollte. Schob man bie
Bügel oder dad Gitter nieder, fo ſchloß daſſelbe an das
Kinnblech an, wodurch es fefigehalten ward. Darauf
folgte nun das Halsblech; diefes war von dem übrigen
Helme abgefondert, wurde nur durch ein Halsband von .
gleichem Metalle mit demfelben verbunden, und ging bis _
über die Bruſt und bis zwiſchen den Schultern nieber.
Diefes Halsblech war das, was in den Altern Zeiten, wie
ich bereits bemerkt, Halsberg, d. i. Halöverberger,
Halsbefchäger, hieß, und wovon fpäterhin der ganze Har⸗
niſch den Namen Halöberg erhielt. Die ganz offenen
Helme, welche, dem Herkommen gemäß, nur von Königen
und Fuͤrſten getragen wurben, weil, wie man glaubte;
der, welcher die Herrſchaft habe, überall muͤſſe umher⸗
fehen Fönnen, um zu berrfchen, gebrauchte man in Deutfchs
land weniger, ald in Frankreich; und daher kommt es
auch, daß wir bie halboffenen Helme erft vom Jahre 1450
‚on in ben Wappen bed deutfchen Adels finden. Sie waren
in dem eigentlichen oder Hauptturnier Sitte, in dem nur mit
ben Kolben oder bem Schwert, nicht mit den Zanzen gefochs
ten warb, und wobei baher Feine Gefahr für das Geficht war.
‚N
206 3gweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Die Stechhelme, gefchloffene Helme, Helme zum
Ernft (galeae clausae) waren. Durch ein ganz zugemach⸗
tes Viſier gefchloffen und hatten nur ein paar Heine
Deffnungen für die Augen zum Durdblidn und zum
Athembolen. Sie wurden im ernfllichen ;Gefachte, im
Kriege und in den Zurnieren beim Stechen im: hohen
Zeuge, d. h. wo mit Lanzen gekämpft: wurbe, ‚getragen,
weil dabei das Geficht der Gefahr der Verlegung ausge⸗
fegt war. Wir finden fie auf Siegeln und Denkmaͤhlern
mehrfach abgebildet. in höchft merfwürbiges Beifpiel
von einem ſolchen ganz gefchloffenen Stechhelm, von über:
mäßiger Schwere, befist der Herr Major von Barfuß
(Gzur Zeit in Bredlau) in feiner Waffenſammlung. -Er ift
in Neiße gefunden worden. Ganz mit didem Stahle ge:
ſchloſſen, mußte er wie ein Kübel Über den Kopf geftürzt”
werben, und hat nur in der Höhe der Augen ein paar ges
folgte Deffaungen, bie zum Sehen und. Luftfchöpfen
dienten. Breite Schloßbaͤnder und Spangen fchloffen ihn
an ben Panzer, und nur dadurch, daß er auf dem Panzer auf:
fand, ward er tragbar, Kopf und Genick des Ritters allein
konnten ihn nicht halten. Entweder Fam nun der Helm ben
Rittern, felbft wenn er mit Federn geſchmuͤckt war, doch zu
kahl und einfach vor, ober fie wünfchten au den Helm an
und fir fich fehwerer zu machen; dem fei wie ihm wolle,
"wir finden, daß fchon in der Helbenzeit, ja bei ben Gries
chen und Römern die Helme auf die abenteuerlichfie Weiſe
geſchmuͤckt wurden, und bei ben Rittern mit Roßſchweifen,
Hörnern, Federbuͤſchen, Adlersfluͤgeln, Puppen, Müten,
Jungfrauen und andern Geflalten, die meiſt in fpäterer
. Sn
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 207
Zeit in die Wappen ber Bitter und bes Adels übergingen,
oder wenigftend auf den Helmen in den Wappen fort:
dauernd’ als Zierrath erfchienen, wenn ihre ehemaligen
Träger fie auch ſchon längft abgelegt hatten Es kam
nachher fo weit, daß die Helmfleinodien in Deutfchland
erblich wurden. Wie die Geftalten im Schilde, die Wap⸗
pen, eine ganze Samilie bezeichneten, fo veuteten bie
Helmkleinode die verfchiebenen Linien der Kamilie an, in:
dem jede Linie, ein befondercs Kleinod trug. Wir werben
dies bei ben. Turnieren wieber erwähnt finden, unb bie
Wappenknnde muß es weiter ausführen. Könige nahmen
Kronen zu’ diefer Bier, aus denen aber auch oft, wie bei
höherem und nieberm Adel, Ungeheuer und fürchterliche
fo wie fchredende Gegenftände aufffiegen. Um nur ein
Beifpiel anzuführen, fo ließ ein Graf von Boulogne, wel-
cher in dem Treffen bei Bourines größer fcheinen wollte,
auf feinen Helm Hörner feßen, die aus den Rippen eines
Wallfifches gemacht waren. Einen foldhen Auffat nannte -
man im Franz. Cimier, und baraus warb im Altbeut>
fchen das Wort Zimier gebildet, welches in den alten
Gedichten überaus oft vorkommt, und wobei es an Er-
wähnung wounderlicher Geſtalten nicht fehlt. Außerdem
wurden dieſe Verzierungen mit Namen belegt, die in bie
Bappenkunft übergegangen find, nämlich: Helmzierden,
Helmzeichen, Helmzierrathen, Helmkleinode. Um fie zu
- befeftigen, hatte man meift einen Wulft am Helme, ber
von der Stirne mitten über den Helm, längs. bem Hin⸗
terkopf nieder, ging. Diefer Wulft erhielt allerlei Geftals
ten, und daraus entflanden Kronen ober Kifien.
208 Zweiter Abſchnitt. Mitter leb en.
In Frankreich waren dieſe Kronen nach ber Würde
bed Zragenden verfchieden, in Deutſchland durfte dagegen
ein jeber, der einen offenen Helm hatte, eine Krone dar⸗
auf führen; die Krone des Herzogs war ber bed Ritters
vom niebern Adel gleich. Der Turnierdank beftand naͤm⸗
lich in Deutfchland meifl aus Kronen und Krängen, die
der Sieger daher auf feinem Helm tragen durfte. Daher
war auch ein gekroͤnter Helm fo viel als ein Zurnierhelm.
Da biefe Zimiere' aber doch oftmals zu ſchwer wurden,
‘fo fuchte man fie durch leichtere Geftalten zu erfegen, die
ein befiered Anfehen gaben und doch die Schwere nicht
zu fehr vermehrten, und fie wurden daher auch von Holz,
Thierhaut, von Pappe u. f. w. gemacht. Man fügte nun
noch die Helmdeden (lambrequins) hinzu, die in einer
Art von Bändern beftanden, Es ift zu bemerken, daß
ber obere Theil bed Helmes, welchen alte Gedichte Frank⸗
reichs oftmals das hoͤchſte Gut des Ritters nennen, und
wo die Zimiere ihren Platz hatten, der vorzuͤglichſte Ort
war, wo die Danke, welche die Ritter von den Frauen er⸗
hielten, ihren Platz finden konnten; und da dies oft Tuͤ⸗
her, Schleier, Bänder waren, fo fann man barin viel:
leicht den Urfprung der Helm: und Waffendecken fuchen.
Diefe Helmbeden hießen meift im Deutfchen Helmbin:
ben, auch wohl Helmloͤr (von Lör, alt, 'eine Binde).
oder auch Brünlör (Loͤr in ber eben: angegebenen Be⸗
deutung, Binde und Brünn iſt das ſchon oben angeführte
Brüunne, Panzer, welches früherhin nur einen Helm be»
beutete). Dann hießen fie auch Bindelbünbe (Zindel iſt
die leichtefte Art Zaft und bünde kommt von Bumb. her,
3. Abtheil. Waffen und Kleibung. | 2309
zuſammenhangend mit Band). Zuletzt nech kommen die
Namen Wulſt, und von dem Fliegen der Baͤnder das
Wort Wodel vor. Dieſe ſogenannten Helmdecken wur⸗
den aber auch oft die Baͤnder, mit denen die Helmmuͤtze
cchaperon) an dem Helm befeſtigt ward, und ſie wurden
darch den untern Rand des Helmes gezogen. Die Helm⸗
müͤtze, bie wahrſcheinlich in Deutſchland nur ſelten vorkam,
war eine Kappe aus Maſchen, die den ganzen Helm eins
huͤllte, wenn der: Ritter focht. Wollte er Luft fchöpfen, -
fo nahm er ben. Helm ab und bedeckte ſich mit ber Helms
möge, wobei bann die Helmbaͤnder über bie Schultern
Hatterten. — Die Helme waren uͤberdies, da ihr Kopf
groß und weit war, innerhalb mit Seide oder Leber übers
zogen und ſtark mit Wolle oder Berg ausgefüttert, wos
durch. fie enge an ben Kopf anfchloffen und zugleich durch
biefe Vorrichtung . betäubende und verberbliche Hiebe abs
hielten, ober ihre Kraft minderten. Die Knappen durften
keine Helme tragen, ſondern ihnen waren nur Helmmuͤtzen
ober eiferne Pickelhauben erlaubt, die keine ©itter vor dem
Geht, die bekanntlich Biflere genannt wurden, haben.
Dei. ven ritterlichen Stechhelmen war bas ganze Geſicht
und der Kopf verhält, und es blieben nur, wie. aus ber
bereitä angefuͤhrten Beſchreibung eines folden Helmes. herz .
vorgeht, zwei Deffnungen für bie Augen übrig, wodurch
das Ganze ein duͤſteres und Thauriges. Anfehn erhielt ‚ins
dem man nur durch biefe Deffnungen das Zorn und Wuth
bligende Auge ver Kaͤmpfenden erblidte ‚ welches raſch und
- Hühend den Bewegungen bes Gegnerd folgte. Bei der
Verleifung ber LRittermuͤrde wer ber Helu unentbehrlich, _
14
210 Zuwehter Abſchnitt. Ritterleben.
er mußte dem neuen Ritter als, wie geſagt, ein Haupt⸗
zeichen feiner Wuͤrde, auf den Kopf geſetzt werden. Es
ward eine nicht geringe Geſchicklichkeit erfordert, den Helm
auf die gehörige Art aufzuſetzen und feſtzuſchnuͤren (wobei
die Riemen oder Schnüre, die dazu gebraucht wurden, im
Parzifal unter bem Namen fintalen vorkommen), und
wir haben oben gefehen, daß died mit zu den Obliegen⸗
heiten und Dienfen der Knappen gehörte. Die Augen
mußten die Deffuungen bed Vifierd genau treffen, und dev
Helm durfte weder zu feft, noch zu loſe angemacht ſeyn,
damit er ſich theils etwas nach ben Wendungen des Kopfes
bewegen konnte, theils aber auch nicht wieder zu ſeht
ſchwankte und ſich etwa verruͤkte. Darum war in eineim
alten Gedichte die Vorſchrift für einen Bitter enthalten:
„euer Helm fen weber zu feft noch zu loſe, fondern fo,
daß er paßt, aufgeſchnuͤrt.“ Irgend ein Verfehen konnte
bei einem Turnier, noch mehr bei einem ernfthaften Kams
pfe, Nachtheil herbeiflhren, ja’ den Tod bewirken, Hatte
bei. einem Turnier ein Ritter die Augenlödyer (dad Biſter)
feines Helmes aufgeſchlagen oder gar ben Helm abgenont=
men, fo burfte ihn Fein Ritter mehr angreifen, bei Strafe
der Ehrlofigkeit, Das Abnehmen des Helmes gefhah aus
mehren Urfachen; einmal, wie eben erwähnt, wenn bee
Ritter wicht mehr Tämpfen wollte, war 48 ein Zeichen für
feine Mitkaͤmpfer, wenn er ben Helm abband; daher bes
deutet auch die Rebendart: mit. anfgebundenem Hel⸗
me, baß der Ritter zum Kampfe bereit fey. : Dann: war
es auch oft wohl eine Hoͤflichkeit. Wie z. B. Wigolais
zur Königin Ginevra, Gemahlin des Artus, kommt:
„8 \
n
3. Abchel. Waffen und Kleidung 24
Da er bie Funeginne vant,
Sinen Helm er abe bant,
Und fagt in uf den fatelbogenz
Er was Hoffch (doͤſiſch, hoͤflich) und wol gezogen,
Gin Houbet da; entwafent er. 409-412.
Die britte Urfache war, wenn einer zum Gefangenen ge⸗
madyt wurde, dann mußte er auch den Helm abbinden,
weil er nun kampflos war.
In ber franzoͤfiſchen Geſchichte des Perceforef ‚findet
fi) eine eigene Sitte, bie mit dem Bilde des Helms ans
gebeutet ward, welche hier eine Anführung verdient: „Es
"war — heißt es — in Großbritannien, fo lange bafelbft
Bieberfinn hersfchte, die Gewohnheit, daß ale Edelleute
und adeliche. Srauen auf bie höchften Gipfel Ihrer Landſitze
einen Helm befeſtigen ließen, als ein Merkmal, daß alle
adeliche Herren und Frauen, welche vorbeikamen, nur un⸗
verzagt daſelbſt, als wenn es ihre eigenen Haͤuſer waͤren,
einkehren moͤchten; denn ihr Vermoͤgen gehoͤrte eigentlich
allen edlen Herren und Frauen, die durch das Koͤnigreich
reiſeten.“ Curne de St. Pallaye in ſeinem Werke uͤber
das franzoͤſiſche Ritterweſen bemerkt, daß er dergleichen
Helme noch auf den aͤlteſten Gebaͤuden Frankreichs, beſon⸗
ders auf dem Lande, bemerkt habe.
Die Ritterſporen gehoͤrten ebenfalls zu den weſent⸗
lichen Theilen ber Ritterruͤſtung und durften nicht fehlen,
indem fie den Ritter und feine Würde bezeichneten. Bei
ber Ertheilung des Ritterſchlages wurbe dem neuen Ritter,
wie wir bereitd oben gefehen haben, ber rechte ober Linke
Sporn zuerft angelegt, worin bie Gebräuche wechfelten.
Der Ritter trug auch als ein Zeichen feiner Wuͤrde goldene
14 *
212 Byefter Abſchnitt. Ritterleben.
oder wenigſtens vergoldete Sporen, da es dem Knappen
nur verſtattet war, ſilberne zu haben. Man nannte daher
auch wohl die Ritter, welchen bei ihrem Ritterſchlage
wirkliche goldene Sporen angelegt wurden: equites aurati.
Wenn in frähemn Zeiten jemand fich in Frankreich Tür
einen Ritter ausgab, ber es nicht war, fo hatte,
vermöge alter Verordnungen und Gewohnheiten ber
Parlaniente zu Paris, Drleand und Baronnie, ber
König oder der Lehnsherr bad Recht, bemfelben bie Spos
zen auf dem Mifte abnehmen zu laſſen und fein beweglis
ches Vermögen ihm abzupfänden. Wenn im Kampfe ein
Ritter überwunden warb, fo gab der. Ueberwundene dem
Sieger, nebſt feinem zechten Handſchuh, aud feinen rech⸗
ten Sporn, ald eine Verſicherung, daß er bie verfproches
nen Bedingungen treu erfüllen ‚wolle. Diefe Sporen
wurben auch wohl ald Siegesbeute in ben Kirchen aufges
hoben, und Pontus Heuter ergählt Lib. IL. rer. Bur-
gundic, c. 44., daß noch im Jahre 1382 in ber Ober
kirche zu Cortrycht 500 Paar guͤldene Sporen gehangen
hätten, die man 1302, nad) einem Siege liber bie. Frans
zofen bei Sröningen, den Rittern abgenommen habe. Die
Kitter führten auch zuweilen auf ihren Giegeln, wenn fie
auf ihnen in ihrer Rüflung erfchienen, Sporen, boch war
dies nur meiſt auf fogenannten Meuterfiegeln der Ball,
das heißt bei folchen Siegeln, auf benen die Geflalt bes
Ritters zu Pferde erfchien. Bei den Fußflegeln, auf benen
die ganze Geſtalt des Kitterd zu Buß erfcheint, mag man
au wohl Sporen angenommen haben, aber wegen ber
Stellung der Ritter darauf war ihr Daſeyn nicht . recht
3. Abthell. Waffen und Kieitung 213
fihtbar zu machen, . La. Colombiere erzählt in dem théu-
tre d’bonneur,' ch: XXII. p: 298, daß bei dan Anklei⸗
den eined Ritterd zum Turnier ein anderer Ritter, zumei⸗
len auch eine. Frau, demſelben die goldenen Sporen ange⸗
legt babe, mit ber Vermahnung, daß ſolche ihm nicht bloß
zur Forttveibung des Pferdes bienen, fonbern hauptſaͤch⸗
lich ihn erinnern .follten, daß Tapferkeit und Ehre der
einzige: Sporn, ber eimzige Antrieb zu edlen Thaten für
ihn feyn müßten. Zuletzt geht noch daraus, baß- bemi
Bitter die Sporen mit in ben Garg.gelegt wurben, hers '
wor, wie boch man dies Zeichen ber. Ritterwürbe geachtet.
Mas die Seftalt der Sporen anhetrifft, fo find fie, nach
ben verfchiebenen . Beitaltern und nach ber wechfelnben
Tracht: und Sitte ſehr verfchieden, und etmas Beftimmtes
läßt ſich daruͤber nicht ſagen. Bald waren die Bügel
ſchmal, die Hälfe klein und bie Räder Daran unbedeutend,
ober bie Hälfe endeten ſich auch durch eine bloße Spion
mit Seinen Raͤdern; bald wurden bie Bügel wieder breit,
die Hälfe did, die Kaͤder groß und klirrend, fo daß ihr
Getöne bei jedem Schritte. erfcholl, -. Weber die Bepanze⸗
zung bed Fußes wurden fie nur felten gefchnallt, gemeins
hin mer. bei den Mafchenpanzern, bei den anbern aus ganz
zen Stuͤcken war hinten eine Deffnung am Hafen, aus
welcher die Sporen, welche ber Ritter um bie Stiefeln
ſchnallte, ihre Hälfe hervorſtreckten.“ Die Alterthuͤmer⸗
feramlung der breslauer Hochſchule beſitzt ein Paar ges
waltige, breite Sporen, die den Anſchein haben, daß es
kaum möglich ſey, fie zu tragen; fo breit find bie Buͤgel,
fo Tang.unb breit die Hälfe, fo groß. bie Schnallen, fo
214 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
lang und bedeutend die Raͤder, und demnoch ſind fie fm
Anfange des vorigen Jahrhunderts aus einem Grabe a
Oyasd bei Liegnig entnommen worben.
: Die Rebensarten: „nach goldenen Sporen Arche, bie |
goldenen Sporen erhalten haben,“ "waren damals. mit bei
Saͤtzen: nad ber. Ritterwürbe fireben- und. die Mitterwürbe
erlangt. haben, gleichhebeutend. So warb benn auch beit
Sporen eine fittliche Bebentung gegeben, inbem. fie ihre
Träger erinnern ſollten, daß Schnelligkeit und. Thaͤtigkeit
bei Eriegerifchen Geſchaͤften ftets erforberlih wären. De
Gebrauch, Sporen zu tragen, blieb in manchen Gegenden
ein Merkmal des Adels, wenigftend glaubte fich ber Abel
bevorrechtet, Sporen: tragen zu dinfen, wenn er «uch Tein
Reitpferd hielt. Died fol fich in Ungarn bei dem dorti⸗
gen Abel noch heut zu Tage zeigen, und auch in. Sthle
fien ift der Glaube daran, baß nur ein Abelicher immer
in Sporen erfcheinen dürfe, nicht ganz erlofchen. Ehedem,
als der Stände Unterfchieb und Abzeichnung noch firenger
umd -fchroffer war,. ward auch ben Doctoren ‘ber Rechte
erlaubt, . fi der Sporen zu bedienen, als ein Merkmal
ber ihnen beigelegten adelichen Wuͤrde.
In den Turnieren, bei Zweikaͤmpfen und au, in
kriegeriſchen Gefechten hatte der Ritter, außer Schwert
und Lanze, noch einige andere Waffen, und dazu gehören
befonderd bie Kolben. Diefe -beflanden aus einem ziem-
U diden Stu Holz, welches gegen das Ende zu :einen
bidern Knauf hatte: Dex Handgriff oder das Ende, wo
fie fpiger zuliefen, war gewöhnlich mit Gold, Silber ober
anderem Metal befchlagen. EB. gab Zurniere, In weichen
. 3, Abthel. Waffen und .Riribung. 218
nur mit Kolben und Schwert geſochten: werbden durfte,
wenigſtens fagt die heidelberger Turnierordnung: „Es fol
auch keiner kein Waffen haben oder führen, anders dann
das ihm zum Turnier zugelaſſen iſt, nämlich im erſten
Turnior die Kolben, im Nachturniere die Schwert.“
Toͤdtliche Hiebe ließen ſich durch die dicken eiſernen Ruͤ⸗
.ſtungen nicht damit führen, fonbern: nur meiſtens betaͤu⸗
bendej: doch gab e& auch Kolben, die ſo eingerichtet waren,
daß ‚fie wohl toͤdten konnten. Dan gebrauchte biefe Kolben
befonderd, um die Waffen bed Gegnerd’ bamit zu zerfchles
gen und ihn betäubt zu Boben zu ſtrecken. Dazu bienten
num folche Kolben, wie ich eben befchrieben und bie denen
gleichen, welche bie .alte Bilbnerei dem Herkules gabs
wollte. man fie aber gefährlicher mächen,. dann war an
dem biden Theile, mit dem man zufchlug, bie Keule mit
langen eifernen Spitzen beſetzt. Außer biefen ‚gab es noch
eine andere Art von Kolben, wie folche Roland und Oli⸗
vier. gebraucht haben follen, und wie fie ſich auf manchen
alten Denkmaͤhlern abgebildet finden. Dies war ein eifers
ner, runber ober auch Yänglicht runder Klumpen, eine
Schwere von 8 Bund: Haben (doch: folk es auch deren
von 25 bis 30 Pfund Schwere gegeben haben), beſetzt
mit eifernen Spiten. Diefe Kugel’ war durch drei eiferne
Ketten an einen: bieten :Stod befeftige, und biefen Stod
band fich meiſt der Mitten, der ihn führte, mit einem
Strick ober fogar einer.Kette an ber zechten Hand fefl.
Damit ſchlug man num auf ben Gegner, odet man ſchnellte
‚oder ſchleuderte vielmehr mit aller Gewalt die fchwere, bes
waffnete Kugel Alf des Feindes Han und Harniſch. Im
216 - Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
Deutſchland hatte von ben Kolben ein gerichtlicher Kampf,
ber mit Kolben: geführt. wurde, ben Nauen Kolbengericht,
von bem in einer ber folgenden Abtheilungen bei Zwei⸗
kaͤmpfen und Kampfgerichten, die Rebe feyn fol. Senft
hießen in Deutſchland die Zurniere, bei denen: man ſich
sicht der Schwerter, fondern ber Kolben bebiente: ‚Stedens
fpiele. Eine Art Zleiner Kolben, die mehr bie Geſtalt
eines fehr einfachen: Zapters haben und die meifl ganz von
Metal find, führten die Ritter ebenfalls. in den Turnieren;
body nur in falhen,. wo leichtere Spiele ‚gehalten winden,
und bie mehr als. ein Ringelrennen zu betrachten ‚waren,
Die Knaͤufe an folden Kolben find auch meifl zepterartig
durchbrochen, und Fonnten zu keinen ſtarken Kämpfen ges
braucht werben. — Goͤtz v. Berlichingen nennt (6.118) bie
. fernen Streitlolben: Kuͤriß⸗Bengel, doch vielleicht nur
fpottweife,, indem es aus ber Stelle, worin das Wort
vorkommt, nicht Elar wirb, ob es mehr. Ernfl ald Spott iſt.
| Beildufig bemerfe ich, daß es auch noch eine anbese
Art von Kolben giebt, die weit leichtere unb weniger ſchaͤd⸗
93 ‚ ja oft nur eine Art von Spielwerl waren. Diefe
weniger gewichtigen Kolben wurben. in bem: gerichtlichen
Bweifampfe zwifchen Mann und Frau gebraucht, von bem
bei den Kampfgerichten die Mebe ſeyn wird. Gie beſtan⸗
ben meift nur in. einem leinenen Sacke, in den Sand ges
fült warb und ber dann in der Mitte ungefähr zugebun⸗
beit wurde. Noch leichtere Kolben erhielten bie. Narren,
welche an den ‚Höfen der Zürften ſowohl, ald auch oft in
ben Schlöffern ber Ritter zur Beluftigung gehalten. wur⸗
ben, und die auch als Luſtigmacher im Lande umbergogen.
3, Abthell. Waffen vnn Kielbüng. 217
Diefe Kolben waren wohl: meiſtentheils nur: Spteliserke,
damit micht etwa ein wirblich naͤrriſcher Menſch ein Un⸗
gluͤck damit amrichtete, was indeffen doch Vicht: unterblieb,
und fie wãten aur eine Art um Pritſchen, womit in den
letztern Zeiten der Hancbwurſt bei: Spielen und euſharte
ten bed: Velkes die lante Freude wuͤrzen mußte.
Andere Arten ber Bewaffnung ware noch ber
Str eithammer, die Streitaunt und' die Döppel⸗
arf. Dieſe ei Welten, im Beauzar: mit rinander uͤber⸗
eintomntenb:, : inbem ed. .große, :: gewithtige: Hummer und
Aexte waren, Wwelbe bie. Kaͤmpfenden führten, - ſtammen
wieber and Ber ſruͤheſten Zeit her und find in ˖ den Mitter-
waffen nur Beibehaltungen ber aͤlteſten affen. Die
alten Voͤcker ;befaßen Re ſchotr, and aus nortiſcher Sit:
terzeit iſt der Streithbammer, ben, der Guͤtterſage nach,
der Gott Xhor führte, bekannt genug, MDierbeiben: erſten
‚brauchen‘. Beine. Befchreibung,: ba fie bet: gewöhnlichen
Haͤmmern und. Aerten emſprechen. „Wichtiger unb bedeu⸗
tender iſt die Doppelart (frauz. besague; lat. bisacuta),
Sie ift. bie: gefährlichfte aller Nitterwaffen, und hieß fo,
weil fie doppelfeitig zu gebrauchen, zweiſchneidig wur.
Dieſe Streitart hatte einen duͤnnen Griff, und war oben
auf beiden Selten fo mit: Eiſm beſchlagen, daß fie auf
ber einen. Seite der gewöhnlichen. Streitart: glich, auf ber
andern aber. eine fehr save :: Schueibe in ‚ber. Geſtalt
eines halben Mondes hatte, der ſich in zwei ſcharfe Spiz⸗
gen endete. Wahrſcheinlich iſt dies Werkzeug daſſelbe,
welches im Weißkunig Mordhacke genannt wird. ,
Nach einigen Nachrichten ſollen ſich die Ritter auch
218 : Bmeiter Mlfenket. Ritterleben.
ver Schleudern bedient haben, um Steine: oder Mitall⸗
Zugeln wegzuſchnellen, und damit ihren. Gegner :au& der
Berne ‚zu treffen. - Diefe Waffe. ward inbeffen "gewiß immer
felten gebraucht, ba fie gemg bem riiterlichen: Sinne, der
. Yitterliihen Zeit widerſtrebte, die immer den Kampf Manz
gegen Mann und fo nahe, wie moͤglich, verlangte.
Der Dolch war eigentlich bloß eine Waffe: der Knap⸗
son, Dferbes und Fuß⸗Knechtẽz dieſe beiden ichten Die
ner der Ritter waren meiſt nichts als Bauern” utıb Leib⸗
eigene, und ihnen war nur erlaubt, ‚auf. der Reiſe und
im Kriege ein großes Mieffer oder einen Dolch zu tragen.
Die Knappen bagegen: burften außer ben: Dolchen auch
kleine, Kurze Degen (aber Tein. Kitterſchwert) beſttzen
Inbdeſſen führten auch bie Ritter Dolche und trugen fie
auf der. rechten Seite am Wehrgehaͤnge. Ihre Geſtalt
war nach. dem Range deſſen, der fie fuͤhrte, verſchieden.
Dieſen Dolch trugen die Ritter an der rechten Seite
bed Wehrgehänges, und er wurde von Ben Franzoſen la
misericorde genannt. . Diefer Dolch war den Rittern
allein vorbehalten. Hatte ein Ritter feinen: Gegner aus
ben Sattel gehoben, fo fprang er ſchnellvam Pferde,
she fich jener aus ber Betäubung: erholen und in der
ſchweren Ruͤſtung erheben. konnte, zog ben Dolch und
ſuchte ſolchen in ben Leib feines ‚Gegners zu ſtechen, ober
kniete ihm, wenn er burdh. ben Harnifch: nicht kommen
konnte, auf die Bruſt, verſuchte mit vem Dolche bie
Helmriemen zu zerſchneiden, um ihm dann die Spitze in
die Gurgel zu ſtoßen. Die einzige Rettung des Gefaͤllten
war nun, um Gnade zus rufen und. zu bitten oder mise-
3. Abtheil. Vaffen uub. Kleidung. 210
ricoide zu ſchreien, und baker ruͤhrt ber. Rame: hiefaß
Dalches. Wis finden indeffen doch dieſen Dolch mehr in
der älteren. Beit.. bed: Nitserwefens; als in Dex: ſpaͤteren
In der fehhem „Reit, Kefamberb :zwifchen Nfttengeit. und
Heldenzeit, ward den Deolch moch auf eine Ast. gchtaucht;
hie; in. Ihe: Grauſemkeit nu Heftigkeit, fo.: wie; in. ihrer
Unritterlichkeit, wehl auf morgasbändifchen Urfpmung deutet:
Es war: hie, hafıder Dal aus der: Serne ‚auf: dem Unbes
waffneten »gefchleibert: ware, wobal dann meift eine gefaͤhr⸗
lich verwandihete Stelle geſucht warde. Diefe Sutte fürden
wir unter dem Mamen des: Mefferwerfen dn befonbers ib
Heldenbuche mehrmals erwaͤhnt, und fie: komnut such. naih
in Fecht⸗ und Minge⸗ Buͤchern des 16. Jaheh: var... Die
Erkenntniß der, Srauſamkeit unde Auritterlichkeit vrs Ver⸗
fahrend. ſcheint aber: dieſe Kampfart in der agentlichen
NRitterzeit ganz zuruͤckgedraͤngt i zju haben. 3
Rittern und Knappen mine geameinſame: Waſſe wur
ber Schild. Auch dieſe Maſſe ſſammt aus-amwralter Zeit
und war bie fruͤheſte und ihefler Dede ie Kriege,!n md
jegt von ben Wölfen, die auf ber unterflen Stufſe der
Bildung fliehen, gebraucht... Geſtalt und Staffe; aus denen
fie verfertigt. waren,: gaben in: ber. Alteflen Zeit fchan man⸗
nichfache Verfchiebenheiten, und fo Hatten bereits u RE
mer Techferlei Aiten von Schilden, jebe verſchieden ‚benannt.
Die Franzofen nannten ihn Bouclior, Yon. ber. Erhöhung
(bosse oder boucle), die auf ber Mitte deſſelben füchtbar
war. Diefer Name kam wit dem Umbo ber Mömer uͤber⸗
ein, ber eigentlich auch nur eine Erhöhung anfdewe Schilke
bedeutete und dann dem ganzen :Schilbe den- Namen gab.
220 Bwelter Abſchuutt. Nitterleben.
Außerdem nannten auch bie Franzoſen den Schild éͤcu,
eigentlich altfranzoͤfiſch esch, welthes aus dem lateiniſchen
Scutum entflanben.. Was Me Schilde des. alten deutſchen
Dolter betrifft, ſo waren Ne meiſt für bie Fußkaͤmpfer be:
ſtimmt, ſelten für Reiter, und daher waren ſie ſo groß,
daß ſir dent ganzen Marmcbebeckten, vrnn cr ſich dahinter
verbergon: wollte, aus weiter Gruude ſie / auch meiſt mehr
lang, als breit waren. Nach und nach wurden ſie kuͤrzer;
doch hatten Auch ſehon in den aͤlteſten Feiten vinige Boͤl⸗
kerſchaften runde Schubr, wie; z. B. Alemannen und
Franken; denn fie. pflegte, La een Bean, we
Schilbe vorſich hin zu vallen. ln.
Dilie Sthilde der Vitterzeit waren oe Pr ganz
zumb (franz. zandaches), zum-Xheil nur Arund‘ (franz.
zondelier), Einige waren oben geviereckt und, runbeten
ober fpitten fich nad: wutes.-.gu. Diefe ‚Schilde waren
nur kleini, und Perfonen von hohem Rauge und Panners
beren: fcheinen. ſich derſelben vor allen aribern. bedient zu
haben. - Wenigßens finden: wie dieſen Schild mieiſtentheils
auf Bilbern: und Siegen an dem linken Arme vornehmer
Mitter. Auch in ben alfbeutfchen Gebichten werben
am haͤufigſten ſolche Schilde befchrieben, und die Spike
des Schlides, in welche bie eine Seite auslaͤuft, Ort
genannt... Bei Trauerzuͤgen wurden bie Schilde ums
‚gelehrt (wie noch ‚bei Leichenzügen hoher Perfonen bie
Soldaten ihre Gewehre umkehren), zum Zeichen bed Leids
und ber Trauer, und fo lautet daher im Parzifal eine Stelle,
Knappen wären dem Gamuret begegnet, die er wohl Tanne,
mit aufgekehrtem Schildes Ort,
3. Wehal. Waffou and richtung. 24
bie ihm bie Nachricht von dem Tode feines Vrubers Gas
Ines brachten. Manche Schilde waren bagegen fehr: lang
und fo, baß.:ber ganze deib buch ſie bebedit warb; bitfe
gebrauchten nur. diejenigen, welche zu Buße firktten. Noch
zur Zeit Maxrimilians waren fie: gewöhnlich, vnd wir haben
in feiner Iugenhgefchichte auch. ben damaligen Namen tens
nen gdemt , die. boͤheimiſche Pafeſe, Pafkefum ober Setz⸗
. tartfche, ein großer Schild, ber. meiſtenthels unten einen
Stachel hatte, mit dem: man ihm im Boden. befefligen
konnte. Faſt alle Schilde waren flach, nur wenig erhaben;
in ber Mitte hatten die Schilde, nach denen mit ber Lanze
gerannt warb, gemeinhin eine Erhoͤhung, welche alte Ges
dichte bie vier Magele, d. i. Nägel, nennen, und bie alfo
aus vier erhöhten Nagelköpfen zu beſtehen ſchien. Sie-
waren das Biel, nach dem meiſt die Ritter mit ihren Lanz
zen vannten, wenn fie tumierten. Gar ungefüge war ber
Schild, deflen fih Brunhilde in ben Nibelungen bediente,
auch bier wieder bie uhertzadene Groͤße der Veddenzeit
zeigend. V. 1763:
Da kam ihr Geſinde, die trugen bar zuhand
Bon allrothem Golde einen Schilbdesrand
Mit ſtahlharten Spangen, viel groß und viel breit/
Darunter fpielen wollte bie minnigliche Maib.
De Schild war unterm Huckel, ala uns das iſt geſaget,
Wohl dreier Spannen dicke, ben ſollte tragen die Maged;
Bon Stahel und auch von Golbe reich er war genug,
Den ihr Kaͤmmerer ſelb vierte kaum ertrug.
Bisweilen hatten die Schilde oben und unten. eine Spike,
bisweilen, wie ſchon gefagt, nur unten, wo aldhann ber
obere Theil vieredig war; kurz, man fand ig ber Ritters
zeit vielfache Geſtalten derſelhen.
29 DHwelter Abſchutit. Mittesieben.:
Die ſaͤlteſten Schilde der Völker waren von Holz uber
bon geflochtenen Weiden, fo wie von biegfamen Baum:
äften geflochten, oder auch aus Latten von leichtem Holze
gemacht. In ſpaͤteren Beiten nahm man flarke Leber
fo wie Metal dazu. Auch die Schilde, welche die Ritter
trugen, waren meiſt don-Holy5 ein eiſemer Ref und ein
- Weberzug von zubereitetem. Leder, auf dem man bäufigft
das: Wapken des Beſthzers fand, theils gemalt, theils auch
ans Pelswerf und duͤnnen Holze gefchmitten und barauf
befeftigt,, gab ihnen größere: Feſtigkelt und ein beſſeres
Unfehen! "Solche Schilbe, aus ſtarken Riemen von Leber
oder aus Sehnen geflochten, waren es wahrfcheinlich, bie
man Schilde von Horn nannte ‚. wie Stellen bes Delbens
buche Tagen:
VDen Marken ſchilt von Horne
Er im da gar erſpielt (durchhieb, ſpeltete)
Man mag aber auch wohl: Schilde von großen Schildkroͤt⸗
Ruͤcken getragen haben.‘ Ben dem ſtarken Leder, welches
die Schilde deckte, fol der Name Tartſchen kommen,
indem man gewöhnlich das Leber von bem Rüden (tergo)
ber Thiere dazu nahm. Diefe Ableitung ſcheint indeflen
keineswegs richtig zu feyn, wenn man betrachtet, in wie
vielen Sprachen dies Wort gleichartig vorfommt, fondern
zeigt wohl auf einen tiefer liegenden Urſprung. So heißtes 5.
DB. im Lat. targa, targia; franz. targe; ital, targa ; böhm.
tarts; poln. tarcza, und ſelbſt im: Arab. findet es fich als
Tarka oder Darka. Das-Leber und die Einfaſſung von
Metall hatten auch den Nuben, daß der Schild nicht nur
defto eher Hiebe und Schläge, ſondern auch Feuchtigkeit
3. Abthell. Waffen und Kleldung. 223
aushalten Tormte, mithin wider die Faͤulniß geſchuͤtzt warb.
In den altdeutſchen Gedichte kommt der Schild unter
der Benennung Schildesrand, oder ‚uch bloß ber
Rand vorz'fo heißt ed z. B. in den Nibelungen B:596:
Hie wird von Ihnen verhauen viel mander Helm und Rand.
. Da e8 befchwerlich war, den Schild immer mit fi
zu führen, fo ließen bie Ritter ihn von Ihren Knappen
tragen, wenn fie ihn nicht nöthig hatten; daher kommt
das Wort Schildfnappe, Schildknecht, scutifer und
auch das franzoͤſiſche Wort oͤcuyer hat bavon, ‚der richtis
gen Auslegung nach, feinen Urfprung. Trugen ihn bie
Ritter felbft, fo hatten fie ihn nicht am: Arme, wenn fie
nicht Kampf erwarteten, -fondern er hing an einem Ries
. men ober eimer Kette um ben Halt. Daher auch der.
Ausdruck: den Schild zu Hals nehmen. Sölche Riemen
werben in ben Nibelungen Schildfeffelm genannt, fo
wie das, was in ben alten Gedichten Schildgefpenge
genannt wird, bie Spangen waren, welche theils den
Schild zuſammenhielten, theild auch wieder zum Schmucke
gereichten, ba fie meiſt von edlem Metall gemacht wurden.
Dahin gehört auch die in ben Nibelungen vorkommende
Bezeichnung: Schild geſteine, ebele und andere prachts
volle Steine, die zum Schmude der Schilde angewendet
wurden. Ueberhaupt mag: in - früherer Zeit großer Prunk
mit Schilden und andern Waffen getrieben worden feyn,
befonderd. durch Beſetzung mit Toflbaren Steinen; denn
wir finden viele. Nachrichten, in denen erzählt wird, daß
nach den Turnieren dad gruͤne Gras und der Boden mit edlem _
Geſteine, die aus der Rüſtung gefällt worden, bedeckt waren,
22% Awelter Abſchuitt Rieterleben.
wobei auch edles Geſtein gemeint wird, welches ſich an
Sätteln und dem Reitzeuge fand. Bon der hohen: Ach⸗
tung des Schübes ſowohl, als auch von feiner Wichtigkeit
Tommen is. den. Nibelungen viele Gtellen wor. So vers
ſchenkt z. B. Sotelinde, die Gemahlin des Markgrafen
Rüdiger, an Hagen einen Schild, ber als hoͤchſt pracht⸗
voll beſchrieben wird, und der einſt dem Ritter Nudung
gehoͤrte, damit ihn Hagen auf der Reiſe in Ezels Land
führen ſolle. Aus derſelben Stelle geht aber auch hervor,
daß in den großen Saͤlen der Burgen die Schilde ver⸗
ſtorbener Helden an den Waͤnden hingen; denn Hagen er⸗
blickt ihn an der Band und erbittet ihn fi, Die Wich⸗
tigkeit des Schildes zeigt eine andere Stelle der Ribelums
gen. Bei dem graufen Kampfe im Saale Eyes, befim
Schluß der Tod beinahe aller-Ritter ift, klagt Hagen dem
Rübiger, als auch diefer zum Kampfe tritt, in ber Abens
teure, in welcher fich die zarteſte Menſchlichkeit im Ruͤdi⸗
ger enthüllt; daß ihm ber Schild Nubungs in ben harten
Stürmen gänzlich ſey zerhauen worden. Haͤtte er num
einen folhen Schild, wie noch Rüdiger an feinen Händen
trüge, „fo beblrfte er in ben Stürmen keiner Halsberge
mehr." Da reicht ihm ber gegen ihn kaͤmpfende Ruͤdiger
feinen Schild. — Fruͤherhin gebrauchte man hie Schilde
beim Zurniere fowohl im Kolbens und Schwert : Kechten,
als auch beim Lanzenrennen. In ben fpdtern Seiten bes.
Ritterthums ſcheint der Schild weit weniger gebraucht
worben zu ſeyn und verlor fi) am Ende ganz. So fagt
fehon die Limburger Chronik beim Jahre 1389: „Ritter
und Knechte, Buͤrger und reifige Leute führten zu firmen
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 225
und zu flreiten Beine Zartfhen und Schilb mehr, -
alfo daß man unter hundert Rittern und Smechten nicht
einen fand, der einen Tartſchen oder Schild Hatte." Schild‘
und ber offene Turnierhelm blieben aber in bem Wappen
des Adels, und die ‚mannichfache Geſtalt dieſer Schilde
zeigt fich daher noch in der Wappenkunſt.
Zur Bewaffnung gehoͤrten ferner die verblechten
Handſchuhe, welche einen Theil der ganzen Ruͤſtung
ausmachten, feſt die Hand bedeckten und dennoch wieder
beweglich waren, um bei den Verrichtungen ber Hand
nicht binderlich zu ſeyn. In dieſer Hinſicht war nur ber
‚obere Theil van Eiſen; ber. aber, welcher in die flache
Hand und auf die untere Seite der Singer fiel, war von
flarfem Leder. Auch waren die Handſchuhe verfchiebenartig
geftaltet. Einmal und am bäufigften glichen fie unfern-
Fauſthandſchuhen und. befanden oberhalb der Hand unb
ber Finger aus verfchiebbaren und beweglichen Streifen,
Anderntheild hatten fie auch wirflide Zinger, wobei dann
jeder Finger unten mit Leber befleivet war, und die Obers
band fowohl- ald die einzelnen Finger beflanden aus bes
weglichen Streifen. Die Handſchuhe ſelbſt waren wieber
über der Handwurzel an ben Armfchienen befeſtigt. Sie
Tommen in Werken des Mittelalterd auch unter dem Namen
Manikel vor, 5. B. bei Dttofar von Hornek, Gap. 536:
Die Handſchuhe wurden bei fehr vielen Gelegenbeitere
gebraucht, und daher kam es, daß fie auch eine allgemein
angenommene finnbilbliche Bedeutung erhielten. Man, bes
biente fich nämlich des Handſchuhes von des echten Hand
als eines Unterpfanbes oder eines Bürgen für ein gegebe⸗
15
226 Zweiter Abſchnitt. Rit ter leben.
nes Verſprechen. So war der Handſchuh zum Beiſpiel
eines der vorzuͤglichſten Zeichen der Einwilligung eines
Koͤnigs, wenn er einem andern die Auslibung gewiſſer
koniglicher Rechte erlaubte. Und unter den Zeichen der
Inveſtitur, das heißt, der Verleihung einer Sache, ober
vielmehr der Einflhrung in eine Sache, oder der Webers
| gabe einer Sache, finden wir ben Handſchuh befonders
erwähnt und am häufigfien vorkommend. Unter ben In⸗
veftituren wird dieſe Art fo arigeführt: per gantum od.
gwantum, wantum, wantonem (tin Wert des mittlern
Lateins, entiehiit und entflanben aus dem altbeutfchen wat,
want, Gewand, Kleid übeihauyf und bier Handhüͤlle,
Handfhuhe). Die Handfſchuhe, beſonders der rechte,
wurden dem, der belieben ward, in die Hand gegeben,
«Daher findet man auf manchen alten Münzen, die aus
Vergänftigung der Derrfcher geprägt wurben, einen Hand⸗
ſchuh abgebitdet. Wei der Hegung des peinlichen Berichts
z0g ehedem ber Richter „Das Bloße Schwert und hielt es
in ber rechten Dand, mit einem Blechhandſchuh angethan’.
Sogar davon finden ſich Beifpiele, daß zumeilen vornehme
-Bafallen abwefend ihrem Lehnherrn einen Handſchuh übers
fendet und dadutch die Lehnspflicht amgelobt haben, flatt
eine förmliche Belehnung zu empfangen. Hierbei ift es
noch eigen, daB man ſieht, ber Handfehuh wurde von
beiden Seiten gebraucht, indem ihn bier der Belehnte,
nicht der Belehnende, fenbet.
Sorberte ein Ritter den andern zum Zweikampf her⸗
aus, fo warf er, nach einer allbefannten Sitte, ihm’ ben -
Handſchuh bin. Der Heransgeforderte hob ſolchen auf
;
3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 227
und verband fich dadurch, zu erfcheinen. Ward jemand
in einem Zweikampf ober in einer Fehde überwunden, fo
dienten feine Dandfchuhe und fein rechter Sporn, auch oft
fein Schwert zu Pfändern oder vielmehr. zur Berficherung,
daß er bie Bedingungen, welche er dem Sieger verfprochen
hatte, erfüllen wolle. Der Ritter Sebaſtian Schärtlin ets
zahlt in feinem Leben, daß es zu feiner Zeit, .alfo im 16.
Jahrh., gewöhnlich gewefen, daß ber Meberwinber dem
Beſiegten Handſchuhe und Sporn felbft abnahm, das
Schwert ihm aber durch einen der Seinen abnehmen ließ.
Zu der Bewaffnung gehören nun noch die eifernen
Hofen und die Beinberge, d. i. Beinpanzer, Bein⸗
harnifche. Der Ritter mußte vom Kopf bis zu den Füßen
in Eifen gehluillt ſeyn, um jebem Hiebe, jedem Stoße .
Widerfiand zu leiſten. Darum finden ‚wir auch fchon in
ber aͤlteſten Zeit eine eiferne Umhuͤllung der .Lenden und
Füße, die bald, wie ber ganze Panzer, aus Mofchen,
bald aus Schuppen, bald aus ganzen Eifenflüden, mit
beweglichen Bänbern, beſtand. Solch Eifengemand um: -
bülte den ganzen Leib und ging bis zur aͤußerſten Fuß⸗
ſpitze. Was die Gurthofen betsifft, fo if es noch nicht
gewiß, ob fie von Eifen oder von anderem Stoffe, Les
der x» waren. u
Wie ein Ritter in feinem Harnifch ganz eingeichloffen
war, befchreibt uns deutlich Ottokar von Hornek in feinem
Zeitbuche Deſterreichs, wenn er erzählt, daß der Erzbifchof
von Kölin, Siegfried, der gepanzert ſelbſt gegen bie Her⸗
309 von Brabant und Geldern zu Felde gezogen war,
1288 in ber Schlacht bei Wurnich gefangen genommen
45*
228 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
wurde. „In dieſer Gefangenſchaft hat der Erzbiſchof viel
Uebels erdulden muͤſſen. So gekleidet, wie er war, ſperrte
man ihn ein; keins der Waffenſtuͤcke durft' er ablegen,
vielmehr muſt' er, als ging' er ſtaͤts zum Streite, mit
aufgebundenem Helme, mit Gurthoſen, Halsberg,
Churſit, Platten und Schwert da ſitzen. Nur zum
Efien band man ihm Helm und Manikel ab. Wär
. ex bed Harnifches ungewohnt gewefen, er hätte ficher
Kraft und Verſtand dabei verloren. Endlich erbarmte ſich
feiner der Papft und verwendete ſich für ihn durch einen
Legaten. Als diefer mit feinem Gefuche erfchien, erwiberte
‚ ibm der Herzog von Brabant: bag ich einem Pfaffen
etwas thäte, dafür Hüte ich mich allezeit; ich fing zwar
einen Mann in dem Streite, der neulich erging, der ift
aber in ritterlicher Geſtalt; folte man ihn zu den Pfaffen
‘ zählen, benen fieht er ganz ungleich." Als der Herzog
dem Legaten erlaubt, diefen gepanzerten Mann zu fehen,
war bie Erkennung und Auslöfung leicht. Es möge bies
zugleih zum Beifpiele dienen, wie hohe Geiftliche alter
Zeit nit immer bloß dem Amt bed Friedens und ber
chriſtlichen Milde dienten.
Dies wäre nun die Bewaffnung bes Ritters,
Zur Jagd bediente er ſich noch einiger Waffen, bie er ins
defien nie auf Ritterzuͤgen gebrauchte, und die bloß von
ben Knappen geführt wurden. Diefe find: Bogen,
Pfeile und Armbrüfle Die Handbbogen wurden
ſchon in fehr früher Zeit, befonder8 zur Jagd, gebraucht,
in einem Köcher verwahrte man die Pfeile. So bedient
3. Aöthelt, Waffen und Kleidung. 229
ſich noch Parzifal zu feinen kindiſchen Jagden nach ben
Vögeln des Waldes eines Bogens, V. 3501: |
Bogen und auch Boͤlzelein
Die Schnitt er mit feiner felbft Hand
Und ſchos viel Voͤgel bie er fand.
Schon ſeit dem 11. Jahrh. ward aber meiſt die Armbruſt
gevoöhnlicher, wenn auch noch im 45. Jahrh., wie wir
oben in der Jugendgeſchichte Maximilians gefehen haben,
ber Handbogen gebraucht ward. Die Armbruft war eine
Waffe, der man mehr Gewalt zu geben vermochte, indem.
fie beim Anfpannen flärker angezogen werben konnte,
weöhalb man auc, eigene Werkzeuge dazu hatte, um fie
änzufpannen, die und bie Nibelungen Handwerke
nennen. Dazu gebrauchte man aber immer noch die Koͤ⸗
cher, in denen man bie Bolzen trug. So heißt ed von
Siegfried in den Nibelungen, ald er zur Jagd reitet,
V. 3816: | |
Hei! was er reicher Borten an feinem Köcher trug!
Bon einem wilden Panther war barüber gezogen
Ein Vließ um die Gefchoße. Auch führt’ er einen Bogen,
Den man mit Handwerke muſte ziehen an,
Der ihn fpannen wollte.
Durch die Geftalt, welche man ben Pfeilen gab, und
vornehmlich durch die Widerhafen, die dabei angebracht
waren, Tonnten fie dem damit Verwundeten aͤußerſt ſchaͤd⸗
lich, ja fogar oft toͤdtlich werden. Zwei Arten der Pfeile,
die mit der Armbruft abgefchoffen wurden, find jegt wenig
bekannt; die eine war vieredig, wie das daran befindliche
Eiſen, und zuweilen mit Erz gefiebert; die andere Art
war dem Eifen einer Hellebarde gleich, mar leichter ſchwe⸗
—
230 tZweiter Abſchnitt. Ritterleben.
bend, vermittelſt der dabei angebrachten Federn, die den
Pfeil im Gleichgewicht hielten. Auch hatte man eine Art
Pfeile, die laͤnger und weit dicker waren, als die gewoͤhn⸗
lichen; ſtatt der Spitze waren fie mit einem dicken runs
ben Eifen verfehen, das alles, Schild, Helm, Panzer,
MWammd und dergleichen zerfchmetterte. Sie hießen Mas
tras und wurben auch mit der, Armbruft gefchoffen. Bei
ber Armbruft hatten die Mauerbrecher und Katapulten
ber Alten zum Muſter gedient, daher auch ihr lateinifcher
Name: arcus balistarıus oder balista manualis. Die
Armbruft erfhien dem Mittelalter als ein fehr gefährliches
und allzufchäbliches Gewehr, indem durch das Fernhintreffen
derfelben fchon ber perfönlichen Zapferkeit, Fauſt gegen
Fauſt, Eintrag gefchah. Darum ward fie auf der zweiten
lateranenfifhen Synode im Jahre 1139 verboten, Obgleich
Dapft Innocenz III dies Verbot wiederholte, blieb fie doch
in Srankreih, England und Deutfchland allgemein vers
breitet und. gebraucht; auch hatten die Päpfte, in chrifls
licher Milde, nichts dagegen, daß fie gegen die Ungläubigen
ongewenbet ward, Der Ritter durfte fich indeflen, wenigs
fiend in früherer Zeit, keiner Armbruft bedienen, es fey
denn zur Jagd. Als daher Parzifal, nachdem ihm Iwas
net die Waffen bed rothen Ritters angelegt bat, feinen
Köcher und Bogen wieber verlangt, fo wie feinen Babis
lot, von’ dem ich fogleich fprechen werbe, fagt ihm Iwanet:
Sch reiche dir kein Gabilot,
Die Ritterfhaft bie das verbot.
In fpäteren Zeiten hielt man es nicht fo firenge, wenigs
ſtens wird die Armbruſt oft in denn Leben des Goͤtz von
3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 21
Berlichingen erwähnt, Hand von Schweinichen fpricht
auch von ihr, und fie erhielt fi bis, auf neuefle Zeiten;
denn ed giebt noch Drte, gab ed wenigflend noch vor
wenigen Jahren, an benen beim Vogelſchießen die Bürger
fih der Armbrüfte bedienen.
Außer ber Armbruft ift noch das Gabilot zu bes
merken, im Franz. Javellot genannt, ein Wurffpieß, be
fonders ein Jagdſpieß, in ben fich wahrfcheinlich Der fchwere
Ser der Heldenzeit verwandelt hatte; denn Siegfried führt
zur Jagd auch noch eine tuͤchtige Waffe (B. 3810):
Sein Speer war viel gewaltig, ftarte und aud breit. —
Das Meinere Gabilot führt auch Parzifal in feinem
Malde und bei feinem Auszuge Außer einem Wurffpieß
waren ‚unter Gabilot auch Pfeile vesftanden, bie in einem
Köcher getragen wurden. So heißt es im Parzifal (4134):
Da griff der Knappe hehre
Zu feinem Koͤchere,
Biel ſcharfer Gabiiot er fand.
Beideß vereint ſich pieleicht badurh, wenn man unter
Gabilot ine Art kurzer Wurfpfeile annimmt, die auch in
einem Köcher getrapen wurden, da man immer mehre bei
ſich hatte, und bie entweber mit ber Hand ober auch buch
die Armbruſt gefchleudert wurden, Durch ein folches Gas
bilot toͤdtet auch Parzifal den rothen Ritter Ither und
erwirbt deſſen Ruͤſtung, indem er ibm das Gabilot durch
bad Bifier-in Auge und Kopf ſchleudert. Daß Nitter es
nieht. tragen busften, geht aud ber fchon oben angeführten
Stelle des Parzifal. hervor, unb aus einer. andern beffel-
ben Gedichts, worin befchrieben wirb, wie Parzifal ber
232 Biveiter Abſchnitt. Mitterleben.
Königin Gundwiramurs in Brubars zu Huͤlfe tommt,
die heftig belagert wird; dort heißt es:
Da ſtund auch mancher Kaufmann
Mit Hatſchen (Aexten) und mit Gabilot,
Als ihn'n ihrer Meiſterſchaft gebot.
Zur vollſtaͤndigen Bewaffnung eines Ritters gehörte
auch noch, daB er ein völlig gepanzertes Streitroß
hatte. Diefe waren ed nun, welche bie Knappen, wegen
ihrer Unbequemlichkeit beim Reiten, auf der Reife an der.
rechten Hand führen mußten, und bie baber, wie ſchon
oben berührt, dextrarii, franz. destrier genannt wurben.
Es waren fchon an fich große und ſchwere Pferde, welche
burch die Rüftung noch fchwerfälliger wurden. In Deutfchs
land hießen fie Streithengfte, - weil immer Hengſte
dazu genommen werben mußten (eine Stute zu reiten,
war höchfte Schmach für einen Ritter), Schon die alten
falifchen Gefebe fprechen von Streitroffen und nennen fie
Waranniones, entflanden au War, Krieg, und Kenne,
Renner (Schnelllaͤufer), alfo eigentlich Kriegsrennpferde,
Kriegörenner. Diejenigen Pferbe nun, welche ber Ritter
außer dem Kampfe ritt, hießen palafridus ober pale-
fridus, ftartz. palefzoi, ein leicht gehendes und unbewaff⸗
netes Pferd. . Im Deutfchen giebt es viele Abtheilungen -
ber Pferdbenamen, und einem folchen palafridus entfpricht
am meiften dad Wort ors (Verſetzung für Rof), welches
ein ſchnell Iaufendes Pferd bebeutet und von den Rittern
auch zu Kämpfen gebraucht ward, wenn fie ihre ſchweren
Streitroffe wicht bei fich hatten, oder wenn fie den Kampf
du leicht hielten, um fie zu beſteigen. Im Parzifal kommt
3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 233
noch die Benennung Kaſtelan vor (VB. 4687.), welches
als lang⸗ und hochbeinig gefchilbert wird, worauf Sther
geritten, und welches ſich auch Parzifal, nachdem.er ben
Sther getoͤdtet, zugeeignet. Dies Wort bebeutet wohl
unftreitig ein ſchoͤnes, edles kaſtiliſches Roß, und ed war
gewiß ein Streithengſt damit gemeint. Was in alten
Werken unter dem Namen ritter pferde vorkommt, ift
aller Bahrfiheinlichkeit nach nichts anders, ald ein Stteitz,
bengft. Sonft dient dafuͤr auch das Wort rupzit (mittl,
Latein ‚runcinus oder rossinus, franz. roncin). Dies
waren wahrfcheinlich Wallachen, benn im Geltifchen heißt
rheonsi, und daher runen, ruynen, runken — castrare,
Die andern Pferdeabtheilungen find, um fie. hier beildufig
anzuführen: veldtpferde ‚bie Pferde der Aderleute; ride
pferde, Neitpferde, gewöhnlihe, der Knappen und ans
derer; teldere, zelter, zeltend Pferd, find diejenigen, die
einen leichten und angenehmen Trapp gingen und daher
meift von Frauen zum Vergnügen und auf Reifen geritten
wurden. Doc, ritten fie auch Ritter, wenn fie feinen
Kampf fuchten, 3. 3. in dem Frauenturnier (Kolcz. Kod,
B. L ©. 79):
uf iren Gelben pferben,
(mit, geräftet auf ihren Streitrofien) ritten bie Bürger zur Suͤhne.
Welcher Unterfchied. zwiſchen ben Streithengſten und
den gewoͤhnlichen Reitroſſen gemacht ward, geht auch aus
den Gefetzen Kaiſers Friedrich J hervor, die Radewich de
Rebus gestis Friderici I. c. 26. Lib. I. anführt, indem
es heißt: si extrameus’ miles pacifice ad castra acces-
serit, sedems in palefrido sine scuto ot armis (bie
234 Zwelter Abſchnitt. NRitterleben.
Knappen hielten und trugen fie, wie bereits fehber erin⸗
nert worden), si quis eum laeserit, pacis violator in-
dicabitur. Alſo ald ein Landfriedensbrudy ward es anges
fehen, wenn ein fo unbewaffnet auf einen gewöhnlichen
Reitpferbe figender Ritter angegriffen ward. Dagegen
fagen Diefelben Gefege, eines. das andere erflärend: Si
autem sedens in dextrario et habens scutum in
manu, ad castra acoesserit, si quis eum laeserit, pa-
cem non violauit.
Die Streithengfte waren, damit auch fie unverwunds
barer wurben, wie bie auf ihnen figenden Ritter, gehar⸗
nifcht, fo daß Roß und Mann eine Eifenmafle zu machen
ſchienen. Was die Geſtalt diefer Ruͤſtung betrifft, fo
war alle auch feft und tüchtig in ihre zufammengefügt,
damit da8 Roß fo viel wie möglich vor tödtliden Stößen
und Stihen bewahrt war. Der Kopf war eine eiferne
Larve, von der Geflalt und Größe eines Pferdekopfes.
Die Augen waren groß ausgefchnitten, und jebes mit
einem Heinen ſich rund wölbenden Gitter zum Schuß vers
feben. Ueber die Nafe ging eine etwas Iängere Schneppe,
aber unten war alles auögefchnitten, um bie gehörige Fe⸗
fligung des Gebiffes und der Stange anzubringen. Oben.
an der Kopfrüflung waren ein paar Peine Röhren, worin
- die Federbäfche befefligt wurden. Darauf folgte der wieber
befonders gearbeitete Hals, auf dem oben an einen eifers
nen Stäbchen der Kopf angehängt ward. Diefer Hals
beſtand aus lauter verfchiebbaren Metallſtreifen, damit das
Pferd mit Hals und Kopf jede Wendung und Beugung
machen konnte. Won vorn und von oben nieder war
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 235
zwiſchen dieſe Streifen mit einem ſpitzen Werkzeuge nicht
zu kommen, hoͤchſtens und muͤhſam von unten hinauf.
Dieſer Harniſch ſchloß einer Seits an den Bruſtharniſch
an, ber eine ziemlich breite, aus einem Stüde. beſtehende,
laͤnglicht um die Bruft gewölbte Maſſe war, bie mit Has
fen an dem Sattel befefligt warb und vorn an jeber
Seite eine große metallene, feſt baran gearbeitete Halbs
kugel hatte, beflimmt, ben Stoß ber an einander anfprens
genden und apfloßenden Pferde zu brechen. Anderer Seite
war biefer Hals wieber genau an ben Sattel, alles mit
eifernen Stiften, gefugt. Der Sattel war groß und
fhwer, von Holz, ſtark mit Eifen befchlagen, beſonders
vorn und hinten mit einer hohen Eifenwand, worin ber
Ritter mit feiner Ruͤſtung feſt eingezwängt ſitzen mußte,
und bie alfo. auch zu feinem Widerſtande beim Lanzenrens
nen viel beitragen Fonnte. Die Geſtalt der Sättel kam
der gleich, welche noch unfere fogenannten Schulfättel auf
den Reitbahnen haben, nur waren die Vorbers und Hins
ter⸗Polſter noch höher. Was nun nicht mit Eifen bes
fchlagen war, befonderd der Si& und bie Seiten, wurde
mit ſtarkem Leder ober mit Sammt gepolftet. An dem
Sattel hingen an Ketten ober, wiewohl felten, an
fehr ſtarkem Leber, die Steigbügel, welde mit unferen
heutigen Steigbligeln übereinfamen und auch nur einem
‚ Meinen Theile des Fußes eine Ruhe gewährten, nicht aber
fhaufelartig gefaltet waren, wie morgenländifche Voͤlker
fie haben. Hinten om Sattel waren zwei ſtarke eiferne
Stacyeln, und in diefe wurde bie Rüftung für den Hin⸗
tertheil des Pferdes, die fehr groß, hochgewoͤlbt und. breit
2360 8weiter Abſchnitt. Nitterleben.
uͤber das ganze Hintertheil des Pferdes ſich erſtreckte, ein⸗
gehaͤngt. Damit dieſe nun das Pferd nicht druͤckte, auch
bei ihrer Weite nicht um das Pferd ſchlotterte und es rieb,
war inwendig ein kleines Geruͤſte, von Holz oder Fiſch⸗
bein, mit Leder uͤberzogen und gepolſtert, das feſt am
Hintertheil des Pferdes anlag und jedes Verſchieben und
Verruͤcken verhinderte. Dieſe Ruͤſtung der Kruppe, ſo
wie die des Vorderbuges war nur ſo lang, daß gerade
der Bauch bedeckt ward, die Fuͤße kamen unbedeckt und
unbewaffnet darunter hervor, damit Lauf und Bewegung
nicht gehemmt wurden. Außerdem waren aber die Roſſe
auch mit großen und fliegenden Deden bekleidet, fo daß
auch fie ihre Waffen 'gleichfam mit einem MWaffenrod um⸗
bult hatten, "befonders bei den Zurnieren, wo fie nicht
gerüffet waren, fonbern höchflens eine Dede von Eifen
über Naſe und Stirne hatten, um dieſe Theile beim Ans
prellen zu fichern, und auch, wenn die Lanze fie etwa
berübrte, biefen gefährlihen Theil zu ſchuͤtzen. Diefe
langwallenden und fchön geftidten Deden hingen vorn
und ber das Hintertheil nieder, und davon fprechen auch
ſchon die Nibelungen V. 7561:
Da war ihre Kurzeweile ſo lang und auch ſo groß,
Daß durch die Deden nieder ber blanke Schweis flo
Bon ben viel guten Roſſen, bie die Helden ritten.
Schon die Laft der Pferderkfltung war höchft bedeutend;
rechnet man nun noch bazu "die Laft der Ruͤſtung des
Mannes und das Gewicht bes Ritters, fo kommt eine ges
waltige Schwere heraus, welche die Roffe tragen mußten,
und mit der fie im Kampfe gegen einander im Trab anliefen.
3. Abtheil.. Waffen und Kleidung, 237
Diefe Schwere vermehrte aber auch das Gewicht und. den
Drud des Lanzenftoßes. Man nahm daher auch nur fehr
ſchwere, harttrabende und: größe Pferde zu biefen Ritter:
roſſen.
Was fonft noch. bie Pferde betraf, . welche bie Ritter
zu erhalten firebten, fo nahmen: fie befonders einfarbige
Dferde,.: damit fie nicht Durch audgezeichnet farbige und
ſcheclige Roſſe zu leicht befannt wurben, und fie fich baber,
wenn fie verborgen bleiben wollten , eines Entdedung aus⸗
festen... Darauf deutet eine Eszdhlung ber heibelberger
Handſchrift: von dem Roßtäufcher, in ber es inbeflen
Scheint, daß mehr der Eigenfinn und ber üble Wille bes
Ritters, der. den Roßtäufcher prellen wollte, .an ber Nichte
annahme des bunten Pferdes fehulb war; indeſſen mußte
diefer Einwurf doch ein folcher fen, ber annehmbar ers
ſchien. Außerdem erfahren’ wir aus biefer Erzählung noch
andere Pferbefehler, die ein Mitterroß nicht haben durfte.
So liebte man nicht, daß ed den Kopf zu hoch trug, da
dies beim Anlauf gegen einander binderlich war, indem
man den kommenden Ritter nicht gehörig fehen konnte.
Eben fo vermieb man eb, zu weichmäulige Pferde ſich an=
zufhaffen, indem diefe. bei dem jaͤhen Anhalten zu . leicht
überfchlugen... Ein Ritterpferd mußte daher immer flark.
in der Fauſt liegen, und dahin kam es denn auch bald
durch die ganze Art: und Weile dDeB Gebrauches.
Was das Zaumzeug der Ritter betraf, fo. war auch
biefed gemeinhin reich gefchmuͤckt. Daß bie’ Riemen breit
fepn mußten, und fchmale Bäume und Gurte als veraͤcht⸗
lich angeſehen wurben , geht aus Parzifal V. 7639, hervor.
\
238 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Doch wechſelte dies auch wohl nach Zeit und Sitte, wie
eine Stelle der Nibelungen zeigt, V. 1609, wo wenig⸗
ſtens die Sattelriemen um die Bruſt des Pferdes (mal
befchrieben werden; doch konnte auch beides neben einander
beftehen. Außer reichen Steinen und Golb und : Silber,
bie auch bier, bei großer Pracht, nicht gefchont wurben,
gehören noch Schellen hieher, mit benen die Bruflgurten
und bie Zaͤume befegt wurden, welche nun, fobald ber
Reiter forttrabte, ober auch dad Pferd ſich nur bewegte,
ein luſtiges Geklingel verurfachten. Davon mehr, "wenn
wir weiter unten bie Schellentracht ber Ritter uͤherhaupt
werden kennen lernen.
Außer der ſchweren Ruͤſtung trugen auch die Ritter
noch leichtere Bewaffnung, wenn fie auf die Jagd gingen,
auf Reifen waren oder ſonſt nicht in ihrer ſchweren Rüs
flung erfcheinen wollten, oder zu erfcheinen brauchten.
Diefe befand meiftentheils in einem tuchenen ober leder⸗
sen Wamms mit Aermeln, über dieſes fchnaliten fie einen
leichten Bruftharnifch. Ihre Handſchuhe waren von Leber
ober von leichtem Blech, auf ihrem Haupte hatten fie
eine leichte Pickelhaube, ohne Vifier und Anfchluß um das
Kinn, leverne Beinkteider und lederne Stiefel Augen fie
an ben Süßen. Ein Waffenrod fehlte, unb nur ihre
Schaͤrpe hing von der rechten Schulter nach der Linken
Hüfte. Einer folhen Tracht durften fi auch die Knap⸗
gen bedienen. .
An bie Erzählung von ber Bewaffnung ber 'alten
Kitter wirb ſich auch Leicht eine Nachricht von ihrer andern
Tracht anknüpfen, die für manches aus alter Zeit erklaͤ⸗
3. Abthell. Waffen und Kleidung. 239
rend, obgleich die Bedeutung einzelner Wörter und daher.
auch ber Sinn mancher Nachrichten uns noch dunkel if.
Die Waffen der Ritter und Knappen waren mit Toflbaren
Bierrathen geſchmuͤckt, aber das ebelfte der Metalle, das
Gold, war allein den Riftern, ihren Waffen, ihren Spos
zen, den Deden ihrer Roſſe, ihren Mänteln und felbft
den Harnifchen ihrer Roffe vorbehalten. So fagt und ein
franz. Schriftſteller: Der vergolbete Harnif war in
jeder Verfaſſung, ſowohl zu Pferde als zu Fuße, für
den Nitter beſtimmt; indeffen konnte der König folchen
auch den Bürgern, welche. er abelte, erlauben. Das Gold,
in feidene Zeuge gewirkt oder geftidt, zierte die Roͤcke der
Mitter, ihre Mäntel und alle Stüde ihrer Kleibung und
ihres Aufzuges. Die Ritter allein hatten dad Recht, Eofts
bares Pelzwerk, Dermelin und Grauwerk zu tragen. Die
Mäntel waren meift lang und fchleppenb, doch auch, nah
Wechſel der Zeit und Sitte, Fürzer. Sie waren die ebelfte
und erhabenfte Bier, die des Ritter anlegen konnte, wenn
‘er nicht mit feinen Waffen bekleidet war. Daher finden
wir fo oft in alten Rittergebichten, wenn Ritter in Schlöfs
fen und in Burgen ankamen, wie Knappen und Jungs
frauen eilten, ihnen bie Waffen abzunehmen. In dem
Rittergebidyt Iwain heißt es B. 266 ff.:
ine Yungfrau die mi empfing >
Die entwaffnete mid.
Einen Schaden klage ich (fegt der erzählende Iwain hinzu),
Daß der Baffenriemen Aſo wenig ifl,
Daß fie nicht Läng’re Friſt
Mit mir muſte umgehen,
Es war gar zu bald geſchehen.
240 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Darauf wurde ihnen die Schwaͤrze abgewaſchen, welche
fie dur die Ruͤſtung erhalten hatten, theils burch bie
Eifenrüftung feldft, theild durch ben Staub, welcher durch
biefeibe geflogen und auf ihnen haften geblieben. So
heißt es im Parzifal V. 5512: „Er war ganz ungleicher
Farbe; da er nun ben Ram von fi mit Waſſer wuſch,
hahe hätte er nun der Sonne ihren viel lichten Schein
verdecket.“ — Nunmehr ward ihnen ein Mantel gebpten,
welcher meift von Scharlah Farbe war, ber Haupt: und
Ehren = Farbe der Ritter, gefüttert mit Hermelin, Zobel
oder anderem Eoftbaren Pelzwerk. So heißt ed im Iwain
bei der eben erwähnten Selegenheit B. 276:-
Ein ſcharlachenes WMäntelein
Gab fie mir an;
und im Parzifal ®. 5518:
Man bot ihm einen Mantel an,
Geleich alfo der Rod (Waffenrock) getban
Der eb’ vor an dem Helden lag,
(die Rüftung Parzifald, welche er dem Sther von Gahevies abgenommen,
war durchaus zoth.)
Dep’ Zobel gab wilden neuen Schmag (db. i. Gerug).
Solche Mäntel wurden nun Ehrenmäntel genannt, frans
zöfifh manteau d'honneur. In einer fpdtern Abtheilung,
worin von bem Empfange ‚der Ritter auf ihren Zügen
die Rebe feyn wird, werde ich mehre auch hieher, gehörige
Stellen am bequemeren Orte anführen koͤnnen.
Könige und Fuͤrſten fchenkten den neuen Rittern,
welche fie ernannten, Mäntel folcher Art, und oft wurde
diefem Gefchen? ein Prachtpferd Hinzugefligt, oder wenig
ſtens ein golbenes oder vergoldetes Gebiß für ein Pferd.
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. | 241
Solche Geſchenke für Ritter gingen oft ins Ungehenre,
und fo-heißt e8 3. B. in den Nibelungen-®B, 4170, als
erzählt wird, wie Siegfried die Nitterwürbe erhielt,
von feinem Bater Siegmund und feiner Mutter Siege
linde:
os und gute Kleider, das ſtob ihnen von der. Hand,
Als 0b fie hätten zu leben nicht mehr denn.einen Leg.
Die Herrfcher erneuerten oft bie Geſchenke folcher Mäntel
ganz oder ‚zum Theil aus der Farbe, welche man ihre
Leibforbe nannte, franz. Livrei, welches Wort nachher
eine ganz anbere Bedeutung befommen, wie fchon oben
von größeren Vafallen bemerft worden. Um folche Ges
ſchenke zu ertheilen, wurden die Abwechölungen der Zahreds
zeiten, bes Winterd und Sommers, befonberd bei ber
Winter: und Sommerwende, Seile, bie, wie bereits. ebens
falls bemerkt, eine alte heidnifche Bedeutung hatten und
in das Chriftenthum übergegangen waren, benußt, ober
man ergriff auch andere feierliche Hofverfammlungen.
Hermelin, Zobel und Grauwerk zu tragen, gehörte,
wie bereits, gefagt, ebenfalld zu ben Vorzügen ber Ritter;
Knappen mußten ſich mit weniger koſtbarem Sutter von
Pelzwerk begnügen, und das fchlechtefle war für Leute
von geringerem Stande beftlimmt. Wie verfchwenderifch
oft mit dem Hermelin-umgegangen warb, geht aus einer
Stelle des Hornet hervor, bei ber Gelegenheit, als Kaiſer
Albrecht und König Philipp der. Schöne zufammentamer.
Beide .Herrfcher ermahnten ihre Ritter zur möglichften
Pracht, da ein jeder wuͤnſchte, es dem andern. zuvorzu⸗
thun, umd die Deutfchen follen bie Franzoſen überglänzt
6.
3
242 | Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
haben, denn ſie trugen mit Hermelin gefütterte Kleider
und übertrafen fo bie Sranzofen an Reichthum der Ges
wande, indem fonft nur bie Befäge von biefem edeln
Pelzwerk genommen wurden. —
Dem Buͤrgerſtande war nicht allein verboten, betlei⸗
chen Pelzwerk zu tragen, ſondern auch der Gebrauch des
Goldes, koſtbarer Steine und goldener Einfaſſungen war
ihm verwehrt, fo wie bie Bürger und Unabdelichen weder
Steine, noch Perlen, noch golbene oder filberne Kronen
fi anmaßen durften. Nah und nad aber verlor ſich
dieſe Strenge, und das Uebermaß in Kleidungen griff
gewaltig um ſich. Buͤrgern und gemeinen Leuten hatte
man ſogar anfangs unterſagt, Seide zu tragen; ſparſam
waren ſeidene Stoffe unter Ritter und Knappen vertheilt.
Die Sorgfalt, eine jede Verwechslung der Stände zu
vermeiden, ging fo weit, daß, wenn man bei Feierlichkei⸗
ten. die Ritter in feibenen Damaft gekleidet fah, Die
Knappen nur Atlas ober Taffet trugen, oder wein biefe
in feidenen Damaft gekleidet waren, fo trugen jene
ſammetne Kleidung. So empfahl Renatus, König von
Sicilien, in feiner Abhandlung von der Einrichtung ber
M Turniere, den Oberhäuptern der Turniere, einem jeben
der aus den Rittern erwählten Zurnierrichter ein langes
Kleid von Sammet, und den beiden andern, bie aus den
Knappen genommen wurden, ebenfalls lange Kleider, aber
nur von Damaft, zu geben. Bei einem Feſte, welches
der Herzog von Burgund im Jahre 1454 zu Lille gab,
waren bie Ritter in Damaft, die Knappen und Edel:
!
3. Abthell Waffen und Kleitung 243
leute in Atlas, die Knechte und Diem aber nus in wol-
lenes Tuch gekleibet.
Scharlach, oder jede andre rothe Zarbe, war, we⸗
gen ihres in die Augen fallenden Glanzes, eine Haupt⸗
tracht der Ritter, und dieſe Farbe hat ſich noch bis zu
neuern Zeiten in der Kleidung hoher obrigkeitlicher Perſo⸗
nen einiger Laͤnder und Orte, und der Doctoren, bei Em⸗
pfang dieſer Wuͤrde auf einigen Hochſchulen, erhalten.
Aus den bereits angefuͤhrten Stellen des Parzifal und
Iwain geht hervor, daß beibemale ber dargebrachte Mans
tel eine rothe Farbe hatte, und beim Iwain ‚findet fich auch
die Benennung Scharlach. Indeſſen if bier, zum Ber
ſtaͤndniß alter Gebichte,. zu bemerken, daͤß Scharlach auch
der Name eined feinen Stoffes war, währfcheinlich des
Sammets; denn, wenn ich nicht irre, kommt im Parzifal
die Stelle vor: brun Scharlachen (braun Scharlachen).
Aus einzelnen alten Nachrichten geht hervor, baß bie
Ritter fih den vordern Theil bes Kopfes ſchoren, viels
Yeicht aus Furcht, wenn fie in dem Kampfe ihren Helm
verloren hätten, beisben Haaren ergriffen zu werbenz
wielleicht auch, weil ihnen das ‚Haar unter dem eifernen
Helme, mit dem fie fo häufig bedeckt waren, beſchwerlich
ward. Anderer Seits hören wir aber auch wieder von
herabwallenden Haaren, beren Loden bei Eröffnung bes
Helmes hervorfielen. Was die Bärte betrifft, fo belehren
und die alten Denkmaͤhler und Nachrichten, baß bie Ritter
Bärte trugen, aber Feine langen Bärte, fonbern kurz ges
flugte und zierlich gefchnittene. . So verachtet Ottokar von
Hornet bei der Erzählung, wie 1261 Ottofar feine Nichte
16*
244 Zweiter Abſchnitt. Ritterteben.
an ven König Bela von Ungarn zu Wien vermaͤhlt, eine
Sitte der Ungarn, fagend: „in allerhand Schmuck ritten
dazumal, um ihren Gral (Krol, Koͤnig) geſchart, die Un⸗
gern, ſo mit ihren langen Baͤrten ihre Hoffahrt und ihre
Reichheit zeigten, nach ihren tartariſchen Sitten,
wovor uns Deutſchen graut; ſie hatten naͤmlich
in ihre Baͤrte gar manche weiße Perle und mandın Edel⸗
ſtein kuͤnſtlich eingeflochten.“
Da die Ketten zum groͤßten Staat Hehoͤten und als
Shrenzeihen getragen wurben, fo machten alte Gefeße
«die Reichöpoligeiorbnung v. 9. 41530. Nr. 14.) . einen
Unterfchied in dem Werthe der Ketten, wie fie ein jeder
tragen durfte. &olbene Ketten trug ber Abel, aber ber
gewöhnliche Adliche nur eine von 200 Gulden Werth,
Ritter eine für 300, Grafen und Herren eine für 500
Gulden.
Nach diefen allgemeinen Sägen, in welche ih nur
Hin: und wieder einige Beweife aus alten Werken einmi⸗
{chen Fonnte, fol nun bier eine Reihe Nachrichten aus
ältern Werken folgen; .bie Bewaffaung und Kleivung
betreffend, woraus ſich theils Beftätigung des bereit Gr:
zählten, theild aber auch noch manches Neue ergeben wird,
Nicht allein die Waffenroͤcke waren, wie ich bereits
bemerkt, wie eine Art Sad geftaltet und wurben über
den Kopf geflulpt, fondern auch eine Art von Röden,
welche die Ritter unter dem Harkifch trugen, hatte dieſelbe
Geſtalt. Died ergiebt fih aus einer altveutfchen Erzaͤh⸗
lung, die freilich ein derber Schwank if. Diefe Räde
bedeckten rundum, und von oben bis unten zu, auch ziem⸗
3. Abthell. Waffen und Kleidung: 245
lich tief hinabgehend, gewiß bis über die Waden, "den Leib,
etwa wit jegt noch die weſtphaͤliſchen und magdeburger
Landleute, ſo wie Fuhrmaͤnner ein blaues oder ein weißes
Hemde Don Leinewand über ihre Unterkleider ziehen. Der
hoͤfliche Spaß, den fich ein Ritter machte, ber aber bes
deutend unziemlich ausſchlug, aus dem biefe Kleidungsart
beroorgeht, ift-fo: Ihn befuchte bei naßkaltem Wetter ein,
fremder fahrender. Ritter, ben. eg wohl empfing, ein euer
machen ließ. und fich mit ihm, Frau und Toͤchtern dazu
feßte. Als das Feuer die Stube zu ſehr erwärmte, zog
de? Wirth feinen Rod aus und bat den Saft, ein Gleis
ches zu thun, der es aber dringend ‚ablehnte. Der Wirth
bat noch mehr; neues und noch angelegentlicheres Verbitten,
Da fagt der. Wirth feinen Knechten heimlich, - fie follen
den Saft unvermuthet anpaden und ihm den Rod über
ben Kopf mit Gewalt wegzieben; es geſchieht, und gur
größten Schande ſteht der Gaſt num ohne Hemde uub
ohne Beinkleider vor feinen Wirtben; er hatte nichts ans,
deretz angehabt, als den Rock, und daher wohl Urfache,
das Ausziehen zu verbitten. — Indeſſen giebt es aber
auch noch eine andere Art, ſich in die enger anſchließenden
Gewande zu huͤllen, welche wir oftmals in den alten Rit⸗
tergedichten unter der Benennung: in ein Gewand, in ein.
Kleid naͤhen, finden. So z. B. im Wigolais V. 697 fr
Sich’kleit der herre Gawein
Mit wizzer (weißer) linwaete (Eeinwanb).
Erin iuncfrouwe in do uaete
In einen rock pfellin (Pelzrod‘) ;
Mit einem pellez haermin (Hermelin⸗ ve
Was.es gefurrieret (gefüttert).
l
246 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Sus (fo) wart er gerieret;
Her Gawein was ein schone ‚man.
Des selben pfelles leit er an _
Einen mantel, der was wit*).
Im Ziturel finden wir ähnliche und in den Nibeluns
gen mehrfach vergleichen Stellen. Dies Nähen bedeutet
nun nichts anders als Schnüren. Knöpfe wurden bas
mals wohl noch wenig geträgen; fie waren auch micht fo
haltbar, wie die Ritter für fi wäünfchen mußten, indem’
bei ihren flarden Bewegungen fie leicht abfpringen konnten.
Die, Kleider waren daher meiftentheild vorne ganz geſchloſ⸗
. fen, auf dem Rüden aber offen und hatten dort Schnür:
Köcher, die durch eine feidene ſtarke Schnur mit einander
verbunden und gehalten wurden. Da hierzu eine Schnürs
Rabel gebraucht wurde, bie als Senkel gewiß unten an
der Schnur befeftigt blieb, fo lag das Wort nähen fehr
leicht bereit. Es beburften bie Ritter zum Aus⸗ und Ans
Heiden daher auch faft immer fremder Hülfe, die ihnen
Sungfrauen ober ihre Knappen gewährten. |
In einer andern altveutfchen Erzählung, der Port
genannt, finden wir die Schilderung einer Frau, welche
als Ritter gelleidet ging, aus welcher hervorgeht, daß
auch andere Ritter und Männer auf die Art, wie .fie be:
ſchrieben wird, gegangen feyn müffen, da fonft ihre Tracht
hätte auffallen Tönnen, und ihr Gefchlecht entdeckt worden
wäre. Wir werben dadurch auf eine Tracht geleitet, über
die etwas meitläuftiger gefpsochen werben muß. „Diefer
Braueneitter führte einen Scharlach (d. h., wie wir ſchon
*) Vergl. bie andern Stellen über Mäntel und been Weite.
3. Abthell. Waffen und Kleidung. 247
gefehen haben, einen Mantel von fcharlachnem Sammer
oder Tuche), mit güldenen Borten aller Orten durchwirkt.
Das darunter und daran gefegte Pelzwerk war Hermelin,
und eine leuchtende Borte, die ihn umglürtete, gab lichten
Glanz. (Alles Schilderungen, die wir bereits Eennen).
Ein‘ löbliher Kranz zierte das blanke Haar. So mochte
in ber Rittergefelfchaft — ſagt der Dichter — biefer weib⸗
liche Ritter dem beflen gleich erfcheinen.” Wir fehen alfo
bier nicht allein eine Frau, fondern einen Mann, einen
Ritter, denn dafür warb bie Frau doch gehalten, ber auf
feinem Kopfe ein Kränzchen trägt, und finden biefe Sitte
weit im Mittelalter, befonders in Deutfchland verbreitet,
und fich durch viele Zahrhunderte ziehend. Diefe Kränze
mögen verfchievene Seftälten gehabt haben, meift aber
waren fie von Drath geflochten, "dichter ober-bünner, wie
es die Sitte des Jahrhunderts nerlangte, mit gemachten
Blumen, auch wohl zu Zeiten mit frifchen Blumen burdys
flochten und mit Flittergold, undchtem Sefteine, Perlen,
fo wie auch wieder mit dchtem Golde und dchten Steimen
‚geziert und reich geſchmuͤckt. Solche Kränze finden wir
nun bei Männern und. Frauen von fehr früher Zeit anz -
fehon die Nibelungen und das Heldenbuch Ihren uns ihr .
Dafeyn, fie gehen bis über die Mitte des fechözehnten
Jahrhunderts, indem ich ſelbſt zwei Gemälde von Lukas
Kranach befige, ein Mädchen und einen Knaben von 1529,
welche beide ein Drathkraͤnzlein tragen, und eine Nachricht
im Leben des Hand von Schweinichen zeigt ihren Gebrauch
‚bei Juͤnglingen no im Jahre 1575,. Denn ald Herzog
Heinrich den Kurfürflen «von ‚der, Pfalz in Heibelberg
\
248 gweiter Abſchnitt. Ritterleben.
beſucht, ſchenkt der Kurfuͤrſt bei der Abreiſe dem Hans
von Schweinichen und den andern Junkern, „einem jeden
einen Kranz von Gold und Silber und einen Ring daran,
welcher einer über 30 Thaler wuͤrdig.“ Ja Männer ſelbſt,
nicht bloß Ebdelfnaben, befamen noch damals Kranze zum
Geſchenk, denn (Bd. I. von Schweinichend Leben S. 399)
als Herzog Heinrich mit Schweinichen aus Guͤſtrow fcheis
ben will, beißt es: „Nach gehaltenem Tanze ſchicket die
Frau Herzoginn meinem Herrn einen Perlenkranz und ein
Kleinod daran, war uͤber 100 Thaler werth, und mir bei⸗
neben einen Kranz und Ring 18 Thaler wuͤrdig.“ Im
Altdeutſchen heißt ein ſolcher Kranz Schapel, von dem
franzäfifchen chapelet. Zuerft finden ‚wir ſolche Kränze,
vote bereits erwähnt, fchon in ben Nibelungen. V. 2363
heißt es, als Brunhilde und Chriemhild fich zuerſt freund⸗
lich empfangen, da Brunhild nad Worms kommt, Hereint
mit. ihren Hofgefinden:
+ Man fah da Schapel ruͤcken mit lichten Händen dann,
b. h. fie umarmten ſich ſo freundlich und herzlich, daß bie
“ Kränze auf ihrem Kopfe in Unordnung gerüdt wurden. —
Ferner Nibel. 7450 ff. beweifet, daß auch ſchon damals
Männer folche Kränzlein .trugen, und daß fi ie reich mit
Steinen beſetzt waren:
" Nun traget für die Roſen die Waffen in der Hand,
"Kür Schapel wohl gefleinet-bie lichten Helme gut,
Seit daß wir wohl erkennen ber argen Chriemhilde Muth.
Auch die Rofenkränzlein, um die im Rofengartenlied des
‚Heldenbuches im Rofengarten bei Worms gefämpft wird,
find gerviß ſolche Kraͤnzlein gewefen, und bdiefer Kampf
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 29
um Kraͤnze zeigt ebenfalls ihre Beliebtheit an. Daß
Männer bei Frühlingöfeften Roſenkraͤnze trugen, geht aus
der Sammlung ber Minnefinger Thl. 2. ‚©. 68. Sp. 1:
hervor:
Man darf auch niemand zeihen von Rofen Schapel ttagen,
Man darf auch mein nicht warten, u
Da fteht der grüne Klee,
Roh fuhen in dem Garten
Bei wohlgethanen Kinben,
Ich fchwebe auf der See.
So auch im Parzifal von Rinnem, bei Bargut. eines
Feſtes, B. 23197: -
Da ſtrich mancher Ritter wohl fein Haar,
Darauf Blumen Schapel,
Ehen fo im Triſtan des Gottfried v. Strasburg. . V. 10700:
Atfo viel daß Zriftan
Ihm felber davon nahm:
Einen Gürtel der ihm recht am,
Ein Schapel und ein Spängelein,
Die ihm erwuͤnſcht mogten fein.
Und in ber Fortfeßung des Zriflan von Zribert, V. 1176:
Der Rod fi) an der Länge bot
Richt weiter bis auf an die Knie;
Deffeiben Tuches waren bie
Hoſen, die der Knappe trug, ' .
Roth feine Schuh und huͤbſch genug,
Des Linden Laubes ein Schape!
»Hatte auf feinem Haupt ber Knappe ſchnell
Geſetzet jeher ſtolziglich.
Zuletzt hier nur noch eine Stelle aus dem Ritter Vontus
und Sidonia, einer alten Erzaͤhlung in ungebundener
Rede, die ſich neu abgedruckt in dem Buche ber Viebe,
250 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
herausſsgegeben von mir und v. d. Hagen findet, wo es fo
heißt: „Die vorgenannten Zreien (welche fich in Begleitung
des Königs von England fanden) waren alle gekleidet in
Sammtröd’, die waren unterzogen (gefuttert) mit Dermes
Iin und hatten auch fhöne Kränzlein auf mit Perlen
unb Edelgeſteinen.“ So finden wir denn auch auf alten
Bildern, Kupfern und Holzfchnitten, gar viele Ritter mit
Kränzen in den Haaren, und im Weiskunig zum Beifpiel,
zu welchem Hand Burgmaier bie zum Theil fchänen Holz=
ſchnitte verfertigte, wird Marimilian meiſt immer, wenigs
fiens in feiner frübern Jugend, mit einem. Kränzlein in
den Haaren abgebildet. Wie gewöhnlich ſolche Kränzlein
waren und daß fie oft aus Salvei und Raute geflochten
wurben, gebt aus einer Stelle Horneks (in feinem Zeits
buche Defterreich8) hervor, wo erzählt wirb, was wenige
Stunden vor der Ermordung Kaiferd Albrecht gefchehen
fey, indem ihn Johann (fein Neffe und, bald nad dieſem
Ereigniß, fein Mörder) um Herausgabe feines Gutes wies
berholt gemahnt hatte, heißt ed: „Albrecht, nichts weiter
antwortend, feßte fih zu Zifhe. Der Mainzer (Bifchof)
faß ihm zur Seite. Nun gefchah es, daß ein Junker mit
dem Wafler, welches der Kaifer begehrt hatte, auch Kraͤnz⸗
lein brachte von Salvei und Rauten. Davon nahm der
Kaifer mehre und ging, feine Gäfte damit bekraͤnzend,
‚um ben Tiſch. Dem Neffen feste er den ſchoͤnſten auf,
ließ ihm auch die beſten Stüde von Wildpret und Zifchen
zeichen. -- I frübefter Zeit war dies Tragen ber Kraͤnz⸗
lein bei Frauen das Zeichen einer Jungfrau. Go heißt
es 3. 8. in Pols Jahrbuͤchern der Stabt Breölau Bd. 1.
3. Abthei. Waffen und’ Kleidung. 251
die ich herausgegeben: „Im Jahre 977 ift zu Gneſen ver:
ftorben die Herzogin, Dambrowfa, die zu Aufrichtung und
Beförderung bed chriftlihen Glaubens in Pohlen und
Schleſien viel geholfen. Im ihrem Eheſtande hat fie ihr
Haupt nicht mit einer Haube oder Schleier bedeckt, fons
bern wie eine- Jungfrau mit einem fchönen
Kranze gezieret.“
Fur die Worte Schapel und Kranz wirb auch oft in
ben Gedichten Gebäude gefagt, womit Borte gleichbes
beutend genommen wird, ein Band, eine Borte, um ben
Kopf gefchlagen, wodurch Haare und Flechten zufammens
gehalten wurden. So Heißt e8 in ben Nibelungen
V. 2289:
Sechs und achtzig Brauen die ſah herfürgeh’n man,
Die Gebäude trugen; zu Ehriemhilden bann
Kamen bie viel ſchoͤnen und trugen reiche Kleid;
Da kam auch wohl gezieret viel manche waiblidhe Maib,
Zunfzig ımb viere, aus Burigundenland,
Es waren auch bie beften, die man irgend fand,
Den’n fah man gelbe Locken unter lichten Borten gehn.
Befonderd geht aus V. 6622 der Nibelungen hervor, daß
beides gleich war, obgleih dort nur Band fleht, bei
dem aber allein die Vorſchlagſylbe Ge fehlt, und welches
Wort fo mit Gebäude gleichbedeutend ift:
Sie trugen auf ihrem Haupte von Golde lichte Banb,
Das waren Schapel (Kränze) reihe, daß ihn’n ihre ſchoͤnes
Doar
3erführten nicht (nicht unorbentli machten) bie Winde
Bismweilen unterfcheidet aber auch der Sprachgebrauch
dad Wort Gebäude von der Bedeutung Kranz, und
nimmt Gebäude bloß fük das um bie Haare gewunbene
252 - Biwelter Abſchnitt. Nitterleben.
Band, um biefe zuſammen zu halten, worüber banı
noch eine Krone oder ein Kranz getragen wurde. Dafür
fprechen zwei Stellen bes Triſtan. V. 4502 wird von
Iſalde gefagt:
Was ich von Gebäude
J Jemals hoͤrte oder laß,
Noch reicher ihr Gebaͤude was,
Das ſie da trug, die Reine,
Mit edelem Geſteine
Gezieret und durchwirkt genug.
Ihr Haupt eine Krone trug
Ob dem Gebende.
Und V. 3760 heißt es von derſelben Iſalde oder Mot,
der Gemahlin des Koͤnigs Mark und der Geliebten
Triſtans:
Yſot alſo geſittet was,
Und was ir ouch gezeme gnuec,
Daz ſie ſtetes truc
Ein vriſches Blumenkrenzelin
uf dem gebende fibin.
Da eben von Frauenbekleidung die Rede iſt, ſo moͤgen
hier noch ein paar andere Stellen uͤber Frauentracht ihren
Platz finden. Im Wigolais beſchreibt der Dichter, V.
746 und folgende, die Tracht einer Jungfrau gar anmu⸗
thig: „Die edle Magd trug einen weiten Rod, von zweier: ,
lei Sammt, aber in gleihen Streifen gefehnitten, von
grünem und rotbem Sammt, mit Gold geftidt und mit
Hermelinpfellen durchweg "gefüttert. Darunter trug fie
ein feined fchneeweißes Hemde von Seide, mit golbenen
Naͤthen. Mit einem Gürtel hatte fie ihren Rod umfchlofs
fen, ber fich zu folcher Meichheit ziemte Es war eine
.3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 253
Borte, mit eblem Geflein befegt, - Aus einem ſchoͤnen gruͤ⸗
nen. Smaragd war zur Seite eine Rinke Schnalle), anf
ber von Gold ein Aar wohl erhaben gearbeitet, auf eine
gefchmelztem Grunde. _ Was ald Spängel (Haken) daran
bienen follte, waren Thiere, mit großem Zleiße non Gold
gearbeitet. Zwiſchen die Edelfleine waren Perlen gemiſcht,
und in der Mitte bed. Guͤrtels war ein Rubin, beffen
Kraft, Anblid und Schein wirkten, daß ihr alles Leid,
was fie nar fuͤhlte, verſchwand, wenn fie ihn anbHdte."
In einer andern Befchreibung Heißt ed: „Der Rod,
ben fe (die Markgräfin y. Brandenburg, Nichte König
Dttofard von Böhmen, bei ihrer Vermählung zu Wien
mit König Bela v. Ungarn). anhatte — erzählt Hornek
beim Jahre 1261 — war ein Pfelel von Tyrant (Sei⸗
denftoff aus Tyrus); manch Zhierlein Hein wie ein Glaim
(Gluͤhwuͤrmchen) war von arabiſchem Golbe auf das Pfels
Tel gefireut, welches die Augen alfo blenbete, daß niemand
lange auf den Rod der Markgräfin zu ſehen vermochte.
Ihre vielen falben und krauſen Soden bedeckte ein ſchoͤnes
Schapel, theurer geachtet, denn bie Koͤnigskrone von Eng⸗
land. Ihre Bruſt deckte eine Fürfpange, bie war pon
ſolcher Meichheit, daß, werm man die Gewohnheit hätte,
wie in Ungarn, wo Kleinodien und Jungfrauen⸗Gut nach
Laͤnderwerth abgeſchaͤtzt werben, fo. hätte. man bie Fürs
fpange der. Holdfeligen wohl zweien großen Landen gleich«
fielen koͤnnen. Der Mantel: der Minniglihen war zu
Nachſitz (2) gewirkt; er gab einen folchen Glanz und das
Gold daran blinkte fo, daß es dem Auge faſt wehe that,
auch waren mancherlei Bilder. vecht nach dem Leben. binz,
254 - Swelter Abſchnut. Ritterleben.
eingewoben, bie einen Eoflbaren Schein von ſich gaben.
Darımter war federweißes Hermelin gefurret (gefüttert),
und eine lange und nicht ſchmale Keifte, mit Perlen befest,
woran auch mancher Epelftein lag, Tief daran’ hinunter.
Schwarzbrauner Zobel fehimmerte um die blanke Weiße
ihred Nadend. An ber Dünnung war fie mit einem
Gurt umfangen, der an manchen goldenen Spangen
reich war.“
Aus Ulrich von kichtenſtein Frauendienſt laͤßt ſich
manche fuͤr Tracht, Waffe und Kleidung wichtige Stelle
ausleſen, von denen hier einige folgen moͤgen. S. 37
wuͤnſcht U. v. 2. unerkannt zu kaͤmpfen, und mit ihm
follen 12 gleichgefleidete Knappen in einer Farbe fommen.
Einfarbigfeit warb hierbei beſonders geſucht; denn danach
ward ber Ritter zumeift bezeichnet: Es heißt num dort
fo: „Dann begab ich mich heimlich in mein Gezelt, und
von da rannte ih auf ben Berg, wo ich mein grünes
Wappenfleib bereitet fand, mein Wappenrock und meine
Dede (auf dem Pferbe naͤmlich) waren von grünen
Sammt, und mein Schild und Helm waren grün, eben
fo meine 12 Speere (welche die Knappen führten), meine
Knechte waren grün und ihre Pferbe’' (alfo auch die Pferde
der Anappen hatten Dedin, bier grüne). — Als er ©.
40 von der Zubereitung zu einem Qurniere ſpricht, beißt
es: „Sammt, Zobel, Pfelle, Hermin, Zendal fchnitt
man freudig ohne Maßen viel zum Turnei, Silber und
Bold wurde auf Zendal gelegt, mancher, der das nicht
hatte, fehnitt Buckram (2), ieber ziemirte fich (feßte auf
feinen Helm ein Zeichen), wie er wollte. Daraus geht
3. Abtheil, Waffen und Kleidung ,» 255
auch hervor, daß damals bie Helmzeichen noch Feinesweges
fo beflimmt und fiber waren, wie in ben folgenden Jahrs
hunderten, fo dag man zu jener Belt die Ritter daran
noch nicht feft unterfcheiden und erfennen konnte. — Bie
groß die Pracht oft war, lehrt ©. 41: „So waren fie
auf das Feld gekommen, das von manchem lichten Ban:
‚ner wonniglicy glänzte, man fah da viele leuchtende Speer
und manchen Helm fchön ziemirt. Der Glanz ber Helme
und Schilde leuchtete manchem fo in das Auge, baß er
kaum fehen mochte; die Ziemir und Wappenfleiber fchies
nen mit der Sonne zu flreiten.” — As U. v. 2. ben
fonderbaren,, doc) gewiß damaliger Zeit nicht auffalenden
Gedanken faßte, als Königin Frau Venus verkleidet und
dabei gerüftet, die Lande zu durchziehen unb einem jeden,
der Kampf begehrte, ein Lanzenrennen zu gewähren, fo
erzählt er (S. 84) Folgendes, wie er ſich dazu bereitet:
_
„Ich kam bald nach Venedig, wo ich Herberge nahm,
ferne von den Leuten, daß mich niemand dort erkennen
ſollte. Hier lag ich den Winter und ließ mir Frauenklei⸗
der fchneiden, zwölf Rödel wurden mir bereitet und breis
fig Frauen Ermel an Meinen Hemden, bazu gewann ich
zween Zöpfe, die ich mit Perlen wohl bewand, deren da
wunderviele feil waren. Man fchnitt mir auch drei weiße
Mäntel von Sammt; die Sättel waren filberweiß, an bie
der Meifter große Mühfamkeit mit Arbeit legte, darüber
Deden von weißem Tuche, lang und meiſterlich, auch
waren die Zaͤume koͤſtlich. Zür 12 Knappen Tchnitt man
von weißem Zuche guted Gewand, man machte mir auch
hundert filberweiße Speere, alles, was bie Meinen führten,
2356 , 3Zwreitet Abſchnitt. Ritterleben.
war weiß wie Schnee, mein Helm war weiß und weiß
mein Schild, aus fuͤnf Stuͤcken weißem Sammt ließ ich
mir drei Decken ſchneiden zu Wappenkleiden auf meinem
Roſſe, mein Wappenrock mußte ein wohl gefaltenes Roͤck⸗
lein ſeyn, von feinem weißen Tuche.“ Wie er nun den
Brief abfaßt, den er in die verſchiedenen Lande ſchickt,
wie er ſelbſt darauf kuͤhnmuthig umherzieht, das werben
wir in der Abtheilung von den Ritterzuͤgen naͤher erfahren.
Eben fo, wie er ſonſt ſeinen Zug anſtellt, und in wie
reichem Aufzuge er erſcheint; nur bier noch die Kleidung
(8. 87) „Hierauf folgte ich felbft zu Pferde, in einem
gut gefchnittenen Kappenmantel (wahrfcheinlich ein
großer Mantel, woran hinten eine Kappe war, bie über
ben Kopf gezogen werden konnte, vermuthlich daffelbe;
was auch in andern Gedichten, 3. B. im Triſtan, Reiſe⸗
fappe genannt wird), ber yon weißem Sammt war, ich
führte einen klaren Hut,, mit weißen Perlen befireut,
zween braune, große. und lange Zöpfe ſchwankten mir
uͤber meinen Gürtel, bie waren auch mit Perlen bewuns
ben, dann trug ich ein Rödlein, wie feine Frau nie ein
beffered gewann (man muß fich hierbei erinnern, baß er
als Frau gekleidet ritt); ich ‚führte ein blanke Hemde,
fo lang als dad Rödlein, daran zween Frauen: Ermel,
auch feidene Handſchuh.“
.Die Befchreibung ©. 89, wie Graf Meinhard v. Goͤrz
gekleidet war, ald er der Frau Königin Venus entgegen
ritt, um mit ihre zwei Speere zu brechen, lautet belehrend
fo: „Mit Freude wappnete ſich der Graf, er ward ritters
lich gezimirt, fein. Wappenkleid war koͤſtlich, ſein Helm
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 257
war licht von Gold und hart wie ein Adamas, um den
war von Federn ein Kranz, an den Febern hingen .
viele Silberblaͤtter; der Schild war gehalbirt, das Ober:
theil war blau, wie ein lichter Saphir, ‘darauf mar von
Gold ein gefrönter Leu geſchlagen, deß Krone von edlen
Steinen voll war (dad Dafeyn edler Steine an Schilden
beweifend). Das Untertheil glänzte von Roth, Weiß, von
Hermelin war zu acht Stüden meifterlich gefchnitten, auch
war barauf mit Borten Weiß, Roth, Blau, Gold wohl
ausgenommen. (Schon ‚oben bemerkte ih, daß zum
Schmucke ver Schilde vielfach Pelzwerk genommen warb,
verbunden mit Borten und Seide) Sein Wappenrod
und feine Dede waren von grünem Sammt, darauf waren
Schilde geflreut, feine Speere waren grün wie Klee; er
fuͤhrte einen glänzenden Gürtel und Heftelein (die Spange,
welche den Mantel ‚vorne zufammenhält), ' fein Halsberg
und feine Hofen. glänzten von blankem Stahl, an bei
Beinen trug er zwei goldene Sporen. Ih, — fährt
Uri von Lichtenſtein von fich felbft fort, — war auch
bereit in meinem weißen Wappenfleive, mein Helm war
auch gekrönt mit einer glänzenden Krone, meine langen
Zoͤpfe ſchwankten auf dem Sattel, ein Netz von Perlen
war ihr .Dach, wodurch ſie ſchienen; ich führte ein weißes
Roͤckel, in welches Frauen mit großem Fleiß. die Zalten
gelegt. hatten, mein Ghrtel war breier Finger breit und
mit Gold befchlagen, ein koͤſtlich Heftlein von Gold führt?
ich dorn am meiner Bruſt. Ich ritt ein fehnelles Ros,
bad war mit weißem Harniſch verbedt, ‘die Dede war
Yang und weit und wmeiflerlich gefchnitten, mein Schild
47
258 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
war ſilberfarb, meine Speere waren weiß, und leuchtend
mein Harniſch.“ As nun Ulrich v. 2. mit Meinhard m.
Goͤrz und einem andern Ritter zu Tervis (Treviſo) ein
Lanzengennen beſtanden, erſchienen am andern Morgen
wohl 200 Frauen, um zu erfahren, wann er, bie Kun
gin Venus, in bie Kirche gehen würde: „Da ich das
- hörte, legte ich ſchnell Kleider an meinen Leib, - wie eis
‚ werthes Weib wohl mit Ehren tragen mag. Ein Heine
blantes Hemde, zu Maßen lang, daran zwei fchöne Aer⸗
mel waren, barnad ein Rörel, das mar Hein und weiß
wie ein Schwan, unb einen weißen Mantel von Sams,
“ darin von Golde manch fchönes Thier gewirkt war. - Meine
Haube war.auch gut, aus ber meine Böpfe hingen, bie
zum Theil mit Perlen bewunden waren, mit einem .guhgn
Rieſen verband ich mich, damit Niemand etwas von mir
fehen follte, als nur meine Augen. ' (Riefen wor ein
Tuch, oder eine Binde, welche die Frauen um ben Mand
und zum Theil gar bis über die Nafe legten, theils wohl
zum Schuß gegen Kälte, theild zur Verſchleierung des
größten Theils des Geſichts. Bei. Gemälden und Denk:
mählern deuten folhe Binden, bie bis and 17. Jahrhun⸗
bert ſich hinziehen, an, daß die Frauen verflorben; dies
jenigen, welche noch lebten, ala bad Bil) gemacht ward,
find ohne eine ſolche Binde) Ich feste einen Pfaunenhut
auf, zween Handſchuh trug ich an meinen Händen, und
fo ging ich in hohem Muthe hin, wo mich mancher rathe
Mund mit Gruß empfing, fie fprachen: Gott willen,
Königin Venus!
Einen Beweis, wie bie Waffen erfi beim nabenhen
. f ®
\
3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 259
Kampfe genommen wurden, liefert S. 9: „Bor einem
wunniglihen Foreis (forets, Gehöl;) wartete mein der
Graf. von Görz mit mandem Manne, 12 fah ich unter.
Helmen; da fpra ich zu den Meinen: ich fehe hier Rit⸗
"ter, bie Zioftirens begehren. Gleich ſaß ich auf mein Ros
und vergaß ded Schildes nicht, den Heim band id zu
Haupt und nahm ein Speer in die Hand.“ Als Ulrich
einige Speere zerbrochen, zieht ex fih zuruck, um andern
den Kampfplatz zu lafien, und fagt: „ish band meinen
Helm ab;“ das fruͤher ſchon erwaͤhnte Zeichen, nicht mehr
zu kaͤmpfen. — Wie wunderliche Kleidungen oft die Nit⸗
ter waͤhlten, geht auch noch aus Ulrichs v. L. Zug als
Frau Koͤnigin Venus hervor, indem er (©. 102) erzählt,
wie gegen ihn Fam „auch Herr Zashend von SHimelberg,
weit von feinem Geſang befannt, der hatte ein Moͤnchs⸗
Heid über feinen Harnifch gezogen (bad biente ihm alfo
als Waffenrock), eine ſchwarze Kappe, und hatte auf ſei⸗
nem. Helm ein Haar, dem mar eins Platte gefchoren.
Er hatte einen theuren Eid gethan, daB er die Königin
niederfiechen wolle. Dabei mochte body wohl dem Ulrich
nicht. gut zu Muthe werden; benn er vermied ben Kampf,
da er, als Zacheus gegen ihn auftritt, fich dem Helm ab»
nehmen ließ und ihm zu fagen befahl: „Da er Moͤnchs⸗
Heid anbabe und auh Moͤnch flatt Ritter feyn wollte, fo
wollte mit ihm die Königin (der Liebe) nicht Ritterſchaft
pflegen.” Nachher wird er durch Zureden der Ritter, doch
zum Kampfe vermocht, und da Ulrich, dem Zacheus von
Herzen gram war, flicht er ihm fo derb vom Pferde, daß
ee finnlos auf der Erde liegen blieb. |
17*
260 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Eine Nachricht in UL. v. &. (S. 106) führt uns auf
eine Tracht, die wir oben nur beiläufig berührt haben,
da fich Feine paſſende Gelegengeit dazu darbot, obgleich
fie wichtig ift und eine lange Zeit hindurch allgemein war.
Die ganze Stelle lautet: „Da kam auf dem Zelde wahl
gezimirt gegen mich ein biedrer Mann, Herr Ilfung von
Scheuflich, der immer nad) Ehren und Ritteränamen rang 5
er führte wohl fünfhundert Schellen an fid, fein
Ros fprang in Fleinen Sprüngen, laut erflang fein Zimir,
Sol und Silber war auf rothen ımb grünen Zendal ges
fhlegen und glänzte fo licht, bag um ben Rhein Fein
Mann ſchoͤner gezimirt war, ald mein Landsmann. Er
führte in feiner Hand ein Speer, daran viel kleiner
Schellen hingen Schon in ben fruͤheſten Zeiten findet
man bad Tragen der Schellen, : welches immer alß ‚ein
Zeichen der Pracht angefehen ward. Gehen wir in frühefte
Zeiten zurüd, fo trug bereitd Aaron bei. den. Jöraeliten .
Schellen, und bei diefem Volke blieben fie die Prumktracht
des Hohen: Priefters, der Frauen, Sundfrauen und Knaben;
bie Perferkönige trugen fie auch, und die Schilde griechi=
ſcher Helden waren, ſchon nad Aeſchylus, damit befekt.
An Deutfchland nimmt man gewöhnlich an, daß erfi im
44. und hauptfächli im 45. Jahrhundert dieſe Tracht im
Gebrauch gewefen fey, aber dagegen. flreitet nicht allein
biefe Stelle in bem Frauendienft des Ulrich von Kichtens
fein, fondern auch mehre andre, aus denen hervorgeht,
baß dieſe Tracht ſchon im 12. und 13. Jahrh. im Gebrauch
war; und daß bie Zahl der Schellen, die man. anlegte,
‚nicht Blein war, lehrt uns bie eben angegebene Zahl, nach
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 261
per „wohl fünfhundert Schellen” an ber ganzen Ruͤſtung
waren. Beſonders wurden auch Schellen an dem Riem:
zeuge ber Pferde gebraucht, vornehmlid an ben Riemen,
die von beiden Seiten des Satteld vorn um ben Bug des
Pferdes gehen und zur flärtern Befefligung des Gatteld
dienen, der bei jebem Lanzenrennen recht feft liegen mußte,
wenn er nicht den Ritter mit zum unvermeiblihen Sturze
geißen wollte. Kolgende Stellen gehören hieher, Nibel.
1609:
Ihre Sättel wohl gefteinet, ihre Vorbuge fhmal,
(Bor s oder Für: Buge finb die Sattelriemen um ben Bug)
Daran hingen Schellen von lichtem Golde roth.
Gleiche Bedeutung hat V. 5226:
auf den Wegen kam gerannt
Mit klingenden Bäumen, manche Pferde wohlgethan.
Die klingenden Zaͤume waren ſolche, die auch mit Schellen
befegt waren. Im Parzifal iſt V. 8536 hieher gehoͤrig:
Sein Ros über Hohe Stauden fprang,
Manch gülbene Schelle dran erklang
Auf ber Dede und an dem Mann,
Nach ©. 110. des Brauendienftes, kommt dem ulrich
von Lichtenſtein ein anderer Ritter, auch als Frau geklei⸗
det, entgegen, um mit ihm eine Lanze zu brechen. Dort
heißt es nun, was hieher gehoͤrt: „Da wappnete ſich der
biedere Mann in einen leuchtenden Harniſch, fein Helm
glaͤnzte, auf dem war. ein weiter Ring gemacht, und koͤſt⸗
liche Oprringe hingen vom Helme herab, er führte zween
blanke Zöpfe, deren Länge auf dem Sattel. ſchwankte, er
hatte eine Godehfen an, das ift ein windiſches Weiber⸗
[4
262 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Heid; fein Schild war koͤſtlich blau, und Schapel waren
bie und da wonniglih barauf geftreut, fein Ros war
fhön verdedt mit blauem Zendal, die Dede war voll
Schapel geftreut, die leuchteten von allen Blumen, die
nur des Maien Zeit giebt, er führte ein großed Speer,
ganz mit Blumen umwunden.“ — © (5. 122) „Nah
ihnen ritt der biedere Thumvogt, er trug einen Mantel
von Scharlah, einen Hut von Pfaufedern, koͤſtlich mit
Perlen geziert, fein’ Rod war von einem grünen Pfelle,
manched Thier von Gold barein geftidt, welches glänzte,
an feinen Beinen hatte er zwei fhwarze Hoſen.“ — Ein
andermal reitet (S. 125) Ulrih von Lichtenftein auf fol-
gende Weife, wie" er felbft fagt: "ich warb wohl ge:
wappnet; tiber ben Harnifch legte ich ein weißes gefaltenes
Nödelein, daruͤber gürtete ich einen Gürtel, dreier Singer
breif, vor bie Vruſt fiedte ich ein fpannbreites Heftelein,
einen &chleier legte ich auf das Haupt; mein Schleier
verdedte mein Antlitz ganz, doch konnte ich fehr gut da⸗
durch ſehen.“ in Ritter, der ihm entgegen kommt, (5.
126) „führte einen Bufh von Pfauenfedern auf feinem
Helm, ellenhoch, ſein Wappenrod war von einem tothen
Sammt gefchnitten, mit fchönen Eidyenblättern durchwirkt,
fo gefärbt war auch feine Dede. Sein Schild war nies
derthalben Gold, das Obertheil war von Pelz mannigfach,
fein Ros war ſchnell, ſtark und gut.” Wie die Helme
feftgebunden wurden geht aus ©. 129 des Frauendienſtes
hervor, indem Ulrich von feinem Helme’ fagt: „den ich
mit feibenen Schnüren feftgebunden hatte.” — Daß die
Frauen, wenigftens zur Pracht,‘ lauge fchleppende Kleider
%
3. Abthell, Waffen und Kleidung. 263
frügen, bemweifet ©. 135 des Frauendienſtes: „Der Wirth
und feine Hausfrau gingen mir entgegen’ und viele Frauen
folgten ihnen eine Stiege herab, ‚deren Kleider fielen man
heit Fall ab der Stiege nach dem Tritte."
Bir haben ſchon oben gefehen, wie Ulrich von Lich:
tenflein von Srauenärmeln fpricht, und nach einer-Stelle _
müffen dies eine Art Ueberdrmel gewefen feyn, die man
aber nicht über die Arme zog, fondern, wie noch bei pol:
nifhen Srauens und Männertrachten, hinter dem Arme
frei fchweben Tieß, indem fie zwar die Schulter bebedten,
aber in ber Gegend des Ellenbogens, gegen vorn zu,
burchfchligt waren, woburch man die Arme fledte, hinter
denen alsdann die Aermel frei niederhingen. Es heißt
nämlich (S. 136): „den fliegenden Ermel von dem
Roͤcklein warf ich über mein Antlig, wodurch ich doch fehr
gut ſah“ (er muß daher aus einem bünnen und leichten
Zeuge gemacht gewefen feyn). Aber auch Männer trus
gen folche lange Aermel, die oft fehr reich waren, beſon⸗
ders mit koſtbarem Pelzwerk befebt. Dies geht aus Dito:
far v. Horneks Zeitbuch hervor, worin ein Schwabe, Herr
v. Wangenberg, fagt: „Herzögen Albrecht muͤſte ja fein
Gut reuen, das er jährlich an mich verthut. Die Defters j
reicher beneiben mich fo fhon, wenn ich fo reite, fchars
lachene (vergl. oben die Farben), auf die Schuh han⸗
gende Ermel trage, und fluchen dem Herzog, daß die
Ermel fogar mit Hermelin unterzogen find, Die Ermel
koſten manch Pfund, blog an Vehwerk fo viel, ald drei
‚anderer Ritter Mantel an Zutter.” Zu bereitd im Allger
meinen . Berhhrtem iſt auch folgende Stelle beweiſend:
264 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
„Nach dem Banner (als Ulrich von Lichtenſtein zum Tur⸗
nier zu Neunburg ritt) fuͤhrte man meinen Helm, ſo licht
als ein Schwert (alſo von Stahl hell aufgeputzt), darauf
war ein Wele, (Qwehle, Zwehle, d. i. ein Tuch) von
Gold mit guten ſeidenen Schnuͤren gebunden, die Wele
war wohl gefalten und jegliche Falte blaͤttervoll und jedes
Blatt von Golde. Dabei fuͤhrte man meinen Schild, der
war weiß von Haͤrmin dadurch zwo Bar (Balken, Strei⸗
fen) von ſchwarzem Zobel geſchnitten, darauf ein koͤſtlicher
Buckel, deßen Riemen waren gute ſeidene Borten. Mein
Ros ging mit Scharlach verdeckt, die Decke war lang und
weit und mit reichen goldenen Borten gegattert, von Sil⸗
ber waren viele Roſen darauf geſchlagen, die Dede war
mit gelbem Zendal (Zindeltaffent) gefuttert."‘
Nachdem Ulrih von Lichtenftein einige Zeit gerubt
hat, macht er wieber einen neuen Zug, als König Artus,
der vom Paradiefe kommt, um die Ritterfchaft ver Zafels
runde von neuem berzuitelen. Wer drei Speere, ohne
zu fehlen, auf ihm verfticht, erhält einen Namen von
einem Zafelrunder. Da tritt nun noch manches Wichtige
für die BVefchreibung der Waffen und Kleidung ein, ©.
229: „Auch legte ich einen Halöberg an, von feſtem
leuchtenden Stahl, feharlachroth war mein Wappenrod
(die höchfte Ritters⸗ und Königs» Farbe) mit einem gelben
Zendal gefurret (gefuttert), feine Länge ſchwang bis auf
‚ bie Erde (ein Beweis von ber Übermächtigen Länge ber
Wappenröde, die auf alten Siegeln oft fo auffalend und
kaum möglich erfcheint, da man glauben follte, biefe fals
tige, wallende und flatternde Kleidung imüffe bem Ritter
\
3. Abthell. Waffen und Kleidung. 25 °
hinderlich geweſen feyn), über den Knieen war er mit
Borten gezegelt (geſchmuͤckt) und meiſterlich gegattert;
über dem Waffenrock führte ih einen Gürtel, deß Borte
wer grün und mit Gold befchlagen, an meiner Bruft fah
man ein koͤſtlich Heftlein von Gold. Da zug man mir
mein Rod her, dad war wohl verbedit mit Scharlach, die
Dede reichte bis auf den Huf, fie war dem Wappenrock
gleich gefuttert und mit Borten reich gegattert. Ich ſaß
auf das Ros und band den Heim zu Haupte, ber war
mit einer goldenen Wele (d. i. mie ſchon oben bemerkt, '
ein zufammengefoltenes Tuch) gezimirt, um die ging ein
Kranz von Scharlach, die Zegel (Enden, Zipfel) ſchwank⸗
ten bis auf die Fenſter (des Helms ndmlich; bi auf das
Viſier). Dann nahm ih den Schild zu Halfe, er war '
dem Wappenrocke gleih von Scharlach und reich mit Bor⸗
ten gegattert, er hing vol Schellen, bie lauten Klang
von fich gaben.“ — Bon einem andern Ritter, Chabolt
Waiſe, wird ©. 244 erzählt: „fein Helm leuchtefe, um
den war ein weiter Kranz von dreizehn Federn, daran
viel Siberblätter hingen, -fein Schild war ſchwarz, dar⸗
auf ein filberner Leu, deß Krone von Gold war und mit
eblem Gefteine geziert, fein Wappenrod war ein kohlen⸗
fhwarzer Sammt, darauf waren viel filberne Löwen ges
freut, eben fo gefärbt war die Dede, an feinem Speer
hing ein Banner (auch davon fprach ich fehon oben), das
war wie fein Schild. — Im Haufe gingen bie Ritter
meift ſehr einfach, befonders, wenn fie eben erſt aus
dem Bette aufgeflanden, wie uns 3. B. Ulrich von Lichs
tenflein (©. 263) bei ſeiner Gefangennehmung, bie in
266 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
das Jahr 1268 fällt, erzählt: „ich ſtand auf und ging
freundlich zu ihnenz zwei Hoſen hatte ich angelegt, lin⸗
nene Kleid und Chürfen, (ein Wamms, weldes mit Pelz
gefüttert oder wenigſtens gebrämt war) und Mantel." In
Hinſicht der Chürfe, die auch Kurfit, Kürfit Heißt, iſt
ed noch zweifelhaft, wie fie eigentlich gemacht war; denn
ald U. v. 2. gefangen genommen wurde, winden fie ihm
Ehürfe und Mantel um ben Hals und_ziehen ihn fo fort;
indeffen iſt die größte WBahrfcheinlichkeit "dafür, daß dies
Kurfit mit einem kurzen Waffenrocke nicht allein Aehnlich⸗
keit hatte, fondern ihm gleich zu erachten war.
Died wäre nun die Sammlung beffen, was uns ber
Frauenbienſt des "Ulrich von Lichtenftein über Waffen und
Kleidung erzählt, und worin meift, alled berührt ift, was
ih oben im Allgemeinen angab, und das dadurch näher
erfiärt wird. Neben fo großer Pracht herrfchte auch wie:
- ber große Armuth, und gerade aus dem Baterlande bes
Ulrich von Lichtenflein, deſſen reiche Pracht fo eben in
mehren Beifpielen erwähnt worden, erzählt die Sage: daß
auf ihrer alten Stammfeſte in Steiermark 7 Gebrüder
Herberftein faßen, die fo arm waren, daß fie zufammen
nur eine Hofe hatten, und 9 Fräulein v. Herberftein
trugen bei ihrer Vermählung , eine nad) ber enden, den
felben Mantel, |
Wie damals auc die Landleute gingen und fih ber
trugen, ſtolz, hochmüthig, reich gekleidet, geht aus einer
Stelle des Reithart hervor, und man fieht, daß, in einz
zelnen Gegenden wenigftens, die Bauern Feineswegs Leibs
eigene und unglüdliche Unterbrüdte waren. Diefe Stelle
‚3. Abtheil. Waffen und Kleibung. 267
anzuführen, wird hier wohl der rechte Ort feyn. Neithart, _
ein Meifterfinger und zugleich Hofnarr oder Lufligmacher
bei dem Herzoge von Defterreich, meiftentheild ein plums
per, zotiger Gefelle, fagt und Folgendes von den Banern
um Wien: „fie trugen langes, gelodteö, reides (blondes)
Haar, das fie allnaͤchtig forgfältig in bie Haube verfchlofs
fen und am Zage mit reichen Gugeln (Kappen) bedediten,
die innerhald gefchnürt, außerhalb mit feidenen Vögeln
benäht waren, und wozu manch Bändchen bie Finger. ges
rührt hatte, Seide oder Zuch aus welfchen Landen warb
gar oft getragen, um fich damit ben Hofleuten gleich zu
ſtellen. Mit fogenannten Troien oder‘ Oberkleidern, mit
aufgefchligten Aermeln, Halstraufen zweier Spannen -
breit, die Gürtel hoch getragen, wie bie flogen Meisner -
thun, Schuhe mit rothem Leder, daran Tſchappel (Kränze)
- find genäht, mit Bilden vor ben Knieen, dazu ein breites
Schwerdt und eine Kneipe (ein Mefler), fo kamen fie zum -
Tanze.“ —
Einzelne Säge aus ‘andern Gebichten find oben ans
geführt worden, eine gleichlaufende Mufterung durch alle
Gedichte würde nur ermüden und in ihren Wiederholungen
langweilig werben. — .
Was no die Schuhe aubetrift, fo trug man fie .
fehr fonderbar, intem man Schnabelfchuhe hatte, die nad)
Verſchiedenheit des Standes anderthalb, zwei bis dritt:
halb Fuß lang waren, und an ihrer emporſteigenden
Spitze mit — Schellen verſehen wurden. Von dieſer
Laͤnge der Schuhe will man den ſprichwoͤrtlichen Ausdruck:
auf einem großen Fuße leben, ableiten. — Was die Stiefel
268 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben. |
anbetrifft, fo finden fih auch barin mancherlei Sitten.
4362 erwähnte 3. B. die limburgiſche Chronik Stiefeln,
welche „hatten oben roth Leber und waren verbauen (aufs
geſchlitzt), und die langen 2eberfen (Stiefel) mit Langen
Schnäbeln gingen an. Zum Schluß biefer Abtheilung
mögen bier noch einige Mittheilungen aus ben fortfchreis ‘
tenden Jahrhunderten folgen.
Die Iimburgifhe Chronik enthält viele Züge,
welche eine Befchreibung der beutfchen Ritterwaffen zu
einer beftimmten Zeit des Mittelalters liefern und von
manchen bamit vorgegangenen Veränderungen ſprechen.
Davon einiges, fo weit es nicht unverſtaͤndlich geworben:
„In derfelben Zeit Cum das Jahr 1351) und manch Jahre
nachher, da waren bie Waffen als nachher gefchrieben
fiehet. Ein jeglih guter Mann, Fuͤrſt, Graf, Her,
Ritter und Knecht, bie waren gewappnet mit Platten
(d. i. mit Eifenblechen, aus denen bie Panzer gemacht '
wurden; daher Eommt das Handwerk der Plattner, bie
folche Harnifche verfertigten), und auch die Bürger mit ihren
Wappenröden daran über, zu fllrmen und zu flreitem,
mit Schoffen (blechernen Hofen) und Leibeiffen (eifers
ner Rüftung, die den Leib bevedte), das zu der Platte
gehörte, mit ihren getrönten Helmen, barımter hatten
fie Pleine Bundhauben. Und führte man ihnen ihr
Schild und Tartſche nah und auch ihre Slene
(Steve, Lanze). . Und den gefrönten Helm führte man
ihnen nach auf ihren Globen (dies Wort ift fehr undeuts
li; von ben vielen Bedeutungen, die das Wort Kloben
‚bat, ſcheint Feine hieher zu gehören, und man muß fih
3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 269
daher nach andein umſehen. Wahrſcheinlich iſt mir, daß
Handſchuhe darunter gemeint ſind, welche noch im Eng⸗
tiſchen Gloves heißen.) Und führten. fie an ihren Beinen
Streihhofen (enganliegende Hofen) und daruͤber große
weite Lerfen (Stiefe). Auch führten fie Beinge-
wand, bad war vorne von Leder gemächt, alfo Armileder,
oder alfo von Syred geftipt (von Seide gefleppt) und
eifen Bödlein Ceiferne Beer, eiferme Schafen) vor ben
Knieen. Da. wurben. bie reiſigen Leute (das heißt bie,
welche zu einem Reiter auögerüftet find, die einen "Reiter
abgeben) geachtet an hundert, zweihunbert und mehr ges
kroͤnter Helme.” — „In biefer Zeit vergingen die Pläts
ten wieber in biefen Landen (d. h. alfo die Harniſche, bie
aus einzelnen Platten gemacht waren), und’ die reiſigen
Leute, Herren, Ritter, Knechte und Bürger bie-führten
alle Schauben (eine Art Mantel und baher hier ein
mantelartiger Wappenrock) Panzer und Hauben (Pils
kelhauben). Da achtete man reiſige Leute afo: an huns
dert ober zweihunbert mit. Hauben. Die Manierung
(die. Sitte, Art und Weife) von den Schauben hatte bes
ſcheidene Länge, und die Anne waren eined Theils einer
Spannen von der Achſel oder zweier Spann, und eines
Theils Hatte nicht. mehr, denn da man bie Arte anſtoßet
(d. h. alfo einige Hatten breite Achſelſtucke, zwifchen Rod
und Aermel, anbere nur fchmale), und hatten feidene
Quaſten nieberhangen, das war freudig. Die Unterwammö
hatten enge Arm (Xermel) und in dem Gewerb (das heigt
wahrfcheinlich in der Armbeugung) waren fie benäht und
beheftet mit Städen von Panzer, das nannte man Ruß⸗
G
270 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
eiſen.“ — „Im Jahre 1889 fuͤhrten Ritter und Knechte,
Bürger und reiſige Leute Bruſt und glatt Beinge wand,
zu flürmen und zu ſtreiten, und feine Zartfhen und
Schild mehr, alfo, daß man unter hundert Rittern und |
Knechten nicht einen fand, der eine Zartfchen oder Schild
hatte." (Wie ich dieſe Stelle ſchon oben zum Theil ans
gefuͤhrt habe.)
Nah den Kreuzzuͤgen kamen beſonders die großen |
und weiten Mäntel auf, wie fie die Vornehmen am grie:
chiſchen Hofe und die Großen. des Morgenlandes trugen,
Man naunte ſie Hoiken. Indeſſen blieben doch wohl
bie kuͤrzern Waͤmſer und. Wappenroͤcke mehr herrſchend,
vorzuͤglich in Kaͤmpfen und Turvieren. Als z. B. Hein⸗
rich non Lancaſter 1399 ſiegreich in London einritt, wie
Froiſſart erzählt, ſo trug er nach deutſcher Sitte einen
kurzen Waffenrock von Holhſtoff; bei dem bald darauf fols
genden Aufzuge aber hatten alle Deren und Ritter weite
(oder wie naltdeutſche Gedichte es Wadtneten: : “fe
Praptmöntel, gefättert, mit. Delgmerl. .
Goͤtz von Berlichingen giebt uns -mur: wenig Nach⸗
richten von feiner Kleidung. Das Wenige, mas ex davon
fagt., werde ich bier kurz zuſammenſtellen. Die Geſchichte,
wie er einen Poladen, „ber fein Haar. mit Seen gepicht“,
beim Auffpringen vom Sitze neben ibm „mit einem gros
Ben welſchen Rocke,“ das Haar · etwas zerzauſet, habe ich
ſchon oben erzaͤhlt, und Bier iſt nur die Erwaͤhnung dieſer
beiden Arten, ſich zu tragen, von Wichtigkeit. Daß die
Männer auch Mäntel trugen, welche „Schauben“ genannt
wurden , eigentlich eine Weibertracht, indem ſie auch bei
3. Abel. Waffen. und Kleidung, 271
den Frauen laͤnger als hei den Maͤnnern waren, haben
wir ſchon aus oben angeführter - Stelle geſehen. Auch
Goͤtz von Berlichingen erzählt ©..20: ber Markgraf habe
ihm „eine. fammete Schaube, die war mit, Marder und
Zobel gefüttert,’ verſprochen. Dieſe Schanben "waren hei
fchneltem Bichen des Degens oft hinderlih, wie ed. ©. 22
heißt: „und als der Zeiffolfen von feiner -Schauben (feiner |
Schauben wegen) mit ber Wehr nit nachher kunt kommen“
(mit dem. Degen nicht konnte gleich nachlommen). Wie .
fih Kaiſer Naximilian I zu Zeiten trug, erzaͤhlt uns Goͤtz
v. 8. S. 27: „und fligß..der, Kaiſer in ber Nacht -augh
zu: und, ber. bat. ein. kleines, grünes, altes Rödlein an
und ein gruͤnes Stutzkapplein und einen großen ‚grünen
Hut daruͤber, baf ihn einer für- einen „Koifer- gefangen
ober angefehen hätt’. : (E8 fcheint wohl eipe- tyroler
Tracht goweſen zu ſeyn,in welcher ber Kaiſerſich damals
zeigte) —
Goes, vr, wichtigſien Vicher für Track un: Sitte
des 16. Jahrhunderts, wenn auch nicht für. Bewaffnung
und Rittertracht, ift in. der Kunflfammlung ‚zu Braune
ſchweig befindlih, unb ward. von Elias Ggöpar Reichard
unter dem Jitel: Matthäus und Veit Konrad Schwarz
nach ihren merkwuͤrdigſten Lebensumſtaͤnden und. vielfältig
abwechſelnden Kleidertrachten, befchrieben . (Magdeburg
4786). Es find eigentlich 2 Handſchriften, Ale. von 2
Ausburgern, Vater und. Sohn, Namens Matthäus. und
Veit Konrad Schwarz,. herrübren, welche beibe in ber
erften Hälfte des 16. Jahrh. von einer, außezorbentlichen
Luft belebt wurden, ſich nach den verſchiedenen ‚Beränder-
272 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
sungen und Abwechslungen ihrer Lebensumſtaͤnde, vor⸗
nämlich in Abſicht auf bie Kleidung, abmalen zu laffen,
und fo Pie manderlei damaligen ſchwaͤbiſchen Trachten und
Kleiderfitten auf die Nachwelt zu bringen. Das Eleinere
Buch, welches die Kleidungen bed Vaters enthält, befteht
aus 75 Blaͤttern, das größere, aber duͤnnere, bes Sohnes
Kleidungen zeigend, hat 47 Blätter. Neben jeder Geftalt
ſtehen die Beſchreibungen der Kleider auf den’ weißen
Rand der Thierhaut gefchrieben. Manches ft, ber Erklaͤ⸗
rung ungeachtet, doch noch unverſtaͤndlich, und'eß ver:
biente die aufmerkſamſte Nachfirchung, ob :zwei' Bücher,
deren in diefen Trachtenbuͤchern Erwähnung geſchieht: ber
Weltlauf: und das Kinderblichlein, welche von den’ beiden
Schwarzen verfaßt wurben, nicht noch irgendwo zu finden
find, ba’ fie für Sitte und Zeit jerier Tage überaus wich,
fig feyn muͤſſen. Die Bilder fangen ber Matthäus
Schwarz von feinen Eltern an, die er beide abbildeh Tieß;
dann folgt ver Heine Matthäus In der Wiege‘ und fo fort
nun bie Jahre hinaus, nach der wechfelnden Tracht. - Nut
weniges zum -Beifpiel: ald er acht Sabre war, gaben
ihn feine Eltern zu Cunz von\ ber Kofen, dem Hofnarten,
ober wie es damals hieß, dem Iufligen Rathe Kaiferd
Maximilian. Bei dem blieb er aber nur 3 Wochen;
denn auf der "fechften Seite heißt ed: „Abi- primo sep-
tembrio 1505 ſchickt man mich auf Heidenheim under bie
zu, in diefer Oftalt in aſchenfarb und gren (grün) [ges
Pleivet]. Dan Conz von ber Mofen bat gar’ eitren befen
firid aus mir gezogen." Schwarz hat hier einen afchfars
benen, grim gefütterten Rod an und fitzt auf einem
3. Abtheil. Waffen und Kleldung. 273
offenen Wagen, eime «gemeine Frauensperſon fiht hinter
ibm, Dabei hat noch Schwarz ‚verzeichnet: ich fprang .
bey 2 Meil von augspurg vom wagen vnd wollt daruon
lauffen, abet mein pfaff und fein magt — ohne Zweifel.
eben bie, welche, bei ihm auf bem Wagen ſitzt — die et:
wuften (erwifchten). mich widerumb vnd handen mich Inn
Kraͤtzen“ (das. find die.geflachtenen Wagen, Korbwagen).
In Heidenheim hielt ey ed aber nicht Tang’ aus; denn auf
dem ten Blatte figt er. mitten unter einer Heerde Kuͤhe;
er hat einen Vogel auf ber rechten Hand, bem er mit ber.
Linken ein Mäuschen vorhält. Unter dem linfen Arme
hält er einen Stab, und neben ‚ihm liegt ein roth einge
bundened Buch. Dicht vor. ihm fikt- ein dider Hirten⸗
junge, welcher genau und. achtfam zuficht, wie jener mit
‚ feinem Vogel fpielt. In der Ferne erblickt man ein Haus;
aus deſſen Fenſter ein bejahrtes rungliches Muͤtterchen
dem jungen Schwarz, der mit ſeinem rothen Buche unter
dem Arme vor dem Fenſter ſteht, ein Stuͤck Brot zuwirft.
Dabei ſagt er: „Im 4506 im Mayen vnd Junius, lief
ich meynen pfaffen wegg zw Haidenheim, er ſchlug mich
zw hart: ich fang vmb das Brot zw Hochſtot, gundlfing
u. ſ. w. vnd fayltz (feilſchte, handelte) dann mit den Hir⸗
tenbuben, daß ſy mich mit jhnen lieſen hueten d Khuͤe.
Das ich meinen Pfaffen von Haidenheim wegglief, was
die Vrſach, das er mich vnmenſchlich geſchlagen vnd ſchier
Inn der Brentz ertrenkt hat: Da uͤberkam ich ſein whoͤr
(ſeine Wehr, ſeinen Degen) vnd ging vnder der Bredig
(Predigt) Inn fein Gartten vnd hacket Im al feine. Junge
Kraut⸗ Koͤpf ab, und ſtecket darauf die whoͤr inns Erttreich
| 48
U
14 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
vnd luef daruon.“ Dieſe wenigen Beiſpiele moͤgen aus
dem wilden Jugendleben des Mathaͤus Schwarz genügen.
Bon feiner Kleivung wirb dies hinreichen: Blatt 14
trabt er in einem bramen Beifemantel, mit einer rothen
Reifelappe Coon dieſen Kappen, als fchon weit früher
gebräuchlich, fprach ich bereits gben) gu Pferde ganz flolz
daher. Damals war er 15 Jahr alt, es gefchah im Jahre
41542, unb fein Water ſchickte ihn in Gefchäften, nad
Münden. 1518 erzählt er: „als Kalfer marimilianus
auf dem Danghaus zw augspurg ein Danz hielt, was
ich alto (allda): ein Daphat (tafftenes) Wams, biret von
Zend! (Baret von Zindbel), ein gubie Kötti (eine gute
Kette) vmb ein gulbin Kranz, bder- Rod mit attlas.“
Hier kommt einiges vor, was wir bereitö oben kennen
gelernt haben: der Kranz; auf dem Bilde ifl die Kette
um ben goldenen Kranz herumgewunden, und biefer hängt
hinten auf dem Baret. — Auf dem folgenden Bilde ſieht
man Schwarz auf dem Fechtboben. Dabei find der rechte
Aermel des Wamſes, das rechte Hoſenbein unb der
Strumpf am rechten Fuße gelb, Auf ber linken Seite find
alle diefe Stuͤcke weiß und mit afchfarbenen Streifen durch⸗
zogen. Solche gemifchte Kleidung, die eine Seite von.
einer andern Farbe, ald die andere, ift in jener Zeit fehr
haufig, und es war damals der 'größte Staat, was jetzt
nur die Kleidung der Züchtlinge ifl. Ueber jenem Bilde
fließt: „Im Junius 4518 ald ich wollt Yernen fchirmen
(escrimer, fechten), das wams was brikiſch Atlas” (Atlas
aus Brügge, brüggifh). |
As 1519 M. Schwarz feinen Vater verlor, erfcheint.
3 Abtheil. Maffen und Kieidung, 275
er in merkwuͤrdiger Trauertracht. Zuerſt „in der Kugl⸗
Kapp, mantel und rod, nichts von ſeidin.“ Er ift in
einem langen fehwarzen Mantel und in einer Gugel—
kappe (berem Erklärung fol fogleich folgen), welche vorn
weit über das Gefiht hinaus geht; dies ift die tieffte
Trauer. In der zweiten Abbildung ficht man Nur bie
Augen und die Nafe, die Übrigen Theile des Geſichts
verhllft noch die Kappe, der Zrauermäntel ift etwas Fürs
zer, fo daß die Degenfpige unter demſelben hervorfcheintt
bei den folgenden verfchwindet. die Gugel, und er trägt
einen Hut auf dem Kopf. ES Find in allem vier Veraͤn⸗
derungen der Trauer. Was die Gugelkappe betrifft,
fo ift dies ein Ansdruck, ber häufig in der Vorzeit erfcheint,
und Zwar verfchieden: Gugel, Kugel, Kogel, Koggel,
Kagel. Es ift ein Kopfpug, ber.beiden Gefchlechtern yes
meinfam war, eine Fugelartige Geftalt bat und einem kuͤr⸗
Tifchen Bunde beinche ähnlich ſieht. Späterhin verſchwan⸗
ben bie fehweren Bugeln und leichtere Kappen bfieben,
bei Frauen, Mönchsorden, Bergleuten, wo auch die Na⸗
men Kogeln, Gugeln, Gugelhüte, Gugelhauben, vors
kommen. So heißt eö in der limburgifchen Chronik beim
Jahre 1351: „die Kogeln waren um diefe Zeit groß; etlich
trugen Kogeln, bie hatten vornen einen Lappen und bins
ten einen Lappen, die waren verfchnitten und verzättelt.”
Eben dafelbft heißt e8 beim Jahre 1362, daß die jungen
Männer meift gefnaufte (gefniffte) Kugeln, als die Frauen,
getragen, umd daß diefe Kopfzierrath mehr denn 30 Jahr
fich in der Sitte erhalten hat. — Bei einer ändern Klei⸗
dung fagt Schwarz: „Im marko 1523, dad wand was
18*
276 Biwelter Abſchnitt. Ritterleben.
barchat (Parchent), bat 4800 ſchnittz wit ſamatin
wilſchlen, alles weis.“ Alſo eine ſo ungeheure Anzahl
von puffenden Schlitzen, beſetzt mit kleinen Sammt⸗
Streifen. Merkwuͤrdig iſt ein Rod, den er 1525 traͤgt,
von dem er fagt: der rod. zw baid tail görecht (der
Rod war zu beiden Seiten gerecht, d. h. man fonnte den
Rod auf der linken und auf ber rechten Seite anziehen).
Die Kleidung verändert fi) bisweilen jährlih ein paar⸗
mal, und es erhellt daraus, wie ſchnell fchon zu damali⸗
ger Zeit, wenigſtens bei den zierlich erſcheinenden Herren,
die Sitte der Tracht wechſelte.
he ih nun vom andern Schwarz, dem Sohne,
ſpreche, wird wohl hier, auch der Zeit nach, am beſten
eine belehrende Stelle uͤber Kleidung der Frauen und
Männer, aus Zoh. Agrikola Auslegung gemeiner Sprich⸗
voͤrter, Stuͤck 370, eintreten: „Die Jungfrawen deutſches
Landes tragen berline Bendel (Bänder mit Perlen geſtickt);
an ettlichen orthen, als am Reyn, ynn Schwaben und
Beyern, auch ynn Schweitz ſchlagen fie die Harflechten
hynder ſich zurucke. Vnn Meyßen und Doringen flechtn
fie die Zöpfe auf yhren Heuptern hoch empor, wie ein
Storksneſt. Ynn Sahfen und Heffen ſchlagen fie fie
umb yhre Ohren herumb, Die Röde find allenthalben
lang, und fchier gleih, daß alſo ein yglich Land fein
Manier hat zum ſchmuck. Der Menner fhmud aber ift
faft gleich ynn gantzem beutfhen Lande: die Rüde bis
auff die waden unter bie knie, wentte ermel mit viel falten,
vnd hoch zu halſe; und were ein ſchande einem erbarm
manne, on hofen zu gehen. Ein hut odder weyt pyrret
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 277.
(Biret), Eurze har u. fe w. Der kleydung ynn beutfchen
Landen habe ich‘ darumb gedacht, daß, dieweil fich der
fhmud fo oft verendert hat, daß man wißen möchte,
wie man und weib Anno 41523 gefchmudet- und gelleydet
gangen ſeyen.“
Nicht minder, wie beim Vater, ſo auch beim Sohne,
Veit Konrad Schwarz, finden wir die wunderlichſt wech⸗
ſelnden Trachten, aber auch davon kann hier nur ſehr
wenig angeführt werben. So laͤßt er ſich z. B. 1553
„Bloderhoſen (Pluderhoſen) mit eſchenfarbenem (aſchfarbe⸗
nem) Taffet machen; das liederin Goller (das lederne
Koller) vnd die ſchuech (Schuhe) bracht ich mit mir gen
Venedig.“ Die Pluderhoſen find dabei dweit und bauſchigt,
aber nicht ſehr lang, denn ſie reichen noch nicht bis auf
die Knie; ſie ſind aus gewuͤrfeltem Taft verfertigt. (Was
die Pluderhoſen betrifft, ſo finden ſie ſich ſchon vor dem
Jahre 1362. Sie ‚waren uͤbermaͤßig weit, fo daß über
hundert Ellen Zeug dazu gehörten. Nichts Eonnte fie ver⸗
filgen, ald der herbfle Spott und große Gewalt. Selbſt
heftige Predigten „vom Hofenteufel” finden wir gegen fie.)
Das lederne Koller ift etwas bunt und vorn ‚herunter ‚mit
goldenen Knöpfen zugefnspft. Im Jahre 1558 trägt ex:
„an fchwarz ferifch (fächfifchen) Huet mit födern (Federn),
ain ferifchen ſchwarz wullin mantl mit grienem tuech ges
fuettert, und ain behaimiſchen Duſeggen ann der
ſeitten.“ Der boͤhmiſche Duſaͤck oder Duſack iſt ein breites,
ſaͤbelartiges, gekrummtes Schwert. — 1560 erſcheint er
in einem „Leibroͤcklin, was wuͤllin (von Wolle) vnnd
durchaus geſteppt, darbey 8 Tuzet Knepflen (3 Dutzend
778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
“Knöpfe trug er auf der Weſte, kaum begreiflich, wie alle
anzubringen, denn unter bem Worte Leibroͤcklein iſt eine
Weſte gemeint). Das Wamms Attlas und durchaus ge⸗
Beppt; die Hoſen mit Attlas verbrembt (beſetzt) vnd Taf⸗
fet auszogen (es waren Schlitze in den Hoſen, und durch
dieſe bauſchte der Tafft hervor), vnd die Cappen auch mit
Attlas verbrembt - und geſteppt wie dad Wammes. Die
Schuch wafen (maren) zerfchnitten (auch aufgefchligt) wie
die Hofen.‘ Solche aufgefihnittene Schuhe finden fich
noch auf alten Bildern vor; wie denn überhaupt bad Ganze
ſich nur hinlaͤnglich durch Bilder erktären laͤßt.
. Hand v, Schweinichen erzählt und manches von
feiner Kleidung, wobei indeffen doc) einiges unverfländlich
iſt. Nachſtehend mögen die Stellen folgen, welche hierher
gehören: 1563 mußte er in einem Sammtrödlein beim
Dofe Herzogs Heinrich aufwarten. 4566 läßt er fich ein
Gammetbaret machen, und feine Mutter ſchickt ihm dazu
eine. lange weiße Feder; bie hob er in feiner Lade auf und
tzug fie bei Hochzeiten, Die Zeit über „war ih — ſagt
er — in Parchent gekleidet und ferner einen parchenen
Leib mit Damafchlenen (damaftenen) Ermeln und ein kor⸗
duan. Koller (heißt hier wahrfcheinlich nur der Theil, wel⸗
her Hald, Schultern und Bruſt bebedte, woran fich
dann der eben bemerkte parchene Leih ſchloß), Hein, zers
ſchnitten (aufgefchlist) Hofen wit braunem Harniſch (fo
bießen bei den Damaflwebern Garnfchnüre) aufgezogen
und einem tfchammelottenen (camelottenen) Mantel, mit
Sammt gebramt ımd ein‘ Sammet Baret. 41568 warb
ex wieder in Parchent gekleidet ohne weitere Beſtimmung.
3, Abthell. Waffen und Kleidung. 279
4569 zieht er mit. feinem Water nach Lublin zum Reichs⸗
tage, trägt eine goldene Kette am. Halfe und befchreibt
ſo feine Kleidung: „ein parchent Wammes, fo mit Sammt
verbraͤmt, ein’ Deutfch, auögezogn’ Hofe (d. h. eine Hofe
mit Schligen oben und am Knie, wodurch fich das Untere
futter bervorpufft, dies wird genannt: das. Unterfutter
ausgezogen, weil ed hervorgezogen war), bie eine Hofe
gelb und bie andere fihwarz (wir haben ſchon oben bei
Meathens Schwarz gefehen, dag oftmals ein Bein eine
andere Barbe, als das andere, hatte), mit Damifteln
(ein undentliched Wort, vielleiht Damaſt), ungefähr
46 Ellen burdzogen (ed muß alfo bad Zeug. feyn,
Dad durch die Schlige vorgezogen warb und burchfchien).
Desgleihen waren die Strumpffelle (eine hohe Art Stie⸗
feln) auch von Bodfellen, und einen ſchwarzen Rod mit
Salten dazu. Ihro Zürftliche Gnaden hatten 80 Roff’,
wie gemeldt, wohl gepußt, alle mit gelben Federn, und
die Sungen alle mit Sammt-Mügen, als auch 9 Spieß⸗
jungen, darunter 3 Fleine Jungen, fo ſchwarze fammtene
Mügen mit goldenen Pofamenten (Pofamentier : Arbeit,
Borten) gebrämt, imgleichen die Stirnhauben Cwahr>
ſcheinlich dicht anliegende und ben Kopf rundum einfchlies
Bende. Hauben, auf welche man die Müssen ſetzte). Ihre
Roſſe waren mit gelben Federn und großen Beberbüfchen .
gefchweift, daß man die Jungen von vorne zu nicht wohl
feben Fonnte, Und hatte jeder eine Panzerfette am Halſe
vor 4000 fl. Ungar., als auch filbern Dolch und Schwert, -
und führeten Heftlein (Heftel, Schlöffer zur Befefligung
der Kleider vor ber Brufl), Hernach bie andern brei
280 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Jungen waren imgleichen in ſchwarz ſammtene Röde, mit
ſilbern Poſament gebraͤmt, gekleidet, fuͤhreten lange- ver⸗
goldete Roͤhre, ihre Roff’ waren mit gelben und ſchwar⸗
zen Federn gefchmweift, ald auch die Stirnhauben mit gros
Sen Sederbüfchen und hatte ein jeder von großen Gliedern
Ketten um, fo. unter 500 Gulden Feiner nicht ‚hatte, als
auch filbern Dolch und Schwert. Das dritte Geb Jun⸗
| gen waren was (nur etwas) flärker, batte fammt gefal⸗
tene Röde an (wir lernten dieſe mit Kalten verfehenen
Möde ſchon früher beim Goͤtz v. B. kennen) und führeten
gewunbene Ketten, filberne Dolch und Schwerter, führe
ten’ feidene Hüte mit gelben Federn und führeten Spieß,
baran bie Eifen von Gold waren.” — Im Jahre 1571
gab ihm fein Bater „gemeine Kleider von Harniſch und
Parchent“ (hier erfcheint wieder die undeutliche Benen⸗
nung eines Zeuges: Harniſch, bie wir ſchon oben hatten;
fie bedarf noch einer genauern Erklärung). Im Jahre
1572 Heidet ihn fein Vater wieder „in Parchent und läßt
ihm ein Zindeldrath Kleid machen.” (Zindeldrath if
ein Schreibf., ed muß heißen Zindeldort, worunter
eine "Art Raſch, Zuttertaft verflanden wird.) 4572 nimmt
ihn Herzog Heinrich mit nach Dreöden und kleidet ihn
“ und, die andern wenigen Begleiter: „in ſchwarzen Sams
met, bie Hofen mit Drippeltaft durchzogen (wahr⸗
ſcheinlich ein flarfer Zaft mit dreifachen Faden, durchz o⸗
gen bebeutet wieder die Puffen, die durd die Schligen
durchkemmen); auch Sammtbinden mit goldenen Rofen
und gelben Feberbäfchen.” Daß aud damals noch ganze
Kleidungen von Leber getragen wurden, zeigt fich beim
3. Abtheil. Waffen und Kleidung, 271
den Frauem:länger als hei: den Männern. waren, haben
X
wir ſchon aus oben angefühster - Stelle geſehen. Auch
Goͤtz von Berlichingen erzählt G..20: der Markgraf habe
ihm „eine ſammete Schaube, die war mit. Marder und
Bobel gefüttert,’ “ verſprochen. Dieſe Schauben waren bei
fchnelfem Ziehen des Degend oft hinderlich, wie. ed, ©. 22
heißt: „und alö ber Zeiſſolfer von feiner Schauben (feiner
Schauben wegen) mit ber Wehr nit nacher Eunt -Bommen‘
(mit dem. Degen nicht konnte gleich nachkommen). Wie
fi Kaiſer Marimilian. I zu Zeiten trug, ‚erzählt. uns Goͤt
v. B. S. 27: „und fließ..der Kaiſer in ber Nacht auch
zu: und, ber hat ein. kleines, grünes, altes Roͤcklein au
und ein gries Stutzkapplein und einen großen ‚grünem
Hut daruber, daß ihn kejner für- einen Keiſer gefangen
oder angeſehen haͤtt'.“ (Es ſcheint wohl eine, tyroler
Tracht gwwalen zu fepn,- „ welher | ber Fa damals
zeigte)
Cimetedet, wichtieften Biden für Zuadt, und: Sitte
des 16. Jahrhunderts, wenn auch nicht für -Bewaffnung
und Rittertracht, iſt in ber Kunflfammlung zu Braun
ſchweig hefindlich, und warb non Elias Gaspar Reichard
unter dem Jitel: Matthäus und Veit Konrad Schwarz
nach ihren merkwuͤrdigſten Lebensumſtaͤnden und. vielfältig
abwechſelnden Kleidertrachten, beſchrieben (Magdeburg
1786)..Es find eigentlich 2 Handſchriften, die von 2
Ausburgern, Vatet und. Sohn, Namens Matthäus und
Veit Konrad Schwarz,. herrübren, welche beide in ber
erſten Hälfte des 16. Jahrh. von einer, außerorbentlichen
Luft belebt wurden, ſich nach den verſchiedenen Beränder-
"282 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
trug er ſchoͤne Halbſtiefeln von braunem Sammet, und ein
koͤſtliches Schwert, an welchem Knopf und Kreuz vergol⸗
det waren, die Scheide und der Guͤrtel aber waren gleich⸗
falls von braunem Sammet. Von einem Frauenzimmer,
welches bei einem Aufzuge eine Goͤttin vorſtellte, heißt
es: „Die Goͤttin war alſo gekleidet: ſie hatt' an einen
Rock, gemacht von lauter gutem gelben Atlas, fein ver⸗
deckt und kuͤnſtlich vberzogen mit Beinen blawen vnd gel⸗
ben Federlin, auffm Haupt hett ſie einen hohen altfraͤn⸗
tiſchen Hut von guͤldem Stuck, wie man pflegt die Si⸗
byllen zu malen, vnd oben auff der ſpitz deß Huts eine
ſchoͤne daffate Binde hinder ſich hinab, geziert und bereit
von koͤſtlichem Gold,” Bei einem andern Aufzug.„kam
geritten, auff. einem ſchoͤnen weiſſen Zelter, ein gar ſchoͤn
Niederlaͤndiſch Jungfrawlein, vngefehr bey zehen oder eilff
jaren, bekleidet mit einem gang weiſſen bamaßten Rock,
mit guͤlden vnnd weiß ſeidenen Franſen verkoͤdert, vberauß
wol gebutzt, vnd vber dem Sattel, darauff fie ritte, war
eine lange weiſſe ſamate Decke, vmb vnd vmb mit Gold
vnd ſchoͤner weiſſer Seyden verkoͤdert, das Zeug war forn
und binden von weiſſem Sammat, vnd huͤbſch mit Silber
beſchlagen.“ —
Die Obrigkeiten ſhen ſich genoͤthigt, gegen den Klei⸗
berunfug Geſetze zu geben, und ba mag denn, als dies
Beitalter hauptſaͤchlich bezeichnendb, hier noch eine Stelle
aus einem züricher Mandat „wider ber Geiftlichkeit zu
Stadt und Land Foftbares und. zehrhaftiges (verſchwende⸗
rifches) Leben vom 31 Weinmond 1581 dienen; barinnen
wird Aber die Seiftlichen geklagt: „daß fo fich je länger
4 Abtheil. Waffen umb Kleidung 283
je uneerbarer vnnd Iychtfertiger. fielen (betragen) vnnd
one Schühen (Shen) allhuͤrr in Ir Statt (allhier in ber
Stadt Zuͤrich) mit ungebürliher Kleidung, als nämlich
mit irren Ryt vnnd Khouffmannsroden (mit Reitz und
Kaufmanndröden), Mänteln, hoͤchen Hueten (hoben Hüten),
Dolchen vnnd Fangen Weeren (langen Degen) kommend,
vnnd biemit vf ber Bruggen (auf ber Brüde). unnd Gaf:
fen, nit one Ergernuß Srömbver vnd Heimfcher herum
gand; vnnd fich ouch der nuͤwen wpbifchen Hoffart mit
den hochen gefaldnen Kröffen (Kaufen, Halstraufen) nah
Sren Hembberen nit fhämend. Welches alles auch by
deren etlichen. gefechen wird, bie allhie in ber Stadt Ki
und Schulienft hand (Kirchen: und Schulämtern vorftehen),
oder als Augelaßne zum Prebigtamt täglic) auf ſolche
Dienft warthen. So daͤnne befindt es ſich, daß ouch daß
überflüßig Zeeren (Schmaufen). vnnd Zutrinken by etlichen,
dermaſſen uͤherhand genommen, das fo unangefechen- Iren
Stand, gleich wie andre Bürger, vf die Zunft und Zrinfs
fluben, darzu in die offnen Wirthshaͤuſſer zu ven Zaglırten
(Zechen, Gelagen) und Schlaftrunken (Abendgefellfchaften)
gand (gehen); beögleichen vnnder Inen Schlegel (Schlaͤ⸗
gereien) anrichten, vnnd allerlei vnnöthigen Anlaßes zu
irrem Zaͤchend (um Belage anzufellen) ſuchend; damit fy
dann Ir Zeit uͤhel anleggend, bad Ir (Ihre) vnnützlich
vertfun vnnd ze Zyten fich mit dem Wyn meer beladent,
bann Item Stand zimme (gezieme) vnnd zur Erbawung
der Kitchen (Kirchen) diene. Hatte fich hie wachfenbe
Verderbniß ſchon fo ‚der Geiſtlichkeit bemächtigt, fo if
wohl zu fürchten, daß die andern Stände noch ſchlimmer
4
+74 Smwelter Abſchnitt. Ritterleben.
vnd luef daruon.“ Dieſe wenigen Beiſpiele moͤgen aus
dem wilden Jugendleben des Mathaͤus Schwarz genügen.
Bon feiner Kleidung wird dies binreihen: Blatt 14
trabt er in einem bramen Reiſemantel, mit einer rothen
BReifefappe (von biefen Kappen, ' als fchon weit früher
gebräuchlich, ſprach ich bereits gben) gu Pferde ganz ſtolz
daher. Damals war er 15 Jahr alt, es gefhah im Jahre
1512, und fein Vater fdyidte ihn in Gefchäften. nad)
Münden. 1518 erzählt er: „als Kaiſer marimilianus
auf dem Dantzhaus zw augspurg ein Danz hielt, was
ich alto (allda): ein Daphat (tafftenes) Wams, biret von
Zendl (Baret von Zindel), ein gudie Kötti (eine gute
Kette) vmb ein gulbin Kranz, ber- Rod mit attlas.“
Hier kommt einiges vor, was wir bereitd oben Tennen
gelernt haben: der Kranz; auf dem Bilde ift die Kette
um den goldenen Kranz herumgewunden, und biefer hängt
hinten auf bem Baret. — Auf dem folgenden Bilde ſteht
man Schwarz auf dem Fechtboben. Dabei find der rechte
Aermel des Wamſes, dad rechte Hofenbein und ber
Strumpf am rechten Fuße gelb, Auf der linken Seite find
alle diefe Stuͤcke weiß und mit afchfarbenen Streifen durchs
zogen. Solche gemifchte Kleidung, bie eine Seite von.
einer andern Farbe, als die andere, ift in jener Zeit fehr
häufig, und es war damals ber größte Staat, was jeht
nur- bie Kleidung der Züchtlinge if. Ueber jenem Bilde
ſteht: „Im Junius 1518 ald ich wolt lernen ſchirmen
(escrimer, fechten), das wams was brififch Atlas" (Atlas
ans Brügge, brüggifch).
Ks 1519 M. Schwarz feinen Vater verlor, erfcheint.
3, Abtheil. Waffen und Rieidung. 275
er in merfwürbiger Trauertracht. Zuerſt „in der Kugl⸗
Kapp, mantel und rock, nichts von ſeidin.“ Er ift ig
einem langen ſchwarzen Mantel und in eine Gugel
Tappe (deren Erflärung fol fogleich folgen), welche vorn
weit uͤber das Geſicht hinaus geht; dies iſt die tiefſte
Trauer. In der zweiten Abbildung ſieht man nur die
Augen und die Naſe, die uͤbrigen Theile des Geſichts
verhält noch bie Kappe, der Trauermantel iſt etwas Fürs
zer, fo daß bie Degenfpige unter demfelben hervorſcheint;
bei den folgenden verfchwindet bie Gugel, und er trägt
einen Hut auf bem Kopf. Es Tind in allem vier Veraͤn⸗
derungen der Trauer. Was die Gugelfappe betrifft,
fo ift dies ein Ansdruck, der haufig in der Vorzeit erſcheint,
und zwar verſchieden: Gugel, Kugel, Kogel, Koggel,
Kagel. Es iſt ein Kopfputz, ber.beiden Geſchlechtern yes
meinſam war, eine kugelartige Geſtalt hat und einem tür:
kiſchen Bunde beinche ähnlich fieht. Späterhin verſchwan⸗
den die ſchweren Gugeln und leichtere Rappen bfieben,
bei Frauen, Moͤnchsorden, Bergleuten, wo audy die Nas
men Kogeln, Gugeln, Gugelhüte, Gugelhauben, vors
Tonımen. So heißt es in ber limburgifihen Chronik beim
Jahre 1351: „die Kogeln waren um diefe Zeit groß; etlic)
trugen Kogeln, bie hatten bornen einen Lappen und bins
ten einen Lappen, bie waren verfchnitten und verzättelt.”
Eben bafelbft heißt «8 beim Jahre 136%, daß die jungen
Männer meift geknaufte (gekniffte) Kugeln, als die Frauen,
getragen, und baß diefe Kopfzierrath mehr denn 30 Jahr
fich in der Gitte erhalten bat. — Bei einer andern Klei⸗
dung fagt Schwarz: „Im marko 1523, dad wams was
i x 18*
276 Bweiter Abfchnitt. Bitterleben.
varchat Parchent), hat 4800 f Hui mit ſamatin
witfchlen, alles weis.” Alſo eine fo ungeheure Anzahl
von puffenden Schligen, beſetzt mit Fleinen Sammt⸗
Streifen: Merkwuͤrdig ift ein Rod, ben er 1525 trägt,
von dem er fagt: der rod. zw baid tail görecht (der
Rod war zu beiden Seiten gerecht, d.h. man konnte den
Roc auf der linfen und auf ber rechten Seite anziehen).
Die Kleidung verändert fi) bisweilen jährlich ein paar⸗
mal, und ed erhellt daraus, wie ſchnell fhon zu damali⸗
ger Zeit, wenigſtens bei den zierlich erſcheinenden Herren,
die Sitte der Tracht wechſelte.
. Ehe ich nun vom andern Schwarz, dem Sohne,
ſpreche, wird wohl hier, auch der Zeit nach, am beſten
eine belehrende Stelle uͤber Kleidung der Frauen und
Maͤnner, aus Joh, Agrikola Auslegung gemeiner Sprich⸗
woͤrter, Stuͤck 370, eintreten: „Die Jungfrawen deutſches
“Bandes tragen berline Bendel (Bänder mit Perlen geſtickt);
an eftlichen orthen, ald6 am Reyn, ynn Schwaben und
Beyern, auch ynn Schweiß ſchlagen fie die Harflechten
hynder ſich zurucke. Vnn Meyßen und Doringen flechtn
fie die Zoͤpfe auf yhren Heuptern hoch empor, wie ein
Storksneſt. Inn Sachſen und Heſſen ſchlagen fie fie
umb yhre Ohren herumb. Die Röde find allenthalben
lang, und feier gleich, daß alfo ein yglich Land fein
Manier hat zum ſchmuck. Der Menner fchmud aber ift
faft gleih yan gantzem beutfchen Lande: die Rüde bis
auff die waden unter die knie, weytte ermel mit viel falten,
vnd hoch zu halſe; vnd were ein ſchande einem erbaum
manne, on hofen zu gehen. Ein Hut odder weyt pyrret
3. Abtheil. Waffen und Kleidung. 277.
(Biret), kurze har u. ſ. w. Der kleydung ynn deutſchen
Landen habe ich darumb gedacht, daß, dieweil fich der
ſchmuck fo oft verendert hat, daß man wißen moͤchte,
wie man und weib Anno 1523 gefchmudet und gelleydet
gangen ſeyen.“
Nicht minder, wie beim Vater, ſo auch beim Sohne,
Veit Konrad Schwarz, finden wir die wunderlichſt wech⸗
ſelnden Trachten, aber auch davon kann hier nur ſehr
wenig angeführt werden. So laͤßt er fih 3. B. 1553
„Bloderhofen (Pluderhofen) mit efchenfarbenem (aſchfarbe⸗
nem) Taffet machen; das liederin Goller (das lederne
Koller) vnd die ſchuech (Schuhe) bracht ich mit mir gen
Benedig.“ Die Pluderhoſen ſind dabei weit und bauſchigt,
aber nicht ſehr lang, denn ſie reichen noch nicht bis auf
die Knie; fie find aus gewuͤrfeltem Taft verfertigt. (Was
die Pluderhofen betrifft, fo finden fie ſich fehon vor dem
Sabre 1362. Sie waren ‚übermäßig weit, fo baß Über
hundert Ellen Zeug dazu gehörten. Nichts konnte fie ver⸗
filgen, als der herbfte Spott und große Gewalt. Selbſt
heftige Predigten „vom Hofenteufel’‘ finden wir gegen fie.)
Das lederne ‚Koller ift etwas bunt und vorn ‚herunter mit
goldenen Knöpfen zugefnöpft. Im Yahre 1558 trägt er
„ain ſchwarz ferifch (fächfifchen) Huet mit foͤdern (Federn),
ain ferifchen ſchwarz wullin mantl mit grienem tuech ges
fuettert, und ain behaimifhen Dufeggen ann ber
ſeitten.“ Der böhmifche Dufäd oder Duſack ift ein breites,
fäbelartiges, gefrimmtes Schwert. — 1560 erfcheint er
in einem .,‚Leibrödiin, was willin (von Wolle) vnnd
durchaus gefleppt, darbey 8 Tuzet Knepflen (8 Dutzend
778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
"Knöpfe trug er auf den Weſte, kaum begreiflich, wie ale
anzubringen, denn unter dem Worte Leibroͤcklein iſt eine
Weſte gemeint), Das Wamms Attlas und durchaus ge:
Beppt; die Hofen mit Attlad verbrembt (beſetzt) vnd Taf⸗
fet auszogen (es waren Sclige in den Hofen, und durch
biefe baufchte der Zafft hervor), und bie Gappen auch mit
Attlas verbrembt und gefteppt wie dad Wammes. Die
| Schuch wafen (maren) zerfchnitten (auch aufgefchligt) wie
die Hoſen.“ Solche aufgefchnittene Schuhe finden fich
noch auf’alten Bildern vor; wie benn überhaupt das Ganze
Üch nur hinlaͤnglich durch Bilder erfiären laͤßt.
. Hans v. Schweinichen erzählt und manches von
feiner Kleidung, wobei indeffen doch einiges unverfländlich
iſt. Nachftehend mögen die Stellen folgen, welche hierher
gehören: 1563 mußte er in einem Sammtrödlein beim
Hofe Herzog& Heinrich aufwarten. 1566 läßt er fich ein
Ganmetbaret machen, und feine Mutter ſchickt ihm dazu
eine. lange weiße Feder; bie hob er in feiner Lade auf und
trug fie bei Hochzeiten, Die Zeit über „war ih — ſagt
er — in Parchent gekleidet und ferner einen pärchenen
Leib mit damafchlenen (damaftenen) Ermeln und ein kor⸗
duan Koller (heißt hier wahrfcheinlich nur der Theil, wel⸗
her Hals, Schultern und Bruft bededte, woran fich
dann der eben bemerfte parchene Leib fchloß), klein, zer:
ſchnitten (aufgefchlist) Hofen mit braunem Harnifch (fa
bießen bei den Damaflwebern Garnfchnüre) aufgezogen
und einem tfchammelgttenen (camelottenen) Mantel, mit
Sammt gebrämt und ein Sammet Baret.“ 1568 warb
er wieder in Parchent gekleidet ohne weitere Beſtimmung.
L
3, Abtheil, Waffen und Kleibung. 279
1569 zieht er mit. feinem Bater nach Zublin zum Reichs
tage, trägt eine goldene Kette am Halfe und befchreibt
fo feine Kleidung: „ein parchent Wammes, fo mit Sammt
‚verbrämt, ein’ Deutfch auögezogn’ Hofe (d. h. eine Hofe
mit: Schligen oben und am Knie, wodurch fich das Untere
futter hervorpufft, dies wird genannt: das. Unterfutter
ausgezogen, weil es hervorgezogen war), bie eine Hofe
gelb und die andere ſchwarz (wir haben ſchon oben bei
Matheus Schwarz geſehen, dag oftmald ein Bein eine
andere Barbe, ald das andere, hatte), mit Damifteln
(ein unbeutliches Wort, vielleicht Damaſt), ungefähr
46 Ellen burdizogen (ed muß alfo bad Zeug feyn,
das durch die Schlige vorgezogen ward und durchſchien).
Deögleichen waren die Strumpffelle (eine hohe Art Sties
feln) auch von Bodfellen, und einen ſchwarzen Rod mit
Salten dazu. Ihro Zürftliche Gnaden hatten 80 Roff’,
wie gemelbt, wohl gepußt, alle mit gelben Federn, und
die Jungen alle mit Sammt-Mügen, ald aud 9 Gpießs
jungen, darunter 3 Fleine Jungen, fo ſchwarze fammtene
Mügen mit goldenen Pofamenten (Pofamentier : Arbeit,
Borten) gebrämt, ‚imgleihen die Stirnhauben (wahr⸗
ſcheinlich dicht anliegende und den Kopf rundum einfchlies
Bende. Hauben, auf welche man big Müsen feste). Ihre
Raoſſe waren mit gelben Federn und großen Federbuͤſchen
gefchweift, daß man bie Zungen von vorne zu nicht wohl
fehen konnte. Und hatte jeder eine Panzerfette am Halfe
vor 4000 fl. Ungar., als auch filbern Dolch und Schwert,
und führeten Heftlein (Heftel, Schlöffer zur Befefligung
der Kleider vor der Bruſt). Hernach bie andern drei
280 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Jungen waren imgleichen in ſchwarz fammtene Nöde, mit
filbern Pofament gebrämt, gekleidet, führeten -lange- ver⸗
goldete Röhre, ihre Roſſ' waren mit gelben und ſchwar⸗
zen Federn gefchmweift, als auch die Stirnhauben mit gros
Sen Federbuͤſchen und hatte ein jeder von großen Gliedern
Ketten um, fo. unter 500 Gulden keiner nicht hatte, als
auch filbern Dolch und Schwert. Das dritte Glied Jun⸗
| gen waren was (nur etwas) flärker, hatte ſammt gefal⸗
tene Röde an (wir lernten biefe mit Falten” verfehenen
Roͤcke fchon früher beim Goͤtz v. B. Eennen) und führeten
gewundene Ketten, filberne Dolch und Schwerter, führer
ten’ feidene Hüte mit gelben Zebern und führeten Spieß,
baran bie Eifen von Gold waren.” — Im- Jahre 1571
gab ihm fein Vater „gemeine Kleider von Harnifch und
Parchent“ (hier erfcheint wieder bie unbeutliche Benen⸗
nung eines Zeuges: Harnifch, die wir ſchon oben hatten;
fie bedarf noch einer genauern Erklärung). Im Jahre
1572 Heidet ihn fein Vater wieder „in Pardyent und läßt
ihm.ein Zinbeldrath Kleid machen. (Bindelbrath if
ein Screibf., ed muß beißen Zindeldort, worunter
eine ‘Art Rafch, Zuttertaft verflanden wird.) 1572 nimmt
ibn Herzog Heinrich mit nach Dresden und kleidet ihn
und die andern wenigen Begleiter: „m ſchwarzen Sams
met, die Hofen mit Drippeltaft durchzogen (wahr⸗
fheinlich ein flarfer Taft mit dreifachen Faden, durchz os
gen bebeutet wieder bie Puffen, die durch die Schligen
durchkemmen); auch Sammtbinden mit goldenen Rofen
und gelben Federbuͤſchen.“ Daß auch damals noch ganze
Kleidungen von Leber getragen wurden, zeigt ſich beim
. \ ‘
3, Abtheil. Waffen und Kleidung. 281
Jahre 1575, wo er erzählt: „Es waren Weisgerber,
reiche Leute, allda zu Krakau, fo von Mertſchuͤtz bürtig,
die Inden mich mit meiner Gefelfchaft zu Gaſte ein,
traftirten mic) alfo, als wenn fle einen Fürften gehabt,
verehren mir Hirfchhäute zu einem Kleive, als auch Bock⸗
Haute und thäten mir fonft große Ehre an. — Als in
demfelben Jahre Herzog Heinrich noch eine Reife machen
will, leidet er feine 3 Junker, unter denen auch H. v.
©. war, fürftlih „in rothen Damaft, auf Welſch, und
ſchwarze Mäntel rgit goldenem Pofament (Borten, Pofa:
mentierarbeit) gebraͤmt“ — Diefe Stellen mögen für
die Zeit des Hans von Schweinichen genügen. Wir haben
fhon früher’ gefehen, wie ſehr Zucht und Sitte damals
fanten, wie ein verfehmenderifches Leben überhanbnahm,
und von dem ruͤckſichtsloſen Leichtfinn, der damald herrfchte,
liefert das beſte Bild die Lebenäbefchreibung des Hans von
Schweinichen, auf die aber hier nur zu verweilen iſt, ba fie
in drei Bänden ber Leſewelt gedruckt vorliegt. Die fürftlichen
Häufer wetteiferten oft an Pracht und Zierlichleit, und fo
erzählt ıms ein Buch, welches 1578 herauskam, von den
Ritterfpielen,. bie Kaifee Mar IL als König von Böhmen
anftellte, folgende Prachtanzüge. Der Erzherzog Karl zu "
Defterreich war gekleidet in einen fchönen Föftlichen, mit
Gold geägten Harnifh. Darliber trug er ein zerfchnittes
nes Goller von braunem Sammet, mit Eleinen Rofen von
gefchlagenem Silber geziert. Durch die Schnitte des Gol⸗
ler fah man ben Harnifch. Auf feinem Helm fledte ein
gewaltig fchöner, hoher Federbuſch von braunen, weißen und
gelben Federn, ber zu beiden Seiten herabhing. Auch
"282 Zueiter Abſchnitt. Rieterleben.
trug er ſchoͤne Halbſtiefeln von braunem Sammet, und ein
koͤſtliches Schwert, an welchem Knopf und Kreuz vergol⸗
bet.waren, die Scheide und der Gürtel aber waren gleich⸗
fo0s von brammem Sammel. Bon einem Frauenzimmer,
welches bei einem Aufzuge eine Göttin vorftellte, heißt
48: „Die Göttin war alfo gekleidet: fie hatt’ an einen
Rod, gemacht von lauter. gutem gelben Atlas, fein vers
dedt und Fünftlich oberzpgen mit Pleinen blawen vnd gel:
ben Zeberlin, auffm Haupt heit fie einen hohen altfräns
kiſchen Hut yon güldem Stud, wie man pflegt die Sis
byllen zu malen, vnd oben auff ‚der ſpitz deß Huts eine
ſchoͤne daffate Binde binder fi hinab, geziert und bereit
von koͤſtlichem Gold,” Bei einem andern Aufzug. „kam
geritten, auff einem ſchoͤnen weiffen Zelter, ein gar ſchoͤn
Niederlaͤndiſch Jungfrawlein, vngefehr bey zehen oder eilff
jaren, bekleidet mit einem gang weiſſen bamaßten Rock,
mit gülden vnnd weiß feidenen Franſen verköbert, vberauß
wol gebust, und vber bem Sattel, darauff fie ritte, war
eine lange weiffe famate Dede, vmb und vmb mit Gold
vnd ſchoͤner weiſſer Seyden verkoͤdert, das Zeug war forn
und binden von weiflem Sammat, vnd huͤbſch mit Silber
beſchlagen.“ —
Die Obrigkeiten ſehen ſich genoͤthigt, gegen den Klei⸗
derunfug Geſetze zu geben, und da mag denn, als dies
Zeitalter hauptſaͤchlich bezeichnend, hier noch eine Stelle
aus einem zuͤricher Mandat „wider der Geiſtlichkeit zu
Stadt und Land koſtbares und. zehrhaftiges (verſchwende⸗
rifches) Leben vom 31 Weinmond 1581" dienen; darinnen
wird über bie Geiſtlichen geklagt: „daß fo fich je länger
3. Athell. Waffen und Kleidung 283
je uneerbarer vnnd Iychtfertiger. fiellen (beiragen) vnnd
one Schuhen (Schen) allhuͤrr in’ Ir Statt (allbier in ber
Stadt Zürich) mit ungebürlicher Kleidung, als nämlich
mit irren Ryt vnnd Khouffmanndroden (mit Reitz und
Kaufmannsröden), Mänteln, hoͤchen Hueten (hoben Hüten),
Dolchen vnnd langen Weeren (langen Degen) kommend,
vnnd biemit vf der Bruggen (auf ber Brüde). unnd Gaſ⸗
fen, nit one Ergernuß Frömbver und Heimfcher herum
gand; vnnd fich ouch der nuͤwen wybiſchen Hoffart mit
den hochen gefaldnen Kröffen (Kraufen, Halskrauſen) nad)
ren Hembderen nit ſchaͤmend. Welches alles auch by
deren etlichen gefechen wirb, ‚die allhie in der Stadt Kilch
und Schulbienft band (Kirchen: und Schulämtern vorflehen),
oder ala Augelaßne zum Prebigtamt täglich auf ſolche
Dienft warthben. So daͤnne befindt es ſich, daß ouch das
uͤberfluͤßig Zeeren (Schmaufen). vnnd Zutrinken by etlichen
dermaſſen uͤberhand genommen, das ſy unangeſechen Iren
Stand, gleich wie andre Bürger, vf die Zunft und Trink⸗
fluben, darzu in die offnen Wirthöhäufier zu den Taguͤrten
(Zechen, Gelagen) und Schlaftrunken (Abendgefellfchaften)
gand (gehen); beögleichen vnnder Inen Schlegel (Schlaͤ⸗
gereien) anrichten, vnnd allerlei vnnoͤthigen Anlaßes zu
irrem Zaͤchend (um Gelage anzuftellen) fuchend; damit fü
dann Ir Zeit uͤhel anleggend, dad Ir (Ihre) vnnützlich
vertbun vnnd ze Zyten fich mit dem Wyn meer belabent,
dann Irem Stand zimme (gezieme) vnnd zur Erbawung
der Kilchen (Kirchen) diene.“ Hatte fich die wachſende
Verderbniß ſchon fo ber Geiſtlichkeit bemaͤchtigt, ſo if
wohl zu fuͤrchten, daß die andern Staͤnde noch ſchlimmer
296 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
mögen: gewefen ſeyn, und dieſes Aufwanbögefeg wird
daher wohl am beſten die Vaqrichtin von. Waffen und
Kleidungen beſchließen.
>
Bierte Abtheilung.
Turniere und Sanjenrennen
Die Turniere waren eine der wichtigſten Einrichtungen
ves Ritterweſens, ja vielleicht kann man ſie wohl fuͤr die
vorzuͤglichſte halten. Sie waren kriegeriſche Kampfuͤbun⸗
gen, bie in den Zeiten des Ritterthums an den Höfen der
Könige und der Zürften, oder auch von dem Abel, bei
Gelegenheit großer Zeierlichleiten, dann auch befonders,
wenn einzelne Ritter fi Dazu vereinten, angeftellt wurden.
Sie gewährten durch Pracht der Waffen, durch Glanz der
Kleidung, duch die Wunder der Tapferkeit, durch bie
Schönpeit und die Anmuth der vft dabei verfammelten
- Srauen ein glänzendes Schauſpiel, und bienten zugleich
als ein Mittel zur Uebung in den Waffen. Für di: Ritter
" war ed bie größte Ehre, in biefen Spielen.ben Sieg davon
zu tragen. Sie entflammten ben Ehrgeiz und nährten
bie Zapferfeit. Ein Turnier war das größte Bell, bie
hoͤchſte Beierlichkeit für den Ritter und Edlen. Hier hatte
er Gelegenheit, vor ben berühmteften und tapferften Mäns
nern, vor ben ſchoͤnſten und artigften Frauen feines Vater:
%
4. Abtheil. Zurniere und Lanzenrennen. 285
landes ſich durch Zapferkeit hervorzuthun und Ruhm zu
. erwerben Hier Tonnte er ſich, in prachtvoller Rüflung,
in ber ganzen Kraft und Gefchidlichkeit feiner Kunft
zeigen. Die Hoffnung, den Dank des Turniers zu errins
gen, der Gedanke, ald Sieger während. ber Dauer bes
Feſtes der Erſte unter einer glänzenden und. angefebenen
Verfammlung zu ſeyn, die Blide Aller und befonders
aller Frauen auf fich zu ziehen, ja vielleicht auch von den
Minneſingern beſungen zu werden, dies alles gab ihm
Muth zu feinen kuͤhnen Thaten, indem ex feine ganze
Kraft mit firenger Uebung nach diefem Ziele zichtete,, Ein
folches Zurnier war der Sammelplas alles Schönen und
aller Pracht der damaligen Zeiten. Beſonders benutzten
auch die Frauen diefe Gelegenheit, ſich durch koͤrperliche
und geiflige Vorzüge, durch Geſchmack, durch Anfland,
feines Belragen und gefellfchaftliche Bilbung auszuzeichnen.
Ihnen zu Ehren fellte man gewöhnlid bie Turniere an,
und eine ober mehre aus ihrem Kreife waren immer die -
Königinnen des Feftes.
Es ift Schon hieraus unnerfennbar, daß die Zurniero
einen wichtigen Einfluß auf ben Geiſt bes Ritterweſens
haben heroorbringen müflen, zumal ba die. Zurniergefege
von denen, welche einem Zurmiere beimohnen wollten,
außer dem Stande und ber Tapferkeit, auch noch den ˖ Be⸗
fig und die Uebung aller Tugenden und Pflichten des Rit⸗
terthums forderten. Jeder Ritter und Edle, ber Anfpruch
auf Zurnierfähigkeit machen und der Schande, vom Zur:
nier ausgefchloffen zu werden, nicht ausgeſetzt ſeyn wollte,
mußte alfo auch in feinem ganzen Leben und Wandel
N
286 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
bemuͤht ſeyn, uͤberall und zu jeder Zeit die Pflichten ſeines
Standes durch Achtung gegen die Religion, durch Tapfer⸗
keit, ‚durch huͤlfreichen Beiſtand gegen bie Unterbrüdten,
Durch NRechtfchaffenheit und dur zarte Behandlung bes
zweiten Gefchlechts zu üben. Natürlich war dieß allges
meine Streben nah Bolllommenbeit oftmald von ben
gluͤcklichſten Folgen fuͤr die Glieder des Adels; denn feine
toben und wilden. Sitten verfeinerten fi in biefer, durch
die Turniere ihnen felbft unbemerkt veranlaßten, Sittens
fhule nach und nad) immer mehr. Betrachten wir daher
nun bier nach einander das Entftehen, bie Ausbildung
und bie Einrichtung der Turniere.
Kriegesuͤbungen, die unter bem Namen eines Spiels
zu Bolksluſtbarkeiten gebraucht wurden, finden wir ſchon
bei vielen Völkern des Alterthums, ohrce boy, daß fie bie
Bedeutung der Turniere gehabt hätten. Wir finden fie
bei Zrojanern, Hebraͤern, riechen, Römern und den
alten Deutfchen. Diefe gehören nun nicht in unfere Un-
terſuchung, da fie ganz von uns entfernt liegen und etwas
völlig anderes bezeichnen, als die Turniere ber Ritterzeit
find. Bei fo manchem aber, das in alter Beit vorkommt
und ber KRitterzeit in ben Turnieren entfpricht, ift ein
Zweifel und gelehrter Streit entflanden ‚vb man’ bie
Zurniere
für ein in der früheren Verfaſſung des beutfchen Reis
gegründetes Unternehmen, vder
für eine Erfcheinung des in den Zeiten ber Kreuz:
jüge in Europa entſtandenen Ritterwefens halten
folle.
4 Abtheil. Zurniere und Lanzenrennen 287
Wenn wir, wie in fo manchen anderen bereits anges
führten Einrichtungen, ‚zwar die alte Zeit nicht verfennen,
aber die neuere Bedeutung unterfuchen, fo ift das Zur:
nier auch durchaus wieber eine ganz eigenthümliche Ein⸗
richtung der Nitterzeit. Zunaͤchſt germanifchen Urfprungs
iſt Die Einrichtung der Zurniere zu erachten; denn Tacitus
fagt fhon: „fie haben nur ein. einziges und bei allen
Zufammentünften das nämliche Schaufpiel. Nadende, zu
diefem Spiel abgerichtete Juͤnglinge tanzen zwifchen bios
Ben Schwertern und geworfenen 2anzen herum. Die-
Uebung bat ed zur Kunſt und die Kunſt zur. Wohlanſtaͤn⸗
digkeit gebracht. Es gefchieht aber niemals um Lohn;
die Freude der Zufchauer iſt der ganze Preis dieſes kuͤhnen
Spielwerks.“
Sind hiermit auch nicht unmittelbar Turniere bezeich⸗
net, fo erſcheint Doch dabei ſchon die Unverzagtheit und
Geſchwindigkeit, welche feitdem auch in ben Turnieren ſo
glänzend bervortrat, und es waren WBaffenfpiele. Diefe
behaupteten fpäterhin bei den Karolingern in allen Zeiers
lichkeiten den erften Platz. Dahin deutet eine Stelle in
dem Werke des alten Befcyichtfchreiberd Nithardus de
dissensionibüs Aliorum Ludov. Pii L. III. p. 27,
worin er erzählt, wie freundlich und brüderlich Ludwig der
Deutfche mit feinem Bruder Karl dem. Kahleh, nach bem
auf die Schlacht bei Fontenay 842 folgenden Brieden,
gelebt habe: „Sie ertheilten einander unaufhoͤrlich Bes
ſchenke; fie bewohnten zufammen nur ein Haus, und da
fie in allem gemeinfchaftlich lebten, fo nahm ber eine an
den Beluftigungen des andern Theil. Sie wohnten. mit
288 .. Brositer Abſchnitt. Ritterleben.
einander ben Uebungen bei, welche ihre beiberfeitigen Uns
terthanen, in gleicher Anzahl, mitten unter einer außer-
ordentlichen Menge Zufchauer vornahmen. Nach dem Ans
bli@ diefer Kampffpiele zu urtheilen, "hätte man glauben
follen, daß eine Tobfeindfchaft beide Parteien beiebe; mit
einer ſolchen Haſtigkeit flürzten fie über einander her, bis
bie eine von ihnen unter dem ‚Schuge ihrer Schilde die
Flucht ergriffen hatte. Bald darauf flelte fich der Haus
fen, welcher hatte weichen müffen, mit neuem. Muthe
“gegen ben Feind, und verfolgte denfelben auch von feiner
Seite; endlich rudten die beiden Könige mit aller ihrer jungen
Mannfchaft zu Pferde hervor, ließen ihre Langen ober
Wurffpieße ‚unter großem Gefchrei blinfen, und warfen
bald diefe, bald jene. Der Edelmuth, die Zuruͤckhaltung
einer fo zahlreichen Verſammlung aus fo verſchiedenen
Voͤlkern, erwedte Bewunderung, und, was man kaum
unter einer Eleinem Anzahl vertrauter Freunde erwarten
würde, man ſah auch nicht einen einzigen beleidigenden
Stoß, man hörte Fein einziges beleidigendes Wort."
Diefe Schilderung nähert fi unfern Turnieren fchon
um einen Schritt mehr, als die frühefte Beſchreibung des
- Zacitus. In der legtern Befchreibung fehen wir den Kampf
eines Haufend gegen einen andern, den man: in ber
Folge Buhurt (franz. combats a la foule) nannte. Wie
nun bei allen neuen @inrichtungen, bewußt ober unbes
wußt, die Vorzeit einwirkt und Sitten des Altertbums
bleiben, fo ift auch nicht zu. leugnen, baß wir die weſent⸗
Iihen Einrichtungen der Zurniere in biefen alten Kriegs⸗
4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 989
fpielen ſuchen müffen, und bennod wurden fie fin der
Folge ganz etwas Anderes und Eigenes.
Gemeinhin nimmt man Kaiſer Heinrich I als den
Erfinder der Turniere in Deutſchland an, und nennt ein
Turnier im Jahre 938 als bad erſte, welches er gehalten
haben fol. Was Heinrich that, der fo viel für die Wehr⸗
baftmachung Deutfchlands wirkte, bie Hunnen- verjagte,
die Wenden zuruͤckdraͤngte und baͤndigte, iſt wohl nichts
mehr, als daß er die frübern Fußkaͤmpfe in Reiterfpiele .
umwandelte, ober: vielmehr den Fußkaͤmpfen hauptfähs
lichft Reiterkaͤmpfe beifügte. Dadurch gefchah wicder‘ ein
bebeutender Schritt zu den eigentlichen. Zurnieren, aber
e3 ift keinesweges die wirkliche Einführung berfelben in
dies Jahr zu fegen. Alle die früheften Turniere, die daher
Rürner in feinem Turnierbuche, das zumeift eine Zufam-
menfeßung von Fabeln ift, und nach ihm fo viele in ben
Jahren 942 zu Rotenburg a. d. Zauber, 948 zu Koſtanz
am Bodenſee, 968 zu Mörsburg (Merfeburg) a. d. Saale,
996 zu Braunfchweig, 1019 zu Trier a. d. Mofel, 104%
zu Halle a. d. Saale, 1080 zu Augsburg am Lech und
4129 zu Göttingen hakten laffen, find daher noch keines⸗
| weges als rechte und Achte Zurniere anzunehmen, fondern
erft in dem 42. Jahrh., unter Lothar II erfcheinen wirk⸗
liche Zurniere, indem die Kampffpiele der Deutfchen,
durch Uebernahme der Gebraͤuche und Sitten, die damals -
ſchon in Frankreich berrfchten, dazu umgewandelt wurden,
und man nannte fie daher auch Iudos gallicos. In
FZrankreich legen viele Schriftfteller dem Gottfried von
Preuilly, der 4066 flarb, die Erfindung der Zurniere bei.
' 19
D
2% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Dies iſt auch zu allgemein ausgedruͤckt; erfunden waren
fie fchon früher, aber es ift wahrfcheinlih, daß er die
Geſetze ſammelte und feſtſetzte, ja vielleicht einiges Neue
‚erfand. Er war aber nicht nur ber Geſetzgeber dieſes
neuen Spieles, er war auch das Opfer deſſelben, indem
er unter ber Regierung Philipp's I von Frankreich zu Angers
in einem Turnier meuchelmörberifcher und verrätherifcher
Weife umgebracht ward. Vom 12. Jahrh. an fleht das
Daſeyn der Turniere unbedingt feſt. Won Frankreich
ging die Sitte nicht aus, aber die Geſetze und bie
Vervollkommnung bed Ganzen kamen von ba nad
England und Deutfchland, und felbft nach den Zeugniffen
byzantinifcher Schriftfteller. follen die Völker des Morgens
landes Kunft und Ausübung von ben Franzofen gelernt
baden. — In Deutfchland wurben fie fehr allgemein,
und es find uͤberaus viele Zurniere gehalten worden, bei
weitem mehr, als uns Rürner in feinem Buche berichtet.
Die Franzofen waren ed alfo, welche diefen Zurnie=
ren ihre eigentliche Geftalt und Einrithtung gaben; und
daß diefelben gerade von hier auögingen, Dazu famen eine
Menge von Umfänden und Beranlaffungen zufammen.
Zuerſt der Trieb im franzöfifchen Volke, allen Verhaͤlt⸗
niffen eine in die Augen fallende Geftalt zu geben. Aus
dem Streben, in allen Verhaͤltniſſen Wohlgefallen zu erres
gen, fuchten fie Sitten und Gebräuche auf, deren Annah⸗
me ihnen, in Verbindung mit ihren eigenen Sitten, eine
‚gefälligere Außenfeite verfchaffen und ihre lebhafte Einbils
dungskraft angenehm befchäftigen konnte; darum war «8
auch möglich, daß das Ritterthum bei ihnen die hoͤchſte
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 291
Stufe von Feinheit, Zartheit, Biegfamkeit und Gefällige
feit erreichte. Schon oben habe ich aus Nithart die Stelfe
angeführt, welche auf Kriegeöfampfübungen der Deutfchen
und Franken hinwies; diefe vervolfommneten nun bie
Franzoſen dadurch, baß ‚fie den bei ihnen urfprünglich
bergebrachten Uebungen diejenigen hinzufügten, welche fie
bei den benachbarten Arabern und Normännern kennen
lernten, und fie allgemeinen SKampfgefegen unterwarfen.
Ungeachtet der vielen Kriege und Feinbfeligleiten mit den
eben genannten und oft fehr von ihnen gehaßten Nachbas
ren, herrſchte dennoch wieder ein großer Verkehr mit dens
felben. Nachdem der Normann Rolf in der Zaufe, zu
Anfang des 10. Iahrh., den Namen Robert angenommen
hatte und Herzog in ber Normandie geworben war, auch
die Tochter des Königs von Frankreich ſich vermählt hatte,
vereinte ſich der normännifche und franzöfifche Adel durch
häufige Verbindungen, und dee Hof in ber Normandie
wurde einer der glaͤnzendſten in ben Abendländern. Eben
fo war der. Verkehr zwifchen ben koͤniglichen und fürftlichen
Familien der Chriften in Spanien und Frankreich mit
den Arabern in Spanien fehr lebhaft. Vermaͤhlungen
chriſtlicher Prinzen mit maurifchen Prinzeffinnen knuͤpften
diefe Bande noch fefter; die Söhne der fpanifchen und
franzöfifchen Großen und des wohlhabenden Adels hielten
fih oft lange an ben Höfen der maurifhen Könige auf,
um fich in ben Künften des Krieges und ben feinen Sit
ten des gefellfchaftlichen Lebens zu bilden.
&o erhielten nun befonderd auch die Turniere ihre
Ausbildung, und man ſuchte durch diefe beliebten Schau:
19*
=
292 Zwelter Abfchnitt, Ritterleben. -
fpiele jede Feierlichkeit zu verfchönern. Dei feierlichen
Reichs- und Hof⸗Tagen, bei Vermählungen, bei wichti⸗
gen Ritterfchlägen, bei Beſuchen ber Großen unter einans
der, bei Belehnungen, ja felbft bei Concilien und Syno⸗
den wurden Zurniere angeftellt.,
Was nun den Namen Turnier betrifft, fo heißt er
im $ranzöfifchen Tournoy, im Stal. Torneo, im mittl.
Latein Torneamentum, im Engl. Turnament, Turney;
im Schwebifchen Torney. Wenn auch bie ausländifche
Endung dahin deutet, daß das Wort aus fremder Sprache
zu uns gekommen, fo ift doch die Wurzel deſſelben durch⸗
aus deutfh. Im Notker, einem Geiſtlichen des 10. Jahrh.
im Klofter St. Gallen, von dem wir eine Ueberfegung
des Buches Hiob, der Pfalmen Davids u. ſ. w. haben,
finden wir dad Wort turnen für lenken, wenden; womit
das franzöfifche tourner, das angelfähhfifche turnan, tyr-
nan und das englifche turn zufammenhängt. Im Nieders
fächfifchen heißt tornen noch: aufhalten, sich tornen,
fich faſſen, ſich begreifen. Naͤher tritt aber der Bedeutung
ber Turniere das isländifche turna und das ſchwediſche
torna, fechten, ſtreiten, und man ſieht deutlich, daß alle
dieſe Bedeutungen aus Einer Quelle kommen.
Bei einer ſo feſt geordneten und durch Geſetze be⸗
ſtimmten Einrichtung war es unumgaͤnglich, daß manches
zur Sprache kam, was fruͤher uͤbergangen oder weniger
beachtet ward, und dahin gehoͤrte beſonders die Faͤhigkeit,
in einem Turniere erſcheinen zu dürfen. Es kommen
dabei Adel, Zurnierfähigkeit, Wappenfchau als nothwens
dig / vor, und wir müflen deswegen bier, einiges noch vors
⸗
\
\
4. Abtheil. Zurnlere und Lanzenrennen. 293
Häufig betrachten, wenn wir im Stande feyn follen, alles,
was fpäterhin erwähnt werden muß, zu verfiehen.
Urfprünglich hatten alle waffenfähige Freigeborne, die
zum Kriegesdienſt verpflichtet waren, Antbeil an ben alten _
Kriegesubungen und Kriegeöfpielen gehabt. Nachdem aber
im 11. und 12. Jahrh. ſich der —— Adel durch
Erblichmachung des Reiterdienſtes von Yen übrigen Freien
abgefondert hatte und einen eigenen Stand bildete ; nach⸗
dem ſich der Adel durch Erblichwerdung der Reichsaͤmter
in einen hohen und niedern theilte; nachdem ſpaͤter die
Ritterwuͤrde zum hoͤchſten Rang bes Adels erhoben wor⸗
den war, gelang es dieſem, daß die Turniergeſetze nur
adelichen und ritterbuͤrtigen Perſonen den Zutritt bei den
Turnieren erlaubten. Vor Eroͤffnung eines jeden Turniers
wurden Unterſuchungen angeſtellt, ob die, welche ſich ein⸗
gefunden hatten, durch ihren Stand und ihre Geburt fich,
zur Theilnahme daran eigneten. In Deutfchland wurben
die meiften Schwierigkeiten bei diefer Adelöprobe gemacht.
Nach den deutfchen Zurniergefeßen war e8 nur dem urs
ſpruͤnglich freien Deutfchen, dem Adel, erlaubt, bei den
Turnieren als Theilnehmer zu erfcheinen. Daher bie
Ähnenprobe, durch welche der, welcher an einem Zurs
nier Theil nehmen wollte, beweifen mußte, baß er aus
einem alten. adelichen und .alfo turnierfähigen Gefchlechte
entfprungen fey. Urfprünglid war biefe Ahnenprobe
nichts, als eine Ausbehnung des nach altveutfchen Rechten
hergebrachten Beweifes der Freigeborenheit, durch
welchen ein Breigeborner darthun mußte, daß er aus einer
vechtmäßigen Ehe von Aeltern und Großältern abflamme,
294 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
die in keiner Leibeigenſchaft geſtanden hatten. Daher
wurde in den aͤlteſten Zeiten die Ahnenprobe nur bis auf
die Großaͤltern zuruͤck angeſtellt. Als aber zwiſchen der
Ahnenprobe und dem Beweiſe der Freigeborenheit ein Un⸗
terſchied eintrat, mußte bei der Ahnenprobe, außer dem
Stande der heeze ‚ aub die Ritterbuͤrtigkeit bes
wiefen werden. itterbürtig war: deilen Vorfahren
ben Kriegeshienft zur Vertheidigung bed Waterlandes zu
Pferde gethan hatten. Nur der, deffen Vorfahren Reis
-terdienfte gethban, war zu ben Vorzligen und Rechten der
Reiterzunft berechtigt und konnte die höchfte Würde in
derſelben, die Ritterwürbe, erlangen. So entftanden unter
ben Freigebornen zwei XAbtheilungen, die zu Roffe Dienen⸗
den, der ritterbürtige niebere Adel, und die zu Fuß Dies.
nenden, ber freie Bürgers und Bauernſtand. Nach und
nach zogen fich die Sränzlinien zwifchen beiden Abtheilunz
gen färfer, und unter Kaifer Friedrich, IL wurbe ber
zweiten Abtheilung die Möglichkeit, fich durch Verdienſte in
bie Reiterzunft zu bringen, und burch biefe Zünftigkeit zur.
. Ritterwürbe ſelbſt zu gelangen, durch ausdruͤckliche Geſetze
abgefchnitten. Damals hatte ſich auch ſchon ber Abel ben fonft
allen Freigebornen zulommenden Namen miles zugeeignet.
Später nannten fie fi, mit Nachahmung ber römifchen
Berfaffung: equites, So magßte ſich denn auch ber ‚Abel
befonderd die Turniere an, und man nahm hier befonders
die Nitterbürtigkeit- in Anfpruch, vorzüglich feitbem ber
Briefadel gewöhnlich geworden wars; und der alte Erbabel
verſtattete denen vom Briefadel keinen Antheil an biefer
Schule der Tapferkeit und Zierlichleit, fondern nur bem,
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 295
ver aus einem alten ritterbürtigen Geſchlecht entfproffen
wear und 4 ebenbürtige Ahnen beweifen konnte. Deshalb
heißt das 12te Zurniergefeg:
„Welcher vom Adel wollt’ einreiten und turniren,
ber nicht von feinen Eltern Edelgeboren vnd ‚Her:
kommen war, vnd dad mit feinen vier Anichen
nicht beweifen kuͤndt, der mag mit Recht diefer
Thurnier Feinen beſuchen.“
Der Briefadel, durch welchen die deutſchen Koͤnige
aus hoͤchſter Machtvollkommenheit den Stand und die
Rechte des Adels durch einen Gnadenbrief erblich ertheil⸗
ten, gab alſo noch keine Turnierfaͤhigkeit, und ſo wurden
noch im Jahre 1438, bei einem Turnier zu Nürnberg,
mehre Ritter, denen Kaiſer Siegmund bei ſeiner Kroͤnung
in Rom dieſe Wuͤrde ertheilt hatte, davon ausgeſchloſſen,
weil fie nicht ritterbürtig waren. In der Folge aber, da⸗
mit diefer neue Adel nicht zurüdflände, wurde ihnen in
den Adels⸗ und Gnadenbriefen auch die Ritterbürtigkeit
mit ertheilt; und wie dies ſchon in ben Verfall des Rit⸗
terwefens fiel, fo war es noch ein Grund mehr, bad Rits
tertfum immer weiter zu untergraben und zu flürzen.
Zwifchen dem freien Lands und Lehen⸗Adel, und dem Mis
nuiſterial⸗ oder Dienſt⸗Adel war fonft fein Unterſchied; diefer
war fo gut ritterbürtig und turnierfähig als jener.
Auch die alten Patrizier, ober, wie fie hießen, die Ge:
fhlechter in den Städten, wurben zu ben Xurnieren
gelaffen, doch nur unter gewiffen Einfchräntungen. Das
‚gegen lautete eine Verordnung rudfichtlich der Bürger:
„Welcher aus freiem Willen in einer Statt figel,
”
2%
Breiter Abſchnitt. Ritterleben.
Steuer und Wacht gibet, oder beampt, vnd das
zu thun verbunden iſt, ſo dann in gemein inge⸗
ſeſſene Buͤrger zu thun ſeynd, die ſollen zum Tur⸗
nier nicht. eingelaſſen werben. Fuͤget ſichs aber,
| baß ‚einer Schirm aus Nothdurft ˖ gefuchet hätte,
oder fuchen müßte, das foll er nicht entgelten.
Welcher auch vom Adel zu einer Statt beftellt ift,
vnd fich nicht weiters verpflicht oder handelt, dann
bem Abel zuflehet, der fol auch zum Zurnier nicht
abgeſtricket (davon nicht weggewiefen) werben.‘
Damit nun diefes Geſetz nicht den Patriziern zumiber
unb- hinderlich wäre, wurden in den Gnadenbriefen der Kais
fer eigene Klaufeln dagegen eingefeht, bie ed wieder aufs
hoben. Dagegen wurde der,
„voelher vom Adel geboren und Herkommen — mit
Kauffmannfhafft, Waͤchßlen, Fuͤrkauffen vnnd der⸗
gleichen Sachen, nehren oder ſein Eynkommen
nehmen wolt, dardurch ſein Adel geſchmehet vnnd
beracht wuͤrde, wo er auch feinen Hinderſaßen vnnd
Anftöffern jr Brod vor dem Mund abfchneiden wolt,
demſelb fo der ſtuͤck eins oder mehr vberfahren vnnd
darwider thun würde, fol in Zurnier nicht
zugelaffen werden."
Dagegen war ber Landbau einem Ritter keinesweges
unanftänbig, und man hatte dad Spruͤchwort: „Ein Edel⸗
mann mag vor Mittag zu Ader geben, und nad Mittag
im Turnier reiten;“ nur ftäbtifcher Handel und Wandel,
‚ Ras Ziehen in die Städte und überhaupt das Verlaſſen
der alten väterlichen Landfige, um in ben Stäbten beffer
4. Abtheil. Turniere und Sanzentennen. 297
verpraffend zu leben ober im Gegentheil mehr Gluͤcksguͤter
zu erwerben, warb ald Ehre verlegend, angefehen.
Außerdem vernichteten Mißheirathen die Turnierfähigs
keit; denn es heißt:
„Ob ein Zurnierögenoß eined Burgers Tochter, ober
eine Bauerin zu einem ehelichen Bettgenofjen neh⸗
me, der mag mit Recht, dieweil er lebt, ungeſchla⸗
gen und ungeflraft den Zurnier nit ges
brauchen, auch berofelben Kinder von ber Weiber
einem gebohren, und ihre Kindskinder, bis in das
dritte Glied."
Späterhin warb dies Geſetz beſchraͤnkt und dahin ges
ändert: daß nur ber nebfl feinen Kindern der
Zurnierfäbigkeit verluftig feyn follte, welder
bie Tochter eines Handwerkers, eines Schenk⸗
wirths oder eines Eigenen heirathete; dagegen
ſollte es dem nicht verargt werden, der eines ehrbaren
Buͤrgers Tochter, um ſeine Umſtaͤnde zu verbeſſern, gehei⸗
rathet haͤtte, und der daher von den Turnieren nicht aus
geſchloſſen ſeyn.
Nicht zugelaſſen wurden zu den Turnieren alle die⸗
jenigen, welche unehelich geboren; ja ſelbſt diejenigen durf⸗
ten nicht erſcheinen, welche durch nachherige Verheirathung
der Eltern und kaiſerliche Gnadenbriefe ehelich erklaͤrt
worden, und erſt bei der dritten oder vierten Nachkom⸗
. menfchaft warb es vergeſſen.
Bei allen diefen Bedingungen war ed nun nöthig,
baß mehre Beweismittel eintraten, durch welche das
Recht, an Turnieren Antheil zu nehmen, bewiefen ward.
298 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Dieſer Beweis mußte immer vor Eroͤffnung des Turnieres
geführt werben, und deshalb war man ſchon lange vorhe:,
ehe dad Zurnier eintrat, ſehr geſchaͤftig, um den Eintritt
zu ſichern. |
Vorzüglich Beweiſe waren bie Waffen: Schild, Helm
und Kleinod, Als bie gänzlihe Umhuͤllung mit Waffen,
vom Kopf bis zu Fuß, ed unmdglih machte, aus: der
Gleichheit aller, den Einzelnen zu erfennen, ſuchte man
ein dußeres unzweifelhaftes Kennzeihen. Man malte
baber beflimmte Zeichen oder Bierrathen auf die Schilde,
bie man fchon in frühfter Zeit Deutichlands, wie uns
Tacitus erzählt, mit Zarben beſtrich. Andere Geftalten
brachte man an einem XTheile der Waffenrüflung an, ges
wöhnlich an den Delmen und auch auf dem Waffenrocke.
Daraus entftanden die Wappenfchilde und die Helmzeichen
oder Kleinodien (altdeutfch meiſtentheils, mit Beibehaltung
des altfranz. Wortes: Zimiere). Anfangs mochten mehre
daſſelbe Zeichen erwaͤhlt haben; dadurch entſtand wieder
Verwechslung, und man ſuchte nun, unter oͤffentlicher
Beglaubigung, fich ein ſolches Zeichen zu ſichern. So
entflanden die entfchiebenen feften Waffenzeichen ober
Wappen, deren Urfprung man von ber Zeit der Kreuz:
züge annimmt, und bie von da an fich immer fefter und
ficherer ausbildeten. Da dad Wappen für einen jeden ein
ausfchließendes Unterfcheidungszeichen war, fo folgte dar⸗
aus die Forterbung des Schildzeichens und Helmkleinods
vom Vater auf den Sohn, und auf dieſe Art wurden die
Wappen erbliche, unter oͤffentlicher Beſtaͤtigung angenom⸗
mene Unterfcheidungszeichen der adelichen Geſchlechter. Die
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 299
Mappenzeichen des Schildes führte gewöhnlich eine ganze
Familie gemeinfhaftlih, durch bie Helmkleinobien aber,
welche auf den Helmen gewöhnlih in Geflalten von Mes
tall beftanden, wie wir fie ſchon oben haben Eennen lernen,
unterfchieden fich bie verfchiedenen Seitenlinien, und zwar
gleichfalls außfchliegend erblid. Doch erleidet diefe Bes
ſtimmung manche Abänderung, von welcher in der Waps
penkunde die Rede⸗ ſeyn muß,
Der Beweis, zu einem gewiſſen Wappenſchilde und
Helmzeichen geboren zu ſeyn, war daher auch ber beſte
Beweis der Ritterbüttigkeit. Daher trat vor ben Zurnies
ven die Wappenſchau ein, in wekher dazu beflimmte
Männer über die Aechtheit der Wappen derer, welche
turnieren wollten, urtheilen und unterfuchen mußten, ob
fie zur Bührung berfelben berechtigt wären. Jeder Ritter,
welcher im Zurnier einreiten, das beißt, ſich mit zu dem
Kämpfern ftellen wollte, mußte zum Beweiſe feiner Zurs
nierfähigkeit feinen Schild und Helm mit den Kleinobien,
weiche er von feinen Ahnen, die auch Zurniere befucht,
geerbt hatte, bei der Wappenfchau aufftelen. Hart war
dies Unadelichen verboten:
„Dazu ſoll kein vnadelich Mann — lautet das Geſet
— laſſen aufftragen, ſchauen oder ſich bereiten,
bei Poen zwantzig Mark Silbers, darzu ſoll ſein
Thurniergezeug den Ehrnholden, vnd ſein Turnier⸗
pferd den Knechten verfallen ſeyn.“
Nur die, welche ihre Wappen bei der Wappenſchau
“hatten aufſtellen, oder, wie es hieß, „aufftragen“ laſſen,
wurden von den Turniervoͤgten und Beamten getheilt,
⸗
300 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
d. h. zum Turnier für würdig und fähig erkannt, und in
die Schaaren, wie fie mit einander kaͤmpfen follten, abges
fondert und beſtimmt. Wenn fi einer nicht gemeldet
hatte, fo flanden ſtarke Strafen feft, wenn er doch zum
Turnier einritt:
„Welcher darauf nicht getheilt und daruͤber (db. h. über
die Schranfen) reiten wird, berfelbige fol fein Roß
vnd Zurnierzeug verloren haben, vnd ein Xheil
verfallen, auch hinfuͤr des Zurnierd zu ewigen Ta⸗
gen beraubt fein, vnd nicht zugelaßen werben.’
Einen andern Beweis für die Zurnierfähigfeit gaben
die Zurnierbücer und Zurnierliften. Zur Eintraa
gung in diefelben war ein jeder verpflichtet:
„Vnd fo der beflimmte Tag, daß man turnieren foll,
-tommt, ift ein jeder Zurnierer fchulbig, zu feinem
Zurniervogt zu geben, unter: den er dann gehört (die
beutfchen Ritter waren in verfchiebene Zurnierlande
oder Kreife getheilt, wie fpdter bemerkt werden
wird), ond fih lagen einfchreiben, dabei follen
die Ehrnholden (Herolde) fein.”
Auf dieſe Zurnierbücher konnte man fi wegen feiner
Vorfahren berufen, und fie gaben einen unumflößlichen
Beweis, u
Nach geendigtem Turnier mußte ein jeder zu feinem
Landeöturniervogt, der ihn eingefchrieben hatte, gehen
und von ihm einen Turnierbrief annehmen, worin bes
fcheinigt ward: er fey.bei dem Turnier gewefen. Darüber
lautet das Geſetz?
„Nah dem fol ſich ein jeber, ber geturniert hat, zu
4. Abtheil. Turnlexe und Ranzenrennen. 301 |
feinem Qurniervoigt, vnter den er georbnet ifl,
firgen, von dem fol er feinen Zurnierbrief empfa=
ben, das fol geſchehn in Beifein zweier Turnier⸗
vögte, und zweier Ehrnholden, von denen folen bie
Briefe ausgegeben werben: Sie follen auch bei
ihren Eiden feinem einen Zurnierbrief geben, er
fei dann im Zurnier 'gewefen, und hab das mahl
ſelbſt geturniert, des follen ſich die Zurniervögte
unterfchreiben, ein jeder feines Viertheils.“
Solcher Zurnierbrief galt in der Folge auch! beweiſend für
die Zurnierfähigkeit. — Mangelten nun alle dieſe Nittel
einem Ritter, fo durfte er zulegt noch feine Zurnierfähigs
keit durch Zeugen erhärten, und bied mußten immer
zwei rittermäßige Ele ſeyn.
| Außer diefen allgemeinen Geſetzen kamen aber auch
noch des Ritters eigene Eigenfchaften ded Lebens und
Wandels in Beruͤckũchtigung, und nur der, welcher
uͤberall und zu jeder Zeit die Vorzuͤge und Tugenden eines
rechtſchaffenen Mannes gezeigt hatte, erhielt die Erlaub⸗
niß, Antheil an den Turnieren zu nehmen. Durch dieſe
Geſetze wurden die Turniere zur Seele des Ritterweſens
erhoben; ſie waren die kuͤnſtlichſte und fruchtbarſte Ein⸗
richtung des Ritterweſens; denn ſie griffen von allen
Seiten in das Leben, bildeten, belebten und belohnten
den Ritter. Es wurden deswegen durch dieſe Geſetze bie
Eigenfchaften eines volkommenen Mannes feftgefegt, und
fie beflanden : in der Achturlg gegen die Religion, in Zreue
gegen das Vaterland und den, in befien Dienft man war,
in Zapferkeit und Muth, in Wahrhaftigkeit gegen feine
.
802 Bweiter Abſchnitt.“ Ritterleben.
Mitbürger, in hülfreihem Beiftand für Unterbrädte, in
einem artigen Betragen gegen die Frauen, und 'in einer
unwandelbaren Ergebenbeit, Anhänglichkeit und Liebe zu
der Auserwählten. — So durften nun in den Turnieren
nicht erfcheinen Ketzer und Gotteslaͤſterer:
„Alle die, fo rittermäßig von Abel geboren vnd Her:
kommen find, die wifjentlich handeln und frevents
lich thäten wider den hoͤchſten Schatz ber heiligen
“Dreifaltigkeit, vnd die chrifliche Kicch, mit Anruͤh⸗
sung des chriſtlichen Glaubens, es were mit freves
len Worten oder Werken, einigen Gethaten, wie
dad gehandelt würde, daß der mit Recht nicht in
den Turnier reiten ſoll.“
Ferner Kirchenraͤuber und alle die, welche gegen Kirchen
und die Prieſter uͤbel gehandelt:
„Alle die freventliche Kirchenbrecher vnd Zerſtoͤrer ber
Gotteshaͤuſer vnd der Kirchen ſein. — Alle die, ſo
ben Kirchen das ihre vnbillichen vorbehalten, vnd
bie: Priefterfchaft fchmähen, ober vnwuͤrdiglich hal⸗
ten ohne Vrſach.“
Berner, wer fih gegen Kaifer und Reich heimlich ober
Öffentlich vergangen: |
„Welcher vom Abel geboren ift, der wider Kaiferlicher
Majeftät Gebott vnd Verbott, aus das heilige roͤmi⸗
fche Reich freventlich thäte, vnd vernichtig darwider
handelt, mit Rorten, Werfen, heimlich oder Öffentlich,
ber fol im offenen Turnier vor allermänniglich ges
fitaft, und mit ihm vmb das Pferd geturniert, er
auch ſelbſt auf die Schranken gefegt werben.‘
4. Abtheil. Zurniere und Fanzenzennen. 303
Weiter, wer fi gegen feinen Lehnherrn vergangen und
in ber Schlacht felpflüchtig geworben:
‚er vom Adel — Recht und That dazu gebe, daß
fein eigener ‚Herr ermordet oder tobt geſchlagen
wuͤrde.“ Und
„Welcher eine Feldflucht gethan hat, unter ſeines
Herrn oder Freund Hauffen, die im Beth geordnet
fein.“
Dieſe Geſetze haben ſchon in frühfter germanifcher
. Gitte ihren Urfprung. Wer, nad) Zacitus, feinen Schild
verlor, war ehrlos und. warb von ber Gemeindeverfamm:
ung auödgefchloffen. Verraͤther und Ueberläufer wurden
dem Henker zum Strick übergeben, Feige in Moräfte vers
fentt, und diejenigen, welde ihren Anführer im Treffen
verließen und überlebten, traf eine lebenslängliche Ehrlo⸗
figkeit und Anrührigkeit. Auch Karl der. Große ſetzte noch
die Todesſtrafe auf dad Verbrechen der Berlafiung bes
Heeres, welches gegen den Zeind fland, wofür dad alte
Wort ift: Herisliz.
Ferner: ein Untreuer, Wortbrächiger und
Meineidiger durfte nicht zum Turnier einreiten.
„Welcher vom Adel geboren, der figelbrüdig, meins
eidig, ehrlos erkannt, gefcholten und bafür gehals
ten wird, baß berfelb in feinen Zurnier zugelafjen
werden fol.‘
Ausgefchloffen blieben dann noch: Mörder, Stra
Benräuber und Störer der öffentlihen Ruhe.
„Ale die fich in Ihrem Stande des Adels mit Stras
ßenrauben, Mörberei und Berrätherei, auch andern
308
Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Bodheit verhandeit haben, alſo daß die ſolches mit
Ehren nicht verantworten koͤnnen, oder darumb
fuͤrkommen doͤrfen, aus was Stuͤcken das ein jeg⸗
licher verſchuldt hat.“
Ferner: bie, welche einen geſetzwidrigen Gebrauch
von dem Fauſtrecht gemacht und den Landfrieden brachen.
„Alle die, ſo jemand das ſeine nemen, oder Beſchaͤ⸗
digung zuſchieben, vnbillich, oder ohn Behde nie:
dergeworfen oder angefangen haͤtten.“
Damit aber Fehden nicht abhielten, zu den Turnieren
zu kommen, ſo war verordnet, daß die Fehde ruhte, ſo⸗
bald ein Turnier ausgeſchrieben war, und ſo lange es
dauerte.
Ferner durften im Turnier nicht erſcheinen: die Ur:
beber neuer Bölle.und Abgaben.
„Welcher vom Abel geboren ober Herkommen ift, ber
im Reich Neuerung vnd Beſchwehrung machen
wollte, mit weiterer Auffegung, bann vor ber ges
meine Landsgebrauch, Vbung und als Herkommen
were, es ſey im Fürftenthundben, Herrſchaften,
Staͤtten oder andern Gebieten, zu Waſſer oder
Land, ohne der Obrigkeit, als eines Roͤmiſchen
Kaiſers, Vergunſt vnd Wiſſen, in welcher Weiſe
das were, dadurch der Kaufmann die Straſſen
nicht brauchen moͤchte.“
Wer Witwen oder Waiſen beraubt, be
ſchwert, oder ihnen Schutz verweigert.
„Welcher — Wittiben oder Waiſen beraubte, auch
ihnen ba8 ihre gewaltiglih vorhielt, fo doch ein
4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 305
jeglich rittermäßiger Mann ond die vom Adel, dies
felben allezeit vor Gewalt vnd Vnrecht folten ſchuͤ—
ben vnd beſchirmen.“
Zerner die, welche Tugend, Ehre und gute
Namen der Frauen mit Worten oder Werten bes
leidigt hatten, aud die Entführer.
„Welcher Zrauen oder Iungfrauen ihre Ehr mit
Worten oder Werken hat benemen wollen, und fich
ihe berühmt, ober folched mit Gewalt thut.“
“ Und:
„Welcher einem fein Eheweib, Tochter, Schwefter
ober Freundin, vnehelich entführte oder hielte, wider’
fein Wiffen oder Willen. Item, welcher eine Clo⸗
flerfrau hinweg führet, vnd mit der zuhielte.“
Zulegt nun noch die, welche offenbare Hurerei
trieben und Ehebrecher waren.
„Welcher vom Adel geboren und Herkommen ift, ber
für einen Chebrecher ungezweifelt und öffentlich er:
fannt würde, ber in eigenem ehelichen Stande,
oder außerhalb beffelbigen, mit andern Eheweibern, +
ober geiftlihen Perfonen, in folcher Geflalt zu
Schaffen hätte, auch rauen ober Jungfrauen
ſchwaͤchte oder Öffentlich ſchaͤndete.“
Und:
„Alle berühmte vnd offenbare Ehebrecher, und bie
alfo in der Vnehe fitzen.“
Dieſe Geſetze beweifen, wie fehr man bemüht war,
bie Zurniere zu einer Schule der Sitten zu machen, nicht:
bloß bie Zapferkeit zu üben, und es geht ‚auch. baraus
20
306 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
hervor, daß, als das Ritterthum in ſeinem erſten Glanze
ſtand, als alle dieſe Geſetze noch treue und redliche Beob⸗
achter fanden, die Ritter und Edlen ein ſo freundliches
Band umfing, als man nur wuͤnſchen konnte, und daß
alles dasjenige, was und die Ritterblicher von bem zarten
und finnigen Leben jener Zage erzählen, wohl wahr und
gegründet fepn mag, wenn audy, wie immer, in alle
fih menſchliche Schwaͤche miſchte.
Um nun über dasjenige, was wir fo eben als geſetz⸗
lich kennen gelernt, zu wachen, warb ein Zurnierge:
richt niebergefegt, beflehend aus den Turniervoͤgten ober
Zurnierfönigen, den ihnen beigeorbneten Herolden und
einigen Frauen. Von biefen Perfonen werbe ich fogleich
ausführlicher fprechen. Alle Klagen gegen die Turnieren⸗
ben mußten bei diefem Zurniergerichte angebracht: werben,
fo ‚wie diefelben in allen Streitigkeiten und Vergehungen
während der Zurniere entfchieben. Bei ber Wappenſchau
mußte die Klage gegen einen Zurnierenden erhoben werben.
Erbot fi) der Beklagte zu Ehre und Recht, fo mußte
es der Kläger annehmen, body Fonnte er verlangen, baß
der Beklagte feine Freunde für ſich verbürgen laffe, dahin:
daß er fi) vor dem ordentlichen Richter zur Berantwor:
tung fele, und zwar fo, daß die Sache binnen Sahress
frift beendigt werde. Verſtand ſich der Beklagte nicht
dazu, fo blieb er fo lange vom Zurnier audgefchloffen,
bis er fich durch hinlänglichen Beweis von ber Befchuldi:
gung gereinigt. Ritt er doch ins Turnier ein, fo follte
er gefchlagen werden, und niemand follte ihn, bei Verluſt
ber Zurniesfreiheit, fügen. Hatte er ſich zus, Berant:
4. Abthell. Turniere und Lauzenrennen. 307
wortung anheifchig gemacht, fo follte ihn Niemand ſchla⸗
gen *). Die alten Zurniergefege befagen bies fo in ihrer
breiten und oft verwarrenen Sprache: \
„So einer einen fehlagen will vmb Stud oder Sachen,
bie auf die Schranken gehören, vnd ihn darumb zu
rechtfertigen bat, der foll ihn auf bem Zurnier, fo
man aufträgt, oder vor Auftragen der Helm,
wann er will, zu Rebe fegen: beutet er ibm Chr
und Recht, das foll er von ihm aufnemen, ins
maffen, wie hernach flebet, alfo, baß er ihm fo
bald, durch feine Sreundfchaft ungefährlich gnugfame
Buͤrgſchaft thue, daß er ihm vor feinem näheren
ordentlichen Richter woll Rechtend fein, vngewei⸗
gert, ohne weiter appelliren ond Audzug, ‚und daß
ſolchs in IJahröfrift zu Ende komme, und die Sad
von Feiner Gefährligkeit nicht verzogen werde: wo
er das nicht anneme. noch thun wollt, fo fol er
bed Turniers ſtill fliehen, bis daß er ſich ber aufs
gelegten Sachen vnd Beſchuldigung durch Recht
entlebiget, daß er nicht *onehrlich "gehandelt habe.
Thaͤt er das nicht, und vitte daruͤber, den foll nie:
mand befchligen noch befrieben, bei Vermeidung
“des Turniers, vnd dem ober denjenigen, fo ihn
fblagen wollen, mit ihm zu turnieren vorbehalten
fein, vnd ihn fonft (wo er folches aufnemen würbe)
ber Sach halber nicht ſchlagen.“
— —
”) Bas das Schlagen fm Turnier —* davon ont
. ausführlicher. , y
n 90*
308 ° Bwelter Abſchnitt. Mitterieben. -
Wenn nun einer ben andern, ohne ihn vorher zur
Rede geftelit zu haben, im Turnier ſchlug (wir werben
von diefem Schlagen fogleih näher hören), fo fol ber
fein Roß und Turnierzeug verlieren und für fein ganz
zes Leben von ben Zurnieren ausgefchloffen
werben. Jedoch blieb ihm Rechtfertigung und: Belan⸗
gung des andern wegen ber Urſach ſeines Mißvergnuͤgens
vorbehalten.
„Welcher vber dieſe Ordnung einen ohn' Urfach zu
Rede geſetzt, oder Anruffung des Rechten, ſchlaͤgt,
vnd auf die Schranken ſetzet, deſſen Ros und Zur:
nierzeug ſoll dem Ehrnholden vnd Geſellſchaft⸗
knechten verfallen, vnd darzu fein Lebenlang des
Turniers beraubt, vnd ber geſchlagen ihm feine
Korberung, die gethane Schmach zu rechtfertigen,
vorbehalten ſein.“
Hatte einer den andern mit Unrecht belangt, und
ward dies in der Folge klar, ſo war ein jeder Genoſſe des
Turniers berechtigt, dies anzuzeigen und als Klaͤger auf⸗
zutreten.
Mas nun die Turnierſtrafen betrifft, fo waren.
fie von ven gewöhnlichen bürgerlichen Strafen ganz uns
abhängig und verfihieben. Hatte einer daher auch ſchon
eine bürgerliche Strafe fin fein Vergehn erlitten, fo ents
ging er boch der Zurnierflrafe dadurch nicht, und umges
kehrt. Ein breifacher Unterfchied: ſcheint vornehmlich bei
ben Turnierftrafen Statt gefunden zu haben. 4) Wenn
einer um Boshejt, d. h. um eines großen Vergehens
oder Hauptverbrechens willen, geflraft ward. 2) Wenn
—
3. Abtheil. Zurniere und Banzenrennen. 309
es.um Ehre gefhah, went er gegeri die Ehre feines
Standes etwas gethan hatte. In diefen beiden Fällen
waren die Schuldigen durchaus und für ihre Perfon auf
immer von ben Zurnieren ausgefchloffen, wie biefes ber
Schluß eines jeden der 12 Turnierartikel beweift, wo es
gewöhnlich heißt:
„Welcher — — (nun die und dies gethan hat) daß
berfelb in keinem Zurnier zugelaßen werben fol.’
Meldete fich ein ſolcher ſchamloſer Weiſe dennoch,
oder ritt gar ungetheilt ein, dann ward er ber oͤffentli⸗
hen Schande und Befhimpfung ausgeſetzt.
Er wurde von den andern geſchmaͤht und gefchlagen und -
mit dem Sattel auf die Turnierſchranken geſetzt, auch
noch außerdem wegen ſeiner Frechheit mit Verluſt ſeines
adelichen Namens, Schildes und Helmes beſtraft. Dafür
warnten nun auch bie Turniergeſetze:
„Es ſoll auch keiner ſeinen Helm in den Theil tra⸗
gen, der nach Inhalt der Articul abgeſtellt iſt, auf
daß er ſich ſelbſt nicht ſchmaͤhe. “
3) Waren bie Strafen für diejenigen, die, wie ed
beißt: im Zurnier empfangen wurden. Diefe
waren nun ganz von ben beiden erſteren verfchieben, fie,
waren bie unmittelbare gefegliche Folge gewiſſer weniger
großer Vergehen; wer ſie uͤberſtanden, war wieder zur
Theilnahme an den Turnieren faͤhig, dagegen die andern
Verbrechen auf Lebenszeit davon ausſchloſſen. Es waren
ſoichem ſchimpflichen Empfange in den Turnieren folgende
ausgeſetzt: diejenigen, welche nach“ einem ‚langen Außen:
bleiben und Nichtgebrauch derſelben wieder babei erſchienen;
310 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
die, welche wieder zuerſt faͤhige Mitglieder nach einer Miß⸗
heirath waren, um einem Turnier beizuwohnen, und ſo
auch die Bruͤder und Verwandten eines ſolchen, der außer
feinen Stand geheirathet hatte. Die Strafe beftand darin,
daß der vor den Turnierfchranten Erfcheinende mit Kols
benſchlaͤgen von ben gegenwärtigen Zutnierrittern empfans
gen ward. So heißt das ausführliche Gefeg darüber:
„Nach dem und al obgemelbt ,‚ warıımb man einen
jeglichen, der zum Turnier reiten will, vnd ſtraf⸗
bar ift, ſtrafen foll, das fol man alfo thun: dies
ſelben mit den Kolben und keinen andern Waffen
ſuchen, doch unterhalb des Satteld, als dad Ges
ſaͤß windet, da er blos und nicht mit der Blatten
(mit bem Harniſch) gebedt ift, fol man ihm kei⸗
nen Schlag zufügen oder thun, vnd ob einem, ben
zu flrafen fürgenommen, fein Harnifch, damit er
gewapnet war, vom Leib gefchlagen würde, fo foll
man denſelben, wo man ihn in allem fchimpflich em:
pfahen, und nicht vmb Bosheit flrafen will, an
bloffen Enden nicht weiter fuchen. "Welcher wider
Ehre gethan hätte, darumb er zu ſtrafen fürgenoms
men würde, dem mag man fein Rod abgewinnen,
derfelbe fol auch mit dem Sattel auf die Schranz
Ten gefegt werben, vnd darauf bleiben figen bis zu
Ende des Turniers, .
War nun einer gefchlagen worden und glaubte, mit
Unrecht, ‚fo durfte er die, welche ihn gefchlagen, bei ihrem
Eandeöturniervogt Belangen, der dann verpflichtet wat,
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 311
nebſt zwei oder vier andern, die Sache zu unterfuchen und
Darüber zu entfcheiben,
Wir faben, daß alle biefe Einrichtumgen ſich auf
Zurniergerichte bezogen, und ich bemerkte fchon oben,
daß es aus männlichen und weiblichen Zheilnehmern zu:
fammengefegt war. Die männlichen waren nun:
Zurniernögte,
Herolde,
Grießwaͤrtel, und
Turnierknechte. |
Wir wollen ihre Obliegenheiten und ihre Rechte ein:
zeln. betrachten.
Die Turniervoͤgte ober Turnierkoͤnige hießen
aud Richter der Turniere. . Des gefammten Deutfchlanbs
turnierfaͤhige Freie (bie Sachſen ausgenommen) waren in
vier große Geſellſchaften, Behufs der Turniere, eingetheilt :
naͤmlich in bie Gefellfchaften vom Rheinftrom, von
Baiern, von Schwaben und von Franken. Zus
ſammen hießen fie die Ritterfchaft ber vier Lande.
Bei den Zurnieren, welche dieſe Gefellfchaften wechfelss
weis anſtellten, wurbe von einer jeden ihr Turniervogt
um naͤchſten Turnier gewählt. Bei außerorbentlichen
Armieren wählte aber auch jede Geſellſchaft ihren - Zur:
niervogt, indem eine- jebe cine gewifie Anzahl ihrer Glieder
zur Helmſchau verorhnete, und aus dieſen wieber bie 4
Zurniervoͤgte wählte: Die Wahl, welche am Ende eines
"Etrtniers zum möchflen in Hiuficht der Turniervoͤgte ges
Halten warb, nannte man, zu Blaty tragen, eine
dunkele Benennung, . bie.-wahrfcheinlich daher ‚entfprang,
>
— — | — GE = VE
312 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben.
daß die Wahl und Ernennung in eine Urkunde (if ein
Blatt) gefchrieben warb, womit der Erwählte diefe Würde
beweifen konnte.
Außer ber Aufficht über die Ritter ihrer Gefelfchaft
hatten nun biefe Zurnierkönige folgende Rechte und Pflich⸗
ten: 4) Sie beflimmten Zeit und Drt bed neuen Turniers
und ließen dazu durch Herolde ober andere Abgefchidte
einladen. Diefe Einladung geſchah ſchriftlich, wohl meift
in einem offenen Briefe, dem die Vollmacht (das Blatt)
bes Zurnierfönigs, worin wohl.immer fein Wappen, beis
lag. 2) Den. Ort, wo bad Turnier gehalten werben
folte, mußten fie dazu gehörig vorbereiten laſſen. 3)
Mußten fie frei Geleit, Wohnung, Xebensmittel und
andere Bequemlichkeiten fuͤr die. beſorgen, welche zum Tur⸗
nier fommen wollten, und barlıber gehörige Verträge mit
ben Einwohnern des Ortes, wo das Turnier zu halten,
abſchließen. 4) Bei Anfang des Turniers mußten fie bie
Namen ber Theilnehmer annehmen und in die Turnier⸗
Rolle eintragen, oder eintragen laſſen. 5). Bei der. Wap⸗
penfchau, fo wie bei ber Helmtheilung, d. h. bei ter Thei⸗
lung ber Zurnicrenden in zwei Theile, waren fie zugegen
und hatten die Oberaufficht. 6) Ihnen gebührte der Vor⸗
fig im Zurniergericht, fie waren Richter, leiteten bie Uns
terfuchung und fprachen dad von ben Beifigern gefaͤllte
Urtheil aus. .7) Bei den Zurnieren bielten fie zwiſchen
ven Scilen (diefe Benennung wirb fi weiter unten er⸗
klaͤren) ud achteten genau auf Ordnung und Beobach⸗
kung. der Kanpfgefege- 8) Nach ben Turnieren mußten
fie denen, weit babei geweſen, auf ihr Verlangen ‚din
4. Abthei. Turniere und Lanzenrennen. 315
nix immer auf das einzelne Land, in welchem bie Herolde
lebten, gerithtet, aber darin war ihre Belanntfchaft auch
gruͤndlichſt und wohl meiſt unfehlbar. Die Wappen⸗
kunde (Heraldik) war die Wiſſenſchaft von den Wappen
aller wappenfaͤhigen Geſchlechter im Lande, ſo daß man
die Wappen verſtehen konnte und im Stande war, durch
bie Wappen beurtheilende Kunſt zu entſcheiden, ob ein
Wappen Acht und dem Gefege der Wappenkunde entfpres.
chend fey. Die Geſchlechtskunde (Genealogie) war
eine Kenntniß von der Herkunft und Berwandtfchaft aller
adelichen Geſchlechter. Die Erbbefchreibung begriff u
bie Kenntniß des ganzen Landes, infofern fie auf bie
Verhaͤltniſſe des Adels Bezug haben konnte, beſonders
alſo eine Kenntniß aller adelichen Beſitzungen und der
Thatſachen, warum fie diefer oder jener Familie zugehör:
ten; dann Auch, wie und auf welche Art fie zum Beſitz
derfelben gefommen. Dad Heroldsrecht endlich war
ein Inbegriff von rechtlichen Srundfägen, welche auf bie
. Kenntniß vom Adel Bezug haften, von feinem Urfprunge
und Fortgange, von feinem Verhältniß zur hoͤchſten Ge⸗
walt und den übrigen Staatsbürgern, vom allgemeinen
Rechte des Adels und einzelrier Gefchlechter, vom Recht
der Bappen, ber Zurniere u. f. w. Zur Erlernung bies
fer Kunft hielt man nur Adeliche gefhidt, und im Geiſte
jener Zeiten wurden auch dieſe Geſchaͤfte zunft⸗ und
handwerksmaͤßig verrichtet, indem man nur langſam vom
Lehrling zum Meiſter uͤberging. Die Reihenfolge der
Kenntniſſe und Aemter, welche dabei beobachtet wurde,
war folgende: An einem jeden Hofe waren mehre Herolde.
oe
316 . 3weiter Abſchnitt. Ritterleben.
Wer ein ‚Herold werben wollte, ber ging bei einem alten
Herold in bie Lehre und lernte bei ihm, wie, ein Hands
wertölehrling bei feinem. Meifter. Zuerſt erhielt ber Ler⸗
nende bie Stelle eined Lauferd ober Boten, der zu Fuß
oder zu Pferde die ihm aufgetragenen Botfcaften volls
bringen mußte. Er war unverleglih. Damit man fie
nun als ſolche erkennen konnte, trugen ſie, wenn ſie zu
Fuße waren, das Wappen ihres Herrn auf dem Sclofie
des Guͤrtels; waren fie zu Pferde, fo war das Wappen
auf der rechten Schulter angeheftet. Drei Jahre lang
mußten fie ald Boten dienen, baun wurden fie Persevan-
ten, Rat. Prosequentes , dem Geſellenſtande der Hand⸗
werker vergleichbar. Nunmehr trugen ſie das Wappen
auf der, linken Schulter, Die Erhebung bazu geihah un⸗
ter manchen Zeierlichkeiten, deren haupsfächlichfte eine Art
feierlicher Zaufe. war. Diefe geſchah immer am Sonntage
und beftand darin, Daß der König oder ber Fuͤrſt, au
deſſen Hofe der Meiſter des neuen Perſevanten angeſtellt
war, einen Becher Bein über feinen Kopf goß und ibm
einen eigenen Namen gab. Darauf mußte er eingn bes
fondern Eid ablegen und fi) zu den Verpflichtungen feines
Standes anheifhig machen. Nun hatte ex no fieben
Jahre zu dienen und zu lernen, woher es denn auch wohl
kam, daß foldhe Perfevanten, beſonders wenn ſie ef
bei vorgeruͤckten Jahren zu biefem Amte traten, bejahrt
wurden, wie denn 3. 8, Hans Sachs in feinem Lobfpruch
der Stadt Nürnberg erzäflt:
Im Augenbli@ warb. ich erwedet
Von einem elten Perfifant.
s
4. Abthell. Turniere mb Lanzenrennen. B17
Nach dem Berlauf von 7 Jahren Tonnten fie erft
Herolde, affo Meiſter werben. Dieſe hatten, zum Unter⸗
ſchiede der Uebrinen, das Wappen ihres Herrn auf der
Brufl. Ihr Anzug beſtand in einem Waffenrock; auf dem
Kopfe trugen fie einen Federhut, und in ber Hand führten
fie einen weißen Stab. Ihre Verrichtungen waren - fehr
mannichfaltig und verſchieden. In Friedenszeiten
wurden fie in Erbfolgefaͤllen, in Lehnsfachen und ih’ an⸗
dern Verhältnifien bes hoben und niebern Adels um ihr
Gutachten gefragt. Man gebrauchte fie als Gefanbte;
das ganze Wappenweſen fland unter ihnen, fie entſchieden
in Streitigkeiten über die Wappen. Ueber Ritterblirkigfeit
und Zurnierfähigkeit wurden ihre Entfcheidungen einges
holt, und fie hatten Macht und Recht, einen Abelichen
wegen fehlechter Aufführung öffentlich zur Rede zu flellen,
ihm fein Betragen zu verbieten, ihn zur Beſſerung zu
ermahnen. Im Kriege waren fie unverleglih. Sie
Pandigten ben Krieg an und gingen zwifchen ben feind⸗
lichen Heeren, wenn es nöthig, hin und her. Während
ber Schlachten beobachteten fie biefelben, traten gewähns
lich nach der Endigung berfelben zufammen und beraths
ſchlagten nach ihrem Gewiffen, wer die Schlacht eigentlich
gewonnen. Erſt nach gehöriger- Ueberlegung und Vereini⸗
gung gaben. fie dee Schlacht ihren Namen. “
Bei ven Turnieren hatten fie eine nicht unbebeus
tende Reihe von Gefchäften. 1) Die Turniervoͤgte ſende⸗
ten fie aus, um das bevorflehende Zurnier anzufündigen
und dazu einzuladen. Bei den Zurnieren ber Ritterfchaft
von den vier Landen wurden ihnen bie Zehrungstoften
318 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
aus der gemeinſchaftlichen Kaſſe vergutet. 2) Waren fie
bei der Wappenfchau und ber Delmtheilung zugegen, und
es kam befonderd bei ihnen barauf an, die aufgefragenen
Helme und Schilde zu beurtgeilen, ob. ber Befiger, feiner
Geburt und den VBerhältniffen feiner Vorfahren nah, im
Zurnier exfcheinen durfte Vielleicht erhielten fie dafuͤr
auch in Deutfchland von einem jeden Ritter eine Beloh⸗
"mung; in Frankreich war dies wenigfiend ber Sal, wo
ihnen von jebem Ritter 8 Sous gegeben wurden, wofür
fie vor dem Turnier feinen Helm unter dad Wappen bes
feſtigten. In Frankreich war es auch Sitte, daß bie
Helme derer, welche zum erſten Mal beim Turnier erfchie-
nen, bem Herolde verfallen waren, und bie Ritter mußten
fie um ein beſtimmtes Geld auslöfen, deſſen Betrag vers
fhieden war, je nachdem man einen Kampf mit bem
Schwerte ober der Lanze eingehen wollte. „Hatte man
aber den Helm für den höhern Kampf, den Lanzenlampf,
ausgelöft, fo brauchte man für ben Schwertkampf nichts
mehr zu geben, worüber dad Sprichwort galt: die Lanze
macht bad Schwert, nicht aber das Schwert. die Lanze frei.
3) Vor Anfang des Zurmierd mußten ſie die Geſetze,
welche befolgt werden ſollten, befonderd in Hinficht bes
Kampfes und feiner Art und Weife, öffentlich ausrufen.
4) Erfchien einer im Zurnier, in beflen Familie ein ſol⸗
ches Vergehn begangen, daß die Glieder derſelben dem
ausgeſetzt waren, daß fie geſchlagen werben könnten, wenn
fie einritten, fo machte der. Herold, damit ein folcher Uns
ſchuldiger nicht zu fehr gefchlagen wurde, feinen Namen
bekannt und zugleich den, für welchen er feine Strafe litt.
4. Abtheil. Turniere und Zanzenrennen. 319
5) Bor Eröffnung des Turniers unterſuchten fie die Waf⸗
fen und bad Zurnierzeug ber Kämpfer, ob es den Ges
feßen zufplge fo eingerichtet war, daß Niemandem baburch
ein Schaden zugefügt werben konnte. Beſonders mußten
die Schwerter gleich bei ber Helmſchau mit aufgetragen
werden, um gefehen und geprüpft zu werben. Jedes warb
barauf von ben Herolden gezeichnet, und eö war verboten,
ein anbered zu braurpen. So fagt Rürner bei dem Zurs
nier, welches 1481 zu GDeibelberg gehalten worden iſt,
Bl. 180:
„vnnd fol keyner keyn ander fehwerbt oder waffen in
dem Thurnir flren ober brauchen, dann im zum
Thurnir zugelaffen ift, von denjhenen darzu ges
ordnet, zu befehen, welche man zulaßen fol, vnnd
eyns jegklichen ſchwerdt, ſollen mit den Gleinotten
oder Theylhelmen vff das Haug zu dem Theyl
getragen werden, bie alsdann zu bejehen vnnd
zeychnen, vnnd welches nit gezeychnet if,
fol bei bed Thurnirs ſtraff nit zugela⸗
Ben werden.
6) Während des Kampfes mußten fie ihre ganze Aufmerk⸗
famleit auf vie Kämpfer richten, daß diefe den Gefegen
gemäß mit einander fritten, fie ermuntern oder loben, fie
an bie Gefege erinnern, wenn fie zu higig wWurben, ober
im Nothfall fie auseinander bringen; in zweifelhaften
Faͤllen entfchieden fie, wem ber Sieg zukam. Deshalb
mußten fie auch, wie die Turniervoͤgte, zwifchen den
Seilen halten, d. h. ben Kämpfern ganz nahe, um
gehörig. Achtung geben zu tun“ 2 In diefer Rüdficht
320 welter Abfchnitt. Ritterleben.
und bei diefem Gefchäfte hießen fie denn auch Luͤfner,
Lünfener oder Warner. Lüfener umd Lünfener hängt
unftreitig mit Laufen, Sehen und mit dem- befannten
Lugen zufammen, und Barmer wohl mit Wahren, wahr:
nehmen, wenigftens fcheinen dies die am naͤchſten liegen⸗
ben Erklärungen zu feyn, wogegen andere fehr eigene
Ableitungen haben, 3. B. Schubart in feinem Werte:
de ludis equestribus, bem beften älteren Buche über bie
Zurniere, welcher Lünfener ‚von Lanze ableitet. 7) Wenn
der Turnierkampf verlaufen war, und bie Schranken wieder
geöffnet wurden, dann riefen fie die Namen ber Sieger
öffentlich aus und ladeten fie ein, bie Belohnungen in
Einpfang zu nehmen. 8) Zuletzt waren fie gegenwärtig,
wenn nach geendetem Zurnier die Zurnierbriefe ausgeftellt
wurden; denn bies mußte nad) der Regel in Anwefenbeit
von zwei Herolden gefchehen.
Die Srieswärtel, Kreiswärtel oder Staͤb⸗
fer. Auch über die Ableitung dieſes Namens find die
Meinungen zweifelhaft. Einige leiten Grieswärtel von
Brit (Kampf, Streit) ber und Wartel, Beobachter. Ans
- dere, und dies befonderd Adelung, nehmen Kreiswärtel als
das eigentlihe Wort an, aus dem Griewärtel nur ent=
ftellt oder verftellt worden ift, indem Kreis, niederf. Kreit,
der Kampfplatz bebeutet, alfo Wärter bes Kampfplatzes.
Den Namen Stäbler erhielten fie von den langen Stä>
ben, Stangen, die fie führten, und welce fie unter die
Kämpfenden, wenn biefe zu higig wurden und dem Zuruf
nicht mehr gehorchten, fchleuderten. Sie mochten deu
Springftöden und Wurfftangen ber Häfcher auf einigen
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 34
Hochſchulen gleihen, und hießen Griesflangen. Auch
die Grieöwärtel waren Abdeliche, fie wurden von den vier
Zurnierndgten zu gleicher Anzahl. erwählt und beſtellt.
Rürner fagt davon bei dem Zurnier zu Darmfladt, 1403
gehalten, BI. 144. a.
„Da faßen die verorneten (Verordneten) auß den vier
landen. nider, vnnd erwölten- zmölff zu Grleßwer⸗
teln, auß jedem Land drei, vnnd' zwifchen die
Seyl erwölten fie auch noch. zwen, von jedem
Land, damit jr zwölf waren mit den Thurnir⸗
uögten, die zwifchen Seyln hielten.“
Ihre Verpflihtung geht Thon aus diefer Stelle zum heil
hervor. Sie mußten neben den Zurnieroögten innerhalb
der Turnierſchranken, zwifchen den Geilen, bieß es in ber
Zurnierfprache, halten, und, wenn fie bemerkten, daß die
Kämpfer die Zurniergefege übertraten und einander zu
ernſtlich angriffen, aus eigenem Antrieb oder auf Veran:
laffung der Zurniervögte fie trennen und bie, welche in
Gefahr gerietpen, ſchuͤtzen. Da trat denn aud oftmals
der Gebrauch der ſchon berührten Griesſtangen ein.
Zuletzt gehörten noch. zum Zurnier- die Turniers
Inechte, bie, weil fie mit Stöden und Prügeln verfehen
waren, auch Prügelinehte genannt wurden Sie
waren verpflichtet, den Kämpfern Waffen zu reichen, bie
verlorenen Waffen aufzuheben, ben in Noth Gerathenben
zu Hülfe zu kommen, das zufchauende Voll in Orbnung
zu erhalten und zur Ruhe zu bringen. Solche Prügels
knechte find auch wohl gemeint, wenn wir auf den Abbil:
dungen in Rürners Zurnierbuch auf einem Hofe Roffe
21
322 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
und Maͤnner verſammlet ſehen, zu denen oben aus dem
Senfter ein Mann mit einem Stabe in der Hand drohend
niebereuft: Stila bo! Im Notbfall brauchte man fie
auch gegen bie Kämpfer, wenn fie die Gefehe des Kam⸗
pfes, oder, wie man ed damals nannte, die Zurnierfteis
. heit vergaßen, um fie mit Gewalt auseinander zu bringen.
Eine ſolche Nothwendigkeit, daß die Zurnierfnechte zugrei=
fen mußten, erzählt Rürner vom Zurnier zu Darmflabt
4403. Bl. 144: „Daruff wurden die Seyl abgehawen
ond ging bee Thurnir an, fo bald der anfing,. wurden
ſich die Franken und die Heſſen rottieren und fi fo hart
‚ wider eynander zu der wehr fchiden, damit ſich aller Ades
lichen tugend vnd Adels freiheyt vergeflen ward, vud
warbt das ſchlahen fo flreng und hart, das weber Grieß⸗
wertel die zwifchen SeyIn ober Brügelfnecht mer fcheyben
Tunden, vnd wurden auß ben Schranden getrieben, bie
andbern Gürften, Grauen, Herren vnd die von Abel, fo die
fach nit anging, hielten vff den vier orten (Eden) und
lieſſen fie machen, biß fie der fach felb mid wurben, vnd
jr felb. eynen jamer machten, wie nachuolgt. Als nun
die Grießwertel fahen, das die fach nit mer zu flillen was,
Ulieſſen fie die Schranken ofigon, wer auß dem Thurnir
wol, der mocht herauß reiten, da mit er auch mit fchaben
neme, alfo warbt ber Thurnir mit groffem fchaden gebals
ten vnd vollendt. — Da wurden vff demfelben Thurnir⸗
plag fiebezehen Franken tobt gefchlagen vnd ertretten, und
neun Heßen.“
Bereits oben wurbe bemerkt, daß auch Frauen und
Jungfrauen zu den Zyrnieren gehörten und beſtimmte
4. Abtheil. Zurnlere-und Lanzenrennen. 323 .
Verrichtungen dabei hatten. Sie find daher auch zu ben
Zurnierbeamten zu zählen. Einige waren zur Wappens
ſchau und Helmtheilung beftimmt, und zwar, bei ben alls
gemeinen Turnieren, von jeber ber vier Gefellfchaften brei,
eine Frau, eine Wittwe und eine Jungfrau. Man nannte
fie: die zu ber Schau und Helmtheilung verorbs
neten Srauen und Jungfrauen. Sie mußten aus
alten ritterburtigen und turnierfähigen Zamilien feyn, und -
bei der Helmfchau lag ihnen befonders ob, bie Kechte und
Vortheile ihres Gefchlechtd zu bewahren, wenn irgend ein |
Frauenzimmer gegen den Befiger eines der aufgelragenen
Helme Klagen anzubringen hatte. Im biefen Faͤllen war
ihre Stimme entfcheidend. Andre Frauen waren beflimmt,
die Daͤnke ded Turniers, d. b. die Preife des Zurs
nierd, zu überreichen. Bei ben Eleineren Zurnieren
wurben gleich diejenigen Frauen, welche bie Daͤnke auss
theilen würden, vorher bekannt gemacht; bei den großen
Zurnieren aber wurden einige ber anmwefenden Frauen ge:
wählt, und zwar zu einem jcben einzelnen Dank eine bes
fondere Austheilerin. Diefe Daͤnke oder Preife waren
nämlich nach der verfchiedenen Urſache, um berentwillen
fie vertheilt wurden, unterſchieden, wie weiter unten näher '
entwidelt werben wird. .
Wie die Waffen, deren fich bie eitter bedienten, in
den Turnieren ſeyn mußten, iſt ſchon oben bei den Waffen
im Allgemeinen bemerkt worden. Hier nur noch ein paar
Worte von den Pferden, die dabei gebraucht wurden. Sie
hatten nicht die Eiſenruͤſtungen (wenigſtens in der Regel),
weiche fie in den Kämpfen auf Leben und Tod ber Ritter
21*
324 Breiter Abſchnitt. Ritterleben. —
trugen, da es verboten war, nach ben Pferden zu, ſchla⸗
gen und zu flechen, und es wurbe immer als ein großes
Verſehen angenommen, wenn ber Ritter feine Lanze fo
niedrig hielt, daß er etwa das Roß feined Gegners erſtach.
Dagegen mußten die Pferde, welde dazu gebraucht wurs
ben, flarf, dauerhaft muthid, unerfchroden, wohl zuge⸗
ritten und an den Kampf gewoͤhnt ſeyn. Andere, die hin⸗
ten ausſchlugen, die den Reiter abwarfen, dann auch
wilde, beißige Pferde, ſolche, die an andere anſprangen
und dadurch den Kampf ſtoͤrten, wurden zum Rennen
unbrauchbar gefunden. Daher heißt es in den Turnier⸗
geſetzen: |
„Er fol fi) auch bewahren, daß er Fein einfallend,
beißend oder fchlagend Pferd babe, darauf er tur=
nieren wol, ober er ſtehet in Straffe vnd fol
darumb gefchlagen werden.’
Zufolge dieſes Geſetzes mußten bei der Wappenfchau
auch die Pferde vorgeritten werben, um zu ſehen, ob fie
nicht einen der eben beruͤhrten Fehler hätten, welches aus
dem Rürner hervorgeht, der bei ber Beſchreibung bes
Zurnierd zu Konftanz,. 948 angeblich gehalten, bemerkt,
baß bei der Helmſchau: „warb ufgetragen, befchaut vnd
beritten.“ Auch wegen des Pferbezeuges war verords
net, daß es in allen Stüden fo gemacht feyn folle, daß
Niemand damit verlegt werben Tonne. So lautet bie
Zurnierordnung:
„Es fol auch Feiner keinen Zügel vber brei Finger
breit an Zaͤumen führen, ober flählen Stirn,
verbedt noch offenbar, darzu am Sattel, Streif⸗
Sn
By
4. Abtheil. Zurniere und Lanzentennen. 325
Ieder, auch an feinem Ros oder Leib Feinen Zeug
haben, ber ſchneid oder ſteche, das gefährlich zu -
brauchen, damit. jemands verlebt möcht werben.‘
J In Hinſicht des Sitzens auf den Pferden war befohs
len, baß bie Kämpfer Feine unerlaubten Mittel gebrauchen
ſollten, um feflzufigen:
„Sich fol auch niemand im Turnier mit keinem
Vmbſchweiff einfchlieffen ober befefligen laſſen, an:
ders dann im freien Sattel mit ſchlechten Steig:
ledern, ſich ber gebrauchen und alfo fitzen.“
Der Platz, auf welchem große Zurniere gehalten
wurden, mußte forgfältig zubereitet werden, gegläftet, ge⸗
‚ebnet, mit Schranken verfehen. Ein folher Plag wurde
meift in Deutſchland ein Zurnierhof genannt, fo wie
bie Beflimmung deſſelben ‚genannt warb das Turnier
legen. Es wurden oft freie Pläge in der Gegend, wo
ein Kloſter lag, gewählt, damit man in. den Kreuzgängen
einen bequemen Pla zur Aufflelung. ber Wappen, zur
Wappenſchau, hatte. Sonſt wurden. aber auch Plaͤtze in
ben Städten genommen, und big babei liegenden großen
Haͤuſer, Rathhänfer u. ſ. w. zur Wappenſchau beſtimmt.
Meiſt war nun ein Herold oder ein Perſevant zugegen,
pm den zwiſchen den Wappen umherwandelnden Frauen
und Rittern die etwa unbekannten zu erklaͤren, auch wohl,
um etwaige Klagen gleich anzunehmen und ſie vor die
Turnierrichter zu bringen...
Um bie Turnierſchranken befanden ſich ringsum, außen
wo die Wege zum Einreiten und Ausreiten der Ritter
gelaffen waren, erhöhte Sitze, höher und niebriger, nad
326 gZweltet Abſchniti. Ritterleben.
Stand und Wuͤrde der zuſchauenden Perſonen, nach ihrem
Verhaͤltniß zum Turnier ſelbſt, d. h., wie fie etwa auch
“darin mit einzugreifen hatten, wie fie etwa auch babet
beſchaͤftigt waren. Die rohen Holzgerhfte waren ſaͤmmtlich
Kit Tuch bekleidet und verhuͤllt, und beſonders wurben die
Emporen, auf welchen Kaifer, Könige, Zürften und hoher
Adel faßen, ſo wie vor allen die der zufchauenden Frauen,
mit den reichften Teppichen, mit geſtickten und geſchmuͤck⸗
ten Tuͤchern von Sammt und Seide geziert. Dieſe
Ehrenplaͤtze erhielten auch die Ritter, welche durch ihr
hohes Alter nicht mehr im Stande waren, an diefen Vers
gnuͤgungen ihrer Zugend Theil zu nehmen. Wie nun
ſchon diefe Teppiche und Tücher glänzend geſchmuͤckt waren,
fo wetteiferte mit ihnen und überftrahlte fie noch in den
Zurnieren der Glanz der Kleidungen, welche die Zufchauer
und befonderd die Frauen trugen, und was oben von
Schmuck und Bier der Waffen und Kleidungen gefägt
worden ift, daß fand bier feine reichfte Ausbreitung und
Darlegung. Dazwifchen ertönte nun der Schal der Ton⸗
werkzeuge, beſonders der Trompeten und Pauken, welche
die vornehmſten Zuſchauer bei ihrem Eintritt auf ihren
Plaͤtzen begruͤßten, die einreitenden Ritter bewillkommne⸗
ten, dann aber auch wieder beim Turnier ſelbſt das
| Beichen zum "Anlauf, die Beflimmung und Erhebung be
Sieges gaben. Dazmifchen ward gewiß Muſik gemacht,
aber fie war uͤberaus einfach, wie überhaupt in der da⸗
maligen Zeit (ich werde noch fpäter darauf kommen), und
befland meift nur in einem eintönigen Schlagen ber Trom⸗
“mel, begleitet von einer Queerpfeife, bie wir meift auf
A, Abtheil, Turniere und Lanzenrennen. 327 |
allen alten Bildern dargeſtellt finden. Doc wurde auch
eine zufammengefegtere Muſik gemacht, und ein gar maͤch⸗
tiges Setöfe mag oft geherrſcht Haben. So heißt es im
WM. v. 2. Zrauendienft (S. 243): „Da hörte man Speere
krachen und Schilde tönen, Floiten, Pauken, Pofaunen
und Scallmaien klangen laut, daß Niemand hören
mochte.“
An dem Tage vor dem eigentlichen Turniere, der,
nach der Bezeichnungsart, wie der Tag vor heil. Feſten,
Vorabend (Vigiliae) genannt ward: der Turnierabenb,
wurben Vorfpiele gehalten, und diefe gaben bie Knappen,
in Nachahmung ber größeren Turniere der Ritter, auch
um ihre fchon erlangte Sefchidlichfeit zu zeigen. Die '
Vorabende find, wie gefagt, noch jetzt bei den hohen Zeier:
tagen ber römifchen Kirche von Wichtigkeit, und im Mit:
telalter erflvedte man diefen heiligen Gebrauch auf jede
wichtige Handlung, in welche die Verehrung Gottes immer
mit eingewoben warb, ald das Höchite und Heiligfte, um
die Beier zu erheben. Bei gerichtlichen Zweikaͤmpfen, bei
Sottesurthein, bei Eid⸗Ablegung, bei Grtheilung der Rit⸗
terwuͤrde warb er immer feierlichft begangen ; man faftete
von dem Vorabend an und brachte Die Nacht in der Kirche
oder an. bem Grabe eined Heiligen zu. So wurde benn
auch der Vorabend ded Turniers mit Uebungen gefeiert,
die auf die Zefllichkeit des folgenden Tages Bezug hatten.
Diefe Vorubungen und Rennen wurden fhon den Tag
‚vorher durch Öffentlihen Ausruf von den Turniervoͤgten
angekündigt. Wenn die Ritter, welche kaͤmpfen follten,
gekommen waren, um ben Kampfplab zu befchauen, fo
N
328 Zweiter Abfchritt. Kitterieben.
erfchien in Frankreich ein Herold, welcher laut rief:
„meine Herrn Ritter, morgen werben fie den Turnier⸗
abend haben, wo man Zapferfeit mit Stahl und Eifen
Taufen und verkaufen wird." Diefe Uebungen arteten
fpäterhin aus und machten, daß die Kappen, ihren
Stand und ihre. Stellung vergeflend, fih unter die Ritter
mifchten. Was nun die Namen betrifft, welche den Kaͤm⸗
pfen an biefem Vorfeſte gegeben wurden, fo hießen fie:
Berfuche (franz. essais), Proben (eprouves); auch: bie
Turniervesper, und zuletzt das Geſtech (escremies). Die
Knappen bedienten ſich dabei ſolcher Waffen, die leichter
zu tragen und zu gebrauchen waren, als die der Ritter,
und ſolcher, die eher zerbrachen und weniger geſaͤhrlich fuͤr
die damit Verwundeten waren. Man gab zuweilen denjenigen
Knappen, die ſich in dieſem Vorturnier ausgezeichnet und den
Dank davongetragen hatten, die Erlaubniß, in dem großen
Turnier mit bei den Rittern zu ſeyn; und dieſe anfaͤnglich
belohnende Miſchung der Knappen und Ritter unter ein⸗
ander war ſpaͤterhin ein Grund mehr, der zum Verfall
der Ritterwuͤrde diente. Zurufe an die Kaͤmpfenden im
Turniere waren, wie wir ſehen werden, gewoͤhnlich, und
ſo auch bei dieſen Vorturnieren, bei welchen in Frankreich
gemeinhin gerufen ward: „Den Damen Liebe, den Pfer⸗
den Tod.“ Ein wunderlicher, ja ſelbſt widerfinniger und
unbegreiflicher Zuruf.
Am Tage des Turniers ſelbſt verkuͤndete der Schall
der Drommeten die Ankunft der Ritter, welche praͤchtig
bewaffnet, in. koſtbarem Anzuge, alle. zu Roß in bie
Schranken einzogen, jeder. mit feinen Farben, feinem
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 329
Bappen, feinem Helmſchmuck geziert, in ben glänzendflen
Baffen, die er zu erhalten vermochte. Geziert war er
dabei auch mit den Farben feiner Geliebten, -oft auch mit
einem andern Zeichen, wodurch fie ihn beglüdt, welches
gewöhnlih an dem audgezeichnetiten und fichtbarften Orte
“ feines Helmes, auf dem Helmfhmud, wie ſchon oben bes
merkt, befefligt war und beftand: in einem Gürtel, Schleier,
Knopf, Armband, Kopfpuß, einer Spange ober einem
andern Stud ihrer Kleibung, ihres Schmudes.
. Bie nun die eigentlichen Zurniere in ben verfchiebes
nen Zeiten gehalten worden find, wie diefe wechfelten, und
was eigentlich für befonbere Uebungen waren, daruͤber
herrſchen noch hin und wieder Dunkelheiten, die nur in
ber Folge durch fortgefeßtes aufmerkfames Lefen der alten
Dichtungen und -Audfonderung deffen darin, was auf Les
ben und Sitte Bezug hat, gemindert und gelöft werben
koͤmen. Das eigentliche Zurnier war .ein’ Gefecht
ganzer Haufen gegen eihander. In ben alten
Gedichten, befonders in den Nibelungen, beißt ein folcher
Kampf Buhurd, fo auch noch in den fpätern Gebichten
und beim Ulrich von Lichtenflein. in folder Buhurd
brauchte nicht in georbneten Schranken gehalten zu wers
ben, eine jede Wiefe, ein jeder freier, geebneter Pag ‚war
dazu hinlaͤnglich. Dabei ritten die Ritter im bunten Ge:
wimmel unter einander, indem fie bad Bilb einer Schlacht
lieferten ; fie kaͤmpften wechfelnd mit einander, wie ed Zeit
und Gelegenheit gab, daß fie auf einander trafen, und
machten fo viel Niebergeworfene ober Ergriffene zu Ge:
fangnen, als fie nar konnten. Ein Bilb von ber Menge
330 Bwelter Asfchnikt, Ritterleben.
der Ritter und ihrem wechſelnden Durcheinanderreiten, lie⸗
fert uns der Frauendienſt des Ulrichs v. Lichtenſtein S.
92: „Da erhub der Graf von Goͤrz einen Buhurt, er
ritt vor und Frauen mit Kunſt nach ritterlichen Sitten
daher, der Buhurt ging in Queere hiehin und dahin; 500
Ritter waren wohl auf den Buhurt gekommen, da hoͤrte
man das Stoßen von Schilden und das Krachen von
Svpeeren, bie Ritter waren unmuͤßig um bie reinen füßen
Weib.“ Das Wort Buhurd kommt urfprünglih von
Hurt, die Schaar, der Haufen, her, und beutet fo in feis
nem Namen ſchon die Menge an. Buhurbiren heißt einen
Buhurd halten. Die Benennungen in den übrigen
Sprachen zeigen, Daß alle dieſes Wort aus ber bentfchen
Sprache nahmen. Im Franzöfifchen heißt buhurdiren:
heurter, ital. urtare, engl. to hurt. Im mittlern Las
'tein heißt es: bordiare, burdare; und ber Buhurd: bo>
hordica, burdeicia, boffordo.. In ben andern Spra⸗
hen heißt ber Buhurd: Franz. behourd, ital, bagorda,
ſpan. bohordo.
Was nun das Gefecht in Haufen beim eigentlichen
Zurniere ‚betraf, fo zerfiel e8 in das VBorturnier und
Nachturnier. Im jenem warb mit ben. Zurnierkolben,
in biefem mit bem Schwerte gefochten. Wenn fich bie
"Kämpfer auf dem Zurnierplag verfanmlet hatten und ges
erbnet worben waren, ftellten fie ſich innerhalb der Schrans
fen in ben verfchiebenen Haufen auf, in welche man fie
getheilt hatte, einer dem andern in Schlachtorbnung ges
genüber. Darauf wurben bie Schranken gefchlofien, und
auf Befehl der Turniervoͤgte und Grießwärtel wurde von
ug
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 331
ben XZrompetern bad Zeichen zum Angriff gegeben, ober,
wie es in ber Zurnierfprache hieß: zum Turnier aufs
geblafen. Die Grieswärtel bieben die Seile ab, welche
zwifchen den verfchiebenen Haufen gezogen waren, und
nun drangen ‘die Kämpfer mit den Kolben auf einander '
ein, und indem’ fie gleichfam eine wirkliche Schlacht hiels
ten, und jede Abtheilung fich beftrebte, die andere zurüds
zutreiben, warb dad Zurnier geführt. Nach einiger Zeit,
oft erft nach dem Verlauf einiger Stunden, wurde wicber
aufgeblafen, bamit der Kampf geendigt werbe. Nun vers
taufchten fie die Kolben gegen bie Schwerter, um das
Nachturnier zu halten, Died beftand befonders darin, bag
die Ritter verfuchten, einander die Helmkleinode abzubauen.
Died befagen die Zurniergefege fo:
„Aber fo men zum Zurnier bereit ift, follen vier
dazu als Grieswäitel und vier zwifchen die Geile
geordnet werben, aus jebem Lande zween, bis
man’ getheilt, vnd fo man zum Zurnier aufbläft,
fo follen die zwifchen den Seilen die Seile abs
bauen und turnieren laßen, die au flraffen, fo
‚ Rraffbar feind. Alsbald das gefchehen ift, vnd daß
- bie Griedwärtel wieber laßen aufblafen, fo follen
fie ihre Kolben fallen laßen, vnd ein jeber zu
feinem Schwert greifen, vnd einander die Kleinod
abbauen. Wann das gefcheben ift, fo gehen die
Schranken auf, und wird bie Turniersfreiheit ge⸗
halten.“
Auch die Art, wie nad) den Kleinobien gehauen
werden mußte, war in bem Zurniergefege beftimmt, bamit
*
332 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben,
dabei ebenfalls Willlür und Unbill vermieden würben.
Es hieß baber: |
„Vnd fo man geturniert bat vnd aufbläft, fo mag
ein jeglicher fein Schwert ziehen, vnd gegen fei:
nen Zurnierögenoßen verfuchen, fein Kleinod ab:
zuhauen, mit dem er fih vermag, und daſſelbig
an niemands, da er blos iſt, mit ſtechen oder
hauen brechen, vnd nicht anders.“
Bei dieſen Turniergefechten durfte ein jeder Ritter,
wie es ſein Stand ihm erlaubte, einen oder mehre Knap⸗
pen ober Knechte bei fi haben. Die Anzahl derſelben
und ihr Antheil beim Gefechte waren beſtimmt. Nach den
Zurniergefeben, bie Spangenberg befannt gemacht, durfte
ein Fürft vier, ein Graf drei, ein Ritter zwei und- ein
- Edler einen Diener oder Kuappen in feiner Begleitung
haben. Die heidelberger Zurnierordnung erlaubt nur einem
Sürften drei, einem Grafen zwei und einem: Ritter oder
Edelmann einen. Die Pflicht diefer Diener war, während
bes Kampfes immer um ihre Herren zu bleiben, ihnen bie
Waffen zu reichen und Durch geſchickte Lenkungen ihrer
Pferde fie vor den Kolbenfiplägen ihrer Gegner zu fichern.
Sonſt durften fie ſich auf keine Weiſe in den Kampf mis
Then, noch in den Zaum bed Gegners ihres Herrn greis
fen, um fein Pferd wegzwführen, bamit feine, Streiche
nicht treffen möchten. Dies beflunmten vie Gefege alfo:
„Dieſelben Knechte ſollen bei ihren Herren oder Jun⸗
Fern nicht anders thun, dann welchen man ſchla⸗
gen will, den getzenlichen leiten mit feinem Jaum,
ond Feinen andern mit der Pehre von ihm bringen...
3. Abtheil. Turnlere und Langentennen. 333
Es foll auch derfelben Feiner einen andern, dann
feinen Herm oder Junkern zdumen (heißt. hier
fo viel, als am Zaume halten, lenken), ober in
feinen Zaum greifen ober fallen, noch. den bins
wegleiten oder führen.‘
Dagegen durften aber auch bie Kämpfer dieſe Knechte
nicht beleidigen, nach dieſer Beſtimmung der Geſetze:
„Dieſelben Knechte ſollen auch von allen Turnierern
gefreit ſein, die niemand mit den Kolben oder
Schwerten ſchlagen, verletzen, noch fie gefaͤhrlich
ernieder ſtoßen oder ſonſt tretten ſoll.“ |
Eine andere Zurnierkbung war: das Gefecht eins
zelner mit einander. Die Waffen, weldhe man babei
gebrauchte, waren Lanze, "Schild und Stechhelm. Dies
Zanzenrennen ward in ber altdeutfchen Sprache Zioft ges
nannt. Im mittlern Latein heißt ed: jüste, jösta, jostra;
im Franz. joute; und im Ital. heißt giostra. die Lanze,
— Wir finden diefe Kampfart fchon fehr früh in Deutfchland,
und es beburfte dazu Feiner Turnierſchranken, es konnte
im freien Felde und wo zwei Nitter einander begegneten,
gehalten werben, weshalb wir denn auch biefe Lanzenren=
nen ‘oftmals in Nittergebichten und Geſchichten erwähnt
finden. In den Zurnieren wurde aber auf verfchiedene
Art mit ber Lanze gekämpft, und wir finden bei den deut⸗
fhen Turnieren befondere Daͤnke für dreierlei Lanzenge⸗
fechte , naͤmliche für das Stechen über die Schrau⸗
‚ ten, das Stehen im hoben Zeug und das Gefels
lenftehen. Genau ift noch nicht ausgemittelt, wie diefe
Stechen ſich eigentlich gegen einander verhielten und von
334 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
einander abwichen. Nur das Stechen uͤber die Schranken
kennen wir beſtimmter; es beſtand darin, daß auf dem
Turnierplatz eine Wand von Latten aufgerichtet war, an
welcher die beiden Kaͤmpfer, der eine auf dieſer, der andere
auf jener Seite, mit den Lanzen im vollen Pferdelauf ge⸗
geneinander rannten. Die Lanze fuͤhrte man in der rech⸗
ten Hand, das Ende des Schafts wurde mit dem Arm
gegen die Seite gedruͤckt, und bie Spitze hielt man über
das linke Ohr des Pferdes hinaus, und verfuchte e3 nun,
ben Gegner lauf den Leib, oder, wenn er ein Schild
batte, auf bie Mitte des Schildes, zibifchen die vier Naͤ⸗
gel, hieß es in ber Kunflfprache, zu treffen, worauf dann
der recht im Mittelpunct des Schilde Getraffene gewöhns
U durch die Gewalt des Stoßes zu Boden ſtürzte. Wer
‚ von feinen: Gegner auf diefe Weife vom Pierde geritten,
oder aus dem Sattel gehoben warb, ber hatte einen les
bigen Hall genommen, wie es bie Kunflfprache im
Zurnier befagte. Sefchidte Kämpfer wußten fih durch
kuͤnſtliche Wendungen fo zu kehren, baß fie gar nicht ge⸗
troffen wurden. Man rechnete ed auch für einen Gall
vom Roſſe an, und ed war fo gut, als wenn man feinen.
Gegner aus dem Sattel gehoben hätte, wenn man ihn
fo traf, daß die Lanze’ zerfplitterte, er aber gar nicht ges
troffen hatte und feine Lanze ganz blieb; denn das 3er:
fplittern der Lanze war das fichere Zeichen eines regelrech⸗
ten Zreffens des Gegners, und ber Stoß, welchen baburch
der Zreffende erhielt, war nicht minder bebeutend, als
der, welchen der Angerannte erlitt. Auf welche Weife
das Lanzenrennen nach Acht ritterlicher Sitte angeftellt
e
4, Abthell. Turnkere und Lanzencennen. 335
werben mußte, beſagt ein altes Lehrgebicht des Mittels
alters, dee Winsbed; welcher feinen Sohn über fein
Leben und Thun belehrt:
: Cum , nim das gegen bie Tommenben war,
Und ſenke ſchone dinen haft,
Als ob er r gemalet dar (fenke deinen Speer fo gerader | als
ob er gemalt ſey),
Las an die ors mit meifterfchaft,
Ze bas und bad zuere im bie Kraft (treibe es zu dem Anlauf
Immer ſtaͤrker und ftärker an);
Se nagelen vieren uf dem fchilt da fol bin fpee gewinnen haft,
Oder da der Heln (Helm) geſtricket ift (ba, wo der Helm feflges
knuͤpft if);
Du zwei fint rechtu ritter mal, und uf bee Bruft der befte lift.
Lei dieſem Geſtech waren die Ritter nun meiſt immer
in voller Ruͤſtung mit ganzer Bepanzerung; doch finden
fi) auch: Beifpiele, daß fie die ganze Rüftung verſchmaͤh⸗
ten, entweder als Geluͤbde (bavon in einem fpdteren Ab:
fhnitt), oder auch aus Webermuth und im Bemwußtfeyn
ihrer Kraft. So heißt ed im Zrauendienft S. 94 von
Reinprecht von Murede: „Bon guter Seide führte er ein
Hemde, weiß wie der Schnee, er führte nicht anders
Harnifches, ald Schild, Helm und Speer. Sehr oft
geſchah es, daß beide Kämpfer, wenn fie gleich gut ge⸗
troffen hatten, zugleidh von den Pferden fielen. Es war
eine Höflichleit gegen den Gegner, weldhen man aus bem
Sattel gehoben hatte, ihm zu Ehren freiwillig den Sats
tel zu räumen und mit berabzufallen. Danon’'erzählt noch
beim Jahre 1564 Hans v. Schweinicyen in feinem Leben -
ein- hübfches Beifpiel: „Es bat Kurfürft Auguft (von
Sachſen) im Neinzuge (zu. Dresden) mit meinem Herrn
336 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Vater; welche beide gute Renner und Stecher gewefen,
ein Treffen mit einander gethan, jedoch gar heimlich und
feft, daß es niemand, als die Kur= und Fürftlihen Per:
fonen gewußt. Ihro Kurfürftl, Gnaden ‚haben meinem
Vater den Küris felbft angelegt und geſehen, daß er wohl
berwahret werde. Wie fie nun zufammen rennen, treffen
fie beide einander ald gute Renner wohl. Wenn (da)
aber ber Kurfürft nicht wohl einlegen mochten, hat ber
Spieß den Kurfürften-etlihermaßen uͤberwogen, auch ges
bolfen, daß alfo 3. 8. F. ©. fallen. Mein Vater aber
fonften, ungeachtet daß der Kurfürft feiner auch nicht ge:
fehlt, wohl hätte fißen bleiben können, weil er aber fah,
daß der Kurfürfk fiel, begab er ſich auch in ben Fall, fam
es das Anfehen hätte, 3. K. F. ©. Hätten ihn ’runter ges
rannt, welches bernad dem Kurfürften eine :fonderliche
Freude gewefen, auch gefagt: „Died folle fein letztes
Treffen fein. Bisweilen fuchten fie au den Helm ober
die Helmkleinodien leinander mit ber Lanze abzurennen;
und Davon geben mehre alte Wilder ein Beifpiel, welche
zugleich Die Art und Weife ber Lanzenrennen verfinnlichen,
: bei denen man fich Feines Schildes bediente.
Derjenige nun, welcher unter allen bie Meiften aus
bem Sattel gehöben und die größte Anzahl von Lanzen
gebrochen, welches man in ber Turnierfprache nannte: bie
meiften Bälle gewonnen hatte, wurde für den Sieger
gehalten amd ihm der Stechdank zuerkannt. - Die Zertig>
feit, Lanzen zu brechen und doch buͤgelfeſt zu bleiben, war
oft unglaublich groß, und es werben bavon in-ber Folge
noch Beifpiele angeführt werben. Ueber dad Stechen im
&
4, Abthell. Zurniere und ganzenrennen, 337 4
hohen Zeuge ſchweigen alle, die daruͤber Erklaͤrungen geben
koͤnnten; mir ſcheint es, als wenn es Scharfrennen in
voller Ruͤſtung waren, die ein Einzelner gegen einen Ein⸗
zelnen that und bei benen man fich ber. Lanzen bediente
Es hatte mit dem Stehen Aber die Schranken Gleichheit,
nur fehlten bie Schranken, welde die Ritter und Roffe
von einander trennten, und bie Ritter waren auch ſchwe⸗
rer. bewaffnet. Indeſſen wird das große. thalheimerſche
Schtbud, welches Schlichtegroll zu Münden im Stein⸗
drud ‚herauögiebt, darüber und beffer- belehren. „ Gleiche
Bewandtniß hat es mit dem Geſellenſtechen, und auch
hierbei habe ich nur eine Vermuthung aufzuweiſen. Das
Geſellenſtechen iſt mir naͤmlich mit dem ſchon vorher er⸗
waͤhnten Gefecht ganzer Schaaren unter einander ‚gleich,
wobei nur nicht mit Kolben und Schwert, fondern mit
ber Lanze gekämpft warb, und jeder Ritter fich nach Gut⸗
bünfen und wechfelnd einen Gegner wählte. Diefe Art
des Gefechtes iſt diejenige, welche, wie bereits bemerkt,
eigentlich und vorzugsweiſe „Buhurd“ im Altdeutſchen
genannt ward. Hierbei ritten nun die Ritter auf einan⸗
der, verſtachen ihre Lanzen, ließen ſich neue geben, zer⸗
ſplitterten ſie wieder auf dem Schilde eines neuen Geg⸗
ners, entſattelten dieſen und jenen und wurden auch wohl
aus dem Sattel gehoben. In das wilde Reiten und Fech⸗
ten warb fpäterhin wahrfcheinlih eine. Regelmäßigfeit ges
bracht. Ritter und Roffe bewegten fi) nad) abgemeffenen
und vorgefchriebenen Gefegen, und fo entwidelten fi aus
bem Gefellenftechen bie zitterlichen Spiele, weldye die Fol
gezeit hatte und in welche ſich die Ritterfämpfe auflöften:-
\ . 22.
[4
338 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
das Carouſſ el, bei welchem Gewandtheit des Koͤrpers
genug gezeigt werden konnte, ohne daß doch dabei Einer
den Leib des Andern zu ſeiner Zielſcheibe nahm, ſo daß
dieſe Uebungen weniger gefaͤhrlich und toͤdlich wurden,
und das ernſthafte Spiel fich mehr in eine heitere Luft
auflöft, wofür freilich das Zurnier in feiner früheften Zeit
den mannlihen Kämpfern, "denen Lanzenfplittern - eine
Luſt war, auch gegolten hatte. M |
Das Stechen über die Schranken und die andern
Uebungen mit der Lanze folgten allemal erfl dem Haupt:
turnier, welches mit Kolbe und Schwert gehalten warb,
und zumeift ſah erſt der zweite Tag biefe Uebungen
Man nannte fie daher auch das Nachturnier, doch durfte,
den Gefegen nach, Feiner im hohen Zeuge ſtechen, ber nicht
im Hauptturnier mitgefämpft. Diefes beſagt die heilbrun⸗
ner Turnierordnung ſo:
„Fort haben wir geſetzt und geordnet, daß zu einem
jeden Turnierhof niemand, dann wer von der
Ritterſchaft zum Turnier gehoͤrt, turnieren, noch
auch ſonſt jemand in hohen Zeugen vmb die
Daͤnke ſtechen ſoll, dann die, ſo in demſelben
Turnier geweſen ſind, vnd denſelbigen beſucht
haben, vnd auch ſonſt keiner rennen oder ſtechen,
er habe dann geturniert.“
Bei allen dieſen Lanzenſpielen mußte man mit der
- Lanze nur auf den Kopf, den Schild und auf das Bruſt⸗
ftüd floßen, Stellen, wobei keine Verwundung oder Ver
letzung fo leicht zu fürchten war. Zu hoch over zu niedrig
war ein Fehler. Zu hoc), ging der Stoß in bie Luft, zu
Dur euere ee sehe. 2 ee En en ee A ee —
4. Abtheil. Turniere und Ranzenrennen. :330
niedrig, war das Pferd des Gegners in Gefahr, und es
ward als ein großer Fehler angeſehen, wenn ein Ritter
das Pferd ſeines Gegners todtrannte; oft ein auch gewiß
unerſetzlicher Berluft. Im Frankreich endete gewoͤhnlich
kein Kaͤmpfer die Turniere eher, bevor er nicht noch zu
Ehren ſeiner Geliebten mit einem andern eine Lanze ge⸗
brochen hatte; man nannte dieſe die Damenlanze.
Ob in Deutſchland bei den Turnieren eine gleiche Einrich⸗
tung herrſchte, iſt nicht gewiß, doch bei der Aehnlichkeit
‚fo vieler: Einrichtungen zwifchen beiben Ländern wahr:
—
In ſpaͤteren Zeiten erforberte ed die Ver inderung des
Kampfes und die Art, die Kriege zu fuͤhren, daß der
Adel nicht mehr allein zu Roß kaͤmpfte, ſondern auch zu
Fuß. Daher mußten nun auch Ritteruͤbungen zu Fuß
eintreten. Schon in der Heldenzeit finden wir die viel⸗
fahften Kämpfe zu Buße, und gerade dieſe Fußkaͤmpfe
waren die hißigften, . unverföhnlichften und heftigften, bie
meift mit einer vollen Niederlage endeten. Oft gefchah es,
daß, wenn bie Ritter zu Roß an einander gelaufen waren,
ihre Lanzen zerſplittert hatten und oft ſelbſt niedergewor⸗
fen waren, fie aufſprangen, ober ihre Roſſe verließen und
nun heftig mit dem Schwerte auf einander losgingen.
Einzelne, beſtimmte Kämpfe, 3. B. in Gottesurtheilen,
durften nicht anders, als zu Fuß andgefochten werden, und
die Reden ded Heldenbuches und der Nibelungen finden
wir nur felten zu Roß kaͤmpfend, meiſt immer ihre Stärke
und Sewandtheit zu Fuß meflend. Dagegen machen uns
vie letztern Zeiten bes Ritterthums mit einer beträchtlichen ,
22 *
30 . Bieiter Abſchnitt. Ritterleben.
Anzahl von Kampfarten zu Zuß befannt, mit Ranzen,
„Hellebarden und Schwertern, mit Kolben, mit und ohne
Schild, wie eine bereits oben im Jugendleben angeführte
Stelle beweift, in welcher angeführt warb, worin fich
Maximilian in feiner Jugend übte. Aber alle diefe Kämpfe
find nicht zu den Xurnieren zu rechnen, in denen ber
Kreid der Uebungen durch das bereit3 Angeführte befiimmt -
und feft gefchloffen war. Die Geftalten ber Kaͤmpfenden,
wie fie mannichfach alte Bilder geben, werden inbefien
pie Arten bes Fußkampfes verfinnlihen und d j
machen, wobei befonderd hier nur auf_ben Weiskunig zu
verweiſen ift, aus dem auch im Jugendleben einzelne, bier
nicht zu wiebesholende Nachweife genommen find. Eben
fo wenig gehören die Uebungen hierher, welche man im
‚fpäterer Zeit vornahm, und bie mehr in dad Gebiet gros
fer Feſtlichkeiten und größerer Rampfübungen gehören,
als zu den eigentlichen Zurnieren zu rechnen find. Dahin
rechne ih 3. B. Bolgendes: Man machte Heine Burgen
von Holz, warf Erbwälle auf, baute hölzerne Thuͤrme
und Schlöffer und übte ſich, diefelben anzugreifen und zu
vertheidigen. Eben fo bemühte man ſich, eine Brürde,
‚ einen engen Paß, ben Uebergang über einen Fluß ober
‚einen andern Ort, deſſen Bewahrung oder Einnahme im
Kriege einen großen Werth haben Bann, zu vertheibigen
oder anzugreifen. In Nachahmung ber alten Heldens
und Ritterzeit warf. fih, wie wir dies in alten Ritterges
dichten und Gefchichten, 3. B. im Fierabras, der zum
Kreife der Dichtungen von Karl dem Großen gehört,
finden, ein einzelner Ritter auf, einen Paß, ein Thor
A Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 341 |
eine Brüde gegen jeden, der ed mit ibm aufnehmen
wolle, zu vertheidigen. Der, welcher dazu Luft hatte,
hing alsdann bei dem Drt, welchen er zu vertheidigen
“ wmternammen hatte, feine Waffen an einem Baum ober
Pfahl auf. Der andere, welcher den Kampf mit ihm bes
ſtehen wollte, ‚berührte diefe Waffen mit dem Schwert,
zum Zeichen der Ausforderung zum Kampf. Gewöhnlich
festen nun beide -einen Preis für den Sieger fefl und
kaͤmpften hierauf nach gewiffen feftftehenden Regeln. Dies .
neigt fich aber alles fchon zu den kuͤnſtlichen Ritterübuns
gen, bie in der Folge gewöhnlich wurden, bei benen ſich
diefe Mebungen in ein gar zufammengefegtes Spiel veräns
derten. Schon oben bezeichnete ich fie mit dem allgemeis
mn Namen Carouffel, dem Ringelrennen, weldes.
feine verfchiedenen Abarten hatte und von bem weiter
unten noch Purz bie Rebe feyn wird.
Frühere, in ber Heldengeit fo oft vorlommenbe Spiele
mb SKraftubungen, als: Ringen, Springen, Rennen,
Laufen, Stein= und Lanzenwerfen, wodurch alle koͤrper⸗
liche Vebungen umfaßt wurden, die ben Helden zur Zierbe
gereichten, und die in ben Nibelungen und dem Helden⸗
buche fo oft erwähnt find, wurden zwar aud noch in der
Nitterzeit getrieben, ‚aber eine Stelle bei den Zurnieren
hatten fie nicht gefunden, und fie wurden daher nur bei
andern Gelegenheiten, nicht bei folchen feierlichen und
großen allgemeinen Kampfübungen, vorgenommen. Die
Namen diefer Uebungen bezeichnen binlänglih im Allge⸗
meinen, was darunter verflanden warb, und aufbas Ein»
zelne einzugehen, ift bier nicht. der Ort. Nur von dem
343 Zweiter Abfchnitt. \ Kitterleben.
Steinwerfen möchten ein Paar Worte von Wichtigkeit
ſeyn. Das Schleudern eines ungeheuren Steines erzählen
und bereitd die Nibelungen in den Wettkampf⸗Uebungen,
welchen fih Brunhilde unterzieht. Schon ®. 1320 heißt
es von ihr:
Sie ſchos mit fhnellen Degen um Minne ben Schaft;
‚Den Stein den warf: fie ferne, darnach fie weiter fprang. A
Günther unterzieht fi dem Wettkampfe mit ihr, nachdem
ihm Siegfried feine Hülfe, verborgen durch die unſichtbar
machende Zarnkappe, verfprodhen. Wie gar gewaltig
Lanze und Schild der Brunhild war, habe ich fehdn oben
in einigen Stellen angeführt. V. 1809 ift die Befchreiz
bung des Steines, ber ihr bargebracht warb: „viel ges
waltig erfchien die Stärke der Brunhilde; man trug ihe
einen fchweren Stein zu dem Ringe, groß und ungeflige,
viel gewaltig und rund; ihn trugen faum zwoͤlf fühne
und fchnelle Helden. Den warf fie zu allen Zeiten, fobald
fie den Ger verfchoßen." Wie fie num damit warf und
zugleich den Sprung darnach that, erzählt V. 1861:
Da ging fie hin viel baldig, zornig war ihr Muth,
Den Stein hub fie gar hoch, die ebele Magd gut,
Sie ſchwang ihn Fräftigliche viel ferne von ber Hand,
Da fprang fie nad) bem Wurfe, wohl erffang ihr alles ihr Gewand.
Der Stein war gefallen wohl zwölf Klafter von bann,
Den Wurf holt’ ein mit Sprunge die Magd fo wohlgethen.
Darauf tritt nun auch Günther mit bem verborgenen
Siegfried hinzu, wo der Stein lag. Siegfried warf den
Stein noch ferner, dazu fprang er weiter. Durch feine
ſchoͤne Liſt hatte er Kraft genug, baß er mit bem Sprunge
aud ben König Günther von dannen trug.
4. Abtheil. Turniere und Sanzentennen. 343
Diefes Steinfchleubern war auch noch in ber Ritters -
zeit üblich, und geht dies aus ber Nachricht von einem
gewichtigen und großen Stein hervor, der im Altenhofe
zu Rängen lag und wobei diefe Reime befindlich waren:
Als nach Chriſti Geburt gezehlet war
Bierzehenhunbert ond 90 Jahr,
Dat Herkog Chriſtop hochgeborn,
\ Ein Held von Baiern auserkorn,
Den Stein gehebt von freier Erb,
Vnd weit geworfen ohn' Gefebrd,
Der, wigt 364 Pfund,
Das gibt der Stein vnd Schrift Brkund.
Daß Herzog Chriftoph aber auch ein tüchtiger Sprin⸗
ger war, und alfo die Uebungen der Nibelungen noch am
Ende des funfzehnten Jahrhunderts zeigte, ging and ans
dern Reimen an bemfelben Orte hervor:
Dry Ragel ſtecken Hier vor Augen,
Die mag ein jeder Springer hauen:
Der erft zmölf Schuh hoch von ber Erb,
Den Herzog Ehriftoph ehrenwerth - ._
Mit feinem Zus herab thät fchlagens
Zaunritt (Name eines andern Gpringers) loff bis zum
andern Nagel,
Bol von ber Erb zehendhalb Schuch,
Neunthalb Philipp Springer Iuff.
. Sndeffen war dies Steinwerfen und Springen immer
4
mehr eine Probe Eörperlicher Stärke und Gewandtheit, als.
eigentlicher rittermäßiger Hebung, und fie ſtehen daher ein:
zen da, ohne in die Turniere mit aufgenommen zu feyn,
die auf Kampf mit-Lanze, Schwert und Kolben befchräntt
waren. Ein Ueberreſt der Uebung, mächtige Steine zu
344 . gweiter Abſchnitt. Ritterleben—
ſchleudern, zeigt ſich noch in der Schweiz unter dem Land⸗
volk, wo es Steinſtoßen genannt wird.
Eine andere Uebung des Springens, die ſich aus der
Heldenzeit mit in die Ritterzeit uͤbertrug, war die Kunſt
eines geſchickten Reiters, in voller Rüflung auf das Pferd
und in den Sattel zu fpringen. Davon: fi nden fih ſchon
viele Nachrichten im Heldenbuche , befonders im BWolfdies
terih, wo es z. B. beißt:
An (ohne) Stegereif ber freige
0. Do in den Gattel fpranf.
Auch im dritten Theile des Heldenbuches kommt bie
Erwähnung biefer ritterlichen Stärke vor:
| Sin ors (Ros) man im bo bradıte,
Das gurtet er nur bas,
Gar bald er ſich bebadhte
An ſteigreif er druf ſas.
Nicht minder ruͤhmt dies der Stricker in feinem Ges
dit von Karl dem Großen von biefem Kaifer:
Der Kaifer. vf ein ors fprant
Bil rinkliche ane fegereif.
Diefe Uebung geht nun durch die ganze Ritterzeit
hindurch, und es Laffen ſich davon viele Beifpiele aufzeigen.
So zieht z. B. der Knappe Imanet, als Parzifal ben
Ither erſchoſſen hat, dem Parzifal dar:
Des todten Mannes Kaſtellan (ich erklaͤrte es ſchon
oben durch kaſtiliſches Ro),
Das trug Bein' hoch und auch lang.
Der (naͤmlich Parzifal) gewappnet in ben Sattel fprang,
Er begehrte Stegreifes nit.
”
4. Abtheil. Turniere amd Lanzenrennen. 345
Oben, in dem Zugenbleben, führte ich den Ritter
Bouckcaut an, der auch ald Knappe fi übte, in voller
Rüftung auf ein Roß zu fpringen. - \
Nach diefen eingefchobenen Bemerkungen, Tehren wir
wieder zum Turnier zurüd. Nach der Beendigung aller
Zurnierkbungen wurben die Preife an die Gieger ausge⸗
ſpendet, welche in der Turnierſprache „Daͤnke“ hießen.
Sie wurden von Frauen oder Jungfrauen vertheilt, die
daher auch zu denen gehoͤrten, welche als beamtet bei den
Turnieren anzuſehen waren und bereits ſchon genannt
find. Bei den Privatturnieren wurden meiſt immer dieje⸗
nigen Srauen befannt gemacht, gleich bei der erfien Ein⸗
ladung, welche die Daͤnke auötheilen würden, und da
bazu wohl faft imnier die fchönften und lieblichſten Frauen
gewählt wurden, fo waren auch fie ſchon fuͤr die Ritter
anreizend, ſich bei den Turnieren zahlreich einzufinden,
oft um gerade aus dieſen Haͤnden den Siegerpreis zu er⸗
halten. Bei den großen gemeinſchaftlichen Turnieren des
deutſchen Adels aber wurden zur Ueberreichung der Daͤnke
einige der anweſenden Frauen erwaͤhlt, und zwar zu jeder
Art derfelben andere. Diefe Daͤnke und Preife, welde
bei den Zurnieren audgetheilt wurden, waren nämlich
nad) der Urfache, um berentwillen ihre Vertheilung Statt
fand, verfchieden. Bir finden in den alten Nachrichten
5 Arten derfelben, von benen eine jede einen verfchiedenen
Namen hatte. 41) Der Stecherdankz biefen erhielt ber
Ritter, welcher ſich beim Gefellenftechen, oder bem Stechen
im hohen Zeuge und bei dem Stechen über die Schranfen
auögezeichnet hatte. Derjenige wurde babei für den Sieger
346 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
und des Dankes wuͤrdig gehalten, welcher die meiſten
Gegner buͤgellos gemacht und aus dem Sattel gehoben
hatte, an beffen Bruft ihre Lanzen zerfplittert waren,
ohne daß er felbit buͤgellos geworben war, noch irgend
einen Beweis von Schwäche und Ermattung gegeben hatte.
2) Der Zierdank war für denjenigen beſtimmt, welder
bei einem Zurnier der Ritterſchaft der vier Lande in ber
beften Ruftung erfhienen war. 3) Einen andern Dan?
erhielten der oder diejenigen, weldye unter allen Anweſen⸗
ben aus ber entfernteflen Gegend zum Zurnier ges
fommen waren, und alfo den weitelten Weg hatten machen
müflen. 4) Der Dank ber Turniervoͤgte. Diefen er:
hielten allemal am Ende eines jeden Turniers die von den
Sefelfchaften der vier Lande erwählten vier neuen XZurs '
niernögte, 5) Der Aelteften Dank warb ven älteften
Nittern zu Theil, welche beim Zurnier zugegen waren.
Sn Hinfiht der Perfonen, an welche Daͤnke vertheilt
wurden, waren zweierlei, nämlich: Ritterdaͤnke und
Knappendaͤnke. Jene haben wir ſo eben kennen ge⸗
lernt; dieſe wurden ſchon oben erwaͤhnt, als ich von den
Uebungen ſprach, welche an dem Vorabend des eigentli⸗
chen Turniertages gehalten wurden. Bei den Turnieren,
welche die oben ſchon bezeichneten Ritter der vier Lande
hielten, waren gewoͤhnlich auch drei oder vier Daͤnke fuͤr
die drei oder vier Ritter, von jedem der Lande einer, die
ſich beim Geſellenſtechen am meiſten ausgezeichnet hatten.
Die Daͤnke beſtanden gewoͤhnlich in koſtbaren Waffen, als:
Helmen, Schwertern, Wehrgehaͤngen, in goldenen Hals⸗
ketten oder Armketten, in Kraͤnzen, in goldenen Ringen,
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 347
ober auch in Kränzen, bie von einer Bleineren oder größes
en Anzahl ‚goldener Ringe zufammengehalten wurden.
Ihr wahrer Werth war verfchieben, doch gewöhnlich fehr
beträchtlich; deſto größer war aber der Werth, ven bie
barauf festen, welche einen ſolchen Dank erhielten. |
Diefe Daͤnke wurden nun entweder gleih an ben
Schranken vertheilt, oder in dem Palaft, wohin die Sies
ger, .von einer Menge Volks begleitet, geführt wurden.
Alles, was um fie her war, hallte von den größten, oft
übertriebenen Lobeserhebungen wieder, von dem Schalle
ber Drommeten und Pauken, und von den lauten Auss
rufungen, die den Sieg verkuͤndigten. Sobald die fieg⸗
reichen Ritter in den Saal getreten, wurden ſie von den
Frauen entwaffnet. Sie legten ihnen praͤchtige Kleider
an und führten fie, nachdem fie fich ein wenig erholt hats
ten, in ben Saal, wo fig der Fuͤrſt erwartete. Diefer
ließ fie bei dem Gaſtmahle an den vornehmften Plägen
fiten, wo fie den Blicken und ber Bewunderung ihrer
Mitgäfte und der Zufchauer ausgefeht waren, und oft
von den Frauen bedient wurden. Ihre Thaten, ihre
Tapferkeit, ihre Kraft und Gefchidlichkeit, fammt den
Abenteuern der alten Ritter nnd Helden, woburd Volt
und Ritterſchaft berühmt geworben, waren der Gegenftand
ber Unterhaltung und Beluftigung bei dem Gaftmahle.
Indeſſen ſollten, nach den Gefegen ber Nitterfehaft, immer
Befcheidenheit und Demuth, auch bei diefen lauten Erbes
bungen der Ritter, fie nicht verlaffen; ob dieſes Geſetz
fletd gehalten worden, wollen und koͤnnen wir nicht uns
terſuchen; inbeffen will ich doch hier die Geſetze bemerken,
’
1
-. .
348 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben.
die darauf hinleiten ſollten. Man lehrte ſchon fruͤh: daß
ein einfaches und beſcheidenes Verhalten das ſchicklichſte
Betragen ſey, den Glanz des Sieges zu erhoͤhen. „Ein
Kitter muß laut ſchlagen und leiſe reden," war einer der
Sittenfäße; dann: „feid ſtets der Letzte, wenn ed darauf
ankommt, in Geſellſchaften älterer Perfonen zu reden, und
der Erfte, wenn in Schlachten zugeſchlagen werden fol." .
Eben fo wurden fie angeleitet, von andern nur Gutes zu
fprechen, und bie Sieger mußten fich bemühen, die Webers
wundenen zu fröften und ihr Mißvergnügen zu lindern.
So fagten fie denn zu denen, welche fich ihnen als Bes
fiegte überliefern mußten: „Heute ift das. Glüd und Ges
fhid der Waffen mir günftig, meine Stärke hat dabei
fein Verdienſt; morgen werbe ich vielleicht unter den
Streichen eined Gegners erliegen, der weniger furchtbar
ift, als ihr." Die Beweiſe „edler Großmuth und ber,
Menſchenfreundlichkeit, die man oft bei den Turnieren
findet, mußte fi) auch auf den Krieg und die Wuth des
Streited erfireden; doch iſt nicht zu verbergen, daß eins
zelne Ritter auch diefe Tugenden vergaßen.
Eine der glänzendflen und merfwitrbigften Arten, den
Dank zu ertheilen, wobei nicht erft die Vertheilung abge⸗
wartet wurde, ſondern den ein jeder ſich ſelbſt auf ber
Stelle nahm, findet ſich bei einem in Deutſchland gehal⸗
tenen Turniere, welches Heinrich der Erlauchte, Marl:
graf zu Meiſſen und Landgraf in Thuͤringen, im Jahre
1263 zu Nordhauſen anſtellte. Der Kampfplatz, oder
wie er bei den Deutſchen hieß, ber Turnierhof, ſtellte
einen Garten vor, in befien Mitte ein Baum fland, ber
4. Abtheil. Turniere und ganyencennen. 849
golbene unb, “ilberne Blätter trug. Diefe: Blätter waren
die Daͤnke des Turniers; benn der, welder bie Lanze feis
ned Gegnerd brach, befam ein filbernes Blatt; wer ihn
aber gar and. dem Sattel gehoben hatte und figen blieb,
empfing ein goldened. Wir finden davon .diefe kurze alte
Befchreiung: „Er (Heinrich) ließ einen Hoff audruffen
gen Rorbhaußen in Zy-ingen gelegen, aldo ließ ex machen
einen großen Garten gar zierlih, und ließ darein Gezelt
auffchlagen, darinne waren gar piele ſchoͤne Frauen, Rits
ter und Kuecht, er ließ auch einen Baum. machen, ber
war nicht Elein, mit gang guldenen und filbernen Blättern.
In dem Garten wurde mit allen Züchten getanzt, und
man ſchaͤtzte, daß dieſe Luſt ber, Freude Assveri zu vers
gleichen, und wenn ihrer zween zufammen rannten, wels
er feinen Speer zerbrach, daß fie beide fiten blieben,
dem gab man ein filbern Blatt, welcher aber einen, herab⸗
flah, dem gab man ein gllben Blatt. Diefe Greube
währete bei acht Tagen.’
Sonft gefhah die Zuerlennung der Daͤnke glei
nach geendigtem Kampfſpiel von den Turniervoͤgten, den
dazu verordneten Frauen und andern, welchen es aufge⸗
tragen war. Die Grieswaͤrtel und Herolde erſtatteten
ganz genauen Bericht von dem ganzen Hergange des
Kampfes, und was ſie von einem jeden, der ſich hervor⸗
gethan, bemerkt. Nach reiflicher Unterſuchung dieſer Be⸗
richte und Ausſagen, wurde durch Mehrheit der Stimmen
entſchieden und beſchloſſen, wer den Namen und die Be⸗
lohnung eines Siegers erhalten ſollte. Die Herolde riefen
ſeinen Namen unter dem Schalle der Drommeten und
350 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben
Pauken öffentlich aus, und führten den Gluͤcklichen zum
Empfange des Dankes herbei. Die dazu beflimmte Frau
überreichte ihm benfelben, entweder, wie eben’ vorher bes
merkt, in einem nahe gelegenen Haufe, ober auf dem
offenen Zurnierhof, unter dem Iubelgefchrei der anweſen⸗
den Edlen und des zufchauenden Volkes, :Der. Sieger
hatte dabei zu Beiten das Recht, derjenigen Frau ober
Sungfrau, welche ihm den Dank überreichte, einen Kuß
zu geben, welches wohl‘ mit aus alten Gebräuden bers
flammt, die wir, bei Betrachtung der Art, wie fahrende
und reifende Ritter von andern Rittern und deren Frauen
und Töchtern empfangen wurden, näher betrachten und
Tonnen lernen werden. , |
Man: muß dieſe Turnierdaͤnke indeſſen nicht mit einer
andern Art von Gaben, bie bei ben Zurnieren gewöhnlich
waren, verwechſeln. Dieſe beitanden in fleinen Ges
ſchenken, welche als Zeichen des Andenken: von einzel:
nen Grauen vor und wahrend bed Kampfes einzelnen
Kämpfern, welche fie liebten, als cin Denkmahl ihrer
Liebe, ober. auch andern, welche fie noch wenig fannten,
geſchenkt wurden, um ihnen ihre Aufmerkfamfeit und Ads
tung bemerkbar zu machen. Da Ruhm und Ehre bei
diefen Turnieren zulegt auf die Frauen zurüdfiel, fo war
auch ihr inniger Antheil an dem Schidfal der Ritter, bie
ihre Farbe trugen, fehr natürlich. Die Kämpfer befefligs
ten diefe Pfänber der Zuneigung oder Aufmerffamkeit an
irgend einem Theile ihrer Rüftung, am Helm oder der
Lanze, am Schild ober dem Panzerhemd. Gewöhnlich
war ed etwas, was. die Geberin felbft gefertigt hatte:
4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 351
eine Schärpe, ein Schleier, ein Armband oder ein anderes
Band; dann warb auch eine Haarlode gegeben, oder es
wurde auch von ihr ein Theil ihrer Kleidung während des
Kampfes gefendet: eine Schleife, ein Stüd ihres Schmuk⸗
kes u. ſ. w. Andere trugen auch das Bildniß ihrer Ges
liebten an einer. goldenen Kette um den Hals. Zuweilen
ging ein ſolches Kleinod in der Hitze des Kampfes verlos
zen ober fieß einem andern Ritter ald Beute: zu. Dann
wurde dem; der den Verluſt erlitten, von der Geberin
wohl fogleich ein neues, durch einen Ebelfnaben gefenbet,
und da bie: Site des Kampfes ed oft gewinnen und oft
verlieren machte, fo waren manche Frauen gegen ben
Schluß des Turniers vielmiald beinahe ganz ihres. Putzes
beraubt. Dagegen brachten aber auch die Mitter bie
Dänfe, bie fie erobert hatten, ihnen als ein Geſchenk dar.
Einige leiten von dieſen Frauengefchenten das Entfichen
ber Helmfleinode ab, indem bie Ritter fie am hoͤchſten
Theile ihrer Rüftung, am Helme befeftigten, und dazu
einen ausgezeichneten Platz beburften, den ihnen dieſe
wunderlich geftalteten Helmkleinode darboten. Die Frans
zofen nannten diefe Geſchenke faveur oder enseigne.
Zulegt muß noch einer Art von Daͤnken Erwähnung
gefchehen, indem man einigen Frauen biöweilen das Recht
ertbeilte, die Zeit und ben Ort, wo bad neue Zurnier
ſollte gehalten werben, zu beflimmen; welches in ber
Kunftfprache der alten Zeit, wie bereits bemerft, das
Turnier legen hieß. Diefen wurden nun von einigen
dazu beftimmten Rittern und Edlen gewiffe Dänfe übers
reicht, welche man Frauendaͤnke nannte Gin Bei⸗
352° 8weiter Abſchnitt. Ritterleben.
Spiel davon wird fogleich in: ber Veſchreibung eines Tur⸗
niers folgen.
Am Ende des Gaſtmahls, welches nach Austheilung
der Daͤnke folgte, wurde ein Tanz oder eine Mummerei
gegeben, und. dabei wurde ber Fackeltanz gehalten. Diefer,
ver fi noch bei hohen Föniglichen und fuͤrſtlichen Feier⸗
lichkeiten, heſonders bei Vermaͤhlungsfeſten, erhalten hat,
beſteht darin, daß den tanzenden Perſonen, die eigentlich
nur in gemeſſenen Schritten durch den Saal umziehen,
vornehme Perfonen oder andere mit Windlichtern oder Fak⸗
keln zur Seite und vorauf ſchreiten. So erzählt auch
Ruͤxner in feinem Turnierbuche: „Wenn ber Kaiſer ge⸗
dantzet, haben ihm erſtlich zween Grafen mit Windlichtern
vorgedantzet, darnach gefolgt andere vier Grafen, und auf
die wiederumb vier Grafen, mit Windlichtern, auf welche
der Kaiſer gefolget, und nach demſelben noch vier Grafen
mit Windlichtern.“ Die alte Zeit liebte uͤberhaupt, alle
große Feierlichkeiten durch angezuͤndete Lichter zu erhoͤhen,
als wenn die reine Flamme den reinſten Glanz dem Feſte
zu geben vermoͤchte. Es wurden beſonders alle kirchlichen
und gottesdienſtlichen Feierlichkeiten durch Lichter erhoͤht,
ſelbſt des Verſtorbenen Sarg umgaben Lichter, und Lichter
begleiteten ihn zu ſeiner Ruheſtaͤtte. So haben wir auch
oben geſehen, als der heil. Graal in das Zimmer vor
Parzifal getragen ward, wie Jungfrauen mit Lichtern
vorangingen.
Nach dieſen allgemeinen Zuͤgen von den Turnieren
folge hier eine Turnierbeſchreibung aus Ruͤxner im Aus⸗
a}
4, Abtheil. Turniere und Eangenrennen. 353
‚zuge, wobei daß, was ich. im Ganzen gefagt habe, durch
das Einzelne beſtaͤtigt erſcheinen wird.
„Die Ritterſchaft am Rheinſtromehaben ibre Zur⸗
nier nach Ordnung des Reichs unter. Kaiſer Philipſen
Herzogen zu Schwaben. u. ſ. w. ‚Derrfehaft.. gen. Worms
an Rhein befchrriben und verfündigen laßen, auch allda .
gehalten.” Drauf folgen die Wappen bev vier Turnier
vögte, wobei ſich bie Abtheilung ber vier. Sande ebenfalls
zeigt. „Johann vom Ingelnheim 1J Ritter, Turniervogt des
Rheinſtroms; Ernſt von Stauffel, Ritter, Turniervogt bes
Landes zu Schwaben; Sighard ‚von Leubelfing, Ritter,
Turniervogt des Landes zu Baiern; Ludwig von Redwitz,
Ritter, Turniervogt des. Landes zu Franken.“ ‚Nach dem
Wappen der Stadt Worms folgt die Jahreszahl 1209,
und dann merden die acht Ritter genannt, ‚welche: „deſſel⸗
ben: Zurnierd Werber und Berreifer geweſen find;
„Solchen Zurnier haben die Ritterfchaft vom Rheinſtrom
den :vier Landen zugefchrieben, als ihren Herrn und guten
Freunden, den auch- im Reich nad Ordnung berufen: und
verkünden laffen, dermaßen, daß männiglich fo bemieldten
- Zurnier befuchen wollte, möcht’ auf naͤchſt Sonntag nach
Lichtmes (obgemeldt's Jahr's) zu Worms- am Rhein er⸗
fcheinen, und da an der Herberg fein, fo wollt’ man auf
den nächften Montag darnach auftragen, (Helme und
Schwerter zur Wappenſchau ausſtellen), befckauen .und
bereiten (die Wappenfchau, halten und die Pferde vprreiten;
um zu zeigen, daß fie zu Turnieren zu gebrauchen und
nicht die Fehler hätten, welche ihren Gehrauch bei den
Turnieren verboten), am Mittwoch und Donnerſtag
23
354 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
turnieren, rennen, ſtechen, tanzen, Daͤnk' austragen und
was mehr zu folchen ritterlichen Ehren gehört.“ Darauf
folgen die Fürften und die fürfllichen Frauen, welche dieſes
Zurnier befucht haben. Dann tritt dad Berzeichniß ber
Grafen, demnaͤchſt der Freiherren, ' hierauf ber. Ritter,
.zulegt der Edlen ein. Nach diefen finden: „bie zwölfe,
welche die Hauptleute mit aller Orbnung bed Turniers“
waren, ihre Stelle. Dann bie, „welche in diefem Turnier
verordnet, zwifchen den Seilen zu halten, und die zu fünf:
tigen Turniervögten erwaͤhlt.“ Zunaͤchſt werben bann bie
41 genannt, mit denen man in biefem „Zurmer turnirt
and fie empfangen” ‚hat. - „Hernach folgt, wie man
:gwölf Daͤnk' zu gemelb’tem Turnier ausgab, nehmlich die
erſten vier Dank’ wurben vieren, bie den Turnier am
weitften befucht hatten, gegeben, bie andern vier Dänt’ |
wurden vieren Frauen und Jungftauen gegeben, mit bee
Freiheit, daß fie ven naͤchſten Turnier zw legen haben
follten, und bie dritten vier DinP wurben den viern ges
geben, die dad Be’ auf dem Turnierhofe mit: Rennen
und Stechen thaten.“ Die Daͤnke wurden bierbei immer
nach den vier Abtheilungen des Adels, die das Turnier
befuchen: durften, gegeben: einem Zürften, Grafen, ‚ Zrei⸗
herrn und einem Edeln.
„Die erſten vier Daͤnk' gab man denen, die den
Turnier am weitſten beſucht haben: den erſten Dank
bracht Frau Gertraud, geb. Pfalzgraͤfin bei Rhein, ein
Gemahel Pfalzarafe Otten, — Herrn Bonifazien Mark⸗
grafen zu Monteferar, als einem Fuͤrſten, ber denſelben
Turnier am weiteſten beſucht hatte; bad war ein gulden
4. Abthell. Turniere und Lanzentennen. 354
Harsbard 400° Gulden werth. — Den andern Dank
beache FrauElfſabeth, ein Zochter Grafe Poppen von
Hennebergs, — Graf Johann Yon Edmund, als einem
Graferi, ber denfelben Turnier am vweiteften befucht hätte;
dad war eihe -guldin Kette von 300 Gulden. — Den
dritten Dank brach! Frau Elifabet geb. Gräfin zu Naſſau,
din-Gemaht Grafe Dieterih8 von Manderfcheid, — Here
den Wilhelmen von Balfenberg, als einem Herren, ber
Henflben Turnier am weiteften befucht hätt’; das war
ein’ guldin Kehlband 200 Guldin werth. — Den vierten
Dank bracht’ iM’ Jungfrau von Rakunhaus, — Mann:
gen Inbrüder von Defterreih, ald einem Edelmann, der
denfelben Turnier am weitften befncht hätt’; das war ein
guldin Armband 100 Guldin werth.“
„Hernach folgen der vier Frauen Daͤnk', die den
nächften Turnier zu’ legen haben follten: den erften Dank
brachten Herzog Leupold von Defterreih, genannt bet
Shrentreich, und Friebrich Herzog zu Kothringen — Frauen
Helena gebornen Königin zu Dännemark, ein Cemahel
Herzog Wilhelms v. Sachſen ded Kurfürften, daß fie
fammt den andern nachbenannten Frauen unb Jungfrauen
fon? Macht haben, den naͤchſten Turnier zu legen. —
Den andern Dank bracht Berchtold Burggraf zu Nuͤrn⸗
berg und Dietrich, Graf in Holland — Frauen Sophien
gebornen Herzogin in Baiern, em Gemahel des ehren⸗
feften Landgrafen Herrmann von Thüringen und Heſſen,
daß fie mit ben andern breien rauen und SJungfrauen
moͤcht' den. nächften Turnier helfen legen. Den dritten
Dank bracht Heinrich Graf zu Naſſau und Rudolf Graf
23*
' 356 Zweiter Abfehnitt. Nitterlebem.
zu Werdenburg — Frauen Margarethen, geboren Frauen
zu Burgau, ein’ Tochter Herren Alhrechts von Burgen,
daß fie mit fammt ben andern breien Srauen und Jungs
frauen den nächften Zurnier legen möchte, Den viersen
Dank bracht’ Here Weirih Reuß von Plauen und Herr
Ehrenbrecht von Rapoltſtein — Grauen. Agnefen gebornen
Frauen von Stauffen, ein Gemahel Hersen Endreßen, von
Ratzumhaus, daß fie mit fammt den vorgenannten. dreien
Frauen und Jungfrauen folt’ Macht, haben den nad
Zurnier zu legen.
„Hernach folgen bie vier Daͤnk', fo ven Rennern und
Stechern geben wurden: den erſten Dank bracht' Frau
Kunaria, geborne Fuͤrſtin von Griechen, ein’ Tochter Kai⸗
ſers Emanuel von Konſtantinopel, ein Gemahel Mark⸗
grafe Bonifazien von Monteferar, — Herzog Boſſemis⸗
lauſen von Boͤheim, als einem Fuͤrſten, der im Nachtur⸗
nier mit Stechen in hohen Zeugen das Beſt' gethan haͤtt';
das war ein Kranz mit zwoͤlf guldin Ringen, ward auf
zwoͤlfhundert Guldin geacht't. Den andern Dank bracht!
Frau Maria geborne Zürflin von Bare, ein Gemahel Hers
zogs Friedrich von Lothringen — Heron Ruprechten Gras
fen im Kärntnerland, ald einem Grafen, der im Nach⸗
turnier in hohen Zeugen das Beſt' gethan hätt’; das mar -
ein Kranz mit zehen guldin Ringen, der warb auf viers
hundert Gulbin geacht’t. Den dritten Dank bradıt Jungs
frau Barbara, ein’ Zochter Grafen Arnolds von Kleve
— ‚Herren Walther Schenken, Herren zu Limburg, als
einem Herren, der im Nachturnier, ins Stechen in Hohen
Beugen bad Beſt' gethan hätt’; dad war ein Kranz mit
4. Abtheil. Turniere amd Lanzenrennen. 357 °
8 gulbin Ringen, ward auf 200 Rheinifch Guldin geacht't.
Den vierten Dank bracht Frau Mechtilda; geborne Frau zu
Bitſch, Herren Georgen von Falkenſteins Gemahel, —
Herren Heinrichen von Nüßberg, als einem Ritter, ber
im Rachturnier mit - Stechen in hoben Zeugen das Bel
gethan hätt’; das war ein Kranz mit 6 guldin Singen,
ward auf anderthalbhunbert Guldin geacht’t. Noch ward.
ein freier Kranz von hundert Guldin gegeben einem unter -
dem Adel, fo nach biefen obernannten Fuͤrſten, Grafen,
Herren und Rittern mit Stechen in hohen Zeugen das
Beſt' gethan haͤtte: dad war Reinhard von Flerßheim; den
Dank bracht' ihm ein’ Jungfrau von Dalberg und fie
warb hernach fein Gemahel. Alſo endet’ ſich diefer- Zurs
nierhof mit Freuden, darauf gewefen waren: 150 Helm
an $ürften, Grafen, Freiherrn, Rittern und Eblen, bie
Solche Turnier felbft befucht haben, und 289 geſchmuͤckter
- Frauen und QJumgfeauen, darunter waren 34 geborne
Frauen und Jungfrauen fürftlihen Geſchlechts, 85 Graͤ⸗
“ finnen und Sreiinnen, die andern waren von ber Nitters
ſchaft.“
Mehres, was oben beruͤhrt worden iſt, kam in dieſer
Turnierbeſchreibung nicht vor, daher moͤgen hier noch
einige Auszüge aus andern Turnierſchilderungen folgen.
1235 war dad Turnier zu Wuͤrzburg. Nah Aufzählung
ber arigelommenen Perfonen folgt: „Wie zwölf Frauen
und Jungfrauen zu der Schau ermählt' wurden: Vom
Keinſtrom' erwaͤhlten fie Deren Friedrich Kaͤmmerers ehe:
liche Hauswirthin gebome von Fleckſtein; Albrecht von
Randeds nachgelaßene Wittib geb. von Ingelnheim, vnd
38 Zwelter Abſchaitt. Ritterleben.
Jungfrau Elifabet geborne von, Helfenſtein.“ Und ſo ges
ſchieht die Wahl ferner aus den drei andern Landen
(Baiern, Schwaben und Franken), immer eine noch vers
eblichte Frau, eine Wittwe und eine Sungfrau Darauf
folgen die vier Grießwärtel, dann bie vier, weldye verord⸗
net wurden, zwiſchen den Geilen zu halten. Hernach
werden 20 benannt, die man zu biefem Turnier nicht
zugelaflen, mit 6 andern bat man furniert, aber fie, beim
Empfangen gefhlagen.. Die Urfachen, aus melden beides
geſchah, find nicht mit bemerkt. „Nach dem gehaltenen
Turnier haben die Berorbneten aus den vier Landen bie
nachfolgenden vier neuen Zurnieroögte erwählt. Als num
der Turnier fein Ende erreicht und fich auf, den Donners⸗
tag (Sonntags, vorher Fam man an in den Herbergen,
Montag ließ man auftragen, Dienflag warb befchaut und
beritten, Mitwoch wurde turniret, Donnerſtag wurden
bie Daͤnk' ausgegeben) zum Tanz gefuͤgt hätt’, ward ein’
Gtille gerufen, alfo ‚verkündet man..bie vier neuen Zur
niervoͤgt', darnach fing man an zu tanzen. Den erflen
Tanz gab man Pfalzgrafe Lubwigen dem Kurfürften, mit
Srauen Helena, gebornen Herzogin zu Sachſen, Burg:
grafe Friedrichs yon Nuͤrnbergs Semahgl" u. f. w. Bw
legt wurden 36 erwählt, um eine, Zurnierordnung ney zu
machen und bie Zuxnierfreipeiten zu beflimmen (wahr⸗
ſcheinlich wohl wegen der 20 abgewieſenen und 6 geſchla⸗
genen Ritter); die follten einen gemeinen Tag gen Op⸗
penheim an’ den Rhein, ‚auf ben naͤchſten Sonntag nad
heil. drei Königestag kommen. Da find fie auch zuſam⸗
men gekommen, aber Rüzner ſegt: waß fie aber beſchloßen
3. Abtheil. Zurniere und Lanzencennen. 359
und für ein’ _Orbnung gemacht haben, findt man nit in
Geſchriften, wäre ſonſt aud hierin geſetzt worden.‘
Ehe wir nun zu ben Urfachen des Berfalld der Zurs
niere kommen, ſcheint es am zwedmäßigfien, .nocd aus
einzelnen alten Gedichten und Geſchichten Beifpicle anzu:
führen, bei denen ſich hin unb wieder einiges wird erklaͤ⸗
rend bemgrken iaſſen. Noch bemerke ich, daß ich in dieſer
Beiſpielſammlung die eigentlichen Turniere in Schranken
und das Lanzenrennen in freiem Felde und beim zufaͤlligen
Begegnen zweier zum Kampf voͤllig geruͤſteter Ritter ver⸗
miſcht anfuͤhren werde.
Von der abgemeſſenen Einrichtung der Zurniere, wie
fie in ber fpäteren Zeit des Mittelalters erfcheingn, und
wie. fo eben die Haupterforberniffe befihrieben worben find,
finden wir in den Nibelungen noch nichts, fo wie übers
haupt in den alten Rittergebichten noch nicht folche kaſten⸗
mäßige Abtheilungen. erfcheinen, wie in der fpätern Zeit
qals nothwendig erachtet wurden. Anzunehmen iſt, baß bei
allen Schlöffern und Burgen fich große Hofräume und
Pläge befanden, die fortwährend zu Zurnieren und Lan
zenrennen eingerichtet und beflimmt waren, und daß daher
bie zufammentommenden Ritter auf biefen Plägen- jeder
Zeit ihre Lieblings » Vergnügung halten Fomnten. Daß
gebt auch aus den Nibelungen hervor, wo es, V. 7505
heißt:
Chriemhild mit ihren Frauen in bes Saales Fenfter ſaß
Zu Ezelen bem reidyen; viel liebe war ihm das.
Sie wollten ſchauen reiten die Helden Fühn und bebr.
. Het! was ba fremder Degen vor ihr im Dofe ritt daher.
\
—— —— —
—
. — — —æ
+‘
360 Zweiter Abſchnitt. Kitterleben.
Außerdem wurde auf den Märkten der Stäbte has
geregelte Turnier und nicht regelmäßige Gefecht gehalten,
wo rundum die Häufer das Zuſchnuen erlaubten. Go
heißt es in Ulrich v. Lichtenfleins‘ Frauendienft S. 1015:
„Da entwappnete ih mid (zu Villach) und Pleidete mich
als ein Weib, in einem Fenfter faß ich da und vor- mir
erhub ſich ein Ritterfpiel, ed wurden da wohl 50 Speet
vor mir verftohen, welches auf Dem Matkt geſchah.“
Wenn die großen Turniere auf den Märkten und in ben
Straßen der Etädte gehalten wurden, fo ward durch die
Bürger das Pflafter aufgeriffen und der Plag mit Sand
befahren *). Es wurden aber auch fehr leichte Schranken
um Zurnierhöfe errichtet, wie uns ebenfalls Ulr. v. Lich⸗
tenft. (S. 239) ein Beifpiel giebt: „Indem fah man uns
Schön duch die Neuenſtadt reiten gegen Chezelindborf, da
waren mir auf dem Anger 8 Hütten und 4 Gezelt ges
fchlagen; vor das Gezelt der Zafelrunde waren 4 Banner
geftoßen, daß keins die’ andern drang, denn fie waren
Roffelaufend weit von einander, da herum war eine
ſchoͤne Schnur gezogen, gelb und blau geflodhten von
Seide, zween hundert Speer waren dort und hin gefloßen,
an jeglih Speer ein Fähnlein, nach meinem Schilde ges
färbt, in den Ring ging da Niemand, aber zwei Thore
Singen in den Ring, und nur wer -tiofliren wollte, ritt
herein, fo Fonnte Niemand den andern dringen.” Andere
ähnliche Befchreibungen Tamen gelegentlich fchon vor ‚ober
—
*) Thebefius Liegnitzifche Jahrbuͤcher beim J. 1550. SL LI.
©. 69.
I | "OL se sy al
4 Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 361
werben noch Fünftig bei andern Befchreibungen gelegentlich
erwähnt werben. Bon Dank⸗Austheilung war dabei nicht
die Rede; denn der Preis war das Gefühl der Uebermacht
und Kraft, mit ber man mehr oder weniger Mitter abges
fattelt ‚Hatte. Das Wort Buhurd bedeutet, wie ſchon ges
fagt, immer ein Lanzenrennen bunt unter einander, wobei
jeder bier und dort. fich feinen Gegner wählt, wogegen
Tioſt, tiofliren, bad Lanzenrennen bebeutet, welches zwei
einzelne beftimmte Perfonen gegen einander hielten. So
entfpricht das Buhurbiren dem Gefellenflehen, und das
Zioftiren dem Stechen im hohen Zeuge.
Als Siegfried mit 100 andern Juͤnglingen den Rits
terfchlag erhalten hat, heißt es DB. 141 der Nibelungen:
Sie liefen, ba fle funden gefattelt mannidy Ros
Im Hofe Siegemunbes, ber Buhurt ward fo groß,
Daß man ertofen hörte Pallaft und auch Saal;
Die hochgemuthen Degen, die hatten wonniglichen Schall. .
Von Weifen und von Dummen man hörte mandyen Stoß,
Daß der Schäfte Brechen hoch gen ben Lüften toß;
Die Zrümmer ſah man fliegen vor dem Pallaft hindan,
Da hatten Kurzeweile beide, Weib und aud Mann.
In dem Kriege der Burgunden gegen bie Sachſen
finden wir eine Stelle, wo Siegfried auf die Warte und
Beobachtung des Feindes hinausreitet, und da den König
„ 2übegaft findet. Hier zeigt fi dad Beiſpiel eines eins
zelnen Kampfes mit der Lanze, wobei die Befchreibung
ber Art und Weife ganz dem fpäteren Rennen in ben
Turnieren entſpricht:
Die Roß' fie nahmen beide zu'n Geiten mit den Sporen,
Sie neigten’auf dic Schilde die Schäfte mit ihrer Kraft.
—— — —
362 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Nach dem Stiche und wahrſcheinlich nach dem Zerſplittern
der Lanze, was doch nicht beſtimmt in dem Gedicht aus⸗
gedruͤkt iſt, wenden fie mit den Zaͤumen die Roſſe, ziehen
die Schwerter und ſchlagen mit dieſen auf einander los,
bis Siegfried den Luͤdegaſt verwundet, bezwingt und ge⸗
fangen nimmt.
Als freie Uebung im Felde, beim Empfange hoher
‚und geliebter Perſonen, finden wir dad Lanzenrennen in
den Nibelungen V. 2342, ald Brunhilde mit Günther vor
Worms ankommt und von ſeiner Mutter und Schweſter,
ſeinen Bruͤdern und Mannen empfangen wird:
Hei! was ſtarker Schaͤfte da vor den Frauen barſt!
Man hört’ au Hurtiglichen von Schilden manchen Stoß;
Beil was da reiher Budeln (Schilde) vor Gedrange laut ertoß
Und V. 2385:
Run waren auch bie Bäfte zum Roffen alle kommen,
Biel mannich reiher Tioft durch Schilde warb genommen.
Das, Feld begunnte flieben, als ob alles das Land
In Lohe wär’ enthranmet; ba wurden Helden wohl erkannt.
Und V. 3193, als Siegfried und Chriemhild auf bie Eins
' ladung aus den Niederlanden nach Worms kommen und
in die Stadt einziehen wollen:
Biel Schilde hörte man ſchallen ba zu dem Burgethor,
Von Stichen und von Stoͤßen; viel Tange hielt davor
Der Wirth mit feinen Gäften, eh’ daß fie kamen darin;
Wohl ging ihnen bie Stunde mit großer Kurzeweile hin.
Ulrich von Lichtenſtein erzählt auch manches von Zurs
nieren. Inſofern indeffen die Hauptfache dabei Ritterzuͤge
find, in denen dad Vornehmlichſte zwar auch bad Lanzen⸗
rennen ift, fo werde ich bavon in ber folgenden Abtheilung
+:
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 363
handeln. Zuerſt ſpricht er vom Zurnei zu Friſach;
davon im Auszuge dies: „Gegen die Faſten (bad Jahr
iſt noch nicht ausgefunden) wurde vernommen, daß der
Markgraf Heinrich von Yſterreich den Fuͤrſten von Kaͤrn⸗
then angreifen wollte. Als der Fuͤrſt Leopold von Deſter⸗
reich dies vernahm, ſprach er: das geſtatte ich nicht, ſon⸗
bern ich will es verfühnen und in kurzem einen Tag
(einen Sühnetag) machen. Es wurde von ihm. ein Bote
"an die beiden Fuͤrſten gefandt, der fie freundlich grüßte
und fie bat, fie möchten fich nach Freundes Sitten vers
richten laflen (verfühnen laffen), wozu fie beide auch willig
‚waren. Go wurde bann ein Zag zu Frifach gemacht, an
St. Philippus Tage, zum Anfang des Maien, wenn ber |
Wald fchon gelaubt ficht und die Haide ihre wonnigliches
Sommerkleid angelegt hat. Da ich den Tag erfahren,
warb ich frohs ich kam zu meinem Bruder Dietmar von
Lichtenſtein und fprach zu ihm: Dietmar von Lichtenftein,
wir ſollen und vereinigen und. Ritterfchaft uͤben; benn
eine große Saft von Herren kommt ba zufammen. Er
ſprach: du haft wohl gerathen, wir follen uns beide mit
Ritter in einen Foreis (foret, Gehoͤlz) legen und, fo lange
der Tag: dauert, jebermann Ritterfchaft gewähren, der fie
von und begehrt (zum Kampf auf Begehren bereit feyn).
Wir folen es in die. Land’ entbieten, erfahren ed bann
‚bie Ritter, fo kommt mancher herbei, es ift überdies
bie Maienzeit, wo fie ungern zu Haufe liegen.
Du daft Recht, Bruder, fprach ich, fende bu dahin, ſo
ſende ich dorthin. Die Boten fuhren nun allenthalben in
die Sand und mander Bitter kam aus ehregigrigem Rit⸗
364 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
tersmuth, ſo kam auch mancher um die Weib herbei.
Nun kam der Tag der Fuͤrſtenſprache, die Boten nahmen
Herberge in der Stadt, der Marſchall des Fuͤrſten Leopold
von Deſterreich bat, daß man ba gezogenliche wäre
(freundlich, ohne Groll und Streit waͤre). In der Stadt
wurde jeglich Fuͤrſt geherbergt, eben ſo die Grafen, Freien,
Dienſtmann.“ (Es folgt hierauf die Reihe der Namen
von denjenigen, welche -bort erfchienen.)
„Es kam außer diefen nody mancher biedere Mann,
um Ehre zu gewinnen, fo kam auch mancher -Mifter, der
But zu gewinnen dachte. - Sechöhundert Ritter waren uns
ter Schilden verfammelt, auch kamen mehr als 10 geifl:
liche Zürften bin, bie den Krieg befeitigen‘ wollten und
eine ftäte Suͤhne machen. Ich hieß ferne von der Stadt
zehen Hütten und ein Belt auffchlagen, davor ſtieß man
vier Banner und 500 Speer, dabei lagen 36 Ritter, bie
um Frauen Ritterfchaft pflegen wollten, von: benen viele
kaum ben Anbeginn bes Spiels erwarten konnten; ja wir
lagen bie Nacht alle in folcher Begier, wg die Falken.
Als die Sonne am Morgen aufging, zogen fie von allen
Seiten zu mir, mit manchem reichen leuchtenden Banner,
mancher war fo wohl geziemirt, daß er die Blumen und
bad grüne Gras überglänzte.. Da liefen die Kroier (bie
Ausrufer) hin und ber und riefen: wer num tiofliren will,
ber komme herbei! Mancher gute Ritter ftapfte herbei,
der Ehre und Leben um die reinen Weib wagen wollte.
Da wir fie herzogen fahen, fprangen wir auf die Roſſe,
da hub ſich mancher ſchoͤne Puneis (Kampf, Lanzentens
nen); denn jeher bemühte ſich, wie-er ben andern nieder⸗
\
4. Abthell. Turniere und Lanzenrennen. 565
Bedyen wollte... Die, Ritterfchaft währte den gangen Tag,
“and mancher tioſtirte, der es vor noch niemals gepflogen,
mancher „fiel zugleich, mit feinem Gegner, mancher Ing
fiunlos auf der Erbe, mancher verlor das Ros, daß man
ihn fern. dayon Bach. Manche flachen aus hohem Muth,
manche um.But zus erwerben, manche um bie Weib und
monde um zu ‚lernen. Als die Nacht. gekommen war,
zogen. fie in Die, Stadt; wir muſten auch das ‚Zeld räus
men, und fanden im Zelt. gut Gemach. Ich hatte an
dem Tage wohl dreißig Speer perſtochen, und nun rich⸗
tete ich meinen Gedanken darauf, wie ich eine ritterliche
That ausfuͤhren moͤchte. Ich wollte nehmlich am Morgen
wieder ſtechen und mich dann vor den Leuten heimlich auf
einen Berg bageben; dann will ich grün geziemirt mit 12
Knechten wieder kommen, jeglicher ſoll ein gruͤnes Speer
mit führen, auch ‚fol ihr Kleid und bie Bedeckung der
Pferde gruͤn ſein. So geſchah es am andern Morgen,
ih war mit den Hochgemuten früh bereit; ich verſtach 13
Speere; dann ‚begab ich mich heimlich in mein Gezelt und
von da rannte ich.auf ben Berg, mo ich mein grünes Wap⸗
penkleid bereitet. fand, mein Wappenrock und meine Dede
waren von grünem Sammet, und ‚mein Schild und Helm
waren grün, eben fo meine ‚42 Speere, meine Knechte
woren grün und ihre Pferde. Ich nahm nun.ein grünes -
Speer in meine Hand und ritt zum Ziofliren hin. Wohl
100 Ritter fand ich fehon im Arbeit; ich freute mich, daß
wich niemand erkannte. Mein Bruder kam zuerſt gegen,
mich und ſprach: ihr, guter Ritter, folt mich zuerſt vor
allen beſteh'n. Aber ic ſchwieg und wandte mich yon
366 Zweiter Abſchnitt. Mitterichen.
ihm. Da beſtand mich ein biederer Mann, Hug von
Tiufers, er war reich geziemirt und ſein Speer wonnig⸗
lich. Wir fehlten beide nicht, er traf mich an das Kollet
und ich ihn an den Helm, die Splitter flogen hoch, und
die Leute kamen zum Schauen herbei; wir beibe verflachen
wohl 10 Speer auf einander. Da kam Herr Hadmar
von Kunringe, deffen Zimier ganz golden war. + Sch nahm
mein Rod zu den Sporen und unſ're beiden Speer zers
ſplitterten, die Schilde zerfloben und uhftte-Knie berührt:
ten ſich; doch gefhah die Tioſt nicht ohne Schaden: er
flach mir in den Arm und ich empfahd mich -was wund;
Boch erfuhr er es weder, noch fonft da-Femand. Wir ries
fen beide: Speere! Speere ber! Cein Aufruf, der bei alten
Turnieren überaus oft erwähnt wird.) Man gab fie uns,
und “wir verftachen wieder 7 Speer, mwöranf er feinen
Helm abband (das ſchon angeführte Beichen, nicht mehr
zu tämpfen). Hierauf baten meine Knaͤppen bie Ritter,
flilte zu halten, und ich trabte vom Felde, aber alles Volk
ritt mir nach; da kam der Markgraf Heinrich von Yſter⸗
reich, er ſprach: laſt diefen Ritter fahren, wohin er will,
ba es fein Wille iſt, ımbelennt zu bfeiben. :-Mun ritt ick
. bin, wo mich niemand fah, ich entwappnete mich fchnelf,
und Fam anders geziemirt- auf dad. Feld zuruͤck. Ich vers
ſtach noch am Abend 6 Speer, worauf die Nacht unferm
NRitterfpiel ein Ende machte.” Die Ritterſchaft dauerte
40 Tage, und bie Ritter waren gar nicht zur Bermittelung
ber Sühne zu bringen, da fie das Ernſthafte „vermieden
und nur dem Vergnuͤgen des Kampfes nachgingen. Diefe
Luft war die ganze Zeit Aber nur ein freies Lanzenſtechen.
-
4, Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 36;
Die Zürften ließen darauf, um der Sache ein Enbe zu
gewinnen, ankündigen, daß ber eigentliche Zurnei am
Montag feyn werbe. *
Ih brach ab Hätten und Gezelt (die in bem Mälds
chen angelegt waren), mit Freuden zogen wir vom Anger
in die Stadt, und Sammt, Zobel, Pfele, Hermin, Zen⸗
bal (zu Wäffenröden und anderer Klelbimg), fchnitt man
freudig ohne Maßen viel zum Zurnei, Süber. und Gold
wurde auf Zendal gelegtz mancher, der das nicht:hatte, ſchnitt
Buckram (ein minder koſtbares noch unbekanntes Zeug),
jeder ziemirte ſich, wie er wollte, auch dachte man darauf,
den Turnei mit Witzen zu theilen.“ Wrich v. L. giebt
darauf an, wer und wieviel Ritter auf jede Seite gewählt
wurden. Die Theilung gefihieht in zwei Schaaren. -. :
„Am Montage, ald ber Tag aufging, diente man
Gotte, nah der Meffe. hub ſich großes Gebrang von
Knechten in allen Gaffen, laut war der Schall von Pos
faunen, Flauten, Hoͤrnern und Paukenſchlagen. Die
Kroiere liefen freudig umher und riefen: Nun zieht aus,
ihr edeln Ritter gut! Nun zieht aus und ſeid freuden⸗
von! Nun zieht aus mit hohem Muthe, fo fehen es die
Boten der Frauen! Nun zieht auf das geld, da liegt ber
Lohn der Minnegehrenden! Alle zugen mit Schalle aus.
der Stabt, ber Rottmeifter einer jeden Rotte bat die eis
nigen, Acht zu haben, damit ihnen Preis würde, und daß
fie fich nicht dringen ließen. So waren fie.auf dad Feld
gefommen, bad von manchem lichten Banner wonniglich
glänzte, man fah ba viele leuchtende Speer und manchen
Helm ſchoͤn ziemirt, Der Glanz der Helme und Schilde
368 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
leuchtete manchem ſo in das Auge, daß er kaum fehen
mochte, bie Ziemir und Wappenkleider ſchienen mit der
Sonne zu ſtreiten. Da ſah man den von Stubenberg
(mit 34 Rittern) uͤber Feld her ſtapfen, gegen ihn kehrte
Herr Hadmar v. Kunringen; er fuͤhrte die Seinigen (31
Ritter) gegen die Schaar des von Stubenberg.-und er⸗
mahnte ſie, ritterlich zu tioſtiren; auch Herr Wolfing er⸗
mahnte bie ihm folgten, er fprach: Herr Hadmar will uns
die mit Sperren beftchen, nun flapfet ihm entgegen, daß
ein Duneis (Kampf, Lanzenrennen) hie geſchehe, wie ihn
Gott felber. gerne fehen mögte.. Sie Hapften zu emanber
md als fie kaum noch eines. Roffelaufes weit getrennt
waren, dba war Punirens Zeit, man ſaͤh fie.an einander
kommen und Mann und Ros fallen. Laut frachten Speere
send Schilde, mancher warb ‚fo gefloßen, daß ihm bie Knie
ſchwollen, mande holten Wunden und Beulen; fie woll⸗
ten umkehren, ba wurde manchem der Helm abgebrochen,
manch Speer erflang auf Helmen, viele Schilde zerbrachen. j
Herr Habmar von Kunringen mufte mit feiner Schaar
entweichen, da kam ihm. ber reiche von Murede (mit 40
Kittern) zu Hülfe und ritt gegen ben von Stubenberg,
ba Fam diefem der biedere Mann von Orte (mit 36: Rit-
tern) zu Huͤlfe.“ (Man fieht, wie immer eine Ahtheilung
nach der andern mit in den gemeinfamen Kampfı. das
Gefellenftechen, verwidelt wurde.)
„Herr Hug von Ziuferd unb Herr Hermann von
Chransberg ritten mit ber Schaar (jemer mit 20, dieſer
mit 8 Rittern) auf einander, und beide wichen nach dem
Puneis eines‘ Aders Weite. Der Graf von Lichenau
4, Abtheil. Turniere und Lanzenkennen. 369
rannte ba tapfer den von Lenzenbach ar, fein Rod: warb
don dem Stoß verbuget, davon Fam ber Graf auf das
Land; Herr. Sifrid von: Dozenbach und Here Gottefrieb,
fein Better, biefe zween biedre Mann brachten das Ros
des Grafen fort, dann kamen fie zu ihm zuruͤck, wo «er
im Klee lag; er hatte vom Treten Schmerzen gelitten.
Seine Ritterſchaft kam mit Tünftlihem Reiten, voran
Herr Heinrih von Wigan, fie trennten den Zhumsogt -
mit feiner Schaar von ihrem Herrn. Es ritten auf. ein⸗
ander der Graf von Hunenburg und ber Graf Hermann
und ein lauter Schall ertofite von ihrem Stoß über das
Fed. Der Graf von Tyrol rannte den von Kärnthenland'
an, ihr beider Puneid wurde gut. Nach ihnen beiden
kam ihre Schaar, daß das ganze Selb erklang, da wurbe
-gerüngen und gefchlagen, und von ben Stößen ſaß mans
ches Ros anf die Hechfen nieder. Noch hielt ber Fuͤnſt
Leopold und bei ihm Diepolt, der Markgraf. Gegen ven
bielf der Markgraf Heinrich von Hflerreich, und bei ihm
der von Görz, beide Eehrten mit ihren Schaaren gegen
den von Defterreich. Faſt wich der Zurnei auf den von
Deſterreich, darlıber wurde der reiche Fuͤrſt zornig, da ritt
er und die Seinen durch ben Zurnei und man hörte laut
‚die Speere krachen. Ritterlich punierte der von Yſterreich
und Graf Meinhard von Görz, wenige Schilde blieben
ganz und manches Ros ward verbuget. Nun war der
Zurnei von allen Seiten gemengt, man hörte Schalten,
man fah Ringen. Der Graf von Goͤrz kam ritterlich an
den von Defterreich, er nahm den Fuͤrſten in dem Zaum,
der Fürft aber vergaß fich nicht, er nahm dem Grafen
24
:370 : : Bwehter Abſchuitt. Notterleben.
‚feinen Helm und bie Ritterfchaft kam dem Füuͤrſten Leo»
pold zu Hülfe, der Markgraf Diepolt führte fie an, da
ward der Graf von Görz genommen, der fich aber boch
wehrte, ald ein ritterlicher Mann. Da der biebere Rubolf
von Raſe fahe, in welche Noth der Graf Meinharb von
Goͤrz gefommen, fo fah man ihn mit 50 Rittern herbei=
. fprengen, unter benen ber biebere Heinrich von Luͤnz war;
‚fie halfen ihrem ‚Herren von dann; da ward großer Klang
von Schwerbten und großes Gebränge vom Stoßen. Da
der von Rafe fo ritterlich den Grafen- errettet hatte, wollte
er nicht ohne Gewinn von bannen ſcheiden, er ritt hin
und her durch des Zürften Schaar, bis er ‚Herrn Heinrich
von Triwanswinkel gefangen hatte. Der biebre Markgraf
Diepolt erwarb Ehre an dem Zage, er ritt vor: dem von
Defterreich her, eben fo ritterlich that der von Schlüffels
berg gegen ben Feind.”
„Herr Dietmar von Lichtenflein brach wonniglich ge⸗
ziert durch die Schaar, er verfchwand (verfchwendete, ver=
ſtach) wohl an dem Zage fünf und zwanzig Speer bie
und dort mit feiner Hand; viele Helme er abbradh, bie
und dort ritt er, und nach Preiß fiund fein Begehr, er
ritt oft durch den Turnei und Beiner bat an dem Tage
mit ritterlicher Arbeit beffer gethan. Mit dem Schwerdte
hauend ritt der biedre Mann von Küngesberg hin und
her (wir fehen alfo, daß auch diefes während des Lanzen⸗
tennens erlaubt war), er verftach auch ‚viele Speere und
führete 5 Ritter gefangen. Wolfger von Gors verſtach
wohl 20 Speere, der warb wohl an biefem Tage nicht
um Gut, fondern um Würdigkeit. Herr Drtloff von
4. Abtheil. Kurniere imb Pangentennen. 371
Graͤtz errang an biefeni Zage viele Ehre, er war getreu,
kuͤhn und weiſe. Herr, Ulrich von Murberg zeigte fich rit⸗
terlich, wie er ſchon oft gethan, ‘er war einer der Veſten
won Steierland. Herr Ottodar von-Wolkenſtein glaͤnzte
geziemirt als ein Engel, das war ſeine Sitte, wodurch
er fich bei Frauen beliebt: machte; man fah.ihn wie einen
Sturm durch, die Haufen brechen: mit Recht war er von
den Frouen geliebt ,. denn er verdiente es fehr theuer, auch
fprach fein Mund ſtets gut vom ihnen. Der werthe Orto
von dem Waſen geigte ſich mit dem: Speer als “ein guter
Ritter. Der Hatte Heinrich von. Chiom brach ritterlich
durch den Daufen,. er fam an ben Grafen von. Tyrol,
ben er mit großer Kraft von aller feiner Bitterfchaft weg
zu fih nahm, ex wollte ihn: gefangen mit fich führen,
wogegen ſich ber. Biedere fehr weite Herr Otte von
Meizen erbat aber mit großen Buͤrgen von bem Herrn
Heinrich von Chiow, daß er ben Grafen frei ließ; denn
er brach ihm den Helm vom Haupte, ba mufte ber flarfe
Mann den Strafen laſſen.“ .
„Der Schenke Herrmann von Ders ritt tapfer
hin und her, der Herr Reinher von :Eichelberg brac, wie
ein Falke durch die Schaaren, und. mancher flolze Ritter
mufle vor ihm niederliegen. Herr Kun von Friedberg ges
wann 4 Roſſe, ber Held arbeitete nach Gut, drum errang
er befien ‚auch viel; wo er es mit Ehren mochte haben,
ließ er eö ungern. ‚Eben fo warben. ba Hetr Otte und
Herr Heinrih von Buches um Gut, ed kuͤmmerte fie
nicht, wer viel Speer verſtach, denn fie warben mehr um -
But, als um wie werthen Weib. Man verflah an dem
j 24*
372 Qweiter Wſchnit: Ritterleben.
Tage wohl 1000 Speer, viele Ritter wurden gefangen,
wohl 450 ‚verloren ihte Roſſe, einer. band ermuͤdet feinen
Helm ab, den fans man traurig, mandem daͤuchte ber
Tag und ber Tumer zu kurz. Was ih an bem Tage
und wohl fonft wo nody gean, wi. ich verſchweigen aus
Zucht, ich fage nur fo viel: ih. war ba nit ber Beſte
und auch nicht ber Boͤſte
„Es wurde Abenb,. man band die ‚Heime ab und alle
zogen in bie Stadt, we manches fehöne Bad bereitet war.
In der Nacht babeten die Ritter, mancher war ohnmaͤch⸗
tig vor Muͤde, dem verband man die Wunden, der ließ
fich ſalben, dem thaͤt der Arm weh, dem das Knie, mans
cher war wie todt vor Schlaf, ein anderer litt von Ge⸗
danken Pein und dachte: ei! wie hab' ich heut gefahren,
das mus mich wundern! — Am andern Tage muſten
die Gefangenen manches koͤſtliche Pfand einſetzen, und die
Gut gewonnen hatten, ſah man in freudiger Geberde.
Der Fuͤrſt Leopold ſandte nach dem von Yflerreih und
auch nach dem von Kaͤrnthenland und verſoͤhnte fie beide;
nach dreien Tagen ſchieden ſich die Fuͤrſten.“
Died rege Gemälde eines Turniers belehrt uns über
mehres, was von den allgemeinen Turnierordnungen ab⸗
wich und das Ganze nicht zu ſo einer geregelten Uebung
machte, wie die andern Turniere waren, ſondern mehr zu
einem geſelligen Spiel, einem Ringelrennen, einer Probe
der Tapferkeit diente. Darum auch keine ausgeſetzten
Daͤnke, ſondern ein jeder mußte ſich ſeinen Preis ſelbſt
gewinnen, in Gefangenen, oder im Ruhme der Tapfer⸗
keit, oder in Bewunderung der Frauen. Hier war auch
4. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 373
nicht der gemeffene Gang ber Turniere, mit Kolben,
Schwert unb Lanzenrennen, mit Zurniervögten und fo
weiter, fonbern alles Fam auf ben Buhurd hinaus, auf
das Sefellenfiechen, das Stechen einzelner Scharen gegen
einander, welches wir ſchon in den Nibelungen finden,
und welches fo geftaltet war, wie es auch zum Ernſt in
Schlachten Statt fand. Die andern Nachrichten von Zurs
nieren in Ulrichs v. Lichtenflein Frauendienſt flimmen mit
dem Auögezogenen überein, und «3 wuͤrde zu weitläuftig
werden, aus biefem Werke hier noch Ferneres anzuführen,
um fa mehr, da noch manches in ber Abtheilung von den
Ritterzuͤgen wirb berührt werden muͤſſen. Nur dies geht
ned aus des Ulrich von Lichtenflein Frauendienſt hervor,
daß, auch bei eigentlich zu einzelnen Lanzenrennen be=
fiimmten Ritten, zwei, ja wohl drei auf einmal ober we⸗
nigſtens dicht hinter einander, auf eimen losrannten, wo
alfo ein eigentlicher Buhurd entfland. Man ſchien dies
nicht ald etwas Eigenes ımb Ungemöhnliched zu betrach⸗
ten, und bie Stellen barirber lauten fo: (S. 126, als
Ulrich mit dem Thumvogt von Wien kaͤmpfen will) „man
gab mir ein Speer in die Hand, ein anderer Ritter Gun⸗
dadar von Steir war indeß herfür gefommen, ber mit.
dem Thumvogt zugleich gegen mich rannth, ich kam ihnen
entgegen, den vordern fehlte ich, aber ben zweiten traf
mein Zioft an den Hals, wo Schild und. Helm zufams
mengeht, fo daß. bad Koller aufgefiennt würbe, und daß
ver florfe Mann fich etwas neigte, beibe aber ;verflachen
auf mich ihre Speere, und ber von Steir war froh, daß
er ein Fingerlein von mir verdient hatte. Auf dem Zelbe
374 3weiter Abſchnitt. Nitterleben.
drungen fie nun fo ſehr bin und ber, baß ich mir Beinen
King (keinen freien Umkreis, um einen tuͤchtigen Anlauf:
mit dem Hoffe zu. nehmen) gewinnen mochte, das war
mir verdrießlich, oft rannten ihrer drei zugleich
gegen mid, fo groß. war zu tiofliren ihre Gier, dann
faß ih mit Kunſt deſto fefter und. bat Gott meiner zu
bewahren.” Sa auch ©. 243: „oft rannten zwei einen
an.“ — |
Wie nun auch bie alten Gebishte ein Turnier au dem
Hofe. des Königs Artus befchreiben, wird am beften aus
der Anführung eines Abfchnittes im Jiturel: Das Zurs
nier zu Floritſchanze, fih ergeben. „In Böniglicher
. Beife wollte Artus Ritter fohlagen, aber nicht in ber
Stille, ſondern ‚offenbar, daß von dem Buhmb Berg, .
Wald und das Gefilde erfrachen follten. Die Kitterfchaft
erhob _fih an dem Morgen; ein Erzbifhof gab da ben
Helden Schwerdt und babei feinen heilbringenden Segen,
ibm half der König, wie er mit Recht ſollte. Reiche
Banner wehten anf bem Felde, unb alles mahnte an, den
ſtarken Buhurb nicht zu laſſen. Groß warb dad Getöfe
von Handtrommeln und Poſaunen. Beute und Roſſe duls
deten manche Pein von den Stößen bei dem Gegeneinan=
berprallenz; der Meite Plan von Floritfehanze warb zu
enge von bem Ueberflus der Ritter, wenn fie ben weiten
Anlauf zu ihrem Buhurb nahmen. Wie durch ein Grobe:
ben bewegte ſich Floritſchanze, und wenige der neuen
Schilde fah man noch unverletzt, mit ihren Stlden war.
das Grab beftreut, fo daß manches Ros barin ftrastheite
und durch fein Fallen der Geliebten bed Ritters Irauern
*
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 375
verntſachte. Die Banner verwirrten ſich in einander an
den Lanzen und manches warb von ber. Gleve abgezerrt.
Ueberall erſchallten auf dem Gefilde Tamburen und Po:
ſaunen, wenig Ruhe und Stilleſtand wer, und von dem.
gewaltfamen gegen einander Laufen [wollen den Pferden .
bie Bruft, den Rittern die Knie. — Nachdem die Müs :
digkeit die Ritter vor einander. ſchied, ‚zeigte fich die Milde
des Königs Artus in den reihen Geſchenken, die er gab,
und wie er viele yon Schildfnechten zu Rittern, von Chelz
knaben gu Knappen gemacht hatte, fo wuſte er vielen.
auch noch andere füßere Belohnung zu geben, indem er
fie mit reihen Zungfrauen feines Landes vermähite, ſo
daß manche Magd. heute. frei war, ‚die morgen Mannes
tigen, und mancher Ritter wor heute ohne Rand, ber.
morgen Leute und Land befaß. Die Ermüdung nach dem,
Tuxrvier war fo groß, daß man drei Zage lang die Roſſe
und den Kampf zu meiben .befchlos. Da freuten ſich die-
Jungen, daß fie nun ben werthen Frauen näher fein ſoll⸗
ten, daß fie nun fröhlicher Zanz, Haͤndedruͤcken, Sehnen
und Meiden beglüden follte. Am vierten Morgen wollten.
fie. wieber die Ros zu Felde reiten (d. h. zum Kampfe),
und Artus gebot, daß fie alles Uebermaaß vermieden,
damit ihnen nicht Zrauern aus der Freude -erwüchfe. So
dauerte bad Turnier ben Tag liber, bis es zu dunkeln begann,
ba zogen fie der vorgeführten Fahne nach zu Haufe. —
Der Kampf währte nun noch in allem 30 Tage: an wel⸗
chem jeglichen andere Könige mit ihren Ritter» Schaaren
zum Kampf aufziehen. — Als nun die Ritterſchaft (d.
h. die ritterliche Uebung) geendet, als reiche Geſchenke
376 Zweitet Abfchnitt. Nitterleben.
vertheilt waren und ein großes Mahl die Ritter erquickt,
da nahmen ſich Koͤnige, Fuͤrſten und alle, die da waren,
bei den Haͤnden, zu einem Tanz, der ſeit manchen Jah⸗
ıren nicht fo treflich geſehen und mit Schönheit und Freude
vollendet wurde.” Hieher gehört auch eine Geſchichte aus
dem Leben des Ritters Boucicaut vom Sahre 1390, nicht
ein eigentliched Turnier, fondern ein ſcharfes Lanzenrennen
. betreffend: Dem Ritter Boucicaut ließ bad erlangen,
feinen Muth zu zeigen und Ehre zu-eriverben, beinen an»
dern Gedanken, ald wie er feine fchöne Jugend in ritter
Uichen Thaten vollbraͤchte. (Wie er fih zum Ritterſtande
übte, haben wir fon oben im Jugendleben gefehen.)
Dies trieb ihn duch: zu dem Unternehmen, welches er,
als ihm der König Urlaub gegeben, in- mehren Königreis "
hen und chriſtlichen Landern, in England, Spanien,
Aragon, Deutfchland, - Italien, verkünden ließ. Allen
Sürften, Nittern und Knappen warb entboten, daß .er,
begleitet von 2 Rittern, Roye und Sumpy, 30 Tage
lang einen Paß vertheidigen werbe, wenn nicht wichtige
Gründe ihn früher abriefn. Vom 20. Lenzmond bis zum
20. Oſtermond wollten bie drei Ritter bei Ingelbert, zwi⸗
ſchen Boulogne und Calais, jeglichen erwarten, bereit und
geruͤſtet, mit allen Nittern, bie es verlangen möchten,
täglich zu kaͤmpfen, Freitags ausgenommen. Jeder ber
drei Ritter ſollte bis zu 5 Stoͤßen mit fcharfer' oder ſtum⸗
pfer Lanze gehen; ‚gegen Feinde des Königreich! nähmlich
auf die eine oder die andere Weife, nach ihrem Verlangen,
gegen Freunde des Landes aber, welhe zum Kampfe ers
dienen, nur mit flumpfer Lanze. Diefe Verfündigung
ı
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 377 |
geſchah 3 Monate vorher, bamit bie Nachricht von ber
Unternehmung weit verbreitet würbe, und auch aus ber
- Ferne viele Ritter herbei kommen möchten.
As die Zeit heranrüdte, nahm Boucicaut Abfchieb
von dem Könige, und begab fich mit feinen Kampfge:
nofjen an ben genannten Ort. Hier ließ er in einer weis
ten Ebene fein Gezelt auffchlagen, das groß, fchoͤn und
Töftlih war. Daſſelbe thaten feine Gefährten, jeglicher
für fih. Vor ben 3 Zelten, in geringer Gntfernung,
ſtand eine. große Ulme. An brei Zweigen dieſes Baumes.
hingen bie Schilde, zwei an jedem, das eine für den Frie⸗
den, dad andere für den Krieg; aber auch bie Krieges⸗
ſchilde waren nicht von Gifen oder Stahl, ſondern alle.
waren von Holz. Neben den Schilden flanben an jeden
Zweig 10 Lanzen gelehnt, 5 für ben Frieden und 5 für
ben Krieg; (nämlich fcharfe ober ſtumpfe Lanzen.) ' Auch
ding an dem Baum ein Horn, und ber Berfünbung
gemäß mußte jeder, welcher den Kampf befiehen wollte,
in dies Horn blafen, und wenn er ernfllichen Kampf verz
langte, auf das Kriegeöfchilb fchlagen, oder, wenn er mit
ſtumpfer Lanze zu kaͤmpfen begehrte, auf das Friedens⸗
ſchild. Jeder der 3 Ritter hatte fein Wappen über feine
2 Schilde geftellt, welche verfchieben "gemalt waren nah .
ihren Wappen, bamit jeglicher wüßte, wen er zum Kampf
herausforderte.
Boucicaut hatte ein großes und ſchoͤnes Zelt aufſchla⸗
gen laſſen, wo die Fremden ſich bewaffnen, aufhaͤlten und
erfriſchen ſollten. Gleich nach dem Schlage auf das
Schild mußte derjenige, dem es gehoͤrte, auf dem Streit⸗
378 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
roſſe mit der Lanze bewaffnet und kampffertig hervorſpren⸗
gen, oder alle 3, wenn drei Kaͤmpfer an bie Schilde ge⸗
ſchlagen hatten. Gute Weine. und: Lebensmittel ließ Bou⸗
cicaut auf ſeine Koſten reichlich herbeiſchaffen, um waͤhrend
der Dauer des Kampfſpiels alle, die ſich einfaͤnden, zu
bewirthen. Jeder der drei Ritter hatte zahlreiches Gefolge.
Es waren Herolde, Trompeter und Spielleute genug und
Volk von allerlei Stand.
Am erſten Tage des Kampfſpiels ſtanden die Ritter
gewappnet und geruͤſtet in ihren Zelten, bie Kämpfer ers
wartend. Boucicaut war nor allen gar flattlich gekleidet.
Und da er glaubte, daß vor Ende des Kompfipielö viele
Fremde, fomohl Engländer ald andere, erſcheinen wuͤrden,
fo nahm er; um anzudeuten, daß er zu jedem Kampfe
bereit und gerüftet wäre, ben Wahlſpruch: Was ihr wollet!
und ließ ihn auf alle feine: Wappen fegen.
Die Engländer vernahmen die Kunde: von. dem ehren:
vollen Unternehmen, und bie Meiften und Angefehenften
unter ihnen fagten, fie wollten bei bem Kampfſpiele nüht
fehlen. Gleih am erſten Inge kamen ihrer viele mit
glängendem Gefolge. Als nun Boucicaut gewappnet in
feinem Zelte fand, und feine Waffengefährten in ben ib:
rigen, da kam ber Bruder des Königs Richarb von Eng⸗
land (der Graf von Hunctincten), mit zahlreichem Gefolge
und voranziehenden Spielleuten auf feinem Streitroß
heran. Er ritt gar fol; rings um den Platz, und ald
diefes gefchegen, ging er zu dem Horn und blies ſehr
laut; barauf fchlug er an Boucicauts Kriegäfchild, das er
fih wohl gemerkt hatte.
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 37)
Es zögerfe nicht der wadere Ritter, der auf feinem:
guten Streitroffe gerade wie ein Schilfrohr ſaß; bie Lanze
in der Zauft, das Schild vor der Bruft, von Spielleuten
und Gefolge begleitet, trat er aus dem Zelte und ſtellte
fih zum Kampfe. Dann legte er Mid feine. Lanze ein
und rannte auf feinen Gegner, ber auch ein fehr waderer
Ritter war und ihm zu begegnen wußte. Sie trafen
fih alsbald und gaben einander fo Fräftige Stöße auf
ihre Schilde, baß beide ſich rüdlings überbengten und bie
ganzen in Splitter flogen. Laut rief man nun’ ihren
Namen. Aber fie ließen fi neue Tanzen geben und
rannten wieber gegen einander. So dauerte es, bis fie
fih 5 Stöße mit ſcharfen Lanzen gegeben, und beide was
ten fo tapfer, daß keinen ein Vorwurf treffen Fonnte.
Als der Kampf geendigt war, gingen bie beiden Rits
ter in bie Zelte; aber Boucicaut hatte nicht lange Ruhe,
denn ed famen noch andere tapfere englifche Ritter, wel⸗
he ihn alle zu ernfllihem Kampf forberten. eine Waf⸗
fengefährten waren indeß auch nicht Iäßig, und es fanden
fih genug Hitter, von welchen fie zum Kampfe mit fchars
fem Eifen gefordert wurden. So dauerte es während ber
beftimmten Zeit, und mehr ald 40 Ritter erfchienen,
Spanier, Engländer, Deutfche, welche alle ernftlichen
Kampf begehrten, und gegen alle ward gerannt, bis fie
die Bedingung des Kampffpield erfüllt hatten; ausgenoms
men einige, die aufhören mußten, weil fie verwundet
woren. Als die Frift abgelaufen war, kehrte Boucicaut
nach Paris zuruͤck, wo er von dem Könige und dem Hofe
freudig aufgenommen und auch von den Frauen viel gefiert
380 Amelter Abſchnitt. Rktterkeben.
und geehrt ward. Nach Juvenal. des Ursins ſchenkten
die 3 Ritter ihre Pferde und Hornifche der Frauenkirche
zu Bonlogne.
‚Ein Gegenflüd zu biefen Rampfe und wahrfcheinlich
eine Nachahmung Wilelben, wie auch wohl Boucicant
ſchon ältern Muftern folgen mochte, ift der Kampf. ben
im Jahre 1434 Suero de Quinones in Spanien beging,
welcher in einer alten Handfchrift befchrieben warb *). Es
"giebt died zugleid audy ein Beifpiel aus dem’ Tpanifchen
Nitterleben. As ‚König Joann II mit feiner Gemahlin
Donna Maria, feinem Sohne und Erben Don Heinrich,
und dem erlauchten und berühmten Herrn Alvaro be Luna,
Großmeifter von Santiago und Gonnetable von Caſtilien,
und vielen andern Prälaten und Rittern feines Hoflagers,
in der edlen Stadt Medina del Campo am Neujahrötage
4434 Nachtd gegen ein Uhr in feinem Saale em fröhliches
Feſt feierte, da näherte fi dem Platze, wo der König
faß, ehrerbietig fi beugend, Suero de Quinones-mit
feinen 9 Rittern, alle von altchrifllichee Herkunft, alle
ganz gewappnet, Tüßte ihm. Hand und Füße, und ließ
ihm durch einen Herold eine Bittfchrift überreichen, fpls
gendes Inhalts: „Es ift ein billiges und gerechte Ver⸗
langen, daß diejenigen, welche in Gefangenſchaft find,
Freiheit begehren, und wie ih, euer Bafall und geborner
*) Libro del passo honroso, defendido por el excelente
caballere Suero de Quinones, copilado de un libro auti-
guo de mano, par Juan de Pineda. 1583. (neue Yuflage
Madrid 1783, 4.) Nad dem Auszuge bes Archivs für Geo:
grapbie, Hiſtorie C. 529 ff.
4, Abthell. Turnlere und Lanzenrennen. 381
Unterthan, ſeit langer Zeit einer edlen Frau dienſtbar bin,
und zum Zeichen jeden Donnerſtag dies Eiſen um den
Hals trage, das iſt bekannt geworben durch Herolde an
eurem Hofe, in eurem Weiche und im Auslande. Jetzt
‘ aber habe ich im Namen⸗des Apoſtels Jaldb meine Aus⸗
loͤſung verabredet, welche darin befleht, daß tch und biefe
geharniſchten Ritter 300 Yanzen mit mailaͤndiſchen Spiz⸗
zen im. Schafto brechen5 mit jedem Ritter nämlich, wel⸗
cher des Weges kommen wird, 3 Lanzen, fo baß diejenige,
welche verwundet, "für gebrochen fol gehalten werben. Es
fol dies geſchehen 15 Zage vor dem Feſte bes Apoſtels
Jakob, des Schutzheiligen eurer Unterthanen, und 45 Tage
nachher, wofern nicht vor: biefer Zrift ‚meine Auslöfung
vollbracht wäre. Ich werde mid) an der Straße befinden,
welche die meiflen Neifenden zu wählen pflegen, die zu
dem Begräbnißorte des Heiligen wallfahrten, und allen
fremden Rittern und Edeln, welche dert erfcheinen werben,
will ich- verkünden, daß fie Rüflungen, Pferde, Waffen
und Lanzen finden follen, deren fie fi bedienen Finnen,
obne Zurcht, durch einen leichten Stoß biefelben zu zer
brechen. : Allen achtbaren Frauen aber fei und, daß jede,
welche dabinzlommen wirb, wo ich mich befinde, wenn
fie keinen Ritter ‘hat, der für fie. kaͤmpfen Tann, ben
Handſchuh der rechten Hand verliert. Aber dad Gefagte
verfteht fi unter der Bebingung, daß Euer Königl.
Hohheit nicht fol gehalten fein, jene Probe zu beſtehen,
fo wenig als der erlauchte Herr Connetable Alvaro de
Luna." |
As der Herold dies Gefuch gelefen hatte, berieth
382: Baveiter Abſchaitt. Ritterleben.
fih der König mit feinen, Edeln, unb da. er fand, bag
man's gewähren müßte, bewilligte und ließ ‘er. die Witte
zu, wie fie vorgetragen.war, «auf daß ber wadere Suero
pe Quinones ſich alfo befreien möchte. Darauf ſprach der.
Herolb mit later Stimme im Saale: „Rund fey hiermit
allen Rittera und Edeln unfers erhabenen Königs, daß er
diefem Ritter Erlaubnis zu dieſem Unternehmen giebt,
unter der Bedingung, daß weder ber König noch fein
Gonnetable darin verwidelt werde.’
Nach dieſer Verkuͤndigung trat Suero zu einem der
Ritter, die im Saale tanzten, bittend, ihm ben Helm ab⸗
zunehmen, ging darauf zu dem Sitze, wo der Koͤnig und
der Kronprinz ſaßen, und dankte fuͤr die erhaltene Er⸗
laubniß. Er entfernte ſich alsdann mit feinen ritterlichen
Gefährten, ſich zu entwaffnen, und als fie ihre. Leibroͤcke
angelegt hatten, wie bie Sitte verlangte, kehrten fie im
den Saal zurüd, um zu tanzen. Sobald der Zanz geen«
Digt war, lief Suero die Gefehe bes Kempfes vorleſen,
welche alſo lauteten:
„Im Namen Gottes und ber heiligen Jungfrau,
unſerer Frau, und des heil Apoſtels Jakob, made ich
Suero de Quinones, KRitter und Vaſall des erhabenen
Königs von Caſtilien, und von ber Familie des erlauchten
Herrn Gonnetable, die Bedingungen meines Unternehmens
bekannt, ‚dad ich am. Neujahrätage vor gedachten groß⸗
maͤchtigſten Könige angefündigt habe. 1) Es wird. allen
Mittern und. Edlen, welche von biefer Waffenthat hören -
werben, verfündet, daß ich mit neun Rittern, die mir bei
ber Erlöfung aus ber Gefangenfchaft beiftehen, an dem
. %
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/ \
4, Abthell. Turniere. und Lanzentennen. 383
Paſſe bei der Bruͤcke von Orbigo, ein wenig: ſeitwaͤrts
vom Wege (fehd Stunden von Leon und duei non. Aſtor⸗
ga) mich ‚befinden werde, fünfzehn Tage vor dem Jakobs⸗
fefte, und. fünfzehn Tage nachher, wenn nicht früher. meine
Befreiung vollbracht wäre. Sie beſteht darin, daß breis.
„hundert Lanzen mit flartem Eifen in Eriegerifcher Rüftung
mehr ala doppelt liegen. :2) Alle frembe Ritter werden
dort Harnifche, Pferde und Ranzen finden, ohne daß dabei
ich. und meine Gefährten einen Vortheil erhalten. 3) Mit
jedem Ritter, welcher erſcheinen wird, werben brei Banzen
gebrochen, und jebe ift für gebrochen zu achten, bie einen
Ritter aus dem Sattel hebt und. Blut - fließen macht.
4) Jede achtbare Frau, welche bei jenem Orte, ober in
der Entfernung einer halben Stunde vorübergeht und
feinen Nitter bat, ber für fie den Kampf beftehen will,
verliert den rechten Handſchuh. 5) Wenn zwei Mitter
ober mehre kommen, den Handſchuh einer Dame zu löfen,
fol nur der erfle zugelaflen werden. 6) Da ed Manche
giebt, die nicht wahrhaft fieben, und begehuen möchten,
den Handſchuh von mehr ald einer Dame zu befreien, ſo
ſoll es nicht verflattet feyn, wenn die brei Lanzen mit ihm
gebrochen find. 7) Es werden don mir drei Frauen aus
diefem Reiche durch Herolde erngnnt werden, um bei dem
Unternehllien zugegen zu fein und durch ihr. Zeugniß zu
befräftigen, was vorgeht; aber ich verfichere, es fol nicht
ernannt werben die Dame, ber ich angehöre, unbefchabet
der Achtung gegen ihre großen Zugenden. Der erſte
Ritter, welcher auftreten wird, ben Handſchuh einer Dame
von mir zu loͤſen, fol einen Diamant erhalten. 8) Da
3684 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
J
einer oder zwei von uns, die wir den Paß beſchuͤtzen, von
ſo vielen zum Kampfe koͤnnten gefordert werden, daß ſie
ſolcher Arbeit nicht gewachſen wären, oder, wenn fie es
"wären, den übrigen Waffengefährten eine Gelegenheit
"zum Kampfe bliebe: fo fei allen fund, daß Niemand Je⸗
manden herausforbern darf, oder wiflen folf, mit wem er
tämpfet, Bis die vorgefchriebene Zahl von Lanzen gebros
hen iſt; aber jeber fei verfichert, daß fich ihm ein Ritter
oder Edler entgegenftellen fol mit untabelichen Waffen.
9) Werm aber Jemand, nachdem bie drei Ranzen gebros
hen find, noch mit Einigen ber Papvertheidiger befonders
zu Tämpfen begehrte, fo mag er feinen Wunſch Fund
maden, und ed fol, mwofern bie Zeit es erlaubt, noch
eine andre Lanze mit ihm gebrochen werden, 10) Wünfcht
einer der Ritter, die fih zum Kampfe ftellen, eined von
den vorgefchriebenen Stüden ber Rüftung abzulegen, fo
mag er's mir fagen laffen, und ed wird ihm gewillfahrt
werden, wern Zeit und Umflände ed geflatten. 41) Mit
keinem Ritter wirb gekämpft werden, der nicht zuvor
gefagt bat, wer er ift und woher. 12) Sollte einer ber
Ritter beim Kampfe Schaden nehmen an feiner Perfon
oder Geſundheit, wie's bei Waffenfpielen wohl zu gefches
ben pflegt, fo will ich dort, Damit er geheilt werde, for:
gen, wie für mich felbft, fo lange ald nothwkndig und
länger. 43) Wenn einer der Ritter, die fich mit mir
ober meinen Gefährten verſuchen, einen Vortheil über uns
erlangte, ſo verfichere ich ihm auf Ritterwort, daß er
weder von uns, noch von unfern Verwandten und Kreuns
ben deshalb fol zur Rebe geftelt werden. 44) Ieber
Nitter ober Edle, ber auf dem geraben Wege bie beilige
Wallfahrt nach Compoſtella macht, ohne fi) dem Paſſe
zu nähern, ben ich vertheidige, kann ungehindert von mir
und meinen Gefährten feine Reife fortfegen. 45) Jeder
Ritter, der von dem geraden Wege ausbeugend zu bem
Paſſe kommt, den ich befchüke, kann nicht weggehen,
ohne, zuvor die drei Lanzen zu brechen, ober eines von
feinen WVaffenftüden, oder den rechten Sporn zurüd zu
Aaſſen, mit der Verpflichtung, nie wieber ‚jene Waffe ober
jenen Sporn zu tragen, bis er eine eben fo gefährliche,
oder eine gefährlichere Waffenthat beflanden. 46) Wenn
einer meiner Gefährten einem der Kämpfer, welde fi
einfinden, eim Pferd töbtet, werde ich's ihm bezahlen;
wofern aber dieſe einem von uns ein Pferd toͤdten, fo
ſollen fie Erſatz leiften, wenn fie unredlich mit dem Gegs
ner verfahren.. 17) Wenn einer ber Ritter im Antennen
bad Pferd des Gegeners trift, und dieſer mehr oder weni
ger auf den Harnifch ftößt, fol. die Lanze für gebrochen
. gehalten werben, wegen der Unredlichkeit bes Gegeners,
der auf das Pferd geflogen. 418) Wofern einer der Ritter,
die zum Kampfe erfcheinen, nachdem eine Lanze gebrochen .
iſt oder zwei, nicht weiter ſich verfuchen wollte, fol er
bie Waffe oder den rechten Sporn einbüßen,; als ob er
hätte gar nicht kaͤmpfen mögen. 19) Alle inländifchen Rit⸗
ter, welche bewaffnet zu Pferde erfcheinen, den Kampf zu
beftehen, follen Waffen erhalten, und nicht mit ben ihrigen,
noch auf ihren eigenen Streitroſſen kaͤmpfen, um allen
Vortheil aufzuheben. 20) Wenn ein Ritter beim Kampfe
durch die erfle ober zweite Lanze verwundet wuͤrde, fo
25
4. Abthell. Turniere und Eanzenrennen. 385 |
4
386 Zwelter Abſchnitt. Kitterleben.
daß e er an dieſem Tage nicht weiter kaͤmpfen koͤnnte, wol⸗
len wir nicht gehalten ſein, den Kampf mit ihm zu er⸗
neuern, obgleich er ed für einen. andern Tag verlangen
möchte. 21) Damit Fein Ritter oder Edler aus Beforg-
nis, daß ihm nicht nad) Verdienſt feiner Tapferkeit Ge⸗
rechtigfeit widerfahre, unterlaffen möge, bei dem Pafle zu
erfcheinen; fo follen zwei alte ‚in Waffenthaten erprobte
und glaußwirdige Ritter und zwei Herolde zugegen fein.
Die Kämpfer; welche ſich einftellen, müffen denfelben eid⸗
lich verfprechen, ihnen in Allem, was wegen des Kampfs
foieles befohlen werben möchte, Folge zu leiſten; wogegen
ihnen die Kampfrichter und Herolde fhwören, fie gegen
Trug zu ſchuͤtzen und‘ wahrhaft nad Billigfeit und
Kampfrecht zu urtheilen. Sollten aber neue Zweifel,
welche nicht aus meinen Sampfgefegen gelöfet werben
koͤnnen, ſich erheben, fo wird, jenen Männern die Ent»
ſcheidung überlaffen, damit bie Vorzüge oder die Vor:
theile, die jemand durch bie Waffen fich erwirbt, nicht
verborgen bleiben. Die Herolde werden jedem, ber es
verlangt, ein fchriftliched Zeugnis geben, wie ed nad) feiz
nen Thaten der Wahrheit gemäß ifl. 22) Kund fei ed
allen Herren in der Welt und allen Rittern und Eblen,
welche von diefen Kampfgefeben hören werben, daß, wenn
die Srau, ber ich ergeben, bin, bed Weges kaͤme, fie frei
gehen fol, ohne daß ihre rechte Hand ben Handſchuh ver-
Kiere, und außer mir fol kein anderer Ritter für fie kaͤm⸗
pfen; denn ed ift niemand-in ber Welt, ber es mit fo
gutem Bug Pönne, als ich."
Als dies vorgelefen war, übergab Suero dem Wap⸗
4. Abthell. Tueniere und Lanzentennen. 387
penherolbe des Königs von- Caſtilien einen: Brief, worin
er benfelben bat, allen: Königen, Fürften und Herren, in
beren Gebiet er haͤme, zu fagen, wie Suero Dreihundert
Lanzen. zu feiner Befreiung zu brechen wünfchtes und ba:
ohne ben Beiſtand von Rittern, die mit ihm und feinen.
Gefährten kämpften, dieſe Erloͤſung nicht möglich war,
fo ſollte der Herbld Allen das Geſuch eroͤffnen, daß ſie
„aus Hoͤflichkeit und um der Liebe zu ihren
Damen willen“ ihm zu Huͤlfe kommen moͤchten.
Der Wappenherold verſprach, den Brief an die Hoͤfe
der Koͤnige zu bringen und oͤffentlich leſen zu laſſen, durch
ausgewählte Herolde aber denſelben an andern Orten bez’
kannt zu machen. Während ber 6 Monate, die von dem
Zage, wo bie Erlaubniß gegeben war, bis zu dem An⸗
fange des Kampffpield verfloffen, warb in der ganzen
Ehriftenheit die Kunde von bem Unternehmen verbreitet.
Suero benußte dieſe Zeit, Waffen, Pferde und die -ubrie
gen Beduͤrfniſſe herbeizuſchaffen. Es ward viel Holz⸗ge⸗
faͤllt in den Waͤldern bei der Bruͤcke von Orbigo zu dem
Baue deu Bühnen, ber Kampfbahn und des Saales.
Nahe an der Straße war ein angenehmer Wald, in deſſen
Mitte man eine große Kampfbahn von Holz, die 146-
Fuß lang war und Banzenhöhe hatte, erbauete. Die eine
Bühne, an dem einen Ende berfelben, war für Suero
und feine Gefährten beftimmt, wenn fie in den Augen⸗
blicken, wo fie nicht ſelber kaͤmpften, bem. Waffenfpiele
zuſehen wollten. Woran ftanden zwei andere, wo "bie
fremden Ritter vor und nach dem Kampfe fi aufhalten
fohten. Mitten in den Schranken aber erhoben fi zwei
25 *
368 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Bühnen, von melden die eine den Kampfrichtern, bem
Bappenkönige, den Herolden, ben Zrompetern und
Schreibern, die andre den ebeln Nittern beftimmt war,
weiche dad Unternehmen durch ihre Gegenwart - ehrten.
Sie beiden andern Bühnen waren den Übrigen Zufchauern,
den Trompetern und Dienern der Ritter, die am Kampfe
Theil nahmen, angewiefen. An beiden Enden ber Schranz
fen waren Thuͤren, von welchen bie eine ben Vertheidi⸗
gern des Paſſes zum Eingange diente, und hier war das
Wappenſchild der Quinones in dem aufgepflanzten
Banner zu ſchauen; durch die andre Thuͤre aber traten
die ritterlichen Abentenrer herein, welche den Lanzenkampf
beſtehen wollten, und auch hier war ein Banner des
Suers de Quinones aufgerichtet.
Es warb ferner ein Herolb aus “Marmor gebildet,
welchen man auf ein marmornes Geftell ſetzte Schoͤn
geihmäüdt mit Gewaͤndern und Hut, fiemmte er die linke
Hand in bie Seite und deutete auf die Landflraße mit
der rechten, auf welcher gefchrieben fland: Hierher
geht's zum Paffe!. Diefer fteinerne Herold warb jenz
feitö der Brüde von Leon an ber Landſtraße aufgeſtellt
am 10. Julius, dem erſten Tage ber Kampfſpiele. —
An demſelben Tage wurden zwei und zwanzig Zelte er⸗
richtet. Die beiden groͤßten ſtanden an dem Eingange der
Schranken, welcher den fremden Kaͤmpfern angewieſen
war, und dienten dieſen, ſich darin zu bewaffnen. Die
übrigen waren Wohnungen fuͤr die ritterlichen Abenteurer,
fuͤr die Paßvertheidiger, fuͤr die Zuſchauer, und fuͤr das
Gefolge und die Diener der Kaͤmpfer. Mitten unter dieſen
3. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 389
Zelten war ein hoͤlzerner Saal von Gitterwerk errichtet,
ganz behangen mit koͤſtlichen franzoͤfiſchen Teppichen. Es
ſtanden darin zwei Tiſche, der eine für Suero und bie
ritterlichen Kämpfer, ber andre für die übrigen vornehmen
Säfte. Im Hintergrunde war ein reich befeßter Schenk⸗
tiſch, und nicht weit von bem Saale floß einer ber Fluͤſſe,
welche den Bald umgaben. Biel edle Herren chrten das
Kampfſpiel durch ihve Gegenwart, und Suero bewirthete
alle in einigen nicht weit entfernten Dertern, welche ſei⸗
nem. Bater gehörten. Auf Suero's Geſuch fandte feine
Mutter gleich Anfangs eine edle Frau, Elvira Alvarez,
bie Sattin eines wadern Ritters, zu dem Pafle, wo fie
mit. ſechs andern Frauen als erfie Krankenmwärterin bie
Ritter, welche bei- den Kampffpielen verwundet würden,
verbinden umd pflegen follte.
Am felbigen Tage, Sonnabendd den 20. Julius,
meldeten des Wappenkoͤnig und ber Herold dem Ritter
Suero und den Kampfrichtern, es wären bei der Brüde
von Drbigo drei Ritter, welche den Lanzenkampf zu beftes
ben begehrten. Der eine war ein Deutfcher, Namens
Arnold von Rothwalb (Arnaldo de la Floresta bermeja),
aus der Mark Brandenburg, die andern zwei Brüber aus
Valencia. Erfreut über die Ankunft fo mannhafter Ritter,
lieg Suero fie in fein Zelt einladen. Sie erſchienen,
und Suero empfing fie ehrerbietig am ingange der
Kampfbahn, in Gegenwart der beiden Richter. Sie fag-
ten, es hätte bie-in ber ganzen Chriftenheit verbreitete
Verkuͤndigung fie herbeigerufen, und fie winfchten.ben
Kampf zu beginnen, ehe andere fämen. Die Kampfrichter
N
390 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
wieſen den Wappenkoͤnig und den Herold an, den drei
Rittern, weil ſie funfzig Schritte von den Schranken vor⸗
uͤber gezogen waren, die rechten Sporen abzunehmen, bis
die Kampfſpiele angefangen haͤtten, wo man ſie allen
zuruͤck geben wollte. Die Sporen wurden abgelegt und
feierlich an einem franzöfifchen Teppich aufgehängt, ber ſich
auf der Bühne der Nichter befand.
Am folgenden Zage, bei Anbruch des Morgens, er:
tönten die Zrompeten und andre Bladinflrumente und
entzundeten mit Kampfluft die Herzen ber Krieger.
Suero de Quinones erhob fih mit feinen neug Ges
fährten, und als fie die Meffe gehört hatten, zogen fie auf
ben Kampfplag in die Schranfen. Suero erſchien auf
einem Eräftigen Roſſe, das mit blauer Dede geziert war,
worauf fein gewähltes Sinnbild und das Halseifen in
Stiderei fih zeigten, und über jedem Sinnbilde flanden
die Worte: I faut deliberer. Er trug einen Waffenrod
von olivengrünem Sammel, Beinkleider von Scharlach
nach italienifchem Schnitt, gine hohe Scharlahmüge und
reich vergoldete italienifhe Sporen. In der Hand hielt
er das vergoldete entblößte Schwet. Am rechten Arm
war um den Muskel ein Bild von feiner Unternehmung
in Golb gearbeitet, zwei Finger breit gewunden, und
umher ſtand mit blauen Buchſtaben:
$i A vous ne plait de avoyr mesure,
Certe je dis,
Que je suis
Sans venture.
Ihm folgten auf fchönen Pferden drei Pagen, auf bern
blauen Baffenröden dad Sinnbild des Ritters erfehien.
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 391
Die Pferdebede bed. erfien Pagen war von buntem Das
maſt, mit Zobel verbraͤmt, und mit biden, ſilbernen Rol⸗
len geſtickt. Auf dem Haupte trug der Page einen Helm,
uͤber welchem ein großer vergoldeter Baum mit gruͤnen Blaͤt⸗
tern und vergoldeten Fruͤchten ſtand, an deſſen Fuße ſich
eine gruͤne Schlange emporwand — wie an dem Baume,
woran Adam ſuͤndigte — und mitten durch den Baum
ging ein Schwerdt, worauf die Worte ſtanden: Le vray
ami. In der Hand trug er feine Lanze.
Bor Suero ritten feine neun Woffengefährten, einer
hinter dem andern, . in ſcharlachenen Waffenröden und
Beinkleidern, und alle trugen in Gtiderei dag Sinnbild.
ihres Anführers, fo wie auf den blauen Pferdedecken ben
Wahlſpruch: Il faut deliberer., Bor ihnen warb von
zwei fchönen Pferden ein Karren voll Ranzen gezogen,
welche von breierlei Art waren, dide, mittlere und bünne, -
bie aber alle einen ziemlihen Stoß aushalten Eonnten.
Ueber bie Lanzen wären blaue und grüne Deden gebreitet,
auf welchen Dieanderbäume mit ihren Blumen geftidt
waren, und auf jebem Baume war ein Papagei abges
bildet. Oben faß. ein Zwerg, ber ben Karren lenkte.
Den Anführer begleiteten mehre Ritter zu Fuße, wovon
ginige fein Pferd am Zügel führten, um ihre Ehrerbietung
ober ihre Ergebenheit ihm Zu bezeugen,
Sp erfhien Suero in den Schranken, und als er
fie zweimal umritten hatte, bielt ex beim zweiten Mitte
mit feinen. Waffenbrübern vor der Bühne ber Richter,
welche er bat, ohne Freundſchaft oder Feindſchaft über
alles, was hier vorgehen möchte, zu urteilen, allen
392 Biekter Abſchnltt. Ritterleben.
gleiche Waffen zu geben, jeglichem die Ehre und den
Ruhm zu ertheilen, ben er durch Tapferkeit und Geſchick
lichkeit verbiente, und bie Fremden zu ſchuͤtzen, wenn fie,
wegen Verwundung eines Paßvertheidigerd, von andern
follten angegriffen werben. Fruͤh am Montage — wie an
jedem Tage, fo lange die Kampffpiele dauerten — hörte
Suero mit feinen Waffenbrübern und ritterlihen Gäften
die Meſſe in dem großen Zelte, wo er eine Kapelle und
einen Altar mit koͤſtlichen Reliquien und reichen Verzie⸗
rungen hatte. Darauf gingen die Kaͤmpfer in ein anderes
Zelt, um ſich zu waffnen, und Suero ließ die Ritter
einladen, auf daß fie ſaͤhen, mit welchen Waffen er ſich
ruͤſtete. Er ſandte ſie dann in das Zelt, wo ſich die
deutſchen Ritter rüfteten. Ritter Arnold zeigte feine
- Baffen und fein Pferd, und bie Richter waren zufrieden,
obgleich des Deutfchen Pferd beffer ald Suero's Streits
xoß war. Der Kampfplag ward von mehren Schildknap⸗
zen, Armbruſtſchuͤtzen und Pikentraͤgern gefichertz und als
die Richter auf ihre Bühnen geftiegen waren, ließen fie
am Zuße berfelben große, mittlere und kleine tanzen aufs
fielen, damit ein’ jeder fich nach Belieben wählen möchte.
Suero erfchien zuerft beim Klange ber Muſik in
ber Kampfbahn, und ihm folgte bald ber beutfche Ritter,
begleitet von ben Brüdern aus Valencia und andern Rit⸗
tern, die ihn ehren wollten. Darauf befahlen die Kampf⸗
sichter dem Wappenkoͤnige und dem Herolde, durch einen
Audruf zu verfünden, daß niemand, was auch einem
Ritter begegnete, durch Worte ihm Rath, oder mit der
Hand ihm ein Zeichen zu geben ſich erdreiſten ſollte, mit
4. Abcheil, Turniere und Lanzenrennen. 393
ber Drohung, jedem, ber gerebet, die Zunge ‚ jedem, der
einen Wink gegeben, die Hand abfchneiden zu laſſen.
Der Admiral von Caflilien und viele andere Ritter. ver⸗
bürgten fich, daß keinem Kämpfer, wenn er feinem Ges
gener Wunden ober den Zod gegeben, jemals Leides ges
ſchehen oder Rechenschaft abgeförbert werben ſollte. Darauf
ließen die Richter alle Inftrumente laut ertönen, bad Zei⸗
chen zum Kampfe zu geben, und durch ben Wappenkoͤnig
und den Herold ausrufen: .
Legeres aller
Legeres aller
Et fair son deber,
Suero be Duinones und ber beutfche Ritter leg⸗
ten ihre Lanzen ein, und als fie fünf Gänge gemacht
hatten, waren bie brei Lanzen gebrochen. Die Richter
erklärten den Kampf für vollendet, den Rittern befehlend,
aus den Schranken zu weichen. Beide entfernten fich bei
dem Schalle Eriegerifcher Muſik; Suero Iud feinen Ges
gener zum Mabhle, und als er zu feinem Zelte gekommen
war, entwaffnete er fich öffentlich.
Mit gleichen Feierlichleiten wurbe an ben folgenden
Tagen gelämpft. Wenn, bem Geſetze des Kampfes ges
mäß, drei Ranzen gebrochen waren, oder einer ber Kaͤm⸗
pfer vorher eine Wunde erhalten hatte, erklärte ber Spruch
der Richter bie ritterliche Arbeit‘ für vollbracht. Mehre
“ wurben verwundet, welche man ohne Mufit und Zreube
zu ben Zelten führte und der Pflege des Wundarztes
übergab. Ein aragonifcher Ritter, Esberte be Elaras
monte, warb burch einen Lanzenftoß fo gefährlich getrofs
391 gZweiter Abſchnitt. Ritterleben.
fen, daß er todt vom Kampfroſſe ſtuͤrzte. Suero erzeigte
dem Leichname des ungluͤcklichen Ritters alle Ehre, aber
er vergaß auch nicht, fuͤr die Seele zu ſorgen. Er rief
fogleich nach dem Unfalle ſeinen Beichtvater und andere
anweſende Geiſtliche, um dem Gefallenen die Sakramente
geben zu laſſen, und bat ſie, die Gebete uͤber ihn auszu⸗
ſprechen, welche bie Kirche verordnet hat. * Aber der Beicht⸗
vater gab zur Antwort, bie Kirche bielte nicht für ihre
Söhne die Ritter, welche in folhen Kampffpielen ben
Zod gefunden, weil fie in ſchweren Suͤnden geſtorben
waͤren, und man koͤnnte Gott nicht fuͤr ihre Seelen bitten,
weil die Kirche dieſelben fuͤr verdammt erklaͤrt haͤtte.
Suero bewog den Beichtvater, zu dem Biſchofe von
Aſtorga zu gehen, den er in einem Briefe bat, dem ge⸗
fallenen Ritter ein Begraͤbniß in geweihter Erbe zu vers
gönnen. Als aber ber Priefter Abends ohne die erwünfchte
Erlaubniß zurüdgelehrt war, wurbe ber Leichnam, fern
von beiliger Erde, ehrenvoll von den ttauernden Rittern
zu Grabe geleitet,
Diefes Unglüds ungeachtet, dauerten bie Kämpfe bis
zur beflimmten Friſt fort. In der legten Zeit waren
eines Tages alle Vertheibiger des Pafles nicht im Stande,
gegen die Ritter, welche zum Kampfe erfchienen, in bie
Schranken zu treten, weil einige verwundet waren, und
die uͤhrigen fich erſt die verrenkten Blieder muften einrich-
ten laffen. Auch Suero warb einft fo heftig von. ber
Lanze getroffen, daß ein Stuͤck der Spike in dem Viſier
fteden blieb. Alle fürchteten, er wäre tödtlich verwundet;
aber um feinen Breunben bie Bekuͤmmerniß zu nehmen,
4. Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 395
rief er laut: Es iſt nichts, es iſt nichts, Quinones,
Quinones!
Es gab waͤhrend der Dauer der Kampfſpiele mannich⸗
faltige Abenteuer, welche der Bericht des Schreibers mit
treuherziger Umſtaͤndlichkeit erzaͤhlt. — Gleich in der erſten
Zeit zogen innerhalb der Graͤnzen des Paſſes zwei Frauen
voruͤber. Die Kampfrichter ſandten den Wappenkoͤnig und
den Herold zu ihnen, um zu erkunden, ob ſie edelbuͤrtig
wären und einen Ritter bei fich hätten, der ihnen ben
Daß frei machen könnte. Die Frauen antworteten, fie
wären auf ber Wallfahrt nach Santiago begriffen und
ebelbärtig; die eine war verheirathet und von ihrem Ges
mahle begleitet, die andere Wittwe. Der Wappenkoͤnig
bat um ihre Handfchuhe, die durch Lanzenkampf gelöfet
werden follten, wozu fich aldbalb ein aragonifcher Ritter
anbot. Der Gemahl der einen Pilgerin fagte, er hätte
nichts gewuft von Suero's ritterlihem Unternehmen
und wäre jetzt nicht darauf eingerichtet, das Abenteuer zu
beftehen, aber fobalb er feine Wallfahrt geendigt hätte,
wollte er zuruͤckkehren, um den Kampfgefegen Genüge zu
thun. Bid dahin follten die Richter ihm Friſt geben und
bie Hanbfchuhe bewahren. Der Wappentönig nahm die
Handſchuhe mit, welche die Richter an dem Zeppiche aufs
hängen ließen, bis zur Entfcheibung ber Sache. Nach
kurzer Erwägung aber warb befthloffen, die Handſchuhe
nicht zurüd zu behalten, damit man nicht die fromme
Wallfahrt zu flören fchiene, und weil es die ritterlihe
Antwort ber Frauen verdiente. Da nun viele Ritter bes
zeit waren, bie Handſchuhe der Pilgerinnen zu Iöfen, fo
-
396 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben.
befahlen die Kampfrichter einem Herolde, dieſelben den
Frauen zuruͤck zu bringen und ihrem Begleiter zu ſagen,
daß die Handſchuhe frei waͤren, und er nicht gebunden
ſein ſollte, den Kampf zu beſtehen, zu dem er ſich erbo⸗
ten. — Einmal gefhah’d, daß drei Staunen, bie bei
dem Paſſe vorbeizogen,. fi) weigerten, bem Herolde zu
willfahren, der ihnen die Handfchuhe abforberte. Aber ein
Ritter, welcher zugegen war, ſtellte ihnen vor, es wäre
nöthig, dem Kampfgefege zu geborchen, und fie gaben
willig ihre Handſchuhe dem Wappenkönige. Nur wenige
Faͤlle gab's, wo dies Kampfgefeß vollzogen warb, fo fehr
ſich auch ein Ritter bemühte, folche Abenteuer zu verans
laſſen. Ein Zufall hatte ihn des Vorzuges beraubt, einer
der neun Waffengefährten Suero’& zu werden ‚ und um
nicht laͤßig zu fein in ritterlichee Arbeit, erklaͤrte ex fi
zum Befreier aler Frauenhandſchuhe. Er ließ auf ber
Brüde von Drbigo und in der Umgegend offene Briefe
aushängen, woriner, „ein Edelmann von Ruf und
Waffenruhm,” feine Dienfte den achibaren Frauen
anbot, welche einen untaveligen Ritter zum Kampfe ftels
len Eonnten, den „wadern Frauen, von welden
"die Liebe ausgeht mit. allen ihren rühmligen
Beffeln, oder den Banden.der Freundſchaft.“
Eined Tages warb gemeldet, es wäre, ein fremder
Edelmann angefommen, der zu Kämpfen wuͤnſchte, aber
weil er noch nicht Ritter war, zuvor den Orden der Rit⸗
terſchaft zu erhalten begehrte. Suero begab ſich mit
feinen neun WBaffengefährten zu Buße, unter dem Klange
der Muſik, zu dem Fremden, welcher ibn vor ben Schrans
4. Abthell. Turniere und Sanzentennen: 397
Fer erwarten muſte. Als fie am Eingange, wo bie ritters
Yichen Abenteurer einziiten, angekommen waren, fragte
Suero den Bremden, ob er Ritter zu werben begehrte,
"und als biefer die Trage beia’te, zug Suero fein vergols
detes Schwerdt mit. den ‚Worten: Edelmann, habt She -
den Borfat, alle Pflichten, welche die ehrenvolle Würde
eines Ritters fordert, zu halten, und eher zu flerben, als
eine derſelben zu verlegen? Der Fremde ſchwur's; da
gab ihm: Suero einen Streich mit dem entblößten
Schwerdte über den Helm und fprach: Bott mache Dich
zu einem guten Ritter und laſſe Dip die Geſetze erfüllen,
die jeder gute Ritter halten muß. Darauf ward ber neue
Ritter zum Kampfe gelaffen und brach feine drei Lanzen. -
Zehn Tage wasen- verfloflen feit dem Anfange ber
Kampffpiele, ald eine unerwartete Erfcheinung das Unters
nehmen zu ftören brohte. Der Wappenkoͤnig beachte einen
Brief von zwei Rittern aus Catalonien. Sie hätten -
Kunde erhalten, fchrießen fie, wie Suero durch feine
. Unternehmung andächtige Ritter und Edelleute flörte und
fie zwänge, um ihrer Ehre willen Kämpfe mit ihm zu
beſtehen; fie wären eilig aus ihrer Heimath aufgebrochen,
in der Hoffnung, Gott und dem heil. Apoſtel Jakob zu
dienen, : und -erböten ſich, alle Lanzen mit Suero zu
brechen, -bie er. in feiner Aufforderung beflimmt hatte,
Suero bankte in feiner Antwort höflich für ihr Erbieten,
aber feinen Kampfgefegen gemäß, wendete er ein, Tönnte
kein Kämpfer mehr als brei Lanzen mit einem Vertheidi⸗
ger des Paſſes brechen. „Nichts mehr daruͤber — ſchloß
der Brief — denn ich brauche die Haͤnde zu andern ruͤhm⸗
398 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
lichern Dingen.“ Die cataloniſchen Ritker antworteten
durch trotzige Herausforderung zu ernſtlichem Waffenkam⸗
pfez aber Suero behauptete ſeine Feſtigkeit und wun⸗
derte ſich, wie Ritter, welche des Waffengewerbes kundig
ſein wollten, ſolches begehren, und in ſeiner begonnenen
Unternehmung ihn willkuͤhrlich ſtoͤren Tönnten... Wenn es
den Rittern, ſchrieb er ferner, nicht genügte, drei Lanzen
zu brechen, und ein gefahrvollered Unternehmen ihnen er
wünfcht wäre, fo möchten fie nach dem zehnten Kampfs
gejege beftimmen, welches Stüd der Rüftung fie abzules
gen begehrten, und es follten ſich ihnen zwei Ritter, auf
gleiche Weife gewappnet, entgegen ftellen, welchen fein
Ritter in der Welt einen Zabel anhaben möchte, Und
fein verfichert, ſchlos er, es werben foldye fein, welde
euch, da ihr doch für Gott freiten wol, gar bald zu ihm
ſenden werden.
So ward immer, wo jemand die Geſetze zu ‚erlegen
trachtete, unter Aufſicht der Richter, das Kampfrecht
firenge geachtet. Vergeben erbat einft Gope de Men⸗
doza — Ein Ablömmling des eben Helden Eid Ruy
Diaz — ald er feine drei Ranzen: gebrochen hatte, bie
Erlaubnis, noch länger zu Fämpfen, um-feine Schöne
fich gerfeigt zu machen, denn er hatte ſich um einer Dame
willen, die er fehr liebte ohme Gegenliebe, in das Unter
nehmen eingelaffen. Suerd aber, fo verfländig als
tapfer, giebt ihm zur Antwort, Mendoza möge fagen,
wer feine Dame fei, und er werde dann zu ihr fich bege⸗
ben und ihr melden, welcher gute Ritter und tapfere.
4. Abthell. Turniere und Lanzenrennen. 399
‚Kriegämann ihr diene; doch Länger zu kaͤmpfin fei gegen
‚die Geſetze des ritterlichen Unternehmens.
Nicht die Ritter allein wurden von ebelem Betteife
auf die Kampfbahn getrieben; ſelbſt ein lombardiſcher
Zrompeter, ber eine Wallfahrt nach Santiago machte,
wollte in feiner Kunftfertigkeit um den Preis der Ehre ringen,
Er hatte einen Weg von dreißig Stunden: gemacht, um ſich
mit einem berühmten Trompeter bes Königes von Gaflis
lien, Namens Dalmao, der fich bei den Kampffpielen
befand, zu meffen, und febte von zwei fehr guten Trom⸗
peten, die er bei fich hatte, die eine gegen Dalmao’8 Ins
firument. Der Caſtilier nahm darauf bes Lombarden
Trompete und entlodte ihr eine foldhe Mannichfaltigkeit
barmonifcher Zöne, daß jener, ald cr alles verfucht hatte,
was er wuſte und vermochte, fich vor den Kampfrüchtern
für überrounden erklaͤrte. Er gab darauf feine Trompete
bin und warb von dem fliegenden Kunftverwandten, fd
lange die Kampffpiele dauerten, als Gaſt bewirthet.
Am 9. Auguft verfloffen die dreißig Tage, welche
Guero zu den Ritterlämpfen beſtimmt hatte. -E8 waren
nach und nad) acht und fechzig Ritter gegen bie Verthei⸗
biger bed Paſſes in die Schranken getreten, und im ſieben⸗
hundert fieben und zwanzig Gängen (correras). nur: hun⸗
bert ſechs und fehzig Lanzen gebrochen worden. Die
Kampfbahn und die Umgegend wurde feſtlich erleuchtet,
und freudig erfhoN die Muſik. Da erfhien Suero mit
acht feiner Waffenbrüder — der neunte lag ſchwer vers
wundet zu Bette — im feierlichen Aufzuge vor der Bühne
der Kampfrichter. Sie ritten in fchöner- Orbnung durch
400 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
die Rennbahn bis zum andern Ausgange, und dann in⸗
nerhalb ber Schranken .in einem Bogen zurld bis zu dem
Eingange, durch welchen fie eingezogen waren, wie es
- &itte ift, wenn Ritter ſiegreich aus dem Kampfe treien,
Suero ſprach berauf zu ben Rittern, dem Wap⸗
penkoͤnige und dem Herolde: da er glaube alles erfuͤllt zu
haben, was er in ſeinen Kampfbedingungen vorgeſchrie⸗
ben, fo bitte er die wackern Männer, ihm zu befsbien,
baß er fein Halöeifen ablege, zum Zeichen feiner Freiheit,
benn feine Audlöfung fei vollbraht. Wenn er aver in
irgend etwas gefehlt habe, fo möge man's ihm fagen, da⸗
mit er fogleich Rebe fiehen Eönne, ober wenn noch etwas
zu thun übrig, fo wolle er's erfüllen und vollbringen, ba
er bereit und gerüftet fei..
„Wir koͤnnen euch billig nicht verweigern, antworte⸗
ten darauf bie Kampfrichter, eure ritterliche Unternel mung
für vollbracht, und eure Ausloͤſung für wohl erfauft zu
erklaͤren. Und wir fagen euch und allen, die hie zugegen
find, daß von ben breihundert Lanzen, bie ihr brechen
wolltet, nur wenig übrig bleiben, und auch diefe würben
nicht übrig fein, wenn nicht einige Tage geweien wären,
wo feine Ritter erfhienen, mit welchen ihr hättet kaͤm⸗
pfen koͤnnen. Um euch bes Eifens zu entledigen, befehlen
wir dem Wappenkoͤnige und dem Herolde, es euch ſogleich
abzunehmen, denn ihr ſeid, nach unſerer Meinung, von
nun an frei von eurem Unternehmen und ausgeloͤſet.“
Der Wappenkoͤnig und ber ‚Herold fliegen von ber
Bühne herab, und in Gegenwart ber Schreiber nahmen
» fie dem Ritter feierlich den Eifenring vom Halfe.
%
%
4. Abtheil. Zurnfere und Lanzenrennen. 401
Suero verließ darauf mit feinen Waffenbrüdern und
ben übrigen Rittern ben Kampfplag, und ald fie zwei
Tage nachher fetlih in die Stabt Leon einzogen, wurden
fie mit großen Ehren empfangen.
Wenn died Beifpiel auch nicht der deutſchen Ritters
welt entnommen ift, fo zeigt eö doch große Ueberein⸗
ſtimmung mit den Sitten und Gebräuden, welche wir in
dieſem Abfchnitt bereitd oben Tennen gelernt haben, und
vieles, was im Allgemeinen angeführt ward, fand hier
feine befondere Stelle und Anwendung, aub zum Theil
feine Erklärung.
Ein anderes Beifpiel aus deutfcher Gefchichte iſt noch
dieſes:
Nach einer verderblichen, langen, endlich ausgegliche⸗
nen Fehde der Reichsſtadt Nuͤrnberg mit dem Markgrafen
Friedrich von Brandenburg, beſchlos dieſer, die Herren
von Nuͤrnberg, auf freundliche Einladung, zu beſuchen.
Er kam mit ſeiner Gemalin, ſeinem und dem ihrigen Ge⸗
folge, den 14ten Febr. 1496. zu Nürnberg an und wurde
glänzend empfangen. Der Rath fehte drauf ein Zurnier
an, welches, ven 16ten mit großer Seierlichfeit begann,
Eine 400 Schuhe lange, 50 Schuhe breite Stichbahn
war auf einem offenen Stabtplake errichtet, mit flarfen
Schranken umfaßt, der Boden mit Stroh belegt. Als der _
Mittag vorüber war, erfchien der Markgraf mit 9 Rittern
auf der Bahn; von Seiten der Nürnberger, Dietrich von
Harras mit 9 Edlen. Der, Marfguof führte auf feinem _
Helme einen. Frauenhandſchuh, und fo alle feine Ritter
ein ſchwarz und: weißes Hähnlein Im dem ſeinigen allein
’ 26
- our. — — — — —— — — —
402 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
war ein goldener Buchſtabe. Die andern Ritter führten
Pelikane, Sterne, Hüte, Müten, Laternen, Ohren, Efel,
Suchsfhwänze u. f. w. auf ben Helmen. Im Rennen
gewann der Markgraf 9 mal den Preis, und 4 mal fiel er.
Es wurde derb gerennt und geftochen, und am muthigften -
benahm ſich auf der Bahn der Nürnberger Martin Löffel»
holz. Der Markgraf, welcher alles was vorging, gar
« genan beobachtet hatte, Fam endlich ganz unbekannt wieber
zur Bahn mit einem ber Seinigen, und beide waren in
allen Stüden fo gewappnet und fich einander gleich,
daß Feiner von dem Andern zu unterfcheiben war. De,
Markgraf ftellte fogleich fich Löffelholzen gegenüber und
ließ ihn zum Gefteche aufrufen. Raſch rannten fie auf
einander ein, und ber Markgraf mufte den Sattel räumen.
Indem ‚ver Sieger langfam die Bahn -hinabritt, richtete
der Markgraf fich fchnell wieder auf, ließ ſich aufs Pferd
helfen und ritt, zum Zeichen daß er feinen Sthaden ges
nommen babe, auf der Bahn ſchnell auf und ab. Dann
abermals forderte er Löffelholzen zum Stoße auf. Gie
tannten fo mächtig zufammen, baß beide von den Roffen
ſtuͤrzten. Da richtete der Markgraf fih auf, ging auf
Löffelholzen zu, gab ihm die Hand und fagte; „mir haben
uns ein Stecher zu fein vermeint, aber du bift wahrlich
auch einer. Wir wollen Sreundfchaft machen.” Diefer
aber fprah: „Euer Fuͤrſtl. Gnaden find mir bier ganz
unbekannt. Der Markgraf aber entgegnete: „Schweig,
wir habens alfo haben wollen, und du haft dich gegen und
ritterlich und tapfer verhalten.” Der Markgraf Tampfte
ferner und mit Gluͤk. Endlich gegen Abend forberte er
4. Abthei. Turniere und Lanzenrennen. 403
Loͤffelholzen noch einmal zum Kampfe, und dieſer raͤumte
den Sattel *), Nun theilten die Frauen bie Daͤnke des
Turniers auf dem Kathhaufe aus, von denen ber Marl:
graf den dritten erhielt,
In dem Weißkunig finden wir ©, 15. bie Erzählung
von einem Turnierzuge und einem Turnier, bei den ſchon
oben erwähnten Bermählungsfeierlichkeiten ber Prinzeffin
Elifäbefh von Portugal mit Kaiſer Zriebriih II, Da
lautet es: „In bem ift fommen der König herab von feis
nem koͤniglichen Schlos in die Stadt zu der lieben Schwe⸗
ſter, der vermaͤhlten Königin, in ſolcher Weiſe und Ges
zierd: zum erſten ift geritten ein faft. fhöner Juͤngling.
mit faft fchöner Gezier, auf einem hoben Ros, bedeckt
mit einem guldin Zuch, dem hat nachgefolgt ein ſchoͤner
gezierter Wagen, darauf waren Helm, Schild und Spiep’
zu dem Stechen und Rennen; darnach fein geritten zwölf
Ritter in ihrem Harnifch und ihre Roſſ' mit großer Zier
und jeder Ritter hat fünf Diener zu Ros wohl gefhmüdt,
die haben die Spieß’ und ander Gezier zu dem Rennen
und Stechen geführt, Nah ihnen find geritten zwölf
Ehrenhold in ihren Kleidern und Wappenrdden wohlges
ſchickt, darnach die Pofaunen, Drommeter und Pfeiffer
mit wunderlicher Weif’ und Gezierd'. Nach folchem ift
der regierend’ König in feinem fonderlichen fhönen Harz
niſch geritten, und ihm find zu Ros nachgefolget ſechs
Juͤngling in Gold und Silber, auf das Schönift bekleid't,
”) Vielleicht nur aus Höflichkeit, wie dies wohl, als bereits oben
bemerkt, geſchah.
26*
[2
A404 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
und der Koͤnig iſt alſo in ſollicher Ordnung in der Stadt
geritten zu einem Pallaſt, von Holz gemacht mit zweien
hohen Thuͤrmen inſonderheit zu dieſer Freud', und die
Dächer deffelben Pallaſts waren gemacht von gut. grauen
unb fchwarzen Tüchern, mit Gold und Silber unterzogen ;
barin blieb der König mit feinen Rittern über Nacht und
bes andern Tages früh, mit der Sonnen Aufgang, find
kommen die Chriften auf den erſten Zheil, die. Sarazenen,
dad find die Heiden, auf den andern Theil, die Waldleut’
oder wild’ Leut' auf den britten Theil und auf ben vierten
Theil die Juden, und ein jeder Theil hat nach feiner Zuns
gen geruft, gefungen und gefrohlodt. Aber in ber erfien
Stund’ ded Tags ift fommen ein wohlgeborner Mann,
genannt Lemgreut, der Großhauptmann des Meers in
bemfelben Königreich, felb fünf zu Ros mit großem nnd
koͤſtlichem Gezierd’, für den hölzernen Palaft, darinnen
ber König mit. feiner Ritterſchaft war. Und berfelb’
Hauptmann Hat durch feinen Ehrenhold dem König und
aller feiner Ritterfchaft laſſen rufen, zu üben ritterliche
Spiel’ und Werk. Alfobald ließ ihm der König verküns
ben: er wollt’ kommen und fich wider ihn feßen. In
berfelben Stund’ Fam ein groß Gemächt oder Factur einer
übergrofen Schlangen, mit nufgeredtem Hals; auf dem
ift gefeffen ein fehöner gewappneter Nitter, und hat bes
gehrt des Königs und ihn erfordert zu ringen, fechten
und flehen. Auf follich erfordern ift der König mit zwölf
auserwählten Nittern in Löftlicher Gezier auf fchönen Rof:
fen, mit guldin Tuͤchern bis auf bie Erde bevedt, aus
feinem Pallaſt gezogen, und vor ihm ſind geritten, bie
4, Abtheil. Turnlere und Lanzenrennen. 405
Ehrenhold, Poſarner und Drommeter auf einer Seiten:
in einer weiten Gaſſen und auf der andern Seiten, in
derſelben Gaſſen, iſt gegen den Koͤnig kommen ſein junger
Bruder, genannt Heinrich, faſt koͤſtlich und zierlichen mit
den Ehrenholden und Drommetern, auch mit 12 faſt wohl
gezierten Rittern, und hat ſich geſtellt wider den Koͤnig.
Darngch iſt kommen ein großer Elefant, und war ein
Gemaͤcht oder Facur, und trug auf ibm einen Thurm
mit Baſteien, von Holz gemacht; daranf find geflanden
4 Drommeter und vier Fleine Mohren mit Lanzen und
mit großen Meerröhren und haben: zu dem Volk geworfen
mit Pommeranzen. Demfelben Elefant haben nachgefolgt
8 gewappnet’ Ritter zu Rod, die haben gehabt mancher
et Sarb’ und Figur. Der regierende König hat auf ſei⸗
nem-Helm geführt einen gulden Bafllisfum, und des Koͤ⸗
nigs Bruder bat auf feinem Helm geführt ein gulben
Kronhaupt, und bie damit am ‘einander geflohen
haben, Find ‚gewefen auf dreißig und ſollch' Stechen iſt
nad) einander gehalten worden. Und des Königs. Gemal,
Sie’ denn beffelb* Zeit ſchwanger war, hat dem Ritter, der
an dem erfien Zag’ bad Beſt' that, einen filbernen über-
guld’ten Kopf und dem andern Ritter, ber am andern
Tage den Preis behielt, ein filbern vergufdet Gießfaß und
dem dritten Ritter, der an dem britten Zap’ den Platz
behielt, einen gulbnen Ring mit. einem koͤſtlichen Stein
gefchenft, und dieſelben Nitter alle !brei dermaßen koͤnig⸗
lichen verehrt.“
Dies Ganze geht ober fon mehr. in bie allerhand
ritterlichen Uebungen, in die: Mastenzüge und anbern
v
406 3Iweiter Abſchnitt. Mitterloben. .
Spiele uͤber, die ſchon oben bemerkt worden ſind. Gleiche
Bewandtniß hat es auch mit der Beſchreibung eines Tur⸗
niers zu Wien im Jahre 1565, worin einzelne merkwuͤr⸗
dige Züge vorkommen, die wieder erklaͤrend für bereits
fruͤher Geſagtes ſind, und die den Beſchluß der Betrach⸗
tung uͤber die Turniere machen ſollen, da ſie auch ſo in
den letzten Zeitraum des 16ten Jahrh. gehoͤren. Der Er⸗
zaͤhler iſt ein gewiſſer Wolf Wolfhart, der in Dienſten
des Herzogs Albrecht von Baiern ſtand. Er berichtet:
„Da war gekommen zu des Herzogs Hand ein offener
Brief und Ausfchreiben von Wien, von dem Erzherzoge
Marimiliaen, König in Böhmen, der da halten wollte zu
Bohlgefallen feinem Herrn Vater, dem Kaifer Ferdinand,
Herzog Albrechts und feiner geliebten Brüder und Schwer
fern, ein ritterliches Ehrenfpiel zu Ros und zu Zuß. Diele
Einladung nahm ber Herzog an, und rüflete ſich zu mit
großer Pracht nah Wien abzugehen und dort zu erfcheis
nen. Da fprach zu mir mein Herr Marler, der Ehren⸗
hold: Wolf, du folft auch. mit ziehen nad Wien zum
Zurnier, und will ich dich machen zu meinem Perſevan⸗
ten. Da fragt’ ich: was ift das? Er ſprach: bu wirf’s
erfahren. Nun mufte ich lernen bie Bilder und Figuren
erkennen auf ben Wappenfchildern, und unterfcpeiden die
Zinkturen: Gold, Silber, Beh und allerlei Farben, wie
fie vorfamen. Auch Iernte ich ben Stab führen, ausrufen,
Stillſchweigen gebieten, und thun, was die Perfevanten
und Lehrlinge der Ehrenholde thun müffen. Und ich bes
gef das alleb:fehr wohl. Da. fteute ſich mein Lehrer
darüber, führte mich zum Herzöge und machte meine
\
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 407
Aufnahme kund. Das geſchah, nach dem Gebrauche, an
einem Sonntage. Da trat der Ehrenhold vor den Herzog
und die fuͤrſtliche Verſammlung in ben Saal, angethan
mit feinem Ehrenkleide, führte mit feiner linken Hand
mich an meiner rechten und trug in ber Rechten zwei
Schalen, gefült mit Waſſer die eine, mit Wein bie
andere. Dany fragte er .ben Herzog, ob er feine Erlaub-
nis gäbe, mich anzunehmen zu feinem Perfevanten? Da
nun ber Herzog: ja fprach, begos der Meifter meinen
Kopf mit Wein und Waffer und legte mir dann mein.
neues Perfevantenkleid an, faft wie das Teinige, nur nicht
fo reich geflidt und verbramt und ließ fi von mir ben
Eid der Zreue ſchwoͤren. So war alles gut.“
„And ald wir nah Wien kamen, fahen wir des an⸗
gekommenen Volkes fo viele, daß wir fchier erflaunten.
Es ift aud nicht zu fagen und zu befchreiben, mit wel:
her Pracht und Herrlichkeit die Fuͤrſten und Herren ba
erfchiengn und wie ſchoͤn die Jungfrauen fi zugerüftet
und ausgefhmüdt hatten mit Edelſteinen, Ketten, Blus
men und Bändern, daß man gar nicht wufte, wohin man
die Augen wenden follte. Sch durchlief nur die Straßen,
um zu hören und zu fehen was vorging. Da hörte ich
Sang und Seitenfpiel gar lieblih und fein, und wäre
fhier nicht in die Herberge gekommen, hätte ich dem
Ehrenholde nicht ald Perfevant beiftehen müffen. Als nun
das Turniers = Kartel angefchlagen war, wurden bie Dänfe
befannt gemacht, die da gegeben werben follten, nach Er:
kenntnis der Richter, der Frauen und edlen Sungfrauen.
Da kamen nach und nad bie Gäfte alle herbei, unb war
403 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben.
des Volks faft zu viel in Wien, daß gar Fein Unterfom=
men war. Wir aber wohnten in’ den Häufern des Gras
fen von Salm, des Herrn Esinger und des von Harrach,
von welchen Gänge eingebrochen waren, eimd in bed ans
bern Haus, diefelben bequemlic zu bewohnen. Als nun
mein Herr, der Herzog, bei kaiferlicher Majeſtaͤt gefpeifet
hatte, ging er'mit allen Herrſchaften am 12 Junius bes
Jahrs 1565 zur Jagd. Den folgenden Tag aber hub das
Kußturnier *) an, und find zu bemfelben elf Partheien aufs
gezogen, in großem Schmude, bie hatten bei fi) Trom⸗
meln, Pfeifen und Drommeten. Darunter war aud
Herzog Ernft von Oeſterreich, des Kaifers Sohn, erft 12
Zahr alt, der mit Herzog Karin von Deflerreich zwei
Spieße im Rennen gebrochen und fünf Streidhe ‘mit dem
Schwerdte gar zierlich gethan. Wie nun in der Ordnung
wiederum aus den Schranken abgefchieben wurde, iſt er>
ſchienen ein turzweiliger Markolfus, mit Hahnenfedern
geſchmuͤckt, der ſaß auf einem ungefattelten Efel und hielt
den Schwanz für feinen Zaum in der Hand.“
Am folgenden Tage ward (nach der Fronleichnahms⸗
Prozeffion) Abends „auf dem Schloffe gefpeifet, waren
ber Weiböbilder dabei 454 und Abend war Hoftanz.
Mitten in bem Tanze ließ der Spaniſche Abgefandte,
Graf Luna, ein Turnier zu Roſſe ausrufen, im Namen
ter Goͤttin der Liebe, und follte der gefangene Küpido
erlebiget werben, von wegen Untreue und Salfchheit ſcoͤner
+) Auch etwas Eigenes, der alten, wahren Ritterzeit Scembed,
wie wir oben gefesen haben.
4, Abtheil. Turniere umnd Laͤnzenrennen. 409
Frauen im Kerker. Da war alles⸗froh and -folgte ein '
ſchoͤner Mummenfchanz (eine Mummerei) "darauf. —
„als nun dad Zurnier der Liebe gehalten würde, da ers
hielt meines vorigen Herrn Sohn, Gmf Nie, den
erfien Dank, das war ein güldener Spieß. "Den zweiten
Dank, ein gülbened Schwerbt, erhielt ber junge Graf von
Plauen, ben- dritten: Freiherr won Zeltungeh;; Bert: vierten,
ein guͤbnes Kraͤnzelein, Erzherzog Ferdinand. Here Ja⸗
kob Zeich; des Erzherzogs Karl Kaͤmmerer, der am ſchoͤn⸗
ſten geſchmuͤckt zur Bahn gekommen war, erhielt von den
‚ Sungfrauen-den Zierdank, auch ein guͤldenes Kraͤnzelein.“
— „Am 17 Juni aber wurde wieder gar mächtig. turs
niert, und ritten da allein 48 Fuͤrſten und Grafen mit
zur Bahn, in vierzehn Partheien. Und kam nach ber
zehnten Parkhei ein großer Zeld, mit Beinen. Baͤumlein
beftedt, auf welchem ein Thurm fand. Als man num
mit einen Stabe an den Feld fchlug, that fich derſelbe
von einander, und es vitt heraus in völliger Ruͤſtung
Herr Kaspar von Feld, Freiherr von Schenfenberg. Es
war auch ein Galgen aufgerichtet, daran der Kupido follte
gehängf ‚werben, "mitten: in ber Bahn, aber die edlen
Frauen und Sungfrauen baten ihn los. Da wurde er
denfelben tbergeben und zu eigen gefchentt und. in’s koͤ⸗
nigliche Frauenzimmer geführt. Alſobald aber ging das
Thuͤrmlein neben dem Galgen mit großem Krachen und
Platzen an und flogen umher mehr als 1000 Raketlein.
"Dann aber wurde Tanz’ gehalten und die Danke wurden
vertheilt. Den erften Dank, ein-golbened Kränzlein, bes
Tam -Don Gaftelo Barcho, von ber Jungfrau. Laffede
410 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Caſtilla, die er herzete und zum Tanz führte. Goldene
Ringe bekamen Hans Kinsky, der Freiherr zu Ulting und
ein Herr von Barnſtein. Darauf am Tage Johannes des
Taͤufers hielt der Herr Graf Luna abermals ein Turnier
vor Wien, im freien Selde, jenfeit ber, Schlägbrüde. Da
waren :bie. Schranken errichtet, und ſchoͤn verziert mit
Laub⸗ und Bjumenkränzgen, zwifchen hoben Palmenbäus
men, je ſechs -Schritte weit von einander. Und an dem
erften Bayme ‚hing ded Grafen Luna Wappen, zwiſchen
ben Bildſaͤulen des Mars und der Venus. Die waren 8
Schuh hoch und. flanden auf Säulen zwifchen Lorberbaͤu⸗
men, die Schwibböglein mit grünen Strauchlein ummwun-
den. Die Bühnen aber, auf welchen ber Kaifer ſtandeuͤ
und bie,eblen Frauen, waren fchön verziert und geſchmuͤckt,
und mit Zeppichen behangen. Aber auf einer Fleineren
Bühne, etwas unter ber geößern, faß eine fchöne Nieder:
laͤndiſche Jungfrau, gekleidet in weißen Sammet mit Sit:
ber. Bor ihr herab hing eine vothe Sammetdede, daran
war gefehrieben auf Spaniſch:
Dieſe iſt die Schönfte in der Welt. Leget nieder
eure Waffen; denn durch ihre Liebe und Gunſt
habe ich geſiegt.
Unter der Buͤhne ſtand die Bildſaͤule ber Goͤttin Diana,
umhaͤngt mit den vier Wappen der Mantenutoren (d. h.
Platzhalter, hier wohl eine Art Turnierrichter). In dem
Wappen des Grafen von Luna ſah man einen mit Waller
umgebenen Zellen, an dem zu kurze Leiterm lagen, auf
welchen ein Gewappneter die Spige erklimmen wollte,
mit dem Spruche: dahin Fein Weg ift, fleht meine Luf.
4. Abtheil. Turniere und Lanzenrennen. 414
Der: Sohn des Grafen Luna führte faſt eben diefes Wap⸗
yon, darüber aber eine Hand, bie nach einer ſchwarzen
und einer weißen Kugel griff; dabei ſtand: ich hab’ dem
beſten Theil erwiſchet. Das dritte Wappen des Herrn
Proskowky hatte den Spruch: Sie 8 mein 3 für o.
Solite . heißen: Sie achtet mein’ Zreue für nichts,
Das vierte Wappen ded Don Acruna zeigte einen Berg
mit einer Perle. Dabei fland: Preciosa.’
„Als nun aber der junge Graf Luna, Don be Zni⸗
oned genannt, einritt in die Bahn, warf er gefchriebene
Zettel um fi, darauf fland: -
De ich mich an euch ergab,
ſpracht ihr auch mein Urtheil ab,
dennoch werd ich ſtandhaft fein -
und euch lieben nur allein. )
Hierauf ritten nun die Partheien ein, gar treflich und zier⸗
lich geſchmuͤckt; und es gefiel mir befonders wohl der
Herzog von Münfterberg. Diefer erfchien in einem mit
Strohe verbrämten Kleide, und führte in feinem Schilde
die Worte:
Es liegt mir eben nichts daran,
doch mus ich meine Urſach ha'n
in ſolcher Farbe zu erſcheinen,
das wiſſen die Edlen und Gemeinen.
Das that er deswegen, weil er im erſten Turniere keinen
Dank erhalten hatte, ob er ihn gleich verdient zu haben
glaubte. Der Freiherr von Pannewitz erſchien ganz
ſchwarz, und hatte den Spruch: ich weiß, warum ich
traure. Freiherr von Zeltung führte den Reim:
Des Glüd’s id) warf
nad) meiner Art. ”
412 3weiter Abfchnitt. Nitterleben.
Aber dann Famen viele vermummt in Weibesfleidern,
weiche mit ‘Larven, fpigigen Hüten, waren Spanifch ges
kleidet und hatten den Reim:
Spitzig Nafen, belle Stimmen,
wohnet ber Teufel barinnen. |
Es wurbe tapfer gerennt und geflochen, befam.aud) mans
cher einen Gedankenzettel und Einige muften von der
Bahn getragen werben. Aber den eriten Dank erhielt
Erzherzog Carl, einen güfdenen Ring, durch eine Unga⸗
rifhe Jungfrau, ſchoͤn von Geſtalt. So auch erhielten
Ringe als Dante des Zurniers: Herr Andread Teufel
und Here: Raminger. Den vierten Dank erhielt Herr
Dopel, der am zierlichfien erfchien auf ber Bahn; Graf
Luna erhislt den Dank ber beften Invention und fein
Sohn den Dank der beften Livrei und finnigften Sprüche,
ein Kranzlein von einem Lorberbaume. Nun wurbe nad)
einigen Tagen noch ein dazu erbautes Stäbtlein erobert,
was ich aber nicht ſah; denn ich muſte an biefem Tage
helfen einnaden und hatte nichtö dabei zu thun.“
413
—Anhanmng.
Befhränfungsgefege bei den Turnieren
und Verfall derfelben.
Nicht allein unter den Maͤnnern, vorzuͤglich auch bei den
Frauen trat bei den Turnieren eine uͤbermaͤßige Kleider⸗
pracht, eine unbegraͤnzte Verſchwendung, um neuen
Schmuck zu gewinnen, ein, und verbreitete ihre verderb⸗
lichen Folgen durch das ganze Familienleben. Schon in der
vorigen Abtheilung war von dem großen Prunk in Hins
fiht der Kleidungen die Rede, und da, wie wir in dieſer
Abtheilung gefehen haben, demjenigen, der am beften ges
kleidet erfchien, noch ein befenderer Zierdank gegeben
wurde, fo erhielt auch dadurch die Prachtliebe einen neuen
Zuwachs. Dan fah fi daher genöthigt, dieſem übertrie-
benen Kleiderprunk _gefeglihe Gränzen zu beflimmen.
Indem ich nun einzelne biefer Gefege hier, wo fie hinges
hören, erwähne, fo mögen die darin enthaltenen Nachrich>
ten- zugleich als ein Nachtrag zu der vorigen Abtheilung
dienen, und mit derfelben, infofern das nun zu Sagende
barauf bezüglich, zufammen betrachtet werben.
In dem Cingange einer folgen, von und ‚für bie
deutfihe Ritterfhaft gegebenen Kleiderorbnung heißt
es: „Nachdem unfern Eltern der Turnier in allen Stuͤk⸗
sen, was dem Abel darin zu halten, weislich bedacht, und
‘ein Maß geben, damit die Armen aus ber Ritterfchaft
414. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
mit ihren Weibern, Toͤchtern vnd Schweſtern, auch fuͤr
ſich ſelbſt den zu beſuchen haben mögen, ſo iſt hierin be⸗
dacht, die Koͤſtlichkeit, ſo jetzt unter dem Adel, wo das
alſo bleiben, vnd ihm nicht eine Maß geben werden ſolt,
daß die gute Meinung vnſers Fuͤrnemens vielmehr dem
Abel zu Zerruͤttung vnd Zerſtoͤrung, dann gutem geſchehe.
Daßelbig angeſehen, vnd den Turnier wieder aufzubrin⸗
gen, ſo haben wir im allerbeſten dieſe Ordnung, als her⸗
nach folget, zu halten fürgenommen, auf daß der Arme
den Turnier ald wol ald ber Reiche befuchen möge.
‚ Darauf folgen nun die nachſtehenden Verorbnungen:
„1) Ob es gleich einem Nitter vorbehalfen wäre,
“guten Sammet und Perlen zu tragen, habe man jeboh
befchloffen, daß Feiner Röde oder Schauben von gülden
Stud oder geſticktem Sammet tragen ſolle, um ſich bei
ben Zusnieren damit zu fhnmiden. Mer diefes aber thun
würde, folle von allen Rittein und Edlen verachtet, und
ihm fein Dank oder Vortanz im Turnier zugelaflen
werben. 2) Die gemeinen Edlen, welche nicht Ritter, jedoch
aber Zurnierd und Ritterögenoffen waren, follten feinen
Anzug oder Schmud mit Perlen geftidt oder auf andere
Meife damit verziert fragen; nur eine einzige Perlenfchnur
um bie Kappe ober den Hut follte ihnen erlaubt fein.
“ 3) Niemand fol erlaubt fein, goldene‘ Ketten, Schnuren
oder Goldftidereien zu tragen, ed wäre denn verdedit ober
unfichtbar, wie ed die Alten gethan und hergebracht hätten.
Auch fol Feiner zu einem andern Kleidungsflüd ald zum
Bammes Sammt tragen; im Uebertretungsfall aber von
-_
Anhang zur 4 Abtheil. 415
Mittern und Edlen verfchmähet und ber Vortaͤnze und
Dänfe beraubt ſein. 4) Alle Ritter und Edle ſollen,
insbeſondere die Ritter, keine Decken und Wappenroͤcke
von Goldſtuͤck, die gemeinen vom Adel aber nicht von
Sammt oder Dammaft führen, wenn fie nicht von ben
andern verfchmäht und der Vortaͤnze und Daͤnke beraubt
fein wollten.” — Dies für die Männer; für die Frauen
ſah man fich genöthigt zu verorbnen: „5) daß eine jede
Frau oder Jungfrau zu ihrem Schmud nicht mehr als
vier Roͤcke oder Kleider von Sammet oder geſtickte haben
fole. Und zwar follten darunter nur zwei von Sammet
oder dem Sammet gleich, die übrigen aber möchten fo
fein, wie fie den Alten als fir ben Adel ziemlich und
wohlanftändig, bergebracht hätten.- Welche Frauen aber
diefed nicht halten, fondern eine größere Anzahl Kleider
beim Turnier brauchen würden, die follten. von der Rit⸗
terfchaft, den Frauen und Iungfrauen verachtet, der Bors
tänze und Vertheilung der Turnierdaͤnke beraubt fein.
6) Sollten aber unter den Frauen und Jungfrauen einige
fein, die keine folche koſtbare Kleider, befonders eine von
Sammt hätten, die follten dennoch nad ihrem Stande zu
Ehren gezogen werben.’
"Die Heilbronner Turnierordnung faßt dies alles Fürs
zer fo zufammen: „Es follen die Frauen und Iungfrauen,
die dem Zurnier zuftehen vnd verwant fein, Feine mehr
im Zurnier zu gebrauchen haben, dann drei oder vier ges
ſchmuͤckte Röde, darunter ſoll auch kein guͤlden Stuͤck oder
ganz perlen Rod fein, vnd welche das vberfuͤhre, (daruͤber
hinausginge) die fol im Zurnier Dante auszugeben, vnd
416 Zweiter Abſchnitt. Nitterichen,
der Vortaͤnze vnd Vertheilung der Turnierdaͤnke beraubt
ſein, vnd ob aber eine Frau oder Jungfrau dermaßen mit
Kleidung nicht geſchickt were, bie ſoll nicht deſto minder
gu allen Ehren herfürgezogen werden. Item, es fol fein
Edelmann, Turniersgenoß, Ritter ober Edelknecht, Fein
gulden oder filbern Stüd tragen, dann zu Wammeßen;
deögleichen ſoll Fein Zurnierer, der nicht Ritter ift, kein
gefchlagen Gold noch Ketten, auch Fein Perlein öffentlich
tragen, bann verdedt, ausgenommen Ringe und Kieinos
den, barumb einer Ritterfpiel treiben wollt; welcher das
oberführe vnd nicht bielte, den mag man im Turniere
darumb ſtraffen.“
Das zweite Hauptſittengeſetz war gegen das uns
mäßige Trinken. Diefe Leidenfchaft der Deutichen,
die fie von älteften Zeiten her ſchon berüchtigt gemacht
bat, mag auch wohl bei dgp Zurnieren fehr überhand ge=
nommen haben, wie —— ſchon angefuͤhrte Bei⸗
ſpiele aus dem Leben des Hans von Schweinichen, wo
ſich dieſe Voͤllerei oft in ben groͤbſten Zügen zeigt, in ber
Zeit des Verfalls der Ritterfchaft, beweifen. Dieſes Lafter
wuchs eben gegen das Ende bed 45. Jahrh. und im 16.
Sahrhundert immer mehr, und ſo ward es um diefe Zeit
nothivendig, daß auch Reichögefehe Dagegen gegeben werben
mußten. Was die Zurniergefege betraf, fo waren fie bes
fonderd gegen dad fogenannte ganze. und halbe Zus
trinken gerichtet. . Die ‚Heilbronner Zurnierorbnung fagt
daher gegen dad Ende: „Item, haben wir und, von ber
vier Lande wegen, weiter vereinigt und vertragen, welcher
Zurnierögenos zu ganzen ober halben zutrinfet, mit Dem
sv N
Anhang zur 4, Abthell. 4417
mag. end fol man vmb das Ros turnieren, es ſoll auch
ſolches Feiner (nach feinem Vermögen) feinen Dienen
oder Knechten zu thun wiftentlich geſtatten.“
Bon den Heichögefegen, die mar in Deutfchland ges -.
gen das Zrinten nöthig fand, wi ich hier nur zwei geles
gentlid bemerken. Man beſchloß auf dem Reichstage zu
Worms im Jahre 1495: „Der Kaifer folle allen Kurfuͤr⸗
fien, Fuͤrſten und Ständen fhreiben und gebieten, ar
ihren ‚Höfen ihren Dienern, auch fonft allen Unterthanen °
dad Zrinden zu gleichen, vollen und halben nicht zu ge:
flatten, fondern dad ernfllih zu flrafen: und ift gerath>
ſchlagt, daß Seine Majeſtaͤt folches an Dero Hofe zu vers
bieten und zu handhaben anfange.” Strenger noch iſt
bie Verordnung, welche mehre geiftliche und weltliche Kurs
fürften und Fuͤrſten bei einer Zuſammenkunft in Heidelberg
4524 beſchloſſen, indem fie verfgyachen, fich für ihre eigene
Perfon der Gottesläfterung unddes Zutrinkens zu enthal-
ten, und daß fie auch darauf bedacht fein wollten, daß es
von ihrer Dienerfhaft und ihren Unterthanen unterlaffen
fein würde. — Doc mögen wenige fih dem Buͤndniſſe
angefchloffen und noch fhlechter, eigener Schwächen wegen,
barauf gehalten haben, daß es erfüllt würde; denn das
16te Jahrh. gibt die größten Ausfhweifungen des Trin⸗
kens und Gotteslaͤſterns, wie denn aus dem Leben des
Hans von Schweinichen z. B. Mar hervorgeht, der, wie
oben im Jugendleben angeführt, von einer Verbindung
von -Unflätern fprit, die den Befchluß gemacht, auf das
allergröbfte Unflätereien zu üben. In der Heidelberger
Verordnung von 1524 hieß ed nun: „Nach dem wir alle
27
m
vd
418 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
— bei und bedacht vnd erfunden, daß aus Gotteslaͤſte⸗
rung, vnd bisher gebrauchten Zutrinten, vielerley Bosheit,
Brecht und verberbliher Vnwille, in ganger Teutſcher
Nation entflanden vnd erwachſen, barumb uns, Gott dem
Allmaͤchtigen zu Lob, vnd zuvorkommen fernern Vnrechts,
mit einander einhelliglich entſchloßen, vnd das in vnd mit
Kraft dieſes Briefſes, daß vnſer jeglicher Churfuͤrſt vnd
Zuͤrſt obgemeldt, wir ſeyn Geiſtlich oder Weltlich, nun
hinfuͤhro für vnſer eigen Perſon, der Gotteslaͤſterung und
Zutrinckens gantz ober halb's, uns enthalten und müͤſſi⸗
gen, auch allen vnd jeglichen, vnſern Ober⸗ vnd Unter⸗
amptleuten, Hofgeſind end Dienern, Vnterthanen vnd
Verwandten, bey einer namlichen Straf ernſtlich gebieten,
dergleichen bey ber Ritterſchaft in eines jeden Fuͤrſtenthumb
und Lande gefeffen, fleiffigiiähen "bitten und daran feyn
ſollen und wollen, fich gleichermaß, wie wir, des Gottes:
Yäfterens vnd Zutrindens gank ober halb's, zu enthalten
vnd müffig zu ſtehen.“ Doc, wird die ausdrückliche Aus:
nahme hinzugefügt und dadurch jeber Berlebung bed Ver:
trages Thor und Thuͤr geöffnet: „Were ed aber, daß
unfer von gemelbten Churfürften vnd Fuͤrſten einer ober
“mehr, in bie Nieberland, in Sachen, die Marl, Medel-
burg, Pommern, oder dergleichen, da Zutrinden die Ges
wohnheit, vnd über fleiffige Weigerung Zutrindens nicht
geübriget feyn möchte, follen dieſelbigen folche Beit mit
ihrem Hofgefind vnd Diener vungefehrt, vnd mit biefer
Drdnung nicht gebunden fein.”
Der Verfall der Zurniere lag in ihnen. felbft ſchon,
und von frübefler Zeit an, bereits in ber eigentlichen
Anhang zur & Abtheil. 49.
Blütenzeit der. Zurniere ff im 43. und 14. Jahrhundert,
gab «8 „heftige Gegner berfelben und zwar unter ber
Geiftlichkeit. Blutige und mörberifhe Auftritte waren
dabei ‚nicht zu vermeiden, ja fie wurden oft geſucht, unb
perföntiche fo wie landsmannſchaftliche Streitigkeiten gaben
Anlaß, daß die Scherzfpiele oft zu großen Trauerſpielen
ausarteten. Untreue und bervortretende landeͤmannſchaft⸗
liche Streitigkeiten, doch noch glüͤcklich endend, zeigt der
Kampf zwiſchen den Schwaben und Kaͤrnthern, als Kaiſer
Abrecht in Deſterreich ſich zum Kriege gegen König Wen⸗
zel von Bbhmen ruͤſtete. Heinrich von Kaͤrnthen zog mit
feinen Rittern heran. Die Schwaben fordern zum Zurs
‚nier -auf, und die Kaͤrnther nehmen's an. Es wird audges
macht, die Ritter aus Kaͤrnthen, von ber Etſch unb vom
Inn follen auf einer Seite fein, gegenkber bie Rheinlän=
der und Schwaben, und des Gleichgewichts wegen follen.
dieſe noch den Heinrich Klingenberg und ben. Beringer von
Landenberg mit 10 andern an die Kärnther abgeben. —
So gefhaart kamen fie zur Burg vor die Srauen geritten
und begannen den Zurnei. Bald wurden bie Etſcher
allermeiſt fattelleer; und man fing an zu merten, ba
Kiingenberg und Beringer mit Fleiß faumfelig waren und
nit halfen. Ein Kärnther war fehr mannhaft. Um ihn
zu zwingen, machten fi: ihrer vier an ihn und Fonnten
ihn nicht aus dem Battel floßen. Da ging noch einer
auf ibm, und zwar voll Grimm's, und jagt’ ihm ein ſpitzuß
Meſſer durch den Schlitz. Died erregte Laͤrm. Der Kai⸗
fer eilte hinzu, ſchlug dazwiſchen und ſprach: „um was
wollt ihr dieſen Mann morden? das iſt unritterlich ges
| 27* |
AN . Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
than.“ — Num hatte eben. Herzog Heinrich Achnliches
„gefehen, daß nehmlich feiner Mannen einer mit zween zu
Schaffen hatte, und daß noch ein. brister anlief und den
büsgelfeften Dann am: Fuß packend, ipn Aber ben Sattel⸗
:bogen ſchob, daß er fiel Das hatte der Herzog gefehen
und ſprach deshalb fehe böfe zum Kaifer: „ich hätte beſſer
gethan, meine Reife zu laſſen. Iſt das euer Wide, daß
Wan ſo mit ben Meinen verführt? Dee Klingenberg. und
der Landenbeig thum ihre Pflicht nicht. Das heißt man
falfche Geſellſchaft.“ — Da machte der Kaifer zornmü⸗
‘tig dem Turnei ein Ende, aber der Herzog war nicht zu
begütigen und ritt in feine Herberge, wo er vier Zage
blieb und ſich vom Hofe fern hielt. Eliſabet, des Kaifers
Gemal, weinte über dieſen Vorfall und befchulbigte den
"Hermann Landenberg, dem, als Marſchall, das Turnei
gu ordnen eigentlidy gebührt habe. So Hornet. Andere
Beifpiele hat uns die Gefchichte mehr bewahrt, ‚Jowohl
von zufälligen Toͤdtungen als auch von abſichtlichem Mord.
So wurde 3. B. Lubwig, ein Sohn des Kurfürflen von
der Pfalz, im Jahre 1257 in einem Zumier zu Nürnberg
‚tödtlih an. ber Kehle verwundet und flarb ben zehnten
ag darauf. Gleiches Schidfal hatten Johann, Herzog
zu Brabant; Johann, Markgraf von Brandenburg ;. Pri-
mislaus, ‚Herzog von Meckelnburg und eine Menge Ritter
vom iebern Adel Im Jahre 1316 wurde zu Bafel.ein
Graf von Kabenelleubogen von einem ‚Kern von Hol⸗
weil im Zurnier getoͤdtet. Markgraf Friedrich der Strenge
von Meißen wurde im Jahre 1330 in einem Turniere zu
Pegau bei einem ſcharfen Reunen wis einer Lanze. in den
*
Xahanı zur 4 Abtheit. - 421
Unterleib geftochen, daß er beinahe davon gclerben waͤre.
Im Jahre 1240 follen in einem ſcharfen Turnier zu Nuys
60 Ritter und Knappen auf dem Platz geblieben feyn.
Wie ungluͤcklich das Turnier zu Darmſtadt ini Jahre 1403
abging, habe ich bereits oben erzählt,‘ als ich von ber Obs
liegenheit der fogenannten Prügellnechte fprach, welche:
“ Damals bie auf einander erzürmten Franken: und Heſſen
nicht von einander zu ſcheiden vermochten, fonbern fie
mußten ihren Grimm austoben laffen. Da blieben 47
Franken und 9 Heflen auf dem Turnierplatze, theils ge⸗
toͤdtet, theild niedergeflochen und von den Pferden ertreten.
Das Turnier zum -Schimpf oder Scherz’ war zwar
weniger gefährlich, als das fogenannte Scharfrennen, bei
dem die meiften Unglüdsfälle vorfielen; aber doch felbft bei
den flumpfen Waffen jener Uebungen Ponnten durch das’
Zerfplittern der Lanzen Unfälle gefchehen, und ber Sturz
vom Pferde und mit dem Pferde konnte noch größere Un⸗
gluͤcksfaͤlle herbeiführen. Ueberdies wurden aus ſolchen
Turnieren oft ziemlich ernſtliche Gefechte, wenn z. B. ein
alter Groll, wie in dem Falle zwiſchen den Heſſen und
Franken, erwachte. Dann endigten ſich dieſe Scherz⸗
Kaͤmpfe, trotz aller Geſetze, die zur Verhuͤtung non Uns
gluͤksfaͤllen gegeben wurden, und trotz ber Bemuͤhung ber
Drbnungshalter, felten anders ald mit dem Tode vieler.
. Kämpfen, und es Tonnte dann mit Kecht heißen, wie man
in den alten Zurnierbirchern lieſt: „bei biefem Zurnier
war fchlechte Luft und Kurzweil und mancerlei Schaden,
und zog ein. jeder gas miäbergnügt nach Haus.“
- Verwundungen : waren in ben Zurmiexen überaus ge:
422: Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
woͤhnlich, mib zwar bei allen drei Arten der Lanzenren⸗
nen. Einzelne Beifpiele beweifen. dies aus dem Leben des
Ulrich vom Lichtenflein, eines der eifrigften und fleißigften
Menner. (S. 37). wird gefagt, bei dem Zurnier zu Fries
fach: . „mancher lag finnlos auf der Erde;“ (5. 38) „er
flach mir in ben Arm unb ih empfand mich etwas wund,.
boch erfuhr er es weber, noch fonft da jemand." (S. 42)
„dann Tamen fie zu ibm zumid, wo er im Klee (vom
Hoffe gerannt) lag, er hatte vom Treten Schmerzen ges
Kitten.‘ (S. 45) „Sa der Nacht badeten die Ritter, mans
“er warb ohnmaͤchtig vor Müde, dem verband man bie
Wunden, der. ieß fich falben, dem thät der Arm weh,
ben bad Knie, mancher war wie tobt vor Schlaf." (©.
54) „Als fih der Turnei zerließ, bat mid der Here
Ufchald von Boken, um meine Frau ein Speer mit ibm
zu verftechen; ich band meinen Delm alsbald auf unb fo
auch er, und mit zween flarten Sperren rannten wir auf
einander, ed gefhah ein fchöner Tioſt, aber ber hochge⸗
lobte Ufchalch flach mir einen Finger aus der Hand. Als
ich die Wunde fühlte, band ich den Helm ab und muſte
dad Stechen laſſen. Alle Ritter beklagten gar fehr. meinen
Schaden, ich ſprach: ihr follt das laſſen, denn ih bin
> beffen froh, weil ed mie ift um ein Weib gefchehin, bie
meinen Dienft daran erkennen mus. Wir zogen wieber
in die Stabt, und ich ließ mie einen MWeifler Tamınen;
da er die Bunde befah und wie der Finger nur noch an
der Hand hing, ſprach er: er wirb wieder heil, wenn man
euch fo thut, wie man fol. Des Troſtes war ih von
Herzen froh und ſprach: beträgt. mich nicht. und: ſeid mir
Anhang zur 4 Abtheil. #23
‚getreu, fo geb’ ih euch mit gutem Willen fo Träftiges
Gut, daß ihr deſſen immer Freude habt. Er unterwand
fid mein und verband mir den Finger. Bis an den fechs
ften Tag lag ic in Banden und ald er nun bie Wunde
befehen wollte, war fie ganz ſchwarz, befien ich und
der Meifter erfchrad. Da fprach ich: wie, Meiſter, ich
mag wohl verfäumt fein mit eurer Meiſterſchaft, die
Wunde ift fo haͤßlich. Er ſchwieg und fprach fein Wort,
nur daß er jämmerlich ſah, in großen Sorgen faß er bei
mir, ich ſprach: nun fahrt durch Gottes Haß ald ein
Boͤſewicht von mir, ihr feid ein Mann gar ohne Sinn,
daß ihr euch keines biedern Mannes annehmen dürft mit
Arznei, denn ihe koͤnnt ed nicht." Go ſchlecht berathen
mochten wohl oftmals die Ritter jener Zeit feyn. Ulrich
reitet darauf nach Botzen, wo ein Meifter feyn follte,
„As ich num zu Bogen gelommen, kam der Meifter zu
mir und fprach: ihre ſollt ohne Angft fein, ich mache euch
bald an eurem Finger geſund.“ (Dies gefchah auch; wie
er ihn aber doch aus Übertriebener Liebe zu feiner Frau
verlor, werben wir im einer fpäteren, ber fechften, Abthei⸗
lung erfahren) ©. 105 heißt es: „ich (Ulrich) machte
ihm in feiner rechten Hand eine Wunde, was. mir innig⸗
lich Teid that, denn er war ein mannlicher Ritter.” Dann
©. 410: „Der Helm hatte ihm (beim Abſtechen durch
die Lanze) Nafe und Mund beftraufet (gefchunden), ba
er. nicht mehr flechen mochte" S. 133: „Da kam
Here Ruprecht von Purſtendorf gegen mich, ich flach ihm
meine, Lanze durch feinen Harniſch und Hals, bag er da>
von hinter bad Ros fallen mufle, das Blut drang aus
424 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
ſeiner Wunde, daß das Gras nas wurde, man waͤhnte,
er waͤre todt, und mit herzenlichem Leide ritt ich deshalb
vom Felde in meine Herberge. Doch genas der biedre
Mann.“ — Wenn auch keine Verwundung flatt fand,
ſo wurden doch oft die Ritter ſinnlos hinter das Pferd
geſtochen; fo erzählt Ulrich (S. 104): „Er verſtach fein
Speer ritterlich, auch traf ihn meine Hand fo, bag er
hinter das Ros fiel und ſinnlos da lag; der Fall that mir
wenig leib, (es war Zacheus von KHimmelberg, ber als
Mönch gekommen, um ihn, als Königin Venus, nieberzus
fliehen), und der Biedre muſte noch Spott dulden. ©.
243: „er flach da den Herrn Dietrich von Smiba nieber,
daß er bis auf den Abend finnlos lag." So waren au,
wie in bem ſchon oben angeführten Kampfe des Suero
de Quinones erwähnt ift, an einem Tage alle Vertheidi⸗
ger des Paſſes in: diefem Kampffpiele nicht im Stande,
gegen die Ritter, welche zum Kampfe erfchienen, in bie
Schranken zu treten, „weil einige verwundet waren, und
die übrigen fich erſt die verrenkten Glieder muften einrich⸗
ten laſſen.“ Verrenkte, zerfchlagene und zerquetfchte Glie⸗
der mußten oft vorkommen. Beſonders litten aber leicht
bie Kniee, indem bie Ritter, wenn fie im Einzelrennen und
im Buhurt auf einander anprallten, zuerſt fi mit ben
Knieen ‚berührten, und bei dem Zufammenfloß gewiß nicht
life. So erzählt daher auch Ottokar von Hornet, als er
von bem Buhurt fpricht, der 1264 zu Wien zur eier
bed Bermählungöfeftes yon Ottokar's von Böhmen Nichte,
‚ber Marfgräfin von Brandenburg, mit König Bela von
Ungern durch die deutfchen Ritter gehalten wurde, — umd
Anhang zur 4 Abthell. 425
wobei ber Lärm und dad Gekrache der Rüflungen und
Speere fo groß waren, daß bie Ungern einen feindlichen,
ihnen verbderblichen Anfchlag dahinter fürchteten, fo baß
der erfchrodene Berichterſtatter des Kampfes: zum König
Bela fagt: „dieſe Freundſchaft iſt gleih Chriemhildens
Hochzeit zu erachten,“ anſpielend auf den grauſen Schluß
dieſes herrlichen Volksheldengedichts. „Der Anprall war fo
. groß, daB davon mancher fühne Ritter erfchraf, und ba
mich immer gewundert hat, daß im Gange bed Buhurts
auch nur zehn Knie ganz blieben, fo nahe trieben fie bie
Roſſe mit den Sporen auf einander.” — Indeſſen warb
auch das Geficht nicht gefchont, denn in berfelben Stelle
heißt es fogleich: „mancher Ritter empfing da auf dem
Antlig vorn ein Mahlzeichen.” Welche Stellen am mei⸗
fien dem Stoß, der Verwünbung und bem Drude ausge⸗
feat waren, bad fagt und ebenfalls Dttoler von erat:
Manig Druck und Stoß
Ward da empfangen
Am Hirn und Wangen
Am Knie und an Naſen.
Durch dieſe vielen hier angefuͤhrten lebensgefaͤhrlichen
Ereigniſſe waren daher auch bie Paͤpſte ſehr wider bie
Turniere eingenommen, und fie wenbeten alle ihre Macht
an, um den Abel davon abzuhalten. Doch umfonft droh⸗
ten die Schküffe der Kirchenverfammlungen und bie päpfts
lien Bullen mit der Strafe des Kirchenbanned wider die
Zurnierfämpfer und wiber diejenigen, welche ihnen die
Zurnierpläge erlaubten. Innozenz II (der von 4130 bis
1143 bersichte) fagte im Lateraniſchen Konzilium: „Aus
»
426. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
dieſen verabſcheuungswuͤrbdigen Schauſpielen folgt Leibes⸗
und Seelenmord. Diejenigen, die dabei umkommen wer⸗
ben, fallen alſo nicht nach Kirchengebrauch begraben wer⸗
den.” Dieſem Geſetze wollte auch Erzbifchof Wichmann
von Magdeburg Folge leiſten. Als einſt in Sachſen im
Jahre 1475 ſechszehn Ritter in Turnieren ihr Leben einge⸗
bußt hatten, that Erzbifchof Wichmann alle bieienigen in
den Bann, melde Tünftig ein Turnier befuchen würben.
Des Markgrafen Dietrich) von. Meißen Sohn, Konrad,
wohnte beffen. ungeachtet einem Zurniere bei unb hatte
das Ungläd, fein Leben babei zu verlieren. Nun ‚weigerte
ſich der Mifcof, diefem Unglüdlichen had: Wegräbuiß in
ber Kirche auf bem Peteröberge zu verflatten; und nur
auf inſtaͤndiges Witten der Verwandten des Entſeelten und
. eines zahlreichen Adels, welche dem Biſchof zu Buße fielen
‚und verfickerten, daß ber Verſtorbene feine Suͤnde noch
vor feinem Tode bereut hake, ließ ex ſich bewegen, bens
felben von dem Banne loszuſprechen; jedoch muſten Kon⸗
rads Vater und Brüder ſchwoͤren, daß fie nie einem Zurs
nier beimohnen, in ihrem Gebiete Feines geftatten und
ipre Bafallen und Dienfimannen. einem wollten beiwoh⸗
nen laſſen.
Ein Gleiches beweifet auch das ſchon oben ausfuͤhr⸗
lich angeführte Lanzenrennen, welches Suero be. Quinos
nes in Spanien. gab, als der Bitter Esberte be Glare:
monte blieb. Die Stelle 'gebist beſanders Hierher:
„Buero erzeigte dem Leichngme des umglüdfichen Bittere,
alle Ehre, aber er vergaß auch nicht für die Seele zu
forgen. Er vief fogleich nach dem Unfalle ſeines Beicht-
\
Habany zur 4 Abtheit. 427
vater ımb andere anweſende Geiflliche, um dem Gefalles
nen bie Sakramente geben. zu laſſen, und bat fie, bie
Gebete über ihn auszufprechen, welche bie Nische: vesorbs
net bat. Aber:der Beichtnater gab zur Antwort: die Kirche.
bielte nicht für ihre Söhne die Ritter, welche in folchens
Kampffpiele den Tod gefunden, weil fie in fchweren Suͤn⸗
ben geftusben wären, und man koͤnnte Gott nicht für ihre
Seele. bitten, weil die Kirche biefelben für verbammt er»
klaͤrt hätte, Suero bewog ben Beichtvater, zu dem Bi⸗
ſchof von Aſtorga zu geben, den er in einem Briefe hat,
dem gefallenen Ritter ein Begräbnis in geweihter Erbe
zu vergäunen. Als aber der Priefter Abenbd ohne bie er:
wuͤnſchte Erlaubnis rüdgelchet war, wurde ber Leichnam,
fern von: heiliger Erbe, ehrenvoll von den trauernden Rits
tern zu Grabe geleitet.‘
Deffen usigeachtet blichen die Turniere in großem Ans
fehen, denn fie hatten nicht minder zahlreiche Freunde und
Vertheidiger unter ben Firſten und bem Adel, als bie
Geiſtlichkeit fie angriff, und ſelbſt Domherrn ließen ſich
nicht abhalten fie. zu befuchen, und. Geiſtliche vertheibigten
dies Verfahren, wie Exzbifchof Diether von Mainz in
einem Schreiben an Papft Sirtus that. Dann wibers
ſprachen fich auch bie Geiſtlichen unter einander; und was
ber eine aus beſtimmten Gruͤnden verbot, erlaubte ber
audre wieber aus Mädfichten. So unterfägte. ber Karbis
nal Nikolaus alle Turnierfpiele in Frankreich, fowohl dem
Kämpfern felbft, als auch denen, die ed ihnen verflatten
wuͤrden, ober huͤlfreiche Hand dabei leiſten Fonnten, ja
ſogar den Fuͤrſten, tie dergleichen in ihren. Ländern er:
428 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
laubten; er ſprach den Banufluch wider fie and and be⸗
legte ihre Befigungen mit dem Interdikt. Aber in ber
Folge machte der Papſt, auf Anſuchen ber Söhne bes
Königs von Frankreichs und vieler andern Leute, in Ans
fehung ihrer, weil fie neue Ritter waren, eine Ausnahme
hiervon, fo baß fie. brei Tage lang vor ben Faſten, aber
nicht länger, ſich mit den gebachten Spielen beluſtigen
durften. Auf dieſe Art ſchwankten auch die Koͤnige von
Frankreich ſelbſt in ihrer Anficht über die Turniere: balb
verboten fie fie, bald erlaubten fie fie wieder und belebten
bie Turniere durch ihr eigenes Beiſpiel.
Andere weit wirkfamere Mittel, in ben Turnieren
felbft und in dem veränderten Geiſt der Zeit gegruͤndet,
mußten eintreten, um bie Liebe gu dieſen Uebungen, ſchon
erſchuͤttert, gaͤnzlich zu vernichten. Einmal wirkte der
Verfall des Ritterweſens ſeibſt, indem die Rittetwuͤrde
ihre hope Kraft, ihr großes Anfehen verlor, da der Rit⸗
terfiand nicht mehr Zapfern, Wärdigen und ben Tuͤchtig⸗
Ren ertheilt warb, ſondern alle Arten von Leuten Ritter
wurben. Der Aufwand, melden die Bitter bei ben Tur⸗
nieren machten, wurde fo groß, baß die Ritter und Abes
lien verarmten und nicht mehr im Stande waren, wenn
ed im Kriege Roth that, ihre Lehnsherrn tüchtig und ent⸗
forechend zu unterflüten. Dann verweichlichte ſich aber
auc) der Adel und fand Fein Bergnügen mehr an Spielen,
die fo viel koͤrperliche Kraft und Anflrengung erforberten
und mit fo viel Gefahr verknüpft waren. Endlich traten
noch hinzu: die Einführung ber fiehenben Heere und ber
Gebraug der Feuergewehte, beſonders auch des guoben
Anhang zur 4. Abtheil,.. 4429
Geſchuͤte Durch, die Einfuͤhrung ber ſichenden Heere
hoͤrte das: ehemalige Vorxrecht des. Adels anf, im Kriege
‚allein bie. Reiterei zu bilden; durch die Feuergewehre fing
die gewöhnliche Turnierrüſtung an im ®elve größten:
theils una zu werben... Die traurige Begebenheit in
Frankreich, daß König Heinrich der zweite im Turniere
vor eiger. fo ‚großen Anzahl feines Volkes fein Leben vers
Yor, brachte .in. ven Gemuͤthern ber Franzoſen und in
deren ſo leicht beweglicher Einbildungskraft eine neue
Gaͤhrung hervor. Sobald die Turniere nicht: mehr anf
die Bildung der Ritter Einfluß hatten, ſo erloſch auch
bad Ritterweſen, denn eines war bed andern Hebel und
Träger geweſen. Es trat nun bie Lufl an ritterlich ſchei⸗
nenden Spielen, die aber. gefabzlofer waren, hie Feine
Ausbildung der Kraft mehr erfoxderten, fordern nur Ge⸗
wanbtbeit und Geſchicklichkeit fuchten, hervor, und fie
ſchloſſen ih an die Höfe, als Hoffefte und. Verznuͤgungen,
an. Dies waren befonders alle Arten von Carouſſels,
als dad Ringrennen (das Abrennen und Abſtechen eines
Ringes, der frei hing), das Quintanrennen (das Rennen
mit einem kurzen Speere. nach einer auf einem bewegli⸗
chen Zapfen fiehenden Geſtalt, die, weun fie nicht recht
auf die Mitte des Kopfes. ober auf bie Brufl. getroffen
wurde, fich zafch drehte und dem. Vorheireitenden, wenn
er fih nicht ſchnell wendete, einen tüchtigen Schlag ober
auch wohl einen ſolchen Stoß gab, daß er vom Pferde
gexiffen warb), das Kopfrennen (wobei mit. dem Degen
Köpfe, mei Fuͤrkenkoͤpfe, von ber Erde aufgehakm werden
mußten), und berg, Zuhetzt verlexen ſich ‚aber arch dieſe
430 Zweiter Abfſchmtt. Ritterkeben.
ritterlichen Uebungen in der neuſten Zeit mieiſtentheils
ganz. "Mur Volksſpiele blieben noch laͤnger Übrig, z. B. |
der Plattner (d. h. der Harniſchmacher), Geſtech zu
Nürnberg, wo die Platter geharniftht waren und Lanzen
swmit Kroͤnchen hatten, Feine Pferde aber: ritten, fonbern
‚auf ‘hohen Geſtuͤhlen faßen, Welche mit Bhäbern verfehen
wären und von einer Anzahl Menfchen- genen einander
‚gezogen wurden, wie eine Abbildung und Beſchreibung
in: meinten. wöchenflihen Rachrichten Bd. II. beweiſt.
Dam ein Bauerngeſtech zu: Roß, welches 1585 bie Uns
terthanen des Amtes Kapellendorf zu Beimar hielten;
das Kuͤbel⸗Turnier, meiſt mit ausgeſtopften Seſtalten,
und folche aͤhnliche Spaͤße.
Bereits oben iſt vemerkt worden, daß auger den ſtreng
ritterlichen Uebungen, auch ſchon leichtere und zierliche,
beſonders bei großen Feſten, ſtatt fanden, welche die Grund⸗
‚lage der Ringelrennen und anderer Spiele wurden. Davon
‚möge, Tlie viele geltend, ein merkwuͤrdiges Beiſpiel aus
italieniſcher Geſchichte, das heiter begann und unglücklich
endete, bier noch eine Stelle finden. Rolandini, ein ita⸗
lieniſcher Geſchichtſchreiber des 13. Jahrh., etwaͤhlit diefes
Ereigniß Buch 1. Cap. 13 feiner Gefchichte, unter ber
Aufſchrift: de Iudo quodam facto apud Tarvisium.
Im Jahre 1214 war Albigo Podefla in Padua, ein kluger,
gefchäfterfahrener, gewandter Mann, dabei mild’ und gefällig
gegen Jebermann, unb wie in Regierungdangelegenheiten
umſichtig und thaͤtig, fo auch gu rechter Zeit ji Erholung
von Geſchaͤften, heitern, gewaͤhlten Scherzen und hoͤfiſchen
Luſtbarkeiten nicht abgeneigt. Unter ſeinem Pobeſtat wurde
Anhang zur 4 Abtheil. 431
in bet Mark Treviſo ein ſeltſames heiteres Feſt, ein lufti⸗
ges Hoflager (curia selatii) angeordnet, zu dem der
Adel von Padua vorzuͤglich geladen ward, und die fchöns
fen vornehmen Braun ber Stadt, Das Sptel war fol:
gendes: Ein Lager wurde aufgäfchlagen. Zwoͤlf Frauen⸗
zimmern mit ihren Kammerfeüuicin (domicellabus). wurde
bie Befegung und Vertheidigung davon übergeben. Mit.
reichen Tuchern von Purpur, Gmmet, Seide, Scharlach
u. f. w. war es als zur Befeſtigung umhäwas.. In ihrem
fhönften Schmude, mit goldenen Kronen. außdem Haupte,
fhimmernd von Perlen und Edelſteinen aller Axt, verthei⸗
digten das luſtige Lager die: fchönen Frauen mir: ihren
Dienerinnen gegen ben Sturm ber Ritter, bie .natärlid
nicht mit Eriegerifchen Waffen, fondern nur mit zierlichem
Geſchuͤtz verfehen waren, von verfchiebenen - Srächten,
Aepfeln, Birnen, Kaftanien, Mandeln, Mustatnüffen,
mit Blumen, Rofen, Lilien, Nelken, Beinen Kuchen und
Bonbons, auch mit Släfchchen allerlei wohlriechenden Waſ⸗
ſers waren fie bewaffnet, und fo beramnten fie bie von -
den Frauen vertheidigte Veſte. Auch viele venezianifche
Srauen und Herren waren zur XTheilnahme des Spiels
eingeladen. Da trug es fih zu, daß ein vorfchneller,
unbefonnener Venezianer im bitigen Eifer, den Pabuanern
es zuvorzuthun, mit der St. Markusfahne auf jene zu
ungeſtuͤm eindrang und fie vom Thore bed Lagers weg»
zudrängen fuchte, um die Ehre der Lagerſtuͤrmung feinen
gandöleuten zu gewinnen. Die Paduaner, erbittert darüber,
vergalten ihm feine Unhöflichleit auf gleiche Weife, fielen
auf ihn ein und riffen ihm ein Stud aus der Fahne feines
432 Zweiter: Abſchnitt. Ritterleben.
Schutzheiligen. So erhub ſich Streit zwiſchen beiden
Theilen, und es waͤre ſchon damals zu blutigen Auftritten
gekommen, haͤtten fich-nixht die Obwalte der. Ergoͤtlichkeit,
kluge, geachtete Maͤnner, ſogleich ihr Anſehen, das ihnen
die eigene Wuͤrde und das Amt des Tages gab, mit Ernſt
dazmiſchen gelegt, und bie durch tolle Hitze fo: unbequem
geflörte Euſtbarkeit raſch aufgehoben. Aber bie Erbitterung
der Parteien war nur für ben Augenblid gebämpft. Sie
war der. Samen zu großen Uneinigkeiten, welde zwiſchen
Benedig. und Dabua bald hernach ausbrachen, und in auf-
gehobenen Verkehr, werhfeifsitigen Räubereien, Befehbun-
gen und. Zobhaß beider Brüste, lange Zeit verberbend
fortwiehen.
Druckfehler bes erften Bandes. -
020.1. Sehr f. S |
49. a. 1. in den Begeh.
.6v ” l. — * f. Santrs
iJ v. o. l. laſſe fuͤr laſſen
Klammerftrid vor: der Oberflafchenbewahrer zc. und ber
ach: im Staate, müffen beide wegfallen
v. die Abtheilung f. den Abſchnitt
v. u. I. rechten f. rechter ‘
202
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hatte f. hat
u. l. wahrhat f ahrhaſt
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reiſend f. Ir
Bigeois f. Vignois
v. u. l. ſchlechte f. ſchlichte
u. 6 v. u. l. ſchmaͤhen f. ſchwaͤchen
— 1355 3.7 v. o. I. Krommenau f. Krammerau
102 3.71. eihterihen f. ritterlichen
— 221 3. 7 v. 0. I. Paffefun f. Paffefum
2 3. 1u. 2 v. u. L edlen Geſteinen f. edlem Sefteine
.d.
u.
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v.
v.
111141411
SEZZZIRES 88
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OO RO
— 251 u. 252 muß allenthalben, wo.@ebäude ſteht, Gebände gde ,
fen werben
— 2713. & v. u. I. Augsburgern f. au eourgern
— 303 3. 16 Anrücigkeit f. Anruͤhrigkeit
— 825 3.3 v. u. l. außer f- außen
— 335 3.40. 0. bes f. das u. dir f. bie
— — 3.14 v. o. bü f. du u. ‚rehtü f. rechtu (se ift eigentlich
das altdeutfhe u mit einem Strich darüber.)
Zen» 15 v. u. I. Dtto f. Otte
Pf
— 408 3.40. u 1. Erfordern f. erfordern
— 432 3. 80.0. muß „fih” wegfallen
di
|
\
Kitterzeit und Kitterwesen,
RG
-
Kitterseit,
| | und | |
NRitterwefen
Vorlefungen,
gehalten und herausgegeben
| u
von,
Buͤſchinng. .
| Zweiter Band -
— — — — —
Leipzig:
F. A Brodbam dk.
182.3.
u TEILT
Inhalt des zweiten Bandes.
\
weiter Abſchnitt.
Ritterlebenn.
(Fortfetung.)
Fuͤnfte Abtheilung. Bewillkommnung und Empfang ber
Nitter, Ritterzüge, fahrende Ritter. . . © 1
⸗
Sechste Abtheilung. Die Frauen der Ritterzeit; Liebe,
Ehe und haͤusliches Leben. . . . . — 63
Giebente Abtheilung. Geluͤbbe der Rister, verbunden mit.
ihrer Gottesfurcht und Liebe oder aus einzelnen _
Beweifen ihrer Tapferkeit entfpringenb. . -15
vı Inhalt bes zweiten Bandes,
Achte Abthelung. Bmweilämpfe und Ernſtkaͤmpfe ber
. Ritter. ® .‘'‘ oo D . . er &. 183
Neunte Abtheilung. Vorzuͤge und Auszeichnung ber
| Nitterroürbes Verfall derſelben. .— 239
Behnte Abtheilung. Strafen ber Ritter, Zob und Leis
chenbegaͤngniß.229
." ®
7
vr...
Sünfte Abtheilung.
Bewillkommnung und Empfang der Ritter, Ritters
zuͤge, fahrende Ritter.
Es war die Pflicht der Ritter, immer, ſo viel es ihnen
moͤglich war, ein thaͤtiges, nie ermuͤdendes Leben zu fuͤh⸗
ren, Gefahren aufzuſuchen und immer dahin zu eilen und
ſich zu wenden, wo ihre Huͤlfe noͤthig war. Daraus ent⸗
ſtand ſchon in fruͤhen Zeiten eine Abtheilung von Rittern,
bie ſehr berühmt waren und Über welche ſpaͤter Cervantes
die ganze fprubelnde Fülle feined Witzes ergoß: es waren
die irrenden, fahrenden Ritter; und ein ergößlicheres Leben
führte wohl feiner, wenn auch ein trüber Hintergrund
nicht zu verfennen ift, indem ein fo eble8 Gemüth fein
ganzes Sein und Tichten an eine undanfbare, wahnfinnige
Grille ſetzt, als des unübertrefjlihen Cervantes Don
Quixote de la Mancha. In den Burgen fanden die Ritter
eine freundliche Aufnahme, und ſchon oben habe ich be⸗
merkt, daß in Frankreich Helme, bei Schloͤſſern und Bur⸗
gen außen auf die Zinnen geſetzt, ein Zeichen waren, hier
wuͤrde ein jeder fahrende Ritter eine freundliche Aufnahme |
| 1 |
w
/
2 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
finden. Gewiſſe herfömmliche Sitten, wie ſolche fremde
Mitter empfangen wurden, hatten fi) ſchon feit der frühes
ſten Zeit feftgefegt, fhon aus der Helbenzeit berfiammenb,
und nur einiges mag bie fpätere Zeit nad) und nach, ge:
ändert haben. Was wir davon wiffen, fol fogleich folgen.
Außerdem wurben in der blühenden Zeit des Mittels
alters noch Zuͤge Sitte, die bloß dazu abzweckten, an bes
flimmten Orten Proben von Zapferfeit und Muth abzu:
legen, inbem bekannt gemacht wurde, an diefem und jenem
Lage winde der Ritter fih an einer genau befannt ge:
machten Stelle einfinden und jedem, ber ihm Kampf ans
aubieten geneigt fei, Kampf gewähren. Ober ed waren
befannte Puncte, wohin ein mannhafter Ritter ziehen
Tonnte und gewiß war, wenn ein beftinnmtes Zeichen ge:
geben wurde, einen Kämpfer zu finden; und wie ver Arten,
zu Kämpfen und Streit zu reizen, noch mehre waren.
Viele Ritter gab es, die bloß darauf umberreiften,
um durch ihre Tapferkeit Preife zu gewirmen und dadurch
ihren Lebensunterhalt zu bekommen; denn Armuth herrſchte
oftmals bei dieſen fahrenden Rittern. Sie waren es denn
auch meiſt, die durch ihre reiche Anzahl die Höfe ber Gro⸗
Ben bei öffentlich bekannt gemachten Feierlichkeiten zierten,
und: für fie waren am meiften die Gefchenfe beftimmt,
welche bei foldhen Feſten, wie wir bereit8 oben gefehen
haben, aufs veichlichfte vertheilt wurden. Ja, wir finden
auch in ben alten Gedichten Nachweiſe, daß folche Ritter oft⸗
mald genöthigt waren, ihre Kleinodien, die fie gewonnen,
ober was fie fonfl von Werth hatten, an Juden zit vers
fegen, und die Stellen kommen daher auch vor, daß bie
,;
5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter 9
Großen folhen Nittern ihre Pfänder auslöfen mußten,
Indeffen heißen. einzelne Stellen, in benen. ber‘ Pfand-
Auslöfungen Erwähnung gefchieht, oftmals auch fo viel,
baß, wenn diefe Ritter von andern in Zurnieren ‚gefangen
genommen worden, fie fi ch durch gegebene Pfaͤnder aus⸗
loͤſen mußten, und daß ſie oftmals nicht im Stande waren,
das verlangte Geld zu zahlen, um ihre Pfaͤnder wieder
zu erhalten, und daher bann die Großen, hie das Turnier
gegeben hatten, huͤlfreich unterſtuͤtzend bazutreten mußten.
Durch” dieſe Umherzüge gab es auch, vorzäglid in
der Heldenzeit, viele Ritter, die faft überall hingelommen
waren und daher alle berühmten Ritter Fannten. Das
beweift die Stelle in den Nibelungen, als Siegfrieb mit
feinen Mannen auf den Sand zu Wormö geritten Tommt
und ihn die Hofleute nicht kennen. Da raͤth Ortwein
von Mes, man folle nach feinem Oheim Hagen fchiden,
der würde die Nitter wohl Fennen. Hagen tritt darauf
an das Fenfter und gefteht, er habe die Reden nie gefes
hen, aber es koͤnne niemand anders fo herrlich und. Erafts
vol daſtehen, als Siegfried.
Kamen folche fremde berühmte Ritter ober gar Könige
und Fürften an Burgen und Sclöffern an, fo war es
Sitte des Empfanges, daß die Frau und bie Zöchter bed
Hauswirths die vornehmſten Ritter kuͤßten. So heißt «3
in den Nibelungen V. 6609., als bie burgumder Fuͤrſten
auf ihrem Zuge nach Etzelsburg bei dem treuen Rübiger
und feiner Gemahlin anlangen follen:
Biel liebe Trautinne — fo ſprach da Rüdiger —
Ihr ſollt viel wohl empfahen bie edelen Könige hehr,
1*
4 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
So fie mit ihrem Geſinde vor euch zu Hofe gah'ns
Ihr ſollt auch Thöne grüßen Hagenen, Günther Mann.
Mit ihnen kommt au einer der heißet Dankewart,
Der andere heißet Voller, an Zuͤchten wohl bewahrt;
Die ſechſe folt ihr kuͤſſen, ihr und bie Töchter mein,
Und ſollt auch bei den Degenen in Zuͤchten gütlichen fein.
So gefchieht es denn auch beim Empfange; aber
als die junge Markgräfin den grämlihen und grimmigen
Bogen kuͤſſen fol (V. 6667):
ba blickte fie ihn an,
Cr bäuchte fie fo fürchterlich, daß fies viel gerner hätte gelarn.
Hohe Geburt und Tapferkeit machten zum Empfange
der Frauen durch einen Kuß würdig, und fo trat and
Volker der Spielmann hier beim Empfange neben feine .
Könige; denn. es heißt (B. 6672):
am Teines Leibes Tugend warb ihm bad Grüßen gethan.
Solcher Züge über Empfang der Ritter finden wir nun
in den altdeutfchen Gedichten mehre, und es mögen daher
Hier einige, bei denen fich überdies noch manches wird
bemerken laſſen, folgen:
Im Parzifal wird in Zazamang (V. 687) Gamuret
freundlich von ber durch Feinde bebrängten Doprenftnigin
empfangen:
Ein wenig fie gen ihn ba trat,
Shen Saft fie fi kuͤſſen bat;
und fpäter werben die durch Gamuret gefangenen Ritter,
. die hohen Stammes find, alle feierlich von der Königin
empfangen; fo V. 1377:
Er bat bie Königin reich
Sn kuͤſſen und fahen zu ihr (. h. zu ſich zu fangen,
zu fih zu ziehen). .
5, Abtheil. Bewillfommnung ber Ritter ic. 85.
V. 1406,
Da warb aud) er von Gamurete
Minnigliche empfangen, |
Und oftermals umfargen
Bon her Königinne reich 5
Sie küfte ben Degen minnigleid. .
Er war ihres Mannes Muhmen Sohn,
Sie mocht' es wohl mit Ehren thun,
Und war van Arte ein König hehr.
iſo auch hier ſehen wir, daß die Hoͤhe des Standes
einen bedeutenden Einfluß auf dieſe freundlicht Art der
Aufnahme hatte.
Eine andere Art des Empfanges, beſonders durch die
Zuthulichkeit und Einfachheit des Wirthes bemerkenswerth,
erzählt Hartmann von der Aue in feinem ergoͤtzlichen Ge⸗
dicht Iwain, der Ritter mit dem Löwen, oder legt viel⸗
mehr die Erzählung einem Ritter am Hofe des Artus,
Kalogriant, in den Mund.
Es geſchah mir, es ift wahr, .
Es find nun wohl zwei Sahı,
Daß id) durch Abentheuer zeit’,
Gewaffnet nach Gewohnheit
Zu Brezilian in dem Wald.
Da fand ih Wege mannigfalts
Da kehrt ich zu ber linfen Hand .
Auf einen Steig ben. ih ba fand,
Der war viel rauh und enge.
Durch Dorn und durch Gebränge
Ritt ich einen vollen Tags
Für wahr ich bp! geſprechen magı
Daß ich fo große Arbeit
Bon ſchlechter Fahrt nie erleid’t.
Da es an den Abend ging
Ginen Weg ich ba fin,
Der trug mid aus ber Wilde
6
Und als er mich begreif,
Aweiter Abſchnitt. Mitteriebem
und kam ich an ein Gefilde.
Dem folgete ich eine Weile,
Nicht voll eine Meile, |
Bis ih eine Burg erſach, .
Dar kehrt' ich durch mein Gemach (um Gemaͤchlichkeit,
Ruhe zu finden).
Ih ritt gegen das Burgthor,
Da ſtand ein Ritter vor.
Sr datt’, den ich da ftehend fand,
Ein’n Maushabicht auf der Hand;
Er war bes Haufes Herre.
Und als ee mich von ferre (ferne)
Bu ihm reiten fah,
Mochte er nicht warten ba,
Und lieg mir nit die Muße,
Daß ich zu feinem Gruße
Boͤlliglichen war gefommen,
Gr Hatt? mir eh? benommen,
Den Zaum und auch ben Stegereif,
Da empfing ee mich fo ſchone,
Daß ihm Gott immer Iohne;
Denn mir wird leichte bis an meinen Toh
Der Herberge nimmer mehr fo noth.
Eine Tafel hing an dem Burgthor
An zwei Ketten empor,
Da fhlug er an, daß es erſchal
Und in bie Burg erhalt.
Darnach fand er unlang,
Bis daß dort herausſprang
Des Wirthes Semmelunge,
Schöne und junge
Jungherren und Knete
Gekleid't nad, ihrm Regte.
Die hießen mich willkomnen ſein;
Beider, Roſſes und mein,
Warb viel gut wahrgenommen.
Biel fhiere ſah ich zu mir jommen,
Als id in die Burg ging,
3. Abthet. Bewilltommnung der Ritter 7
Eine Jungfrau, bie mid empfing.
Sch fprehe noch als ich da ſprach,
Daß ich ſchoͤner Kind nie erfach;
Die entwaffnete mid.
Ein'n Schaben Flage ich,
Daß der Waffen Riemen alfo wenig ie
Daß fie nicht Länger Friſt
Mit mir mufte umgeh’n,
Es war gar zu bald geſcheh'n;
Ich wuͤnſchte, fout es immer fein.
Gin ſcharlachneq Mäntelein
Gab fie mir an,
Ich unfeliger Mann,
Daß fie mein Xuge je erfah,
Da uns zu ſcheiden geſchah!
Nachdem fie in einem anmuthigen Garten einige Bei .
mit freundlichem Geſpraͤch zugebracht haben, geht er mit
ſeinem Wirthe zu Tiſche, der fich Höchlich über die Anwe⸗
ſeuheit feines Gaſtes freut und die Steige und Wege fegnet,
welche ihn zu ihm führten Am andern Morgen reitet
Kalogriant wieder feine Straße und beficht ein gar uͤbeles
und ihm fchädliches Abenteuer.
= Mancper-Empfang war auch überaus demuͤthig, befons
berd wenn der empfangende Theil fi einer Schuld bes
wußt war, So heißt es ®. 18561 bes. Parzifal:
| Berne auf den Plan fie gen ihn ging,
Die Magd ihn mit Freuden empfing.
Gawan bot ihr feinen Gruß,
Sie kuͤſt' ihm Gtegreif und Fuß,
Und empfing aud bie Herzogin.
Sie nahm bei feinem Zaume ihr
‚Und bat abfleigen ben Mann,
Den ausführlichften Beweis der Nitterzüge liefert
uns Ulrich von Lichtenſtein in ſeinem Frauendienſt, und
8 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
aus dieſem Werke ſind daher einige betraͤchtliche Auszüge
noͤthig, um über bie oftmald eigen erfcheinende Sitte ins
Klare zu kommen. Ulrich v. Licht. erklärt ben! Boten,
ben er gewöhnlih zu feiner Geliebten heimlich ſchickt:
„Ich fage dir, was ich erbacht habe, In ber Weife einer
Frauen will ich um fie nach Preid ringen, und fo will
ich mit Ritterfchaft fohren von bem Meere bis nach Boͤ—⸗
heim, ih will mich aus dem Lande fortfichlen und meine
Fahrt vor allen Leuten verbergen, und das fol: in biefem
Winter fein: ald ein bemüthiger Pilger will ich fahren,
der um Gott nad) Rom geht, dann zu Venedig fo lange
verborgen fein, biß bed Maien Schein wieder fommt,
und dort will ich mich bereiten, recht wie eine Königinne
foß „..mimnigliche Frauenkleid will ih anlegen und nad
Sankt Georgen. Tage will ic mid am andern Morgen
auf die Fahrt machen. von dem Meere zu Meifterö;. wels
her Ritter bann mit mir. einen Speer verfliht um feine
Srauen, dem will ich ein Zingerlein von Golde geben,
auf ben Muth, daß ex es der gebe, bie ihm bie Liebſte
ſei.“ Seine Geliebte erlaubt ihm bie Ausführung dieſes
Planes und ift fehr wohl damit zufrieden.- „Ich war.fehr
wohl bereitet — fährt er fort — zu ber ritterlichen Fahrt,
ih hub mich ald ein Pilgrim vom Lande und nahm Ta⸗
ſche und Stab von einem Priefter, ald wenn ich wollte
nch Rom fahren.‘
„Ich Tam bald nah Venedig, wo ich Herberge
nahm, ferne von den Leuten, daß mich niemand bort ers
kennen follte. Hier Ing ich den Winter und ließ mir
Frauenkleider fehneiden (dieſe kennen wir ſchon aus ber
5. Abthel: Bewillkommnung der Ritter. 9
‘3. Abtheilung von Waffen und Kleidern). Mein Ros
brachte man mir heimlich durch die Land', alle meine
Knechte muſten von fremden Landen ſein, die ſich auch
ſehr befliſſen, meine Fahrt zu verhehlen. Als ich und die
Meinigen bereitet waren, da ſandte ich durch einen Boten
einen Brief in bie Land, durch welche ich fahren wollte,
ich ermahnte den Boten, mic) gegen niemand zu nennen.
In diefem Briefe war meine Bahrt meiſterlich befchrieben,
und wo ich bes Nachts in der Herberge fein wollte. Als
der Bote abgereifet war, blieb ich noch breißig Tage, ber
Brief aber lautete:“
„Die werthe Königin Benus, Göttin tiber Die Minne,
entbietet allen den Nittern, bie zu Lamparten und zu
Sriaul und’ zu Kärnthen und zu Steir, und zu Defterreich,
zu Böheim gefeffen find, ihre Hulde und ihren: Grus,
und thut ihnen Fund, daß fie um ihre Liebe zu ihnen
fahren will, und will fie lehren, mit wie gethanen Dingen
ſie werther Frauen Minne verdienen, oder erwerben ſollen.
Sie thut ihnen kund, daß ſie ſich hebet des naͤchſten Ta⸗
ges nach Sankt Georgen Tage aus dem Meere zu Mei⸗
ſters und will fahren bis hin zu Boͤheim, mit ſo getha⸗
nen Dingen: wel Ritter gegen fie kommt und ein Speer
wiber fie entzwei flicht, dem giebt fie zu Lohn ein gulden
Singerlein, das foll er fenden dem Weibe, Die ihm bie
liebſte ift, dad Fingergia hot die Kraft, welcher Frauen
man es fendet, die mus immer deſto fchöner fein, und
mus fonder Falſch minnen den, ber ed ihr geſendet;
fliget meine Frau Venus einen Ritter nieder, ber fol an
vier Enden in bie Welt neigen, einem Weibe zu Ehren;
,
10 weiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſticht aber fie ein Ritter nieder, ber fol alle bie Roſſe
. haben, bie fie mit fich führt. , Sie fährt des erfien Tages
zu Tervis u. ſ. w. (alle Zage find beflimmt und liegen
noch auf der Straße von der Küfte bes adriatifchen Mee:
res bis zur Gränze von Böhmen; ber legte Tag iſt:) an
dem 29 Tage ifi fie an ber Tyne gu Boͤheim. Da hat
ihre Fahrt ein Ende. Sie will auf der Fahrt ihr Antlig
noch ihre Hände niemand ſehen laffen *), fie will auch
. wider niemand ein Wort ſprechen. Sie gebietet von dem
Tage, ba ihre Fahrt ein Ende bat, am achten Tage **)
einen Zumei zu Neuenburg Welcher Ritter ihre
Fahrt vernimmt und gegen fie nicht kommt, den thut
fie in-der Minnen Achte und im aller guten Weibe Aech⸗
tung, fie hat ihre Herbergen darum alle angefchrieben,
daß ein jeglicher Ritter wille, wenn ober wo er „gegen
ſie fommen fol, daB es fich ihm, zum Beſten füge," "
„Wo diefer Brief in die Lande fam, waren bie Rit⸗
‚ter fröhlih; denn bie deutſchen Lande flunden fo,
daß niemand ehrenreich war, ber nicht ritter:
lich fuhr und durch Frauen hochgemut wurde,
bas war damals Gitte, und wäre gut, es wäre nach**”).
Die Ritter bereiteten fi und fo hatte ich mich auch bes
reitet. Ich erhub mich am naͤchſten Tage nah Sankt
*) Aus guten Gründen, da ber Bart und die rauhen, flarfen
pin bee Königin Venus wohl Nht zierlich geweſen fen
würden,
*) Alſo aud hier bei einer weltlichen Geier, bie geiftliche Octave,
der achte Tag, beibehalten.
wor) So klagt ſchon Ulrich nen Lichtenſtein ſelbſt, als ex, in wohl
nicht zu hohem Alter, feinen Frauendienſt bichtete.
\
5. Abtheil Bewillkommnung der Ritter x.. 11 -
Georgen eined Morgens ſehr früh; bie Laute ‚liefen viel
herbei und um mich ward ein großes Gedrang. Mein
Marſchalk und mein Koch ritten ſelb fünfe vor, von denen
warb mein. Gemach bereitet, nachdem ſah man ein Banner
„führen, weiß wie ein Schwan, neben welchem zween
Mann ritten, die lauf in die Nofaunen fließen, ein großer _
Schall ward zu Meifters, Drei Saums Pferde z0g man -
mir nach, benen brei Garzune beiliefen, nad) dieſen brei
bedeckte Boffe, besen jegliches ein Knappe pflog, auf
jedem lag ein. Sattel, der war ſtark und filbermeiß, von
einem .guten Meiſter bereitet. Bei dem Roſſe führte man
weinen weißen Schild, der nicht beffer gemacht fein konnte,
auch meinen lichten Helm, ber meiſterlich gekrönet war.
Dann ſchlug ein Holiblafer einen Sumber (Holiblofer iſt
ein Pfeiffer oder Floͤtenblaͤſer, und Sumber ift eine Art
rauſchender Trommel. vielleicht eine Handtrommel); nad)
biefem ritten vier gut gekleidete Knechte, deren jeber in
feiner Hand drei große zufammengebunbene Speere führte.
Rach diefen ritten zwei Mägbe, alles was biefe antrugen,
war von weißer Farbe; nach ihnen titten zwei .gute Fide⸗
lar, die mid) hochgemut machten, benn fie fibelten eine
fröhliche Reifenote. (Alfo auch damals noch Fiheler, wie
uns bie Nibelungen im Voller.dem Fideler zeigen; Reiſe⸗
note bedeutet einen Marſch.) Hierauf folgte ich ſelbſt zu
Pferde, in einem gut gefchnittenen Kappemantel (bie
Beſchreibung feiner Kleidung ift fhon oben in der Ab⸗
theilung von Waffen und Kleidern ausgezogen). Go
hub ich mid) von dem Meere, und gar viele Leute folgten
» air nad. Da hieß ich fragen, ob jemand Ritter ba
12 833welter Abſchnitt. Ritterleben.
waͤre? Sie ſprachen: liebe Fraue, ja, wohl tauſend ſind
hie, die es ungerne laſſen, daß fie mit euch ſtechen, nur
erlaubt es ihnen ber Podesta nicht, ber von Tervis, denn
Diefer fagt, wer mit euch ein Speer verſticht, ber muͤſſe ihm
5000 Pfund geben; er ft ein fo zomiger Mann, daß er
anf Beine Freude achtet, man ihn auch nur felten lachen
ſieht. So zog ich von Meifters fort nad) Tervis. Dort:
hin war ein Graf mit So Rittern gelommen, es war von
Goͤrz ber Graf Meinhard. Als der Biedre vernahm,
daß man mich nicht ſtechen ließ, Tprach er: wie ift das
gefommen? Man fagte ihm, der Podeſta habe ed verboten;
das iſt eine Miſſethat, ſprach der ehrenbegierige Mann,
ſollen wir denn keine Freude haben? das wollen wir beſſer
verſuchen. — Sogleich ſetzte er ſich auf fein Pferd und
ritt mit vielen Rittern bin zum Podeſta und feradh:
Herre, ihr folt uns mit eurer Huld hie froh fein laffen,
darum bitte ich euch. Der ſprach: ich verwehre euch Feine
Freude, wo es ohne Schaden gefchieht, dad gönne ich
euch fehr wohl; nur will ich auf eine Weife, daß jemand
bier in Zervis in ein Wappenkleid komme, e& find zu viele
Gäfte hergekommen, darum will ich es nicht geftatten,
daß jemand hier Harnifch anlege, ich wäre wahrlich felbft
ein dummer Mann, wollte ich bie Dummheit hier geftatten,
es koͤnnte leicht Schaden gefchehen, darum erlaube ich es nicht.”
So fchieb er mit Zorne von dem Pobefla and ritt
in die Stadt, wo viele fehöne Frauen waren, benen klagte
er: ihr fchönen Frauen, laßt euch um euren reinen, füßen
Muth geklagt fein, daß mir ber Podeſta verfagt hat, daß
er uns bier nicht wi Rechen laſſen, das geſchah doch fonft
5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter ıc. 13
wahrlich einem Ritter zu Tervis; er fürchtet, es komme ber
Stabt. zu Schaden, weil zu viele Leute hergekommen find.
Die Frauen fprachen: bies fol abgemandt werben, wir
wollen ihn bitten berzufommen, wir glauben nicht, daß
er und abichlägt, wad wir ihn freundlich bitten. Mit
hoͤfiſchen Sitten ritt fchnell ein Ritter zu ihm hin, indeß
kam auch ich mit Schalle durch die Stadt gezogen. Um
mid; war großes Gedränge und fo zog ich in meine Her⸗
berge. Der Podeſta kam indeß zu ben Frauen, ba grüßte
ihn manch rofenfarbner Mund, er neigte ihnen zischtiglich,
die fchönen Frauen fprachen: ihr folt uns gewähren, was
wir allgemein von euch bitten, ihr folt ber Königinne ihr
Spiel hier lafien, damit wir Ritterfchaft fehen. Er ſprach:
ungern verfag ich euch was, ich will dem Grafen um eure
Bitte bie zwei Speer erlauben. Da trat mit zichtlicher
Sitte Herr Leutfrit von Eppenftein herfür und bat um
einen Speer, und er fprach: das will ich euch nicht vers
fagen, mehr aber geſchieht wahrlich nit. Mit Zreuben
wappnete fih ber Graf. (Seine Kleidung warb ſchon
oben erwähnt). Es ſaß ber Milde auf einem ſchnellen
und guten Roſſe, das in Sprüngen buch die Stadt fuhr,
alle riefen: weicha! weich! So kam ber Sreche ritterlich.
Ich war auch bereitet in meine weißen Wappenkleid (die
auch ſchon oben angeführt worden). Sp Fam ich durch
die Stadt, in allen Gaffen war großes Gedrähge, in
Beinen Sprüngen fprang mein Ros. Der Pobefla von
Tervis gehot mit Fleiß, daß man und einen.Ring räumte,
das war aber nur verloren, denn ed waren fo viele Leute
gelommen, daß man und auf keine Weife einen Ring in
14 Zwelter Abſchnitit. Ritterleben.
der Stabt machen mogte, wir konnten kaum zu einander
kommen, auf einer Bruͤcke ſah ich den Hochgemuten, von
der Bruͤcke trieb der Podeſta die Leute, daß ihrer nur
wenige darauf ſtehen blieben, auf dieſer muſten wir tioſti⸗
ren und mancher roſenfarbne Mund fprach und Gegen
nach.“
„Da ich ihn ſo ſchoͤn kommen ſah, nahm ich mein
RKas mit Sporen, fo that er dem ſeinigen und wir kamen
zufammen, ald wenn wir zu einander flogen, unfre Augen
trügten und nicht, unfer beider Tioſt gerieth recht da, wo
ſich Schild und Helm fcheiden, die Speere Trachten und
die Splitter flogen. Die Schilde rührten einander (diefe
Stelle voirft auch noch einiges erflärende Licht auf die
vorige Abtheilung, wo man fich im Lanzentennen zu tref:
fen ſuchte; wie auch nod einige folgende Auszuͤge
früuͤher Bemerktes gelegentlid erklären). Der Tugendreiche
band den Helm ab, und fo auch ich; ich fanbte ihm ein
goldnes Fingerlein, daß er feiner Frau geben ſollte, bie
ihm die liebfie vor allen Weiben fei, dabei ſollte fie feinen
treuen Muth erkennen. Herr Peutfrit von Eppenſtein
kam ritterlich gezimirt gegen mich, der ſtarke Mann war
des Gutes reich und wohl bekannt an ber Mure, er führte
ein großes rothes Speer in feiner Hand, Ich dachte:
DaB ift ein ſtarker Mann und wohl geuͤbt in Rilterſchaft.
Da machte ich den Puneis lang, ihm ſank fern Speer
allzu niedrig und er flach mein Ros durch ben Hals, ich
brady den Speer auf feiner Bruſt, mein Ros fprahg vor
Schmerzen bach und ich muſte abfiten. Der Tag mar
auch vergangen und bie Ritterſchaft mufte ein Ende haben,
5. Abtheil. Bewillkommnung beu Ritter wc. 45
ih fuhr in meine Herberge; gern wären mir alle tie
Herren gefolgt, um mich zu fehen, das wurde aber vers
mieden, denn ich ließ mich auf der ganzen Fahrt von kei⸗
nem Manne fehen. Am andern Morgen als ber Zag er:
fihien und ich noch in meinem Bette lag, waren wohl -
200 Frauen vor meine Herberge gelommen, um zu er⸗
fahren, wann ich in die Kirche gehn würde. Einer meis
ner Knechte fah die Frauen und fprach zu’ mir mit Zuͤch⸗
ten: viel liebe Fraue, ich meine euch edle Koͤniginn, ich
weiß nicht, ob ihre wißt, alle, Frauen aus der Stadt find
daher gefommen, ihr Tieget allzulange. Da.icy das hörte,
legte ich ſchnell Kleider an meinen Leib, wie fie ein wers
thes Weib wohl mit Ehren tragen mag — und fo ging
ich in hohem Muthe hin, wo mich mancher rother Mund
mit Gruß empfing, fie fprachen: Gott willkommen, Koͤni⸗
ginn Venus! — ich bat fie, den Buhurt zu laffen, das
wurde auch ſchnell gethan. Da ich zur Kirchen ging,
nahm eine Graͤfin meinen Mantel und hielt ihm über
mein Gewand empor, To führte fie mich zur Kirche, ich
nahm ben Dienft in hohem Muthe an. Che ich zur Kirche
kam, hätte mein Kammerer einen fehönen Teppich genom⸗
‚men und einen reihen Polfter, das lag hiber einem Stuhl,
worüber ich mich zu neigen pflog. Ich bat Gott, daß er
durch feine Güte möge meiner Ehre pflegen.”
„Ein Pfaffe fang eine fchöne Meffe, groß Gedraͤnge
war um mid von Frauen, als ich zum Opfer geben
wollte, man bieß die Leute aufftehen, ich that breift mein
Opfer. Da ich vom Opfer Fam und man bas Pace Her:
trug, wurde genug gelacht, denn ich nahm bad Pate von
—
| 16 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
einem Buch, ſo mit verbundnem Antlitz, wie es ſich doch
nicht ziemte, ſo bot ich es der Graͤfinn; die Hochgeborne
ſprach: ihr ſollt die Riſen (das Tuch um Mund und
Kinn) wegnehmen, denn ſo geziemt mir das Pace nicht.
Im Augenblick nahm ich die Riſen vom Munde, worauf
die Schoͤne lachte und ſprach: wie nun? ihr ſeyd ein
Mann, das ſeh' ich wohl; was thut es; der Kus ſoll
wohl geſchehen, ich will um alle guten Weib euch kuͤſſen,
weil ihr Frauenkleider angelegt habt, ſo ſoll euch mein
Kus nicht verſagt fein. Da fie nun das Pace von mir
empfing und der füße Kus geſchah, ſo wurde ich davon
fehr hochgemut. Die Meffe war nun gefungen und ic
und manche fchöne Fraue gingen von ber Kirche, ein
‚großes Gebränge war überall in ben Gaflen, ein großes
Schalen von Pofaunen hörte man vor und, und alles
war froh und zu fehn. Ih kam vor meine Herberge und
nahm ſchoͤn Urlaub von mancher minniglichen Frauen;
mit füßen reinen Herzen baten jie, daß Gott mein pflegen
möge; und bavon habe ich ſeitdem viel Glüd gewonnen,
benn Gott Tann guten Frauen nicht verfagen. Manch
bochgemuter Ritter bat ben Pobefla, daß er mich mehr
ftechen ließe; das gefchieht nicht, antwortete er, wer mit
ihm tioſtiren will, ber ziehe mit ihm bis an ben Plat,
das will ich erlauben. Ich fpeif’te und befleißigte mich
bann, fehön durch bie Stadt zu reiten. Mancyer werthe
Mann begleitete mich zu Pferde.‘
„Mit Sreuden 309 ich an den Plat, an einer ſchoͤnen
Stelle fah ich Herrn Reinprecht von Murede, fein Speer
war leuchtend von Bold, das ſchlug er unter feinen Arm,
| X
5. Abtheil. Bewillkommnung ber Ritter ıc. 47
dad meine ſetzte ich auf mein Died, (auf meinen Schens
tel), er flach fein Speer durch meinen. Schild, das von
der Zioft nur wenig brach, mein Speer neigte ſich nicht,
und fo erging ber Tioſt beiderthalb ritterlich; da gab ich
dem reihen Mann ein golbenes Fingerlein, er dankte
-bafür. Nun befland mich Herr Herrmann von Plintene
berg und drei Wahlen, die ritterlich ritten und nicht fehl⸗
ten. Jeglichem gab ich ein Zingerlein: ich verftach die
vier Speere. Darauf z0g ich fihöne nach Schegin, wo
ich die Nacht bleiben wollte. Da ward ich wohl empfan-
gen, bie Fenſter waren voll Frauen, bie. mich alle gruͤß⸗
ten. Ich. blieb die Nacht da, und als der Zag trfchien,
hub ich mich wieder gewappnet auf meine Fahrt. Vor
einem wunniglichen $oreiö wartete mein der Graf von
Goͤrz mit manhem Manne, 12 fah ich unter Helmen,
da ſprach ich zu ben Meinen: ich fehe hier Ritter, die
Tioſtirens begehren. Gleich faß ic) auf mein Ros und
vergaß des Schildes nicht, den Helm band ich zu Haupt
und nahm ein Speer in die Hand, Gie rannten gegen;
der Graf verfladh ein Speer auf meinem Helm, bad meine
zerbrach an feinem Halfe. 7 Speere wurden da auf mid
verftochen, 11 Speere wurden von meiner Hand ba rifters
lich verfchwendet, 5 Ritter verfehlten mich, denen gab’ ich
auch Feine Fingerlein. Ich band meinen Helm ab, Inbeß
erhub fich auf dem Felde hier und da mancher Zioft, der
Graf von Goͤrz flach einem Ritter feinen Helm ab, ein
fchönerer Tioſt konnte nicht gefehen werben, ‘denn bee
Ritter blieb kaum figen. Wohl 100 Ritter thaten da ritz
terliche Arbeit, um bie Weib und -um ihre Ehre.
2.
18 Zweites Abſchnitt. Ritterieben,
„Die Ritterfchaft zerließ fi nun, und fie zogen mit
mir an dem Tage bis zu St. Ulrich, da wollte ich mein
Gemach haben. Am andern Morgen wappnete ich mich
ſchnell, und zog mit weißen Speeren auf das Zelb: einer
war unter ben Rittern, von dem hatte ich vernommen,
daß er Kleinod von Frauen mit ſich gebracht habe, der
hieß Herr Dite von Spengenberg, ber 309 mir nad
wohl gezimirt, fein Bimie gab lichten Schein, um feinen
Helm führte er ein Rifen. Wie führten beide arte Speer,
da wurde dee Puneid lang gemacht, beim er wollte mic)
fällen, ich dachte auch: ich will biefen Mann fo treffen,
ob er kann figen bleiben. Er trieb mit Gprüngen eilig
gegen mich, fein Speer war gefenkt, ich warf mein Ros
etwas von ihm zurüde, weil ich im Sinne hatte, dem
Mann zu fällen, dann trieb ich wieder auf ihn umd mein
Tioſt blieb an feinem Halfe, wovon ter hochgemuthe
Mana beinahe einen Sal hätte nehmen müflen: er vers
flach auf mie ein großes ‚Speer, und von unſer beiber
Sperre Krachen ſah man bie Splitter hoch auffliegen,
Zaum and Stegereif entwifchten ihm, er faßte ben Sat:
telbogen, babei richtete er fich wieder auf, fonft wäre er
nieder gefallen, Mit ihm ſtach ich felb fechfe, daß hie ein
Behler geſchah, ich gab ihmen allen Fingerlein, band mei⸗
nen Helm ab und zog gegen Clenum. Da hatte ih ein
Kitter gegen mid auf ben Plan in einent wonniglichen
Gezelt gelegt, der war Herr Mathie genammt, auf Ehre
ſtund fein Sinn: er hatie eine minnigliche Magb gegen
mich gefchidt, die führte in ihrer Hand ein Speer, ritt
ein ſchoͤnes Pferd und trug fehr gut Gewand. Die
5. Abtheil, Bewillfommnung ber Ritter xc. 19
Schöne fprach aus rothem Munde: Gott willkommen Koͤ⸗
niginne Venus, Herr Mathie hat euch durch mich entbos
ten, baß ihr, Frau, ihm aud ohne Streit willfommen
ſeid, denn er ſieht eu von Herzen gerne, er hat euch
durch mich dies Speer gefandt, daß ihr 28 auf ihn ver:
ftechen folt, das hieß er euch durch mich viel züchtiglichen
bitten, nun nehmt es, fo lieb euch alle Frauen find, Ich
nahm das Speer willigli und dankte der Botfchaft, und
hieß die minniglihe Magd fagen, ich wäre bereit, alles
zu thun, was fie mir gefagt. Die Magd dankte und ritt
in hohem Muthe von dann."
„De wappnete ich mic und band den Helm zu
Haupt, ich nahm Speer und Ship; da Fam auch der
Ehrengehrenbe Über den Anger geftapft, er führte an feis
nem Speer ein gutes Rifen, und ein Schapel auf feinem
Helm, dad von Golb und Perlen lichten Schein gab, er
mochte der’ wohl zu Dienften leben, die ihm dad Kleinod
gefchen?t hatte. Wir waren jegt fo nahe gekommen, daß
ed Zeit war zum Puneis, jeder beflied ſich, daß er fchöne
geritten kaͤme und nicht fehlte, wir trieben nun mit ben
Sporen zufammen, und die Speere blieben nicht ganz;
ed geſchah ein fchöner Tioſt, ich flach ihm den Helm vom
Haupte, und die Nifen an feinem Speer vorn blieb in
meinem Schilde, fein Tioſt bohrte mir weite Luden, oben
wo des Schildes Rand mir dedte das linke Achfelbein.
Sein Helm war ihm ſchnell aufgehoben, und ih fah noch
6 Ritter gezimirt gegen mich traben, jeglicher führte ein
Speer, die wurden von mir angerannt, ich vermißte kei⸗
nen, ihrer trafen mich aber nur viere. Die zween, bie
3*
⸗
20 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
mein da vermißten, waren traurig, der Wirth ſelb fuͤnfte
holte da die Fingerlein. Ich band den Helm vom Haupte
und ritt in meine Herberge, wo ich gut Gemach fand,
Am Abend fah man die Ritter mit einem wonniglichen
Buhurt kommen, ba ward ritterlich geritten vor meiner
Herberge, es Tonnte Fein Buhurt fchöner Tein; da faß ich
in einem $eniter, und fah die Arbeit der Ritter, ich war
wonniglich gekleidet, recht wie eine Koͤniginn. Des Bu:
hurts war nun genug, und aus meiner Herberge gab
man ben Rittern des guten Weines viel, denn nach Arbeit
trinkt mancher Mann gern, ich hieß ihnen Tchenfen in
Köpfen, in Näpfen und filbernen Schalen, ba neigten fie
mir alle und fuhren in ihr Gemach. Da hatte mein
Kammerer 4 meiner Rödlein zur Waͤſche gegeben, das
ward eine edle Frau gewahr, und aldbalb Tandte mir daS
ſchoͤne Weib ein Rödel, fie gebot der Wäfcherinn auf ihren
Leib, daß fie es verbürge unter meine Rödlein, darim
war ein Brief, ein Gürtel und ein Schapel gebunden; fo
empfing ed mein Rammerer und wurde deſſen nicht inne,
worliber er nachher Verdrus hatte.”
„Als der Tag gelommen war, hörte ich Meſſe, dar⸗
nach ließ ich mit mein Wappenkleid anlegen, meine Po⸗
ſauner blieſen mit Schalle eine ſuͤße Weiſe, damit thaͤt
man den Rittern kund, daß ich bereitet waͤre; mancher
hochgemuthe Mann wappnete ſich, in den Gaſſen trug
man Schilde, Helme und Speere. Da zog ich fuͤr die
Stadt. Herr Mathie hatte fein Gezelt mir wieder in
Weg aufgeichlagen, er hielt da vor dem Gezelt ſchoͤne ges
zimirt auf bem Plan, da ſtapfte ich zu ihm und er nahm
5 Abtheil, Bewillkommnung der Ritter ꝛc 21
ſein Ros mit. beiden Sporen, da warb ein Tioſt fo ritter⸗
‚U: und ſo wonniglich geritten, daß ich nie es ſchoͤner
„babe geſehen, die Schilde kluben ſich von ber Tioſt und
hoch flogen die Splittpe von den Schäften. Da waren.
auch aus der Stadt. wohl dreißig Ritter gefommen, ba
nahm man die, Roffe mit Sporen, und mancher ſchoͤne
Puneis ward geritten. Da lag das Felb vol Splitter;
mit 41 Rittern flach ih, auf wekhe ih 9 Speere ver⸗
flach, zween verfehlte ich, darauf band ich meinen Helm
ab... 7 Zingerlein gab ich dahin, Die fie wohl verbient
hatten, die vier, besen Speer ganz blieben an dem Zuge,
woren zornig, baß fie mein verfehlt hatten. — Zur Klaufe
‚batte ih zu Nacht mein Gemach. Am andern Morgen
ſtach ich mit dem von Liunz ritterlich, er und feine Ges»
‚ fellen verbienten drei Zingerlein, das geſchah ohne Fehlen.
An dem Lage zog ich bis zum Thor. — Am andern
Morgen hub ic) mich früh von bem Thor, ba hatte fich
. auch ber Fuͤrſt von Kaͤrnthen fchon auf einen grünen
Anger gelegt, ex lag bes Imbiß wegen ba, was er immer
gerne auf dem Grafe pflog. Bei ihm lagen wohl hundert
Ritter. Da ich ihn fo vor mir liegen fah, ſagte ich aus
hohem Muthe: ich fehe dort Ritterfchaft gegen mich liegen,
des bin ich von Herzen froh. Da hieß ich meine Poſau⸗
ner blefen, ihre Blaſen erſcholl Laut und füße. Da der
Herzog und die Ritter den Schall von den ‚Rofaunen er⸗
hörten, ſprachen fie: wer zieht da zu und? Man fagte:
die Königin fährt, daher,’ wie ihr ihre Briefe gehört habt.
Sie fprachen:. die fei willkommen, wir follen fie bier
Schöne empfangen, Der Zürft und feine Gefellen hießen
>
.
92° Beoelter Abſchnuitt. Rittetleben.
mich willfommen fein, fie tiefen: Buge waz primi gralva
Benus! (Gott willlommen, Königin Venus!) Sie hießen
mic; fragen, ob ich tiofliren wolle; ich ſprach: ja. Da
wappriete ſich mancher Biedre Mann, und: 50 waren bald
in ifren Harnifchen, die alle tiofliren: wollten. Der zuerft
gegen mih Fam, war ein biedrer Dann, der hieß ber
fchöne Herrmann von Dfterwiß, feine Tapferkeit war weit
erkannt, Wir Beide ritten einen ſchoͤnen Tioſt: weiche!
weich! rief man dort und bie; man fah Die Speere auf
beiden Helmen brechen, und bad Feuer fprang aus ben
Helmen. Man gab mir ein ander Speer, und mein Herr
Chol von Finkenftein kam gegen mich, ber konnte wohl
tiofliren, denn er verflach einen Speer an meinem Helme,
das meine zerbrach an fenem Schild. Fuͤnfzehen Speer
wurden: da auf: mich verſtochen, ich verſtach 16 Speer,
worauf ih meinen Helm abband. Ich yab benen 45
Fingerlein, die fie verbient hatten, worauf ich mit Freu⸗
beit nach Wilach zog, durch das Raſtthal. Der Fürf aus .
Kaͤrnthenland zog mit mir und zu Bi worb mancher
Speer verſtochen.“
In der Nacht hatte ich zu Vilach gut Gemach, am
andern Tage hoͤrte ich eine ſchoͤne Meſſez ich hatte won⸗
nigliche Frauenkleid an mich gelegt, und fo ging ich nad
ber Kirche, worüber mancher Mann lachte. — Da Fam
ein Bote, der ſprach: edle Königin, ihr ſollt jeht gewapp«
het fein, die Ritter find ſchon bereit und ziehen anf dus
Feld. Ich wappnete mich alsbald in meine weißen Wap⸗
penkleid und zog auf das gelb, wo ich wohl 40 Ritter
fand. Herr Swikker von Frauenftein Führfe gehen mic
5, Athell: Bewillkommnung ber Ritter x. 23
ein ftarkes Speer, das er mir auf der Bruſt verſtach,
mein Speer blieb eben fo wenig ganz. Da kam gegen
mic ein biebrer Mann, Rudolf von Rafe, ein edler Ritz.
ter, der nie Fuß breit aus der Bahn der Ehren trat, bee
reine Hochgemute flad) mir meinen Helm ab unb ich vers
wunbete ihn am Arm, das that mir fehr leid. Nun warb
auf dem Selbe bie und bort viel tioflixet, das Felb lag
der Splittern voll, Ich verflach ba 15 Speere, dann zog;
ich in mwine Herberge unb gab 12 Zingerlein benen, bie
fie verdient hatten, Dann entwappnete ich mich und Pleis
dete mich als ein Weib, in einem Fenſter ſaß ich ba und
vor mir erhub fich ein Ritterfpiel, ed wurben ba wohl 50
Speer: vor mir verſtochen, welches auf dem Markt geſchah.
‚ Nun warb ed Abend, und da fie vom Morgen bis zum
Abend Ungemach gehabt Hatten, ſah mancher die Nacht
fehr gern, weicher mäbe war, mander wollte ben Frauen
gern noch mehr dienen, was der Abend da hinderte. Als
der Dritte Tag Fam, zog ich nach Feldkirchen und wohl 20.
Ritter folgten. mir, — Auch kam Here Zacheus vom
Himmelberg, weit von feinem Gefang bekannt, ber hatte
ein Noͤnchslleid Aber feinen Harniſch gelegt, eine ſchwarze
Kappe ımb auf feinem Helm «in Haar, dem war eine
breite Platte gefchoren, Er hatte einen theuren Eid ge:
than, daß er bie Königin, nieberfiechen wollte, 11 Ritter
kamen da gegen mich, auf bie ich 10, Speer verſtach,
ihrer jeglicher brach auch feinen Speer auf mich, Da das
der Mönch gewahi wurde, kam er gegen mich auf den
Ring, das war aber umſenſt, mir warb ber Helm
abgenommen, und ich ließ ihn fagen, ba er Moͤnchskleid
24. Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en.
an habe, und auch Moͤnch ſtatt Ritter ſein wollte, ſo
wollte mit ihm die Koͤnigin nicht Ritterſchaft pflegen;
da ritt ich in meine Herberge, wo mir ein gutes Gemach
bereitet war. Als der andere Tag erſchien, ſchied ich von
dannen und zog bis St. Veit. Als man dort meine An⸗
kunft erfuhr, warteten die Ritter nicht lange, ſie ritten
mie entgegen und ich warb als ein Freund von ihnen em⸗
pfangen. Ich zit in Die Stabt und ließ den Rittern
fagen, wer mit mir tiofliren wolle, der folle ji) wappnen.
Alle. wappneten fich freudig, wohl 25 werthe Ritter. —
Auch der Möuch mit einem neuen Speer war wieberges
Sommen. De ich ihn gegen mich halten fah, ſprach ich
in Ungemuthe: wahrlih, ich fleche gegen euch nicht!
Sogleich band ich den Helm ab und fuhr in meine Her:
berge, wo ich die Nacht gut Gemach hatte. Am andern
Tage bereitete ich mich wieber auf die Fahrt und ließ die
Nitter fragen, ob einer tiofliren wolle. Da waren am
Morgen: 6 bereit, fogleich nahm ich ein Speer und gegen
mich ritt Herr Ortolf von Oſterwitz, bie Splitter ſah
man fliegen und die Speere brachen an beiden Hälfen.
Herr Wichard von Garlöberg Fam nur mäßlid gegen
mid, davon fein Speer auch ganz blieb” u. f. w.
„Der Möndh kam in Moͤnches Weife wieder, und
wollte an mir Preis erjagen, ba fagte ihm mein Bote
“von mir, fo lange er Mönchen Kleid führte, wuͤrde ich
Mit ihm nicht ſtechen. Der Moͤnch fprac aus hohem
Muthe: fo fahr ich ihr doch immer nad), wohin fie immer
fährt, fie mus mit mir tiofliren, das kann nichts anders
als der Zod hindern. Da ritten bie Ritter alle zu mir
5. Abtheil. Bewiltkommnung ber Ritter x. 25
and ſprachen mit Zuͤchten: Fraue, ihr follt uns das ge⸗
waͤhren, was wir euch bitten, daß ihr mit dieſem Moͤnche
hier ein Speer verſtecht, welche Kleiber er auch traͤgt, da
fein Muth auf Ehre ſteht. Ich ſprach: da ihr es fo zuͤh⸗
tig begehrt, will ich es euch gewähren. Ich ließ. mir ein
Speer geben, und marhte. ven Puneis lang, denn ich war
ihm von;.Derzen gehas, ich hatte recht ben Willen ihm
feinen Heim zu treffen. Er verſtach fein. Speer ritterlich,
auch traf ihn meine Hand fo, daß er hinter dad Ros fiel
und finnlod da lag; ber Fall that mir-menig leid und ber
Biedre mußte noch, Spott bilden. Ich hatte ihm durch
ben Helm geſtochen und gab- ihm und den andern 14 Fin⸗
gerlein. . Damit ritt. ich mit Zreuben von bannen und
kom an dem Tage nach Frieſach. Dort war mancher gute
Ritter, der meiner. wartete; ich ward von ihnen minnig⸗
lich empfangen und ſchon vor. ber, Stadt ritten: fie mir
entgegen. Sie fragten zuͤchtiglich, ob ich bed Tages da
ſtechen wollte, ich ſprachr jaz da baten fie mich allge⸗
meine, daß ich bis zum Morgen. früh warten ſollte. Was
ihr geliebet, fol gefihehen, ſprach ich und. fuhr in meine
‚Berberge, ‚vor ber. großes Gebränge von einem Buhurt
würde; es wurbe kuͤnſtlich und zittewlich geritten, man ſah
viel Schilde brechen, das Spiel wurde bis auf ben Abend
getrieben, daß die Roffe fchäumten. Als der Abend Fam,
muſten fie ihren Buhurt laſſen.“
„Die Nacht nahm ein, Ende, ba -wappnete ic mich,
jo thaten die Hochgemuten, ich zog auf das Feld, ſehr
fröhlich ,-. daß ich meiner: lieben; Frauen wieber dienen follte.
Auf dem Felde hielt Herr Konrad vyn Medekke, ber
26 Ä Zweiter Abſchuitt. Nitterleben.
rannie mich ritterlich an, fein Punris war ſchoͤne und
lang, er trieb fein Ros mit ben Sporen und dachte auf
Frauenlohn, er verſtach ritterlich fein Speer, daß ich es
an meinem Halfe empfand, ich machte Ihm in feiner rech⸗
ten Hand eine Wunde, was wir inniglich leid that, denn
er mar. eim mannlicher Ritter, —: Mit 7 Rittern ſtach ich
und zog von bannen, 5 Bingerlein gab id) ihnen. Man
fah mic; gen Scheuflich veiten in das werthe Steietland,
49 Ritter ritten mit mir und nus flnf warteben meiner,
die zitsen mir mit freundlichen Gruß ’entgegen. Got
willkommen, Venus, edle Koͤnigin, zu Freuden in dies
Land! Da neigte ih züchtiglich. Ich blieb die Nacht in
Scheuflich, und am Morgen wappnete ih mid, fo thaten
auch die Ritter, die tioſtiren wollten Da kam auf bem
Felde wohl gezimirt gegen mid; ein biedrer Mann, Herr
Ilſung von Schtufli, der immer nach Ehren und Rit:
terönamen rangs — er führte in feiner Hand ein Speer,
daran viel Meiner Schellen hingen; er nahm fein Ros
mit den Sporen und ach mir meinen Schild vom Arm,
daß ale Riemen wie von einem Donnerfthlag brachen,
der Tioft erflang, mein Schild fiel him, auf feiner Achfel zer⸗
brach mein Speer, wie man dinen großen bütren Aſt von
einem Baum abreißt. Nie babe ich jemals von einem Bioft
einen ‘fo großen Krach gehört, weit weg ftoßen feine
Schellen, die Schilde zerfluben ſich. Nach dieſem ſchoͤnen
Tioſt ſtach ich noch mit.4 Rittern, und gab ihnen 5 Fin⸗
gerlein, fie ſprachen: wahrlich, dieſe Kongin fährt eine
ſchoͤne Fahrt, Gott hat fie bisher beſchuͤtzt, der muͤffe ihrer
ferner pflegen. So zog ich im hohen Muthe nach Juden⸗
5. Abtheil. Bewillkommmnung ber Mitter cc. 27
Hürg. Ich: wähfchte, daß meine werthe Fraue meinen
Muth: zu Ar: erkennten moͤchte md: daß fie; mie dan
gnaͤdig wre: Zu Judenburg empfing man "mich feeuhbs
Aich, ih hatte die Nacht gut Gemach, und als der Toy
Jam; wappnete ih mich und Ahr gezimitt auf vas Bein,
da hatten ſich auch 9 Ritter ſchoͤn gegen. mich gezimitt,
anf die id Speer ohne Fehler verſtach, 3-verfeßlten da
Meiner undb ih gab 6 Fingerlein. Freudig hob ich mich
dann gen Chautelfelde zu Thal an der Mur bin. Am
andern age verflach ih 2 Speer und gab 2 Fingerlein.
Muich Lioben ritt ich und fand da wohl 20 Ritters ich
ward von ihnen minniglich empfangen und dankte ihnen
Freundlich. "Ich 'rift in meine Herberge und als am Mor:
‚gen die Some alifging, hoͤrte ich in det Gaſſen den Ton
von Floiten; die Ritter zogen ſchoͤn gezimirt auf das Feld,
in leuchtenden Waßpenklelvern. Ich wappnete mich in
ein: Wappenkleid weiß wie ein "Schwan, und fuhr mit
16 Speeren nuf das Feld, "Da kam gegen mich Herr
Dietmar von Slkeir, wir trieben eilig die Roſſe auf ein⸗
-aitder und die Speere fielen als Heine Stuͤcke in das Gras,
Ritterlich Fam dann gegen mi Herr Sifrit von Lorfidl,
unfre beiden Speere Trachten und die Splitter flogen. .
43 Speere wurden ba auf mich verſtochen, und ich ver:
fehlte dreier Tiefe, 13 Fingerlein gab ich hin.
„Von oben zog ich zu Thal hinab, wo bie Mur;
ihren Fall hat-in die Muhre, das: ift ein fifchveiches Waſ⸗
fer, bei dem ritt ich zu Berge unter eine Burg, bie febr
hoch liegt weiche Thapfenberg heißt, und im Gteferlande
wohl bekannt iſt. Auf der Taß ein Wirth, der immer den
Pr
28 3Zrxweiter Abſchnitt. RNitterieben
Muth, hatte, alles Lob zu. erwerhen, das einem "Ritter
geziemt, er war milbe, kuͤhn uud wohlgezogen, der hieß
Wulßng. von Stubenberg, er way reich an Leuten unb
an Sub, und lebte loͤblich. Als der 'chrbegierige Mann
‚meine Ankunft hörte, ſprach er: die edle Königin fol mir
willkommen fein. Der Hochgemute ließ meinen Boten
verkünhen, beß fie Ihr. Kaufen fein ließen, ex fprach: bie
edle Königin foH es von. mir bie nehmen. _ Da man -fie
nicht mollte kaufen laſſen, wolten. die Boten fortgehen,
er ſprach: mein, ihr follt Hier bleiben, da eure Fraue auf
ihrer Fahrt fo gemushet iſt, daß fie nichts umſonſt nehmen
wid, fo kauft nur fo. viel ibe immer wollt, fie follte aber
lieber bei mir bie fein, denn ich gebe ihr gerne. . Mein
Schaffner ſprach: Das lohne euch Sott, denn ihr Muth
ſteht ſo hoch, daß ſie uns auf das Leben verboten hat,
etwas anzunehmen, das. man ihr: umſonſt geben wolle,
Da hieß ber Hochgemute alsbald meinem Wirthe kund
thun, fo lieb ihm das Leben ſei, ſollte er mir ben Kauf
ſo geben, daß er fuͤr das, was drei Mark werth war, nur
einen Pfennig foderte. Da meinem Schaffner dieſer Kauf
bekannt ward, ritt er eilig von dannen; bes Wiebre ſandte
ihm wieder nach und ſagte: wo willſt du hin? — „Von
hier, denn der Kauf iſt hier allzugut.“ — Do laͤchelte
ber edle Mann und fprach: ich ſehe wohl, ich. mus durch
Bucht euch ganz euren Willen laffen, ober ihr bleibt nicht
bier, fchafft e8 nun, ‚wie ihr wollt. Damit ritt er fort
und empfing mich ritterlich. Mit ibm. kamen wohl 30
Ritter zu Roffe, gekleidet nad Ritters .Gisten, niemals
ward ich beffer empfangen, als wie mich ber Zugenbreiche
5. Abthelli Bewlllkommnung ber Ritter. 29°
"empfing. Nach dem ſchoͤnen Gruße ritt ich in meine: Ber⸗
berge, wo ich die Nacht Gemaches pflog. Am andern
Zage ward ich wohl gezimirt, und Mein minnebegehrendes
Herz war hobes Muthes; auf dem Seide hielt koͤſtlich "ge:
zimirt der von Stubenberg gegen mich, fein reiches Wap⸗
penkleid glänzte wie die Sonne, er ritt mir feinen Tioſt
fo nahe, daß ber Stoß kaum vermieden wurde, beide
Speere bohrten ein Loch duch die Schilde, Laut erflang
der Tioſt und die Splittern fielen nieder und zum Theil
die Schilde, beide Arm hatten Mahle und einige Ringe
vom Harniſch waten verfchnitten. Ale, die bie Tioſt mit
angefehen hatten, fagten, fie wäre ritterlich geritten. Da
band der von Stubenberg feinen Helm ab und foderte ein
Singerlein von mir, das Hab ich ihm mit Freuden. Dar-
nach verſtach id noch 412 Sperre. und es gefchah nad
meinem Willen, daß ich Feines: Ziofles verfehlte, auch
fehlte von den zwölfen meiner Peiner, und ich gab ihnen
42 Fingerlein. Da ritt ich mit’ Urlaub gegen Chinnen⸗
berg, da faß ein bieberer Mann, Otto von Buchenen,
weit durch Zucht und Mannheit befannt. Sein Bote ritt
mir eine Meile entgegen und fpradh: viel edle Königinn,
euch heißt in biefem Lande ein Wendiſch Weib willkom⸗
men, bie will ſich mit Witterfchaft auf den Plan gegen
euch verfuchen, wenn. ihr es ihr vergönnet, denn ich fage
euch fürwahr, in diefem Thal ift Fein Nitter gefeflen, ber
den Tioſt pflege, darum will fie mit Speeren gegen euch
kommen und burch eure hohe Wuͤrdigkeit ſollt ihr ihr Tioſt
gewähren.” Nach. mehrem hin: und wieder Heben, ba
Ulrich die Tioſt verweigert, fagt der Bote: „meine Grau
30 Bwelter Abſchnitt. Ritterleben.
iſt ein hochgemuter Ritter und hat ſich als ein Weib ge:
kleidet, gr iſt ein minnebegehrender Mann und hat oft
fein Zeben um bie minniglichen Weib gewagt. Ich ſprach:
wenn eure Frauen ein Manz ift und er mid burd feine
— beſtehen will und Weibskleid angelegt hat, ſo
bin ich das inniglich froh, und ein Tioſt wird ihm ge⸗
waͤhrt, da er ihn auf ſo ſchoͤne Weiſe bittet. Damit ritt
der Bote von mir und ſagte ſeinem Herrn, daß ich ihn
mit Tioſt beſtehen wollte. Da wappnete ſich der biedre
Mann in einen leuchtenden Harniſch, ſein Helm glaͤnzte
— er führte ein großes Speer, ganz mit Blumen um⸗
wunben. So Fam ber Biebre gegen mich; ich hatte in=
deſſen auch ein großes Speer genommen, auf zweien
fchuellen Roffen kamen wir an. einander, fo daß die Splits
ter hoch flogen, bie Ziof brach durch die Schilde, daß
man es auf beiden Armen ſah. Nach diefem Fam ein
wohlbelannter Ritter gegen mich, Ottokar Traͤge war er
genannt, der rannte mich mit einem Speer an, das un:
mäßig groß war, was ihm aber wenig frommte, benn ich
ſtach ihm nad meinem Willen dad Speer durch feinen
Helm ab den Fenſtern, baß der Helm an meinem Speer
fiywebte, und beide Speere blieben ganz; der Helm hatte
ihm Nafe und Mund befiraufet, daß er nicht mehr ſtechen
mochte. Da kam gegen mich der wohlbelannte Herr Si⸗
bot von Reichenfelö, fein Zioft und auch der meine konn⸗
ten nicht fchöner fein. Weiter fand ich da Feinen Tioſt.
Von Pruchenowe der Degen foberte da von mir fein Gold,
und fo auch Herr Sibot, ich gab ihnen 2 Zingerlein.
Des Taͤge ungefuͤges Speer wurde mir da, das legte ich
5. Abthell. Bewillkommnung ber Mitter ı. 31 |
auf meinen Wagen und gab ihm Fein Zingerlein, weis
er-mein gefehlt hatte Deſſelben Tages zog ich na
Murzeſlage.“
„Hier hatte ich die Nacht Gemach, und am andern
Tage zog ic über den Semernik gegen Glockenig, wo ich
6 Ritter fand. Der von Ringenberg verſtach ba ein Speer
gegen mic, darnach fließ ich Herrn Ulrich von Zorfewel
nieder, als ich von ihm ritterlic angerannt wurde. Dar:
nach verſtach ich noch 4 Speer, und mehr Ritter fand ich -
hier nit. Da ward mie mein Helm abgenommen, ic)
gab G Fingerlein und fuhr in meine Herberge.” — Heims
lich vitt er darauf zu feiner ehelichen Frau und blieb dort
3 Tage; darauf ritt er nach Neuenkirchen. — „Da em:
pfingen mic die Witter gar ſchoͤn, 9 warteten meiner;
zuerft kam gegen mich ber biedre Ortolf von Graͤz, kit
einem fchönen Tioſt verwundete er mich durch mein Schild
und Harnifch in bie Bruſt; ald ich die Wunde bluten fah,
deckte ich das Blut und die Wunde mit meinem Roͤcklein.
Die beiden Brüber, Herr Otto und Hert Heinrich von
Püten ritten rvikterlich gegen mich, fie vermibten mich nicht
und ich verſtach auf fie zwei Speer Da kamen 6 Kitter
gegen mich und ihrer aller Tioſt gerieth fo, daB bie Splits
tern boch flogen. Als ich 9 Speere verfinchen hatte, fuhr
ich im meine Herberge, um zu ruhen, bazu machte mir bie
Bunde Noth; 9 goldene Fingerlein fandte ich den Mittern,
die es verdient hatten, und ein guter Meifter verband mir
meine Wunde. Da wurbe bie Mähre fund, daß die Kb:
nigin non einem Tioſt verwundet fei, fo, daß fie nicht
mehr flechen möchte; das that ben Biedern allen leid,
pP) ⸗
32 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Da ich dad Härte, ſagte ich: ich will im bie Kirche gehe,
und morgen bie bleiben, um ben Leuten zu zeigen, baf
mein Leib gefund iſt, denn ich bin nur ein wenig ver-
wundet, dad will ich den Leuten verbergen, unb mich fo
ritterlich fiellen, daß es Niemand gewahr wird. Am ans
dern Morgen Meibete ich mich wonniglih als ein Weiß’
und ging fo zur Kirche. Wer mich fo hochgemut zur
Kirchen geben fah, fprach: bie Koͤniginne iſt ja wahrlid
gefund. Um mid wurbe fo großes Gebränge, daß fie bie
Kirchthuͤr niederdrangen, als ich wieder ans ber Kirche
ging. Ich Hätte gerne noch ba geflochen, aber. ich fand
Niemand mehr, und fo 309 ih mit Freuden bin zu ber
Neuenſtadt. Ih ritt an den Charbad und fah gegen
mich herführen ein Banner und wohl 40 Speer, das
Banner war filberweiß und barin ein blauer Ember (Eimer)
gefchnitten, hinter dieſem Fam ein Ritter, der hieß Herr
Berthold; ich wappnete mich alsbald, band ben Helm zu
Haupt unb nahm ein Speer, ba kam er gegen mich als
ein ritterliher Mann, fchön unb lang war ber Puneiß,
dad euer fprang aus beiden Helmen und beibe. Speere
zerbrachen, er flach mie mit feinem Ziofle den Helm am
Kinne, daß mir das Kinn vom Blute nad wurde. Ich
band meinen Helm fefter und das war noth, benn feine
Riemen waren abgerifien Da kam gegen mid Herr
Bulfing von Herſchendorf, auf den ich brei Speer vers
ſtach, er verfehlte aber die Tioſte. Darnach befunden
mich 5 gute Ritter, denen der Tioſt gerieth.. Damit fchieb
ih vom Belde und gab 6 Fingerlein bin, Herr Wulfing
erhielt kein's, weil er-mein gefehlt hatte."
. Abtheil. Bewilikommnung der Ritter x. 33
Drauf fährt Ulrich gegen Defterreih. „Da ih an
bie Biſtnic kam, ſah ich lichte Schilde, gezimirte Helme
und weiße Speere fcheinen, Ritter kamen mir entgegen,
die mich freundlich empfingen, es waren 30 ober mehr,
ihr einer hieß Herr Wolfker von Gors, ein volllommener
Ritter, der ſprach zu mir: Frau Königinn, ich will eine
Bitte an euch begehren, laſt mich euer Gefinde fein, ihr
font mit euer KammersAmt anbefehlen. Als er noch
fprah , ritt der tapfre Gotfrieb von Dotzenbach zu
mir, der fagte: hört meine Bitte, mich hat mein Here
hieher geſandt, der euch willkommen heißt, es iſt der
Thumvogt von Regensburg, der iſt euch zu allen Dien⸗
ſten bereit und bittet euch, daß ihr ihn, edle Koͤniginn,
laſt euern Marſchalk ſein, um eure hohe Wuͤrdigkeit will
er euch dienen. Ich hieß ihnen beiden ſagen, daß ich
ihrer zu Amtleuten froh waͤre, wer aber mein Amt haben
wollte, der muͤſte es mit Speeren empfangen; auch mus
-er bie Tioſt recht thun, denn meine Amt find ritterlich
und geben viel Mühe, mein Amtmann Tann leicht die
Ehre verlieren, auch kann er wohl hohen Preis erringen,
darum darf ein Bager an meinen Hof kommen, benn da
giebt es viel Speereskrachen. Da fprach Herr Wolfker
von Bord: Frau, an eurem Hof wird man ehrenreid,
wenn mir euer Kammeramt wird, will ich ihm, wills
Gott, Feine Schande machen und ed auch mit Speeren
von euch empfangen. — Sa, das fol zu Dredficchen
geſchehen, denn ihr feib ein fo gefüger Mann, daß ich euch
gerne zu Gefinbe haben will, auch koͤnnt ihr Frauen wohl
-dienen, darum fol man euch ehren, Da dankte mir ber
3
34 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben.
biedre Mann und ritt hinweg nad Dresfichen, wo er
fein Harnifh und Wappentleib fand, Dad legte er. fehnell
on, und warb ald ein Engel gezimist. Als er wegritt,
fprach der höffche von Dotzenbach: Hochgelobte Königin,
was fol ic meinem Herrn fagen, daß ihr ihm Fund thut,
denn mein Here fommt gern fruͤh zu euch? Sagt. dem
Thumvogt, wenn er um Weib wil Preis erjagen, fo fol
er mein Gefinde fein, wil er mein Marſchalk fein, fo
mus er Speer mit mie brechen. Der Hoͤfſche ritt von
mir nah Wien, wo er meine Botfchaft mit Züchten ſei⸗
nem Herren fagte. Des war ber Botſchaft erfreut, und
bereitete in der Nacht fich und feine Gefellen mit glänzen
ben Zimiren. Indeß kam ich nach Dreslischen geritten,
wo der bievre Mann, Wolfker von Gors, meiner wartete,
er kam gegen mich geritten, unb wie bie Sonne ſchien
mir fein Zimir in die Augen. Als ich ihn kommen fah,
ſprach ich: hier kommt mein Kammerer, ber auf Ritter⸗
weife mein Amt empfangen will. Da band ich meinen
Helm zu Haupte, wir flapften gegen einander, unb als
wir nahe genug gelommen, nahm ich mein Ros mit ben
Sporen, und fo thät er dem feinen, ba ward mit Kamſt
der Tioft fo nahe geritten, daß ſich Die Schilde beide klu⸗
ben, und daß die Splittern hoch flogen, auf beiden ‚Del:
men brachen die Speer. Go hatte mein Kammerer von
mir fein Amt empfangen. Darnach befunden mich 10
Ritter, die 7 Speer zerbrachen, denn 3 verfehlten mein,
biefe fchämten ſich fehr, ich verflah 14 Speer unb gab
den 7 und auch meinem Kammerer Fingerlein, dem waren
alle Biedern hold, ihn lebten bie Frauen und ulle Welt.
5. Abthell. Benilltommnung der Ritter. 35
Mein Kammerer hatte fih und feine Geſellen fehr wohl
gekleidet, felb acht Fam er zu Fuß in ritterlichen Kleidern
zu mir, er empfing meinen Harniſch, den er fäubern ließ;
zu Buße führt? er mih am Baum in meine Herberge,
gütlich ſprach der Höffche zu mir: raue, euch thut gutes
Gemach noth. Da gebot er, daß man meine‘ Herberge
zufperrte bis zum Morgen früh." |
„Als der Zag erfchien, ward ich wonniglich gekleidet
in weiße Frauenkleid; niemald trug ich fehöner Gewand,
denn ich wufle wohl, bag ich an dem Tage manches füße
Weib fehen würde. Als mein Gefinde bereitet war, hub
ich mih von dann, ber biedre Mann von Gors, mein
Kammerer, führte mich am Zaum und ging zu Fuß, er
hatte ſich ſchoͤn gekleidet Ich ritt auf die Straße fuͤr
Malansdorf.“ — Nachdem dort ulrich einen Boten ſei⸗
ner Geliebten geſprochen, der ihm ein Ringlein von ihr
bringt, wovon ſpaͤter in ber naͤchſten Abiheilung die Nede
feyn wird, ſchickt er einen Boten zu den Rittern, die in
Der Nähe hielten. „Als ber Bote zu den Rittern kam,
riefen ſie alle: Harniſch her! Sie zimirten ſich, ſo wie
auch ich mich ſchoͤne zimirte; ich nahm ein ſtarkes Speet
da ſah ich den biedern Mann von’ Horfchendorf gegen
mid Fommen, ber gern mit feiner Tioſt ein Fingerlein von
mir verdient hätte, 410 Speer verftach ich auf ihn, er aber
verfehlte jeden Tioſt, woruͤber er ſehr zornig war, mit
feinem 410ten’ Tioſt flach et meinen Koffe durch das
Haupt, daß es kaum davon genas, das ‚that dem Dies
dern leid. Ich ſaß auf ein ander Fo um mehr zu
ſtechen, als Hert Wolfker von Gors, mein Kammerer,
3*
36 , Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
zu mir kam und ſprach: es ſoll nicht ſein, ich laſſe euch
hie nicht mehr ſtechen. Um ſeine Bitte ließ ich es. Ich
entwappnete mich und legte weibliche Gewand an mich,
und ſo ritt ich gegen Wien mit 80 Rittern. Da ritt mir
auf der Straße der ritterlihe Thumvogt entgegen, man
führte vor ihm ein Banner, weiß und roth gebalbirt,
darnach zogen 50 Armbruſt⸗Schuͤtzen hinter ihm, bie
trugen alle ihre Armbrüfte empor, vor ihnen gingen 50
Laufpferde, alle fchön und ſchnell, mit türkifchen Sätteln ;
denen folgten 50 wohlgebleivete Anappen, je zween und
zween, jeglicher von ihnen führte ein Speer; nach biefen folgte
wieber ein Banner, To gefärbt wie das erfle, dieſem nach zog
man 50 Roffe und eben fo viel Schilde, neu und leuch⸗
tend, der obere Xheil der Schilde war weiß und blau,
- der niebre Gold, unter diefem Wappen holte ihr Here
oft den Dank ber Frauen. Darnach , führte man 300
Starker Speer’, alle Knechte neigten mir und zogen fchöne
vor mir über: darnach fah man 50 Nitter in fchönen,
genen Mänteln reiten, von denen ich wohl empfangen
wurbe und benen ich höflichen Dank fagte, ihr Gefchmeibe
Hang laut, indem fie zogen. Nach ihnen ritt ber biebre
Thumvogt, — ein flarkes Pferb trug ihn, das fanft ging,
ich habe weber ehe noch nachher fo fchönes Pferb gefehen.
Als er zu mir Fam, ſprach ber Hochgemute höflich: Ve⸗
nus, viel edle Königinn, ihr feib mir willfommen, was
ih euch dienen kann, thue ich mit rechten Treuen gerne.
Ich neigte ipm und hieß ihm fagen, daß ich ihm mit
Treuen ein holdes Herze trüge, ba er durch feine Wuͤr⸗
digkeit mir bienen wolle, fo fliege dadurch fein Preis fo
‚
5. Abtheil, Bewilltommnung der Ritter ic 37
höher. Er fprach: ich will euch immer dienen, leihet mit
euer Marfchall = Amt, beffen ich mich geru heut unterwigs
den möchte; ich wollte in ber Stadt berbergen und ich
rathe euch, laſt jeden Ritter von euch die Herberge neh:
men. Ich ſprach: was ihr gebietet, lieber. Marfchalf, das
fol fein, denn jeder Dienft, den ihr mir thut, behagt
mir wohl, und was ihr mir Ehren entbietet, damit bes
reichert ihr euch felbfl. Damit rannte der Thumvogt gegen
Wien, und feine Schügen und Knappen folgten ihm eilig,
feine Ritter blieben bei mir und mit Freuden und Schimpf
(Scherz) ward bie Zeit vertrieben. Der Thumvogt beher⸗
bergte ſich in der Stabt gemaltiglih, da war Fein Bürger
fo reich, er mufle ihm die Herberge laffen; da das gethan
war, bat er feine Leute, daß fie in der Stabt mit Zuͤch⸗
ten leben möchten. — Die $rauen waren zu Wiene gut
gekleidet, als ich zu ihnen. ritt, alle Gaſſen maren voll
von Frauen, davon ward ich hochgemut, von mancher
word ich freundlich empfangen, Bor meiner Herberge
hatte ein bieberer. Mann meiner mit giner ritterlishen
Schaar gewartet, Herr Hadmar von Chunringe; vor
meiner Herberge war groß Gedränge von einem. Buhurt,
mit dem mid Herr Hadmar non Chunringe empfing.
So ritt ich in meine Herberge. Da faß ich ih einem,
Venſter, als ein Weib gekleidet, darum litten bie Biedern
‚Ungemad) , denn bie Rotten ritten hin und her und ſtießen
einander in dem Buhurt. Da hieß ich meinen Marſchalk
ſagen, daß er ſie baͤte, es zu laſſen. Drauf ließ man den
Buhurt alsbald und alle ritten in die Herberge.“
„Als der Tag erfchien, da vernahm ich eine Meſſe,
Aa a un 2
38 2 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
und empfahl mich Gott, wie es ſich geziemet; denn ohne
ihn mag Niemand einen halben Tag ſeine Ehre behalten.
Dann ging ich in meine Kammer zuruͤck und ward wohl
gewappnet; — — da hatte ſich mein Kammerer von
Gors ſelb achte gekleidet, daß es nicht ſchoͤner fein konnte,
er ging zu Fuß und nahm mein Ros am Zaum, und
mancher biedre Mann folgte mir nad. Das Gedränge
war fehr groß, bie Senfter waren vol Frauen, beren
Glanz meinem Herzen wohl that. Sanft ritt ich durch
die Straßen, und 100 ſchoͤn gekleidete Ritter ritten mit
mir auf ſchoͤnen Pferden, fie fangen und waren frob,
babei ritten 60 gemappnete Ritter, deren Wappenkleider
wunniglich waren. So kam ich auf das Feld, wo meiner
der hochgemute Thumvogt gewartet hatte. Als er mich
ſah, band er ſeinen Helm zu Haupt und nahm ein Speer
in ſeine Hand. — Von Gors mein Kammerer ſprach:
Frau, viel edle Koͤniginn, hie kommt der Thumvogt gegen
euch, nehmt in eure Hand ein Speer und ſitzet feſt, denn
er iſt ein ſtarker Mann. Man gab mir ein Speer in die
Hand, ein andrer Ritter, Grundacker von Steir, war
indeß herfuͤr gekommen, der mit dem Thumvogt zugleich
gegen mich rannte, ich kam ihnen entgegen, den vordern
fehlte ich, aber ben weiten traf mein Tioſt an ben Hals,
wo Helm und Schild zufammen geht, fo daß dad Koller
aufgetrennt wurde und baß ber ſtarke Mann fi etwas
neigte, beide aber verflachen auf mich ihre Speer, und ber
don Steir war froh, daß er ein Fingerlein von mir ver⸗
dient hatte. Auf dem Felde drungen fie nun fo fehr bin
und ber, daß ich mir Beinen Ring gewinnen mochte, dad
5. Abtheil.. Bemiflfummnung‘der Ritter x. z0
war mir verdrießlich. Oft rannten ihrer brei- zupleich
gegen: mich, fü groß war. zu tioſtiren ihre Gier, dann ſaß
ich mit Kunſt deſte feſter, und bat Gott, meiner zu. be⸗
wahren. So ritt ih an dem Tage fo kuͤnſtlich, dag ich
Zufammenftoßen vermied, dba ward mancher Speer vera
Kochen und ‚mancher Harniſchring aufgetrennt. Da ich
wohl 20 Speer verftochen hatte, Bam ein Ritter gegen mich,
Herr Conrad von Streitwifen, der ſchon viele hohe Dinge
um Frauen gethan hatte, er führte ein ſtarkes Speer, das
en mir auf ber Bruſt verfiach, fo daß es mir durch bie
Pintte drang, ich traf ihn oberhalb. des Schilbes am Halfe
fo ſtark, daß er auf das Land fallen muſte. Davon wart
auf bem Felde ein geoßer Schal, mancher fprach im Spotte
fo; ei! wie die Köntginn Venus die Ritter bie nieberfticht!
ich habe bei meinen Zeiten nie gefehen, daß Grauen alfo
die Männer fällen. koͤnnen. Da gab man mit ein ander
* Speer, und mein Herr Sifrit von Dotzenbach Fam gegen
mi, ber fam mir, als er fein Speer ritterlich verſtach,
fo nahe, daß er mir mit feinem Schilde den hangenden
Ermel vom. Rödlein zerrte, ich traf ihn da, wo der Helm
den ‚Aigen ihren: Schein. ‚giebt, fd daß bie Bande des
Helmes zerbrachen und der Helm auf das Land fiel, der.
Biedre aber blieb ſitzen. Darnach verſchwand (verſchwen⸗
dete, verbrauchte) ich noch neun Speere, mein Schild
war ganz zerſtochen, daß er nur noch an den. Riemen
hing, da Sam der Thumvogt und nahm mir den Schild
von ber Hand und band mir den, Helm ab, er ſprach:
viel edle Koͤniginn, ich Taffe euch hie nicht mehr flechen,
ie Habt hie 30 Speer verſtochen, das iſt such allzuviel,
40 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
und ich geſtatte e8 euch nicht mehr. Da nahm mich ber
Hochgemute bei dem Zaum und ritt mit mir von den
Lenten hinweg, wo ein Teppich niebergelegt war, darauf
entwappnete ich mich und Pleibete mich ald eine Frau in
koſtliche Kleider, dann faß ich auf ein ſchoͤnes Pferd und
sitt hin, wo ich tiofliren fah; ba war ein großer Krach
von Speeren auf dem Felde und es war ein ſchoͤnes Rit⸗
terfpiel. Endlich bat ich es die Ritter laffen, unb wir
zogen gegen die Stadt. Da ritt ein Ritter zu mir und
ſprach: viel edle Königinn, mein Herr, Herr Habmar
‘von Chunringe, hat euch entboten, daß er euer Diener
fein wolle, wenn ihr hie feiner wartet, bis er gewappnet
iſt, damit ex ein Speer nody heut gegen euch verſteche!
Ich ſprach: fagt dem Herrn Dabmar, daß ich heut zu
müde bin, und daß er ſich Durch feine Fuge bis Morgen
‚enthalten möge, dann bin ich ihm bereit, und wenn er
40 Speer gegen mic, verftechen will. Der Bote ſprach:
edle Königinn, er fol es heute gerne laſſen, da ihr ihm
morgen bereit ſeid. Der Bote ritt von mir und fagte
dem Herrn Habmar, was ich ihm mit Züchten entboten-
‚hatte, ber ſprach: ich bin es zufrieden, wenn fie e8 mors
. gen gerne thut. So ritt ih in mein Gemach, worauf
die Rede ging, die mir fehr leid that: die Königinn bat
dem Herrn Habmar ihren Zioft verfagt, was fie noch
‚ einem Ritter gethan bat, vieleicht thut fie es darum,
weil man fpricht, er minne die Dann. Als Here Habs
mar biefe Rebe vernahm, warb er mir von Herzen gehaß
und ſprach: um diefe Rede mus die Königinn nieder Liegen.
Ich hatte gutes Gemach in meiner Herberge, da kam ein
4
5. Abthell. Bewillkommnung ber Mittir x. 41
Kitter zii mir, der biebre Herr Engelfchall von Königess
Brunn‘ und that mir durch feine Zucht heimlich Fund, daß
mir Here Hadmar gehaß wäre, und warnte mich, weil en
fi) vermeffe, mir ein Leid zuzufuͤgen. Ich fprach) dem
mag wohl Rath werden, wer mich mit Stoß barnieber
zeiten will, gegen den treibe ich. mein Ros fo, daß es
ihm wohl mas leib werben, und er zuſammt mie mus zu.
Haufen Hegen. Ich dankte dem biedern Mann für feine
Barmung:und ging zur Ruhe in mein Bette. Am andern
Morgen kleidete ich mid und ritt mit manchem biebern
Mann von daumen gegen Neuenburg, ich fuhr da ber
bie Donau und ritt jenfeit nad; Neuenburg, wo wohl
hundert - Ritter meiner worteten, bie wich ſchoͤn em⸗
pfingen.' | |
„Wir griffen fogleih zum Nitterfpiel und ed warb -
ein ſchoͤnes Ritterſpiel ſchon früh am Morgen getrieben,
zuerft flach mit mir Herr Gotfried von Dotzenbach, der
um Umfang ber Brauen warb und viele gute Lieb von
ihnen fang. Darnach tioflirte mit mie Here Ulrich von
Stenug; mach ihm verflah Herr Dite von DOttenflein ein
großes Speer auf mich, dann rannte mid ber flarfe
Mann von Ehiow an und flach einen Speer durch meinen
Schild, daß man es weithin krachen hörte. Der arge
Heinrich von Hakenberg . flach loͤblich mit mir, der ſehr
arg und eben fo tapfer war. Noch mander Tioſt ge:
ſchah wit mir und breimal wurde mie ber Helm vom
Haupt geftochen, den ich doch mit feidnen Schnären feſt⸗
gebunden hatte; doch neigte ich mich nie, was bie Ritter⸗
ſchaft wundert. Den ganzen Tag währte bie Ritter⸗
42... Bweiter Abſchnitt. Ritter leben.
ſchaft, fo daß mein Leib endlich muͤde warb, denn ich
hatte im. Dienft meiner Frauen bis auf ben. Abend tioſtirt.
Da nun Herr Habmar fah, daß ih wohl 40 Speer vers
ftochen Hatte, und daß ich müde und ſchwach War wie ein-
Weib, da thät er ein unhöfifch Ding, bean er bradte
gegen mich einen Ritter, ber ‚mich 'nieber reiten ſollte
Da ſprach der biedre Herr Engelſchalk von Känigäbrunue:
Frau Königinn, fehet,..bied iſt ber. Ritter, der Mich nies
berreiten fell, ich ſah bei :meinen Zeiten wahrlich nie ‘fo
groß. Unfuge, ald Herr Hadmar fie begeht: Ich ſprach:
das mag wohl Rath werben,’ wenn er mich :ded Stoßes
nicht erläßt, fo mag ihm Schaden gefcheben,. denn ich Fenn’
den Pımeid beffer. Ich war ihm gehoß und machte Den
Puneis lang, da Fam er gegen mich, ich fuchte ihm in
bie Queere anzulommen und ed gelang wir, baß ich ihn
mit meinem Roffe traf, daß das feine. ſtrauchen muſte und
ich ihm den Sattel - Yaufch und Stegereif abritt, und
hätte ihn nicht ein»Breunk gegriffen, fo maͤre er in. bad
Grad gefallen. Da brachte Hers Hadmar einen andern
Sattel, den man auf das Rod legte, man gab und zwei
andere Speer, da dachte ich: es Tann nicht anders fein,
wir müfien beide bie liegen, ober einer mus die Ehre bes
Sieges haben. Ich trieb mein Rod an und da er ed ge:
wahr ward, daß ich ihn mit Stoß beftehn wollte, furchte
fi ber. Mann fo, daß er mir auswich, werüuber fein
genug geſpottet wurde, doch flach ich ihm mit. Tioſt ben
Helm vom Hanpte. Diefer Ritter war Herr Bope von
Bufenberg genannt und diente den Frauen. fonder Wank.
Der Tag war fchon zergangen, da kam ein hoͤffcher Mann
5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter x. 43
zu mir, ‚Herr Ruͤdiger vpn Autfchome , fein Bappenrod,
feine Dede, fein Speer war alles von helles Farbe roth,
er hatte oft in feemben. Landen um Ghre große Noth ers
‚ litten... Ds es finfter geworben, fandte ich nach großen
Litern, deren kamen viele auf dad Feld. So flachen
wir beim Schein des Lichtes, und im Dienſt meiner
Srauen verſtach ich noch ‚auf den Herrn Rüdiger 6 Speer.
Daum z0g.ich in meine „Herberge und gab den Loͤblichen
35 Fingerfein; 43 Speere hatte ich an dieſem Tage ver⸗
ſtochen. “
„Am andern Zege zog ich gegen Miſtelbach , ba
wurbe auch viel tioflirt; ich. nerftach 10 Speer und 41
wurden auf mir zerbrodden. De. gab ich ben 11 guten -
Nittern: 11 Zingerlein und fuhr in mein Gemach. Des
andern Tages ritt ih von bannen und mir folgte mancher
bievre Mann, wohl 200 Ritter. Ich zog die Straße
‚gegen Felöberg, wo mich ber Wirth. fehr wohl empfing,
dad war ber Herr Kabolt.von Zelöberg, er ritt mix mit
49 Rittern entgegen, ich wurde von ihnen ſchoͤn und
freundlich empfangen, ber Wirth hieß mich züchtig bitten,
baß ich mit ihm fein möchte, er ſprach: es foll die Könis
ginn Durch Zucht hie mein Brod eflen, benn fo gern iſt
ed ihe noch nie geboten. Ich hieß ihm fagen, daß er bie
Bitte laſſen möchte, möchte ich von jemand bie Herberge
nehmen, fo würde ich fie am liebſten von ihm nehmen,
er. folle es aber nicht übel haben, daß ich auf-ber Fahrt
von niemand etwas umfanft annaͤhme. Gr ſprach: Fraue,
dad fol gefchehen, ‚aber ich will euch hope und klare
Frauen fehen laſſen, die euch gerne ſchauen, und um fie,
44 Ziwelter Abſchnitt. Mitterleben: '
edle Königinn, geruhet bei mir fein. Ich ſprach: bie
Frauen will ich gerne fehen, wenn ihr mich der Herberge
erlaßt. Da warb ber biedre Mann unftoh, daß ich es
ihm fo gar verfügte, und ich ritt in meine Herberge. Da
fand ich gutes Gemach, und alsbald Fam flr weine Hers
berge Herr Dietmar von Lihtenflein in fchönem Wappen⸗
Heide von leuchtender Farbe gezimirt, er hielt da mit aufs
. gehobenem Speer; da kam mein Kammerer, Herr Wolfs
ter von Gors zu ihm, ſchoͤn gezimirt und Herr Dietmar
von Lichtenftein ritt gegen ihn, die Splittern flogen hoch
von ihrer beider Tioſte und manche fchöne Fraue ſah ihr
Kitterfpiel an. Da fie noch viel tioſtirten, ſprach ich:
bringt mir meinen Harnifch, ich kann es nicht mehr mit
enfeben, ich mus bier auch tiofliren. Da hieß ich den
Kittern Fund thun, wer um Frauen tiofliren wolle, daß
ich dem bereit fei. Sogleich wappnete ſich mancher biedre
Mann ‚gegen ini, auch ich warb gezimirt, überall war
großer Schall ih der Stadt und wir zogen auf das Selb.
Da Fam gegen mich ein Ritter, ber ſchon manche ritters
lihe That gethban hatte, und immer ben Frauen wohl
gebient und den Umfang von manchen gewonnen hatte.
Sifrid Waife hieß der biedre Mann, der immer mit rite
terlicher Arbeit nach hohem Preife gerungen hatte, ber
führte ein großes Speer in feiner Hand, und ſchnell
rannten wir gegen einander, ber Puneis war lang, Herr
Sifrid hatte den Gedanken, daß er mich nieberflechen
wollte, eben fo dachte auch ich, wir trafen beide fo, daß
Schild und Speere brachen, Schild und beide Knie ruͤhr⸗
ten da emander, bie Schilde zerkluben fich, durch beide
5. Abtheit. Bewillkommnung der Ritter x. 45
"Koller ward gebohrt. Ale, die bie Tiofl ſahen, prieſen
ſie, als ganz ritterlich. Nun rannte mich an Herr Bert⸗
hold der Rebeſtock, ſein Wappenrock, Schild und Decke
war geſchachet Blau und Gold, ſein Speer zerbrach auf
meinem Helm, daß er laut erklang, er fuͤhrte meinen
Speer in ſeinem Schilde von dannen, der hing, wo
Schild und Helm zuſammen gehen. Darnach verſtach ich
noch 21 Speer; das letzte that in ſeiner ſchoͤnen Tioſt
noch Schaden; ich hatte ein ſtarkes Speer in meine Hand
genommen, da kam Herr Ruprecht von Purſtendorf gegen
mich, ich flach ihm meine Lanze durch feinen Harnifch und
Hals, daß er davon hinter das Ros fallen mufle, das
Blut drang-aus feiner Wunde, daß das ‚Gras nas wurde,
man wähnte, er wäre tobt, und mit berzenlichem Leide
ritt ich deshalb vom Selbe in meine Derberge. Doc ges
nad ber biebre Mann. Am andern Morgen wollte ich gern
fortgeritten fein, da ließ mich züchtiglich der Wirth, mein
Herr Kabolt von Feldberg bitten, daß ich fein Weib und
manche gute Fraue fehn möchte. Ich fprach: um ihn will
ich die Frauen gerne fehen, ich will heute Meffe bei ihm
vernehmen. Da wurbe ber Bote von Herzen froh, er vers
kuͤndigte ed fogleich dem Wirthe und. die Frauen freuten
fi. 2
„Ich legte ſchoͤne Kleider an und ritt in hohem Mus
the auf die Burg, wo man mic, willig empfing; ber
Wirth und feine Hausfrau gingen mir entgegen und viele
Frauen folgten ihnen eine Stiege herab, deren Kleider
fielen manden Fall ab der Stiege nach dem Zritt, ihre
gute Geberde, ihre fanften Sitten, ihr minnigliper Schein
1
46 3Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
thaten meinem Herzen wohl. Da ſie gegen mich kamen,
wollte ich durch Zucht auch nicht laͤnger ſtehn, ich ging
ihnen entgegen, deſſen laͤchelten alle Frauen, daß ich es
fo frei anfing und Weibeskleider trug und fo ſchoͤne Zoͤpfe,
darüber ward da viel gelacht. Der Hauswirth ſprach:
Frau Koͤniginn, ſeid mir willkommen. Ich neigte ihm
mit Zuͤchten; die Frauen grüßten mich’ auch und ihrer einer
bot ich meinen Kuß, barlıber wurde fie rofenroth, dann
ging ih zu einer andern, die auch vor Schaam rofh
wurde. — Ich ging ganz in Frauenfitte und bewegte
mic fo, mein Tritt war kaum hänbebreit. — Der Wirth)
und feine Hausfrau baten mich, da zu imbiffen, ich ſprach:
ich thäte ed gern, nur habe ich es verlobt, und darum
kann es nicht fein, ich habe diefe Fahrt fo gethan, ohne
daß mir jemand etwas gegeben hat, außer die eine, der
ich zu Dienften bin, die Bat 'mir hohen Muth gegeben,
Mich fegnete da mancher füße Mund, fie fprahen: Frau
Königinn, wohin ihr fahrt, laſſe euch Gott felig fein! So
ſchied ich als ein hochgemuter Mann von den Frauen und
ritt in meine Herberge, und fandte den Rittern Fingerlein,
deren waren 23; 22 Speere hatte’ ich da 'verflochen. Dar:
nach ritte ich fhöne von bann, mit einem neuen Mantel
und einem neuen Roͤcklein; ich zog Uber die Thye in das
Böheimland, da ftand eine wunnigliche Ane, da wappnete
id mich und mid) beftund ein flolzer Nitter, Herr Otte
von Schönenfirhen; die Splitter fledten in den Schilven
und ber Zioft war vitterlich ergangen. Wohl 100 Kitter
waren zu Felde gekommen, die ehrbegierig hin und Her
fprengten, da wurde viel Tiofl getrieben ‚, daß oft ihrer
5. Abtheil.- Bewillkommnung der Ritter x. 4
drei gegen mich ritten. Als ich 15 Speer verſtochen hatte,
kam der Vogt von Langenbach, der Thumvogt genannt,
und verſtach ein Speer gegen mich, auch verfehlte ich fein
nicht, .danm band er den Helm ab und ritt zu mir und
fprah: nun geflatte ih ed euch nicht mehr, wenn iht
auch noch fo ſtark feid, fo habt ihr doch genug geftochen.
Er nahm mein Ros beim Zaum, fo fehr ich es ihn auch
zu laſſen bat. Nein, fprach er, ich laſſe es nicht (und
nahm mir dad Speer aus der Hand), viel eble -Königinn,
ihr ſollt jegt mit Tioſtiren aufhören, dad bitte ih euch
um eurer Frauen willen. Da ließ ich es mit fanfter
Sitte. Ich gab ihm den Schild und band den Helm vom
Haupte, den fliegenden Ermel von dem Rödlein warf ich -
über mein Antlig, woburd ich doch fehr gut fah. Auf,
dem Felde ward noch mancher fchöne Tioft geritten, Speer,
Schilde und Helme lagen da verfireut, auch etliche Tioſti⸗
ver waren: auf dad grüme Grad gefallen: Da fprach ber
Thumvogt zu mir: raue, viel edle Königinn, ihr folt
nicht länger bei uns fein, denn eure Fahrt iſt wohl volls
bracht, nun laſt euer Gefinde mit mir fahren. Ich that
nad) feinem Rath und ehe ich ſchied, gab ich noch 19 Fin⸗
gerlein hin. Im Holze entwmappnete ih mid und nahm
minnigli ven meinem Gefinde Urlaub, heimlich ritt ich
mit einem einzigen Mann hinweg, ber mir hold war, das
war des Thumvogts Knecht, der hieß Chol von Vraunho⸗
‘ven, dee kannte alle Straßen gegen Wien durch das Land
gar wohl. Ich Fam bald nah Wien ımd nahm heimlich
eine Herberge, worinnen ich 3 Tage war. In dieſer Zeit
wurden mit Wappenkleid fin so Ritter bereitet und
46 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
kuͤnſtlich geſchnitten. Als ich von meinem Gefinbe fortge⸗
ritten war, nahm mein Kammerer meine 3 Pferde, bie
Mäntel und Rödelein, er legte alles, und was noch zu
ben Frauenkleidern gehörte, auf bie Pferde, fo führte er
es aus der Aue, wo er bie Ritter fand; da dieſe mich
nicht mehr fahen, und wie mein Gewand auf den Pferben
lag, fprachen fie: wo ift die Königinn? Mein Kammerer
ſprach: meine Frau die Königinn hat wahrlich übel an mir
gethan, fie hat mich bie verlaffen, daß ich nicht weiß, .
wohin fie gekommen iſt, biefe Pferde und biefe Kleider
find zurüdgeblieben, rathet mir, was ich damit tu? Da
fprach der Thumvogt: kluger Knappe, es duͤnkt mich gut,
daß ihr ed bie ben Fahrenden (nämlih Rittern) gebt,
eure Sraue ift wohl ander Gutes reich, daß ihr diefe Gabe
nicht ſchadet. Da fprad mein Kammerer, Herre, id)
win euch folgen. Da gab er alles den Fahrenden und
der Thumvogt unterwand fich meines Gefindes und führte
es mit fih. Da ritten die Ritter wieber Über die Tye
nach Defterreich, gen Felsberg, zu dem hochgelobten Wirth
Deren Chabold von Feldberg, Er empfing die Ritter alle
wohl, fie muſten die Nacht bei ihm bleiben, und gute
Speife, Meth und Wein gab er ihnen völigid. Am
andern Tage ritten fie bavon. Da fprach ber Thumvogt
auf ber Straße zu meinem Kammerer: Freund, du follt
mir fagen, wie viel Speere bat deine Fraue auf biefer
Fahrt verfiochen? ber fprach: ich will es euch fagen, 307.
bat fie auf diefer Fahrt verftochen, und Gott hat fie fons
berbar bewahrt, daß es ihr nie mißlang, ich wähnte nicht,
daß das gefchehen koͤnnte, als fie bie Fahrt begann; fie
x
5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter w. 49
bat 771 Fingerlein hingegeben und ſo viel Speere find
auf-ipr verflochen und fein einzigesmal hat fie fi nur
geneigt ,. ſie aber hat vier Ritter ‚mit rechter Tioft auf
das Land geftochen, Gott lafje fie immer felig fein. Da
ſprach der Thumvogt; Gott weiß, mir warb nie feine
fo sitterliche Fahrt bekannt, fie hat. mit Recht hohe Ehre
davon gewonnen. Die Ritter, die dabei ritten, ſprachen:
wer ſie nicht preiſet, der muͤſſe immer unſelig ſein, was
fie gethan bat, mus man immerdar, auch in kuͤnftigen
Beiten, rühmen. Da wurde viel von mir gefprochen,
biefe redeten fo die andern fo, manche freuten ſich meines
Gluͤckes, manchen war. es ein Herzeleid. Wohl dem, der
fo beneibet wird!’
Dies iſt die ausführliche Schilderung aus dem Frauenis
dienfte, wie Ulrich v. Lichtenflein feinen Zug ale Königin
Venus einrichtete, Einige Jahre hernach machte er einen
neuen Zug, als ‚König Artus, jeber Ritter muß Drei
Speere auf ihm, ohne zu fehlen, verflechen, dann erhält
er von ihm ben Namen eines Zafelrunders und tritt in
feine Geſellſchaft. Von diefer Fahrt ift und leider nur
ein Bruchſtuͤck übrig geblieben, und es wuͤrde überdies
eine ganz unnöthige Weitläuftigkeit feyn, von Einem
Ritter mehre feiner Zuͤge anzuführen, bie fih doch immer
unter einander gleichen, .
Auf äbnliche Weife mag es auch gewefen feyn, was
und Rothe's thüringifches Zeitbuch ſchon beim Sabre 1226
von einem thüringifchen Ritter erzählt, amd ‚zwar fos
„Waldmann von Sattelſtaͤdt hieß ein weiblicher Ritter, ber
wor gefefien auf Satteliädt, da hatte .er ein ſteinernes
4
0 | Zweiter Abſchnitt. Rittetteben.
Haus, da noch der Wald liegt. Der war ein großer
Stecher und Hofirer (zietlicher Hoferitter). Nun hatten
die Herren einen Hof zu Eiſenach gehat, ber ward gele⸗
get gegen Merſeburg. Da begab fick dieſer genannte
Kitter zu Eifenach vor den Herten and bat fi es aus,
daß er zu dem Hofe gegen Metfeburg mit feinem Herren
Landgrafen Ludewig reiten wollte, und mit ihm führen
tine wohlgeſchmuckte Jungfrau auf einem zeltenden Pferde,
die follte führen einen mwöhlbereiteten Sperber mit einem
guten Stäuber, nad St. Walpurgen Tag, und wollte
Ritterfchaft gegen einen jeglichen ehrbaen Mann dann
wartend fein und alle Zage zu bem ‚Hofe, auf dem Hofe
und wieber heim bis gegen Eiſenach, drei Tioſte (Ranzen-
rennen) mit breien ehrbaren Mannen halten und wer ihn
nieder fläche, der foüte die Jungfrauen verdienen, ben
Zelter, ven Sperber, den Stäuber und feinen Harniſch,
alfo er ritte. Aber die Jungfrau die follte fih loͤſen mit
“einem güldenen Fingerlein (Ring) von einem Gulden
(Werth). Wen er Auch nieberftäche, ber -folte der Jung⸗
frauen ein Zingerlein und ihm ein Zingerlein geben, ber
jegliches eines Gulden werth wäre. Derfelbe ſtolze, maͤnn⸗
liche und flarfe Ritter zog Alfo mit feinem Hertn Lands
Hrafen Ludwig zu Hofe, da mancher ſtolzer Ritter und
waibelihe Mann unterwegend auf ihn hielt, daß ihn mie⸗
mand niederftach und brachte feine Jungfrau wieder mit
feinem Herren, und mit den ehrbaren Frauen, bie ba mit
‚ fuhren gegen Eiſenach, und die Jungfrau brachte dlfo
viel guldne Fingerlein, daß fie ale Hoffuitgfrauen begabte.“
An ritterlihen Aufzuͤgen, die wohl mit zu dieſer
“s. Abtheil. Bewiltkommmung der Ritter x. 51
Abtheilung zu rechnen find, herrſchte oftmals große Pracht,
gtoßer Aufwand, zuweilen waren fie aber auch wieder
geringe. Bon prächtigen Aufzuͤgen Habe ich ſchon oben
im dem Ritterzuge Ulrichs v. Lichtenſtein als Frau Koͤni⸗
gin Venus etwas angeführt, manches Andere läßt ſich
noch aus dem Werke duch in dieſer Hinficht -fammeln.
Als Ulrich feinen eben genannten Ritterzug geenbet hat
und in Wien fih aufhält (S. 139); gewinnt er ſich so
Ritter zu feinem Zuge und fagt num: „Als ber Sonntag
Fam, zogen wir mit großem Schalle auß ber Stadt (Wien)
nach Neuenburg, ich hatte ein Banner angebunden, das
war von einem weißen Zendal, dadurch zwo Barren,
fpannenbreit, von ſchwarzem Zendal gefchnitten waren,
fchief nach dem Schwerbt zu Thal; großen Schall machte
man davor, meine Pofauner bliefen eine hohe SReifenote,
— Mein Ros ging mit Schatlady verdedt, die Dede war
fang und-weit und mit reihen goldenen Borten gegattert.
‚Dann zog man das Ros bed Thumvogts nach, feine
Dede war von rothem Zendal, meiner Schilde war viel
darauf geftreut, und mein Herze freute fich, daß er meine
Schild tragen follte; fein Helm war ſchoͤn gezimirt. Aller
beren Roffe, die meinen Schild trugen, zog man nah
meinem Banner; alle ſo verbedt, wie das Ros des Thum?
- vogts, jeder Kitter trug aber feinen fonderlichen Helm,
doch Wappenkleid, Schild und Dede waren gleich."
Dann (8. 255): „Dem Banner führte man unfre
Säumer nach, bei ihnen hörte man Paufenfhlag und
Floitenton,“ (alfo immer bie Begleitung von Tonwerk⸗
. zeugen: bei diefen Zügen: Zlöten, Pauken, Pofaunen);
4*
+
32 Zweiter Abſchultt. Ritterleben.
„darnach zog man hinter einem andern Banner unfre Roſſ',
viel Knechte ritten hinter den Roſſen, die fuͤhrten ſtarke
Schaͤfte, nach den Knechten folgte das dritte Banner,
hinter welchem mehr als 100 ſchoͤn gekleidete Ritter ritten,
je zween und zween, darnach vitt ih und bei mir Here
Nikola von Lebenberg, den hatte ich Triſtan genannt
. @&iefe Beſchreibung faͤllt in Ulrichs Ritterzug als König
Artus). Viele Fiedelere (alſo noch wie in den Nibelun⸗
gen) ritten mit uns, deren Saiten hochgezogen waren.
So zogen wir nach Neuenſtadt über bad Steinfeld
Vornehme Ritter hatten meiſt ein großes Gefolge,
welches bei ihren Einzuͤgen in die Staͤdte oder auf Bur⸗
gen vor ihnen herſchritt. Ein Beiſpiel davon liefert der
Parzifal (V. 525 nach dem muͤllerſchen Drucke). „So
zog der Muthesreiche (Gamuret) behaglich in die Stadt
(Palelamunt). Zehen Saumroſſe wurden voran geführt
durch die Saffen und benen folgten zwanzig Knappen
nach. Vorauf gingen feine geringern Diener, feine Köche
und Kücenknaben. Hinter den Knappen vitten zwölf
wohlgeborne Edelfnaben, welchen acht mit Zindel bedecte
Roſſe folgten. Das neunte trug feinen Sattel, feinen
Schild trug ein wohlgemuther Knappe babei. Nach dem⸗
felben ritten Pofauner, „„deren man auch bedarf,““ wie
es im Gedichte heißt, und ein Zambur ſchlug und warf
dann feine Handtrommel in bie Höhe. Drauf titten Floͤ⸗
tenfpieler und vier gute Zibeler; allen war nicht zu eilig,
ſondern fie ritten langfam. Zuletzt ritt er ſelbſt (Gamu⸗
ret) hinten nach.“ — | |
Kamen hohe Herrn, Kaifer, Könige und Fuͤrſten,
5. Abtheil. Bewilikommnung ber Kitten. 53
-zufammen, und follte biefe Berfammilung recht feierlich
werden, ſo wurden auch die Ritter dazu eingeladen,” 3. B.
wie Hornek erzaͤhlt, als Kaiſer Albrecht mit Koͤnig Phi⸗
lipp dem Schoͤnen eine Verſammlung zu Tull hahen
wollte: „Wer von ſeinen Rittern den Kaiſer begleiten
ſollte, ward beſtimmt, und ihnen empfohlen, fi ſich koͤſtlich
mit" Kleinod ünd Kleidern zu verfehen, und mit allem,
was zur Zehrung, wie zum Turnieren und Tioſtiren er⸗
forderlich ſei; die Unkoſten ſollten erſetzt werden.“
Allenthalben finden wir hier in den Erzaͤhlungen, in
welchen etwas von Ritterzligen und ‚Fahrten vorkommf,
daß fie bie Begleitung der Spielleute liebten und fuchten,
Daß fie diefe nothwendig fanden, um ihre Züge munter
und aufgewedt zu machen, fo wie ja noch. jegt zur Era
heiterung ber Krieger, auf Heeres = und friedlichen Zügen,
immer die Zonkunft bie wanberlufligften Lieder und Reife:
noten angeben muß. So wird denn auch in einer alts
deutſchen Erzählung, überfchrieben: der port (das iſt die
Borte, ein ſchoͤnes mit Steinen beſetztes Band, ein Guͤr⸗
tel), erzaͤhlt, daß eine Frau, die ihrem Manne untreu
geworden war und von. ihm verlaſſen warb, ihm nachzog.
Und als fie in ein von ihrer Heimath entferntes Land
Fam, entließ lie ihre. Knappen, bildete dem Wirth ein,
fie fey ein Ritter und verlangte von ihm, er folle ihr
zwölf begenhafte Knechte ſchaffen und jedem ein gutes
Roß „Harniſch, Kleider und MR auch Rittersgewand.
Der Wirth, heißt es nun,
Daz allez gewan
vnd ouch einen ſpilmann.
s
. .
.
54 Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en.
Dieſe Spielleute waren beſtimmt, ein ſchallendes Betöfe
zu maden, fobald. bie Ritter an einem Orte ankamen.
Daher ſchiugen ſie gewoͤbnlich eine Pauke oder eine ‚Hands
trommel (wie die eben angeführte ‚Stelle aus dem Parzis
fal lehrt), oder bedienten fich auch vieleicht bisweilen einer
großen Pauke. So heißt es denn auch .in ber eben ans _
gezogenen Stelle des Ports, als bie Kitterin nach Bra⸗
bant vor eine Burg kommt:
bo hiez ſi oil vrolich
Slahen vf einen ſchal,
daz es doͤnte vber al.
Daß außerdem Poſauner, Siötenfbieler und Siebeler zu
diefen Spielleuten gehörten, haben bereits andere ‚oben
angeführte Stellen befagt.
Solche Begleitung von Spielmännern geht noch ſehr
tief in die uns naͤheren Jahrhunderte nieder, und ein Reſt
davon findet ſich im Leben des Hans v. Schweinichen,
wo derſelbe beim Jahre 1574 erzählt: „Zogen J. 8. G.
den 12 Februar von Liegnitz aus, nach Dresden zu mit
2 Kutſchen. Nahmen faft niemand mit, ald Herrn Fa⸗
bian von Kittlig, mich und Kadpar Heilung, imgleichen
auch zwei Jungen; fonft war Sefretär Pfeiffer unb
ein Bogner *) zur Begleitung.” "Aus Schweinichend Les
ben geht aber auch hervor, daß ſolche Drommeter ihre
Stuͤckchen bliefen, wenn ihre Herten durch eine. Stadt
ober Überhaupt wohl eigen bewohnten Dre reifen. Unges
fähr um ben 17. Septbr. 4574 zog Herzog Heinrich nach
’ . .r
*) Bogenfpanner, ex wollte zum Vogelſchieten nah Dresden.
5. Abtheil. Bewilikommaung ber Rittör ꝛc. 55
Neiſſe, um den neu gewaͤhiten Biſchof . Gerfimann dort. .
einzuführen: „Wie nun I. 3. ©. zu Brieg vor Tage
mit einem Reiſigenzeng von 60 Roſſen auszogen, ging
ein groß Feuer auf, welches zu Grotte war. Wie nun
J. F. G. nahe an Grotfe kamen, und allda mit dem
Biſchof ‚hätten frühftüden follen, ſchickte der Herr Biſchof
zu 3.5.6 md ließ bitten, I. 5. ©. wollten in der
. Stille bucchziehen und :gar nicht brommeten laffens
bean ber gemeine Mann wäre ganz aufrührifch, wegen
des Veandes und zugefligten Schadens,” Go auch, wie
Herzog Heinrich nah Köln von Frankfurt a M. aus
reiſet Cl. 192): „Rach diefem waren I. 5. ©, wieder
auf. und fagten:fih J. F. ©. mit Roſſ' ımd Wagen in
bie Schiffe und fuhren auf dem Rhein nah Köln zu.
Hatte in 3. F. Gnaden Schiff acht Drommeter und eine
Kefjibrommel, die find den Zag nicht viel flille, weil e&
auf dem Wafler duftig zu fahren und bie fhönften Städt’
und Schlöffer und ‚wohlgehaute Dirfer auf beiden Seiten
am Rhein liegen.“ Und I. ©. 195: Sie „fuhren bis gen
Killu am Rhein und find J. 3. ©. den 30. Febr. 1576
mit. großer Pracht und. acht Drommetern, welche: in dem
Schiffe allezeit biiefen, ankommen. : Wenn denn das
Mafler‚fchön heimlich war, als wenn es in Schlefien um
Pfingfen: gewefen, Tief. dexmaßen Volk zu, daß viel’ hun⸗
bet -Menfchen. am ‚Rampe ftunden, ‚wie wir aus bem
Schiffe ſtiegen, vermeinten nicht anders, denn daß wir
weiche deute wären unb hätten Gold und: Gut genugfam,
und koͤnute bei und: fein Mangel fein, kann aber mit
Behand fazen, daß J. F. ©. in ihrem Beutel nicht mehr.
56 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben.
als anderthalb Thaler hatten und waren doch auf 2
Nachtlagern ſchuldig geblieben.” Trotz der großen Armuth
und des ewigen Borgens ließ Herzog Heinrich dennoch (I.
900.) „täglich zu Zifche mit acht Drommeten blafen und
Keffeldrommel fchlagen und hielt fih ganz fuͤrſtlich.“
Nachdem in Köln dem Herzöge alle Sachen abgepfänbet
‚worden, alle Pferde und Magen in Beſchlag genommen,
wird er doch, durch den Verein mehrer gluͤcklichen Um⸗
ſtaͤnde, wieder ausgeloͤſet, und es heißt nun (I. 242):
„Sind alſo Ihro F. ©. zu Köln gelegen von dem 20.
Sebr. 1576 bis auf ben 18. Septbr. und baben diefe "Zeit
über, über 9000 Rthlr. darin gelaflen und fen I. F ©.
alſo mit guten Ehren und löblichem Namen, daß fie jebers
mann gezahlet hätten, neben einem tapfern Anfehen, aus
der Stadt Köln, mit 6 Drommetern und einer. Keffels
drommel, neben 54 reifigen Roffen, durch bie ganze Stadt
gezogen und ſich jebermann fehen lafien, daß alfo bie
Ehre ‚gleich groß war, ald die Schande wegen bes Arre⸗
fled geweſen.“ Diefe Beifpiele aus Herzog Heinrichs
v. Liegnig Leben und dem Ende. bes fechzehnten Jahr⸗
hunderts, wo. die Begleitung von Spielleuten erwähnt
wird, mögen genügen.
Saftfreiheit warb geuͤbt und. war nothwendig, das
noch unangebaute Land bot bloß den Rittern bie Burgen
zur Herberge bar und die Schlöffer der Großen. - Darunt
haben wir auch fchon oben gefehen, daß die Ritter und
Adelichen in. Frankreich Helme auf ihre Wohnungen fehen
ließen, zum Zeichen, daß jeber reifende Ritter bei. ihnen
eine freundliche Aufnahme finden würde. Einzelne Stellen,
5. Abtheil· Bewillkommnung der Ritter x. 57
bereits angeführt, baden diefe Aufnahme auch fchen aus
deutfchen Gedichten bewiefen, und bazu gehört noch fols
gende, die in einer Erzählumg ber heibelberger Handfchrift
ber Erzählungen flieht. „Ein Ritter war auf einer Fahrt
zu eilem andern als Gaſt gekommen. Der war feiner
Ankunft froh, empfing ihn freundlich und ließ ihn feine
Frau und Tochter Tüffen (eine bereits oben beruͤhrte Sitte).
Dem Koch warb ein gutes Effen zur Nacht befehlen und
Dann ließ ber Wirth, da der Gaft kalt und nad war, ein
Schönes Zeuer anmachen; dazu fehten fie ſich mit Freuden.
Der Wirth hatte drei ſchoͤne Toͤchter, welche fi um ben
Saft herſetzten, ihn mit freundlichen Gefprächen unterhiels
ten, und fo verging ber Abend bis zur Mahlzeit.’
Was noch die fahrenden Ritter anbetrifft, fo möchte
man dieſe, nad ben alten Gefchichten und Erzählungen,
ihrem Zwede nach dreifach theilen, indem alle zwar auf
Waffenkaͤmpfe audzögen, aber in verfehiebenem Streben:
die einen, um durch ihre tapfern Thaten die Bewunderung
ihrer Geliebten, ober der Frauen überhaupt zu erregen, ..
Dabin mag man auch Ulrichs v. Lichtenftein Züge, bie ihn
den fahrenden Rittern beigefellten,, rechnen; die andern
z0gen aus; um in Turnieren und Langenrennen bie auds
gefeßten Preife zu verdienen, Gefangene babei zu machen,
bie fi dann mit reichen Gaben ausläfen mußten, da fie
ſelbſt, wenn fie. gefangen genommen wurden, eine fchlechte
Beute waren, indem fie nichts zu ihrer Ausloͤſung hatten,
als oft nur Schulden, weil fie an Juden Nfänder verfeht,
die reihe und freigebige Große ihnen oftmals ausloͤſten.
Zuletzt trieben die fahrende Mifterfchaft diejenigen, welche
68 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Bloß darauf auszogen, ihre Memnhaftigkeit: zu zeigen,
Ehre und Ruhm zu erwerben. Solche mit reichen Ges
ſchenken zu verfehen und alfo an- ihren Hof zu ziehen,
- war das Beflreben aller Könige, Zürften und, ber hoben
Geiftlichen, die einen Hof hielten... So heifit es ben auch
in dem Gebicht: der Pfaffe Amis, einer Sammlung ſehr
erheiternder Schwänfe, worin ein Geiſtlicher indeffen doch
als ein zu arger Trügner auftritt, als dieſer Pfaffe Amis
in Konftantinopel einen Bürger um reiches Pelzwerk bes
trügt, indem er ihm einen Tahllönfigen Maurer als einen
Biſchof vorführt, deffen Kayelan er fey und ihm benfelben
zu Pfanpe laͤßt, während ex ſelbſt mit dem Pelzwerk
gluͤcklich entwifcht, folgendermaßen:
Der ist ein bisschaf riche,
Vnd wil vil herliche
Dise pfingesten leben,
Vnd sol vil Rittern geben
Kieider, ors vnd swert,
Nicht aber bloß fahrende Ritter erhielten folche Geſchenke,
fondern bei heben und veichen Fuͤrſten, aud andere Kür:
ſten. Als Ottokar, König v. Böhmen, bie Wermählung
feiner Richte mit dem: Koͤrig Bela, bie ſich fo ſchnell,
aus thörichter Furcht der Ungern, ſchied, 1261.40 Wien
gefeiert hatte, erzählt Ottokar Hornek von ihm: „And
bie armen fabrenben Leute fertigte er fo gütlich ab, daß
fie alle reich wurden. An Zucht gebrach es ihm wicht, 68
wurde der König und ber Gaſt und jeher, der um feinet-
willen dahin gefommen war, mit ‚But und mit Verhei⸗
fung fo geehrt, daB ich fürwahr weiß, daß er deshalb
ungeſcholten blieb; denn reichlich warb bat, mas man
5. Abtheil. Bewilllommnung ber Ritter ıc. 59
fhulbig wer, wiebervergolten. Dad Leben eines folden
fahrenben ind abentenrenden Ritters, ber befonders um
Sranengunft wirbt, erzählt uns bie Handſchrift der Erzaͤh⸗
lungen, von der eine Abſchrift zu Heidelberg, die andere zu
Kolocza fich findet. Hieraus gehört einiges higher, um
bie Art und Weife zu zeigen, wie ein folcher Mitter bald
jm Sande umberzog, bald an einem Drte, burch irgend
einen Grund bewogen, blieb.
„Ein Ritter und ein werther Degen, gar verwegenes
Leibes und Muthes, hatte alle ſeinen Sinn, wie noch
mancher frommer Ritter thut, darauf gewendet, daß er
um Frauen Gunſt durch Ritterſchaft, die ihm manch blu⸗
tiges Mahl zuzog, rang. Schild und Speer waren ſeine
Waffen, Tugend und Milde zierten ſeinen Sinn, und ſo
ward er weit hekannt. Dieſer Ritter kam auf ſainen
Fahrten nach Ahenteuren, wie er pflegte, in eine Stadt
geritten. Die Leute dort waren ihm unbekannt, nur ein
Bürger allein, ben er bort antraf, gehörte zur. feiner Be⸗
kanntſchaft; denn. er hatte ihn vor gefehen. Dem nahte er
ih, redete ihn an als einen Bekannten und fragte ihn;
antwortete: wenn ihr die fehen wollt, fo jeige ich fie euch
bald. Morgen ift bier Kirchtag, da fehet ihr ‚fie alle und
diejenige, welche euch am..beften gefällt, die weif’t mir
durch ein Zeichen und Winke der: Augen. Sie thaten'ß
and bald fiel dem Ritter eine Frau fo auf, daß. fle ihm
nie wieder aus dem Herzen ſchied, bis fie ihm ben Ted
brachte. Diefe Frau nun zeigte er dem ihn ‚begleitenden
Qürger und bjefer — erkannte darin fein eigenes Weib.
60 Zweiter Abſchtt. Mitterlebem.
Laͤchelnd bat ihn der Bürger; "fein Saft zu fen, aber ber
Yehnte ed, nun ganz befangenen Herzens, ‘ab nnd ging
“alle Tage umher, wo er die von ihm geliebte: Frau ſehen
koͤnnte. Zunaͤchſt ihrer Wohnung gewann er eine Her⸗
berge, damit er fie deſto öfter erſchauen moͤchte. Aber Die
Frau nahm feine Liebe nicht an und war ihrem Manne
getreu; der Ritter aber vwerblieb'in ber Stadt bis zu
feinem Tode, wovon in einer der nächften Abthellungen
die Rede feyn wird.
Was ein fahrender Nitter ſey, einer ber auf Aben⸗
teuer reitet, das erklaͤrt uns auch ein altdeutſches Gedicht,
der Iwain, worin der Ritter Kalogriant zu einem Manne
kommt, der wild und ſchrecklich ausſehend, eine Heerde
von ungethuͤmen Thieren weidet. Dem ſagt er: ich ſuche
Abenteuer. Auf die Frage, was das ſey, antwortet er:
„Nun fiehe, wie ich gewappnet bin. Ich heiße ein Ritter
und bin des Sinned, daß ich fuchenb außreite, um einen
Mann zu-finden, der mit mir flreitet, und ber wie ih
gewappnet ſey. Schlägt er mich, fo wird er pepriefen,
befiege ich ihn aber, fo haͤlt man mich fin einen Dann
und ich werde dadurch wuͤrdiger, als ich bisher war.“
Das ift in wenig Worten das ganze Streben und Brmi:
hen der Ritter, die man bie irrenden nannte und bie bet
Don Quirdte des Cervantes in ihrer großen Verirrung
mit fo fehr erheiternden Zuͤgen darftelt..
Diefe fahrenden Ritter gehen noch tief bis in bie
Beit bed Verfalls der Ritterwuͤrde hinein. So burchzog
in ben Jahren 1452 bis 1458 ein fchmwäbifcher Ritter,
George. von Ehingen, wohlgeuͤbt und erfahren in Kaͤm⸗
5. Abtheil. Bewillkommnung der Ritter x. 61
pfen und Ritterfpielen, außer feinem Baterlande auch noch
Burgund, Frankreich, England, Spanien, Porkugat,
focht bei Ceuta ‚mit einem Mauren, der beinahe. ein Rieſe
war, erlegte ihn, turnierte allenthalben, wo er offene
Schranken fand, ſchiffte nach Rhodus, befuchte das Heil,
Grab zu Serufalem und fam mit Kleinobien und koſt⸗
baren Geſchenken von Königen und Fürften gluͤcklich wieder
auf. feiner väterlichen Burg an, bie Zeugniffe feiner Mann⸗
lichkeit und Zapferkeit zeigend und beweifend, wie er feine
Nitterfchaft erprobt hatte,
Als Kaifer Marimilien der Erſte feinen erſten Reiches
tag im 3. 1495 zu Worms hielt, Fam ein Sranzofe dahin,
Claude de Batre genannt (wie man meinte, abgeſchickt
von feinem Könige), ein gefürdhteter Ritter, und trotzte
gewaltig auf feine Stärke. Kaum hatte er Pop in der
Herberge gefunden, ald er feinen Schild an berfelben ums
ter feinem Fenſter aushing, indem er durch einen mit ihm
gefommenen Herold ausrufen ließ: Sofern ein Deutfcher
Luft habe mit ihm zu kämpfen, auf Leib und Leben, auf
Gefängniß oder auf eine Rittergabe, fo fey er zu jedem
diefer Kämpfe bereit. Es wollte ſich nicht fogleih einer
finden, der Luft hatte, etwas gegen biefen Prahler zu
wagen, dem der Ruf voranging, er fey im Kampfe der
Teufel felbf® Das verdroß den ritterlichen und wadern
Kaiſer Marimilian nicht wenig. Er fendete feinen Herold
ab und ließ feinen Schild mit dem Wappen von Defter-
reich und Burgund neben jenem des franzoͤfiſchen Ritters
aufhängen. Der Kampf warb verabrebet um ein ritter-
liches Gefaͤngniß, und ging neun Tage ‚na ber Ausfors
62 Zweiter Abſchutt. Mitterieben.
derung vor fih. Gewappnet erfchienen beide auf ber
Bahn. Keiner ſprach ein Wort zu dem andern. Die
“ Erwartung vwiegte mit Burcht und Ungewißheit fih auf
allen Geſichtern der Zufchauer, alle Blide waren auf bie
- Gerüfteten gerichtet, die, als zum dritten Male die Drom:
meten ertönten, die Lanzen einlegten und auf einander
losrannten; fie trafen fo, baß die Stöße abglitten. Sie
warfen die Lanzen ad, griffen nach den Schwertern und
bieben einander eine gute Weile auf die Köpfe. Der
Sranzofe führte unter andern einen harten Stoß auf ben
Kaifer, ber diefem den Panzer trennte und ihn ein wenig
verwimbete. Dergleichen aber gar nicht achtend, ging
biefer erſt recht Präftig feinem Gegner, zu Leibe, als babe
er biöher nur Spiel ‚getrieben, machte ihn matt’und zag⸗
haft, traf ihm auch dermaßen, baß er, als eben der Kais
fer mit einem derben Stoß ihm zum Herzen rannte, feine
Waffen firedte, fi ergab und Zum Gefängniß fich zu
ſtellen gelobte. Alfobald wurden die Schranken wieder
‚aufgeblafen, und ‚mit großem Jubelgeſchrei begleitete bie
fröhliche Menge den mannlichen Kaifer, der bie Ehre der
beutfchen Ritter fo wohl vertheibigt date, in fein Ein:
lager (feine Herberge).
6. Abtei. Die Frauen der Ritterzeit x, 63
Sechste Abtheilung
Die Frauen ber Ritterzeit; Siebe, Ehe
und bäusliches Leben.
Hier ift für ben, ber es wünfcht, wohl ber meifte Stoff
geliefert, in ein unbeffimmtes Sprechen und ein fehnflichs
tiges Vergöttern des Mittelalters fich zu verlieren und
uns eine foldie Maſſe von Herrlichkeiten vorzuführen,
bie in Erflaunen fegen koͤnnte, wenn man fich einem fol:
chen geſchminkten Weſen hingeben wollte. Uns ift «8
darum zu thun, fo viel ed nur möglich iſt, Wahrheit aus
den Quellen zu fchöpfen, und manches muß uns daher
in einem weit weniger fteundlichen Lichte erfcheinen, als
eine bloß verfchönernde Darftellung gewährt. Schwerer
wird es aber auch Hier, ein richtiges Urtheil zu fällen;
dem Öffentlichen Leben folgt man leicht, im Kampf, Zur:
nier,. Jagd und Waffen kann man eher die Menfchen bes
laufthen, von dem öffentlichen Leben gibt uns die Gefchichte
‚ immer bad melfte, aber in die ftillen häuslichen Räume,
worin benn body gerabe dad, was der Vorwurf biefer
Abtheilung ſeyn fol, fih um meiſten entfaltet, dahin haͤlt
es ſo ſchwer zu folgen, wenn Jahrhunderte und ganz
veraͤnderte Anſichten dazwiſchen liegen. Es erſcheint daher
am beſten, weniger in dieſer Abtheilung auf ein geſamm⸗
tes Bild ber Gegenſtaͤnde, die in ihr behandelt werden
[4
64 welter Abſchnitt. NRittsrieben.
follen, ſich einzulaffen, da daraus nur zu leicht ein ge:
ſchminktes und entſtelltes Bild entſtehen kann, als viel⸗
wiehr einzelne, fuͤr ſich ſelbſt redende Beiſpiele jener Zeit
anzufuͤhren, und es nun der Einbildungskraft eines jeden
zu uͤberlaſſen, welche Zeichnung er ſich vom ganzen Zeit⸗
raume entwerfen will.
. Wie St. Palaye in feinem Werke Über das franzoͤſi⸗
ſche Ritterwefen bie Bildung und dad Bemuͤhen ber fran⸗
göfifcpen’ Frauen befchreibt, bezeichnet dieſe etwas im All⸗
gemeinen, und mag daher biefe Schilberung hier voran
ihre Stelle finden. Er fagt: „Die Höfe und Schlöffer
der Großen waren nicht nur für die Edelknaben, fondern
auch für das junge adeliche Frauenzimmer vortreffliche
Schulen der feinen Lebensart und mancher anderen Zus
genden. Hier lernten junge Perfonen vom ſchoͤnen Ge:
ſchlechte frühzeitig ihre weſentlichſten Pflichten kennen.
Hier bearbeitete und vervolllommnete man an ihnen jenes
ungezwungene Gefaͤllige und jene zaͤrtlichen Geſinnungen,
wofuͤr fie die Natur ſcheint gebildet zu haben. Den Rit-
teen, die ſich in den Schlöffern ihres Aufenthalts einfans
‚den, kamen fie mit zuvorfommender Höflichkeit entgegen.
Sie nahmen ihnen bei ihrer Rüdkche von den Zurnieren
und von ben Feldzügen die Waffen, überreichten ihnen
feifhe ‚Kleidung und Wäfche und warteten ihnen bei
Tiſche auf. Da fie zu Fünftigen Gattinnen eben berfelben
Ritter beſtimmt waren, bie fi in ben Haufern einfanben,
wo fie erzogen und gebildet wurden, fo ließen fie e& bei
ihren Gäften weder an Sorgfalt, noch an zuvorkommen⸗
den Dienflleiftungen fehlen, wodurch fie die Herzen berfelben
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit a. 65
feſſeln Tonnten. Sie lernten hier ihrem Gatten einſt alle
die Dienſte und Gefaͤlligkeiten erweiſen, die ein muthvoller
Krieger von einer zaͤrtlichen und edeldenkenden Gattin er⸗
warten konnte. Sie machten ſchon hier Zubereitungen’ zu
ſeinem innigſten Lohn und zu der ſuͤßeſten Erquickung,
für feine hoͤchſt beſchwerlichen und gefahrvollen Unterneh=
mungen. Mit einer Begierde und mit einem Wetteifer,
den nur warme Zuneigung bervorbracdhte, eilten fie, ihm
zuerſt den Staub und das Blut abzuwiſchen, womit er
fih, ihres eigenen Ruhmes willen, befubelt hatte Man
barf daher glauben, daß das fchöne Geſchlecht in ben Ritz
terzeiten den Verwundeten alle erforderliche und anhaltende:
Huͤlfe leiſten konnte, die eine geſchickte und mitleidige
Hand dem Leidenden zu verſchaffen im Stande iſt. Nicht
Schönheit allein alfo war es, woburd bie Frauen in ber
Ritterzeiten ſich Ehrerbietung und Liebe erwarben, ſondern
Tugend, Klugheit, Wohlredenheit, feiner Anſtand und
die Kunſt, ſich gefaͤllig zu bezeigen und zu gefallen. Der
Ritter de la Tour gab in dem Unterrichte an ſeine Toͤch⸗
ter ihnen folgende Lehren: „ein gefaͤlliges, fanftes, fih
ſtets gleich bleibendes Betragen anzunehmen; nicht ſchwatz⸗ |
haft, fondern hoͤflich im Antworten, nicht flatterhaft, nicht |
zornig, nicht keck zu ſein; eine Sache nicht obenhin zu
betrachten, und weniger aus ſich ſelbſt ‚au machen, als fie
wirklich wären; indem manche ihre Ausſichten auf Ver⸗
malungen deshalb verloren, haben, weil ſie ailzuvie ſchei⸗
nen. ‚wollten. “
Sehr bezeichnend fur die Bitdung ber Frauen fi nd
auch i bie Lehren welche die Winsbekin ihrer Tochter ‚gibt,
5
66 Zwelter Abfchnitt. R itt erleben.
eben fo wie, ruͤckſichtlich der Männer, bie, welche ber
Winsbek feinem Sohn gibt. Diefe beiden Lehren geben
den Inbegriff deffen, was die damalige Zeit in der Erzies
hung zu erlangen fuchte. Ein Auszug ber Anweiſung,
welche die Winsbefin ihrer Tochter gibt, ift daher hier an
feiner Stelle. „Zrautes Kind, du ſollſt hohes Gemüthes
fein, und darunter in Züchten leben, fo wirb bein Lob
den Werthen gut und bein Rofenkranz fleht dir redhf.
Den Ehrebegehrenden follft du mit Zlichten deinen ſanften
Grus geben und las in deinem Herzen Schaam und Mä-
ßigkeit ftätig fein, und hüte deine Blide; wo Lofe Merker
find, las fie nicht umbherfchweifen. Schaam und Mäßig-
feit find zwei Tugenden, bie ben Frauen hohen Preid ges
währen; ſchenkt dir diefe Gott in deiner Jugend, fo grünet
das Reis beined Heiles, du magſt in Ehren alt werben.
Was ih die eben umberfchweifende, wilde Blide nannte,
find bie, wenn ein Weib fill vor fih hin fehen fol und
doch bie Blide umhergehen laͤſt, als wenn fie unftäten
Sinn habe. ' Davon hat ihr Lob einen ſchwachen Gewinn,
bald merkt es einer und melbet diefe unfre Sitte. Drum
- zwinge beine Augen beffer, da8 rathe ich bir, Tochter, und
darum bitte ih. Wenn weile Worte die Werke begleiten,
fo find deine Sinne nicht betrogen, wenn aber die yuten
Werke fehlen, dann find die weifen Worte nichts als Lügen.
Wenn ein Vogel zu früh fein Neft verlaffen hat, der giebt
fi) den andern zum Spiel und fein Wefieder wird ihm
ausgerupft; fo, Kind, wird es bir auch gefchehen, wenn
bu in beiner Jugend weife Rebe haft, dich aber dumm in
Werken zeigſt. Biel wandelbar find die Männer, ſie
— —— — u net, ade eier we — u tn —
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 67
tragen. Nebellappen bei ſich (d. h. fie Fommen und vers
ſchwinden leicht, wenn fie mit ihrer Rebe bethört haben).
Die meiften Löhnen zu guten Weiden fuͤße Rede fpres
den‘, doch ift fie innerhalb nicht ohne Verderbnis; denn“
werwunbet fie dich, fo müffen die Ihränen deiner Augen
beine Wangen baden. Man fagt: die Weib haben Furzen
Muth, dabei doch alle langes Haar; leider handelt dem
Sprichwort manche gleich, fo daß es bewährt wird, Wie
e8 auch um die Untreue der Männer ficht, wir Frauen
follen fefler fein, und im allgemeinen denen Has tragen, bie
ihre Bucht nicht an und zeigen; thäten wir e3, fie ſchon⸗
ten unfer gewis mehr. Man fol. die Frauen guͤtlich bit⸗
ten und lieblih in dem Herzen tragen, fie aber fellen
zuͤchtiglich vorweigern. Wäre nun eine ſinnlich und ſchwach,
dann mag fie fih nachher auch nicht zu fehr- beklagen;
benn fpäte Reue ift gar nichtig und die-Wanbelbare' wird
verfpottet, wenn ber Schade geſchehen iſt. Handelſt du ſo,
daß dir hier kein Vorwurf gemacht werden kann, ſo biſt
du mit deinen Sinnen auf rechtem Wege, aber behalte ſie
auch, daß dich die Liebe nicht etwa blind mache. Gar
weiſe Herzen ſind doch durch ihre Macht zu Kindern ge⸗
worden; wenn du dich ihrer Gewalt erwehren willſt, ſo
mus dich Gott mit ſeiner hohen Kraft bewahren. Wenn
auch die Kraft von hunderttauſend Herzen in deinem allein
liegen moͤgte, ſo wuͤrde doch die Meiſterſchaft der ſuͤßen
Minne endlich ſiegen; gar ſtarke Herzen hat ſie doch ge⸗
packt. Koͤnig Salomo, wie weiſe er war, ſein Herze
konnte fich doch nicht ihr entziehen. Will ſich daher die
Minne in dein Herz prägen, bu kannſt fie hicht vermeis
5*
68° Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en.
ben, es ſei denn, daß bir Gott Huͤlfe und Friede gehen
wollte. Wer nun das Zwingen hoher und ebler. Minne
verlangt, der fol alles, was Unfuge ‚und. Schlechtigkeit
heißt, verlaffen und fih den Werthen werth zu machen
fuchen. Wenn bu ein Feufched Herze trägft, fo mußt du
Lob und Ehre haben. Bil die Minne dir nun dies etwa
nicht gönnen, und will bidy mit Gewalt zwingen, daß du
einen Dann liebſt, der Heiles unb Ehren werth ift, fo.
ſollſt du ihm body nichts gewähren, was nicht recht und
fhidlih if. Hier kann dir Mutter Rath nicht helfen,
dein eigener ſtaͤter Muth mus dich bewahren, denn wer
zu fehr hütet und wacht über einen andern, ber ‚erfährt
oft Schaden und wer baber anders. hütet, als er fol und.
als es fich ziemet, der geht darauf aus, daß er Unehre
in ſein Haus einladet. Ein reines Weib, das werthe Tu⸗
genden traͤgt und das wohl ſeiner Ehre huͤten kann, das
ſoll man ſich ſelbſt behuͤten laſſen, und erſt bei einem
Weibe dummer Sitte, das ſich ſelbſt keine Ehre goͤnnt,
da mag man die Hut anheben. Hut iſt immer der Ehre
des Weibes gram, wenn ſie auf nichtigen Wahn geſchieht,
ein gutes Ende vernahm man davon noch nie; denn „ges
zwungene Liebe iſt nichtig, da fie keinen hohen Muth
giebt. Die Liebe fol von Herzen fommen und mit fläter,
Treue ihre Pflicht erfennen, auf. allen Gewinn und auf
allen Verluſt; die andere Liebe iſt flüchtig, fie fchweift da
und dorthin. Nun Eönntefl du wohl mich fragen um. bie
Minne: ob bie bier bei und auf Erben fei, oder ob fie
in den Lüften ſchwebe? Darüber macht uns ein weiſer
Mann, Doibins, klar, ber ſagt: fi fie fei ‚genannt Venut,
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛac. 69
fie verwunde füße Herzen und mache fie nach ihrem Wil:
len wieber gefund,; aber auch wieder ſiech, fo fei immer
ihr Wechfel; unfichtbar fährt fie wie ein Geift und hat!
nicht Ruhe Tag und Nacht. Die hohe, ebele Minne bes
gehrt nur das Herz, für fie ift nicht Höhe oder Niedere
des Standes da. Die fie in Züchtigkeit froh findet, die
zieht fie mit fih fo hoch, daß fle ſchwachen Muth vers
fchmähen und felbft eines Zürften Drohung kann nichts
hindern. Die Herzen derjenigen, welche ihr behagen,
werben eng in einander geflochten und auf die Niedern
ſieht ſie nicht So mus ein jedes Weib hoher und edler
Minne nachſtreben.“ Der Schlußſatz der ganzen Lehre
und Ermahnung iſt: „ein Weib, die Lobes und Ehren
theilhaftig ſei, die neide eine andere, welche auch vorwurfs⸗
frei iſt, nicht darum.‘
Auf eine fehr umſi ichtige und belefene Weiſe hat Herr
Dr. Kunifd aus alten Gedichten des Mittelalterd alles
zufammengeftelt, was auf die Frauen Deutfchlands Bezug
hat, und ich erlaube mir, einen Theil feiner Auszüge alter
Werke hier einzureihen.
Bon ber frühften Sugendbildung und Erziehung ber
Mädchen wiffen wir wenig, Zoden (Puppen) waren auch
damals fchon der Mädchen Tiebfles Spielwerk, das geht
aus mehrem hervor. So aus dem Ottokar von Hornek
(Say. 174.), als Koͤnig Rudolf ſeinen Sohn Rudolf mit
der Tochter Ottokars von. Boͤhmen, noch als Kinder, ver⸗
lobt: „Sie redeten kindlich mit einander; die Maid ſagte
von ihren Tocken, wie die geſtaltet wären; er erzählte ihr
dagegen, was fein Spring (Balke) gefangen hätte. So
‚
70 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
auch im Titurel, wo Tſchionatulander mit der jugendlichen
Sigune zuerſt über Liebe und feine Liebe zu ihr ſpricht,
und fie, in Einblicher Unfchuld, fagt:
| Sf Minne ein Sie oder ein Er?
Magſt du mir Diinne erflären?
Sag mir, was bie Minne begehr’?
Wenn fie mir kommt, womit fo ih fie naͤhren?
Mus ich fie behalten bei ben Doden?
Oder ift fie ein wilder Kalter
Ich kann ſie lieblich wohl zu Handen lockken)?
Nachdem die Maͤdchen dem kindlichen Spiel mit den
Puppen entwachſen waren, wurden ſie wohl unter Anlei⸗
tung der Muͤtter im Spinnen, Weben, Wirken, Gewaͤn⸗
derſchneiden und in jeder weiblichen Arbeit und Kunſt un⸗
terwiefen, doch warb ed wohl nur wenigen fp gut, in ber
Schule eines weiſen Pfaffen im Lefen und Schreiben, ober
wohl gar in ber füßen Kunft bes Gefanged und Saiten⸗
fpield unterrichtet zu werben.
Indeſſen konnte dad Lefen und Schreiben bei edlen
Jungfrauen und Frauen. auf feinen Zall etwas ganz Un
gemöhnliches ſeyn, da ihnen fo oft zärtliche Briefe und
Lieder zugeſchickkt wurden, und nicht felten auch zierliche
Antwortſchreiben von ihrer Hand erwähnt werden. 3. B.
Brauendienft S. 14: „Meine Niftel nahm Lieb und Brief
und fandte fie meiner Frauen; als fie beides gelefen,
») Es ift merfwärbig, daß bier Puppen und alte wieder neben
einander ftehen; nod wichtiger wird es aber, wenn wir im
Ottokar Hornek fehen, daß er bei ber obigen Stelle Sigune
und Tſchionatulander namentlih mit aufüpet und es Bar wird,
daß ihm Diefe Stelle gerabe genau vorſchwebte.
J
8
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ꝛec. 74
ſchrieb ſie gleich einen Brief.‘ Und eben daſelbſt,
‚©. 48: „Da bie Gute den Brief gelefen hatte, ſchrieb
fie ſelbſt einen. andern Brief." |
Bei reiferem, Alter nahmen fie fehr bald an jedem
haͤuslichen Geſchaͤft der Muͤtter Theil. Das Weben, Be⸗
reiten und Anfertigen der Gewaͤnder fuͤr ihren eigenen und
der Maͤnner Bedarf war ihnen ausſchließlich zubeſchieden
und mag von ihnen, wenn man den alten Erzaͤhlungen
glauben darf, bis zu einem hohen Grade kunſtreicher Voll⸗
endung ausgebildet worden ſeyn. In edeln und hohen
Haͤuſern ſchnitt die Tochter des Hauſes wenigſtens die
Gewaͤnder zu, die ſodann von den dienenden Jungfrauen
und Maͤgden zubereitet und fertig gemacht wurden, wohin
eine Stelle ber Nibelungen (B. 1441 ff.) zu. deuten fcheint.
Selbft wenn bei Bewirthung fremder und lieber Säfte bie
Hausfrau im Speifezimmer an der Tafel erfcheinen mußte,
vertrat die Tochter unterbeffen. ihre Stelle im Hausweſen
und blieb im Nebenzimmer bei den übrigen Kindern fin
wie die Nibelungen V. 6702 beweifen: -
Durch ber Bäfte Liebe hin zu Zifche gie
biu edel Marchgravinne; ir Tochter fie bo lie
belieben bi den chinden, ba fie von rehte fag.
Bei fo großer Zurücdgegogenheit mußte ber Anblid
fchöner Jungfrauen damals etwas weit feltneres ſeyn, als
in unfern Tagen, und die Dichter ber alten Zeit unter
laſſen daher auch nie bei Befchreibungen fefllicher Turniere
und Feierlichkeiten. die Zahl und Schönheit. der edlen Fraͤu⸗
dein und rauen zu preifen, deren Exrſcheinung bad Bell
verherilichtt. Außerdem ſah man. ſie nur zuweilen am
72 | Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
Senfter, oder im Münfter während der Meffe, wo bie
Frauen ein abgefondertet Geftühl hatten, aber body fo,
daß die Männer fie fehen Fonnten, und 'ed mag wohl oft⸗
mals gefchehen feyn, daß durch dad Anbliden der Frauen
während der Meſſe „Gott da nicht viel gedient warb’,
wie Ulrich von Lichtenſtein S. 134 feined Frauendienftes
fagt.
Bisweilen ſahen ſich die jungen Maͤnner und Jung⸗
frauen auch im Gruͤnen, beim laͤndlichen Reihentanz unter
der Linde, oder beim Luſtwandeln. Der Mai lodte bie
Alten unwiderſtehlich ins Freie, die ganze Natur ward
berührig und lebendig. „Es iſt die Maienzeit, — heißt
es in einer ſchon früher angeführten Stelle des Ulrich von
Lichtenftein, — in welcher die Ritter nicht gerne müßig
baheim liegen.” Man eilte in die junge Natur hinaus,
wenn ber Mai mit aller feiner Wonne kam (Heinrich von
Der Vogelweide I. 116.). Dann war „niemand alt’ (daf.
417) und man gab ſich der Fröhlichkeit hin, ſchauend
„Wonne mannidfalt” (Kilchberg I. 13). Es mar damals.
ein froheres, frifchered Leben in und mit der Natur.
Sehr oft fingen die Minnefinger von ben Frühlings:
reihen fröplicher Mädchen im Mai. Hinaus eilten fie in
ben Schatten (Nithart IL. 84.) jungbelaubter Linden
(Chonzler II. 241.), und in Iufligen Reigen (Landegge I.
200.) mit Gefang ſchwebten fie lieblich dahin. Zünglinge
miſchten fi) in-ihre Zänze, aber bie Alten meinten babet
auch, vergangene befjere und fittigere Zeiten preifend: „das
würde man ehedem nicht gebiliiget haben, daß Mädchen
mit Sünglingen in ben Hain zum’ Tanze gelaufen waͤren.“
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 73
Allezeit war ed aber für Maͤnner und Juͤnglinge ein froͤh⸗
licher Anblick, und gern eilten ſie daher hinaus, dieſen
Reihen zuzuſchauen. Aber auch die Maͤdchen freuten ſich
darauf immer ſehr und manche bedauerte, wie die Minne⸗
finger dichteten (Hohenvels I. 87.): daß ihnen der Anſtand
nicht erlaube, fo „Freiheit und Freude“ mit zu genießen..
Ein Strohhut, aber Freiheit dabei, wäre ihnen lieber, als
ein Roſenkranz mit firenger Bewachung, -meinten fie
(Hohenveld I. 85.). Oft ging ed bei dem Tanze ber
Landmaͤdchen aber auch fehr wild zu, wie Goeli II. 57., Tan⸗
bufer IE. 61. und vor allen Nithart IT. 81. 85. manches |
gar Verfängliche darüber gefungen haben.
Die Tonwerkzeuge, welche man dabei hatte, waren
meiftentheild ®löten und Geigen, fo wie auch ein laut
tönendes Werkzeug, Sumber genannt, eine Art von raus
fehender Handpaufe. Am gemöhnlichften wurben aber, wie
noch in Tyrol, diefe Reigen gefungen, und baher die Menge
Lieder der Minnefinger, welche Worte zu diefen Tanzwei⸗
fen enthalten und unter den Namen Frauentänze, Tanz⸗
weifen, in ben alten Minnefingergefangbüihern vorkommen.
Je mehr man nun die Frühlings = Ergöglichleiten liebte,
befto fchmerzlicher warb ed, wenn ber Krieg folche Luſt
zaubte. „Da fenfzeten bie fehönen reinen Frauen, daß ber
Tanz nichts mehr gelte, daß bie Iünglinge den Kranz
weggemworfen und Kriegeöfleid, Sturmhaube und Schwert
genommen; benn der Kampf hatte bie Liebe vertrieben‘
(Konrad v. Würzb. IT. 498.) |
Wurden nun dieſe freubigen Taͤnze auch durch den
Sommer und Herbſt wiederholt, der Winter mußte ihnen
74 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
jedesmal ein Ende machen; doc eilte man zu biefer Luft
ſchon ſehr früh hinaus, denn wir finden Reihentaͤnze er
wähnt zu Zeiten, wenn noch. Schnee lag. Kam aber ber
Winter, dann verbargen ſich die Frauen in's warme Zim:
mer und ließen fi nicht mehr im Freien ſehen; fie bedeck⸗
teh Bruft und Naden mit weichen. Pelzwerk, vertaufchten
ihr leichtes Leinengewand. gegen fchwerere und bichtere
Kleidung, und Hände und Arme maren verhuͤllt (Hadlub
11. 496.). Daber denn auch die allgemeinen Klagen ber
Minnefinger über ‚die Ankunft des Winterd, der nicht
bloß die Sommeraue entfärbe und den. Wald feines luſti⸗
gen Grüns beraube, fondern auch ihnen den Anblid ber
bolden Grauen entziehe. Mönchen und. Krauen mußten
indeffen auch wohl zur Winterzeit an Feiertagen. oder an
frohen Xbenben in geräumigen Gemaͤchern bie Zeit unter
fih angenehm binzubringen, bald mit Bidelfpiel (Würfel:
fpielen), bald mit Zangen, befonder& mit einem, ben bie
Alten Kovenanz nannten; aber es ift ſchlimm, daß. Diefer
Name, fo wie viele andere ſolche Tänze, welche und. Nits
hart (U. 76. 77.) und Burkhart von ‚Dohenveld (I. 83.)
anführen, unſern Tagen ganz unverſtaͤndlich geworben
find. Doch kaum war der erſte Fruͤhlingshauch da, fo
fah man auch bie Frauen alsbald wieder in bem Wurz-
gärtlein luſtwandeln, wo fie Rofen, Blumen und buftende
Kräuter brachen (Burkhart von Hobenveld I. 88.), ober
auh im Baumgarten, wo fie mande ſchalkhafte Blide
mit jungen Männern wechleln mochten, wenigftens fingt
Hablub (II. 193.):
6, Abthell. Die Frauen der Rittergeit a’ 75
Es ift ougen wunne, hort,
So man fhone Krowen fament
In ben Baumgarten fiht ganz
Da hoert man ir fenften Wort,
Wan fie fi fo wiblich fhament,
So it achtet junge Man;
Mon ſiht da an in fo los Geberde,
Das der Manne fin wirt frölih gar.
Sorgfame Mütter fahen dies, wie ſchon früher gefagt,
nicht gerne und fie verſchloſſen daher wohl zu folchen Zei:
ten ihren Töchtern die feſtlichen Tanzkleider im Schrein,
um fie von jebem Ausgange abzuhalten. (Nithart II. 75.
80. 84 — 85.)
So fehr nun aud bie jungen Mädchen damaliger
Zeit vor Männeraugen oft gehuͤtet und bewacht wurben,
fo wußte doch die Liebe auch dafür guten Rath, und
Juͤnglinge fuchten entweder durch weibliche Verwandte
Liebesbelanntfchaften anzufnlipfen, wie Ulrich von Lichten⸗
flein (Srauendienft 6. 7.) durch feine Bafe, oder die Ge⸗
liebte in ber Meſſe zu fehen und während bed Gottesdien-
fles bedeutende Blicke mit ihr zu wechfeln, ober auch durch
überfandte Briefe, Lieder und Botfchaften (Frauendienſt 7.
70. 172.) ihre Liebe fund zu thun, bie benn meiſtentheils ers
wibert warb; ja der Minnefinger Hablub wagte es fogar,
in ein Pilgergewand gehüllt, feiner Geliebten in ber Mors
gendaͤmmerung, ba fie eben aus ber Fruͤhmette kam, nach:
aufchleichen und ihr, vermittelft eines Hafens, einen Brief
hinten an ihr Kleid anzuhängen.
Beſonders aber wurde die Vorliebe, womit Frauen
und Jungfrauen zum Zeitvertreib kurzweilige Bücher oder
anmuthige Lieber zu lefen pflegten, von jungen Männern
7° Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
und Rittern fleißig benuzt, um ihnen Geſchenke dieſer
Art und dabei manche Erklaͤrungen in die Haͤnde zu
ſpielen. Die Buͤchlein wurden dann aͤußerlich ſchoͤn ge⸗
ſchmuͤckt; man ließ ſie wohl gar in gruͤnen Sammt mit
Gold binden, und mit Schloͤschen in Geſtalt zwei Heiner
Händchen, wie Ulrich von Lichtenflein, da er feiner Gelieb⸗
ten ein Bändchen feiner Lieber überfandte (Frauendienſt
©. 70); welches dann die Empfängern gelegentlich da⸗
durch ermiderte, daß fie ihm, da er zu Bogen frank lag,
vier Büchlein überfchidte, mit dem Andenten: „da folt
ihr eure Meile mit fürzen, denn es ift gute Hitterfitte zu
leſen, was fchon zuvor bievere Männer um werthe Frauen
gethan haben” (Frauendienſt 54.). |
Unffreitig war ihnen aber doch nichts Hieber, als bie
zur Feier ihrer Reize auf fie gedichteten Lieder, oder bie
Liebeögefänge ihrer VBerehrer und Geliebten. „Die nah:
men fie, laſen fie mit funkelnden Augen, minniglic
Yächelnd und froh“ (Frauendienſt S. 149.) Doch Iafen
fie auch gerne folche Lieder, wenn fie auch nicht an fie
felbft gerichtet waren (Brauendienft S. 207.).
Die Geliebte Rudolfs von Rotenburg bat ihn einft
beim Scheiden, ihr bie Lieder feiner Sehnfucht zu über:
fenden. Nun wußte er nicht, durch wen er fchidlich ihren
weißen Händen diefelben übergeben folte. Doch er wollte
lieber Tauſende ſchicken, feinen füßen Sang zu überbrin:
gen, um vielleicht einen Habedank zu erringen. Ulrich
von Lichtenſtein fpielte der Geliebten feine Lieber, mie be:
seits erwähnt, durch feine Bafe in bie Hände. Einmal
gab man ihr ein. Büchlein mit Liebeögefängen als em
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ic. 77
Abendgebetbuch. Sie, nahm das Büchlein ‚und -wöhnte,
daß ein, Gebet darin ſtuͤnde; fie fehauete ed an, ‚hier und
bost,runb fank eine füße Rede darin geſchrieben (Frauen⸗
dienſt S. 20). Doch fie ſchidte es zuruͤck mit ber. hinein—
geſchriebenen Bemerkung:
Wer wuͤnſcht, was er nicht foll, 43 2..
Der hat ſich ſelbſt verſaget wol.
Eine ſolche Liederſendung war freilich die beſte giebesver⸗ |
Eunderin, und müßte deſto tiefern Eindrud machen, wenn
ber fie uͤberbringende Diener gar im Stande war, bie
Lieder lieblich varzufingen, wie im Frauendienft S. 60
eine Stelle, vertont, bie. weiter unten ‚angeführt werben
wird.
Sur. ein ganz beſonderes Zachen der Frauengunſt. sale
ten im Mittelalter bie golbenen Zingerlein (Ringe)... Einen
Bing von. der Geliebteh zu erhalten, war eine ſehnlich ers
wünfßte Freude, ‚ und die Gabe felbft war ein kollliches
Cleinod. ” En la 2.0 . ’
: Geber’ hete ich von ir Tome '-
Niht, wan ein Eleines vingerlin,
Danne bas rich und ouch die Trone
Mit der fürften willen were min,
fingt Rudolf, von Rotenburg (1. .38). Solche Geſchenke
wurden nämlich als ein Wahrzeichen ber Liche angefehen,
heſonders wenn, ‚die Frauen dieſe Ringe ſelbſt getragen
hatten „Sie iſt euch hold," — heißt es in Ulrich von
Lichtenſteins FZrauendienſt (S. 124).. — „bad hat fie Euch
wohl erzeiget, daß fie- von se Pine weißen Hand, Ed
78 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
bad Fingerlein gefendet bat, bad u das Wahrzeichen
ihrer Liebe fein.’
Indeſſen mochte doch wohl Fehr viel dazu gehören,
ehe ein. verfländiged und ehrbares Mädchen einem Bewer⸗
ber fein Ringlein fehenkte, wenigflens fingt Neimar ber.
Alte (I. 72):
Menniger Twüre wol, der nu bie beſtat,
Sr hete allen ſinen willen mit den wiben.
Selaube er mir, das es fo lihte niht zeugat, .
Wil er bie, duͤ ſinne und ere hat! — -
Weis Got, gutes wibes vingerlin
Dac fol niht ſenſte nu z'ierwerbene fin.
Mütter gaben bisweilen ihren Soͤhnen und ſcheidende
Männer ihren Frauen beim Abfchied einen Ring zum Anz‘
denken, wie uns ber Lohengrien &. 181 in bem britten
Bersfage ein Beiſpiel davon erzäplt; doch gehören bie
Beifpiele, daß Männer an rauen? Ringe geſchenkt, ww
den feltenern.
Was die Tracht der Frauen betrifft, fo habe ich bavon
ſchon in ber Abtheilung von den Waffen und der Kleidung
der Ritterzeit gefprochen; nur dies wenige hier, daß ſie,
im haͤuslichen Leben und wenn ſie nicht geſchmuͤckt waren,
nur aus einem Rocke beſtand, der von oben bis zu den
Zen niederſloß, das leinene (bisweilen auch wohl ſeidene)
Hemde barg und mit einer Fuͤrſpange auf der Bruſt, mit
einem Guͤrtel um die Huͤften befeſtigt wurde.“ Darüber‘
trugen fle einen weiten Mantel. Der Kopf var frei, mit
‚ wallenden Locken, ‚oder auch mit einem” Rifen (einem
Schleiet) bedeckt, fo wit auch' oft "eigehfhämliche, aus
ſtarkem Zeuche gearbeitete Hauben vorkommen, oder die
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzett c. 79
Locken dedte auch der fchon früher bemerkte Kranz (Gchas
pel) und ein feidenes Gebdnde, damit
ihnen ihr fhöne® Haar
Berführten nicht die Winde
(heißt es in den Nibelungen B. 6631. 32). Die einfache
Fracht wich aber duch oftmals ber ‚größten Kleiderpracht,
an Feier⸗ und Feſt⸗Tagen und bei der Ankunft Hoher und
lieber Säfte, wie bie Nibelungen mehr als einmal uns
erzählen. Da wurden die koͤſtlichſten Gewande aus Laden
und Schreinen herdorgeſucht und alled angewendet, um
fih in größtem Schmud, in hoͤchſter Zier zu’ zeigen. Das
von wurden die noͤthigen Beifpiele fchon in jener fruͤhern
Abtheilung angeführt, bier ift nur noch zu bemerken, daß -
auch die Schminke ſchon in jener Zeit wohl oft nicht vers
fhmäpt ward, um zum Glanze der edlen Steine und der
koͤſtlichen Gewaͤnder auch ein blühended Sefi ht zu fügen;
benn es heißt in ben Nibelungen, als die Burgunden
zum Markgrafen Rüdiger nach Bechebaren kommen follen,
und fih alles zu ihrem Empfange auf das koſtbarſte
bereitet, lobend und die Schoͤnheit und gefunde Friſche
der dortigen Frauen noch mehr hervorhebend:
Gefaͤlſchter Frauenfarbe viel wenig man ba fand.
Nicht zw allen Zeiten war die Tracht der Frauen fo, daß
firenge Sittenrichter fie Biligten. Klagen’ darliber werben
in allen Jahrhunderten geführt, und wie um dad Jahr
4000 'ein alter Zeitblichers Schreiber, Viſcho Dithmaͤr
davon ſpricht, bemeifst-folgende. 5 Werkes (©.
225 ber Urfinus’fchen Ueberfegung)” Cr „aipmiaine Mehfir-
Chrifina öl seien hufne-Ben BEI An
/
80 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
ſaghvon.i ihr: „Bon den Übrigen rauen a —
Art una 2 Weile war fie ganz unterſchigzen "Eine wie die
trägt dad, wa chergen folte, gleichfam
feil, und zeigt es I Mi gjebhabern aufgebedt. So
fehr es vor Gott ein Tal, in vor der Melt eine
Algen geht, ben Frommen zum Spott, d
Nachahmung.“
Aus einer Stelle der Minnelieder des Ariſtan von
Horneck I. 46) ſcheint abzuleiten zu ſeyn, daß es zum
Prunk der Frauen gehoͤrte, in ihren Gemaͤchern, in glaͤ⸗
ſernem Kaͤficht, einen Sittig (Papagei) zu haben, der
durch ſein Geſchwaͤtz beluſtigte. Wer nicht ſeiner Frau
. ober Geliebten eine fo theure Beluſtigung gewinnen konnte,
der begnuͤgte fi wohl mit. einem Staare, ber ia auch
menſchliche Stimmen naczuahmen gelehrig iſt (Heinrich
v. Morunge I. 51. 52).
In ihren Gemaͤchern faßen bie Frauen auf Stuͤhlen,
die mit koͤſtlichen Madratzen uͤberhaͤngt waren, oder lagen
auf Ruhebettlein, die mit ſeidenen Deden i, toͤſtlichen Pol⸗
ſtern und Kiſſen belegt waren, worin mit Sol. Bilder
gewoben (Nibel. B. 1421):
Da ging fie mit ihn'n ‚beiden, ba fie eh’ ba fa$,
Auf Mabragen, bie viel reihen, td will wohl wiffen das,
Gewuͤrkt von guten Bilden, mit Wolde wohl erhaben.
6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeit x. 81
.. Die Betten und Lagerfidtten in vornehmen und reis
en Haͤuſern waren nicht minder koflbar, indem feidene
Deden, Hermelin und Zobelfele dazu genommen wurden,
und an Himmelbetten, die Vorhänge von arabifcher Seide
hatten, fehlte es auch nicht. Vgl. Nibel. B, 7331 und
die folgenden: „weiche Betten, lang und. breitz" — „viel
mancher Kolter ſpaͤhe (zierliche gefteppete Dede) und mans
des Beite « Dach von Arabifcher Seide;“ — „die Ded:
lafen. von Hermelin und von ſchwarzem Zobel.“ Das
prächtige. Schlafgemach ber Geliebten Ulrichs von Lichtens
flein werben wir, weiter unten kennen lernen.
Daß bei dem Empfange werther und vornehmer Säfte
bie Mutter des Hauſes und die erwachſenen Töchter dieſe
Fremden mit einem Kuffe begrüißten, habe ich ſchon in der
vorigen Abtheilung bemerkt. Ihre Reifen machten die
Frauen meift immer zu Pferde, da die Magen noch nicht
bequem und in fonderlichem Gebrauche waren. Sie ritten
dann gewöhnlich in Mänteln und auf ſchemmelartigen $rauens
fätteln, So heißt e8 in den Nibelungen. V. 2293 ff:
Heil wa da Lichtes Goides von den Mähren (Pferden) fein
(ſchien)!
Ihn'n leucht'te von den 3dumen viel mancher Edelſtein;
Die guldenen Schemmel (Sättel), ob lichtem pfele gut,
Die bradt’ man den Frauen.
Die Nitter hoben bie Frauen auf bie Pferde und von
benfelben, wobei fie fich bisweilen einer Art von kleinem
eifernen Schemmel bedieuten, der leicht mitzunehmen war,
und worauf die Frauen vom Sattel traten, damit fie kei⸗
nen zu großen Sprung gu machen, ober fich zu fchr den
Armen ber Ritter anzuvertrauen haften, Wenigſtens
6 |
82 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſcheint dahin bie Stelle in Ulrichs von Lichtenſtein Frauen⸗
dienft zu deuten zu feyn, wo ed (©. 17) lautet: „Man
hieß die Frauen von ben Pferden heben, ich nahm das
Hebeeifen und hob. manche klare raue ab.
Was, um eb hier beiläufig zu bemerfen, bie Vorna⸗
men der Frauen betrifft, fo ſtimmen fie hauptſaͤchlich noch
mit den unfern überein, da der Kalender mit feinen Heis
ligen immer die meiften Namen lieferte. Indeſſen finben
fi) auch viele wunderbare und lädherlihe Namen vor, bie
wohl meift aus Zufammenziehung und Verbrehung anderer
befannter Namen entflanden. Es wird daher bier wohl
nicht am unrechten Orte feyn, eine Stelle aus dem Mins
nefinger Graf Konrad von Kilchberg J. 14) anzuführen,
in der er eine Menge von Mädchen zu fröhlichen Reihen⸗
tänzen aufruft:
Bol uf Rofe, Gepe, Hiltegart,
Geri, Gute, trut an bie Bart,
Irdide, Anne, Ellin, Igelgart,
Neſe, Engel, Uebelhilt, Beate, Giſel, Ute,
Diemut, Wille, Göge, Irmellin,
Glare, Wunne, Ite, Minne, Tilge fin,
Hetze, Metze, Salme, Katrin,
Kriftin, Berte, Liebe, Adelgunt, Bite, Ute,
Mije ' Suffie, Elſe, Uedelſint,
Sydrat, Kunigunt, Pride,
Heilwig, Hilte N Luͤgge, Edellint, Herburg Kint,
Grete, Salvet, Elide, Hille, Zuge, Hemme, Fibe.
Gleiche und andere Namen ruft auch der Nithart (U
85) auf: Gerbrut, Chunze, Gepe, Giſel, Iüte, Hetze,
Mebe (auffallend ftehen beide auch bei dem Konrad von
Kilchberg zufammen), Bertha, priſel, „Heilwig, Fridrun,
Slömut, Wilwirk, Trute.
a eg
6. Abiheil. Die Frauen ber Ritterzeit gc. 89
Was die Verheirathung ber Ayngfrauen betrifft, fo
wurbe bei hohen und vornehmen Perfonen bie Vermählung
wohl durd Boten, Geſandte geworben, wie König Ekel
bie Spielleute Werbel und Swemmel (Abentheuer 20 ber
Nibelungen) an ben ‚Hof der Burgunden » Könige ſchickt
um ſich die ſchoͤne Chriemhilt als Gemablin zu erwerben,
Zu Zeiten geſchah aber auch wohl die Werbung muͤndlich
und augenblicklich, wie die ſchoͤne und liebliche Stelle in
den Nibelungen uns belehrt, als der junge Giſelher um
des Markgrafen Ruͤdiger Tochter wirbt (V. 6709). Nach⸗
dem Volker, der Spielmann, die Werbung begonnen,
Koͤnig Gernot ſie freudig anerkannt, und Hagen auch ſein
Wort dazu gegeben, willigen Ruͤdiger und ſeine Gemahlin
Gotelinde gerne ein, und die Morgengabe der Jungfrau
wird gleich beſtimmt:
Man beſchied der Jungfrau Burgen und auch Land.
Drauf erklaͤrt Ruͤdiger: I
Ich gebe zu meiner Tochter Silber und auch Gold,
So Hundert Saumroſſe immer nur mögen tragen. —
Da hieß man nun beide treten, nach ber Gewohnheit,
in einen Kreis, |
Und zu fragen man begann bie minniglide Maib,
Ob fie den Reden wollte? ein Theil war es ihre Leib,
‘Und dachte body zu nehmen den waiblichen Mann;
Sie ſchaͤmte ſich ber Frage, fo manche Magb hat gethan.
Ihr rieth ihr Water Rüd’ger, daß fie fpräde: ja,
Und daß fie ihn gerne nähme: viel baldig da war da
Mit feinen weißen Händen, ber fie umſchloe,
Giſelher der Edele.
Hier und ſo immer in gluͤcklichen Faͤllen, erfolgte die
Verlobung gleich auf die Werbung. Die Hochzeit wurde
\ 6*
34 8weiter Abſchnitt. Ritterleben.
dann fpäter, in Gegenwart aller Verwandfen und anderer
lieben Gaͤſte gefeiert. Am Hochzeitmorgen gingen Braut
und Bräutigam mit den Eltern, Verwandten und allen
Anweſenden zur Nirhe und wohnten der Meffe bei.
Dann zug man heim, die Verlobten wurden in den Saal
geführt, und die Anweſenden fchloffen um fie einen großen
Ring; man fragte die Braut, ob fie den Bräutigam zum
Ehemanne haben molle, und, war das Jawort erfolgt, fo
forach der Priefter oder Biſchof die feierliche, kirchliche
Weihe daruͤber. Die Zwifchenftunden füllte man mit Tio-
fliren unb Ritterfpielen aus, wobei die Frauen aus ben
Fenſtern zuſahen.“ Gegen Abend erfolgte dann das ge⸗
woͤhnliche Hochzeitsmahl, nach deſſen Endigung den Neu⸗
vermaͤhlten ind Brautgemad, geleuchtet wusser Am Mor⸗
gen nad ber Oqhr edenocht kamen fruͤh die Eltern, brach⸗
ten die Morgengabe und begaben ſich, ſobald die Glocken
riefen, abermals mit dem neuvermaͤhlten Paare und ben
Verwandten in die Kirche, um Meffe zu hören. Oft ging
auch dort bloß die junge Frau mit ihren Freundinnen hin.
ar dies vorlber, fo ward auch diefer Tag noch mit
Ritterſpiel und fröhlicher Mahlzeit hingebracht *).
Die Zartheit der "Empfindung, die uns aus fo vielen
Dichtungen des Mittelalterd entgegentritt und befonders
ald ein Eigentum der Frauen und der Sänger jener Zeit
anzunehmen ift, hat oft eine fehr bedeutende und firenge
Rohheit fich gegenüber ftehen, die wir mit den Geſinnun⸗
gen und Anfichten unſers Zeitalters nicht reimen koͤnnen
+) So weit die Auszůge aus des Herrn Dr. Kuniſch Aufſatz, un⸗
termiſcht mit meinen Zufägen.
6, Abtheil. Die Grauen ber Ritterzeit u. 85
und bloß in dem Beifte jener „Agit.etrachten guhffen:
Wie,in ber Gemuͤths⸗ und Sinnes Weit fi dieſe Freng
aung zwifchen Zartheit. und Strenge ober Derbheit, zeigte,
fo quch in dem Körperlihen, und jene, Zeit mag. daher
darin nicht weit von der unſern abgeſianden haben, daß
neben ben zart gebauten Frauen auch wieder viele Ebrpep
lich fehr Kart gebaute fi fanden; au. iſt wohl, erauns;
den Frauen ebenfalls. "überwiegend. war, "wie denn ı eine |
größere Leibes⸗ Kraft: ‚bei menfsblichen Geſchlechts ſich in
allem zu jenen Tagen zeigte. Bewejſe, daß die Frauen
damals groͤßer, ſtaͤrker, ritterhafter waren, liefern ung
manche altdeutfhe Gedichte und Erzählungen. Sp. er
fcheint Die ſchoͤne Frau in der Frauentreue, von ber, d
Eingang ſchon in der vorigen Abtheilung, bei Gelsgenhe ke
ber fahrenden Ritter „angeführt ward, und beren. Schluß
nur bier eine Stelle verlangt, indem ber mittlere Theil. ber
Geſchichte in eine andere Abtheilung gehört, von gar be:
beutenber Leibesſtaͤrke. Deun ald der Ritter ſich van der
ihrem Gatten Treuen verſchmaͤht fi eht ‚ da beſchließt ex
bad Aeufierfie zu wagen und ſteigt deshalb in ber, Nacht
durch das Fenſter in dag Schlatzimmer der Ban ‚unh
ihres Gatten. Als fie aud bier unmuthig feiner. viebes
klage widerſteht und er wie ein Bethoͤrter ſie umfaſſen
will, ba reißt eine alte Wunde, wieder auf und er inzt
im Augenblicke todt nieder. Die hoͤchſt teſturzte ‚Drau
‚wagt nicht ihren Mann zu werden 7 deſſen Verhacht ‚fie
fuͤrchtet, und daher entſchließt ſie ſich ſchneu und ‚trägt. dep
Leichnam bed Ritterß auf dem Wege auf welchen ber
4
u Biden Abſchnitt. Ritterleben.
Lebende zu ihr efonimen war, durch —2 bie Leis
tee nieder ımb Dinge in in fein benachbartes offenes
Haus und in fein Bemach, wo am andern Morgen ihn
die Knappen entfeeld finden. Neben dieſer gewiß micht
geringen Leibesſtaͤrke zeigt fi nun’ aber auch eine große
Heftigkeit des Gemüthes, wie man bei ſtarken Naturen -
zur Verwunderung oft findet. Denn als der todte Ritter
von feinen Kappen in die Kirche getragen worden, und
dort die Leiche ausgeſtellt war, fo ging auch des Buͤrgers
Srau bin, um für bie‘ Seele bes Verſtorbenen zu beten
und. zu opfern. Als fie nun feinen Leichnam fieht, da
Ibermannt fie das Gefühl, daß fie ja allein durch ihres
Herzens Härtigkeit an feinem Tode ſchuld fey, und indem
fie zu dem Verſtorbenen die Liebe gewinnt, welche fie für
. ben Lebenden nicht kannte, finkt fie tobt am Sarge nieber.
Einen adkgrn Beweis von ber Stärke und Kraft ber
Frauen giebt die Erzaͤhlung vom Frauenturnier, bie bereits
oben angeführt worden, nach welcher alle Frauen einer
Stadt am Rheine die Rüftungen ihrer abwefenden Männer
nahmen und gegen einander heftig Fämpften, wobei befons
ders eine Jungfrau ald Siegerin erfehien. Und wenn au)
die meiften dabei uͤbel zugerichtet wurden, fo zeigt es doch
fon von Muth und Eörperlicher Kraft, daß fie fo etwas
zu beginnen wagten.
Als ein drittes Beilpict gilt eine dritte noch unges
druckte altdeutſche Erzählung, der Port (bad iſt die Borte)
genannt; worin eine Frau von ihrem Manne, wegen
Verdachts der Untreue, verlaffen wird und ihm durch
bie Eande, als eih "Ritter gekleidet und ritterliche Kämpfe
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit u. 87
nicht vermeidend, een fih in ihnen auszeichnend, nach⸗
zieht, bis «8 ihr gelingt, ihren Mann aufzufinden und ihn
mit fich auf eine. ‚etwas onderbäre | Weiſe zu verſoͤhnen.
Wenn fi aber die Frauen anch "ih felbſt in ben
Kampf mifchten, wenn fie mehr, wie ihr Gefchlecht vers
Inigte, ſich in die. häuslichen Räume zuruͤckzogen, fo
geftaltete fich doch damals das Leben ganz anders, durch
bie allgemein herrfchende Vorliebe zu ben Ritterfämpfen
und duch dad überwiegende Gefühl ber Ehre, welches
ſowohl bei Männern, bie ‚für bie Frauen und um ihre
Liebe kaͤmpften, ald bei den Frauen, für welche und
zu deren Preis die Ritter Tämpften, herrfchte. Wir
finden daher eine ganz eigenthümliche Sitte, ein uns jest
ſelbſt vermerflich fcheinendes Streben in ber bamaligen Zeit,
daß die Ritter ſich eifrig bemühten, immer eine Frau der
Gedanken, bed Herzens zu haben, für welche gekaͤmpft
ward. Keinesweges war:diefe num immer ein Luftgebilde,
wie die fchöne Dulcinea in des Cervantes unuͤbertrefflichem
Don Quirxote, fondern meift eine wirkliche Perfon. Nicht
. allein ber unverheirathete Ritter hatte eine folche Geliebte,
für die ex kaͤmpfte, der ber. Preis feiner Siege ald Ruhm
gebuͤhrte, fonbern auch bie verheiratheten Ritter hatten
folche Frau ihres Herzens, wie fie biefelbe meift nannten,
und biefe war fogar oftmals auch verheiratet. Daß dieſe
Liebe nun nicht immer eine bloße Befchäftigung der Ein-
bildungskraft war, daß fie fich nicht immer anf einer dich⸗
terifchen Höhe erhielt, ſondern daß oftmals fehr menſch⸗
lihe Wuͤnſche dabei vorwalteten, das iſt nicht. zu bergen,
‚und. auch bei der wenigen Schwäche nicht anders zu
83 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben.-
erwarten und zu verlangen. Die alten Ritterbücher haben
‚uns davon fehr unterhaltende und fehr feltfame Erzählun:
gen aufbewaßet, bie wir nicht durch. alle Rittergeſchichten
‚verfolgen Eönnenz aber auch bier tritt wieder das Leben
des Ulrich von Lichtenflein in feinem Frauendienſte, als
der Wahrheit entſchoͤpft, ald beweifend ein. Daraus find
baher auch hier einige Stellen mzuführen, um fo mehr,
ba fie einen .lebenbigen und unterbaltenden Blick auf bie
ganze Zeit werfen. _
Bann Ulrih von Lichtenflein ſich verheirathete, ti
noch unbefannt; baß er aber vwerehelicht war, geht: aus
einzelnen Stellen jeined Frauendienſtes hervor, fo wie
euch, daß er feine Frau liebte, achtete und ihren Werth
erfannte; denn er fags einmal (©: 148):. ‚ich ritt nach
einem Drie, wo mir viel Gemaches gefchab,. zu meinem
lieben Gemahl, die mir nicht lieber fein konnte, wenn ich
„mir auch eim ander Weib zu meiner Frauen (das .heißt
‚Srau bed Herzens) erwahlt hatte Bei feinen erften
bloͤden Liebes⸗Abenteuern ſcheint er noch nicht verheirathet
geweſen zu ſeyn; aber als er den Zug als Koͤnigin Venus
durch die Lande machte, da wer er es ſchon. Wie Ulrich
von Lichtenſtein bereits in feiner. frühen Jugend einer
Srauen Diener warb, das. haben wir oben im Ju⸗
‚gendleben ausführlicher gefehen. Diefel war- beun nu
noch die Frau saller feiner Gchanfen, ald er ſchon Ritter
: war und im Lande umherzug, um Kampf und Lanzenren⸗
nen zur Ehre -feiner Geliebten zu ſuchen. Wie damals
feine Angelegenheiten des Herzens fanden, das etzaͤhlt er
‚uns felbft (S. 5)3 „meine Frau wer: fo bebiktet,. daß ich
6. Abtheil. Die: Ftauenidor Ritterzeit ic 89
ihr nic Kand than. konnte, def. fte:mir. lieber ſei, als mein
eigener Leib, ich konnte ſie nie ſehen, auch konnte ich
keinen Böten haben; dersihe recht ſagte, wie fo herzlieb
fie mir fei: „Darum wife Pe auch nicht, daß ich ihr dies
nen ‚wollte. Da ritt ich auf’ eine Burg, wo der Wirth
mid freundlich kmpfings ſein, Weib, meine. Niftel, kam
zu mir: ımb fprach.: ‚lieber Neffe, du ſollſt willkommen fein.
Sie ließ mich nieberfigen, wo und Niemand fah, worauf
:die Süte zu mir ſprach: daß ich dich fehe, daran. gefchieht
mir Liebe; nun fage. an, wie gehabſt⸗ du dich, ‚und biſt
du froh? Sie laͤchelte und ſprach: ich mus bein lachen,
und ſollte es wohl verſchweigen, aber ich war vor einigen
Tagen bei einer Frauen, und wir beide gedachten deiner;
fie ſprach? mir. iſt von ihm geſagt, daß er von Frauen
wohl ſproͤche, und daB er. einer Frau ſonderiich zu Dienſte
bereit: ſei, das iſt ritterlich gethan; ba ſprach ich: das hab’
ich auch nernommen, eine Frau ſei ihm lieber, als alle
Weib, wer ſie aber ſei, weiß ich nicht. Da bat ſie mich,
daß ich dich baͤte, bu ſollteſt mir die Fraue nennen, und
daß ich es ihr dann anzeigen möchte; darum, lieber Neffe,
nenne mis nun den Namen. deiner Frauen.“ Died vers
weigert Anfangs, Ulrich; als ihm aber feine Bafe Hülfe
und gegen andere Verfchwiegenheit verfpricht, entbedt er
ihr, daß es gerabe die ſei, mis der fie Über ihn gefpros
chen habe, und fie verheißt ihm, biefer Frau zu entbeden
daß er. ihr Ritter fenn wolle, und babei ihm in allem
immer hälfreich zu feyn, obgleich bie Frau, ber-:er. ſich au
ſtaͤtem Dienft verpflichtet habe, ihm wiel zu⸗hoch gehauen
*
[4
90 Aweiter Auſchnitt. Nitterleben.
ſey. Zugleich nimmt fie ein von ihm gedichtetes nenes
Lieb an feine Geliebte mit.
Nah 5 Wochen eilt er wieber zu feiner Bafe, aber
die giebt ihm wenig Troſt; fie Habe zwar jener Frau feine
Liebe entdeckt und ihr fein neues Lieb vorgelefen, aber
„da ſprach die Reine: die Lieb find wahrlich .gut, aber id)
will mich ihrer nicht annehmen, drum fchweige fill mit
deiner Rode; wenn bein Neffe ein bieberer Mann wird,
das goͤnne ich ihm mit Recht, denn er ift fonft mein
Knecht geweſen, aber folche Rede foll er laſſen, benn ich
will fie ihm nimmer gewähren, er fol die Dummheit
laſſen, denn ich werbe feinen Dienſt nie annehmen, es
‚wäre ihm, weiß Gott, zu viel" — „Wäre er aber auch
in aller WBürbigkeit ganz vollkommen (tie ich von ihm
doch noch nicht gehört babe), fo mäfte einem Weibe doch,
immer fein umgeflrge ſtehender Mimd Leib fein, benn er
ſteht ihm Abel, erlaub' es mir zu fagen, wie du fenk
wohl weißt.‘
So alfo mahnten die Frauen auch wieber immer zu
‚größerer Ausbildung an; benn ber Wunfch, ihre. Rilter
‚Immer in höherer Würbigkeit und Vollkommenheit zu fehen,
"trieb fie zu freundlicher Ermahnung und bie Bitter zu
tapfern und hohen Thaten. Was hier noch befonbers bie
- Rüge von Ulrichs übel geflaltetem Munde betrifft, fo hatte
er wahrſcheinlich, wad man eine Hafenfcharte nennt; benn
er ſelbſt fagt weiter Hin: „fiehl von den Lippen, beren
ich drei habe, will ich eine abfchneiden. Dies Verſpre⸗
chen leiftet er denn auch feiner Baſe, die ihn durch nichts
davon abwendig machen kann und die ihm dann, wenn
x
6. Abthell. Die Frauen der Ritterzeit wc. 91
er dieſe wichtige Veränderung feines Gefichtd glüdlich und
zur Vermehrung feines beffern Anfehens vollendet hat,
noch Unterflügung weiter bei feiner geliebten Rrau vers _
ſpricht.
Wir werden hier gleich ein großes Opfer in koͤrper⸗
lichen Leiden ſehen, welches ein Ritter fuͤr ſeine Geliebte
zu bringen ſich nicht weigerte; denn Alrich ritt bald nach
Graͤz' in Steierland und machte dem beſten Meiſter dort
ſeinen Willen kund. „Der ſprach: jetzt kann es nicht ge⸗
ſchehen (es war im Winter), vor dem Maien ſchneide ich
euch nicht, im Maien aber ſchwoͤre ich euch, euren Mund
alſo zu machen, daß ihr deſſen froh ſeid; denn ich bin des
Dinges ein ganzer Meiſter.“ Als er nun noch im Win⸗
ter umhergeritten und gegen den Mai auf dem Wege nach
Graͤz war, begegnete ihm zufaͤllig ein Knecht ſeiner Frau,
dem er ſeinen Entſchluß anzeigte und der es fuͤr ein gro⸗
ßes Wunder, „ja wahrlich ohne Sinn“ erklaͤrte, daß er
fih fo wagen und wohl gar todt liegen wolle, Aber Ulrich)
Laßt ſich durch nichts abwendig machen und nimmt ihn als
einen ihm erfreulichen Zeugen mit. Eines Montags Mors,
gend fing der Meifter an, ihn zu fchneiben, er wollte ihn
binder, Ulrich wollte es aber nicht, und der Meifler ſprach:
„ed Tann euch Schaden gefchehen; denn rührt ihr euch
nur um ein Haar, fo nehmt ihr Schaden.” Ulrich ſprach
Dagegen: „ich bin willig daher zu euch geritten, und wenn
ich auch tobt liegen follte, wie weh mir auch von euch
gefchieht, fo fol man mich doch nicht wanken ſehen.“
Gluͤcklich uͤberſteht er diefen Schnitt und beffen Heilung
und entläßt ‘ben anweſend gewefenen Knecht 'mit diefen
92°, Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Worten: „du ſollſt von. mis deiner Frauen nichts als
meins Dienfte jagen, ich darf ihr nicht mehr entbietenz
boch wenn bu fonft will, dann fage von mir: was hier
mein Leib erlitten bat, dad fei um ein Weib geſchehen,
bie gefprochen hat, mein Mund flünde mir nicht wohl;
was der an mir nicht behaget‘, bad wird aud von mir
gebaßt, und wenn fie fagte, meine rechte Hand gefiele
ihr nicht, fo ſchlüge ich fie ab, bei Gott! denn ich will
nichtö anders, ald was fie will.“ |
So that er ihr kund und doch auf eine verfchwiegene,
ife allein bekannte Weiſe, daß fie es fey, deren Wuͤnſche
und Befehle er befolgt hätte und immer zu erfüllen ge⸗
daͤchte, und ſechs Wochen lang dulbete er, während feiner
Heilung, die größten Schmerzen, bie größte Pein. Da
erbarmt fich denn auch die hohe Frau feiner, daß fie ihm
durch feine Baſe fagen läßt, fie würbe von ihrem jegigen
Aufenthalte an einen andern beflimmten Ort reiten, und
unterwegeö koͤnne er fie fehen, ja er koͤnne auf dem Wege
zu ihr reiten und mit ihr. reden, was er wolle, jeboch
nicht zu viel. Aber bier zeigt fich die Bloͤdigkeit bed noch
jugendlichen Gemuͤthes, daß er diefe Gelegenheit nicht er⸗
greift und benutzt, und er felbft erzäplt es recht anmuthig
fo; „da war ich froh. Ich ritt gleich nach der Werthen,
wo ih fie vor mir reiten ſah, mein Herze ſprach in
Freuden: nun hin, nun folft du mit ihr reden, alled was
dir gefällt, unbehütet reitet fie vor bir, nun fprih mit
ihr, was dich gut duͤnkt. Go ritt ich kuͤhnlich zu ihr hin;
als ſie mich bei ſich gewahr ward, kehrte ſie ſich von mir
um, ba. warb mein Sinn fo zaghaft,. baß mir die Junge
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛc. 93
alsbald perflummte. und mir das Haupt niederfant, alfo
war ich jegliches Wortes beraubt. Ein anderer Ritter
jagte zu ihr, da fah ih auf und blieb furchtfam und vers
zagt hinter ihnen. Da ſprach mein Herz wieder: nun,’
du verzagter Leib, du fürchteft eine fo gute Frau? Weiß
Gott, fie hätte dir nicht5 gethan, wenn du nur hätteft
fprechen können. Höre, Leib, wilft du mit Worten ver:
zagt fein, fo kann bir nie Liebe gefchehen, und ſcheideſt
du fo von ihr, fo wird fie dir nimmermehr hold, fondern
mus dich für einen Jagen halten. Wie mein Herz mid
fo beftrafte, ermannte ich, mich wieder und ritf zu ihr;
die reine Süße fah mid an und von ihrem Anſehn ers
fhrad mein Leib fo, daß ich wieder ſchweigen mufte, die
Kraft der Minne band mir meinen Mund zufanmen, ich
wufte wahrlich nicht, wo ich faß. Leib, ſprach nun wieder
mein Herz, unfelig müfjeft du fein, denn du bift ein böfer
Mann, da fie dich fo freundlich anfieht, haft du duch nicht
mit ihr, recht ald wÄreft du ein Wicht, gefprochen.
Sieh, mein Herz, wenn ich gegen fie was fprechen foll,
fo weiß ich night, wovon es gefchieht, daß ich Fein Wort
Tann fagen, der Mund wirb mir fo verfperrt, daß ich
Unfeliger Fein Wort herfür bringen kann. Leib, du ſollſt
mir glauben, daß du dir felbft groß Unheil fchaffeft, ich
and du erleiden Plagen und feine Stunde ift uns wohl;
aber wenn bein böfer Mund nicht mit Worten meinen
Willen tund thut, fo mus es dein Ende fein; fieh doc,
dad werthe Weib reitet vor dir, ganz allein und unbehüs
tet; wie bift du fo furchtfam, daß du nicht zu ihr reiteft
94 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
und ihr all deinen Sinn ſagſt? Nur hin, das iſt mein
Rath, weil du ſonſt die Gelegenheit verlierſt.“
„Nun ritt ich wieder zu ihr und fühlte, daß ich vor
Furcht bleihd war, meine Angft zu ſprechen war groß,
das. Herz fprang mir in meiner Bruft, es gelüflete ihm
fehr zu reden, es fagte: nun fprih! nun fprih! nun
fprih! da dich niemand hindert. Wohl zehnmal thät ich
ben Mund auf, zu ihr zu fprechen, ba lag aber die Zunge
nieber und wollte Fein Wort fagen, So ſchied ich wieder
von ihr wie erft, daß ich ihr fein Wort fagte, dad ge:
ſchah mir dieſes Tages wohl fünfmal. Die Zagereife
nahm ein Ende und die Reine, Süße, Gute kam, wo fie
in der Nacht fein follte, ba war mein Herz fehr traurig.
Man hieß die Frauen von den Pferden heben, ich nahm
das Hebeeifen und hob manche Mare raue ab. Die Fal⸗
ſches Freie hielt noch immer auf ihrem Pferde, und viel
Kitter und Knappen flanden um fie, mit denen fie ihr
Scherz und Spiel hatte; da ich mit bem Hebeeifen zu ihr
kam, fprad fie: ihr feid nicht ſtark genug, daß ihr mich
abheben möget, ihr feid zu krank und ſchwach. Des
Scherzes warb gelacht und fie trat auf das Hebeeiſen; als
fie aus dem Sattel flieg, ergriff fie mich bei meinem
Haar, und ohne daß ed jemand fah, brach die Gute mir
heimlich eine Locke auß: „ndas habt bafür, daß ihr ver:
zagt ſeid! Man hat mir von euch nicht wahr geſprochen.““
Sie ging darauf zu ihren Frauen und er in großer Ver:
zweiflung in fein Kaͤmmerlein, wo er bie ganze Nadıt in
Klagen und Bekuͤmmerniß zubringt, bis an den Morgen;
dann, während die Magb des Haufes ihn für Trank hält,
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 05
wirft er fih auf ein Pferd und jagt nach der Stelle hin,
wo er ſie am vorigen Tage verlaſſen.
„Als ich mich dem Orte naͤherte — etzaͤtt er weiter
— ſah ich, wie fie mir von dort in Frauen⸗Weiſe in
einem Mantel entgegenritt. Als fie mich fab, neigte fie
mir und nun ſchwieg ich auch nicht länger: Gnade, ſprach
ich, meine Fraue, ihr muͤſt mir gnaͤdig ſein, denn an
euch liegt alle meine Freude, ihr ſollt mir glauben, daß
ich euch ſeit meinen fruͤhſten Jahren gedient habe, als ich
euch zuerſt kennen lernte; laſt mich drum euren Ritter
ſein, und erlaubt mir, um eure Tugend, dieſen Dienſt;
denn nie kann ich jemals etwas ſo Edles gewinnen, als
euren ſuͤßen Leib: um euch will ich mein Leben wagen in
ritterlicher Arbeit und will euch als euer Ritter bis zu
meinem Tode dienen. — Schweiget, denn ihr ſeid ein
Kind und ſo hoher Dinge unverſtaͤndig, reitet gleich fort
von mir, ſo lieb euch meine Huld iſt. — Wohl habt ihr
Recht, meine liebe Fraue, daß ich noch zu dumm bin,
um ganz auszuſprechen, was mein Sinn meint, ſonſt bin
ich weiſe genug, um in eurem Dienſt den Preis eines
Ritters zu gewinnen. — Fahrt jetzt von mir, das iſt
mein Rath, wenn ihr noch Sinn habt; laßt euer Fluͤſtern,
denn ihr wißt wohl, daß man mein huͤtet; hat jemand
eure Rede gehoͤrt, ſo mag es euch zu Schaden kommen:
Laßt mich! wahrlich ihre ſeid cin verdrießliher Mann. —
Indem fah die Gute fih um und ſprach zu einem Kitter:
reitet doch her zu mir, denn es ziemt ſich nicht, daß nur
ein einiger Ritter neben mir reite, fehet, daß das nicht
wieber gefchehe! Sch ſprach: fie hat Recht, denn es iſt
6 “ Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
eine Unhuübſchheit, daß ihr fie felbander reiten laſt, heißt
mehr herfommen. Indem kamen ihrer ſechs herzu, die
nach Nitterfitte mit ihr ritten. Ich nahm Urlaub und
war von Herzen froh, daß ich meiner Frauen nun doch
einen Theil meiner Gedanken gefagt hatte.‘
So lehrt und nun biefe Erzählung Zucht, Anftand
und Sitte ber damaligen Zeit kennen, und das Einzelne
ift, wenn auch nicht für die ganze Zeit und alle Erfcheis
. nungen, doch für dad Meiſte und für einen weiten Kreis
als bezeichnend anzunehmen, um fo mehr, ba das hier
Mitgetheilte uns mitten in die Handlung felbft verfest. —
Um nun die Neigung feiner Geliebten zu erwerben, zog
Ulrich im Lande umher und ſuchte Turniere, wo fie nur
immer zu finden waren; dort Fämpfte er immer zur Ehre
feiner Geliebten, aber diefe ward noch nicht gerührt, und
als feine Bafe ihn ihr wieder rühmte, da fagte fie: „du
Iobeft mir fehr deinen Neffen, dad mag wohl von wegen
der Sippe (Verwandtſchaft) fein, die Fremden loben ihn
aber nicht, darum kann bein Lob nicht gelten, und lobeft
du ihn gar zu hoch, fo mus ich e& für Thorheit achten.”
Als Ulrich dies vernahm, da fchämte er ſich der Botfchaft
und dachte: „fie mus mir wegen Ritterthat noch hohes
Lob fprechen, ober Leib, Gut, Sinne und Leben wird
verloren;“ und er fuhr weit in die Land, wo jemand nur
KRitterfchaft übte zu Schimpf (Scherz) oder zu Ernft, und
verzehrte fein Gut und wagte willig feinen Leib. Unb gar
fhlimm ging es ihm bei einem Zurnier zu Briren, wo,
nahdem am ganzen Zage gekämpft worben war, ihn
noch Herr Ulſchalch von Bogen aufforderte, um feine Frau
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit c 97. ö
dr Gpeer mit ihm: zu. verflechen. - Dies: gefchieht, aber
dahei ſticht ihm. fein Gegrer einen Finger. aus der Hand.
‚Mierühel- es ihm dabei durch feinen erfien Wundarzg ging;
habte⸗ ich, ſchon in dem Abſchnitt von den Turnieren und
Lanzenrennen angeftihrt; endlich wurde ihm der Finger
von einem andern Meiſter, obgleich ſteif, doch völlig ges
heilt. MDa ſchickt ihm feine geliebte Frau, als ein erftes
Heichen ihrer Huld, eisen. Hund, und er verfihert,- nie
ein Ichäneres Dünblein.:gefeben. zu haben. .
::. Da.aber feine Waſe nieht mehr die Botfchaften as
feing -Brau werben, will, fo fehlt ihm ein Abgefandter, bis
er endlich. einen Boten in einem getreuen Knecht enthedt.
Den ſchidt er ihr und befiehlt ihm: „Tage ihr, daß fie
mir lieb ift vor allen Dingen, daB meine Treue unwan⸗
beibar amd daß ich vor kurzem um fie. einen Zinger vers -
loren habe, der ihr zu Dienſt geboren war, ber iſt von
einer Zioft hinweg; aber Verluft und Gewinn will ic) für
fie immer mit Freude und mit Klage tragen; bitte fie,
daß fie. mich laffe ihren. Kitter fein, und bitte fie um ihre
große Wuͤrdigkeit, daß -:fie mir burch Dich ‚etwas entbiete,
wovon mein Herz getröflet werde. Bringe ihr auch biefe
Lied und gieb fie. ihr züchtiglich, und. fage ihr, daß ich
ihrer au feinem Zage vergaß; fie liegt allezeit in meinem
treuen, Herzen gefangen, nimmermehr fommt fie daraus, und
Bett gebe, baß es mir wohl ergeh’!" — Da warb aber
die Herrin ber Botfchaft erzuͤrnt und fprach zu dem Knecht:
An fage ihm von mir, höffcher Knabe, daß er die Rede
gegen mich laſſe, denn fie gefaͤllt mir nicht; er fol feinen
Muth.dahin wenden, wo es ihm gegiemt; ich will alfe
7
98 Zweitet Abſchnitt. Ritterleb en.
alt werden, daß mir das nimmer befannt wird, was fie
heimliche Minne heißen; auch habe ich ihm das ſchon feibik
gefagt, daß mir nitht gefällt, was er fo dummlich ass
mid begehrt; ex müht ſich umfonfl, denn bie Duninsheit
wird nie gefdjehen, daß ich feinen Dienſt anneme und
meine Ehre kraͤnle“ Go und mit andern Vorwürfen und
Abmahnungen ontläßt fie ben Knecht, und als biefer nad
längerer Zeit mit neuen Liebern. und neuer Liebesbewer⸗
bung. feines Herrn kommt, ſtraft fie ihm wieder mit Wors
ten und wirft ihm und befonders feinen Herrn Eigen vor,
da biefer ja noch ben Singer habe, beffen Verluſtes, zu
ihrer Shre, im Turniere er fi) ruͤhme. Der Knecht giebt
zu, daß Ulrich den. Singer noch wm feiner Hanb habe,
aber er könne ihn nicht brauchen, „er fei ganz erfrummt,‘
und Wirich Einne mit ihm nur in hoͤchſter Beſchwer ein
Speer erheben. Gie darauf: fie goͤnne ihm wohl feinen
Binger, nur ſolle er ihr nichts vrlügen.
Der Bote befleßt, was fie ihm gefagt. Da dachte
Ukich: „will mir meine Frau um meinen Zinger gehaß
fein, dem kann wohl Rath werden, da er mir doch etwas
gerummt iſt, ich fehlage ihn ab und fende ihn ihr, fo
müßt’ fie e8 doch wohl glauben, daß er verloren fei, wenn
fie ihn felbft fieht.” Darauf verlangt er von einem
Freunde, er folle ihm den Finger abſchlagen, der aber erft
nicht daran will und ſich weigert; enblid aber boch, einen
Beweis bietend, wie hoch und Heilig, auch im Ritterthum,
wicht bloß in der Heidenzeit, noch Freundſchaften gehalten
wurden, antwortet er ihm: „ich th alles, wa ihr weis,
denn ich babe euch mir zum Freunde erwaͤhlt und bin ud
6. Abthel. Die Brauen der Mretergeit u. M
mit Dienften unterthan. u" — Da nahm ich fein Meſſer
— fügt Alrich — und fahl’ es anf meinen Finger unb
ſprach: „„nun ſchlage zu, biederer Mann!uEr ſchlug
und der Finger ſprang abz die Wunde blutete kraͤftig.⸗
Drauf dichtet Ulrich ein Buͤchlein, laͤßt es m einen grags
grünen Sammt binden „und von einem Goldſchmidte zwei
goldene Brettlein wirken; darin band man das Büchel, und
was die Sperre ſollte fein, "das waren zwei Beine Haͤube,
gar loͤblich gemacht, und’ darein machten: wir ben Finger.“
Ste empfing Büchlein und Finger, ausrufend: „O weh,
das iſt eine größe Geſchicht! die Dummheit hätt’ ich ihm
nicht zugetraut, daß je ein verfländiger Menſch fo etwas
thun würde“ : Sie entbietet ihm darauf: er folle fortan
der Frauen noch beffer dienen, als er biäher gethan; ben
Finger wolle fie zwar in ihrer Lade behalten, "aber er folle
nicht darum glauben, daß fein Dienft gegen fie je um ein
Haar ‚helfen folle. Ulrich, ſchon erfreut daruͤber, daß. fie
den Finger behalten, beginnt barauf den Zug als Königih
Frau Venus durch die Sande, den wir in der vorigen Ab:
theilung, bei ben Ritterzuͤgen, Eennen gelernt haben, auf
dem er ſich fo muthig halt und den er ihr zum vorans
ankindigen läßt, damit fie allein weiß, daß zu ihrer Ehre
von ihm diefe Waffenthat unternommen werde. (Daß zu
jener geit Ulrich verheitathet war, werben wir weiter
unten fehen.) Und auf biefer Reiſe und bei diefem Kampf
zuge erhielt denn auch‘ Ulrich ein Beichen ber Neigump ;
denn eines Tages. kommt fein Bote gar freudenreich zu
ihm md ſpricht: „Euch giebt Willkominen eures Herzens
Maienſchein, die hieß: euch minniglidy gräßen und ſpricht,
— 7*8 —
nm —— u Eee —
%
4
’
*
400 . Benelter Abſchnitt. Rit terteben.
fie ſei herzlich ſrok, wenn ihr fuenbepreich fein; fie ent⸗
\ bietet 9 hog ſie bohes Gemite dued eure: Wuͤrdigkeit
zum —* *2 euch Ehre gefieht, bean ihr habe
am fie dieſe Fahrt gethan. Ste hat dies (Bingerkein. euch
zur Liebe, hergefandt, das hat fie. mehr als zchen Jahr
an. ihrer weißen Hand getragen.!' „Da ich das Fingerlein
empfing, kniete ich. auf meine, Anie,- nieder und kuͤßte es
wohl kunpertmgl, womit id) ihm meine Liebe, Eynd. that;
ich, ſprach: o wohl mir! dies „Heine Zingerlein. fol ‚mir
immer hohen Muth.geben und. gegen, alled Irauern gut
fein, fo Iange ich lebe: o wohl mix ber wonnenollen Gabe.
meinem ‚Herzen mus dieß Beine Fingerlein lieb fein . ich
liebe es mehr, ald: alles, was ich habe. oder nur gewinnen
ann: o wohl mir, daß ich je: gehoren ward, und daß ich
‚fie zuf Fran erkoren habe, das FAN, füge, ſelige Weih.
‚immer, dienen kaun, bas hat fi e mir ſo wohl befohnts
kein. Mann trägt fo hohes Lob, ihm ‚wäre, die Wuͤrdigkeit
genugy bie mir ‚heute geſchehn iſt.“ Drauf fchidt ex ben
Boten wieber. zu jhr mit Dank und. ber Bitte, . ihm ein
Kleinod zu fenden,. das er bei. dem nacfolgenben Turnier
tragen könne. BEER
Aber mit gar unbeimlicher. und, Mauriger Rageigt
kehrt der Bote zu ihm zurüd, und voll ber Betribniß
bringt er Ulrich beinahe zur Verzweiflung. Er ſagt ihm:
„Eure Frau hat euch entboten, daß fie euch immer „Das
trüge und nimmer hold würbe, wegen eurer Untreu; fie
- will euch in kurzem ein Herzleid zufügen, ihr Gingerlein
6. Abtheil. Die Frauen’ der Ritterzeit ꝛc. 101
will ſie nmer beklagen, das fie euch gefahdt bat, fie zuͤrnt,
daß!ihr "an eurer ‘Sand tragt, 'fie bat mir "fleißig an⸗
befohlen, daß ich: es ihr’ zuruͤkbringen follz ſie ſei euch
deswegen gehaß; weit fie fuͤt wahr vernommen habe, daß
ihr einer andern Frauen mit Dienſt bereit feld; fie iſt fo
ungemut, wie ich es an Frauen niemals ſahz! fie ſprach'
fo heftig gegen mich, baß ich Lieber bas: ‚Sand raͤumen
wollte, “ehe ich noch erfimal zu ihr ritte:“
Hierüber beipt Hm Ulrich im die größten Klagen
aub,“dah er den Doinvogt vun Wien, bir ihn während
feiner erflen Verzweiflung beſucht, ‘fo mi ſich fortzeißt;
daß auch der mit ihm zu weinen und Hagen beginnt, une
geachtet (wie Ulrich felbſt fagt) „es wunderlich war, De
er gar nicht wußte, wartım: ich wehite.U : Durch diefe eins
ſtimmenden Klagen feines Freundes wird Ultich nun noch zu
größerem ‚Wehe. vermocht; bis endlich fein "Schwager,
Heinrich von Wafferberg ; zur Thuͤre Lintritt und dieſem
thörichten Yammer- Bäder mit folgenden! gerechten und
ſtrengen Worten ein Ende macht: „Wer hat euch beiden
wa3 ‚gethan? Das iſt ſchwach, daß Ritter tlagen; ihr weint
ja wie:bie’ armen unb verwaiſten Kind, und wie kranke,
blöde Weiber! Sollen‘ Ritter” alfo weinen? Rein, ir
mögf "euch beide deffen fhametd >.
Die Heftigkeit der Empfindung und bie neßchtloſe
Darlegung des Schmerzes, bie und ſchon äus diefem' Ber
nehmen, entgegentreten, werden durch eine ‚gleich batauf
folgende Erzählung noch überboten ,- in-Ver fich aber’ auch
wieder die Heftigkeit der Gefühle zeigt und.nie/Spannung;
in welcher die Gemifther jeher Zeit Fich'*befanbeit. : Sie
102° 3weiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſcheint mir daher hier eine Stelle zu verdienen, venn fie
auch und unglaublich, wenigfiens zu übertrieben. erfcheis
nen muß. Indem nämlich Heinrich von Wafferberg mit
den vorigen und andern Morten feinen Schwager ſtraft
und firenge zu einem mannhaften, nicht weibifchen Weſen,
das ihm, nach Erlangung fo wieler Ehre, gar nicht ges
zieme, ermahnt, da bricht dem Ulrih bad Blut aus. dem
Munde und der Nafe. Drauf ſprach Heinrich von Waſ⸗
ferberg: „viel ſuͤßer Gott, ſei gedankt, daß bu mich. vor
meinem Tode ben Mann haft fehen laffen, von dem id)
mit Wahrheit fprehen mag, baß er ein Weib fo recht
ohne Wanken liebt.“ Da kniete ex auf feine beiden Knie
unb hob feine beiden Hände in bie Höhe und ſprach recht
aus. dem Herzen: „o wohl mir, baß ich das erfab; wohl
mir, baß ich das wiflen fol! des will ich immer froh fein,
- fo lange ich lebe.“ Darauf ermahnt er ihn, ed werde
gewiß nur. eine Probe fein, bie feine Frau mit ihm ans
fiellen. wolle; er Tolle nun um fo mehr ſich vor jeder. Uns
treue hüten, und: gutes Muthes ſeyn, benn fie werbe ihn
nun gewiß erhoͤren. Nunmehr teöftet fi Ulrich und ents
fendet. auch feinen Boten wieder om fie. Auch feine. Frau
beat fich. inbeffen in ihrem Sinne gewanbet; fie empfängt
den Boten wieder freundlich, und ald er ihr bad Leiden
feines Herrn erzaͤhlt, fagt fie ihm, fie wiſſe alles, denn
ipr heimlicher Bote. habe die drei Maͤnner bei den Klagen,
bie ich eben erzählte, belaufcht; aber- nie würde er doch
das gewinnen, was er wünfche, benn das würbe fie nie
einem Manne gewaͤhren.
Und nun Be uns Ulrich ‚eine Vegehenhen aus
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ıc. 18
feinem Leben, wie fie und. manches Ritterbuch verkuͤndigt,
wie Liebe zu Liebe heimlich gelommen ift, und wie verbars
gene Liebe gar oft ein. fpdttliches Ende genommen. Klar
wird und daraus, daß die Rittergebichte, welche freie Era
findungen find, immer ihre Zeit fo wie das Leben ihrer
Beitgenofien ſchilderten, und daß jene oft darin vorfommens
‚ben ergöglichen Schwaͤnke aus dem Leben gegriffen find,
Bas fo zur Erklärung der Ritterbuͤcher gereicht, beförbert
nod mehr die Kenntwiß den Sitte. jener Zeit; und um
biefe genauer. kennen zu lernen, iſt die Erzählung diefes
luſtig⸗ traurigen: Abentewerd bier wohl an ihrer. Stelle.
Nach mehren Geſpraͤchen und nachdem fie die Lieber,
weiche der Ritter in erfreulichem Minnegefange ihr gefuns
gen, gelefen hat, fagt fie zum Boten: „Nun reite zu
beinem. Herrn und fage ihm, daß ich ihn gerne fehe, und
wenn es fein mögte, fo ſoll er ſich und mich fo bewah⸗
ren, daß ex auf ber Hin⸗ und Herreife nicht vermelbet
werbe: fage ihm meinen Rath, daß er als Ausfägiger ann
fommen, Sonntags Morgens fruͤh mit ben Ausſaͤtzigen;
thut mir mit Klopfen eure Ankunft Fund, fo fende ich
euch meinen Boten, unb was ber fagt, bad thut heimlich.
Er ſoll aber darauf- nichtmehr
wolle yeais-tegen; daß ich ihn gerne ſehe Jonere nicht
fo deuten, baß ich ihn hie minnen wolle; ich erlaube es
ihm nur darum, weil du fprich, er babe mir fo Jange
gebient, ich will ihn ‚bie freundlich bitten, baß er mid)
Dienftes frei laſſe.“ |
Froh fucht der Bote feinen Riter auf, der zwar von
feiner Geliebten fehr entfernt gezogen ift, aber doch
104 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben.
alles Moͤgliche anwendet, um die vietzig Meilen, durch
die er von ihr getrennt ſich befindet, in nicht viel mehr
als 14 Tage zu vollenden. De nun die ganze fernere
Erzählung wieder einen bedeutenden Blick auf das Leben
des Mittelalters eroͤffnet, indem wir hier abermals ſehen,
wie fo vieles, was uns bie alten Gebichte erzaͤhlen, nichts
als das Leben der damaligen Zeit, wie ſchon bemerkt, iſt,
und fo mandyes Dunfle in einzelnen. Sebichten fo feine
Aufklärung erhält, möge auch. bier wieder Ulrich ſelbſt
redend eintreten:
„Samstages fruͤh hub ich mich auf meine Fahrt ſelb
dritte, Niemand wußte, wohin ich fuhr; am Samstage
ritt ich 36 Meilen, und von meiner großen Tageweide
und Eile ward ich {ehe muͤde, zwei meiner Pferde lagen
mir auf der Straße tobt. Die Nacht war ich in einer
Stadt, wo ich mir Zöpfe bereiten ließ, wie fie bie Aus:
fägigen haben, und ſchwache Kleid, die legte ich am Mor⸗
gen an, und dergleichen auch mein Bote, lange Meſſer
nahmen wir zu uns, wenn unſer Leib in Gefahr kommen
ſoilte. Sonntags Morgens ritt ich von dannen, 2 Meis
len, ſo ſchwaͤchlich gekleidet, dann ließ ich wo die Pferde
verborgen ſtehen, und ich und mein Bote gingen 2 Mei⸗
len fuͤr eine wunnigliche Burg, worauf die Tugendreiche
mit Hauſe ſaß (wohnte). Vor der Burg fand ich viel
armer Leute, es ſaßen ba wohl dreißig Ausſaͤtzige, denen
ihr Siechthum wehe that. Ich muſte zu ihnen ſitzen, was
ich lieber nicht gethan hätte, aber mein Befelle weiſ'te
mich hin, ald wenn ich auch unkräftig waͤre. Die Siechen
grüßten und und ich faß im Grafe zu ihmen nieber. Da
6. Abtheii. Die Srauen der Kittergeit ıc. %05
fragten fie- alle: ‘von wannen wir hergekommen ‚wären?
Die Trage that mir leid, ich ſprach: wir find zween
Gäfte und find. noch nie hie geweſen, unfte ‚Armut rieth
und hieher, ob und jemand webl hie Gutes. thaͤte. Sie
fprachen: ihr feib recht hieher gekommen; wir wiſſen nicht,
ob ihr gehört habt, daß bie Haußfran jetzt ſiech hier. liegt,
davon giebt man uns hie oft Pfennige und Speife genug,
. eine Jungfrau .bfingt und immer Brod und Wein und
wüßte man, daß ihr bie wigtz man.gäbe euch nude etwas;
ihr mögt. wohl: anklopfen und. nach: armer Raute Art bitten,
fo bringt man euch Wein und, Vrod, und wenn mar. euch
beut’ Feine Pfennige giebt, ſo gefchieht es morgen.’
„Da ging ich von den Siechen gegen ein Fenfter,
wofür ein guter Teppich gehängt war, wie man wohl
öft vor ein Fenſter thut, wenn man den. Wind abhalten
will, oder dad Sicht; da nahm ich meinen Napf und
klopfte ſehr laut an, zugleich.bat ich viel jaͤmmerlich, daß
man mir Brod geben möchte, weil mir ber Hunger. weh.
thäte. Da fah eine. Sungfrau aus dem Fenſter her, und
ba fie und zween abgefondert von den andern, ſtehen ſah,
that fie das Fenſter wieber zu und ging zu ihrer rauen
bin und fagte, daß wir da möreh.... Da, ging die Sungs
frau aus dem Thor, fie gab den Siechen allen; jeglichen
einen Pfennigz ald fie zu uns kam, ſprach die Süße:
fagt an, - wann feib ihre hergefommen, ich fah- euch doch
bier noch nicht. Ich ſprach mit verkehrter Stimme, baß
wir von Ungemach, Siehthum und Armut Kummer listen;
„wer uns und Gott Gutes thut, wirkt fein ewiges Heil“
Sie ging und näher und fprach: „ihr ſollt mich. willen
⸗
106 Zweiter Abſchnitt. Ritkderleben.
laſſen, wer ihr ſeid, ich darf bei euch nicht laͤnger ſein;
ſeid ihr um meine Frau gekommen, fo ſagt es mir ſchnell.“
Ulrich antwortet ihr darauf: „ihre Brau habe ihm geheißen,
berzulommen, und er fei der, welcher ihr immer bis am
feinen Zed bienen woße.” Die Jungfrau geht darauf in
die Burg zurüd, meldet feine Ankunft und kommt berauf
mit Bein und Speife genug zuruͤck, bie eine anbere Jungs
frau ihr tragen hilft, weiche ihm ben Grus feiner Frau
und die BWelfung bringt, den Berg zu verlaffen und gegen
Abend erft ajgrlich wieber zu fommen. Da ißt er mit
den Stechen zufammen, obgleich ihn vor ihrer Krankheit
und Unreinlichkeit geaufete, und es hätte gewis nicht —
fagt er — mit ihnen gegefien, wenn er nicht bie ‚Ehre
feiner Frau Hätte huͤten muͤſſen. Damit bie Siechen ihm
nicht erfennen follten, hatte er fi mit Wurzen (Wurzeln)
auch ein krankes Ungehen gegeben; benn er kannte „eine
Wurz, nimmt man bie in den Mund, fo fchwilt man
umb- bekommt bleiche Farbe.“ Er geht barauf vom Berge
in dad Dorf und bettelt darin umher, bis bie Sonne uns
terging, dad gefammelte Geld legte er aber an ber Straße
in einer Zeile (Reihe) bin und wußt’ er nicht, wer es
etwa gefunden. Als ed Abend geworden, ging er wieder
anf ben Berg, wo bie Kranken bereitö waren,-um abers
mals gefpeifet zu. werden, Da fngte ihm die Magb: ihre
Frau Pönne ihn heute nicht. fehen, er folle morgen zur
Eſſenszeit wiederkehren, vor morgen Nacht koͤnne fie ihn
nicht fprechen. So wanderte ex wieber traurig vom Berge
ab und nahm bie Herberge nicht an, bie ihm einer ber
Siechen anbot, fonbern verbarg fich mit feinem Gefährten
6. Abthell. Die Frauen dee Ritterzeit w. 107
- fern von ber Burg im hoben Korn, Da gewann er aber
eine ſehr böfe Nachtz denn als es finfler warb, erhub ſich
ein großer Wind und ungefüge gos der Regen, Er litt groß
Ungemach; ein elenber Mod und fchlechtes Maͤntelein waren
fein Dach gegen den Regen und er farb faſt vor Froſt.
Herzlich froh war er, als er den Schein bes Tages erfahz,
ba Jief er fo lange herum, bis er warm warb. Als bie
Sonne hoch ſtand, ging er wieder vor die Burg und bat
mit Klopfen, daß man ihm etwas gäbe. Er erhielt etwas
und zugleich die. Anweifung: in ber Nacht wolle ihn feine
Frau fehen. Als er gegen Abend wieber erfchien, fagte
ihm bie Magb: fobald ſich Tag und Nacht fcheiden würden,
folle er wieber kommen und ſich gut in dem Graben vers
bergen. Sobald man aus dem hohen Fenſter, welches fie
ihm zeigte, -ein Licht hinaushalte, muͤſſe er nicht Iänger
fänmen, fondern ſchnell daher Eommen, ba ‘finde ex Leila⸗
chen zufammen gebunden, womit man ihn hinauf zichen
würde.
„Als es finfler war — erzählt nun Ulrich ſelbſt —
eilte ich in den Graben und vermauerte mid; da mit Stei⸗
nen, baß mich niemand fehen Eonnte; alfo that aud mein
Gefele und wir lagen beide fehr ſtill. Als wir fo verbors
gen waren, ging ber. Dausfchaffer felb ficbent um bie
Burg hin und per, er nahin fieifig wahr, ab jemand.
irgend wo verborgen fei. Dann ging er in bie Burg und
ich ſah bas Licht aus dem Zenfler; ſogleich zog ih mein
' Obergewand ab, das ich ald ein Siecher trug, und vers
barg es; ich fchlich unter bad Zenfier, wo ich hie Leilachen
bangenb fand, bareim trat ich willig, mein gefuͤger Gefelle
108 Zweiter Abfchnitt Ritterleben.
ſchob naqht, ünb zarte Händlein zogen mich etwas empor.
Da ich To hoch war, daß mein gettener Geſelle mir nicht
“mehr helfen konnte, da mochten ſie mich nicht weiter brin⸗
gen! und ſie ließen mich ſchnell wieder nieder; don neuem
verſuchten fie es, aber fie mrürften mich immer wieder nieder⸗
laſſen, und das heſhah dreimal.“ Da wird Ulrich endlich
ungemut unb'befiehlt feinem Gefährten, ber leichter als
er, in 'die Lalen zu freten, und biefer wird nun fchnell
emporgezogen ind oben mit einem Kuffe von Ulrichs
Nichte, bie ihn fir Ulrich nimmt, empfangen. Drauf
half num ber Geſelle den Frauen, und da war Ulrich alds
bald oben.: Dort ward er. in eine Sudenie (d. if ein
weites oder Mantel: Gewanb) "bon ;Seive ımb Bold ges
huͤllt und dann zu feiner Frau geführt, die in ihrem Ges
mach, umflanden von acht gut gefleiveten Frauen, faß,
mit bedeutender Pracht umgeben. - Er Tniete vor ihr nieder
imb fie empfing ihn guͤtlich; aber in dem fich entfpinnens
ben Geſpraͤch verſicherte ſie auch zugleich, daß ſie nie
ihrem Gemahk ˖ untreu werden und ihm nie irgend etwas
gewähren wuͤrde, was ihrer Ehre nicht gezieme. Er ver
traut dber auf fein gutes Glüd, daß ihm wohl mehr ge
währt werdet koͤnne, und deutet feine Wunſche Elar an,
worauf fie ihm zornig zu ſchweigen gebietet, wenn er
nicht ganz ihre Huld verlieren "wolle. Beſtuͤrzt klagt er
feiner Baſe heimlich ſeine Noth; doch dieſe troͤſtet ihn,
nur mit Ruhe die Entſchließung "feiner Herrin abzuwarten.
Dieſe führt: ihn darauf in ein anderes Zimmer, worin ſie
ſpeiſen und Wrich feine ungeziemlide Bitte won neuem
wiederholt. Abermals droht fie ihm heftig, und der Areſt
.
8. Withell. Die Fraurn de eR““t⸗z eit ꝛc. 400
ſeiner Baſe will michts bei ähm aneichen ,:olgmahnmegfichert
er: daß er nicht pon: dannen weichen wuͤrde, fie habe denn
feine Wuͤnſche erfuͤllt. Wohl⸗ ſey ihn. bekannt „rend ihm
bevorſtehe, wenn er. bis: zum Morgenlicht bliehnnghernex
wuͤrde doch wicht: wejchen, denn dann, wenn. ‚ey, entdeckt
wuͤrde, habe fie ja auch ihre, (Ehre Lerlopenenn Ms: hinter⸗
bringt die ⸗Vaſe ihrer Frau, welche Ihe amamertat; ihr
Neffe ſolle vernünftig ſeyn and ſolle auchoi hir Willen
genuͤgen; denn, je mehr an. ihren Willen arfuhgsuie eher
werde ſie auch dem feinen: figprergebens ‚ahee. alle Srdan-
ten on, Biwalt, falle er fahren: laſſen. hue ex. guͤtlich,
was fie ihm.heiße, ſo wale: fie „ihn: minniglich grüßen,
wie .ein guted Weib ihren Tieben Mann!!. -Des-; hinter
bringt bie Baſe on Ulrich, und bie hohe. Bray..trift, zum
Geſpraͤche ſelbſt, ‚fraft ihn, daB er ſo boͤsliche Gedanken
hege, daß er ihre Ehre durch ſein Bleiben bis zu Tage
verderben wolle. „Aretet wieder — Yagt. ſie — in das
Leilachey, ſo laſſe ih euch ein wenig mieder. und ziehe
dann, euch wisber ber und grüße euch minniglich; wenn
dp euch fo empfangen habe, fu him ich euch ganz unter⸗
than, was ‚ihr, mit mir beginnen wollt, denn ich habe mir
zu Freuden euch vor allen Rittern wählt." — „Braut,
wuͤßt' ich das, — erwidert er — fo that! ich euern Willen;
nur mus ich aber fuͤrchten, daß ihr mich miederlaß und
mich nicht wieber- heraufziehrt.“ Sie ſpnach: „ich dwill
auch ein Pfand fegen, ihr ſollt mich faſt Deisdse Hoand
halten, das erlaube ich euchzihr, mägt. wohl nicht gar
getreu ſein, da ihr mir nicht; verttauen wollt „Liebe
Zraue, ich. will mich in «use; Gnade empfohlen ſejn Jafien."
110 Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Sie ſprach: „ed ſoll euch gut werden, wenn ihr hie meinen
Willen thut, ſeid ohne Augſt, ich thue dann euren Willen.“
Die Gute nahm mich bei der Hand und führte mich zu
den Leilschen zu dem Jenſter, da hieß fie mid, eintreten‘
und ſprach: ſeid nun ohne Angſt, ich laffe- ud nicht fo
von mir kommen. Mit Sorgen tvat ich in den Lellachen,
da Heß man mich fo weit hinab, daß man mich wieder
hinauf ziehen Tolle, da ſprach Sie Gute mit-Eifien zu mir:
Bett weis, daß ich nie fo lieben Nitter fah, als der mich
bie bei der Hab hat, darum fei-mir willlommen! Sie
fing wich bei dem Kinne und ſprach: Breund, nun kuͤſſe
mic. Davon ward ich fo froh, deß ich ihre Hand fahren
Heß; in demſelben Augenblicke ſuhr ich fo ſchnell hinab,
daß ich mich wohl zu tobt gefallen hätte, wenn mich Gott
nicht beſchuͤzte. Als ich unten war, zag.man bie Leilachen
wieder ui.
In größten Klagen auffchreienb ſtuͤrzte Micky “einen
ſteilen Weg nieder, um fi in ein benachbartes, tiefes
Waller zu werfen, Aber fein Gefelle, den man: ihm
ſchnell nachgelaſſen, lief ihm eilig nad), ergriff ihn, als
er den Fall in das Waſſer thim weilte, mahnte ihn an,
Feine Thorheit zu begehen, und brachte ihm von ſeiner Ge⸗
Hiebten „ihr Wangenkiſſen, worauf fie manche Nacht gele⸗
gen.“ Das troͤſtete Ihn in etwas und noch mehr die Vers
ficherung, feine GBellebte wide ihm gewiß elnmal Feite
MWanſch⸗erfaͤllen. Dadurch warb ex in etwas beruhigt;
er fah .die Nothwendigkeit ein, daß er fehnell aus der Ges
gend fich entfernen muͤſſe, um feinen jungen Knecht aufs
zufuchen-, den er bei den Pferden gelafien Hatte, weil ber
I)
6. Abtheil. Die Frauen ber. Ritterzeit x 118
ſich nicht Kaths wiſſen wuͤrde, ex leicht entdeckt und ihm
die Pferde. genensihen werden Lönnten. Daranf enteilen
beide. Als fie nun zu den Pferden gelangen, ba fagt ihm
fein Geſelle: mun kann ich euch fagen, was. mir. ae
rau befohlen hat. Sie hat euch entboten, ba ihr von
heut über. 20 Zage zu ihr kommen folt, fo. will fie euch
fo empfangen, baß ihr immer froh fein mögt; fie het auch
‚ jegt fehr ungern von ſich gelaſſen, nur daß eine Fraue bei
{hr war, um bie fie es Mufle; bie. fährt nun .von dannen,
deſſen fie berglich froh iſt; -bramf follt ihre wieder. kommen,
dann will fie euch 10 Tage da hehaiten und es euch fo
entbieten, wie ein gutes Weib (been Sreunde fol.” Das
tröftet ibn noch mehr.
Wie oft folche verborgene. unb heimliche Befuche ſtatt⸗
gefunden haben moͤgen, beweiſen die ſo ſehr vielen Waͤch⸗
terlieder, welche fich in der maneſiſchen Sammlung der
Minnelieder finden. Hier iſt immer ber Wächter bes
Thurms mit in dad Geheimniß verfiochten und .er warnt
durch ein Lied dem verborgenen Ritter, daß 'er nun feine
Geliebte verlaffen und enteilen folle, damit er nicht von
böfen Merkern erfpäht werde; benn ber Tag wolle mit
feinem Schein bald auf feyn und im Morgen röthe fi
ſchon der Himmel, Go hörte auch bier, als Ulrich, aus
dem Fenſter gelaffen, fo gewaltig fihrie, ihn ‚ber Wächter
unb ging von ber Zinne und fagte in ber Burg: er höre
den Baland (den Zeufe); man fragte ihn, wie unb we,
er fagte: da bei ber Mauer, ex ſchrie web, und fuhr
den fleilen. Weg zu Thal, daß ich deſſen erſchrack; die
Steine rollten ihm nach, ich fegnete mich in der Angfl.“
IT
412 . ::° Beelter Abſchnitt. Mitterleben. :'..
&o treten’ auch diefe..einzelnen Wächterlieber für äbre Zeit
bezeichnend and lehrend ein, wenn fie auch keinesweges
ein Muſterbild der Sitte und Zuͤchtigkeit jener Tage find.
Es verdient indeſſen noch hier. bemerkt zu werben, was
Ulrich vor Lichtenſtein (S. 250) von dieſen Wuͤchterliedern
bemerkt, woraus man: indeſſen doch nicht. den Schluß
ziehen darf ; daß: fie wenigersbem. Keben enfupmmen worden
und nur ver Embildungskraft angehörtemg .benn als er
einmaf barlıber.nachbachte, wieıbie. Minne klagt, daß fie
von .thiem Herzlieb ſcheidet und er davon eim Lieb bichtete,
fage ee: „meine Meifter. haben. geſungen, daß ‚ihnen bie
MWäaͤchter mit ben Wecken wehe gethban haben, was ich doch
nicht glauben ann; denn ein hochgeboren, witzig Weib
wird wohl Teinen Bauern um ihr Geheimnis wiſſen laſſen;
man hat: feine eblen Wächter, Bauern kann man nichts
vertrauen, benn fie verfehweigen nicht; eble Art kann
ſchweigen, drum ſoll fe. Geheinmiſſe wiſſen; das mus eine
‚arme Fraue fein, bie den Morgen fuͤrchtet, und nicht eine
Magd geminen kann, die es hindert, baß ihre Freund
gefeheh-werbes auch iſt. eß wohl geſchehen, daß ein edles
Weib bei ihrem Freunde betagt iſt (daß der Tag beide bei
einander uͤberraſchte), und er iſt doch verbargen worden.“
Der Begleiter Ulrichs hatte ihm indeſſen nur etwas
Faͤlſchliches vorgefptochen, um .bie erften Ausbrüche feines
Unmuths und feines Zorned zu hemmen. Da er. darauf
wieder von Ulrich. an feine Geliebte gefenvet wird, erzählt
er ihr, was er in ihrem. Namen verfprochen hat; aber
diefe "will "davon nichts gewähren, fondern verlangt, er
miiſſe ihretwegen. eine Bahzk iber's Meer thun,. dann wolle .
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ic 113
fie ihm lohnen, daß alle fein fehnendes Leid geendet würbe,
Man fieht, daß die Frau alles Mögliche anwendete, um
ihn von fih zu entfernen, ja ihn gänzlich zu verderben;
umb dies ahnet auch fein Befelles benn als Ulrich ver⸗
ſpricht, auch dies: zu erfuͤllen, fagt ber Bote: „uns ges
fant die Fahrt nicht, denn ihr möget wohl todt liegen,
wann ihr über See fahrt; und verliert ihr fo um ein Weib
den Leib, fo habt ihe auch die Seele verloren, darum
foßt ihr .bier bleiben.” Aber Ulrich will nicht wanken mb
"weichen ven dem, was ihm feine Frau befiehlt, und ent-
fendet den Boten, ihr feinen Entſchluß zu melden; fie
aber läßt ihm fagen: er ſolle nicht fo oft zu ihr ſchicken,
es errege Verdacht, mit ber Fahrt folle er noch zögern,
bis fie ihm die Zeit ‚näher beflimme. Da zieht Ulrich
wieder rüflig und viel turnierend im Lande umher und
fendet der Geliebten feine Lieb, bis biefe wirklich durch
feine Bewerbungen, feine ftandhafte Liebe und feine freund:
lichen Lieder gerührt wird. „Da ließ fie — fagt er —
meinen Beten rufen und ſandte ihn gu mir, der mir allen
ihren Willen kund that. Mehr will ich nicht ſagen und
aus Zucht viel verſchweigen. Darnach erließ mich die
Gute der Fahrt; denn ſie ſah mich gern im Lande, davon
nahm all' mein Trauern ein Ende. Der Sommer kam
wieder, meine Gedanken ſtanden froh. .
So reitet nun Ulrich einige Zeit lang in Freuden im
Lande umher, turniert mannlich und erwirbt immer hoͤhern
RKuhm; aber bald endete auch wieder feine Freude; denn
„in diefem Sommer that feine Frau etwas, dürfte er-aus
Zucht daB melden, fo würden ihn bie Biedern beklagen
5
— — — — 22*
114 Zweiter · Abſchnitt. Ritterleben.
helfen, daß ein ſo werthes Weib ihren Freund ſo beſchwe⸗
en konnte;“ ein fo ſchmaͤhes Leib geſchah ihm von ihr,
baß er „bis an feines Lebens Ende daruͤber klagte Auf
ein von ihm gebichteted Klagelied änderte feine Frau body
noch nicht ihr Handeln, fondern fie that ferner, was er
Immer Hagen muß und was er niemand vertrauen wil.
Da fie nun ihre Unthat nicht ließ, fo ſchied er aus ihrem
Dienſte; „denn ber ifi ein unweifer Mann, ber auf bie
Länge dient, wo man feinen Dienft nicht belohnen Tann.“
Darauf. firaft er aber bie, bie ihn fo beleibigte; daß er
fie verlaffen mußte, in vielen. Liedern, die von ber Weiber
Untreue und Wankelmuth handelten, welche diefe feine
frühere Geliebte heftig erzuͤrnten und kraͤnkten, aber fein
ungemuthed Herz ſchwieg nicht. Nach ben Liedern ſah
er.ein Weib, von ber man viele Zugenden rühmte, bie
bat ihn, daß er um alle guten Weib fein Zürnen gegen
die fein ließe, bie er fonft feine Frau nannte, denn es
flünde ihm Abel an. Um die Gute muſte er ed nur laſſen,
er ſchalt fie nicht mehr, diente ihr aber auch nicht mehr.
So war er in feinem Herzen ein Frauen freier Mann;
boch fchied er von Weibes Lob nicht, ſondern fang nun
wieber zu ihrer Erhebung.
Aber nicht lange ertrug er ed, ohne eine Geliebte zu
feyn, und bald flellte er folgende Betrachtung an, bie
wieber für dad ganze ritterliche Streben ber bamaligen
Zeit bezeichnend iſt. „Ich dachte, wie lange foll es dann
fein, daß mein Herze ohne Frau it das ift mir nicht
gut; denn wer feine Jahre fo verſchwendet, daß er nicht
mit Zreuen gute Weib minnt, dem wird bie rechte Wuͤr⸗
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit x. 415
bigfeit verfagt: fihadenreih wird, wer bie. Weib nicht
bezzlich minnt, das weiß ich an mir felber. Da ich mich
erſt beflis, meiner Frau ſchoͤn zu Pienen,. ba fah man
mich freudig und ritterlich gemut, meine. Zeit ging mit
Freuden bin; nun biene ich weber dort noch hie, das ift
Fein ritterlicher. Muth, ich follte wieder eine Fraue haben,
der ich. mit Dienft untertban wäre, die mus. mir Gott
bald geben; ich habe viele Frauen gefehen, bie fchöne und
gut find, deren will ich mir .eine zur Frauen nehmen, und
ihr dienen, wie ich Tann. . Da wählt er denn auch bald
eine. Frau und reitet fogleich zu ibr, um ihr feinen Willen
fund zu thun. „Ich fage nicht — fpricht er in. feinem
Buche — was fie ba ſprach, aber hochgemut kam ich von
ihr zuruͤck; fie hatte recht, daß fie mir gut war, denn fie
war mir vor allen Weib.” — „Was ich ihr gebient habe,
und. was fie mir Gutes gethan, well ich verfehweigen; nur
das will ich fagen, daß ich ihr Lob zu allen Zeiten fang;”
und wirklih tritt nun eine Reihe ber lieblichfien und
fhönften Lieder in feinem Büchlein auf.
Uirich war auch in biefem vorgerüdten Alter nicht
faumfelig, um das Lob feiner Frau zu erheben. Wie er
feine erfle ungetreue Geliebte dadurch ber Welt theuer
zu machen fuchte, daß er um ihretwillen ald Frau Köniz
gin Venus durch die Kande zog, ſo unternahm er nun,
feiner neuen Geliebten zum Ruhme, einen abermaligen
Zug und zwar trat er als König Artus auf, ber vom
Paradieſe kam, um bie Tafelrunde wieder herzuftellen.
Jeglicher Ritter, der Mitglied diefer Gefellfchaft werben
wollte, mußte, ohne zu fehlen, drei Speer. auf dem König
8*.
116 "Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
verſtechen, dann erhielt er Zutritt und ward nach einem
der Tafelrunder genannt. Wir haben leider davon nur
ein Bruchſtuͤck, indem in der einzigen Handſchrift, bie bis
jegt von Ulrichs Frauendienſt befannt if, gerabe der Au⸗
fang dieſer Fahrt fehlt. Was daraus für das Rittermefen
merkwürdig iſt, hat bereitd feine Stelle in anbern Abthei⸗
lungen gefunden; für biefe erhellt weiter nichts daraus —
Obgleich den Ritter fpäterhin manches Unheil im Lauf der
Sabre exgriff;-obgleich ihm einige Burgen, :babei ‚viel von
feinem Vermögen geraubt wurbe und er bebeutend
verlor; obgleich die Zeiten in ber Steiermark fo truͤbe
wurden, daß bie Ritter nicht mehr bem Dienfte der Frauen
und fröhlichen Zurnieren fich wibmeten, fondern nur bem
Raub und der Bedruͤckung oblagen, wie Ulrich ſelbſt in
feinem Bude fagt: fo war er doch froh gemut in ber
Neigung feiner Geliebten und fang ihe feine Lieber Bis in
fein hohes Alter. L
Dies einzelne Beifpiel ift wenigftens für manche Bes
flrebungen jener Zeit, die aus einem beſſern Sim ent»
fprangen, bezeihnend. So untreu nun auch bie Ritter
durch diefe Liche, bie bei ben meiften wohl keinesweges
ein bloßed Spiel der Einbildungsfraft blieb, ihren Frauen
waren, fo geht boch wieber aus bem Frauendienſt bes
Ulrich von Lichtenflein hervor, daß in bem Verlauf folcher
Liebesbuͤndniſſe die Ritter eine jede Unfreue, felbft bie
fheinbare, zu vermeiden trachteten, und daß ſie fehr ers
zärnt waren, wenn ihnen eine Liebeöbezeigung von einer
andern Frau warb, wodurch ber Verdacht der Untreue
hätte erregt werben koͤnnen. Darlber mögen ein paar
6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeit x. 147
Stellen aus dem Frauendienſte ald Beweis: fpretben: Al⸗
Ulrich einmal, auf der Fahrt als Königin Venus, feine
Roͤclein durchficht Findet er ein fremdes Roͤckchen darun⸗
ter, darin. war ein Glͤrtel, ein Schapel (ein Kränzchen)
und ein Heftlein gebunden, die alle brei fehr ſchoͤn waren,
und dabei lag’ ein deutſcher Brief, worin bie Schreiberin
erklaͤrte, daß fie immer inniglich froh fey, wo Ulrich Ehre
und Lob gefchehe ‚Lant daß fie darum ihm fo gewogen fey,
weil er zur Ehre der Frauen das Gewand einer Frau ans
- gelegt habe, um ihren Ruhm zu erhöhen. So fchmeis
chelhaft ihm dies auch ſeyn muß, fo wird ee doch darüber
erzuͤrnt, da er fürdtet, feine Geliebte könne es erfahren,
und ihm dadurch Unbil und Unzufriedenheit von ihr ges
ſchehen u
Noch erzuͤrnter ift er bei einem ähnlichen Ereigniß zu
Neuſtadt, Welches ihm auf demfelben Zuge geſchah. Dies
erzählt er (8. 113) fo: „Ich Heß mir von meinem Kams '
merer außerhalb der Stadt ein Bad bereiten. Heimlich bes
gab ich mich dahin und feste mic in bad Bad, wovon
ich meine Mübe vergaß. Die Bader babeten mich, von
denen mich Beiner kannte; ba geſchah mir im Babe eine
neue wunderliche Gefchicht, ed wurde mir Tiebes Leid und
freubiges Ungemach von Weiben fund, davon mein Herz
verwundet wurde. Mein Kammerer ging von mir nach
der Herberge, um mir ein Gewand zu holen; da faß ih
allein, gar ohne Sefinde, ımd ich glaube, was gefchehen
ſoll, das füget fich, wie e8 aud immer mag; denn indem
ih fo alleine faß, kam ein fremder Knecht zu mir, gut
gekleidet, Höfifch und Flug; der Knappe trug einen guten
118 Zweiter Abſchnitt. Rittarleben.
Teppich, ben nahm er und legte ihn vor das Bad, darauf
legte er Frauenkleid, ein Riſen (ein uch, beſonders um
den Kopf und den. Mund zu binden) und ein ſchoͤnes
Roͤckelein, dazu ein wunniglich. Haftsd, sein Schapel und
ein Fingerlein; ber Stein im Fingerleia war ein Rubin,
." "fo roth wie ein Fhgen Frauenmund, darzu legte er einen
Brief, der mit füßen Worten fagte, wer mir die Kleinod
ſandte. Da ich die Kleinod fah, ſprach ich mit großem
Born: fagt an, mem habt ihr dies hergebracht? Denn ihr
follt mir wahrlich: glauben, daß ich es nicht annehme;
tragt e8 wieder fort, das iſt euch gut. Der Knappe
ſchwieg und ging, Fam aber gleich mit zween andern
Knechten wieber, bie trugen ihm Roſen nach von ſchoͤner
Röthe und friſch geblättert, davon fireute er fo viele auf
mich, daß. mich in dem Babe niemand ſah, wobei ber
Knappe kein Wort redete. Was ich auch zuͤrthe und was
ih auch bat, er fireute immerbar die Rofen über mich,
fo viel, daß ber Fußboden wunniglih von Rofen gefärbt
war... Darnach neigte er mir mit Züchten und ſchwieg
fit, was ih auch reden mochte; ee war mir ganz unbe
kannt, und fo ging er von mir. Hierüber ift Ulrich
hoͤchſt erzuͤrnt und will nichts von den gefchenkten Kleinobien
wiflen, fondern fie beim Bader laffen; aber fein Kaͤmme⸗
ser räth ihm doch, fie mitzunehmen; denn fonft koͤnne es
ja am erflen befannt werben, daß ihm aus Liebe etwas
gefendet fey. Lieber wolle er alles bewahren, und wenn
einmal die Schenterin bekannt würbe, koͤnne er es ihr
wieberfchiden. Damit iſt auch Ulrich einverflanden und
fagt, die Denkungsart jener Zeit und bie Gtrenge ber
6. Abtheil Die Frauen der Ritterzeit u. 119
Treue bezeichnend: „So bewahre ed denn fo fange, bis
mir die Frau befannt wird, daß ich ed dann ihr wieder⸗
fenden kann; ich nehme es wahrlich nicht, um meine Treue
nicht zu kraͤnken; benn ich weis doch, daß niemand dem
andern etwas gegen feinen Willen fchenten kann; und
meine Sinne wären krank, wenn ih von anders
jemand etwas nähme, als von der, ber ih Zait
meines Lebens dienen. will. Der Brief enthielt
wieder nım fein Zob.und die Verficherung ihrer Freude an,
feiner ritterlichen Erhebung der Frauen, aber genannt |
hätte fich die Frau nicht.
" Auch in dem Leben Ulrichs fehlte e8 an Augenbliden
nicht, in denen ihn der Anblid vieler fchöner Frauen und
ihre freundliche Dinneigung zu ibm, ber als ein fo tapfe-
ser Dann gerühmt warb, nahe babei war, ihn von feiner
lange gehegten Liebe abmendig zu machen, aber immer
ernannte. ſich wieder fein Herz. Er felbft hat und einmal
(S. 134, 135) einen folhen Kampf zwifchen langjähriger
Meigung und dem Gindeud des Augenhlidd, nod auf
feiner Sahrt als Frau Königin Venus, gefchildert: „bie -
Hausfrau zu Felsberg nahm mich bei der Hand und führte j
mich in eine fchöne Kirche, eine Meffe fang man Gott zu -
Ehren und bei mir flanden viele Srauen; ich mus geftehen,
daß Bott da nicht viel gedient ward. Faſt hätte mich da
das Netz der Minne und mancher ſuͤße Blick gefangen,
ber von lichten Augen ging, und nus meing Treue wandte
es ab, daß ich da nicht von der. Dinne gefangen wurbe;
beinahe hätte ed eine von den Zrauen gethban, ihre gute -
Geberde und ihr lichter Schein hrach durch meine Augen
10 Zweiter Abſchnitt. Ritterieben,
bis in ben Grund meines Herzens, und ihr rofenfarbner,
other Mund, den ich gegen, mic) lachen fah und der fo
füß zu mir ſprach. Ei! wäre mir ba.nicht meine Treue
zu Hülfe gekommen, fo ‚hätte fie meine Sinne bezmungen.
Da ich fie aber fo vom Herzen anſah, ſprach meine Treue
zu mir: Wie nun? wie nun?! was fol denn Bas feink
Wem wilft bu dern beine Fraue laflen, an ber boch nach
Sott bein Leben ſteht? Aendre deinen Muth, denn: ich
geftatte dir ſolche Dinge nicht! Da mich meine" Treue fo
beſtrafte, wurde mein Der; gar unfroh, daß mir biefer
Wank gefchehen war; ich dachte: Ich will dieſes wunnig-
liche Weib nicht mehr anfeben, fie ift fo minnigliche, daß
id wohl Schaben leiden möchte, wenn ich fie länger bes
trachtete. So warf ich die Augen von ihr und gebachte
herzlich: Hätte mich nun der lichte Schein diefer Frauen
in Zweifel gebracht gegen meine liebe Fraue, fo wäre mir
bie größte Unbill widerfahren: nen! ich will fie nicht mehr
anfehen! denn meine Augen find Schuld; als fie mich fo
guͤtlich anſah und ich ihren rothen Mund erblidte, ba
ließen meine Augen ihren Tichten Schein gleich mitten in
mein Herze, das Laffe ih num micht mehr geſchehen, dem
cch verſtatte meinen Augen dieſe Freiheit nicht mehr; ic
fehe, wenn mein Herze meinen Augen ſolgen wollte, fo
riethen fie ihm wohl, wovon ich immer müßte Haß meis
nen beiden Augen tragen.‘ .
So Handelt nun das ganze Buch Ulrichs, wie auch
(don der Titel: Frauendienſt, beſagt, nur von dem, was
er im Dienſte ſeiner Geliebten fuͤr Heldenabenteuer beging;
wogegen denn feine wirkliche, eheliche Frau ganz zuruͤcktritt
6. Abtheil. Die Frauen der Mitterzeit w. 121
und ‚ihrer; nur dreimal im Buche Erwähnung gefchieht,
woraud. wenigſtens dad gewiß wird, daB wähtend all’ ber
Abenteuer, die bereits oben erzaͤhlt ſind, er verheirathet
war. Als Ulrich z. B. feinen‘ Zug als Frau: Königin
Venus hielt und über den Semernik gegen Glokenig ik
der Steiermark -gefommen, : wo feine: Beñtzungen lagen,
erzählt e S. 111): „Da ich entwappnet war, wurde
. meine Herberge zugelperrt, :untr mit einem Kurcht Stahl
ich mich don dannen, wo: ich mein liebes Gemal,
fand, bie mich freundlich‘ enipfings.. fie freuten ſich, daß ich
zu ihr gelommen war. Hier haste ich mit. Freuden gutes
Gemac bis an den Written Tag; als der dritte Tag kam,
hoͤrte ich eine Meſſe und bat Gott, daß er meine Ehre
hinen möchte, . Minniglich nahm ich Urlaub und ritt mit
bebrem Muthe.“ So blieben bie Frauen vieler, in ber
meiften Ritter, bie im Waffenhandwerk ihren ‚größten
Ruhm fanden, meift immer allein, verlaffen;- ja zuruͤck⸗
gefest, und wenige nur mögen die geweſen feyn, - welche
die Waffentbaten ihrer Männer als eine Erhebung ihrer
Schönheit anfehen Tonnten. Um fo leichter warb es ihnen
nım, ja um fo größer war ter Reiz; der Werfährung,
den Liebesbewerbungen anderer Ritter, bie nım auch wies
der ihre Schönheit im Kampfe zu erheben bereit waren,
fich hinzugeben. Klar wär e8 aber auch, daß auf biefem
Berge, Tobald nicht mehr die firengen Geſetze der Ritters
ſchaft herrſchten, fobalb bie: Embildungstraft ihre Stärke
verlor und die Sinnlichkeit ganz Überwiegend wurde, bie
Sittenverderbniß und Sittenunreinheit herrſchend werben
mußten, die wir beim Verfallo bed‘ Ritterthums ſinden.
122 3weiter Abſchultt. Bitterlebem.
In der Bluͤthenzeit des Ritterweſens achteten und lichten
wenigſtens doch noch die Ritter ihre Frauen, wie Alrich
auch in einer Stelle, die ich bereitd oben zum Theil ans
führte, fagte: „ich ritt traurig von ihm (nämlich feinem
Boten, der ihm von feiner Geliebten böfe Nachricht brachte,
wie wir oben geſehen) nach. einem Drt, wo wir. viel Ge⸗
maces (Bemächlihkeit) gefchah, zu meinem lichen Gemal,
bie mie wicht lieben fein konnte, wenn ich mir audy ein
ander Veib zu meiner Frauen .erwählt hatte. Zehen Zage
blieb ich da und ritt daun nach Lichtenflein in fehnendem
Kummer... Zuletzt kommt noch gegen bad Ende bes Ge:
dichts einmal feine Frau vor, und dabei werben auch feine
Kinder. erwähnt. a ifl, wo er von zween Männern gefangen
genommen wird, au dristen Sage nach Sankt Bartholomäus,
als er auf feiner Burg Brauenburg, eben nad) einen ges
sommenen Babe, in feiner Kammer lag. Sie trieben
alle die Seinigen aus dem Haufe; indem lief feine Haus⸗
frau zu ihm, und rief: was: fol dies fein? Die Ungetreuen
ſprachen zu ihe: Frau, geht fogleich vor das Thor, da
findet ihr die Eurigen, gleich geht fort! — „Da ſah mid
: bie Gute weinenb an; ich fprach: gebt nur, fo lieb euch
eure Ehre ift, bleibt nicht Iänger hier bei mir. Da ging fie
wit meinen Kindern gegen tod Thor. Frau! euren Sohn
müßt ihr uns auch bier laſſen, rief Pilgern. Da nahm
er ihr das Kind von der Hand, auch alle Kleinod, bie
er bei ber Frauen finden mochte, nahm er, bann trieb er
fie aus dem Thor, und mein Sohn blieb bei mir.“
Gewöhnlich führten die Ritter und Zrauen ein fehr
einſames und files Lehen in ihren Burgen, wenn nicht
6. Abtheil, Die. Irauemiber Ritterzeit cc. 123
. einzelne FeſternKitter and: Knappen gu ihnen brachten und
die Ritter auf Turniere und große Hoffeierlichkeiten mit
ihren, Frauen hinauszogen, aun ſolchen Ergöglichleiten bei⸗
zuwohnen. Nur der Verbeizug hoher Herren, Könige und
Kaiſer, erheiterte das ſtille Leben bisweilen — wie ſelten
is manchen Gegenden! — mopen ein. Beifpiel Hornek
in feinem oͤſterreichiſchen Seitbuche erzählt: . „in welcher
Stadt‘ König: Pttofar von-Mäkmen; «insitt, da muflen
ſich hie. rauen vor ie in Armen und. Beigen feben
laſſen.“
Die Frauen mit cheen. — und pP weiblichen
Bedienung waren babeim, wie dies fchon ‚oben ausfuͤhrlt⸗
cher un durch Stellen belegt, banerkt morben iſt, meiſt
befchäftigt, zierliche Gewaͤnder, Kleider, Mäntel, Teppiche,
Prunkdechen über die Roffe,. Banner u. ſ. w. zu ſticken;
der Mann -pefchäftigte fich mit der Iagb und andern rit⸗
terlichen Uebungen; die Naben wurden von den Knappen
in ben ritiewichen Kuͤnſten unterwiefen. So ging das
Leben einfach und ſtill hin, und manche‘ Frauen mochten
ed daher wohl nicht ungerne ſehen, wenn ihnen ein heim⸗
licher Liebhaber die Stile des häuslichen Lebens etwad
belebte. Im den langen Winterahenben mag es daher ofts
mals traurig, ſtill und büfter auf den Burgen zugegangen
feyn, wenn nicht ein aufgenommener Wanderer, «in vor⸗
überzichender Sänger, ein auf Ritterfahrt begriffener und
einlehrender Ritter die Stunden. erheiterte. Man trachs
tete daher bald, beſonders in den Jahrhunderten, die den
Verfall des Ritterthums umfchloflen, banach, das Dans
ſelbſt mit einer luſtigen Verſon zu verfehen, bie. auf eigene.
\
124 Zweiter Abfchhite, Mitterieben.
oder frensde Koften den Stoff zur Unterhaltung und zur
Ergoͤtzlichkeit darbot; und hier tritt uns, beſonders bei
den Vornehmen, ein: Haubgewofle entgegen, von ben wir
einige Worte fagen müffen; '- Ik dies der Narr. Im
‚ eine beeberen und weniger ruͤckſichtsvollen Beit, wie jene
Yes Mittelalters war, Finden wir, daß alles Das, was
unſer Mitleid, unſerd Scyonting,ifa ein gewiſſes . Sefühl
von fliller Scheu und Achtung erfordert, nicht gleiche Ges
weit über die damaligen Menſchen ausuͤbte; und was jegt
nur Spielwerk roberer Menfchen wird, wurde damals auch
von den hoͤhern Ständen "nicht von ber Hand gewiefen.
Hierhin gehören z. B. Lörperlihe Gebrechen: zwetghafte,
verkruͤppelte Perſonen wurden als Mittel: zu allerhand
Luſtbarkeiten gebraucht, beſonders zu ſolchen, bei denen
ihre Geſtalt, ihr ganzes: Bewegen und Beflrebe leicht in
das Laͤcherliche fallen mußte. Blinde wurben daher zu
allechand Spielen gebraudt, beſonders zu ſocchen, bei
denen Pruͤgel ausgetheilt wurben, die fie dann meiſtentheils
auf einander ſelbſt gaben, indem ſie andere Gegenſtaͤnde
zu treffen glaubten. Alte Weiber wurden in Sauͤcke ges
bunden und mußten. nım um einen Preis Iaufen, ober
vielmehr hipfen,; und was dergleichen Spiele "die bis tief
gegen unfere ‚Zeiten gu ben Volksluſtbarkeiten gehörten,
mehre waren. So dienten denn auch zu Geſpoͤtt und Lufl
diejenigen, weiche ſich burch Afbernheit oder einen ſtillen
Bahnfinn von den andern unterſcheiden, und die dann,
wenn man ihre Schwaͤchen benutzt, wohl zum Gelaͤchter
Stoff genug geben koͤnnen. Zu ſolcher oft rohen Beluſti⸗
gung wurden bie, weiche wirklich naͤrriſch waren ober ſich
8
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit m. 195
närrifch fteßten, häufigfi gebraucht, und wir finden baber
oft als Hausgenoflen . vorncehmer Ritter des Mittelalters
einen Narren. : Ihm war es erlaubt, allerlei Schalkſtreiche
auszuflgeen, ben Herrn, -die Frau, die Kinder, das Ger
finde und die fremden Beſucher weiblich zu necken; dach
war er auch dem ausgefeht, wenn er es zu toll machte, daß
er recht tüchtig mit Ruthen geftrichen wurde. Im der
fruͤhſten Zeit Scheint man ſich bloß an ben Schalks⸗— und
Norrens Streichen exgögt zu Haben; wenigftens geht dies
aus der ganzen Art und: Weiſe hervor, wie bie Narren
‚gebraucht wurben, die wir fogleich kennen lernen merben.
Erſt im der fpäteren Zeit Tam man darauf, wie es doch
leicht moͤglich fey, durch den Mund eines fcheinbaren
Marren hohen unb vornehmen Perfonen recht viele und
tüchtige Wahrheiten zu fügen, ohne daß man barhber an '
Leib und Leben. litte, ohne daß man Ehre und Vermögen
dadurch verlöre, fondern dies letzte vielmehr noch dadurch
gewann. So blieben Hofnarren bis über bie Mitte bes
achtzehnten Jahrhunderts nicht ungewöhnlich, und es finden
ſich Beifpiele, daß gerade die Narren recht tüchtige, wohl
meinende und gefcheute Männer waren. Eine Entfehulbis
gung fir aBes, was folk ein Narr ſprach, war: ber Narr
har’8 geſagt. Die Hersfcher befamen die Wahrheit zw
hören, und die Diener des Fuͤrſten mußten bes Narren
Bemerkungen fürchten, die er oͤffentlich über ihre Sitten,
Handlungen, Laſter machte, und die nicht feltew ihren .
Planen gefährli wurden. Es fehlt nicht. an berühmten
Schalksnarren in Deutfchland; einer ber diteften iſt Nits
hart, am Hofe des Herzogs Dito von Defterreich zu Wien,
126 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
deſſen plumpe Scherze und Spaͤße mit den. Bauern um
Wien von. ihm ſelbſt gedichtet worden find, ba er auch
zugleich ein Meiflerfinger war. Er fand fein Grab in ber
Stephanskirche zu Wien, wo noch vor Jahren fein Leis
chenſtein gezeigt ward. Dann if Kunz von der Ros
fen, der Narr Kaiſer Maximilian des erfien, bekannt ges
nug geblieben, und zuleßt Klaus Narr, der am fächfts
feinen Hofe feine Späße trieb und befien Narrenftreiche,
Scherz⸗ und Spigs Reden fogar gebrudt worden find.
Ale Narren, die in Dienflen bei Fürſten, Bifchöfen,
Srofen, Aebten, Edelleuten u. ſ. w. fanden und in ihrem
Sold und Brote waren, hatten ihre eigene Narren
kleidung. Auf glatt befehornen Köpfen ſaß die Narren⸗
kappe, welche am Kragen bed Kleides befefligt war, fo
daß die Spaßmacher fie vom Kopfe abmwerfen Tonnten,
ohne fie zu verlieren, wie bie Mönche ihre Kappen. An
beiden Seiten biefer Kappe flanden zwei lange, oben mit
Schellen beſetzte Eſelsohren, unb in ber Mitte erhob fich
der rothe Hahnenkamm. Das Oberkleid endigte ſich in
mit Schellen befegten Zipfeln, welche auch an den Kraus
fen, Aermeln, Guͤrteln befeſtigt waren und zu Knoͤpfen
des Wamſes dienten; je größer, je beſſer. Im ber Taſche
trugen fie die Werkzeuge ihrer Spaͤße und Spiele, und
auf dem Aermel hatten fie gewöhnlich dad Wappen ihres
Herrn. In der Hand trugen fie die Rarrenloibe. Diefe
war entweber ein Rohrkolben, ober ein zierlicher Stab,
oben mit einem Narrenkopfe geziert, welcher Kappe,
Ohren und Schellen hatte, fo wie fein Herr, ber ihn
führte; ja ed war oft ein Fleiner Narr in halber Geſtalt,
6, Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit ꝛc. 4297
doch ohne Füße, darauf abgebildet oder gefehnigt, dem dann |
Die Narren, als ihrem Kinde, mit allerhand Scherzreden
and Späßen lieblofeten, zu Zeiten aber auch wieber mit .
Diefem lieben Kinde tüchtige Hiebe und Piüffe austheilten.
Sole Späße der Narren mit ihren Kolben und Stöden
zeigen manche alte Bilder. Daraus wurde in fpäterer
Zeit die Pritfche, beſtehend aus gefpaltenen und klappern⸗
ben Holzflreifen, oft auch eine Art Kolben von Leder, mit.
Wolle ausgeftopft. Bei der Tafel flanden die Hofnarren
hinter ihrem Herrn und erhielten für ihre Späße zuwei⸗
len einen Becher mit Bein ober einen fetten Blſſen über
bie Achfel gereicht. Sie befanden fi) bei allen Hoffeften
mitten unter den Anwefenden und kurzweilten in der Vers
fammlung berum. Bei den Zurnieren fehlten fie auch
nicht, und man findet daher auf vielen alten Bildern, . neben
den gepanzerten und turnierenden Rittern, arten mit
ihren Kolben und Späßen, bie ben Ernſt durch ihre Schds
kereien und Nedereien mäßigten und um fo wirkfamer
dazu beiteugen, daß oft fo gefährlihe Spiel mehr zu
einem heitern Scherz zu machen. Bei allen Volksluſtbar⸗
feiten, als z. B. dem Fiſcherſtechen, dem Plattnergeſtech,
dem Schoͤnbartlaufen (einem nuͤrnbergiſchen Volksfeſte),
dem Vogel⸗ und Scheiben: Schießen, dem Urbansreiten
ond allen Aufzügen ber Handwerker vermißte man bie
Luſtigmacher und Narren bis auf die neuefte Zeit niemals.
So treten fie num auch in einzelnen Werken des Mittels
alters auf, und ihr Wis iſt meift beißend und fcharf, oft
aber find fie auch plump und albern.
Wie ein folder Nars im häuslichen Leben ſpaͤterer
128 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Zeit ſich behabete, wird am beſten aus einer Erzaͤhlung
jener Zeit ſelbſt hervorgehen, aus: Wolf Wolfraths Bege⸗
benheiten und Beſchreibung des Turniers zu Wien im
Jahr 1565, wovon ſchon oben in der Abtheilung von ben
Turnieren die Rede geweſen iſt. Wolf Wolfrath war
naͤmlich ſchon in ſeiner Jugend ein huͤbſcher Saͤnger und
guter Saitenſpieler, und wurde von einem Freunde feines
Baters an den Hof des Herzogs Albrecht von Baiern
nach Muͤnchen gebracht, der bie Tonkunſt ſehr fchäbte,
ſelbſt darin erfahren war und Orlando di Laſſo, einen be⸗
rüuͤhmten Tonſetzer des 16. Jahrh., bei ſich hatte Wie er
zu ihm gekommen, erzählt nun Wolf ſelbſt: „Und ba
neigte ich mich tief, als ich eintrat in den Saal. Da
faßen an einem Zifche der Herzog und fein Gemal (war
Kaifers Ferdinand Tochter), fein Ohm, ber Biſchof, fein
Zruchfes, zwei frembe Edelleute und mein Derre von
Neydeck, die fpeif’ten; und flanden fchöne Kannen und
Becher zwiſchen den Schäfteln. Ich aber hatt’ mein Ba:
retlein unterm Arme und meine Harfe in der linken Hand,
wie mir da8 gelehrt war. Und da kam bed Herzogs Narr
mit feinem Schellengellapper auf mich zu, ſah mir in’
Geſficht und vief aus: Federn, eitel Federn! Sprac ber
Herzog: Schweig, Narr! da ſetzte ber Narr fich bei ihm
nieder an den Boden und trieb laͤcherliches Gefpiel Hab
Zeug. Des Herzogs Gemal wendete fich freundlich zu
mir und fagte: wohlen, junger Spielmann, finge uns
etwas. Da ließ ich mein Baretlein fallen und griff raſch
in bie Saiten. - Aber ed trat ein Diener herbei und
‚brachte mir ein Bänklein, darauf feste ich mich.“ Der
6. Abtheil. Die Frauen ber. Ritterzeit ı. 129
Herzog rief: „ſei ohne Aengſtlichkeit, lieber Wolf! und
laß und hören, was. du kannſt!“ Der. Narr aber ſprach:
„ihr werdet auch hören, waßıer nicht kann.“ Der Hers
309 ſprach: „ſchweig, Narr! Singe, mein Sohn!” Als
er geſungen, fragt. ber Herzog: „Narr! wie hat der
Sänger gefungen?' Da ſprach der Narr: „beiler als
mein Efel. Dad verdroß mich fehier, daß ich gang roth
wurde.” — Der Herzog aber lachte und befahl ihm noch
eines zu fingen. Drauf fingt er ein. Ljebeöliedchen, wels
ches er kaum geendet hat, ald der Narr drein fchreit:
„po& hinkende Gans! der Bub’ iſt verliebt wie ein
Spas." Alle lachten laut auf. Ich aber ſprach: „es ift
nur fo ein Lied, das ich gelernt babe.” Da fragte ber
eine Ritter: „du bift alfo nicht verliebt? Wohl dir!“
Die Herzogin drohte ihm mit dem Finger und ſprach Fein
Wort dazu. — Sie ftehen darauf von der Zafel auf und
ber. Herzog ſagt ihm im DVorbeigehen: „ich nehme dich
in meinen Dienſt.“ Der Narr aber giebt ihm einen
Schlag mit feiner Iedernen Kolbe und fagt: „da haft du
Handgepp. Die Kammerfrauen ber Herzogin nehmen:
Darauf den Sänger in ihr Zimmer. und führen allerlei
heitere und luſtige Gefpräche mit ihm: „Wie wir nun fo
fprachen, Fam der Narr herein, was mir gar verdrießlid)
war, und fihrie: po& hinkende Gans! da ſitzt der Gimpel
. bei den Sperbern. Da fprangen die Jungfrauen auf und
fehlngen auf den Narren zu. Die Gürtel: Magd (d. i.
die erfte Kammerfrau) aber ergriff ein Beſ'lein, rieb's Ihm
unter die Naſe und fprach: vieh, NarrF. Da fchrie der
Narr, wie einer, ber da niefet, und ſprach: Euere Blume
9
130 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
riecht gar zu ſtark! Da ſchrien ale drei: Kopfweh, Kopf:
weh für did! Mir war bei dem Laͤrmen gar fonderbar
zu Muthe und blieb ich figen, erwifchte ein Kännlein mit
Wein und zog es aus, Aber der Narr bat, ihn bleiben zu
laflen, er wolle fromm fein, und fe nur gekommen, mich
zu prüfen, ob ich im Latein gut befchlagen ſei. Da bes
kam ich Muth (ich meine, das Kännlein hatt’3 gemacht)
und fagte: stultus apage! Hei! fagte der Narr, der
Bube ift fo gelehrt wie ber Kaplan, aber hübfcher; nicht
wahr? Ihr werdet den Vogel fchon fliegen lernen. Die
Sungfrauen aber fließen den Narren hinaus und vers
fchloffen die Zhir.” Go blieb Wolf bei dem Herzoge
und wurbe von einem alten Ehrenholde in der Wappen⸗
kunſt zu einem Perfevanten unterwiefen. Als er darin
nun, wie wir oben in der Abtbeilung von den Turnieren
gefehen haben, unterrichtet worben war, wurbe er durch
die gewöhnliche Weihe zum Perfevanten angenommen,
welches auch bereits oben erzählt worden iſt; bier nur,
wie der Narr bed Herzogs ſich weiter im häuslichen Les
ben zeigte. „Als die Seierlichkeit vorüber war, ſprach ber
Narr: — fo erzählt Wolf ſelbſt — ich fähe aus, wie eine
Gans, der die Flügel gebunden wären. Da war ich mus
thig und fprach: fo fehe ich doch beſſer aus, als ein Narr.
Der Narr nahm feine Kappe ab und reichte: mir feine
Kolbe; ich aber ſprach: ich mache nicht gerne arme Leute.
Naͤhm' ich dir bie Kolbe, fo wärft du gar nichts. Alle
lachten, und mein Herz fagte: Nun, Kunz! haft du genug
Kraut auf die Schüffel? Der Narr ſprach: das Fleiſch
6. Abthell. Die Frauen ber Nitterzeit ww. 131
fehlt. Da fagte ih: ſtecke dich hinein, ba giebt's
Schweinwilbbrett drinne. Die Herzogia freuete fich dar⸗
iiber und fagte: Kunz hat feinen Dann gefunden. Nein!
feinen Zungen, fagte der Narr. Ich aber fprach: es iſt
ein junger Kukuk, bie alte Grasmüde koͤnmt um ihren
Kopf. Da fagte der Herzog: höre, Wolf, du follft zus
weilen bem Narren etwas abgeben, damit er klug wird.
Da fprach ich: gnädiger ‚Herr, laßt ihm liebe einen Nars
ren bleiben, fo.verhungert er nicht. Dich füttern die
Kommermägde, drum biſt du fo wigig geworben, fagte
der Rarr und fchrie laut: wer Fauft? wer kauft? hola,
wer Pauft meine Kappe? Wir aber gingen davon. Und
da mir der Fürfiin Guͤrtelmagd begegnete, fagte fie: Lieber!
komm diefen Abend zu und, bringe deine Harfe mit und
finge und etwas vor, Und ich verfprach’s, und kam und
fang. Als ich nun von dannen ging, fah es der Narr,
lief auf mich zu und fragte: welche Zeit iſt es? Ich ſprach⸗
ed ift die Zeit, wo man den Narren aus bem Wege geht.
Er aber gab mir einen Schlag und fagte: es fchlägt Eins
auf einmal... Ich ſprach: laß das fein! Er fagte: was
machſt du bei den Maͤgden? und wollte mich wieber ſchla⸗
gen. Ich aber nahm ihm die Kolbe, fchlug ihm zu Bo⸗
ben, ging davon und fprach: Narren muß man bie Kolbe
laufen. Da ließ er mid nachher gehen und fhlug mich
nicht mehr, wenn er mich auch nedte.“
Auf ſolche Art nun betrugen ſich die Narren und
erregten Spaß ‚ auf ähnliche Art wurden fie behandelt,
und je fchärfer und fchlagender bie Reden waren, die von
ven, ber ben Narren nedte, ausgingen unb zu ihm
9 x
132 BZS8weiter Abſchnitt. Ritterleben.
wieder heruͤber kamen, deſto mehr Luſt fand man in ſol⸗
chen Unterhaltungen. Auch auf Reiſen wurden die Nar⸗
ren wohl meiſtentheils auf. eine ausgezeichnete Weiſe mit⸗
gefuͤhrt, damit ein jeder gleich ſah, wes Geiſtes Kind der
Reiſende war. Denn als Herzog Albrecht von Baiern
mit ſeinem eben erwaͤhnten Narren Kunz die Reiſe nach
Wien zum Turnier antrat, „fuhr der Narr auf einem
Kaͤrnlein, in einem Gegitter, faſt wie in einem Vogel⸗
Kaͤfig, hinter dem Wagen des Herzogs her.“ Haͤlt man
dieſe Art zu reiſen mit der zuſammen, wie der ungluͤck⸗
liche Don Quixote nach ſeinem erſten Auszuge auch in
einem ſolchen Narrenkaͤfig nach Hauſe gebracht ward, ſo
mag ed wohl damals bie gewoͤhnliche Art in allen Laͤndern
gewefen ſeyn, die Narren wegzufchaffen. Wie fi) denn
auch in manchen Städten, 3. B. in Breslau, fonft auf
dem Markte Käfige befanden, in welche närrifhe Pers
fonen, oder andere in Strafe, zum Spott der Voruͤber⸗
gehenden, eingefperrt wurden.
Zu den Hausgenofjen großer und vornehmer Perſo⸗
nen gehoͤrte wohl oftmals auch ein Saͤnger, der den
Frauen in heitern Liedern die langen Abende verkuͤrzte.
Die eben angefuͤhrte Erzaͤhlung des Wolf Wolfhart zeigt,
daß wenigſtens Herzog Albrecht von Baiern einen ſolchen
in der Perſon dieſes Wolf an ſeinen Hof nahm, aber er
hatte ſchon einen andern Saͤnger, und Wolf ward eigentlich
der zweita Denn als er im Begriff ift, feine Probe zu
fingen, „kam audy ein Mann in den Saal, der trat ents
fernt, hatte ein ſchwarzes Wamms an und einen kurzen
Mantel um. Er trug eine goldene Kette und war, wie
N ..
6. Abtheil. Die Frauen der Nitewejeit ıc 133
ih hernach erfuhr, Meifter Wohlgemut, des Herzogs
Hoffänger." Dieſem wird auch. Wolf. zur Uebung im
Singen übergeben, und der führt ihn' denn "auch gleich
über zwei Säle in ein Stuͤblein, ba-'faßen-brei. feine
Tungfranen, die waren : Kammermägbe der. : Herzogin
und fpeiften. Da ſprach Meiſter Wohlgemut:da iſt ein’
. Saft, ver auch gern etwas Hätte, unfer neues Saͤngerlein. |
Sie aber lachten, rüdten zufammen und ſprachen: feßet
euch her.” Konnten die Mister nun nicht allein einen
Sänger ımterhalten,. oder waren fie - felbft: nicht‘. Dichter
und Saͤnger, wie Ulid) von Lichtenſtein und viole andere
63 waren, ſo mußten fie ſich mit den fahrenden, d. h. mit
den umherwandernden Saͤngern begnügen, wenn die ehwa:
ihre Burg berührten und im heitern Gefange ihnen bie
Abende verkürzten. Da. der "Gefang inbeffen meift nicht
kunſtvoll, ſondern einfach und ungezwungen, wie unfere
einfachen ‚.ı ächten heutigen. Volksweiſen, fo war gewiß:
diefer Geſang ſehr allgemein, und Ritter und. Frauen,
Knappen und Maͤgde miſchten wohl oft ihts Stimmen in
fröhlichem Gefänge, und die wandernben Sänger, die fah⸗
renden, fangreichen Ritter brachten ihnen: nur neue "Lieder
und Weiſen. Daß die Ritter ſelbſt viel fangen, gebt aus
Ulrich von Lichtenfteins Zrauenbienft hervor, aus bem zwei
Stellen hier beweifenb find (&.-126): „Sanft ritt ich
durch die Straßen und hundert fhön gekleidete Ritter ritz
ten mit mir auf fchönen Pferden, fie fangen und waren
froh 5" dann (S. 233): „die Lieb wurden viel gefungen
und dabei mancher Tioſt sitterlich geritten. "Daß aber
auch bie Knappen fangen, dis zu freundlicher. Botichat
134 weiter Abſchnitt. Ritterleben.
gebraucht wurden, geht wieder aus dem Ulrich von Lich⸗
tenſtein hervor, wo es (S. 60), als Ulrich ſeinen Boten
mit Liebesbewerbung an ſeine Frau geſendet hat, ſo heißt:
„Er hat euch Lied durch mich hergeſandt, die ihr gern
hoͤren ſollt, denn fie find gut, fie werben euch fröhlich
machen; bie Worte find gut, die Weife iſt neu; er bat
mich, daß ich fie euch fingen follte; nun hört nur,
ich kann bie Lied,
Vornehme rauen hatten reiche Bedienungen an
Kammermaͤdchen um fih. Die kurz vorher angeführte
Stelle von Wolf Wolfhart zeigte, daß bie Derzogin von
Baiern drei Iungfrauen wenigftens zu ihrer Bedienung
hatte, und es mögen wohl noch weit mehr gewefen feyn.
Manchmal warb bei diefen Dienerinnen nicht fowohl auf
Schönheit und Anmuth gefehen, fondern auch auf Sonder:
barkeit. Go hatte die eben erwähnte Herzogin von Baiern
ein feltenes Muſter bei fi, nämlich: „die Jungfer Bars
bara, ihre Zofe, die einen langen Bart hatte, von Natur
"wie ein Mann.” Ulrich von Richtenftein verräth uns nicht,
wer feine ‚Beliebte war; aber daß es eine vornehme Frau
gewefen feyn muß, bad geht aus ben Verficherungen ber:
vor, die er felbft von ihrer hohen Geburt giebt und die
fie auch immer wiederholt, daß es ihe nicht ziemen wärbe,
ihre Liebe auf einen Mann, der nicht hoͤhern Standes, als
Ritter, fey, zu wenben. Als fie den Ritter heimlich em⸗
pfängt, wie wir oben bereits gefehen haben, ftehen acht
Srauen bei ihr zu ihrer Bedienung. |
Die Einrihtumg bed häuslichen Lebens war bamals
unendlich einfacher, ald jest, Sieht man bie alten Burg:
6. Abtheil. Die Frauen ber Rittergeic x. 495
truͤmmer an, fe begreift man oft nicht, wie in dem alten,
meift Eleinen Gemäcern, nur unterbrochen von einigen
übergroßen Stuben, ein fo großer Hausftand Raum haben
konnte; nur einige große Burgen machen bavon eine Außs
nahme. Die Herrfchaften lebten damals mehr mit ihren
Untergebenen zufammen; gemeinfame Räume umfchloffen
fie alle, fie theilten die Freuden und Bebürfniffe bes Haus
ſes mit einander, fo wie bis zur Mitte des vorigen Jahr⸗
hunderts felbft in den mittlern Ständen noch eine-gröe
Bere Vereinigung herrfchte.
Daß bie Frauen Schmud. der Kleibung liebten, das
haben ſchon Schilderungen der Abtheilung uͤber die Klei⸗
dung der Ritterzeit gezeigt. Auch Ulrich von Lichtenſtein
ſpricht (S. 123) Davon, indem er ſagt: „Jegliche Frau
hatte den Neid, daß ſie ſich beſſer, als die andere, kleiden
wollte; denn Frauen moͤgen jung oder alt ſein, ſo haben
ſie gern viel Gewandes; will es auch manche nicht gern
tragen, ſo freut ſie doch der Beſitz, daß ſie nur ſagen
kann: wenn ich wollte, ich koͤnnte mich wohl viel beſſer
kleiden, als dieſe und jene.“ Darum erſchien es in den
ſpaͤteren Zeiten auch nothwendig, durch Aufwands⸗Geſetze
und Kleider⸗Ordnungen die zu große Pracht, beſonders
außer den Haͤuſern und bei feierlichen Turnieren, zu hem⸗
men, wie wir bereits oben geſehen haben; und ed warb
daher feſtgeſetzt, daß eime jede Zrau oder Sungfrau zu
ihrem Schmud nicht mehr, als vier Röcke oder Kleider von
Sammer ober geflidte, haben dürfe. Und zwar follten dar⸗
unter nur zwei von Sammet, oder bem Sammet gleich,
die übrigen aber möchten fo ſeyn, wie fie die Alten als
— — —— — ——— ———
436 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
fuͤr den Adel ziemlich und wohlanſtaͤndig hergebracht haͤtten.
Welche Frauen aber dieſes nicht halten, ſondern eine grö⸗
Bere Anzahl Kleider beim Turnier brauchen würden, bie
follten von der Ritterfchaft, den Frauen und Jungfrauen
verachtet, des Vortänze und Vertheilung ber Turnierdaͤnke
beraubt ſeyn. Sollten aber unter den Frauen und Jung⸗
frauen einige feyn, die feine folchen koſtbaren Kleider, bez
fonderd Beine von Sammet hätten, bie. follten dennoch
nach ihrem Stande zu Ehren gezogen werben. Diefe Stelle
ift auch ſchon ausführlicher, mit andern Geſetzen verbunden,
in der Abtheilung von den Turnieren angezogen worden.
Im haͤuslichen Leben gingen nun zwar die Frauen
und Männer. einfacher, doch mag beim Eintreffen von
Gäften, erwarteten oder unerwarteten, wohl immer eine
größere Pracht geherrfcht haben. Schon darin fehten ges
wiß Einige etwas, daß fie ihrem Gafte bei feiner Ankunft,
wenn er feine Rüftung oder Reiſekleidung verlaffen hatte,
einen beſonders reichen und fhönen Mantel, oder ein fol:
ches Oberkleid uͤberreichen ließen, worein gehuͤllt, er ſich zu
ihnen ſetzte, und wir haben davon auch bereits oben mehre
Beiſpiele gehabt. Das Geraͤth in den Stuben war meiſt
wohl einfach, oder wenn es reicher war, ſo zeichnete es
ſich durch innern Werth beſonders aus. Wie zum Beiſpiel
reiche Stoffe, welche zu Teppichen uͤber die Fußboͤden, a
über die Tiſche, uͤber die Ruhebetten oder zu Vorhaͤngen
genommen wurden; und beſonders moͤgen wohl meiſt
allenthalben in den Schlafzimmern die Betthimmel aus
ſchoͤnen und ſchweren Stoffen beſtanden haben. Dann er—
freute ſich die damalige Zeit, die Geraͤthe zum Eſſen und
6. Abthell. Die Frauen' der Ritterzeit m. 4137
Trinken, die Gefaͤße, in welchen vor und nach dem Eſſen
das Waſchwaſſer gereicht ward, von Silber zu haben,
und ſo waren ſchwere, ſilberne, oft vergoldete Kannen,
Schuͤſſeln, Waſchbecken u. ſ. w. gewiß in ben: Haͤuſern
und Burgen der Reichen gewoͤhnlich und beliebt. Wenn
Died nun auch alles einen bedeutenden Aufwand erforderte,
fo wurde ex doch dadurch verringert, daß folche Geraͤthe
meiftentheild für bie ganze "Lebenszeit, ja oft noch für
Kinder und Enkel ein werthes, mmoeruußerlches Beſitz⸗
thum blieben.
Die Werke des Mittelalters geben uns bin und mies
der Nachrichten non ber Art, wie die Zimmer der Burgen .-
ausgeſchmuͤckt und mit welchen Gerdth fie verfehen waren.
Davon fpricht auch Ulridy von Lichtenflein (8. 160), als er
beimlich feine Geliebte befucht, und dies eine Beifpiel möge
genügen: „Sie faß auf einem Ruhebette; auf dem lag von
Sammt eine Madrage, darüber zwei feidene Leiladen,
darauf lag ein herrliches Deckelaken, auch lag da ein Töfl«
liches Polfter und zwei wunnigliche Kiffen, dad Bettge⸗
ruͤſt ſah man nirgend herborfcheineh, ‚und manch guter
Teppich war fein Dach; zu den Füßen am Bette brannz
sen zwei große Licht auf zweien Kerzflaln, und an ben
Wänden hingen wohl Bundert Licht." Die Wohnungen
in ben -alten Burgen hatten alle dicke und fhwere Mauern,
aber meijt waren boch weite Fenſter darin angebracht, in
benen an ben ‚breiten Fenſtergewaͤnden Sige waren, ent
weder von Stein eingemauert, ober von Holz; baran ges
fhoben. In dieſen Zenftern faßen oftniald Ritter ‚und
Brauen, um die weite Gegenb zu uͤberſehen und bie Friſche
— — — — — — — —
138 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
der Luft durch die geöffneten Kenfter zu genießen. Da
lag denn gewöhnlich” auf diefen Baͤnken (Parz. V. 692.)
ein weiches Bette und darüber meift noch ein härteres
Kiffen, oft prachtvoll von geflepptem Sammet.
Im haͤuslichen Leben herrfchte, nach allen Anzeigen,
das Du vor, die Gatten und Kinder nannten fi fo, und
bie Diener und Dienerinnen wurden wohl. meift ebenfalls
mit biefem Worte angerebet. Dagegen bebienten fi
diefe legtern gegen ihren Herrn und ihre ‚Herrin des
Wortes Ihr, und dies ift auch bad gewöhnliche Wort,
welches alle Stände in ber Unterrevung mit einander ges
brauchten. Das Du trat.in vertraulichen Gefprächen wohl
ein, bann aber auch, wo dad Vertraulichere auf fpöttifche
Beife gebeuchelt ward, wie z. B. Ottokar Hornek bei
einer Verfammlung aller Edlen Deſterreichs erzähltı als
Albrecht, Herzog von Defterreich, ihre Hülfe gegen König
Andreas von Ungarn heifchte, und alle begierig waren,
wieviel ber Abt Heinrich von Admund wohl Mannen ftellen
würbe, da fagte Buchheimer zu ihm: „Heinrich, laß dich -
gegen Defterreich durch den Bifhof (von Sekkau) nicht
ausſtechen.“ |
Wenn wir in dieſer Abtheilung alles zu betsachten
gefucht haben, was Ehe und Liebe der Ritter betrifft, fo
müffen wir bier wohl noch von einer Einrichtung fprecen,
die für jene Zeit überaus bedeutend war und auch für
bie unfere immer noch als einzig und merkwuͤrdig erſchei⸗
nen muß, Dies find die Minnegerichte, Liebesgerichts⸗
böfe, Cours d’amour, In Deutichland erfcheinen fie
nicht; fie find eine rein franzöfifche Spitz findigkeit in
⸗
6. Abtpei. Die Frauen der Ritterzeit ıc. 139
Unterfuchungen über bie Liebe; aber eine Neigung der
Deutfchen eben bahin zeigt ſich doch in ihren Gedichten,
in mannichfacher Betrachtung und Entwidelung einzelner
Bragen uͤber Liebe felbt, über Ausübung der Pflichten,
die in Wett: und Kamıpfs Gefprächen erörtert werben, fo
daß das, was in Kranfreich vor einem wirklichen Gerichts⸗
hof verhandelt ward, bier nur von einem Dichter aufges
worfen, unterfucht und entfchieden wird. Die Liebeshöfe
in Frankreich blühten in den Ritterzeiten; fie waren mit
ben wibigfien Köpfen jenes Zeitalters beſetzt und konnten
als eine Schule der bamaligen ſchoͤnen Geiſter Frankreichs
angefehen werben. Auch in Italien fanden fie Statt und
bießen dort: Parlamento oder Corte d’amore, und bie tief:
fimigen Gedichte der ditern italienifchen Dichter zeigen,.
wie bemuͤht fie waren, alle Abgründe und leiſeſten Veraͤn⸗
derungen ber Liebe zu durchforſchen. Nicht immer waren
fie bloß ein tändelndes Spiel, wie die Meiſten angenoms
men. haben, fondern im nörblichen Frankreich waren fie
zumeilen in einem recht eigentlichen Sinne Gerichts hoͤfe,
indem über wirklich vorgefallene Liebeszaͤnkereien das Recht
gefucht und Urtheil gefprochen wurde. Die mannichfach-
ſten fruͤhern Unterſuchungen, die oft nicht: mit bebeutender
Gruͤndlichkeit gemacht wurden, und wobei einer immer fi
zu viel auf den andern verließ und neue Unterfuchungen
nicht anftellte, werben durch ein Werk Überboten, welches
die grünblichften Nachrichten ertheilt, und dies führt den
Xitel: Roland Recherches sur les prerogatives des Da-
mes chez les anciens Gaulois, sur les Cours d’amour,
440... : Bmwektee Abſchnitt. Ritterleben.
sur les privileges des ‚meres nobles etc. Paris,
1788. 8 *). |
Was die innere Einrichtung biefer Liebeshöfe betrifft,
fo giebt dariber am beften eine Hekbfchrift Nachricht,
welche im Jahre 1727 gefunden ward, von ber fich Aus⸗
züge T. VIEL der Memoires de. Pacadômie des Inscrip-
- tions finden. Einige Schriftiteller "haben behauptet, daß
der cour d’amour von dem cour amoureuse verſchieden
fey, daß jener wirklich ernfthafte Liebesfragen entfchieden
hätte, und daß biefer, ber erfi unter Karl VI. von Frank⸗
‚reich um's Jahr 1387 entflanden feyn fol, nur den Iwed
gehabt hätte, die ernfthafteften. Dinge Iächerlich zu machen.
. Die dafür angeführten Gründe find Teinedweges ald ent»
ſcheidend zu betrachten, und beibe gehen gewiß in einander
über, da es ganz bem fpätern Zeitgeiſt angemeflen war,
dasjenige, was im früherer Zeit mit Ernſt umd Strenge
betrachtet wurde, in ber fpätern in's Lächerliche zu ziehen
und einen Scherz damit zu treiben, ber auch oft. nahe
genug liegen mochte. Nach. ben eben bemerften Hands
fchrift waren viele Abtheilungen von Beamteten bei dieſen
Höfen; und da- hier gerabe ein beftimmter Liebeshof in
ber Handſchrift beſchrieben wird, fo find immer die Namen
*
+) Die neueſten, in. Deutſchland erſchienenen Unterfuhungen haben
durch einen Zufall hier nicht benust werden können, und leider
muͤſſen wir uns in biefem Augenblide begnügen, nur ben Titel
anzuführen: Die Minuehdfe bes Mittelalters und ihre
Entſcheidungen oder Ausfprüäde. Gin Beitrag zur Geſchichte
bes Ritterwefens und ber romantiſchen Rechtswiſſenſchaft. 8.
Leipzig, 8.4. Brockhaus. 1821. 1 hir. 12 Or,
6, Abtheil. Die Frauen ber Nitterzeit x. 14
der Perfönen, welche bie Wuͤrde bekleideten, angeführt.
Der Anfang der Handſchrift fehlt; daher laͤßt fich. nicht
ſagen, welche Würde die .erfie Abtheilung bekleidete, aber
ba wir in ihr die Namen der erflen und vornehmſten
Derfonen Frankreichs finden, fo läßt ſich vermuthen, daß
diefe Abtheilung die erfte. Stelle in ‚dem Gerichtshofe eins
nahm. Darauf famen 2 Grands Veneurs de la Cour
(Oberhofiägermeifter), denen 188 Minnegerichtd = Regiftra:
toren (Tresoriers de chartres et registres amoureux)
folgen. Die meiflen derſelben haben den. Zitel eines
Ecuyer. Dann folgen die Auditeurs de la Cour amon- .
reuse. (Unter den Namen, welche hier ermähnt werben,
findet fich ein Doctor der Theologie, einige Domherren von
Paris, Tournai ‚ Sambrai, Saint⸗Omer, und verſchiedene
Darlamentöräthe.) Die naͤchſte Abtkeilung beficht aus 59
Chevaliers d’honneur, als Räthen des Hpfes der Minne
(Conseillers de la Cour amoureuse), welche ſaͤmmtlich
Edelleute waren. Dann folgen 52 Chevaliers tresoriers
de la Cour amoureuse, wo unter die Adlichen ein Wechs⸗
ler aus Zournai und ein anderer Bürger ebendaher ges
mifcht ifl. Demnaͤchſt 57 Maitres des requetes de l& cour
amoureuse, meiftend Kammerräthe, Münzwardeine, Kafs
firer, Geheim Schreiber, Chorherren, Doctoren und Ad⸗
vocaten. Schreiber der cour amoureuse waren 32. Dann
kamen 8 Gehülfen des General = Procurators (der in dem
verlorenen Theil der Handfchrift erwähnt feyn muß), laus
ter Geiſtliche. Hierauf folgen 4 Concierges des jardins
.et vergiers amoureux, zulegt 10 Veneurs de la cour
"amoureuse, meiftend Haͤſcher und Gerichtsdiener.
142 gZweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Frauenzimmer finden wir gar nicht hier erwaͤhnt, und
doch geht ihr lebhafter Antheil an dieſen Liebeshoͤfen aus
einer Menge anderer Nachrichten auf das deutlichſte her⸗
vor. Vermuthlich waren ihre Aemter und Würden auf
den erflen, verloren gegangenen Blättern der Handſchrift
verzeichnet. Ohne Zweifel finden wir auch aus eben ber
Urfache den Präfidenten ber Cours d’amour nicht benannt,
den man Prince d’amour nannte. Moreri fagt von ihm
in feinem gefchichtlihen Wörterbuche unter Troubadour:
„die Stelle eines prince d’amour wurbe jährlich neu bes
fegt. Der König Richard, der König Alfons von Arras
gonien, ber Dauphin von Auvergne, ber Graf von Pro⸗
vence und andere große Hetren mwechfelten darin mit eins
ander ab." ja Art und Weiſe, wie bie Streitigfeiteg
vor biefem Gerichfähofe geführt wurden, erhellt unter An⸗
dern fehr deutlich & \ bem Arr& d’amour, wel zum
Vortheil Wilhelms Cabeſtaing erlaſſen me, und
deſſen weſentlicher EN, am beften ald Mſpiel dienen
wird. „Der. Junker fang tußerhalb der Ecranken; eine
Dame verrichtete das Akt Ne *9. bieners, Nachdem
fie ihn dreimal gerufen hatte‘, Kaby ihn eine anbere bei
der Hand und fagte zu ib dem fie ihn einführte:
„Edler Zunker, laßt eure Ggf vor den Schranken,
babt bei den Frauen Feingfander: N affen von nöthen, als
eurer HöflichPeit und, Artigkeit; zeigt mur ein wenig Be-
gierbe zu gefallengfmüßte einer ja le, Herz, noch Blut,
noch Augen en, der nicht begterig vg % ben Grauen zu
gefallen," Als er in ben Kreis trat, WIRb er auf der
Seite der Ritter ſtehen; num ward gegen hn von ber
6, Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit «. 143
Brau Eleogoxg und. dann von der Dariolette Kg ges
Mgtte bedeutet in der Sprache der Kitter⸗
fchaft Kammer, fo’ wie der Ehemann ber au, die
einen Geliebten Ya, immer unter dem Namen.bes Dan-
gier vorkommt, wär peinlich von danger, Gefahr.) Er
erröthete, denn er Ya, ein unfchuldiger Zängling. Er
mußte nicht, wie er fig dertheidigen ſolltez denn er fuͤrch⸗
tete, die liebenswuͤrdige dund zierlich gefuͤgige Rechtsver⸗
fammfung zu beleidigen. gr gerkte night, daß fein Handel
einer von denen war, bei ‚eiepeöhof gewählt hatte,
. um fih zu unterhalten; (Bier AS dieſer gelegentlichen
Aeußerung folgt, daß auch einſiche Händel: vor dieſem
Gerichtshof entſchieden wurden.)E Eräbegehrte daher einen
Mechtöbeiftand. Es wurde i N „geftäktet, fich denfelben
aus feinen Richterinnen au fuck, ha ſich der
edlen Margaretha von Tgfascon, Ini vor ihr nieder
und reichte ihr ſeinen Hañdſchuh. u Vihrgaretha nahm
ihn erröthend, erhob ſich von ihrem Sun d ſtellte fich
neben den Junker. Nachdem die Verthlbigurtägrede geen⸗
biegt war, fagte ihm ein Gerichtsdiener Ne ds er3
laubt euch, euern Mechtsbeiſtand auf die ge — kuͤſſen.
Er ließ ih dies nicht zweimal wiederholenk Reumund,
der Gemal der Margaretha, wollte dagegen Mecfägülfe
ſuchen; maß antwortete ihm nur durch ein jemöne
Gelaͤchter. Der Junker ging nun zu allen Rid nen
und kuͤßte einer jeden die Hand.“
„Ghen wollte das Gericht den Ausſpruch chun, "ars
ein Maffe hereinkam, den Cabeſtaing mit gebundenen
Händen batte herflihren laſſen, ba er von ihm betroffen:
!
1446 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
worden war, als er einem ſchoͤnen Bauermaͤdchen Gewalt
anthun, dollte. Der Pfaffe verklagte ihn als Ehrent uber
bes X Cabeſtaing widerſprach dem nichk, aber
das Maͤdchen ſagte: Edle Frauen, nichts hat mir Br ſchoͤne
Junker geräußt, Ich felbit habe ihm alles gägeben und
wäre faſt beic geweſen, haͤtte er nicht dee nehmen
wollen; hätte bas gefuͤrchtet, es geſchaͤhe au⸗ Verachtung.
Das Maͤdchen wär fp reizend, bie Entfepulbigung fo buͤn⸗
dig; kurz, Frau ehe, die ſeelengut war, ſprach
den Schuldigen frei. Aun wurde zum: Ausſpruch in ber
Hauptfache gefchritten. , Daß Gericht gebot Stillſchwei⸗
gen und Eliſe von Zurchon Praͤſidentin des Liebeshofes,
ſprach -felgendes Urtheil ad: Nichts iſt ſtrafbar in eurem
Handel, ſchoͤner Junker, habt gethan, was ihr gewollt
mit Dariolette, habt nicht ußt, was ihr der Frau
Eleonore ſchuldig waret, habt tgelhan, was die Gelegen⸗
heit mit ſich brachte mit dem Bauernmaͤdchen. Der Hof
fpricht euch los ‚und trägt: zuch auf, Nicht mehr fo ſchuͤch⸗
tern, fondern artiger zu fein gegen, de Frauen, und bei
und bie Gefege der zierlichen Sefügfgtok (Salanterie) zu
lernen. Der Pfaffe fol Ioögebunbin werden und ſein
Paternoſter beten. Trefft ihr ihn wieder kei einem Maͤd⸗
chen an, fo ift es euch geflattet, ihm bie Aafe abzubauen.
Seined Gleichen find beſtimmt, Gott zu pi
von unſern Sünden los zuſprechen.
Die Laitigkeit, ja Verberbtheit ber
biefem ganzen, vor einem Liebeöhofe gefüh |
hervorgehen, bedürfen Feines Nachweiſes.
»
6. Abtheil. Die Frauen der Ritterzeit x. 145
fondern eine;
fonnten, was
Joch größere der Frauen, welche vertheidigen
uͤchtigkeit und Sitte bis in?s Innerſte
verletzte. Und die elloſigkeit war nicht. etwa in den
Herzen und Gefinniihgerfginzelner verlargen, ſondern fie
wagte es fogar ſich Kent auözufprechen, ja durch
einen feierlich und foͤrmlich efprochenen Rechts beſcheib
als etwas gar Guͤltiges ib eier fi fi hinzuſtellen. Ins
deſſen tft auch nicht fu fi Aberfehehh, * der eben erzaͤhlte
Rechtshandel guf Linem zu Paris | ee Minnegericht
be Aufhören der
ichte faͤllt, wo fie gewiß —* 1 Stoßer Entars
tung‘, wie bie ganzen Sitten, waren. N“, nf
Aus- n fließt. man,
daß es der Cour d’amour an nichts fehlte, was zu einem
ordentlichen Gerichte gehörte: Die Anftelung der Häfcher
und Gerichtödiener beweift, daß die Schriftfteller recht
haben, welche bejaupten, man habe wohl gewußt, felbft
firenge Rechtöfprüche, die einmal ergangen waren, zu bes
haupten und in Wirklichkeit zu. feßen. Aber sein noch
beutlicherer Beweis, daß fie wirklich als feſtſtehende Gerichts⸗
höfe betrachtet wurden, ift, daB Serichtöfporteln von dem
verlierenden Theile gezahlt werden mußten; und bamit hat
auch daB fogenannte droit de Pelotte in Frankreich Zu:
fammenhang, welches in einer Abgabe beftand, bie von
ben zur zweiten Ehe Schreitenden, zur Strafe ihrer Uns
enthaltſamkeit und Untreue, und von folchen, die fi) mit
. Bremden verehelichten, bezahlt werden mußte; und das
ganze Streben biefes Geſetzes zeigt auf eine Entftehung
aus Befchlüffen ber Minnegerichte hin, -
19
146 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Auch die Orte, an welchen in Frankreich Minnege⸗
richte gehalten worden ſind, wurden uns noch zum Theil
aufbehalten. Noſtradamus ſpricht von einem zu Pierre-
feu unb einem andern zu Signes, unb nennt fogar bie
Srauen, welche zu Ende des 12. Jahrh. dabei den Vorfitz
führten. Dann waren welche zu Lille und Paris, und
fogar zu Avignon wurde zu ber Zeit, als die Päpfie da⸗
feloft Ihren Hof hatten, eine Cour d’amour gehalten. —
Bann bie Minnegerichte eigentlich aufhörten, läßt fich
nicht genau beflimmen, es ift aber zu vermuthen, daß fie
fi nach dem Berfehwinden der Zroubabours nicht lange
werben erhalten haben; denn biefe Sänger waren «8,
welche ihnen am meiſten Leben und Bebeutung gaben.
Auch befonders die Einführung eines fremden Rechtöwes
fens, des römifhen, mußte bie Liebeshoͤfe, die fich auf
heimifche Rechtseinrichtungen bezogen, immermehr zurüd»
drängen; doch geht auch aus einigen Zügen hervor, daß
fie noch im 415. Jahrh., wenn auch nur ſchwach, vorbans
ben waren. Späterhin hat man noch verfucht, fie wieber
im Einzelnen barzuftellen, und ber Prince d’amour findet
fih noch im 47. Jahrh. wieber erneut.
Als feſtes Zeichen der Minnegerichte blieben uns die
Ausſpruͤche derſelben, bie Arr&ts d’amour, von been ed
mehre Sammlungen giebt. Wenn auch diefe Rechts⸗
fprüche fchwerlich in diefen Gerichten aufgezeichnet wurden,
fo hatten fie doch viel zu viel Anziehendes, als daß nicht
ein und ber andere Zheilnehmer oder Betheiligte fich davon
etwas aufgefchrieben haben follte, zu feiner oder feiner
Sreunde Erinnerung; und die Troubadours fammelten aus
6. Abtheil. Die Frauen ber Mitterzeit . 447
folchen alten Schriften die verfchiebenen Streitigkeiten,
welche zwifchen Verliebten vorgefallen” waren, und bie
Urtheile, woburd fie entfchieven wurden. Daraus ent⸗
fanden benn die Sammlun auch gebrudt ers
ſchienen und in viele Sprodgmesfest wurden. Hiervon
ift auch eine beutfche Leber orhanden, welche Chris-
flophor Freiherr von Aretin unter der Auffchrift: Ausfprüche
bes Minnegerichte, 1803 zu Münden herausgab. Er
ſetzte ihnen noch, aus alter Handſchrift, eine Erzählung
voraus: wie ein Ritter am Hofe bes Königs Artus die
Geſetze der Minne fand, welche ihre Erdichtung Har und
beutlich an ber Stiene trägt. Die darauf folgenden Ges
feße der Minne und Liebe dagegen tragen fchon einen
größern Glauben ber Wahrhaftigkeit in fi. Jene Erzähs
Iung laſſen wir daher auch auf fich beruhen, und aus ben
Geſetzen fcheinen nur einige zur Probe eine Anführung zu
verdienen:
Niemand mag ſich von ber Liebe entnehmen und
Davon rechtlich fpeiden. — Die Liebe mus allweg wach⸗
. fen ober abnehmen. — Wenn ein Lieb zwei Jahre ohne
Buhlen ift, das ift wider die Buhlſchaft. iinfehuniikiet .
mag ud mnbl-beu „ltich —
—— — Niemand ſoll feiner Lieb’.
und Minne ohne Urfach beraubt werden; — Niemand.
mag recht lieb haben, bann wo ihn fein Herz und Minne
binteögt. — Liebe mag bei Seizigfeit nicht wohnen. —
Es fol niemand minnen, noch lieb haben, deſſen er
| 10*
‘
%
4148 Zweiter Abſchnitt. Ritterlebe n.
Schande hat. — Die geöffnete weit erſchollene Minne
mag gar felten Yang währen, (darum fuchten bie Rıfter
auch heimliche verborgene Liebe und waren bemüht, ben
Kamen ihrer Geliebtc a Selt zu verhehlen) — Wer
wird bald verfhmäht. —
. — Frömmigkeit allein
Yeichtlich gewährt, d
Neue Liebe : vertreibt
macht die Liebe wuͤrdig. — Ein rechter minnefüchriger
Buhle ift allmeg forgfältig. — Da iſt rechte Freude,
wo Liebe mit Liebe bezahlt wird. — Ein rechter Buhle
meint, daß nichts beflerd fei, denn daß er feines Liebe
Willen thue. — Ein klein wenig Argwohn macht in der
Liebe miödenten. — Einen rechten minnefüdhtigen Buh⸗
Ien duͤnkt allmeg, wie feines Liebs Geſtalt vor ihm ſtehe.
— Einer Frau ift verboten zwei Lieb, und einem Mann
find verboten zwei Frauen zu Buhlen. —
Zur Probe mögen nun bier auch noch einige Aus:
fprüche der Minnegerichte ihre Stelle finden: Von zwei
Buhlen, deren einer dem andern in allen Sachen gleich
ift, denn allein im Gut, welcher aufzunehmen iſt? Es
waren zween Buhlen, deren einer bem andern in Sitten,
in Zugend und in aller Ehrbarkeit ‚gleich war, allein,
daß ihre Gut ımd ihre Haab’ ungleich war. Nun magf
du fragen, welcher fei einer werthen Frauen aufzunehmen?
Darum gefchah ein Urtheil, welches bie Gräfin von Cham:
panien gefprochen bat. „Es wär’ eine ungleidde (ums
rechte) Sache, follte Reichheit und But wohlgezierte Sit:
ten und Tugenden übertreffen. So wäre auch unziemlid,,
daß ein wohlgezierter reicher Mann follte der Armuth
nachgeben und folgen. Und barum ifl die Frau reich und
6. Abtheil. Die Grauen ber Ritterzeit wc. 149
bat viel Gut's, um bie fie beibe buhlen und werben, fo
fol und mag fie den Armen nehmen, und den Reichen
ausſchlagen; denn es iſt ihr. ehrlicher und ziemlicher, denn
daß fie den Reichen aufnehme; want ed fol und ift Fein
Ding den Leuten als (alfo) fchwer und leid, benn fo ein
bied’rer armer Mann mit Armut verbunkelt und verkürzt
üiſt, oder Armut erduldet. Darum wird die Reiche billig
gelobt, wenn fie ihn ninimt, und den Reichen fallen läßt,
denn mit ihrer Reichheit mag fie bem Armen helfen; denn
es iſt nichts, das Weiber und Männer in Buhlfchaft fo
hoch ehrt und preifet, denn fo jegliches dem andern mit
allem feinem Vermögen in Nothdurft hilft und beifteht.
Mär’ aber, die Frau litte Armut, fo nimmt fie billig
auf die Liebe des Meichen, denn, fo fie beide Geliebte in
Armut Schwimmen, fo wirb ohne Zweifel ihre Liebe nicht
‚ Tange währen; denn Armut verfchämt alle gute Leute,
und bringt fie viel in erufiliche Sorge und Gedanken; und
in dem Schlaf fo betreugt Armut und Unmut fo fehr,
daß fie rechte Lieb’ und Minne vertreiben thut.“ J
Ein anderes Beiſpiel entſcheidet die Frage: „ob einer
rauen ziemlich fei, einen neuen Buhlen zu nehmen, wenn
fie in zwei Jahren Beinen Brief noch Botſchaft gehabt hat,
fo ihr Buhl’ vom Lande iſt geritten? Es war eine Tran,
vie hätt’ einen Buhlen, ber nun lang’ über Meer aus
gewefen war, daß feine Wiederkunft niemand mehr hofte;
die fuchte ihr einen anbern Buhlen. Nun hatte der erfle
Buhler einen geheimen Diener, berfelbe verbot ihr, daß
fie nicht einen andern Buhlen begehren noch nehmen folte,
wann ihm was faft leid um feinen Herrn, Die Frau
"410 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
wollte feinem Rath nicht folgen, und befchämte fich mit
dieſen Worten: Seit einer Frauen ziemet, daß fie in zwei
. Sahren nad ihres Manned Tod mag einen andern Mann
nehmen, fo ziemt es baß einer Frau, die ihren Buhlen
verliert; denn fo ich doch in zwei Jahren nie Boten noch
Brief gehabt habe, und doch der Boten genug find gewes
fen, bie es wohl gethan hätten. Da aus diefen Sachen
viel geredet war, fo gingen fie Binter bie Gräfin von
Champanien. Die entfchieb diefen Krieg mit einem fols
hen Urtheil und fprach: die rau thut nicht recht, ob fie
ihren Buhlen verleußt (verfchmäht) und ausfchlägt, darum,
daß er lang aus iſt, fie wäßte dann, daß er ihr die Freue
gebrochen hätte; denn fo ein Buhler von feiner Noth
wegen, ober von Bitterfchaft wegen fo lang aus iſt in
fremdem Lande, und fi da befleißet, feiner Frau zu
‚ dienen, wie mag ihr größere Lieb’ und Freude gefcheben,
oder wenn fie weiß, baß er ift bei frommen Leuten. Ja,
‘fie mag wohl fpredhen, ich habe auch einen Diener bei
. biefen Sachen; wenn *), daß er weber Boten noch Briefe
gefandt hat, das mag ihm zu großer Weisheit geſchaͤtzt
werben; benn feinem Fremden ziemt dee Minne Geheim⸗
niffe zu ſagen; denn hätt’ er Briefe gefandt, die möchten
durch Tod des Boten in eine fremde Hand gekommen
fein, womit die-Geheim ber Liebe geöffnet worben wären.”
Eine dritte Brage und Entfcheibung. ifl: „ob eine
Srau ihren Buhlen ausfchlagen möge, wenn er im. Streit
feiner Glieder eines verloren hatte? Es geſchah auch eine
*) benn,
6. Abtheil. Die Frauen ber Ritterzeit ıc. 151
ſolche Irrung in der Liebe, da ein Ritter vitterlich im
einem Streit verlöre ein Aug’ oder eine Hand, ob er billig
von ſeinem Buhlen verworfen und ihm Freude und Luſt
verſagt werde. Dawider iſt die Fuͤrſtin von Narbon mit
ihrem Urtheil und ſprach alſo: Die Frau iſt aller Ehren
unwerth, die ihren Buhlen darum verſchmaͤht, daß er im
Streit ſeiner Glieder eines verloren hat, und ein klein
(wenig) ungeſtalt iſt; denn doch Mannheit und harter
Streit darum von Maͤnnern getrieben wird, daß ſie die
Liebe damit mehren und innbruͤnſtig machen, denn ein
rechter maͤnnlicher, unverzagter Mann mag keinem Weib
misfallen. So ein hübfcher Ausgeſtrichener (ein hüͤbſch
Gebildeter) ein Zag' (ein Verzagter) iſt, der niemand und
keiner ehrbaren Frau behagen mag, warum ſollte denn die
Sache, die von Mannheit kommt, die Liebe mindern, ſeit
doch die Mannheit der Liebe Siegel iſt?“
Das vierte und legte Beifpie| enblih, bad hier ans
zuführen ift, befagt zugleich dasjenige, was die Liebenden
einander fchenkten, und lehrt außerdem, wie fie fich heim⸗
lich vor aller Welt verborgen Kalten follten mit ihrer Liebe:
Es heißt: „Was Gab’ und Kleinod ein Lich von dem
andern glimpflich möge empfangen, nebſt einigen andern
Vorſchriften. Es warb auch gefragt von der Gräfin von
Shampanien, was Kleinod oder Gab’ ein Lieb von dem
‚andern ohne Schande wohl möchte empfangen. Die Graͤ⸗
fin beantwortete daB alfo: Gin Lieb mag von dem andern
empfangen und nehmen Korallen, Schnüre, Haarband,
Bürgefpänge von Gold oder Süber, Häftlein, Handſchuhe,
Ermelsinge, Büchfel, Spiegel, Gürtel, Beutel, Horn⸗
t
X
152 Zweiter Abſchnitt. Mitterleben,
gefaͤß, Waſchgeſchirr, Kandel, Schreinerl, Panier u. ſ. w.
zu einem Gedächtnis, und daß wir es in einer gemeinen
Rede begreifen: ein Leib mag von dem andern wohl ems
pfangen alle, bad zu dem Leib zu zieren gehört und klein
‚ft; oder wobei ein Leib bed andern mag gedenken, das
mag eined von bem andern wohl empfangen, glimpflid
ohne Schande, und doch, baß ‚darin Feine Geizigkeit ges
fhehe. Doc fo wollen wir, daß alle Minnesfitter lehren:
wil ein Lieb von dem andern ein Zingerlein empfangen
und fragen, fo foll es an ber tenben (linten) Hand, an
dem minnften (mindeften, Heinften) Finger tragen, und
ben Stein des Fingerleins allweg innwärts verborgen
tragen und kehren. Das ift darum, daß die tenke (linke)
Band felten unziemliche oder unflgliche Dinge thut bes
rühren, und darum, daß man fagt, daß in dem minnften
Singer der Tod und das Leben des Menfchen ſei; unb
desgleichen iſt jegliches Lieb dem andern ſchuldig und
pflichtig, daß er fein Lieb unbetruͤbt und unverſehrt laſſe;
ober ob bie Lieb? einander mit Briefen ſehen und troͤſten
wolle, ihre Namen follen darinn nicht fein; und desglei⸗
chen was Geſchicht und Klage vor bie Frauen zu Recht
koͤmmt, ba foll Jedwedes Name verfchwiegen bleiben, fons
dern man fol ed in einer Gemein darlegen und bie ges
fandten Briefe follen nicht mit befannten Sigillen ver
pettjchaftet werben, fondern mit geheimen Sigillen, bie
niemand, benn fie zwei erfennen und bie Boten; alfo
bleibt die Liebe allweg unverſehrt.“
‚Soolcher Beifpiele giebt es nun, auch: außer biefen
Auöfprüchen der. Minnegerichte, eine nicht unbebeutende
6. Abtheil, Die Frauen ber Ritterzelt ıc. 153,‘
Menge; die franzöfifchen Werke ewhalten fie in großer
Anzahl. Die Dichter des alten Frankreichs, die Trouba⸗
dours, nahmen ſolche Streitfragen der Rechtöwillenfchaft
ber Liebe, wie man fie nennen möchte, auch in ihre Dich:
tungen mit auf und gaben ihnen den Namen Jeux-Partis.
In ihnen trägt der Dichter eine Meinung vor, eine zweite
Perfon tritt mit einer andern dagegen auf, Die Frage wirb
durch einige Versſaͤtze gut oder fchlecht verhandelt, dann
kommt eine dritte Perfon und thut ben Ausfprurh, ober
man betrachtet die Sache ald durch den entfchieben, ber
bas legte Wort führt. Einige diefer Jeux-Partis, beſon⸗
ders die aus den jüngern Zeiten, verrathen Die größfe
Unſittlichkeit, andere dagegen bezeichnen wieber eine Rein⸗
heit ber Liebe, die bis zur höchften Schwärmerei gefleigert
if. Es wird nicht am unrechten Ort fepn, bier ein Bei⸗
fpiel in ein paar folhen Fragen aufzuftellen: „Was wäre ”
euch lieber, daß eure Liebſte ſtuͤrbe, ober einen andern heis \
ratete?“ — „Diefer rühmt fi nicht empfangener Gunſt⸗
bezeugungen, jener macht bie erhaltenen befannt — wer
von beiden "verdient mehr Tadel!" — „Wenn ihr mit
eurem Liebchen eine nächtliche Zuſammenkunft hättet, wuͤr⸗
bet ihr lieber bei eurem Eintritt mich von ihr, oder bei
eurem Weggehen mich zu ihr gehen ſehen?“ — Und
diefer Fragen nun giebt es noch viele, gegen welche bie
angeführten noch unfchuldig zu nennen find.
Wenn es auch in Deutfchland Feine Liebeshoͤfe gab, .
fo find doch manche folher Fragen von den Dichtern un:
terfucht und behandelt worben, indeſſen nie mit folcher
Ausbehnung, wie in Frankreich; nie warb in Deutſchland
N
154 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
das ganze Verhaͤltniß fo auf die Spitze geſtellt, wie dort,
und nie wurbe wahre Liebe und eine rohe Sinnlichkeit fo
ſchroff fi berührend gegen einander geſetzt; wenigftens
findet fi) davon in den auf uns gefommenen Werfen bes
Mittelalters Feine Spur. Eine größere Tuͤchtigkeit, eine
zeinere Sefinnung bewahrte die Deutfchen davor, wenn es
anderer Seits auch wieber nicht an einer größern Derbbeit
fehlte, die zu rohern Thaten hinriß. Diefe Rohheit war
wenigſtens beſſer, als die fchleichende alles vergiftenbe
Zrüglichkeit, welche in Sranfreich nur zu bald die Ober⸗
band gewann, bie fi) in eben ſolchem und in noch ärges
rem Schmuze ber Sinnlichkeit geftel, nur feiner ihre Wege
verbedite. Darum fehlt in den deutfchen Dichtungen bie
fein giftige Mitte, welche ſich in den franzoͤſiſchen Dich⸗
tungen findet, eine hohe, geiftige Liebe fleht flarr und
entfernt von einer plumpen Sinnlichkeit und iſt einer hands
greiflichen Zotenhaftigteit entgegengefegt, bie leiber Statt
findet, aber von der fich der beffere Sinn gleich erröthend
abmendet.
.
⸗
7. Abthell. Gelubde ber Ritter ꝛe. 155
Siebente Abtheilung.
Geluͤbde der Ritter, verbunden mit ihrer Gottes⸗
furcht und Liebe oder aus einzelnen Beweiſen
ihrer Tapferkeit entſpringend.
J. einem Zeitalter, in dem alle Gefuͤhle ſo ſehr geſpannt,
ſo hoch geſteigert waren, iſt es nicht zu verwundern, wenn
man fieht, zu welchen abenteuerlichen, ja verderblichen Uns
ternehmungen fich die Ritter anheiſchig machten; indem fie
bie Ausführung derfelben durch heilige Eide unverbruͤchlich
verfprachen, oder durch ihr bloßes Wort und Verheißen
befräftigten, das ihnen glei) heilig als ein Eid war.
Bir mirffen hier auf den ganzen Stand der religid:
fen und wiſſenſchaftlichen Bildung, fowohl ber Geiftlichen
jener Zeit ald auch der Weltlichen, einen kurzen Blick
werfen. Die einfachen Fertigkeiten des Lefens und Schreis
bens, bie in unferer Zeit jeder, wenn er auch bed nie:
brigften Standes ift, fich zu erwerben fucht, waren da⸗
mals nicht weit verbreitet, im Gegentheil gehörten fie nur
“ zur wiffenfchaftlihen Ausbildung einiger wenigen. So
mußte Ulrich von Lichtenflein oftmals tagelang walten,
ehe er erfuhr, was ein Brief oder ein Büchlein enthielt;
benn ed heißt ©. 33 feines Frauendienfles: „Mein Schreis
ber war nicht bei mir, der mir meine heimlichen Briefe
laß und mir auch bie meinigen fehrieb, davon blieb das
156 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Buͤchlein zehn Tage ungeleſen. Nach der Zeit kam mein
Schreiber, ich nahm ihn in ein heimliches Zimmer und
bat ihn leſen, was da geſchrieben ſtand.“ Daß dageqen
wieder auch viel Bildung bei einzelnen hohen Perſonen
herrſchte, ja daß ſelbſt Frauen ein gelehrtes Wiſſen ſich
zu verſchaffen ſuchten, das weiſet uns die Geſchichte ſchon
in einer Zeit nach, die kurz der Entwicelung des eigent⸗
lichen Ritterweſens vorangeht, indem im zehnten und elfs
ten Sahrhundert es Frauen, und unter ihnen gar Kais
ferinnen gab, bie eine völlig gelehrte Bildung ihrer Zeit
empfangen hatten; und fo werben wir wohl zu bem
Schluß berechtiget, daß hie und ba auch gleiches Streben
noch in ber Ritterzeit, wo eine fo große geiflige und leibs
liche Xhätigkeit und Lebendigkeit herrfchte, waltete. Daß
die Srauen des Leſens und Schreibens kundiger feyn mochs
ten, ald die Männer, ift gewiß; benn Ulrichs Gelichte,
um nur ein Beifpiel anzuführen, liefl die Briefe, welche
. fie von ihm befommt, fogleih und beantwortet fie auch;
und wirklich blieb auch den Frauen im ſtillen haͤuslichen
Leben überaus viel Zeit, um fich in biefen Kenntniſſen
mehr auszubilden, indem bei den Männern die Triegerifchen
und „Kampf = Hebungen den größten Theil ihres Lebens
einnahmen, und die bamit unzertrennliche Ermübung bes
Leibes ihnen, nach Vollendung ber Uebungen, um fo mehr
alle Luft mit andern ernflen Befchäftigungen raubte, Wenn
alfo zumeift bei den Männern, die nicht Geiſtliche waren, -
bie erflen Bedingungen einer willenfchaftlichen Bildung,
Leſen und Schreiben, fehlten, war es natürlich, daß eine
tiefere Entfaltung der geifligen Kräfte ganz mangelte,
7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter ic, 157
Indem aber dagegen wieber bad ganze Leben bedeutend
auf bie Einbildungskraft wirkte, ja alle Zriebfedern der
ganzen Zeit in die erregte Einbildungskraft ihre Wurzeln
fentten, fo iſt ed nicht zu verwundern, daß ih fo viele
ünmuthige, wahre Raturs Dichter unter den: nicht weiter
gelehrt und wifjenfchaftlich ausgebildeten Rittern fanden,
daß fo liebliche Gefänge von ihnen ertönten, bie fie in
&reuem Gebächtniß bewahrten, bis ihre Schreiber fie in
dad Pergament eintrugen, ober fie felbft diefeben ihren
Geliebten und Hausgenoffen fangen. Aber damit konnte
eine große Geifteseinfalt, ein bedeutendes mährchenhaftes
Helldunkel Über dies eigentliche Ziel geiftiger Beſtrebungen
gut beftehen, und fo konnte ber mannhafte Ritter wohl
in einem kindlichen Dunkel, rüdfichtlich höherer Bildung,
wandeln. Be
Bollen wir nun Sinn und Ziel der Geläbbe dama⸗
liger Zeit begreifen, fo ift e8 auch noch nothmendig, wes
ige Blicke auf die teligidfe Denkungsart jener Tage und
auf die gottesdienſtlichen Uebungen ber Ritter zu werfen *).
Ob die Gottesfurcht der, Ritter eine wahre und innige,
ober ob fie bloß eine mehr äußere geweſen fey, wie mans
che Schriftfieller gemeint haben, das möchte doch.jetzt zu
entfcheiven fehr fehwierig erfcheinen. Der Unterricht ber
Geiftlihen mag oft Tau und gering gewefen ſeyn; aber ifl
der auch immer wohl die Hauptfache? Gin freudig Gott
*) a8 hier im vorigen und biefem Gage nur: kan; angedeutet
warb, ift beflimmt, in ber Zolge, wenn einzelne Quellen noch
tiefer haben unterfucht werben können, eigene Ausführung zu
finden. Man erlaube mir daher hier nur eige -Anbeutung.
158 weiter Abſchnitt. Ritterleben.
vertrauendes Leben und Wandeln iſt ein oft mehr beleh⸗
rendes Beiſpiel, als lange und erbauliche Reden anderer
Seits, die mit dem Leben des Sprechenden nicht im Ein⸗
klang ſtehen und oft mehr eine angenommene Form als
eine aus ben. Ziefen des Gemuͤths kommende Ueberzeu⸗
gung find. Was auf dad Aeußere lebhaft wirkte, mußte
bei folchen ſinnlich thätigen Menſchen auch gar leicht eine
innere Wirkung betvorbringen, und bie fromme Ausuͤbung
der Religion mit ber verfammelten Gemeinde wirb wohl
bei den meiften, mehr noch als in unfern Zagen, ihre
Wirkung nicht verfehlt haben; denn ed gab in jener Zeit
nur zu viel Lagen des Lebens, wie in ber unfern nod
fortdauernd, in denen Stimmungen bewirkt wurden, die
wohl aufferberten, einen Blid vom Aeußern ind Innere zu
thun. Gewiſſe tägliche gottesdienflliche Uebungen mußte der
Ritter vollbringen; das legten ihm fchen die Gefege der
Kitterfchaft auf, die er, wie wir gefehen, bei Erlangung
ber Ritterwuͤrde befchwören mußte, und dazu gehörte bes
fonders die Vorſchrift: täglich die Meſſe zu hören. Es
mag wohl nicht an foldhen Rittern gefehlt haben, bie
glaubten, wenn fie die Meſſe gehört, hätten fie ſich mit
Gott abgefunden, um nun vieles zu begehen, was weber
vor göttlichen noch menfclichen Gefetzen beftehen konnte,
und . gegen Menſchlichkeit, Redlichkeit und Reinheit
der Sitten verſtieß. Solcher Veifpiele mag es mehre ges
geben haben; benn auch bad Beſte und Tüuͤchtigſte kann
verzerrt werben, und neben das Tiefe und Züchtige flellt
fi im Leben nur zu leicht das Hohle, Nichtige und Böfe
bin. Bei dem großen Einfluffe indeflen, weichen bamald
7. Abthell. Getübde der Ritter. 159
die Geiflichfeit auf das ganze Leben hatte, gab es immer
wieber andere Mittel, um von folchenLaftern auf einen beſſern
Weg wo möglich zurkdzuführen: eine Pilgerfahrt nad
einem heiligen Orte, wenn die Sünde ſchwer zu fühnen
war, nach Rom oder nach dem gelobten Lande, ein Zelds
zug wiber bie Ungläubigen — biefe Werke hielt man flr
geeignet, große Sünden, ja felbfl Verbrechen zu fühnen,
Bei ben oft ungeheuren Befchwerlichkeiten, denen die Rits
ter ſich dabei unterziehen mußten, mag ed wohl nicht an
Augenbliden gefehlt haben, in denen die Büßenden von
dem Aeußerlichen fich zu dem Innern und wahrhaft wieder
. zu Gott wendeten. Ehe ein ernfllicher Kampf unternom⸗
men ward, beichteten dle Ritter und hörten Meſſe. Die
Zurniere wurden gemeinhin im Namen Gottes und ber
beiligen Jungfrau verfündiger; und baß fie fich beim Be:
ginn diefes Spieles felbft, che fie in die Schranken ritten
und ehe fie ein Lanzenrennen begammen, mit dem Zeichen
des Kreuzes gefegnet‘ haben mögen, wenn auch nur dies
bamald wie jeht, zu einer Angewöhnung unb gelernten
Form geworben, ift gewiß. ‚
Damit nun die Ritter ihren Unternehmungen einen
fihern Erfolg verfchaffen möchten, fo lag ed Iganz im
Seife jener Zeit, daß fie fih burh ein Geluͤbde vers
banden, irgend etwas zu erfüllen, fobald ihr Unternehmen
fo gelingen würde, als fie es wuͤnſchten. Diefe Geluͤbde,
die wir bier kurz betrachten wollen, Tönnte man breifach
eintheilen, in: Geluͤbde der Religion, ber Ehre und der
Liebe, 6
Bu den Geluͤbden der Religion bereiteten fie ſich oft
>
160 weiter Abſchnitt. Ritterleben.
durch Kaſteiungen, durch die Beichte und durch andere
gottesdienſtliche Handlungen vor, und darauf ſprachen fie
dann, kniend, die Hand auf die Bibel gelegt, die Worte
des Geluͤbdes aus, zu dem fie fich verbindlich machen
wollten. Diefe Geluͤbde befanden darin, daB die Ritter
3. B. verfprachen, gewifle heilige Orte, von beren Schutz⸗
heiligen fie fich befonderd viel Hülfe verfprachen, zu be=
fuchen; ihre eigenen Waffen oder die Waffen ihrer über-
wundenen Feinde in Kirchen oder Klöfter niederzulegen;
an gewiffen Tagen zu faflen; u. dgl. Ober fie machten
fih auch anheifhig: wenn fie einen feſten Platz glüdlich
vertheibigt, eine Heflung eingenommen, oder das Feld vor
dem Feinde behauptet haben würben, gewifle Bußhbungen
zu verrichten. Hierzu bieten die Rittergeſchichten alter
Zeit, fowohl die Dichtungen als die wahren Erzählungen
von bem Leben einzelner Ritter, überaus viel Belege bar,
nur ift ed meiftentheild fehr fchwierig, bie Gelübbe ber
Religiofität von denen der Ehre zu trennen. Aus dem
Leben ded Bertrand bu Guesclin, eines berühmten fran⸗
zöfifchen Ritters, wird ein Beifpiel genügen: Ehe fich
Bertrand auf die Reife zu einem Kampfe begab, zu bem
ihn ein Engländer durch eine Ausforberung geladen hatte,
hörte er vorher die Mefle, und als er bei biefer zum
Opfer Fam, gelobte er Gott feinen Leib und feine Waffen,
bie er wider bie Ungläubigen zu gebrauchen verfprach,
wenn er in biefem Kampfe fiegen wuͤrde.
Die gewöhnlichften Gelübde waren bei den Nittern
die der Ehre, und diefe traten gemeiniglich bei geringern
Deranlaffungen und Unternehmungen ein. Sie murben
7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter. 1461
meiſtentheils durch das bloße Wort, durch den Handſchlag,
durch ein gegebenes Zeichen der Ruͤſtung, beſiegelt. Als
«in ſolches Geluͤbde der Ehre kann man auch die Hinwer⸗
fung des Handſchuhes, wodurch die Ankuͤndigung des
Kampfes bezeichnet ward, anſehen. Denn dieſer Hand⸗
ſchuh enthielt die ſeierliche Betheurung, daß man ſich ſei⸗
nem Feinde ſtellen wuͤrde, und war zu gleicher Zeit ein
Pfand, welches der Ausforderer ſeinem Gegner hingab,
und das er auszuloͤſen ſich dadurch anheiſchig machte, es
mochte nun ſo viel Nachtheil, ja Ungluͤck, als nur wollte,
ibm daraus entſtehen. Als ſolche Ehrengeluͤbde kann
man auch mehre annehmen, die zwiſchen dieſen ſtreng als
Ehrengeluͤbde zu betrachtenden, und denen der Religion
mitten inne zu ſchweben ſcheinen. Dahin gehoͤrt das hei⸗
lig gegebene und beſchworene Verſprechen des Bertrand
du Guesclin, als er der Feſtung Monttontur gegenuͤher
ſtand, welche vor ihm ſchon lange von Cliſſon belagert
worden war, ohne daß es gelingen wollte, fie einzuneh⸗
men. Bertrand gelobte, als er den Oberbefehl Aber das
Belagerungsheer annahm: er wolle nicht. cher Fleiſch effen,
‚nicht eher feine Ruͤſtung ablegen, bis er ben Pla& würde
eingenommen haben. Ein anbermal that er das Geluͤbde,
nach dem Abendeſſen, welches er eben genießen wollte, -
feinen Biffen mehr zu fi zu nehmen, bis er fich mit den
Engländern würde gefhlagen haben. Eben‘ fo erzäpk
Sroifjarb, in dem 29ſten Hauptſtuͤcke, von den Gefandten,
welche der König von England nach Valenciennes fehicte, -
um das Buͤndniß genehmigen zu laſſen, welches der Graf
von Hennegau ihm im Reiche verſchafft hatte: ſie erſchie⸗
44
162 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
nen daſelbſt mit der groͤßten Pracht, in Begleitung einer
großen Anzahl Ritter. Und es waren unter ihnen einige
junge Ritter, deren jeder ein mit Tuch bedecktes Auge
hatte, fo daß fie nicht ſehen konnten; man ſagt, daß dieſe
den Frauen ihres Landes gelobt hätten, nie anders, als
mit Einem Auge zu fehen, bid fie in dem Königreich
Frankreich in eigener Perfon einige Heldenthaten würden
verrichtet haben. Hiermit ift auch dad weiter unten er:
wähnte Reihergeluͤbde zu vergleichen.
Manche diefer Geluͤbde hatten bisweilen‘ einen licher
lichen Anftrich, fo ernſtlich fie auch gemeint waren. So
mußte fih 3. 8. Bertrand du Guesclin, kurz nach dem
bei den Gelübden der Heligiofität erwähnten Kampfe,
wieder einem Zweikampf mit einem andern Engländer uns
tetziehen, der, 'indem er fein &Streitzeichen hinwarf, ge:
ſchworen hatte, nicht eher in einem Bette zu ſchlafen, ald
bis er diefen Kampf würde ausgeführt haben. Du Gues⸗
ein bob fogleich ſchnell das _Streitzeichen auf und gelobte,
feinen Gegner noch überbietenb und ten Kampf aus un:
beflimmferer Ferne ganz nahe ruͤckend, daß er nur brei
Beinfuppen im Namen der heiligen Dreieinigleit effen
wolle, bis er fich mit ihm würde gefchlagen haben.
Am .zahlreihfien waren die Gelübde ber Liebe, bie
freilich immer durch die Zapferfeit gelöft werben mußten,
und fo alfo auch als Ehrengelübbe in gewiſſer Hinficht zu
betrachten find, wie ja bei allem in damaliger Zeit ſtets
die Ehre im Hintergrunde ſtand. In dieſen Geluͤbden,
bei welchen die Liebe als das Vorherrſchende anzuſehen
war, fand die groͤßte Abwechſelung Statt, und ſie wurden
7 a
— — — — —U⸗
7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter. 4163
anf die verſchiedenſten Arten ausgeſprochen und geloͤſet.
Einige Beiſpiele mögen hier genügen. In der ſchon eini⸗
gemal in früheren Abteilungen angeführten Erzählung,
welche: die Frauen Zreue, von dem altdeutfchen Dichter |
betitelt ward (Koloczaee Goder I. 277 ff.), verliebt fich
ein fahrender Ritter if die Frau des Bürgers einer Stabt,
durch welche er reifet und in ber er Darauf verbleibt. Doch
halfen ihm feine Bewerbungen nichts, die ihrem Manne
getreue Frau wollte ihn nicht erhören, und um ihr num
“ein bedeutended Zeichen feiner Liebe. zu geben, that er
das Geluͤbde und ließ ed in der Stadt überall laut
ausrufen, daß, fofern jemand gewilligt fey, ihn im Kampfe
zu beftehen, und ihn zur Zioft gewaffnet empfangen wollte,
fo wolle audy er ſich gegen ihn fielen, und zwar hicht in
feiner Ruͤſtung, fondern nur in einem ſeidenen Hemde.
Natürlich fchonten bei folcher Gelegenheit die Ritter ihten
minder. bewaffneten Gegner, denn Feiner wolle ja fo leicht
dem andern einen nie zu vergütenben Schaden zufügen 5
fondern ein jeder. wollte feine Stärke und Tapferkeit zei⸗
‚gen, ohne daß doch der Gegentheil, welcher ihm fo viel
Vorrechte einrdumte, dabei mit feinem Willen meht ge:
fährvet wurde, als ihm ber Zufall fchon Gefahr bereiten
konnte. Der Ritter in eben etwähntem Falle erfüllte
auch fein Werfprechen, aber leider kam ein Dummer gegen
ihn, der ihn Nicht fchonte, ſondern in feiner Xhorheit
heftig auf ihn antrieb und fa mit dem Speer auf ihn
ſtach, daß das Eifen im Leibe des Mitterd abbrach und
darin ftedden blieb. Obgleich geheilt, verurfächte dieſe
re | Ce
164 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Wunde body bald feinen Tod, wie bereits oben erzäple
worben iſt.
Man möchte noch eine andere Erzählung, bie ein
franzöfifher Sänger aufbewahrt hat, hierher rechnen, bie
ein ähnliches gewagtes Abenteuer enthält, vwoelches man
auch wohl zu den Gelübben ber’ Liebe rechnen koͤnnte,
wenn gleich es kein freiwillige, fondern nur ein aufge
drungenes war. Ob bier eine wahre Gefdichte ober
eine Erdichtung zum Grunde liege, ift zweifelhaft;
dem Geiſte der Zeit nach, glaube ich wohl eine wahre
Begebenheit ald Grundlage annehmen zu Finnen; wenn
dies aber auch nicht wäre, fo deutet biefe Erzählung
body die ganze Beflrebung ber Zeit fo Mar an, daß fie
immer bezeichnend für diefen Zeitabfchnitt iſt. Die Er⸗
zählung heißt: des trois chevaliers et del chemise, van
ben drei Rittern und von’ dem Hemde. Sie fleht in einer
wörtlichen Heberfegung in Klübers Ueberfegung des Wer:
kes von Saint Palaye über dad Nitterwefen IH. ©. 375:
„Eine ſchoͤne Edelfrau hatte einen Kitter von gutem ‚Her:
fommen geheiratet, deſſen Schlos die Einkehr aller guten
‚Sitter war, welche einen wohlhabenden Herrn an ihm
fanden, der immer bereit war, feine Pracht fehen zu
loffen. Zeichnete er ſich nicht in der Ferne bei Zurnieren
aus, fo glänzte er wenigftend in feinem Haufe durch
einen guten Zifch und durch reiche Gefchente, mit welchen
er die überhäufte, bie ihn befuchten, auch genos er bie
Achtung aller feiner Nachbarn.” (Auch biefe Züge find
für. die damalige Zeit wichtig und bezeichnen.) _„Ein
Zurnier war in bem Lande verfünbigt worben, brei Ritter
7. Abtheil. Gelübbe ber Ritter we. . 165
kamen zu dem Herren, von benen zwei mächtig an Freun⸗
den und durch ihren Reichtum eben fo fehr ald durch
ihre Tapferkeit berühmt waren, aber der dritte war nicht
reich, doch von hoher Tapferkeit. Alle drei liebten bie
Frau bes Herren, aber jeder hatte fie umfonft mit feinen
Klagen beunrubiget, feiner von ihnen war weber erhört
noch abgewiefen worden. Die Nähe ded Zurnierd zwang
fie zur Abreife. Sobald fie weg waren, ging die Frau
zu ihrem Schranfe und nahm ein Hemde heraus, welches
fie ihrem vestrauteften Knappen,gab, mit dem Befehl,
dafjelbe von ihrer Seite an ben einen Ritter, den fie ihm
nannte, zu bringen und ihm zu fagen: er folle augen
blidlich zu dem Zurnier abreifen, und wenn er zu ihrem
Dienfte leben und fterben wolle, fo folle er dieſes Hemde,
ſtatt des Panzers, anlegen; übrigens möge er zu feiner
Rüftung nur feinen Helm, feine eiſernen Beinfchienen,
fein Schwert und feinen Schild brauden. Nähme ber
Ritter dad Hemd und die Bebingung an, fo folle ber
Knappe gleich wiederkehren, wenn nicht, fo folle er es
eben fo heimlich dem zweiten, unb wenn biefer ed auch
verfchmähe, dem dritten: (Died war ber arme) anbieten.
Der erfie Ritter nimmt es glei an und begiebt fih am
den Platz des Turniers; aber als er ed nun anlegen foll
und das Getuͤmmel fieht, wie die Ruͤſtungen erbröhnen
und die Speere an ihnen erfrachen, und er dagegen Die
leichte Umhuͤllung half, welche für ihn beflimmt ift, ba
überwiegt die Muthlofigbeit die Liebe, .er ruft dem Knap⸗
pen, welcher kluͤglicherweiſe noch gewartet, und giebt ihm
das Hemde zuruͤck. Heimlich geht ber Knappe barauf zum
En}
166 Zweiter Abſchnitt. Ritterleden.
zweiten Ritter, der will aber gleich ſich aufs nichts ein⸗
laſſen, ſondern weiſet ihn zuruck. Mit Entzüden nimmt
der dritte es auf, er legt es ſogleich an, ſchnuͤrt ſeine
Stiefel, guͤrtet ſein Schwert um, ergreift ſeinen Schild,
ſpringt zu Pferder und ſetzt ben Helm auf dad Haupt.
Auf allen Seiten fommt es zum Handgemenge, allents
halben fieht man nichts als zerfchnittene Schilde, zerbros
chene Harnifche und zerquetſchte Helme. Die Stiefeln des
furdhtlofen Ritterd waren aufgefchnitten und in Stüden
zerriffen; fein Leib war mit Wunden bebedt, aber. fein
Herz unterftüßte ihn und erbob ihn über alle Furcht, er
empfand nichts von den Stößen, die er erhalten hatte.
Das Hemde warb überall von den Schlägen zerrifien, und
feine vielen Verwundungen Überbediten über und über bafs
felbe mit feinem Blute. Go kaͤmpfte er ohne Unterlaf,
bis die Zeit herbeifam, wo die Ritter aus den Schranken
ritten, da das Zurnier geenbet. Der Preid warb ihm
zuerkannt, alle wollen ihn in feine Wohnung begleiten;
ber Knappe, welcher ihm das Hemde gebracht, forgt für
ihn, der nur begehrt, man folle für daB Hemde, das ihm
als Panzer gedient, bedacht fein, da er ed um alles in
ber Welt nicht verlieren möchte. Hoc erfreut und zus
gleich betrübt, daß ihr Ritter fo fehr verwundet, iſt bie
Frau, welche ihm das Hemde gefendet. Ihr Gemal aber
veranftaltet große Fefle, und unermeßlich war die Pracht,
die dabei herrfchte, gro8 die Anzahl ber Kleidungen, wel:
he ausgetheilt wurden, ber Weberflus der herrlichen Spei⸗
fen. Die Frau des Haufes felbft bediente die Gaͤſte, in-
bem ihr eine große Anzahl: von Zräuleinen in gleicher
>
7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter ıc. 167
Beſchaͤftigung folgte. Der hart verwundete Ritter hört,
daß die, Geliebte, für bie er fo. viel unternommen, forte
fahre die Gäfte zu bedienen, um das Feſt zu verherrlichen.
Er fhidt ihr daher das Hemde durch feinen Knappen
zuruͤck und befchwört fie, -daffelbe umzuhangen, aus Liebe
zu ihm es nicht abzulegen, und fogar folches über allen
ihren andern Putz anzuziehen, bis fie ihren Dienft ganz
würde verrichtet haben; wobei er ihr verfihern laͤßt, daß
dieſes unter. allen die größte Gefaͤlligkeit für ihn fein würde.
Der Knappe nimmt dad Hemde und bringt es ihr, fie
ergreift ed mit ihrer Hand, fo blutig ed auc ifl. Eben
deswegen, fagt fie, weil ed mit dem Blute meines treuen
Freundes überzogen ift, betrachte ich daſſelbe ald einen
biebern Putz. Weder feines Gold noch Edelgeſteine koͤn⸗
nen mir fo werth fein, als dad Blut, womit es gefärbt
ift. Sie verfprach baffelbe umzuhangen, fo lange fie Eſſen
und Trinken austheilen werde, um dem Befehl ihres ge:
liebten Zreundes zu folgen. Nachdem fie hierauf biefes
toftbare Gewand zärtlich gekuͤßt hatte, legte fie daſſelbe
auf ihre Schultern. Nicht geringes Auffehen und Spres
chen erregte diefo Thatz denn jedermann wußte, daß es
nicht ihe Mann fein Eonnte, dem zu Ehren fie das im
Kampfe blutig geworbene Hemde trug, weil dieſer ſich
nicht mit den Waffen befchäftigte. Den Schluß der Er:
zählung macht der Dichter fa, daß er fich an die von und
zu Ende ber vorigen Abtheilung berührten Minnegerichte
und Minneaqusſpruͤche anfchließt, und bad Ganze alſo nur
als ein Liebesrechtöftreit zu betrachten iſt, ber zur Entſchei⸗
bung vorgelegt wird, fo. daß dieſe Erzählung Rittermuth,
168 Bivelter Abſchnitt. Ritterleben.
Geluͤbde, Frauen = Gunft und Minnegerichtöfprud in fich
vereinigt. Der Dichter fagt nämlih: „Nun bitte ich Jakob
. von Paffiu, die Ritter und dad Frauenzimmer, Frauen
und Fräulein, und die ganze Rittergefellfhaft, ein unpar=
theiiſches Urtheil zu fällen, nämlich: welcher von beiden
mehr Muth gezeigt hat, ob der, welcher aus Liebe zu feiner
Geliebten fein Leben den größten Gefahren ausfest? ober
bie, welche die Zurcht überwindet, den ſchmaͤhlichſten Ta⸗
del zu leiden, diefen für ‚nichts achtet, in Bergleichung
- mit der Befchwerde, ihm zu misfallen oder ihn zu erzürs
nen, und einen Anftand nahm, zu feiner Ehre fi mit
dem Hemde zu putzen, welches ihr fo viel Misvergnügen
zuziehen mußte?
Ein eben fo feltfames als auch unverbruͤchliches Ge⸗
luͤbde war das des Pfauen oder des Faſans in Frankreich.
Wie hoch Pfauenfedern als Schmuck geachtet wurden,
haben wir in der Abtheilung von den Kleidungsſtuͤcken ge⸗
ſehen; wie wichtig der Pfau als Gericht war, wie muͤhſam
ſeine Zerlegung war und wie kunſtreich dieſe ſeyn mußte,
wurde bereits in der Abtheilung von den Gaſtmahlen
und Feierlichkeiten erwaͤhnt. Hieraus erhellte ſchon die
Bedeutſamkeit des Pfauen, mit dem der Faſan gleichbe⸗
deutend erachtet ward Beide Voͤgel wurden daher auch
gebraucht, um auf ihnen feierliche Geluͤbde abzulegen.
An dem Tage nun, an dem man ſeine Verbindlichkeit
feierlich erklaͤren wollte, ward ein Pfau, der zuweilen ge⸗
braten, allemal aber mit feinen ſchoͤnſten Federn gefchmüdt
war, auf einer großen goldenen ober filbernen Schäffel,
von einem Zrauenzimmer mitten in bie zahlreiche Ders
7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter wc ' -469
fammlung der zufammenbernfenen Ritter getragen. Je⸗
dem von ihnen warb derfelbe dargebracht, und jeder that
fein Selibbe über dem Vogel. Hierauf trug man folcyen
zurüd auf einen Tiſch, wo man allen, die zugegen waren,
davon vorlegte. Der Vorfchneider mußte feine Geſchick⸗
lichkeit, wie bereitö früher bemerkt, darin zeigen, daß alle
davon zu eſſen erhielten. |
Am beutlichften geht Die Art und Weife diefes Pfauen⸗
geluͤbdes aus der Vefchreibung eines folchen hervor, wie
es an dem Hofe des Herzogs von Burgund, Philipps
bes Gutmuͤthigen, zu Lille im Jahre 1453 gehalten ward.
Man rüftete fih naͤmlich dazumal zu einem Kreuzzuge
wider die Zürken, welche kurz vorher die Eroberung des
- griechifchen Kaiferthbums durch die Einnahme von Konftan:
tinopel vollendet hatten. Wohl beburfte ed daher der Ges
luͤbde vieler, um ein ſolches Unternehmen auszuführen.
Während deſſen, daB man die nöthigen Zubereitungen
‚machte, und die zufammenberufenen Ritter nach und nad)
ankamen, wurden bie Rittergaͤſte von den anmefenden
Großen mit verfchiedenen Luftbarkeiten unterhalten. Bei
ber lebten, die der Herzog von Kleve angeftellt hatte,
warb bad Feſt feines Oheims, des Herzogs von Burgund,
"welches der Gewohnheit gemäß, achtzehn Zage darauf ger
halten werben mußte, angelündigt. Eine Frau flieg auf
einer Pleinen, beſonders hiezu verfertigten Treppe auf
bie Tafel, wo der Herzog von Burgund feinen Platz ges
nommen hatte, kniete vor ihm nieder und ſetzte dieſem
Fuͤrſten einen Blumenkranz auf das’ Haupt. Diefe erfie
“ Beierlichkeit war bie Ankündigung ber erhabenen, gofteds
=
170 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
fuͤrchtigen und ritterlichen Geheimniſſe, die bei dem Gaſt⸗
mahl, wo der Herzog von Burgund feinen ganzen Hof
und den ganzen Adel feiner Staaten verfammlete, offen=
bart werben follten. |
Der Tag dieſes feierlihen Gaſtmahls kam heran,
Wenn die Pracht des Zürften ſchon Bewunderung vers
diente, wegen ber Menge und bes Ueberfluffes in ber Be:
wirthung der Rittergäfte, fo zeigte fich folche noch mehr
in den, damals unter dem Namen der Iwifchenfpiele, bes
kannten Schaufpielen, die das Feſt luſtiger und feierlicher
machten. Es erſchienen im Saale mannihfaltige Verzie⸗
sungen, Mafchinen, außerordentliche Menſchen⸗ und Zhiers
geftalten, Bäume, Berge, Fluͤſſe, ein Meer und Schiffe.
Alle diefe Gegenflände, untermifcht mit. lebendigen Perfos
nen, Vögeln und andern Thieren, waren in dem Saale
ober auf der Tafel in Bewegung, und ſtellten Handlun⸗
gen vor, bie ihre Beziehung auf dad Vorhaben bes Ders
3098 haften. Plöslich trat ein Rieſe in den Saal, bes
waffnet wie ein Sarazene aus Granada, und in alters
thümlicher Kleidung. Er führte einen Elephanten, der ein
Schloß trug. In diefem faß eine abgehärmte Frau, die
in lange Trauerkleider, wie eine Klofterfrau oder Betz
ſchweſter, eingehuͤllt war. Als ſie ſich im Saale mitten
unter der Geſellſchaft erblickte, ſagte ſie einige Reime her,
worin fie dem Rieſen befahl, ſtille zu halten. Dieſer fegte
jeboch, indem er fie mit flarrem Blick anſah, feinen Gaug
fort, bis er zur Tafel des Herzogs gelommen war. Legt
eröffnete die gefangene Frau, welche die Religion vorftels
len follte, eine lange Klage in Verſen über das harte
\
7. Abtheil. Geluͤbbe der Ritter ꝛc. 171
Schidfal, welches fie unter ben unbarmherzigen Händen
ber Ungläubigen ertragen muͤſſe. Sie beflagte ſich über
bie Langſamkeit derer, die ihe Hülfe fchaffen und fie be-
freien follten. Auf diefe Jammererſcheinung folgte ber
Wappenkoͤnig des Ordens vom goldenen Vließ, mit einer
langen Reihe von Wappenoffizieren,. die voraudgingen.
Auf feinen Fauſt trug er einen Jebendigen Faſan, der mit
einem goldenen, mit Edelſteinen und Perlen beſetzten Hals:
bande gefchmüdt war, So trat er vor den Herzog von
Burgund und fiellte demfelben zwei Frauenzimmer vor,
. wovon die eine, Yolande, eine natürliche Zochter diefes
Fürften, und die andere, Sfabelle von Neufchatel,- eine
Tochter des Herrn von Montaigu, war. Jede von ihnen
ward von einem Ritter bed goldenen Vließes begleitet.
Zugleicy Üiberreichte ber Wappenkönig dem Herzoge ben _
Vogel, im Namen ber beiden genannten rauen, die ſich
dem Schuß ihres Herrſchers empfablen, um fich den alten
Gewohnheiten gemäß zu befragen, nach welchen man bei
großen Feſten und in vornehmen Gefelfchaften den Zürften,
Herren: und Edelleuten einen Pfau oder einen andern ebeln
Vogel überreicht, damit fie Gelübde zum Nuten der Frauen,
bie fich ihren Beiſtand erflehen, thun mögen. Nachdem
ber Herzog dad Begehren des Wappenkoͤnigs aufmerkfam
angehört hatte, gab er ihm einen Zettel, ber laut vorges
lefen ward, unb der mit folgenden Worten anfing: ich
gelobe Bott, meinem Schöpfer, vor allen andern, und der
glorreihen Jungfrau, feiner Mutter, und hernach ben
Frauen und dem Fafan u. f. w. Das Uebrige waren
Betheurungen, die Ungläubigen mit Krieg zu überzishen,
172 | Zweiter Abfchnitt. Nitterleben.
zu Befhükung ber unterbrüdten Kirche. Die Frauen und
ihr Gefolge begaben ſich darauf wieder zuruͤck, nachdem fie
vorher alle die finnbildlichen Rollen, welche diefe Perfonen
foielten, und das Schloß, dad fie für das Schloß des
Glaubens audgaben, erflätt hatten. Das Geläbbe des
Herzogs war bad Zeichen, auf weldes fein ganzer Hof
andere, bis ind Unendliche veränderte Gelübde that. Jever
beftrebte fich, feinen Muth wider die Tuͤrken durch eine
feltene und fonberbare That audzuzeichnen, entweder für
fi) allein oder in. Geſellſchaft mit einem andern Ritter,
der dad Nämliche gelobte. Ale legten fich willlürliche
Bußwerke auf und ſchwuren, ſolches bis zur gänzlichen
Erfüllung ihres Geluͤbdes fortzufegen. Einige burften z.
B. in keinem Bette fehlafen, andere bei dem Eſſen fi
keines Tifchtuches bedienen; mandje mußten fih an ges
wiſſen Zagen in der Woche bed Fleiſches und Weins ent:
halten; andere durften nie ein beflimmtes Stüd ihrer
Kuͤſtung führen, ober fie mußten e8 Tag und Nacht tras
gen; noch andere verfprachen, ſich in haarene Tücher und
andere grobe Zeuge zu kleiden. Den Beſchluß der Geluͤbde
machte ein neues Schaufpiel. Eine Frau, bie weiß wie
eine Klofterfrau gelleivet war und auf ihrer Schulter
‚eine Rolle trug, worauf mit goldenen Buchſtaben gefchries
ben fland: Gräce - Dieu, dankte ber Geſellſchaft und
ſtellte derſelben 12 Frauen vor, die von eben ſo viel Rit⸗
tern gefuͤhrt wurden. Dieſe Frauen ſollten verſchiedene
Tugenden bedeuten, und jede derſelben mußte ihren Na⸗
men auf einen Zettel geſchrieben tragen. Sie ſollten auf
der Reiſe Geſellſchaft leiſten, damit ſolche gluͤcklich von
7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter x. 473
flotten geben möge. Sie traten in einer Reihe auf und
überreichten alle, eine nach der andern, ihre Namenzettel
der Frau, welde Gräce - Dien benaunt war, folche
ablas und jebesnial einen Gefang von acht Verſen dabei
berfagte. Die Namen derfelben gehören wohl hierher, ba
aus benfelben erhellet, welche Zugenden man zu einem
wahren und vollkommenen Ritter erforderte. Sie waren:
Zreue, Menfchenliebe, Gerechtigkeit, Vernunft, Klugheit,
Mäßigkeit, Stäuke, Wahrheit, Freigebigkeit, Fleiß, Hoffe
nung und Tapferkeit. Zuletzt fingen alle an in ihrer Ver:
Pleidung zu tanzen, um das Feſt auf eine Iuflige Art zu
feiern, und ein Schmaus endete ed wieder.
Eine zweite merkwuͤrdige Erzählung von einem Ges
lühde, das. Reihergellibve genannt, liefert und ebenfalls
eine franzöfifche Dichtung, bie im Jahre 1338 verfertigt
worden if. Sie möge auch bier im Auszuge eine Stelle
finden, um diefe ganze Art, Geluͤbde abzulegen, auf das
beftimmtefte darzulegent — Im Fruͤhling 1338 hielt
König Eduard III., König von England, ein feierliches
Hoflager, mitten unter allen feinen Baronen figend; er .
ſah zerfireut und träumend aus, fein Haupt war auf bie
Bruft gefenkt, aber die Gedanken, welche feinen Geift be:
fchäftigten, waren nur Gedanken der Liebe.
Um gleiche ‚Zeit wollte Robert von Artois, welcher
aus Sranfreich verbannt war und fi nach London ge⸗
flächtet hatte, bie Ergögung der Jagd genießen. Sein
Bogel, den er auf der Fauſt hielt, bemerkte in ber Luft
einen Reiher; alsbald erhebt er fih, ergreift feine Beute
und bringt fie feinem Deren. Robert erröthei vor Aerger
17% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
über einen fo ſchlechten Fang. Nachdem er einen Augen⸗
blick darüber nachgebacht hat, faßt er den Vorſatz, ſolchen
zu ber Rache zu. gebrauchen, bie er fich vorgenommen
hatte. : Ex widelt den Reiher aus ben Klauen feines Vo⸗
geld los und übergiebt ihn dem Küchenbeamten, um ihn
zupfen und braten zu laffen. Nachdem er ihn. aldbann
gwifchen zwei filberne Schüfleln gelegt, trägt er ihm
mit großem Pomp in den Palafl; ihm folgen zwei Sei:
genſpieler, ein Zitterfpielee und zwei artige Fraͤulein,
‘
welche ihre Stimme mit den. Toͤnen der Saiten vereinig-
ten. Als er mit biefem Gefolge in den Saal trat, fagte
er: „Deffnet die Schranken und laßt die braven Bitter
einziehen, welche die Liebe hier verfammelt!' Ex wendete
fih darauf zu den Rittern felbit mit folgenden Worten:
„ih komme, um fie einzuladen, daß fie über biefem Reiher
Gelübde thun mögen, bie Ihrer Tapferkeit würbig find.
Es ift dies das fchlechtefle, wie fie willen, und das furcht⸗
famfte unter allen Xhieren, denn es fürchtet ſich wor ſei⸗
nem Scatten. Auch ift derjenige ber feigfte unter allen
Menfchen, dem ich bafielbe anbieten werde.” Hierauf
wendet fich der Graf gegen Ednard und bietet ihm den
Reiher, als einen Beweis feiner Gleichguͤltigkeit gegen
eine Krone bar, bie er auf eine feige Art der Willkuͤr
feines Nebenbuhlers üherlaffe. Durch diefen Vorwurf ge
teoffen, Enirfcht der Prinz vor. Wuth mit ben. Zähnen, er
erBlärt feierlich, daß das Jahr nicht verfließen Tolle, ohne
daß Philipp ihn mit Feuer und Schwert auf dem Gebiete
Stanfreich8 erbliden werbe, um ſich wegen der Schmach
zu rächen, bie man ibm angethan, ſollten ihm auch bie
7. Abtheil. Geluͤhde der Ritter x. 175
Sranzofen ein zehnmal zahlreichered Heer, als das feinige,
entgegenfeßen. |
Robert verbirgt feine Freude, Iächelt boshaft und
freut fich heimlich über diefen gluͤcklichen Erfolg. Indem
er fich hierauf beflagt, daß er von Philipp von Frankreich
nah fo vielen Dienftleiftungen fo unwuͤrdig behandelt
‚worden fey, verfpricht er, mit bewaffneter Hand fi auf
das franzöfifche Gebiet zu begeben und ſich bier wegen
ber Beleidigungen und des Unrechtd, das er erlitten hat,
Recht zu fchaffen. Er nimmt feine beiden filbernen Schäfs
fen, und feine Zonkünftfer folgen ihm. Diefe begleiten
mit dem Klang ihrer Tonwerkzeuge bie beiden Fraͤulein,
welche ein Lied fangen, das fo anfing: ich fehe in das
. Orln; denn die Liebe lehrt mich dies u. f. w. Er geht
durch den Saal und wendef fih an den Grafen von Sa:
lisbery, welcher in bie Tochter des Grafen von Erby
fterblich verliebt war und neben ihr ſaß. Er ladet denſel⸗
ben, als ven Tapferſten und Verliebteften in ber Geſell⸗
(haft, ein, den Uebrigen dadurch ein Beiſpiel zu geben,
baß er ein Gelübd' über, dem Reiher thue. „Gerne —
antwortete Salisbery — wenn bie Jungfrau Maria in
Perſon bier gegenwärtig wäre, wenn fie einwilligte, ihre
GSöttlichfeit abzulegen, um derjenigen, bie ich liebe, den
u Preis der Schönheit ftreitig zu machen, fo wüßte ich nic,
welcher von beiden ich den Vorzug einräumen’ follte, und
ich würde fürchten, eine für die andere zu nehmen. Wo
koͤnnte ich den ftärfften Beweggrund finden, mich auf bic
böchfte Stufe der Zapferfeit zu erheben, wenn dies nicht
unter den Augen der Schönen wäre, deren Zeffeln zu...
176 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
tragen ich immer fuͤr ruͤhmlich halten werde. Ungeduldig,
die Erkenntlichkeit zu erhalten, bie fie mir unbarmberzig
verweigert, verlange ich heute eine einzige Gnabe von ihr:
daß fie mir einen Zinger ihrer fchönen Hand erlaube und
folchen auf ‚mein rechtes Auge fo zu legen geruhe, daß
daffelbe ganz davon bebedit werde.” Das Fräulein erlaubt
ihm ſtatt eines Singers zwei und. fchließt ihm das Auge
fo gut, daß er nicht ben mindeflen Gebrauch davon machen
kann. Sogleich fhwört der Ritter: daß er bafielbe nicht
eher Öffnen wolle, ald bis er das Gebiet von Frankreich
betreten und, um Eduards Anfprüche zu raͤchen, Philipps
Kriegesheer in einem ordentlichen Zreffen gefchlagen habe.
(Dies, Geläbde. mögen ihm viele junge Ritter nachgethan
haben, wenn wir bamit vergleichen, was bereitö oben aus
Froiſſard erwähnt warb.) In der That erlaubte fih auch
ber Graf nicht, während ber ganzen Zeit, als biefer Krieg
dauerte, aus biefem Auge zu feben. Das ganze Heer,
welche® Zeuge feiner Großthaten war, war es auch in
Anfehung ber Treue, mit welcher er fein Verſprechen
erfüllte.
Der Graf von Artois rief darauf bie Tochter des
ebelmüthigen von Erby auf und labete fie.ein, an bem
über dem Reiher zur Vertheidigung ber Rechte des Königs
von England gefchehenen Geluͤbde Theil zu nehmen. Das
edle Fräulein gelobte auf der Stelle, einem Herren, wer
ex auch fey, anzuhören, bevor nicht das Gelübbe ihres
Liebhaberd erfuͤllt ſey. „Alsdann, fagte fie, wenn. er
noch am Leben ift, mache ich ihm meine ganze Perfon,
ohne Rüdhalt, zum Geſchenk.“ Bei diefem Worte fühlte
7. Abtheil. Geluͤbde der Ritter xc. 177
ſich das Herz des liebenden Ritters, der vor Freude außer
fi war, von neuem Muthe belebt.
Ungeduldig, feiner Rachſucht Genüge zu leiften, er:
griff Robert abermals feinen Reiher und hielt ihn dem
Ritter: Gautier von Manny vor. Um die Pflichten der
Ehre zu erfüllen und fich' der Helden, die ihm- fo fchöne
Beifpiele gegeben, würdig zu zeigen, gelobt dieſer fapfere
Kitter der heiligen Iungfrau eine Stadt, die von Suͤm⸗
pfen eingefchloffen und durch gute Shore beſchuͤtzt, und deren
Vertheidiger feit langer Zeit Goddemars du Fay war, in
Aſche zu legen. Sie fol verheert und bie Befagung um:
gebracht werden. „Ich verlange — fagt er — gefunb’und
wohl, ohne die mindefle Wunde davon zurädzufomnen,
und auch. die rüfligen Krieger, die mit mir bahin gezogen
fein werden. mit mir zuruͤckzubringen. Uebrigens werfe
ich mic) in die Arme Gottes. Von ihm allein kann ber
Erfolg meiner Bemühungen fommen, um mein Verſpre⸗
chen zu erfüllen.’
Robert ruft hierauf den Grafen von Erby zu fi
und bittet ih, nleich den Webrigen, fein Gellibve zu fagen.
Diefer nimmt das Wort: „Wenn der König von England,
fagt er, uns auf dad Gebiet von Frankreich über das
Meer hinüber führt, werben wir jenen furchtbaren ‚Grafen
Ludwig von landern, denn fo nennen ihn bie Leute Phi-
lipps vun Valois, erbliden, den unrechtmaͤßigen Beſitzer
des Titels: König von Frankreich, troß der Rechte unfers
Herrſchers; wir werden ihn fehen, biefen fchredlichen Gra⸗
fen von Flandern; denn ich gelobe: ihn. allenthalben auf:
zufuchen und ihm nahe genug zu kommen, um ihm einen
12
’
178 2 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Kampf anzubieten. Kann ich ihn hierzu nicht nöthiger,
- fo will ich mich wenigftend dadurch rächen, daß. ich das
Land, in welchem er ed wagen wirb, fich blicken zu laſſen,
unter. feinen Augen mit Feuer verheeren- werde.
"Robert wird von biefem neuen Schwur bezaubert;
ex verfpricht fi, endlich am Ziele feines Uuglüds zu ſeyn
und die Befreiung feiner Familie zu erhalten. Alsbald
erhebt er die beiden filbernen Schuͤſſeln und trägt fie vor
ben: Grafen von Suffort (wohl Suffolk gemeint), um
denfelben einzuladen, daß er nach Belieben ein Geluͤbde
thun möge. Guffort fehwört: wenn der König von Eng⸗
land ihn auf das Gebiet von Frankreich bringt, den König
von Böhmen, bes Kaiferd Sohn, allenthalben zu verfols
gen, und wenn er ihn perſoͤnlich antreffen kann, mit ber
Lanze in der Fauſt, ober mit dem Degen in ber Hant,
wider ihn zu kaͤmpfen; er will ihm die Stärke feines
Armes fühlen laſſen, ipn zu Boden flürzen, ober ihm
fein Pferd, entweder mit feinem Willen oder mit Gewalt,
abnehmen. Hierauf holt Johann von Laumont einen tie:
fen Seufzer. Diefe Verunglimpfung eines Fürflen, der
fein Verwandter ift und der fo viele Staaten erobert,
bringt ihn in Zorn. „Vergeblich haßt er mid — ruft er
aus — noch fühle ih, daß ich ihn liebe, und ich werbe
ihn nie verlaffen, fo lange ex meine Dienſte nöthig haben
wird. Suffort, wenn Ihr nicht auf Eure übertriebenen
Entwürfe Verzicht thut, fo verbinde ich mi, Euch ges
fangen ‚zu nehmen; ja ich werde Euch in das Gefängniß
bes Königs von Böhmen einfchließen, aus welchem Feine
Macht Euch befreien wird. Der Entfchluß hiezu ift gefaßt,
7. Abtheil. Geluͤbbe der Ritters. 179
ich werde ihn nicht ändern." Suffort fürchtet, daß man
fich erzuͤrnen möchte: „Laßt und warten — fagt er —.
biß der Krieg, der den Weg ber Ehre öffnet, uns er:
laubt, unferm Muth freien Lauf zu laſſen; jeder wirb
alsdann thun konnen, was ihm die Liebe zu dem Ruhm
und den Frauen eingeben wird. Die Annaͤherung unter
den Kaͤmpfern wird ſtolz fein, aber ber wichtigſte Punkt
bericht darin: zu willen, mas ber Erfolg davon. fe
- wird.
Der Straf von Xrtois laͤßt bie: heil flingenden Zne
feiner Spielleute verdoppeln, und die Fräulein fangen. an
zu tanzen, um den Muth ber Helben noch. mehr anzu⸗
feiern. Robert ergreift hierauf den zwifchen ben Schüf:
feln eingefchloffenen Reiher, ruft ben unerfchrodlenen Aben⸗
teurer Fauquemont und ladet ihn ein, uͤber biefem Vogel
zu fchwören, daß er ſich in dem Zwiſt der beiden Könige
durch einen neuen Ruhm auszeichnen wolle, „Wozu ſoll
ich mic verbindlid machen? — antwortet eg — ich befige
nichts auf der Welt. Alles was ich thun kann, um Euch
meine Ergebeitheit zu bezeigen, um mich meiner Ehre ge:
treu zu beweifen, befteht darin, daß ich werfpreche und ich.
ſchwoͤre es, dah, wenn der König von England fich über
Das Meer begiebt, um durch Cambreſis nah Frankreich.
zu gehen, man mic immer zuerſt an ber Spike feines
Vortrabes erblicken wird, zwo ich den Feind ungreifen
und Verwüftung, Brand und Morden verbreiten will,
ohne weder Kinder, noch Greife, noch Kirchen, noch Als
täre zu verſchonen.“ Bei dieſen ſtolzen Drohworten
gab ihm jeder um die Wette den Beifall zu erkennen,
12*
180 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
welchen ein ſolcher Eifer fuͤr die Ehre ſeines Herrn ver⸗
diente.
Alsbald wurden bie zwei Schiͤſſeln aufgehoben, und
die Fräulein fingen mit lauter Stimme folgendes Lied an:
Uns ſchmuͤckt biebere Liebe, fie bezaubert uns u. f. w.
Ale Blide fielen auf den Oheim bes alten Grafen von
Denniygau, es war Johann von Baumont, berühmt durd)
feine Eroberungen. Robert fordert ihn auf, ebenfalls fein.
Gelübde über dem Reiher zu thun. Vielleicht ermübet
durch ſo viele Verheißungen, macht Idhann der Verſamm⸗
kung im Ernfte begreiflish, wie uandg dergleichen übereilte
Großfprechexei · ſey. Er ermahnt fie, ihre Kuͤhnheit für
ben Zeitpunkt des Handelns aufzubewahren. „Nichts iſt
zu theuer in Gegenwart biefer fohönen rauen, denen wir
‘und befireben zu gefallen. Ih will glauben, daß es
unter Euch Dliviere und Rolande giebt, welche die Aqui:
lane und Vaumonte zu Boden flüszen werden; aber erin:
nert Euch, daß diefe Helden - ihrerſeits von andern Krie-
gern befiegt wurden.” Nachdem er fie ferner mit Worten
geftraft, fagt ex: „Ich erfiäre, daß, wenn ber Könie von
England in Hennegau eindringt, durch Brabant und Cam:
breſis zieht und feinen Fuß auf das Gebiet von: Frank:
veich fest, fo wird man mid, ald Marſchall feines Hee⸗
res, feinem Vortheil aufeichtig ergeben finden, und ich
werbe den beftigften Krieg wider Philipp führen, Ohne
Zweifel fege ich mich ber Gefahr aus, mein Landgut und
das wenige Vermögen, das ich befige, zu verlieren. Mag
ed fein, ich unterwerfe mich dem Schickſal; aber ich fage
Euch zum voraus, daß, wenn Philipp freiwilig und nad
7. Abtheil. Geluͤbde ber Ritter... 181
einer glüdlichen Betrachtung ‚über ſich felbft, meine Ver⸗
bannung widerrufen und mich nach Frankreich zuruͤckladen
wollte, ih mic alsdann von dem König von England
losmachen winde. Und welchen Vorwurf würde man mir
in biefem Falle machen Eännen? Wenn hingegen ber König
von Frankreich darauf beftept, mich von feinem Sande ent:
fernt zu halten, fo werbe ich dem König von England
aus allen meinen Kräften beiſtehen, ich werde ſtets fein
Heer und feinen Vortrab befehligen.” König Cduard ants
wortet auf diefen Vortrag mit herzlicher Bepugung feiner
Erkenntlichkeit.
Robert, mit feinen beiden filbernen Schüſſeln In ber
Hand, geht weiter fort, begleitet von feiien Tonkuͤnſtlern
und von ben beiden Maͤdchen, welche ſingend einhergehen.
Hierauf nähert er fih der Königin, wirft fi auf feine
Knie nieder und fagt ihr, daß nichts übrig fen, als den
Reiher zu theilen, und daß er nur: den Augenblick erwarte,
we fie dasjenige zu erklären. geruhen wolle, was ihr Herz
ihr eingeben werde. „Vaſall, — antwortete fie, — angelettet
durch der Ehe heil. Bande, kann ich Feine Verbindlichkeit
ohrie die Einwilligung und den ausbrüdlichen Befehl des
Gebieters unternehmen, der folchen nach Gefallen beftaͤti⸗
gen oder vernichten kann. — „Daran foll es nicht. lies
en, — fagt Eduard — thut Euer Gelübde nach eigenem
Belieben, ich genehmige baffelbe im voraus; ich werde
bejjelbe, fo viel in meinen Kräften fleht, erfüllen; Gott
fiehe Euch bei. Hierauf ließ fich die Königin mit land:
bafter Stimme vernehmien: „ich befinde mich ſchwanger,
ih kann daran nicht zweifeln, ich Habe das Leben meines
182 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Kindes empfunden. Ich gelobe demnach Gott und der
heil. Jungfrau, daß dieſes koſtbare Pfand unſerer Verbin⸗
dung nicht das Tageslicht erblicken ſoll, bevor Ihr mich
nicht, uͤber das Meer geführt habt, um unverzuͤglich Euer
Gelübde zu erfüllen. Wenn mein Kind vor dem Jeitraume,
den ich mir vorfchreibe, zur Welt kommen wollte, fo würde
id mir lieber diefen Dolch, mit dem ich bewaffnet bin,
in die Geite ftechen; ich wuͤrde demnach durch einen eins
zigen Streich mein Leben und mein Kind vernichten.‘
Ban Sraufen bei diefen Worten ergriffen, verbietet Ebuarb,
in dem Gelübde fortzufahren. Der Reiher wirb getheilt,
und bie Königin fpeifet davon. Nachdem der König die
nöthigen Auſtalten getroffen hatte, ſchiffte er die Königin
nebſt allen feinen Rittern ein und führte fie bis Antwer⸗
per hier brachte fie einen ſchoͤnen Knaben zur. Welt, der
in ber Zaufe ben Namen: Löwe von Antwerpen empfing, _
Ihr Gelübde war; erfüllt, das ganze englifche ‚Heer bricht
Auf und ſetzt ſich in Bewegung.
8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernfitämpfe d. Ritter. 183°
N
Achte Abtheilung.
Zweikaͤmpfe und Ernſtkaͤmpfe der Ritter.
Wenn auch die Turniere ſchon, wie wir oben geſehen, fuͤr
Leben und Geſundheit der Ritter ſehr oft nachtheilig waren,
wenn dad Rennen auf einander mit zugefpisten Lanzen, das
fogenannte Scharfrennen, häufig den Tod nach ſich führte,
fo ward dies Unglüd boch immer nur als eine feltene Zufäls
ligkeit angeſehen, die bei allen folchen angefirengten Leis
besübungen nicht zu vermeiden war. Sobald indeſſen
ein ſolches Unglüd oder eine Verwundung flattfand, fos
gleich hörte der Kampf auf. Anders war es bei ben Ges
fechten, die in vollem Ernſte gehalten wurden, und bei
denen ed auf Tod und Leben der Streitenden ging. Hier
enbete nur bie tödliche Verwundung oder ber Tod des
einen der Streitenden den Kampf, beſonders in den Eins
zeiftreiten, Monn gegen Mann. Wiederum verfchieben
war der Kampf in ben Befehdungen, das heißt, in den
Heinen’ Kriegen, welche einzelne Ritter und Burgenbefiger
gegen ihre Nachbaren führten, wo fie mit ihren Vaſallen
ih Meinen ober größeren Heerhaufen gegen einander ruͤck⸗
ten, einer die Burg des andern belagerte, fie zu erobern,
zu zerfiören und zu berauben trachtete, wobei die ruhigen
. Dörfer der Kriegführenden plündernd, mordend, fengend
A‘
| 184 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
und brennend überzogen wurden, und wo nur ſelten
eigentliche Gefechtkaͤmpfe in freiem Felde flattfanden.
Diefe Befehdungen haben in Deutfchland zur Zeit
des Fauſtrechts eine ungeheure Gewalt ausgeübt, und
durch fie ift viel des Schönen, was fih in und nad ber
Nitterzeit hätte entwideln können, unaufhaltbar vernichtet
worden. Betrachten wir nun Zweikaͤmpfe und Befehdun⸗
gen einzeln und genauer.
Die Zweitämpfe waren einer geboppelten Art. Eins
mal betrafen fie bloß Shrenfachen, die man nicht vor Ge⸗
eiht brachte, und um beventwillen gleich auf dem ben beis
ben Streitenden nächften freien und bequemen Plate, ohne
befondere Anflaiten, oft nicht einmal in Beiſeyn eines
ritterlichen Gehülfen, ' fondern. nur ber Knappen beider
Streiter (oft fehlten aber auch dieſe felbfi) gefampft
wurde. Zum andern betrafen aber aud die Zweilämpfe
die Entfcheivungen wichtiger bürgerlicher und peinlicher
Rechtsſachen, zu deren Löfung fie nicht allein von den
Gerichten bewilligt, fondern fogar oft. vorgefchrieben wur⸗
ben. In biefem Ichten ale erhielten fie den Namen:
gerichtlihde Zweikaͤmpfe. Diefe beiden Arten der
Zweitämpfe finden wir in der früheften deutfchen heibnifchen
Vorzeit begründet. Blut forderte Blut zur Suͤhne, die
Blutrahe für einen getöbteten Verwandten warb baher
meift ein Zweikampf. Aber auch befonders ein. Urteil
Gottes, eine göttliche Entſcheidung fah man in dem Zwei⸗
kampfe, und zu ihm fchritt man daher immer, wenn ein
bedenklicher Fall zu entfcheiden war. Gottes Stimme
offenbarte ſich dadurch, glaubte man, daß er in befien
—
8, Abtheli. Zwei⸗u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 185
Hand den Sieg legte, der ihn verdiente, den zum Ueber⸗
winder machte, der das Recht auf ſeiner Seite hatte.
Eines der wichtigſten Gottesurtheile, Ordale, war daher
der Zweikampf, durch ihn ſprach Gott, und aus der heid⸗
niſchen Zeit entlehnt, blieb er in den gerichtlichen Kaͤm⸗
pfen durch viele Jahrhunderte des Chriſtenthums. Der
Zweikampf trat mit andern Gottesurtheilen dann ein,
wenn die Wahrheit einer Sache weder durch Zeugen, noch
durch Urkunden erwieſen werden konnte; wenn der Mund,
der daruͤber Auskunft geben konnte, durch den Tod ver⸗
ſtummt; oder eine Sache fo im Schleier des Geheimniſſes,
fo im Dunkeln verübt worden, daß kein anderer Beweis
zu führen möglih war; benn man. glaubte, daß Gott
ſelbft im Schwachen ſtark feyn würbe, daß er der gerech⸗
ten Sadje beiftehe und bem Unfchuldigen den Sieg ge
währe. |
Der Aberglaube, welcher bei unſern heidniſchen deut⸗
ſchen Vorfahren herrſchte, das unbegraͤnzte Vertrauen,
welches ſie in ihre Gottheiten ſetzten, denen ſie die groͤßte
Ehrerbietung bezeigten, kam ihnen bei der Einrichtung der
Ordale zu Hülfe Sie glaubten die Götter auf das hef⸗
tigfle zu beleidigen, ihren gerechten Zorn auf fich zu Läden,
wenn fie ihnen. nicht bei gewifien Umſtaͤnden vie Entdek⸗
tung der Wahrheit, die für Menſchen unmöglich fchien,
überließen. Die Götter folten den Ausfpruch in ber
Sache thun. Dan Eonnte ſich nicht überzeugen, daß
Gottheiten den Unfchuldigen würden Unrecht leiden laffen,
man glaubte feft, dag durch ihre Einwirkung die Wahr:
beit einer Sache fih auf irgend eine Weiſe offenbaren
186 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
muͤßte. Daher beſtanden denn auch die Ordale in beſtimm⸗
ten koͤrperlichen Handlungen, die eigentlich ihrer Natur
nach dem Menſchen ſchaͤdlich ſeyn mußten, wobei aber die
Schaͤdlichkeit durch göttliche Hülfe abgewendet warb, und
fie mußten fo, durch ein Wunder, unſchaͤdlich werben.
Es gab daher eine beträchtliche Anzahl von Ordalen, deren
Betrachtung nicht hieher gehört, indem wir uns allein mit
ben Zweikaͤmpfen zu befchäftigen haben. Aus dem Hei⸗
denthume gingen diefe Gottesurtheile mit vielen andern
heibnifchen Gebräuchen in dad Chriſtenthum über, inbem
die Geiſtlichen fie gefhidt zu ihrem Vortheil zu gebrauchen
wußten.
Bei den Burgunden waren bie Zweilämpfe geſetzlich
beftätigt und als ein rechtliches GEntfcheibungsmittel fefts
gefegt worden. Man nimmt an, daß von ihnen biefer
Gebrauch nach und nad zu allen deutſchen Stämmen ges
tommen fey, wenn nicht. vielmehr gleiche Urbegriffe von
Ehre und deren Suͤhnung allen deutfchen Stämmen [bon
aus ihrem Urfig her gemeinfam waren, und bei dem einen
und andern fich dieſe allgemeine Anſicht nur fefter und
beflimmter ausſprach, oder das Herkommen früher -eine
faſt gefegliche Richtung erhielt. Won dem‘ Deutfchen breis
tete fich diefe Anerkennung des Zweikampfes, als rechtlicher
Entfcheidung, zu ben meiflen europäifchen Völkern aus.
In den fruͤhſten Zeiten war der Zweilampf allen freien
Deutſchen erlaubt, in den fpdtern Zeiten warb. er aber
ein auöfchließliches Recht des Adeld. Wie das Ritter⸗
wefen fortfchritt und fich immer mehr und mehr entwidelte,
fo breitete fich die Gewohnheit der rechtlichen. Entſcheidung
8. Abtheil. Imels u, Ernfllämpfe d. Witter. 187
durch den Zweikampf, auch immer weiter aus. In dem Zeit-
alter der Hohenflaufen, in welchem die ganze geiflige Bils
dung der Deutfchen eilend- vorwärts. fchritt, hatte ſich auch
das Kampfrecht allgemein verbreitet. Ungeachtet burch bie
Papfte bald hernach ſtreng und wieberholentlich verboten
ward, dieſe Kampfgerichte einer rechtlichen Entſcheidung
gleich zu halten, ſo hatte ſich doch die dabei obwaltende
Anſicht zu innig mit der ganzen Denkungsart damaliger
Zeit verſchwiſtert, war ſchon zu tief mit der fruͤhſten Bil⸗
dung verbunden, als daß die Ausrottung moͤglich gewe⸗
ſen waͤre. Noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts
mußte ſie die tridentiniſche Kirchenverſammlung verbieten
und ſtrenge Verordnungen dagegen erlaſſen, und doch
faͤllt das eigentliche und gaͤnzliche Abkommen derſelben in
Deutſchland erſt gegen die Mitte des ſiebenzehnten Jahr⸗
hunderts.
Wie uͤberhaupt die Nachrichten über bie fittliche Bil⸗
bung bes Mittelalters und nur fpdrlich zugelommen, fo
beſonders auch uͤber die Kampfgerichte, von denen wir
manches Einzelne wiſſen; aber etwas Zuſammenhangendes,
eine fortlaufende Geſchichte derſelben, in Hinſicht der Ent⸗
ſtehung und Ausbildung, aus der Quelle geſchoͤpft, die‘
fehlt und noch ganz. Nur hie und ba werden fie. in ben
Schriftfielern erwähnt, bald lobend, bald tabelnd. Die |
alten Gefege, welche auf und gekommen find, verbieten
fie bald, bald erlauben fie fie wieder. So wirb nur eine
ber Wahrheit ſich anndhernde Gefchichte, durch Muthmas
ßungen unterflügt, von Entflehung und Bortgang möglich,
Darüber ein paar Worte,
188 3welter Abſchnitt. Ritterleben.
Von den Ordalen ſprechen ſchon die ſaliſchen Geſetze,
welche im 5. Jahrhundert geſammlet wurden. Unter die⸗
fen fand nun- der gerichtliche Zweikampf balb eine übers
wiegende Anwendung, unb die Burgunden waren es
wahrſcheinlichſt unter allen germanifchen Stämmen zuerfl,
wie bereits gefagt, weiche biefen Zweikampf förmlich durch
Gefege einführten. Man fchreibt dies Geſetz ihrem - König
Gundobald im Jahre 502 zu. Auch ald die Franfen un»
ter ihrem König Ehlobwig das Chriſtenthum annahmen,
börten die Ordalen keinesweges Auf, vielmehr bemächtig-
ten fich die chriſtlichen Priefter herfelben als eines Mittels,
auf das Volk einzuwirken; unb fo fanben, wie keinem
Zweifel unterworfen ift, durch buͤnſtliche Mittel, Nachhuͤlfe
und Taͤuſchung, die gefährlihfien Ordale, ſcheinbar gegen
bie Gefege der Natur, ihren glüdlichen Audgang Karl
der Große und Ludwig der Fromme beflimmten durch
Kapitularien den "Gebrauch der Drdale genauer. Das
Anſehn der Gotteöurtheile uͤberhaupt,, und vorzüglich der
gerichtlichen Aweikaͤnpfe, mußte baburch: immermebr wachs
fen, obgleich damals ſchon verfiäntige Männer, wie 5. B.
Agobard unter Ludwig bem Frommen, fich dagegen erklaͤr⸗
ten und ihr Anfehen zu untergraben fuchten. Unter ben
fächfifchen. Kaifern- wurden: die Kampfgerichte immer haͤu⸗
figer, und daher aud immer beflimmter georbuiet. Otto
der Große ließ fogar eine ftteitige Rechtsſrage: ob die En⸗
tel, bei: Beerbung der Großeltern mit den noch lebenden
Kindern zu gleichen Theilen gehen follten, durch einen
Zweikampf entfcheiden, wie und MWittihindb von Corbei
in feinen Jahrbuͤchern erzählt, indim er ben Vorſchlag,
‚
8, Abtheil. Amei- u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 189
Schiedsrichter niederzuſetzen und ihren Ausfpruh als
smabänderlich anzunehmen, verwarf. Er beflimmte bie
Entſcheidung durch den Zweikampf; diefer erging und
endete zum Bortheil der Enkel, da ihre WBerfechter den
Sieg davontrug; dieſer göttlih geglaubte Ausſpruch
-wurde darauf durch ein ewigesGeſetz beſtaͤtigt. Bemuͤ⸗
hungen, .fie abzuſchaffen, mußten immer unwirkſamer
werben, und fie wurden ganz nichtig, als die beiden bes
rühmten Gefegbücdyer der. Deutfchen des 13. Yahrh., der
Sachſen⸗ und Schwabenfpiegel, den Zweikampf -ald ein
altes. Herkommen feierlich mit anerfannten. Die übrigen
Ordale verloren ſich, wie bereits geſagt, nach und. nad,
aber der gerichtliche Zweikanpf blieb die langte Zeit in
Achtung und Würden.
Als eine großed Unheil bringende Folge der geſetz⸗
lichen. Beſtaͤtigung der Kampfgerichte erſcheint in: Deutſch⸗
land das Fauſtrecht, oder dad Recht der Vornehmen, für
ſich Einzelkriege zu fuͤhren. Dies Fauſtrecht hat Deutſch⸗
land, bis zur Errichtung des ewigen Landfriedens durch
Kaiſer Maximilian, zu einem fortwaͤhrenden Schauplatz
von Gewaltthaͤtigkeiten gemacht. Won da ab find aber
nun zwei Arten von Zweikaͤmpfen zu umterfcheiben: vie
außergerichtfichen der Ritter und Vornehinen, welche Eh⸗
renſachen .betraftn; die Zweikaͤmpfe, welche bis auf unfere
‚Zeit geblieben And; und dann die Kämpfe, welche jeder
höhere Richter allen denen, die bei ihm Recht fuchten, ohne
Unterfchied der Geburt, wenn es nur freie Leute waren,
in denjenigen Fällen, welche die Geſetze bezeichneten, erlau⸗
ben oder fogar verordnen konnte. Was dies für Bälle
1900 3welter Abſchnut. Ritterleben.
waren, werden wir ſogleich bemerken. Zu einem ſolchen
gerichtlichen Beweismittel durch Kampf konnten ſogar
Prieſter und Frauen zugelaſſen werden, indem ſie Kaͤm⸗
pfer zu finden ſuchten, die, im Vertrauen auf die gute
Sache und auf die Rechtmäßigkeit der Anſpruͤche und For⸗
" derungen derſelben, fir fie dem Kampfe fich unterzogen.
Srauen wurden aber auch felbft zum Kampfe mit ‚ihrem
Manne, oder uͤherhnupt mit Männern gelaffen, indem
man bei beiden Zheilen eine Gleichheit in bee Kampfart
berzuftellen fuchte, wie wir in emer kurzen Bemerkung
üuͤber den Kampf. zwifchen Mann. und Weib weiter unten
ausführlicher fehen werben.
Merkwindig iſt e8, daB, fo fehr die Päpfte auch
gegen bie Kampfgerichte eiferten, doch in Deutſchland von
weltlichen Herrſchern, auch in ben fpätern Zeiten, Teine
Verordnungen genen dad Kampfrecht erlaffen wurben,
fondern daß es ſich nur, bei der fleigenven geiſtigen Aus⸗
bibung des Volls, nach und nady von: felbft verlor.
Während die hohenflaufifchen Kaifer, z. B. Friedrich II.,
in ihren außerdeutſchen Befigungen, wie Gizilien, bie
Kampfgerichte mißbilligten und. verbeten, inuͤſſen fie fie doch
‚mit der Denkart ‚und. Bildung bes deutſchen Volks fo
verfchwiflert gehalten haben, ſo aus ber innern deutſchen
Denk» und Handlungsweiſe enſptoſſen, daß fie hier Beine
Befehle Dagegen ertheilten. Mannichfach bat man in neue:
rer Beit an der Sitslichleit der Kampfgerichte gezweifelt,
und, im Stolze auf bie verfeinerte Bildung ber. neuern
Zeit, fie mit Schimpf und Verachtung .belegt. Aber gewiß
mit Unrecht, wenn man die ganze Zeit, in welcher fie
8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter 191
herefchten , mit diefer Einrichtung zufammenhält. Die
Rohheit und Ungebumbenheit der. frühern Zeit, die Ban:
benlofigkeit der fpäteren Zeit im Fauſtrecht, machten durch
* die gerichtlichen Zweikaͤmpfe fchon einen Fortſchritt zum
Beffern und zur Ordnung. Bei einem zum Kriege und
zu den Waffen geübten Volke war der Zweikampf unter
_ allen. andern Gottedurtheilen wohl das vernuͤnftigſte; benn
das Gefühl feines Rechts konnte wohl dem Kämpfenden
eine geößere Stärke geben, fo- wie das Bewußtſeyn bes
Unrecht die Kräfte lähnten, und für jeden, auch unbedeu⸗
tenden Vorfall während des Kampfes, Bebeutfamkeit er:
weden konnte. Selbft in unfern heutigen Zagen haben
wir etwas in unierer Gerichtöverfaffung, was einem Got»
tesurtbeile ähnlich ift, naͤmlich den Eid, befonders den
nothwenbigen Eid, der ald Ergänzung fehlender Beweis:
mittel gebraucht wird. Auch bier wird die Entfcheibung
» eigentlich Gott überlaffen, daß er das befiere Gefühl, den
religioſen Sinn des Schwörenden lebendig erhalte, auf
daß er nichts unter der Anrufung Gotted erhärte, was
‚ nicht der Wahrheit gemäß ſey. — Schredlih war bad
Mittel, welches im 15. Jahrh., nach ber Einführung des
roͤmiſchen Rechts, in vielen Fällen die Stelle der gerichts
lichen Zweilämpfe vertrat: es war die Tortur, welche bald
ein noch unſicherers, verruchteres und abfcheulicheres Mits
tel ber Unterfuchung ward, als die gerichtlichen Zweikaͤmpfe
je gewefen waren, je ſeyn konnten.
Im gerichllichen Iweifampf warb als Hauptſatz an⸗
genommen, daß, um fo zu fagen, Recht und Unrecht
felbft mit einander flritten, und es ward geglaubt, Gott -
192 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
werde dem Rechte gewiß fein Recht widerfahren lafſen.
Die Perſonen kamen nicht in Betracht, darum konnten
auch ganz andere, als die eigentlich in Unterſuchung Be⸗
griffenen, in die Schranken treten; darum konnte ſogar
das ſchwaͤchere Geſchlecht mit dem ſtaͤrkern, bie Frau mit
"den Wanne kaͤmpfen; darım finden wir fogar Menſchen
mit einem: Thier, eineh Ritter mit einem Hunde in jener
Zeit flreiten, inbem auch dad Thier als Kämpfer für
Wahrheit und. Recht angefehen werben Eonnte, wie wir
weiter unten. an einem beſtimmten Beifpiele ſehen Werben.
Diefer gerichtliche Zweilampf war alfo überhaupt in allen
Gtreitigleiten erlaubt und vorgeſchrieben, bei welchen zu
ihrer vechtlihen Entſcheidung alle andern gewöhnlichen
Beweismittel fehlten. Dann gab 28 aber auch noch viele
befondere &älle, in welchen der Zweifampf.crlanbt war,
und in denen ‚berfelbe nicht verweigert werben durfte, wenn
der Kläger gleich bei der Anklage darauf drang, oder wenn
der Beklagte fi dazu anheifchig machte. Diefe Fälle
nun waren:
4) Wer einen andern .vor Gericht um ben Zweilampf
anfprechen woßlte, mußte ihn befchulbigen, Daß er entwe⸗
der auf der Öffentlichen Straße, oder im Dorfe, oder auf
eine andere Art den Frieden an ihm gebrochen, ferner,
daß er ihn mit Gewalt angegriffen, verwundet und bes
vaubt babe, wobei er die Wunden ober Narben mußte
aufmweifen können. Nur dann, wenn er ihm biefes alles
auf einmal Schuld zu geben vermochte, und biefer nicht
freiwißig bekennen woßte, konnte er auf den Zweikampf
bringen, | |
\
8. Abtheil. Zwei: u Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 193
2) Konnte man einen, welcher ber Verraͤtherei gegen
das Reich, oder gegen feinen vechtmäßigen Herren, oder
andere ehrbare Beute, ober bes Mordes, Brandes und
Raubes, oder ber Nothzucht und Siftmifcherei war bes
fhuldigt worden, zum Zweikampfe verurtheilen. -In Hin:
fiht des Mordes bedurfte es nicht einmal „daß er begans
gen war, auch fchon ber Vorſatz dazu erlaubte eine Ans
Plage auf den Zweikampf. Ein Beifpiel davon giebt die
beutiche Gefchichte. Rudolf, Herzog in Schwaben, ber
in ber Folge Heinrich des IV Gegenkaiſer wurde, klagte
dieſen an, er habe einen gewiſſen Reginger beſtellt, ihn
zu ermorden, und verlangte vom Kaiſer, ſich mit demſel⸗
ben in einen Zweikampf einzulaſſen, damit Gott die Sache
entſcheiden moͤchte. Heinrich war dazu bereit; endlich aber
wurde durch Vermittelung mehrer Fuͤrſten die Sache dahin
gebracht, daß ſein Liebling, Ulrich von Koßheim an ſeiner
Stelle mit Reginger kaͤmpfen ſollte. Es unterblieb aber
hernach, weil Reginger kurz vor dem sum Zweikampfe
beſtimmten Tage ſtarb. | | |
3) Fand der Zweikampf noch in allen folhen Sachen
flott, in welchen der Richter das von dem Kläger gleich
bei der Klage mit angebrachte Verlangen um ben Zwei⸗
kampf beſtaͤtigte und die Sache fuͤr eine Kampfſache
erklaͤrte. —— |
4) Zuletzt warb der Zweikampf auch überhaupt bei
allen Klagen zugelaffen, die einen öffentlichen Friedens⸗
bruch zum Grunde hatten.
Da bie Entſcheidung durch Kampfgerichte eine voͤllige
geſetzliche war, fo war auch die Art und Weiſe, wie
13
8
194 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
"die Ausforderung zun Zweikampfe geſchehen mußte, feit
beſtimmt, wie aud) die Punkte, welche bei der Führung
bed Kampfes in Anregung Tamen In Hinfidt ber
Ausforderung war noͤthig: 4) baß ber, welcher fein
Recht oder feine Unſchuld durch den Kampf darthun
wollte, ein rechtliches Erfenntniß des Richters forderte und
diefen um die Erlaubniß dazu bat. Denn felbft bei
beftimmten Kampfſachen konnten Umflände eintreten, Durch
welche die Anwendung bed Zweikampfes verhindert wurde.
Diefed gefchah, wenn der Verdacht gegen ben Bellagten
gar keine Wahrfcheinlichkeit für fich) hatte, ober wenn es
möglich war, den Beklagten durch Zeugen zu überführen.
— Hatte nun 2) der Richter dem Kläger durch Urtbeil
und Recht die Erlaubniß ertheilt, feine Sache vermittelt
bes Zweikampfs entfcheiden zu laffen, fo mußte er aber:
mals durdy den Ausfprud des Richters belehrt werben,
wie er feinen Gegner zum Kampf auffordern follte. Es
wurde ihm alfo 3) aufgegeben: er folle denfelben oben
bei dem Halfe am Kleide ziehen. War bie Führung bes
Rechtsſtreits durch den. Zweikampf auf biefe Art, den
Rechten gemäß, von dem Kläger eröffnet worben, fo
mußte er, nachdem er den Beflagten wieder losgelaffen
hatte, 4) feine Klage nochmals auf bie oben beflimmte Art
in des Bellagten Gegenwart vor dem Richter anbringen,
um daburch feine Ausforberung zu rechtfertigen. Bei Diefer
Klage auf den Zweikampf fand, wenigftens in ben fpäte:
ren Zeiten, eine beſondere Form ſtatt. Der Beklagte
verlangte von ſeinem Gegner die Gewaͤhrleiſtung der Klage,
und ließ ſich nun auf dieſelbe ein. Wollte er ſich nicht
)
8. Abthell. Zwei: u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. - 195
in Güte mit ihm vergleichen, und leugnete er die Bes
fhulbigung , dann wurde ber Zweilampf nochmals durch
Urtheil und Recht von dem Richter vorgefchrieben. Dem
Beklagten war es nur dann erlaubt, fi) von der Beſchul⸗
digung burch einen Eid zu reinigen, fobald ihm ber Klaͤ⸗
ger dazu ſeine Einwilligung gab.
Nachdem nun der Richter auf den Zweikampf erkannt
hatte, und nachdem die Ausforderung von Seiten des Klaͤ⸗
gers an den Beklagten geſchehen war, folgte nach dem
Geſetze des Kampfrechts zunaͤchſt die Verbuͤrgung der
Streitenden zu dem Zweikampfe. Dieſe Buͤrgſchaft nannte
man Kampfſchatz, welchen entweder der Klaͤger ſogleich,
wenn der Richter auf Kampf erkannt hatte, durch einen
Geldbetrag leiſten mußte, oder die Streitenden gaben ein⸗
ander gegenſeitig ein Pfand, welches dem Richter einge⸗
liefert und von dieſem als die Verbuͤrgung zum Kampfe
angenommen wurde. Dieſe zweite Art der Buͤrgſchaft
geſchah in Frankreich ehedem fo, daß der Klaͤger dem Bes
Hagten, wenn er ihn herausforberte, ben Handſchuh zu⸗
warf, welchen dieſer aufhob, und ihm dagegen den ſeinigen
gab, zum Beweiſe, daß er in den Kampf willige, weil
man den Handſchuh fuͤr ein Zeichen der Einwilligung und
Annahme bei einem Verſprechen hielt, und er daher in der
alten Rechtöwiffenfchaft bei den fogenannten Inveſtitur⸗
Arten häufig vorfommt. Es iſt daher wohl feinem Zwei⸗
fel unterworfen, daß in Deutſchland eine Ähnliche Sitte
wie in Frankreich geherrfcht hat, und daß der Handſchuh
auch bier ein Zeichen des angenommenen Kampfgerichts
war, wie. fein Dinwerfen hberpaupt als Ausforderung
13 *
u - u R teen DO
1% Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
zum Kampfe, fein Aufnehmen als Einwilligung in den
Kampf galt.
Einzelne Fälle gab ed, in welchen dem Beklagten bie
Erlaubniß zuftand, den Kampf auszuſchlagen. Diefe
Hille waren: 1) wenn ber Kläger von geringerer Gebur:
als er war, ba hingegen ein Hoͤherer von Geburt allemal
einen Geringeren mit Recht zum Zweikampf auffordern
konnte. Wenn alſo ein freier Mann einen andern zum
Kainpf aufrief, ſo konnte dieſer von dem Klaͤger verlan⸗
gen, ſeine vier Ahnen und ſein Handmahl, d. h. ſeinen
ordentlichen Gerichtsſtand, zu beweiſen. Konnte er dieſes
nicht, ſo war der Beklagte von dem Zweikampfe befreit,
und der Klaͤger mußte Strafe geben ‚ weil er nicht das
Recht hatte, ihn herauszufordern. Ein fpätere Herkom⸗
men ftellte dagegen dem Beflagten frei, wenn ber Kläger
ihm nicht ebenbürtig war, auf fein Recht, den Kampf
auszufchlagen, Verzicht zu thun, und auch mit einem nicht
. ebenbürtigen Audforderer den Zweilempf zu halten.
Fernere Urfachen, den Kampf auözufchlagen, waren 2), wenn
der Kläger wegen. Verbrechen und Unthaten befannf, ober
unehelich geboren war. — 3) Wenn man Rahmittags zum
Kanıpfe ausgefordert worden war. Den Kampf auf den
Nachmittag konnte man nur dann nicht außfchlagen, wenn
man fchon Vormittag mit einem gefämpft hatte, und biefer
ben Kampf Nachmittags fortfegen wollte. 4) Berwanbte
konnten den Kampf unter einander ausfchlagen und gegen-
feitig verhindern. 5) Wenn der Beklagte an dem Orte,
‘wo er verflagt und zum Zweikampfe aufgefordert wurde,
ein Fremder und einem andern Gerichte unterworfen war.
u
N
8, Abthell. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 197
6) Endlich Eonnte auch der den Zweikampf .ausfchlagen,
welcher aus Schwächlichkeit oder Gebrechlichkeit des Keibes
nicht fechten konnte. |
Es waren mehre Umflände im Herkommen und in
den daraus entfprungenen Gefegen feflgeftellt, durch welche
bie Hauptperfonen von dem Zweilampfe befreit werden
konnten, daß fie nicht gendthigt waren, ihn in Perfon zu
halten. Dann war es ihnen erlaubt, einen freiwilligen
Kämpfer an ihrer Stelle zu fchiden, oder fogar einen fols
chen, der von ihnen mit Geld gemiethet war. Man nannte
fie Vormünder ober Vorfechter. Das firenge Mittelalter
hielt aber doch diejenigen Vorfechter, welche fich für Geld
zum Kampfe miethen ließen, für unebrlih, ja ſelbſt auf
die Kinder derfelben warb es ausgedehnt, die man auch
noch für ehr⸗ und vechtlos hielt. Einen folchen Stelver:
treter deö Iweilampfs zu ernennen, war nun in folgen:
den Zällen erlaubt: 4) wenn berjenige, welcer dazu auf:
gefordert wurbe oder darauf klagen wollte, ſchwaͤchlich und
gebrechlic war, fo baß er nicht fechten konnte. Sobald
biefer Umftand eintrat, mußte derjenige, welcher kaͤmpfen
folte, zuexft feinen rechten Vormund, das heißt, einen
feiner ebenblrtigen Schwertmagen, einen Verwandten väs
terlicher Seitd, auf den Kampf für ihn zu Magen, ober
derauf zu antworten, auffordern. Konnte er nun einen
Eid leiften, daß er nit im Stande fey, einen folden zu.
fielen, dann war ihm erft erlaubt, jeben, der ed aus
| Freundſchaft thun wollte, oder ven er für Gelb dazu ge:
winnen konnte, als feinen Vorfechter zu flellen. 2) War
allen denen ein Vorfechter erlaubt, Die wegen ihrer Jugend
‘
198 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
oder wegen ihres Alters nicht fechten konnten oder durften.
Das Alter, welches man befitzen mußte, war durch die
Geſetze beſtimmt; doch kann man nicht genau angeben,
welches Jahr in Deutſchland angenommen ward. Darf
man aus dem ſchließen, was ‚ber hohenſtaufiſche Kaiſer
Friedrich IL. für Sizilien beſtimmte, fo wäre bie Zeit der
Kämpfjahre vom 25ſten bis zum 6oſten Jahre gewefen.
3) Geiftlihe konnten einen Vorfechter Fiefen. In ditern
Zeiten hatten fie bisweilen in Perfon gekaͤmpft, bis es
ihnen durch eine Verordnung der Päpfte Alerander und
Coͤleſtin II. unterfagt worden war. - 4) Frauen war ed
verflattet, einen Vorfechter zu flellen. 5) Konnten aud
bie Tobten, wenn fie in ihrem Grabe beleidigt waren,
durch Vorfämpfer im Imeilampfe vertheibigt werden. War
der Kläger im Stande, dem Zodten dad Verbrechen, deffen
er ihn befchulbigte, durch 7 Zeugen zu beweifen, fo
brauchte er nicht fih zum Kampfe anheiſchig zu machen.
Außerdem mußte er dies aber thun und mit jedem Ber:
wandten deſſelben, ber fich zu feiner Vertheidigung anbot,
den Zweikampf eingehen. |
Sand nun Fein einziger von ben eben angegebenen
Ablebnungsgründen flatt, aus denen dem Ausgeforberten
frei_ftand, den Kampf zu vermeiden, fo mußte er ihn
annehmen und ſich dazu verbinblih machen, wenn man
ihn nicht für fchuldig und uͤberwieſen halten follte. Der
Zweikampf brauchte aber nicht gleich gehalten zu werden,
indem dem Beklagten eine gewille Zriit gegeben war, um
fi dazu vorzubereiten, Nach Berfchiedenheit der. Höhe
bes Standed wurde biefe Friſt bewilligt, befonderd in dem
8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernfifämpfe d. Ritter. 199
Falle, wenn man vor Gericht gerufen wurde, ohne daß
man vorher gewußt hatte, man würde einen Zweifampf
beftehen muͤſſen. Diefe Friſt beitand bei den fchöppenbas
ven Sreien, ben Semperfreien, in ſechs Wochen, bei ben
Minifterialen ober Dienflmannen und bei den übrigen
Freien in vierzehn Zagen. Während dieſer vergönnten
Stundung durfte Feiner den andern beleidigen; gefchab es
doch, fo wurde der Beleidiger nach dem Zriedendrechte ge:
firaft, welches im Mittelalter fehr firenge war; denn das
Verbrechen des Friebensbruches zog nach den Gefehen des
Mittelalters den Verluft des Kopfes nach fih. Der Ort
bes Zweikampfs wurbe vom Richter beſtimmt und durch
eine Umzdunung eingehegt, um das Anbringen des Volkes
zu verhindern. Diefer zum Zweikampf beflimmte Platz,
oder das Kampffelb, hieß in der alten beutfchen Sprache
Kreyt, Kryt, Krais, Grais, und hatte gewöhnlich eine
eirunde ober runde Geftalt, weswegen ihm auch der Name
Ring, oder wie im Sachienfpiegel und Reineke Voß,
Warf gegeben ward, Die Rüftung und die Waffen,
welche die Kämpfer tragen burften, waren durch die Ges
fege beſtimmt und zwar, nach der Anleitung bes fächfifchen
Landrechts, folgender Geftalt: jedem ber beiden Kämpfer
war erlaubt, Leber und leinenes Zeug anzuziehe., fo viel
er wollte, Haupt und Füße mußten vorne bloß feyn, und
an den Händen follten fie nichts ald dünne Handſchuhe,
über ber Rüftung aber einen Rod ohne Aermel anhaben.
In der rechten Hand mußte jeder ein bloßes Schwert halten;
außerdem war ihm erlaubt, nach feinem Belieben noch ein
ober zwei Schwerter umzuguͤrten. In der linken Hand
— —
6
200 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
ſollte er einen bloß aus Holz und Leder verfertigten run⸗
den Schild haben, an dem nur bie Buckeln von Eiſen
wären. Wir finden inbeffen auf Abbildungen, die wir
von folchen alten Kämpfen befigen, daß die Streiter große
länglihe Schilde hatten, oben und unten mit einer Spige,
welche den ganzen Leib bebedten, und bie wir ſchon oben
unter dem Namen ber böhmifchen ‚Pafefen kennen gelernt.
Der Richter mußte jebem der Kämpfer zwei Männer zu⸗
ordnen, welche darauf Acht hatten, daß bie Waffen auf die
gehörige Weife angelegt wurben. j
Erfehien nun nach dem gefegmäßigen Gange bed bis
jetzt befchriebenen Kampfrechtöftreitö der zum Zweikampf
beflimmte Zag und die angefehte Stunde, fo begab fidy
der Richter nebft den Beifigern und einigen zu diefem Zweck
befonders verorbneten Kampfrichtern, die meiften® alte, verz
diente Ritter waren, auf einen erhöhten Plag, der an den
Schranken des Kampfringed für fie beſonders zugerichtet
war. In die Eden des Kampfplages wurde, wenn ber
Kampf auf Leben und Tod ging, für jeden Kämpfer eine
Tobtenbahre mit allen Zubehörungen gefeßt, zum Zeichen,
daß bier auf Leben und Tod gelämpft werde, ber Beftegte
jedoch" ein anftändiges Begräbniß erhalten follte Nun ers
fhienen die Kämpfer, jeber von feinen Beichtvater, feinen
Verwandten und anderm Gefolge begleitet, vor ben
Schranken. Sie gingen zu dem Richter und baten noch—
mals um die Erlaubniß, ihre Sache durch den Zweikampf
ausmachen zu dürfen. Der Kläger legte feierlih den Eid
ab, daß feine Beſchuldigung wahr und gegründet ſey; der
Beflagte dagegen, daß er unſchuldig angeklagt fey. Beide
z
%
8. Abtheil. Zwei: u. Ernfflämpfe d. Ritter. 204
baten Gott, ihnen bei ihrem Kampfe zu helfen. Diefer
gefegliche Kampfeid wurde nach der damaligen Sitte auf
die Reliquien von Heiligen geleiftet; der Kläger aber
mußte bei der Ablegung beffelben ben Beklagten oder deſſen
Kleid anfaffen. "Außerdem mußten die Streitenden noch
fhwören, daß fie ehrlih und aufrichtig fechten wollten,
und daß fie Beine Zauberfräuter oder andere Beſchwoͤrungs⸗
mittel an ſich verborgen trügen. Nach Ablegung des
Eides unterfuchten die Kampfrichter die Ruͤſtungen und
Waffen der Kaͤmpfer, ob alles mit der Vorſchrift der Ge⸗
ſetze uͤbereinftimmte. Der Beichtvater reichte dem Ritter,
welchen er begleitete, bas heilige Abendmahl; fogleich tra=
ten fie, zuerſt der Kläger und jeber von einem ober zwei
Srieswärteln begleitet, in den Kampfplatz. Diefe Gries-
wärtel hatten lange Stangen oder Bäume in der Hand,
unb waren den Kämpfen zum Beiftand gegeben. -Fiel
einer ber Kämpfer zur Erde, ober ward verwundet und
bat, daß der Grießwärtel mit feinem Baume ihm huͤlfreich
beifpringen folle, fg konnte diefer, mit Erlaubniß bes
Richters, die Kämpfer trennen, dem Gefallenen Luft
machen oder dem Verwundeten beiftehen. Ueberhaupt
mußten die Grieswärtel bei den „gerichtlichen Zweilämpfen
‚darauf fehen, daß dabei alles ohne Zrug, Lift und Ges
fährde zuging, daß Sonne und Wind, Licht und Schatten,
alles ganz genau und gleich getheilt wurde, damit Feiner
. einen fihtbaren Vortheil über ben andern hätte. Sobald
die Kämpfer in ben Kreis getreten waren, fo gebot. ber
Richter ober Herold der umftehenden Menge Stillſchweigen.
Er drohte dem, der fi) unterfangen würde, zu fehreien,
+‘
⁊
202 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
oder ſonſt ein Geraͤuſch zu verurſachen, mit harter Strafe,
ja ſelbſt mit dem Tode. Darauf folgte nun eine Todten⸗
ſtille, und dieſe vermehrte noch die bange Erwartung
des Ausgangs. Die verſammelten Frommen in dem Hau⸗
fen der Umſtehenden baten Gott im Stillen um ſeinen
Beiſtand fuͤr den Unſchuldigen. Die Kaͤmpfer traten
gegen einander auf; man ſtellte ſie ſo, daß keiner die
Sonne allein im Geſichte hatte. Nun rief der Herold
dreimal laut oder gab ein dreimaliges Zeichen mit der
Trompete, und beim dritten Male gingen die Kaͤmpfer auf
einander los. Das verhaͤngnißvolle Schweigen lag auf
der umſtehenden Menge, alle Aufmerkſamkeit war auf die
Kaͤmpfer gerichtet. Man hoͤrte nichts, als den Schall der
auf die Schilde und den uͤbrigen Theil der Ruͤſtung fal⸗
lenden Schlaͤge, das fuͤrchterliche Klappen der auf einander
prallenden Streitkolben. Lange ſchlug man ſich mit dieſen
letzten herum, ohne daß man ſich beſchaͤdigte, ſich nur
durch die gewichtigen Schlaͤge ermuͤdete und vielleicht hin
und wieder, wenn einer traf, auf Augenblicke lang be⸗
taͤubte. Drauf warf man fie weg und zog die Schwerter.
Es gab aber auch verfchiebene Gerichte in Deutfchland,
wo nur mit ber einen ober der andern biefer beiden Waf⸗
fen audfchließend gefämpft wurde, und dies war beſonders
das fogenannte Kolbengericht, bei welchem nur mit Kols
ben gefochten ward; bavon weiter unten. — Das Ende
des Kampfs war da, fobald «einer von beiden todt zur
Erde fiel, ober ſchwer verwundet anerkannte, baß ber
andere fein Sieger, -er der Weberwundene ſey. War es
ber Beflagte, fo warb über ihn nach den Rechten gerichtet,
8. Abtheil. Zweis u. Ernfllämpfe d. Ritter. 203
vie das fchuldgegebene Verbrechen heifchtes war es ber
Kläger, fo warb der Beklagie von der Anklage und Bes
fhuldigung vollflommen frei gefprochen, jener aber zur
Bezahlung der verfprochenen Buße verdammt. Zur Endis
gung bed Kampfes war es nicht nöthig, daß ber eine
Theil volllommen befiegt oder gar getöbtet wurbe, viel:
mehr war es ſchon genug, wenn er belannte, er fey über:
wunben; gefeßt auch, er wäre bloß von feinem Gegner
entwaffnet worden, ober hätte nur eine leichte Wunde er⸗
halten. Auch hing die Beendigung ded Zweikampfs von
dem Ermeflen des Richters ab, welcher ben Befehl zur
Aufhebung deffelben den Kämpfern durch die Grieswaͤrtel
befannt machte, und auch den Sieger durch biefelben mit
großer Feierlichkeit vor fich führen ließ. Das Herkommen
beflimmte, daß derjenige, welcher fih verwundet feinem
Gegner ergab und um Gnade bat, ehrs und rechtlos er:
achtet wurde. Er verlor Amt und Ehre, burfte Feine
Waffen und Rüfltung und Feine andern Ehren und Ritter:
Zeichen mehr tragen, Bein Pferd mehr befleigen und fich
den Bart nicht mehr fcheeren laſſen. Dies war daher auch
der Grund, daß ſich nur höchft felten einer ergab und daß
der Kampf meift immer. bi6 zum Tode und zur legten
Krafterfchöpfung ging, fo daß der Tod wenigſtens bald
nach ber durch die Kampfermübung nothwendigen Beendis
gung bed Streited folgte. Derjenige, welcher tobt auf
dem Kampfplage blieb, wurde ehrlih unb anſtaͤndig zur
Erde beſtattet. Gemeiniglich forgte ber Sieger felbft für
das anfländige Begraͤbniß des überwundenen Gegners,
Hier bei diefen Kämpfen war es auch befonderd, wobei
204 Zweiter Abſchnitt. Ritterleb en.
der Sieger dem verwundeten, zur Erde geſtreckten Feinde
auf die Bruſt kniete und den kleinen Dolch zog, den er
an feiner Seite trug, den Dolch der Barmherzigkeit (mi-
sericorde), wie man ihn nannte. Rief der Verwundete
nun nicht um Barmherzigkeit und Gnade, fo fließ er ibm
denfelben durch die Fugen der Rüftung in ben Leib. Un⸗
gewiß ift, ob die gerichtlichen Zweikaͤmpfe auch zu Pferde
gehalten worden find, wie es die außergerichtlichen meiſt
immer wurden. Die Beichreibungen und Abbilbungen,
weiche uns aus jener Zeit geblieben find, zeigen meift
immer nur Kämpfe zu Zuß, doch kommt auch hin und
wieder einer vor, bei bem bie Kämpfenden zu Rofle ſich
befinden. Indeſſen fimmt die ganze geſetzlich beflimmte
Kompffleidung nur zu einem Fußkampfe, und als Regel
ift daher gewiß anzunehmen, daß nur zu Fuße geflritten
ward; doch waren in einzelnen und feltenen Fällen, bes
fonderd in früherer Zeit, vieleicht Kämpfe zu Rop vers
ftattet.
Zuweilen geſchah es, daß der Beklagte, wenn bie bes
flimmte Zeit des Zweikampfs dba und ber Kläger in den
Schranken erfchienen war, audblieb und fich nicht einfand.
In einem ſolchen Zalle mußte der Richter, fo verorbnete
ed ber Sachfenfpiegel, den Frohnboten in Begleitung
zweier Schoͤppen in das Haus ſchicken, wo ſich der Be⸗
klagte aufhielt, und ihn nochmals durch dieſelben vorladen
laſſen. War dieſes dreimal geſchehen und der Beklagte
nach der dritten Aufforderung nicht erſchienen, ſo ſtand
der Klaͤger bei dem Kampfplatze auf, trat auf denſelben
und bot ſich, indem er zwei Hiebe und einen Stich in bie
8. Abtheil. Zwei⸗u, Ernftlämpfe db. Ritter. 205°
Luft that, zum. Kampfe an. Dann warb die angebrachte
Klage, mit welcher er feinen Gegner in Anſpruch genom-
men hatte, für erwiefen gehalten, und biefer von dem -
Michter eben fo verurtheilt, ald ob er im Kampfe übers
wunden worben fey. Died geſchah befonders dadurch, daß
über ihn die Kampfacht ausgeſprochen warb unb zwar
aus folgenden Gruͤnden, wie fie bie Gefeßbücher in ihrer
alten Sprache angeben, wegen feiner: „Ungehorfambteit,
Verachtung und Verfmehung des heiligen Reich und dig
Landgericht.” Dabei fand folgendes Verfahren Statt.
Der Auögebliebene wurde nochmald von bem Landgerichts:
boten mit lauter Stimme breimal .gerufen, und nun mußte
der andere bis zum Untergang der Sonne warten. Erſchien
jener bis dahin nicht, dann mußte der, weldyer fich einge:
ſtellt hatte, bei dem Gericht anhalten, ſeinen Gegner,
weil er nicht vor Gericht erſchienen ſey, mit ber Kampf⸗
acht zu richten. Hierauf ſtanden nun, nach Vorſchrift der
Kampfordnung, der Landrichter und Landſchreiber des
Landgerichts auf, wandten fich ‚zu der Gegend- hin, wo
der Außengebliebene anfäßig war, und erklärten ihn mit fol-
genden Worten, weiche der Landrichter dem Landfchreiber,
der fie aufgefchrieben hatte, - nadfprechen mußte, in die
SKampfadıt:
„Ich nimb N. N. Ehre und Recht, aigen und Lehen,
und fege das aigen in des Reichs Sammer, und das Lehen
den Herrn, Herrn, von dem ober den fie zu Lehen rühren.
Ich verfinde auch fein Weib zu einer Wittwen, fein Kind
zu Waifen, und theil fein Leib frey den Vögeln in den
Lüften, den Thieren in den Zelden, ben Fiſchen in ben
206 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Wagen (Wogen, Wellen), und ſetz ihn von allen Rechten
in das Unrecht, und ich nimb ihn auß dem Friede, und
ſetz ihn in den Unfried gehn allermenniglich, und ſprich ihn
hiemit offenbahrlich in die Kampf⸗Acht, wie Recht iſt,
und erlaub ihn allermenniglich, daß niemand an ihn ge⸗
frevelt hab, der ihn angreift, von Klag wegen N. N., der
das kempflich auf ihnen erklagt und erlangt hat, als Recht
ift: darumb daß er an bad h. Römifhe Reich gerathen
und dad nit verantwort noch verfprocdhen hat, als Recht
if.” Anders ift der Schluß der Kampfacht, welche ſich in
der Ordnung bes Kampfrechts am Landgericht zu Franken
nach 1512 findet, der weit verwünfchenber und weit furcht⸗
barer alfo lautet: „Wir erlauben auch menniglich uff allen
Straßen, und wo ein jeglih Mann Fried und Bleib
(Geleit) hat, da foltu keines Haben, und: wir.weifen dich
die vier Straßen ber Welt, in dem Namen des Zeuffels
bei der Eiden in der Sach."
Wie bereitö gefagt, waren die Dipfe den Kampf:
gerichten heftig entgegen, unb hin und wieder fuchten auch
bie deutſchen Kaifer, wie wir weiter unten fehen werben,
diefelben zu befchränten. Doc gaben fie auch wieber
Vorrechte, ein ſolches Kampfgericht zu begen. Befonbers
erhielten einzelne Stäbte einen ſolchen Vorzug, vermöge
deſſen in dem Bezirk ihrer @erichtöbarkeit, mit Genehm⸗
habung und unter Aufficht ihrer Obrigkeiten, bie in ge⸗
wiſſen beflimmten Faͤllen vorgefchriebenen Zweikaͤmpfe fol:
ten angeftellt werben, um baburd ben Streit der Rechts⸗
huͤlfe Suchenden zu fchlichten. Dergleichen Bhrrechte zu
einem befonbern Kampfgerichte hatten bie Stäbte Hall
8. Abtheil. Zwei⸗ u. Ernftlämpfe d. Ritter. 207
in Schwaben, Bürzburg, Anſpach, bad Burggrafthum
Nürnberg, das Landgericht zu Franken u. f. w. Diefe
Kampfgerichte hatten ihre eigenen Gefege und Orbnungen
für den Zweilampf, welche Rampforbnungen genannt
wurben. Das Kampfgericht der Stabt Hall in Schwaben
war dad berühmtefte jener Zelt. Es wurde von vielen
befucht, um bafelbft ihre Streitigkeiten durch ben Zwei:
Tampf auszumachen. Vorzüglich haben die Adelichen unter
fih Zweikaͤmpfe bei dieſem Landgerichte gehalten, wenn
einer ded andern Ehre angegriffen, ober ihn fonft eines
Verbrechens befchuldigt hatte. In folchen Fällen kamen
fie häufig mit einander überein, ihre Sache. vor biefem
Kampfgerichte auszufechten.
Wie Überhaupt num biefe Kampfgerichte gehalten
wurden, haben wir fchon oben gefehen; wie ed aber be:
ſonders zu Hal berging, das befchreibt und Müller in
feinem Richtstagötheater Thl. 1. Kap. VII. $. 37. (nach
Sebaſtian Muͤnſter's Kosmographie 3. 308.) fo: „Zu fols
hen Kampfgerichten wurden auch gewiſſe Derter beftellt,
maßen dann in der Stadt Hal in Schwaben .ein folch
Kampfgericht gewefen, wenn 2 ebel Rittermäßige mit eins -
ander kaͤmpfen wollen, um Ehr’ und Glimpf, wobei diefe
‚Ordnung gehalten worden: nachbem der Rath bafelbft von
Kaifern und Königen von vielen Jahren befreit ift, fo
fih alfo zween edel Rittermäßige mit einander verunwillis
gen, und bei dem Rath um Plab und Schirm bitten,
fhreibt ihnen der Rath folgender Geftalt: Ihr Schreiben
und Begehr hab’ ein Rath gehöret und der Unwill zwi⸗
hen ihnen fei ihm leid, wollten gerne, daß fie vom ihrem
>
208 Zweiter Abſchnitt. Nitterleben.
Füuͤrnehmen abſtunden, und bitte fie mit allem Fleiß, das
zu fiberheben, ynd fonf in andrer ehrlicher und ziemlicher
Weif’ Mittel und Weg zu vereihigen; deß wolle ſich ein
ehrbar Rath zu ihnen verfehen, das begehre ein Rath um
fie zu verbienen. Und da fie beide wieder fchrieben, ber
Meinung wie vor, und wollten nicht abflehen, auf das
ſchreibet ihnen wieder ein Rath, wie vor. Wenn fie aber
weiter auf ihrem Fuͤrnehmen beharren, benennet ihnen der
Rath einen Tag, darauf zu erfcheinen, ihr beider Klag',
Anfpruch und Anliegen gütlich zu erhören, und fo fie den
Tag annehmen zu kommen, fo hört ein Rath, ihr Anlies
gen, und nad Verhörung thut der Rath möglichen Fleiß,
fie auf andere Art und Weife gütlich oder aufs Recht zu
vereinigen. Wenn aber foldyes fruchtlos abgehet, umd fie
don ihrem Vorſat nicht abflehen wollen, fo faget ein
Rath ihnen Platz und Schirm zu und benennet ihnen
einen Zag zu kommen. Und wenn fie erfcheinen und ihr
Begehren wieberholen, müflen fie zu Gott fchwören, ihrem
Vornehmen flradd auf den beſtimmten Tag Folge zu thun,
und benennet jedem eine Anzahl Leute, fo er mitbringen
möchte, aber mehr nicht, ald ihnen vom Rathe verwilliget
wird, Auf folhen Tag läßet ber Rath den Markt ober
Play mit Sand befchütten, denſelben umfchränten, und
jedem eine Hütte, ba er mit ten Grießwarten und feinen
Berwandten fein möge, machen, und jedem eine Todten⸗
bahre mit Kerzen, Baartüchern und andern Dingen, bie
‚zu einer Reiche gehören, fegen. Es wirb auch einem jeben
feines Gefallens ein Beichtvater, zween Griegwarten und
einem als dem andern gleiche Harnifch und Wehr zugelaßer,
x.
8, Abthell. Zweis m, Ernfllämpfe d. Ritter, 200
ober mögen fich desfalls felbft zu Ros vder Fuß vereinen,
wie fie deshalber in Schriften verfprochen und zugefaget
haben. Und alödann in Gegenwart ihrer beiden läßt ein
Rath gleihen Schug und Schirm öffentlihen ausrufen”
unb verlündigen, baß niemand ſchreie, deute ober winke
und fonft Zeichen thue oder gebe. Und welcher dem nicht
alfo nachläme, dem wollte der Rath dur den Nachrichter
(fo gleich da flehet und aufmartet) mit einem Handbeil
auf einem Bloch bie rechte Hand und ben linken Fuß abs
bauen Iaffen, !ohne alle Gnade. Es werben alle Thore
verfchloffen, ale Thuͤrme, Wehr und Mauern befekt, und
alle Gaſſen mit eifernen Ketten durchzogen, bewahret und, -
verfehen. Weiter wirb verboten und beftellet, daß Fein
Frauenbild noch Knabe, unter 13 Jahren alt, dabei fei,
oder ihm zuzuſehen geftattet werde. Alsdann beflimmet
der Rath ihnen beiden eine gewiſſe Stunde auf dem Pla
mit ihrem Beichtvater und Grießmwarten zu fommen, und
verwechfelt alödann einen Grießmwarten und befiehlt jedem
in feine Hütte zu gehen, und auf das allerheftigfte mit
allem Fleiße Aufmerken zu haben, daß Feiner wider ben
andern Untreu, noch Gefährbe, noch Vortheil der Wehr
und Waffen fuche ober habe, in Feine Wege. So das
alles geſchieht, alddann läßt man fie gegen einander an⸗
treten, unb wird beftellt, mit lauter Stimme dreimal zu
zufen, zum erflen, zum anbern und zum brittenmale.
Alsdann wenden fie fi ch gegeneinander und heben ben
Kampf an. Welcher verwundet wird -und fich dem andern
ergiebt, ber foll hinführo geachtet werden ehrlos, auf kein
Pferd mehr figen, Zeinen Bart befcheren, noch Waffen
£ 14
v
210 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
“ober Wehr tragen, auch zu allen Ehren untüchtig fein.
Ber aber tobt bleibet und alfo überwunden wird, ber fol
ehrlich zur Erde beftattet werden. Und biefer, ber alfo
obfieget, der fol feine Ehre genugfamlich bewahret haben
und forthin ehrlich gehalten werben.‘
Eine andere dabei vorkommende Einrichtung ifl aus
der Ordnung des Kampfrechts am Landgericht zu Franken,
wo ebenfalls Eprengerichte abgethan werden konnten, zu
merken. Darin heißt ed: „baß der Landrichter, als ein
Herzog in Franken, fein Schwert zwifchen den Beinen
liegen habend, auf einem hohen Stuhl im Harniſch, unb
bei ihm auf einem niebern Stuhl 9, 11 ober mehr Ritter,
auch im Harnifch, fiken follen. Der Zorberer und Ants
worter follen in ihrem Kampfgewand, nehmlich in einem
grauen Rod mit einem Kampfhut, vernähet mit Riemen,
in grauen Hofen ohne Füßling, mit Kolben und Schild,
burch den Kämmerer, fo auch ein Ritter war, bei der
Hand mit Geſang und Gefchrei: im Namen Gottes fahs
ren wir ıc. vor Gericht gebracht, jebem ein Fürfprecher
durch Urtel der Richter gegeben, 3 Gerichtstage von 14
zu 14 Zagen.(d. i. drei alte deutſche Labungen) gehalten, im
dritten Gerichtötage ber untere Kreis beſchraͤnkt und bie
Schranken mit Rittern, Knechten und Wappnern beflellt
werben. |
Ein immerwährendes Kampfgericht hatte auch das -
Burggraftpum Nürnberg, von dem noch eine. Kampford⸗
nung aus dem Jahre 1410 übrig iſt, woraus ſich die dor⸗
tige Einrichtung von demjenigen, der ſich ausführlicher
darüber belehren will, erfehen läßt. Der Zweilampf vor
8, Aöthei. Zwei: u. Ernfllämpfed. Ritter 211
dieſem Kampfgerichte wurde allemal zu Fuͤrth bei Nuͤrn⸗
berg gehalten. Das Burggrafthum Nuͤrnberg hatte von
alten Zeiten her das Recht, daß das Amt zu Fürth die
Schranken um den Kampfplag mußte fertigen laflen, und
baß es in alle, im Umkreis einer Meile von Fürth. geles
.. genen Häufer das Aufgebot ergehen laſſen konnte: jedes
folle am Tage bed Zweilampfs einen gerüfteten Mann zu
früher Tageszeit nach Fuͤrth ſchicken; alte Weibsperſonen
“und andere, die nicht kommen konnten, ſollten einen ans
dern tauglihen Mann an ihre Stelle ſchicken, damit fies,
„den Schirm der Herffchaft getreulich helfen hands
haben und fehügen, nach ihr jedes beſtem Vermoͤ⸗
gen, auf ihr feibft Koften, und welche, oder wels
cher auf dem gefehten Tag nicht kommen, oder
fhiden, und. ohn redlich Urfach außen bleiben, ..
den hat die Herrſchaft des Burggrafthums zu
Nürnberg darumb zu fltaffen umb 410 Heller, -
alter Währung ‚ und fol Straf foU man dem
Volk verkünden, fo man bie fordert, dad Kampf
gericht zu beſchirmen.“
Schon obeh bemerkte ich, daß es ſelbſt Zrauen vers '
ftattet wurde, gegen bie Männer zu Tämpfen, um ihre
Unſchuld an den Tag zu legen. In, Branfen vorzuͤglich
war ed ben Frauen vergönnt, wenn ihre Unfchuld burch
boshafte Beſchuldigungen angegriffen warb, benjenigen,
der es wagte fie auf diefe Art zu beleidigen, zum Zwei⸗
kampfe zu nöthigen. Diefer Kampf ging auch unterweis _
len auf Leben und Tod. Die Verfahrungsart dabei war .
verſchieden; hier einige Nachrichten daruͤber: zuerſt, wie
14 *
\
212 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
die Verordnungen im Bruͤckengericht zu Würzburg daruͤber
fprechen. Indem nad) den Geſetzen des Zweikampfs ein
jeder Kämpfer bem andern nicht allein im Hinſicht auf die
Waffen, fondern auch an Stärke und. Gewanttkeit, fo
weit als möglich, gleich feyn folte (daher man B.,
wenn einer ber Kämpfer eindugig war, bei ben Kampf:
gerichten dem andern einige Tage vor bem Gefechte das
eine Auge zuband), fo wurden auch Anſtalten gemacht,
dem ftärferen Marne nicht zu viele Vortheile im Kampfe
mit dem fehwächeren Weibe zu laſſen. Die Gefege dar:
über Tauten daher nun fo: Sfem: in der Maß foll ed. ge:
halten wirben, daß man dem Mann mitten in dem Kreis
ein’ Gruben machen fol, die dreier Schuhe weit fei, zu
ring um (ringsum), und als (alfo) tief, daß fie ihm bis
an den Nabel gebt. Darinn fol er fliehen und daraus
gen ber Frauen kaͤmpfen und ‚fol ein® Wehr’ haben,
nehmlichen ein'n Stecken, vorderlichen (vorne) zweier
Mannsdaumen did und einer Elle lang, derer foll er drei
haben unb je ein’n nach dem andern gebrauchen, durch
fein’n Grießwarten. Item: die Frau foll haben ein Haͤs⸗
leinfteden (Hafelfteden) von einer Sommerlatten (eines
Jahres alt), und fol auch einer Ellen lang fein, und
vor der Dand gleich bes Mannes Eteden lang, und vorm
daran fol gebumden fein ein Wade (Stüd) von einem
Stein, der eines Pfundes fihwer tft, und fol zuſammen
umwunden fein in ein’n Stauden (eine Art Schleier)
mit einem fchweinen oder roffen Riemen (Riemen von
Schweine: oder Pferde: Leder), in Kolben weif’ (nach Art
eined Kolben); und derer fol fie auch drei haben, und je
N
8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 213
einen nach dem andern gebrauchen, durch ihren Grießwar⸗
ten. Item: wenn der Mann nad) der Frauen ſchlaͤgt und
mit dem Schlage mit ſeiner Hand oder Arm die Erde
. rührt, fo bat er ein’ Stange verloren, das iſt einmal die
Sicherheit. Thut er dad zum andernmale, fo hat er aber -
-ein’ Stangen verloren, die ander? Sicherheit. -Und thut
er dad zum-brittenmal, fo hat er ganz verloren den
Kampf, daß die Frau mag über ihn laſſen richten zum
Zod, ob fie will, oder mit ihrem Willen laßen teibingen,
und barnach mit der Herrfchaft und dem Gericht. ' Und |
ber Tod ift: enthaupten. Item: beögleichen waͤre ed, daß
die Frau nach Dim Mann fchlug, fo er in Sicherung vers
fiel, in obberuͤhrter Maß; thut fie das einmal, fo hat fie
auch ein’n Stangen der Sicherheit‘ verloren; thut fi ſie das
zum andernmal, ſo hat ſie aber ein'n Stangen verloren,
thut fie das zum drittenmal, ſo hat fie ben Kampf ganz
verloren. So mag der Mann alsdann aud über die
Grauen zum Tod lafjen richten, nach Erkenntnis des Rech⸗
ten, ob er will und mit feinem. Willen laſſen teibingen,
und darnach mit der Herrſchaft und Gericht; und der
Frauen Tod iſt: lebendig begraben. Item: der Frauen
Kreis, darin ſie ſein ſoll, der ſoll zehn Schuh lang fein,
zu ring um (ringsum) von des Mannes Gruben, darin 06
iſt.“ Hier beftand alfo. die Häuptfache darin, daß jeber
der Kämpfenden feine.drei Waffen zu bewahren fuchte: der
Mann verlor feine Stäbe, wenn cr beim Schlage mit Leib
oder Stab bie Erbe beruͤhrte, die Frau, wenn ſie ihn,
waͤhrend er ein ſolches Verſehen beging, ſchlug. Dies
wenigſtens ſcheint der Sinn der langen Geſetzſtelle zu ſeyn.
216 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Etwas abweichende Gebraͤuche beſchreibt Thalhofer, in ſei⸗
nem großen Fechtbuche, welches auf der koͤniglichen Buͤ⸗
cherſammlung zu Muͤnchen aufbewahrt wird. Nach ſeiner
Angabe mußte der Mann bie Frau uͤber Kopf in feine
Grubke flürzen, um für den Sieger erflärt zu werben,
oder die Frau zog als Siegerin ven Dann aus der Grube,
Thalhofer giebt eine Reihe. von Worftellungen, wie ber
Dann die Frau, und eine andere Reihe, wie die Frau ben
Mann bezwingen konnte, welche Abbildungen fih Bd. I,
der Suriofitäten Taf. 18, 19 finden. |
Wieder etwas anderes erzählt ein altbeutfches Gedicht,
| Apollonius von Tyrland genannt, welches Heinrich von
ber Neuenftabt, zu Wien, ein Arzt, um 41400 bichtete,
biefen Kampf zwifchen Mann und raus der bier auch
kurz zu erwähnen, da ſich eine etwas abweichende Art der- °
Serihtöverfaffung babei zeigt, und auch. die Frage darin
beantwortet wird, in welchen Fällen die Gerichte einen
ſolchen Zweikampf erlaubten. Das Gebicht erzählt fo: Der
König fitzt an der Zafel, als plöglich eine ſchoͤne Jungs
freu auf einem flattlihen Hoffe berangeritten kommt, be:
gleitet von einem Knappen und einer Zofe. Sie verneigt
fih ehrerbietig und erfucht den König, ihr Gerechtigkeit
gu verfchaffen, da einer ber Witter feines Gefolges ihre
Schweſter, deren Gemahl er toͤdtlich haßte, im Walde
allein gefunden und ihr Gewalt angethan habe. Der
Mann, fie für ſchuldig haltend, habe fie eingekerkert; ſei⸗
nen Vorſat indeſſen, bie ihm angethane Schmach zu rächen,
babe er noch nicht ausführen Finnen, weil ber Verbrecher
‚entflopen ſey. Sie ſelbſt finde ihn nun bier und begebre
8, Abtheil Bweis u Ernfilämpfe d. Ritter. 216
mit ihm zu kaͤmpfen. Obgleich fie ein ſchwaches Weib
fey, vertraue fie boch ihrer gerechten Sache, hoffe den
Verraͤther zu befiegen und die Unſchuld ihrer Schwefter
zu erweifen. Nach aufgehobener Tafel geht der König
mit feinen Mannen zur Entſcheidung der Frage: ob der
Streit flattfinden fole. Die Königin und ihre Frauen
folgen ebenfalls, da Flordeliſe (bie Klägerin) durch ihre
Schönheit und Anmuth alle für fi) gewonnen hat. Die
Klage wird vorgetragen, aber der Angeklagte, Silvian
mit Namen, weigert fi) mit der Frau zu kaͤmpfen, weil
keine Ehre babei zu gewinnen fey, er möge den Sieg
davon fragen oder im Kampfe unterliegen. Dagegen ers.
bietet er fich, einen Eid zu leiften, daß er unfchuldig fey.
Diefen will aber Flordeliſe nicht zugeben, ſondern verlangt
wieder ben Kampf. Wie fol dieſer ergeben? fragt ber
Königs fie ift ja ein ſchwaches Weib, und wäre ein ganz
zes Deer der Mägde, das in ben Kampflreis mit ihm
träte, fo triebe er fie alle zurüd. Da antwortet ihm
einer der Alten und Vornehmen bes Hofes: Herr, verfiche
wohl, was diefes Urtheil befagen will. Wenn ein Weib
mit einem ſtarken Manne kämpfen fol, fo theilt man die
Kampfesart unter fie gleih. Ein Weib iſt nur einem
halben Manne gleih zu achten; darum foll ein jeder.
Mann in einer engen Grube flehen, daß er halb darin
fey. Scharfe Waffen find ihm nicht erlaubt, unb auch
feine rechte Hand fol hinter ihn gebunden werden: das iſt
mein rechtes Urtheil. Einen Steden, ber die Länge einer
Ele hat, fol man ihm geben, auf daß er bamit fein Les
ben wehre; ben giebt man ihm in bie line Hand uud nui
*
216 Zweiter Abſchnitt. Ki tterleben.
feine Waffe mehr; ein bloßer Rod, über ein Hembe anges
legt, iff fein Kleid. Die Frau geht außen herum (aber
wieder in einer Umzaͤunung, wie das Bild anzeigt, von
der indeffen hier im Gedichte nicht die Rebe ifl) und hat
einen leinenen Beutel, zwei Ellen lang, in der Hand; in
ben ift mit einem Riemen ein Stein gebunden, ber eine
Schwere von drei Pfunden hat. Bon ber Mitte des Mors
gens biß auf den Tag fol der Kampf dauern; Tann Feiner
bem andern bis dahin einen merklichen und bedeutenden
Schaden angewinnen, fo fol der Mann ald genefen und
von der Frauen Befchulbigung Iedig angenommen werben,
Schlägt aber fie ihn zu Tode, oder er fie, fo bat der
überlebende Zheil durch diefen Sieg fein Recht bewährt,
Da erflärten alle: fo foll es feyn und ergehen. Zlorbelife,
bie kuͤhn und unverzagt war, erfreute fich diefes Beſchluſ⸗
ſes, aber Silvian nicht, indem er fagte: wie fol mir. je
gut gefchehen? Schlage ich fie, das ſteht mir nicht wohl;
ſchlaͤgt fie mich, iſt es noch übeler, bann heißt es: eine
fhwache Magd hat einen Dann erfchlagen. Ihr Schwa⸗
ger folle Dagegen kommen, — meint ee — wenn er brav
fey, mit ihm wolle er kämpfen. Aber eö erging ber Magd
Begehr und Willen, fo leid e8 auch allen that, die dabei
waren, daf eine fo ſchoͤne Magd ihr junges Leben wagen
ſollte. Sie erhielt ihre Waffe, einen vn einen Beutel feit
gebundenen Stein, fie gürtete fih und band ihre Haare
‚und Zöpfe oben um ihre Hauptloden, und nun fprang
fie um den in der Grube Stehenden her, ihn bald ba,
bald dort bebrohend; aber er fehlug mit dem Stabe, ven
er in ber linken Hand hielt, tapfer um fich, und gab ihr
\ .
‚8. Abthelt Bweis u. Senfitämpfe.d, Ritter. 217
auch einen tuͤchtigen Schlag über ben Rüden. Indem fie
ihm nun wieder einen. Schlag zufchleuberte, ergriff er fie -
bei dem Saume ihres Kleides und zog fie zu fih. Da,
war großes Leib bei allen, die es fahen, und allgemein
fprachen fie: Flordeliſe iſt verloren und todt. Sie aber
wand ihre Waffe feſt um und gab ihm einen Schlag auf
die Hand, daß ihm der Kampfſtecken entfiel. Da ſchlug
ſie ihn einmal auf die Augen und darnach auf den Schlaf,
daß er laut aufbruͤllte. Vollendet war Flordeliſens Kampf,
fie ließ ihn für tobt liegen. Man wollte ihn darauf vers
brennen; aber ald man zu ihm trat, fpürte man noch
einige Lebensbewegung in ihm. Als der König dies erfuhr,
trat er ſelbſt zu ihm und befragte ihn: ob die Anſchuldi⸗
sung Zlordelifens wahr gewefen? und er bejahte es, das
ihm Schuld gegebene Verbrechen befennend. Da warb er
verbrannt, und -fo büßte et- feine Sünde.
Auch die fchweizer Chronik von Johann Stumpf
(Züri 1548. fol. Buch VIII Gap. VI. &, 250) ers
zählt ein Beifpiel von einem Kampf zwifchen Mann unb.
Frau mit folgenden kurzen Worten: ,,,Darnach im jar des
Herren 1288 am 5 Bag Ianuarij gefchah zu Bern an ber
Motten (da yesund die groß Kilchhofmauer ſtadt) ein
kampff zwifchend "einem man vnd jeinem wenb. Das
weyb lag ob, und gewan den kampff.“
‚ Schon oben erwähnte ih, daß fogar Menfchen mit
einem Thiere impfen durften, indem auch dieſes ein Got:
teöurtheil war, wodurh Schuld oder Unſchuld entdedt
werden konnte. Natürlich war dies nur immer ein feltes
ned Ereigniß, und der Sonderbarkeit wegen verdient wohl
⸗
218 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ein ſolcher Kampf hier angefuͤhrt zu werden, der im Jahre
. 4374 unter der Regierung Königs Karl des V zu Paris,
auf der Inſel Notres Dame, in Gegenwart bed Königs
und des ganzen Hofſtaates, zwiſchen einem Ebelmanne -
und einem Hunde gehalten wurde. La Colombitre in.
feinem Theätre d’honneur et de Chevalerie Tom. IL
p. 300 erzählt diefen Zweikampf fo: Macaire, ein Ebels
mann und Bogenfchüge bei ber Leibwacht bed Königs,
beneidete einen andern Edelmann, Aubry be Montdibier
genannt, welcher ebenfalls Bogenſchuͤze war, um bie
Gunſt, welche ber König für ifn hatte Er Iauerte ibm
baher fo lange auf, bis er ihn enblih, bloß von feinem
Hunde begleitet, im dem Walde von Pondy antraf. Hier
fand er bie günftige Gelegenheit, feinen Haß zu befriebis
gen: er brachte ihn meuchelmörberifcher Weiſe um das Leben,
fcharrte ihn in dem Walde ein, und Tehrte darauf unbe:
fangen nach Hofe zurüd. Der Hund aber blieb fo lange
unbeweglich auf der Grube, worin fein Here lag, bis ihn
bie Gewalt des Hungerd zwang nad Paris zur Hofhal⸗
tung be& Königs zu gehen und von den Freunden feines
Herrn Brot zu begehrten; wonach er alfogleih wieder an
ben Ort zurüdfehrte, von dem er 'gefommen war. Da
er dies öfter wiederholte,‘ babei fehr. niebergefthlagen und
‘ traurig war. und. durch fein außerosbentliches Bellen feis
nen Schmerz verrathen zu wollen ſchien, fo folgten ihm
einige, die ihn immer fommen und geben fahen, in bem
Wald. Dort fahen fie ihn auf einem Orte ſtille fichen,
wo die Erbe noch ganz friſch umgegraben war. Dies
bewog fie nachzugraben, und fie fanden ben Ermorbeten,
8, Abthell. Zwel⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 219
den fie bann auf eine anfländigere Art zur. Erbe beſtatteten.
Ein Verwandter des Ermorbeten nahm ben Hund nad:
her zu fih; und da diefer feinen neuen Herrn begleitete,
bemerkt er von ungefähr ben Mörder feines erſten Herrn.
Sogleich fiel er denfelben in der Mitte von andern Edel⸗
leuten mit der größten Heftigkeit an, ſprang ihm an den
Hals und ſchien ihn erwuͤrgen zu wollen. Man ſchlug
ihn, man jagte ihn weg, er aber kam immer wieder zu⸗
rad; und weil man ihn abhielt, fi) dem Mörder zu nds
hern, fo richtete er fein Gebelle und feine Drohungen nad
dem Drte zu, wohin fich derfelbe gerettet hatte: Da er
feine. Angriffe jedesmal wiederholte, fo oft er jenem bes
gegnete, und ba er übrigens niemand was zu Leibe that,
fo fing man an, bie Urfache davon zu vermuthen, Der
König, welcher von allem benachrichtigt warb, wollte bie
Bewegungen des Hundes felbft mit anfehen. Er ließ, ihn
daber zu fich bringen und befahl, daß ſich der verdaͤchtige
Edelmann in die Mitte der Anweſenden verbaͤrge, die in
großer Anzahl zugegen waren. Der Hund waͤhlte fich
unter allen dieſen ſogleich ſeinen Mann aus, er warf ſich
mit noch groͤßerer Heftigkeit als gewoͤhnlich auf ihn und
ſchien den Koͤnig durch ſein erbaͤrmliches Gebelle um Ge⸗
rechtigkeit und Rache anzuflehen. Er erhielt fie auch.
Denn der Koͤnig, durch dieſen wunderbaren und ſeltenen
Vorfall und durch andere Anzeigen bewogen, ließ den
Verdaͤchtigen vor ſich kommen und drang in ihn, die
Wahrheit von dem zu bekennen, deſſen ihn die allgemeine
Sage und die Angriffe des Hundes beſchuldigten. Aber
aus Schaam und Furcht, eines ſchaͤndlichen Todes ſterben
. ‘
220 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
zu muͤſſen, laͤugnete er alles auf das hartnaͤckigſte; fo
daß der Koͤnig endlich gezwungen war, einen hoͤchſt ſon⸗
derbaren Zweikampf zwiſchen ihm und dem Hunde zu
verordnen; als das einzige Mittel, wodurch mit Gottes
Fuͤgung die Wahrheit entdeckt werben moͤchte. Sie wurden
- daher beide in Gegenwart bed Königs und bes ganzen
Hofes auf den Kampfplag geführt. Der Edelmann war
mit einer großen und ſchweren Keule.bewaffnet; der Hund
hatte außer feinen natürlichen Waffen nur ein Faß mit
burchbrochenem Boden zu feinem Zufluchtsorte. Sobald
er losgelaſſen wurde, lief er fogleich auf feinen Feind’ zu;
aber durch die Keule deffelben, ‚welche flarf genug war, ihr
mit einem Schlage zu Boden zu ſtrecken, wurde er bewos
gen, ihm auszumeihen und bald da bald dort um ihn
berum zu laufen. Endlich erſah er feinen Vortheil fo
wohl, daß er ſich mit Einem Sprunge an bie Kehle feines
Feindes warf und ihn fo gut faßte, daß er ihn zu
Boden riß. Nun war diefer gezwungen, um Barmherzigs
keit zu rufen und den König zu bitten, daß man bad _
wüthende Thier von ihm los machen möchte, indem er
alled bekennen wolle. Der Hund wurde alfo von ihm
meggebracht, und er befannte ben Richtern, die fi) ihm ‘
auf Befehl bes Königs genähert hatten, daß er feinen
Amtögenoffen ermordet, oͤhne daß es jemand gefehen hätte,
als der Hund, ben er für feinen Sieger erkannte.
Schon oben habe ich, der papfilichen - Verordnungen
gegen’ die Kampfrechte, die als etwas Gottlofes und Vers
werfliches betrachtet wurden, gedacht; hier zum Schluſſe
moͤgen noch einige Worte von den Verordnungen folgen,
=
v
4 «
8. Abtheil. Zweis⸗- u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 221
welche die deutſchen Kaiſer, Koͤnige und andere Fuͤrſten
gaben. Sie ertheilten beſonders den Bewohnern der
Reichsſtaͤdte Vorrechte und Verguͤnſtigungen, daß fie,
. wenn fie auch gefordert würden, nicht kaͤmpfen
foliten. Diefe Bergünftigungen find für die ganze ba:
malige Zeit bedeutfam; fie beweifen, daß die Bürger, bie
Bewohner der Städte, nachdem fie in den unruhigen Zei⸗
ten. der fränfiichen und fchwäbifchen Könige das Recht der .
Wehrhaftigkeit und hierdurch dad vom Adel ihnen oft und
lange beſtrittene Recht der freien Geburt wieder erlangt
haͤtten, auch vollkommen befugt waren, ſich des Kampf⸗
rechtes zu bedienen, wie es dem Adel und den andern
Freien erlaubt war. Aber der frühere kriegeriſche Hang
war durch bürgerlichen Fleiß und Arbeitſamkeit gemäßigt
Ey
worden, fie fanden wenig Behagen daran, durch eine fo
heftige Art und Weife fih Recht zu verfchaffen und ſich
von Belhuldigungen zu befreien. Vielmehr ging ihr Bes
fireben nunmehr dahin, fich diefer Werbindlichkeit des
Kampfes, wenn fie dazu aufgefordert wurden, zu entlebi=
gen. Deöhalb waren fie bemüht, von den Königen bie -
Vergünftigung zu erhalten, daß fie nicht zu dem Zweis
Tampfe gezwungen werden durften, und erhielten fie auch.
So gab Rudolf von Habsburg der Stadt Rothenburg. an
der Zauber 41274 eine folche Verguͤnſtigung, worin es
beißt :
„Es fol noch mag kein Auswartman (fein außer ber
Stadt Geſeſſener) vmbe keinerley Sache nicht
. laden, noch kempflichen 'anfprechen, keinen vnſern
Burgern von der vorgenannten Statt.“
Sn
)
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J
222 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
Kaiſer Karl TV beftätigte im Jahre 1358 das ſchon
von Rudolf von Habsburg und deſſen Sohn Albrecht der
Stadt Frankfurt am Main ertheilte Vorrecht mit folgen⸗
den Worten:
„Daß niemand keinen vnſern noch des Reichs Bur⸗
ger von Franckfurt, auß derſelben Statt von
Franckfurt vor kein Gericht laden noch beclagen
ſoll — weder vmb Gut, noch vmb Schuld,
aigen, Lehen, Pfandſchaft, noch vmb Fein ander
Gut — vnd auch in Kampfweiſe.“
Eine gleiche Verguͤnſtigung ertheilte Karl IV im
Jahre 1355 auch der Stadt Worms:
„Wir Beflätigen ihnen auch ‘die Freyheit, dag fie nies
mand Temppen (zum Kampf ausfordern) mag.”
Soldier Verordnungen finden wir num mehre; bei ben
meiften indeffen ift anzunehmen, obgleich es nicht klar
ausgeſprochen ift, daß bie NReichöblirger, bie Bürger alfo
bevorrechteter Städte, nur die Bergünftigung erhielten, fich
nicht bei auswärtigen Gerichten zum Zweikampf zu flellen,
bei ihren eigenen Gerichten aber konnten fie ihn nicht aus⸗
fhlagen. Als ein merfwürbiges Beifpiel, wie verbreitet
biefe Kampfesgewphnheit war, wie fie die Kaifer ſelbſt
nicht zu vernichten wagten, zeigt eine Verguͤnſtigung,
welche König Siegismund im Jahre 1437 feinem beruͤhm⸗
ten Kanzler Kaspar Schlick ertheilte, worin es heißt:
„Es follen auch egenante Gaspar, Seine Brüber
vond Ihre Erben, niemand wer ber ſey pflichtig
ſein, zu antworten, oder ſtatt thun, es ſeye vmb
®
8. Abthell. Zweis u. Ernftlämpfe d, Ritter. 293°
Kampf, ober Teinerley ander Sachen willen, es
ſey dann ein Graf oder Grafens Genoß.“
d
*
* *
Wir gehen nun von dieſen Einzelkaͤmpfen zu den
Geſammtkaͤmpfen der Ritter uͤber, und zu der Art, wie
‚fie im Feld⸗ und Feſtungs-Kriege mit einander ſtritten.
Die Verkündigung des Kriege ward fehr einfach ges
halten, indem man Friebe und Freundſchaft feierlich aufs
ſagen ließ. Ein Beifpiel aus Ottokar v. Hornek wird
dies am beften verdeutlichen. | |
Nach Dftern kamen ungrifhe Boten (von König
Andreas von Ungarn) in Wien an, beforgten fich zuerſt
Herberge und gingen am andern Tage zum Herzoge (Als
brecht), der fie minniglich grüßend empfing. Sie ſprachen:
Gnade, edler Zürfl, fey euch von und gefagt. Worauf
einer von ihnen dem Herzog. ihre Beglaubigung überreichte.
Der Herzog gebot einen Schreiber zu rufen, der den Brief
: öffne und leſe. Das gefhah. . In dem Briefe fland:
Was euch die Meberbringer diefes im Namen ihres Herrn
‚vortragen, bad folt ihr fuͤr gültig annehmen. Da ſprach
Albrecht: ich glaube gern, was ihr von eurem Herrn
bringt; redet alſo. Hierauf nahm der Boten einer das
Wort und nach der Anrede: Edler Fuͤrſt und Herr! bat
er, daß man feinen Auftrag nicht ihm zurechnen möchte,
und fragte den Herzog, ob er geneigt fey, in die Auslies
ferung der neulich von ihıh genommenen ungrifhen Orte |
zu willigen. Als Albrecht, flatt ber. Antwort, weitläuf>
tig zu erörtern verfuchte, .wie er zu jener Fehde durch
⸗
224 Aweiter Abſchnitt. Ri ttetleben.
den ungriſchen Grenzherrn Grafen Iban ſelbſt genoͤthigt
geweſen ſey, ſo lenkte die Botſchaft wieder auf ihre Frage
ein, ſie nochmals in beſtimmte Worte faſſend. Ich bin
bereit zu Necht und Minne, erwiderte der Herzog darauf,
fruͤher geb' ich aber die Feſte nicht. Darauf erklaͤrten die
Boten Abſage und Aufhoͤren von Fried' und Suͤhne im
Namen ihres Herrn, des Koͤnigs, der bereits die Heer⸗
fahrt gegen Oeſterreich gelobt habe. „Es iſt nicht zum
erftenmale, rief Albrecht, Daß von ben Ungern gegen biefe
Lande geftritten worden, ohne und von Ehr’ und Habe
zw vertreiben." Die Boten aber beurlaubten fich.
Die Ritter waren ed, denen bie ganze Laſt Diefer
genannten. Kriege oblag, inbem fie fletö bereit waren zu
Pferde zu ſtreiten, oder ſogar auch von den Pferden ab⸗
aduſizen, um Verſchanzungen anzugreifen und gegen bie
Mauern einer befefligten Stadt Sturm zu laufen. Die
übrigen Kriegsvoͤlker leiſteten nur eine ſchwache Hälfe.
Einige ſchlechte Bogenfhlsen und eine zahlreichere Mafie
von fchlecht zufammengehaltenen und noch fchlechter ges
übten Gemeinen diente faft. zu weiter nichts, als daß fie
die von der Ritterfchaft gefhlagenen, niedergemachten Oder
verjagten Kriegsvoͤlker umbrachten und beraubten. An der
Seite der Ritter und ‚unter ihrem Faͤhnlein fochten ibre
Knappen, Knechte, Wappener, bie Fußgänger u. f. w.,
wenn die Ritter im Stande waren, eine Anzahl folcher
Leute im Kriege zu ernähren und zu unterhalten. Wenn
fie dies nicht Eonnten, fo war es ihrer Würbe nicht nach⸗
theilig, der Lehnmann eines Teicheren und maͤchtigern Rit⸗
terö zu werden, Sold von demfelben anzunehmen, und
-
8. Abtheil. Zwei u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 260
unter deſſen Panier Kriegesdienſte zu thun. Sobald die
Ritter auf ihre großen Streitroſſe ſich begeben hatten und
es zum Handgemenge gekommen war, hielten die Knap⸗
pen hinter ihren Herren, die vollſtaͤndig von ihnen bewaff⸗
net worden waren, und fie konnten meiſt als muͤſſige Zus
fchauer betrachtet werden. Die Ritter waren entweder in
Flügel abgetheilt, oder nach einer Linie in boppelte Glieber
geftelt. Diejenigen, welche erfl vor dem Treffen bie Rit⸗
terwürbe erhalten hatten, wurben gewöhnlich in das vor⸗
derſte Glied geſtellt, um ihnen Gelegenheit zu verfchaffen,
die gute Meinung zu rechtfertigen, welche man von ihrem
Muthe gefaßt hatte. In Heinern Geſchwadern zu flreiten,
ſcheint erſt in der fpätern Zelt aufgefommen zu feyn. In
dem Gefecht der beiden Ritterfchlachtordnungen rannten
die Ritter mit niedergelaffenen Lanzen auf einander: los.
Die, welche verwundet, geftürzt ober aus dem Sattel ges
hoben waren, rafften ſich. entweder felbft auf, ober ihnen
wurde burch ihre Anappen in die Höhe geholfen; fie ers
griffen ihre Schwerter, Gtreitärte oder Kolben unb fuch
ten fih zu rächen ober wieder in Gegenwehr zu ſetzen.
So fluthete dann in Iautem Gewimmel die Schlacht, hin
und ber, meiſt von aller Ordnung verlaſſen, bis der eine
Theil ſichtbar die Oberhand gewann.
Wie ſolche Schlachten in fruͤhſter Ritterzeit geführt
wurben, das beweifet uns wohl am beften die Abenteure
der Nibelungen, in welcher erzählt wird, wie Giegfrieb,
als Schaarmeifter, das heißt Führer der Burgunden, ges
gen die Sachfen flreitet. Die Fahne, welcher bje ganze
Schaar folgte, führte Volker, und als Schaarmeifler zitt „
13
/
226 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Siegfried dabei. Als ſie des Feindes Land beruͤhrten,
verwuͤſteten ſie es mit Raub und Brand. Sobald fie in
die Nähe des Feindes ruͤckten, fonderte ſich ber Heereszug,
die Ritter z0gen voran und ihnen folgte, als eine Nach⸗
hut, die Schaar der Knechte, geführt und befhüst von
Dankwart dem Marfchall und Ortwein. Draufritt Sieg⸗
fried allein gewappnet auf die Warte aus, um zu beob⸗
achten, wie des Feindes Heer gegen fie anrüde, feiner
Schaar Befehl an Hagen und Gernot überlaffend. Bald
erblickte aber Siegfried, daß auch ihm ein Held von tes
Keindes Heer auf ber Warte entgegengefprengt war, um
auch feiner Schaaren Zug zu beobachten. Das war. ber
Führer des ihm feindlichen Kriegsgeſchwaders, der König
Luͤdegaſt. Beide hatten fi kaum erfehen, als fie auch
gleich mit ihren Lanzen auf einander losrannten, Imd als
diefe zerbrochen waren, gezogenen Schwertes wieder auf
einander -ritten. Nachdem Siegfried feinem Gegner brei
tiefe Wunden beigebracht hat, nimmt er ihn gefangen und
fhlägt darauf noch von den 30 Mannen, bie ihrem König
zu Hülfe fommen, 29 nieber, nur. einen am Leben laſſend,
ber die Nachricht von der Toͤdtung feiner Gefährten und
der Gefangennehmung bed Königs ind Lager bringt. -
Als Siegfried mit feinem hohen Gefangenen zu ſei⸗
nen Sreunben zuruͤckkehrt, heißt er ihnen die Fahnen auf:
binden und fich feiner Leitung in bie feindlichen Schaa⸗
ren, die nun Lübeger, bei Bruder des gefangenen Luͤde⸗
gaft, befehligt, überlafien. Frohlockend eilten alle zu
ihren Roſſen, der kuͤhne Spielmann Volker bob bald die
. Sahne empor und ritt muthig der Schaar vorauf. As
! . =
2
8. Abtheil. gwei⸗ u. Ernfik ampfe d. Ritter, 227
beide feindliche Heere einander naheten, da drangen fie .
auf einander ein mit grimmigen Stößen und furchtbaren
Schwertes⸗ Streichen, und viel manche weite Wunde warb
gehauen, fo daß man über die Sättel das rothe Blut fliegen
ſah. Laut hörte man bie Helden, ihre viel fcharfen Wafs
fen in der Hand, ertönen, und die von den Nieberlanden
drangen ihren Herren, bie ihnen vorauf ritten, in bie harte
Schaar des Sachſen⸗Feindes nad. So ritt wie durch bintige
Straßen dreimal Siegfried mit feinen Mannen durch das
Heer des Feindes, und ihm folgten, auf allen Seiten in
dad Heer ber Feinde dringend, die Burgunden= Mitten, -
Endlich reiten auch Siegfried und Luͤdeger gegem einander.
Da aber dieſer an einer Krone, bie auf deffen Schild ges
malt war, den Helden Siegfried erkennt, da ruft er ſei⸗
nen Sreunden und. Mannen laut zu, bed Streites ſich zur
. begeben, da Siegfried vom böfen Teufel hier gegen Sach⸗
ſen geſendet worden ſey und mit ihren Feinden ſtreite.
Nun wäre Fein Sieg zu hoffen, und fie ſollten die Fahnen
niederlaffen, damit fich des Kampf im weiten Zelde Iege,
So geſchieht es auch.
Dies mag ein ungefaͤhres Bilb von dem geben, wie
der Kampf in freiem Felde gehalten ward; und ſo lange
es bloß auf koͤrperliche Kraft, Stärke und Gewandtheit
ankam, if wohl anzunehmen, daß es immer fo. blieb
und fi nur in wenigem änderte Die Ritter führten
auch oft Gefehwaber ihrer Mannen ober Soͤldlinge an,
theild in offener Feldſchlacht, theils zu Heinern Gefechten,
An Ermahnungen vor Beginn bes Kampfes fehlte es nicht,
beſonders in ben Augenbliden, wenn bie erſte Nachricht
15° *
1
228 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
von der Nähe des Feindes kam. So erzählt denn 3. B.
Hornet in der Schilderung eines Krieges in Kaͤrnthen
(Kap. 566—676), ‚daß ber Marſchall des alten Herzogs
Meinhard von Tyrol und Kärnthen, ‘Heinrich ber Zold,
mit einer Schaar Kaͤrnthner, ſo wie Konrad von Aufen⸗
ſtein mit einem Haufen von der Etſch, einen Zug gegen
die Stadt Griven machte, worin der Gegner ſeines Her⸗
zogs, Graf Ulrich von Henneberg ſaß, dem ein Dienſt⸗
mann des Herzogs, Wilhelm Scherfenberg, beſtochen durch
4000 Mark, zugezogen war. Als die Nachricht von ber
Nähe und Menge des Feindes erfcholl, da rief Heinrich
mit flarker Stimme: ihrer keinen möchte ich von. bannen
wuͤnſchen; wir gewinnen deflo mehr, wenn ihrer viele
find, Ich ſehe bier fo manchen werthen Mann, von dem
heute fo mannlih und fo wohl gethan wird, daß ihm
Herzog Meinharb der Alte immer bafür danken fol. Wer
daheim eine liebe Ameie (Freundin, Geliebte) hat, der fol
fi heute durch fie vor Hauptfchande befreien. Ihr Kärnts
ner, gedenkt, daß man euch zaghafter That vor kurzem
gezieben, vernichtet heute diefen Ruf. Nun drauf, ihe
zieren Leutel Gedenkt an den Augenblid, wo ihr von
rethem Munde freundlichge grüßt fein werbet, und wißt,
daß ihr euren Frauen jede Trauer nehmt, wenn: ihr euch
heute fo erfchauen laßt, daß man fagt, ihr feid gut.
Nichts thut dem Gemüt der Frauen fo fanft, ald wenn
man ihrem Geliebten ben Preis zuerkennt.“ — Drauf
ſprach Konrad von Aufenftein: „So wie ber Marfchall
hier den Kärntnern gerathen bat, fo fei auch den Etfcher
-. Herren von mir gerathen, daß fie nicht handeln, wie fie
8. Astheil. Zwei⸗ u. Ernfllämpfe d. Ritter. 229
banbelten, al3 man zu St. Veit meinen Herren aus dem
Kampfe binführte, daß ihrer Feiner unter ihnen weder an
feinem Leibe noch an feinem Ros eine Wunde empfing.
Hinfort fagt man von und nichts Ehre Bringendes, fons
bern: wir wären hohes Muthed vol, wenn wir Zirolifh
bei den Frauen tanzen und in Kleibern berumfchwänzen,
die mit Silber befchlagen find, Sehe ich heute einen Ver⸗
zagten, der fei gewiß, er fei wer .er wolle, wenn ich nach
Meran komme und fehe ihn bei feiner Frau figen und in
feiner Minne mit höflichen Geberben gar ſchoͤn thun, ich
ruf ihn darum an. Heute ſollen wir und wehren und
ſolch Fechten erbliden laſſen, baß die Frauen baheime
Streit darüber Haben, wer der Dann fei, welder bad
Befte gethan.“ — So ritten bie Schaaren gegenfeitig
heran; bald erflang das Kyrieleis, und fie flürzten gegen
einander, baß dad Krachen weit hin erfchof.
An Zaghaften fehlte es, trog der ermuthigenden Rebe,
auch hier nicht, die fprengten entfegt zuräd und fchwuren,
wo fie hinkamen, es fey hinter ihnen alles umgelommen,
Solchen ging es dann Aber boch gemeinhin fchlecht,
wie Hornet in berfelben Stelle ein Beifpiel erzählt. Unter
ihnen war ein Dann von ber Etſch, Schöneder geheißen,
den 'man, dem Leibe nad, für einen Weigand (maͤchti⸗
gen Kämpfer) hielt. Der war mit 7 Knechten gelommen;
4 yon ihnen hielten wader im Streit aus, aber nicht fo
ihre 3 Mitknechte und der ‚Herr felbfl. Diefer fpottete
bes Marfchalld, der, als ein bejahrter Mann, von rothen
Lippen geſchwatzt habe und ihretwegen den Tod im Felde
ſuchen wolle. Freilich koͤnne ber wohl ſterben. da er fo
l
230 3welter Abſchnitt. Ritterleben.
alt ſey, und feine Kinder wuͤrden vom Herzog deſto mehr
Gewinn zu erwarten haben. Auch der Aufenſteiner ſey
ein Thor, mit den Frauen zu drohen. Ich, ſetzte er hinzu,
bin ein junger Ritter, der Lebensfreuden nicht ſatt. Mich
mag meine Frau lieber geſund ſchauen und herzen, als
ſchwere Wunden falben. Dies ſeinen Knechten ſagend,
ritten fie friſch zu uͤber das duͤrre Moor. Da traf ſichs,
baß Here Friedrich von Chanol, ein mannhafter Ritter,
um noch am Streite Theil zu nehmen, mit zween Knech⸗
ten eilig des Weges dahertrabte. Wie er durch den
Staub den Fluͤchtling mit aufgebundenem, glaͤnzendem, ver⸗
ziertem ‚Helme erblickt, redet er ihn ſofort an und fragt:
wo er hin wolle? und obgleich jener erwidert: ber Told
und der Aufenſteiner ſind auch auf der Flucht, wir haben
den Sieg verloren, — merkt er dennoch, daß er einen
Fluͤchtling vor fi) habe. So ſollſt du auch vor mir ver:
toten feyn, vuft er ihm zu und fält ihn umwillig an,
Mit blutigen Wunden endlich läßt er ihn und die Knechte
weiter ziehen und reitet dann zum Kampfplatz. Nicht beffer
ging es den andern Flüchtlingen, die gen Volkenmarkt
geeilt waren und dort dem Sohne des Herzogs Mein:
bard, Heinrich, verkünbeten- der Streit fey verloren.
Der war fehr betrübt, bis der wahre Bote angeritten fam,
ber Sieg und Freude verkündete, und fich reichen Boten
lohn erwarb. Nicht Tange, fo z0gen pie heimkehrenden
Siegeshelden heran. Das Thun der Fluͤchtlinge ward
nun offenbar. Vorm Spott mußten fie ſeitwaͤrts in Stäls
Ten ſich verbergen und ließen fich wohl zehn Tage lang
%
:8, Abtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 231
‚ ihre Speifung durch Knechte bringen. Andern Tages fah
. man. die Beute theilen, viel Eifengewand und Roſſe.
Die Art und Weife der Ritter, in ganzen gefchloffe:
ner Reitergefchwabern , Mann gegen Mann, oder auch
einer gegen mehre, von ber Nähe aus zu fämpfen, wurbe
ſchwaͤbiſche Sitte genannt, weil das ritterliche Leben |
und Kämpfen in Schwaben’ und den Rheinlanden wohl
feine ‚größte Ausbildung gefunden hatte. Schlimm waren
nun bie Ritter daran, wenn fie mit andern Völkern, z.
B. den leichten Ungarn und Zartaren, bie eine ungefchlof:
fene, fchwärmende Kampfart hatten und aus bey Zerne
ſchoſſen, ftreiten foßten; dann verloren fie gemeinhin, bes
fonderd wenn fie tolfühn in dieſe Kampfart eingingen.
Ein Beifpiel, welches uns Ottokar v. Hornek in feinem
öfterreichifchen Zeitbuche Kap. 268-— 279 ebenfald erzäplt,
möge für viele dienen. Es ift der Kampf ber Ungarn
unter Graf Yban mit Herzogs Albrecht v. Deflerreich
Mannen, welde fein Marfhall von Landenberg, ein
Schwabe, führte, im Jahre 1286. Beide Schaaren waten
gegen einander gerüdt, und die Markmänner hatten wohl bie
große Anzahl der Bogenfhligen erkundet. Da hält ber
Marfchall von Landenberg Rath: die Herren Albert von
Buchheim (ein Deſterreicher) und Berthold von Emmerberg
(ein Steirer) rathen zum Ruͤckzug, da man bier im ung⸗
ifhen Zelde Umgehung und Schießen aus ber Berne,
worin man bem Feinde ungleich fey, fürchten muͤſſe.
Diefer Meinung flelten fih die anmelenden ſchwaͤbiſchen
Herren entgegen, welche ſolchen Rüdzug für Zaghaftigkeit
anfahen. Befonderd breit mit Worten machte ſich einer
N
v
-
. °
ð
232 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
von ihnen, der Herr von Wangenberg, ſprechend: „Her⸗
zogen Albrecht müßte ja fein Gut reuen, das er jährlich
an mir verthut. Die Defterreicher beneiden mich fo fchon,
wenn ich fo weite, fcharlachene, auf die Schuh hangende
Ermel trage, und fluchen dem Herzoge, daß bie Ermel
fogar mit Hermelin unterzogen find. Die Ermel often
manch Pfund; bloß an Vehwerk fo viel, ald brei andrer
Ritter Mantel an Zutter koſten. Man ſchrie gewis mehr
über mich zu Wien, wenn ich folder Milde heute nicht
bienen wollte. Wer weggehen will, gehe. Ich wil mit
Ungarn fireiten.’'
Ein Herr von Wartenfels ſprach jm gleichen Tone,
und ber von Ried ſagte: „Ziehen wir zurüd, fo pluͤndern
bie Ungern in Deftereih. Drum dent’ id, wir empfans
gen fie mit Stich und Schlag. Mit uns Schwaben follen
fie nicht, -wie mit den Markmaͤnnern, zu thun haben, ihrer
beften Schüßen vier laſſ' ich auf mich ſchießen. Wann ich
in meiner Platten und in meinem Helmfaß bin, was frag’
ich darnach? Here Marſchalk, ich mil hier bei diefen guten
Knechten bleiben und mit den Ungern fechten. Wem das
nicht behagt, der reite, wo er will.“ — Noch mehre vom
Hofgeſinde ſprachen. Die Verhandlung dauerte lange.
Unterdeß kam ein Wartmann gerannt und ſchrie: „Berei⸗
tet euch ſchnell, die Ungern ziehen heran, Ros an Ros,
Speer an Speer!“ — „Herr Marſchall, — riefen die
Schwaben, — nun gilts, die kommen nicht zum Spaß!"
— ber ein Defterreicher rief: „„Defterreich geht zu Schans
ben, eb’ ihr die Geigen flimmt! (ehe ihr mit Kriegsrath
8. Abtheil. weis u, Ernfilämpfe d. Ritter. 233
fertig werdet und ‚zum Auffpielen mit blutigen Biebelbo:
gen bereit ſeyd).“
Im Fluge kamen bie Ungern mit ihrem Bogenge:
ſchoß, worin fie ſtark zu fürchten find. Die wenigen Bos
genſchuͤtzen befehligte man ihnen entgegen; aber bald wur:
den ber Ungern immer mehr und mehr, und zur Verwun⸗
berung wie zum Berbruß der Schwaben, welche glaubten,
daß nach [hwäbifher und rheiniſcher Sitte ge⸗
kaͤmpft werde, bemerkten fie, daß die Beinde fih nicht
fchaaren wollten. Vban hatte den Befehl ertheilt, man
folle die Deutfchen nur in ihren Rotten Jaffen und fie
allein mit Schießen beängfligen; niemand ſolle fv nabe
gehen, daß es zum Stechen und Schlagen fame. So
wurden nun bie Deuffhen umzogen, vorn und hinten,
und viel Pferde und Leute erfchoffen.. Man fah keinen
Ausweg. In der Noth rief der Marſchalk die Geſellen
um Rath an: „Ihr habt — antwortete der Buchheimer - —
heut meinen und anderer Maͤrker Rath verſchmaͤht. Sehet
nun, was kommt. Ich jedoch bleibe bei euch, und wär’
es nur, um zu wiſſen, wie viel Ungern ihr hier im wei⸗
ten Felde erſchlagt. Ich und meine Geſellen (bie mehrfach
genannten Markmaͤnner, Gränzvertheidiger, die allein auf
Kampf mit den Ungern fich einkaffen konnten, da fie ihre
Art verftanden), wir koͤnnten und wohl retten, wir thun
e8 aber nicht. Ich will nicht den Fluch auf mich laden, |
baß ih den Magenbuch (einen andern früher genannten
Ritter, der ungrifche Roffe fangen wollte) abgehalten, für
feinen Wirth in Bien fich vier ungrifche Roffe zu fangen,
um damit fein Pfand zu Iöfen.”
.e Ba an -
a —
⸗
224 Aweltet Abſchnitt. Mitterleben. -
ben ungrifchen Grenzherrn Grafen Iban felbft genötbigt
gewefen fey, fo lenkte bie Botfchaft wieder auf ihre Frage
ein, fie nochmals in beflimmte Worte faſſend. Ich bin
bereit zu Recht und Minne, erwidgrte der Herzog darauf,
früher geb’ ich aber die Zefte nicht. Darauf erklärten bie
Boten Abfage und Aufhoͤren von Fried’ und Sühne im
Namen ihres Herrn, bes Königs, der bereitö die Heer:
fahrt gegen Defterreich gelobt: habe. „Es ift nicht zum
erftenmale, rief Albrecht, daß von den Ungern gegen biefe
Lande geflritten worden, ohne und von Ehr' und Habe
zu vertreiben." Die Boten aber beurlaubten fi.
Die Ritter waren ed, ‚denen bie ganze Laſt dieſer
genannten Kriege oblag, indem fie ſtets bereit waren zu
Pferde zu ſtreiten, oder ſogar auch von den Pferden ab⸗
zuſizen, um Verſchanzungen anzugreifen und gegen bie -
Mauern einer befefligten Stadt Sturm zu laufen. Die
übrigen Kriegsvoͤlker leiſteten nur eine ſchwache Hüuͤlfe.
Einige ſchlechte Bogenſchuͤtzen und eine zahlreichere Maſſe
von ſchlecht zuſammengehaltenen und noch ſchlechter ge⸗
uͤbten Gemeinen diente faſt zu weiter nichts „als daß fie
die von ber Ritterfchaft gefchlagenen, niebergemachten oder
verjagten Kriegändlfer umbrachten und beraubten: An der
Seite der Ritter und unter ihrem Faͤhnlein fochten ihre
Knappen, Knechte, Wappener, bie Fußgaͤnger u. ſ. w.,
wenn die Ritter im Stande ‚waren, eine Anzahl folcher
Leute im Kriege zu ernähren und zu unterhalten. Wenn
fie dies nicht konnten, fo war es ihrer Würde nicht nach:
theilig, der Lehnmann eined Teicheren und mächtigern Rits
ters zu werben, Som von demſelben anzunehmen, und
-
8. Abthell. Zwei: u. Ernfitämpfe d. Ritter. 225 \
unter beffen Panier Kriegesdienfte zu thun. Sobald die
Ritter auf ihre großen Streitroffe fich begeben hatten und
es zum Handgemenge gefommen war, hielten die Knap⸗
pen hinter ihren Herren, die vollfländig von ihnen bewaffs
net worden waren, und fie konnten meift als müffige Zus
fhauer betrachtet werden. Die Ritter waren entweber in
Flügel abgetheilt, oder nach einer Linie in doppelte Glieder
geſtellt. Diejenigen, welche erſt vor dem Treffen die Rit⸗
terwuͤrde erhalten hatten, wurden gewöhnlich in das vor⸗
beifte Glied geſtellt, um ihnen Gelegenheit zu verfchaffen,
die gute Meinung zu rechtfertigen, welche man von ihrem
Muthe gefaßt hatte. In kleinern Geſchwadern zu fireiten,
ſcheint erft in der fpätern Zeit aufgefommen zu feyn. In
dem Gefecht der beiden Ritterſchlachtordnungen rannten
die Ritter mit niedergelafienen Lanzen auf einander: los.
Die, welche verwundet, geflürzt oder aus bem Sattel ges
hoben waren, rafften ſich. entweder felbfl auf, oder ihnen
wurde durch ihre Kappen in die Höhe geholfen; fie ers
griffen ihre Schwerter, Streitärte oder Kolben und ſuch⸗
ten ſich zu rächen oder wieder in Gegenwehr zu feßen.
So fluthete dann in lautem Gewimmel bie Schlacht, bin .
und ber, meift von aller Ordnung verlaflen, bis der eine
heil ſichtbar die Oberhand gewann,
Wie folhe Schlachten in frühfter Nitterzeit geführt
wurden, bad heweifet uns wohl am beften die Abenteuse
ber Nibelungen, in welcher erzählt wird, wie. Siegfried,
als Schaarmeifter, das heißt Führer der Burgunden, ges
gen die Sachſen flreitet. Die Fahne, welcher bje ganze
Schaar folgte, führte Volker, und ald Schaarmeifter ritt
| 15
226 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
Siegfried dabei. Als fie des Feindes Land beruͤhrten,
verwuͤſteten ſie es mit Raub und Brand. Sobald fie in
die Nähe des Feindes ruüͤckten, ſonderte ſich ber Heereszug,
die Ritter zogen voran und ihnen folgte, als eine Nach⸗
hut, die Schaar der Knechte, geführt und beſchuͤtzt von
Dankwart dem Marfhall und Ortwein. Draufritt Sieg⸗
fried allein gewappnet auf die Warte aus, um zu beob>
achten, wie des Zeindes Heer gegen fie anrüde, feiner
Schaar Befehl an Hagen und Gernot überlaffend. _ Bald
erblidte aber Siegfried, daß auch ihm ein Held von bes
Keindes Heer auf ber Warte entgegengefprengt war, um
auch feiner Schaaren Zug zu beobachten. Das war. ber
Führer des ihm feindlichen Kriegsgeſchwaders, der König
Lüvegaft. Beide hatten fih kaum erfehen, als fie aud
glei mit ihren Lanzen auf einander losrannten, und als
diefe zerbsochen waren, gezogenen Schwertes wieder auf
einander -ritten. Nachdem‘ Siegfried feinem Gegner brei
tiefe Wunden beigebracht hat, nimmt er ihn gefangen und
fhlägt darauf noch von den 30 Mannen, die ihrem König
zu Hülfe fommen, 29 nieder, nur. einen am Leben laffend,
ber die Nachricht von der Zödtung feiner Gefährten und
der Gefangennehmung bed Königs ins Lager bringt. -
Als Siegfried mit feinem hohen Gefangenen zu ſei⸗
nen Freunden zurüdfehrt, heißt er ihnen bie Fahnen auf:
binden und fich feiner Leitung in die feindlichen Schaa⸗
ten, bie nun Luͤdeger, ber Bruder des gefangenen Lübe:
gaſt, befehligt, uͤberlaſſen. Frohlockend eilten alle zu
ihren Roffen, der kühne Spielmann Bolfer bob bald bie
. Sahne empor und ritt muthig der Schaar vorauf. Als
7 . .
T
8. Abtheil. Zwei: u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter, 297
beide feindliche Heere einander naheten, da drangen fie .
auf einander ein mit grimmigen Stößen und furchtbaren .
Schwertes⸗ Streichen, und viel manche weite Wunde ward
gehauen, ſo daß man uͤber die Saͤttel das rothe Blut fließen
* Laut hörte man die Helden, ihre viel ſcharfen Waf⸗
fen in der Hand, ertönen, und die von ben Niederlanden
drangen ihren Herren, die ihnen vorauf ritten, in bie harte
Schaar des. Sachſen⸗Feindes nad. So ritt wie durch blutige
Straßen dreimal Siegfried mit feinen Mannen durch das
Heer des Zeindes, und ihm folgten, auf allen Seiten in
dad Heer ber Feinde dringend, die Burgunben= Mitten, -
Endlich reiten auch Siegfried und Lüdeger gegem einander,
Da aber diefer an einer Krone, die auf deſſen Schild ges
- malt war, den Helden Siegfried erdennt, da ruft er feis
nen Freunden und Mannen laut zu, bed Streites ſich zu
begeben, da Siegfried vom böfen Teufel hier gegen Sachs
‚fen gefendet worben ſey und mit ihren Feinden fireite,
Nun wäre kein Sieg zu hoffen, und fie ſollten die Fahnen
niederlaffen, bamit ſich der Kampf im weiten Belde lege,
So gefchieht es auch.
Dies mag ein ungefaͤhres Bilb von dem geben, wie
der Kampf in freiem Felde gehalten ward; und fo lange
es bloß auf körperliche Kraft, Stärke und Gewandtheit
ankam, ift wohl anzunehmen, daß es immer fo. blich
und fih mur in wenigem änderte, Die Ritter führten
auch oft Gefchwaber ihrer Mannen oder Sölblinge an,
theils in offener Feldſchlacht, theild zu Beinern Gefechten,
An Ermahnungen vor Beginn bed Kampfes fehlte es nicht,
befonderd in ben Augenbliden, wenn bie erfle Nachricht
15*
238 8Bweiter Abſchnitt. Ritterleben.
etwaigen Ruͤckzug Halt und Staͤrke zu geben. ungern
traten die Ritter in dieſe Nachhut.
Unterdeſſen muſterten Ritter und Knechte ihre Vaf⸗
fenſtuͤcke, Uebergurte und Steigbuͤgel, in ber Seele von
verſchiedenen Gefuͤhlen bewegt. „Manchem, der noch nie
betaͤubenden Schlag empfand, ſchlug das Herz Dieſer
und der traf Anordnungen zur Pflege ſeines Weibes da⸗
heim, und ein Freund ſagte dem andern zu, am Tage der
Schlacht ſtets nah und gegenwaͤrtig zu ſein. Man
beichtete, man hoͤrte die Meſſe im Lager und genoß den
Leib des Herrn, und zwar fruͤh am Tage, worauf die
Zeichen der Heerpauken und Poſaunen oder Trommeln
und Heerhoͤrner erhallten.“ Alsbald beſtieg man die Roſſe,
die Rottmeiſter und Marſchaͤlle ordneten ſchnell, und die
Schaaren ruͤckten aus. In dieſem Augenblicke ſprengten
der Jungherren viele zu ihrem Fuͤrſten und Feldherrn
heran, mit dem hoͤflichen Geſuch um den Ritterſchlag, der
ihnen, wenn bie Zeit koſtbar iſt, nur kurz, über, ‚Schild
und Schwert ertheilt wird. (König Albrecht gab an einem
folchen Morgen 100 Jungherren das Schildedamt.)
Drauf rüden nun die Schaaren weiter und breiten
fih im Gefilde, oft getheilt in 2, 4, 6. Schaaren unb
Treffen. Ihre Führer oder Bifchöfe und andere Geiſtliche
ermuntern fie durch Reben. Sobald der Feind erblidt
wird, ftürzt man die Helme nieder, und ein Kyrie Eleis
fon oder Sancta Maria wird angeflimmt, welches bümpfe
murmelnd in ben Helmen ertönt haben muß. Selten nur
wurben einzelne Schügen, alfo geringe Anappen, voran⸗
gefendet, um ben Feind zu hindern, daß er fich in feine
D
h |
8. Abtheil. Swei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 239
‚Rotten theilen konnte; gemeinhin ritten einzelne Ritter
aus Hoffahrt oder Ruhmſucht auf den Plan, um einzelne
Kaͤmpfe zu ſuchen. Dieſe rief man nun entweder zuruͤck,
und dies galt als Zeichen des Schlacht⸗-Anfangs, oder
ihnen folgten auch wohl' mehre, wie den Wartmaͤn⸗
nern, und fo entzuͤndete ſich oft nach und nach die
Schlacht.
Anders war es, wenn ganze Schaaren auf einander .
flürzten. „Womit fou ih, ruft Hornet (Kap. 154) aus,
den uͤngeheuern Krach vergleichen, ber fich erhub, als man
flart anreitend von beiden ‚Heeren mit kraͤftigem Drud
zufammen ftieß, mit Hurt in einander ſich klemmte und
mannhaft ſtach und fchlug?"
Da ward, heißt es auch Kap. 521, ehr.
Zemmern und ein Klingen
Bon Swerten und Kolben ſwer,
Als do taufend Mäder (Mäder)
Schärfen ihd Sennseifen.
Und (Kap. 521.):
Da warb gebengelt und getemmert
Und auf Helmen gehämmert,
"Daß das Feuer gleft (alänzte)
Aus manchem Helme feft,
Bon manchen Swertes lägen.
Entweder fochten nun alle Schaaren zugleich in ber
" Breite bes. Feldes mit den Schaaren der Feinde, ober
nach einander aufreitend, ‚erft die worberften, bis Diefe ers
mübet, don den andern unterflügt wurden. Der beutfche
‚Heerführer zeigte fich ſelbſt als mannhafter Ritter mit
Speer und Schwert, wie denn Kaifer Rudolf in der
230 welter Abſchnitt. Ritterieben.
Edhlacht am Weidenbache dem Ritter Herbot von Füllen:
flein mit. dem Speer durchs Helmfenfter flach, daß er
vom Roſſe flürzte.. (Wogegen bie Könige von Zranfreich
und Ungarn, wie ‚Hornet fagt, dem Herkommen ihrer
Lande gemäß, ben Kampf mieben und nur von ferne zus
ſchauten.) |
Bar bed Gegners Mächt burchritten und gefchlagen, -
fo wandten fi bie Sieger, um bie Abgefchnittenen und
VBügellofen zu Gefangenen zu machen, was aus Ritter
lichkeit und des Löfegeldes wegen dem Morden vorgezogen
wurde. Die Gefangenen behandelte der Ritter, ber fie
fing und behielt, mit Milde und Großmuth; nur wer ben
Ungern in bie Hände fiel, mußte fogleih Harnifch und
Kleider hergeben.
Vebrigens ſchwaͤrmten Schildknechte und Buben auf
dem Wahlplatze und im erſiegten Lager umher, wo die
Kammerwagen erbrochen, die Saumſchreine zerſchlagen,
Watſaͤcke umgeſtuͤrzt und zerſchnitten wurden. Treue
Krnechte ſah man nach ihren Herren ſuchen. Der Sieger
blieb aber, nach alter Sitte, auf dem Schlachtfelde bis zum
britten Tage, bie Zodten und Verwundeten zu beforgen.
_ Für unritterli ward jeder Zeit das Ablegen bes
Harnijches und verftellte Flucht, um dadurch Vortheil zu
gewinnen, gehalten. Vielmehr fagt Hornek:
"An Rittern priefen bie Frauen
Nichts anders dann hauen
und feſte vorhalten.
Was den Feſtungskrieg ber. Ritter enbetüift, den
Krieg gegen feſte Staͤdte und ihre Burgen, ſo mangeln
8*
8. Abtheil. Zweis u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 241
daruͤber theils Nachrichten im Ganzen, und Aur einzelne
Bruchſtuͤcke kamen auf und, theils war aber auch bie ganze
Kampfart fehr einfach, Was den Kampf aus ber Ferne
betraf, fo fagt und bavon die Chronik von Speier beim
Jahre 1375: „in und außer der Stadt Speier find Ges
ſchuͤtt, Bliden genannt, geftellt worden, bamit man mit
großen Steinen gegen die Zeinde werfen könne. Auf bie
Thuͤrme und Mauern hat man viele große Böde mit Arm⸗
brüften gebracht, daraus man ſtarke, dide, mit Eifen aufs
gefpigte und gefiederte Pfeile gefchoffen. Ehen fo warf
man mit folhen Schlehderwerkzeugen große Steine, ja
auch Kugeln von Metall, fuchte die feindlihen Mauern
zu zertruͤmmern, die Gegner zu erfchlagen und unter
den niebergeflürzten Mauern zu begraben. Befonders
wichtig erachtete man aber aud an den Drten, bie auf
flachem Felde lagen, unterirdifche Gänge zu machen und
fih in die Burgen und Städte hinein zu graben, um un⸗
vermufhet die Belagerten anzugreifen und zu empfangen.
Je größer nun bie Gefahr war, durch biefe unterirdifchen
Gänge in die Städte einzubrechen, um fo mehr. brängten
fih die Ritter zu diefen Unternehmungen voran; und fo
oft diefe Kriegsliſten auch glüdten, fo waren fie. doc
auch wieder zu gewöhnlich und befannt, als daß nicht da=
gegen gearbeitet worden wäre. Die Belagerten hatten
Wege und Mittel, ſolche Arbeiten vorher zu entdeden, und
dann ward eifrig aufgefehen, rauen und Männer waren
Tag und Nacht bereit und wach; dieſe, um den erften,
ber ben Kopf hervorfiredte, auf's Haupt zu fchlagen;z
jene, ihm brübheißen Brei und Waffer auf den Kopf zu
_ 16
2342 Zweiter Abſchnitt. Ritterlebe n.
gießen und fo ihn und die .ihm folgenden zu erfliden,
. Bei dem Sturm der Feflen war ed dagegen die Haupt:
fache, zuerſt auf der Mauer zu ſtehen und im Angeſicht
der Feinde die Fahne des Ueberwinders aufzupfln en.
Ritter fcheuten fich nicht, im Sturme bie erfien zu ſeyn
und die Leitern hinan zu fleigen; ja es gehörte bisweilen
mit zu ben ritterlihen Gelübden das Verſprechen, die
Mauern der belagerten Stadt ober Feſte zu erfleigen,
wenn auch gewiller Tod dort ihnen drohte. Diefen flanb
denn auch oftmals fchredliches Verderben entgegen, indem
die Belagerten ungeheure Felfenftüde und Steine auf bie
Anklimmenden ſchleuderten und ſie, ſo wie ihre Sturm⸗
werkzeuge, zu zerſchmettern ſich bemuͤhten. Da waren
denn auch die Frauen, wie wir eben geſehen, nicht ferne
mit glühheißem Breie und fiedendem Wafſfer, welches
ebenfalls bie Köpfe ber Belagerer traf und fie vom Sturme
abſchreckte, oder fie gar unfähig machte, ihn auszuführen.
Bei Belagerungen feller Drte fuchte man ben in ber
Feſte Befindlichen allem möglichen Abbruch zu thun, daß
man feinen Vorrath, Beinen Entſatz hinein ließ, das
Trinkwaſſer und die Gräben ihnen abgrub und die Mauern
zu zerſtoͤren fuchte, um deſto leichter in die durch Mangel
von Beſatzung entblößte Stadt dringen, oder die Burg flürs
men zu innen. Als Sturm: und Bertriimmerungswerf:
zeuge gab ed nun viele, welche genannt wurden: Bliden,
Aummerer ober Tummier, Katen, Ebenhoch, Petrer (pe-
trarii), Antwerke, Rutten, Mangeln und Igelswehr.
Meift alle find Wurfwerkzeuge, um Steine von gewaltiger
Schwere gegen die oberen Wehre und Erker der Thuͤrme
8. Abtheil. Bwei= u. Ernftlämpfe d. Ritter 243 -
zu fchleudern. So heißt e8 z, B. in Hornek's Zeitbuche,
Kap. 691, bei einer Belagerung: „72 Wagen waren fort:
während befchäftigt, Steine herbeizufahren, und 4 Bliden
und einige Mangeln, arbeiteten Tag und Nacht bis Wehre
und Erker an den Ringmauern und am Thurme zerflürz:
ten.” Außer dem, daß fie zertrümmerten, füllten diefe
Steine auch die Gräben aus.
Aber nicht bloß Steine, ſondern auch eigends bereitete
Schwefelfeuer wurden ‚von biefen Gefchlsen geworfen,
Im Hornet (Kap. 311) thun dies einmal die Meifter mit
Nutten und fielen Antwerke bahinter, um eine Maffe von
Steinen in die Gegend ded Daches, mo bad Feuer faffen
folte, zu ſchleudern und das Löfchen zu verhindern.
Ja Kap. 789 wird erzählt, daß in der Belagerung '
von Kuttenberg Albrechtd Deeifter ein Antwerk aufrichtete,
4
woraus er große, mit brennbarem Stoff. gefüllte Kugeln
ſchoß, die beim Nieberfallen ein wüthendes Feuer von fi)
gaben.
Was die oben bemerkten Sagen betrifft, fo find dies
gedeckte Werke mit Stoßzeug im Innern, die man, nad’
Ausfülung der Gräben, trotz ber Gefchoffe der Belagerten,
bis dicht an die Mauern vorſchob. Eben ſo wurden bie
Ebenhoch hinangetrieben, eine Art von Thürmen, mit
Wurfzeug verfehen und hoch, daß fie dazu bienten, in’s
Innere der belagerten Schlöffer zu bliden. Daher au
ber Name.
Hören wir, wie Kaifer Albrecht die Stadt und Burg.
Bingen belagerte! Da ihm fehr daran lag, biefe Orte zu
erhalten, fo arbeitete fein finnreicher Meifter, Rot Erme:
N 16 *
f j — /
J
244 83weiter Abſchnitt. Ritterleben.
lein genannt, gar thaͤtig an allerlei Geruſt zur Bre*ung
der Mauern, und nicht minder Thaͤtig waren bie andern
Meiſter niit ihren Werfen. Einige Bliden-kamen bald in
Schwuͤng, große Steine zu fehleudern; Kagen und hohe
Ebenhoch wurden binangetrieben, felbft unter der Erde
ward gearbeitet. .
Nah 6 Wochen hatten fie die Mauer durchlöchert
und fo weit zerworfen, daß man hinein fonnte. Da wars
teten die Buͤrger den Sturm nicht ab, und fobald fie
durch Verordnung ber Herren Gnade erhalten hatten,
fbmuren fie dem König und dem Reihe. Run wendete
fin der Angriff gegen bie -Burg an der Nabe, wo der
Meg fo ſchmal war, daß Seine weite Katze da fleken
‚Tonnte, Der Eunftreiche Meifter ließ daher eine kleine
Katze machen und trieb fie ohne Saͤumen an die Mauer.
Die Belagerten, um die Kage zu verdrängen, gruben ba=
j gegen. Darauf wußten bie Angreifer Feuer in diefe Gru-
ben zu bringen, Rauch und Geſtank zu erregen. Jene,
zur Rache, wehrten fi wieder mit Rau, indem fie
Mafjen pechigen Holzes daran wandten. Da gelchah, Daß
von bem ungeheuern Qualm fich die Burg entzundete, fo daß
die Befagung nur einen einzigen Thurm zu enger Zuflucht
behielt. Sie dachte an Ergebung. Dies war nicht mach
Albrechts Sinn, der fie gern, zum ſchreckhaften Beifpiel,
getödtet hätte. Nur die Zürfprache Herzogs Dito von
Baiern und vieler Freien, Grafen, Ritter und. Knechte,
bewog ihn, daß er nachgab und freien Abzug fammt der
Habe verwilligte. |
Die Belagerung ber Stadt Günz und ihre Einnahme,
ZAbtheil. Zwei⸗ u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 245
welche Ottokar v. Hornet, Kap. 312, erzaͤhlt ,‚ wird das
: Bild der Belagerungstunft und Art jener Zeit vollenden.
Als Albrecht fih mit ſtarkem Haufen der Stadt na=
hete, begann ein Pleiner Krieg in der Umgegend. Graf
Yan wupte den Zutterholern alerlei Schlingen zu legen,
fo daß man unter den Deutfchen bald an 600 Scyilds
knechte vermißte, viele andere Haͤnd' und Füße verloren
und ferner nur mit Angft nach ‚Futter audgeritten warb.
Endiih nah 11 Tagen hatte man fi zum Sturm bereis
tet. Sobald dies ber Feind an dem Echallen und Zofen
ber unfrigen — Hornek erzählt — merfte und ſah, wie
die Panner gewappneter Helden fi naheten und man
Zartfchen und Leitern trug, fo gab er bie untere Stadt
verloren und flüchtete in bie Burg. ‚Leicht wurden alfo
die Unfrigen Meifter des Orts, worauf die Schildfnechte
plünderten, vieles zerfchlugen und Häufer in Brand ſteck⸗
ten. — Schwerer war die Einnahme der Burg. Zwar
trieb man Antwerke, Kagen und Ebenhoch binan, und
was irgend zur Vernichtung von Erker und Mauer ‚dienen
tonnte, und des Herzogs finnige Meifter bemüheten fich
Tag und Naht; aber die Befagung hielt fi, wie es bies
‚bern Männern geziemt.
Nun war ein Graben ba, tief unb naſerreich
Dorthin wurden alle Katzen getrieben, beſonders eine, die
gar tuͤchtig gearbeitet, an entbloͤßten Stellen mit Rinders
haͤuten gededt und fonft gegen Beuerwärfe und Steine
wohl gefchirmt war. Man hatte fie bereits, dem feinblis
chen Schießen zum Trotz, bis in die Mitte des. Grabens
getrieben, als die Ungern, bie Gorglofigkeit der Wache
Tin
246 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
merkend, bei Nacht auf einem Floß uͤberfuhren und die
Katze anzuͤndeten. Es gelang ihnen ſo, daß bald die Lohe
aufſchlug. Zum Gluͤcke aber ſchnell bemerkt, ward das
Feuer geloͤſcht, und die Anzuͤnder mußten ſich eilig ent⸗
fernen. Seitdem ſchuf Albrecht beſſere Hut; Ritter oder
Knechte, an wen die Reihe kam, der mußte ſeine Zeit
huͤten. Tumberer, Rutten und Bliden arbeiteten derweil
unverdroſſen, und Wehr und Erker ſtuͤrzten von der Mauer.
Selbſt unter der Erde ließ der Herzog einen Verſuch
machen; das Waſſer war jedoch zu tief. Mehr fruchtete
ein langer, mit Eiſen beſchlagener Stoßbaum gegen die
Mauer. Um aber die Kraft deſſelben zu brechen, ließen
die Belagerten dreifache Huͤrden herab, womit ſie die
Stoͤße auffingen. Der Herzog ließ deshalb ſcharfe, große
Sicheln an lange Stangen befeſtigen, und die Stricke der
Huͤrden damit abſchneiden. Endlich ſiegte Gewalt uͤber
Wis; die Burg vermochte fi nicht laͤnger zu halten; ob
der Derzog gleich ſchwere Rache nehmen wollte, fo ward
‚ er boch eines andern berebet, und ber Beſatzung wurde
freier Abzug bewilligt, mit fo viel, als die vorhandenen
Männer und Pferde tragen Tonnten.
Das Ziel und der Zwed aller diefer Pleinen und groͤ⸗
fern Kämpfe war, dem Feinde fo viel als möglich Abbruch
zu thun. Mar man nun biefer Plackereien fatt und muͤde,
dann wurde der Friede unterhandelt. Ein Beiſpiel, wie
dies geſchah, wird alles dahin Gehoͤrige am beſten erlaͤu⸗
tern, und da wir oben geſehen haben, wie Koͤnig Andreas
bon Ungarn mit Herzog Albrecht von Oeſterreich ben Krieg
“anfing, fo wollen wir hun fehen, wie er den Frieden ſchloß.
€
\
B. Abtheil. Zweis w. Ernſtkaͤmpfe b. Ritter 247
Sechs Wochen, oder mehr, hatte das ungariſche Kriegs⸗
volk auf oͤſtreichiſchem Boden gelegen, und der Stadt Wien
ſo nahe, daß die Frauen haͤufig auf die Thuͤrme ſtiegen
und den Gefechten zuſahen. Endlich, des Unfugs übers
brüffig , ward Friede gewuͤnſcht. Bon Seiten der unga⸗
riſchen Biſchoͤfe von Gran und Kolitſcha wurden die deut⸗
ſchen Biſchoͤfe von Paſſau und Sekkau zu einer Zwieſprach
geladen, worauf ein lebhaftes Botenſchicken zwiſchen Wien
und dem ungariſchen Lager, und gar bald ein Ftiede auf
8 Tage erfolgte. Sobald died erreicht war, wählten bie
Ungern 4 hohe Grafen aus bes Könige Rath, welche,
nebſt den zween genannten Bifchöfen, mit Vollmacht zur
Suͤhne verfehen, nach Wien ritten. Die Bifchöfe unfrers
feits *) und viel andre Herrn ritten zur Ehrenbezeugung
entgegen. Als man zufammentraf, begrüßten fich die geil:
lichen ‚Herren lateinifch; bie andern, fo weder Latein noch
Deutſch verftanden, verneigten ſich nur gegenfeitig. Dann
sitten alle gemeinfchaftlih nad Wien, wo ihrer beim Her⸗
zog, auch bei der Herzogin und deren Frauen, welche fich
mit den beflen Kleidern geſchmuͤt hatten; ein freundlichen
Empfang wartete.
In der Sikung nahmen Steirer und Ofterreicher nes
ben dem Herzöge Platz, gegenüber fetten fich bie Ungern.
Unfrerfeits führten ber Bifhof von Sekkau und der
Ordensmeiſter, Berthold von Maurperg, als Dolmetfcher,
das Wort. Man Fam überein, daß bie Gegner zuvor dad
*) Man fey immer eingeben, daß bier ber Oeſterreicher, Ottokar
„von Hornek, fprict.
248 Bielter Abſchnitt. Ritterleben.
Land raͤumen, alsdann die völlige Ausgleichung durch ben
Rath beider Zürften, auf dem Felde zwiſchen Heunburg
und Presburg vor fi geben ſolle. Der Herzog nd 12
feiner Herren ſchwuren fernere Haltung des Stilftandes.
Zum Heimritt ward den ungrifchen Gäften ein Geleit
von 40 Herren gegeben, benen vielg ihrer Mannen folgs
ten. Sie hatten zugleich den Auftrag, vom König Ans
dreas bie Beſtaͤtigung des Verabredeten zu empfangen,
die ihnen nicht verſagt wurde. Der Koͤnig gab ſogleich
Befehl zum Ruͤckzug, und ließ die deutſchen Herren durch
Ungarn und Valbe wieder nad Wien geleiten.
“Man fah nun auf dem beflimmten Plan zwifchen
Heunburg und Preöburg, herrliche Gezelte auffchlagen,
Der Herren, bie fich alle da verfammleten,. war eine nicht
geringe Anzahl, fo. Ungern als Deutfche. Und als bie
Verhandlung begann, gingen aus ‚ben 23 nicht "fern von
einander errichteten Hauptgezelten bie Redner bin und
ber, ben ganzen Tag burch, bis noch vor Anbruch ber
Nacht befchloffen ward, :baß jede Partei 4 Schiedsrichter
waͤhlen folle. Diefe 8 follten ſchwoͤren, nach Treue, Recht
und Wahrheit die Streitfache zu ebnen. — Der König
wie ber Herzog, benen die Meldung davon zukam, gelob:
ten fchriftlich, dem Ausſpruch berfelben ſich zu fügen.
Es war in Heunburg, wo die ermählten Schiedsrich⸗
ter ſich befprachen, und einig in-ihrem Ausſpruch, beide
Fuͤrſten nach Presburg luden. Nach wenig Tagen langs
ten fie mit zahlreichem Gefinde an. Der Herzog, welder
fich zuerfl eingefunden, fprang vom Pferde, dem einreis
tenden König entgegenzugehen. In ben. höflichen Reben,
78, Abthell, Bwels u. Ernſtkaͤmpfe d. Ritter. 249
deren bier viel geführt wurben, erinnerte man fich ande
. Königs vormaligen Aufenthalt in Wien. Als darauf beide
von ber getroffenen Einigung unterrichtet waren, veichte
man in feierlicher Verſammlung dem Könige die Hands
feſte, die er mit 30 Magnaten beſchwur und mit koͤnigl.
Juſiegel verſah; worauf fie durch den Erzbifhof,v. Gran
dem Herzog überreicht wurde, der ebenfalls nebft 30 Her⸗
en -fchwur und fein Infiegel daran befefligen ließ. Als⸗
dann flelfte man fie dem Könige wieder zu, ber fie laut
zu derlefen befahl. Das Fernere gehört nicht hieher.
Ein viel befprochened und in der Gefchichte des Mit⸗
telalterS und in der Kitterwelt oftmals vorfommendes.
ort, ift dad Wort Fehde. Ueber bie Ableitung. beffels
ben herrfchen verfchiebene Anſichten; fo viel erfcheint nur
gewiß, daß. es mit Hecht, d. h. Yeindfchaft zuſammen⸗
haͤngt, und damit fehten, fechten und alſo auch be⸗
fehden verbunden iſt. Im mittlern Latein heißt dies
Wort Faida, Feindſchaft, ſowohl Öffentliche, als auch heim⸗
liche. Jemandem eine Fehde ankuͤndigen, iſt daher nichts
anders, als einem ſeine Feindſchaft oder den Krieg ver⸗
kuͤndigen; ein ſogenannter Fehdebrief iſt deswegen eine
ſchriftliche Ankuͤndigung des Unfriedens; und daraus ſchon
moͤchte allein erhellen, daß die Zehden oder Befehdungen
nichts anders ſind, als die Kriege einzelner gegen einan⸗
der, durch welche einer ein erlittenes Unrecht oder eine
Beſchimpfung abzutreiben oder zu raͤchen fuchte. Die
Fehde ankuͤndigen, hieß im mittlern Latein: diſſiduciare
oder difidare. — Der Urfprung der Fehden iſt nicht
erſt, wie einige geglaubt haben), vom 12. und 43. Jahr⸗
7
»
2% - Bwelter Abſchnitt. Ritterleben.
hundert ab zu rechnen; vielmehr iſt er ſchon weit früher
begründet, wenn auch in jener Zeit die Fehden hauptſaͤch⸗
üb überhand nahmen und diefer Unfug fehr eingeriffen
war. Auch bier müffen wie wieber auf die frübeften Sits
ten, Gewohnheiten und- Anfihten der Deutfchen zurück⸗
geben, die es fo fehr liebten, alles, was fie nur dadurch
gu ſchlichten vermochten, durch die Schaͤrfe des Schwertes
zu entſcheiden; und Vellejus Paterculus ſagt daher auch
im ten Buch feiner Geſchichte, Hauptſtuͤck 118: daß bie
Deutfchen ſich ſehr vermundert hätten, wie fie bei den
Römern gefeben, daß das, was fie durch die Waffen aus»
machten, bei diefen nach den Rechten erörtert würde. —
Dieſe alfo fthon in den frübften Anfichten des deutſchen
Volkes begründeten Fehden wuchfen unter Heinrih IV,
Friedrich I und deren Nachfolgern, fo wie durch das ſo⸗
genannte Interregnum immer mehr, ja belamen von
jener Zeit an eine: beflimmte Form und Regelmaͤßigkeit,
wie auch fogar eine Art Geſetzlichkeit, wodurch fie fpäter«
bin um fo fchwerer audzurotten wurden. Wie fih num
in bem Dittelalter deutfche Gewohnheiten und Rechte beis
nahe über ganz Europa verbreiteten, fo finden. wir auch
bie Fehden in England und in Frankreich wieder, doch
nirgends in ſolcher Ausdehnung, wie in Deutſchland.
Dieſe Fehden konnten nun in der Regel nur von
Reichsunmittelbaren an Reichsunmittelbare erklaͤrt werden;
und wenn man auch Beiſpiele findet, daß Mittelbare an
Reichsunmittelbare ihre Erklaͤrungen ausgehen ließen, fa
gehören biefe doch zu ben feltenen Erſcheinungen. Hier
kommt auch mauches laͤcherliche Beiſpiel vor, von denen
8. Abtheil. Imeis u. Ernftlämpfe d. Ritter. 251
und z. B. Müller in feinem Reichsſtags-Theater, & 96
ein Beifpiel aufbewahrt hat, wonach der Koch eines Her»
ren von Münzenberg, mit allen feinen Untergebenen, als
Kuͤchenknaben, Metzgern, Schliffelwäfchern un f. w. einem
Strafen von Solms die Fehde ankuͤndigte; welches Schreis
: ben indeflen mehr ald ein Spaß lautet, denn baß es
Spuren ber Wahrheit in ſich trägt. Am allerhaͤufigſten
waren die Sehden in Schwaben und Kranken, wo die
ſchwankenden Verhältniffe der größern Herzöge bie übers
müthige Selbſthuͤlfe Bleinerer Edelleute nicht zuruͤckzudraͤn⸗
gen und zu vernichten vermochte. Mit diefen Fehden iſt
indeffen das Fauſtrecht nicht zu vermifchen, fonbern davon
gehörig zu unterfcheiden, indem, wie gefagt, bie Fehde
nur von einem Neichöunmittelbaren dem andern erklärt,
dee Kampf im Fauflrecht ‚dagegen von einem jeden
Einzelnen unternommen werden konnte. Die Zehden
waren durch geſetzliche Beſtimmungen gebuldet; ja es
wurden zu ihnen gewiſſe Feierlichkeiten gebraucht, wenn
fie als geſetzlich beftätigt und erlaubt angefehen werben
follten, da das Fauftrecht meift wuͤſt hinein feine Angriffe
machte. Inbeflen giebt es auch wieder. Punkte, wo ber
Unterfchiedb zwifchen beiden ſchwer zu ermitteln, und bie
Srenzlinie nicht wohl genau zu ziehen ſeyn möchte,
Ein Lehnsvafall durfte feinen Lehnherrn ebenfalls
befehden, obgleich einige darein Zweifel gefegt haben, aber
es gebörte dazu, daß ber Vaſall vorher dem Lehnherrn
fein Lehn auffagen mußte. Nachher wurbe aber nit
eher Frieden gemacht, als bis das aufgefagte Lehn dem
Bafallen wieder zurüdgegeben worden. Nach bem ſchwaͤ⸗ u
.
‘ X
—
% ’ \
252 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
biſchen Lehnrechte mußte einer dem andern bie Fehde
muͤndlich oder perfönlih ankündigen. Dabei beftimmte
bafjelbe aber auch zugleich, daß, wenn der Lehnherr Das
freie GSeleit verfagen würde, um die Fehde anzulimiigen,
ober, während derfelben, um das aufgekündigte Leben
zurüdzufordern, fo fey es dem DVafallen erlaubt, an das
ben Lehndherrn naͤchſt gelegene Haus zu geben und Das
felbft feine, Fehdeankuͤndigung fo laut zu rufen, daß, wer
in felbigem Haufe wohnte, folches hören und dem Lehn⸗
herrn davon Ndkpricht geben koͤnne. — : Drei Tage vorber,
ehe die Fehde begann, mußte fie angelündigt werden,
weshalb ed fchon in einer Verordnung des Kaiſers Frie⸗
drich I vom Jahre 1187 beißt: Werram propıiam pro
amico, pro parente, vel causae cujus, quam alterius
“ occasione suscipere licet, modo damnum alii facere
«
aut laedere ipsum intendens, tribus ad minimum
ante diebus, per certum nuntium suum difliduciaret
eum. Ward diefes nicht beobachtet, fo wurde die Fehde
füt ungerecht, die Befehder aber für ſchaͤndliche Verrätber
gehalten und von den Zurnieren audgefchloffen. — Daß
durch biefe häufigen Fehden unendlich viel Unglüd über
bie deutfchen Lande gebracht wurde, daß fie kaum Aufge⸗
bautes bald wieder zerjtörten und feiner fich eines ruhigen
Befisthums erfreuen fonnte, daB lehrt und die Geſchichte.
Die Kaifer waren daher bemüht, dieſen Uebeln ab;uhelfen,
indem 3. B. Rudolf I die Raubfchlöffer zerftörte, und die
übrigen Kaifer, befonderd Sigismund, Albert II und
Friedrich III die Fehden auf das firengfle verboten. Da
alle diefe Verbote nichts fruchten wollten, ließen die Kaiſer
u
8. Abtheil. Zwei⸗ u, Ernfifämpfe b. Ritter. 253
fogar die "Verbote, welche fie gegeben, vom Papſte beſtaͤ⸗
tigen und zog'n ſerme geiſtlichen Strafen zu Hülfe. Alles
dieſeslwollt indeſſen nicht den gewuͤnſchten Erfolg haben, bis
endlich durch den Landfrieden, den Kaiſer Maximilian im
Jahre 1495 ‚gab, dem Uebel Einhalt geſchah, obgleich es
nicht im Augenblide mit der Wurzel ausdgerottet wurde,
incem wır noch mancherlei Fehden nachher finden, aber
‚body keinesweges in einer ſo bedeutenden und uͤbermaͤßigen
- Art, wie fruͤherhin. Bier Urſachen trugen endlich am
nteiften zur völligen Ausrottung biefes für Deutfchland
- fo großen Uebel bei: die Anordnung des Reichs⸗Kammer⸗
gerichts, wodurd eine rechtlihe Hülfe bei obwaltenven
Streitigkeiten fejlgefegt ward; die Eintheilung des Reichs
in veitimmte Kreife, wodurch die Verordnungen ded Reichs⸗
Kammergerichtö mehr Unterſtuͤtzung gemannen, indem nun
‚ von einem feften Punkte aus verfahren werden konnte,
da es jest möglich ward, beftimmte Landerabfchnitte theils
verantwortlich zu machen, wenn die Erkenntniffe nicht in
Ausübung gefegt wurden, theild aber auch als hilfreich
für einen und. den andern zu beflimmen. Dann traten
‘die Buͤndniſſe hinzu, welche in diefer Zeit zwiſchen Hohen
und Niedern zu gegenfeitiger Beſchutzung, Vertheidigung
-" und Friedhaltung gemacht wurden; und zulegt ver große
ſchwaͤbiſche Bund, der befonderd zur Aufrehthaltung des
Friedens beitrug und die Mitglieder gegenfeitig ſchützte.
Die Art und Weife, wie die Ritter nun bei ſolchen
Fehden einer dem andern halfen, waren meiſt ſo, daß,
ſobald einer ſeinem Feinde oder Beleidiger eine Fehde an⸗
kuͤndigen wollte, er. es feinen Freunden und Verwandten
*
\ 2
26% Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
meldete und ihre Huͤlfe begehtte. Ein Gieiches that nach⸗
her derjenige, gegen den die Fehde gerichtet war, ſobald
fie ihm verkuͤndet worden. Jeder ſammelte feine Dienſt⸗
mannen und Vaſallen, ſo viel er erhalten konnte, ſeine
Freunde fanden fich zu ihm, und der Krieg begann meift
mehr mit einem Kriegführen gegen die ruhigen Dörfer
und mit. deren Vernichtung, als mit offenen Feldſchlachten.
Einer fuchte dem andern fo viel Schaden und Abbruch,
als nur irgend möglih, zu thun, um ihn zu zwingen,
die Friedensbedingungen, bie er ihm vorſchrieb, anzuneh-
men, ober er fuchte feinem Feinde eine bedeutende Beute
abzugewinnen.
Das im Mittelalter in Deutfchland fo berlichtigte
Kauftrecht hatte ini manden Stüden Aehnlichkeit mit
den Fehden, nur war es eine zügellefere, weniger nad)
Geſetzen geregelte Art und Weiſe, bei ber bloß. nah Gut:
duͤnken einzelner rohen Ritter der Kampf angefangen
ward. Schon fehr früh hatten die Deutfchen begannen,
fi) nach dem Mufter römifcher Zeften Burgen auf Berg»
böhen zu erbauen, und nur zu leicht ward nun ein jeder
Burgbefiger verführt, fich des Rechts der Waffen gegen
feine Nachbaren zu bedienen. Die Fehden, ald erlaubte
Kriege Einzelner gegen Einzelne, find mit eine Folge diefes
Fauſtrechts, aber hauptfächlich benannte man To bad uns
vermuthete Ueberfallen Wehrlofer, die Beraubung ber auf
ben Landflraßen ruhig ziehenden Kaufleute; denn man
übte dieſes Fauftrecht nicht bloß gegen feine Feinde, ober
gegen folhe aus; an die man gegründete Anfprüche zu
machen hatte, ſondern bie mächtigen Burgbefiger brauchten
l.
8: Abtheil Bmweis: u. Ernfttämpfe d. Ritter. 255 |
ed auch, ohne allen rechtlichen Scein, die benachbarten
Landbebaner zu überfallen, zu berauben ober zu zwingen, .
fi unter ihren Schug zu begeben, und deshalb auch ihnen
Dienfte zu leiten. Selbſt damit begnügten fich die Burg⸗
befiger noch nicht; viele von ihnen lebten fogar als offen-
bare Räuber, worin fie das Vorrecht in ihrem Stande zu
finden glaubten, indem fie bie benachbarten. Heerfiraßen
mit ihren Reifigen befegten, um die Worbeiziehenden zu
berauben, zu plündern, ober fo lange mit in ihre Burgen
zu fchleppen, bis fie- ſich durch ein großes Loͤſegeld frei
machen fonnten. An-ihren Burgen zogen ſich meift Lands.
firaßen und Bergwege vorüber; von ihren hohen. Warten .
Fonnten fie die ganze Gegend umfchauen, und bald ward
ein vorüberziehender Kaufmann ihnen verratben, um als
Beute in ihre Hände zu fallen.
Die deutſchen Könige widerſetzten ſich zwar. gleich |
-anfangs, fo vıel fie nur konnten, diefen Gewalttpätigkeiten
und Raͤubereien; fie waren aber zu ſchwach, ihren Dros -
hungen Nachdruck zu geben, und das eingeriffene Uebel
nahm immer mehr Überhand. Als: das eigentliche Ritters
weſen und die Ritterzeit eintrat, da war ed ſchon ein fo
gewöhnliches und feſtgewurzeltes Uebel, daß die edlern und
beitern Geiftesrichtungen,, die fi m und mit dem Ritters
thum entwidelten, nicht mehr darauf wirken konnten.
Die Könige mußten zufrieden ſeyn, wenn ihre Vaſallen
die Lehndienſte gehoͤrig leiſteten, ſo oft ſie es verlangten;
und fie durften ſich nicht viel darum bekuͤmmern, was
jene mit ihren Bauern oder Leibeigenen vornahmen, oder
was fie unter einander für Streitigkeiten hatten. So gab
⸗
256 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben. |
" es denn im frühern Mittelalter Zeiten, in benen, nad
ber Erzählung damald lebender Schriftfleller, ein großer
Theil des Adels vom Straßenraube lebte. Die Könige
und Kaifer Deutfchlands waren bemüht, durch Gefege
diefen ‚gefeglofen Zuftand zu verbannen; aber vergeblich,
und die meiften mußten fi damit begnügen, daß fie eine
fogenannte Treuge burchfegten und einführten. Diefe
beftand darin, daß, durch bie Geiftlichen beflätigt, alfo
gewiflermaßen auf göttlichen Befehl felbft (und fo ward es
wenigftend angefehen), einige Zage in ber Woche verord⸗
net wurden, an denen bei ſchwerſter Ahndung ein Waffen:
flinftand feyn mußte und Feine Waffenkaͤmpfe flattfinden
durften. Durch diefe einzelnen, feft beflimmten Wochen:
tage wurden die Landfrieden vorbereitet, welche unter ben
Hohenftaufen oftmals, wenn auch meiſt vergeblich, be:
ſchworen wurden, indem felbft die entehrende Strafe, Der
fih die Landfriedensbrecher unterwerfen mußten, nichts
fruchtete. Diefe Strafe war damals dad Hundetras
gen, befonders in Franken, Schwaben und Sachſen ge⸗
woͤhnlich, und darin beſtehend, daß der Verbrecher einen
raͤudigen Hund bis an einen beſtimmten Ort tragen mußte.
Zuweilen geſchah dieſes vor der Vollziehung des uͤber den
Verbrecher geſprochenen Todesurtheils; gemeinhin war
aber der Verluſt des Lebens nicht damit verbunden, ſon⸗
dern der Verurtheilte wurde nach Erfuͤllung dieſer Strafe
von dem Banne oder der Acht losgeſprochen, in welche er
durch die Brechung des Landfriedens gefallen war. Der
Ursprung diefer Strafe fällt, nad) Wittichinds von Eorbei
Zeugniß, in bie Zeiten Kaifers Otto I, wenigftens ift bis
8. Abtheil. 8weis n, Ernſtkaͤmpfe 5. Ritter. 257.
jegt Fein früheres Beifpiel gefunden worben. Einzelne
Kaifer wendeten dies firenge Mittel ohne Anfehen ber
Perſon an, und fo traf die Strafe fogar den Pfalzgrafen
Herrmann und andere Grafen und Ritter unter Kaifer
Friedrich J. Die- Verordnungen und Einrichtungen end⸗
lich, die wir bereitS oben kennen gelernt haben, buch .
welche die Fehden gehemmt: wurden, vernichketeg auch das
Fauſtrecht.
Indeſſen erſcheint das Wegelagern und das Leben
vom Stegreif, wie man es wohl auch nannte, noch bis
zu Ende des ſechzehnten Jahrhunderts; denn etwas anderes
iſt es doch nicht, wenn der Herzog Heinrich II, als er in
Eimbeck iſt, eine Burg will heimlich uͤberrumpeln laſſen,
oder wenn der bei ihm befindliche, landsknechtiſche Haupt⸗
mann Braun Wagen, worauf heimlich in Bachs gegoſ⸗
fenes Geld geladen ift, mit Gewalt auf offener Straße
nehmen will, ober gar der ‚Diener des Herzogs, Seiden⸗
berg genannt, einem Juden auf offener Landſtraße mehre
Selpbeutel abnimmt. Eben dad alte Fauſtrecht iſt es,
welches denfelben Herzog in feinem eigenen Rande, das
aber von feinem Bruder, nad) kaiſerlichem Befehle, ver⸗
waltet wird, dahin bringt, daß er dieſem ſeinen Bruder
die Feſte auf dem Groͤditzberge mit Gewalt überfällt und
abnimmt; daß er ausreitet, um feinem Bruder Fifche aus
bem arensborfer Zeiche, Wolle aus Groß⸗Wandris, But⸗
ter, Schoͤpſe u. ſ. w. zu ſtehlen: wie dies alles im erſten
Theile des Lebens von Hans von Schweinichen ausfuͤhr⸗
licher zu ſehen iſt, worin wir, wie ſchon oben bemerkt,
17
A)
⸗
>
28 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
das ritterliche Leben in feinem ganzen Verfalle, in feiner
größten Entartung, einem gemeinen und zügellofen Hof:
wefen weichen, erblicken. Da eben wir bes Ritterlebens
größte Entwürbigung; von der Wir in folgender Abthei⸗
kung noch einige Pankte berühren müffen. |
—
260 Zweiter Abſchnitt. Ritter leben.
terfchlag erhalten hatten.. Im Deutfchland nannte. man fie
in Urkunden, Gefprächen, Liedern und andern Verhand⸗
Jungen nody mit verfchiebenen Beinamen zu biefem Worte
Ritter, naͤmlich: ehrenhafte, - chrenfefte, edle, fromme,
tüchtige, firenge Ritter u. dgl. Ihren Frauen wurden bie
für heutiges Tages einfachen, für jene Zeit aber bedeuten-
den Benennungen gegeben: ehr⸗ und tugenbhafte Frau,
Gemahel, Hausfrawe; ihre Töchter hießen Iungfrauen.
| Außer der Kleidung, bie ihnen als Rittern beſonders
erlaubt war, zeichneten, fie ſich durch die verschiedenen
Wappen aus, die fie auf ihrem Schild, auf ihrem Wap⸗
penrock, auf dem Faͤhnlein ihrer Lanze, oder der Spitze
bes Helms trugen. Die erfien Ritter hatten, als biefer
Stand eine eigene verleihbare Würde ward, meiſt Titel
und Schwert von ihren herrſchenben Gebietern und den
Oberlehnsherren empfangen, auch rechneten ſie es ſich bei
ihrer Aufnahme zur Pflicht und Ehre, die Wappen derer
anzunehmen, von denen fie in den Ritterſiand aufgenom⸗
men worden waren, ober wenigſtens ein Stuͤck aus dem
Wappenſchilde derſelben dem Wappen ihrer eigenen Fa⸗
inilie beizufügen. Hiervon ſchreiben fi) zum Theil denn
auch oftmals bie fo ſehr zuſammengeſetzten Wappen her.
Wenn nun dieſe Ritter in ber Folge andern bie Kitter⸗
würde ertheilten, fo trugen fie auch auf biefe die Wappen
über, welche fie felbft von andern angenommen hatten.
* Dies war befonders in Frankreich der Zall; und baher
kommt ed, daB in einzelnen Landſtrichen beflimmte Farben
in den Wappen, oder befondere Auszeichnungen darin,
bie dem Beherrſcher zubamen, fi auch in vielen Wappen
—
9, Abtheil. Vorzüge u. Auszeichn. d, Ritter. ic, 261 |
der Ritter biefed Landſtriches fanden. Ein folches Wappen
und Giegel zu führen, war nun ein befonderes Vorrecht
der Ritter, andern Berfonen wurbe es meift immer vers
weigert. °
Aus dem Vorrecht der alten römifchen Soldaten mag
es fih wohl auf deutfchen Boden verpflanzt haben, daß
ein Ritter frei von allen Abgaben war, bie ſonſt auf die
Lebensmittel und auf Waaren gelegt waren, welche er zu
feinem Privatgebrauche nöthig hatte. Died Vörrecht bes
freite ihn aud von allen Arten ver Zölle. Doch war aud)
diefer Grundſatz möglichfler Freiheit fchon in ben alten
deutfchen Gewohnheiten gegründet, wonach alle Laften auf
eine Abtheilung bed Bold, Die Unfreien oder Minderfreien,
dewälzt ward. Des Ritterd ganzer Anzug, vielmehr noch
feine Ruͤſtung, machte ihn fchon aus weiter Berne kennt⸗
ich, und ſobald er fich daher näherte, öffneten ſich ihm
alle Thore, Schlagbäume und andere Schranken, um ihm
einen freien Durchzug zu gewähren. Je mehr ihm nun
hier Freiheit vergönnt war, allenthalben ungehindert zu
erfcheinen und fich aufzuhalten, um fo mehr mußte er aber
auch darauf. halten, daß diejenigen, welche in feinem Ges
folge waren, fireng auf. Zucht und Orbnung fahen, damit bie
Einwohner bes Landes Feine Urfache hätten, fich über -
Bedruͤckungen zu befhweren. Wurden bergleichen begans
gen, fo mußte ber Ritter für: feine Leute fliehen und die
Strafe bezahlen; doch ward gewiß vieles im Stillen vers
ſchmerzt, damit durch bie einftweilige Entſchaͤdigung nicht
etwa’ der größere Zorn gereist und andere heimliche, diefer
greifende Bedruͤckungen veranlaßt werden möhten, Wollte
262 Imeiter Abſchnitt. Nitterleben.
der Ritter ſeine Wohnung in einer Stadt nehmen, ſo
durften auch ſeinen Leuten die Abgaben und Schatzungen
nicht. aufgelegt werden, welche die Bürger von allen neuen
Einwohnern zu erheben berechtigt waren. Hingegen hatten
fogar die Befiher adelicher Güter dad Recht, wenn ihre
älteften Söhne die Rittermürde empfangen follten, zu ben
hierzu erforderlichen Koſten von ihren Unterthanen eine der
vier Arten von Abgaben zu erheben, die man Ritter⸗
ſteuern nannte. Außer diefem einen Falle, in weldgem
die Unterthanen eine Ritterfieuer zahlen mußten, gab es
„ Roch drei andere; namlich: wenn der Ritter eine Zochter
vermählte; ferner: wenn er in Gefangenfchaft gerathen
‚war und ein Gelbbettag verlangt wurde, gegen befien Er⸗
legung er Iosgelaffen werben follte; und zulegt: wenn er
fi entfchloffen hatte, eine Reife uͤber's Meer zu machen,
bie natürlicherweife immer einen frommen Zwed hatte,
indem er entweder bie Unglaubigen befämpfen wollte, oder
auch eitte fromme Wallfahrt zum Srabe bed Heilen
bes ſich vorgenommen hatte. Der KRittertitel, der bei
allen Ständen des Staats in Anſehen fland, fand in
jebem Berichtstofe Richter, die ſtets geneigt waren,, feine
Rechte zu bandhaben. Außer dem, daß ein Ritter nur
mit ter gehörigen Schonung und Achtung für feine Bürde
vor Gericht gefordert werden durfte, erhielt er auch, wenn
ihm der Gegner ſeine Koſten erſetzen mußte, boppelt fo
viel, ald man einem Knappen zuerfannte; wurbe er aber
verurtheilt, fo warb er auch um fo. viel firafbarer erachtet,
da er andern ein Muſter aller Tugenden und vorzuͤglich
der Rechtlichkeit und Billigkeit ſeyn ſollte, und er mußte
9. Abthell. —R u. Auszelchn. d. Ritterm. ꝛe. 208 |
daher feine Strafe noch einmal höher, als ein Knappe, be
zahlen. So war bie höhere Geltung auch immer mit hoͤ⸗
herer Verpflichtung verknuͤpft, und ein hierin merkwuͤrdiges
Beiſpiel giebt uns die franzoͤſiſche Geſchichte, in der beim
Jahre 1441 erzählt wird, in ben Begebenheiten ber Bes
lagerung von-Dun sle« Roi, daß den Bittern auferlegt
worben fey, 8 Gtrauchblindel zu ben Wällen zu tragen,
ba bie Kappen im Gegentheil nur viere tragen burften..
Beil die Ritter, als Freie und Adeliche, nach. germanifchen -
Sitten, feit ihrem Urfprunge Oberhäupter und Räthe aller
Serichte waren, fo erhielten fie fich) auch lange Zeit in
dem ausfhließenden Rechte, daß gewifle anfehnliche obrig⸗
keitliche Aemter mit Gliedern ihres Ordens beſetzt werben
. mußten. Gben daher wurden fie auch in der Bolge zu |
. allen wichtigen Unterhandlungen gezogen. Mußte man
z. B. Geſandte fchiden, um Unterhandlungen Liber bie
wichtigſten Angelegenheiten, wegen Krieg und Frieden zu
pfliegen, ſo waͤhlte man zu jeder Geſandtſchaft und zwar
immer in gleicher Anzaht, Geiſtliche und Mitter. Die
Wahl der Geiftlichen zu ſolchen Gefchäften erklärt fi ich
leicht. Beide Staͤnde wurden als die hoͤchſten und vor⸗
nehmſten betrachtet, ja man verglich beide mit einander
und fand in ihnen große Uebereinſtimmung. Dann waren
aber bie Geiftlichen damals beinahe allein diejenigen, bie
eine höhere Kenntniß der Wiffenfchaften befaßen; und was
daher die Ritter durch ihre dußere Erfcheinung und ihr ges
wichtiges Auftreten folhen Gefchäften an Glanz verliehen;
ba8 mußten bie Geifllichen, bei denen die äußere Würde.
und die Anerkennung berfelben zwar auch nicht fehlte,
‘
. _
es
.
24 awelter Abſchnitt. Ritterleben:
durch Kenntnifle und Gewandtheit in Geſchaͤften erhöhen,
und fo ergänzten fich beibe Stände, im Verein zu ein
und bemfelben Sefchäfte, gegenſeitig. Nach und nach ver-
loren aber aud) die Ritter den Vorfitz in den Gerichten,
ald die deutichen urfprünglichen Gefege und Eimihtungen
bes Landes durch das römifche Recht verdrängt wurden,
als alles nach einem auslänvdifchen, oft unpaflenden Mu⸗
fler geregelt ward, und nun viele Geiftlihe und Laien
das römifche Recht außer Deutfchland, befonders auf ita=
lienifchen Rechtöfchulen, erlernten und eine ganz andere
Anficht .mit beim brachten, als bie fchlihten Ritter mit
ihren ungelehrten, aber durch richtiges Gefühl geleiteten
- Beifigern in den Gerichten hatten. Spuren jener früher
Einrihtung der Gerichte zeigen ſich indeffen nod hin und
wieder in Deutfchland, befonders in der bei einigen Ge⸗
richten gewöhnlichen Abtheilung der Beifiger einer abelis
hen und unadelichen Bank.
Eber: berührte ich die Aehnlichkeit zwiſchen der Ritter⸗
und geiſtlichen Wuͤrde, welche beſonders oft von Dichtern
ergriffen und ‚durchgeführt worben ifl. Diefe zeigte ſich: in
ber Xehnlichkeit der Namen und Titel, in der Kleidung,
in ihren Vorrechten und in ihren Pflichten oder Berbinds
lichfeiten. Dichter, wie gefagt, und Gefchichtfchreiber ha⸗
ben biefe Aehnlichreit durch Vergleiche hervorzuheben ge⸗
ſucht, um einer jeden dieſex beiden Wuͤrden dadurch einen
hoͤhern Glanz zu geben. So nennt 3. B. der Verf. des
Werkes: l’ordre de chevalerie, ben, ber bie Ritterwürde
ertheilt hatte, einen irdifchen oder weltlidhen Ritter, und
ben Priefter, zu welchen fich der Reuzuweihende begeben
9, Abtheil. Vorzüge % Auszeichn. d. Ritterw. ꝛc. 265
hatte, um jene von ihm zu empfangen, einen geiſtlichen
oder uͤberirdiſchen Ritter. In Hinſicht der Kleidung ſag⸗
ten ſie: eben ſo, wie jeder Schmuck des Prieſters, womit
er, wenn er Meſſe haͤlt bekleidet iſt, eine auf ſeine Ver⸗
richtung ſich beziehende Bedeutung hat, ſo ſind auch fuͤr
dad Amt eines Ritters, das große Aehnlichkeit mit dem
Amte eines Prieſters hat, gewiſſe Waffen und Kleidungs⸗
ſtuͤcke beſtimmt, die auf den Vorzug feines Standes und "
feiner Würde ihren Bezug haben. — Die mit ber geiſt⸗
lichen Kleidung verbundenen Vorrechte waren auf gleiche
Weiſe mit der Kleidung ber Ritter verknuͤpft; und wenn
der Ritter dieſen Stand annahm, um gewiſſe zeitliche
Vortheile zu erlangen, fo warb dies fuͤr verbrecheriſch ge⸗
halten. Dagegen war es ſehr haͤufig, daß, um ewige
Vortheile zu erlangen, in weit vorgeruͤckten Jahren, wenn
dem Ritter ber Fampfgewohnte Arm ermübete, die Gattin
geſtorben, die Kinder erwachſen und felbft wieder anfäßig
waren, er in den geifllihen Stand überging. Einzelne
“Dichter haben fogar, damit in ber PVergleichung des Ritz
terftandes mit dem geiftlichen Stande nichts fehlen möge,
auch die Verbindlichkeit zum ehelofen Stande auf die Rits
ter. erſtrecken wollen, und ba bie Kirche ihren Dienern die
Ehe verbietet, fo wollten fie folche auch denen vom Rit⸗
terftande verfagen; vin Berlangen, worein inbeffen bie
Ritter zu willigen, niemals ſich bereit zeigten. Indeſſen
liegt boch in dieſen dichterifchen Wuͤnſchen und Vergleis
dungen alles bad, was die Vereinigung der Geiftlichen
und Nitter in einigen geiſtlichen Ritterorden bewirken
— — — —
266 Awelter Abſchnitt. Xitterleben.
konnte und jene merkwuͤrdigen Ritterorden der Johanni⸗
ter, deutſchen Ritter und Tempelherren begründete. |
Auch die Wohnungen der Ritter mußten mit Merl:
malen verfehen feyn, die ihre Vorzüge vor anbern bewies
fen und fo fchon im Stande waren, von außen Achtung
für.die Einwohner zu erweden, inbem bereits diefe dußern
Zeichen dahin wiefen, baß bie in dem Gebäude Wohnens
den durch Auszeichnungen erhöht warn. Go zeigten
fon bie Thieme und Mauerzinnen, welche zur Beſchuͤz⸗
zung ber Schlöffer dienten, den Vorzug ihrer Einwohner
an. Nur bie Erelleute hatten bad Recht, bie Gipfel ihrer
Häufer mit Wetterfahnen zu ſchmuͤcken, und ſelbſt bie
Geftalt dieſer Wetterfahnen zeigte bie Würbe des Haus⸗
beſiters an. Woren fie nach Art der Fähnlein gebilbet,
fo bedeuteten fie Ritter. Waren fie wie Panner gefchnits
ten , fo bebeuteten -fie Pannerberren. ' Bei dem Eintritt
m biefe Häufer konnte man den Rang bes Befigerd noch
beſſer an den verſchiedenen Verzierungen des Bausgerathe
erkennen.
Die Einrichtung der Ritterſchaft erlaubte ſelbſt armen
Nittern in bie Reihe ber reichern zu treten, ja feßte fie
in den Stand, Telbft Reichthuͤmer zu erwerben, ober wes
nigſtens fo viel, daß fie auf eine anfländige Art ihr Leben
zu führen vermochten. Wer den Krieg mit vorzuͤglicher
Wachſamkeit, Tapferkeit und Thätigkeit führte, ber ward
durch Beute bereichert und burch die Gelder, welche für
bie Loslaflung der Gefangenen bezahlt wurden. Näch der
Schlacht ward gemeinhin die Beute vertheilt; Bold, Gil:
Ber, Pferde, Prunkroſſe und Maulefel erhielten gewoͤhnlich
9, Abtheil. Vorzüge m, Auszeichn. d. Ritterw. x. 267
bie Ritter; das Uebrige ber Beute warb vermutblich. ben |
Knappen überlaflen, ‚und was biefe nicht wollten, ben ges
singern Perfonen, die fich in dem SHeeresgefolge befanden.
Nach verfchiebenen verglichenen Angaben befland das Loͤ⸗
fegeld, wie es ſcheint, gewöhnlich in den einjährigen Eins
Hanften des Gefangenen. — Einem Ritter war e8 er⸗
laubt, befonderd einem berühmten, nicht allein einem
Fürften und‘ Hofe feine Dienſte zu leiften, ſondern auch
mehren; und von jedem durfte er die freigebigen Beweife
ber Gnade und der Anerkennung feiner ritterlichen Kraft
und SBerlhmtheit genießen. Es war auch ‚gerabe nicht '
nöthig, daß ein Ritter bei einem Hofe in Dienften war,
um von ber großmüthigen Zreigebigfeit deffen, ber den
Hof hielt, Vortheil zu ziehen. Ein jeder fahrender Ritter -
warb an den Höfen fröhlich und mit Luft und Liebe aufs
‚genommen ; ja auch anbere Perfonen aus dem Heere und
Adelftande nahmen bie fahrenden Ritter freundlich und
gerne in ihre Wohnungen ein, und hatten beshalb, wie
wir fchon oben bemerften, als Zeichen ber bereitwilligen
Aufnahme, Helme "über die Thore ihrer Burgen und
Schiöffer fegen laſſen, weiche als ficheres Schild ‘günfliger
Aufnahme eines jeden Ritters galten.‘ Wenn .alfo Ritter
und Knappen, bie auf Zurniere, ober in ben Krieg, ober
zu andern Abenteuern reiften, fi an diefen Höfen oder
in diefen Schlöffern einfanden, fo wurden fie bafelbft mit
allen Merkmalen der Achtung und Sorgfalt aufgenommen.
Indem man fie und ihr Gefolge während Ihres Aufents
halts in allem frei gehalten hatte, wurben fie fogar noch
bei ihrer Abreife mit Geſchenken uͤberhaͤuft. Man verehrte
l
a
268. | ‚Spoelter Abſchnitt. Ritterleben.
ihnen Waffen, Eofibare Kleiver, Pferde, ja man fehenkte
"ihnen fogar Geld. Aber auch hier fand das ſchon oben
erwähnte Verhaͤltniß ſtatt: die Ritter erhielten einen bops
pelt fo flarken Betrag an Gold und Silber, ald bie
Knappen, und eben fo erhielten die Pannerherren noch
einmal ſo viel, als die bloßen Ritter. Bei diefen Se:
geſchenken war das Eigene, daß ſelbſt die vornehmſten
Herren die Annahme derſelben nicht ausſchlugen, und dies
aus dem Grunde, daß man dieſe Gaben eigentlich nicht
als. Geſchenke betrachtete, welche ber Perſon des Gaſtes
gemacht wurden, fonbern fie bebeuteten vielmehr, daß man
an dem Vorhaben beffen Theil nähme, dem man es gab,
und daß man das Seinige zu dem Ruhme beitragen wollte,
ber dadurch auf die ganze Ritterſchaft fiel. Noch war es
ein ſicheres und oftmals in "Ausübung tretended Mittel
für aͤrmere, aber tapfere und dadurch befannt gewordene
. Mütter, daß ein reiches Erbfräulein, oder auch eine vor-
nehme Frau, bie mit anfehnlichen Befigungen Wittwe ger
- worden war, außerordentliher Hülfe bedurfte und einen
folchen Ritter von bekannten guten Eigenfchaften und
Faͤhigkeiten zu Hülfe rief; Verhältniffe, die nicht Bloß bie
NRitterromane erzählen, ſondern die häufigft in ber Ge
fchichte vorfommen, da fie ſich im Leben ereigneten. Eine
folche übergab num diefem Ritter, ünter dem Titel eines
Schloßvogts, die Beſchuͤtzung ihres Schlofies und ihrer
Lehnguͤter, nebft der Befehlöhaberftelle Uber die unter ihrer
Botmäßigkeit ſtehenden Lehnleute und die zum Kriege
Verpflichteten. Hierdurch gewann der Ritter ein ruhiges,
bepagliches und geficherted Daſeyn; aber biöweilen belohn:
9, Abtheil. Vorzüge u; Auszeichn. d. Ritterw. x. 269
ten auch die von ihm Beſchuͤtzten ſeine wichtigen Dienſte
durch das Geſchenk ihrer Hand. Solche Verbindungen
wurden meiſtentheils auf Anrathen und mit Genehmigung
der Herrſcher des Landes eingegangen. Als geborene Be⸗
ſchuͤtzer der adelichen Wittwen und Waiſen in ihren Staa⸗
ten, erfuͤllten die Fuͤrſten, eben durch die Verbindung der
Vortheile zweier Perſonen, die edelmuͤthigen Pflichten‘ des
koͤniglichen Schußes, und zugleich belohnten fie damit die
Tapferkeit der tüchtigften Ritter an ihrem Hofe.
Wenn ein Edelmann bie Ritterwürbe erhielt, fo
wurde er. von diefer Zeit an nicht mehr als ein Minders
jähriger betrachtet, und ſtand nicht mehr unter der vaͤter⸗
lihen Gewalt, wenn er auch no fo jung wer, da man .
Beifpiele hat, daß junge Leute im funfzehnten oder ſech⸗
‚zehnten Jahre fchon die Ritterwuͤrde erhielten. Wenn in
den uns nähern Jahrhunderten die Söhne herrfchender
DPerfonen fhon in der Wiege zu Rittern gemacht wurden,
fo faut dies gerabe in die Zeit, in welcher das Ritterthum.
bereitö verfiel, in ber die Würbe des Ritters nicht mehr
fo geachtet ward; und bie Befreiung von der vaͤterlichen
Gewalt fand alfo dann gewiß nicht ftatt. Ließ das Schick⸗
fal des Krieges einen Ritter in die Hände feiner Feinde
fallen, fo befreite ihn ſchon feine Würde allein von den
Feſſeln, wenigftens bei allen chriftlichen Mächten, und auch
bei den Kreuzzuͤgen war wohl meiftentheild eine ehrenvols
lere Behandlung der Ritter vorherrfchend, bis die geſtei⸗
gerte Wuth des Religionökrieges alles andere vergeffen
machte und jede Rüdficht vernichtete, Des Ritter Ehrens
wort war ſonſt das ſtaͤrkſte Band, das ihn zuruͤckhielt.
| 70. Zweiter Abſchnitt. Ritterleben,
Nach ihrer verfchiedenen höhern Würde im Ritterſtande,
3. B. ob fie Pannerherren waren oder nicht, richtete fih
auch mandjes in ihrem Briegerifhen Schmud, und man:
ches Heinere Stud ihrer Ruͤſtung befam baburd keine
andere Geflalt, die fich befonvers an ben Helmen, Helm-
. kleinodien, Helmdeden, Kronen u. f. w. zeigte. Diefe eins
zelnen Vorzüge in bet Tracht gingen am Ende in ihre
Bappen über, wo fie fich erhielten, ja bis auf unfer
Tage bewahrten. \
Wenn wir baher fo viele Vortheile und Vorzůge mit
der Wuͤrde und dem Stande des Ritters verbunden ſehen,
iſt es wohl natuͤrlich, daß recht viefe fich bemühen, dieſer
-Bürde thejlhaftig zu werden; und in dieſer Vermehrung
ber Ertheilung des Ritterſtandes muͤffen wir eine Haupt:
- urfache vom Verfalle bes Ritterweſens finden: So wie
fih die Turniere, welche einzelne Perfonen gaben, und
die innerlichen fo wie auch bie äußerlichen Kriege verviel⸗
fältigten, ward auch eine Vermehrung ber Ritterſchaft
immer nothwenbiger und fand fi durch mannichfache An:
reize von felbft. In fruͤhern Zeiten hatte auch wohl eine
bedeutende Vermehrung der Ritterfchaft zu einer Zeit
ftattgefunden, befonder8 bei großen Zeftlichfeiten, vor
feierlichen Zurnieren, bei Vermählungen hoher Derfonen,
wobei dann diejenigen, welche die Würde ertheilten, ihren
Reichthum und ihre Macht zeigen wollten, da, wie wir
aud) bereitö oben gefehen haben, ed Sitte war, folche nen -
gefchlagene Ritter vollkommen zuͤ bekleiden und mit allem,
was zu ihrer Ausruͤſtung gehörte, zu befchenfen, fo wie
ihnen auch reichliche Gaben an Gelbe zu geben. Um auch
9, Abthell. Vorzuͤge u, Auszeichn. d. Ritterw: ı. 774
hier nur ein Beifpiel Diefes reichlichen Kitterſchlages/ zu
erwaͤhnen, ſo ſchlugen die drei Soͤhne Philipps, des Soh⸗
nes Philipps des Schoͤnen, als ſie dieſe Wuͤrde ſo eben
erhalten hatten, gleich nachher 400 Knappen zu Rittern;
und daß funfzigen zu gleicher Zeit dieſe Wuͤrde ertheilt
warb, dies fiel gar nicht ‚auf, wie dies alles ausführlider |
"im Abfchnitt von dem Nitterfchlage und den Zeftlichleiten .
des Mittelalters bemerkt worden if. — Die Großen eines
Reichs, die gegen einander oder gegen ihr Reichsoberhaupt
in Fehde waren, glaubten ſich nur mit Huͤlfe der Ritter⸗
ſchaft erhalten zu koͤnnen; und da ſie nicht bedachten, daß
nur die gute Verfaſſung ber Kitterſchaft und nicht
die Menge der Ritter ihre Stärke ausmachen koͤnne, f6
fuchten fie fidy eine große Anzahl von Anhängern zu ges
winnen, um beren Rechtfchaffenheit, Aufführung und gute
Sitten fie fi übrigens nicht befümmerten, indem fie eine
große Maffe zur Ritterwuͤrde beförberten. Aber auch bie
Herrſcher felbft. wurden immer verfchwenderifcher mit ber
Ritterwuͤrde. Sie ertheilten fie nicht nur an unadeliche
Gelehrte und Staatömänner, auch Bürger und geringere
Leute erhielten fie. "So ging 3.8. ſchon Kaifer Friedrich 1
in Deutfehland fo weit, daß er, zum großen Xergernif
und Nachtheil ber Achten Ritterſchaft, anfing, geringe _
Soldaten, Kriegölnechte, ja fogar Handwerker auf dem
Schlachtfelde zu Rittern zu fchlagen, wenn fie fih nur
tapfer gehalten, ja bloß bucch einen rohen Muth auöges
zeichnet hatten. Ihn giebt man auch als Urheber des Ges
brauchs an, die. Ritterwürbe an Gefchlehter (Patrizier)
au ertheilen, bie das "Recht hatten, daß aus ihnen in den
272 Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
Staͤdten die vorzuͤglichſten Ehrenſtellen und Aemter befegt
werden mußten, und bie daher einen ſtaͤdtiſchen Adel bil:
beten. Kaiſer Friedrich LIT ertheilte endlich fogar allen
Bürgerlichen fürmlih dad Recht, daß fie zu Rittern ge⸗
fchlagen werben konnten. Dadurch verringerte fih ver
- Glanz der alten Ritterfchaft nicht wenig: die alten Ritter
. fohen mit Mißvergnügen auf biefen neuen Anwuchs nieber;
fie mochten die Kampfbahn nicht mit denen theilen, bie
‚nicht auf gleicher Stufe mit ihnen flanden, und fo erfal-
tete bei ihnen die Liebe für Ritterthaten und zur Ritter
Schaft. Wie e8 aber auch hierbei noch nicht ein Bewenben
hatte, fondern man fogar Kinder und Knaben, Gaukler
und Poffenreißer, und Leute des niedrigften Standes und
keinesweges edler Geſinnungen, | zu Rittern machte, als
ein jeder, der nur ein wenig geſchickt Banze und Schwert
zu führen wußte, ſich felbft für einen Knappen und Ritter
andgab; ald bie alten Zurnierhöfe den Fechtſchulen und
“ den Uebungen darin, die von meiſt rohen und ungebilbes
ten Menfchen gehalten wurben, wichen: da war es kein
Wunder, daß der alte Rittergeiſt und mit ihm bie erftaus
nenswürdigen Wirkungen, die er durch Jahrhunderte über
einen fo großen Theil Europas ausgeuͤbt, verflogen. Nach
dem aber fchon länger der Geift eines in feiner’ Blüte fo
ſchoͤnen Strebens und Lebens gewichen, und nur die
tobte Form und ein leeres Spielwerk übrig geblieben,
wollen wir nicht Elagen, daß auch dieſes entwich und bie
ganze Achte Kitterzeit als ein fchöner dichterifcher Traum,
vielleicht pft durch bie. Einbildungsfraft zu ſchoͤn ges
ſchmuͤckt, vor dem Blick ber Geſchichte liegt, zumal da ber
4 Pa |
€ 2
4
9. Abtheil. Vorzüge m, Auszeichn. d. Mitterw.ic 273. |
eigentlich baran nagende Wurm, der fogleich zu erwähnen,
viel Böslihes und Gehäffiges bineingetragen hatte,
Diefe das Ritterwefen hauptfächlich' vernichtenbe innere
Urſache war: die gar mächtig anwachfende Sittenvers
derbniß, die fi durch alle Stände zog, und bei den
Rittern, die in Gluͤck, Reichthum und Wohlleben ſich be⸗
fanden, die mit allen Staͤnden in ſo vielfache Beruͤhrung
kamen, und gerade durch den Schwung der Einbildungs⸗
kraft leichter bewogen werden konnten, von der edlen
Seite der Bildung abzugehen und ſich einer verderblichen,
Geiſt, Gemuͤth, Herz und Leib zerſtoͤrenden Schrankenlo⸗
figkeit hinzugeben, vorzuͤglich tief Wurzeln geſchlagen
hatte. Gottesfurcht und Liebe, die Grundpfeiler eines
edlen Ritterthumes, waren nad) und nach ganz untergras
ben worden. Wie finnli die Gotteöverehrung fi in
jener Zeit geflaltete,; das haben wir fchon oben gefehen,
und bie Diener der Religion trugen gewiß fehr viel zum
Verfalle der Gotteöfurcht bei. Der Wunſch „ihre Stif⸗
tungen zu bereichern, hatte bie Geiſtlichkeit, beſonders
waͤhrend den Kreuzzuͤgen, zu manchen Schritten vermocht,
wodurch das Vermögen der einzelnen Familien ſehr ver⸗
ringert worden war; und die ſo bereicherten Kloͤſter lebten
jetzt nicht mehr bloß ihren frommen Werken, nicht etwas
den Wiſſenſchaften, fondern genofjen die Reichthuͤmer, die
fie gefammelt hatten, oft im praffenden Wohlleben. Die :-
dadurch bewirkte größere Freiheit der Sitten erſtreckte ſich
auch uͤber die Graͤnzen der Kloſtermauern und die Ritter,
weiche manche andere Begriffe und Anfihten mit ans dem
Morgenlande brachten, fahen fo bie Geiſtlichkeit, die von
. 48
ba x
Na Zwelter Abſchnitt. Ritterleben.
dem Vermoͤgen ihrer Voreltern ſchwelgte, nicht bloß mit
neidifchen Augen an, fondern fie verfuchten auch’ die Gi;
ter, die fie ſich ungerechtermweife .entriffen achteten, wieder
zu erlangen. Die Zänfereien, Streitigkeiten und Befehs
dungen, welche baraus entflanben, erbitterten bie Gemüther
und erfüllten fie mit Haß gegen diejenigen, welche fie fir
Räuber des ehemaligen Eigenthums ihrer Väter anſahen.
Aus .diefem Haffe gegen die Diener der Religion entflan
auch Geringſchaͤtzung, Abneigung und Verachtung der
Sottesverehrung; und daraus floß eine laue und verderb⸗
liche Anficht aller der Pflichten, welche bloß die Menfchen Ä
in einer edlen Geiſtes⸗ und Thater: Richtung erhalten
Fönnen, Wie nun bie Gottesfurcht ſchwand, fo verrin⸗
gerte fich auch die. zweite Grundfefte des Rittertbums und
“der große und mächtige Hebel deffelben, der fo viele be
wunberungswürdige Thaten hervorgebracht hatte: die Ber
ehrung ber Frauen und bie reine, durch Sinnlichkeit fo
wenig wie möglich gefrübte Liebe der. Bitter. Die Bu
kanntſchaft, die fie in ben Kreuzzuͤgen mit dem morgen: |
laͤndiſchen Frauen und deren Verhältnig zu ben Maͤnnem
"gemacht hatten, war ihnen höchft nachtheilig gewefen und
diente nur zu fehr dazu, bie geiftige Liebe, die fie fonft
beherrfchte, und die fie vor allem, wenn auch nicht immer,
doch oft gefucht hatten; zu untergraben. Dazu kam, daf
bie europälfchen rauen, verführt durch Beiſpiel und Ge
fpräche der ausgearteten Ritter, felbft finnlicher wurden;
und fo begarın die Verführung und Anleitung zu immer |
höher wachſender Sinnlichkeit ihren Kreislauf unaufhaltfam
’
6. Abthell. Vorzüge u. Auszeihn, b. Ritterw. ꝛc. 275
wodurch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt der Sittenverfall fich
verſchlimmerte. Die ehemaligen Anſtrengungen der Ritter,
ihre Pflichten zu erfuͤllen und ſich auszuzeichnen, bloß um
einige geringe Gunftbezeugungen ihrer Geliebten zu erhals
ten, Bänder, Schleifen, Armbänder und anderen Schmud,
ben fie an ihren Helmen befefligten, hörten auf, da fie
nun die größten Gunftbezeugungen mit leichter Mühe von
benfelben erhalten konnten.
So war durch innere zerrüittende Gruͤnde die dußere
Haltung und der Orundpfeiler des Ritterthums vernichtet,
es hatte das Bertrauen in fich verloren und Liebe, Ach
! tung und Vertrauen ber damaligen Zeit meift ganz vers
ſcherzt, fo daß einzelne Ritter, bie den alten Rittergeiſt
zu erneuern und in ſich zu befefligen fuchten, als ein
Wunder daſtanden und bie erftaunten Blicke und bie Lob⸗
preifungen ihrer Zeitgenoſſen auf fih zogen. Es bedurfte
nun nur eines äußern Beweggrundes noch, um das
Ritterweſen ganz zu vernichten, es bedurfte num noch eines
Anleits, das Anfehn ber perfönlichen Tapferkeit zu erſchuͤt⸗
tern und die Laſt, fo wie bie Ehre bes Krieges, von ben
Nittern ab auf einen ändern Stand zu fchieben, die
Unentbehrlichleit der Ritter in ben Kriegen aufzuheben:
und dies beides bewirkte — die Einführnng der ſtehen⸗
ben Heere und bie Erfindung bes Schießpulvers mit
dem Geſchuͤtz. So wichtig auch für die Herrſcher die Huͤlfe
ber Ritter gewefen, fo war und blieb es doch immer nur
eine. freie Hülfe, fie war durch Bein beflimmtes Banb
gefnupft und unaufloslich, noch weniger blind an den .
Ä 18* "
276 | Zweiter Abſchnitt. Ritte rleben.
Willen bed Herrſchers gebunden. Dieſe blinde, bloß fol⸗
gende, nicht erwaͤgende Huͤlfe ſich zu verſchaffen, war ein
Hauptſtreben der Herrſcher; ſie bemühten fi) daher, durch
ihren Sold und andere Vergünfligungen eine Maſſe fich
zu gewinnen, bie immer: fih um fie befinden Tonnte
‚und ganz in ihrer Hand war. Dies begann befons
ders in Frankreich mit König Karl VII, ber die Drs
donnanz⸗ Compagnien, befannter unter dem Namen
GSensb’armerie, einführte. Bald fah er aus diefer Einrich>
fung Krieger hervorgehen, die folgfamer und ihm ergebner
waren, als bie Ritter, und die ex baher für völlig würbig
hielt, die Stelle diefer einzunehmen; ia er hielt bafır,
daß fie im Stande feyn würden, der Ritterfchaft alle Den
Ruhm 'einft flreitig zu machen, in beffen ausfchließendem
Befitze biefelbe biöher gewefen war, wenn auch nicht ab
nend, daß fih mit und durch fie eine neue Art der Rit⸗
terfchaft entwideln würde, die auf bie Geflaltung Europas
in den folgenden Jahrhunderten fo vielen Einfluß, bis auf
bie heutigen Zage, gezeigt hat. Je mehr Eifer die neu
angeworbenen Krieger zeigten, unb je mehr fie belohnt
und begünftigt wurden, um fo mehr bemühten ſich die
Adelihen, darin mit aufgenommen zu werben, befonbers
auch darum, weil -fie dad Recht erhielten, bie Befehls ha⸗
berftellen dabei einzunehmen. - Die neue eifrige Einübung
ber zum Kriegesdienſt gehörigen Söldner erwarb dieſen
* bald eine große Sertigkeit, fo daß fie, da fie auch meiß
nichts. anders trieben, fondern ihre Tage zwifhen Müßigs
gang und weniger Uebung. theilten, bie ritterlichen Künfte
9, Abtheit. Vorzüge u. Auszeichn. 6. Nitterm. x. 7.
bald inne hatten und nur darauf warteten, fe auf den
Wink ihres Fuͤrſten ondzuäben,
"Ueber ein halbes Jahrhundert fpäter, als in Frankreich,
entſtand in Deutſchland unter Kaiſer Marimilion I, gerade
unter dem Kaifer, ber als ber letzte Ritter Deutfchlands
zu betrachten if, und ber des Ritterthums aͤlterm Glanze
freudig nachfolgte und nachfpfirte, der neue Stand der
Soͤldner und Landsknechte, die damals indeſſen als ein
fehr wuͤſtes und unheimliche, in Deutfchland herums
ſchwaͤrmendes und viel Uebeles anrichtendes Voͤlklein von
ben Gefchichtfchreibern befchrieben wurden *). Esft” der
berühmte Faiferliche Feldherr Georg von Frundsberg gab
ihnen eine beffere und paſſendere Einrichtung, die mehr
Ordnung und Regelmaͤßigkeit unter fie brachte. Derglei⸗
chen Soͤldnerhaufen oder ſtehende Kriegeöheere wurden in
ganz Europa’ immer gewöhnlicher, und bie Ritter übers
nahmen wohl den Oberbefehl folcher Fähnlein, oder wars.
ben felbft welche, wie das Leben des Goͤtz v. Serlichingen
fhon mannigfache Beifpiele enthält. Nun Fam dazu
j noch bie Vervielfältigung des Schießgewehres, befonber&
bed groben Geſchuͤtzes, welches in feinen reißenden ‘und
furchtbaren Wirkungen alle bie alten Wurfgefchüge hinter
fih ließ, und indem es die ganze Kampfart verwandelte,
beſonders bie Angriffswaffen der Ritter - beinahe ganz
unnuͤtz machte. . Die mächtigen Vertheidicungswaffen, die
*) Man ſehe nur, was bee Renner und Hans Sacht von. ihnen
Tagen.
778 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
ſie bisher trugen, gereichten ihnen nach und nach nur
zur Laſt; und je mehr ſie bavon ablegten, je mehr
wich auch der wahre Rittergeift, der fo nur noch ſchwach
in ihnen gelebt, von ihnen, und man könnte ihn daher
wohl zum Theil an jene Waffenflüde gebannt erfidren.
N
40, Abtheil. Strafen dee Bitter, Tod x. 279
Zehnte Abtheilung.
Strafen der Ritter, Tod und. Seichenbegängniß. Ä
Nachdem wir dem Glanze der Ritterſchaft bisher durch
alle Abtheilungen des Ritterlebens gefolgt ſind, kommen
wir nun auf die, in welcher zu erzählen iſt, wie ber
Glanz diefes Ritterlebens Verf, fey eö nun als Strafe,
ober durch die Auflöfung aller menfchlichen Einrichtungen.
und VBetriebfamkfeit, durch den Zod. Se höher und allges
mein die Ritterwürbe geachtet wurbe,. je größer man bie=
ſes Vorrecht hielt, um fo mehr bemühte man ſich aud,
baffelbe zu bewahren; und eben hierin ift auch ein Grund
zu fuchen, daß man bie Lebensart vermieb, burch welche
man biefe Würde verlieren Tonnte, benn fo unzerflörbar
biefe Würde auch war, wenn man fie einmal erhalten
hatte und einen Lebenswanbel führte, her ihrer Anficht
entfprach, fo gab es Doch Bebingungen, unter denen fie
aufhoͤrte. Geringere. Strafen der Nitter haben wir ſchon
oben in der Abtheilung von den Turnieren kennen gelernt, -
als z. B. Entfernung von den Vortänzen bei ben feierlis
en Tanzen, welche nad) Zurnieren gemeinhin ſtattfanden;
Berbot, die Zurniere zu befuhen; Empfang mit Schlaͤ⸗
gen berjenigen Ritter in den Zurnieren, welche fi durch
irgend einen geringen Sehler ftrafbar gemacht hatten, wobei
bie Strafe mehr ober minder heftig war, je nachdem ihr
2
\
280 Zwelter Abſchnitt. Nitteriihen.
eigenes, großes ober. kleineres Verbrechen, fo wie das
eines nahen Anverwandten in ihnen beſtraft ward; zuletzt
Beraubung des Pferdes und Zwang, waͤhrend des Turniers
auf den Schranken der Turnierbahn zu reiten, wie dies
alles ausfuͤhrlicher im Abſchnitt von den Turnieren eroͤr⸗
tert und betrachtet worden iſt.
Wenn nun aber gar ein Ritter ſeinen Stand durch
ſchlechte Handlungen, durch ein Verbrechen, oder durch
irgend eine andere entehrende That brandmarkte, bann
warb er mit dem ſchandvollſten Zuflande, durch eine Abs
fegung aus ber Ritterwuͤrde, durch eine Erniedrigumg
beftraft.
Diefe Entfehung ber Ritterwürbe haͤufte auf ben
Verbrecher, wie es in ber bamaligen firengen Zeit gewoͤhn⸗
lich war, eine große Mafle bedeutender und ergreifenber
Beſchimpfungen. Denn fobald ein Ritter für feine Vers
brechen zu folcher Befhimpfung gerichtlich verurtheilt wors
ben war, wurbe er fogleich auf ein Gerüfle geführt, wo
man vor feinen Augen alle feine Waffen und bie verfchies
denen Stüde feiner Rüftung, bie er entehrt hatte, in
Stüden brach und ihm vor die Füße warf. Die Sporen
wurden ihm auf einem Mifthaufen abgenommen (jenes
Hauptzeichen ber Ritter ‚und ihnen fo werth, daß, mie
wir bereit8 oben gefehen haben, der Ausdruck: bie Sporen
anlegen, mit Ertheilung der Ritterwuͤrde gleichbedeutend
war), feinem Pferde warb ebendafelbfl der Schweif abge
hauen. Auch mußte er fehen, wie fen Schild, auf dem
das Wappen audgelöfcht "war, an dem Schweife eines
ſchlechten Pferdes hangend, mit ber Spitze in bie Höhe
—W
10. Abthell. Strafen der Ritter, Lob c 31
gelehrt, auf eine ſchimpfliche Art durch den Koth gezogen
ward. Die Umkehrung des Schildes, ſo daß die Spitze
in die Hoͤhe gekehrt war, bedeutete immer, wie bereits
oben bei der Betrachtung des Schildes angeführt worden,
‘daß der Inhaber und Eigenthlimer verflorben fey. Hier
ward alfo der Ritter wie ein Verſtorbener betrachtet, und
fein fittlicher Tob galt für einen wirklichen Leibestod.
Wappenkönige, Herolde und Bappenperfevanten mußten
für die Vollziehung diefer Strafe forgen, wobei fie gegen
den Frevler bie bitterften Beleidigungen und Schimpfworte
audftießen. Die Priefter verlafen über ihn, nachdem fie
vorher die Bigilien der Todten abgefungen hatten, ben
hundert und achten Pfalm, welcher viele VBerwünfchungen
und Vermalebeiungen wider die Verräther enthält. Dreis _
mal fragte der Wappenkoͤnig oder ber Wappenherold nach
dem Namen bed Verbrecherd. Jedesmal nannte ihn der
Wappenperſevant, und immer. fagte der Herold, daß dieſer
nicht der Name desjenigen wäre, ber bier vor-feinen Augen -
flände; denn an diefem erfenne er weiter nichts, als einen
. Verräther, einen Zreulofen und Eidbrüchigen. Hierauf
nahm er aus ben Händen eben dieſes Wappenperfevanten
‘ein Beden mit warmem Waſſer, warf es mit Unwillen
auf dad Haupt des ehrlofen Ritterd, um dadurch die heis
Nlige Würde, welche ihm durch den Ritterſchlag verliehen
worden war, zu vertilgen. War der Verbrecher auf dieſe
Weiſe herabgewuͤrdigt, ſo wurde er an einem, unter ſeinen
Armen befeſtigten Stricke von dem Geruͤſte niedergezogen,
auf eine Schleife oder Tragbahre geworfen, mit einem
Todtentuche bedeckt und in die Kirche geſchleppt, wo man
[7
2 Bueiter Abſchnitt. Ritterleben.
die naͤmlichen Gebete und Feierlichkeiten, wie bei Ver⸗
ſtorbenen, über ihm verrichtee. Bei ſchweren Verbrechen,
3. 8. ber beleibigten Majeflät, warb bad Wappen, wie
noch heut zu Tage gefchieht, durch ben Scharfrichter
öffentlich zerbrochen. Sleidanus in feinem Comment. B.
VI..p. 146 erzählt ein folches Beifpiel von dem Herzoge
Karl von Burgund, wegen feines Abfalls von den Könige
won Frankreich. | |
Haren geringere Verbrechen begangen, fo war auch
bie Strafe milder, und es wurde zum Beifpiel der Ritter
zur von der Zifchgefellichaft anderer Ritter ausgeſchloſſen.
Hatte die Ankündigung‘ diefer Entfernung aus ritterlicher
Zifchgemeinfchaft keinen Eindrud auf ihn gemacht, war er
frech genug, fich zur Rittertafel zu draͤrrgen und baran
Plag zu nehmen, fo warb vor ihm das Tiſchtuch zerſchnit⸗
ten, indem ein Wappenherold an ben Tiſch trat und ers
Härte, Eein ehrfamer Ritter Eönne mit ihm das Mahl ein:
uehmen, wobei er dad Tiſchtuch vor ibm entzweifchnitt
and fein Brot umkehrte. Verſtattet war ed aber auch
dem Nitter, der fo verunglimpft ward, feine Unſchuld zu
‚beweifen, oder auch, wenn er bies wirklich nicht
konnte, ſpaͤterhin durch ein untadelhaftes Betragen feine
Schmach wieder zu fühnen. Ein Beifpiel davon liefert
und die Geſchichte: Als einft Wilhelm von. Hennegau,
Graf von Oſtrevan, an der Tafel Königs Karl IV fpeifete,
trat ein Herold in den Saal und fchnitt vor dem Grafen
das Tiſchtuch entzwei, unter der Ankündigung, daß ein
Unbewaffneter nicht verbiene, an ber Zafel des Königs zu
fiten. Der Graf, den diefer unerwartete Auftritt überaus
WB ra zu ‚2
[
| 40. Abthell. Strafen der Mitter, Lob. 33
befremben mußte, antwortete, baß er fo gut wie andere
Kitter Schild und Lanze führe. Unmoͤglich, erwiberte der
ältefte Herold, denn Ihr wiflet, gnädigiter Herr, daß
Euer Sroßoheim von den Zriefen getübtet worden ift, und
daß fein Tod bis jegt ungerächt blieb; hättet Ihr Waffen,
fo würde dies gewiß laͤngſt gefchehen feyn. Diefe Bes
ſchimpfung erregte den Ehrgeiz des Grafen, der nun an,
‚nichts weiter dachte, ald wie er feine Schande wieder gut
wachen könne; er fand das Mittel und erreichte feine Abs,
fiht. (Histoire general de la vie privee des Frangais.),
Bar ein Ritter genöthigt worden, durch bie vor ihm
geſchehene Zerfchneibung des Tiſchtuches die Stelle an ber
Kittertafel zu verlaffen, fo warb ihm nicht einmal erlaubt,
an ber. Tafel ber Knappen feine Stelle einzunehmen, wenn
er nicht einer gleichen Beſchimpfung gemrärtig feyn wollte“. _
Dies beweifet eine Stelle aus dem franzöfifcyen Gedichte
Zancelot du Lac, wo ed heißt: Ein Ritter, den man als
einen beruͤchtigten Menſchen anfah, Fam an ben Hof bes
Königs Artus und wollte an der Rittertafel Plag neh⸗
men; keiner wollte ihn aber daran, leiden. Verſtoßen aus
jebem Rarige, wo er fich. zeigte, wollte er fein Tiſchtuch
auf der Knappentafel auflegen; hier empfing man ihn
nicht beffer, fit jagten ihn ebenfalls von ſich; endlich war
er genoͤthigt, ſich eine Stelle außerhalb des Saales zu
ſuchen. — Diefe Erzaͤhlung ſcheint durchaus aus dem Leben
gegriffen zu feyn und beweifend bier eintreten, zu Fönnen,
Nach Alain Chartier, ſoll Bertrand du Guesclin, die⸗
ſes Muſter eines franzoͤſiſchen Ritters, der erſte geweſen
ſeyn, welcher dieſen Gebrauch eingefuͤhrt hat; indeſſen iſt
d
. 2 Zweiter Abfchnitt. Ritterleben.
es nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Sitte erſt von ihm her⸗
xuͤhren ſollte; vielmehr iſt wohl anzunehmen, er erneuete
fie, da das ganze ritterliche Weſen in ihm ‚einen Anhalt,
eine Stüge fand, fowohl durch fein eigenes Verhalten,
als auch durch die von ih ausgehenden Verorbnungen.
Solche erttehrende Strafen, bie letzte etwa ausgenom⸗
men, batten immer die Folge, daß der Ritter feinem rit⸗
terlihen Werke entfagen mußte, denn niemand würbe wohl
zit ihm gelämpft haben. Gleiche Entehrung traf benz
auch, wie wir bereitö früher gefehen haben, biejenigen,
welche in einem angeorbneten Kampfgerichte ausgeblieben
waren, ober überwunden und nicht töbtich verlegt, das
Mitleiden ihred Siegers angerufen, hatten; bloß um ihr
Keben, und noch dazu von ba an ein ſchmachvolles ſich
zu retten. Died braucht indeflen. bier nur angebeutet zu
werden, da ed alsführlicher in ber achten Abtheilung er⸗
zaͤhlt ward.
Es gab indeſſen auch eine drendolle Art, wie der
Bitter feine Rampfzeit enden konnte: durch bad Alter.
Henn auch ein franzöfifher Dichter, Balbuin von Gonde,
‚meint, ein Ritter muͤſſe das Kriegeswerk fo lange treiben,
als es feine Kräfte verflatteten, fo trat denn doch ein
Beitabfchnitt ein, in welchem er ehrenvoll, bei noch nicht
ganz erfchöpften Kräften, zurüdtreten Tonnte: dies war,
" fobald er das fechzigfte Jahr erreicht hatte. Zuerſt zogen
fih diefe Alten von den Turnieren zuruͤck, wobei fie doch
noch zugegen feyn durften, ja immer-eine ehrenvolle Stelle,
wohl gar Dänke, ven Aelteſten⸗ Daft, empfingen. Sie
‚waren bier nicht allein den jüngern Rittern ermutbigende
u
40. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ı. 285
SBeifpiele durch den. Ruf ihrer Thaten, ‚fondern beſonders
auch Richter; denn fie kannten alle Arten des Kampfes,
fie wußten nah Recht, Gitte unb Billigkeit den Sieg
zuzufprechen.
Gemeinhin turnierten vor dem Schluſſe ihrer Ritter⸗
beſchaͤftigungen ſolche Greiſe noch einmal, zeigten IC
mannlih und wader und gelobten num, nicht mehr zu
Tämpfen. Ein Beifpiel davon Liefert die franzöfiihe Ger
fhichte unter König Ludwig XII. In den Nitterfpielen, |
die im Gegenwart des ganzen. Hofes in der Straße Gt.
Antoine gehalten‘ wurden, zeichnete fi), ‘wie Jean de St.
Gelais (Gefchichtfchreiber Ludwigs XIL) erzählt, unter ans
dern Herr von Clerieur, ein Mann, der fchon im Winter
feiner Lebenszeit war, auf das bewunberungswürbigfie
aus. Denn durch einen Lanzenwinf firedte er einen Edel⸗
mann aus ber Picardie, Reuter und Pferb zugleich, zu
Boden, und alfobald, nachdem er biefes gethan hatte, ‘
ging er hin und legte die Ruͤſtung ab, um frifche Luft
zu ſchoͤpfen. Er überfchidte, zwifchen zwei fchönen Züs
ern, feinen Helm einer parifer vornehmen Frau, mit dee -
Bitte, da fie folhen aufbewahren möchte, indem er num
feine Laufbahn geſchloſſen habe und gefonnen fey, nie
wieder bei einem Ritterfpiel oder Turnier, wo man einen
Harnifch tragen muͤſſe, fich einzufinden. Ungern wichen
indeflen die Ritter aus dieſer geliebten und ehrenvollen
Beſchaͤftigung und verflachen wohl noch gerne, wenig:
ſtens in der Stile, eine: Lanze: wie ber Kurfürfl: vor
Sachſen heimlich mit Georg von Schweinichen, dem Vater
des befannten Hans von Sıhweinichen, noch eine Lanze
,
266 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
bricht, und als beide fallen, der Kurfürft vom Stoß und
der Schwere feiner Lanze Übermogen, Georg von Schweis
nichen aber aus Höflichkeit gegen den fallenden Kurfürften,
gelobt auch der Kurfürft, dies folle feine legte Lanze ſeyn,
die er braͤche *) Die Kitter, welche das fechzigfte Jahr
überfchritten hatten, brauchten auch Feine Ritterdienfte, in
Hinſicht ihres Lehns, mehr zu thun, und überfchidten Daher
ftatt ihrer Perfon dem Lehnheren ihr Pferd und ihre
Waffen, oder flellten auch, wie Georg von Schweinichen,
.. an ihrer Statt den aͤlteſten Sohn.
Alles ſchloß aber ber allen. gemeinfame Zod, und
auch hier wurde nun die moͤglichſte Pracht angewendet,
um bie letzte Ehre dem Ehrenvollen noch auf die wuͤrdigſte
Art zu beweifen. Gemeinhin wurden die Ritter in voller
Rüftung beerdigt, vorzüglich aber mit dem Schwerte und
den Sporen, angethan mit ihrem WBappenrode, es ſey
denn, daß fie felbft gewünfcht hatten, auf eine nicht fo
weltliche, fondern mehr geiftliche Art beigefegt zu werden,
das beißt, angethan mit der Kutte-eined Geiftlichen, wos
burch fie glaubten manche weltliche Suͤnde abzubüßen.
In Deutfchland wurde die Beerdigung mit Schild und
Helm dann befonderd angewendet, wenn der letzte einer
abelichen Familie dem Schooß der Erde anvertraut wurde.
Mit ihm gingen ja die Zeichen und Kleinodien feines Hel⸗
mes und Schilded zu Grabe. In Deutfchland ift dieſe
©itte fehr alte Manche Schriftfteller wollen fie aus der
Zeit Kaifer Heinrichs V herleiten, der im Jahre 1125 ohne
®) Leben bes Hans don Schweiniden. 8b. L ©. 89.
10. Abthell. Strafen der Ritter, Tod ı. 287
Nachkommen verftard, und ber nad ‚Crusius (annales
Sueuicae) Nachrichten lib. IX, P.H. c. 11. zu Speier
(wovon indeſſen die fpeierfchen Jahrbücher nichts erzählen)
mit Schild und Helm begraben worben feyn fol. Hoͤchſt
wahrſcheinlich iſt aber diefe Sitte uralt und fchreibt ſich
fchon aus dem Heidenthume ber, wo ja alle Waffen und
ſogar das Leibpferd des Verſtorbenen mit verbrannt und
beerdigt wurden, er ſey num ber letzte ſeines Stammesß
geweſen, oder habe auch noch ſo viel Nachkommen gehabt.
Aber auch Nachfeiern feines, Todes fanden ſtatt, welches
er indeffen mit ben Übrigen Chriflen jener frühern Zeit
‚theilte, indem ber britte, fiebente und breißigfle Tag feier-
lich begangen ward. Denn ſchon der im elften Jahrhundert
lebende Bifchof Dithmar von Merſeburg fagt in feinem hoͤchfſt
wichtigen merfeburger Zeitbuche (©. 383): „benn eben war -
es ber dritte Tag nad) dem Abfterben bed Erzbifchofs, wel:
cher fo, wie der fiebente und dreißigſte, bei eines jeden
gläubigen Chriſten Abfchiebe feierlich begangen wird, und
zwar um beö Geheimniffes willen, welches damit verbuns
den ift, nämlich wegen des Glaubens an bie heilige Drei⸗
faltigkeit, und wegen ber fiebenfachen Gaben des heil.
„Geiſtes.“ Nicht minder wurde der Jahreötag feines Todes |
gefeiert, und, wie finden daher bebeutenb viel Stiftungen
in alten Urkunden, theils von ben Verſtorbenen felbft,
theild von ihren uͤberlebenden Kindern, Erben und naͤhern
Freunden, die Seelenmeſſen zum Heil der Verftorbenen
auf beftimmten Altären oder in genau angegebenen Kirchen
fiften.
-
Rach den Bemerkungeh „welche la Colombitre in
288 Bielter Abſchnitt. Mitterlebem.
feinem theätre @’honneur I. 625 gemacht bat, föllen
durch bie verfchiebenen Umflände, welde ben Tod Des
Ritters begleiteten, ob er im Kriege, ober in einem Kant= _
pfe, oder bei den Kreuzzügen, ober im Schooße dei Frier
dend geftorben ‚ wenn er Sieger, Weberwundener ober
Befangener war, verfchiebene Stellungen eingetreten feyn,
die man feinem Schwerte, Schilde und Helme auf feinem
. Dentmahle gab. Da aber ia Colombitre felbft gefteht,
‘
feine Lehren flimmten nicht immer mit dem überein, was
fich auf dem Denkmahle dieſes und jenes Ritters finde,
ſo iſt es wohl beſſer, ein ſo wenig haltbares Gewohnheits⸗
geſetz mit Stillſchweigen zu uͤbergehen. Favin verſichert
in feinem theätre d’honneur, daß Ritter, die nach uns
ternommenem Kreuzzuge farben, wenn fie bemfelben auch
nicht bis an das Ende beigewohnt hatten, „mit freuzweife
üben einander gefchlagenen Beinen beerdigt wurben.
D. Vaisette erzählt (in feiner hist. de Languedoo
T. IV. p. 520 beim Jahre 1443): „in jenen Zeiten lief
man ed in Anfehung ber Pracht bei Beerbigungen ober
Begraͤbniſſen an nichts fehlen, und die Großen verorbnes
ten hierzu in ihrem legten Willen cußerordentliche Geld⸗
beiträge. „Ran beobachtete eine fonderbare Gewohnheit .
bei: den Begräbniffen ber Freiherrn und andern Ritters
man ließ in dem Prunfbette, das man an ben Ort des
Begräbniffes trug, einen lebendigen, vom Kopfe bis zu
den Füßen gerhfleten Mann liegen, der die -Perfon des
Berftorbenen vorfiellen folte. In den Rechnungen des
Hauſes Polignac findet fic) dazu der Beweis, indem darin
bemerkt ik, daß man im Sabre 1573 fünf Sons an
10. Abthell. Strafen der Ritter, Tod x. 289
Blaife gab, meil derfelbe, bei ber Beerdigung Johanns,
Sohns des Randonnet Armond, Vicomte von Polignac,
den todten Ritter gemacht hatte.“
Die Waffen der Ritter wurden auch haͤufigſt an den
Deden und Pfeilern ber Kirchen befefligt, damit fie im
dieſen ein fortwährendes, feierliches Andenken blieben.
Entweder weihten die Ritter felbft, nach einem bebenklichen
und fchweren Kampfe, ihr Schwert, ihre Sporen, oder
auch wohl die Ruͤſtung ihrer „Gegner, wenigſtens eineh
Theil derfelben, einer Kirche, oder wenn fie flarben, wura
ben die Rüftungsftüde, die bei der Beerbigungs = und
Leichenfeierlichleit gebraucht worden waren, ‚neben ihrem -
Leichendenkmahle befeftigt. Am häufigften finden fich Lanze, -
Schwert, Sporen, Helm und Handſchuh, man findet aber
auch in Kirchen vielfältige Beifpiele, daß große Tafeln
befeftigt worden find, um baran bie ganze Ruͤſtung, naͤm⸗
lich die fchon bereitd ermähnten Stude, und außerdem
och. den Panzer, die Arm» und Bein » Schienen zu beften.
Wenn auch ‚hierüber allgemeine Geſetze geherrfcht haben,
— wie z. DB. einem Kitter ‚fein Panier, feine Stand⸗
arte und fein Fahnlein zufammen_nur dann mit in fein
Grab. gegeben werben durften, wenn er in einer Schlacht
geblieben war, außerdem aber nur eined ober zwei ber
genannten brei Sachen, nie alle brei zufammen, — fo
waren boch fo viel befondere Einrichtungen dabei, daß fi)
daruͤber nichts in ganz allgemeine Säge faflen laͤßt.
Starb ein fehr berühmter und mannbafter Ritter, fo
fuchte man. fein Andenken auf alle Weife zu erhöhen und
bad Gefuͤhl des großen Verluſtes auf jegliche Art auszu⸗
Ä 19
200 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
druͤcken. Land, Ort, die Perſon, welche betrauert ward,
und die Perſonen derjenigen, welche die Trauer⸗Feierlich⸗
Zeit veranſtalteten, machten dabei bedeutende Unterſchiede;
und es muß daher genügen? ein einzelnes Beiſpiel anzu⸗
führen von einem ber mannhafteſten und beruͤhmteſten
Ritter Frankreichs, dem Konnetable Bertrand bu Gues⸗
clin, genannt die Blume der Kitter.
Als du Guesclin im Jahre 1380 Chateau⸗ neuf oder
das Kaſtell von Randon belagerte, begannen beide Theile,
über den Ausgang auf gleiche Weiſe beunruhigt, Unter⸗
handlungen und kamen überein: bon ber einen Geite,
die Angriffe einzuftellen, von ber andern ben Plag zu
übergeben, wenn die Engländer nicht in dem Tageslaufe
bed zwölften. Heumonds eine ausreichende Unterftügung
‚exhalten wirrben, um die Aufhebung der Belagerung zu
bewirken. Indeſſen erkrankte der Konnetable in dem Laufe
des Waffenſtillſtandes; die Aerzte erklaͤrten feine Krankheit
bald für toͤdtlich. Als dieſe Entſcheidung bekannt ˖ ward,
waren der Schmerz und die Beſtuͤrzung im Heere allgemein:
Generale, Hauptleute, Soldaten, alle erſchreckte der Ver⸗
luſt eines Vaters und unſchaͤtzbaren Freundes. Die Altaͤre
waren Tag und Nacht von Flehenden umringt, die ihre
Geluͤbde und ihre Gebete um feine Erhaltung dahin führte;
felbft die Belagerten, ein erſtaunenswuͤrdiges Ereigniß,
ftellten Öffentliche Gebete an umd forderten von bem Him⸗
mel die Herflelung eines Zeindes, ber ihnen fo furchtbar,
aber fo vol Zugend und Güte, fo ebelmüthig im Siege
war, ‚daß fie es für ruhmmiürbig hielten, vor ihm bie
Waffen nigberzulegen. Du Guesclin fühlte feinen Zuſtand
‘-
I)
10. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ıc. 291
ohne Unruhe: er ließ feinen Degen, den er ald Konne⸗
table führte, auf fein Bette bringen, faßte ihn mit den
Händen fo kraftvoll als ehemals in ber Mitte der Schlach>
ten, betrachtete ihn einige Minuten fchweigend, wie zur
Erinnerung an den Ruhm, mit dem er ihn empfangen
und den er.bucch ihn erworben hatte. Ich denke, fagte
er zu dem Marfhall Sancerre, indem ich dieſen Degen
betrachte, darüber nach, ob ich jemals in dem Gebrauche
‚ beffelben gefehlt häbe. Ich geflehe ed, daß andere einen
beffern Gebrauch von ihm hätten machen können, aber
Peiner konnte reinere-Abfichten Haben, als ich; ich bebauere
nur fierbend iebt, daß ich die Engländer nicht gänzlich
aus dem Königreiche vertrieben babe, wie ich hoffte; Gott
hat diefen Ruhm für einen Würdigern aufbewahrt, viels
leicht für Euch, Herr Marfchall, vielleicht wird. der Him⸗
mel Euch diefe Gnade erweifen; ich wünfche es und halte
Euch für den Mann im Königreiche, dem diefe Ehre vors
züglich gebührt. Dann ließ er fein Haupt entblößen und
fagte zu dem Marfchall: empfangt den Degen von meiner
Hand, und — ich bitte Euch — wenn Ihr ihn dem Koͤ⸗
nige zurüdgebt, fo drüdt ihm meine Dankbarkeit für feine.
Wohlthaten aus, und mein Bebaucen über, die Fehler,
die ic gegen feinen Dienſt dur Unwifjenheit Tann bes
sangen haben, die aber niemals abfichtlich gewefen find;
verfichert ihn, daß ich gls fein Diener und als der ihm
ergebenfte von allen flerbe. Er umarmte den Marfhall
zärtlich, der, in Thraͤnen zerfließend wie alle Umſtehenden,
ben Degen binnahm. Und dann, an die bejahrten Haupt»
leute ſich wendend, bie fein Bette umgaben, fuhr er fort:
' 19*
292 BZweiter Abſchnitt. Mitterleben,
meine theuern Gefaͤhrten! Ihr ſeht meinen Zuſtand, und
daß der Tod mich ‚übereilt und mir nicht erlaubt, bad für
Euch zu thun, was ich gewollt habe; aber das muß
Euern Muth nicht niederfchlagen; wenn ic; bei dem
Könige nicht mehr für Euch reben kann, fo mülfen Eure
Dienfte für Euch ſprechen. Fahret fort ihm gut zu dies
nen, er if gerecht und edelmäthig, und wird Euch gewiß
belohnen, wenn Ihr ed verdient habt. Aber ich will Eud,
ehe ich fierbe, noch die Worte wiederholen, bie ih Euch
taufendmal gefagt habe: "erinnert Euch überall, wo Ihr
Krieg führt, daran, daß die Geiſtlichen, bad arme Volk,
Weiber und Kinder niht Eure Feinde find, daß Ihr bie
Waffen nur zu ihrer Vertheidigung und zu ihrem Schutze
‚tragt: ich habe Euch das immer anempfohlen, und wie:
berhole es Euch zum legten Male, indem ich Euch mein
Jetztes Lebewohl fage und mich Euch anempfehle.
Er ſprach noch einige Augenblicke, blieb dann faſt
eine Viertelſtunde ſchweigend, die Blicke auf ein Chriſtus⸗
bild geheftet, das er in beiden Haͤnden hielt; in dieſem
Zuſtande ſeufzte er noch zwei oder dreimal, und gab ſeine
edle Seele dem Himmel zuruͤck. Dieſer trauerbringende
Tag war ber 13. Julius 1380. Du Guesclin war damals
‚in dem Alter von 60 bis 62 Jahren.
Da die Engländer die erwartete Huͤlfe nicht erhalten
hatten, warb ber Kommandant des Gaftelld von Ranbon
von dem Marfchall Sancerre zur Uebergabe des Platzes
aufgefordert. Er hatte ben Tod bed Konnetable erfahren,
fühlte einen fehr Iebhaften Kummer und beantwortete bie
‚Aufforderung als ein ebelmüthiger und hochherziger Mann:
)
10. Abtheil. Strafen de Ritter, Tod ıc. 293
ich babe Euch nicht verfproden, meine Feſtung an Euch
zu übergeben; dem Heren Konnetable babe ich mein Wort
gegeben, und ihm will ic es halten; aber es fol auf
eine außerordent!,he Weife geſchehen, welche die Achtung
ausdruͤckt, die ich immer vor ihm gehegt habe, und bie
ih, von feinem Andenken beibebalte; ich würde mich ſchaͤ⸗
men, einem andern ald ihm meine Thore zu Öffnen; es
ift gerecht, daß ich ihm erweife, was ich ihm ſchuldig bin,
obgleich er tobt iſt. Ich will die Schluͤſſel einer Feſtung,
deren wahrer Befieger er ift, auf feinen Sarg nieberlegen.
‚Das franzöfifche Lager ward in Schlachtordnung ges
ſtellt, mit fliegenden Fahnen, in der Stellung der Sieger.
Die Englaͤnder traten beim Schalle der Trommeln aus
der Stadt, durchzogen das Feld und gelangten zur Woh⸗
nung des Verſtorbenen. Sie fanden ihn noch auf ſeinem
Todeslager von Waffenherolden umgeben, ben Degen,
welchen ex als Konnetable geführt, entblößt an feiner
Seite, auf einem Kiffen von vioienfarbenem, mit goldenen
Lilien überfireuetem Sammt. Der Marfchall Sancerre
führte den englifhen Kommandanten und deſſen Daupk
leute binein; biefe knieten nieder und verrichteten ihr -
Gebet. Der Kommandant erhob fich, richtete feine Worte
an ben entfeelten Konnetable und fagte: „nicht an biefen
Leichnam, ben ich gefühllod hingeſtreckt vor mir fehe, — am
Euch felber, Herr Konnetaöle, übergebe ich meine Feſtung;
die Macht Eures unſterblichen Geiſtes allein kann mich zur
Uebergabe an die Franzoſen zwingen, obgleich ich dem
König von England geſchworen habe, fie bis zu meinem
legten Blutstropfen zu vertheidigen.“
296 Zweiter Abſchnitt. Ritterleben.
So ſprach er, legte die Schluͤſſel zu den Fuͤßen des
Verſtorbenen nieder und zog ſich mit denen, bie ihm folg=
ten, in Thraͤnen zerfließend, zuruuckk Ueberall in Franf=
reich ehrten Thraͤnen den Edlen nach ſeinem Tode; die
Engländer ſelbſt beweinten diefen edelmuͤthigen und menſch⸗
lichen Sieger. Aber der Schmerz des Koͤnigs war unbe⸗
ſchreiblich; er kannte den ganzen Werth und den Umfang
der geleifteten Dienſte Guesclin’s, und ſchloß von der
Vergangenheit auf das, was er für die Zukunft haͤtte
hoffen dürfen.
Der Marſchall Sancerre Tieß ben Leihnam einbalfa=
miren und nach ber Zranzisfanerlirche zu Puy in Belay
bringen, wo bie innern Theile eingefenft wurden. Als
man ben. Körper zu der Gruft feiner Vorfahren nach Bre⸗
tagne führen wollte, kamen Befehle des Königs und ein
Beflaftungsgefolge an, um ihn nah St. Denys zu brin=
gen, wo ber Köntg für fih und für die Königin Johanna
von Bourbon, die ſchon feit dem Sabre 1377 daſelbſt
zuhte, eine Kapelle hatte erbauen laffen. In diefer Ka⸗
pelle und in demfelben Gewölbe ward’ die Leiche des Kon⸗
netable beigefeßt, bamit auch ber Tod fie nicht trennen
follte. In nicht langer Zeit warb auch der König mit ber
Königin, feiner Gemahlin, vereinigt, da & wenige Monate
‚nah dem Konnetable flarb. Da der König befohlen hatte,
bie Leiche nad) St. Denys zu führen, fo warb dort aud tie
Todtenfeier gehalten, und mit allen Feierlichkeiten, allem
Aufwande und aller Pracht, wie bei den VBeerbigungen
ber Könige. Die Herzöge von Anjou, von Berry, von
Burgund und von Bourbon waren, begleitet von ben
I}
40. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod x. 298
größten und berühmteflen Männern bed Königreichs, an
der Spitze bed Todtenzuges; es warb eine Leichenrede ges
halten, .eine Ehre, vie bis bahin ben Königen und Prinz
zen vorbehalten war.
Zehn Sahre darauf ließ Karl VI dem -Konnetable
‘eine neue Ehre erweifen, und zwar folgende: das Bild
des hochberühmten Zobten ward unter ein erleuchtes
tes Trauergeruͤſt geflelt, das mit Fadeln und Wachsker⸗
zen bebedit war; in’ der Mitte eines Chors, das gleichfalls
Fackeln und Kerzen umgaben, bie ‚während ber ganzen
Feier brannten. Herr -Dlivier von Eliffen, Konnetable,
: von Frankreich, führte, nebft ven Marfchällen Lubwig von
Sancerre und Monton von Blainville, ben Leichenzug,
den der Graf von Zonguenille, Dlivier bu Guesclin ® ber
Bruder bes Verflorbenen, und mehre andere Herren von
hohem Stande bildeten; alle des Verftorbenen Verwandten
ober vorzäglichften Freunde, in Trauerkleidung, nach Fries
gerifchen Gebraͤuchen dad Zodtenopfer bringend. Der Bi-
fchof von Aurerre, der die Meſſe las, ging, da er ben
Dienft des Meßopfers verrichtet, mit dem Könige bis an
bie Thür des Ehors, um fie zu empfangen; da erfchienen
vier Ritter in ber volftändigften Rüftung und mit ben
Wappenzeichen des verfiorbenen Konnetable; ihnen folgten
vier Waffenträger auf den fchönften Pferden aus dem Stalle
des Königs, beren Deden diefelben Wappenzeichen hatten,
und trugen bie Paniere des Konnetable, die vormald ben
Beinden des Reichs fo furchtbar waren. Der Bifchof
empfing bie Pferde mit Auflegung ber Hände auf, ihre
Köpfe, dann naheten fich der Konnetable von Cliſſon und
796 Bwelter Abſchnitt. Mittericben.
bie beiben Marfchälle zum Zodtenopfer, in ber Mitte von
acht Begleitern, deren jeber einen Schild mit ben Wap⸗
penzeichen des Verftorbenen trug, deſſen Spike in Die
Höhe gekehrt war, ald eine Anbeutung feines Todes; alle
waren - von brennenden Wachskerzen umgeben. Dann
folgten ber. Herzog von Zouraine, bed Königs Bruder;
Johaun Graf von Nevers, der Sohn bed Herzogs von
Burgund; Peter, der Sohn des Königs von Navarra;
ſaͤmmtliche Prinzen vom Geblüt, und Heinrich von Bar,
des Königs Vetter: alle mit niebergefenktten Augen unb
jeder mit einem bloßen Degen in ber Hand,. den er an
ber Spike: faßte, anzubeuten, daß fie Gott bie erfochtenen
Siege zum Opfer braͤchten, daß fie eingeländen, fie
bur® feine Gnade und durch den Muth bes Verftorbenen
gewonnen zu haben. In dem dritten Zuge erfchienen bie
vier Erſten unter ven Großen des Hofes, in voͤlliger Ruͤ⸗
fung, von acht Waffeiträgern, ben Juͤngſten bes koͤnig⸗
lichen Hofadels, begleitet, beren jeber einen Helm in ber
Hand trug; darauf vier andere, wie jene, in fchwarzer
Kleidung, ein aufgerolltes Panier tragend, mit bem
Wappen bu Guesclin's bezeichnet, dem fchwargen Adler
in filbernem Felde. Ale gingen in gehaltenem Schritte,
mit großem Ernſte und Zeichen der Betruͤbniß; und jeber,
nach feiner Reihe, Eniete vor dem Altar, vor bem alle
Stüde dieſes Ehrenopfers niedergelegt wurden, und trat
in gleicher Ordnung zurüd, nachdem. er dem bienflverrichz
senden Prälaten die Bände gelüßt hatte Der Bifchof
beflieg nach. der Vollendung des Opfers die Kanzel, um
bie Leichenrede zu halten. Er fprach über bie Worte:
—
10. Abtheil. Strafen der Ritter, Tod ꝛc. 297
nominatus est usque ad extrema terrae, und zeigte,
durch die Herzählung- feiner großen Zriegerifchen Arbeiten,
.. feiner hohen Waffenthaten, feiner Siegeszeichen und feiner
Zriumphe, daß er die wahre Blume der Ritterfchaft war,
und daß nur der. wahrhaft ein Braver ift, der ſich, wie
er, durch Muth und Rechtlichkeit auszeichnet.
Und mit dieſen Begraͤbnißfeierlichkeiten ber Blume
ber Ritterfchaft, mit welchem Namen, wie geſagt, Ber⸗ |
trand du Guesclin belegt warb, fchließen wir wohl am
beflen diefe Borlefungen,
\
. | Druckfehler zum zweiten Bande.
S. 6 3. 9 v. u. I. Sammelungen f. Semmelungen
— 18 3. 6 v. u. I. Clemun f. Clenum
— 29 3. 2 dv. 0. l. pfleg f. pflo
— 38 3. 10 v. u. I. Gundacker f. Grundacker
— 47 3. 2 v. 0. I. Lengenbach f. Langenbad)
— 52 3.16 dv, o. I. Pafelamımt f. Palelamunt
54 die Gtelle aus Dans von Schweinicen vom 12. Febr. 1574
. iſt gang zu flreidhen, indem ihre Einrüdung nur aus
einem Verſehen geſchehen ift, ba Pfeiffer, oder wie bie
andere Benbiset t fagt: Prüffer, ber Name bes Sekre⸗
’8 if.
60 2 8 v. o. einer ift zu ſtreichen
— 67 3. 14 v. o. l. verweigern f. vorweigern
— 70 3. 3 v. u. I. merkwuͤrdig f. merkwuͤrbig
— 72 3. 6 v. u. I. Chanzler f. Chonzler⸗ ⸗
— 79 3. 12 v. u. I. Bechelaren f. Bechebaren
— 89 3. 13 v. o. I. meiner f. einer
— 109 3.4.v.u.Leud f. auf
— 111 3. 14 v. u. I maneffifhe f- manefifhen
— 113 3.5». o. I. mir f. uns
— 115 3.8». u. 4. theurer f. theuer
— 1213. 5 v. o. I. Glokeniz f. Glokenig
— 143 3. 8 v. u. I. Raimund f. Reumund
— 149 3. 1 v. u. I. war f. was
— 152 3.3 u. 5 v. o. I. Lieb f. Leib
— 157 3. 9 v. 0. I. diefelben f. biefeben
— 159 3.13 9. ©. l. bie f. dle
— 176 3. 5 v. u. I. keinen f. feinem .
— 177 3.8 v. o. fehlt Hinter Iungfrau ein Komma
— 178 3. 16 v. o. I. ihn f. ihm
ihm
3.19 v. 0. l. Baumont f. Laumont
— 227 3. 5 v. o. L. ben f. die
— _ 3.8 u. 9.v. 0. I. So ritt, wie durch blutige Straße, dreimal
— 241-3. 7 v. o. I. koͤnnen f. Tönne .
— 294 3. 11. 0. I. einbalfamen f. ‚einbalfamiren '
— ⸗