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Full text of "Römische Geschichte"

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7 



A. SCHWEGLER'S 



RÖMISCHE GESCHICHTE 



FORTGEFÜHRT 



VON 



OCTAVIÜS CLASON. ' 



VIERTER BAND, 

[der FORTSETZUNG ERSTER BAND.] 
VUH aALLISCHBN BRANDE ROMS BIS ZUM ERSTEN SAHNITBR-KRIEaB. 



BERLIN. 

VERLAG VON S. CALVARY & C©. 

1873. 



RÖMISCHE GESCHICHTE 



SEIT DER VERWÜSTUNG ROMS 
DURCH DIE GALLIER 

[365 D. STADT = 389 Y. CHR. GEBURTJ 



VON 



OCTAVIÜS CLASON. 



ERSTER BAND. 



BERLIN. 

VERLAG VON S. CALYARY & CO- 

1873. 



"TA V . 



V 



fe 23 0011943 5r 



SEINER KÖNIGLICHEN HOHEIT 



DEM ALLERGNÄDIGSTEN HERRN 



FRIEDRICH FRANZ 



GROSSHERZOG VON MECKLENBURG-SCHWERIN 



IN TIEFSTER EHRFURCHT GEWIDMET. 



Ew. Königliche Hoheit haben in Gnaden geruht, die Zu- 
eignung dieses meines Werkes zu genehmigen. Mein aller- 
untertänigster dank für Ew. Königlichen Hoheit Huld ist um 
so grösser, als einmal dieses werk das erste umfassende, 
das gebiet der einfachen monograpbie überragende ist, wel- 
ches als frucbt aus meinen Studien hervorgegangen ist, 
andrerseits aber eben durch Ew. Königlichen Hoheit AUer- 
gnädigste Erlaubnis zu meiner vor etwa zwei jähren erfolg- 
ten habilitation an AUerhöchst-Ihrer Universität hierselbst mir 
die wissenschaftliche heimat und Umgebung zu teU gewor- 
den ist, die mich zur Übernahme einer so grossen, schwie- 
rigen, ja einer vollständigen lebensarbeit ermutigt und mit 



dem ei;forderlicheii wissenschaftlichen material versehen hat 
So haben Ew. Eönigüche Hoheit denn Selbst dazu beige- 
tragen, wenn aus diesem meinem werke der Wissenschaft 
eine essentielle förderung erwachsen sollte. Ich werde nicht 
aufliören, die ehrfurchtsvollste und alleruntertänigste dankbar- 
keit gegen meinen Allergnädigsten Herrn im herzen zu tragen. 



VORREDE. 



Nachdem Schweglerin folge seines frühen todes im jähre 
1857 das grosse und bisher unersetzte werk seiner römischen 
geschichte unvollendet hinterlassen hat, ist es vdederholt das 
ausgesprochene bedürfnis und der sehnsüchtige wünsch der fach- 
gelehrten gewesen, für die von Schwegler nicht mehr behandelten 
epochen der römischen geschichte eine fortsetzung in der weise 
Schweglers zu gewinnen. Die drei bände des Schwegler'schen Wer- 
kes umfassen die zeit von den ältesten niederlassungen in Latium 
bis zur grossen gallischen Verwüstung Roms inclusive. Schwegler 
hat zum schluss noch eine darstellung und kurze Charakteristik 
der zwischen den gallischen brand und den licinischen gesetzes- 
conflict fallenden periode mit bezug auf das innere statsleben 
Eoms gegeben. Damit aber schliesst das ganze werk. 

Nachdem auch der Vf. lange den *mangel einer fortsetzung 
empfunden, sich auch immer mehr in die altrömische zeit und 
den plan des Schwegler'schen Werkes eingelebt hatte, erwachte 
in ihm der wünsch, selbst band an's werk zu legen, um das 
selbstgefühlte bedürfnis zu befriedigen, so weit es in seinen 
kräften liegen würde. 

Die ausdehnung des gesammten Unternehmens, von dem 
ein erster band soeben die presse verlassen hat, ist nicht ab- 
zusehen. Vf. sagt sich klar, dass er ebenso gut wie sein Vor- 
gänger vor der Vollendung des ganzen am lebensziele angekom- 
men sein kann. Denn in Wahrheit sind die grenzen einer »rö- 
mischen geschichte« erst mit dem ende dieser geschichte selbst 
erreicht. Allein schon die behandlung der ganzen republikani- 
schen zeit wird eine bedeutende zahl von jähren und eben- 



X Vorrede. 

solchen aufwand von kräften erfordern. Ja es ist nicht einmal 
möglich, nur ungefähr die zahl der bände anzugeben, in wel- 
chen diese periode bis zum abschluss geführt werden könnte. 
Mit jedem Jahrzehnt weiter in die römische geschichte hinein 
wä^Jist das material, besonders aber von dem augenblick an, 
wo auch ausseritalische Verhältnisse in betracht kommen. 

Alle diese Schwierigkeiten hat sich der Vf. durchaus nicht 
verschwiegen. Allein das grosse Interesse,' welches jede einzelne 
epoche der römischen geschichte der gegenwart abgewinnt und 
einflössen sollte, treibt unwiderstehlich dazu, auch das einzelne 
zu untersuchen und damit den schätz an Wahrheiten, den die 
Wissenschaft bisher schon aus dieser unerschöpflichen fundgrube 
gehoben hat, zu vermehren und vollständiger zu machen. So 
begnügt sich denn der Vf. gern mit dem bewusstsein, auch nur 
einen teil des gesammtbaus gefördert zu haben, wenn er das 
ende nicht erreichen sollte. 

Interessant und von bedeutung ist der umstand, dass 
Schwegler gerade mit dem gallischen brande Eoms abgeschlossen 
hat. Schon im altertum ist die bedeutung dieses ereignisses 
für die historiographie gewürdigt worden, denn erst seit dieser 
zeit haben wir einige Sicherheit, dass gleichzeitige geschichtliche 
aufzeichnungen vorhanden waren und den späteren historikern 
vorlagen. Der gallische brand ist das wichtige kriterium für 
die quellenfrage und ermöglicht uns einen einblick in die glaub- 
würdigkeit sowol der älteren als folgenden traditionellen ge- 
schichtsdarstellung zu tun, einen einblick, der in eine trostlose 
leere fällt. Allein für den bearbeiter der folgenden zeit ist es 
ein befriedigendes gefühl zu wissen, dass nunmehr keine fernere 
Zerstörung der vorhandenen historischen denkmäler stattgefun- 
den hat, dass also, was immer geschrieben und gearbeitet 
wurde, in die bände der späteren bearbeiter hat gelangen und 
von ihnen verwertet werden können. 

Ist aber auf diese weise die zeit nach der gallischen ka- 
tastrophe voll wissenschaftlichen Interesses, so nimmt die poli- 
tische entwickelung derselben wahrlich kein geringeres interesse 
in anspruch. Es ist die zeit des gewaltigen endkampfes um 
das statsruder zwischen den beiden römischen ständen. Und 
unmittelbar nach der entscheidung darüber taucht die neue 
Ständebildung auf, die nun auf rein socialem unterschied auf- 



Vorrede. x i 

gebaut allmählich den alten kämpf in verschärfter weise her- 
vorruft und die republikanische zeit bis zu ihrem grabe be- 
gleitet. Für unsere zeit hat gerade diese epoche die schwer- 
wiegendste bedeutung, da wir vielfach schritt für schritt unsere 
modernen kämpfe darin verfolgen, schritt für schritt unsere so- 
cialen Verhältnisse und schaden antreffen und überall den hoch- 
gehobenen finger der mahnung und warnung erkennen können. 

Der erste band schhesst sich unmittelbar da an Schwegler 
an, wo dieser seine arbeit eingestellt hat. Und zwar fällt die- 
ser Zeitpunkt für die äussere und innere geschichte zusammen 
mit dem abzug der Gallier von Rom nach dessen Verwüstung, 
der rückkehr der Römer in die stadt und deren Wiederaufbau. 

Vor die eigentliche geschichtsdarstellung aber hat der Vf. ein 
buch gestellt, welches eingehend die für den gegebenen Zeitraum 
vorliegenden quellen und ihren Zusammenhang beleuchtet. Da- 
mit verbunden wird eine Übersicht über die seit Schweglers tod 
neuerschienenen werke über römische geschichte und statsver- 
fassung gegeben. 

Das 2te buch behandelt dann in eingehender weise die 
kriege Roms, welche zwischen dem gallischen brande und dem 
Udnischen verfassungs-conflict statt hatten,. nachdem zu anfang 
ein bild über die damalige poHtische läge Roms entworfen wor- 
den ist. Zum schluss wird auch die innere statsgeschichte be- 
sonders in ihrer vorbereitenden bedeutung für die licinischen 
gesetze dargestellt. 

Das 3te buch schhesst sich unmittelbar hier an, indem es 
den Ucinischen gesetzes-conflict aufs genaueste nach den quellen 
prüft und die beantwortung aller dahinein gehörigen fragen un- 
ternimmt. 

Das 4te buch beschäftigt sich mit den Heinischen gesetzen 
selbst indem es ihre motive, ihren inhalt und ihre tragweite 
klarstellt. 

Das 5te buch hat es mit den aus dem gesetzes-conflict 
entsprungenen folgen für die statsregierung zu tun ; der gegen- 
ständ der Untersuchung sind die neuen curulischen ämter: die 
praetur und die curuüsche aedihtät. 

Das 6te buch schreitet in der äusseren geschichte fort, in- 
dem es sich an die licinische gesetzgebung anlehnend die in 
der folgezeit bis zu dem ersten Samniterkriege von der tradi- 



XII Vorrede. 

tion berichteten kriege kritisch beleuchtet und auf ihren histo- 
rischen wert zurückführt. 

Das 7te buch endlich behandelt alle in das innere stats- 
leben der genannten epoche von den licinischen gesetzen bis zu 
den Samniterkriegen einschlagenden momente und den ent- 
wickelungsgang den das römische volk in statlicher und cultur- 
richtung genommen hat. 

Das streben des Vf., mit möglichster gründlichkeit zu ar- 
beiten ohne jedoch dadurch dem einheitlichen Charakter des 
gesammtwerkes zu nahe zu treten, hat zur notwendigen folge 
gehabt, dass die schrift gleichsam aus einer fortlaufenden reihe 
von monographien besteht, welche letztere aber in innerstem 
Zusammenhang zu einander stehend den entwicklungsgang der 
geschichte in der darstellung durchaus nicht stören, sondern nur 
auf der bahn eines gleichmässigen fortschritts erhalten. 

Um zugleich die Übersicht des in den einzelnen bücherh 
behandelten stöffes und der resultate zu erleichtern, ist jedes- 
mal an's ende der historischen bücher ein resume gesetzt wor- 
den, während bei den systematischen büchern (1, 4, 5) ein sol- 
ches nicht angebracht war. 

Es ist dies freilich eine abweichung von der ursprünglichen 
gestalt des Schwegler'schen Werkes; allein solcher abweichun- 
gen hat Vf. sich gezwungen gesehen mehrere zu adoptiren. 
Dazu gehört die einteilung der bücher in eine gruppe von ca- 
piteln, in denen der stoff nach seinen verschiedenen gattungen 
kritisch gesichtet wird. Es war eben bei einer historisch so 
unsicheren zeit unmöglich, auf chronologischem wege und er- 
zählend fortzuschreiten; es wird zur unbedingten notwendigkeit, 
gruppenweise innerhalb eines kurzen Zeitraums die tradition zu 
prüfen. Nur so vermag man, jeden bericht und jede tatsache 
zu behandeln und zu berichtigen. Dabei hat Vf. denn auch z. b. 
im 2. und 6. buche die Verhältnisse Eoms zu seinen nachbam 
einzeln untersucht; das resume ini jedesmaligen endcapitel muss 
eine ergänzung zu der anatomischen section in den vorher- 
gehenden abschnitten bilden. Ebenso gilt dies von dem 3. und 
7. buche.« Die einzelnen momente der inneren geschichte und 
poHtik bedurften einer sehr eingehenden beleuchtimg, um klar 
gelegt zu werden. 

Neben dieser capitel-einteilung und der gegenüberstellung 



Vorrede. xiii 

einer analytischen und synthetischen behandlung ist als fernere 
abweichung von der gestalt des Schwegler'schen Werkes die 
paragraphen-einteilung zu nennen. Freilich zerfallt ja auch bei 
Schwegler das einzelne buch jedesmal in eine bestimmte anzahl 
von numern; doch sind diese in den text gesetzt, während Vf. 
vorzog, seine paragraphen-numem an den rand zu stellen, da- 
mit der text nicht gestört werde. Diese paragraphen-einteilung 
soll einem doppelten zweck dienen: 1. soll sie eine übersicht- 
liche einteilung des textes in kleinere abschnitte zum zwecke 
bequemen citirens und schnellen zurechtfindens ermöglichen — 
ein umstand, durch den Vf. selbst in der läge war, aufs ge- 
naueste die eigenen citate nach rückwärz und vorwärz zu ord- 
nen; — 2. sollen die einzelnen numern im inhaltsverzeichnis 
mit einer kurzen inhaltsangabe versehen das nachschlagen in 
ermangelung eines wort-index erleichtem. 

Die Paragraphen wie die noten sind für die einzelnen bü- 
eher durchnumerirt. ' 

Eine fernere abweichung von der Schwegler'schen fassung 
ist die, dass Vf. in einzelnen büchem (2, 6, 7 um vom 1. ab- 
zusehen) zu der Jahreszahl der stadt Eom auch die vor Chr. 
gesetzt hat. Es geschah das in den genannten büchern, weil 
innerhalb derselben ein historisch-zeitlicher fortschritt statt fand, 
und es dem Vf. dabei wichtig erschien, jedesmal mit anzu- 
deuten, dass durch das anwachsen der jähre der stadt die 
Jahreszahl vor Chr. — d. h. vor dem Wendepunkt der Welt- 
geschichte sowol im römischen statsleben durch das befestigte 
prindpat, als im gesammten völkerleben durch den ersten keim 
der neuen weltbildung — im abnehmen sei und damit eine an- 
näherung an den oben genannten Wendepunkt eintrete. In den 
systematischen büchern (3, 4, 5) kam dieser gesichtspunkt nicht 
in betracht und daher begnügte sich der V£ mit der Jahreszahl 
der Stadt. 

Freilich kann dabei die frage aufgeworfen werden, ob die 
Zählung nach Jahren der stadt oder nach Jahren vor Chr. rich- 
tiger sei. Für erstere scheint vor allem der umstand zu spre- 
chen, dass wir es eben mit der geschichte der stadt Kom zu 
tun haben. Allein die Jahreszählung ist durchaus nicht ur- 
sprünglich, sondern erst aus einer reduction der magistrats- 
jahre auf kalenderjahre mit beliebiger ausfüUung der lücken 



xiv Vorrede 

entstanden, so dass in Wahrheit die jedesmalige Jahreszahl in 
keiner weise als feststehend und genau angesehen werden kann. 
Somit möchte man sich vielleicht eher für die Zählung vor Chr. 
entscheiden. Allein hier tritt dieselbe Schwierigkeit ein. Diese 
Zählung wird erst dadurch gewonnen, dass man das jähr 1 pa- 
rallelisirt mit dem jähre 754 der stadt und nun reducirt. So 
hat denn diese Zählung in bezug auf genauigkeit keinen vorzug 
vor jener. — Doch könnte man einwenden, dass die Zählung 
vor Chr. den vorteil habe, dass dadurch ein gewisser paralle- 
lismus mit allen andren geschichten der alten weit hergestellt 
wird. Das ist unbestreitbar richtig und sehr wichtig; die ge- 
schichte der ganzen alten weit erhalt dadurch eine gewisse ein- 
heit und Zusammengehörigkeit; sie wird als ein gesammtabschnitt 
der Weltgeschichte charakterisirt. Und das ist bedeutsam, weil 
dadurch der blick unwillkürlich über das einzelgebiet hinaus- 
geleitet wird und nicht unter der einseitigkeit innerhalb be^ 
stimmter schranken leidet. Doch hat dieser parallelismus auch 
seine mängel, denn wenn die Jahresangaben vor Chr. nicht un- 
bedingt genau sind, so wird durch ein parallelisiren mit andren 
geschichten das bild der gleichzeitigkeit verschoben, manchmal 
bedenklich verschoben, da das vorher und nachher zu falschen 
Schlüssen verliteen kann. 

So sehen wir denn, dass eine wirkliche genaue Zählung nicht 
tunlich ist; und Vf. hat daher vorgezogen, in den genannten 
abschnitten beide Zählungen zu vereinigen. 

Ausser diesen formalen abweichungen von Schwegler sind 
noch tatsächliche zu besprechen. Vf. hat im ganzen noch ge- 
nauer und eingehender die einzelfacta untersucht; er hat die 
tradition nirgends als tradition stehen lassen, wie Schwegler so oft 
in der äusseren kriegsgeschichte tut, sondern hat jeden bericht 
auf seinen wahren gehalt zurückzuführen gesucht, wobei ihm 
auch nichts als zu geringfügig für eine römische geschichts- 
darstellung erschienen ist. Dadurch hat dieser band natürlich 
auch dem inhalt nach einen etwas verschiedenen Charakter be- 
kommen, als ihn die vorhergehenden Schwegler'schen bände 
tragen. Besonders macht sich das geltend in bezug auf die 
Jahres- und eponymen-, ja überhaupt die beamten-angaben. 
Schwegler hat nur hier und da rücksicht darauf genommen ; Vf. 
dagegen hielt es für seine pflicht, auch hierin möglichst kritisch 



Vorrede xv 

und genau zu sein; und es ist das durchaus nicht unwichtig 
für innere und äussere geschichte, wie dieser band beweist, 
besonders wo es gilt, eingeschobene dictaturen und die sich 
daran heftenden kriegsereignisse zu tilgen. 

Endlich ist noch die dififerenz zwischen Schwegler und dem 
Vf. in betreff des politischen gesichtspunktes zu erwähnen. V£ 
hat eingehend darüber im 3. und 4. capitel des L buches ge- 
handelt. Hier sei kurz hervorgehoben, dass Vf. nicht, wie 
Schwegler, durchaus den plebeischen Standpunkt vertritt, son- 
dern plebeier und patricier als zwei concurrirende gleichberech- 
tigte elemente ansieht, deren ringen und wettkampf zwar not- 
wendiger weise das plebeische recht fördern musste, allein zu- 
gleich als retardirendes moment gegen die plebeischen ansprüche 
dem stat einen grossen dienst leistete und zu dessen befesti- 
gung in hohem grade beitrug. Vf. sucht auf diese weise eine 
gerechtere und allseitigere anschauung der römischen standes- 
verhältnisse zu ermöglichen, als solche bisher üblich war. 

Daneben aber trennt Vf. streng den älteren kämpf der ge- 
burtsstände und den späteren der berufsstände, d. h. des amts- 
und geld-adels gegen die geringere masse. Der letztere trägt 
viel melir den Charakter des persönlichen egoismus an sich als 
der erstere, wo noch partei-massen als interessenten dastehen, 
Den Übergang des älteren kampfes zu dem jüngeren und das 
Wesen des letzteren hat Vf. in einem besonderen abschnitt 
(buch 7. cap. IV.) behandelt. 

Trotz dieser verschiedenen abweichungen des Vfs von 
Schwegler in äusserer und innerer behandlung glaubt ersterer 
doch mit recht sein werk eine fortsetzung des Schwegler- 
schen nennen zu dürfen, und zwar einmal der zeit und dem 
Stoffe nach, dann aber auch insofern, als beide arbeiten eine 
streng kritische und möglichst detaillirte richtung und darstel- 
lung vertreten, wie neben ihnen kein andres werk es tut. 
Das Niebuhr'sche steht zwar dieser richtung zunächst, ja bietet 
in mancher beziehimg die grundlage für beide genannten. Den- 
noch aber ist anordnung und behandlungsweise in demselben 
eine andre. Dazu kommt, dass mit Niebuhr die kritisch-posi- 
tive historiographie Koms erst angefangen hat, seit jener zeit 
aber eine fiUle neuer resultate und correcterer gesichtspunkte 
gewonnen ist, die dem späteren geschichtsschr eiber zu gute 



XVI Vorrede. 

kommen und völlige beriicksichtigung verlangen. So nimmt 
denn Schweglers werk mit der fortsetzung des Vfs allen übri- 
gen modernen behandlungen der römischen geschichte gegen- 
über eine eigentümliche und selbständige Stellung ein. 

Wie notwendig aber gerade diese richtung für die klärung 
und richtige beurteilung der römischen geschichte ist, hat man 
aus dem Schwegler'schen werke genugsam erkannt und wird, 
wie Vf. hofft, aus vorliegender fortsetzung nicht weniger er- 
sichtlich sein. 

Mit welchen Schwierigkeiten dabei der Vf. zu kämpfen hatte, 
bemerkt man besonders in den abschnitten über die äussere ge- 
schichte. Hierfür lagen so gut wie keine vorarbeiten vor ; Nie- 
buhr zwar hatte sich hier und da über die echtheit der tra- 
dition und die historische glaubwürdigkeit der ereignisse aus- 
gesprochen, allein nirgends eine wirklich kritische einzel-unter- 
suchung darüber angestellt. So hatte der Vf. denn das ganz 
rohe.material zu bearbeiten, hatte erdichtung und Wahrheit zu 
scheiden und so ein neues historisches bild zu entwerfen. Wenn 
er hier und da zu viel oder zu wenig in dieser beziehung ge- 
tan haben sollte, so wird das wissenschaftliche publicum ihm 
dieses freundlichst zu gute halten; denn der erste weg durch 
den Urwald ist immer am schwersten herzustellen. 

Rostock, October 1873. 



Octavius Clason. 



INHALTSVERZEICHNIS 

des vierten [ersten] bandes, 



Erstes buclx. 

Antike und moderne historiographie über die zeit des stände- 

kampfes. S 1—36. 

Cap. r. Die erhaltenen quellen. S. 1—10. 

§§ 1. Plan der gestellten aufgäbe. •— 2. K. W. Nitzschs arbeiten. — 
3. Nitzschs resultate. — 4. LWins betreffend. — 5. Dionys betreffend. — 
6. Die quellen-autoren selbst. — 7. Quellen-analyse der folgenden abschnitte. 
Liyius und Licinius Macer. — 8. Das fehlen der cognomina. — 9. Licini- 
sche indicien. — 10. Die rede des Ap. Claudius Grassus bei Livius. -— 
11- Sie ist licinischen Ursprungs. — 12. Plutarch und Dionys. — 13. Fernere 
abhängigkeit Plutarchs von Dionys. — 14. Verschiedenheit des plutarchi- 
schen und livianischen berichts. — 15. Gassius Dio-Zonaras und Dionys- 
Plutarch. — 16. Die quflUen Gassius Dios. — 17. Die quellen zu Livius 7. 
1—28. sind der plebs günstig. — 18. Licinius Macer der quellen-autor. 

Cap. IL Die Urquellen zur romischen geschichte. S. 11—18. 

§§ 19. Bisherige ansieht darüber. — 20. K. W. Nitzsch darüber. -^ 
21. Gegen ein hohes alter der pontifical-annalen. — 22. Alter derselben. — 
23. Die pontifices treten in den ältesten aufzeichnungen gegen die Orakel- 
bewahrer zurück. — 24. Die deductionen Nitzschs sind gut zu heissen. — 
25. Nitzsch gegen frühe privat-aufzeichnungen. •— 26. Die fernere aufgäbe 
Nitzschs« — 27. Die annalistischen reste bei Livius nach Fabius Pictor. — 
28. Der priesterliche und hellenistische Charakter der urqueUe. — 29. Ein- 
heitlichkeit derselben. — 30. Ausgangspunkt derselben. — 31. Aedilicische 
indicien. — 32. Die urquelle besteht aus aedilicischen annalen des Ceres- 
tempels. •— 33. Fernere beweisponkte. — 34. Der anstoss zur annalistik 
von den Graeco-Italikem gegeben. — 35. Anerkennung der beweisführung 
Nitzschs. — 36. Dissens von Nitzsch. — 37. Diodor und Cn. Flavius. — 
38. Letzterer ist nicht quelle des ersteren. — 39. Die quelle Diodors. — 

40. Das alter der aedilicischen urchronik und der gallische brand. -— 

41. Die echtheit der vor den brand fallenden abschnitte ist zweifelhaft. 



xviii InhaltsTerzeidmis. 

Cap. III. Zur modernen historiographie. S. 18—26. 

§§ 42. Nachtrag zu Schwegler. — 43. Schweglexs römische geschichte. 

— 44. Zwei aussteUungen an Schweglers werk. — 45 Die moderne quelien- 
kritik. — 46. Wichtigkeit derselben. — 47. Th. Mommsens römische ge- 
schichte. — 48. Th. Mommsens römische Forschungen. — 49. Ampere. — 
50. Die mängel seines werke. — 51. Unrichtige anschauongen Über die 
quellenfrage. — 52. Einteilung des werkes. — 63. W. Ihne. — 64. Mängel 
seines Werkes. — 55. Politische darstellungen. — 56 L. Lange. — 57. Sein 
verdienst. -- 58. Seine methode. — 59. Politisch- wissenschaftliche Schriften. 

— 60. Th. Mommsens römisches statsrecht. — 61. Th. Mommsens chrono- 
logische arbeiten. — 62. Topographische werke. — 63. Meine kritischen 
erörterungen. 

Gap. lY. Beurteilung des Ständekampfes. S. 26—35. 

4 

§§ 64. Schwegler darüber. — 65. Normirung des standesverhältnisses. 

— 66. Meine differenz von der üblichen ansieht. — 67. Eecht und tatsache. 

— 68. Benachteiligung der patricier. — 69. Das formelle recht. — 70. C. 
F. L. Schultz und seine gegner. — 71. Schultz' ansichten. — 72. Das recht 
des krieges. — 73. Die spätere nobilität. — 74. Differenz von Schultz. — 
75. Die patricische rechts-continuität. — 76. Der monarchische geschlechter- 
stat. — 77. Die tyrannis. — 78. Bruch des göttlichen rechts durch die pa- 
tricier. - 79. Consequenzen für die plebs. — 80. Verhältnis der beiden 
rechtsüberschreitungen. — 81. Der plebeische Standpunkt. — 82. Offener 
krieg zwischen den ständen. — 83. Das verfahren der plebs. — 84. Meine 
Stellung zur frage. — 85. Verdienst der plebs im kämpf. — 86. Kesultat 

— 87. Der politische parteikampf und die göttliche weltregierung. 



Zweites buch. 

Aeussere und innere geschichte von dem gallischen hrande his 

zum licinischen gesetzes-eonfliet. S. 36*-li0. 

Gap. I. Politische und militärisohe läge Borns und seiner nach- 

bam zur zeit des gallischen brandes. S. 36—57. 

§§.1. Der einfall der Gallier. — 2. Die ausdehnung der gallischen 
inyasion auf die nachbarvölker. — 3. Politische folgen der Invasion. — 
4. Das Verhältnis der Latiner und Hemiker zu Rom. — 5. Die daraus fol- 
genden gefahren für Rom. — 6. Die statsmittel Roms. — 7. Das römische 
gebiet. — 8. Die feldmark von Gorioli. — 9. Fidenae. — 10. Labici, >- 
11. Bolae. — 12. Vitellia. — 13. Yeii. .— 14. Das ehemalige gebiet von 
Veii. — 15. Gapena und Falerii. — 16. Sutrium und Nepete. — 17. Ist 
Sutrium römische colonie geworden? — 18. Sutrium und Nepete sind lati- 
nische colonien. — 19. Livius und Yelleius sind falsch berichtet — 20. Ent- 
stehung des Irrtums. -- 21. Wann wurden Satrium und Nepete latinische 
colonien? — 22. Gleich nach dem Yeg enterkrieg, -- 23. Erklärung der be- 



Inhaltsverzeichnis. Xix 

Zeichnung als colonien. — 24. Die grenzen des römischen gebiets. — 
25. Die flächenansdehnung desselben. — 26. Die bundesunterstützung der 
Latiner und Hemiker. — 27. Die römische armee. — 28. Die legions- 
stärke. — 29- Die iuniores und seniores. — 30. Die feld- und reserve-arme 
bei grfindung der centurien-ordnung. — 31. Verhältnis der truppenzahl zur 
gesammtbevölkerung. — 32. Die census-angaben bei Livius. — 33. Anwach- 
sen der bürgerschaft. — 34 Die römische Armee in der Aliaschlacht. — 
35. Vergleich der verschiedenen angaben darüber. — 36. Die bundesgenossen 
nach Poljbius. — 37 Bückschluss auf die gesammtbürgerschaft. — 38. Der 
census bei Plinius. — 39. Eriegsmannschafts- und bevölkerungs-zahlen der 
folgezeit. — 40. Resultate der Untersuchungen über bevölkerungs- und ge- 
biets-ausdehnung. 

Cap. II. Die Volskerkriege in den jähren -^ — 4^. S. ö7— 77. 

oOo Ol I 

§§. 41. Die kriege Eoms nach dem gallischen brande. — 42. Bedeutung 
des brandes für die historiographie. — 43. Die historiographie gewinnt nicht an 
Sicherheit. — 44 Der grund davon. — 45. Die ehemaligen volskischen grenzen. 

— 46. Charakter der kriegsberichte. — 47. Der politische zustand der nach- 
barvölker. — 48. Die zahl her Volskerkriege nach den quellen. — 49. Die drei 
letzten kriege. — 50 Widerspruch der quellen über die kriege. — 51. Schwache 
glaub Würdigkeit der späteren kriege. — 62. Das Verhältnis der Latiner zu 

, den Volskerkriegen — 63. Falsche beurteilung jener von selten der quellen. 

— 54. Die angebliche colonie Satricum. — 55. Die einäscherung Satricums 
im letzten krieg ist unhistorisch.— 56. Satricum blieb volskisch. — 57. ün- 
wahrscheinlichkeit der sich um Satricum drehenden kämpfe. — 58. Weitere 
gründe dafür. — 59. Der streit zwischen Lanuvium und Rom. — 60. Die 
Volskerkriege unter Camillus. — 61. Der Volskerkrieg des Jahres -r^r« 

— 62. Der triumph des Cossus. — 63. Der krieg ist zweifelhaft. ~ 64. Fer- 
nere gründe dafür, — 65. Die beiden vorletzten kriege. — 66. Der letzte 
krieg. — 67. Nur der erste krieg ist historisch — 68. Diodor und Livius 
über das ende des ersten krieges. — 69. Ihr bericht schlie.sst alle folgenden 
kriege aus. — 70. Die verschiedenen berichte Über den ersten krieg — 
71 Der livianische bericht. — 72. Der bericht Diodors. — 73. Der bericht 
Plutarchs. — 74. Sichtung der glaubwürdigen tatsachen — 75. Folgen des 
krieges. — 76. Der 70jährigo Volskerkrieg. — 77. Niebuhr dagegen. — 
78, Widerlegung Niebuhrs. — 79. Die kriege vor -^q* ~^ ®^ Unglaub- 

würdigkeit der Volkskerkriege vor -|^ und nach -^. — 81. Die fol- 
gen des krieges für die Römer. - 82. Erwerbung des ager Pomptinus und 
gebietsvergrösserung. — 83. Die colonisirung von Setia — 84. Diodor und 
die römische colonie auf Sardinien. 

Cap. III. Die Aequerkriege. S. 77—85. 

§§ 85. Die früheren bewegungen der Aequer. — 86. Schwächezustand 
der Aequer. — 87. Ausdehnung des Aequergebiets. — 88. Praeneste und 
Tibur. — 89. Die Praenestinerkriege sind Aequerkriege. — 90. Folgen 



XX InhaltSTerzeichnis. 

äarans fOr die aeqaische macht. — 91. Praeneste und seine abhängigen 
stfidte. •— 92. Bündnis der Aequer und Volsker. - 93. Der erste Aequer- 
krieg. — 94. Glaubwürdigkeit desselben, — 95. Der traditionelle sieg der 

372 

Römer über Praenestiner und Veliterner im jähre -gg^. — 96. Die teil- 
nähme Praenestes an der eroberung Satricums fallt fort — 97. Der krieg 
des js^ures -^q-- — 98. Der livianische bericht. — 99. Das weihgeschenk 
des Cincinnatus. — 100. Glaubwürdigkeit des kriegsberichts. — 101. Der 
frieden mit Praeneste. — 102. Die dauer des krieges. — 103. Erneuter ab- 
fall der Praenestiner. - 104 Resultat der Aequerkriege. 

Gap. IT. Die beziehungen der Iiatiner und Herniker 

zu Rom. S. 85—90. 

§§ 105. Das verhalten der Latiner und Herniker zu Rom ist von den 
quellen entstellt. — 106. Unterstützung der Romer durch die Latiner. — 
107. Tusculum erhält das römische bürgerrecht. — 108. Welches bürger- 
recht? — 109. Das volle bürgerrecht mit communaler Selbständigkeit. — 
110. Motive dazu. — 111, Gemeinschaft der Interessen Roms und Tusculums 

377 

gegenüber Praeneste. — 112. Der Überfall Tusculums im jähre -^^. — 
113. Die Urheber desselben. — 114. Unsicherheit der tatsache. — 115. Das 
fernere Verhältnis der Latiner und Herniker zu Rom. — 116. Wiederher- 
stellung des bündnissea. 

Gap. V. Die Btruskerkriege. S. 91—99. 

§§ 117. Der Etruskerkrieg von -^ nach Livius. — 118. Wieder- 
holung desselben drei jähre später. — 119. Die moderne historiographie 
darüber. — 120. Welcher der beiden kriege ist echt? — 121. IMe vierte 
dietatur des Gamillus. — ^ 122. Der zweite krieg ist gefälscht. — 123. In 
folge dessen auch der kämpf um Nepete. — 124 Der echte erste krieg. — 
125. Die folgen desselben. — 126. Der krieg gegen Tarquinii. — 127. Der 
triumph des Gamilius. — 128. Die dictaturen des Camillus. — 129. Her- 
stellung administrativer Ordnung im etruskischen gebiet Roms. — 130. Die 
neubürger aus Veii, Capena und Falerii. — 131. Die vier neuen tribus. — 
132. Geographische läge derselben. — 133 Die bewohiierschaft derselben. 

— 134. Dei* modus der neuordnung — 135. Censoren. — 136. Census. — 
137. Die tradition weiss von keinem census. — 138 Der census des Jahres 
-—-. — 139. Der census des Jahres -^y-. 

t t * 

C«tt>. VI. Zur iiuierß^ gesehichte vom gallischen brande bia zu 

dem licinisqhen gesetzes-eonfliet. S. 99—105. 

§§ 140. Die innere gesehichte als Vorgeschichte zum licinischen con- 
flict. — 141. M. Manlius Capitolinus nach Niebuhr, Schwegler und Ihne. 

— 142 Mein abweiöhender Standpunkt und. Mommsens Untersuchungen. — 
143. Mommsens kritik der Vorgeschichte. — 144. Die processgeschichte. — 
145. Motive. - 146. Consequenzen daraus ftlr die Verschuldung der plebs. 



InhaltsverEeicbnis. xxi 

— 147. Fernere berichte über die schnldeunot. — 148. Die eensiir von 

374 S7ft STB 

-gg^. — 149. Die censur von -^^r-. — 150. Die censur von -g^g-. — 151. 
Wertlosigkeit der berichte. — 152. Vorhandensein einer schuldennot. — 
153. Geringere ausdehnung derselben — 154. Vergrösserung derselben in 
den annalen. — 155. Gleichgültigkeit der plebs gegen die bestrebungen 
ihrer vornehmen standesgenossen. 

Gap. VII. Resume der ereignisse von dem gallischen brande bis 

zu dem licinischen gesetzes-conflict. S. 105—110. 

§§ 156. Rom nnd die bandesgenossen nach dem abzuge der Gallier. 

— 157. Der Volskerkrieg. — 158. Der erste Aequerkrieg. — 159. Der 
Etruskerkrieg. — 160. Administrative Ordnung in den neuen districten. — 
161. Die rebellion des M. Manlius« — 162. Der eintritt Tusculums in das 
römische bürgerrecht. — 163. Der zweite Aequer- oder Praenestiner-krieg. 

— 164. Der problematische überiall Tusculums. — 165. Die censoren von 

VIA 3TÄ * 

. — 166. Oekonomische und politische läge der plebs. — 



380 378 

167. Die äussere politische läge Roms. — 168. Roms gebiets- und bevöl- 
kerungs-zuw achs. 

Drittes buch. 

Der liciniseh-sextische Yerfassungs-coniliet. S. 111—185. 

Cap. I. Die tradition. S. 111— 115. 

§ 1. Die traditionelle erzählung des Livius. 

Cap. II. Chronologie des liclnisch-seztiachen con^cts. S. 115—1291 

§§2. Die quellenberichte, — 3. Chronologische fäisckang. — 4. Zah- 
der eingeschobenen jähre. -— 5. Livius und der amtsantritt der voUurtribu- 
nen. — 6. Cassio^or. — 7. Verschiedene anordnung der jähre. -* 8. ün 
kritik der römischen historiker. — 9. Resultat. 

Cap. nr. Einzelne umstände. S. 130—177. 

§§ 10. Die einleitende sage. — U Entstehung derselben. — 12. Wert 
der sage, — 13. Die Licinier. — 14. Verwandtschaft zwischen denLici- 
niern. — 15. Der magister equitum C. Licinius. — ,16. Das cognomen 
jf>Caluus«. — 17. Der volkstribun L. Licinius Stolo, -— 18. Verwandtschaft 
der Licinier mit andren geschlechtem. — 19. Die Sextier. . — 20. Die pa- 
tricischen Sestier. — 21. Die intercession. — 22. Die erstmalige dictatür 
des Camillus. — 23. Geschichte derselben. — 24. Livius' bericht darüber. 
— 25. Plutarchs bericht. — 26. Die berichte Über die opposfdön der volks- 
tribunen. — 27. ünverantwortlichkeit des dictatoris. Camillus und die ve- 
jentische beute. — 28. Entstehung dor.sa^e. Erster ausgangspunkt. — 
29. ^weiter ausgangspunkt — 30. Die anklage gegen den exdictator Man- 
lius. — 31. Die drohung der volkstribunei^ mit einer mult-anklage. — 32. 
Die Ursache der abdankung des Camillus. — 33. P., Manliiw dictator. — 
34. Motive zur emennong desselben.. — 35. ParteipoUtik. — 36. Die po- 



XXII Inhaltsverzeichnis. 

litik des Mantius. — 37. Die letzte dictatur des Camillas. - 38. Antritts» 
zeit der dictatur. — 39. Das plebiscit aber die rogationen. — 40. Die zeit 
der consulwahl und die daner der dictatur des Gamillns. — 41. Der 
magister equitum des Gamillns. — 42. Die eponymen der conflictsjahre, — 
43. Der Velitemerkrieg. — 44. Die colonie Velitrae. — 45. Der Velitemer- 
krieg ist erfindung. — 46. Der gallische krieg. — 47. Der tempel der 
Concordia. 

Cap. lY. HistorisclieB resume und beurteilung 

der tatsachen. S. 177—185. 

§§. 48. Besume der tatsachen. -* 49. Beurteilung der ereignisse. 

Viertes buch. 

Die gesetze des Licinius und Sextius. S. 186—228. 
• § 1. Die drei licinisch-sextischen gesetze. 

Gap. I. Bas sohuldengesetz. S. 186—196. 

§§ 2. Die traditionellen motive dazu. — 3. Ursache der Verschuldung 
der plebs. — 4. Ihnes ansieht darüber. — 5. Gharakter des gesetzes. — 
6. Rechtfertigung desselben. — 7. Natur der plebeischen schulden. — 8. Der 
zinsfuss. — 9. Höhe des voruncialen zinsfnsses. •— 10. Höhe des uncialen 
zinsfusses. — 11. Geringer erfolg des Schuldengesetzes. — ■ 12. Art der 
schulden-amortisation. 

Gap. II. Bas acker-mass-gesetz. S. 196 -217. 

§§ 13. Der ager publicus. — 14. Das gesetz über den ackerbesitz. — 
16. Niebuhr darüber. — 16. Gegner Niebuhrs. — 17. Huschke darüber. — 
18. Seine gründe. — 19. Huschke über »possidere«. — 20. Huschke gegen 
eine lex agraria. — 21. Fernere ansichten über das gesetz. — 22. Gosen dar- 
über. -- 23. Widerlegung Gosens. ^ 24 Bedeutung von »possidere« bei Livius. 

— 25. Prüfung der gründe Huschkes. — 26. Livius' ansieht über das gesetz. 
27. Rechtfertigung Huschkes gegen Göttling. — 28. Sunden über das gesetz, 

— 29. Schwäche des Sunden'schcn beweises. - 30. Sunden und die älteren 
agrarischen kämpfe. — 31. Sunden und die triumvim Niebuhrs. — 32. Das 
licinische und das gracchische gesetz. — 33. Zurückweisung der Sunden- 
schwi ansieht. — 34. üebertretung des gesetzes — 35. Höhe der mult. — 
36. Die mult des Licinius, Schlüsse daraus. — 37. Mult oder Steuer? — 
38. Beschränkung der freien Verfügung über das vermögen. — 39. Folgen 
davon. — 40. Die gesetzgeber und das gesetz. ~ 41. Plebeische occupation 
des ager publicus. — 42. ünhaltbarkeit der ferneren Positionen Niebuhrs. 

— 43. Inhalt des gesetzes. 

Gap. III. Das gesetz über den plebeischen eonsul. S. 218—224* 

§§44. Das gesetz über den plebeischen eonsul. — 45. Inhalt des ge- 
setzes. — 46. Der consular-tribunat und der consulat der plebeier. — 
47. Bedeutung des gesetzes. — 48. Dies gesetz ist der kern der licinischen 




Inhaltsyerzeichnis. xxiii 

gesetzgeboBg. — 49. Rechtsfrage der neuordnung. — 60. Der patricische 
Standpunkt. — 51. Der plebeische standpuakt. — 52. Abwägen des Stand- 
punkts beider parteien. -- 53. Gültigkeit des plebiscits über die rogation. 
— 54. Name des gesetzes. 

Cap. lY. Bas gesetz über die deeemuiri saerorum. S. 224-228. 

§§ 55. Die zeit ihrer emennung. — 56. Motiv der tribunicischen ro- 
gation darüber. — 67. Zeit der Promulgation der rogation. — 58. Inhalt 
des gesetzes über die decemvim. — 69. Emennongsmodus derselben. 

Fünftes buch. 

Die folgen der licinischen gesetzgebung: praetur und 

curulische äedilität. S. 229—264. 

Cap. I. Die praetur. S. 229-245. 

§§ 1. Die praetur. — 2. Motive zur creirung derselben. — 3. Notwen- 
digkeit einer' grösseren beamtenzahl. — 4. Entwickelung des imperiums. — 
5. Verhältnis der consuhi und praetoren zu einander. — 6. CoUegialität 
und nnterordnung. — 7. Gegenseitige beschränkung. — 8. Praecisirung 
des Verhältnisses. -- 9. Praetur und stadtpraefectur. — 10. Amtsgebiet des 
praetors. — 11. Das praetorische edict. — 12. Inhalt des edicts. — 13. Ent- 
wickelang des edicts. — 14. Die lex Aebutia und der formnlarprocess. — 
15. Die legis actioncs und der formnlarprocess. — 16. Do, dico, addico. — 
17. Die freiwillige und streitige gerichtsbarkeit. — 18. Gerichtsort. — 
19. Gerichtstage. — 20. Umfang des praetorischen rechtsgebiets. — 21. Prae- 
torische insignien. — 22. Lictoren. — 23. Termin des amtsantritts. — 
24. Consulare als praetoren. 

Cap. IL Die curaliBche äedilität. S. 245—264. 

§§ 26. Die curulische äedilität. — 26. Niebuhr gegen Livius. — 27. Die 
ludi maximi des Livius. — 28. Mommsen darüber. — 29. Keine jährlichen 
spiele nach Livius. — 30. Entwickelung der plebeischen äedilität. — 31. Die 
plebeische äedilität zur zeit der licinischen gesetzgebung. — 32. Motive zur 
erriehtung der curul-aedilität. — 33. Sie lag im plane der patricier. — 
34. Der vierte feiertag der ludi. — 35. Die Weigerung der plebeischen 
aedilen. — 36. Das gesetz aber die curul-aedilen. — 37. Die reihenfolge 
der erforderlichen politischen acte. — 38. Stand der curul-aedilen. — 39« 
Die festsetzung des jährlichen Standeswechsels. — 40. Die wahl-comitien der 
aedilen. — 41. Der antritts-termin der aedilen. — 42. Amtsgebie t der curul- 
aedOen. — 48. Niebuhr darüber. — 44. Widerlegung Niebuhrs. — 45. Ver- 
hältnis der beiden aedilitäten zu einander. — 46. Dasselbe mit bezug auf 
die allgemeinen magistratsbefiignisse. Darüber Lange. — 47. Die Juris- 
diction der curul-aedilen in handelsprocessen. — 48. Prensio, uocatio und 
unanklagbarkeit. — 49. Gemeinsames amtsgebiet beider aedilitäten. — 50. 
Unterschied zwischen beiden. — 51. Schlussbemerkung. 



XXIV Inhaltsverzeichnis. 



Sechstes buch. 

Die äussere geschichte Roms tob dem ersten plebeischen eon- 

388 41 1 

sulat bis zu den 8amniterkriegen. -gg^-— g^g . S. 265—339. 

Cap. I. Die aallierkriege. S. 265-272. 

887 

§§ 1. Die traditionellen Gallierkriege. — 2. Derjenige von -jt^-. — 

S93 

3. Derjenige von -— -. Der dictator. — 4. T. Manlius Torquatus. — 5. Der 
bericht des Polybius. — 6. Charakter des liviauischen berichts. — 7. Die 
Wahrheit der tatsachen. - 8. Der traditionelle krieg von — 9. üeber 



860 
Jt96 

"368 



seine glaubwürdigkeit. — 10. Der traditionelle krieg von -ggg-. — 11. Der- 
jenige von -^^. — 12. Derjenige von -g^g-. — 13. Kritik der drei letzt- 
genannten. — 14. Resultat. — 15 Niebuhrs abweichendes urteil. 

Cap. II. Die kriege mit den Aequeru von Tibur und 

Praeneste. S. 273—277. 

§§ 16. Lage der Aequer. — 17. Tibur. — 18. Die traditionellen Ti- 
burterkriege. — 19. Das unhistorische derselben und ihr historischer kern. 

— 20. Der wahre hergang. — 21. Der friedensschluss. — 22. Das neue 
Verhältnis Tiburs und Praenestes zu Latium. — 23. Die folgen für den la- 
tinischen bund und die Aequer. 

Cap. III. Bas Verhältnis Borns zu den Hernikern lind 

Latinern. S. 278-286. 

§§ 24. Die Latiner und Herniker vor der licinischen gesetzgebung. — 

392 

25. Die traditionellen Hemikerkriege. — 26. Derjenige von -ggg-« — 27. Kri- 
tik desselben. — 28. Fortsetzung der kriegsberichte. — 29.,ünglaubwür- 
digkeit derselben. — 30. Wirkliche Sachlage, ■— 31. Dissens zwischen Li- 
vius und Polybius. ~ 32. Der abschlägige bescheid der eidgenossenschaft. 

— 33, Der Veliternereinfall. — 34. Verhältnis der bundesglieder zu ein- 
ander, — 35. Die Wiederholungen der tradition. — 36. Resume. — 37. Teil- 
nahme der verbündeten an den Aequerkriegen. 

Cap. IV. Die kriege mit den Yolskern. S. 286-300. 

§§ 38. Der Privematenkrieg. — 39. Die späteren Privernatenkriege. — 
40. Identität des zweiten und dritten. — 41. Der zweite ist erfindung. — 
42. Der erste krieg. — 43. ünwahrscheinlichkeit des berichts. — 44. Wei- 
tere kritik desselben. — 45. Die früheren Volskerkriege und Satricura. — 
46. Scheinbericht. ~ 47. Erste emeuerung der feindseligkeiten. — 48. Der 
livianische bericht. - 49. Kritik desselben. — 50. Der triumph und die 
gefangenen. — 51. Wirklicher verlauf des krieges. — 52. Teilnahme der 
Latmer am kriege. — 53. Folgen des krieges für den latinischen band. 



InhaltSTerzeichnis. xxv 

— 54. Der Aurunkerkrieg nach Livius. — ö5. Der Monetatempel. — 50. 
Das sagenhafte des berichts. — 57. Folgen daraus für den kriegsbericht. — 
58. Sachliche bedenken. — 59. Der historische kern. — 60. Die colonisirung 
Soras. — 61. Sora in späterer zeit. — 62. Zeit der colonisirung. — 63. Be- 
deutung davon für den latinischen bund. -< 64. Das Samniterbündnis und 
sein zweck. 

Cap. V. Die Etruskerkriege. S. 300-320. 

§§ 65. Die früheren Etruskerkriege. — 66. Tarquinii und das cimini- 
sche Waldgebirge. — 67. Die politischen grenzen südlich vom ciminischen 
gebirge. — 68. Die Tarquinier- und Falisker-kriege nach Livius. — 69 Kri- 
tisches resume derselben. — 70. Die kriege nach Diodor. — 71. Die allein 

896 

von Livius berichteten kriege. — 72. Der krieg von -ötö- — 73. Der 



358 



krieg von -^T^. — 74. Die kriege von -~ und — .tt-- — 75. Der krieg 



401 

-g^. — 76. Die beiden letzten kriege. — 77. Der 40jährige friede nach 

Livius. — 78. Unglaubwürdigkeit desselben. — 79. Der Zusammenhang der 
einzelnen kriege. — 80. Falerii. — 81. Caere. Seine früheren Verhältnisse. 
Diodors Chronologie. — 82. Entzweiung der Römer und Caeriten. — 83. 
Friedensbedingungen. — 84. Das municipium. — 85. Die erste gattung von 
municipes. — 86. Die zweite gattung. — 87. Die dritte gattung — 88. Re- 
sume der drei gattungen. — 89. Das municipium Caere. — 90. Zeit dieser 
neuordnung. — 91. Bedeutung der tatsache für Rom. -— 92. Motive Roms 
zu diesem verfahren. — 93. Rechte und pflichten der neubürger, tabulae 
Caeritum. 

Cap. VI. Die berührungen Borns mit Griechen und 

Karthagern. S. 320-332. 

§§ 94. Die griechischen piraten nach Livius. — 95. Woher kamen 
sie? — 96. Das karthagische bündnis und seine motive. — 97. Die ver- 
sdiiedenen karthagischen bündnisse. — 98. Die bedenken gegen das erste 
bflndnis des Polybius. — 99. Die polybiauische Urkunde widerspricht ihrem 
abfassungsdatum. — 100. ünechtheit der Urkunde überhaupt. — 101. My- 
stification des Polybius. — 102. Opposition Nissens. — 103. Die datirung 
des ersten bündnisses bei Polybius. — 104. Nissen widerlegt - 105. Das 
zweite bündnis bei Polybius. — 106. Der dritte vertrag nach Nissen. — 
107. Formelle gegengründe. — 108. Sachliche gegengründe. — 109. Wesen 

der gesandtschaft von -|^. — 110. Die Zählung der vertrage bei Livius. 

— 111. Resultat. — 112. Ein verdacht gegen den Inhalt der zweiten Ur- 
kunde bei Polybius. — 113. Inhalt des ersten Vertrages. - 114. Das Ver- 
hältnis Roms zum vertrag. 

Cap. VII. Besume der ereignisse und äusseren politlk. S. 332^-339. 

§§ llö. Die Sachlage zu anfang der periode. — 116. Der erste GaUier- 
eiafall. — 117. Der Falisker- und Etruskerkrieg. — 118. Der Aequerkrieg. 



XX Vi Inhaltsycrzeichnis. 

— 119. Die hinrichtung der 260 Tarquinier. — 120. Die bestrafung Caeres 
und die neubefestigung Roms. — 121. Das erste Samniterb&ndnis. -* 122. 
Spannung zwischen Eom und den buudesgenossen. — 123. Der zweite 
Galliereinfall. — 124. Die griechischen piraten und das erste Karthager- 
bündnis. — 125. Die Latiner und Hemiker. — 126. Der Volskerkrieg um 
Satricum und dessen colonisirung. •— 127. Der Volskerkrieg um Sora und 
dessen colonisirung. — 128. Beurteilung der kriegerischen ereignisse. — 
129. Unmittelbare und mittelbare macht-erweiterung Boms. — 130. Aus- 
dehnung des gebiets und der bevölkerung. — 131. Die art der römischen 
Politik. 

Siebentes buch. 

Innere geschickte bis zu den Samniterkriegen. S. 340—428. 



Cap. I. Die znagiBtraturen und der kämpf darum. S. 340—369. 

888 
860 



888 

§§ 1. Das jähr -rrr-. — 2. Die consuln des Jahres. — 3. Der praetor. — 



4. Die curul-aedilen. — 5. Die censoren. — 6. Die consuln von *^* 



a$5 

390 891 

7. Die consuln von -ößj-- — 8 Die consuln von -^^. — 9. Die übrigen 



364 ' ^ ^ 863 

892 
362 



892 

beamten des Jahres. — - 10. Die magistrate von . -— 11. Die magi- 

strate von -ggj-- — 12 Die magistrate von -jgö"* — 13. Die magistrate von 
-^gg- und -^g-. — 14. Die magistrate von -357-. — 15. Die magistrate 

398 

von -Tg^. ~ 16. Der erste plebeische dictator. — - 17. Die Umgehung des 
licinischen consulgesetzes. — 18. Das interregnum und die consuln von 
. — 19. Die magistrate von -ttt- und -=75-. — 20 Das interregnum 



402 

und die magistrate von -^^t^« — 21. Der dictator C. Julius. — 22. Das 



856 — ö 354 — 353 

402 
862 

Interregnum und die magistrate von -ggj-. — 23 Der erste plebeische cen- 

sor. — 24. Die lex Ouinia. Zeit derselben. — 25. Der antragsteiler. — 
26. Der Inhalt des gesetzes. — 27. Welche ämter kommen in betracht? 
Das plebiscitum Atinium. — 28.. Keine altersbeschränkungen. — 29. Die 

magistrate von -r^. — 30. Die magistrate von — g-. — 31. Die magistrate 
von -~. - 32. Die magistrate von -^, -^ und -^ . « 33. Die ma- 

... 410 , 411 

gistrate von -3^ und -^55-. 

Gap. II. Die finanzverhältnisse. S. 369 -377. 

§§ 34. Recapitulation. — 35. Das plebiscit über den uncialzinsfuss. — 
36. Tragweite des gesetzes und wucherstrafen. — 37. Die öffentliche schul- 

402 

dentilgung des Jahres -rrr-. — 38. Das verfahren der fünf-männer. — 39. 

36« 



InhahsTenseiclmis. xxTii 

Die statsfinanzen. — 40. Die private not. — 41. Die censnr des C. MarcioB. 

407 

347 



42. Die schnldentilgimg yon -^t,-. — 43. Der semuncialzinsfuss. 



Gap. IIL Foliseiliohe maBBregeln und einzelgeeetBe. S. 378«- 391. 

§§ 44. Strafmassnahmen gegen gesetzes-abertretung. — 45. Das ver- 
gelien des C. Lictnins Stolo. — 46. C. Peters ansieht widerlegt. — 47. We- 
sen nnd form der bestrafung. ^ 48. Moral des Vergehens. >- 49. Bestra- 
fiing des Wuchers. — 50. Die lex Poetelia de ambitu. — 51. Das verfahren 
bei der amtsbewerbung. — 52. Das verfahren am Wahltage. — 53. Die pro- 
fessio beim magistrat. — 54. Inhalt der lex Poetelia. — 55. Politische mo- 
tive. — 56. Art der beschlussfassung des gesetzes. — 57. Die lex Manila 
de uicesima manumissionum. — 58. Motiv dazu. — 59 Financielle bedeu- 
tong. — 60. Art der beschlass&ssung. — 61. Motive dazu. ~ 62. Die lex 
de non seuocando populo. — 63. Motive dazu. — 64. Verhältnis der ge- 
setze zu der neuen Standesbildung. — 65. Die lex de sex tribunis a populo 
creandis. Die Proletarier in der armee. — 66. Art der beschlussfassung. 
Lange und die lex curiata de imperio. — 67. Stellung der parteien zum 
gesetz. — 66. Beschlussfassung und wähl in tribut-comitien. 

Gap. IV. Neue stände- und parteibildungen. S. 391—413. 

§§ 69. Lage der standesverhältnisse. — 70. Der ältere standeskampi 

— 71. Dessen erste periode. — 72. Dessen zweite periode. — 73. Die letzte 
zeit derselben. - 74. Zersetzung innerhalb der plebs. — 75. Die vorneh- 
men plebeier. — 76. Ihr Verhältnis zur unbemittelten klasse. — 77. Bil- 
dung des neuen patricisch-plebeischen adels. - 78. Entwickelung der neu- 
bildung. — 79. Verhalten der patricier im entscheidungskampf. — 80. Die 
verschiedenen resultate des Ständekampfs. — 81. Die plebeischen nobiles. 
-* 82. Umstände und politik der gesammt-nobilität. — 83. Das ins imagi- 
num. — 84. Der neue adel und die mittelklasse. — 85. Der neue adel und 
der Proletariat. — 86. Die gesetzgebung zu gunsten der unteren volks- 
klasse und deren bedenkliche selten. — 87. Die anfange des späteren ritter- 
standes. — 88. Modificationen der magistraturen. — 89. Die dictatur bleibt 
uneingeschränkt. — 90. Der adel und die Volksversammlungen. —91. Die 
veränderte Stellung des volkstribunats. — 92. Sein Verhältnis zum neuen 
adel. •— 93. Der senat im neuen statsleben. — 94. Der senat und der volks- 
tribunat als controle-organ. — 95. Der volkstribunat als vermittlungs-organ. 

— 96. Der senat während des Ständekampfs. — 97. Der senat in der Über- 
gangsperiode zur nobilitäts-herrschaft. — 98. Der senat und die nobilität. 

— 99. Der senat und die auswärtigen angelegenheiten. — 100. Der senat 
und die oberbeamten. — 101. Die censur. — 102. Resume. 

Cap. V. Die neuen tribus und sacrale angelegenheiten. S. 413—424. 

§§ 103. Die neuen tribus von ^^ . — 104. Die tribus Pomptina. — 
105. Die tribus Publilia. — 106. Sacrale umstände. — 107. Die pest und 



XXVIII Inhaltsveneiclmis. 

der tod des .Camillns. — 108. Das dritte lectistemium. — 109« Die etraski- 
schen tänzer. — 110. Die nagelschlagang. — 111. Der lacas Cortiiis. — 

102. Die ludi uotiui von -^. — 113. Der ApoUotempeL — 114. Lectister- 

nien und supplicationeiL 

Cap. VI. Besume und Charakteristik der epoche. S. 425—428. 
§§ 115. Besume. — 116. Charakteristik. 



ERSTES BUCH. 

ÄSTIKE UND MODERNE HISTORIOGRAPHIE ÜBER DIE 

ZEIT DES STÄNDEKAMPFES. 



CAP. I. 

Die erhaltenen quellen. 

Auf die frage nach dem eigentlichen wesen der römischen i 
historischen tradition, auf die art und weise der ursprünglichsten auf- 
zeichnungen, endlich auch auf eine Charakteristik der uns erhaltenen 
quellenschriften für die periode des ständekampfe an diesem orte näher 
einzugehen ist überflüssig, da alle diese punkte schon ausreichend 
^d mit vollkommener schärfe und genauigkeit in kritischer beziehung 
von A. Schwegler^) behandelt worden sind. Etwaige zusätze und 
I^ericjitigangen in bezug auf diese fragen werden im folgenden ge- 
geben werden, z. b. in betreff der uranfänglichen annalistik, der quellen 
Diodors und an erster stelle der quellen von Dionys und Livius für 
die ton ims in vorliegendem bände behandelte epoche der äusseren 
und inneren geschichte Roms von dem gallischen brande 
au bis zum ausbruch der Samniterkriege.^) 

Eigentliche und eingehende special -Untersuchungen sowol über 2 
das quellenverhältnis des Livius zu Dionys als über diese quellen selbst 
waren in früherer zeit wenig und nicht im zusammenhange angestellt 
worden. Es ist daher ein nicht gering anzuschlagendes verdienst 
K. W. Nitzschs, dass er zuerst auf dem wege der minutiösesten 

^) Bd. I. buch 1 und 2; Bd. II. buch 19. 

^) Dass Plutarch in der hierbei in betracht kommenden biographie 
des Gamillns Dionys als quelle benutzt hat, ist von EL Peter: die quellen 
^ den römischen biographien Plutarchs, Gamilltts> nachgewiesen worden, 
Vergl. unten § 12. 



2 Antike und moderne hiatoriographie. [Bach 1. 

detailuntersuchong und vergleichung der parallelen stücke bei Livios 
and Dionys vom anÜBuig der repoblik bis zur herstellung der alten 
Verfassung nach dem decemvirat im jähre -^ ein bild von dem bei* 
derseitigen Verhältnis gegeben und einen wahrscheinlichen schluss auf 
die von ihnen benutzten quellen ermöglicht hat. Diese Untersuchun- 
gen erschienen zuerst in 3 abteilungen im rheinischen Museum 
(n. f. Bd. 23—25, 1868—1870); dann hat sie der Verfasser vereinigt 
mit weiteren ausfilhrungen und Untersuchungen über die republika- 
nische annalistik und historiographie hecaiisgegeben unter dem titel: 
die römische annnalistik von ihren ersten anfangen bis 
auf Yalerius Antias. Kritische Untersuchungen zur geschichte der 
älteren republik. BerliA 1^73. Eine entgegnung haben die firüher 
publicirten abschnitte, wie der Verfasser (p. 9) sagt, noch nicht gefun- 
den; nur einzelne umstände haben eine kurze besprechung erfidireu^), 
die jedoch den wert der ganzen Untersuchung eigentlich nicht tan- 
giren. Und in Wahrheit lässt sich schwerlich etwas gewichtiges gegen 
die resultate der detailuntersuohung einwenden; wir h^ben vielmehr 
allen grund, 4ie resultate der8eD)en gutzuheissen und anzunehmen. 
Eigentlich zwar gehört das so behandelte historisejbe gebiet nicht mehr 
in den kreis der uns angehenden zeit; allein dennoch ist es wichtig, 
in der ersten hälfte der ersten livianischen dekad^ sein Verhältnis zu 
Dionys und die beiderseitigen quellen kennen zu lernen, um daraus 
die Schlüsse von Nitzsch ftlr die zweite hälfte der dekade gerechtfertigt 
zu finden. 
3 Nitzsch präcisirt das allgemeine result^t seiner detaüuntersuchung 
folgendennassen (p. 153): »Bei Pipnys und Livius findet sich bei 
den namen sowol der consularfasten wie der sonstigen erzählun^ eine 
auffallende differenz üa gebrauch der cognomina. Sie sind auf- 
fallend häufig Dion. buch 5~^9, selten in dem entsprechenden stück 
Liv. buch 2— 3. 5; häufig dagegen liv. 3. 6 —4. 7, während sie in dem 
entsprechenden teil des Dionys buch 10 auffallend seltener und erst 
von anfang des 12. buches an wieder häufiger werden. Neben der 
erwähnung der cognomina finden sich bei beiden Verfassern immer 
angaben über den wechselnden anfang des magistratsjahres, wie sie 
da fehlen, wo die cognomina seltener. Endlich aber zeigt sich da, wo 
diese beiden arten von angaben sich finden, immer eine ierzählung. 



s) MomiBsan Hersi^ 4^ 10 Note 2; H. iPeter rell. histor* Bowi. I. 
p. CCCXI. Note 1). 



Gap. L] 0ie erhalteMB fiMÜtiL 8 

«eldbe zwei versdiiedene jedoch Ahidiehe darstelbuigen yerlmfliift ; Wo 
jm feUen, tsitt eme mt^ß ma , .eben eine yob jenen dost «nsani- 
jneBf^Agten .beiden.c 

Ansgehend dann lon dem divch BL Nissen^) festgesetzten 4 
gnmdsalz filr die litianiscke quellenbenntzung, dass LiTins zur zeit 
nur imnier einen aber abwednelad diesen oder jenen qnellenantor 
benutzt habe, erkeimt dann Nftzscfa in jener nannigfiütigkeit der dar- 
äleüimg jedesmal versdiiedene dem Liyins Tociiegende» quellen, und 
ziNir im ganzen drei: eine ältere, eine mittlere, eine jüngere. Bis 
% 21 hat Livins die ältere allein benntzt; bis 8. 5 wechselt er zwi- 
sdiCQ der älteren und mittleren ab (erstere ohne letztere mit wenig 
iMgnomln&nB und ohne jahresanfiuig); von 8. 6 an kommt* die jttngere 
qneKe in gebrauch, und nrar bis 4. 7 mit zeitweiliger ein&gung Yon 
stftefcen der älteren quelle (die jttngere quelle hat cognomina und 
Jahresanfänge). 

Bü Dionys hat Nitzsch dagegen nur zwei hauptquellen be- 5 
obachtet: die mittlere und jttngere, während jener die ältere nicht 
gel»*aucht Die jttngere quelle selbst ^ar aus der älteren und mitt- 
leren in der weise geflossra, dass beide erzäUnngen mit einander rer- 
schmolzen waren. 

6. In der älteren quelle erkennt nun Nitzsch Fabius Pictor, e 
in der mittleren Yalerius Antias, in der jfingeren Licinius 
Macer. *) 



4) KritUche Untersuchungen Ober die quellen der 4. und 6. decade des 
LiTins. 

s) Nitzsch 156 ff.; gegen die ansieht, daas Licinius aus Fabius und Ya- 
lerius contaminirt habe, spricht H Peter rell. h. R. I. p. GGCXI Note 1; 
3un erwidert Nitzsch rOm. ann. 153 Note 1; die fernere Ansicht 
Hitzschs, dass Dionys se^e langen reden und politüschen klflgeleien nicht 
selbständig erfunden, sondern seinen quellen entlehnt habe (p. 21 ff. bes. 25), 
ist von Mommsen Hermes 4. 10 Note 2 angegrifien worden, wiederam 
yerteidigt von Nitzsch röm. ann. 25 Note 1; was die copie der reden 
betriA, so lässt sidi gegen Nitzschs argamente nichts rechtes einwenden ; 
was aber die in den reden viel&ch besprochenen Verfassungsfragen betrifft, 
Yon denen Dionys ein wenn auch ganz yerschrob^es, so doch einheitliches 
bild liefert, so widerspricht der umstand einer unmittelbaren entlehnung 
derselben von seinen quellen, dass diese seine beiden quelle, Yalerius und 
Licinius, politisch heftige gegncr waren, daher beide nicht ein und 
dasselbe verschrobene ver&ssungsbild mit den gleichen politischen ge- 
eiflhitspnniHten würden gelte£ßzt hs^ben, sondern jeder ein seiner parte!- 
Stellung angemessenes. Wir müssten daher Bionys^ diese verschiedenen an- 



4 Antike «nd modama Idstoriographie. [Bach 1« 

7 Haben wir auf diese weise bis zum decemTirat einen siche- 
ren quellenboden fftr Livios nnd IMonys gewonnen, so ist es nicht 
schwer, von denselben grundsätzen ausgehend, eine quellen-analyse 
der weiteren stttcke von Livius' erster dekade, anzustellen. Dass wir 
es in diesen späteren teilen vielfiEich mit Ucinios Macer zu tun haben, 
hat Nitzsch schon aus verschiedenen indicien erkannt <); darunter sind 
einmal die fast durchgehend gebrauchten cognomina bei den eponymen 
zu nennen; ferner die hervorhebung der licinischen consular-tribunate 
und Vermehrung der träger desselben 7); endlich der ganze tenor des 
licinischen gesetzesconflicts von !!!~!!! . 

377— Wo «/up 

8 Während nun in Wahrheit die cognomma von -^ etwa an bei 
Livius wie aus der erde springen und bei weitem der grosseren zahl 
von eponymen beigefügt sind — nach d^ obigen entwickelung ein 
untrügliches zeichen der licinisdien grundlage — so tritt von dem jidu% 

871 

^^ an ein merklicher mangel derselben ein, sodass ganze eponymen- 
coUegien derselben entbehren (z. b. 375, 376, 384—87, 389), und dies 
gerade hat am meisten in den licinischen conflictejahren statt. Die 
cognomina fehlen zwar nicht ganz (371—74, 377, 388, 390 ff.), und da- 
her dürfen wir wol nicht an ein zurückgreifen des Livius auf Fabius 
Pictor denken^); allein der umstand könnte auf Yaierius Antias 
schliessen lassen. 

9 Nun aber erscheinen in der erztidung noch andere ^indiden lici- 
nischen Ursprunges: die Verschmelzung zweier nicht ganz homogaDs^ 
berichte. Einer derselben bringt die gesehichte vom lange sich hin- 
ziehenden und fruditlosai Yelitemerkrieg und b^ni^t denselben als 
auskunftsmittel, die lange Verzögerung des entgültigen tribusbeschlusses 
zu erklären. Der andere bericht wusste nichts vom Yelitemerkriegi 
sondern Hess die tribunicische intercession als Verzögerung des be- 



schauungen zu einem ein)ieitlichen ganzen erst coniaminiren lassen, um seine 
darstellung zu erklären; die Verschmelzung selbst aber bot oder gebot viel- 
mehr eine auf klügeleien herauskommende entwickelung der politischen Ver- 
hältnisse, sodass wir geneigt sind, die quellen des Dionys nicht fOr alle 
politischen wahngebüde desselben verantwortlich zu machen. 

6) Rom. ann. abschnitt U ; femer p. 191 ff. ; 336 ff. ; 349. 352. 

7) Siehe unten buch 3. % 13; dazu Liv. 6. 37. 8. 

s) Auch in der erzfihlung selbst finden sich cognomina, so 6. 31. 2. die 
beiden censorenPriscusundSicultts;34.5: Fabius Ambustus, Licinius 

Stolo; 37. 8: Licinius Galvus; 38. 4, 8: Furius Camillus; 40. 2: Clau- 
dius Crassus; 42. 4: Qninctius Pennus. 



Cap. I.) Die eriiaHenen quelten. 5 

sehliisses gelten; diese beiden, von denen der letztere wol anf Fabins, 
der erstere anf Yalerins znrQ(d:geht, wären dann von Idcinias in nn- 
gesddekter weise versdimols^ werden, da bei Livins (6. dT. 12) noch 
von der langen belagening Yelitraes gesprochen wird, wesswegen das 
▼olk nicht in Rom stimmen könne, dagegen sehr bald danach, ohne 
die beendignng des krieges zn berichten, die tribns beschlniisäübig und 
gesammelt sind; dann aber heisst es später (6. 42« 4), dass Yelitrae 
noch immer bdi^ert werde, ohne dass der krieg ein ende findet; da- 
gegen berichtet Plntarch nach Dionys vom ende des krieges nnd der 
erobermig Yelitraes nach dem gallischen krieg; nnd zwar folgt Dionys 
darin dem Yalerins Antias (darüber nnten § 12 ff)* ücinins ist also 
von der stelle, an welcher Yalerins die erobemng berichtet, von die- 
sem ab- nnd auf Fabins zurückgegangen, da bei ihm nichts aus dem 
YeKtemerkrieg wird. Eine solche contamination verschiedener be- 
richte wurde Ja von Nitzscb als besonderes kennzeichen der licinischen 
darsteDung erwiesen.*) 

Femer spricht ftr eine licinische fassung der livianischen quelle 
die lobende erwähnung des P. Ijcfkiins Galvus als ersten plebeischen 
oonsnlartribnneni<^), wie Livins sie auch zu -^ offenbar dort nach Li- 
dnins (schon wegen der gehäuften cognomina) tut (vergl. Liv. 6. 37. 
8); ebenso die hervorhebnng der plebsgünstigen Stimmung des dicta- 
tors P. Manlius und dessen Verwandtschaft mit dem ersten plebei- 
sdien magister equitum G. Li ein ins, dem gewesenen consular- 
tribunen (vergl. buch 8. cap. m.). 

Zweifelhaft möchte es scheinen, ob die rede des Ap. Gl au- lo 
dius Grassus (Uv. 6. 40, 41) auf licinischen Ursprung zurückzufüh- 
ren sei.^1) gie vertritt in vollkommenstem masse patricische politik 
und ver&hrt schonungslos mit den volkstribunen. Man wird versucht, 
diese rede anf einen andren autor zurückzuführen, der mehr einem 
Yalerins gleicht; doch lässt sich dagegen anführen, dass wir nicht 
wissen, wie weit Livius hier aus dem sinne der patricier oder als 
strenge copie seiner quelle spricht. Ersteres kann ja durchaus der 



9) üeber den Yelitemerkrieg vergl buch 3. § 43 ff. 

^) Was unhistorisch ist; vergl buch 3. § 14 ff 

u) Die kurz vorher hervorgehobene egoistische kingheit der volkstribu- 
nen dari kaum damit in Verbindung gebracht werden; sie wird schon Liv. 
6. 84 am ende ausgesprochen; und ausserdem galt derartige politische 
Uugheit dem Römer hoch; abgesehen davon, dass nur auf diese weise die 
politische gleichstellung von plebs und patriciat erlangt werden komite. 



( Antike und moderne MBtorienfrapliie. (Btaeh 1; 

&11 sein, xmd Linas hätte demgemftss die gdegeiAeit einer von dan- 
diiis berichteten rede benutzt, um die Sachlage andi ?d& pailricischer 
Seite ZQ bdeuchten. Gegen eine andre qaefle fhr die rede spricht 
auch die im lidnischen sinne gemachte ftosserong zu anfiing, dass Glan- 
dins nnr ans hass nnd zpm nidtt in der anssidü auf erfolg sidi ex* 
pectorirt habe. 

Dazu kommt, dass cap. 42 wieder plebsfirenndlich erscheint, imd 
endlich dass dar nnmit^lbar darauf erzählte Galüerkrieg, in dem Ca* 
millns als dictator füngirt, aoffisdlend- viel kürzer niid gegen Canons 
gleidigttltiger berichtet wird als bei Piatarch (Gamill. 40, 41) nnd 
Dionys (14. 12—19; nnr freilich trinmphirt Camfllus nach Livius; nach 
Plntarch nnd Dionys mcht; über diese frage vergl. die folgenden pa^ 
ragraphen). 

11 Wir müssen also doch wol auch die rede des GlandiiHr mit- 
sammt den nachfolgenden teilen des livianiadien berichfs auf Lichiins 
nnd ztim teil rielleicht auf rhetorische declamation des Litius seHist 
zurückführen. Im übrigen beruft sich Lirius später (7. 6, 12) ans- 
drüeklidi auf seine fassung d^ rede des Claudius, und zwar an tiner 
stelle, die sicherlich auf Licinius zurückgeht; wer weiss also, ob nidit 
dennoch die daudische rede licinisches machwerk ist? 

12 Neben Lirius sind noch Plutarch und Dionys zu betradb 
ten. Nach Peter i>) hat Plutardi hauptsächlich Dionys, hier und da 
zu einzelnotizen audi Livius benutzt; die fragmente des Dicmys dazu 
liegen in vielfach verkürzter fassung vor. 

Was unseren abschnitt über die licinische gesetzgebung bötrilEt, 
so ist über diese selbst iü den dionysischen frugm^ten nidits erhal- 
ten, wol aber der bericht über den gallischen krieg zur zeit der 
fünften dictatur des GamiUus (c. 14. 12 ff.). Die Schilderung der kampfes- 
art der Kömer gegenüber den Galliern ist ziemlich übereinbtimmend 
mit Livius geschUderti'); der Verlauf der scbiadit gleich&Qs; bei bei- 
den fehlt der triumph, den Livius anführt. Nnr stimmen sie nicht in 
betreff des schlachtortes überehi. Nach Dionys ist es die albanisdie 



IS) Die quellen zu den rdm. biographien des Plutardi p. 17 ff. bes. 27. 
Seine ansieht, dass Claudius Quadi'igarius gemeinsame quelle für Livius 
und Dionys sei (a. a. 0. und roll, histor. Rom. I prolegom. p. 292 ff.), ist 
nach dem oben gesagten und hier folgenden zu würdigen. 

^^) Dionys l&sst Camillus darüber reden; Plutarch erzählt , allein er 
misverstehtDionyS} indem er die von dieseaft geschilderte bewaflhtuig derfitoM 
im munde des Camillus für eine neue bewaf&mlig überhaupt durch letzterto hSit 



Oap. l.j Bie eriuateuim qMbm. 7 

gegend, nach Plntarch die gegend des Anio. ülein die phitarchische 
darstellimg kann nidit auf Glaadlns (Quadrigarhis?), auf den Livias. 
(6. 41. 5) die verlegBug ijer schlacht an den Anio stMckfUhrt, sich stützen, 
da Plntarch nicht von dem Zweikampf des MaidÜüs Torqnatus mit dem 
Gallier erzählt, den. jener Glaudins zagleleb beriditet hatte. Bei der 
sonstigen ftbereinstimmnng zwischen Plntaroh und Sionys ist die» kein 
grond, das von Peter erwiesene qaellenverkfiltnis anzisweifeln. Viel- 
mehr suche idi die erklftnmg auch hier in einer flfkchtigen benntzung 
des livins neben Dionys; bei ersterem las er an der spitze des kriegs- 
beridits die angäbe des Anio, begnügte sich damit und erz&hlte dann 
nach Dionjs weiter; eine flüchtigkdt, die ja bei Plntarch nichts un- 
gewdhnliches ist 

Haben wir dies zugegeben, so müssen wir auch die darstellung 13 
des licinisehen confliets auf Dionys zurflckleiten. Dieser msä ist in 
ein^n ganz andren ton abgefiisst als bei Livius. Letzterer ging auf 
den d^nokratisohen Lieinius zurück. Demgegenüber ist der plu- 
tardiisehe bericht (cap. 89) durchaus Camillufi freundlich und gegen 
die Yolkstribunen gestimmt. Der unterschied der angedrohten straf- 
simimen — bei Plntarch 50,000, bei Livius 500^000 ass — mag auf 
emem versehen eines teils beraheii. Dass Plutarch-Dionys Lieinius 
Stalo den magister equitum des dictator Manlius nennt, mag gleich- 
Mis ein irrtum sein, der ans dar Quellenangabe entsprang, dass 
G. Licmius tribunus^^): magister eqi&itnm geworden sei^^); es kann 
Dionys selbst diesen fehler gemacht haben, der sich übrigens auch 
bei eassins JM findet i<) 

Ihizu kommt, was wir oben stihon bemerkten, dass der bericht 14 
über den gallische krieg bei Livius so auffallend viel kürzer als 
bei PlnCardk und Dionys sich vorfindet ; nur hat erstercr einen triumph 
erwftlmt, den letztere nicht haben. Wir sind versucht anzunehmen, dass 
Liemius hier schon Yalerius verlassen hat und Fabine gebraucht; dass 
dieser den triumph notirt hatte, Yalerius aber lächV^). Die kriegs- 
darstellung bei DionysPlutardh ist CamiUus sehr günstig gestimmt; 



14) In Wahrheit 9Consularisc oder »militumc, wie bei Livius; vergl. 
buch 3. § Uff. 
. ») Vergl. buch 3. § 14. 

16) Fragm. 29. 6; geht Bio auf Dionys zurfiek? i«rgL § 15. 

17) Yergl. oben § 9, dass Lieinius vor dem bericht über die eroberung 
Yelitraes bei Yalerius diesen verlassen und zu Fabius zurückgegangen sei 



g Antike und modenie historiographie. {Budk 1. 

somit hat vieUeicht Licinins absichtiich den beridit verktlrzt nnd da* 
4iirGb der beobachtung mehr entzogen, um dem plebsfeind Gamillns 
nicht zu viel rahm zukommen zu lassen; yieQeieht hat er den viel 
kürzeren bericht des Fabins benutzt. 

Ein weiterer beweis ÜEkr yerschiedene quelle bei Livius und 
PionysPlutarch ergiebt sich daraus, dass letzterer die bei Livius zum 
Jahre -^ (wegeu Sutriums),-j^{Volsker und Tusknlaner) und -55- 
(Praenesliner) verzeichneten kriege in dem einen jähre des sechsten 
consulartribunats des Gamillus stattfinden lässt, welches nach Idvivs 

873 

und Diodor (15. 48) dem jähre -^ angehört Ausserdem ist bei 
Livius im Praenestiner krieg T. Quinctius Gincinnatus dictator, bei Flu* 
tarch Camillus der feldherr; wir sehen auch hier bei letzterem die 
tendenz, Gamillus zu verherrlichen. 

Der gegensatz nun zwischen Livius und Dionys-Plutarch macht 
es notwendig 9 politisch verschiedene qudlen für dieselben anzuneh- 
men. Da bietet sich denn Licinins gegenflber als einfachster Vertreter 
der aristokratischen richtung der schon vielfach von Dionys benutste 
Valerius Antias dar*«). Weüer unten wird auf die Verwandtschaft 
zwischen Dionys und Gassius Dio aufinerksam gemacht werden; wenn 
dann daraus der schluss erlaubt ist, dass Dionys wie Dio-Zonaras über 
die dauer der magistratslosigkeit berichtete*^), so stehen sich aueb 
darin Livius und Dionys gegenüber, und der livius-licinische bericht 
wäre dann unabhängig von Yalerius auf Fabius zurückzuführen.^) 
15 . Für Gassius DioZonaras wird es schwer seiu, bestimmte quelle 
zu bezeichnen. Wir sagten schon, dass der Irrtum von Dionys- 
Plutarch, dass Licinius Stolo der magister equitum des dictator 
Manlius geworden sei, sich auch bei Gassius Dio (firagm. 29. 5) fände. 
Zoinaras hat sich hier (7. 24) jedenfalls auf Dio gestützt, wie die wört- 
liche Übereinstimmung in betreff des einleitungsmythus beweist^)* 
Nun aber verbindet Zonaras in betreff des gallischen kampfes unter 
der fünften dictatur des Gamillus den bericht des livianischen Glaudi^s 
mit dem dionys-plutarchischen über den kämpf in der Albaner gegend. 
Was den letzteren betrifft, so hebt Dio-Zonaras eben wie Dionys 



18) Yergl. den speciellen nachweis unten buch 2. § 79 und 142. 
39) Vcrgl. buch 3. cap. ü. 

30) YergL dazu buch 3. § 14. ^ * 

2i) Dio Iragm. 29. 1 und 2; Zonaras 7. 24. Zeüe 13-21 in der ausgäbe 
von L. Dindorf. 



Ci9- I] ^^ eriialteikeii quellen. 9 

(14. 12) die beranschtheit der Gallier hervor. Dionys (15. 2) und 
IHo (fr. 34) nennen den sieger über die Gallier im Zweikampf M» Ya- 
lerins Gorniniis; liyins (7. 26. 12) dagegen Gornns; die erklärong 
des namens Coruinus stimmt bei Dionys nnd Bio fast wörtlich. 
Dionys: x6pßoog yäp ol Tiofjuuoe xcdaSiac roug xSpoxac. Dio: xdpoooQ 
jkp b x6pa$. (ebenso Zonoras 7. 25). Dio fthrt jenen Charakteristik 
sdien aosspruch des lidnins Stolo betreffs der drei rogationen an: 
»wenn si^ nicht essen wollten, so sollten sie anch nicht trinken.c 
livins bat ihn nicht; hätte er ihn in seiner quelle gefanden, würde 
er ihn gewiss nidit verschwiegen haben. 

Im ganzen ist das, was wir aus Dio-Zonaras für unseren ab- 16 
schnitt gewmnen, durchaus unbedeutend und abgekürzt, sodass die 
queUen-analyse erschwert wird. Nach den obigen punkten zu urteilen 
aber möchte man Dionys oder die von ihm gebrauchte quelle Yalerius 
andi für Dio annehmen; dagegen Livius odeif dessen quelle lidnius 
nicht. Daneben scheint Dio nach Zonaras zu urteilen auch Ckndius 
(Quadrigarius?) benutzt und dessen bericht über den gallischen krieg 
unter Gamillus mit dem anders lautenden zusammengeschmolzen zu 
haben. Allein es sind dies wie gesagt nur Vermutungen. 

Was nun die weiteren abschnitte des uns vorliegenden und 17 
von Livius behandelten Zeitraums bis zu den Samniterkriegen (Liv. 
7. 1—28) betrifft, so scheinen sie mir entschieden auf Licinius zurück- 
zugehen. Dafür spricht einmal die grosse zahl von cognominibus so- 
woJ bei eponymen als andren magistraten; ferner aber und vor allem 
^e darstellung der Verhältnisse besonders der ioneren politik^), in- 
dem die aneignung der dictatur und censur von selten der plebs als 
völlig gerechtfertigt, die aneignung beider consulstellen von selten der 
patrider als himmelschreiendes unrecht ausgelegt wird. Wir haben 
eine durdians plebsfreundliche, patricierfeindliche erzählnng vor. uns. 
Dafür zeugt im 1. capitel der bericht über die misgunst der patri^ 
der und die begründung des umstandes, dass die plebeier zur curu- 
lischen aedilität zulass bekämen; im 4. und 5. capitel die breite 
ausmalung der grausamkeit des patriciers L. Manlius gegen seinen 
söhn, dazu die entschuldigende darstellung, dass der volkstribun Pom- 
ponius sich von den drohungen des jungen Manlius habe einschüch- 
tern lassen (cap. 5). Interessant ist es zu beobachten, wie Licinius 
dann (c. 6) den patricisch gefärbten bericht aus Yalerius umarbeitet 



^) Yergl. dazu die auslühnmgen in buch 7. § 16 ü* 



It) Antike und moderne litetoriagtapliie. [Biiek 1. 

Es handdt sich um das nnglück des plebeischen consuls Oenudiis 
gegen die Herniker, ans dem die patricier das widergöttliche des ple- 
betechen consnlats deuten. Ein aristokratischer autor hätte das nn- 
glück ais wirklidie folge jenes nefas hingestellt; dagegen sagt Li- 
emiiiB-LiTins, der Unfall sei »forte« geschehen, und schildert dann, 
wie gehftssig die patricier daraus capital geschlagen hätten^). Im 
9. cafHtel hat schon den dtaten znfolge Licinins Macer dem Lims 
an entet 8t<^ vorgelegen; das zu grosse iamilienlob verdächtigt ihn 
e#8t den »älteren annalen« gegenüber'^). Im 18. capitel wird der 
plebs eine lange und heftige reflexion in den mund gelegt, als zum 
ersten mal wieder zwei patricische consnln ernannt waren'*). Im 17. 
capitel soll der druck der Schuldenlast die plebs wegen ihrer gleich- 
gOltigkeit gegen die wähl zweier patricischer consuln entschuldigen; 
dazukommt das 21. capitel. Gap. 22: die wähl des ersten plebeischen 
eensor; dazu § 10: die hämische bemerkung ttber die dictatur des M. 
FaUus. Der rühm des plebeischen consuls M. Popilius Laenas im 
28» capitel. Auch der anfang von cap. 25. spricht für die plebeische 
Parteinahme. Die heldentat des M. Yalerius Corvus (cap. 26.) ist 
von Yalerius durch Licinius band zu Livius gekommen. Im ganzen 
aber spielen die Yalerier in dieser ganzen periode keine rolle und 
sind vielleicht von Licinius zum teil aus der darstdlung ausgemerzt, 
wo Yalerius Antias sie eingeschoben hatte. 
18 Alle die hier angefahrten umstände sprechen, wie mir scheint^ ent- 
schieden eher fhr einen Licinius als für einen Yalerius als quellen- 
autor; und die vorhergehende schon erwiesene benutzung des ersteren 
macht den umstand noch wahrscheinlicher. Zugleidi ist es daraus 
wiederum erklärlich, warum die plefoeier von der tradition und viel- 
fach auch der modernen historiographie stets fbr den in seinen rech- 
ten gekränkten und verletzten teil, die patricier immer fftr die ver- 
gewaltiger gehatten werden^). 

Nach erledigung dieser frage tritt nun als ergänzung der S c h w e g 1 er- 
sehen ausf&hrungen eine zweite nach dem wesen der historiographie 
in der vorlitterarischen zeit an UBS heran. 



SS) Vergl. das nähere darfiber im buch 6. § 26 ff. 

24) Offenbar Fabius und Yalerius und vielleicht Claudius. 

3i) Darüber unten buch 7. § 16 ff. 

s<) Dass Cassius Die und Zonaras auch in diesen späteren abschnitten 



Oap. H:] Die «rqveUen na rOmisekelr getdUehte. I] 

CAP. n. 
Die Urquellen zur römischen i^eschiehte* 

Was den uranfiEUig und die erste entwickelnng der römisciien \an* 19 
nalistik betrifft, so hat man bisher allgemein dieselbe in vwbiadHiHi 
mit den magistnitsverzeicfanissen ältester zeit gebracht, an die sieh 
aidefaneod gleichzeitige anfEeichnungai gemacht worden, welche all- 
mählidi einen ausgedehnteren nnd zusammenhängenderen Charakter 
gewoimen hätten, und zwar wird dies in Zusammenhang gebracht mit 
den von den pontifices gemachten kalendarischen nnd magistratsauf- 
zddmungen, die in späterer zeit eben zu dem geworden wären, was 
wir die annales maximi oder pontificum nennen. Neben die-^ 
sen gewissennassen officiellen notizen seien dann noch privatonterneh- 
mungen ähnlicher art hergegangen, teils in gestalt von statssunalen, 
teils von familienchroniken.^ 

Gegen diisse sknsicht nun ist in jtkngster zeit K. W. Nitzsch") 90 
angetreten, indem er jene beiden genannten arten ältester annalistik 
leugnet und eine dritte an stelle setzt. Folgen wir seiner beweis- 
tUumng: 

Gegen ein hohes alter der pontülcal-au&eichnungen wendet er 21 
m, dass diese unserer erhaltenen traditionellen darstellung der rö- 
mischen geschichte nicht können zu gründe gelegen haben, da die 
fittten der pontifices^) durchaus nicht mit den in den annalen auf* 
bewahrten ttbereinstimmen, wie allgemein anerkannt ist Eine ponti^ 
fiealannaliBtik, sich anlehnend an pontifical-fasten, sei demnach für 
^ ältere römische geschichte als urquelle ausgeschlossen. Es müssen 
idso andre annalistische auizeiehnongen den historischen darstettungen 
zu gründe gelegen haben. 



meht auf Idvius zurückgehen folgt eigentlidi schon aus der oben erwähnten 
divergenz betreffs des Yalerius Corvus oder Corvinus; dann aber auch 
aus der Schilderung der heldcntat des-M. Curtius bei Liv. 7. 6; Bio fr 3Q. 
1—4; Zonaras 7. 25; die grosse ausfährlichkeit des Zonaras sowol als der 
dionischen fragmente ist unvereinbar mit der kurzen und knappen erzählung 
bei Livius. Vielleicht dürfen wir auch hier ftr Dio als quelle Dionys an- 
nehmen, in dessen fi-agmenten freilich nichts hierOber erhalten ist. 

^) So Niebuhr, Schwegler, Mommsen, Peter sowie alle flbrigen. 

M) Rtoiische annalistik p. 189 ff. 

^) Erhalten in den urkundlichen fastenresten und deren eopien, den 
capitolischen sowie denen des Chronographen von 854, denen des Idatius 
und dem chronicon paschale. Yergl. buch 3. eap. II. 



12 Antike und moderne historiognplue. [Bncli 1. 

22 Ausserdem fahrt Nitzsch noch folgende punkte an: 

Wären die pontifical- fasten und annalen wirklich die qneUe aller 
historischen bearbeitung und annalistik gewesen, so mfisste sich frflh 
eine allgemein gebräuchliche aera und schon vor den Samniterfcriegen 
eine chronologische einheit gebildet haben; beides ist nicht der fall, 
daher neben der pontifical- Chronologie eine andre auf andre quellen 
sich stützende vorhanden gewesen sein muss, auf die die historischen 
bearbeitungen zurückgingen. — Ferner werden erst vom jähre -^ 
an regelmässig die wunder verzeichnet*®), woraus angenommen wurde,, 
dass die pontifical-annalen erst von diesem jähre an sie regelmässig 
notirt hätten. Dagegen wehrt sich Nitzsch; und es liegt eigentlich 
'auch kein grund vor, warum sie es nicht schon firtther taten. Nitzsch 
schliesst vielmehr daraus, dass die pontifical- annalen überhaupt erst 
vom jähre 605 anfingen, und daher erst von diesem jähr an ein ezactes 
• prodigienverzeichnis existirte. 

23 Endlich fiüirt Nitzsch (p. 206, 213 und 240) noch an, dass 
die ganze ältere geschichte bis gegen -^^ auffallend wenig von den 
potttifices weiss, sodass deren politische und sacrale bedeutung ziem- 
lich im hintergrunde stehen bleibt; diese werden erst in ein hervor- 
ragendes licht und an erste steUe gezögen von dem Zeitpunkt an, wo 
die prodigien regelmässig notirt sind, was daraus erklärlich sei, dass 
die pontifices dieprocuratio prodigiorum gehabt hätten*'). Nun 
aber würden in 'der früheren zeit weit mehr als die pontifices die 
orakelbewahrer in Verbindung mit d^ sibyllinischen büchem und neben 
diesen sehr häufig auch die prodigia genannt**), woraus zu ersehen 
sei, dass die queUe dazu unmöglich pontificalen Ursprungs sein könne. 

24 24. Alle hier aufgeführten Beweispunkte sind der art, dass selbst 
der widerwillige ihnen aufinerksamkeit schenken muss; es scheint wirk- 
lich von^ diesem gesichtspunkt aus nicht mehr tunlich, die pontifical- 
annalen für die älteste zeit und isüs urquelle der historiographie fest- 
zuhalten; und wenn auch seufzend und mit Unbehagen müssen wir 
diese ansieht zu grabe tragen. 



*o) Es ist dies ans Julius Obsequens geschlossen, der erst von die- 
sem jähre sein prodigienbuch anfängt; vergl. Mommsen bei Jahn: Livii 
periochae, prol. p. XX, und Bernays rhein. Mus. n. f. 12. p. 486 ff.; 
Nitzsch a. a. 0. p. 238ff. 

*i) Nach Becker-Marquardt 4. p. 222. 

**) Bei Nitzsch p. 193—96 die stellen. 



Gap. U.] Die uiqueUen «tr römischea gesduchte. 18 

Die fernere ansieht betre& jener von privaten abgefiuisten anf- 26 
zeichnnugen und duroniken weist Nitzscli auch zurück, einmal weil für 
die ganze ältere zeit der römischen republik bis > zu den puniscfaen 
kriegen sich keine nachweislichen citate und spuren aus denselben 
finden (Nitzsch 269) ; zweitens weil die annähme dieser privat-au&eich- 
nungen fEkr die älteste zeit nui^ darauf sich gründet, dass sonst kein 
sicheres quellenmaterial nachweisbar ist, und dass eine vorhandene 
einheitliche annalistik jener zeit nicht so spurlos aus dem gedächtnis 
der nachweit verschwinden könne. Letzteren einwurf sucht Nitzsch 
(p. 205) dadurch zu entkräften, dass er auf die späteren^ bis zum grün- 
dungsjahr der stadt zurückgeführten pontifical-annalen verweist, in 
welche jene älteren annalen völlig aufgegangen und dadurch verdrängt 
worden wären. 

Was nun diese frage betrifft, so gilt es ferner nachzuweisen, ein- 26 
mal dass eine andre bisher unbekannte annalistische quelle vorhan- 
den gewesen sei, femer dass es eine einheitlich abgefasste quelle sei, 
auf welche die annalenreste aus unseren autoren zurückzuführen seien 
und wodurch die mehrheit paralleler aufzeichnung^ aui^ehoben und 
unsLötig gemacht worden wäre. 

Und diesem nachweis widmet nun Nitzsch den hauptteü der.son- 
d^rantersuchung (von p. 189—237) 

Analytisch schreitet Nitzsch mit Untersuchung d^ aus livius 27 
^urstellung ausgeschiedenen annalenreste vor^'). Diese sind nach 
Nitzschs ausführlicher beweisführung (cap. I. und n.) entweder direot 
oder durch die vermittelung des Licinius Macer auf Fabius Pictor 
zurückzuführen^ und Fabius schöpfte sie dann aus jenem unbekannten 
urwerk. 

Aus dem umstand nun, dass in denselben von tempelweihen; pro- 28 
digien, lectistemien, den sibyllinischen büchem, und orakelbewahrern 
(EL mri sacrorum) die rede ist, schliesst Nitzsch, dass die quelle einen 



SS) p. 193—204 in den iioten; dazu wären zuzuschreiben Liv. 6. 35. 
10 : »comitia praeter aedilium tribunorumque plebi nuUa sunt habita.« 
»läcinius Sextiusque tribuni plebis refecti nullos curules magistratus creari 
passi sunt.« 6. 42. 9: »comitia consulum aduersa nobilitate habita, quibus 
L. Sextius de plebe primus consul factus« ; ibid. 12 : »senatus censeret . . . 
ut ludi maximi fierent et dies unus adtriduum adiceretur«; ibid. 14: »factum 
genatus consultum, ut duouiros aediles ex patribus dictator populum rogaret, 
patres auctores omnibus eins anni comitüs fierent.« Es sind jedenfedls noch 
mehr solcher stellen im livianischen text zu finden. 



14 Ai^&e tmd moderne Instoriographie. [Buch 1. 

pfiedleiüeli^si Charakter gehabt habe. Daneben geht band in band 
mit ^esen notizen eine reihe von onteritalisGh'heUenistiscIien nach- 
•titMm, W0ldke oft ohne allen zusamBiei^angiiutd^Ditextdagt^nM); 
'LiviUB selbst wundert sich, diese gar mxM enr sache geMrigwi no- 
Uzen itt seiner ^elle zu finden. 

29 Bas wiederholte hervortreten der g^annten eigentttmlichkeitra 
jewt Ältesten notizen deutet auf einen speci&dben aber einheit- 
lichen chanMer der urgueile. Nitzsch lEÜirt fort, denselben diarakter 
Aür die ganze erste dekade des Livius (p. 197—201) und ebenso 
aueh iGlr die nachrichten bei Diodor (p. 2&1— 204) zu erweisen. 

30 Dann wirft er die frage auf: was lässt sich aus diesen indiden 
4tff den «chaniktw jener annalistischen quelle gewinnen? 

Anknüpfend zuerst an die Verbindung der unteritallsdien naeh- 
riehten mit saoralen angaben besonders über die sibyllinisch^ bücher 
und orakelbewahrer geht er auf die zeit zurück, in welcher heUmusche 
culte zuerst in Bmn eingang fanden, und bleibt bei dem Geres- 
cttitus aus einem der ftkesten stehen. Der Gerestem pel am forum 
'boarium war der sacrale mittelpunkt der plebs, und es sind besonders 
die plebeischen aedilen, welche in Verbindung mit dem tempel stehen, 
Mlem sie dixtt das plebeisc^e archiv hatten (Nitzsch 204—10). 

31 Nun findet sich in den erhaltenen gesehi^tswerken eine reihe 
von auf die aedilicisdie tätigkeit bezüglichen notizen; so über annona 

•und gesdiäftsverkehr, Wegebau und ackerpdizei, wucher und zins- 
«ngdlegeoiieiten (Nitzsch 210 ff.). Dann ist es bekannt, dass den ple- 
^beisofa«i aedilon die bewahrung der senatsbeschlflsse im Gerestempel 
HAoEsgeben wvrde; dieser senatsbeschlttsse und verhandlimgen wird bei 
Livius besonders viel erwähnung getan (Nitzsch 211 ff.). 

82 Me diese umstftnde drängen dahin, die älteste annalistik so- 
wol mit dem hellenistischen cultus der Geres und ihrem temp^ i^ 
auch mit 4en tempelhütem, sofern die angelegenheiten der plebs und 
des Senats in frage kamen, den plebeischen aediien, in Verbindung zu 
bringen tund einen liber annalis des Cerestempels anzunehmen, in 
den die widitlgsten den tempel und alles damit zusammengehende be- 
treffenden ereignisse kurz und annalistisch aufgezeidmet wurden (bis 
p. 216). 

33 Noch fernere umstände ftüirt Nitzsch hierfür an: ein gewisses 
in der tradition sich beweisendes matronales interesse, das sich 



w) Liv. 4. 29, 37, 44; 8. 3, 24; Nitzsch 193—197. 



Gip* U] Die «^gelles cor töoMkem geMüticIite. lg 

aa die Cerespriesteriimen anleimte; eine den vestaliimeii misgümitigG 
sünuttcing aus dem gefüid der rivalitftt tob selten 4er Ceresprieste* 
rinndn; eine gco9Be üeherheit und fülle der angaben tä»er die Ctödlfi- 
cisdiea beamten und die damit zasammenhftagenden spMe; der vm- 
stand, das8 die altrtoiische geschichte sich nur um die pl<^ 4rdbt, 
dag^en die patricier nur soweit betradit finden -— d. k. in den in- 
ternen angelegenheiten Borns — , als sie nü der plebs in berftbrung 
konuaen, während sonst von den ianeren angelegenheiten der grossen 
gescUediter sehr wenig auf uns gekommen isf *). — Soweit Nitesc^ 
t^r diesen punkt (bis p. 221). 

Setzen wir noch hinzu» dass die Verbindung mit den graeeo- 34 
italischen sUldten und der dort vOThandenen höheren büdung d<^ wahr- 
scbeinlichb&it in hc^m grade räum lässt, dass nnit au&ahme der cuite 
wa dort im Born zugleich der erste anistoss gegeben wurde, in nach- 
atauung griediischer sitte und Vorbilder auch in Rom histerischanna- 
li&tisdie au£seidmungen zu machen. Denn dass die orte, die die biich- 
stabenschrift nach Rom vermittelten, auch den gebrauch derselben m 
dieser richtung zuerst anregten, ist eine eben so naturgemAsse als 
folgmchtige erscheinung. So kann denn wirklich der Gerestmpd ats 
mutt^ort fiU: römische litterärversuche gelten. 

Was nun die gesammte beweisfilhrung von Nitzsdi betHfft, so 35 
arbeitet sie ja nicht mit unantastbaren, historisch sicheren momenten, 
iatvidm^r aus Wahrscheinlichkeitsgründen und combinationen zusam- 
mengesetzt; dennoch aber ist die reihe von beweismitteln, welche in's 
feld gef&hrt werden , so ausserordentlidi gross und moralisch Aber- 
zeagendy dass man sich der entwickelung dieser ansieht kaum wird 
veischliessen können und dürfen. Und wenn etwas, so kommt det- 
selben audi der umstand zu hülfe, dass nicht blos die ganze tradition 
»ch um die geschichte der plebs dreht, ^ondern dass sie auch ent- 
schieden plebsfreundlich und patricier-feindlich gefärbt ist; freilieh ist 
wol ein teil dieser erscheinung auf die spätere absichtliche' entsteBung 
der geschichte zu gunsten der plebs — wie bei Licinius Macer, einer 
der hauptquellen von Livius und Dionys — zurttckzuleiten; dennodi 
aber erscheint auch bei streng aristokratischeur autoren, wie Fabius 
Pictor und Valerius Antias, schon die erzählung der ersten plebeiscAen 
bewegungen — vor und nach der ersten secession — so dÄrgestellt, 



•5) Nur die Fabier spielen in dieser richtung eine hervorragende rolle, 
was auf Fabius Pictor und dessen familienquellen zurückgeht. 



16 Aotike und moderne historiographie. [Buch 1. 

dass die plebeier die leidenden — sei es unter patricischer tnllkOr 
und gewatt oder unter unverschuldeter yerschuldung — die patrid^r 
die mitleidslosen sind, so dass vrir notwendiger weise andeutungra 
dieser art in den ältesten au&eichnungen vorauszusetzen haben, da 
optimaten wie Fabius und Yalerius nicht aus eigenem sinne eine der 
gegnerischen partei so günstige färbung in die geschichtsauffiassung 
werden hineingetragen haben, '<^) 

36 Bis hierher sind wir Nitzsch gefolgt und haben uns ihm an- 
schliessen müssen. Dagegen können wir seine ferneren deductionen 
über den ersten anfang einer wirklich buchmässigen historiographie 
nicht gutheissen. 

37 Aus dem umstand nämlich, dass Diodor anerkanntermassen ältere 
fEuiten benutzt hat, als alle übrigen auf uns gekommenen autoren 
(Livius und Dionys) und fasten (die capit fasten) und zwar von 
diesen abweichende; femer daraus, dass Diodor in seinen römischen 
angaben weit kürzer und annalistischer berichtet als Livius und 
Dionys, dass er ausserdem einen den Fabiem gegnerischen, den Clau- 
diem günstigen Standpunkt vertritt und demgemäss in den späteren 
parteikämpfen für die libertinen und die städtische plebs, gegen die 
ländliche plebs sich ausspricht — aus diesen gründen erklärt Nitzsch 
zwar mit recht gegen Niebuhr und Mommsen, dass Diodor nicht 
Fabius Pictor benutzt habe; allein entschieden unbegründet ist sein 
weiterer schluss, dass Diodor sich direct auf Gn. Flavius, den aedilen 
von -TT--, ehemaligen Schreiber des censors Ap. Claudius Gaecus und 
söhn eines freigelassenen, als quellen-autor stütze. 

38 Denn einmal wissen wir gamichts von einer historisch- chrono- 
graphischen tätigkeit jenes Flavius, vielmehr widerspricht derselben 
das einstimmige zeugnis der alten, dass Fabius Pictor der älteste 
historiker sei; femer dass Flavius über ein Jahrhundert vor jenem 
schon eine geschichte Roms geschrieben haben solle, ohne dass bis 
zu Fabius' zeiten dieser litterarische anfang eine nachfolge erfahren 
habe; drittens dass Diodor, wenn er eine quelle filr den römischen teil 
seiner Weltgeschichte suchte, eine möglichst Ült den ganzen Zeitraum 
seiner darstellung ausreichende genommen haben wird, und dass man 
ihm nicht viel mehr takt in der auswahl der quellen zutrauen darf, 
als einem Dionys und Livius, daher er wol kaum auf so uralte auto- 
ren zurückgegriffen hat; endlich dass, selbst wenn Flavius eine ge- 



»«) Vergl. Nitzsch p. 67-77 n ff. 



Csf, ILJ Die Urquellen zur römischeii gesdiidite. 17 

sciiichte geschrieben hätte, diese in so altertllnilichem latein abgefasst 
wärS) dass ein Grieche wie Diodor nur mit mflhe oder kaum über- 
haupt ein richtiges verstflndnis daf&r, geschweige d6nn eine bequeme 
und übersichtliche darstellong darin gehabt hätte. 

Alle diese mömente sprechen sowol gegen Flavius als histo- 39 
liker überhaupt , als auch gegen seine quellen-autorschaft für Diodor 
in's besondere. Was den letzten punkt betrifft, so finden die von 
Nitzsch angeführten politischen sowol als historisch -chronologischen 
und stilistischen gründe eine ebenso völlige, tatsächlich aber viel tun- 
lichere anwendung auf L. Galpurnius Piso, den gegner derrustical- 
politiker, der Gracchen, den Vertreter der libertinen und Städter- 
jKirtei, den kritischen und chronologisch genauen und die römische 
gesdiichte kurz und concis darsteUenden annalisten*^). 

Nun haben wir bisher Nitzsch insofern beigestimmt, als eine 40 
Uistorisch-annalistische tradition aus den ältesten republicanischen zei- 
ten redigirt als annalen des Cerestempels durch diö plebeischen aedilen 
anzmiehmen sei. Wie aber stellt sich die frage nach gleichzeitiger 
tradition 2U dem umstände des grossen gallischen brandes von ^^? 

Nitzsch scheint mir (p. 204) diese frage zu flüchtig zu behandeln 41 
tmd ohne allen grund das zeugnis der bedeutendsten gegenwärtigen 
forscher gegen die livianische ansieht, dass die meisten historischen 
wkunden damals zu gründe gegangen seien, anzurufen. Wenigstens 
Mommsen hält ohne frage die Wahrheit des livianischen Zeugnisses 
aufrecht, wenn er von einer Wiederherstellung und fälschung der älte- 
sten fasten und pontifical-chronik nach dem gallischen brande spricht ^^). 
Ebeaso Schwegler (1. 88ff.), Ihne 1. 233), Lewis»»); Dass nicht 
alles quellenmaterial zu gründe ging, sagt schon Livius^^^); das ge- 
rettete aber beschränkte sich auf das auf dem.' Gapitolinus auf- 
bewahrte^i), wenn nicht ausserdem die flüchtigen Römer noch das eine 
oder andre Schriftstück mitnahmen. Dazu dürfen wol die geistlichen 



37) Ueber diese ganze frage vergl. meine weiteren ausführungen »die 
römische quelle des Diodor« in den Heid elbe rger Jahrb. 1872 11 p. 835 ff. 

38) Böm. gesch. 1 &. p. 465. 

W) untersuch, über die glaubwürdigk. der altröm. gesch. 1. 160. 

*o) 6. 1: pleraeque interiere. 

*i) Daher die libri lintei, wofern wir sie für eine erfundene quelle des 
Licinias Macer und Aelius Tubero halten müssen, mit bewusstsein von den 
genannten autoren in den tempel der Juno Moneta auf dem Gapitolinus ver- 
legt wurden. 

OlMon, rdm. gesell. I. 2 



18 AnlilEe and modene bisteiogniphifl. fButk 1. 

ritual' und rechtaaiArifteD gesfthlt werden. Ob man «of rein historische 
Urkunden denselben bedacht genommen hat, bleibt dahingestellt. Jeden- 
Ms waren die ann^len des CereatempelSi am forum boarium und da- 
her am fttsse des Capitolinus gelegen, der Terwttstung ausgesetzt und 
sind gewiss ?enuchtet worden, wenn die aedilen sie nieht gerettet 
hatten. Wir können also mit Nitzsch nicht so obenhin die frage nach 
der echtheit der über die gallische katastrophe hinausgehenden anna- 
listischen angaben aus jenen aedilicischen au&eichnungen bei seiteschie; 
ben, sondern müssen der mOglichkeit räum lassen, dass die notiaen über 
die älteste republik nach Vertilgung der originalschriftstücke entweder 
aus dem gedftchtnis oder willkürlicili und im ptebeischen sinne, aber 
mit beibehaltung des früheren hellenistisehen und priesteriichen in- 
teresses wiederhergestellt worden seien. Und so bleibt die wirkliche 
glaubwürdigkeit der älteren geschichte nach wie vor eine oiene frage ^*). 
Die bedeutende anzahl annalistischer reste bei Livius und Siodor aus 
der zeit vor dem gallischen brande kann an nqd für sich nicht die 
gleichzeitigkeit ihrer au£seichnung verbürgen, wie Nitzsch (p. 206) 
meint; es fehlt jedes bestimmte kriterium dafür, da überhaupt keine 
nachweislich sichere gleichzeitige aufiseichnung 2^um vergleich vorliegt. 
Im übrigen ist es auch nur das subjective gefühl, dem Nitzsch folgend 
diese be)iauptung au&tellt; allein sutjectiv^e gefiUüe räumen nicht ob- 
jective hindemisse aus dem wege.^) 

CAP. m. 

Zur modernen htetoriügraphie. 

42 Wir haben noch einen nachtrag zu den von Schwegler^) auf- 
gezählten und besprochenen neueren werken über die römische ge- 
schichte zu liefern. 

43 Wir würden dabei vor allem über Schwegler selber zu reden 
haben, wenn nicht eigentlich seine bedeutung durchaus bekannt wäre. . 



^2) Dass ausserdem die annähme H. Peters' einer genauen restitution 
der annales mazimi aus dem gedächtnis nicht mit Nitzsdt ohne weiteres zu 
ridiculisiren ist, möchte ich auch glauben. Das ged&chtnis der nationen, 
bei denen der gebrauch der schrift nur etwas seltenes ist, ist aUeseit ein 
fßac uns staunenswertes gewesen« 

43) Yergl. dazu buch 2 cap. IL 

««) Bd. I. p. ISO ff.; Bd. II. p. 32 ff. 



Cap. m.] Zur modernen historiograplüe. 19 

Ist er doch Air den ganzen von ihm bearbeiteten Zeitraum die grund- 
läge tmd der sttttzpunkt für spätere monographien in diesem gebiete 
gewesen. Selüe umfassende kenntnis der quellen, sein ruhiges urteil, 
sein ungeheurer detailfleiss verbunden mit der anläge des ganzen Wer- 
kes, haben dies im besten sinne des wertem zu einem Wissenschaft- 
Ochen handbueh gemacht , das der fachgelehrte eigentlich kaum aus 
der hand legen kann. Es ist für die gesammtgeschichte da? gewor- 
den, was das handbueh Becker-Marquardt's -für die altertümer ist; und 
auch in der genauigkeit und Übersichtlichkeit der quellennachweise ist 
es diesem gleich. 

Nur in zwei punkten glaube ich, dass Schwegler noch nicht ganz 44 
unbefangen war, befangen noch von dem eindrucke den Niebuhr auf 
iim gemacht hat: in der queilenkritik und in der beurteilung des 
Ständekampfe. Auf letzteren punkt werden wir noch später einzugehen 
haben; der erstere sei hier kurz zur spräche gebracht. 

Schwegler scheint noch nicht ein ganz klares bild von dem 45 
fast absoluten mangel an beweiskraft zu haben, an dem die tradi- 
tionelle römische darstellung der älteren republik leidet. Das Ver- 
hältnis der alten bestandteile zu der grossartigen späteren fälschung, 
das Verhältnis der unbewussten sagenfälschung zu der politisch absicht- 
lichen, das vielfache verpflanzen spätrepublicanischer zustände und 
a^schaüungen in die alten, davon ganz freien zeiten von Seiten der 
römischen annalisteh: alle diese fragen finden bei ihm noch nicht eine 
so allseitige erwägung, als man wünschen möchte. Er steht eben 
znm teil noch auf dem Standpunkt Niebuhrs, der mehr mit subjectiver 
oQd intuitiver kritik die berichte zu sichten suchte, da objective 
anhaltspunkte noch vielfach fehlten. Und auch zu Schweglers zeit 
war man in der aufdeclning dieser Verhältnisse noch nicht ganz so 
weit gekommen, als in der jetzigen. Die historiographischen und 
^nellen-untersuchungen der neueren zeit haben an stelle unsicheren 
tappens jetzt vielfach einen sicheren pfad geschaffen, der aber mit 
grosser umsieht beschritten werden muss. Die arbeiten von C. Peter 
(Livius undPolybius) zum 21. und 22. buch des Livius, von H. Nissen 
zu der 4. und 6. dekade des Livius, von Böttcher über die 3. de- 
kade des Livius, von Soltau über die quellen zum zweiten punischen 
krieg und andre haben den boden der späteren historie erleuchtet 
und daraus rückschlüsse auf die frühere uns vorliegende periode tun 
lassen. Dazu kommen eine reihe gelegentlicher bemerkungen von 



20 Antike and moderne historiographie. [Buch 1. 

Th. Mommsen^B) und arbeiten wie die H. Peters^). Bas gesammte 
material für die ältere römische republik wurde dann eingehend von 
E. W. JN^itzsch (siehe oben) beleuchtet und ein kritischer boden da- 
für geschaffen. Es wird sich noch viel darüber sagen lassen; allein 
Nitzsch gebührt der rühm, grundlegend gearbeitet und besonders das 
Verhältnis der politischen anschauungen zu den annalisten und ihre 
einwirkung auf deren darstellung in ein helleres licht gestellt zu haben. 

46 Wie sehr diese neuen erwerbungen sicherer fundamente ?ur 
Sichtung des historischen und unhistorischen dienen, hoffen wir einer- 
seits selbst darzutun, andrerseits hat es sich schon bei dem neuesten 
bearbeiter der römischen geschichte vom streng wissenschaftlichen Stand- 
punkt aus, W. Ihne, erwiesen. Zugleich aber sind wir dadurch vor 
jener schrankenlosen negation bewahrt, die, ohne kriterium, alles und 
jedes in zweifei zieht und also nur ein chaos unbeglaubigter berichte 
in der römischen tradition erkennt. *7) 

47 An Schwegler schliesst sich der zeit nach Th. Mommsen 
an, dessen römische geschichte nun schon in 5. aufläge erschienen 
ist. Mommsen selbst hat es ausgesprochen, dass .Urkunden, sicher 
bezeugte gleichzeitige Schriftdenkmäler, einzig eine gute grundlage 
für die historiographie bilden. Und von diesem Standpunkt aus hat 
er die Vorbereitungen zur römischen geschichte in dem grossen in- 
schriftenwerk zu legen begonnen. Schlimm aber für ihn ist es, dass 
der hauptteil, ja beinahe die ganze republik solcher Urkunden in 
einem für historische forschung ausreichenden masse entbehrt; daher 
von diesem Standpunkt aus für die republik kaum etwas erreicht 
werden kann. Es macht sich hier vielmehr der mangel beglaubigter 
und die fülle unbeglaubigter nachrichten geltend, und so wird d«r 
forscher notgedrungen auf das gebiet der combination, der hypothese 



^^) In den römischen forschungen, der römischen geschichte, im I. Bd. 
der römischen Inschriften, besonders zu den fasten, femer auch zerstreut 
in Zeitschriften, so im Hermes IV ff. über die Coriolansage, über Sp. Cassius, 
Sp. Maelius und Manlius Capitolinus. 

46) Die quellen Plutarchs zu den biographien der Römer und die rel- 
liquiae historicorum Bomanorum I. mit genauen biographischen und quellen- 
imtersuchuugen verbunden. Die recension darüber von Pluess Fleckeisens 
Jahrb. 1871. 275 ff. enthält gleichfalls andeutungen zur Illustration der römi- 
schen quellengeschichte. 

47) So Lewis in seinen Untersuchungen Über die glaubwürdigkeit der 
älteren römischen geschichte; deutsch von Liebrecht. 



Cap. IIL] Zar modernen historiographie. 21 

nsd des Wahrscheinlichkeitsbeweises geführt* Ein schlüpfriges gebiet 
fttrwahr, auf dem ausgangspnnkt und ziel oft abhanden kommen. Für 
diese zeitepoche aber hat Mommsen dann wieder einen wenn auch nicht 
ganz nenen weg mit energie eingeschlagen, der seinen historischen 
Scharfblick beweist; er sachte die alte zeit auf dem wege graduellen 
röckschrittes und rückschlusses zu reconstruiren, und auf diese weise 
erö&ete er für innere und äussere geschichte manch nenen gesichts- 
pankt. Nur freilich scheint es, dass er sich in seiner genialität zu- 
weilen hat zu Schlüssen verleiten lassen, deren prämissen nicht in den 
historischen Verhältnissen oder Schriften der späteren zeit, sondern in 
einem eigenen vorge&ssten bilde der tatsachen lagen. Das war eine 
Idippe für seine darstellung, die mehrfach die sichere bahn kritischer 
arbeit unterbrochen und verdunkelt hat, sowol in fragen innerer als 
äusserer politik. Dazu kommt, dass er durch blosse mitteilung seiner 
forschungsresultate ohne angäbe des weges, auf welchem er dazu ge- 
langt ist, sowol dem laien als dem fachgenossen oft jeden weg zur * 
nachentwickelung und controle* der tatsachen nimmt, vorzüglich da er 
auch die q^uellen nicht citirt 

Seine anschauungen über die entwickelung der altrepublikani- 48 
sehen Verfassung hat Mommsen in seinen :»römisch'en forschun- 
genc (1B64 2te aufläge) niedergelegt und zugleich darin die beweise 
ter seine schon in der »römischen geschichte« ausgesprochenen Ideen 
zn geben versucht. Ich für meinen teil muss gestehen, dass ich da- 
durch nicht von seinen resultaten überzeugt worden bin. Meine an- 
sichten und gegenbemerkungen finden sich in meinen »kritischen 
erörterungen über den römischen statc 

Eine bedeutende erscheinung auf dem gebiete der römischen 49 
geschichte ist auch das werk des Franzosen J. J. Ampere. In seiner, 
ihistoire romaine k Eome«^) hat er den grossartigen gedanken 
dorchzuführen gesucht, in engster anlehnung an die monumentalen 
reste der Römerwelt ein bild der historischen entwickelung des lebens 
derselben zu liefern. In Rom selbst hat er sich erst völlig mit der 
modernen und antiken topographie der Stadt bekannt gemacht und 
dann, durch Zuweisung bestimmter monumente an bestimmte perioden, 
daraus nationalität, stand der bildung, macht und ausdehnung des 
Bömervolks iUustrirt. 

Der gedanke ist, wie gesagt, grossartig und dazu neu; die 50 



«) Seit 1861; in 4. Auflage 1871; 3 Bde. gross 8vo. 



22 Antike und moderne historiogntphie. [Bach l 

gefahr aber lag nahe, durch einseitiges hervorheben dieses gesichts- 
pnnktes zwar ein durchsichtiges aber nicbt ein richtiges bild der um- 
stände zu male;i. Zwar versäumt Ampere durchaus nicht die queUen- 
frage der römischen historik in betracht zu ziehen; allein während er 
auf dem monumentalen gebiet sich durchaus zu hause f&hlt, ßo ist 
dies nicht so sehr auf jenem der fall; .er überträgt etwas v<mi der 
Sicherheit des monumentalen bodens auf den ganz unsicheren quellen- 
boden; die Übereinstimmung der alten berichte über das monumentale 
Bom mit den ergebnissen heutiger ausgrabung veranlasst.ihn^ den rein 
politisch-historischen berichten ähnliche glaubwürdigkeit beizumessen. 
Ein satz in seiner einleitung (Bd. I. p. XXV) charakterisirt seine 
Stellung dieser frage gegenüb^: ^qui donne le droit de repousser 
les t^moignages que nous ä transmis Tantiquitö et auxquels Tantiquit^ 
a ajoutö foi?« Und so kommt er zu dem schluss, dass Bomulus und 
alle nachfolger bis zu Tarquin dem jüngeren historische personen 
sind, weil die von der tradition ihnen zugeschriebenen bauwerke wirk-? 
lieh in der historischen zeit vorhanden waren; während er nicht in 
betracht zieht, dass das spätere Vorhandensein solcher denkmäler 
notwendigei: weise die volksphantasi^ antrieb einen Ursprung zu er- 
dichten, wenn keiner bekannt war. Und wenn Ampere leugnet, dass 
die sage beiden erfände, dass sie vielmehr nur taten erfände, woher 
kommt dann das den Griechen und antiken überhaupt so eigene stre- 
ben, für alles vorhandene einen heros eponymos zu wissen? 

51 So hat denn Ampere wirklich auch oMcielle und gleichzeitige 
quellen von der gründung der Stadt an angenommen; die pontifical- 
annalen, fasten, erz- und steintafeln: alle sind für ihn echt und echt 
damit die annalistische grundlage auch der königsgeschichte, Allein 
dieser fehlt ja. völlig jedes annalistische gepräge im gegensatz zur 
republikanischen geschichte. Ampere nimmt damit zugleich schon eine 
reiche chronik^litteratur vor dem gallischen brande an, aus deren fiille 
genug material auf dem capitol gerettet wäre, um einen wahrheits- 
getreuen bericht der ältesten zeiten abzufassen. In allen diesen pimkten 
beweist er, dass er der entwickelung der quellenkunde Eoms in Deutsch- 
land nicht genügend gefolgt ist; Niebuhr, Beaufort und die älteren kri- 
tiker sind es vor allem, gegen die er polemisirt. Zwar scheidet er 
vieles aus der alten tradition als sage aus, aber er behält genug be- 
glaubigtes material daraus zurück. 

52 So kommt es denn, dass er der vorzeit und königszeit von 
den 3 bänden den 1. und die hälfte des 2. widmet; der 2. schliesst 



Gap. mj Zur modemen ]iiBl«riO|^phie. 28 

diBD mit der concordia ordinuni naeh dem licinischen verfiissiiiigskampf 
^; der 8. band enthält erst einen abschliiti Aber etmskische und 

Ms ' 

rIMBcbe knnst und bdandelt dann in abgekürzter darstellnng die 
zeitperiode yon Gato bis zur monardne. Fttr die von ims in gegen- 
wftr(%em bände behandelte epoehe fftllt nichts ans Amperes werk ab, 
wie irir dmehin ja seine kritisehe methode nicht aneifcomen können. 

In letzter zeit endlicb erschien die schoA erwfthnte römische 63 
geschicbte Ton W. Ihne^, welche in ausserordentlich ansprechender 
weise nach art der Schwec^er'schen darstdlnng, allein viel kürzer und 
obie eingehende beweisfUhrong, die römische gesdiichte behandelt 
Der yerfiisser hat das weik fhr einen grosseren leserkreis bestimmt; 
oh es denselben gefänden, oder nnr in der fachgenossenschaft lebt, 
vemag ich nicht zn sagen. Er stellt jedesmal neben die tradition 
eine kurze kntisdie besprechnng derselben, in der er es mit meister- 
Schaft Tersteht, die hanptmomente des zweifeis, der nngereuntheit und 
andererseits andi der wafariteitsgemässeren anschannng und gntp- 
pinmg auseinander zu setzen^ Seine von Schwegter (I. 631) schon be- 
sprochene und in seinen »foröchungen Mf dem gebiete der römischen 
▼erbssungsgescbichte 1847« niedergelegte ansieht über entstehung und 
ökonomische läge der römischen plebs hat er in der rOmisdien ge- 
sdiichte beibehalten^; allein dasein hauptatigenmerk auf die äussere 
geschidite Boms gerichtet ist, so haben wir auch hierin die haupt^ 
vQRftge sowol seiner kritisch vorgeschrittenen methode, als auch seiner 
dttstellung zu sudien. 

Aber wenn er freilidi im gegensatz zu der weise Mommsens dem 54 
leser die mOgiidikeit an die hand geben will, sidi über die rich- 
tigkmt der angegebenen tatsadien und anschauungen zu überzeugen, 
80 kann damit doch nur der fadigenosse als leser gelten; denn dem 
laien wird es unmöglich sein, unabhängig vom autor sich über die 
jedesmal in frage stehende sache ein bild zu machen. Und wiederum 
vermisst der fachgenosse vielfach die genauere ansfllhrung eines be- 
weises. Sa leidet das werk an dem mangel, den alle ihr weitere kreise 
gesdiriebenen werke an sich tragen müssen. 

Neben den genannten werken geht dann noch eine andre dar- 65 
Stellung der römischen geschichte, die nur für das grössere zum 
teil das politische publicum geschrieben ist So die einleitung zum 



*9) 3 bde bisher, 1868—72, bis zum schluss des numantinischen krieges. 
^) Vergl buch 4. L 4 zum schnldengesetz. 



24 Antike und moderne historiograplue. [Buch Iv 

leben Caesars von dem kaiser Napoleon HI. und die römische ge* 
schichte von Duruy (1870. L bd.). 

56 . Hervorragend ist dann nicht sowol auf dem gebiet der gesammt- 
geschichte als auf dem der inneren das werk ttber »römisdie alt^- 
tümerc von L. Lange^^). Es enthalt die entwickelung des ge- 
sanunten inneren statslebens vom ersten anfang an bis zur kaiser* 
liehen monarchie. Der name »altertttmer« ist .für ein solches werk 
nicht mehr passend ; es mttsste »innere geschichte des römischen stats« 
heisseu; denn in chronologisch forschender und doch auch wieder 
systematischer darstellung entfaltet es das werden, das wachsen, das 
blühen und das verfallen des römischen stats in der genannten epoehe. 

57 Langes verdienst ist es, in unzweifelhaft klaren und ausführ- 
lichen Worten die familie als grundlage des römischen stats hin» 
gestellt und aus den fonctionen und der natttrlichen gliederung der 
familie functionen und gliederung des ältesten römischen gemein» 
Wesens erwiesen zu haben. Mit zwingender natumotwendigk^t er- 
giebt sich dann hieraus die historische entwickelung des states dureh 
den Zwiespalt, den die Verbindung eines neuen Clements mit dem alten 
hervorruft; der kämpf, welcher die trennung oder Überwindung des 
einen bezweckt, vereinigt im ringen beide.; die ursprüngliche ein- 
heitliche politische form weicht der neuen gestaltung schritt für schritt 
Dadurch erhält das römische stat^wesen statt des sonstigen aussehens 
eines künstlichen baues das naturwüchsige büd zweier aus engver- 
wandtem boden aufspriessenden schösslinge, eines jungem, eines äHe^ 
ren, die, lange im Wetteifer des Wachsens begriffen, endlich ihre -weit- 
verzweigten krönen so in einander geschoben und gewirkt haben, dass 
eine trennung undenkbar ist, und die zweiheit der krönen nur durch 
beobachtung ihrer historischen entwickelung, der zweiheit der stamme, 
zu beweisen ist. 

58 Die gestalt des Lange'schen Werkes verbot es, alle in betradit 
kommenden fragen auf das eingehendste zu erweisen; allein die 
reichlich angeführte litteratur, sowie das vollständige queUen- 
material in citaten ermöglicht die nachuntersuchung durchaus; er 
selbst aber führt in synthetischer weise den bau der gesammtdar- 
stellung aus. 

59 Bein politische zwecke verfolgt die schrift von M. A. Trois- 



*i) 3 bde., 1. und 2. in 2. aufläge 1862—71. 



Cap. m.] Zur moderneii historiogrophie. 25 

fontaines: trait^ d'antiqait^s romaines consid^r^es principalement 
80U8 le point de vue politique*^. 

Daneben steht das werft von P. Willems: le droit public ro- 
main,.. ou les antiqnit^s romaines^') als practischer leitfaden deissen, 
was wir »äussere rechtsgeschichte« nennen, der, nut systemati« 
scher gruppirung der materien nach den 3 hauptphasen des politischen 
lebens: königtum, republik und principat, eine sehr sachgemässe Zu- 
sammenstellung der meinungsvarianten enthält. Der inhalt ist flir eine 
allgemeine geschichte nicht von grosser bedeutung. ^ 

Von andren rein fachwissenschaftlichen arbeiten ist, zu den von 
Sdnregler genannten, Rudorff: römische rechtsgeschichte, und Banz: 
ieirtnch der geschichte des römischen rechts, zuzufügen, beides vor- 
treffliche bücher. 

Dann ist noch der 1. band des »römischen statsrechts« von Th. 60 
Mommsen zu nennen; allein die juristisch dogmatische weise, in 
welcher hier vorerst das wesen der magistratur, herausgerissen aus 
aller historischen entwickelung imd in seine einzelnen bestandteile auf- 
gelöst, behandelt wird, wirft fast nichts far eine chronologische dal*- 
steUung der gesammtgeschichte ab, besonders was die ältere zeit 
betrifit. 

Wichtig und von grossem werte ist Th. Mommsens »römische 61 
ckonologie bis auf Caesar« und die von ihm im 1. bände des 
corpus inscriptionum Latinarum der Berliner academie veran^ 
staltete Zusammenstellung aller eponymen- angaben fftr die zeit der 
i'epablik, sowol der monrnnentalen und der buchmässigen fasten als 
auch der angaben der einschlägigen autoren Diodor, Livins, Dionys 
und Cassius Bio, gestützt auf die besten bis dahin bekannten hand- 
schriften jener autoren. 

Auch die von H. Jordan gegenwärtig bearbeitete topogra- 62 
phie Roms**) verspricht ein ebenso handliches als gründliches^ 
hfilfebuch zur allgemeinen geschichte der Römer zu werden; neben 
welchem der »codex topographicus urbis Romae« von C. L. Urlichs 
als materialsammlung und sichtung einen gleichen ansprach an aner- 
kennung erhebt 



»2) Bisher ein band 1866 2. aufläge. 

w) Löwen 2. aufläge 1872. 

^4) II. bd. zuerst erschienen, enthält qnellenkcitik. 



26 Antike und ttodenie Idstoriog^phie, Jfiueh 1. 

es Alk letzter stelle mögen dann noch meine »kritischen er- 
örternngen über den römischen stat«^) einen platz erhal- 
ten, in denen ich die von Niebnhr festgesetzten gnmdlagen der rö- 
mischen verfossungsentwickelnng negatir nnd positiT weiter zn be- 
gründen nnd genauer zn zeichnen bemüht bin.. 

CAP. ly. 
Bearteilan^ des stäodekampfes. 

<M ^ Berühren wir knrz die frage nach der anffiissnng des stftnde* 
kampfes in Bom. Ich sagte oben, dass mir Schwegler darin nicht 
ganz richtig georteilt zn haben scheine.^*) Freilidi seine einleiten- 
den Worte darüber müssen wir durchaus unterschreiben: »der kämpf 
der gemeinde gegen die patricische bürgerschaft kann im allgemeinen 
bezeichnet werden als ein kämpf des natürlichen rechts gegen das be- 
stehende recht, gegen das recht der auctorität und Überlieferung.« 
Das ist ganz richtig; allein es darf dabei nicht vergessen werden, dass 
das recht der auctorität und Überlieferung auch ein natürliches, ius 
gegebenen naturverhftltnissen erwachsenes ist; es ist kein künstlich 
und gewaltsam hergestelltes. 

^ Daher möchte ich diese bezeichnungsweise vermdden und, wie 
ich es ah andrem ort getan habe^^, lieber die beiden rechts- 
standpunkte sich gegenüberstellen als d^ natürlich gewordenen 
und den natürlich werdenden. Es ist demgemäss unrecht, in den 
Vertretern des letzteren unterdrückte zu sehen; solche sind viel- 
mehr erst aus einem freieren in einen unfreieren stand gedrückt. 
Das ist bei der plebs nicht der &11; so lange ihr domicil im römi- 
schen statsgebiet war, ist ihr recht stetig gewachsen, niemals ge- 
mindert worden. 

^ Daher ist es von Schwegler*®) und den gleichgesinnten hi- 
storikem: Niebuhr, Baumer, Savigny, Wachsmuth, Henne-^ 



^y Rostock 1871 ; 210 selten text Uebcr ihr Verhältnis zu Mommsens 
röm. forschungen siehe oben § 48. 

M) Schwegler II. p. 33-41. 

57) Vergl. buch 4. IIL 49. 

M) Froher hat freilich vielfach die ansieht dazu mitgewirkt, dass die 
ganze römische annalistik als pontifical-aufzeichnung patricisch gefärbt und 
daher nachrichten über plebeische leiden wahrheitsgetreu seien. Seit Nitzsch» 
Untersuchungen aber (siehe cap. I. und II.) fällt dieses verurteil ganz weg 
und es fällt vielmehr ein verdacht plebeischer färbung auf die ältesten und 
ihrer zeit einzigen historischen aufzeichnungen. 



Gapt IT.] Benrteilimg des sUndekasipfes 27 

bert und Mommsen, wozu wir neuerdings Ihne und die französi- 
scbcB Mstoriker hinzuzählen dürfen, nicht rechtlich bereditigt, stets 
nod durchaus f&r die plebs und gegen die patricier parte! zu ergrei- 
fen; denn recht ist recht , und wo zwei rechte collidiren, muss der 
compronuss entscheiden. 

Der coniproniiss verlangt aber eigentlich ein gleiches ab- <(7 
wSfen von nutzen und schaden für beide teile; das ist in Bom 
nicht geschehen, sondern die patricier sind immer die 
verlierenden, die plebeier immer die gewinnenden ge- 
wesen. Man könnte dagegen sagen, die patricier hätten durch ihr 
nachgeben nicht sowpl des states als ihre eigene existenz gesichert; 
beides ging freilich band in band. Allein der patricier existenz 
wire nur insofern in der späteren und fortgeschrittenen statsgewalt 
in frage gestellt worden, als sie durch ausscheidung des plebeischen 
teils der nation so sehr an zahl vermindert wären, dass die grosse 
statliche politik nach aussen hätte aufhören müssen. Derartige con- 
seq[nenzen wären erst in späterer zeit aufgetreten; dagegen in frü- 
herer und ältester zeit konnten die patricier innerhalb ihres gentili- 
cischen statswesens auch ohne plebeier existiren; und je nachdem sie 
dann die plebeier — die bloss anwohnende bevölkerung mitsammt den 
allmählich emancipirten patricischen dienten — in das statsinteresse 
nnd m leistungen heranzogen, erteilten sie il^nen auch rechte; wenige 
2v«r zn aafang, allein den plebeiem stand nidits im wege, diese aus- 
schlagen tmd das gebiet des patricischen states zu verlassen; so war 
bis zu diesem punkt der cömpromiss beiderseitig richtig innegehalten, 
durch Zuwendung von pflichten und rechten. 

Von diesem augenblick an aber, d. h, von dem anfang der re- 08 
publik an, haben die patri^er weder materiell noch ideell eine wirk- 
liche compendation für die nach und nach den plebeiem immer zahl- 
reicher mitgeteilten stats- lind privatrechte erhalten; denn dass der 
stat auch durch plebeiöche arme gestützt und gestärkt wurde, kam 
nicht den patriciem speziell zu gute, abgesehen davon, dass diese fUr 
ihren teil gerade so viel oder noch mehr leisteten. 

Wir müssen eine nation nach dem mässe messen, nach wel- 69 
chem sie selbst misst. Das recht, das formelle recht war alle- 
zeit des Bömers massstab. Wann wurde das formelle recht seit grün- 
dung der republik von den patriciem getrübt ?ß*) 



^d) Der traditionelle meuchehnord^ des volkstaiibünen Genucius ist mehr 



28 Antike und moderne historiograplue. [Buch 1. 

YQ 70. Es ist mir in diesen tagen ein bnch in die bände gefallen, 
das Schwegler (II. 34) ein »einst berüchtigtes jetzt vergessenes« nennt, 

als zweifelhaft; einmal ist er mit einer fQlle von detail bei Livius (2. 54) 
erzählt, die den kritiker argwöhnisch macht; dann aber ist Livius and seine 
quelle nicht einmal sicher, ob es ein mord sei; Genncius sei zu hause tot 
gefunden, meldet die tradition; und von den patriciem hätten auch die un- 
schuldigen absichtlich den schein der tat auf sich zu ziehen gesucht. Man 
sieht, ein sicherer bericht lag gar nicht vor, und erst plebeischer eifer in der 
tradition (die aedilicische chronik?) modelte das gerficht so um und fügte 
den höhn der patricier hinzu. Die zeit fällt sehr weit zurück (47«); ob 
gleichzeitige quellen aus derselben erhalten waren, bleibt fraglich. Dazu 
kommt das eigentümliche analogen des mordes des berühmten volkstribunen 
Livius Drusus aus der zeit des bundesgenossenkrieges im 7- Jahrhundert 
d. St., eine zeit, in der die rabiatesten lügner und falscher unter den anna- 
listen lebten. Was ist da denkbarer, als dass dem mord des Livius als ge- 
genstück ein tribunenmord in den ältesten Standeskampf eingeschoben wird ? 
Und die Verhältnisse sind nicht unähnlich: zu Livius' zeit handelt es sich 
um erteilung des Stimmrechtes an Latiner und weitere kreise im sinne der 
optimatenpartei ; der mord des Livius hatte den bundesgenossenkrieg zur 
folge. Zu Genucius' zeit handelt es sich uxü das Stimmrecht der plebeier, 
das dann in folge des mordes durch Yolero Publilius in ein höheres Stadium 
gehoben wird. Wenn die geschichten von Spurius Cassius, Spurius Maelius 
und Manlius Capitoiinus vielfach blos rückdatirungen von zuständen und er- 
eignissen der gracchischen und späteren periode sind (vergl. Th, Momm- 
sen Hermes V. 2. p. 235, 255, 269), so können wir mit demselben rechte 
Genucius einen abklatsch von Livius Drusus nennen. Dann aber können 
wir nicht mit Nitzsch (röm. ann. p. 86 ff., 153, 155) für diesen abschnitt 
des Livius einen aristokraten wie Yalerius Antias , sondern müssen einen 
demokraten wie Licinius Macer für die quelle halten; dafür spi:icht auch 
das schon von Nitzsch (p. 90) beobachtete zurückstehen und fehlen der ver- 
schiedenen Talerier und valerischen Verdienste bei Livius (2. 53 ff.), die 
Dionys (9. 34 ff.) berichtet Die ferneren umstände, dass Livius den coÜe- 
gen von Yolero Publilius: Laetorius in ein so viel glänzenderes licht stellt 
als Dionys (Liv. 2. 56; Dion. 9. 46), haben mich bewogen, das umgekehrte 
quellenverhältnis für Livius und Dionys in diesem abschnitt anzunehmen, 
als welches Nitzsch (a. a. 0.) ausspricht: nämlich für Livius hier Licinius, 
fiir Dionys Yalerius; dass bei Livius hier cognomina fehlen ist ein gegen- 
stück zu der zeit der licinischen kämpfe, in denen trotz offenbarster licini- 
scher quellenschaft die eponymen dennoch der zunamen entbehren, und 
dafür spricht besonders, dass Dionys (9. 38) im gegensatz zu Livius hervor- 
hebt, dass an Genucius' leiche kein zeichen gewaltsamen todes entdeckt sei, 
während Livius ihn geradezu 2>occisum« nennt. So ist Dionys' darstellung 
voll aristokratisch-valerischer, Livius' voll demokratisch-licinischerzüge; was 
die Übertretung des licinischen consulgesetzes durch die patricier seit dem 
jähre ^ betrifft, so vergl. dariiber budi 7 § 16 ff. 



Gap. 17.] Beurteilung des stäadekampfes 39 

ich meine das werk von C. F. L. Schultz: grundlegung zu einer ge- 
scMclitlichen statswissenschaft der Römer, 1833. £8 ist wahr, dass 
Schnitz durchaus den patricischen Standpunkt dem pläbeischen gegen- 
über eimiimmt, aber nicht in höherem grade als Niebuhr und besonders 
Mommsen dem gegnerischen das wort reden. Sie stehen sich darin 
als völlige Opponenten gegenüber, etwa in gleicher weise als sie in be- 
treff der modernen revolutionen, oder als der rechten und linken politi- 
schen partei unserer tage angehörig Stellung nehmen würden. Und 
der wegwerfende ton Schweglers über Schultz charakterisirt audi 
des ersteren Standpunkt. Das buch von Schultz verdient aber nicht 
durchaus vergessen zu werden; bei grossen mangeln, besonders in der 
^nellenauffassung ^% dürfen wir nicht vergessen, dass er ein prakti- 
scher statsbeamter (oberregierungsrat) war, der daher politische 
fragen weit mehr vom praktischen geschäftsstandpunkt aas als mit 
gelehrten äugen ansah; dann schrieb er in der^zeit der Julirevolution, 
in welcher er entschieden für die legitimität gegen das bürgerkönig- 
tmn partei nahm^^); so war er geneigt, directe parallelen zwischen der 
modernen und alten zeit zu ziehen. Aber die damalige Wissenschaft 
war nur in liberal-politischen bänden , daher er vereinzelt stand, er 
als politischer .patricier gegenüber den politischen plebeiem seiner 
zeit in der gelehrtenweit. Er wurde in folge dessen wenig gehört 
^d völlig verdammt. 

Seine anschauung ist die, dass die patricier als einzige ur- 71 
sprängliche bürgerschaft des ge^chlechterstats denselben durchaus 
stats- und privatrechtlich verhältnisgemäss geordnet hatten. In dieses 
feste statsgebilde, das auf der ungetrübten continuität des beste- 
henden rechts fusste, trat die plebs, teils aus ehemaligen dienten, 
teils aus zugewanderten bestehend, als neuer und störender bestand- 
teil ein, der widerrechtlich für sich gleichberechtigung und beteiligung 
an dem den geschlechtem allein zustehenden statsrecht verlangte, 
dann auf dem wege revolutionärer bewegungen das gesammte stats- 

60) Schultz schöpft z. b. die motive politischer färbung bei Livius und 
Dionys nur aus ihrer Stellung zum kaiserlichen Rom und traut ihnen viel 
zu viel Selbständigkeit zu. So reisst ihn auch .wol seine Überzeugung, dass 
die plebeier durchaus nicht übermässig unter den patriclem zu leiden hatten 
und dass die schuldverhältnisse sehr übertrieben dargestellt seien, zu dem 
übereifrig geführten beweisversuch hin, dass der alte zinsfuss nur 1 pct, be- 
tragen habe, woraus freilich zinsschulden schwerlich in hohem grade entstehen 
konnten; vergl. darüber buch 4. cap. I. § 10. note. 

61) Vergl. die vorrede. 



so Antike «iid moderne historiographie. \büdk 1. 

wol gegen jenen preis einsetzte und denselben anf diese weise erzwang» 
allein in ganz andrer gestalt, als er erst beabsichtigt wurde, da der 
preis der gleichberechtigong nun nur dem reichen und hervorragenden 
teil der plefos in folge seiner v^bindung mit den geschlechtem zu 
teil ward; die neue coalition aber scUoss sich noch viel vollständiger 
und absoluter ^egen die arme plebs ab und regierte völlig in egoisti- 
scher parteiweise. 

Von dieser darstoUung ausgehend, erkennt Schultz in dem alten 
geschlediterprincip ein berechtigtes und dem statswol günstigeres als 
in der unruhigen, eindringenden fremdenmasse oder in der späteren 
Vereinigung der beiderseitigen geld- und machtinteressen gegen die 
arme masse. und von diesem Standpunkt aus muss man ihm recht geben. 

72 Es lässt sich auch nicht entgegnen , dass die plebeier, als ehe- 
diem mit gewalt unterworfene, einen ansprach auf restitution gehabt 
hätten. Sieht man sie als durch krieg unterworfene an, so gilt eben 
das kriegsrecht im altertum durchaus; ebenso wie die Römer später 
ihre frftheren bundesgenossen die Latiner in ein untergeordnetes bür- 
gerrecht stellten und wie sie es noch weit mehr mit allen über- 
seeischen eroberungen machten. Und doch hat nie ein modemer 
statsrechtslehrer es als eine moralische pflicht der Bömer ange- 
sehen, Samniter und Spanier, Gallier und Griechen in ein gleiches 
bttrgerrecht aufzunehmen, wenngleich Rom seine kriege auch mit ihren 
armeen und aus ihrem gelde führte ; und die Latiner und Italiker haben 
walirlicbf nicht den schlechtesten sondern den besten teil der römischen 
armeen gebildet. So stand das gesammte Rom allen abhängigen naticmen 
g^enflber, wie in alter zeit die patricier den plebeiem. Und letztere 
dürfen dabei, wie wir schon sagten, als unterdrückte durchaus nicht 
angesehen werden; denn als Römer hatten sie einen zustand ur- 
sprünglicher Vollfreiheit nicht gekannt, abgesehen davon, dass sie 
ja auch zum teil mittelst freiwilliger enüassung aus dem altgentilici- 
sdien verbaue der clientel entstanden, auf fernere rechte gegen- 
über den patriciern keinen ansprach hatten. 

73 Was ferner die Schultz*sche anschauung über die entartung Roms 
unter der gemischten späteren nobilität betrifft, so lehrt die ge- 
schichte ja selbst, dass es so gewesen sei, und dass eine wirklich 
arme und gedrückte plebs erst den späteren Jahrhunderten der re- 
publik angehört. •2) 

«3) Yergl. meine abhandlung: vor mehr als 2000 jähren. Eine histo- 
risch-politische parallele, 1871. 



Gi^ IV.] Benrteüuii« diBs Madekimpte. 31 

Weim wir nun mit Schultz der piebs ein absolutes formelles 74 
recht cur gleichstellung mit den patriciem nicht ansprechen können, 
wenn wir gleichMs den patriciem das alleinige statsrecfat im alt- 
patriarchalisdien geschlechterstat vindiciren, so können wir in einem 
pnnkt freilich Schultz nicht recht geben, und das ist ein cardinal- 
paukt 

Schultz baut die alleinige gerechtsame der patricier auf ihren 75 
tatsächlichen rechtsstandpunkt und ihre rechtscontinuität auf, die ?on 
ihrer seite unverletzt nur durch die plebeier verletzt worden sei. 
Biese grundlage der Schultz'schen ansieht muss ich angreifen: die 
patricische rechtscontinuität ist durch die patricier zu- 
erst gestört worden. Ich muss zum beweise dieses umstandes 
etwas weiter ausholen. <^<) 

Der alte geschlechterstat war in genauer nachbildung der £a- 76 
nulle, gewährleistet durch göttliche sanction, ausgebaut Der könig 
als st^vertretender gemeindehausvater trug die natürliche weAe und 
machiblle eines solchen in sich, und die künstliche form der ge- 
staltung, welche der natfirlichkeit eintrag tat, wurde durch die gött- 
liche bestätigung gut gemacht (auspicien, Inauguration). Der alt- 
patriarchalische geschlechterstat war daher notwendig und folgerichtig 
monarchisch, eine monarchie fXkv die als gesetz das göttliche 
recht, las, galt, dessen Übertretung stufenweise von der jedesmal 
höheren machtstufe geahndet wurde <^). Wir haben es noch mit alt- 
gäajbigen und streng . gottesfürchtigen zelten zu tun. 

In diese streng regulirte monarchie drangen störend tyrannische 77 
elemente, die unter den traditionellen Tarquiniem das statswesen 
Tom göttüchen recht loszulösen und auf menschenrecht zu redu- 
ciren strebten. Der stat und seine glieder, die bürgerschaft, hatten 
^e pflicht, dies auf nefas gegründete dement zu stürzen und das 
^te herzustellen. Das erste geschah. Das zweite nicht. 

Die geschlechterbürgerschaft schaffte die von den göttem geheiligte 78 
numarchie ab und usurpirte in ihrer gesammtheit unter wechselnden 
bäuptem derselben die herrschaft. Das ist der bruch in der alt- 
patricischen rechtscontinuität, von den patriciem selbst ausgegangen. 



Vergl. meine kritischen erörterungen über den römischen stat, III. 
p. 166-210. 

^) Die Übertretung des bürgers bestraft durch den könig, die des kö- 
oigs durch die götter. 



32 Antike and moderne Historiographie. puch 1. 

Das war der präcedenzfall fdr fernere brüche von seilen der 
plebs. Zwar zu anfEung einigten sich patricier und plebeier anf dem 
wege des compromisses über ihr Verhältnis zum gesammtstat, sei 
es dass die schon früher den plebeiem garantirte Stimmrechtsordnung 
neu anerkannt und vielleicht erweitert wurde, sei es dass dies ganze 
verfahren erst jetzt in's leben trat. Allein hatten sich die patricier 
einmal vom alten statsrecht losgesagt , dann war den plebeiem der 
weg gezeigt, wie sich auch loszusagen. 
79 Und dies lossagen fand seinen ausdruck in der seit der ersten 
secession eintretenden dualistischen statsbildung. 

Sich selbst constituiren, ihre eigenen beamten als Vertreter den 
patriciem gegenüber ^^) wählen, persönlichen rechtsschutz haben: das 
war die folge des präcedenzfalles. Yo^ da an aber haben die plebeier 
nicht aulgehört, zu verlangen und zu nehmen, wozu ein formelles 
recht ihnen nicht zustand.*^) 

80 . Ein ursprüngliches abweichen vom alten rechtsboden war also 
von beiden seiten begangen. Allein während der einmalige brach der 
patricier mit dem bestehenden den plebeiem zugleich rechte zuführte, 
so trat von seiten der plebeier eine fortgesetzte beeinträchtigung des 
bestehenden ein, die den patriciem nur nahm, was dem anfänglichen 
compromisse zu folge das ihre war. Die plebeier konnten für diese 
Usurpationen eine rechtliche begründung nicht liefern; ebensowenig 
als jetzt der arbeiter einen rechtlichen ansprach auf seines arbeite 
gebers capital und industriellen verdienst hat, so lange nicht vermö- 

. gen diebstal heisst. 

81 . Das einzige, was die plebs für sich anführen kann, ist, dass sie 
bestehe, dass sie von diesem gründe aus schon einen ersten schritt 
zum wachsen und werden gemacht habe, und dass das organische ge- 
setz des Wachsens sie zur weiteren ausdehnung treibe. 

82 Damit war der krieg zwischen beiden parteien erklärt, und der 
unterliegende musste seine ansprüche und sein recht aufgeben. Es 
war der krieg des im Vollgefühle der kraft auf eroberung ausgehen- 
den princips gegen das mit festgeschlossenem visir sich wehrende und 
verteidigende, das auf sein althergebrachtes recht sich stützende, des 
werdenden gegen das gewordene. 

83 Man darf dabei für die plebeier keinen zu grossen rühm daraus 



^) Zwei tribunen nach dem vorbild der zwei consuln. 
«•) Vergl. unten buch 7. cap. IV. von anfang an. . 



Cap. IT.] Beurteilung des Ständekampfes. 33 

machen, dass sie nie mit Waffengewalt und Umsturz ihr ziel erreicht 
baben ; die patricier waren eben weise genug, es nie so weit kommen 
zu lassen, sondern vorher wenigstens einem stück der plebeischen for- 
demngen nachzugeben. Man nenne das selbsterhaltung, egoismus, Zag- 
haftigkeit; immerhin steht es fest, dass die patricier es nicht bis zum 
gewaltsamen bruch kommen Hessen; hätten die plebeier mit jener we- 
niger klugen griechischen aristokratie zu tun gehabt, wer weiss, ob sie 
nicht wie die heisse griechische demokratie das kind mit dem bade 
verschüttet hätten? 

Nicht dass ich mich auf die patricische seite im Standeskampf 84 
stelle; ich sehe die notwendigkeit und folgerichtigkeit der Verschmel- 
zung zur gleichberechtigung ein. Allein ich hüte mich, den patriciem 
einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie mit äusserstem widerstre- 
ben ihre erb- und eigentümlichen rechte trotzigen gegnem einräum- 
ten, abgesehen von dem dem altgläubigen Römer schwerwiegenden 
religiösen bedenken; und ebenso lobe ich sie, dass sie weder mit Starr- 
heit jene Verschmelzung abwiesen, noch den stürmenden planen ehr- 
geiziger Volkstribunen schnell und bereitwillig nachgaben. Ich brauche 
nicht zu erwähnen, dass unter patricischen feldherm und oberbeamten 
mit einem hauptsächlich patricischen senat Bom am ende des 4. Jahr- 
hunderts der Stadt jene den nachbarvölkem gegenüber schon imponi- 
rende Stellung eingenommen hatte, die die notwendige grundlage für 
die späteren äusserlich glänzenderen erfolge des states war. Es ist 
recht, dass der erfolg über die Zweckmässigkeit einer verfassungs- 
massregel entscheidet, wie Schwegler (2. 37) sagt; ist aber das in gün- 
stiger beziehung auf die ausgleichung des Ständeunterschiedes zu be- 
ziehen ^7), so möchte ich es in noch viel höherem grade auf den zähen 
und lang dauernden, nur allmählich und langsam nachgebenden wider- 
stand des patriciats gegen das vordringen der plebs angewandt wissen; 
dadurch eben erhielt das statliche leben die festigkeit und stalartige 
dauerhaftigkeit, die in den rascheren evolutionen der griechischen 
staten nicht erworben werden konnte; daher diese sehr viel schneller 
von der blute zum verfall kamen als Rom, das durch die während 
anderthalb oder zwei Jahrhunderten des Ständekampfs erworbene po- 



<{7) Wenn auch nicht in allen stücken, denn das aufheben des Stände- 
Unterschiedes rief als unmittelbare folge den viel schärferen unterschied der 
späteren republik zwischen reich und arm hervor, an dem die republik end- 
lich unterging. 

OlaaoD, röm. geach. I. 3 



34 Antike und moderne historiog^pliie. [Bach 1. 

litische kraft noch fernere 300 jähre bis zu seinem politischen unter- 
gang lebte. 

^^ Aber auch der plebs sei das lob gesprochen, dass sie niemalS), 
wie der modem-doctrinäre liberalismuSy gleich die gsioze politische frei- 
heit und regierungsgewalt erstrebte, sa»dem gleichfalls von egoistiseh- 
richtiger berechnung ausgehend, jedesmal nur einzelne stUcke des ge^ 
sammtpreises verlangte und von diesen gewöhnlich sich npch etwas 
abdingen liess. 

36 Wir haben es also mit zwei durchaus klugen und tX^dbtigm 
gegnem zu tun, die das historisch notwendige ringen nkht zur de- 
struction ihrer Umgebung, sondern zur construction, zum «uf- 
bau des gemeinsamen wohnplatzes benutzt haben. Allein in di«^er 
anschauungs und beurteilungsweise des st^dekampfs liegt hi&torisabe 
gerechtigkeit und Wahrheit. 

B7 Und hier mag nun auf den umstand hingewiesen sein, der in dsr 
ganzen Weltgeschichte seine bestätigung findet: Die kämpfenden parteiien 
der Politik haben nie in erster linie das allgemeine statswol in der weise 
im äuge, dass sie auch die existenz der eigenen partei demselben ^toa 
Opfer bringen würden. Es ist dies teils egoismus, teils gute absk^, 
aber in dem beschränkten gesichtskreis, dass nur und allein die eigene 
partei das heil herbeiführen könne. Daher ist es zugleich die pohtik 
jeder partei, die gegnerische zu entkräften und lahm zu legen; sie 
sieht nicht ein, dass sie damit das leben des states tötet; denn 
im kämpf zeigt sich das leben; der kämpf treibt wie ein frühlings- 
sturm und wie die sommersonne alle keime hervor und zur blUte; 
ohne den kämpf würde ein stagniren eintreten, das dem State stets 
verderblich war. Dadurch aber dass jede partei ihre ganzen kräfte in 
den kämpf führt, tritt eine gegenseitige balance ein, ein gleichgewicht, 
das ab und zu schwankt, aber eben in dieser Stellung am fruchtbar- 
sten, weil ohne Zerstörung, ist. So tritt denn ohne absieht, ja gegen 
die absieht der kämpfenden das ein, was dem stat zur dauernden 
förderung dient. Dass aber die parteien in ihrer blindheit und gegen ihren 
willen den rechten weg gehen, das kann dann weder dem zufaU, noch 
einem rein logischen notwendigkeitsgesetz zugeschrieben werden ; darin 
sehen wir im gegensatz zum wirken der menschheit die göttliche 
Weltregierung, die stetig und fest die ztigel hält und zum heile 
leitet, so lange nicht der ausgesprochene wille der Zerstörung sich unter 
den Parteien geltend macht, so lange der weg irdischer gerechtigkeit 
gegangen, die bahn der politischen verbrechen gemieden wird. So 



Cap. IV.] Beurteilong des Ständekampfes. 35 

lange der gute wille in der politik herrscht, so lange weiss der 
Weltengott die mangelhafte tat und handlung -durch ftlrsorgende lei- 
taug zu ergänzen; ein verbrechen aber ist nicht mehr gut zu machen; 
da tritt die göttliche gerechtigkeit an stelle der göttlichen gnade; 
das politische verbrechen hat daher den politischen Untergang der 
nationen zur folge. Und das tritt nirgends deutlicher als bei den 
Bömem hervor. So lange es ein parteikampf zum besten des states 
auf nicht durchaus widerrechtlicher bahn war, so lange steht Rom 
in seiner einzigen grosse da; trotz wechselnder Standes- und par- 
teiverhältnisse, trotz vielen abirrens von der guten alten sitte: Born 
wächst und blüht. Aber von dem augenblicke an, als das verbrechen, 
der vollbewusste Umsturz des politischen rechts, politisches mittel 
wurde, von dem augenblicke an jagt der stat seinem Untergang zu — 
seitdem nämlich Tiberius Gracchus den grundsatz in*s politische leben 
einführte: »der zweck heiligt die mittel«, und von diesem aus gegen 
das gesetz seinen intercedirenden coUegen im volkstribunat des amtes 
entsetzen liess. 



ZWEITES BUCH. 

ÄUSSERE UND INNERE GESCHICHTE VON DEM GALLI- 
SCHEN BRANDE BIS ZUM LICINISCHEN GESETZES- 

CONFLICT. 

366 d. st 377 d. 8t> 

389 Y. Chr. 377 v.Chr. 



CAP. I. 

Politische und militärische läge Roms und seiner naehbaren 

zur zeit des gallischen brandes. 

1 Dass die traditionelle motivirung des einfalls und krieges der Gal- 
lier gegen Born unhaltbar ist, gilt jetzt wol allgemein als zweifellos^). 
Die Gallier fragten nicht nach völkerrechtlichen Verletzungen in ihren 
allgemeinen grossen Wanderungen; wie überall war es die Wanderlust 
auch hier, die dieselben nach Mittel- und Unteritalien führte. Und Jene 
erste Überschwemmung dieser landschaften mit ihren horden muss eine 
ziemlich ausgedehnte gewesen sein, die sich durchaus nicht auf Born 
beschränkte. Der bericht Diodors (14. 117), dass Camillus einer 
aus Apulien zurückkehrenden Gallierschar das in Bom gezahlte beute- 
geld abgenommen hätte, wenngleich an und für sich unwahr 3), deutet 
doch 80 viel an, dass die gallische invasion sich auch auf das übrige 
Italien erstreckt habe. Es ist auch klar, dass die von Apulien heim- 
kehrenden Gallier nicht diejenigen sein konnten, welche Rom ver- 
wüstet hatten, denn es ist sicher bezeugt, dass diese direct von Bom 



1) Vergl. Ihn 6 I. 227ff.; Mommsen r. g. I. 321 ff. folgt der tradition 
ohne reflezion; Schwegler 3. 237 ff. ist noch zu unsicher, wie weit er die 
tradition anerkennen oder verwerfen soll. 

>) Ihne I. 230; Schwegler 3. 265 ff. 



Cap. L] Politische und militärische läge Roms. 37 

nach hause zurückgekehrt seien*), und zwar, weil die Yeneter in ihre 
neuen Wohnsitze am Po eingefallen waren. ^) 

Wir haben es also mit einem allgemeinen einfall der Gallier in 
Italien zu tun, der sich bis an das südende in verschiedenen strömen 
aasdehnte, von denen aber ein ström bei Bom oder in Latium halt 
machte und dann mit den aus dem Süden zurückkehrenden landsleuten 
die rttckwanderung antrat.^) 

Die allgemeine Verbreitung der Gallier auf ihrem beutezug lässt 2 
voraussetzen, dass andre orte und landschaften ähnlich wie Rom heim- 
gesucht worden waren, sowol die offenen orte der Latiner und Her- 
niker, als die aequischen und volskischen gegenden. Es waren aber 
dann überall, wie in Rom das capitol, die festen platze — also jeden- 
falls Präneste und Tibur — verschont geblieben, und diese hatten 
sich dadurch eine hervorragende Stellung erworben. 

Der schaden selbst war gleicherweise wie für Rom so auch für 3 
dessen nachbarn nur vorübergehend; es war mehr eine zeitweilige läh- 
mung gewesen. Daher treten denn die territorialen und machtverhältnisse 
jener gegenden nicht wesentlich verändert im Verhältnis zu früher auf; nur 
freilich hatte eben die zeitweilige lähmung Roms und des gesanmiten la- 
tinischhernikischen bundes zur folge, dass während der gallischen occu- 
paüon jeder bundesstat auf sich und die eigenen resourcen angewiesen, 
und somit das bundesverhältnis tatsächlich aufgehoben war. Diejenigen 
orte, welche der gallischen invasion widerstanden hatten und unge- 
schädigt geblieben waren, wie Präneste, Tibur und zum teil Rom, 
nahmen, wie gesagt, allen andren gegenüber eine hervorragende Stel- 
lung ein und scheinen unmittelbar danach eine reihe schwerer ge- 
troffener Ortschaften, sei es gütlich, sei es zwangsweise, in ein ab- 
hängiges bundesverhältnis zu sich gebracht zu haben % Die römische 
tradition weiss zwar nichts von solchen Verwüstungen Latiums und der 



«) So Polyb. 2. 22. 5; vergl Diodor 14. 116ff. 

*) Polyb. 2. 18. 3 und Plut. de fortit. Rom. 12. 

^) Dieser umstand spricht auch für die längere dauer der belagemng 
nnd occnpation Roms durch die Gallier; Ihne I. 229, welcher gegen eine 
Tmonatliche dauer sich ausspricht, wiü die annähme derselben auf den dem 
Camillus im februar 365, 7 monate nach der schlacht an der Alia, zuge- 
schriebenen triumph zurückführen, allein da dieser triumph, wie Ihne selbst 
mit recht sagt, erdichtet ist, so ist er auch wol erst wegen der annähme 
einer 7monatlichen dauer in den februar 365 gerückt worden. 

^) Yergl unten § 91. über Präneste und die davon abhängigen Städte; 
80 auch Tibur. 



38 ^01° gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

nadibarterritorien , allein die analogie Roms lässt durchaus darauf 
schliessen. 
4 Die politische läge der latinischen und hemikischen verbündeten 
Rom gegenüber war während der lang dauernden. Aequer- und Yolsker- 
kriege, unter denen jene beiden Völkerschaften vor allem zu leiden 
hatteoi aus dem zustande der gleichberechtigung ein schutzverhältnis 
unter Rom geworden. Der hiermit eingeschlagene weg musste endlich 
zu völliger abhängigkeit fahren, und das haben vielleicht die Latiner 
und Hemiker eingesehen. Ob sie in folge dessen ihre ehemaligen 
feinde als hülfen und stützen gegen ein übergreifen Roms gesucht 
haben, ist freilich fraglich 7). So sollen sich Lanuvium, Yelitrae und 
Circeii mit den Yolskem verbunden haben (Liv. 6. 21), sei es nun, dass 
wir darunter eine freiwillige Vereinbarung oder eine von den Yolskem 
erzwungene bundesgenossenschaft zu verstehen haben. Dazu wird von 
Javius (6. 1, 10, 12; 17) mehrfach erwähnt und gerügt, dass bürger 
latinischer Städte im beere der Yolsker dienten. Wenn nun auch auf 
die einzelnen tatsachen kein zu grosses gewicht gelegt werden darf — 
die historische beglaubigung derselben ist ohnehin precäi* — so scheint 
mir doch aus dem ganzen hervorzuf ehen^ dass der latinisch hemikische 
bund mit Rom so gut wie aufgelöst war, und dass jede einzelne stadt 
das i^^glück Roms zu benutzen suchte, um sich dem lästigen über- 
gewicht desselben zu entziehen. Ausserdem ist zu bemerken, dass die 

896 

Römer im jähre -^ zum ersten mal wieder ein latinisches con- 
tingent in ihrem beere haben (Liv. T. 12. 7), was auf eine emeuerung 
des alten bundesvertrags hindeutet; während Livius (6. 2) unmittelbar 
nach dem abzug der Gallier von einer »defectio Latinorum Hernico- 
rumque« spricht, was freilich nicht wörtlich zu fassen ist, wol aber 
als illustration des tatsächlichen zustandes betreffs der lösung des 
alten bündnissee gelten kann, 
ö Es war demnach ein kritischer moment für Rom, als die Gallier 
das feld geräumt hatten. Zwar standen ohne zweifei auch einige der 
bundesstädte zu Rom, und dieses selbst hatte von seiner territorialen 
ausdehnung nichts eingebüsst (darüber unten § 7 ff.), allein die Oppo- 
sition in den alten bundeslanden war bedenklich, besonders im falle 
einer coalition mit Roms feinden. 

Einen selbständigen' krieg freilich scheinen die Latiner und H«r- 



7) Darüber unten § 52. und cap. lY. 



Cap. I.] PolitiBcfae und raüitärische läge Roms. 39 

aiker nicht gegen Rom geftthrt zu habend), vielmehr ging wol ein 
siAcfaer jedesmal rm den langjährigen feinden, den Yolskem nnd 
Aeqmem, aus. Allein es war schon schlimm genug, dass die Römer 
in Latium eine apathie und neutralität bei den auswärtigen kriegen 
Roms Yor&nden.^) 

So war Rom denn grösstenteils auf sich angewiesen i<>). Es gilt 6 
daher festsustdlen, über welche mittel Rom gebot. 

Dass man sich keine zu grossen Vorstellungen von Roms grenz- 7 
aosdehnuDg machen darf, geht schon daraus hervor, dass Yeii als die 
erste grössere erwerbung gilt, und zwar eine erwerbung, die das rö- 
mische gebiet ungefähr verdoppelte (Ihne I. 213). Die früheren ge- 
htetserweiterungen also waren verhältnismässig geringfügig und be-^ 
sehräidien sich auf weniges. 

808 

Was die zum jähre -^ von der tradition berichtete aneignung 8 
der feldmark von Oorioli") betriflt, so nimmt Ihne") eine wirkliche 
oGCupation derselben als erste römische gebietserweiterung an. Nach 
Liviusi») abw wird das territorium grösstenteils an die Ardeaten zu- 
rOckerstattet; und Schwegler (8. 129 note) bemerkt ganz richtig, 
dass damals weder Ardea noch Corioli in eine römische colonie ver- 
wanddt sein konnte, da sonst die ackeranweisungs-triumvim auch dort 
von Rom aus zur rechenschaft hätten gezogen werden können. Bei 
der Unsicherheit der tradition, der offenbar plebeisch gefärbten dar- 
sUUungi^), und der äusserst geringen Zuweisung von ackerparcellen 
an Römer nach der tradition scheint überhaupt die ganze occupation 
jenes gebietes problematisch zu sein. Unter keinen umständen aber 
dürfen wir eine politische gebietserweiterung Roms darin sehen. 
Wenn überhaupt, so erhielten einzelne Römer dort einen ackerbesitz, 
aber auf latinischem, nicht römischem territorium 1^). 



8) üeber Präneste unten § 88 ff. 

' ») Darüber unten § ö2. und cap. IV. 

^^) Dass Livius nie von bundesgenossen Roms spricht, ist zwar kein be- 
weis dafür, denn die Römer lieben es, bei erfolgen die tätigkcit der ver- 
bündeten zu ignoriren. 

11) Ueber die läge vergl. Manner t: geographie der Gr. u. Eöm. 9. 1. 

p. 644. 

12) I. 190 ff. und 215 ff. 

18) 3. 71 ff., 4. 7 ff., besonders U. 

14) Sie geht auf Licinius Macer zurück ; vergl. buch 1. cap. I. 

15) Ardea wurde wahrscheinlich nach seiner eroberung durch die Römer 
im js^re -^^ in den latinischen bund als sogenannte latinische colonie 



40 ^om gallischen brande bis zom licinischen gesetzes-conflict. [Bucl^ 2. 

9 Als erste eigentliche gebietserweiterong dürfen wir demnach die 
erobemng von Fidenae^^) und die einziehnng des gebietes der 

828 

Stadt im jähre -^^ ansehen '7). Fidenae lag etwa 5 römisdie, 
1 deutsche meile von Rom aus nordwärz am Tiberstrom. Sein gebiet, 
welches durch die benachbarten Städte Rom und Yeii begrenzt war, 
konnte kein grosses sein; der Zuwachs, den Rom dadurch erfuhr, war 
demgemäss gering, nur wurde die berührung mit Yeii nun intensiver 
und ausgedehnter. 
10 Die ansichten gehen darüber auseinander, ob Labici^^) eine 
römische bürgercolonie gewesen sei oder nicht; femer auch ob es als 
eine latinische colonie oder nur als ein eroberter ort mit ackeranwei- 
sungen an römische und latinische bürger anzusehea sei. Für ersteres 
erklären sich Niebuhr (2. 489), Madvig^^) und Ihne (r. g. 1. 195), 
indem sie sich auf den Wortlaut des Livius (4. 47) berufen, und Mad- 
wig ausserdem anführt, dass Labici unter den 30 latinischen colonien 
zur zeit des zweiten punischen krieges nicht genannt wird (Livius 27. 
9 ff.). Danach kann freilich die Stadt in jener zeit nicht latinische 
colonie gewesen sein. Allein Mommsen (r. g. 1.351 note) führt ge- 
wichtige gründe gegen die annähme einer römischen colonie in's 
feld. Er sagt, dass einmal Diodor (13. 6) über diese colonisirung 
schweige, dann dass Labici nicht an der küste liege, während dies 
von allen älteren römischen bürgercolonien gelte; drittens dass 
die Stadt noch später als autonom erscheine. Das wichtigste ist das 
letzte. Es ist wahr, dass Dionys (5. 61) in seinem Verzeichnis der 
latinischen bundesstädte , welches dem aiphabet nach nicht vor das 
5. Jahrhundert fallen kann^^), auch Labici mitzählt. Dann kann es 
eben nicht römische colonie gewesen sein. Doch beruhigt sich Momm- 
sen auch dabei nicht, sondern will Labici auch nicht als latinische, 
colonie anerkennen. Sein hauptgrund ist der, dass in Latium selbst 
eine latinische colonie nicht könne angelegt worden sein. Dabei aber 



aufgenommen , allein Rom gewann dadurch durchaus keine Sonderrechte über 
die Stadt; vergl. Niebuhr 2. 508. 

16) üeber die läge vergl. Mannert: geogr. 9. 1. p. 618. 

17) Niebuhr 2. 616ff.; Ihne I. 198ff.; Schwegler hat den krieg 
und die eroberung ganz übergangen. 

18) üeber die läge Mannert: geogr. 9. 1. 657. 

id) De iure et condicione coloniarum pop. Romani, in den opuscula aca- 
demica p. 264 ff. ; 1834. 

90) Mommsen r. g. 1. 350 und röm. münzwesen p. 312 Note 67. 



Gap.I.] Politische und miHtärische läge Roms. 41 

geht er von der ansieht aas, dass das spätere Latium schon von an- 
&ng an dieselben grenzen gehabt habe, die nur zeitweilig von Aequem 
imd Yolskem überschritten worden seien, auf welche weise dann die 
orsprttnglich latinischen städte aequisch und volskisch wurden, später 
aber in ihr altes bundesverhältnis zurücktraten. Dass diese anschauung 
aber keine historische gewähr habe, werden wir unten sehen (cap. n. 
und in.)* Vielmehr sind Yolsker und Aequer beim ersten histori- 
schen und nicht fingirten oder sagenhaften auftreten im besitz un- 
gefähr der ganzen gegend südlich und östlich vom Albanergebirg, so 
dass Velitrae, Labici, Präneste und Tibur in ihren bänden lagen ^0 
und daim erst allmählich durch die römisch- latinische coalition jenen ab- 
genommen und teils colonisirt, teils mit ihrSm bestand in die bundes- 
genossenschaft aufgenommen wurden. Diese tatsache hebt das beden- 
ken Mommsens auf. Das Latium, wie es später bestand, wurde offen- 
bar als massstab zur ansetzung und bestimmung derjenigen latinischen 
fitädte angewandt, welche man als die ältesten bundesglieder ansah. 
Daraus entstand der irrtum, dass dieselben vor der volskisch-aequischen 
occupation schon einmal latinisch gewesen wären. Die grenzen des 
ftpäteren Latiums scheinen erst kurz vor dem grossen Latinerkrieg. 
erreicht worden zu sein, da Satricum, Präneste und Tibur erst damals 
in den latinischen bund aufgenommen wurden 22). Somit stellt aber 
auch jenes Verzeichnis des Dionys nicht, wie Mommsen meint, den 
zustand etwa des Jahres -~— dar, sondern vielmehr denjenigen, in 
welchem sich Latium zur zeit des grossen krieges von -— — -~ be- 

940 988 

fand, wie ja auch die alphabetische reihenfolge bei Dionys gleich- 
falls in das 5. Jahrhundert weist^«). 

Der umstand, dass Labici später, zur zeit des zweiten punischen 
krieges, nicht mehr unter den latinischen colonien einen platz hat, 
muss dann darauf zurückgeführt werden, dass es entweder nach dem 
grossen Latinerkrieg oder zu irgend einer späteren zeit in das römi- 
sche bürgerrecht sine suffragio aufgenommen wurde und möglicher 
weise seine autonomie völlig dabei verlor. 

8S6 

Wir aber müssen in Labici eine im jähre -^^ den Aequem 
entrissene und von bundeswegen colonisirte Stadt erkennen. Labici 



21) Vergl. auch unten § 23. am ende, § 45 u. § 105. grosse note. 

23) Vergl. buch 6. cap. IL und IV. 

28) Mommsen 1 ^. 350 note unten kommt mit seinem ansatz in das 
jähr 1^ selbst in conflict , da sich Setia unter den dionysischen orten be- 
findet, dessen colonisation Mommsen mit recht nach 370 ansetzt, vergl. §83. 



flS Vom gallischea brande bie zmn Hcinischen i^esetzes-conflict. [Bach 2. 

lag zwischen Rom und Präneste, etwa 15 römische meilen von ersterem 
orte eBtfernt.**) 



^) So gut wie alle tob der tradition der Alteren zeit zngewieseneo oo- 
knien Roms sind, wie Ihne I. 195 note 3 mit recht bemerkt, der fabel 
zuzuweisen ; wir haben in den berichten ausschmückungen zur ferherrlichung 
Roms, und in den Ortschaften selbst, soweit sie tlberhaupt existirt haben, 
meist latinisch-hemikische bundesstädte und colonien zu sehen (ausgenom- 
men hierron sind unter den unten angeführten Städten Antemnae und Fi- 
denae; Grustumerium und Pometia sind in historischer zeit nicht mehr tor- 
banden). Der umstand, dass, so viele derselben später noch existiren, sie 
als Ortschaften teils mit römischem, teils mit latinischem bürgerrecht Auf- 
treten, hat die tradition, dig den Ursprung der erscheinungen, soweit er nicht 
historisch fixirt ist, gern möglichst weit zurück . datirt , bewogen die Städte 
schon in der periode römische colonien zu nennen, als Rom einerseits noch 
nichts weiter und um nichts mächtiger als seine nachbargemeinden war, 
andrerseits eben diese gemeinden vielfach mit Rom selbst in collision ge- 
raten. Dass römische colonien sich mit dem feinde Roms allüren sollten, 
ist undenkbar ; solchen anschauungen schwebt die Vorstellung griechischer 
autonomer colonien vor, mit denen die römischen nichts gemein haben; 
letztere sind stets nur örtlich getrennte teile der gesammt- und mutter- 
gemeinde, deren vorteil und nachteil auf das engste mit dieser verbunden 
ist. Freilich kann das, was die tradition ab fall einer colonie nennt, in 
Wahrheit eine eroberung und aufhebung der colonie durch feindeshand ge- 
wesen sein; allein es ist das eine hypothetische erklärung der quellen. Und 
das steht fest, dass ein von Rom aus colonisirter ort in späterer zeit nie- 
mals eine von Rom unabhängige existenz und politik führt; daher gilt die 
colonisation eines eroberten ortes gleich der aufhebung seiner sonder- 
autonomie. Zu jenen falschlich sogenannten älteren colonien Roms gehören 
nun: Antemnae, Antium, Anxur, Ardea (siehe oben §8), Circeii, 
Gora^ Grustumerium, eine Stadt, deren existenz historisch nicht mehr 
nachweisbar und wol hauptsächlich aus der tribus Grustumina geschlossen 
ist, Fidenae vor seiner Zerstörung, Norba, Pometia, Signia (Mad- 
vig opusc. acad. p. 260 ff. ist der ansieht, dass Signia, Girceii, Norba, Ar- 
dea, Sutrium, Nepete, Setia ursprünglich von Rom aus colonisirt worden 
seien, später aber auf irgend eine weise sich von Rom losgesagt und dem 
latinischen bunde angeschlossen hätten. Ein solcher Übergang und Wechsel 
im colonialrecht ist in historischer zeit nicht zu constatiren. Es heisst, 
den unverständigen angaben römischer annaUsten zu viel rechnung tragen, 
wenn man auf ihre aussagen gestützt solche möglichkeiten aufstellt Wir 
müssen diesen erklärungsversuch daher zurückweisen und werden in betreff 
Sutriums und Nepetes noch näher darauf einzugehen haben; vergl. § 16 ff.), 
Yelitrae (siehe buch 3. § 43 ff. und unten cap. IV. § 105; buch 6 cap. 
III.}; zum teil weiss die historische zeit überhaupt nichts mehr von ihnen, 
zum teil wird eine spätere erneuerte colonisation berichtet, so beiVelitca«; 
im übrigen sind sie zum grossen teil in älterer zeit latinische bundesstädte; 



.»■Mfa 



Cap. I] Pdithcfae und militärisdie läge Roms. 43 

340 

Im jähre -^ wurde nach derselben richtung hin eine fernere 11 
aqmsition gemacht, indem die Stadt Bolae, welche wie Labici imW 
sitz der Aequer war, erobert wurde**). Die läge von Bolae ist un- 
sicher; nach Kieperts annähme^ liegt es ungefthr in gerader linie 
von Labici nach Präneste auf % des weges von ersterem ort aus. 

Auch bei Bolae ist es fraglich, ob es in römischen oder bnndes- 
besitz überging. Niebuhr (2. 663 note 1280) und Ihne (1. 196) 
sprechen sich fftr ersteres aus. Allein der livianische bericht kann 
dafür nicht massgebend sein. Die eroberung war offenbar von bundes- 
vegen gemacht, [musste also auch dem bunde zufallen. So werden 
denn wol gemeinsame ackerassignationen stattgefunden haben; eine 
eigentliche colonie wurde nicht angelegt, dagegen wol der ort durch 
vom bunde bestellte beamte verwaltet und regiert. 

359 

Eine fernere colonisation im Volskerlande wird zum jähre -rrr- 12 
berichtet (Livius 5. 24, 29). Niebuhr (2. 560) vermutet, dass dies 
auf die colonie Vitellia zu beziehen sei, die zwei jähre später aber 
an die Aequer verloren ging und von deren Wiedererrichtung nichts 
gesagt wird*^). Eine gebietserweiterung wird schwerlich angenommen 
werden dürfen; wenn überhaupt diese ganze geschichte historisch be- 
glaubigt ist. Dazu dürfte auch hier, wie bei Labici, nur an eine la- 
tinisehe colonie zu denken sein. 

Während wir nun ausser Fidenae keine eigentlich römische ge- 13 
bietserweiterung kennen gelernt haben, findet eine solche in sehr be- 
deutendem massstabe durch die crwerbung eines teiles von Sttdetru- 
rien mit der eroberung und Vernichtung Veiis^») im jähre -^^ ein. 

Veii wird in der älteren geschichte als die rivalin Roms darge- 14 
stellt; und wie Rom der hauptort des nördlichen Latiums ist, so ist 
^eii der des südlichen Etruriens. Haben wir nun gesehen, dass Rom 
^üie art von hegemonie in Latium, speciell in der nachbarschaft, 
^^e, ja eine ehedem autonome gemeinde incorporirt hatte, so 

^^i'gl. «uch Mommsen röm. münzwesen p. 309 ff. und röm. gesch. 1. 350 
note; dazu C. Peter: zeitschr. für die altert.-wis8ensch. 1844 Nr. 26 p. 
^ff.; ganz besonders M advig opuscula academica p. 208 ff. : de iure et 
(^ndicione coloniarum popnli Romani quaestio historica. Kopenhagen 1834. 
ßie sehrift von Sambeth: de Romanorum colonüs. Gymn. progr. I. u. II. 
^r. Ehingen 1862 habe ich trotz aller bemühungen nicht auftreiben können. 

^) Liv. 4. 49; darüber unten cap. III. § 87 ff. 

^) Atlas antiqnus, 5. aufläge, blatt VIII. 

>7) Vergl. Schwegler 3. 168. 

^^) Ueber die läge Mannert geogr. 9. 1. 410. 



44 ^om gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

dürfen ^r wol ähnliche umstände mit bezug auf Yeii annehmen. Die 
hegemonie Yeiis scheint sich nun auf die südöstliche ecke Etruriens 
mit den städten Capena, Falerii, Sutrium, Nepete ausgedehnt 
zu haben, während Caere in der süd-westlichen ecke in keiner weise 
mit Yeii oder den damaligen kämpfen gegen Etrurien in Verbindung steht. 

15 Dass Capena und Falerii ^^) in diesem Verhältnis zu Yeii stan- 
den, geht daraus hervor, dass gleichzeitig mit dem krieg gegen Yeii 
Rom auch sie bekämpft (Liv. 5. 10), und dass nach der Unterwerfung 
und Zerstörung Yeiis der krieg gegen jene beiden städte fortgesetzt 
wird (Liv. 5. 24). Für Capena endet derselbe damit, dass die Stadt 
um frieden bittet und ihn erhält; allein es wird in dem frieden wol 
die Oberhoheit Boms haben anerkennen müssen; es ist demnach Ca- 
pena eine wirklich untergebene, abhängige Stadt in ehemaligem fein- 
desland, ohne der tradition nach durch eine colonie romanisirt zu 
sein*^). Falerii geht unbezwungen aus dem kriege hervor. 

16 Anders ist das Verhältnis zu Sutrium und Nepete") aufzu- 
fassen. Sutrium wird überhaupt in den kämpfen mit Yeii nicht er- 
wähnt, dagegen erscheint es unmittelbar nach der gallischen kata- 
strophe mit Rom eng verbündet. 8*) 

17 Die angaben Diodors würden seiner sonst guten quelle zufolge 
anzunehmen sein und die Sachlage am besten erklären; allein das be- 
stimmte Zeugnis des Yelleius, wenn dieser auch für die alte zeit nicht 
überkritisch ist, und die Jahresangabe der colonisation 371 könnte dem 
verdacht räum lassen, dass Diodor ein vorübergehendes bundesverhältnis 
zwischen Sutrium und Rom misverstanden und daraus ein colonial- 

89) Ueber die läge vergl. Mannert geogr. 9. 1. 427, 422. 

80) Ffir die annähme Niebuhrs (2. 643), dass die Capenaten das rö- 
mische Vollbürgerrecht bei errichtung der neuen 4 tribus im jähre -|^ 
erhalten hätten, lässt sich kein quellenzeugnis anführen, und sie entbehrt 
ebenso aller andren begründang. Auch die ciuitas sine suffragio konnte 
nicht in anwendung kommen, da diese zuerst an Caere im jähre -^- 
erteilt worden ist (vergl. Livius 7. 20. 8; Strabo 5. 2. 3. p. 220; Gellius Jö. 
13. 7). Wir haben also eine vollständige Unterwerfung der stadt anzuneh- 
men, wobei die einwohner entweder sämmtlich in die Sklaverei verkauft, 
oder wenigstens ein grosser teil ihres grund und bodens ihnen genommen 
und an römische ansiedier verteilt wurde, während in der Stadt ein von Rom 
bestellter beamter die regierung führte. 

• 1) Ueber die läge vergl. Mannert geogr. 9. 1. 409, 424. 

32) Livius 6. 3. 2; 9. 32. 1: socii pop. Rom.; Diodor: 14. 117: zum 
jähre 365 colonie; Yell. Paterc. 1. 14. 2: 7 jähre nach der gallischen ka- 
tastrophe colonisirt. 



Gap.I.] Politische und militärische läge Roms. 45 

yerhältnis gemacht habe. Livius selbst seinem gewährsmann Licinius 
Macer*^ folgend nennt die Sutriner bundesgenossen Roms, während 
er viel später (27. 9; 29. 15) Satrium and Nepete colonien, natürlich 
mit latinischem bürgerrecht, anführt. Zwar ist auf die terminologie 
des Livitts im ganzen nicht sehr zu bauen , doch lässt sie soviel er- 
kennen, dass seine quelle, Macer, an unserer stelle Sutrium nicht als 
colonie, sondern als verbUndete Stadt nach art der latinischen und 
hemikischen bimdesgenossen bezeichnet hat. 

Wenn wir nun in betracht ziehen, dass Sutrium und Nepete später 18 
latinische colonien und demgemäss nach dem Vorbild der alten latinisch- 
hernikischen bundesgenossenschaft zwar an und für sich autonom sind, 
allein unter der bundeshegemonie Roms stehend diesem leistungen be- 
sonders an kriegsmannschaft zu machen habend), nicht aber als rö- 
mische bürger mit oder ohne sufßragium erseheinen, so scheint es mir 
seiir bedenklich^ in Sutrium und Nepete römische bürgercolonien als 
Stützpunkte an den grenzen mit römischer bürger-gamison erkennen zu 
wollen. Wir wissen zwar nichts näheres über die spätere geschichte der 
beiden orte, ausser dass sie in den ferneren kriegen gegen Etrurien zu 
Born stehen; allein ehe sie wirkliche coloniae Latinae, d.h. ciuitates foede- 
ratae werden konnten, musste unter solchen umständen die römische 
gandson entweder aufgehoben oder verjagt worden sein; in letzterem 
Me würde die gemeinde jedenfalls ihrer Selbständigkeit beraubt 
worden sein ; der erstere ist nicht denkbar, da die römischen colonisten 
ären ackerbesitz dort inne hatten.*^) 

Nach diesem raisonnement nun ist der livianische ausdruck »sociic ig 
klar 3«). Nichtsdestoweniger sprechen Livius (6. 21, 30) und Velleius 
(l'U. 2) ausdrücklich von einer colonie- anläge in Sutrium, Nepete 
^d Setia in Latium, womit eine ansiedelung von römischen colonisten 
verstanden wurde. Das aber ist, wie gesagt, unvereinbar mit dem hü- 
£Tiff von latinischen colonien^^). Nun ist der livianische ausdruck 



^) Vergl. oben buch 1, cap. I. 

^) Bes. Liv. 29. 15; über die ganze frage Becker-Marquardt 3. 1. 
P. 2öff. und Lange 2 64 ff. 

^)Mommsen röm. gesch. 1 5. 3ö2 hält Sutrium und Nepete auch für 
latinische coloni^; und so ist denn auch Diodor 14. 117 zu verstehen. Vergl. 
auch oben § 10 grosse note. 

'6) Derselbe wird in gleicher weise noch zum jähre -—- gebraucht; 
vergl. Liv. 9. 32. 1. 

^) Auch Setia wird unter diesen Liv. 27. 9; 29. 15 angeführt. 



46 ^om gallisdien inuide bis zum UciniBdiett gesetaces-conflict. [Budi 2. 

freilich wol imgenAH, denn Setia wird an einer widem stelle (Liv. 26. S> 
esB miffiicipinni gmioiit; das aber steiit lest, dass es unter keinen 
aftittftnden volles römisdies bürgerrecht gehabt habe, wie es bei r5- 
mischeB cotooisteiB geboten wäre**). Nach dem grossen Lafcinwauf- 
stand (LIt. 8«. 13) scheint Setia mit andren Städten im alten buodes- 
veihältiDB, wenngleich nun anter der absoluten oberherrsehalt Roms, 
geblieben zu sein, nur mit yerlust des connubiums, commerciums und 
Versammlungsrechts mit den andren latinischen Städten. Demnach ymt 
es itt wäMichkeit noch colonia Latina; und der ausdrock »munici- 
piumc kt ungenau. Bei Sntrium aber und Nepete ist ein Wechsel gor 

448 

nicht voriuutden; yiehiftehr heissen die Sutriner noch -3^(Liy.S.S2. 1.) 
socii. 

20 Wir mftssen daher cUe ganze nachricht t<» einer colonisirung 
jener städte von Rom ans durchaus verwerfen**)« Der Irrtum ist 
dcor der späteren .historiker gewesen, welche den Ursprung der eo- 
looiae Latimae nkht mehr kannten und sie daher auch auf dem wage 
dtr rümischen colonisation entstehen Hessen. So sind denn auch die 
von JLivius (6. 21) erwähnten »Hluiri Nepete coloniae deducendae« 
ein&Mh späterer Zusatz ohne gewähr. 

21 Wir können also nur festhalten, was Livius (6. 9.3, 12; 10. 
Iff.) sagt, dass Sutrium und Nepete bundesgenossen Roms waren. 
Wann sie aber aus dem zustand vorübergehender bundes^enossenschaft 
in den jenes dauernden bttndnissee nach art der latinischen städte ein- 
traten, ist noch zu untersuchen. Freilich schwanken die berichte dar- 
über bedeutend. Wir glauben nämlich, den bericht der colonisaticm als 
den des eintritts üi jenes latinische bündnis ansehen zu müssen. Nach 
Diodor (14. 117) nun ist Sutrium schon -j^ in diesem zustand, nach 
Yell^os (1. 14. 2) erst 371; dagegen lässt Livius (6. 21) Nepete 371, 
Velleius 381 colonie werden, während ersterer von einer colonisation 
Sutriums gamichts meldet. Die Jahresangaben sind zu widersprechend, 
als dass wir etwas sicheres daraus gewinnen könnten. Wir wiesen 
oben darauf hin, dass Diodor im allgemeinen einer guten quelle folge^^); 
wenn er demnach Sutrium im jähre -— - schon colonie nennt, so würde 

389 

dadurch die angäbe des Velleius schon sehr misalich werden. Aber 
auch die nötigen über Nepete werden dadurch bedenklich. Livius er- 



8*) Yergl. darüber besonders Madvig: opnse. acad. p. 26Bff. 
**) Vergl. auch Niebuhr 2, 650. 
40) Vergl. besonders buch 1 cap, II. 



Cap. 1.] Politische «nd müitfixisdif läge Boms^ 47 

nv&hnt der coloiüsation nach dem letzten kriege um die sl«ldt gegen 

die Etrusker; diese hatten die einwohner 2mr übergäbe seawtmfeA; 

die Römer eiohem sie wieder und bestrafen diejenigen, weteiie zm 

Übergabe an die Etrusker geraten hatten ^0- ^wei jähre später finde!. 

dann die colonisation statt; allein ein grund hierfür wird nicht as- 

gefbhrt. Mir scheint demnach von den quellen des Livius •— gleiclir 

giiltig ob von den directen oder von vermittelten — die anläge eitier 

colonie an den schloss jenes btbrgerzwistes und kampfes in und vm 

Nepete gesetzt zu sein, da man sich einen solchen nicht mit dem he* 

gpS einer früheren colonie mit vollem bürgerrecht — denn daran 

denkt ja Livius — reimen konnte. Einen grund für die aasetaiuiig 

des datums auf -^^ bei Velleius weiss ich nicht. 

Somit halte ich dafür, dass wir Biodors angäbe dahin m deu- 22 
ten haben, dass Sutrium und Nepete vielleicht ehedem abhlUigi® 
von Yeii waren, in dem kriege Roms aber gegen jene Stadt sieb mit 
demselben verbanden, um das vejentische joch abzuschütteln. So lange 
der krieg dauerte, war das bündnis nur ein ad hoc geschlossenes; nach 
der Unterwerfung Yeiis wurde dasselbe nach dem vorbilde des latiaji- 
sehen für die folgezeit geordnet und befestigt und existirte demgeiaäss 
schon im jähre -^. Eine gebietserweiterung Roms also haben wir 
in diesem bündnis nicht zu erkennen. 

Wir haben also zu constatiren, dass der ausdruck »coloniaec für 23 
Sutrium und Nepete, den ja auch Diodor gebraucht, daher seinen 
Ursprung hat, dass, seitdem der latinische bund factisch durch den 
grossen Latinerkrieg aufgehoben worden und nur noch ein Verhältnis 
zwischen Rom und jeder einzelnen Latinerstadt vorhanden war, ein 
unterschied zwischen den ehemaligen bundesstädten, soweit sie ihre 
autonomie bewahrt hatten, und andrerseits Sutrium und Nepete nicht 
mehr existirte; alle standen zu Rom in demselben Verhältnis autono- 
mer vom bundeshaupt Rom geleiteter bundesgenossen, bei denen das 
recht jedes einzelnen orts das sogenannte latinische war. Die völlig« 
gleichheit der Verhältnisse hatte dann zur folge, dass Sutrium und 
Nepete, obgleich ursprünglich wol nur römische bundesstädte, nun mit 
den latinischen verbündeten identificirt wurden und ebenso wie alle 
späteren von Rom aus verfügten colonisationen im inlande unter 
dem gemeinsamen titel »coloniae Latinae« geführt wurden. Das 
gleiche recht aber gab ihnen den gleichen namen, obgleich sie 



41) Darüber unten cap. V. § 120 ff. 123. 



48 ^om galliachen brande bis zum licinischen geaetzes-conflict. [Buch 2. 

ursprünglich gar nicht colonisirt waren; ein umstand, den wir übrigens 
im weiteren**) sich bei Präneste und Tibur in gewisser weise wieder- 
holen sehen werden ; nur freilich waren letztgenannte städte gleich von 
anfang in ein Verhältnis zum gesammt römisch-latinischen bunde ge- 
treteu; während Sutrium und Nepete zu anfang es nur mit Rom zu 
tun hatten. Daher denn auch Präneste und Tibur von dem augen- 
blick ihres eintritts in den bund gleichfalls ohne colonisation die rechte 

• 

der übrigen bundesglieder teilten und später als coloniae Latinae auf- 
treten. Mit dieser anschauung stimmt auch das überein, was Momm- 
sen (r. g. 1 ß. 352) sagt, dass Sutrium und Nepete nicht in der 
bundesstädte- liste des Dionys sich vorfinden. Diese stellt die Ver- 
hältnisse unmittelbar vor ausbruch des grossen Latinerkriegs dar, also 
zu einer zeit, wo Sutrium und Nepete nur zu Rom, noch nicht zum 
bunde ein Verhältnis hatte. Mit unrecht aber sucht Mommsen dies 
daraus zu erklären^ dass Sutrium und Nepete nicht im eigentlichen 
Latium lagen. Dem liegt die irrige anschauung zu gründe, dass die 
späteren grenzen Latiums auch die ursprünglichen gewesen seien; 
während wir sehen werden, dass sowol Veütrae, Signia, Sutrium, 
Norba, Setia als Labici, Präneste und Tibur nicht im historischen 
ursprünglichen Latium, sondern im ursprünglichen Volsker- und Aequer- 
gebiet später als wirkliche latinische colonien existirten und dass erst 
durch allmähliches zurückdrängen der Volsker und Aequer die spä- 
teren grenzen Latiums und zwar nicht wiederhergestellt, sondern 
überhaupt und zum ersten mal erreicht wurden*^). 
24 Wir haben im obigen die ausdehnung des römischen gebietes 
vor der gallischen Verwüstung kennen gelernt. Dasselbe umfasste also 
das ganze land nördlich etwa bis an den lacus Sabatinus und den 
mons Soracte — 42' 15'' nördlicher breite — westlich durch das 
caeritische gebiet, östlich durch das Sabinerland begränzt; im eigent- 
lichen Latium dehnte es sich mit einschluss Fidenaes wol bis an die 
Alia nach nordosten aus und wurde im übrigen durch die nachbar- 
städte Gabii und Tusculum eingeschlossen; während es sich im westen 
die Tiber abwärz bis nach Ostia, im Süden bis an das Albanergebirg 
erstreckte. 
25 Was den flächeninhalt des * römischen gebietes vor der er- 
oberung von Fidenae und Veii betrifft, so sind von den neueren 



4Ä) Vergl. buch 6 cap. II. 

43) VergL oben § 10 ; unten § 45, 87 ff., 105 und buch 6 cap. II. u. III." 



C$tp. l] PoUfftsdi« und milüftrisch« läge Emm. 49 

forschern verschiedene anschlage darttber gemacht Naebukr (2. 79) 
ddärt 12 omeilen 8(^n für mehr, als das römiscliegebset im 8. jahr- 
bündert der Stadt naifasst habe. Schwegler^) mmait 8 Qmefieti 
an. Dagegen spricht sich Lange (1. 415 Note) ftr 25 omeilen «ns; 
und endlich bleibt Mommsen (1. 47, 9^^ 98^.) bei 20 omeilen stehen. 
Letzterer bezeichnet dabei die grenzen, welche wir schon genannt 
haben, nämlich vom Tiber and Anio bis etwa zum Albasersee, wel mit 
dnschluss des den mmis Albanas omgebenden bergplaitenas; weetHeb 
bis zu den Tibermündungen in schmaler breitenausdehnung. Wir haben 
es somit mit einem unregelmässigen dreieck zu tan, dessen sdieitel- 

ponkte wir an der Tibermtlndung , an der mündoog des Anio in den 

« 

Tiber und drittens auf dem albanischen bergplateau eu suchen haben. 
Die grundlinie dieses dreieoks umfasst höchstens 6 deutsche meüen, die 
höhe nicht einmal 3. Das dreiedt: würde also zumeist 9 ameflen 
oioiassen. Damit haben wir das von Mommsen bezeichnete gebiet ge- 
messen; seine 20 omeilen sdnd also ganz unhaltbar (seltsam ist es, 
dass Mommsen auf seite 99 auch nur von 9 omeilen aosddmang 
spridit). Die angäbe Scfaweglers würde also unter diesen umständen 
der Wahrheit am nächsten gekommen sein, und wir dürfen uns ihm 
gewiss anschliessen und 8 omeilen festhalten. Daeu kam nun mit 
der zeit das fidenatische, dami das v^entische und capenatische 
gebiet. Die annähme, dass durch die eroberung Yeüs das römische 
gebiet sich so gut wie verdoppelt hätte, wird wol mit redit aus der 
bedeutenden und rivalisirenden Stellung beider städte deducirt. Ist 
dies einigetmassen wahr, so haben wir zu bedenken, dass dann Veli 
so bedeutend war wie Rom n^ch eroberung der fidenatisehen feldmark. 
Diese darfen wir TOlieicht auf 4—5 omeilen bereclaien, sodass Rom 
Htm im ganzen 12 — 18 iime hatte. Bei einer etwaigen Verdoppelung 
durch die annexion von Yeii und Capena erhalten whr aisio ungefähr 
ein ges^ammtgebiet von 26 omeilen. 

Keben diesem tat^chli^ edgcnen gebiet aber hafle Rom in den la- 26 
tinisch-hemikischen buhdesstädten sowie in Stttrium und Nepete vor 
der gallischen katastrophe eine bedeutende stütze, da diese, wenn- 
tjteklh formal ganz gleichbei^ecfhtigt, in wiridichkeit doch in einem schutz- 
verbiatnis tä Rom standen^). 



**) 8. 684 gestütiBt auf £atrop. 1. 8; flieronym. ehren, olymp. 67; 
Aagustin. de da. Dei 8. 15. 
^) BaiHtber unten § 89« 

Oluon, röm. g«Mh. I. 4 



50 Vom gallischen brande bis zum lidnischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

27 Was die Rom zu geböte stehende trappenmacht betrifft; ~ so haben 
wir fbr diese zeit keine speciellen berichte darttber. In einer spä- 
teren zeit erst giebt Livius eine notiz über] die üblichej stärke der 
jährlich zum kriege verwandten armee. Es ist das in dem berühmten 
capitel über die manipnlar-legion bei gelegenheit des grossen Latiner- 
krieges von --— ^- (Liv. 8. 8. 14). Dort heisst es, dass ge- 
wöhnlich 4 Legionen zu je 5000 mann inÜEtnterie und 300 mann cava- 
lerie ausgehoben wurden; demnach 20,000 mann infanterie, 1200 ca- 
valerie. 

28 Allein die angäbe von 5000 mann aufj die legion als norm 
ist entschieden falsch. Polybius (3. 107. 11) sagt noch von der zeit 
des zweiten punischen krieges, dass nur in ausnahmsfällen die legion 
auf 5000 mann vermehrt zu werden pflege; auch zu jener zeit ist die 
legion aus 4000 mann in runder sumüie, genauer aus 4200 m&nn zus 
sammengesetzt^^). Dadurch wird der betrag der gewöhnlichen aus- 
hebung für zwei consularische heere zu je 2 legionen auf ^16,800 mann 
Infanterie, 1200 mann cavallerie normirt. 

29 Allein dies sind natürlich nur iuniores, d. h. feldsoldaten; 
die städtische reserve betrug wol die hälfte dieser summe, d. h. 2 le- 
gionen mit 8400 mann inüanterie und 600 mann cavallerie *7^. 

30 Nun aber ist es (klar, dass diese' gewöhnliche aushebung bei 
weitem nicht die waffenfähige mannschaft erschöpfte. Nach der höchst 
wahrscheinlichen darstellung Langes (1.413 ff.) bestand schon in den 
ältesten zeiten bei gründung der centurien-ordnung für beer und Volks- 
versammlung die waffenfähige mannschaft der iuniores aus 17,000 mann 
— 85 centurien zu 200 mann — ; die gewöhnliche aushebung jener 
zeit aber betrug gewiss nie mehr als 2 legionen mit etwa 8400 (nach 
Lange 8500) mann, so dass also ein gleich starkes zweites aufgebot 
stets in reserve war. 

Ein ähnliches Verhältnis müssen wir für das später übliche auf- 
gebot von 4 legionen zu 16,800 (resp. 17,000) mann infanterie an- 



^) Polyb. a. a.0. § 10; die übrigen stellen beiBecker*Marqaardt 
3. 2. p. 248 ff. in den noten 1371—77; falsch ist demnach auch die angäbe 
des Dionys 9. 13, der 4 legionen = 20,000 setzt; vergl. Schwegier2. 
343, 743 note 4. 

47) Vergl. darüber Lange 1. 412 flf.; die einfachen alters- und Sterbe- 
verhältnisse ergeben, dass die zahl der männer jenseits des 45. lebensjahres 
nur etwa halb so gross ist, als die der männer zwischen 17 und 4s5 jähren. 



Cap. I.] Politische and militärische läge Borns. 51 

nehmen und also ein gleich starkes zweites aufgebet voraussetzen. Und 
das bestätigt sich aus verschiedenen gründen. 

Lange (1. 415) nimmt nach genauer Wahrscheinlichkeitsrechnung 31 
hei jenen 17,000 iuniores, eine gesammtbevölkerung von etwa 100,000 
Seelen an^^). 

Die census-angafoen bei Livius vor dem gallischen brande und 32 
ebenso die bei Dionys sind jedenfalls fUr die genannte zeit durch- 
aus zu verwerfen^^). Nach dieser zeit giebt Livius zuerst wieder einen 

461 

census zu -^ auf 262,321 eines ao!^). 

Im genannten jähr existirten 33 römische tribus; und die bür- 33 
gerschaft hatte seit der gallischen katastrophe folgende neuen 
elemente in sich aufgenommen: 1. erhielten die in den kriegen zwi- 
schen Rom einerseits und Yeii, Capena und Falerii andrerseits aus 
letzteren orten zu Bom übergetretenen das volle römische bürgerrecht 
mit ackeranweisungen^^). 2. wurde an eine grosse reihe latinischer, 



tö) 17,000 iuniores -f- 8500 seniores = 25,500 + 17,000 männliche in- 
dividuen unter 17 jähren =5 42,500 -|- der gleichen anzahl weiblicher We- 
sen = 85,000 + etwaigen proletarii, orbae, uiduae = 100,000 seelen. 

49) Vergl. den nachweis bei Seh wegler 2. 279 ff. Der versuch Nie- 
buhrs (2. 80 ff.), dieselben zu halten und aus einer isopolitie mit den nach- 
barrölkem zu erklären, ist von Schwegler und besonders von Madvig 
opusc. acad. p. 236 ff. und 271 ff. widerlegt worden. 
. ^) Livius 9. 19.2; 10.47.2. Wir müssen unter »ciuesc hier alle männ- 
h'chen bürger über 16 jähre alt, sowol solche cum als auch sine suffragio, 
verstehen ; so auch Schwegler und Lange 2 2. 146 ff. Ihne dagegen 1. 464 
hält dafär, dass jedesmal nur feldfähige mannschaft vom 17 bis 45. jähr 
gemeint sei, dagegen verwerfen mit recht Lange und Ihne 2. 404 ff. die an- 
sieht Wietersheims: die bevölkerung des röm. reichs, 1859, p. 69, dass 
die romischen censusangaben nur die ciues cum suffragio umfasst hätten; 
der irrtum ist die folge zu wörtlichen Verständnisses des Folybius. Das 
wort »ciuis« drückt recht eigentlich den in ausübung der bürgerrechte be- 
findlichen mann, also doch auch die seniores, die über 45 jähre alten, aus. 
Im gründe haben übrigens die späteren autoren selbst keinen klaren begriff da- 
von gehabt, was sie jedesmal aus diesen censuszahlen machen sollten. Dies 
spricht sich besonders bei Livius aus, der 3. 3. 9 eine jener erfundenen 
censusangaben mit ausdrücklichem ausschluss von orbi und orbae anführt. 
Der logische schluss aus dieser angäbe wäre, dass unmündige und mandige, 
männer und trauen unter den angaben zu begreifen wären; während die 
censussummen aus dem zweiten punischen krieg mit vergleichung der poly- 
bianischen zahlen (Polybius 2. 24) nur bürger männlichen geschlechts und 
waffenfähige, also älter als 16 jähre, meinen können. 

6^) Liv. 6. 4 4; Schwegler 3. 208; Weissenborn in der grossen aus- 

4* 



52 Vom gallischen brande bis em licii^ciien geaeCsBes-conflict [Bucht. 

campaDis<iher, Toiskischer Had hcrnikischer g^neinden die römisdie 
ciuitas cum und sine sufiä*aglo erteilt. Im tbrigen ftdlen J6M «agaben 
in eine zeit, die der unoigen sehr tarn Ikgt, so dass jeder mafisstab 
fOt einen rückschlnss fehlt. Wir werden uns an die nftchciten Zeit- 
angaben halten müssen. 

^ DafQr ist besonders wichtig der höchst wahrscheintich auten- 
tische bericht tber die grosse des Eömerheeres in der Aliaschiadit 
bei Diodor (14. 114). Dieser si^^, dass die Römer mit der ganzen 
waffen&higen mannschaft, also iuniores tmd seniores vom 17. bis zam 
60. jähre, ausgerückt seien ^'), und dass der hftuptkem derselben in 
einer stärke von 24,000 mann den Unken flügel, die »schwächBtent"*) 
den rechten gebildet hätten. Dazu berichtet Polybias (2. 18. 2), 
dass ausser den Römern noch bandesgenossen derselben mitgefochten 
hätten^). Noch anderweitige angaben über die stärke des Römer- 
heeres haben wir. So giebt Dionys (13. 19) 4 legionen ausgewählte 
kerntruppen^^), dazu eine noch grössere anzahl ungeübterer mann- 
schaft an. Und Plutarch (Camill. 18), der Dionys ausgeschrieben 
hsLt^), nennt eine gesanmitstärke der Römer von 40,000 mann; letz- 
teres höchst wahrscheinlich als runde zahl für die detailangaben des 
Dionys, der 4 legionen und eine grössere zahl von Soldaten summirt. 
Nehmen wir für letztere eine truppenmasse von 5 legionen an« so 
haben wir bei berechnung der legion a«f 4fi00 mann infanterie and 
300 reiter eine summe von 40,500 mami getanen, Livius hat gar 
keine grössenangaben. 

36 Was die angäbe von etwa 9 legionen betrifft, so ist dieselbe mit 
dem diodorischen bericht von 24,000 mann kemtruppen wol za ver- 
einigen. Wir müssen freilich wol statoiren, dass Diodor in seiner 
quelle ^7) nicht eine mannschafts-, sondern eise legionszaM voitod, 
diese dann aber fOr seine griechischen leser in die mannsfcliaftszahl 
übersetzte. Nun aber sind 24,000 mann nicht in ganze legionen zu 



gäbe des Livins spricht von ganzen gemeinden, welche Übergetreten wäiren, 
aber ohne genügende gründe; vergl. § 130 darübeir. 
^) Ttavdrjfisl äitavreg robq iv fjXixia xa^dntktaav, 

W) ol fiLerd TOüTwv (i. e. t&v ^Pwßalwv) naparciäfiLeuot, 
65) ix r&y iTüdixTatv re xal xaTTj^Xr^piiuwv iv rcitg iroXifiois ^Tpa- 
T((&rwu TETtapa rä/fiara ivreAij. 
w) Vergl. buch 1. cap. I. 
57) Wahrscheinlich Calpumius Piso; vergl. buch 1. cap. I. und U. 



C^p. I] Pofititdn und «nlkirijsche kge Borns 53 

zeriegea; es scheint mir daher wahrscheinüdi^ dass Diodor die legion 
Ar diese zeit der mnden zahl von 4000 statt 4200 mann — eine avoh 
sonst ttUiche ungenaue berechnimg — gleichstellte nnd also aas 6 le- 
gwnen fosstmppen 24,000 mann machte, wfthrend es eigentlich 25,200 
wiren. Diese 6 legionen also waron die besten ans der masse; man 
kann sie wol geradezu als die iuniores bezeichnen. Dann bleiben yon 
den dionysischen 9 legionen noch 3 übrig, welche als seniores von 
Diodw »die schwächsten« genannt werden. Und das passt recht gut, 
da, wie wir sahen, das Verhältnis der seniores zu den iuniores das 
"m Vio zu Vio <iör gesammtbevölkemng ist.*«) 

Somit haben wir die 9 legionen des Dionys und die 40,000 mann 36 
des Plutarch mit Diodor durchaus vereinbar gefunden. Allein dem 
scheint Polybius insofern zu widersprechen, als er neben den Römern 
aneh bundesgenossen nennt. Seh wegler (a. a. 0.) scheint für eine 
gleiche beteiügung derselben an der Schlacht zu sein. Dann würden 
beim festiialten der gesammtarmee von 40,000 mann nur 20,000 BOmer 
und zwar als vollständige wafTenföhige mannschaft herauskommen. Das 
ist nidit tunlich. In jenen 20,000 hätten wir ja Vio ^^^ gesammt- 
bürgerschafb beiderlei geschlechtes zu sehen; somit würde letztere auf 
Qtur auf 66—70,000 seelen anzusetzen sein. Das geht nicht, da schon 
bei einsetzung der centurienverfassung etwa 100,000 seelen anzuneh- 
men sind '^'). Ich sehe ein auskunftsmittel^ darin, dass freilich bundes- 
genossen auf selten der Römer standen, diese aber nicht in den ge- 
nannten 9 legionen mitbegriffen sind, wie denn ja auch Diodor, Dionys 
^d Plutarch nur von römischen Soldaten sprechen. Wir müssen 
also vielleicht neben der gesammten Römermacht noch ein bundesheer 
in üblicher grosse von 1 oder 2 consularischen armeen, d. h. von 2 oder 4 
Legionen, ansetzen; denn es ist nicht anzunehmen, das die Latiner- und 
Hernikergemeinden sich in gleicher weise bis auf den letzten mann 
gestellt und mehr als das übliche contingent geleistet hätten. Es 
^den also im höchsten fall 18^000 bundestruppen zu jenen 40,000 



^) Dass die seniores auch ausgezogen sind, ist einmal auf diese weise 
^on den quellen bezeugt und auch von den modernen forschem gut ge- 
beissen; vergL Niebuhr 2. 82, 603 ff.; Schwegler 3. 245 note 2. 

^^) VergL § 31; es ist dabei zu bemerken, dass wir es zur zeit der 
AÜaschlacht mit dem zustande der römischen bürgerschaft zu tun haben, 
in welchem sie sich vor der erweiterong durch die oben erwähnten neu- 
^^'ger ans Veii, Falerii und Gapena und durch die in das römische bürger- 
^bt spater aufgenommenen latinischen und campanischen gemeinden befand. 



54 ^om gallischen brande bis znm licinischen gesetzes-conflict. [Bnch 2. 

mann hinzuzuzählen sein, während die Römer mit 9 legionen ins feld 
rttckten. 

37 Von dieser angäbe ausgehend ist es dann nicht schwer, einen un- 
gefähren ansatz für die gesammtbürgerschaft beiderlei geschlechtes zu 
machen. Wir haben gesehen, dass die männliche bevölkerung vom 
17. jähr an etwa Vio der gesammtheit beträgt. Bei dieser berechnung 
erhalten wir mittelst der zahl 40,500 für jene eine summe von 135,000 
Seelen etwa^o). Doch kann dies nicht als ganz genau angesehen 
werden. Einmal rückten die greise über 60 jähre nicht aus dann ist 
für kranke und krüppel ein kleiner abzug zu machen, sodass jene 
40,000 nicht ganz */io der gesammtheit vorstellen. Vergrössem wir 
daher diese auf die runde summe von 150,000 seelen, so sind wir wol 
nicht zu fern von der Wahrheit;*^) 

• •an 

38 Nun ist uns eine censusangabe für das jähr -^rr-vonPlinius**) 
. erhalten, welche ausdrücklich von »capita libera« nicht von »ciues« 

redet, d. h. die bürgerbevölkerung und nicht die männlichen voUbürger 
meint. Die summe beträgt 152,573^8). Diese angäbe stimmt, auf- 
fallend mit unserer obigen berechnung und annähme überein, sodass 
ich kein bedenken trage, sie als echt anzuerkennen, wenngleich 
Schwegler und Niebuhr (a. a. 0.) sie verwerfen, wol hauptsächlich weil 
sie männliche volibürger darunter verstehen wollen. 

Die Schlacht an der Alia hat die Römer unbedingt grosse Ver- 
luste gekostet, wie das auch von Livius hervorgehoben wird. Einen 
genauen anschlag zu machen, ist schwer; aUein bis zu 10,000 tote, 
kampfesunfähige und gefangene dürfen wir gewiss rechnen. Die btirger- 
schaft selbst also wäre auch um soviel zu vermindern und auf ungefähr 
140,000 seelen nach der schlacht anzusetzen. 

39 Weitere angaben über die bevölkerung aus dieser zeit fehlen 
gänzlich. Erst zum jähre -^^ bei gelegenheit des dritten einfalls der 
Gallier, gegen welchen nach Polybius (2. 18. 7) die Römer sowol als 
ihre bundesgenossen jene wolgerüstet empfingen«*), meldet Livius 



60) Wir müssen nach dem nau^ßei des Diodor (vergl. § 34) wol die ca- 
pite censi als hier mit eingeschlossen annehmen. 

öl) Dass Wietersheim: die bevölkerung des röm. reichs, 1859, p. 31, 
die invaliden mit 25 »/o von der streitbaren mannschaft viel zu hoch an- 
schlägt, hat Ihne 2. 404 schon auseinandergesetzt. 

62) h. n. 33. 1. 6. 16; vergl. auch de Boor fasti cens. p. 56. 

68) Dass in diesem jähre ein census statt fand, bestätigt auch Dionys 1. 74. 

«4) Darüber vergl. buch 6. cap. I. 



Cap. I] Politische und mifitftrische lag^ Roms. 55 

(7. 25. 8), dass die Römer mit änsserster kraftanstrengnng 10 legionei^ 
feldtrappen zu je 4200 mann in£anterie nnd 300 reitern anfgebracht 
hätten. Die erwähnnng der äussersten kraftanstrengong entspricht den 
angaben Aber das beer bei der Aliaschlacht; die Zahlenangabe kann 
sehr nvol historisch sein, ebenso wie jene frühere Aber das beer an 
der Alia; der schrecken vor den Galliern scheint die redactenrs da- 
maliger Jahrbücher zu grosser genanigkeit bewogen zu haben. 

Neben diesen 10 feldlegionen aber waren noch bnndestmppen 
tätig, wie Polybius berichtet, obgleich Livius es bestreitet. 10 legionen 
aber gleich 45,000 mann als ioniores, d. h. Vs der gesammtbürgerschafty 
reqräsentiren letztere mit einer zahl von etwa 225,000, wozu freilich 
noch die invaliden nnd capite censi zuzuzählen sind« Nehmen wir für 
dieselben 25,000 seelen an, so erhalten wir die endgültige zahl von 
25,000. Es ist eben in betracht zu ziehen, dass im jähre -^zu 

864 

denimjahre-j^ vorhandenen ROmem.die neubürger aus Veii, Fa- 
lerii und Gapena und ausserdem die gesammten gemeinden von Tuscu- 
Inm als voUbtlrger und von Caere als halbbürger — dues sine suf- 
fragio — hinzugekommen waren <^). So ist denn ein Zuwachs um etwa 
100,000 bttrger beiderlei geschlechts nicht erstaunlich. Die gesammte 
tnippenmacht würde also 45,000 iuniores und 22,500 seniores = 15 le- 
gionen ergeben.^) 

Nicht lange nachher begegnet uns wieder eine censusangabe. 
Hieronymus*^ giebt an, dass im jähre -ttt-} ^bo unmittelbar nach 

•So 

dem grossen Latinerkrieg, der census 165,000 »eines« ergeben habe. 
Durch den Latinerkrieg hatten eine reihe latinischer bundesstädte ihre 
antonomie eingebüsst und waren als »eines cum und sine suffi*agioc 
in den römischen stat aufgegangen^). Dieser umstand hatte natürlich 
die zahl der gesanmitbürger ausserordentlich vermehrt, sodass ein an- 
^^hsen der männlichen bürger vom 17. jähre an seit dem jähre 
7^ von 75,000^^) mann auf 165,000 nicht unglaublich erscheinen kann. 
Daneben geht eine angäbe des Plutarch auf 130,000 feldtruppen für 
die zeit Alezanders des Grossen, die ja mit der von Hieronymus be- 



«) VergL darüber Liv. 6. 26. 8 und unten § 107 ff.; dazu Liv. 7.20.8; 
Strabo 5. 2. a p. 220; Gellins 16. 18. 7 und buch 6. cap. Y. 

W) Vergl. buch 6. § 130. 

«7) Chron. zu olymp. 110. 

^ So z. b. Lanuvium, Aricia, Nomentum, Pednm, Capua, Fnndi, For- 
miae; vergl. Livius 8. 14. 

^) Als Vio von 260,000 mit berechnung der invaliden und capite censi. 



56 ^om galüsdiea Ibraade te zun fidmscben gesetsee-ooaflict. [Bach 2. 

zeidmeten znsamm^föllt und jedenialte f&r die zeit nach dem Latiner- 
krieg gilt Haben wir nun unter den 165,000 die linien*und reserve- 
tmppen mit einschluss der invaliden und capite censi zu verstehen, 
so sind 130,000 etwas hoch ftlr die linie angeschlagen; man dürfte 
kaum mehr als 100,000 für letztere erwarten. Möglich, dass Flu- 
tarchs angäbe der letzten zeit Alexanders des Grossen entnommen ist, 
also in das jähr -^ gehört. Damals war die ciuitas sine snffiragio 
schon an fernere gemeinden erteilt worden, sodass sich die bürger* 
Schaft vermehrt l^atte^^^). Wir können also beide angaben mit ein- 

416 

ander reimen und erhalten demnächst für das jähr -— r- eine gesammt- 
bürgerschaft von etwa 550,000 seelen neben einem gesammtaulgebot 
der kriegsmannschaft von zumeist 150,000*^^) mann mit 100,000 feld- 

431 

trappen. Im jähre -—- erscheint dann die bürgerschaft mit gegen 
750,000 Seelen neben einer gesammttruppenmacht von 195,000 mami 
mit 130,000 feldtruppen^^). Endlich wachsen die zahlen im jähre 
-^ auf etwa 875,000 seelen neben 262,321 männem über 16 jähre 
alt und demgemäss mit etwa 150,000 mann feld- und 75,000 mann 
reservetruppen. ^8) 
40 Was nun die zeit nach dem abzug der Gallier im jähre 



betrifft, so haben wir folgende resultate dafür gewonnen: Die gesaaunt- 
bürgerschaft betrug eine seelenzahl von etwa 140,000; die zahl der 
kampfesfähigen männer war durch die schlacbt an der AUa von 40,500 
auf etwa 30,000 zusammengeschmolzen, sodass wir kaum mehr als 
20,000 mann feldtruppen berechnen dürfen. Hierzu lernten wir eine 
gebietsausdehnung von etwa 25 omeilen kennen, sodass der durch- 
schnitt der bürgerzahl auf die omeile etwa 5600 seelen betrug. Zu 
diesen kommen nun noch Sklaven und abhängige bewohner der unter- 
worfenen gemeinden ohne bürgerrecht — so im vejentischen, capena- 
tischen und vielleicht fidenatischen gebiet — , sodass wir wol nicht 



70) Die angäbe des Livius 9. 19* 2. dass in den zelten Alexanders etwa 
250,000 eines censirt worden seien, ist, sowol was die zeit als was die zahl 
betrifft, ungenau; wir können uns nicht darauf berufen; der unterschied 
zwischen dieser angäbe und dem censns von -^^~ nach Livius 10.47.2 im 
betrage von 262,321 ciues ist ausserdem fQr die dazwischen liegende zeit, 
wenigstens 32 jähre, zu klein, daher wir jene 250,000 um ein bedeutendes 
verkleinem müssen, 

71) Mit dem abzug der invaliden und capite censi. 
7S) Bei Zurechnung der invaliden und capite censi. 

78) Mit Inbetrachtziehung der invaliden und capite censi. 



dp. IL] Die Yolskerkriege. 57 

gar zu hoch greifen, wenn wir die dnrchschnittszalil der gesammtlieit 
Auf die omeile mit 8—10,000 köpfen ansetzen. 



CAP. n. 

9<6 177 



Die Yolskerkriege ^^) In den jähren 



889 377 



Im vorigen capitel habe ich versucht, mit grösstmöglicher genaoig- 41 
keit die äussere politik und machtverhältnisse Roms zu und inmitten 
seiner nachbaren unmittelbar nach dem gallischen brande darzustellen, 
om, davon ausgehend, die nun folgenden kriegerischen bewegungen 
erklären und mit bezug auf ihre bedeutung für Rom ermessen zu 
komm. 

Es ist eine allbekannte tatsache,* dass die Verwüstung und ein- 42 
äschenmg Roms durch die Gallier für die historiographie epoche- 
madiend ist, da mit der Zerstörung der Stadt ausser dem capitol zu- 
gleich die Zerstörung aller oder der meisten litterarischen, besonders 
monumentalen quellen, wiederum ausser den auf dem capitol aufbe- 
wahrten, bedingt ist. Eine ähnliche calamität hat Rom während der 
repnblik nicht wieder getroffen. 

Daher langt seit dieser katastrophe erst die zeit an, in welcher 
zweifellos sichere au&eichnungen und denkmäler für die historiographie 
vorhanden sind; ein umstand, der, an und für sich betrachtet, von un- 
eadlieher Wichtigkeit und als solcher schon im altertum anerkannt wor- 
den ist. Hat doch aller Wahrscheinlichkeit nach der annalist des 7. 
jahrhimderts , Claudius Quadrigarius, mit dem gallischen brand sein 
geschichtswerk erst begonnen. 

Ist nun dies zugegeben, so möchte man als notwendige folge an- 4$ 
iiekien, dass von diesem Zeitpunkt an die geschichte klarer, weniger 
nebelhaft, weniger entsteUt und mit willkürlichkeiten erfüllt wäre. 
iUein dies findet nicht statt. Es ist in der traditionellen geschichte 
kein nnterschied in der Schilderung der nächsten zeiten vor und nach 
der gallischen katastrophe zu constatiren; dieselbe sagenhaftigkeit und 
onsickerheit auch der nacktesten tatsachen, abgesehen von den poli- 
tischen und patriotischen entstellungen, waltet vor; und sogar die 
Sanmiterkriege sind in einer weise mit erdichtungen und unwahr- 
scheinlichkeiten gespickt, dass man vom historischen grundboden nur 



74) üeber die geographie des Yolskerlandes vergl. Mannert 9. 1. 668. 



58 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bnch 2. 

die allerweitesten umrisse erkennt und auch von diesen manchmal den 
faden verliert und auf combination angewiesen ist. 

44 Diese erscheinung führt uns notwendiger weise zu dem schlnss, 
dass auch aus der zeit nach dem brande Roms nur die spärlichsten 
historischen aufzeichnungen den historikem vorgelegen haben, die sie 
dann mit der fttUe von sage und erlSndung zusammenarbeiteten. Lag 
aber so wenig vor, so war auch überhaupt nicht mehr vorhanden; und 
somit reducirt sich die Zerstörung historischer queUen durch den brand 
auf diese äusserst dürftige chronikau&eichnung und auf öffentliche 
monumentale Schriftstücke, wie bündnisse, gesetzestafeln und weih- 
inschriften. So dient der gallische brand dazu, fär uns ein kriterium 
f&r die mangelhafte kritische grundlage der römischen geschichte zu 
sein und uns zu lehren, die glaubwürdigkeit der berichte über die 
folgezeit nach der glaubwürdigkeit derjenigen über die.vorzeit abzu- 
messen: freilich kein unwichtiger handzeiger für den geschichtsschrei- 
ber, wenn auch an und für sich vielfach von trostlos negativem 
erfolge. — 

46 Wir haben schon oben erwähnt, dass, soweit wir historisch ge- 
sicherte berichte haben, das Yolskergebiet in der ältesten zeit sich 
bis in die nähe von dem Albanergebirg ausdehnte, so dass die spä- 
teren Latinerstädte Yelitrae, Norba, Signia, Setia, Satricum ursprüng- 
lich im Volskerland lagen 7*). Sehr wichtig für die belegnng dieser 
ansieht ist der umstand, dass, wie wir sehen werden (§ 76 ff.), alle von 

295 

der tradition vor das jähr -j^ angesetzten volskerkriege reine erfin- 
dung und spätere zudichtung sind, höchst wahrscheinlich um den be* 
weis zu führen, dass in Wirklichkeit die spätere ausdehnung Latiums 
auch die uranfängliche gewesen sei, daher mit fug und recht die spä- 
teren eindringlinge, Volsker und Aequer, wieder hinausgetrieben 

396 

würden. Denn in den traditionellen kriegen vor -— - sind die ge 
nannten Völker im vordringen und haben um das genannte jähr so 
ziemlich den weitesten punkt mit der anlehnung an das Albanergebirg 
erreicht Für uns aber treten jene Völker erst hiermit historisch auf 
und mit den Römern in berührung'«). Seit jener zeit aber waren bis 
zum gallischen einfaJl die Volsker von den Römern und Latinem all- 



7ß) Vergl. oben § 10, 23, 56 ff., 87 ff., 105; buch 6. cap. IL und III; 
dazu Strabo 5. 3. 4. p. 231, dass der ager Pomptinus ursprünglich volskisch 
gewesen sei; vergl. § 82 unten. 

7<) Vergl. die angeführten stellen darüber. 




Gap. n.] Die Volskerkriege. 59 

mählich immer mehr zurückgedrängt worden, wie die anläge von lau- 
nischen colonien in Yelitrae, Norba, Signia und Cora — diese müssen 
der froheren zeit angehören — beweist Dagegen waren Satricum 
und Setia noch nicht colonisirt, wie wir das noch sehen werden.''^) 

Die kriegsberichte zwischen Römern und Yolskem aus den jähren 46 
aöT ~~ ~877~ ®"^^ äusserst eintönig und machen den eindruck steter 
Wiederholung. Freilich das kriegsgebiet ist, der tradition nach, ein 
grosses, indem es die ganzen grenzen des römischen territoriums um- 
fasst and stets abwechselnd bald bei den Yolskem, bald bei den 
Etniskern, bald bei den Aequem, bald im lande der Latiner und Her- 
nJker selbst ist. Ueberall lässt die tradition die feinde massenhaft 
anltreten, und überaU endet ein glänzender sieg der Römer, verbunden 
mit gebietserweiterung, die drohende krisis. M. Furius Camillus 
ist es vor allem, der hier haufenweise lorberen erntet und bei allem 
alter und aller krankheit dennoch der stete held an der tagesordnung ist. 

Wir haben oben gesehen, dass nach dem abzug der Gallier das 47 
latinisch-hernikische bündnis mit Rom so gut wie gelöst war. Das 
nördliche statsgebiet, das den Yejentem erst kürzlich genommen worden 
war, scheint noch nicht völlig geordnet gewesen zu sein, wie die erst zwei 
jähre später erfolgende errichtung der 4 neuen tribus daselbst erweist. 
Die Volsker und Aequer, wenngleich durch die langen früheren kriege 
ans ihrer günstigeren position etwas verdrängt, halten den augenblick 
Ar gekommen, ihren alten erbfeind in seiner lähmung anzugreifen. 

Was die Yolsker speciell betrifft, so weiss die tradition von nicht 48 
weniger als sieben kriegen zwischen denselben und Rom im oben 
angegebenen Zeitraum von zwölf jähren, und zwar in den jähren 

Sfö 368 369 97S 376 376 377 78> 



386 ' 886 



«81 ♦ 379 » ^^8 ' 877 



')• 



77) § 66 ff. und 83. 

78) Liv. 6. 2ff., 6ff., llff., 22ff., 30, 31, 32; Plutarch Camill. 33ff., 
37 weiss nur von zwei Yolskerkriegen , in denen Camillus feldherr war, 
dem yon -^^ und -y5-, welcher letzterer aber mit dem von -^^ identi- 
fidrt wird, ersterer vor allem gegen die Latiner, d. h. die mit den Yolskem 
verbtadeten Latiner gerichtet war; Livius lässt Camillus in drei kriegen feld- 
herr sein im jähre -?|-, -^- und ~f-. Diodor 4. 117. weiss endlich 
nur von einem Yolskerkrieg im jähre des gallischen brandes, welchen er freilich 
auf Olymp. 98. 2 = -^ ansetzt; Zonaras 7. 24 erwähnt den ersten Yols- 
kerkrieg und spricht dann nur im allgemeinen von vielen andren kriegen 
bis zum licinischen gesetzes-conflict. 



60 ^om gallischen brande bis sun lieinisohen geseties-conflict. [Bieh 2. 

49 Unter diesen kriegen Mt nur der von -^ ungünstig fOr die 
Römer aus. An der spitze der römischen armee stehen zwei Manfier. 
Livius (6, 30. 3) führt sie, seiner queUe Udnius Macer '*) folgend; 
mit den gehässigen Worten ein: »den Manliem, weil sie um ihres ge- 
schlechts willen die plebeischen collegen, in der gunst dem Julius vor- 
gingen, wurden die Yolsker als prouincia ohne loos, ohne abmachung 
unter den collegen, ausser der reihe erteilt, f Der plebeische histo- 
riker weiss die unglücklichen feldherren von anfang an schlecht zu 
machen. Im folgenden jähre wird als räche fElr das unglück des Vor- 
jahres ein grosser raub- und verwttstungszug ins volskische gebiet ge- 
macht, ohne auf feindliche beere zu stossen; im zweitfolgenden kommt 
ein glänzender sieg über die Yolsker dazu.^) 

ÖO Dass die berichte über diese kriege nicht auf eine feststehende 
grundlage zurückgehen, folgt wol schon aus dem umstand, dass Plu- 
tarch«) den bei Livius zmn Jahr -f^ erzählten krieg in das Jahr -^ 
verlegt, und den bei Livius zu diesem jähr berichteten gegen ^e 
Yolsker und Etrusker auslässt. Wir haben in Plutarch bekanntlich 
den bericht des Dionys vor uns^). Bei Livius fungirtin den kriegen 
beider jähre Camillus als held; bei Plutarch auch. Bei Diodor 
(14. 117) heisst es, dass in folge des erstgenannten Yolskerkriegs, 
unmittelbar nach dem abzug der Gallier, die Yolsker, welche vorher 
für ein starkes volk gegolten hätten, nun völlig geschwächt und ge- 
brochenworden wären ^). Livius sagt im selben zusammenhange (6. 2. 13), 
dass die Römer die Yolsker endlich im 70. jähre zur Unterwerfung 
gezwungen hätten m). Beider ausdrücke stimmen dem sinne nach, 
was den zustand der Yolsker betrifft, augenscheinlich überein, ob- 
gleich sie ganz bestimmt verschiedene quellen vor sich hatten ^^). 
Diodor weiss in der folge nichts mehr von Yolskem. Livius (6. 12. 2 ff.) 
wundert sich höchlichst, woher die Yolsker nach den immer erneuten 



« 

79) Siehe oben buch 36. cap. I. Diese Manlier waren ja die gegner des 
angeblichen volksfreundes M. Manlius Gapitolinus, der vielleicht erst Macer 
seinen hauptrahm verdankt; vergl. § 141 ff*. 

80) Vergl. § 64 ff. und 65 ff. 

81) Siehe oben § 48 note. 

83) Yergl. oben buch 36. cap. I. 

88) dtr&svi^rarot rwv TcepuHxoövTwu i^v&v i-jrtv^ßi)<ray. 
84).Dictator . . • ad deditionem Yolscos LXX demum anno subegit. 
85) Diodor wol Piso, jedenfalls einen älteren ; Livius den Licinius Macer; 
vergl. darüber buch 36. cap. L und II. 



(kp. E] Die YolsketlEriege. 61 

gewaltigen schlappen stets neue und zahlreiche kriegsmannscfaaft haben; 
er sucht es aus einem Wechsel der kriegf&hrenden Stämme innerhalb 
denslbai Völkerschaft tu erklären. Wir haben allen gnind, uns mit 
Livios zu wundem, besonders nach erfolgen, wie sie nach Livius und 
Diodor aar erste krieg mit sich brachte. 

Wir müssen also entweder die folgenden kriege 'fOr höchst un- 61 
bedeutende grenzfehden halten, oder dieselben als historische tatsachen 
dnrehaus streichen, welches letztere durch die ausdrücke des Livios 
imd Diodor nach dem ersten krieg und wegen offenbarer Wiederholun- 
gen das wahrscheinlichere ist. Jedenfalls ist der Etruskerkrieg von 
-- nnr ein abklatsch dessen vom jähre -^ bei Livius.W) 

Die Yolskerkriege werden bei Livius und Plutarch immer so dar- 62 
gestdlt, 4ass auf der einen seite nur Römer, auf der andren Yolsker 
^el&di in Verbindung mit Latinem und Hemikem auftreten. Wir 
werden später sehen, dass die teilnähme der letzteren beiden Völker 
ynA eine ganz erfimdene ist ^0* ^s ist nicht denkbar, dass die Römer 
bei offener yerfeindung mit verschiedenen Latinerstädten im jähre 
"^ ) am latinischhemikischen bundestag angefragt hätten, warum 
diese Völkerschaften ihnenkeine hülfstruppen zu ihren kriegen schickten; 
abgesehen davon, dass in den Yolskerkriegen nicht die Römer, sondern zu- 
nletet immer die Latiner zu leiden hatten, weil ihre gemeinden zwischen 
Boffl und dem Yolskerland lagen; daher denn eher von einer hülfe- 
leistimg der Römer an die betreffenden Latinerstädte als umgekehrt 
geredet werden nrüsste. Femer ist es ganz undenkbar, dass die La- 
^er müssig zusehen sollten, wie ihre Auren von den feinden ^^) durch- 
zogen und verwüstet wurden, ohne sich ihnen zu widersetzen und in 
den Römern retter und helfer zu begrüssen. Jene römische frage 
kann daher nur auf die kriege Roms gegen die Etrusker bezogen wer- 
det; und darauf passt die latinische antwort, dass sie aus furcht vor 
den Volskem ihre grenzen nicht von truppen entblössen wollten. Yiel- 
leicht war ein weiterer grund, dass sie eben sich der auswärtigen po- 
Htak Roms nicht unterordnen und fügen wollten, daher in jenen krie- 
8^ sicih neutral verhielten^). Der erste teil nun der latinisch-hemi- 



^) So Niebuhr 2. 664; Ihne 1. 240. 
«) Yergl. auch cap. lY. 
^ Livius e. 10. 6ff. 

**) So lässt livius sie ja selbst die Yolsker in ihrer antwort auf die 
römisehe frage bezeichnen. 

^) Aehnlich Livius 7. 25. 6 zum jähre -^ ; vergl. unten § 106 u. 116. 



62 Vom gaÜischen brande bis zum liciniflchen gesetEes-conflict [Buch 2. 

kischen antwort auf die römische frage bei Livius (6. 70. 7)^ dass die 
verbttndeten es weder beabsichtigt noch verschuldet hätten, dass ein- 
zehie ihrer kriegsmannschaft in den volskischen heeren mitföchten — 
diese aussage passt durchaus nicht zu der frage, der Römer, weiche 
nicht nach dem gründe jener feindlichen bewegungen bei den Lati- 
nem, sondern nur nach dem gründe des vorenthaltens von bundes- 
contingenten fragen. Ja dass die Römer gar nicht nach dem gründe 
der verfeindung einzelner latinischer gemeinden sich erkundigen, deutet 
darauf hin, dass dieser ganze bericht tlber jene frage einer älteren 
quelle (Fabius Pictor?) entstammt, in welcher von feindlichen handlan- 
gen ganzer Latinergemeinden gamichts verzeichnet stand. Auch passt 
die angäbe, dass nur einzelne aus der latinischen kriegsmaonschaft 
unter der volskischen fahne gefochten hätten, durchaus nicht mit Li- 
vius, der mehrfach von einem wirklichen latinischen und hemikischen 
krieg spricht. *i) Der bericht nun tlber jene römische frage und die 
latinisch -hernikische antwort geht wie gesagt möglicherweise, wenn 
auch nicht in der bei Livius gegebenen fassung^^), auf alte ursprttng- 
liche aufseichnungen zurück. Ist dies der fall^^), so wird durch jene 
frage selbst schon die existenz der späteren volskischen kriege 
in frage gestellt, da frage und antwort, wie wir sahen, sich nur auf 
nichtvolskische kriege beziehen konnte. Die antwort war ohne zweifei 
blos eine entschuldigung, um sich dem zwange Roms zu entziehen; 
denn dass in Wahrheit in jener zeit die Yolsker nicht mehr so ge- 
fährliche gegner waren, werden wir sehen ^*). Wenn nun aber den- 



W) 6. 6. 2, 13; 7. 1; 8. 8; 12. 6; 13. 7, 8; 15. 7; 17. 7; 21. 2; 27.7; 
28. 7; 29. 6; 30. 4, 8; 33. 1, 4 u. a. a. 0.; unter den mit den Volskem ver- 
bundenen Latinerstädten werden Tusculum und Lanuvium, dazu die angeb- 
lichen römischen colonien Yelitrae und Circeii genannt: letzteres offenbar 
in dieser zeit im besitz der Yolsker; über Yelitrae vergl. unten § 105; buch 
3. § 43 ff^ und buch 6. cap. 3; über Circeii § 10. note; über Praeneste 
cap. HL 

92) Die rechtfertigung des bundesgenossen in betreff der einzelnen mit 
den Yolskem kämpfenden angehörigen ist wol späterer zusatz desjenigen, 
der die Latinerkriege erfand. 

93) Es wird wahrscheinlich dadurch, dass die auswärtigen Verhältnisse 
vom Senat geregelt werden, dessen acten und beschlüsse wiederum von den 
plebeischen aedilen im Cerestempel aufbewahrt wurden; diese aedilenaber 
sind ja die Verfasser der ältesten chronikartigen notizen; vergL buch !• 

cap. IL 

94; Vergl. § 75 ff 



Gap. n.j Die Yolskerkriege. 63 

noch Städte wie Velitrae , Lanuvium und Tusculum in Latium selbst 
als verbündet mit den Yolskem ersicheinen, so kann das einerseits 
massige erfindung der annalisten sein, vielleicht angeregt durch den 
gedanken, die Latiner als mehrfach wortbrttchig hinzustellen, woher 
die sehr harte bestrafung von Velitrae z. b. nach dem grossen Latiner- 
krieg -r— erklärt werden, andrerseits die milde der Römer gegen 
Tuseulun und Lanuvium in der folgezeit besonders einleuchten soll. 
Dena wenn, wie wir sehen werden, nach dem ersten Yolskerkrieg wäh- 
rend längerer zeit keiner wieder vorkommt, so können sich ja die 
latinischen gemeinden mit diesem landesfeind gar nicht gegen Rom 
V3:bündet haben. Und so erscheint der vielfache bericht über die 
knege der Latiner gegen Rom als boshafte erfindung, die den später 
von Rom aus immer auf jene ausgeübten zwang als kriegsrechtliche 
folge rechtfertigen soll. Ausser absichtlicher entstellung aber mag 
noch der umstand die annalisten zur annähme dieser Latinerkriege 
veranlasst haben, dass Präneste und Tibur mit Rom krieg führen. ^^) 

Das ganze Verhältnis Roms zu den Latinern und Hernikem ist 63 
nach den späteren Verhältnissen gezeichnet, wo Rom wirklich über 
Latium verfügte und als herr zugleich beschützer war. In ws^heit 
haben wir es jetzt immer noch mit ganz freien, rechtlich mit Rom auf 
«iner stufe stehenden gemeinden zu tun. 

Die späteren Yolskerkriege drehen sich meist um die Stadt Sa- 54 
tricum^) ander volskischen grenze nahe bei Antium ^7). Ersteres ist 
zu anfang unseres^bschnittes in den bänden der Yolsker vielleicht eine 
ursprünglich volskische Stadt ^^). Im jähre -rrr- schliessen sich die 
Volsker nach der niederlage durch Camillus in Satricum ein, welches 
dann von den Römern im stürm genommen wird (Liv. 6. 8). Die Rö- 
mer legen eine colonie von 2000 bürgern darin an (Liv. 6. 16. 6). 
^ Jahre -^^ nehmen die Yolsker die Stadt wieder und töten die rö- 

881 

fleischen colonisten. Wiederum zieht Camillus aus, schlägt die Yolsker 
und erobert ihr lager; aber Satricum bleibt in den bänden der feinde 
(Liv. 6. 22 ff.). Nach dem unglücklichen feldzug unter den Manliem 



W) Darüber weiter unten cap, III. und IV. 

M) üeber die läge vergL Mannert geogr. 9. 1. 645. 

»7) Es sind das die kriege von -^, ^ und *" 



386 ' 881 377 

^) Die sage, dass Coriolan sie den Römern abnimmt und den Yolskem 
übergiebt, oach Livius 2. 39, hat natürlich keinen anspruch auf glaubwür- 
digkeit. 



g4 ^ooA gallischen brande bis sam Heinisehen gesetzes-conflict. [Buch 1 

87ft 99v 

des Jahres -r;;r- ) und dem glücklichen plOnderongszug im folgenden 
Jahr, stehen sich der tradition nach -j^ wieder Römer einerseits, 
Yolsker und Latiner andrerseits bei Satricum gegenüber, letztere im 
besitze der Stadt. Die Yolsker und Latiner werden geschlagen; erstere 
ziehen sich nach Antium zurück, letztere bleiben in der Stadt. Die 
Yolsker übergeben darauf den Bömern rechtlich Stadt und land von 
Satricum. Aus zorn darüber brennen die Latiner vor der übergäbe 
die ganze Stadt bis auf den tempel der Mater Matuta (Liy. 6. 30 ff.) 
nieder. Damit schliessen die Yolskerkriege für lange zeit. ^^ 
56 Was nun den letzten krieg und das geschick von Satricum betrifft, 
so muss es jedem im hohen grade töricht von den Latinern erscheinen, dass 
sie anstatt die Stadt zu halten, dieselbe verbrennen und trotzdem den 
krieg fortsetzen. Dazu kommen mehrere sehr verdächtige umstände. 
Einmal bauen die Römer Satricum nicht auf und colonisiren es auch 
nicht, was nach einem so siegreichen krieg zu erwarten wäre. Zwei- 
tens taucht der bericht über die Verbrennung der stadt in ganz glei- 
cher weise, auch wiederum mit alleiniger erhaltung des tempels der 
Mater Matuta, im jähre -^auf, nachdem die Antiaten zwei jähre vor- 

846 

her die Stadt erst wieder aus den trümmern errichtet und colonisirt batten. 
Diesmal aber wird sie von den Römern verbrannt. Was ist da wahr- 
scheinlicher, als dass die frühere einäscherung nur ein abklatsch der 
späteren ist. Dadurch aber wird jener Volskerkrieg sehr verdächtig; 
ja wir müssen annehmen, dass Satricum nach wie vor volskisch blieb, 

Süß 

und der Wiederaufbau der stadt von Antium aus im jähre -^ nur 
ad hoc erfunden ist, weil vorher von einer Zerstörung berichtet war. 
66 War aber Satricum wirklich volskisch, so steht es desto bedenk- 
licher um die römische colonisation^O; sie müsste denn in wahrMft 
von den Volskem aufgehoben und vernichtet worden sein. Das abet 
hätten die Römer gewiss nicht ungerochen gelassen, besonders als 
ihnen seit -^ und -~- wieder die gesammten bundescontingente dör 



99) Siehe oben § 49. 

100) Bis zum jähre -j?|- nach Liv. 7. 27. 

101) Die ansieht L. Dindorfs ia der ausgäbe des Diodor 5. bd. im 
index zu Sardinien und Satricum, dass die angäbe Diode rs 16. 27^.^« 
von der aussendung von 600 colonisten nach »Sardonia« im jfthre -^ 
auf Satricum zu beziehen sei, ist gar zu hypothetigch, als dass datauf rück- 
MA ^Hommeii werden könne. Auch wissen die tlbrigen quellen flichts d^ 
von. Ueber jenen bericht wird unten § 84 gehandelt werden. 



.-f- 



Gap. IL] Die Yolskerkriege. 65 

Latiner und Hemiker zu geböte standen. Ja, die benachbarten La- 
tiner mussten die Wiedereroberung Satncums durch die Volsker schwer 
empfinden und durchaus geneigt sein, mit den Römern gemeinsame 
Sache zur Wiedererrichtung einer colonie zu machen. So scheint denn 
Satricum überhaupt nicht römische colonie gewesen zu sein.^^) 

Dann aber werden die kämpfe, welche sich um Satricum drehen, 57 
vielfach unerklärlich ; denn wenn die Stadt mehrmals in die bände der 
Römer geriet, wie wurde sie immer wieder volskisch? wesshalb zer- 
störten die Römer sie nicht von grund aus? Alle diese umstände neh- 
men den genannten Volskerkriegen die historische Wahrscheinlichkeit 
and glaubwürdigkeit. ^^) 

871 

Nun wird zum jähre ~-r- berichteti^), dass quinqueuiri zur ver- 68 

889 

teilimg der pomptinischen feldmark an die plebs ernannt, worden seien. 
Von dieser feldmark sagt Livius (6. 5. 2), dass sie nach dem ersten 
grossen Volskerkrieg von -— r- in den endgültigen besitz der Römer 
gelangt sei, wie das auch durchaus wahrscheinlich ist. Die pomptini- 
sehe feldmark muss jedenfalls nördlich von Satricum gelegen haben, 
da wir sahen, dass dieses volskisch blieb. Jedenfalls aber wird das 
neuerworbene gebiet an die feindlichen grenzen gestossen haben. Eine 
ackeryerteilnng nun bedingt doch, dass das zu verteilende territorium 
^ig und feindlichen einfallen nicht zu sehr ausgesetzt sei; sonst 
^de man eher geneigt sein, eine colonisation anzunehmen. Eine 
solche aber — ausser der widerlegten in Satricum -- wird nicht be- 
nchtigt. Da ist denn nicht wahrscheinlich, dass die nachbam dieses 
territoriums grosse kriegerische gelüste geäussert haben. 

Zugleich mit der ackerverteilung wird die erhebung Lanuviums 59 
gemeldet ^<>öj. Livius denkt an eine kriegerische erhebung, und so 
deutet es auch Weissenbom i<^«). Vielleicht aber haben wir ein mis- 
verstäncbüs des Livius zu constatiren, der eine rechtliche auseinander- 
Setzung zwischen Lai^uvium und Rom für eine auflehnung des ersteren 
gegen letzteres hält. Eine rechtliche frage aber konnte gerade in 
^olge und bei gelegenheit der austeilung des pomptinischen ackers an 
i^ömische plebeier stattfinden, indem die Lanuviner für ihr^ teilnähme 



lö^ Ebenso wenig wie Velitrae und Circeii. 

108) Vom letzten Isrieg, den die Antiaten führen, hat Mommsen, r. g. 
1 ^. 359 note, es auch schon eingesehen, 
iw) livius 6. 21. 4. 105) Livius 6. 21. 2. 
io<>) Grosse ausgäbe zu dieser stelle. 

OlMon röm. gMCh. I. 5 



66 Vom gallischen brande bis zum licinisehen gesetzes-conflict. [Buch 2 

am kriege gegen die Volsker bei erwerbung des landstriches anteil 
am eroberten verlangten und vielleicht durch jene Verteilung geschä- 
digt wurden.i<>7) 

60 Was die speciell von Camillus geführten feldztkge betrifft, so tra- 
gen sie in hohem grade einen sagenhaften Charakter an sich^^). Die 
grosse ausführlichkeit mit allem möglichen detail, die abweichungen 
zwischen Livius, Plutarch imd Diodor über den ersten, zwischen Li- 
vius und Plutarch über den dritten ^^^), lassen ausserdem auf verschie- 
dene redactionen schliessen, die die tatsachen selbst nur noch zweifel- 
hafter machen. Dazu kommt, dass Camillus nur einmal und zwar nach 
dem ersten krieg triumphiit, während die beiden andren von ihm ge- 
führten gerade so sehr einen triumph verdient hätten."®) 

QgU 

61 Was den feldzug des jahies --— betrifft, so fällt dieser zusam- 
men mit dem process gegen M. Maul ins Capitolinus; doch geht 
der feldzug vorher. Der dazu ernannte dictator A. Cornelius 
Cossus^O besiegt ein ungeheures beer der Volsker, Latiner und 
Hemiker auf dem pomptinischen gebiet, kehrt dann zurück, leitet die 



i<^7) Dass sie den Römern in dem kriege gegen die Volsker beigestan- 
den hatten, geht schon daraus hervor, dass Livius sie »fidelissima urbsc 
nennt. Niebuhr 2. 657 note 1288 identificirt diese ackeranweisung mit der 
errichtung der colonie Satricum; wir haben oben gesehen, dass letztere hi- 
storisch unhaltbar ist; vielleicht aber kann gerade der umstand, dass die 
ackerverteilung statt fand, die annalisten auf die misliche läge solcher 
eigentämer neben einem der tradition nach unaufhörlich kriegerischen volke, 
wie die Volsker geschildert wurden, aufionerksam gemacht haben, welche 
dann die notwendigkeit einer colonie zum schütze des neuen gebietes ein- 
sahen und dieselbe nach Satricum zauberten. Allein wenn in Wahrheit die 
grenze ruhig geworden war, so bedurfte es eines solchen Schutzes nicht mehr. 

108) Es sind das die kriege von -^, -^^ und -?—• 

109) lieber den ersteren hat Plutarch zwei Versionen, davon Livius die 
weniger fabelhafte; Diodor hat eine noch natürlichere; über den dritten di- 
vergiren Livius und Plutarch in betreff der zeit, da Plutarch ihn in das jähr 

ansetzt; ausserdem betont Plutarch beim ersten das latinische contin- 



886 

gent der feindlichen armee besonders, während Diodor gar nichts davon 
weiss ; dann verbindet Plutarch mit dem dritten einen Pränestinerkrieg, wo- 
von Livius nichts weiss, vielmehr einen solchen besonders erzählt und zwar 

374 

zu einem ganz andren jähr, zu -^g^. 

110) Niebuhr 2. 658 schliesst aus dem mangel des triumphs nachdem 
dritten feldzug nur, dass Camillus nicht endgültig gesiegt habe; ich glaube 
man darf mehr tun und den ganzen krieg über den häufen werten; was 
dann auch von dem zweiten krieg gilt. m) Livius 6. 11. 10. 



Cap. IL] Die YolAeiicriege. 67 

verhaadlnngen gegen Manliiig bis za dem punkt^ dass dieser in's ge- 
fiognis geworfen wird, und trinmphirt dann über die Yolsker.^ 

Unter diesen nniBtflnden ist er schon eine ganze weile in der Stadt 62 
gewesen, ehe er trinmphirte. Das aber widerspricht dem usus sowoi 
als dem statsrechtlidien grundsatz, dass mit dem betreten der Stadt 
Bonider £eidherr die abzeichen seines imperium^^^) niederlegte, dass sein 
ifflperimn militiae als ein ruhendes angesehen wurde, und die kriegs- 
aosplden, mit denen er ansgerfickt war, erloschen sind. Eine er- 
nenenmg der kriegsauspicien zum zwecke des triumphs kommt wäh- 
rend der republik nicht vor; das erste beispiel dater hat Drusus 
ua jähre 20 nach Christi Greburt gegeben i^^). Der triumphator durfte 
daher vor dem triumph das pomo^um der Stadt nicht betreten haben; 
Qod ans diesem gründe müssen wir den triumph des Cornelius Cossns 
über die Yolsker Ar erdichtet, und zwar schlecht erdichtet erklären. 

Ist aber der triumph nicht historisch, so leidet darunter der grosse 63 
sieg über die Yolsker gleich&Us in seiner glaubwürdigkeit^ denn der- 
mttsste unter gewöhnlidien umständen einen triumph zur folge 
i. 

iflein ich muss weiter gehen. Wir sehen, dass der dictator Cor- 64 
iieiins Cossus während der ersten hälfte des manlischen processes im 

369 

amt ist, und zwar im jähre -rr— -. Mommsen^^^) spricht eingehend 
über diesen process und schält aus dem wüst sagenhafter einkleidung 
d^ dürren historischen Sachverhalt heraus. Dabei deutet er mit 
Foilem recht darauf hin, dass die zweite hälfte des traditionellen pro- 
cesses einfoche spätre zudichtung sei, um Manlius unter dem grossen 
CandUus verurteilt wmLen zu lassen. Ursprünglich hat Camillus nichts 
damit zu ton, und ist der ganze teil des processes, der ins jähr -~- 
&%, zu streidien, respective die hinrichtung des Manlius noch in das 

* 1 869 

Jwr -^^ unter Cornelius Cossus anzusetzen. Cossus hatte demgemäss 



iis) Der umstand, dass die älteren annalen, die quellen der letzten 
liinos voiü^eaden redaction des Licinins Macer, nur von einem triumph 
ti)er die Yolsker, nicht zugleich mit über die Latiner und Hemiker berich- 
ten, bewußt, dass die anteänahme dieser am kriege erst einer weiteren ent- 
steilong zu Ungunsten der bundesgenossen angehört und nicht ursprünglicher 
bestaadteil des berichts ist 

^^ Die belle in den üuces. 

11^) Darfiber Becker-Marquardt 3. 1. 286; 3. 2. 446; besonders 
lIouLmsen röm. statsrecht I. p* 107 note 5. 

lu) Hermes 5. 2. 248ff. 

6* 



68 Vom gallischen brande bis sam licintschen gesetxes-conflict . [Bach 2. 

als dictator »rei gernndae causa« die Oberleitung des inneren 
statswesens zu versehen. Sahen wir nun, dass sein triumph unhaiibar 
und dadurch der Yolskerkrieg selbst zweifelhaft geworden war^ so 
fiUlt letzterer ganz, wenn man in betracht zieht, dass der dictator vor 
allem zur Ordnung der inneren statsangelegenheiteu ernannt war. 
Aus dieser dictatur ist dann eine militftrische mit einem kriege and 
triumph gemacht, gerade so wie es mit der fünften dictatur des Ca- 

S87 

miUus im jähre -^ gegangen ist, dem ein gallischer krieg und triumph 
angedichtet wurde."«) 

65 So fallen denn die verschiedenen Yolskerkriege vor dem scharfen 
lichte der kritik in nebel auseinander. Auch die beiden vorletzten 
feldzttge von -~ und =^^|- sind gleich wertlos. In beiden jähren ist 
weiter nichts zu berichten; da regt sich schon der verdacht, dass als 
fCÜlung ein par kriege erdacht werden. Ueber den unglücklichen aas- 
fall des ersteren und die gehässigkeit, mit welcher von den fahren 
derselben, zwei Manliem, gesprochen wird, war oben schon die rede. 
Der zweite krieg ist durchaus unglaublich. Livius (6. 31) erzählt, 
dass ein volskisches beer ins römische gebiet einfällt Darauf werden 
zwei consularische beere ausgehoben, rücken an verschiedenen stellen 
in's Volskerland ein, verwüsten es auf das vollständigste, nehmen men- 
schen und vieh mit nach Rom und sind doch auf keine volskische 
armee gestossen, während im nächsten jähr ein grosses volskisqhes heer 
den Körnern wieder gegenüber steht. Es ist klar, dass vrir es mit 
einem lückenbüsser und einem schlecht erdachten zu tun haben. 

66 Ueber die unglaubwürdigkeit des letzten kriegesi haben wir schon 
gesprochen 117). Dabei ist es amüsant zu lesen, wie die historischen 
erfinder auch historische gerechtigkeit widerfahren lassen: Im kriege von 

868 

(Liv. 6. 8. 8) sind Volsker, Latiner und Hemiker vereinigt ; dies- 



38« 

mal verlassen die beiden letzteren erstere vor beendigung des krie- 
ges; im letzten, kriege verlassen daftlr die Volsker die Latiner vor 
schluss desselben (Liv. 6. 33). So wird geschichte componirt. 
67 Aus allen angeführten momenten geht hervor, dass nur der erste 
krieg auf glaubwürdigkeit anspruch machen kann; und das bestätigt 
sich durch andre gewichtige gründe. "®) 



11«) Vergl. buch 3. § 46. ii7) Vergl § 54ff. 

118) Es sei hier bemerkt, dass Niebuhr 2. 655 sich eigentlich auch 
für diese ansieht ausspricht, wenn er darauf hinweist, dass die forderung 
der tribunen, landanweisungen in der pomptinischen landschaft betreffend, 



Gap. R] Die Volskerkriege. 69 

Es ist schon darauf aofinerksain gemacht worden, dass Livins so- 68 
wol wie Diodor zum schluss der schüdening des ersten Yolskerkrieges 
voo einer völligen Schwächung dieses volkes sprechen. Liyius (6. 2. 12ff'.) 
lässt nach der besi^ting und niedennetzelung der Yolsker durch Ca- 
fflühis diesen die ftbrig gebliebenen auf der flucht verfolgen und das 
ganze Volskergebiet verwüsten"»); worauf die Volsker im 70, jähre i^o) 
unterworfen worden wären. Diodor (14. 117) lässt in der schlacht 
fast sänuntliche feinde niedergehauen werden, in folge dessen die Yols- 
ker die allerschwächsten der umwohnenden Völkerschaften geworden 
wireni*!). Beide ausdrucksweisen sind sehr entschieden^^a). Piutarch 
bat nichts derartiges als folge des krieges ausgesprochen^ und wir mer- 
Iren darin die vorsichtige reflectirende weise seines quellenautors, des 
Dionys^^). Letzterer sah, dass nach diesem ersten Yolskerkrieg noch 
weitere in seiner quelle folgten; daher er eine so völlige entkräftung der 
Volsker nach dem ersten kriege nicht glaubte gut heissen zu können 
nnd den flngirten späteren kriegen die wahrheitsgetreue Schilderung 
des vdskischen zustandes zum opfer brachte. 

Wir wissen, dass Diodor in dergleichen mitteilungen ungewöhn- 69 
liehe glaubwürdigkeit verdient, weil er auf ältere weniger verfälschte 
qneüen zurückgeht i^^«). Da bei ihm nun einerseits mit diesem Yolsker- 



ftof einen dauernden friedenszustand in Latium mit den Yolskem hindeute ; 
dennoch aber halt er die folgenden Yolskerkriege fUr historisch. Yergl. dazu 
§ 84. aber die colonisirung Setia9>m ende. 

^^^ Qmnem Yolscorum agmm depopulatus. 

i^) Des kampfes? darttber unten § 76 ff. 

^) da&Bviifrarot r&v Tttptotxouvrav i^vwv, 

^^> Auffallend ist es, dass dieser verwüstungszug des Gamillus in dem 
^itionellen kriege des Jahres -|^ nach Livius seine völlige Wiederholung 
^det, so dass der verdacht nahe Uegt, letzterer sei aus ersterem entstan- 
den. Ausserdem ist das ende des letzten Yolskerkrieges vom jähre 



877 

11^ Livius ungefähr gerade so als das des ersten bei ihm ; auch dort den- 
ken die Yolsker (Antiaten) an Unterwerfung und übergeben vertragsmassig 
den Römern Satricum und dessen gebiet. 

123) Vergl. buch 1. cap. I. 

^) Es ist nicht begründet, dass Niebuhr 2. 255 note 1281 Diodor 
^s glaubliche quelle zurückweist, weil er mehrere kriege — doch nur den 
Volsker-, Aequer- und Etruskerkrieg, den Livius auch nennt und ausserdem 
eine Version des gallischen krieges — - in dasselbe jähr, das jähr nach dem 
brande verlegt; er führt nichts von den folgenden kriegsgeschichten des 
Livius weder m diesem poch einem folgenden jähr aü. 



70 Vom gallischen brande bis zum licüüschen gesetzes-conflict [Bacb 2. 

krieg die ähnlichen kriege schliessen, er ausserdem die völlige nieder- 
werfüng der Yolsker nach dem ersten berichtet, da ausserdem in die- 
sem letzten pnnkt der seine quellen naiv copirende LiTiüs mit ihm 
übereinstimmt 1^^), so drängt alles dahin, diese tatsachen als historisch 
anzuerkennen und demgemäss mit Streichung aller folgenden 
Yolskerkriege bis zum licinischen conflictnur einanVols- 
kerkrieg im jähre -^ zu constatiren. 

70 Wir haben gesehen, dass über diesen krieg drei verschiedene 
Versionen existiren, bei Plutardi nach Dionys zwei, eine ganz fabel- 
hafte,, die offenbar nur als aetiologischer mythus zur erklärung der 
nonae Gäprotinae des Juli erfunden ist^^^); eine zweite fiüit zum teil 
mit dem liviaoischen, zum andren teil mit dem diodorischen bericht 
zusammen. Der^livianische lautet folgendermas&en: 

71 Die Yolsker hatten in der nähe von Lanuvium am berge Me- 
cius^^^) ein lager aufgeschlagen. Gamillus zieht mit einem beere gegen 
sie. Die Yolsker befestigen sich daher mit einem wall aus baumstäm- 
men. Gamillus lässt diesen in brand setzen. Die feinde geraten in 
die äüsserste Verwirrung. Gamillus dringt darauf in's lager ein, haut 
die feinde nieder und nimmt das lager ein. 

72 Diodor bringt einen eiBfacberen und den Kömem weniger schmei- 
chelnden bericht: Ein römisches beer zieht den Yolskem entgegen und 
schlägt an dem berge Marciusi^«) ein lager auf. Die Yolsker greifen 
das lager an. Aus furcht für die römischen truppen wird in Rom 
Gamillus zum dictator ernannt* Dieser zieht mit der ganzen waffen- 
fähigen mannschaft bei nacht von Eom aus, erreicht bei tagesanbruch 
das 200 Stadien = 25 römischen =5 5 deutschen meilen***) entfernte 
lager, wo die Yolsker die Kömer gerade angegriffen haben. Gamillus 



125) Die quelle des Livius, Licinius Macer, scheint hier wiederum aus 
Fabius Fictor und Yalerius Antias contaminirt zu haben, indem sie den be- 
richt über den ersten krieg noch dem Fabius entnahm, dann aber, weil Ya- 
lerius noch weitere Yolskerkriege mitteilte, zu diesem überging und nach 
ihm das weitere berichtete. iw) Vergl. Seh wegler 3. 273 ff. 

187) Bei Livius 6. 2. 8: ad Mecium is locus dicitur; Flut. Cam. 34. 2: 
Ttipt TÖ Mdpxiov öpog] Diodor 14. 117: iv rot xalou/iev^ Mapxiüt r Bie geiaxi^ 
Schreibweise ist nicht festzustellen ; allein alle drei meinen offenbar densel- 
ben ort; die genaue läge desselben ist unbekannt; die angäbe des Diodor, 
dass er 26 römische meilen von Rom entfernt gewesen wäre, zwingt unß 
.ihn von Rom aus jenseits Lanuvium, nicht weit von dem orte Ad Sponsas 
an der appischen Strasse zu suchen. i*») Siehe oben § 71. 

129) Siehe oben § 71. note. 



Cap. I] f Die Yolskerkriege. 71 

Mi ersteren in den rücken und zwingt sie zur umkehr, worauf die 

K9mer im lager gegen sie ausfallen. Der erfolg ist, dass fast alle 

Volsker niedergehauen werden« 

Diese beiden berichte sind nun bei Plutarch nach Dionys zu einem 73 

vereinigt, d. h. so zusammengestellt, dass der diodorische vorausgeht, 
und der livianische sich unmittelbar anschliesst. 

Niebubri'^^) entscheidet sich Air die erzählung Diodors, da sie die 74 
glaubwürdigere sei. Das scheint sie freilich, aber der grössere schein 
der glaubwttrdigkeit ist noch durchaus kein beweis. Wir sind noch 
nicht über die zeiten hinaus, für welche wir in den gleichzeitigen auf- 
zeichnungen ausführliche schlachtbeschreibungen annehmen dürfen. Nur 
so viel freilich kann aus dem diodorischen bericht auf älteste quellen 
zorftekgef&hrt werden, dass ein römisches beer am berge Mecius von 
Volskern eingeschlossen und von Camillus nach besiegung der Volsker 
entsetzt worden sei; die niederlage der Volsker aber sei eine voll- 
ständige gewesen, so dass dies volk seine frühere machtstellüng völlig 
eingebüsst habe. Mehr wird kaum in den ältesten aufzeichnungen ge- 
standen haben. Die ausschmttckung des diodorischen berichtes ist ja 
im ganzen gering, und der dort angegebene verlauf des kampfes durch- 
ans natürlich, daher er der livianischen und plutarchischen redaction 
vorzuziehen ist. Allein das bedeutet nur so viel für Diodor und seine 
quelle, dass letztere getreuer und nüchterner erzählt hat als die an- 
dren, und auch hierin, wie wir es so oft beobachtet haben ^^i), einen 
älteren Charakter als die queUen jener autoren au sich trägt, i*^) 

Die folge dieses Volskerkrieges war, wie schon hervorgehoben, 75 
die völlige entkräftung des bisher so unruhigen und kriegslustigen 
Tolksstammes, so dass derselbe bis zum jähre -^ nicht wieder es ge- 
sagt hat, sich aufzuraffen und den krieg mit Kom zu erneuern i^). 
Vieüeicht ist übrigens dieser erfolg nicht blos den römischen waffen, 
sondern auch dem vordringen der Samniter im rücken der Volsker 
zuzuschreiben, die diese nun zwangen eine andre kriegsfront anzuneh- 
men, um den noch näheren und drohenderen feind in seinem vordrin- 
gen von Südosten her zu hemmen und die eigenen grenzen zu ver- 
teidigen. 

Koch auf einen ausdruck des Livius in betreff dieses Volsker- 76 



5W) Rom. gesch. 2. 652. i«i) Buch 1. cap. I. und H. 

1« Dass es wahrscheinlich Calpumius Piso war, darüber vergl. buch 1, 
a. a. 0. 138) Wviufl 7. 27. 



72 ^om gallischen brande bis zum liciniscfaen gesetzes-confiict. [Bach 2. 

krieges ist aufiaerksam zu machen. Livius (6. 2. 13) sagt^ dass die 
Yolsker im 70. jähre zur Unterwerfung gezwungen worden seien ^. 
Was die Unterwerfung betrifft, so haben wir geseheui dass davon nicht 
die rede war, dass wir es vielmehr nur mit einer dauernden lähmung 
der Yolsker in ihren Unternehmungen gegen Rom zu tun haben. 

Worauf nun jene angäbe eines 70. Jahres zu beziehen sei, ist 
zweifelhaft. Eutrop (2. 1) und Orosius (3. 3) sprechen von einem 
Tojährigen kriege, der durch diese niederlage beendet worden seL 

77 Dagegen spricht sich Niebuhr (2. 289ff.) aus, der vielmehr einen 

AQR AAR 

70jährigen frieden — von -^ — — versteht, nach welchem nun 

endlich die Yolsker krieg begonnen hätten. Allein Niebuhr muss zu^ 
geben, dass Livius wie Eutrop und Orosius einen 70jährigen krieg 
im sinne hatte. Der 7ojährige friede Niebuhrs aber ist apokrypher 
natur und aufgebaut aus] einer reihe von unhaltbaren liypothesen. Zuerst 
beruft er sich auf Dionys (8. 35), nach welchem im jähre -^ die Rö- 
mer mit den Yolskem ewigen frieden und isopolitie wie mit den La- 
tinem geschlossen hätten, eine sonst ebenso wenig beglaubigte als 
glaubhafte tatsache. Dann beruft sich Niebuhr auf den census des 
Jahres -^, dessen historische unhaltbarkeit Schwegler dargetan hat^^). 
Femer führt er die angäbe des Livius (3. 24. 10) an, dass im ge- 
nannten jähre mit den Aequem frieden geschlossen worden sei, was 
er auf die Yolsker beziehen will, da unmittelbar nachher ein krieg mit 
den Aequern statt findet. Endlich beruft er sich auf die nachricht 
des Livius selbst über das 7o. jähr, und meint dieser habe sich nur 
geirrt und statt des friedens vom kriege gesprochen. 

78 Demnach müssten alle kriege der tradition mit den Yolskem zwischen 

O Q K ^{t\l% 

-—— und — — - gestrichen werden. Wenn nun freilich diese eine sichere 
historischegewährnichthaben, SO spricht doch die ganze politische läge 
Latiums in dieser periode dafür, dass die grenze zwischen diesem und dem 
Yolskerland sehr schwankend war; abgesehen davon, dass Rom einen 
Sonderfrieden mit den Yolskem gar nicht schliessen konnte, ohne dass 
derselbe auch für die Latiner und Hemiker gegolten hätte. Allein 
auch ohne diesen umstand erweisen sich die Niebuhr'schen gründe für 
einen 70jälirigen frieden als haltlos. Die verschrobenen Vorstellungen 
eines Dionys, gefälschte censusberichte, angaben, die auf die Yolsker 
gar keinen bezug nehmen, und eine entschieden gegenteilige aussage 



xw) Septuagesimo demum anno. iss) Yergl. oben cap. I. § 32. 



Cap. II.] Die Yolskerkriege. 73 

bei Livins sind sehr mangelhafte stützen für eine hypothese. So lassen 
m denn den frieden fallen. 

Allein bei annähme eines 'ZOjährigen krieges bieten sich ähnliche 79 
Schwierigkeiten. Damit würden alle Yolskerkriege vor -^ in nebel 
zerMen. Viel historische gewähr haben sie freilich nicht, besonders 
die coriolanischen und noch älteren datmns. Aber Livins konnte nicht 
so denken oder rechnen, da er vor wie nach eine fülle von Yolsker- 
kriegen anführt. Seine qnelle mag hier wieder zwei berichte haben i'^), 
die eine, welche in Wahrheit von -^ an erst Yolskerkriege anführt 
und dieselben anf längere zeit mit dem jähre -^ schliessen lässt^^^), 
einet andre, welche auch für die ältere zeit schon Yolskerkriege hinzu 
geftlgt hatte und von jenem 70. jähre nichts sagte i^^). Dann würden whr 
freiMch der aus Fabius geschöpften nachricht folgen und die vor -jgj- 
faUenden kriege streichen müssen. Livius schrieb nattlrlich ohne zu 
äberlegen seine ebenso tmüberlegt compilirende quelle aus. 

Damit ist der versuch zur erklärung des livianischen ausdrucks 80 
gemacht, der, wenn er einigen anspruch auf glaubhaftigkeit hat, einen 
widitigen aaihalt für die kritik der traditionellen Yolskerkriege bietet, 
indem dadurch einmal die masse des älteren sagenhaften materials in 
niehts zerfällt, ferner aber auch eben durch den endtermin jener 70 jähre 
nnsere obige auseinandersetzung über die unglaubwürdif^keit und er- 
findtuig der nach -— - bis zum jähre -rrr io der tradition vermerkten 

Owif Oll 

volskerkriege in hohem grade gestützt und belegt wird. Gerade 
solche anscheinend regel- tmd beweislosen notizen chronologischer art 
in onseren quellen, besonders den so naiv copirenden wie Livius, sind 
oft der ausgangspunkt für sidiere historische blicke durch den sich 
^cht über der masse der zeiten ballenden nebel historischer ent- 
stellung. 

Für die Römer war der erfolg des Yolskerkrieges von -^^ gleich- 81 
falls nicht imbedeutend, natürlich zu ihren gunsten. Wir haben schon 
gesehen, dass als preis dieses kampfes den Römern der endgültige 
besitz des sogenannten ager Pomptinus zufiel. Dieser i'^) lag nach 

18«) Wie das ja von Licinius Macer oft bezeugt ist; vergl.buchl. cap.I. 

187) Nach den angaben von Nitzsch: Fabius Pictor; vergl. oben buch 1. 
cap. I. 

138) Yalerius Antias; vergl. a. a. 0. Auch Plutarch nach Dionys hat 
nichts davon, und dies erhöht die wahrschemlichkeit, dass Dionys hier Ya- 
lerius Antias brauchte; vergl. auch § 142. 

la») Yielleicht nach der früh verschollenen Stadt SuessaPometia ge- 
nannt; über die läge des gebietes vergl. Mannertgeogr. 9. 1.623,637,643. 



74 ^<»n gallifidieii braftde bis zum liciniscfaen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

obiger angäbe nördlich von Satricum nach der römischen grenze zu. 
Die grenze selbst kann in der richtong nach Satncom höchstens eine 
bis Hwei meilen von der Stadt Rom entfernt gewesen sein**®); das 
Schlachtfeld dagegen lag jenseit Lanuviums, wahrscheinlich im gebiet 
dieser Stadt ***). Ein vordringen der Volsker bis in diese gegend beweist, 
dass diese die durchzogene gegend besetzt, etwaigen widerstand zu bo- 
den geworfen und sich in den tatsächlichen besitz des gebietes von 
hier südlich bis zu ihren grenzen bei Satricum ^*^) gesetzt hatten. Da- 
mit waren vor allem die nächsten städte wie Lanuvium und Ardea, 
vielleicht auch Velitrae, Aricia und Lavinium bedroht, welche alle la- 
tinische bundest&dte waren ^*'). Daraus ist unzweifelhaft zu folgern, 
dass unter den romischen truppen der tradition sich auch die bundes- 
contingente wenigstens einiger dieser städte befanden, wenn nicht ihre 
beere schon vorweg von den Volskern geschlagen worden waren. Die 
Römer aber waren es wol jedenfalls, welche den ausschlag gaben. 
SSi Als solche scheinen sie denn auch sofort den besitz der den Vols- 
kern wieder abgenommenen gebietsteile des alten Latium angetreten 
zu haben, ohne den bundesstädten das diesen ehedem von den Vols- 
kern abgenommene eigene terrain wiederzugeben; ein umstand, der 
wol geeignet war, den grimm und die abneigung dieser zu wecken 
und zu schüren; und auf den rechtszwist hierüber wird wol der ver- 
meintliche abfall von Lanuvium ^^) zu beziehen sein. 

Dies pomptinisehe gebiet also lag wenigstens teilweise jedenfalls 
nördlich von Satricum und an die grenzen von Ardea und Lanuvium 
stossendi**^). Fraglich i§t es, ob es sich noch weiter nadb nordwesten 
bis an die eigentlich römische grenze ausdehnte. Doch ist dies darum 
wol wahrscheinlich , weil sonst die Römer , räumlich von dem neu- 
erworbenen gebiet getrennt, zur bewahrung desselben jedenfalls einer 
colonie bedurft hätten; eine solche aber ist nicht angelegt worden, 
wie wir oben sahen *^), daher die annähme notwendig wird, dass ent- 
weder das römisohe gebiet selbst sich an dieser seite mehi* nach Süden 
ausgedehnt habe und dadurch mit dem pomptinischen zusanunen- 
gestossen sei, oder dass letzteres noch nordwestlich von Lanuvium und 



1*0) Siehe oben cap. L hi) Siehe oben § 71. 

H») VergL oben § 58. i«) Vergl. cap, I. § 10. note. 

1**) Livius 6. 21. 2; vergl. oben § ö9. 
1«) Vergl. dazu auch Strabo 6. 3. 6. p. 233. 
u») Satricum ist ja nicht colonisirt worden; vergl. oben § 5iff. 



Cap. IL] Die Volßkerkriege. 75 

Ardea sich erstreckt habe, und so das den Yolskern abgenommene 
terrain mit sammt dem nordwestücheren stücke von den Römern an- 
necürt worden sei , in solchem falle ohne zweifei mit kränkung des 
rechtes der nachbarstädte. 

So schob sich also jetzt das römische gebiet westlich von dem 
Albanergebirge tief in das innere des alt«n Latium hinein, und es 
wurde durch die neue erwerbung der weg nach Campanien und zu 
den samnitischen Schlachtfeldern eröffnet. 

Der neue Zuwachs des gebietes mag etwa 6 deutsche omeilen be- 
tragen haben, sodass damit das römische gesammtgebiet auf etwa 31 
deatsche omeilen stieg. 

Allein nicht nur Rom, auch der latinische bund hat einen 83 
nutzen aus diesem Volskerkrieg gezogen. Nach Livius^*^) wurde 
im jähre -^ die colonie Setiai**), der vorgeschobenste posten La- 
tiinns gegen die Volskergrenze und unweit Privemum gelegen, von 
Rom aus mit einem Zuwachs an colonisten versehen. Dass Setia aber 
nicht römische sondern latinische colonie war, geht aus seiner mit- 
aufffthrung unter den 30 latinischen bundesstädten bei Dionys^**) her- 
vor. Niebuhr^***) und Schwegler^^i) sind der ansieht, dass Setia, wie 
Livius meldet, eine uralte colonie sei, die nur im genannten jähre er- 
neuert wurde. Dem aber widerspricht Velleius Paterculus^*'), wenn 
er die grfindung der colonie überhaupt ins jähr — -- verlegt. Und 
Mommsen^") schliesst sich der ansieht des Velleius an. In Wahrheit 
liat diese anschauung mehr Wahrscheinlichkeit für sich als die andre. 
Wir haben gesehen, wie Livius eine reihe von colonien in die älteste 
zeit zurftckdatirt, die nachweislich erst später entstanden sind*"), wie 
er überhaupt vom colonialwesen ein durchaus unklares bild sich 
macht. Er hat es freilich nicht klarer in seinen quellen vorgefunden. 
Wir haben auch gesehen, wie die berichte über Volskerkriege vor 
-jjj- erfanden sind, und die Volsker uns zuerst mit weit vorgeschobenen 
grenzen erscheinen, von denen sie sich schrittweise zurückziehen. Dies 
macht es notwendig, dass die südlichste latinische colonie jedenfalls zu- 
letzt gegründet wurde i**), ja dass dies erst dann statt finden konnte, 



W7) 6. 30. 9. 1*«) tlber die läge vergl. Mannert geogr. 9. 1.641. 

1*9) 6. 61; vcrgl. Mommsen r. g. 1 5. p. 350 und dazu oben § Idnote. 

i»>) 2. 128, 294, 650, 689; 3. 106. 

«1) 2. 328. 697. 706; 3. 300 anmerkung. i«») 1. 14. 3. 

iW) 1 6. 34^. 164) So Velitrae, Antium, Satricum u, a. 

iwj Wir "sehen dabei von Satricum ab. 



76 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

als die Yolsker ziemlich gebrochen waren und daher einer colonien-anlage 
so tief in ihrem ehemaligen gebiet keinen widerstand entgegensetzten. 

«AM 

Das alles trifft mit den umständen nach dem Yolskerkrieg von 



889 

zusammen; erst hierdurch wurde es möglich, die latinische macht so- 
weit wie Setia vorzuschieben. Die nachricht des Yelleius, an und für sich 
zwar sehr verwirrt ^ deutet aber jedenfalls so viel an, dass erst seit 
dieser zeit Setia mit dem römisch-latinischen bunde in beziehung ge- 
treten ist, wie wir dasselbe aus den auf Sutrium und Nepete bezüg- 
lichen angaben schlössen, i^) 

So sind wir also der Überzeugung, dass Setia erst in dieser pe- 

372 

riode, also etwa -— -, colonisirt worden ist. Vielleicht dürfen wir da- 
mit die nachricht des Livius so vereinigen, dass die im jähre 

376 ^^ 

gegründete latinische colonie im jähre -— - verstärkt wurde, wie 
das ja Livius auch aussagt i^t). Es liegt keine notwendigkeit vor, 
die colonisation.als unmittelbare folge des letzten Yolskerkrieges an- 
zusehen. Setia konnte erobert und unterworfen sein und erst meh- 
rere jähre später eine colonie erhalten. Die anläge der colonie aber 
deutet unter andrem auch darauf hin, dass von den Yolskem im 
augenblick kein krieg drohte, sondern alles in rohe und Ordnung 
sich befand. 

So bohrten sich denn Kömer und Latiner immer tiefer in die 
landschaft ein, deren durchbrechung zur unmittelbaren folge die be- 
setzung Campaniens und die Samniterkriege hatte. 
84 Ein fernerer colonisationsbericht möge gleich hier in Verbindung 
mit Setia seine Würdigung finden. Wir meinen den bericht des 
Diodori**), wonach die Bömer im jähre -4^ eine colonie von 500 
mitgliedem mit bewilligung von abgaben- und dienstfreiheit i*^^) nach 
»Sardonia« geschickt haben. Die geringere zahl der colonisten 
würde auf eine bürgercolonie Roms deuten, da die latinischen colonien 
stärker besetzt wurden. Die ansieht L. Dlndorfs, dass hier Sa- 
tricum zu verstehen sei, haben wir oben^^) zurückgewiesen. Die 
form liZapBojvia^ ist freilich für Sardinien sonst sowol Diodor als den 
Griechen fremdi^i). Dennoch bleibt wol nichts andres übrig als Sax: 



156) Yergl. cap. I. i^^) So auch Mommsen r. g. 1 «. 348. 

168) 15. 27. 4. 159) int drsAei^, leo) § 66 note. 

161) Man kann nicht dafür die form lapddvtov nikayog bei Diodor 
5. 39. 8 anführen, denn hier ist es ein o, was im eigennamen <a ist 



Cap. n.] Die Aeqnerkriege. 77 

djnien zu verstehen i^). Höchst seltsam aber sieht diese römische 
bfirgercolonie in Sardinien aus. Kein andrer autor weiss von ihr. 
Später existirt sie nicht mehr. Die quelle zur diodorischen angäbe 
ist offenbar keine römische gewesen. Diese scheint vielmehr aus seiner 
griechischen respective graeco-italischen quelle, Ephoros^^) hervor- 
gegangen zu sein, wie denn auch die notiz im engsten Zusammenhang 
mit der darstellung des korinthischen krieges steht Und in sofern 
iateressirt der umstand die Griechen, als es eine bewegung zur see 
und offenbar eine handelsniederlassung vorstellt. 

Ob nun nicht hier von Ephorus die Römer mit andren italischen 
vielleicht einer etruskischen Stadt, verwechselt worden sind, lässt sich 
ludit bestimmen. Es klingt etwas wunderbar, dass die Römer un- 
mittelbar nach der gallischen katastrophe und der anläge der vier 
neuen bürgertribus auf ehemaligem Etruskergebiet sofort auch an über- 
seeische colonien gedacht haben sollten. Man möchte glauben, dass 
sie nicht gar zu verschwenderisch mit ihrer mannschaft nach der grossen 
oiederlage an der Alia gewesen wären. Eine solche auf fremdem und 
noch dazu überseeischem gebiet angelegte reine handelscolonie steht 
ausserdem so einzig in der römischen geschichte da, dass sie verdacht 
erregt. Man ist daher geneigt, hier ein versehen des Diodor oder 
seiner quelle zu constatiren, welches au&uklären unmöglich ist, dessen 
Wortlaut aber auf die römische geschichte nicht bezogen werden darf. 



CAP. m. 

866 877 



Die Aeqnerkriege von -^ 



877 



Die Aequer^^) sind nach der tradition neben den Volskem die lang- 35 
jfthrigsten und kriegerischsten gegner Roms gewesen ^^^); während sie 
aber sowol als die Yolsker im 3. Jahrhundert der Stadt der tradition 
nach im vordringen befindlich sind, ändert sich nicht lange danach 



162) So auch H. Nissen Fleckeisens jahrb. 1867 p.325; dort ist Diödor 
14. 27. statt lö. 27. verdruckt. 

168) Vergl Volquardsen über die griechischen quellen Diodors zu 
buch 11—16, 1868 p. 71. 

iw) üeber das gebiet derselben vergl. Mannert geogr. 9. 1. 506. 

16^) üeber die kriege seit dem decemvirat vergl. Schwegler 3. 
181-194; dazu Ihne 1. 192-197, 



78 ^om gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bnch 2. 

das Verhältnis zwischen ihnen und Rom^^). Im jähre -^^ erscheinen 
die AequQr der tradition nach ^*7) zum letzten male unter den mauam 

SM 

BoflBs^^); Im Jahre -^ sollen sie zum letzten mal auf dem b^rg Al- 
gidtts, dem nordostrande des Albanergebirges, im eigentlichen herzen 
Latinmsy gelagert gewesen sein. ^^9) 

886 ' 

Im jähre -^ wird den Aequem Labici entrissen und von Latiom | 
aus colonisirt^^O); hiermit sind wir auf festerem historisdien boden ; 
angelangt Inuner weiter nach osten dringen die Römer vor und er- 
obern auch Bolae im jähre -^^ \ 

86 Soweit wir also historisch glaubwttrdige angaben haben, sind die 
Aequer dauernd im zurückweichen begriffep ; und Schwegler^^^) führt 
mit recht als zeichen der Schwächung der Aequer den umstand an, 
dass sie während des grossen Yejenterkrieges tatlos zusehen statt sich 
mit Borns mächtigem feinde zu verbünden; freilich werden die Aequer 
an letzterem vor allem die bundesgenossen Roms, die Latiner und 
Hemiker, verhindert haben, indem sie erstere in schach hielten; daca | 
kommt wol das vordringen sabellischer Völkerschaften im rücken der ' 
Aequer, die diese ebenso wie die Yolsker beunruhigten und zur ab- 
wehr zwangen. 

87 Sehen wir aber, dass die Römer, beziehimgsweiae deren verbün- 
dete die Latiner undHamik^, gegen das Aequerland vordringen und 
gebiet erwerben, so sind wir gezwungen, anzunehmen, dass alles, was 



i<c) Wie weit die Aequerkriege des 3. Jahrhunderts nach der tradition 
auf glanbwflrdigkeit ansprach machen können, ist kaum zu beantworten. 
Auffallend ist es, dass Diodor 14. 98 im jähre -^— den vierten Aequer- 
krieg stattfinden lässt; Schwegler 3. 193. 2 bezeichnet wol mit recht als die 
vorhergehenden drei von ihm gemeinten die von -jjg-, -^ und -55-; da- 
durch aber sind frühere kriege eigentlich ausgeschlossen und der ver4^ht 
liegt nahe, dass jüngere ^uinalisten, als die quelle Diodors (Calpunnus Piso; 
yergL buch 1. cap. II.) jene älteren kriege erst willkürlich der tradition 
hinzugedichtet haben, wie wir das gleiche für die Yolskerkriege vor -^ 
oben annahmen (cap. IL §. 79). i^?) Livius 3. 66. 

i<8) Vielleicht treten sie durch diesen kriegszug überhaupt zum ersten 
mal historisch mit Rom in berflhrung. 

iw) Livius 4. 45 ; doch erscheinen sie der tradition nach noch einmal 
vorübergehend in derselben gegend im jähre -|^ nadi Livius 5 31. 

WO) Vergl oben cap. I. § 10; Livius 4. 41; Diodor 13. 6. 

ni Vergl. oben § 11. 1^«) 3. 192 ff. 



Cap. m.] Die Aequerkriege. 79 

jenseits der neuerworbenen nnd jedesmal vorgeschobenen römisch- 
latinischen grenzen lag, nicht rdmisch-latinisch war. 

Damit stellt sich die tatsache heraus, dass eine reihe von stftdteo, 88 
wie Präneste, Tibur, Labici und andre, die von der tradition von an- 
fang an fllr latinisch erklärt werden, auf diesen titel keinmi ans^ueh 
haben, sondern vielmehr, soweit wir historisch zurückgehen kernen, 
rein aeqnisch und sabinisch sind, daher natürlich auch zu der zeit, 
als die römisch-latinische grenze sich nicht weiter als Bolae ausdehnte, 
d. h. zur zeit und unmittelbar nach dem gallischen brande^^'). Wenn 
demnach die tradition die kriege zwischen Präneste, Tibnr und Rom 
als kriege abgefallener latinischer bundesstädte gegen Rom auffiisst, 
so irrt sie durchaus und schliesst fälschlich aus dem späteren politi- 
9chea Verhältnis jener beiden städte zu Rom, noch dem sie sdierdings 
coloniae Latinae waren, auf die frühere zeit zurück, für welche der- 
artige angaben jeder beweissttitze entbehren. 

Unter diesem gesiditspunkte aber gewinnt der ganze bericht über 39 
krieg und abfall latinischer städte von dem bundeshaupt Rom ein 
ganz andres ansehen. Wir haben denselben also den Aequerkriegen 
zuzuzählend^*). Und über diese gewinnen wir demnach ein umge- 
kehrtes resultat als über die Volskerkriege: während von vielen tra- 
ditionellen Volskerkriegen nur einer als historisch beglaubigt anzuneh- 
inen ist, treten zu nur einem traditionellen Aequerkrieg des iakres 
■^ andre als Pränestinerkriege verzeichnete hinzu. 

Demgemäss kann ich die von den neueren historikemi^*) vertre- 90 
tene ansieht, dass die Aequer schon an und für sich völlig geschwächt 
gewesen seiien und daher nach der niederlage bei Bolae im jähre 
-35- ruhe gehalten hätten, nicht gut heissen. Der kräftige wider- 
st^d Pränestes deutet eben darauf hin, dass wir es durchaus nicht 
«»it erlahmten Völkerschaften zu tun haben, dass vielmehr das vor- 
dringen der Römer diese nun endlich bis zu den festen platzen der 
Aequer geführt hatte, die nicht wie bisher durch eine feldschlacht ge- 
nommen und occupirt werden konnten. Daher denn die Römer auch 
von völliger Unterwerfung gänzlich absehen und an stelle dessen Prä- 
neste sowol als Tibur später in ihr interesse durch verbtindung zu 
ziehen suchen. Hierdurch wurden die städtischen Aequer von den 
Bergaequem getrennt und erstere treten wie Sutrium und Ne- 



17«) So auch schon Niebuhr 2. 650ff. 

174) Darüber unten ein mehreres. i^^) Peter 1,201; Ihne 1,240. 



80 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict [Bach 2. 

pete^^^) in ein Verhältnis autonomer bandesgenossen als coloniae La- 
tinae, ein zustand, den sie auch noch nach dem grossen Latinerkrieg 
inne haben. 

91 Präneste 177) ntm als hauptveste der Aequer scheint eine reihe der 
umliegenden städte und Ortschaften unter seine Oberhoheit gebeugt 
zu haben, wie die kriegsgeschichte urkundlich erweist ^^s).^ Pie namen 
derselben sind unbekannt;. der zahl nach waren es neun. Ob sie ur- 
sprünglich latinisch und erst später aequisch waren, ist unbekannt; 
auch über ihre ungefähre läge sind wir nicht unterrichtet; yielleicht 
aber haben wir sie im hinterlande Pränestes, in dem aequischen ge- 
birge, zu suchen. JedenÜEÜls war es unter solchem haupte eine gefähr- 
liche coalition gegen Rom; und auf ihr vorgehen müssen wir dann 
auch den ersten versuch der Aequer gegen Born nach der gallischen 
katastrophe zurückführen, als diese Bolae wiederzueiDbem versuchten. 

92 Ihr erstes auftreten gleichzeitig mit dem einfall der Volsker in 
Latium auf Lanuvium zu lässt darauf schliessen, dass beide nationen, 
Volsker und Aequer, wieder nach alter art gemeinsam handelten und 
einen einheitlichen angriff gegen den römisch-latinischen band vor- 
hatten. 

93 Die traditionellen berichte über den ersten Aequerkrieg des Jahres 
, obgleich nur in kürzester fassung auf uns gekommen, gehen 



889 

dennoch in einem punkte auseinander, indem Livius ein ereignis hin- 
zufügt, welches Diodor nicht angiebt. Livius i^») erzählt in aller kürze, 
dass Camillus nach seinem siege über die Volsker und der Verwüstung 
ihres landes gegen die Aequer sich wandte, welche gleichfalls krieg 
vorbereiteten; erschlugünd vernichtete ihr beer bei Bolae und eroberte 
beim ersten stürm ihr lager und die Stadt Bolae selbst. Diodor i*0) 
berichtet nicht weniger kurz, dass Camillus nach besiegung der Vols- 
ker das beer gegen die Aequer nach Bolae führte, da die Stadt von 
jenen belagerf würde. Er habe die meisten der belagerer nieder- 
gehauen; allein von einer eroberung der Stadt weiss er nichts, und 
wir werden sie wol als die ausschmückung späterer annalisten strei- 
chen müssen. Die Stadt war schon vorher römisch geworden und 



176) Vergl. oben cap. I. § 16 ff. 

177) Ueber seine läge vergl. Manne rt geogr. 9. 1. 659. Die schrifit 
von Rösner: rerum Praenestinarum I, II, III. 1861—72; Progr. aus Patsch- 
kau ist mir nicht möglich gewesen zu beschaffen. 

178) Nach Livius 6. 29. 6; dazu Festus p. 363 s. u. trientem tertium. 

179) 6. 2. 14. 180) 14. 117. 3. 



Cap, m.] Die Aeqaerkriege. gl 

wahrscheinlich mit einer besatzung versehen i^^); von einer wieder- 
erwerbung derselben durch die Aequer weiss die tradition nichts. 

Die tatsache aber dieses einfalls der Aequer ist wol nicht zu be- 94 
streiten. Auch scheint die niederlage der Aequer nicht unbedeutend 
gewesen zu sein^ da sie sich in folge dessen eine Zeitlang ruhig ver. 
halten and erst sieben jähre später nach der tradition ^^') von neuem 
Weg beginnen, diesmal von selten Pränestes. 

Der umstand, dass wir die historische atmosphäre von den tra- 95 
ditionellen Yolskerkriegen gereinigt haben, bleibt tlbrigens nicht ohne 
bedeutung für die Aequerkriege. Wir haben schon bei besprechung 
jener gesehen, dass' das willkürliche hineinziehen von Latinem und 
H^nikern, besonders den Yelitemem, in diese kriegsberichte mit 
eben denselben zu boden fällt und ganz ohne Wahrscheinlichkeit ist. 
Wenn nun 'die Pränestiner als verbündete der Velitemer in deren 
^^ gegen Bom erscheinen, so ist dies aus doppeltem gründe be- 
denklich; erstens weil der ganze Veliternerkrieg wol späterer politi- 
scher erfindung angehört, um Roms härte gegen diese stadt zu ent- 
schttldigen^^); dann aus der irrigen anschauung der annalisten, dass 
Präneste als Latinerstadt sich gegen Rom aufgelehnt und mit andren 
zu den^ Zweck verbündet habe. Streichen wir also einfach jenen sieg 
der Römer über Velitemer und Pränestiner unter den mauern Veli- 

+«« • -1. 372 184 \ 

traeß mi jähre -~^ j. 

Und ebenso müssen wir mit der teilnähme Pränestes an der an- 96 
geblichen eroberung der römischen colonie Satricum durch die Vols- 

1 871 

to im jähre -r^ verfahren, da wir gesehen haben, dass einmal Sa- 
tricmn nicht römische colonie war, dann dass damals überhaupt kein 
Volskerkrieg stattfand i^«). 

Anders aber verhält es sich mit dem kriege Pränestes und der 97 

HT4. 1Afi\ 

Aequer gegen Rom im jähre -^ j. Dieser ist durch eine wirk- 

i8i> § 23. oben. 182) Liv. 6. 22. 4. 

188) Vergl. oben cap. II. § 52. u. § 105; schon Niebuhr 2. 361. hält 
das hineinziehen Velitraes für erdichtung. 18*) Liv. 6. 22. 

186) Vergl cap. II. § 54 ff. 

186) Der Streifzug eines römischen heeres an den aequischen grenzen 
nm den feind gänzlich einzuschüchtern, wie Livius 6. 4. 8 berichtet, ist wol 
nur eine römische erfindung ; von einem erfolg dieses zuges ist nirgends die 
rede. Wenn etwas wahres daran ist, so scheint Rom ein occupationscorps 
zum schütze Bolaes gegen die aequische grenze vorgeschickt zu haben, wäh- 
rend ein andres corps in Etrurien tätig war. Der ausdruck des Livius über 
die Aequer: »uictos namque se fatebanturd: ist eine handgreifliche pralerei 

Glason , röm. gesch. I. 6 



82 ^om gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

lieh alte Urkunde bestätigt , wenngleich die von Livius^^) als solche 
genannte nicht die richtige ist, sondern einer viel späteren zeit zuzu- 
schreiben ist. Der bericht des Liyius über den krieg ist folgende i^): 

374 

98 Es war im jähre -^^ als man wegen regulirung der Vermögens* 
und Schuldverhältnisse einen census abzuhalten beschloss. Von den 
erstgewählten censoren starb einer, und so musste der andre abdan- 
ken; bei einer neuwahl fand ein Vitium statt, und eine dritte wähl 
vorzunehmen war bedenklich. In folge dessen und der fortdauer der 
ungeordneten schulden* und Vermögensverhältnisse wurden durch die 
Volkstribunen unruhen geschürt, und als der senat auf die nachricht 
eines einfalls der Pränestiner hin truppen ausheben lassen wollte, ver- 
hinderten die tribunen dies, bis der feind vor den toren stand. Die 
Pränestiner hatten nämlich auf die künde über die inneren zwistig- 
keiten in Rom sich plötzlich aufgemacht, plündernd das römische ge. 
biet durcheilt und erschienen plötzlich vor der porta CoUina im nord- 
osten der stadt. Ungeheure Verwirrung ergriff die Römer, und sofort 
wurde T. Quinctius Cincinnatus zum dictator ernannt Dieser 
bot die junge maonschaft auf, während die Pränestiner ein festes lager 
in der nähe der Alia bezogen. Dorthin führte der dictator das rö- 
mische beer; beim ersten angriff wurden die feinde geworfen, welche 
ohne sich im lager zu sammeln spornstreichs davon laufen und erst 
vor Praeneste wieder halt machen. Vor der Stadt befestigen sie sich, 
um die Römer zu erwarten; allein schon ehe diese herankommen, 
verlassen sie die befestigungen und ziehen sich hinter die Stadtmauern 
zurück. Acht Städte waren Präneste untergeben. Diese werden mit 
Yelitrae eingenommen und zum schluss Präneste selbst nicht mit g0- 
walt aber mittelst ergebung der stadt gewonnen. Der dictator kehrt 
triumphirend nach Rom zurück und stellt das Präneste genommene 
Standbild des Jupiter Imperator, im Capitol auf; dasselbe erhielt die 
inschrift: »Jupiter und alle götter haben es gefügt, dass T. Quinctius 
der dictator neun städte eingenommen hat.« Am zwanzigsten tage seiner 
dictatur legte Cincinnatus das amt nieder. — So Livius. 

99 lieber den letzten punkt giebt es eine andre version bei Festus^^*) 
nach Cincius dem antiquar^^). Dieser sagt, T. Quinctius derdicta- 



bei der erinnerung, dass das starke Präneste mit neun untergebenen Städten 
unbezwungen dastand. 187) 6. 29. 8 ff. i»«) 6. 27 ff. 

189) p. 363 s. v. trientem tertium. 

190) Festus citirt das 2. buch seiner mystagogica. 



Cap m.] Die Aeqaerkriege. 83 

tor habe eine goldene kröne von 2V8 pfund gewicht dem Jupiter ge- 
weiht, weil er in nenn tagen neun Städte nnd als zehnte Präneste 
erobert hAtte, was er auf der kröne habe einschreiben lassen. Dass 
diese angäbe über das weihgeschenk richtiger ist als die des Llvius^ 
ist schon lange eingesehen worden. Eine steche wegfftfarung des haupt^ 
gottesfoildes einer Stadt sagte soviel aus, dass die Stadt ihre eigene 
Selbständigkeit verloren hatte, wie das bei Yeii der fall war, aus 
welchem nach der eroberung das bild der Juno nach Rom gebradit 
wurde. Präneste aber verliert durchaus nicht seine Selbständigkeit. 
Livius hatte die statue des Jupiter Imperator auf dem capitol, welche 
v(»i,T. Qttinctius Flamininus etwa 200 jähre später aus Macedo- 
nieo gebracht worden war, auf den älteren T. Quinctius Cincin- 
Datns zurückgeführt, oder er ist wol seiner quelle blind darin ge- 
folgt ^^i). Dass aber auch die angäbe des Festus nicht genau ist, geht 
wol einmal aus dem blossen grammatischen Interesse desselben für den 
ausdmck »triens tertius« hervor, andrerseits stehen die tatsachen da- 
D»it in Widerspruch, da Präneste nicht erobert wurde. Festus hat 
demnach wol summarisch alle erwähnten städte als eroberte genannt, 
wl&rend in der Inschrift wol nur von der eroberung von neun Städten 
imd dem friedenssehluss mit Präneete die rede war. 

Die tatsache selbst aber, dass Gincinnatus in so kurzer zeit die loo 
PrSnestiner geschlagen, neun von ihnen abhängige städte erobert und 
^äneste zur riüie gezwungen habe, isl wol nach diesem urkundlichen 
zeogDjs nicht mehr zu bezweifeln. Freilich gehüren die ausmalenden 
eiiizelnheiten bei Livius noch nicht zur geschichte, sondern sind als 
^taten zu streichen. Imm^hin aber bleibt so viel wol bestehen, 
dass die Aequer im jähre -j^ von Praeneste aus einen un^warteten 
eiofail ins römische gebiet bis in die nähe der Stadt machten, an tbr 
Alia von einem römischen beere unter 'dem dictator Gincinnatus ge' 
geschlagen und in die flucht getrieben wurden; dass Gincinnatus ihnen 
auf dem fusse folgte, zuerst die ihnen untergebenen neun städte er- 



^91) Die ansieht Mommsene röm. chron. p. 270 note 7, dass Livius 
seine angäbe gleichfalls aus Cincius geschöpft habe, scheint mir sehr un- 
wahrscheinlich, da er doch dem bericht des Festus durchaus widerspricht. 
^ Jene Verwechselung bei Livius hat Lipsius zuerst erkannt. Niebuhr 
2i 662. stimmt ihm durchaus bei wie auch Ihne L 242 ff.; über die statue 
des Flamininus vergl. Cicero Verr. 4. 58. 

6* 



84 ^om gallischen brande bis zum licinisclien gesetzes-conflict. [Buch 2 

oberte^^^ und dann mit Präneste, das uneinnehmbar war, frieden 
schloss. 

101 Unter welchen bedingmigen der frieden zu stände kam, entzieht 
sich der beurteilung. Präneste selbst erscheint später ganz autonom, 
aber als latinische bundesstadt^**), während wir es jetzt noch als 
Aequerstadt kennen. Wir haben es wol jedenfalls nur mit einem frieden 
zwischen Präneste und, Bom zu tun vielleicht frLr ersteres verbunden mit 
dem Verlust der ehedem untergebenen Ortschaften. Erst später fand 
der völlige eintritt der Stadt' in den Latinerbtmd statt, nicht jedoch 
ohne dass ein neuer krieg Korns gegen Präneste und Tibur auch letz- 
teres zu einem gleichen schritte zwang i^). Jedenfalls aber hatte die 
römisch-latinische macht wol an ausdehnung gegen die Aequer hin 
zugenommen, vor allem indem es die pränestinische hegemonie ver- 
nichtete. 

102 Gegen die Angabe, dass Cincinnatus in neun tagen so grosse er- 
folge errungen habe, wtkrden sich gerechte bedenken erheben, wenn 
sie nicht durch die Urkunde selbst niedergedrückt wären. Der bericht 
des Livius, dass die ganze dictatur des Cincinnatus nur zwanzig tage 
gedauert habe, stimmt damit überein. Auch der triumph des Cin- 
cinnatus ist wol historisch, das weihgeschenk spricht dafür. 

103 Zum folgenden jähr -^ berichtet Livius i**) dass die Prä- 
nestiner, nachdem sie die latinischen Völkerschaften aufgereizt hatten, 
von den Römern abgefallen seien. Was hieraus wurde, weiss Livius 
nicht. Erst im zweitfolgenden jähre stehen die Latiner mit den Yols- 
kem vereint den Römern gegenüber; der Pränestiner wird weiter nicht 
erwähnung getan. Dass dieser Yolskerkrieg tmhistorisch ist, haben 
wir gesehen iw). Eine teilnähme der Latiner daran ist also nicht 
möglich; eine auflehnung der Pränestiner nach einer vorigjährigen gründ- 
lichen niederlage ist gleichfalls nicht recht denkbar. Wir werden da- 
her jene angäbe des Livius als einen der vielen flickberichte mit den 
Yolskerkriegen streichen müssen. ^»^) 

192) Dass Velitrae darunter gewesen sei , ist wiederum nur eine jenfer 
willkürlichen entstellungen zu Ungunsten dieser Stadt; es wäre in solchem 
falle gar nicht denkbar, dass die Römer gegen sie als eine abgefallene bür- 
gercolonie, wie sie dargestellt wird, so milde verfahren wären; die inschrift 
spricht im allgemeinen von neun Städten; erst die späteren annalisten haben 
eine derselben Velitrae genannt; vergl. Niebuhr 2. 661. 

19S) Livius 8. 14. ^94) Vergl. das nähere darüber in buch6. cap.II. 

1»») 6. 30. 8. 19«) cap. II. § 65 ff. 

197) Ueber den letzten Volskerkrieg und die etwaige teilnähme der 



Gap. jy.] Die beziehnngen der. Latiner nnd Heniiker zu Born. 85 

Damit haben wir als resultat der Aequerkriege in dieser epoche 104 
gewonnen, dass nach einem anfänglichen vordringen der Aequer gegen 
die römischen grenzen dieselben erst znrückgesehlagen, dann bei wie- 
deranfaahme des krieges neun jähre später völlig besiegt, nenn ihrer 
Städte erobert nnd vielleicht zerstört worden, während Präneste, seiner 
hegemonie beraubt, fortan nicht mehr allein Rom gegenttber einen 
krieg mit erfolg filhren konnte. Wir werden auch sehen, dass es 
spftter im bnnde mit Tibur nnd wol unter dessen Oberleitung sich 
gegen Rom auflehnte. ^^) 

CAP. IV. 

Die bezlehungen der Latiner nnd Herniker zn Rom von 

_M5 877 

389 877 * 

Livins weiss unendlich viel von abfall und krieg der Latiner und 106 
Herniker gegen Rom zu erzählen 1^^). Dieselben sollen sich vor allem 
mit den Volskern gegen Rom verbändet haben. Ausserdem sollen ein- 
zelne Städte, wie Yelitrae, Lanuvium tmd Tusculum, sich feindlich er- 
lesen und mit den Aequern, d. h. Pränestinem vereinigt haben. 

Wir lernten schon verschiedene gegengründe gegen diese tradi- 
tionellen anschauungen kennen. Vor allem nimmt die Streichung der 
späteren Volskerkriege^oo) der teilnähme der Latiner und Herniker 
daran den boden unter den füssen weg. Dazu kommt politische 
entstellung, um Roms späteres verfahren gegen die Latiner zu recht- 
fertigen, wobei besonders Velitrae herhalten muss^oi). Endlich lud 
der irrtum, dass Präneste selbst latinisch gewesen sei, ein, noch 
äudre latinische städte als abtrünnige und feinde zu brandmarken, 
>ad maiorem Romanorum gloriam«. Das boshafte Velitrae bleibt ja 
iiach wie vor colonie, nach Livius anschauung römische, in Wahrheit 



377 



Pränestiner an der Überrumpelung von Tusculum im jähre -^j=- (Livius 6. 33), 



siehe das folgende cap. am ende §. 112 ff. 

198) Vergl. unten buch 6. cap. 11. 

199) "Wir haben oben cap. IL § 52. die stellen zusammengestellt und 
schon eingehend diesen punkt besprochen; dazu auch cap. IIL § 95, 96, 
103 betreffend die Pränestinerkriege und cap. I. § 4 ff. 

«00) Vergl. cap. 11. 

2*1) Dass die erwähnung eines sieges über die Velitemer im C. L L. L 
p. 285 nicht mehr historische gewähr hat als Livius ist klar; vergL auch 
Mommsens ausfährungen im C. I. L. 



g6 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bach 2. 

latinißche^), ohne im geringsten in seiner autonomi« geschädigt zu 
werdep. Das konnte es nach so vielen kriegen und niederlagen nicht 
von selten der Bömer erwarten. 

Die ganzen Latiner- und Hemikerkriege scheinen ebenso wie die 
Yolskerkriege flillung f&r ereignisleere jähre zu sein, ohne verstand 
erdacht und ausflüsse römischer eitelkeit und beschönigungssoeht. 
Nicht unwichtig dabei ist der umstand, dass Polybius^^^) bei erwälmung 
des von neuem wieder angekntlpften bundesverhältnisses zwisdien Rom 
und Latium nach dem abzug der Gallier nichts von einem kriege 
Borns gegen Latiner oder Heminer weiss. ^ 

Selbst die angäbe, dass latinische söldlinge in aequischen und 



803) Es wird hier nicht unangebracht sein, etwas emgehender die fn^ 
zu besprechen, wie das Verhältnis Velitraes (Aber die läge vergl. Man- 
nert geogr. 9. 1. 640) zu Rom und Latium war. Es wird von Livius be- 
standig als römische colonie genannt, die in dauerndem abfall von der 
mutterstadt begriffen ist (vergl. darüber buch 3. §. 44ffl). Dass dies auf 
völliger verkennung der Wahrheit beruht, haben wir schon gesehen (vergl. 
oben cap. I. §. 10. und buch 3. § 43 ff,). Es ist jetzt von der Wissenschaft 
allgemein anerkannt, dass was Livius hier römische colonie nennt, nichts 
anderes als latinische colonie ist. Allein verschiedenes deutet darauf 
hin, dass die Stadt nicht ursprünglich latinisch war, sondern in volsldscbem 
besitze stand (vergl. Niebuhr 2. 292. und C. Peter zeitschr. fElr die alter- 
tumswiss. 1844 p. 204; dazu Mommsen röm. Münzwesen p. 312 note 67. 
C. I. L. I. p. 2^6. Die in sagenhafte zeit zurUckdatirte cokmiairung von 
Rom aus (Linus 2. 30ff Dionys 6. 42ff.) ist einfache erfindung. Dagegen 
fällt ins gewicht, dass Diodor eine colonisirung ins jähr -^^ verlegt (Diodor 
14. 34). Dies wird als historisch anzusehen sein. Damals also war offenbar 
Velitrae zuerst den Volskem abgenommen, welche ursprünglich, so weit wir 
historisch zurücksehen, am Albanergebirg mit den Aequem zusammen gegen 
das alte Latium ihre grenzen hatten. Nach Diodor (14. 102) findet dann 
im jähre j^ ein einmaliger abfall Velitraes zu den Yolskem statt, d.h. 
die volskische einwohnerschaft überwand die latinischen colonisten und schloss 
sich an ihre alten Volksgenossen an. Doch wurde Velitrae wiedergenommen 
und der zustand der colonie offenbar wiederhergestellt, da es in der folgezeit 
stets in dieser läge aufgeführt wird. Alle folgenden bei Livius erzählten 
abfalle sind zu streichen; sie sind mit umständen verbunden, welche der 
glaubwürdigkeit grossen ointrag tun. Die Velitemer fiallen ab, ohne dass 
eine bestrafüng oder eine neue colonisirung erfolgt. Dazu herrscht ja bei 
Livius immer die falsche anschauung vor, es sei eine römische colonie ge- 
wesen (vergl. darüber noch buch 3. § 43 ff.; buch 6. cap. III. und buch 2* 
§ 10 ff. und cap. 2. § ö2). 203) 2. 18. 5. 

30*) Vergl. unten buch 6. cap. III. 



Cap. IV.] Die beziehungen der Latiner und Herniker zu Rom. 87 

volskischen heeren gedient hätten, hat kaum noch irgend einen schat- 
ten von Wahrscheinlichkeit für sich, wenn Überhaupt keine Volsker- 
biege stattfanden und es von den historischen Aequerkriegen 
nicht ausgesagt wird. 

Nur das eine müssen wir festhalten, dass die Latiner und Her- 
niker Bom gegenüber nach dem brande eine selbständigere und un- 
abhängigere Stellung einnahmen als vor demselben ^^). Die antwort 
der Latiner und Herniker auf die römische frage, warum jene nicht 
mehr die üblichen bundescontingente stellten *<*), deutet so viel an, 
dass die ersteren sich nicht mehr gebunden fC^en, römische Poli- 
tik treiben zu helfen, sondern nur gesammtinteressen vertreten woll- 
ten*®'); daher sie denn zu den Etruskerkriegen keine contingente 
sduckten*^*). Von den römischen Chroniken mag das gehässig als 
feindschaft ausgelegt sein, und selbst die geringe phantasie römischer 
ann^isten vermochte leicht diese in wirklichen krieg umzumodeln. 

Was übrigens solche kriege betrifft, bei denen die Latiner selbst loe 
mitbeteiligt waren, so ist es durchaus wahrscheinlich, dass sie dazu 
auch truppen lieferten; so zu dem Volsker- und Aequerkrieg von 

366 208» \ 874 

■^ ). Zweifelhaft ist es für den Pränestinerkrieg von — -, da die 
Plötzlichkeit des Überfalls ein heranziehen von bundestruppen verhin- 
dern konnte, die Römer überdies in voller eigener stärke waren*<^»). 

Eine eigentümliche Stellung nimmt unter den Latinerstädten 107 
Tasculum**^^) ein. Es steht fest, dass es bald nach dem jähre — - 
in die römische ciuitas aufgenommen wurde, der erste fall der art^^')* 

Welcher art nun diese ciuitas gewesen sei, ist von den forschem i08 
verschieden ausgelegt worden. Niebuhr, Madvig, Peter und Ihne er- 
Mären sich dagegen, dass es das volle römische bürgerrecht gewesen 
sei. Ersterer sieht darin eine art sympolitie nach griechischem muster. 



806) Vergl. cap. I. § 4ff. 

20«) Livius 6. 10. 6 ff.; vergl. oben cap. H. § ö2. 

20T) So auch nach Livius 7. 2ö. 5 im jähre -^-; vergl. unten § 116. 

208) Vergl. cap. IL § 52. «os a.) Vergl § 52. 

20») üeber Tusculum vergl. § 111. 

210) üeber die läge vergl. Mann er t geogr. 9. 1. 654. 

211) Livius 6. 26.8; Dionys'l4.9; Cicero pro Plane. 10.8.19; Valer. 
Max. 7. 3. 9; Paulus epit. p. 127; Plutarch Cam. 38.4; Madvig opusc. 
academ. p. 237; Mommsen r. g. 1 5. 349 und röm. münzrecht p. 333; 
Niebuhr 2. 669; Rubin zeitschr. f. altertumswiss. 1844. coL 964 note; 
Peter r. g. 1. 202; derselbe in der zeitschr. f. altertumswiss. 1844 p. 204, 
217; Becker-Marquardt 3. 1. 9, 12; h&n^e 2. 57 ff; Ihne 1. 307. 3?9 



88 Vom gallischen brande bis snm licinischen gesetzes-confiict. [Buch 2. 

nicht aber die ciuitas sine suffiragio; Urne übergeht die notiz hier voll, 
ständig, lässt aber die Tuscnlaner nach dem grossen Latinerkrieg eines 
sine snffi*^gio werden nnd erst später während des zweiten Samniter- 
krieges das vollbürgerrecht erlangen. Marquardt bernft sich auf Pau- 
lus ^i^) und lässt bald darauf Tuscnlum das volle btirgerrecht erhalten. 
Damit ist aber die frage nicht gelöst. Freilich erscheinen die Tuscu- 

432 

laner im jähre -^ als vollbärger, da der Tuscnlaner L. Fulvius con- 
sul in Rom ist; allein von einer aufiiahme als eines sine suffiragio 
wissen die quellen nichts ^i«). 

Niebuhrs ansichten über sympolitie bei den Römern ist von 
Schwegler widerlegt ^i*). 

109 Nun aber ist der erste fall einer ciuitas sine suffiragio bei Caere 

401 

im jähre -— vorgekommen ^is). Einen früheren dürfen wir nicht an- 
nehmen. Dann bleibt bei erteilung von bürgerrecht überhaupt keine 
andre art übrig als die des vollen bürgerrechts cum $uffi*agio et ho- 
nore. Für diese auf assung erklären sich ausser den quellen auch 
Mommsen, Rubino, Marquardt und Lange ^i^). Tuscnlum ist damals 
wol gleich in die tribus Papiria aufgenommen worden, in der es 
später stinmit2i7). Das gebiet Tusculums kann nicht viel mehr als etwa 
eine deutsche ameile umfasst haben, da es einerseits vom römischen 
und römisch' albanischen territorium, andrerseits von Gabii und Labici 
eng umgeben war. So war in dieser richtung der römische gewinn 
nicht gross, doch hat jedenfalls die Stadt selbst bedeutung für Born 
gehabt. 

Tuscnlum selbst blieb freilich als gemeinde neben Rom fort- 
bestehen; allein wir müssen annehmen, dass die Tuscnlaner beliebig 
nach Rom übersiedeln und dort ihr bürgerrecht ausüben konnten, wie 
ihrerseits auch wol die Römer in Tuscnlum. 

110 Was nun aber den beweggrund betrifft, den die quellen für diese 
atsache anführen, so ist derselbe wenig plausibel. Nach Livius^^^) 

212) epit. p. 127. 

21«) üeber die Stellung als municipium und dessen bedeutung vergl 
unten buch 6. cap. V. § 84 ff. 

214) Schwegler2.679ff.undbesondersM advig opusc.acad.p.236ff,;271 ff. 

216) Liv. 7. 20; Strabo 5. 2. 3. p. 220; Geljiius 16. 13. 7; vergl. 
cap. I. § 33. note und weiter unten. 216) Vergl. die 0. a. stellen. 

217) Liv. 8. 37; Val. Max. 9. 10. 1; Festus p. 205, v. Papiria; also 
nicht erst während des zweiten Samniterkriegs, wie Ihne 1. 329 meint; 
vergl. dazu Grotefend die röm. tribus etc. in der zeitschr. f. altertuffls- 
wiss. von Zimmermann 1836. Nr. 117. p. 941. 218) 6. 25 ff. 



Cap. IT.] IHe benehnngen der Latmer und Hemiker zu Bom. 89 

sollen unter den gefangenen des Volskerheeres im jähre -^ sich 
aoch Tusculaner befanden haben. Darauf habe Rom an Tusculum den 
iriieg erklärt. Als aber Camillus mit einem beere gegen die Stadt 
marschirt sei, habe er sie im grössten frieden und mit offenen toren 
gefmiden. Die Tusculaner hätten darauf hin Verzeihung und das volle 
bärgerrecht empfangen ^i»). Schon Niebuhr^) hat diese erzählung 
als erfanden verworfen. Sie klingt sehr unwahrscheinlich; römische 
grossmut gegen feinde kommt sonst nicht vor. Man sieht auch gar 
keinen grund zur erteilung des bürgerrechts ein. Dazu kommt, dass 
ja kein Yolskerkrieg statt fand, in welchem tusculanische gefangene 
hätten gemacht werden können. Und an einen eigenhändig unter- 
nommenen krieg Tusculums gegen Rom denken nicht einmal die 
quellen. 

Es muss also etwas ganz anderes gewesen sein, was Rom bewe- 
gen konnte, die nachbarstadt in eine so nahe und bevorzugte Stellung 
zn sich zu bringen, und andrerseits Tusculum veranlasste, eine Ver- 
schmelzung mit dem mächtigeren stat anzustreben. 

Den hauptanstoss dazu scheint mir Präneste und seine coalitionlll 
gegeben zu haben. Diese veste, welche als haupt- und ausgangspunkt 
aller aequischen kriegszüge angesehen werden darf, war natürlich 
durch ihre grosse nähe für Tusculum besonders gefährlich. Ob Rom 
oder Tusculum den ersten schritt zu einer Vereinigung machte, ist 
^ar; allein ein erster schritt muss gemacht sein, der jene äusserst 
enge Verbindung durch gemeinschaftliches Vollbürgerrecht zur folge 
hatte. Die römische tradition lässt natürlich die Tusculaner als de- 
linqnenten bitten, und die Römer begnadigen und gewähren. Höchst- 
wahrscheinlich haben sich die Tusculaner dann im folgendien jähre an 
dem kriege Roms gegen die coalition Pränestes beteiligt. 

Am ende unserer periode lässt die tradition Tusculum in einen 112 
krieg mit den Latinem verwickelt werden. Nach dem letzten Yols- 
kerkrieg im jähre -^, als sich die Volsker zurückgezogen, und die 
Latiner aus wut darüber Satricum eingeäschert hatten, eilen diese 
gegen Tusculum, weil dasselbe mit ihnen nicht gemeinsame sache ge- 
dacht habe. Unerwartet überfallen sie die Stadt, und die einwohner 
Qiüssen sich auf die bürg flüchten, wo sie belagert werden. Sofort 
aber führen die Römer ein beer zum entsatz der Tusculaner herbei, 



^9) Aehnlich erzählen auch Dionys und Plutarch. 2^) 2. 659. 



90 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bnck2. 

schliessen die Latiner ein, und diese werden nun von beiden Seiten 
angegriffen und völlig vernichtet So Livins.^^) 

113 Den ausgangspunkt des Livius, den letzten Yolskerkrieg nämlich, 
festzuhalten, verbietet einfach der mangel an glaubwürdigkdt des- 
selben. Niebuhr^^) versteht unter den Latinem Pr&nestiner. Li- 
vius hat wol nicht speciell daran gedacht, denn unmittelbar danach, 
wilireiid des lidnischen verfassungs-oonflicts, lässt er Tusculum von 
den Yelitemem belagert werden: freilich eine rein erfundene tatsaohe 
wie auch der darauf folgende Yelitemerkrieg.^^) 

Dass die Latiner nichts mit einem solchen krieg zu tun haben, 
ist oben genugsam ausgeführt. Es könnten freilidi PrftnestiBer, d.h. 
Aequer^ gewesen sein; aber es ist das doch blosse hypothese. Sie 
details des livianischen berichts sind selbstverständlich zu streichmi. 

114 Vielleidit liegt ein rachezug der Pränestiner gegen Tusculum 
wegen teilnähme am kriege Roms gegen dasselbe vor, der durch 
schnelles hinzukommen einer römischen armee vereitelt wurde. Die 
Sache ist unklar und könnte auch ganz dem reiche der fabel ange- 
hören wie so viele andren kriegsberidite dieser periode. 

115 Was übrigens das fernere Verhältnis der verbündeten zu Born be- 
trifft, so scheinen sie längere zeit hindurch eine gewisse Selbständig- 
keit Rom gegenüber bewahrt zu haben. Bis zu dem licinischen 
gesetzes-conflict und noch über denselben hinaus hören wir nichts von 
einem wiederanknüpfen des alten Verhältnisses. 

116 Erst im jähre -^ stellen nach Livius^*) und Polybius^«) die 
Latiner zum ersten mal wieder ein grosses contingent zum bundes- 
heer. Diese Wiedervereinigung ist aber höchst wahrscheinlich die folge 
gemeinschaftlicher gefahr gewesen, denn sie fiült zusammen mit dem 
ersten wiedererscheinen der Gallier vor Rom, 30 jähre nach dem 
brande der Stadt ^. So hatte äussere not dazu gedient, erst den 
bund zu lockern und später ihn wieder zu befestigen. Dazwisdien 
fallende kriegerische berührungen gehören nicht der geschichte an. 
Uebrigens scheint auch diese Wiedervereinigung nicht von dauerndem 
erfolg gewesen zu sein, da, wenn wir livius^^) glauben dürfen, die 
Latiner den Römern im jähre --r- eine ähnliche antwort auf eine 
ähnliche frage geben, wie wir sie oben schon kennen gelernt haben ^). 

221) 6. 33. 222) 2. 663. «28) Vergl. buch 3. § 43 ff. 

224) Vergl. oben § 87 ff., 101. 22«) 7. 12. 7. 206) 2. 18. 6. 

227) Darüber vergl. buch 6. cap. I. und HI. 228) 7. 2ö. 5ff 

229) Yergl. § 52. und 105. Auf die anfforderung der Römer an die 



Gap. y.] Die Etnnkerkriege. 91 



CAP. V. 

Die Etrnskerkrie^e von -^ — ^. 

Im engsten Zusammenhang mit dem Volsker- und Aeqnerkrieg von 117 

■CK 

steht in der tradition^ ein Etroskeirikrieg. 



Während Gamillns noch mit Yolskern nnd Aeqnem beschäftigt 
ist, (rzählt Livius, hat sich fast ganz Etnirien erhoben und belagert 
So^imiy die mit Rom verbdndete Stadt. Schon ist die Stadt in han- 
delt des feindes und der zag der eingeborenen hat die heimat yer- 
IVißßUf als Camillns mit seinem beere den answandrem begegnet, sie 
mfU3fSsibrt, und am selben tage die Etrusker ttberfiUlt und zum 
gr$8sten teil niedermacht oder ge&ngen nimmt So war Sutrium ge- 
rettet Aqs dem eroberten golde lässt Camillus drei schalen mit sei- 
jier namensinschrift verfertigen und stellt sie im tempel des Jupiter 
Gapitolions zu lüssen der Juno auf. 

Fast ganz dasselbe wiederholt sieh im jähre "^^^ Wieder ist 118 
Sutriiun von den Etruskem belagert. Camillus kommt wieder zur 
rechten zeit> als der feind die hälffce der stadt schon eingenommen 
b»t Die fitadt wird wieder genommen, die Etrusker geschlagen und 
nijedQrgehauen. Diesmal aber ist Nepete mit in den kämpf verstrickt 
Gb ist durch verrat von den Etruskem genommen; Camillus aber fUirt . 
das beer dorthin und erobert es im stürm. 

Schon Niebuhr^^^) hat eiagesehen, dass wir es hier mit einer 119 
^ederholung derselben itatsache zu tun haben; und alle folgenden 
hißtoriker haben ihm recht gegeben **2), -^ü- haben schon oben er- 
k^uuty dass der Yolskerkrieg von -^ gleichfalls in diesem jähr wie- 
<ierholt wurde und daher für dasselbe zu streichen war. Es kommt 
darauf an, welcher der beiden Etruskerkriege nun fClr echt zu hal- 
ten sei. 

Wir wollen vorläuifig davon absehen, dass Diodor^^') den Etrusker- 120 
M^ in dasselbe jähr der gallischen katastrophe mit demVolsker- und 



Latmer, truppen zu ihren auswärtigen kriegen zu stellen, antworten diese 
QAch Livins 7. 25. 5, dass sie vorzögen, fdr ihre eigene freiheit als für 
fremde mftdb^ krieg zu fCQu-en. Ueber die sache vergl. unten buch 6. 

cap. ni. 

3to) Livius 6. 3; Diodor 14. 117; C. I. L. I. p 285. 

381) 3. 654. 28S) Yergl. besonders I Im e 1. 240. ^) 14. 117. 



92 ^om gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-confiict. [Buch 2. 

Aeqnerkriege versetzt Betrachten wir vorläufig den livianischen be- 

868 

rieht: Im jähre -jjg- wird Camillus zum dictator ernannt. Er will die 
dictatur nicht allein führen, sondern nimmt P. Yalerius gleichsam als 
condictator an in der weise, dass dieser ihm als prodictator, er dem 
Valerius als promagister equitum gelte ^M). • Dies ist eine dem römi- 
scheu verfassungsieben völlig fremde anschauung, abgesehen davon 
dass fOr solche expectorationen von selten des Camillus alle quellen 
fehlen. 

121 Dazu kommt noch ein weiteres. Livius^^'^) lässt Camillus sagen, 
dass er bei dieser gelegenheit zum vieiten mal dictator werde. Nach- 
dem Camillus dann aber im jähre -^ ) wieder dictator geworden 
ist, wird er im folgenden jähr zum fünften mal dictator**''). Er müsste 
doch zum sechsten mal dictator sein, wenn Livius mit dem vierten 
mal recht hätte. Die Zählung ist im übrigen richtig, denn drei mal 
war Camillus der tradition nach schon dictator gewesen: zum ersten 
mal während des Vejenterkrieges^w), zum zweiten mal bei der galli- 
schen Verwüstung 23»), zum dritten mal nach der ersten serie der 
Volsker-, Aequer- und Etruskerkriege im jähre -^ \ Somit 
musste er nun zum vierten mal dazu kommen. Es ist dieser rechen- 
fehler wol nicht Livius in die schuhe zu schieben, sondern seiner quelle 
Licinius Macer. Was Nitzsch so fein an ihm entdeckt hat, dass er 
häufig zwei nicht congruente berichte gedankenlos vereinige, beweist 
sich hier aufs klarste: diese vierte dictatur gehörte seiner quelle Va- 
lerius Antias an, während er die letzte als fünfte bezeichnete dictatur 
nach Fabius Pictor copirte.^^i) 

122 Ist aber die vierte dictatur an dieser stelle erfanden, so ist die 
daran sich knüpfende kriegsgeschichte nicht weniger bedenklich. Dazu 
kommt, dass Diodor^*!») nur von einem einmaligen Etruskerkrieg un- 
mittelbar nach dem gallischen brande weiss. Dies alles veranlasst 

868 

mich, die ganze kriegsgeschichte des Jahres —— - als einfachen ab- 
klatsch der kriegsgeschichte von -^ zu streichen. Die erfindung 
aber gehört dann ebenso wie jene der vierten dictatur des Camillus 
dem Yalerius Antias an. 

123 Ist dies zugegeben, so hört auch Nepete auf, eine rolle im 



234) Liv. 6. 6. 16. 2S6) 6. 6. 8." «M) Livius 6, 38. 4. 

237) Livius 6. 42. 4. 238) Livius 5. 19. 289) Livius 5. 46. 

240) Livius 6. 2. 24i) Vergl. oben buch I. cap. I. 

242) 14. 117; über Diodof vergl. Mommsen C. I. L. I. p. 286. 



Cap. y.] Die Etruskerkriege. 93 

Etruskerkrieg zu spielen. Weder weiss Livius zum ersten krieg da- 
von zu berichten, noch erwähnt Diodor der Stadt. 

Was nun den veriauf des wirklichen Etruskerkrieges von -^^124 
betriffli) so stimmen Livius und Diodor in sofern überein, als Sutrium 
von den Etruskem genommen, von Camillus aber wieder erobert und 
den bewohnem zurückgegeben worden sei. Darauf beschränkt sich 
auch ungefähr Diodors aussage; er fügt nur hinzu, dass viele Etrusker 
dabei umgekommen seien, was leicht denkbar ist. Dem gegenüber 
ist natürlich die dramatische ausmalung bei Livius zu streichen. Und 
ebenso ist jedenfalls sein ausdruck, fast das ganze Etrurien sei dabei 
in Waffen gewesen, zu ignoriren. Niebuhr»«) hat wol recht, wenn er 
ans dem kriegsbericht des folgenden Jahres bei Livius 2**),' der es mit 
Tarquinü zu tun hat, schliesst, auch im vorigen jähre habe Eom nur 
gegen Tarquinü zu kämpfen gehabt. 

Die folge dieses krieges um Sutrium scheint gewesen zu sein, 125 
dass die Etrusker für längere zeit sich ruhig verhielten und besonders 
jene bundesfestungen Sutrium und Nepete nicht weiter belästigten. 

Statt dessen soll Rom im folgenden jähre aggressiv vorgegangen 126 
sein und den Tarquiniem^«) zwei im übrigen unbekannte Städte ab- 
genommen haben, Cortuosa nämlich und Contenebra^*«). In wie fem 
diese nachricht auf Wahrheit beruht, ist nicht zu entscheiden. Der 
kritiker wünscht zur bestätigung solcher berichte mehr als ein blosses 
citat aus Livius. Inzwischen ist es keine unmögliche tatsache. Nur 
freilich sieht sie wie die gleichzeitige demonstration gegen die 

Aequer einem jener vielen flillberichte für ein sonst kriegsloses jähr 
ähnUch247). 

Damit haben wir auch den Etruskerkrieg absolvirt. Wir kommen 127 
zn dem triumph des Camillus für die kriege des Jahres --^. Livius 2<8) 
wid Plutarch^^ö) versichern geradezu, dass ein solcher stattgefunden 
habe. Anders Diodor, welcher offenbar seiner hauptquelle folgend an- 
giebt, der triumph sei dem dictator von den volkstribunen aus neid 
nicht zugestanden worden; dagegen hätten einige berichtet, dass 
Camillus über die Etrusker triumphirt habe^^o). Diese letzteren, auf 



««) 2. 654. 244) 6. 4. 9. 

2*») Ueber die läge der Stadt vergl. Manne rt geogr. 9. 1. 385. 

2«) Nach Livius 6. 4. 8 ff. 247) Vergl. § 41. note. 

2«) 6. 4. 1. 249) Cam. 36. 1. 

260) Diodor erwähnt an dieser stelle, dass Camillus mit einem gespann 



94 ^om gallischen brande bis znm licinischen gesetzes-confiict. [Bück 3 

welehe sich Diodor beruft, sind jedenüedls nicht seine haaptqaellen. 
Möglich dass er dies citat schon in eben dieser vorfand; wahrsdiein- 
lieber aber ist es mir, dass er die notiz aus eiaan andren autor 
schöpfte! der der quelle ;des Livius und Plutarch-Dionys verwandter 
war. Wir würden bei dieser annähme das resultat gewinnen, dass die 
ältere hauptquelle des Diodor — - Piso — noch von einem triumph 
nichts wusste und den ausüall durch das veto der volkstribunen zu er- 
klären suchte ^1). Damit fällt der triumph natttrlich zu boden. 

128 Noch ein wort über die dictatur des Camillus. Livius»»») und 
PlutarGh»»^) lassen ihn im ganzen fünf mal dictator sein; erst^er zählt 
dabei zwei mal eine vierte dictatur»»^), wovon wir die erste schon 
strichen. Die zweite dictatur ist diejenige, in welcher Camillus Rom 
von den Galliern entsetzte. Davon weiss Diodor»^) nichts, wie ja 
auch diese ganze entsetzungsgeschichte der sage ang^ört. Diodor 
lässt Camillus erst zum zweck des Yolskerkrieges dictator, also zum 
zweiten mal, werden. Mommsen»^^ hat schon mit recht darauf hin- 
gewiesen, dass aus dieser einen dictatur die spätere annallstik zwei 
zum zweck der revanche an den Galliem machte »»7). Wir haben also 
mit Diodor nicht fünf, sondern im ganzen vier dictaturen des Camillus 
zu zählen: die erste im Vejenterkrieg, die zweite im jähre -^, die 
die dritte und vierte während des licinischen verfassungs-confficts. ^^). 

129 Nachdem nun durch den Etruskerkrieg das ehemals schon inoor- 
porirte territorium von Yeii und Capena gesichert worden war, dazu 
im norden grenzfestungen der verbündeten, Sutrium und Nepete, und 
nach nordwesten vielleicht gegen Tarquinii militärische Sicherungen 
hergestellt waren, konnte Rom endgültig daran denken, in diesem be- 
deutenden und reichen landstrich auch solche bürgerliche Ordnung ein- 
zurichten, die denselben untrennbar mit dem römischen stat verbände. 



von weissen pferden triumphirend eingezogen und deswegen zwei jähre 
später zu schwerer geldstrafe verurteilt worden sei, während er den um- 
ptand beim triumph nach der eroberung Yeiis, an welcher steUe Livius 
(5. 23) und Plutarch (Cam. 7. nach Dionys) ihn anfahren, verschweigt (verg^ 
Diodor 14. 94. 3 ff.); ein beweis für den rein sagenhaften und zeitlosen Cha- 
rakter dieses berichts. 

351) Die angäbe des dritten triumphs über Yolsker, Aequer und Etrusker 
in der inschrift C. I. L. p. 285. hat natürlich keine festere gev^r, als das 
Zeugnis des Livius. 262) e. 42. 2W) Cam. 40. 

2M) Siehe oben § 121. 2») 14. 116. äW) C. L L. I. p. 28Ö. 

8W) Vergl. auch Ihne 1. 228ff. u, 240. ^) Yergl. buch a § 22. 



Cap. y.) Die Etniskerkriege. 95 

Wir habeji schon oben gesehen*^»), dass während des Vejenter-iso 
krieges eine reihe von Y^'entem, Capenaten und Faliskem zu den 
Bömem übergegangen waren. Wie gross die zahl war, ist nicht zu 
bestimmen. Weiss enborn ^ spricht von ganzen orten, die tiber- 
getreten seien ; wir haben keine gewähr für solche annahmen. S ch w e g- 
ler^i) schliesst aus dem livianischen ausdruck, dass die vier neuen 
tnbas aus den neuen bürgern — da jenen übergegangenen Yejentem, 
Capenaten und Faliskem das btLrgerrecht nachträglich erteilt wurde ^2) 
— hergestellt worden wären 3^); dass es eben eine grosse anzahl ge- 
wesen sein mttose. Dies ist nicht zwingend; einmal ist der livianische 
ausdrock selbst kein beweis, zweitens waren schon eine grosse anzahl 
röQiischer bürger in dem neu eroberten lande angesiedelt worden — 
dieses war wol zum grössten teil in ackerloosen von je 7 iugera oder 
morgen an arme römische plebeier übergegangen^^) — es konnte nur 
noch ein rest davon übrig sein, der wol den neuen bürgern als ent- 
Schädigung für den Verlust des früheren eigentums überlassen wurde. 
So kann die zahl wol nicht eine überaus grosse gewesen sein, und 
den haupt- und grundstock der bevölkerung in den neuen ^ vier tribus 
bildeten denn doch die neu angesiedelten Römer; ein umstand, der 
der römischen politik auch durchaus entsprach, da fremden elementen 
ein entscheidendes votum in den tributcomitien zukommen zu lassen 
bedenklich war. 

Wie gesagt, vier neue tribus wurden aus den römischen bürgern 131 
m der einstmals vejentischen landschaft hergestellt. Ob die alte fide- 
flatische dazu gezogen wurde, ist unsicher; wir haben kein zeugnis 
Über die tribuszugehörigkeit dieses territoriums. Möglich aber ist es, 
dass dieses nicht lange vor der vejentioischen eroberte gebiet nun mit 
dem übrigen eine neue bezirkseinteilung erfuhr. 

Die vier neuen tribus werden bei Livius^w) in folgender reihen- 132 
%egenannt: Stellatina, Tromentina, Sabatina^ Arniensis. 
^ie genauere läge von nur zweien derselben ist uns bekannt: die 
Stellatina lag in der nähe von Capena, nach dem campus Stellatinus 
daselbst genannt 2*^. Die Sabatina^®^), nach dem lacus Sabatinus ge- 
oaimt, lag dem gemäss nach der seite dieses sees, des heutigen lago 



2W) Cap. I. § 33. 260) Edit. maior des Livius zu 6. 4. 4. 

2«A) 3. 278. 282) Livius 6. 4. 4. 268) Livius 6. 6. 8. 

2W) Livius 6. 30. 8. 2«ö) 4. 5. 8. 

2««) Fest US p. 343. s. v. Stellatina. 267) Festus a. a. 0. 



96 ^011^ gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Budi 2 

di BraccianO; hin, scheint also die nordwestecke des neuen gebie- 
tes ausgefüllt zu haben, während die Stellatina ihr gegenüber im Süd- 
osten gelegen hat.^*®) 

Was die Tromentina angeht, so haben wir eine notiz bei 
Festus^«»), wonach diese tribus nach dem campus Tromentus be- 
nannt sei ; allein die läge dieses gebiets ist völlig unbekannt. Ebenso 
haben wir keine näheren angaben über die läge der Arniensis in- 
nerhalb dieses neuen bürgerbezirks. Freilich wenn Livius mit der 
Stellatina^ also rechts Born zunächst, zu zählen anfing, so ist es wahr- 
scheinlich, dass er an der römischen grenze fortgefahren und dann 
erst zu den beiden femer liegenden tribus, deren erste die Sabatina 
ist, übergegangen sei. Da er nun die Tromentina an zweiter stelle 
nennt, so dürfen wir diese wol westlich Rom zunächst und südlich von 
der Sabatina suchen. Denmach würde die Arniensis östlich »von der 
Sabatina und nördlich von der Stellatina anzusetzen sein. Die grenze 
der letzteren aber war diesseits Falerii, da diese Stadt nach ihrer 
späteren aufiiahme in's volle bürgerrecht zur tribus Horatia gehört *^<^). 
Sutrium und Nepete gehörten gleicherweise nicht zu den neuen tribus 
da sie, wie wir nachgewiesen haben, nicht römische bürger-, sondern 
latinische colonien waren 27i). 
133 Die ansieht Niebuhrs^^^) und Schweglers^^s), dass diese ver. 
mehrung der ursprünglichen tribuszahl auf eine dem entsprechende Ver- 
mehrung der bürgerschaft durch aufnähme neuer demente schliessen 
lasse, scheint mir nicht gerechtfertigt. Ihne^^^) macht darauf auf- 
merksam, dass es dem römischen Interesse widersprochen haben würde, 
die ehemals feindlichen gemeinden jetzt zu römischen zu machen. 
Schon die starke assignation und occupation von ländereien in jenen 
gegenden widerspricht einer zahlreicheren aufnähme in die voUbürger- 



268) Die inschrift im G. I. L. I. No. 640, welche am achten meilenstein 
auf der via Aurelia westwärz von Rom gefunden einen tribulen aus der 
Stellatina anfährt, kann nicht massgebend sein; sie ist aus der zeit der spä- 
testen republik, wo leicht ein tribule aus der Stellatina in einer andren 
tribus grundbesitz haben konnte, ein umstand, auf den ein derartiger stein 
schliessen lässt. Die gegend ist zu nahe bei Rom, als dass man in ihr einen 
späteren der SteUatina zugewiesenen district erkennen könnte. 

2«9) p. 367. s. V. Tromentina. 

^0) Vergl. Gotefend: die römischen tribus in der zeitschr. f. alter- 
tumswiss. 1836. No. 115. p. 928. und die dortigen nachweise. 

271) Vergl. § 16 ff. 272) 2.643. 273) % 682. 274) r. g. 1.219. 



. 7.J Die Etruskerkriege. 97 

Schaft, wie wir oben sahen *75). Ausserdem sollten die tribus wenig- 
stens in der älteren zeit in Wahrheit eine districtseinteilung nach dem 
Wohnort sein^^^). Bei der grossen ttbersiedelong in das vejentische 
gebiet aber mit hinzoftgung von nenbürgem wurde es notwendig, eine 
neue tribusliste au&ustellen, und da die neuen gebietsteile zu gross 
waren, um einer oder der andren tribus zugewiesen zu werden, wenn 
fiberhaupt eine gewisse gleichmässigkeit der districtsausdehnung statt 
haben sollte, so wurde eine neuerrichtung von tribus nötig. Somit 
ist diese mehr ein zeichen territorialer als numerischer vergrösserung. 

Noch bleibt übrig, den modus kennen zu lernen, mittelst welchen 134 
diese neuordnung in*s leben gerufen wurde. Livius berichtet ganz ein- 
fach die tatsache in annalistischster kürze. Allein wir können uns da- 
hei nicht beruhigen. 

Jede Veränderung in tribus- und censusangelegenheiten fiel dem 135 
amte der censoren zu. Von censoren in diesem jähr aber berichtet 
kein autor. Dennoch können wir eine solche neuerung nicht nur auf 
volksbeschluss und tätigkeit der consulartribunen zurückführen. Es 
sind notwendiger weise censoren dabei tätig gewesen, einesteils um 
die neuen tribus zu Errichten und abzugrenzen , andrenteils um die 
ehemals andren tribus zugehörigen Bömer den neuen zu überschrei- 
ben und die neubürger ihrem vermögen nach überhaupt erst einzu- 
schätzen. 277) 

Nehmen wir aber censoren und damit auch einen census im jähre 136 

367 

~^ an, so müssen wir diesen census in der weise verstehen, dass er 
sich nicht blos auf die vier neuen tribus, sondern auf die ganze bür- 
gerschaft bezog. 

Dann aber geraten wir mit der bisherigen und traditionellen an- 137 
schauung in Widerspruch, dass gerade der man gel eines census seit 
dem gallischen brande jene disparität der Vermögensverhältnisse und 



276) Vergl § 130. 

276) Yergl. meine kritischen erörterungen über den röm. stat. n. p. 71 ff. 

277) Zu meiner freude sehe ich in dem eben erschienenen werke von 
C. de Boor: fasti censorii p. 65, dass auch er censoren annimmt, und die- 
selben mit grossem geschick aus den eponymen angaben Diodors 15. 22. zu 
-jgg- eruirt, nämlich L. Papirius und M. Furius, welche bei Livius feh- 
len, bei Diodor die zahl der tribunen auf 8 erhöhen. Boor nimmt daher 
an, dass die censoren am ende des amtsjahres ..a oa antraten und demi 
nach bis etwa in die mitte von ^^^^ ^^ fungirten. 

Clftson^ röm. geseb. I. 7 



98 ^on^ gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bnch 2. 

die ungerechte Verteilung der steuern auf die bedürftigen mitheraof- 
beschworen habe, welche die licinischen sdiuld- und ackergesetze 

S74 

nötig gemacht hätten. Nach LiTius^^) nftmlich werden im jähre --r- 

880 

zuerst anstalten zur censorwahl gemacht, allein in diesem und dem 
folgenden jähr erfolglos ; und die censur des Jahres -— r- änderte die 
Verhältnisse nicht Schwegler^^^) schliesst sich dieser anschauung 
ganz an. Doch ist es bedenklich anzunehmen, dass wenn wirklich 
censoren im amte waren, sie einen regulären census hätten umgehen 
können. Die entschuldigung des Livius*^) mit krieg ist hin&llig» 
nachdem wir gesehen haben, dass die Volskerkriege dieses Jahres reine 
erfindung seien^^). 
138 Also ein census muss abgehalten worden sein, wenn die censoren 
wirklich historisch sind, denn der census war die hauptaufgabe der 
censoren, wie deren name schon sagt*^'). Dass wir es hier mit der 
masslosen politischen entstellung eines Licinius Macer bei Livius zu 
tun haben, ist oft genug hervorgehoben»*). Ist aber -r;r- ein census 

978 

abgehalten worden, so ist es nicht anders denkbar, als dass auch ein 
neuer steuerkataster angefertigt wurde, vor allem da die censoren 
eine Steuer ausschrieben, um eine neue ringmauer herzustellen. Nun 
war aber immer die festsetzung des census die erste und unumgäng- 
liche handlung der censoren, daher diese der besorgung von bauwer- 
ken vorhergehen musste.^ 



«78) 6. 27 ff. «79) 3. 301 ff. 280) 6. 31. 

281) Siehe oben cap. 11.'; denmach ist auch C. de Boor faaü cens. p.<52. 
im irrtum, wenn er der tradition folgt. 

382) Dass Boor £eisticens. p. 68ff. statt in diesem jähr das lustmm erst 
411- statt finden lässt, ist unbegründet; vergL buch 7. § 5. note. 

288) VergL bes. buch 1. cap. I. Auch die censoren vom vorigen jähre 
nach Diodor (15. 51) P. Trebonius und C. Erenucius, welchen Nie- 
buh r 2. 440ff., 675. in Genucius umwandelt, sind verdächtig; denn dass 
ein plebeier wie Trebonius überhaupt hätte zur wähl kommen können, 
scheint mir unglaublich; Gtenucius ist auch dem stände nach zweifelhaft, 
denn im jähre -^^ kommt auch ein plebeischer consulL. Genucius vor; vergl. 
Liv. 7. 4. 1. Die censur mit diesen censoren scheint erfanden, um durch 
die weitere erfindung ihrer abdankung in folge eines Vitium bei der wähl 
ein odium auf die patricischen augum zu werfen (vergl. auch Boor fiftsti 
cens. p. 67). Freilich würde diese entsteUung auf ältere quellen als Lici- 
nius Macer zurückgehen, da Diodor solche gebraucht hat; vergl. buch 1, 
cap. II. Allein plebeische censoren würden in dieser zeit eben so sehr ein 
Unding sein, als plebeische consuln. 384) Vergl. unten § 147. 



Cap. 71] Zur inneren geschichte. 99 

Allein abgesehen von diesem umstand — der der traditionellen 139 
begrtadung der licinischen gesetze freilich sehr in die quere kommt 
uod die schuldennot selbst in ihrer riesigen ausdehnung auf politische 
erfindong zurückweist — haben wir es auch mit einem census im jähre 
— zu tun, wie wir obea sahen. Und dass damals ein solcher statt 
gefunden hat, ist mir auch nach einer stelle des Festus^^^) wahr- 
scheinlich. Festus spricht dort von einem tributum temerarium, 
einer wUlkOrlichen, dem ermessen des einzelnen überlassenen Steuer, 
welche nach der gallischen Verwüstung Eoms erhoben wurde, da in 
den vorhergehenden fün&ehn jähren kein census abgehalten worden 
sei^). Damit ist die anerkennung eines ungeordneten census-zustan- 
des ausgesprochen, mithin die notwendigkeit eines geordneten bedingt. 
J)a8 von Festus gemeinte jähr -rrr- ist das voijahr der neuordnung 
der trib««. Danach scheint es ^r ganz klar, dass ün jähre -^ 
mit der Umänderung des Steuerkatasters zugleich die tribus-angelegen- 
heiten im neueroberten gebiet betrieben wurden. Jedenfalls scheint 
mir letzteres allein schon einen census zu bedingen, auch wenn Livius 
<tober schweigt. Dieser umstand wirft wie gesagt ein eigentümliches 
licht auf die traditionelle begründung der licinischen notgesetze. Wir 
werden im folgenden capitel noch ein weiteres darüber zu sagen haben. 

CAP. VI. 

Zar inneren geschichte vom gallischen brande bis zum 

licinischen gesetzes-conflict* 

lieber die innere geschichte vom gallischen brande bis zum con- 140 
flict über die licinischen rogationen hat Schwegler^«^) schon sich 



p. 364. s. V. tribntorum; vergl. dazu Schwegler 3. 301. note 3, 

wo die stelle abgedruckt und commentirt ist ; vergl. auch Beer fästi cens. p. 52 ff. 

^ Schwegler denkt dabei an die beschaffung des lösegelds zum los- 

Icaaf von den Galliern; allein dazu stimmt das jähr nicht. Festus, resp. 

OKI 

Verrius Flaccus, meint als letztes censusjahr offenbar -^^ (Liv. 6. 1; fasti 
capit Val. Max 2. 9. 1; Plut. Cam. 2; Lange 1. 486; mit unrecht, da im 
jähre -?*-* ein census mit Volkszählung statt fand; vergl. oben § 38); dazu 
nlöfzehn jähre würde -^^ ergeben, also das jähr nach der gallischen ver- 
wüstang; vielleicht war diese beisteuer als ergänzung des statsschatzes nach 
den kriegen des Jahres ■ und zum zwecke des Unterhaus des capitols, 
der in dasselbe jähr nach Livius 6. 4, 12. fiel, beabsichtigt. Doch ist die an- 
gäbe des Festus nicht richtig, da, wie wir oben (§ 37) sahen, ein census 
auch im jähre -^ statt gefunden hatte. 287^ 3. 269 - 306. 

7* 



100 Vom gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bach 2. 

ausgelassen und eine von seinem Standpunkt aus genügende darstellung 
davon gegeben. Allein neuere forschungen und meine nicht ganz mit 
der Schwegler'schen ttbereinstimmende anschauung der Verhältnisse 
machen es mir zur pflicht, einen nachtrag zu dem 36. buch Schweg- 
lers zu liefern. 

Was die unmittelbaren folgen des brandes auf die Stadt und die 
medererbauung derselben betrifft, so liegt dies ausserhalb des be- 
reichs meiner aufgäbe, da ich vor allem in der besagten periode eine 
Vorbereitung und Vorgeschichte zu dem licinischen conflict erkenne. 

141 Eine hervorragende stelle in der traditionellen geschichte die- 
ser periode nimmt die erzählung tlber M. Manlius Capitolinus 
ein. Niebuhr*®«), Schwegler^«^) und Ihne^ haben sich auf das 
eingehendste mit diesem manne beschäftigt; ich unterlasse es daher 
im hinweis auf Schwegler, den traditionellen bericht zu wiederholen. 
Bei allen drei genannten autoren steht es fest, dass der diarakter der 
quellenberichte der sache nach auf Wahrheit beruhe, d. h. dass Man- 
lius als opfer seiner volksfreundUchen gesinnung widerrechtlich von den 
patriciem zum tode verurteilt und gebracht worden sei. Dme freilich 
ist in bezug auf die einzelheiten skeptischer; allein Niebuhr und 
Schwegler halten sich auch hierin sehr eng an Livius. Alle drei 
gehen davon aus, dass die römische geschichte dieser Zeiten durchaus 
patricisch gefärbt sei, daher an ein übertreiben zu Ungunsten derpa- 
tricier nicht gedacht, eher noch das gegenteil angenommen wer- 
den dürfe. 

142 Nun haben wir^^) aber die Überzeugung gewonnen, dass einmal 
die Altesten aufeeichnungen nicht patricisch sondern plebeisch gewesen 
seien, andrerseits dem Livius der heftige' plebeier Licinius Macer vor- 
gelegen habe*^*). Das ändert die beurteüung der tatsache sehr. Wir 



2M) 2. 677—688. 3»») 3. 284-300. 390) i. 260—261. 

3»i) Buch 1. cap. Iff. 

^ Was Dionys betrifft, so sagt Mommsen p. 260, dass die manlische 
sedition bei diesem wol nicht so zahm verlief als bei Livius ; es spricht dies 
dafür, dass Dionys eine andre quelle brauchte, als den alle ungesetzlichen 
handlungen des Manlius möglichst vertuschenden Licinius Macer. Wir 
sahen oben, dass bei Plutarch nach Dionys spuren auf Yalerius Antias hin- 
deuteten (vergl. § 79). Für diesen spricht eine weniger günstige behand- 
lüng des Manlius, wie ja Mommsen sie bei Dionys annimmt. Was Plutarch 
angeht, so meint Mommsen p. 249 note 3, dass er hier aus Livius schöpfe; 
dem aber tritt das vielfache abweichen des ersteren von letzterem entgegen, 



Oap. yj.j Zur inneren geschieht«. 101 

würden auch von diesem Standpunkt aus eine neunntersuchimg vor- 
nelunen, wenn dieselbe nicht schon, ohne von unserem Standpunkt ans- 
zQgehen, in der allennnstergültigsten und einleuchtendsten weise von 
Ti. Mommsen««») geführt worden wäre. 

In der einleitung erweist Mommsen vor allem, dass der zuname 143 
Capitolinus fälschlich auf die rettung des capitols zurttckgeführt 
werde, da derselbe schon vor dieser zeit in den fasten vorkommt; 
dann, dass die persönlichkeit des sogenannten volksfreunds Mmüius 
nicht nachweislich identisch mit der des retters des capitols sei ; end- 
lich dass die Vorgeschichte des ersteren Manlius — heldentaten, ehren- 
geschenke, narben — einfache ausschmückung der familiensage sei. 

Was nun die processgeschichte selbst betrifft, so kommt Momm- 1^ 
m zu dem anfangs ebenso überraschenden als später notwendig er- 
scheinenden resultat, dass die ganze reiche ausmalung bei Livius, ^ 
Plutarch und Dio-Zonaras auf erfindung beruht, da sie einmal sdbst 
nnter einander vielfach abweicht und sich widerspricht, und zweitens 
neben dem kurzen, auf die ältesten — jedenfalls unter den sonst ge- 
branchten — quellen zurückgehenden bericht Diodors nicht stichhaltig 
sind. Danach steht nur fest, dass Manlius als rebell mit den 
raffen in der band gefangen und more maiorum durch 
stänpung hingerichtet worden sei.. Ausserdem fällt die ganze 
processgeschichte in das jähr -^, nicht in das folgende jähr, und 
ist unter der dictatur des Cornelius Cossus zu ende gebracht, während 
Camillus nichts damit zu tun hatte. 2»*) 

Endlich kommt Mommsen zur besprechung der traditionellen mo- 146 
tive zu der manlianischen rebellion. Vor allem erweist er, dass die 
älteste fassung der berichte überhaupt gar keine motive 
^Qgab, daher alle motive spätere reflexion sind. Das strebeu also, 
den verschuldeten und armen plebeiern auf dem wege von schulden- 
erlass abhilfe zu verschaffen, ist späterer zusatz, die ganze Stel- 
lung des Manlius als eines plebeischen demagogen un- 
historisch, und die deducirung seines strebens nach königlicher ge- 
walt aus diesen berichten ganz untunlich 2^^). Mommsen hält dafür, 
dass »die darstellung nicht bloss erfunden ist, sondern 



so dass wir besser tun, auch hier Dionys als quelle fest zu halten. YergL 
buch 1. cap. I. 298) Hermes 5. 2. p. 243—266. 

2W) Dazu vergl. oben § 61 ff. 

2^) Ovid. fasti 6. 189 sagt auch nur: »uixit, ut occideret damnatus cri* 
mine regni«. 



102 ^o™ gallischen brande bis zum Kcinischen gesetzes-conflict. [Bach 1 

auch recht spät und recht schlecht erfunden«. Er erkennt 
mit recht in dieser ganzen motivirung einen »quasi-historischen ab- 
klatsch« der ähnlichen bestrebungen des 7. Jahrhunderts beisonders 
seit der zeit Cinnas. 

In Wahrheit fehlt nach Monunsen eine genaue einsieht in die mo- 
tive der manlianischen rebellion, wenn wir nicht den bericht annehmen, 
dass Manlius wirklich auf Umsturz der yerÜEtösung zu persönlicher er- 
hebung hingearbeitet habe. 

146 Haben wir aber dies resultat gewonnen — und es ist unabweisbar 
vor der kritik — so ist die ganze geschichte der ungeheuren Ver- 
schuldung selbst mehr als zweifelhaft, ja in gleicher weise als spätere 
reflexion und erfindung anzusehen. Wir müssen also alle berichte über 
schuldennot und elend, die in zusanmienhang mit der geschichte des 
Manlius stehen, einfach übergehen, da sie nicht auf historischem bo- 
den fussen. 

147 Wir haben noch die übrigen nachrichten über tatsachen zu prü- 
fen; denn blosse reflexionen des Livius sind ganz wertlos. Ebenso 
historisch wertlos ist, was Livius 29«) von den agitationen der volks 
tribunen für ein gesetz über den ager Pomptinus sagt. Derartige 
dinge fanden in den gleichzeitigen Chroniken der blossen ereignisse 
keine au&eichnung. 

870 

Zum jähre -—7 wird eine pest in folge eines miswachses er- 

884 

wähnt 297), ohne dass hieran weitere ausfükhrungen über die not der 
plebeier geknüpft worden wären. Die tatsache ist wol festzuhalten, 
da die alten Chroniken solche umstände mit Sorgfalt vermerkten. 

148 An die censorenwahl des jahres -ttt- knüpft Livius 2^®) die be- 

880 

merkung, dieselbe sei wegen der Unbestimmtheit der Schuldverhältnisse 
notwendig gewesen 299). Dass diese bemerkung nicht aus gleichzeitigen 
quellen stammt, ist klar; schon die äussere fassung eines solchen be- 
richts würde bedingen, dass unmittelbar nach der notiz: »creati cen- 
sores...« folgeil müsste »propter incertam famam aeris aHeni«; so 
wenigstens würde der bericht etwa in der urquelle ausgesehen haben, 
von dort in Fabius Pictor übergegangen und von Macer copirt worden 
sein^^^). Dazu kommt, dass die censoren nicht zur tätigkeit gelangen, 
da der eine gleich stirbt, und der andre dem gebrauch nach abdankt. 
Eine notiz über die tätigkeit der censoren konnte also auch nicht 



296) 6. 6. 297) Liv. 6. 21. 1. 298) 6. 27. 3. 

299) Vergl. Beer fasti cens p. 66. 30o) Vergl. buch 1. cap. I. 



Gap. VIJ Zar inneren geschichte. 103 

in die älteren Chroniken anfgenonunen worden sein, da eine solche ja 
gsrmcht statt gefunden hatte, und man sich nicht mit der au£zeichnimg 
von blossen absichten abgab. 

Im folgenden jähre sollen ideder censoren gewählt worden sein^oo* 1^^ 
Ich habe darauf hingewiesen^, dass der plebeische name des einen 
efamrB die ganze wähl bedenklich erscheinen lässt. Nach Livins 
mikssen sie wegen eines religiösen fehlers bei ihrer wähl wieder ab- 
danken. Schwegler*»*) sieht hierin blos heimtücke der patricier, die 
imter religiösem verwand eine gerechtere einschätzung der verschnl- 
deten zu hintertreiben suchten. Es ist dies eine seltsame ansieht, 
dem die patricier litten doch wahrlich nicht darunter, wenn ihre 
scfcoldner weniger statssteuer zu zahlen hatten; um so eher konnten 
ja dann die gl&ubiger befriedigt werden. Die livianischen reflexionen 
darüber dtkrfen doch in keiner weise fOr massgebend angesehen wer- 
den, wenn sie nicht durch unabweisbare tatsachen gestützt sind. 
Ausserdem sahen wir^*), dass ein census schon — — - statt gehabt hatte. 

876 

Im Jahre -^^ werden wieder censoren ernannt, die die geschäfte 150 
der früheren pure erledigen sollten^*). Nach Livius sind sie durch 
bieg an der ausAlhrung ihres amtes verhindert. Das ist offenbarer 
^insinn, denn der krieg dauerte nur über die sommermcmate. Es blie- 
ben monate genug fOr die censustätigkeit ttbrig. Bei dem neuaus- 
brechenden krieg sollen die plebeier mit den patriciem einen pact 
geschlossen haben, dass während des krieges weder statssteuer ent- 
achtet, noch gerichtsverhandlungen über darlehnsverhältnisse statt fin- 
den sollen. Von einem plebisdt darüber ist nichts berichtet; wäre es 
geschehen, so würden Livius und seine quelle es geväss angeführt 
haben. Jener pact schwebt in der Luft. Dazu kommt, dass wäh- 
lend des krieges gewiss niemals die regelmässige Steuer erhoben 
^de, und processe wegen schulden mit den im felde stehenden Sol- 
daten ohnehin nicht geführt werden konnten. Wir haben es hier 
auch wol mit willkürlichen Zusätzen zu tun. Und was die censoren 
^geht, so war offenbar in den ältesten quellen nur verzeichnet, dass 
solche im amt gewesen waren w«), und dass sie zur errichtung einer 



^1) Nach Livius 6. 27. 5. unmittelbar nach] dem abgang der vorigen; 
aber mit unrecht ; nach Diodor 15. 51. gehören sie dem folgejahr an ; dazu 
Beb wegler 3. 303; vergl. auch Boor facti cens. p. 67. 

^) Oben § 138 note. »o») a. a. 0. 804) § 136 ff. 

«») Liv. 6. 31. 2 306) Vergl. Niebuhr 2. 675. note 1325. 



104 ^om gallischen brande bis zum lieinischen gesetzes-conflict. [Buch 2. 

nenen ringmauer aus quadersteinen eine Steuer ausgeschrieben hatten '^). 
Wir haben aber gesehen, dass notwendiger weise in diesem jähre 
ein censns abgehalten worden sei'^^). 

151 Mehr wird über die schuldennot nicht gesagt. Eigentliche tat- 
Sachen sind gar keine berichtet. Die ganzen livianischen bilder der 
not sind tendenzmalerei besonders eines Licinius Macer, um die gesetz- 
ge^ung seines grossen geschlechtsgenossea Licinius Stolo in ein be- 
deutenderes und glänzenderes Licht zu stellen^ und um die patri- 
cier als die althistorischen Vertreter der feindlichen partei des Lici- 
nius Macer selbst zu yerleumden. 

Nun aber wirft sich die frage auf: War wirklich not vorhanden? 

162 Der hauptbeweis fOr das Vorhandensein wenigstens einer gewissen 
schuldennot ergiebt sich aus der existenz des lieinischen schulden- 
gesetzes. Und die hauptursache dafür werden wir in der gallischen 
katastrophe zu suchen haben. 

153 Andrerseits ist nicht zu übersehen, dass die reichen assignationen 
im Vejentergebiet — 7 jugera auf den köpf — und die im jähre 

871 

--—- statt findende Verteilung des ager Pomptinus^^®) den Vermögens- 

889 

zustand der plebeier doch sehr gestützt haben müssen, so dass die 
Verschuldung keine übermässig grosse gewesen sein kann ; dafür spricht 
ja auch schon die geringe abhülfe, die das licinische gesetz herbei- 
führte — abgesehen davon, dass das ganze gesetz mehr als lock- 
speise für die dritte rogation betreffend den plebeischen consul an- 
zusehen ist*") — ■ während -r^ durch die heralbsetzung des zinsfusses 
auf das foenus unciarium, S^/g %, eine weit durchgreifendere massregel 
zur abhülfe gegeben wurde. 8^^) 

154 Wir haben zu constatiren, dass die Schilderungen des schulden- 
elendes der plebs in dieser periode als spätere erfindung zur begrün- 
dung' des lieinischen Schuldengesetzes anzusehen sind, da in den älte- 
sten quellen nichts davon gesagt war. Dass femer aus diesem stre- 
ben die politische Verdrehung der unruhen des Manlius mit ihren Ur- 
sachen hervorging, welche nun als hauptstütze der Verschuldungs- 
berichte diente und so einen um so grösseren glänz auf Licinius Stolo 



807) Liv. 6. 32. 1. 308) Vergl. oben § 138. 

S09) Ueber die geringe bedeutung und Wirksamkeit des Schuldengesetzes 
Stolos vergl. übrigens buch 4. cap. I. 3io) Liv. 6. 21. 4. 

311) yergl. buch 3. am ende und buch 4. cap. I, 11, HI. 

312) Darüber buch 4. cap, I. 



Gap. VH] Resume der ereignisse. 105 

und Sextius warf, als deren unglücklicher Vorgänger ManHus hinge- 
stellt worde. 

Dass übrigens jkrotz etwaiger not die masse der plebeier sich den- 155 
noch sehr gleichgültig gegen die rechte und errungenschaften ihres 
Standes bewies, geht aus der besetzung der consulartribunatsstellen 
in dieser periode hervor. 

In den zwölf jähren von —— -— - begegnen wir nur sehr sei- 

889 378 

ten plebeischen consulartribunen. Abgesehen von dem apokryphen L i c i- 
niüs Menenius des Livius«*') für das jähr -z— ) finden wir einen 
C. Terentius und L. Menenius zum jähre -^ ) und einen 
L. Albinius und L. Antistius zum folgejahre als plebeier*^*). Zwar 
giebt Livius^i^) zum jähre -rir an, dass die plebs, bezwungen durch 

877 

diegelder der patrider, nur solche gewählt hätten, undSchwegler^'*) 
erkennt dies an; aUein woher wusste Livius oder seine quelle das? 
In den ältesten auüzeichnungen stand jedenMs eine solche begründung 
iiicht verzeichnet. 

CAP. vn. 

Resnme der ereignisse von dem gallischen brande bis zn 

dem licinischen gesetzes-conflict. 

Nach dem abzug der Gallier von Bom sowol als aus den mittel- 166 
nad unteritalischen gegenden im jähre -r— - war die Sachlage für Rom 
^sofern eine kritische, als das bundesverhältnis mit den Latinem 
Qfld Hemikem, welches in der letzten zeit tatsächlich zu einer hege- 
monie Roms geworden war, sich gelockert hatte, und beide Völker- 
schaften in ihren einzelnen kreisen eine unabhängigere Stellung Rom 
gegenüber einzunehmen strebten 2*^). Es machte sich dies in ihrer 
ablehnung einer Unterstützung der Römer bei deren etruskischen krie- 
gen geltend 820). 

Rom selbst war nach dem abzug der Gallier im ungeschmälerten 
besitz seines bisherigen territorialbesitzes geblieben. Es umfasste dem- 
nach ausser der eigentlich römischen landschaft die hinzueroberten 



818) 6. 5. 314) Vergl. darüber buch 3. cap. III. 

815) Nach Diodor 15. 50. 

816) Diodor 15. 51: L. Labinius und L. Anthestius; Livius 6. 30: M. 
Albinius; statt des Sextilius bei Livius hat Diodor SiScrog, was wol in 
Sextins umzuwandeln ist. si?) 6. 32. si») 3. 283. 

819) cap. I. und IV. 320) cap. H. § 52. 



106 Vom gallischen bnnde bis lom KcmisdieB geaetses-co (Back 2. 

gebiete von Fidenae, Veii und Capena. Im ganzen betrag das rö- 
mische gebiet nnn etwa 25 deutsche ameilen.*>i) 

Dazu kamen dann als verbflndete Städte im norden Sutrinm nnd 
Nepete, welche wahrscheinlich im kriege gegen Yeii auf seitra Borns 
gestanden hatten und bald darauf in das Verhältnis von latimsehen 
colonien zu Rom getreten waren, indem sie ein kriegerisches sehuts- 
und trutzbttndnis mit beiderseitiger communaler autonomie geechk^ssen 
hatten. «5») 

Was die bevölkerung Boms und dessen tmppenmacht betrifft» so 
ergeben sich für erstere nach der gallischen katastrophe etwa 140^0 
bürger beideriei gesddedits, neben ungefthr 20.000 mann feldtrappen 
und 10,000 reservetruppen, in summa also ungefi&hr 30»000 mann, 
nachdem die vor der Aliaschlacht vorhandene trappenzahl von 40,000 
mann oder 9 legionen durch jene sdilacht in gedachter weise redn- 
cirt worden war'^»). 

157 Nach dem abzug der Gallier und noch im selben jähre Scheines 
sich gleichzeitig die erbfeinde der Römer, die Yolsker und Aequer, 
und zugleich die Etrusker gegen Rom erhoben zu haben. Ein vols- 
kisches heer rQckte bis in die nähe von Lanuvium vor und lagerte 
sich dort am berge Mecius. Ihm entgegen zog ein heer — höchst 
wahrscheinlich aus Römern nnd latinischen bnndesgenossen besonders 
aus den benachbarten und bedrohten Städten — , wurde aber von des 
Yolskem in seinem eigenen lager belagert, und nur die schleunige 
herbeikunft des dictators Camillus mit römischen ersatztmppen rettete 
dasselbe. Die Yolsker erlitten eine empfindliche niederlage, an welche 
sich eine durchstreifnng und Verwüstung ihres gebiets von selten des 
Camillus anschloss, so dass sie endlich nach 70jährigem kriege ge- 
brochen waren und fortan frieden hielten. Einen teil ihres gebietes 
nördlich von Satricum, südlich von Yelitrae, Lanuvium und Ardea, 
verloren sie, und derselbe wurde nun von den Römern als eigentom 
eingezogen. Es scheint, dass sich Lanuvium gegen dies vertrags- 
widrige verfahren — da die bnndesgenossen an beute und eroberungen 
teilhatten — widersetzt habe; allein wol vergeblich. Im übrigen ist die 
tatsache nicht näher bekannt. Die Yolskerkriege aber haben hiermit 
für lange zeit ihr ende gefanden. •^) 

158 Unmittelbar nach der beendigung des Yolskerkrieges wandte sich 
Camillus gegen die Aequer. Diese waren durch die früheren eroberun- 



33i) Cap. L 322) Gap. I. »93) Cap. I. w*) Cap. IL 






Cap. Vn.] Resnme der ereignisse« 107 



Yon Labid und Bolae zurückgedrängt worden und beabsichtigten 
ohne zweifei nun im bfindnis mit den Yolskem das verlorene wieder- 
zugewinnen. Sie belagerten Bolae, woselbst sie Camillus, wol ver- 
störkt durch ein Latinerheer, traf, die bedrängte Stadt entsetzte und 
die feiide in die flucht schlug; ihr verlust kann nicht imbeträchtlich 
gewesen sein, da sie sich mehrere jähre stille verhielten. ^^) 

Kaum waren die Aequer zurückgeworfen, so eilte Camillus nach 159 
Etmrien zum entsatz der von £truskem ~ wahrscheinlich den Tar- 
qaimem — hart bedrängtem, vielleicht sc]ion besetzten bundesstadt 
Sutriom. Auch hier gelang es dem ieldherm das beer der feinde 
2a sdUagen und die Stadt in ihren früheren zustand zurückzuführen. 
^ seheint, dass im nächsten jähre der krieg gegen Tarquinii wieder- 
boit und demselben ein paar grenzorte abgenommen wurden; doch ist 
die Sache nicht unbedingt sicher. 

Die Wiederherstellung der ruhe bei den nachbaren gab Bom jetzt 1^ 
die müsse, seine neuen eroberungen in Etmrien zu consolidiren und 

Alt? 

mit dem mutterstat zu verschmelzen. Zu dem zwecke wurde --rzr 

S87 

einerseits den während des vejentischen krieges aus Yeii, Capena 
Qiid Falerii zu Bom übergegangenen das römische vollbtlrgerrecht und 
^erbesitz im neuen territorium gegeben, andrerseits dieser ganze 
landstrich in vier neue tribus eingeteilt, in die tribus Stellatina, Tro- 
inentina, Sabatina, Amiensis, die ersteren beiden südlicher, die letzteren 
iiördlicher gelegen. In dieselben wurden dann auch die^römischen ansiedier 
Qfldbesitzer in jenen gegenden mit aufgenommen und zugleich damit ein 
neaer census der gesammtbürgerschaft verbunden. Bald darauf, im jähre 

37 1 

15J-, wurde auch der ager Pomptinus, jener den Volskem abgenom- 
mene landstrich zwischen Satricum, Lanuvium und Ardea, durch eine 
fi^-männer-commissHm an bedürftige btlrger verteilt «*«), während 

872 375 

^ — -g^ eine neue latinische colonie in der den Volskem abge- 
nommenen Stadt Setia unweit Priveraum angelegt wurde ^*^). 

Der bericht Diodors über die anläge einer colonie auf Sardinien 
entbehrt zu sehr der beglaubigung und Wahrscheinlichkeit'*®). 

Inzwischen waren in Bom btbrgerliche unruhen ausgebrochen. Einiei 
gewisser M. Manlius hatte wie es scheint einen Umsturz der Verfassung 
herbeizuführen gesucht, um selbst die tyrannis au&urichten. Der ver- 
Iftnf des ereignisses ist unbekannt. Nur so viel steht fest, dass Man- 



Cap. UL 33«) Cap. V. und VI, dazu § ö8, 81 ff. 

8«7) Vergl § 83 WS) Vergl. § 84. 



108 ^oin gallischen brande bis zum licinischen gesetzes-conflict. [Bncb 2. 

lins im aofruhr ergriffen, seine anhänger geschlagen oder nieder- 
gemacht, und er selbst anf dem wege der stäupnng öffentlich hinge- 
richtet wurde. **•) 
162 Die nachbarschaft der Aequerstadt Präneste mit ihren abhängigen 
buhdesgenossen, neun Städten an der zahl, scheint dazumal f&r Rom 
und das dazwischen liegende Tusculum bedrohlich geworden zu sein. 

378 

Aus diesem gründe schlössen beide Städte im jähre — - ein engeres 
bündnis, so dass sie fortan nur einen stat bildeten. Die Tusculaner 1 
traten in das römische vollbürgerrecht und wol umgekehrt die Kömer 
in das tuskulanische mit beibehaltung getrennter communalyerwal- 
tung ein. Es ist dies der erste derartige fall in der römischen ge- 
schichte. «»o) 

874 

168 Schon im folgenden jähre -g- ergriff Präneste als haupt der 
Aequer die gelegenheit, einen rachezug gegen Rom wegen der nieder- 
läge bei Bolae im jähre -rrr- zu machen. Ganz plötzlich erschien ein 
pränestinisches beer in der nähe der porta CoUina nordöstlich von 
Rom. Die Römer ernannten sofort T. Quinctius Cincinnatus zum dictator, 
welcher in der eile ein beer aufbot und dasselbe gegen die an der Alia 
lagernden feinde fahrte. Die Pränestiner erlitten eine völlige niederlage 
und flohen nach Präneste zurück. Cincinnatus folgte ihnen, verband 
sich wol unterwegs mit den Tusculanem und eroberte nun nach ein- 
ander in schnellster folge neun Präneste untergebene Ortschaften — 
vielleicht nur offene orte. Zuletzt zwang er Präneste zum frieden, 
höchst wahrscheinlich unter der bedingung, der hegemonie über die 
umliegenden orte zu entsagen und dieselben vielleicht an Rom und 
Latium abzutreten; doch ist dies nicht zu beweisen. Cincinnatus 
kehrte triumphirend nach Rom zurück, weihte dem Jupiter aus der 
beute eine goldene kröne von 2V8 pfnnd gewicht, die noch spät zu 
sehen war, und legte dann nach einer wie es heisst nur 20tägigen 
dictatur sein amt nieder, ^^i) 

S77 

164 Es ist zweifelhaft, ob wir für das jähr -^ noch einen rachekrieg 
Pränestes gegen Tusculum anzunehmen haben; die quellen-angaben 
sind hier äusserst verwirrt und lassen der möglichkeit räum, dass der 
Überfall Tusculums so wie der ganze Volsker- und Latinerkrieg des- 
selben Jahres der fabel angehört. Auch werden die Pränestiner nicht 
eigentlich dabei genannt. 3**) 



»29) Cap. VI. 3«o) Cap IV. ssi) Cap. III. m«) Cap. III. u. V. 



^--^ 



Cap. VH.] Besame der ereignisse. 109 

In eben dem jähre des grossen Pränestinerkrieges -— - und kurz 165 
vor aasbrach desselben waren als censoren C. Sulpicius und Sp. Po- 
stumias gewählt worden; allein der schnelle tod des letzteren und die 
dadurch bedingte abdankung des ersteren vereitelte den zweck der 
censor.. Im folgenden jähre sollen neue censoren gewählt worden sein 
und zwar C. Genucius und P. Trebonius, deren letzterer einen ple- 
beischen namen trägt. Dieser umstand macht die ganze wähl zweifei- 

VIR 

haft. Dagegen ist es sicher, dass ^^ censoren ernannt wurden, Sp. 
Servilios Priscus und Q. Cloelius Siculus mit namen. Unter ihrer cen- 
surwarde ein census abgehalten und eine Steuer ausgeschrieben, um 
eine neue ringmauer aus quadersteinen um die Stadt au&uführen.^*^) 

Die folgen der einäscherung Boms durch die Gallier übrigens 166 
iiatten sich bei der armen bevölkerung trotz der ackeranweisungen im 
vejentischen und pomptinischen gebiet geltend gemacht; ein umstand, 
der dami bei dem nun bevorstehenden verfassungs-conflict von den 
Volkstribunen Licinius und Sextius ausgenutzt wurde, um auf dem 
Wege der Schuldenermässigung die plebs in das Interesse ihrer Standes- 
häupter zu ziehen und so von den patriciem die mitbesetzung des 
höchsten statsamts, des consulats, zu erringen. 5^) 

Das statsleben selbst aber wurde durch diese bestrebungen der 167 
vornehmen plebeier wenig beunruhigt oder geschädigt. Das erkennen 
wir auch am raschen wiederaufblühen des stats nach aussen. Zwar 
sind ja auch nur zwei kriegsjahre überhaupt unter den dreizehn jähren 
Döserer periode vorhanden, das erste -r— - mit drei kriegszügen, und 

, 374 

das Jahr -— - mit dem Pränestinerkrieg; und so war der stat wenig 
von aussen in anspruch genommen. Dennoch aber ist es ein beweis 
grosser innerer kraft und Ordnung, dass Rom sich nicht nur räumlich 
ausdehnte, sondern sogar die allerfestesten organisatorischen anord- 
önngen zur Sicherung der neuerworbenen landesteile trifft. Das gal- 
lische Unglück scheint somit in seinen nachwirkungen bald spurlos 
verschwunden zu sein, und nur das unordentlich wiederaufgebaute Rom 
fiiag daran erinnert haben. Der vertust an mannschaft in der Alia- 
schlacht wurde gewiss überreichlich durch die aus den Etruskerstädten 
Qeuaufgenommenen bürger ersetzt, wozu Tusculum ausserdem noch 
einen grossen Zuwachs lieferte. 

Die vergrösserung des römischen gebietes um den ager Pom- 168 



^) Cap. V. und VI. 

»«*) Cap. VI; buch 3. cap. III. und IV, buch 4. cap. I, II, m. 



1 10 Vom gallischen brande bis zürn licinischen gesetces-conflict. [Büdb % 

ptinus und Tusculum betrag zusammen etwa 7 deutsche ameilen, wo- 
durch das genannte gebiet sich von 25 auf 32 deutsche ameiien 
erweiterte^. Nicht im selben Verhältnis wird die bürgerbeTölkerungs- 
zahl zugenommen haben. Nehmen wir vor der gallischen iavasion 
etwa 150|000 seelen als bürger beiderlei geschlechts an, so treten als 
btlrger nur die Tusculaner und die zugewanderten Etrusker, nicht die 
ehemaligen volskischen bewohner des ager Pomptinus hinzu. Jene 
nun werden wol höchstens 30,000 seelen betragen haben; diese zu 
den genannten 150,000 weniger der an der Alia gefallenen 10,000 er- 
geben demnach etwa 170,000 seelen in's gesammt. 



^) Vergl. § 25, 83. und 107. 



DRITTES BUCH. 

DER LICINISCH-SEXTISCHE VERFASSÜNGS-CONFLICT. 



GAP. I. 

Die traditioB. 

Ums, tmser einziger gewährsmann^ der im ziisammenhaog den 
V6riauf d€r lidnischen gesetzgebung erzählt, berichtet folgendes dar- 
über »): 

S77 

Trotz der glücklichen kriege des Jahres -j^ wuchs die not der 
plebs auf das höchste, so dasa eine grosse anzahl in die schuldknecht- 
Schaft der patricier geriet. Ja nicht allein die arme plebs, sondern 
web die vornehmsten mitglieder yerloren so sehr allen mut, dass 
^e weder um den consulartribunat, noch um die eigenen plebeischen 
^ter sich femer bemühten, so dass die ganze macht wieder in die 
ifinde der patricier zurückge&llen zu sein schien. Allein gerade um 
bliese zeit begann von geringen anfangen eine ungeheure reform- 
bewegung. 

M. Fabius Ambustus, ein bei den patriciem und plebeiem 
beliebtermann, hatte zwei töchter, deren ältere dem patricier 

Sulpicius, die jüngere dem plebeier C. Licinius Stolo vermalt 
war. Beide Schwestern waren einmal im hause der älteren, deren ge- 
loal damals consulartribun war, zusammen, als der lictor des heim- 
kehrenden Sulpicius nach der Sitte mit dem rutenbündel an die türe an- 
schlug. Die jüngere Schwester, die gattin des Licinius, welche diese 
Sitte nicht kannte, erschrak darüber und wurde von ihrer Schwester 
in folge dessen ausgelacht; dies empfand sie schmerzlich und sah ein, 
dass sie unebenbürtig verheiratet sei ; als ihr vater sie darauf nach 



1) 6. 34. bis zu ende. 



112 Der licinisch-sextische verÜASSungs-oonflict. [Buch 3. 

ihrem kummer frug, erklärte sie ihm ihre wahmehmimg und ihre be- 
trübnisy da ihr mami solche ehren nicht erwerben könne. Dervater 
aber tröstete sie und verhiess ihrem manne bald eben dieselben ehren- 
bezeugungen; er vereinigte sich darauf mit diesem und einem dritten 
hervorragenden jungen plebeier L. Sextius zur erreichung dieses 
Zieles. Sie trugen vor allem sorge, dass Licinius und Sextius zu volks- 
tribunen gewählt wurden, und in dieser Stellung knüpften die genann' 
ten nun an die grosse not der plebs an und beantragten drei den 
patriciem durchaus gegnerische gesetze: eines über die Schuldenlast, 
dass nämlich nach abzug dessen vom capital, was an Zinsen schon ab- 
getragen sei, der rest während eines Zeitraums von drei jähren zu 
gleichen portionen ausgezahlt werden solle; ein zweites über das mass 
des ackerbesitzes, dass niemand mehr als 500 iugera in besitz haben 
sollte; ein drittes » dass fortan nicht mehr consulartribunen gewählt 
und dass jedesmal ein consul aus der plebs ernannt werden sollte. 
Die patricier erschraken aufs äusserste über diese vorschlage und fan- 
den kein andres mittel die beschlussfassung zu verhindern, als das 
häufig schon erprobte, nämlich die coUegen jener beiden volkstribunen 
zur intercession zu bewegen, Als sie dieses nun wiederholt^ so oft 
Licinius und Sextius die tribus beriefen, getan hatten, da erklärte 
Sextius, er werde in gleicher weise die wähl von consulartribunen 
durch intercession verhindern. Und das war keine leere drohung; 
ausser plebeischen aedilen und tribunen wurden keine beamte gewählt. 
Als Licinius und Sextius zu volkstribunen wieder ernannt waren, fah- 
ren sie fort, die wähl von curulischen magistraten zu verhindern; und 
so geschah es, dass während eines Zeitraums von fünf jähren keine 
curulischen magistrate vorhanden waren, während die beiden volks- 
tribunen immer von neuem gewählt wurden. 

Glücklicher weise waren keine kriege zu führen. Endlich aber 
erhoben sich die colonisten zu Yelitrae, machten einfalle in das rö- 
mische gebiet und belagerten Tusculum. In folge dessen wurde die 
wähl von consulartribunen nötig; allein die plebs war viel fügsamer 
bei der aushebung als bei den wahlcomitien. Das römische heer trieb 
schnell den feind von Tusculum fort und belagerte ihn nun mit grosser 
kriegsmacht in seiner Vaterstadt Yelitrae selbst. Doch konnte die 
Stadt im selben jähre nicht erobert werden; und so schritt man zur 
neuwahl von consulartribunen^ die jedoch auch in ihrem amtsjahr 
nichts gegen Yelitrae ausrichteten. 

Inzwischen bearbeiteten Licinius und Sextius, welche schon zum 



Cap. l] Die tradition. 113 

achten mal wiedergewählt waren, sowie Fabius Ambustus die zurück- 
gebliebene Volksmasse zu gunsten der gesetzes-vorschläge, beschlossen 
aber mit der abstimmung zu warten, bis das beer von der belagerung 
FOD Velitrae heimgekehrt sei ; dazu war die zahl der intercedirenden 
voüstribunen von acht auf ftlnf herabgesunken. 

Das jähr verstrich jedoch, ohne dass die belagerung beendet worden 
wäre; inzwischen wurden Licinius und Sextius von neuem und neue con- 
sulartribunen gewählt. Gleich zu anfang dieses Jahres fing der letzte 
entscheidongskampf über die gesetzes-vorlagen an; als die tribus ein- 
berufen wurden, fand sich kein volkstribun mehr zum intercediren be- 
reit, so dass die patricier zum äussersten rettungsmittel ihre Zuflucht 
^eliinen mussten: zur emennung eines dictators in der person des 
iiochberühmten M. Furius Camillus, der L. Aemilius zum ma- 
xister equitum ernannte. 

Allein die beantrager der neuen gesetze rüsteten sich gleicher- 
weise zum kämpf; sie berufen die tributcomitien und wollen schon mit 
der abstimmung anfangen, als der dictator mit einer grossen schar 
von patriciern sich in der Versammlung niederlässt. Von neuem in- 
tercediren die andren volkstribunen gegen die gesetzes-vorlagen; allein 
Sextius und Licinius, gestützt auf die günstige Stimmung der masse, 
fragen die erste tribus um ihre stimme. Da springt Camillus auf, 
wirft ihnen dies ungesetzliche verfahren vor und erklärt, er werde 
die intercession der collegen jener männer aufrecht halten. Als die 
können dennoch mit der abstimmung fortfuhren, entsandte im 
äussersten zorn Camillus seine lictoren, um jene tribunen zu ent- 
fernen, und fügte die drohung hinzu, er werde sofort die gesammte 
loiegsmannschaft ausheben und aus der Stadt hinausführen. Die plebs 
erschrak dadurch, allein Licinius und Sextius betrieben mn so eifriger 
die abstimmung. Da erklärte Camillus, er lege sein amt nieder, sei 
es nun, vne einige . berichten, weil er uitio creatus war, sei es, weil 
die volkstribunen beim volk beantragt hatten, dass, wenn der dictator 
gewaltmassregeln ergreife, er einer geldstrafe von 500,000 Ass ver^ 
fallen solle. Livius entscheidet sich für das erstere motiv, vorzüglich 
daunmittelbar nachher ein neuer dictator in der person' des P. Man- 
litts ernannt worden sei. 

Die tribunen, welche inzwischen fortfuhren über die gesetze ab^ 
stimmen zu lassen, wurden jedoch nicht mit dem erwarteten erfolg ge- 
krönt, da die plebs sich zwar für die beiden ersten gesetzes-vorschläge 
erklärte, den letzten aber ablehnen wollte. Und die abstimmung 

Cluon, röm. gcnch. I. 8 



114 Der lidniscli-sextisehe ▼erfassongs-eonflict 

wOrde anch so ausgefollen sein, wenn nicht die tribonen ihre drei an- 
trftge f&r einen untrennbaren gesetzes Vorschlag erklärt hätten. Der 
neue dictator, welcher C. Licinius, den gewesenen consalartribtmen, 
als ersten ans der plebs znm magister eqnitam ernannt hatte — ein 
umstand, den die patricier sehr übel nahmen, und denManüna durch 
seine nahe Verwandtschaft mit Licinius zu entschuldigen suchte — 
der dictator vertrat hierbei die partei der plebs gegenüber dentribtmen. 

Als daher die zeit der volkstribunen-wahl kam, gaben Licinius cmd 
Sextius sich den anschein, als würden sie eine Wiederwahl nicht an- 
nehmen, indem sie erklärten, dass gegen die patricische härte und ge- 
walt der arme plebeier kein recht bekomme. Dagegen erhob sich 
Ap. Claudius Crassus, der enkel des decemvir, und sprach aufs 
heftigste gegen den eigennutz und die herrschsucht jener beiden tf 
bunen;'sie die patricier seien bereit, der armen plebs die vorteile der 
beiden ersten gesetze zukommen zu lassen; allein die tribunen ver- 
hinderten das durch die zusammenfiassung der drei gesetze und be- 
wiesen dadurch, dass ihnen nur um das dritte zu tun wäre, während 
es gegen das althergebrachte und heilige recht der patricier wflre, 
den plebeiern die höchsten anspielen zu erteilen. Der eindruck dieser 
rede war der, dass die abstimmung über die gesetze verschoben wurde. 
Als Sextius und Licinius dann zum zehnten male ihr amt antraten, 
veranlassten sie ein gesetz über Zulassung der plebeier zu der priester- 
schaft der orakelbewahrer. Es wurden in folge dessen ftlnf patricische 
und ftknf plebeische ernannt. Aus freude über diesen erfolg gaben 
die plebeier dann wieder consulartribunen wählen zu. 

Inzwischen dauerte die belagerung von Velitrae immer noch fort, 
während sonst die äusseren Verhältnisse friedlich waren. Da erscholl 
plötzlich das gerücht eines neuen Gallierkrieges, welcher die bflrger- , 
Schaft bewog, einen dictator, und zwar M. Furius Camillus znm 
fünften mal, ernennen zu lassen; derselbe machte T. Quinctius Pennnszo 
seinem magister equitum. Camillus schlug ohne grosse mühe die 
Gallier im Albanergebiet und brachte ihnen ungeheure Verluste bei. 
Dem dictator wurde in folge dessen von senat und volk ein triumph 
zugesprochen. 

Unmittelbar danach aber brach der entscheidungskampf über die 
licinischen gesetze aus, und nach langem und heftigem ringen wurde 
der dictator md senat gezwungen die vorlagen anzunehmen. Bei 
den darauf folgenden consulwahlen wurde dann gegen die hobiütft^ 
L. Sextius zum ersten plebeischen consul ernannt. Allein die patricier 



Gap. E] Chronologie. 115 

yerweigerten dieser wähl ihre bestätigong; und es wäre beinahe za 
eloer secession und zmn bürgerkampf gekommen, wenn nicht der 
dictator durch einen compromiss den frieden hergestellt hätte; danach 
wurde der plebeische consul gut geheissen, dagegen den patriciem 
ein neues amt, die praetur eröffnet, welche die oberrichterlichen 
fonctionen in der stadt ausüben solle. 

Zur feier der wiederhergestellten eintracht wurde der beschluss 
ge&sst; dass ludi maximi und zwar mit hinzufügung eines vierten tages 
zu der sonst üblichen dreitägigen dauer statt finden sollten. Als aber 
die plebeischen aedilen sich weigerten, solche spide zu veranstalten, 
da erklärten sich die patricischen Jünglinge bereit, um der ehre der 
götter willen äedilen zu werden. Als ihnen hierfür öffentlich dank 
gesagt worden war, wurde ein senatsbeschluss gefasst, dass der dicta- 
tor den antrag auf die wähl zweier patricischer aedilen beim volke 
stallen, und die patricier allen beschlüssen des Jahres ihre bestätigüng 
geben sollten. 

Soweit der traditionelle bericht des Livius. Wir gehen nun zur 
iDitischen betrachtung der einzelnen punkte der erzählung über. 

CAP. n. 

Chronologie des licinisch-sextischen conflicts* *) 

Die chronologischen angaben über die dauer des conflicts sowol 2 
^8 über die Zeiteinteilung sind weder unter sich gleich noch über- 
liaapt in der traditionellen fassung haltbar. Stellen wir zur Übersicht 
<^6 angaben zusammen: 

Livius lässt nach dem letzten consuljahr 362 ^) fünfzehn eponyme 
consular-tribunicische jähre folgen, also bis mitte 378 etwa*). Dann 
koQunt ein jähr, . für welches keine eponymen magistrate angegeben 
Süd, welches wir aber vorläufig mitrechnen ^) , dann die solitudo ma- 
^stratuum per quinquennium ß) , also ein fünß ähriger magistratsloser 
Zeitraum '), dann vier eponyme consular-tribunicische jähre, dann das 



*) Darüber vor allem zu vergleichen Niebuhr r. g. 2. 622—88 und 
Mommsen Chronologie 190ff, besonders 198—200. «) Liv. 5. 31. 

*) Dass der amtsantritt der cobsulartribunen nicht mehr auf den 1 juÜ 
fiel, darüber vergl. cap. III. 40. ») Vergl cap.II.4,6. «) Liv 6.35. 10. 

^) Der im übrigen ganz nutzlose Joannes Lydus de magistr. 1. 38: 
duo tribuni plebis, giebt auch einen fQnfj ährigen magistratslosen Zeitraum 
^ allein unter den verwirrtesten Zusätzen. Nur sei erwähnt, dass in der 

8* 



116 Der licinisch-seztische verfassangs-conflict. [Buch S. 

erste neue consolarjahr 388—389. Der conflict selbst, von dem antritt 
der volkstribonen Licinias und Sextius, 10 December 377, an gerech- 
net, dauert bis in den anfang des Jahres 388 hinein, zu welcher zeit 
die wähl der neuen consuln stattfand. Im ganzen sind also nach Li- 
vius seit dem letzten consulatsjahr 362 — 63 bis zum ersten neuen 
consulatsjahr 388 ~ 89 fünfundzwanzig jähre verflossen, bestehend aus 
15 + 1 + 5 + 4 Jahren. 

Dionys ist uns zu diesem abschnitt leider nur fragmentarisch 
erhalten; und dazu wird nur beiläufig erwähnt, dass Licinius Stolo 
während zehn jähren volkstribun gewesen sei, und die an seine roga- 
tion sich knüpfenden Unruhen zehn jähre gedauert haben; es ist also 
ein näheres aus ihm für die Chronologie nicht zu entnehmen.®) 

Eine andre Version finden wir aber bei andren autoren und io 
den uns erhaltenen beamtenverzeichnissen. 

Zonaras^) spricht nach Cassius Dio von einer yieijährigen 
magistratslosigkeit; dieselbe angäbe findet sich bei Sextus Bufus^^) 
und Vopiscus.ii) 

Eutropius^^) erwähnt gleichfalls eine vierjährige magistrats- 
losigkeit, auf welche drei consulartribunicische und endlich das erste 
consularjahr des Jahres 388 -89 (366 — 365 v.Chr.) folgen. Demnadi 
würde die magistratslosigkeit nicht wie nach Livius von 379 — 384 
(375-370 V. Chr.), sondern von 381—385 (373—369 v. Chr.) anzu- 
setzen sein. 

Dem entspricht zum teil die angäbe der fasti Hispani oder 
des Idatius^^), dass nach dem consularjahr 362—363 während acht- 
zehn Jahren consular-tribunen^^), dann während vier jähren keine cum- 
lischen magistrate gewesen seien. Die achtzehn jähre endigen dem- 



Olympiaden berechnung er mit D i o d o r (siehe unten) übereinstimmt, indem er 
die 103. Olympiade als anfang der magistratslosen zeit nennt; wozu freilich 
wieder in keiner weise das gleichfalls angegebene 136. consul- (repubhca- 
nische) jähr passt. 

8) Die oben (buch 1. I. 15 ff.) als wahrscheinlich hingestellte quellen- 
verwandtschaft zwischen Dio und Dionys würde den weiteren schluss zu- 
lassen, dass letzterer wie ersterer (nach Zonaras) eine vierjährige magi- 
stratslosigkeit angenommen habe, die dann auf Yalerius Antias zurückginge- 
9) 7. 24. 19) Cap. 2. ") Tacit. 1. 12) 2. 3. 

18) Vergl. C. I. L. I. p 604—8. ed. Mommsen. 

14) Idatius schreibt irrtümlich: tribuni plebis. Vopiscus: Tacit. 1. 
macht daraus: »tribuni plebis cum tribunicia potestatec, offenbar unter dem 
eindruck der kaiserlichen machtbefugnis. 



Gap. n.] Chronologie. 117 

gemäss 381, die vier folgenden 385, wie bei Entropius. Nor freilich 
ist die angäbe des Idatius über die späteren jähre ^'^) falsch berechnet, 
denn dort heisst es nach jenen vier jähret: »item tribuni plebis^^) 
Tic, also wären noch sechs jähre mit consular-tribunen gefolgt; den- 
noch aber giebt er die consuln von 388—89 richtig an. Nach Momm- 
sen^^) ist die zahl für die letzten consular-tribunicischen jähre bei 
Idatius ausgefallen; jedenfaUs müssen wir an stelle der YI eine m 
wenn nicht substituiren so doch denken. Dann ist eine übereinstim- 
mimg mit Entropius erzielt. 

Eine gleiche berechnung haben wir bei dem lateinischen anna- 
listen Fabius Pictori®) vorauszusetzen, da dieser 22 jähre vom 
gallischen brande bis zum ersten plebeischen consulat zählt; wir haben, 
wie wir unten sehen werden, für diesen Zeitraum achtzehn eponyme 
jähre, somit hat Fabius vier magistratslose wol hinzugefügt. Er ent- 
spricht damit übrigens genau den griechischen Synchronismen i^). 

Etwas Terschieden davon ist wiederum die Zählung bei Cassio- 
dor in seiner chronik. Er zählt seit dem consuljahr 362—63 sieben- 
«ehn jähre mit consular-tribunen, vier magistratslose und endlich drei 
Dut consular-tribunen bis zum neuen consularjahr 388—89. Wie er 
zu dieser berechnung kam werden wir später zu erklären suchen. 

Was den Chronographen von 3542% unter dem namenAno- 



15) Wie sie a. a. o, bei Mommsen vorliegt. 

1*) Wie oben consular-tribunen zu verstehen. 

") Chronologie 110, note 202. , 

1«) GelHus ö. 4; H. Peter rell. bist. Rom. p. 110. 

19) Gap. II. 4. note und Mommsen chronol. 198 und 200. 

^) Die völlige abhängigkeit des Chronographen von den capitol. fasten 
hX Mommsen Chronologie 108. dargetan. Das giebt der Vermutung räum, 
te die fasten ebenso wie der Chronograph die jähre von 378—383 mit 
eponymen versehen hatten; es war das ein versuch, wie bei setzung ganzer 
dictatoren jähre, unbesetzte jähre nach möglichkcit auszufallen und keine 
lücke in den eponymen zu lassen. Dass mit dieser annähme Mommsens 
Ergänzung der fragmentarischen fasten vor 384 nicht stimmt ist freilich 
Mar; Mommsen schreibt: »[per annos V nuUus curulis magistratus f ] actus 
68t c; allein »actus est« ist auf der tafel erhalten; die ergänzung ist also 
sehr hypothetisch; man könnte gerade so gut an ein: »[in eins locum f] 
actus est« denken; das von der zweiten zeile erhaltene [....] t dedi- 
cauit« entzieht sich jeder ergänzung, wenn wir nicht an den angeblich 
von Camillus 387—88 gelobten, später geweihten tempel der Concordia den^ 
ken dfirfen, dessen erwähnung die fasten an einem andren ort unterbrächten 
als Plutarch (Camillus 42, siehe III. 47. über den tempel.) 



11g Der lieinisch-sextiselie yerfassungs-confliet. [Buch S. 

nymus Norisianus bekannt; angeht, so kommt dieser hierniditin 
betracht, da er zwar von 363 an immer die eponymen oder wenigstens 
zwei der eponymen magistrate anführt ^i), allein dasselbe auch fbr die 
sonst als magistratslos geltenden jähre zwischen 379 und 384 tut, 
so dass wir in ihm kein kriterium für chronologische bestimmungen 
finden, doch zählt er gerade so viel jähre als Livius.^^) 

Endlich haben wir noch Diodor von Sicilien zu betrachten, 
üeber die nachlässigkeit seiner angaben hat Mommsen sich schon aus- 
gesprochen^'). Er spricht an zwei stellen von einer magistratslosig- 
keit^^) ; die erstere ist nur kurz, da noch im selben jähre neuwahlen 
statt finden ; die letztere währt nach ihm ein jähr lang und fällt nadi 
der reduction seiner um acht jähre vorweg genommenen rechnung^) 
mit dem ersten jähr des livianischen quinquennium zusammen, d. h. 
mit 379—80. Die vier folgenden jähre der magistratslosigkeit aber 
berechnet er nicht mit, sondern lässt unmittelbar darauf die eponjrmen 
des Jahres 384—85 folgen, wodurch seine ganze rechnung also um 
vier jähre anticipirt ist. Erwähnt sei noch, dass er nach seiner an^ 
archie nur drei consular-tribunicische jähre, dann das erste consutjahr 
388—89 angiebt, während die eponymen des Livius zu 387 bei ihm 
fehlen. 

E. W. Nitzsch^*) führt die diodorische angäbe der eii^ährigen 
anarchie auf eine besonders alte annalistische quelle zurück, die weder 
Fabius Pictor noch einem sonstigen annalisten vorgelegen hätte, die 



si) üeber das verfahren desselben dabei in bezug auf das ausschreiben 
seiner quelle, den fasti Capitolini vergl. G. I. L. I. ed. Mommsen p. 483. 

9<) Dass übrigens Idatius nicht direct aus dem ehren ographen schöpft, 
wie Mommsen G. I L. I. p. 484. 1. schon darstellt, beweist sich auch dar- 
aus, dass er ganz bestimmt nach dem letzten consuljahr 362—63 aufhört 
die eponymen zu nennen und von tribunen spricht. Hätte er aber nur ans 
4em Chronographen geschöpft, so würde er einen unterschied zwischen dem 
jähre 362—63 und den folgenden gar nicht wahrgenommen haben, sondern 
auch alle folgenden mit sammt den magistratslosen jähren für reine consul- 
jahre gehalten haben, da der Chronograph überall zwei eponyme magistrate 
anführt. Idatius muss offenbar eine quelle vor sich gehabt haben, die zwi- 
schen consuln und consular-tribunen oder tribunen überhaupt (wegen des 
ausdrucks tribuni plebis bei Idatius) unterschieden hat und so dem Idatius 
seine berechnung ermöglichte. Dasselbe gilt vom Ghronicon Paschale. 

23) Chionologie p. 121 ff. 24) dvapxia vergl. 15. 61. und 76. 

sft) Siehe oben die note 7. über Joannes Lydus. 

M) Die römische annalistik u. s. w. 1872 p. 232 ffl 



Gi|i E] Chronologie. 119 

aber Biodor mn ihrer kttrze willen gebraucht hätte, Gn. Flayins 
niiBlJch, den aedil des Jahres 450, der die ältesten anfseichnnngen 
der^plebeischen aedilen zuerst bnchmässig verfasst und daher die 
sjchersten und ältesten angaben gehabt hätte. Es sei dieser bericht 
jedenblls der Wahrheit am nächsten, sei es nun, dass es eine ein- 
malige längere oder mehrere ktkrzere magistratslose Zeiträume gewe- 
sen wären, die durch dies eine jähr repräsentirt würden. Später seien 
bei der berechnung der consulatsjahre durch Fabius erst jene yier 
oder i&nf fOJiijahre hinzugefügt worden; allein schon der umstand, 
dass sie gerade an der stelle stünden, wo Diodor das eine leere jähr 
bäte, jBpreche daf&r, dass in den ältesten von Fabius benutzten anna- 
listischen au&eichnungen^) wirklich von einer magistratslosen zeit an 
dieser stelle berichtet worden sei. — Für die Untersuchung des histo- 
rischen Sachverhaltes ist dies zwar nicht von hervorragender Wichtig- 
keit, da es nur die schon fest angenonmiene ansieht der Unwahrheit jener 
vier bis f&nf jähre ohne magistrate weiter bestätigt; jedoch wäre die 
frage nach dem eii^ährigen ausfall der magistrate insofern zu lösen' 
ob sie einheitlich oder als summe mehrerer ausfälle anzusehen sei. 
Wie wir unten sehen werden, ist die annähme eines ausfalls geboten 
und durch die quellen- angaben über den anfang des consular- 
jahres bestätigt. Hier ist also von der diodorischen quelle entweder 
der runden summe wegen ein jähr gesetzt, während in wabrheit die 
xeit kürzer war; oder aber wir müssen das eine jähr als summe der 
verschiedenen Verzögerungen festhalten und danach die berechnung 
machen 2^). Nicht ohne bedeutung ist dann in Verbindung hiermit der 
aasdmck des Plinius^»), der von dem jähr 369 »<^) sagt: »anno quifoit 
sine magistratibusc ; die möglichkeit liegt vor, dass auch er nur einen 
eii^jährigen ausfaU von magistraten in seinen quellen verzeichnet 
faad'i). Das übereinstimmen beider autoren erweckt den verdacht 
einer gemeinsamen quellenbenutzung, und als diese quelle habe ich 
den annalisten Oalpurnius Piso im gegensatz zu Nitzsch, welcher 
ja Cn. Flavius für Diodors quelle hält, wahrscheinlich zu machen ge- 
snchf). Hatte aber Piso diesen bericht über die magistatslose zeit 



^) Den aedilicischen nach Nitzsch; vergl. buch 1. cap. H. 

^ Darüber unten § 5. 39) Nat. bist 16. 44. 85. so) in den Hss. 359. 

91) So auch Becker röm. altert 2. 2. 9. 

83) Heidelberger jahrbQcher 1872. heft 11. p. 835 ff.; dass Gn. Flavius 
weder Diodors quelle, noch überhaupt ein annaüst war, habe 'ich ebenda- 
selbst auseinandergesetzt. 



120 I)er licinisch-sextiscbe Terfassnngs-conflict. [Bach 3. 

aufgenommen, so ist derselbe gewiss auf gute und alte quellen zurück- 
zuführen, und der bericht gewinnt dadurch besondere bedeutung.H) 

Im ganzen nun sehen wir aus obiger au£zählung, dass, abgesehen 
von Diodor und Plinius^*), eine doppelte tradition über die jahres- 
einteilung vorliegt, die eine vertreten durch Livius, Joannes Lydas 
und den Chronographen, die andre durch (Fabius) Zonaras (Cassius 
Bio), Sextus Bufus, Yopiscus, Eutropius, Idatius, Cassiodor und viel- 
leicht Dionys. 
3 Dass die ganze erzählung von dieser magistratslosen zeit in Rom 
während des conflicts blos das product eines chronologischen not- 
behelfs ist, das hat Niebuhr^^) aufs klarste dargetan, und nach ihm 
ist es eine allgemein bekannte tatsache geworden 3«). Niebuhr fahrt 
die tatsache darauf zurück, dass Fabius Pictor bei feststellung der 
zeit des gallischen brandes einer angäbe wahrscheinlich des Timäus 
gefolgt sei, wonach dieser olymp 98. 1 = 365 unter dem athenischen 
archontat des Pyrgion'^) statt gefunden habe. Bei vergleichung der 
fasten aber habe er gesehen, dass für den Zeitraum zwischen dem 
brande Roms und der annähme der licinischen rogationen mehrere 
jähre zu viel gerechnet seien, für welche keine eponymen magistrate 
verzeichnet waren. Die überschüssigen jähre wurden daher an irgend 
einer stelle zwischen die eponymen magistratsjahre eingeschoben, und 
daran knüpfte sich dann die ausschmückende sage oder die willkür- 
liche erfindung, welche in folge des Widerspruchs der volkstribunen 
eine magistratslose zeit statuirte*^). Eine andre lösung für das rätsei 
lässt sich nicht finden. Die tradition selbst ist ganz unsinnig; denn 
es ist eben gar nicht denkbar, dass ein stat wie der römische in so 
ungeheuer erregten zeiten mit feindlichen nachbarn in der runde jahre- 
lang ohne leitende magistrate gewesen wäre und also völlig brach ge- 



«3) Darüber unten § 6. ^) Vergl II. 5. und oben. 

W) Rom gesch. 2. 627 ff.; 3. 28; Vorlesungen über röm. gesch. 1. 401 ff.; 
vergl. dazu Lewis Untersuchung, über d. glaubw. d. altröm. gesch 2. 302 ff. 

36) Wachsmuth die ältere geschichte des röm. stats 1819. p. 431 j 
Eisendecher über entstehung, entwickelung und ausbildung des biirger- 
rechts im alten Rom 1829. p. 180; Göttling röm. statsverfassung p. 350; 
UDd Peter röm. geschichte 3. aufläge 1. p. 210. bleiben übrigens bei dem 
quellenbericht über die zehnjährige daner des kamptes stehen; Laurent 
fast, consul. capit. 1833. p. ö4. endlich füllt die magistratslosen jähre sämmt- 
lich mit eponymen aus, wahrscheinlich dem Chronographen von 354 folgend. 

87) Dionys 1. 74; Diodor 14. 107, hier heisst er Ilüppiwy, 

3S) Yergl. dazu auch Mommsen chronol. 122 note 227. 



Cip^ IL] . Chronologie. 121 

legen hätte; gerade so gut mtlsste ein bankgeschäft zeitweilig ohne 
baoqtiier existiren und fortarbeiten können. 

Die zahl der jähre nun, welche auf diese weise eingeschoben war- 4 
diHi, mnss frflh festgesetzt worden sein. Mommsen*') nimmt ohne 
Zweifel mit recht an, dass die fasten der republik in bezug auf die 
Jahressumme schon seit dem zweiten punischen kriege dem publicum 
vorlagen und bringt die feststellung der jahresliste mit dem aedilen 
Cd. Flayius zusammen, der im jähre 460 die klageformulare veröffent- 
tichte^^). Allein die anordnung der vorhandenenjahre war nicht über- 
all die gleiche; vielmehr scheint nur die summe als canon festgestan- 
den zu haben, während die annalisten und fasten-redactoren erst die- 
jenigen waren, die diese summe mit den vorhandenen beamtenver- 
zeichnissen in einklang zu bringen suchten und daher, jeder nach 
seinem eigenen gutdtüiken, hier oder dort den einschub machten. 

Daraus ist denn auch die Verschiedenheit zu erklären, die wir 
oben in betreff der einteilung der jähre während des licinischen con- 
flicts bei den autoren beobachteten *i). 

Noch ein wort über Livius und Cassiodor. Wir sahen, das Li- 5 
vios auf das jähr 362-63 nur fünfzehn eponyme magistrat^ahre 
folgen lässt. Vor allem ist nun die frage zu beantworten, in welchem 
Jahr nach Livius die beiden volkstribunen Licinius und Sextius zum 
ersten mal gewählt werden 4»). 

Livius ist wie gesagt die einzige quelle für die bestimmung des 
datoms. Unter den eponymen des Jahres 377—78 werden Licinius und 
Sextius volkstribunen. Der antrittstermin der consular-tribunen in 



'*) Ghronol. 128 und 29. ^o) Mommsen a. a. o. p. 204if. 

«) Vergl IL 7. 

^3)Niebuhr r. g. 3. 26. lässt sie am 10. decembcr 378 antreten, was 
i^ach der jetzt ttblichen reclinuDg das jähr 377 ist Mit ihm stimmen Gött- 
^^Qg p. 350. und Ihne p. 262. überein, da ersterer die volkstribunen ihre 
Rogationen 378 promulgiren (was mit dem antritt am 10 dec. des vorher- 
gehenden Jahres tibereinstimmt) letzterer dieselben das amt im jähre 378 
hekleiden lässt. Kiehl: Mnemosyne 1852. 172: »in 377 was... Licinius 
^olkstribuunc. Eisendecher p. 179. lässt sie schon 377 promulgiren ; allein 
^8 bleibt dabei ungewiss, ob er damit den december 377 oder schon ein 
früheres datum meint, was den amtsantritt in's jähr 376 zurückschieben 
▼ftrde; doch scheint er das letztere zu meinen, da er p. 186. im jähre 387 
die ersten consuln wieder antreten lässt. Wachsmuth p. 430. und Peter 
P* 209. legen den antritt in das jähr 378. 



122 Der licinisch-sextisclie Terfilssongs-eoiiflict. (BttdiS 

jenen jähren war nicht mehr der 1. jnli wie im jähre 863—64^; die 
interregnen yon 363—64 xmd 366—66^) hatten ihn etwas weitet ge- 
rückt, 80 dass wir wol mit Niehnhr^) die kaienden des angnst da- 
far annehmen dürfen^*). Also etwa yom 1. angnst 3TT bis 1. angnst 
378 waren die erwähnten consnlar-tribnnen im amt Wflhrend dieses 
amtsjahres werden Licinins nnd Sextius yolkstribnnen; das kann also 
nnr am 10. december 377 gewesen sein. Lassen wir das voriftnfig 
gelten nnd sehen nnn die weitere livianische berechnnng an. Wäh- 
rend ihres ersten amtsjahres bringen die tribnnen ihre rogationen vor 
die comitien; allein die intercession der ooUegen verhindert eine be- 
schlnss&ssnng. Darauf erklärt, nach Livins, Sextins, er werde in 
gleicher weise gegen die wähl cnmlischer magistrate intercediren. li- 
yins^^) fthrt fort: »Die drohnngen waren nicht vergeblich; es wurden, 
mit ausnähme zur wähl von plebeischen aedilen und tribnnen, keine 
C(anitien abgehalten. Licinins und Sextius gaben, als sie von neuem 
SU yolkstribnnen ernannt waren, die wähl cnmlischer magistrate nicht 
zu; und dieser zustand einer magistratslosigkeit hielt in der Stadt 
während eines Zeitraumes von filnf jähren an, indem die plebs einer- 
seits die beiden tribnnen stets von neuem wählte, andrerseits diese 
die abhaltung von wahlcomitien für militär- tribnnen verhinderten.! 
Demnach dauert die ganze zeit von dem abgange der obenerwähnten 
consulartribunen des Jahres 377—78 bis zur endlichen Wiederwahl von 
solchen fllnf jähre; die neuen consulartribunen würden demgonäss 
im Sommer 383 ihr amt angetreten haben. Dann folgten nach Livius 
vier consular-tribunicische jähre, bis zum sommer 387 also, worauf 
das erste consuljahr eintrat. Dieses aber fällt nach Livius^ und 
allen andren autoren und den fasten ^^) in das jähr 388—89. Also 
fehlt bei Livius ein jähr in der berechnnng. Wir müssen daher an- 
nehmen, dass entweder bei ihm ein eponymes jähr ausgefallen ist, 
oder dass er die zeit der magistratslosigkeit, d. h. der eingeschobenen 
überschüssigen jähre, um ein jähr zu kurz angesetzt hat. Mommsen^ 
und Madvig^i) nehmen das erstere an und zwarMadvig so, dass er 



43) Mommsen chronol. 94. und Livius 5. 32. **) Liv. 6. 1, 5. 

^) Vorl. 1. 403. 4«) Vergl. unten § 40 note am ende. «7) 15. 35. la 

48) 7. 18. Mt das amtsjahr 399—400 elf jähre nach der Zulassung der 
plebeier zum consulat; letztere also muss 888 statt gehabt haben. 

49) Auch dem Chronographen von 354. 

M) Die Chronik des Gassiodor p. 557, chronol. p. 200. u. C. I. L« L p* 609* 
M) Ed. Livü 1861. zu 6. 34. 5. note. 



Gap. n.] GhTOnoIogie. 12S 

w dem amtsantritt der yolkstribunen Licinins und Sextius und nadi 
den eponymen des Jahres 377—78 den ansfall ergftnit wissen will, 
vftbrend Mommsen sich darüber nicht ausspricht, sondern das jähr 
378—79 als bei Liyius ausgelassen angiebt. Nach Madvig mOssten 
demgemäss Lidnius und Sextius erst am 10. december 378 ihr aint 
angetreten haben. Das aber widerspricht den yon ihm selbst zu lä- 
ms gemaditen dironologischen angaben; denn danach treten beide 
tribunen im jähre 386—87, also am 10. december 386 ihren zehnten 
tribonat an. Waren sie aber erst am 10. december 378 tribunen ge«- 
lorden, so war dies erst ihr neuntes amtsjahr, und da es nach Li- 
nas das letzte war, hätten sie gar nicht zehn jähre lang im amte ge- 
staoden, wie Livius doch versicherte^). Wenn also auch ein jähr bei 
UmB hinzugefügt werden muss, so kann doch der antritt der tribu- 
nen nicht vom 10. december 377 verschoben werden. Die annähme 
nun, dass Livius blos versäumt habe, die eponymen von 378—79 zu 
nennen, grtlndet sich wol darauf, dass beiDiodor*') zu diesem jähre 
consulartribunen genannt werden, und dann erst die anarchie berichtet 
ist^). Doch bin ich eher der ansieht, dass Livius oder vielmehr seine 
nrqaelle einen rechenfehler gemacht und die magistratslose zeit um 
ißin jähr verkürzt hat, ein jähr, das er freilich in der gesammt- 
computation der republicanischen und stadtjahre mitzählt ^'^). Dadurdi 
worden wir sechs mit eponymen nicht besetzte jähre gewinnen, xmd 
dieaddition von 363-388 würde nach Livius und seinem gewfthrs' 
mann lauten: 15 + 6 + 4 jähre. Denn dass Livius in Wahrheit die 
magistratslose zeit nach dem eponymen jähr 377—78, also etwa vom 
angust 378 an beginnen lässt, geht aus seinem Wortlaut hervor. Nach 
ö. 35. 10. verhindern die volkstribunen in ihrem ersten amtsjahr, 
vom 10. december 377 bis eben dahin 378, schon die consulartribu- 
nicischen wahlcomitien und zwar von da an dauernd für die nächsten 
jähre; demnach widerspricht er geradezu der annähme, dass das jähr 
378— 79 eponyme magistrate gehabt habe. Dass in Wahrheit freilich 



53) 6. 42. 2. M) lö. 71. 

M) Yergl unten IL 7. am ende; dass die' angaben Diodors bereditigt 
sind, wird unten § 42. dargetan werden; der unterschied zwischen Diodor 
und Livius beruht auf verschiedener anordnung der jähre. 

^) Monmisen Cassiodor 557. — Niebuhr röm. g. 2. 625. spridit sich 
auch für ein stillschweigendes einschalten des Jahres bei Livius aus. 



124 ^®f licinisch-sextifiche ▼er&ssuog^'Conflict [Buch 3. 

in diesem jähre eponyme nur mit verzögertem anüangstennin vor- 
handen waren, werden wir nnten sehen ^*). 

Da nun Livios^^) zu dem abschnitt Aber die licinische gesetz- 
gebung Licinius Macer als queUe gebraucht hat, dieser aber wie- 
derum Fabius Pictor und Valerius Antias zusammen gearbeitet hatte, 
auf welchen ersteren dann die kurzen annalistischen notizen wie die 
aus Livius citirten^) zurfickzuführen sind, so haben wir eben in der 
angäbe, dass die magistratslosigkeit schon im jähre 378 anfing, die 
alte fobische tradition und keinen irrtum des Livius^'). 

Wie aber ist dies mit dem sonst feststehenden quinqnennium zu 
reimen? Ich komme auf die ansieht Nitzschs^^^) zurück, dass in den 
ältesten quellen wol an dieser steUe in Wahrheit ein magistratsaus&U 
notirt worden sei, wie derselbe ja auch aus den Zeitverhältnissen erklärlicb 
ist, und dass die summe verschiedener auf einander folgender ausf&lle 
addirt und im ganzen etwa den räum eines Jahres *0 ausgemacht 
hätte; hieran sich lehnend, wurden dann die überschüssigen jähre, 
welche nicht in den fasten verzeichnet waren, mit dem •schon ma- 
gistratslosen Zeitraum zusammengestellt, wie das schon Niebuhr an- 
genommen hat. Nun wird, wie gesagt, immer von dem quinquenninm 
ohne magistrate gesprochen; ist es da nicht wahrscheinlich, dass sich 
dieser ausdruck nur auf die interpolirten jähre bezogen hat, während 
man das wirklich magistratslose jähr nicht mitrechnete, weil es histo- 
risch war? Danach würden wir bei Livius zu zählen haben: 15 epo- 
nyme + 1 magistratslosem + 5 füll- + 4 eponymen jähren > um die 
zeit von 363—88 auszufüllen.*^ 



M) Vergl. das unmittelbar folgende und II. 7, 9. 

87) Nach Nitzsch: röm. annalistik I. und IL abschnitt, dazu p. 191 £, 
336 ff., 349, 352; siehe oben buch 1. cap. I. 

M) 6. 35. 10: »comitia praeter aedilium tribunommque plebi nulla sunt 
habita. Licinius Sextiusqüe tribuni plebis refecti nullos curules magistratns 
creari passi sunt.« Die knappe asyndetische iassung fällt in die äugen. 

ß*-') Damit stimmt überein, was wir im buch 1. cap. 1. sagten. 

«0) Rom. annalistik 232 ff , siehe oben IL 2. «i) Vergl. § 40. notc. 

62) Freilich ist die berufung Niebuhrs auf Gellius 5. 4, wo der la- 
teinische annalist Fabius citirt wird, hier wol mit H. Peter: rell. 
bist. Rom. p. 110. zurückzuweisen, einmal weil dieser Fabius nicht, wie 
Niebuhr annimmt, mit dem ältesten annalisten nachweislich identificirt wer- 
den kann (H. Peter ibid. prol. p. LXXVI. 9. 3.), derselbe vielmehr einer 
späteren epoche zuzuweisen sein wird, zweitens weil jener bei Gellius e^ 
wähnte »granmiaticus quispiam de nobilioribusc in Wahrheit einen ortho- 



Gap. n.] Chronologie. 125 

Wir kommen zu Cassiodor. Derselbe lässt, wie wir sahen» auf 6 
das consa]jahr 362 — 63 erst siebenzehn consular-tribonicische, dann vier 
magistratslose, endlich drei letzte consular-tribunicische jähre folgen. 
Wir sagten, dass er in bezug auf die beiden letzten summen der tra- 
dition der fasten des Idatius, Eutrops und Sextus Rufus' folge; im 
ganzen aber giebt er seiner berechnung nach als summe der zwischen 
den consulaijahren 362-63 und 388—89 liegenden jähre vierund- 
zwanzig an, nämlich 17+4 + 3. Nun aber hat Mommsen^) unwider- 
leglich nachgewiesen, dass Cassiodor für die ganze zeit der republik 
Linas als grundquelle benutzt hat. Dennoch folgt er hier in berech- 
nirng der fülljahre und der letzten consular-tribunicischen der Livius 
entgegenstehenden tradition, mit dem einen unterschied, .dass er nicht 
wie Idatius achtzehn, sondern nur siebenzehn vorherlaufende jähre an- 
giebt Wie ist das zu erklären? Halten wir fest, dass er wirklich Li- 
via3 gebraucht hat £r lässt alle consular-tribunicischen jähre be- 
kanntlich aus. So kam er beim excerpiren des Livius an das jähr 
S62— 63 ; nach demselben aber fand er eine ungewöhnlich lange reihe 
von consular tribunen und nebenher das magistratslose quinquennium 



graphischen resp. grammatischen, nicht einen historischen fehler, wie Nie- 
bahr meint, in jenem »duo et uicesimo« zu sehen glaubte. Was nun 
in anknüpf ang hieran die Mommsen'sche berechnung der synchronistischen 
oit den eponymen jähren angeht (chronol. p. 198—201), so werden wir für 
^ seculum der nagelschlagung, 292—391, nicht 95, sondern nur 94 epo- 
nyme jähre zu setzen haben; von den sechs füi fahren aber passen dann vier 
in den griechischen Synchronismus (das jähr der eroberung Roms durch die 
Gallier 364 nach Varro = olymp 98 1 ; das jähr des anfangs des ersten punischen 
Krieges 490 nach Varro = olymp. 129. 1; dabei ist die zahl der olympiadon- 
jahre um zwei grösser als der römischen, weshalb zwei ausgcstossen werden 
müssen, um die gleichung herzustellen ; da aber wie wir sahen fünf fnlljahre 
neben dem magistratslosen römischerseits eingeschoben sind, so müssen zur 
Herstellung der einheitlichen berechnung mit den griechischen angaben vier 
davon stehen bleiben) ; bemerkenswerth ist dabei, dass die Zahlenangabe des 
lateinischen annalisten Fabius Pictor von zweiundzwanzig jähren für den Zeit- 
raum vom gallischen brande bis zum ersten plebeischen consulat, 364-88 
genau mit jenem Synchronismus stimmt und die überschüssigen zwei jahfe 
der gewöhnlichen römischen rechnung bei ihm in wegtall gekommen sind 
(siehe cap. II. 2); ob er die griechische Zeitrechnung sich zum muster ge- 
nommen hatte und demnach vielleicht in der art, wie M o m m s e n (chronol. 
^1>) es versucht, die zwei in den fasten überschüssigen jähre anderswo, bei 
Mommsen zwischen 350 und 351, unterbringt, um auch in diesem früheren 
Zeitraum den synchronistischen angaben rechnung zu tragen, ist nicht zu 
entscheiden. ^*) Die chronik des Cassiodor p. 551 ff. 



136 Der licinisch-seztlflche Ter&ssongs-conflict [Bock S. 

▼erzeichnet Er addirte also wo! einfach die summe des ganzen 15 + 
6-4-4 und erhielt folgerichtig vierundzwanzig jähre, dieselbe summe, 
die er audi verzeichnet hat Wie aber kam er zu der ganz verschie- 
denetf einteilung der summe? Wie gedankenlos und plump Cassiodor 
ezcerpirt hat, das hat schon Mommsen^) genugsam dargetan. Eine 
vergesslichkeit mehr oder weniger kann da keine rolle spielen. Er 
hatte also die summe vierundzwanzig, vergass aber völlig die livia- 
nische einteilung; es war ihm auch wohl zu langweilig das alles wieder 
nachzuschlagen, und so nahm er eine bequemere quelle zur band, in 
der die summen kurz zusammen standen. Der einzige autor mit dem 
Cassiodor in betreff der beiden letzten summen, vier und drei» völlig 
tibereinstimmt, und der sie dicht nebeneinander verzeichnet hat, ist 
Eutrop« Sein abbr^g^ der römischen geschichte war bekanntlich sehr 
viel gelesen; da es alle hauptsachen mehr oder weniger genau in einen 
engen rahmen zusammengefügt hatte. Was liegt näher, als dass Cas- 
siodor aus diesem bequemen und übersichtlichen büchlem sich rafcs 
erholt hat und aus demselben die einteiluQg der jähre schöpfte. Nim 
giebt Eutrop nur die beiden letzten sununen an; allein das genügte 
auch vollkommen für Cassiodor, da er ja wusste, dass vor der ma- 
gistratslosigkeit auch nur consular-tribunen gewesen waren. So zählte 
er also drei und vier zusammen, zog die summe sieben von der 
gesammtsumme vierundzwanzig ab und erhielt demgemäss siebenzeha 
als summe der consular-tribunicischen jähre zwischen 263 und dem 
anüemg der magistratslosen zeit Damit hatte er sein rechenexempel 
gelöst und verfiel natürlich in denselben fehler wie Livius, ein jähr zu 
wenig zu zählen.®*) 

Stand nun aber die summe der jähre nach den fasten fest, so 
sehen wir aus der verschiedenen angäbe über die Verteilung der jähre, 
dass diese erst später überhaupt vorgenommen wurde. Es ist das wol 
hauptsächlich die tätigkeit der annalisten gewesen, und indem ver- 
schiedene verschieden die jähre interpolirten, bildete sich die doppelte 
tradition. Ein zuweisen der einzelnen an bestimmte autoren ist na- 
tllrlidi nicht tunlich; doch wird jedenfalls Fabius Pictor eine der bei- 



M) Cassiodor ö55. 

M) Dass Eutrop freilich erst von 365 an consular-tribunen zählt, also 
nach seiner berecbnung nur fänfzehn anfängliche tribunicische jähre gewe- 
sen sein können, das focht Cassiodor wenig an, das stand ja auch im 1. cap. 
des 2. buches, während er es allein mit dem 3. cap. zu tun hatte und sich 
auch nach keiner zeile weiter umsah. 



Cap. ü] Chronologie. 127 



Varianten in*8 leben gerafen haben. Das aber ist wol die ein* 
hehere und der Wahrheit näher stehende angäbe, die wir bei Liiitts 
ioden. Dort ist ja die zahl der magistratslosen jähre grösser, sechs 
an der zahl, die der naive antor ohne sie zn yerkleiden einfach zwi- 
schen das erste und zweite tribonatsjahr von Lidnias und Sextios*') 
eioschob, nachdem er in Wahrheit achtzehn eponyme jähre zwischen 
dem brande Borns 364, und dem ersten plebeischen consulat vorge- 
fimden hatte^). Diese waren dadurch an flElnf tribunat^ahren — da 
di8 wirklich magistratslose mitzählt — reicher geworden, und der ge- 
sunmte conflict dauerte statt etwa 5 Vs jähre ^) 10 V« jähre. — Die 
lodre tradition, 18 + 4 + 3, zeugt aber schon von einem versuch, das 
uMende jener sechs magistratslosen jähre zu bemänteln; zugleich 
scheüit sie unabhängig von der ersteren entstanden zu sein, letzteres 
ktaptsächlich deswegen, weil sie die flüljahre an einer andren stelle 
<^geschoben hat als jene, nämlich nicht vor das viertletzte tribuni- 
cische jähr, sondern vor das drittletzte. Eine besondere absieht darf 
Ottn darin wol kaum suchen, es sei denn, dass man den einschub 
stehr in die mitte der conflictszeit bringen wollte. Und so, wie er 
bei den betreffenden autoren vorliegt, bildet er freilich einen mittleren 
Zeitraum; er flUlt in die jähre von 381—86, vorher gehen also 3 Vi 
Jahre, vom 10. december 377 bis zum 1. august etwa 381; nachher 
%en drei jähre, vom 1. august 385 bis ebendahin 388^). Allein 
am den sechs intervalljahreu sind auch nur vier geworden. Wir 
'Ösen nicht, ob die Urheber der berechnung die eponymen des viert- 
tetzten tribunicischen Jahres wirklich vor das intervaU rückten; aber 
selbst in diesem fall mussten sie noch zwei weitere jähre mit epony- 
men versehen; und dass man dazu wirklich namen erfunden hat geht 
^ besten daraus hervor, dass der Chronograph von 354 nicht allein 
"^ diese, sondern auch ftlr alle übrigen intervalljahre eponymen hat. 
Jedenfalls aber sehen wir, dass die zweite version über die Chronolo- 
gien Verhältnisse auf einen zwar verständigeren verfertiger schliessen 
'ftsst, indem ihm die lange ausdehnung des magistratslosen Zeitraums 
^bequem und verdächtig war, dass derselbe aber zugleich um so viel 

**) 10. dec. 377 --78 desgleichen von 378—79 ohne die fiklQahre zu 
'eeben. st) Siehe oben die note 62, cap. 11. 5. am ende. 

^) Vom 10. dec. 377 bis zum 10. dec. 379, dann vom 10. dec. 384 bis 
^ Wahl nnd bestatigung der consuln im frül^iahr 388 ; vergl. III. 31. 

^) Nach der später (§ 41. grosse note am ende) zu erweisenden an- 
'**^) die aber fOr die ^ten autoren bei der berechnung nicht galtig ist. 



128 ^6f licinisch-aextisclie verfassongs-eonflict. [Bach 3. 

.ge?rissenloser wax, da er statt den fehler zu verbessern, densellnen 
durch willkürlich erdachte eponymen-coüegien etwas zu verdecken be- 
müht war. Auffallend nun ist es aber, dass Diodor sowol als Plinias^^) 
nicht das erste intervalljahr 378 — 79 nach Livius, sondern das zweite 
379 — 80 als ihr einziges bezeichnen. Wol verstanden dürfen wir 
eigentlich nicht von einem intervalljahre sprechen, sondern von fünf 
eponymen-coUegien, die so auf sechs jähre zu verteilen sind, dass 
zwischen je zweien ein kleines Intervall statt findet. Es kommt also 
schliesslich nicht so genau darauf an, wo die summe der Intervalle 
in gestalt eines Jahres ihren platz findet. Entweder aber liegt uns 
auch in bezug auf die Verlegung des intervalljahres bei obengenannten 
autoren oder ihrer quelle eine besondere von Fabius abweidiende tra- 
dition^i) vor, oder, was auch nicht unmöglich ist der: Irrtum, den Li- 
vius begeht, indem er die fülljahre für die intervalljahre erklärt und 
daher das wirkliche intervalljahr zu zählen vergisst, war ein so allge- 
meiner geworden, dass man nun officiell die magistratslose zeit von 
379 an datirte; so mochte sich denn die quelle Diudors auch bewo- 
gen fahlen, dass in ihrer quelle an den anfang des confiicts 378-79 
gesetzte magistratslose jähr auf die folgende stelle zu schieben und 
dann für 378—79 die eponymen des folgenden Jahres anzusetzen ^0- 
Da nun aber die ansetzung und Verlegung der magistratslosen zeit^') 
willkürlich und demgemäss gleichgültig ist, so stimmen im übrigen 
Diodor und Livius tiberein, indem sie auf die jalire von 377-388 
fünf eponymen-coUegien verteilen ; nur sind diese coUegien selbst ver- 
schieden, da das zweite diodorische bei Livius, das fünfte livianische 
bei Diodor fehlt, und dann eine derartige Verschiebung statt findet, 
dass das zweite des Livius mit dem dritten Diodors, das dritte livia- 
nische mit dem vierten Diodors, das vierte livianische mit dem fünften 
diodorischen stimmt, worauf dann für daß fünfte livianische bei Diodor 
kein platz mehr ist und dasselbe daher fehlt. 7^). 
8 Zugleich aber lässt dieser ganze umstand deutlich erkennen, wie 
wenig genau und kritisch die römer überhaupt arbeiteten, wie sie 
willkürlich angesetzten daten aus griechischer feder mehr trauten, als 



70) Nach Calpumius Piso? 

71) Dass Piso von Fabius unabhängig war, darüber vergl. meinen auf- 
satz: die römische quelle Diodors in den heidelb. Jahrbüchern 
1872. p. 835 ff. 

72) Woraus dann die diodorischen eponymen von 378—79 zu erklären 
wären ; vergl. III. 42. zu diesem jähre. 7S) Ein oder sechs jähre. 

^*) Vergl. m. 42. 



Cap. II.] Chronologie. 129 

ihren eigenen monumentalen Urkunden^ die nach dem gallischen brande 
jedeo&lls nnonterhrochen geführt waren und die wahrheitsgemässesten 
angaben über beamte geben mussten. Ja es scheint; dass ausser den 
ältesten annalisten und Cato kaum einer noch auf die alten echten 
beamtenverzeichnisse zurückgegangen sei, um chronologische Irrtümer 
zu corrigiren. Ob die redaction der pontificaltafeln in achtzig bflchem 
von dem pontifex maximus Q. Mucius Scaevola auch auf die durch 
die fasten festgesetzte Jahresordnung und die Yon den annalisten aus- 
geübte zustutzung der historischen berichte rücksicht nahm, lässt sich 
nicht sagen; jedenfalls haben sie nicht dazu gedient, dass spätere kri- 
tischere historiker mittelst ihrer die vielen chronologischen falsa 
rectificirten. 

Das resultat dieser Untersuchung ist demnach, dass die magistrats- 9 
lose zeit während des licinischen conflicts sich auf eine reihe yon 
wablverzögerungen beschränkt, deren gesammtheit etwa ein jähr be- 
trägt, da fünf eponymen-coUegien sich auf die zeit vom 1. august 377 
bis zum 1. august des Jahres 388 weniger fünf jähren verteilen; die 
rechnung würde also folgende sein: vom 1. august 377 bis zum 1. august 
378 erstes collegium, dann etwa dreimonatliche Verzögerung und In- 
terregnum; vom 1. november 378 bis zum 1. november 379 zweites 
collegium; darauf tiberspringung der fünf ftüljahre, womit wir am 
!• november 384 angekommen sind ; es folgt die Wahlverzögerung von 
drei monaten; demgemäss vom 1. februar 386 bis zum 1. februar 386 das 
dritte collegium; dann drei monate Interregnum; vom 1. mai 386 bis 
znm 1. mai 387 viertes collegium, dann drei monate ausfall; vom 
1* august 3S7 bis zum 1. august 388 fünftes collegium. ^^) 

Von dieser steten Verzögerung der wähl scheint mir in den livia- 
nischen Worten auch noch eine verborgene, von ihm selbst nicht ver- 
tedene spur zu liegen, die vielleicht auf den allerältesten bericht 
zurückzuführen ist. Livius^*) sagt, dass die volkstribunen jedes jähr 
die consulartribunen-wahl verhindert hätten. Wie, wenn hiermit ur- 
sprünglich nur der jedesmalige zeitweilige aufschub gemeint wäre, 
dessen Verständnis freilich nach einschiebung jener fünf jähre verloren 
gegangen war? 



7^) Vergl. unten § 40. grosse note am ende. 76) 6. 35. 10^ 



CtoMB Tom. gtteb. I. 9 



130 Der liciniscli-sextische Terf&ssangs-conflict. [Buefa %. 

CAP. m. 

Einzelne umstände. 

10 Der bericht über den Ursprung und beweggrund zu der licinisdi* 
sextischen gesetzgebung, die sage nämlich von- der eifersucht der einen 
Fabia, der gattin des Licinius, gegen ihre Schwester, die gattin 
des patricischen Sulpicius, ist schon von Beaufort^^ als un- 
bistorisch verworfen und widerlegt worden. Und Niebuhr ^S) schiiesst 
Sich Beaufort durchaus an. Beide sehen die erzählung als eine er- 
findung späterer patricischer annalisten an, entstanden aus dem ärger 
über ihre politische niederlage und der absieht, ihren gegnem dafOff 
niedrige und völlig egoistische beweggründe unterzuschieben. Der be- 
richt wäre demnach eine auf dem wege der reflexion producirte ge- 
hässige täuschung und Umgebung der Wahrheit. — Die unwahrscheis- 
lichkeit des berichtes deducirt Beaufort hauptsächlich daher, dass d& 
ganze grund zur eifersucht und zum unbefriedigten ehrgeiz der gattin 
des Licinins ein unwahrer sei. Bekanntlich 7') giebt Livius als solchen 
an, Fabia habe sich gekränkt gefühlt, dass ihr gatte nicht die ehren 
bekleiden und erlangen könne, mittelst welcher der patricische gatte 
ihter Schwester mit dem geschilderten pomp einhergehe. Dieser war 
consular-tribun ; und mit recht macht darauf hin Beaufort die bemer- 
kung, dass Licinius als prlebeier gerade so gut zum consular-tribunat 
zutritt hatte, als der patricische Sulpicius. Freilich behauptet Beau- 
fort mit unrecht, Licinius Stolo der volkstribun sei sogar schon militär- 
tribun gewesen, indem er diesen mit dem C. Licinius, magister eqoi- 
tum und gewesenen consular-tribun^^) identüicirt, was nicht tunlich 
ist^O* Allein aus dem geschlechte der Licinier waren ja schon mit- 
glieder consular-tribunen gewesen, so 354 und 358. Die klage der 
Fabia also, ihr gatte könne nicht wie Sulpicius das höchste amt be- 
kleiden, ist nichtig. Fast alle neueren historiker haben sich denn auch 
unbedingt der anschauung Beauforts angeschlossen und die sage als 
unhistorisch verworfen ^2). Ausserdem hat Beaufort noch darauf auf- 



77) Sur Pincertitude des 6 premiers siöcles de l'histoire romaine buch IL 
cap. 10. 78) R. g. 3. 2; Vorlesungen 1. 399. 79) Vergl. § 1. 

80) Nach Livius 6 39. 3. 

si) Siehe unten den abschnitt über den magister equitum C. Licinius § 15. 

82) Vergl. besonders Lewis: Untersuchungen über die glaub Würdigkeit 
der altröm. geschichte 2. p. 3C0ff. Auszunehmen davon sind Wachsmuth: 
die ältere gesch. des röm. stats 1819. p. 429, welcher zwar einzelne züge 



Cap, III. J Einzelne umstände. 131 

merksam gemacht, dass die tochter eines patriciers und gewesenen 
coQsalar-tribonen unmöglich mit den ehrenbezeugungen eines solchen 
beamten unbekannt sein konnte. 

Kehren wir zur frage nach dem entstehungsgrunde dieser erzäh- H 
iuog zurück. Wir sahen, dass Beaufort und nach ihm Niebuhr sie 
ftr eine politische parteifiction erklärten. Doch lässt sich dagegen 
erwidern, dass ein von patriciem ausgehendes, die gegner herab- 
setzendes gerttcht sich begnügt haben würde, in Wahrheit die gegner 
allein zu schmähen. Statt dessen ist in gleicher weise wie ein ple- 
beier auch ein patricier compromittirt, und zwar einer aus der sonst 
stag aristokratischen familie der Fabier, der traditionelle schwieger- 
Tat» des Licinius, Fabius Ambustus; denn dieser vereint sich ja in 
%e des grams seiner tochter mit deren gatten zur erlangung des 
coQsulats für die plebeier. Eine rein patricische erfindung würde wol 
lüöger zu werke gegangen sein und patricisches blut bei dem com- 
plot aus dem spiel gelassen haben. Ausserdem würde wol der vater 
der römischen historiographie, selbst ein Fabier, wenn jene erzählung 
ia Wahrheit als ein reines parteimanöver angesehen worden wäre, sich 
gehütet haben, sein eigenes geschlecht demselben zu opfern. Man 
^ wol annehmen, dass weder die fabischen noch die licinischen £a- 
Bülienchroniken sich eine besondere ehre daraus gemacht haben, diese 
erzählung aufzunehmen ^3). Es müssten also andre Chroniken sein, und 
zwar patricische, welche die erzählung colportirt hätten, denn öffent- 



ander erzählung streichen will, das ganze aber doch für historisch häU, 
ttndEisendecher: über die entstehung etc. des bürgerrechts im alten Rom 
1^29. p. 177, der die ganze erzählung als historisch festhält, und nur in- 
sofern der beaufortschen ansieht nachgiebt, dass er sie nicht als alieinige 
Ursache für die darauf folgenden conflicte ansieht. Daneben sucht er als 
(Erklärung für die eifersucht der gattin des Licinius noch das moment her- 
vor, dass wenn Licinius auch consular-tribun hätte werden können, er doch 
^ol kaum sich mit dem prunk würde umgeben können, wiceinpatricischer; 
daher habe sie grössere ehre für ihr haus erstrebt. Allein wo ist denn der 
^terschied? Nach Eisendechers Voraussetzung würde ja auch der plebeische 
consul des patricischen prunks entbehren, und ein fortschritt wäre damit 
nicht gemacht; das einzige was die gattin des Licinius nach Eisendecher 
hätte erstreben können, wäre demgemäss den patriciat für ihren gatten. 

^) Ich kann mich daher auch nicht mit Nitzsch röm. annal. p 336 ff. 
emyerstanden erklären, welcher diese ganze sage auf licinische erfindung 
speciell Licinius Macers zurückltihren will; sie kann ebenso bei Valerius 
Antias gestanden haben und von diesem in Licinius' werk übergegangen 
sein; vergl. IL 6. 

9* 



132 I^er licinisch-sextische Teriassungs-coiiflict. (Buch 3. 

liehe und private Chroniken der Stadtgeschichte werden sich kaum auf 
solche details eingelassen haben; oder der bericht ist nicht sofort, 
auch nicht von den ältesten annalisten aufgezeichnet worden, sondern 
hat anekdotenartig sich im volksnrand fortgebildet, um von den späte- 
ren romanhafteren annalisten aufgenommen zu werden, welches letztere 
mir am wahrscheinlichsten deucht Ist er aber mündlich im volks- 
mund fortgepflanzt worden, so hat er auch anekdotenartige aos- 
schmückungen erfahren und ist wol überhaupt anekdotenartig ent- 
standen. Beaufort^) macht darauf au£tnerksam, dass bei epoche- 
machenden ereignissen der römischen geschichte die frauen in der tra- 
dition mehrfach eine grosse rolle spielen, so Lucretia bei Vertreibung 
der könige, Virginia bei aufhebung der decemviral-regierung, so Fabia 
in unserem falle; und dass das nicht blos in der römischen tradition 
statt findet, ist ja genugsam bekannt. Aber gerade die häufige Wie- 
derkehr desselben moments deutet darauf hin, dass man es mit sage zu 
tun hat, die sich um den festen kern bestimmter ereignisse herom- 
schlingt. Wenn eine deutung der erscheinung möglich ist, so möchte 
man sie darauf zurückführen, dass das weib als der gebärende teil 
der menschheit hier sinnbildlich für die zeit gesetzt wird, in welcher 
grosse ereignisse auftreten und ein neues vorbereiten und schaffen; 
daher denn den frauen jedesmal die rolle des anstosses zu den be- 
gebenheiten von der tradition zugeteilt wird. Freilich erscheint die 
sage der Fabia nicht ganz in demselben lichte als die der Lucretia 
und Virginia; diese sind rein tragischer natur, während jene ohne das 
tragische ende verläuft. Sonst aber sind sie sich völlig gleich: die 
kränkung der frau giebt den anstoss; daran schliesst sich ein com- 
plot oder eine Verabredung der männer, die das grosse in's werk 
setzen, um das kleine unrecht gut zu machen, respective zu rächen; 
damit tritt das weibliche motiv in den hintergrund — 'sei es durch 
tod oder durch das aufhören von Wichtigkeit zu sein — und die stats- 
action läuft vom Stapel. 
12 Fassen wir aber die erzählung der Fabia von diesem Standpunkt 
aus auf, SO kann von einer absichtlichen gehässigen erfindung von Sei- 
ten der patricier nicht die rede sein, denn die sage schafft nicht re* 
flectirend, sondern unbewusst. Dann stellt Fabia und ihre sage die 
zeit dar, aus welcher das neue völliger plebeischer gleichberechtigung 
mit den patriciem» das aufhören des alten ersten und zweiten stan- 

w) a. a. 0. 



Gap. m.] Emzelne umstände. 133 



in Korn hervorwuchs. Der mythos verband daher Fabia, gleich- 
sam die mntter der neuzeit, mit dem plebeier Licinins, dem histori- 
sclien hanpt-agitator fClr die neozeit; dadurch wurde die künftige ein- 
heit versinnbildlicht; während andrerseits der gegenfiatz der parteien, 
das schroffe gegenttberstehen und bekämpfen derselben durch die 
scheinbare kränkung derFabiavon seiten ihrer bevorrechtigten Schwester 
and durch den vorzug, den deren patricischer gatte genoss, dargestellt 
wird. So findet denn in diesem mythos die zeit vor den licinischen 
Idmpfen und die daraus erwachsende zukunft ihr abbild. Es ist nicht 
eigentlich ein ätiologischer mythos, vielmehr eine Verbindung von my- 
thos and sage, indem letztere sich an den historischen kern der tat- 
sacfae anlehnt, ersterer aber diese sage zu dem ausdruck eines geisti- 
gen gedankens und processes fortbildete^). 

Damit freilich verliert auch der ganze bericht der Verwandtschaft 
zwischen den Fabiem und Liciniem an wert. Diesen zug aus der 
sagenhaften erzählung haben die neueren historiker einfach übemom- 
nien, ohne sich daran zu stossen. Ob mit recht, ist jedoch sehr frag- 
lich. Werfen wir die ganze geschichte von Fabia und ihren ver- 
wandten als nnhistorisch über den häufen, so dürfen wir keine frag- 
mente davon retten wollen, so hört auch die Verwandtschaft selbst 
auf historisch erwiesen zu sein. Die Licinier zwar werden sich gegen 
^e tradition so altvömehmer Verwandtschaft nicht gesträubt haben, 
^e wahrscheinlich auf ihre familienchroniken auch der bericht über 
die Verwandtschaft des magister equitum C. Licinius mit seinem 
dictator P. Manlius zurückzuführen ist^^). Aber damit ist noch nicht 
die Wahrheit des umstandes festgestellt; die familieneitelkeit nahm es 
^cht so genau mit der Wahrheit Wfr müssen es also völlig dahin- 
Eestellt sein lassen, ob Licinius mit den Fabiem verschwägert war, 
^d glauben uns zum beweise durchaus nicht auf die sage von der 
^abia berufen zu dürfen. 

Das geschlecht der Licinier «7) gehört offenbar zu den ältesten 13 
^d vornehmsten der plebs; Livius weiss allein von sechsundzwanzig 
Liciniem, welche in der geschichte eine rolle gespielt haben. Schon 
^ter den beiden allerersten volkstribunen, die in folge der ersten 



^) Ueber sage und mythos vergl. Schwegler 1. 68 ff. 
W) Dass Licinius Macer hier die .quelle des Livius war, hat Nitzsch 
die röm. annaüstik p. 166 ff., 361 ff. erwiesen; vergl. oben buch 1. cap. I. 
^ Vergl. darüber auch Drumann: röm. gesch. 4. p. ö4ff. 



134 I^er licinisch-sextische yerflGissnogs-coiiflict. [Buch 3. 

seeessio gewählt wurden, nennt die tradition einen G. Licinios^. 
Dann ist 272 ein Spnrius Licinins volkstribun'^'). Der nächste der 
nns begegnet ist P. Licinins Calvus, Senator nnd nach Livius^) der 
erste plebeische consular-tribon im jähre 354^'). Im jähre 358 be- 
gegnet er uns wieder als consular-tribon^^). Dann ist es wiederom 
ein C. Licinins, der 386 als erster plebeischer magister equitnm fim- 
girt^^). Und unmittelbar nach beendigung des lidnisch-sextischen yer- 



88) Liy. 2. 83; nach Dionys 6. 89. waren sogar zwei Licinier, Gains 
nnd Publius, im ersten collegium der Tolkstribunen. 

89) Liv. 2. 43. 90) 5. 12. 

91) £s ist dies aber wol ein irrtnm; schon Beaufort la r^publiqae 
romaine 2. p. 412. macht auf den namen des L. Atilius im aUerersteo 
collegimn der consular-tribunen 310 aufmerksam und erklärt ihn für ple- 
heisch; und ihm stimmt Mommsen: röm. forschungcn 1. 95, bei, indem 
er ausser Atilius auch noch in gleicher eigenschaft den consular-tribun von 
332 Q- Antonius nennt und im collegium von 354 selbst vier mitglieder 
als plebeier bezeichnet. Das renomme, allererster plebeischer consular- 
tribun gewesen zu sein, verdankt P. Licinins Galvus wol seinem späteren 
ehrgeizigen geschlechtsgenossen dem historiker, vielleicht auch veranlasst 
dadurch, dass ein Licinins als erster volkstribun galt; aus dem einfaches 
»tribunus« wurde dann auf Licinins Calvus die erstlingschaft unter den con- 
cular-tribunen übertragen. 

92) So nach den capitolinischen fasten. Doch hat Licinins zum jähre 
354 die 7unamen »Caluus Esquilinns«. Zum jähre 358 nun lesen wir: 
:»(E)squilinus II<k , womit jedenfalls der Calvus von 354 gemeint ist Dem 
aber widerspricht Livius 5. 18, welcher den consular-tribunen von 358 den 
söhn des früheren von 354 nennt und dazu eine erbauliche geschichte er- 
zählt, wie der vater das volk ersucht habe, die auf ihn gefallene wähl sei- 
nem gleichnamigen söhn zu i'i bertragen, was denn auch geschehen sei. Wir 
dürfen wol hier den capitolin. fasten mehr glauben schenken als Livius 
(Diodor hat in dem collegium von 354 mehrere Ificken, unter den genannteD 
keinen Licinins; zu 358 hat er einen P. Licinins; das fehlen der iteration 
bei ihm ist bekanntlich kein beweismittel , da sie immer feht), da der ii- 
viunische bericht wiederum den eindruck einer * licinianischen — Licinius 
war ja Livius' quelle — Selbstverherrlichung macht, indem dies geschlecht 
statt eines zwei ihrer ältesten ahnen im höchsten statsamt sich folgen lässt; 
vergl auch Nitzsch röm. annalistik 336 note 1; da ich Diodors fasten 
nicht auf so alte quellen zurückführen kann als Nitzsch (vergl. meinen auf- 
satz: die römische quelle Diodors in den Heidelberger jahrb. 1872. 
p. 835 ff.), so kann ich auch den consular-tribun Licinius von 354 nicht gegen 
Livius streichen, dazu kommt, dass Diodor zu 354 mehrere Kicken hat, in 
denen ein Licinius ausgefallen sein kann; vergl. buch 1. cap. I. 

98) Liv. 6. 39. und fasti capitol zu 386 vergl. C. I. L, I. p.430; über 
ihn noch ein weiteres unten § 16. 



C«p. lOJ Einzelne nrastftnde. 13*} 

fitssnzigs-coiiflicts sind wieder zwei Licinii consnin, 390 und 393^)« 
S&düch ist aber C. Licinius Stolo der volkstribun als der berühm- 
teste der älteren zeit zu nennen. 

Wir begegnen also in dem Zeitraum von 386—93 vier mal dqm 14 
namen Licinius in einflussreicher und höchster amtsstellung. Es ist 
die frage, wie sich die träger dieser vier namen Licinii zu einander 
verhalten. Sehen wir uns zuerst die persönlichkeit des C. Licinius, 
magister equitum im jähre 386, an. Plutarch^^), Cassius Dio^) 
und Livius^^) erklären ihn fttr identischmit dem volkstribunen C. Lici- 
mos Stolo, was durchaus untunlich ist; der gleiche vor- und geschlechts- 
name scheint sie getäuscht zu haben. ^^) 

Nun sagt Livius, wo er der emennung des magister equitum ge- 15 
denkt ^^), von diesem; »qui tribunus militum ineraU^^). Niebuh r'^0 
^ demgemäss unter ihm einen ccinsular-tribun 0. Licinius Calvus 
verstehen, den er dem jähre 377 '®^) zuweist. Und dies findet seine 
bestÄtigung bei Diodor^^^), der zum jähre 376 einen consular-tribun 
Gaius Licinius angiebt^*^). Während nun Livius 1®*) jenen magister 

»*) Livius 7. 2, 9. 

^) CamiU 39. ö. 9«) Fragra. 29. 6. ed. Dindorf. 

^) 10. 8, jedoch offenbar fehlerhaft, denn 6. 39. während des volks- 
tribnnats von C. Licinius Stolo erwähnt er den magister equitum G. Lici- 
üus; dabei wusste er genau, dass ein und dieselbe person diese beiden 
ämter nicht zugleich führen konnte, und ausserdem setzt er an zweiter 
stelle hinzu: qui tribunus militum fuerat; vergl. buch 1. § 9. 

98) Beaufort sur Pincertitude cett. buch 11 cap. 10. identificfrt gleich- 
falls magister equitum und volkstribun; Kiehl: Mnemosyne 1. 1852. p. J70 
ai^d 182. lässt es ungewiss, ob sie identisch seien (und das noch im jähre 
1852!) dazu nennt er beide mit den zunamen Calvus und Stolo; ebenso 
nennt Ihne 1,268 den magister equitum ; Peter 1. 211, Lange 1. 681, 
^ommsen chronol 200. nennen ihn G Licinius Calvus ; wie aber Lange zum 
Weise sich gerade auf Livius 6. 39; 10 8; Cassius Die fragm. 29, 
(schreibt fälschlich 33) beruft, ist mir unbegreiflich, da derselbe dort Stolo, 
nicht Calvus, genannt wird. ^) 6. 39. 

^^) Der ausdruck ist wol nicht misszuverstehen und auf den consular- 
tribnnat zu bezieben, wenngleich der einfache militär-tribunat auch so be- 
zeichnet wird ; allein Livius bezeichnet den ersteren vielfach so, z. b. 6. 22- 
5; 32, 3; 36. 3 und 6; 38. 2; 42. 3. Vor 6. 22. werden sie im 6. buche immer 
nait vollständigem titel genannt: tribuni militum consulari potestate. 

101) Rom. gefech. 3. 3 und 32. 

^ Nach neuerer Zählung 376. lOS) 15. 57. 

iW) Das cognomen »Calvus« ist wol von Niebuhr mitbezug auf den 
späteren consnl gewählt; Livius 6. 31. freilich hat einen andren namen: 
l^iciniusMenenius(indemFlorentinussec. XL luc-Menenius, woraus 



136 ^^^ Kcmisch-sextische verfassangs-conflict. [Bach 3. 

eqnitnm Licinins einen gewesenen consnlar-tribnn nennt, einen solchen 
aber unter den früheren eponymen nicht anführt, so spricht dies 
einerseits für die richtigkeit der diodorischen angäbe, andrerseits fikr 
die grosse nachlässigkeit der livianischen quelle i^). 



Wdssenbom ond Madyig in den aasgaben L. Menenins gemacht haben), 
nnd derselbe kommt schon anter den eponymen Ton 367 and 374, Liy. 6. 
6. 27, vor Dass in einem namen wie Licinins Menenins ein fehler 
stecken mnss, ist klar, denn einmal ist Licinins kein vomame, zweitens 
Menenins kein cognomen, nnd drittens kommt das nebeneinanderstehen 
zweier gentil namen bei derselben person nicht vor der kaiserzeit Tor (vergl 
Mommsen röm. forsch. 45) Nun aber hat Diodor 15. 24. zu 367 gar 
keinen Menenins und ebenso wenig einen Licinins, während der zunädist 
anklingende name bei ihm Lucius Manlius (Asuxtoq MdkXtog) ist; da^ 
gegen 16- .50. zu 374 liest er Lucius Menenins und endüch zu unserer 
stelle Gains Licinins statt des livianischen Licinins Menenins. Da wir 
nun sehen, dass bei Livius jedenfalls ein irrtum stecken muss, während 
Diodor anerkanntermassen gute queUen benutzt, wenn wir dazu halten, dass 
die quelle des Livius Licinins Macer war (siehe oben die note zu § 3. und 
Kitz seh röm annalistik abschnitt L und II), der auf irgend eine weise 
seinen nam^n in der geschichte einzufälschen verstand, so spricht alles da* 
fOr, dass wir Diodor folgen, den Menenius von 367 und 376 streichen ond 
nur den von 374 als L. Menenius gelten lassen. Der livianische Licinins 
Menenius von 376 deutet übrigens auf eine doppelte tradition. Es ist nicht 
anzunehmen, dass, wenn Licinins Macer in seiner quelle jenen diodorischen 
Gains Licinins vorgefunden hatte, er diesen mit absieht in einen Licinins 
Menenius umwandeln sollte; vielmehr scheint es mir, dass die queUen* 
tradition des Macer (vielleicht nach Valerius Antias) einen Menenius hatte, 
aus dem dann Macer wie an den früheren stellen jenen Licinins Menenins 
machte, vielleicht auch weil er schon die angäbe vorfand, der magister 
equitum Licinins sei consular-tribun gewesen. Wir sehen also auch hier 
Diodor mit einer besonderen von den andren abweichenden und ohne zweifei 
besseren tradition versehen. i05) o. 99. 

i<x^) Und zwar scheint mir dieser fehler noch älterer art zu sein, als 
der in obiger note besprochene des Macer Dieser las offenbar' in seiner 
quelle schon die angäbe über den früheren consular-tribunat des magister 
equitum Licinius; allein diese seine quelle (Valerius Antias) hatte wah^ 
scheinlich, wie wir sahen, Menenius für das jähr 376 notirt; sie scheint also 
neben ihrem quellen-annalisten noch von diesem unabhängige fasten benutzt 
und beide in äusserster nachlässigkeit compilirt zu haben; der quellen- 
annalist hat demgemass Licinius richtig als consular-tribunen verzeichnet 
und sich darauf bei der emennung zum magister equitum zurückbezogen; 
während die fasten statt des Licinius dann einen Menenius zu 376 ange- 
geben hatten. Es scheint mir dies ein lehrreiches beispiel fdr die art und 
weise zu sein, wie sich die chronologischen fehler in unsere queUen einge- 
schlichen haben* 



•f-ii 



Gap.111] Einzelne, nmsttode. 137 

Wie aber ist nnn das Verhältnis des magister eqnitam zu den 
beiden consnln von 390 und 893 ? Die fasti Capitolini , der Chrono- 
graph Ton 354, Idatiusi<"^) und das bhronicon paschale nennen als con- 
siil des Jahres 390: C. Licinins Calvus; des Jahres 393: C. Licinins 
Stolo. Dagegen Liyins^^^) umgekehrt Stolo dem jähre 390 unä Cal- 
^UB^^ dem jähre 393 zuschreibt. Diodor und Cassiodor haben beide 
nuüe"^) nur: G» Licinius ohne cognomen. Hiermit ist uns der beste 
beweis geliefert, dass die ältesten fasten überhaupt kein cognomen 
den consnln Licinius hinzugefügt hatten, dass diese vielmehr erst spä- 
ter willkürlich und von verschiedenen verschieden ergänzt wurden. 
Da Ulm bis dahin nur die zwei familien der Stolonesund CaJui bekannt 
waren, ausserdem sich bei dem consul von 393 kein iterationszeichen fand, 
die beiden consnln von 390 und 393 daher nicht identisch erschienen, 
80 nannte man den einen Stolo, den andren Calvus, aber in sich 
widersprechender weise. Höchst wahrscheinlich haben wir nun in 
beiden consuln den früheren volkstribun und den magister equitum 
ZQ erkennen, obgleich eine Sicherheit dafür nicht vorhanden ist; doch 
spricht die bedeutung beider männer für die einnähme solchen postens. 
Welcher der consuln aber der volkstribun, welcher der magister equi- 
tum gewesen sei, entzieht sich unserer beurteilung. Die möglichkeit, 
dasB beide consuln identisch sind, ist auch nicht ausgeschlossen, da 
^höchst wahrscheinlich ist, dass die ältesten fasten ^^0 S^ keine 
iterations-angaben enthielten "«), somit es spätere Willkür war, die con- 
sohi jener beiden jähre als getrennte personen hinzustellen. Man 
könnte für diesen umstand anführen, dass die Licinier genauere fa- 
oulienberichte über die persönlichkeit dieser consuln hatten; ebenso 
^t aber kann licinische eitelkeit aus einem Licinius , der zweimal 
consul war, zweie gemacht haben mit je einem consulat.ii«) 



'W) Chronograph: Calbo; Idat.: Galua; ehr/ pasch.; Fdkßa resp. 
^ilßnü\ Chron.: Stola; Idat : Stollone; Chr. p.: SröXatvog, 

^^) Yalerius Mazimus 2 2 4. hat wie Livius einen Stolo zum jähre 
390 notirt; aber wol, wie Kiehl Mnemosyne 1. 170 mit recht sagt, als 
reine copie von Livius, ebenso wie Julius Paris in der epitome des Va- 
lerins Maximus (vergl. Halm ed. Yaler. Max. mit dem darunter gedruckten 
Paris p. 70) diesen, ausschreibt. 

lö») Livius 7. 2, 9. "O) Diodor 15.95; 16.6. m) So auch die Diodors. 

^*2) Siehe den abschnitt über die eponymen von 377— 78 zu anfang, § 42. 

^^^) Dem hypothetischen Schematismus eines Eiehl kann ich mich nicht 
anschliessen. Dieser, Mnemosyne 1. p 170ff, entwirft ein in sich abge- 
s<3üos8ene8 verwandtschaftsbild aller hier vorkommenden Licinier. Dem- 



136 ^6r licinisch-sextisehe Terfassongs-conflict [Buch 3. 

16 Im Uebrigen gehört Calvns der gattung von znnaMen an, weldie 
nicht rein persönlich i sondern erblich znr bezeichnnng einer stirps 
innerhalb der gens dient. Und darin sehen wir schon, wie sich die 
Yornehmsten plebeier den patricischen Sprachgesetzen früh fftgten und 
ihren verwandtschaftsverband aus einer qnasi- gens in eine wirkliche 
gens nach pacricischem Vorbild za wandeln suchten, i^^) 

17 Wir kommen zum volkstribonen C. Licinius Stolo. Dass er 
nicht mit dem magister equitum von 386 identisch ist, haben wir ge- 
sehen, dagegen zugegeben, dass er und der consul von 393 dieselbe 
person sein könne. Den beinamen Stolo leiten Plinius^i^) und 
Varro^'*) von der austilgung der stolones, der wurzelschösslinge 
an bäumen und gesträuchen, ab. Niebuhr^^^) stimmt dieser erkiä- 
rung bei, und es liegt auch dem nichts im wege, dass das Substantiv 
»stolo« selbst als cognomen gebraucht sei; Mommsen^^^) führt eine 
reihe ähnlicher substantivischer cognomina an, wie :»MuSy As Ina, 
Bestia, Scipio« u. a. Dass aber der volkstribun nicht der einzige 
war, welcher dies cognomen flEÜirte, geht aus Plinius hervor ^i^); dass 
er der erste war, scheint Yarro^^) anzunehmen; ob mit recht, istwol 



nach müssen der volkstribun und der magister equitum vettern ersten gra- 
des sein (wenn sie nicht identisch sind! siehe § 15 note), beide mit den 
Zunamen Galvus Stolo versehen, letzterer ein sehn des P Licinius, den Li- 
vius als söhn des consular-tribunen von 354, P. Licinius Calvus, und selbst 
als solchen von 358 bezeichnet, während der volkstribun ein Sohn eines 
jüngeren bruders jenes jüngeren P Licinius (die geschichte weiss nichts 
von solchem) und also auch enkel des Publius von 354 gewesen sei. Die 
beiden consuln von 390 und 393 sind gleichfalls identisch und zwar zugleich 
auch mit dem magister equitum, und Licinius hat nur versäumt, beide 
cognomina jedesmal zu schreiben. Dabei beruft sich Eiehl auf Livius 10. 8, 
wo dieser in einer rede freilich den magister equitum C. Licinius Stolo 
nennen lässt, offenbar aber aus einem gedächtnisfehler, indem er ihn mit 
dem volkstribun verwechselte, es sei denn, dass der magister equitum wirk- 
lich ein Stolo gewesen sei, wodurch er aber freilich von den Ca lui durch- 
aus gesondert wird. Eiehl stellt die Licinier auf sehr wenige äugen, wenn 
er alle vorkommenden in eine so nahe agnation bringt; auf solche hypothe- 
sen aber kann der strenge kritiker sich nicht einlassen. 

114) Vergl. darüber Mommsen: röm. forsch, p. 42 ff. bes. 48ff. 

iiö) Nat. bist. 16. 1. "«) De re rustica 1. 2. 

117) R. g. 3. 4. 118) Röm. forsch. 45. 

119) a. a. 0.: «inde et pampinatio inuenta primo Stoloni dedit nomen« 
kurz vorher: »Stolonum (cognomen fuit) Liciniae genti«. 

130) a. a. 0. : tStolonis illa lex, quae uetat plus D iugera habere daeni 



Cap. nr] Einzelne nmst&nde. 139 

sehr zweife]liaft. Es scheint mir yielmebr, da Calvns und Stolo die 
beiden ältesten cognomina der Licinier sind, dass sich ans der gens 
ZQ dner gewissen zeit zwei besonders hervorragende stirpes ausgeson- 
dert haben, deren jede dann einen besonderen zunamen annahm; die 
beiden ältesten uns bekannten Licinier, die volkstribnne von 261 und 
272, haben kein cognomen. Die Grassi, Luculli, Neruae, Polliones, 
Yari, Murenae, Tegulae treten alle erst sehr viel später axjf, 

Ueber ysrwimdtschafts-Terhältnisse der Licinier zu andren ge- 16 
schlechtem finden wir bei Livius mehrere angaben. Es betrifft das 
gerade die alleryornehmsten patriciergeschlechter, die Fabier, Gor&e- 
h'ertmd Manlier. Die völlige Unsicherheit der verschwägemng mit 
den Fabiem durch die heirat des volkstribunen mit der jüngeren toch- 
ter des Fabius Ambustus, haben wir bei besprechnng der sage kennen 
gelernt und darin eine selbstverherrlichung der Licinier zu sehen ge- 
glaubt Mehr Sicherheit und eine andere quelle als die licinischen 
Chroniken für die beiden andren Verwandtschaften dürfen wir auch wol 
^om voraussetzen. Die Verwandtschaft mit den Comeliem findet bei 
Livius >2i) ihren ausdruck. Dieser berichtet bei der wähl des P. Li- 
cinins Caivus zum consular tribunen für 354: einzelne autoren sähen 
diese wähl als eine courtoisie gegen des Licinius bruder Cn. Corne- 
lius (Cossus), consular-tribun des vorigen Jahres, an. Ein solcher be- 
geht kann nur aus familien-chroniken entsprungen sein, und das un- 
sichere in der angäbe i^^) beschränkt ihn nur auf gewisse quellen- 
autoren. Da wir nun finden, dass Livius vorher und nachher den Li- 
cinins Macer gebrauchtest), so ist es vielleicht nicht zu viel behauptet, 
diesen bericht eben auf Macer zurückzuführen, welcher eine solche 
aufeeichnung in seiner familien-chronik vorfand. Dadurch verliert die- 
selbe aber sehr an historischer glaubwürdigkeit; denn den Liciniem 
H ja ohne zweifei daran, schon in der frühesten zeit mit den vor- 
nehmen patricier geschlechtem Verwandtschaft nachweisen zu können; 
sie hoben sich dadurch in der römischen gesellschaft. — Und ähnlich 
^d es sich mit dem bericht über die »nahe verwandtschaftc des 
toator P. Manlius von 386 mit seinem magister equitum C. Licinius 
verhalten* Livius i^*) braucht davon den ausdruck »accipio«, wonach 



^omannm, et qui propter diligentiam culturae stolonum confirmauit cogno- 
men q. s. 121) 5. 12. § 12. 132) alii - alii. 

128) Liv. 4. 7, 20, 23; 7. 9; 10. 9; vergl. oben buch 1. cap. I. 

^ 6. 39. 4. 



140 ^^^ licmisch-sextisehe TerfiMSongs-coiiflict. [Badi 3. 

Manlius selbst die yerwandtschaft als grond für die wähl des Liciiüiis 
angegeben habe. Sicherheit wird darüber nicht zu. erlangen sein, 
wenngleich tatsächlich einer solchen Verbindung patricischer und ple- 
beischer ÜEunilien nichts im wege stand. >^) 
19 Von den Sextiem wissen wir weit weniger als von den Liciniem. 
Dass dieselben wie die Licinier den vornehmsten plebeisohen ge- 
schlechtem^ angehörten, geht schon darans hervor, dass L. Sestias der 
Volkstribun als erster plebeischer consulats-candidat aufgestellt wurde 
und durchging. Dem entspricht auch der ausdruck des Livius^^*) ttber 
ihn: »ein tüchtiger junger mann, dem zur erreichung des höchsten 
Zieles nur die patricische abstammung fehlte, c — Im jähre 840 be* 
gegnet uns der erste Sextius als volkstribun^'^). Dann ist nach 
Diodori^) zu 359 der consular-tribun P. Sextius zu nennen'^«); fer- 
ner der consular-tribun von 375 C. Sextius i^). Endlich kommt der 
volkstribun von 377 ff. L. Sextius, nach den capitolinischen fasten: 
L. Sextius Sex. f. N. n. Sextinus Lateranus''^). Erstsehr viel 
später begegnen wir wieder einem Sextier, gleichfalls von plebeischem 
Stande, dem plebeischen aedil und späteren praetor M. Sextius Sa- 
binus aus dem jähre 551— 52 1^). 



125) Auch hier hat Kiehl Mnemosyne 1. 170. rat. Er erklärt, dass 
der vater des Licinius, consular-tribun von 354, die mutter des Cn Corne- 
lius Cossus, consular-tribun von 353, nach dem tode ihres ersten gemals ge- 
heiratet und mit derselben den P. Licinius Galvus erzeugt habe. Sehr sino- 
reich — aber der beweis? 12«) 6. 34. 11. 

137) Liv. 4. 49. 11; M advig ausg. d. Livius nennt ihn M. Sextius 
gegen die autorität des Medrceus und Harleianus; der bei Weissenbom 
(3. aufläge im Livius 4. 49 6.) zu 339 sich findende volkstribun L Sextius 
ist zweifelhaft; Madvig liest L Decius, nach der lesart einiger der besse- 
ren, jüngeren Ms., welche 1. dexio haben. 128) 14. 94. 

129) Diodor schreibt wol aus versehen SiStrrog; der IlauAog SeS^nos 
von 353 als consular-tribun an letzter stelle wird von Mommsen als inter- 
polirt gestrichen; vergl. C. I. L. I. p. 4S5 1 darüber; Livius hat zu 353 statt 
des Sextius bei Diodor L. Valerius Potitus IV, zu 359 P. Cornelius Scipio, 
welcher dem diodorischen Sextius gegenüber zu streichen ist. 

iw) Diodor 15. 51: 2iS<rcog, Livius 6. 30. nennt ihn C. Sextilius; 
ob diese form vor der diodorischen berechtigt ist, bleibt dahingestellt; es 
ist übrigens sonst kein Sextilius aus dieser zeit bekannt, was gegen Livins 
spricht. 

191) Inwiefern die cognomina echt sind oder auf späterer ergänzung 
aus familien-traditionen beruhen, lässt sich schwer sagen; vergl. Mommsen 
röm. forsch, p. 48. Diodor 15. 82. nennt ihn: Aeöxcog SsSrtog Aarsptag. 

.182) Livius 30. 26. 11, 27. 7. 



Gap. nij Einzelne umstände. 141 

Neben den plebeischen Sextiern nun geht gleichzeitig ein pa- 20 
tricisdies geschlecht, die Sestier, her; so ein consul von 302: 
P. Sestius [Q. f. Vibi n. Capito Vaticanus]»**), welcher im 
folgenden jähre decemvir wurde***). Dann tritt ein patricischer 
quaestor P. Sestius des Jahres 340 auf i>^). Erst in ciceronianischer 
zeit begegnen uns wieder Sestier, die aber grösstenteils nachweislich 
plebeier sind und neben denen auch plebeische Sextier existirten. Zu 
den ersteren gehört der volkstribun Sestius, vater des von Cicero 
verteidigten P. Sestius^**), und der söhn des letzteren Lucius, consul 
soffectos von 731^ mit ganzem namen L. Sestius P. f. Vibi n.^'^). 
Bann P. Sestius selbst, der von Cicero verteidigte volkstribun 697 >*®). 
Von anderen Sestiem jener zeit ist es nicht nachweislich, jedoch 
wahrscheinlich, dass sie plebeier waren. In diesen späteren Sestiem 
baben wir entweder ehemalige freigelalssene des altpatricischen ge- 
schleditSy oder nachkommen desselben, welche zur plebeiität über- 
getreten waren, zu erkennen ^'^). Nun aber ist die etymologische 
gleicbheit des namens Sestius und S ext ins unzweifelhaft i*^), so 
dass man geneigt ist, eine ursprtlngliche Zusammengehörigkeit auch 
der lütpatricischen Sestier und älteren Sextier anzunehmen, unjd zwar 
iQ der weise, dass die letzteren etwa aus der clientel der ersteren 
hervorgegangen eine kleine änderung mit dem gentilnamen der 
Sestier vornahmen und sich Sextii nannten. i*^) 

Nach Livius sollen bei der ersten Promulgation der licinisch- 21 
sextischen rogationen, also etwa zu anfang 378, acht tribunen, dann 
ia eponymei^ahre 385—86 noch fünf tribunen, endlich 386—87 gar 
keiner mehr intercedirt haben. Nach abzug der fünf füUjahre"^) trat 



ISS) Yergl Mommsen röm. forsch, p. 100; von Livius 3. 32 »Gapi- 
^olinusc zubenannt; dass die lesart Sestius, nicht Sextius, bfei Li- 
vius richtig ist, beweist sein epitomatar Gassiodor, welcher auch Sestius hat. 

13*) Liv. 3. 33; Dionys 12. 22, 23. wß) Liv. 4 50. 2. 

18«) Cic. pro Sest. 3. 7. i»7) Fasti Capitol. und C. I. L. I. p. 644. 

1»«) Cic pro Sest. 6. 14 ff. 

189) Das vorkommen solchen Übertritts ist z. b. nachweisbar bei den 
Servilii Gemini im 6. jahrh.; vergl. Mommsenröm. forsch, p. 118. note. 

i*e) Wie sextertius und sestertius. 

141) Ein ähnliches Verhältnis ist gewiss auch zwischen den altpatrici- 
schen Sergiern und den plebeischen Serviern anzunehmen, denn dass 
Sergins und Servius etymologisch gleich ist, steht fest; vergl. Gorssen aus- 
spräche und vocalismus der lat. spräche 1. 44. und Mommsen röm. 
forsch, p. 8. 1*2) VergL § 9. 



142 I)er licinisch-sextiache ▼erfftssongs-confiict. fBueh S. 

also die erste abnähme der intercedenten von acht auf flUif etwa zwei 
jähre nach der Promulgation ein, und im folgenden jähre war die i&- 
tereession ganz gehoben. Dass durch intercession die beschlussfitssong 
über die rogationen während dreier jähre verzögert worden ist, scheint 
durchaus glaublich i^<); der wert der übrigen von Livius vorgefiUurteii 
hinderungsgründe während dieser drei jähre ist nichtig wie wir sehen 
werden ^^). Ob aber der bericht über die zahl der jedesmal inter* 
cedirenden ebenso glaubwürdig ist, bleibt dahingestellt Mitteilung 
über eine durch intercession vereitelte beschlussfassung wird wol in 
die ältesten aufeeichnungen aufgenommen worden sein; doch wird man 
schwerlich die zahl der intercedirenden dazu notirt haben. Das all- 
mähliche abnehmen der zahl ist zwar durchaus naturgemäss, aber der 
bericht darüber und die zahlen-angaben scheinen eher einer ähnlichen 
reflezion wie der unsrigen, als einer alten au&eichnung entstammt zi 
sein, eine reflexion, die übrigens wol schon von den quellen des Li- 
vius angestellt worden ist. 



i4<) Mit recht macht Lewis: Untersuchungen Ober die glaubwürdigkeit 
der altrömischen gescbichte 2. 303, darauf aufmerksam, dass nach Livius 
6. 38. 5 ff. Sextius und Liciuius gegen die intercession des collegen den 
gesetzes*yorschlag zur abstimmuug bringen Die gesetzliche Unmöglichkeit 
solchen falles macht den bericht darnber durchaus unwahrscheinlich ; ist es 
doch bekannt, dass durch Tibetins Gracchus zum ersten mal die tribuni- 
cische intercession insofern misachtct wurde, als er durch volksbeschluss 
seinen intercedirenden collegen absetzen Hess, und über 200 Jahre früher 
sollte im streng gesetzlichen Born schon solcher rechtsbruch statt gefunden 
haben? unmöglich! Wir haben es hier entweder mit einer ausmalung durch 
Livius oder mit einer absichtlichen einschiebung dieses umstandes in den 
bericht zu tun, welches letztere mir wahrscheinlicher erscheint. Eben jener 
durch Tl. Gracchus begangene rechtsbruch veranlasste die spätere demo- 
kratische annalistik, zur beschönigung dieses umstandes dem allgemein als 
voibild und Vorgänger des Gracchus anerkannten Licinius Stolo einen ähn- 
lichen aber noch viel flagranteren rechtsbruch unterzuschieben, damit Grac- 
chus nicht vereinzelt da stehe. Da war solcher präcedenzfall den tribunen 
des 7. und 8. Jahrhunderts sehr willkommen, um, darauf gestützt, ihre 
unter dem titel der allgemeinen wolfahrt angepriesenen Umsturzpläne auch 
gegen und trotz der gesetzlichen Opposition durchzuführen. Wir erken- 
nen also in dieser darstellung durchaus Licinius Macer bei Livius wieder 
und werden auf ihn die falschung zurückzuführen haben. 

144) Dazu gehört vor allem der Veliternerkrieg und die damit zusam- 
mengebrachte abwesenheit der plebs im beer; vergl § 43 ff. 



Cap. m.] £iiuehie amitftiide. 143 

M. Furins Camillns war nach den quellenberichten vor 386 schon 22 
dreimal dictator gewesen. 1^^) 

Die vieirte traditionelle, in Wahrheit die dritte dictatnr, gehört in*6 
jähr 386. Hat Camillns der tradition nach in den froheren dictatnren die 
rolle eines holden nnd volksretters gespielt, so fällt diese um so Tiei 
kUglicher fiDr ihn aus und bietet dadurch wenigstens so viel gewflhr 
fifr ihre historische glaubwflrdigkeit, als sie nicht einer Ifigenhaften 
bbsehrift entlehnt sein kann; nicht einmal Plutarch^^) weiss ihm 
etwas rühmenswertes nachzusagen *^7). 

Wir haben gesehen, dass die intercession der collegen bei der 523 
ementen einbringung der rogationen durch Licinius und Sextius un- 
mittelbar nach dem amtsantritt der consular-tribune von 386—871^) 
Mfgehört hatte. Die patricier mussten also fürchten, dass die roga- 
tionen durchgehen und ein rechtskräftiges plebiscit darüber gefasst 
w^en würde. Sie ergreifen dahev das letzte mittel zur abwendung 
<ler ge£ahr und ernennen Camillus zum dictator. Der Zusammenhang 
ist klar und durchaus sachgemäss und historisch. Im verfolg weichen 
<iaiui Livius und Plutarch etwas von einander ab. 

Livius^^^) berichtet, dass nach der emennung des Camillus zum ^a 
dictatw — der L. Aemilius [L. f. Mam. n. Mamercinus, 377 
coDsular tribun, 388 consul, 39111.] zum magister equitum machte i*®) 
"^ die Yolkstribunen dennoch die tribut comitien beriefen, wozu der 
^iictator mit grossem patricischem anhang auch gekommen sei. Dar- 
auf habe sich unter den tribunen wieder ein streit erhoben und ein 
^il habe intercedirt. Dennoch aber seien die gesetze zum antrag ge- 
kommen, und schon habe die erste tribus ihre stimme abgegeben, als 
^ch Camillus erhoben, in heftigen Worten den tribunen ihr verfahren 
^ bezug auf nichtachtung oder Unterdrückung der intercession vor- 
geworfen und erklärt habe, er werde sich solcher Vergewaltigung wi- 
dersetzen. Die tribunen aber sollen mit gleichgültigkeit seine er- 
Üänmgen angehört und die abstimmung haben fortsetzen wollen. 
^& habe Camillus seine lictoren entsandt, welche die plebs ausein- 
^dertreiben sollten, und die drohung ausgesprochen, er werde sofort 
das heer zusammenrufen und aus der Stadt führen, wenn die volks- 



"«) Vergl. darüber buch 2. § 121, 128. "«) Camill, 39. 

"0 Liv. 6. 38 4; Diodor weiss auch hiervon nichts, wie er den ganzen 
^eimschen conflict übergeht. 

^) TergL unten § 40. i*») 6. 38, 1») Fasti Cap. 



144 Der lidnisch-sextische Terftssungs-conflict [Bach S. 

tribtmen in ihrem vorhaben fortüEÜiren. Als aber auch diese mass- 
regel ihre wiricung auf die txibunen verfehlte, habe Camillus abge- 
dankt, sei es weil er uitio ca^eatus sei, wie einige berichtet hätten, 
sei es weil die tribunen ein plebiscit durchsetzten, welches den dicta- 
tor bei ausfCLhrung seiner drohung mit einer mult von 500,000 ass 
belegte. So erzählt Livius. Dass alle jene details nicht historisch, 
sondern novellistische maierei seien, geht schon daraus hervor, dass 
strenge historische auüzeichnungen der art in jener zeit nicht statt 
fanden; die späteren annalisten haben die scenerie aus ihrer zeit ent- 
lehnt. Schon darin widerspricht Livius seinen früheren ausfQhrungen, 
dass er erst die intercession ganz aufhören lässt und dann sie plötz- 
'lich wieder hervorträgt, um daran anknüpfend einen grund für die 
entrüstung und Opposition des Camillus zu finden; sei es nun, dass 
Livius hier selbst erfindet, oder die ausschmückung schon vorfand 
Eine Ungesetzlichkeit wie die, der intercession eines collegen zu trotzen, 
gehört den spätesten zelten der republik an, und kommt zum ersten 
mal unter Ti. Gracchus vor, als dieser seinen collegen M. Octavius, 
welcher seiner rogation intercedirt hatte, durch plebiscit absetzen 
liess^^. In der alten noch sehr gesetzlichen periode des stände- 
kampfes sind solche excesse gar nicht denkbar, noch viel weniger 
aber, dass dem dictator in solchem falle die macht nicht zustehen 
sollte, diese Verletzung der leges sacratae zu verhindern, oder an den 
verletzenden zu ahnden. Wir werfen daher diesen livianischen bericht 
über den häufen, vorzüglich da er zugleich den Charakter einer recht- 
fertigung des Camillus trägt, freilich einer rechtfertigungi die dafür 
Camillus den grösseren fehler auflädt, dass er aus furcht für seine 
person ein nefas, die Verletzung der intercessioui weder verhindert 
noch gerächt habe. 
25 In bezug hierauf scheint Plutarch^*^') besser berichtet zu sein. 
Auch bei ihm findet die dictatorwahl als hülfsmittel gegen die tribu- 
nicischen rogationen statt, wie das ja auch durchaus glaublich ist; 
allein Camillus lässt es gar nicht erst bis zum zusammentreten der 
tribus kommen, sondern beruft sofort die bürgerschaft zu den militä- 
rischen centuriat-comitien auf das Marsfeld, indem er mit schweren 
strafen die ungehorsamen bedroht. Die volkstribunen aber wider- 
setzen sich den drohungen und schwören, dass sie ihm eine mult von 
50,000 Ass auferlegen würden, wenn er die plebs an der abstimmung 



iBi) Lange 2. 660; 8. 12; vergl. oben note 143. »») Oavill. 3^ 



-frfi 



Cap. ni.] Einzeloe umstände. 145 

iundem werde. Camillus sei hierauf eingeschüchtert nach hause ge- 
gangen und habe einige tage darauf das amt niedergelegt. 

Man sieht, dass dieser bericht weit weniger novellistisch gefärbt 
ist, als der livianische, dass er ausserdem dem heftigen und streng 
aristokratischen sinn des Camillus mehr entspricht und keinen ent- 
schuldignngs- und rechtfertigungsversuch desselben enthält. 

Es ist daraus klar, dass Plutarch, oder vielmehr seine quelle i^^) 
glaubwürdigere autoren vor sich hatte, die den verlauf der tatsachen 
kurz darstellten. Denn der ganze Inhalt ist sehr kurz: Camillus be- 
ruft das beer in centuriat-comitien mit einem strengen edict; die tri- 
bimen widersetzen sich; Camillus dankt ab. Dieser tatbestand darf 
äki wol als historisch angesehen werden. 

Wir kommen zu den mittein der Opposition der tribunen. Plu- 36 
tarch sowol als Livius geben eine drohung mit hoher geldstrafe an; 
letzterer aber scheint hier der kritischere zu sein, indem er erklärt, 
eine derartige drohung, welche gegen die unverantwortlichkeit der dicta- 
tnr streite, widerstehe seinem statsrechtlichen bewusstsein. Wachs- 
muth^ö«), Niebuhri**) und Peteri^») erzählen ohne bedenken dem 
Livius nach; Lange^*«) sieht die sache bedenklicher an, führt zwar 
ia ganzen drei fälle an, in welchen nach der tradition die unverant- 
wortlichkeit des dictators verletzt worden sei^^^^), legt denselben aber 
wenig wert bei. 

Der erste der fälle ist die Verurteilung desselben Camillus nach 27 
<^6r angeblichen Unterschlagung eines teiles der vejentischen beute 
^d erhebung eines zehnten ^ö®). Lange selbst hebt hervor, dass die 
Verurteilung erst nach niederlegung der dictatur, nachdem Camillus 
ifl freiwillige Verbannung gegangen war, statt hatte i*^). Völliger hat 
Ihn e 180) das unglaubwürdige dieses ganzen berichts mit allen details 
•dargelegt. Die sage von der rückzahlung des zehnten von der beute - 
leitet er zurück auf eine erhebung des zehnten sowol von der beute 
als vom eroberten lande zum zwecke der soldzahlung.i^i) 

Ob dies der erfindung zu gründe liegt, ist unsicher. Der zu- 28 



1^2) Dionys. i»») p. 432. is*) ß. g. 3. 30,32; vorlesg 1.406. 

^^) 1. 211. iw) 1. 639. 157). Wovon einer der unsrige ist. 

1«») Livius 5. 23, 32. 

iw) Schwegler 3. 230ff. übergeht die verbammng und Verurteilung 
völlig. 160) 1. 209-12. i«i) 1. 218. 

ClMon,r5m. gescb. I. 10 



146 Der licinisch-sextische Terfassmigs-conflict. [Buch 3. 

saxnmenhang der sage mit Delphi i^') deutet auf einen griechischen 
Ursprung dieses sagenteils; dazu konunt der bericht über die Ver- 
dienste des Liparers Timasitheos^^), welcher sich an die reclama- 
tionen von angeblichen nachkommen dieses Timasitheos nach der 
Schlacht bei den liparischen inseln im ersten punischen krieg offen- 
bar angeknüpft hat. Der mhm Delphis aber ist es hauptsächlich, 
dem diese sagen dienen; und die späteren Griechen haben sie erfun- 
den, um die römische metropole der griechischen eine huldigung dar- 
bringen zu lassen 1*^). Dies ist der erste ausgangspunkt für die Ca- 
millussage. 
99 Ein zweiter ausgangspunkt ist folgender: Die römischen matronen 
hatten das recht, innerhalb der Stadt an gewissen tagen sich gewisser 
fuhrwerke bedienen zu dürfen i^). Dies jwird zurückgeführt auf ihre 
opfer an kostbarkeiten, als bei rückzahlung des zehnten von der ve- 
jentischen beute dieser nicht mehr zusammengebracht werden konnte. 
Die tatsache des ehrenrechtes suchte eben einen Ursprung und knüpfte 
sich aetiologisch an die sage von jenem weihgesdienk an; so wurde 
die gesammtsage wieder um einen zug reicher.i<^<0 

Was endlich die Verurteilung selbst betrifft, so ist sehr auffallend, 
dass diese bei Livius^^^) erst vier jähre nach dem vergehen und der 
weihung jenes delphischen geschenkes statt hat; femer dass Zona- 
ras^^), Plutarch^*®) und Dionysi'<>) diese anklage und Verurteilung 
des Camillus nicht nach dem vejentischen, sondern in folge des ia- 
liskischen krieges^^*) vor sich gehen lassen. Der ganze bericht 

i<(3) Aus dem zehnten der beute wird ein weihgeschenk für den del- 
phischen Apollo verfertigt. 

188) Liparische Seeräuber hatten das weihgeschenk auf seinem wege 
nach Delphi erbeutet; allein Timasitheos lieferte es den Römern wieder 
aus und geleitete diese sicher nach Delphi ; er erhielt zum dank für sich 
und seine nachkommen die römische prozenie. 

iw) Der bericht Appians de reb. Ital. 8. 1, dass die basis jenes weih- 
geschenks noch vorhanden sei, ist von gar keinem belang ; die Griechen konn- 
ten schliesslich jede basis für solche ausgeben. , i^) Liv. 5. 25. 

IM) Dass dieser bericht über die opferfreudigkeit der matronen und der 
bei Livius 6. 50. wiederholte, mit ähnlichen folgen verbundene ein und der- 
selbe und nur ungeschickt von einem annalisten an zwei stellen eingefloch' 
ten ist, hat schon Schwegler 3. 267, 268. dargetan. Es ist dies ein fer- 
nerer beweis fftr das schwankende und unhistorische des ganzen bericbts, 
indem derselbe nicht einmal einen festen platz in der tradition hat. 

i«7) 5. 32. i«8) 7. 22; Cassius Dio. le») Cam. 11. und 13. 

170) 13. fragm. ö. 171) 360 nach Livius imd nach Vejis eroberung- 



Cap. III.] Einzelne umstände. 147 

schwebt in der luft und muss daher ganz aus der geschichte getilgt 
werden; und damit fällt der erste bistorisdie einwand gegen die un- 
verantwortlichkeit des dictators. Wir aber haben hier ein gutes bei* 
spiel für die art und weise, wie aus einem gewebe von aetiologisehen 
mythen sich ein abbild von geschichtlichen Vorgängen entwickelt, das 
in Wahrheit keine berechtigung auf existenz hat. 

Der andre fall, den Lange ausser unserem anführt i^^), ist der 30 
bericht, dass ein tribun den exdictator Manlius wegen perduellio 
verklagen wollte, aber von dem söhne des dictators unter androfaung 
des todes gezwungen worden sei, seine anklage abzuschwöreii. In 
demselben jähre dieses ereignisses nämlich findet die erste wähl von 
iriegstribunen durch das volk statt i^*), und unter diesen an zweiter 
stelle steht jener Manlius, der söhn des dictators, dem das volk in an^ 
erkennung für jene kühne rettung seines vaters dieses Vertrauens^ 
votmn gegeben hätte. Es ist einleuchtend, dass damit eine i'asende 
torheit ausgesprochen wird; denn wie sollte das volk einem manne; 
der mit äusserster gesetzwidrigkeit einen sacrosancten beamten und 
Volksvertreter in der ausübung seines rechts und seiner pflicht hin- 
dert, noch ein Vertrauensvotum geben! ; 

Sind aber diese beiden fälle, betreffend die angreifbarkeit der 31 
dictatorischen imverantwortlichkeit, aus dem wege geräumt, so bleibt 
W[ der einzige des Licinius und Sextius übrig, der in gleicher weise 
der sage überwiesen werden muss, wie sich Livius schon gegen die 
Anerkennung desselben gesträubt hat. Es scheint ausserdem die&b 
zweite multanklage gegen Oamillus nur eine Wiederholung der ersten 
Dach dem ^vejentischen (resp. falskischen) kriege zu sein. Die anna- 
listen in ihrer phantasiearmut verwandten dasselbe thema ja häufig 
mehrmals und erleichtem uns dadurch die Sichtung des historischen 
niaterials. 

Durch die Widerlegung der multanklage aber können wir diese 32 
natürlich nicht als beweggrund zur abdankung des CamiUus anneh- 
men; und somit möchte man geneigt sein, der andren version darüber, 
die Livius vorträgt, sich anzuschliessen, dass nämlich Camillus, »ut 
scripsere quidam«, als »uitio creatus« sein amt niedergelegt hätte. 
Es würde das natürlich nur als scheingrund anzusehen sein, nach 
modemer diction um das decorum zu wahren. Allein in jener frühen 
zeit darf man wol noch nicht den misbrauch des statsgottesdienstes 



172) Liv. 7. 3—5 ; vergl. auch Lange 2. 616. 178) Vergl. buch 7. § 65. 

10* 



148 ^^ lidnisch-sextische Terftssiings-eoiiflict [Buch 3. 

za politi sehen zwecken suchen. Somttssteman es also als wirldichen 
oder später untergeschobenen gnind ansehen. Letzteres würde der 
glanbwttrdigkeit aUen abbrach tnn; ersterem steht ein dritter bericht 
ttber den gmnd der abdanknng entgegen, der vielleicht auf ält^e und 
ecbtere quellen zurückgeht, als livius und Dionys sie gebraucht 
haben, auf alturkundliche nämlich. Es sind die capitolinischen &sten, 
von denen ich rede, und auf weldie bei besprechung unsres gegen- 
ständes zuerst hingewiesen zu haben Niebuhr das verdienst hat^^*). 
In den capitcdinisdien fasten nämlich steht eine notiz bei der vierten 
dictatur des Gamillus und der reitermagistratur des L. Aemilius Ma- 
inerdnus, welche, wenngleidi von ungeübter handwerksmässiger band 
hinzugefügt 1'^), dennoch wol auf alte monumentale oder ^ priester- 
äufiseichnungen zurttckgeht. Es heisst dort nach nennung der namen 
iü der von Panvinius und Sigonius gegebenen ergänzung: »[ob^"| 
edictu] m in milites ex S. C. abdicarunt. — Wir haben aus Pln- 
tareh (Diönys) gesehen, dass Gamillus das ganze waffenfi&hige volk 
sofort in heeresordnung auf das marsfeld berief mit hinzufügung eines 
scharfen edicts ttber den fiül der niditbefolgung. Die volkstribunen 
ober opponiren trotz des edicts, das heisst ^^ sie befreiten die ein- 
zdnen plebeier durch ihr persönliches auxilium von der pfiicht sich 
zu stellen. Allein damit ist noch nicht der grund fEkr die abdimkong 
»ex senatus consulto« gegeben; der dictator war formell völtig 
in seinem recht, er konnte jederzeit das beer zusammenrufen; er war 
eben »dictator rei (publicae) gerundae causac Ausserdem 
würde der senat gewiss nicht einen so energischen Vorkämpfer faDen 
lassen, wenn nicht noch ein weiterer grund vorlag. Plutarch und auch 
Dionys lebten nicht im geiste der römischen Verfassung, sonst hätten 
sie nicht als grund der tribunicischen drohung angeben können, dass 
Gamillus die plebs in ihrem beschlussrecht schädige. Gamillus mtus 
also etwas ganz besonderes getan oder verbrochen haben, was seine 
abdankung ex senatos consulto zur folge haben konnte. Wir sahen, 
dass Plutarch von besonderen drohungen spricht, welche Gamillns 
gegen dite gerichtet habe, welche seinem einberufungsbefel nicht folge 
leisten wttrden; befel und erklärung darüber geschiJi ja in fonn 
eines edicts; im edict ist also der gmnd für die abdankung zu suchen, 



17«) Böm. geseh. 3. 31. i7S) Mommsen: Chronologie 107« 

176) Henzen: G. I. L. I. p« 430. und 444: post edictum, 

177) l^ach flberbordweriung der qiultandrohun^, 



Cap. n.] Einzelne omstliide. 149 

vie schon die capitolinischen fasten sagen. Das edict mnss also mehr 
als eine blosse einberofimg und eine gewöhnliehe bedrqhung. des. Un- 
gehorsams enthalten haben, denn das war gesetzlich. Es bleibt nw 
eines übrig, was wir auch im edict suchen müssen, nämlich die er- 
Idänmg, dem tribani^cischen auxilium als entsehuldigung 
für nichtbefolgung der einberufung nicht rechnung trik 
gen 2a wollen, d. h. den aus diesem gründe ausbleibenden ia strafe 
zu nehmen. Dies war zwar nicht ungesetzlich, da das dictoriache im- 
periom über der tribunicischen intercession stand i^^), doch. hatten die 
tnbunen hiermit eine handhabe gegen den gegner gewonnen, d,eii 
Biezwar nicht zur Verantwortung ziehen konnten, abec. wider den sie 
m, gestützt auf die masse, eine sehr wirksame gegendix>hui^g.erh^7 
I^en konnten: die drohung mit einer neuen secei^sioiii Dein 
gegenüber war der senat, das aristokratische organ, nicht gewi^l^^, 
wenn auch der starre alte Camillus nicht nachgegeben hätte. So iir^t 
durfte es nicht kommen; da musste der Yorkftmpfer um diesem sejine^ 
Schrittes willen preis gegeben werden ; aus einer principiell^n machen 
sie klüglich eine persönliche frage; sie retteten die bedrohte stata- 
Einheit und vorläufig auch das aristokratische ständerecht und.ga})en 
dagegen den übereifrigen dictator auf, indem sie ihn nutt^l3t,eipes 
senatsbeschlusses bewogen, sein amt niederzulegen. < 

Dieser darstellung und auffassung entspricht andrerseits auch, d^er 
<^akter des Camillus völlig« U]d>erechtigten drohuagen ,l^ld^ ein- 
fmh&c ^ersetzlichkeit der tribunen wird er nicht seine Persönlichkeit 
^d die würde seines amtes zum opfer gebracht haben; der alte msfin 
war zu stolz und zu starr aristokratiscb dafür. Allein wenn der. Senat 
^ gebot oder wünschte, so war er andrerseits zu sehr der p^i^ 
disciplinirte Bömer, um nicht seine persönlichkeit dem von ^iner 
Wei anerkannten statswol zum opfer zu bringen, wenngleich auch 
der Senat ihn nicht zwingen konnte, sein amt vor der zeit nieder- 
zulegen. 

Dass aber eine ganz ungewöhnliche aufregung im volke die folge 
jenes edicts des Camillus war^ das geht audi aus dem zusatz in 4en 
capitolinischen fasten zu der nezmung des nachfolgers von Camillus 
hervor; dort heisst es: »[P. Manlius A. f. A. n.] Capitolinus dict[ator] 
seditionis sedandae et r[ei] g[erundae] c[ausa].c Eine seditio 
also war dadurch hervorgerufen, und seditio und secessio sind in 



"8) Lange 1. 638 ff. 



150 ^^^ licinisch-sextisdie rerfassongs-conflict. [Buch 3. 

Rom aafs engste verwandte begriffe, da seditio in Rom niemals das 
bedeutet, was^beiuns revolation oder auch nnractive empörnng, 
sondern stets passiver widerstand mit Verweigerung des ge- 
horsams und dem damit in Verbindung stehenden begriff 
des selfgovernment, d. b. der s*tatlichen Ordnung im eige- 
nen kreise, abgesondert vom gesammtgemeinwesen. 

33 Camillus war zu weit gegangen; und nur die klugheit des senats 
hatte den daraus möglicherweise entspringenden schaden abgewandt. 
Allein die absieht der patricier war keineswegs das nachgeben; im 
gegenteil um ein nachgeben zu verhüten, musste Camillus abdanken 
und ein andrec an seine stelle treten, der der plebs nicht so verfein- 
det war und mehr der klugheit als dem starren recht der dictatnr 
rechnnng tragen würde. Es war ja auch kein krieg zu fiihren; nur 
die inneren zwistigkeiten sollten geschlichtet werden, und diese waren 
wieder vollkommener vorwand, einen neuen dictator zu ernennen. Der 
schon genannte P. Manlius [capitolinus]^^^) wurde ernannt und 
zwar durch die nach Camillus' abgang wieder in kraft tretenden con- 
sulartribunen des Jahres 386—87. 

34 Nach Livius soll Manlius sich der plebs geneigter bewiesen haben, 
was sich besonders durch die wähl des ersten plebeischen magister 
equitum in der person des schon besprochenen C. Licinius [Calvos] 
documentirt habe*®^). Niebuhri^i) und Ihne^^^) stimmen darin Li- 
vius bei; sie sehen in Manlius einen vermittler zwischen patriciem 
und plebeiem, ernannt von dem senat, welcher die gemässigteren mit- 
glieder der aristokratie enthalten habe; Manlius selbst sei einer jener 
aristokratischen liberalen, die einen helleren blick för die Verhältnisse 
hatten. Diese aqschauung charakterisirt zugleich die politische Stel- 
lung der beiden autoren, eine freilich von fast allen andren geteilte 
anschauung, welche im festhalten der patricier an ihren rechten nur 
den blinden und beschränkten partei-egoismus und widerrechtliches 
stehenbleiben und widerstreben gegen den fortschritt sehen woll«i> 
dagegen die plebeischen ffthrer erleuchtete patrioten nennen. 

36 . Egoismus ist hier wie dort bei den flihrem immer ein haupt- 
motiv ; aber die Parteigenossen stehen meist mehr auf dem principiellen 
Standpunkt als die föhrer, für jene ist das recht weit mehr der mass- 



iv») Siehe unten IJtl. 41. über ihn unter den eponymen von 387—88. 

180) So auch Cassius Dio fragm. 29. 5. 

181) R. g. 3. 32. 182) 1. 268. 



Cap. lü.} Einzelne umstände. 151 

Stab als für diese; die tradition und das fas war bei den patriciern 
freilich ein gewaltiges motiv f&r ihre handlungsweise ; wäre es nicht 
gewesen, so hätten sie ihre historisch-politische mission verfehlt; wäre 
die mehrzahl von ihnen »liberal« gewesen, so würde die verfassungs- 
entwickelang in ein bedenklich schnelles rollen gekommen sein, und 
die innere festigkeit des baues war dann sehr problematisch. Warum, 
wenn die plebeier stets mit klarem blick (?) das wol des states für die 
Zukunft gewollt haben sollen, warum sollten die patricier dann nicht 
aach ihre rolle, die des conservativen hemmens der heissspoine, des 
zeitschaöens für ein wurzelschlagen der jedesmaligen neuerung, nicht 
gleich&lls klar gesehen und durchführen gewollt haben ?i^) Was 
Manlias betrifft, so haben wir gesehen, dass seine angebliche Ver- 
wandtschaft mit Licinius eine auf sehr problematischer quellenbegrün- 
dong ruhende ist. 

Wir sehen, dass die Ernennung des Manlius zum dictator unter 36 
dem augenblicklich bequemen vorwand, die seditio zu beschwichtigen, 
nicht gerade ein zeichen der nachgiebigkeit, vielmehr ein mittel, die- 
selbe zu vermeiden, gewesen sei, da der frühere dictator als persön- 
liches Opfer dargebracht wurde, um einem neuen wege zum aristo- 
kratischen ziel und zweck bahn zu machen. Manlius ist Vertreter 
dieses neuen weges; der weg der gewalt ist mit dem der klugheit 
gewechselt worden, und die klugheit scheint nachzugeben, wo sie 
Ibr ziel am sichersten in's äuge fasst. Um diese ansieht zu belegen, 
sollen wir den livianischen bericht zur band nehmen: Grleichzeitig mit 
dem auftreten des Manlius findet eine spaltimg in der plebs statt; 
die masse der tribulen, d. h. die ärmeren plebeier, erklärt sich für 
^ei der licinisch-^sextischen rogationen, das schuld'- und ackergesetz, 
während sie die dritte, über den plebeischen consulat, fallen zu lassen 
geneigt sind ^®*). Das ist erklärlich ; die ärmeren hatten nur von den 
ersten beiden rogationen vorteile ; der dritten standen sie fremd gegen- 
über, da nur die vornehmsten plebeier die frucht davon gemessen würden. 



188) Ein mehreres darüber buch 1. cap. ITI. und IV. bei besprechung 
der modernen darstellungen des gesammt-conflicts. 

18^) Lewis: untersuch, über die glaubwörd. der altröm. gesch. 2. 304. 
und note 51, fasst den livianischen ausdruck 6. 39 2: »de fenore atque 
agro ragationes iubebant de plebeio consulo antiquabant« wörtlich und als 
eine wirkliche beschlussfassung, während die folgenden worte: »et perfecta... 
esset, ni tribuni . . dixissent« das nichtZustandekommen des beschlusses aus« 
dröcken. 



152 Der licinisch-sextisehe ▼er&ssangs-conflict. [Bach S. 

um aber nicht dies letzte gesetz, ihr hauptaugenmerk, zu verlieren, 
erklärten die volkstribnnen, dass sie alle drei gesetze als eines be- 
trachtet wissen wollten, so dass entweder alle oder keines angenom- 
men würde — es ist das das erste beispiel des einbringens einer lex 
satura^^). Damit lieferten sie den beweis, dass ihnen das wol der 
sumen standesgenossen gegenüber ihrem eigenen politischen Yorteil 
njizhts galt, dass sie vielmehr die beiden ersten gesetze nur als köder 
für die erreichung des dritten der plebs hingeworfen hatten. 

Die erscheinung aber dieser Spaltung der plebeischen Interessen 
in dem augenblick, als der neue dictator sein amt antritt, scheint 
nicht ohne beziehung auf das letztere zu sein. Den inneren Zusam- 
menhang zwischen beiden punkten konnte Livius natürlich quellen- 
mässig nicht berichten, da gleichzeitige au&eichnungen solche dinge 
nicht in betracht zogen; die tatsache selbst jener gleichzeitigen er- 
scheinungen kann allein auf glaubwürdigkeit anspruch machen; und 
unsere aufgäbe ist es, den inneren Zusammenhang zu finden. 

Der gewalt gegenüber hatten die patricier die plebeier in ge- 
schlossener einigkeit gefunden; jetzt galt es, einen teil durch Ver- 
sprechungen zu gewinnen und dem Interesse des anderen zu entfrem- 
den. Die art und weise eben, wie die plebs sich spaltet, entspricht 
so völlig den patricischen wünschen, dass wir wol patricische maehi- 
nation dahinter suchen dürfen. Und die patricier werden gewusst 
haben, wer unter ihnen für diese feine politik am tauglichsten war; 
So scheint denn Manlius erklärt und der plebs plausibel gemacht zu 
haben, dass er und die patricier durchaus bereit seien, ihr mate- 
rielles wol durch Zustimmung zu den beiden ersten gesetzen zu fördern, 
dass aber das dritte gesetz ihnen, den armen plebeiem, auch nicht den 
geringsten vorteil bringen würde, ja dass die volkstribunen und vor- 
nehmen plebeier den ganzen stürm nur zu ihrem eigenen vorteil er- 
regt hätten; daher sollen die armen plebeier nur den beiden ersten 
rogationen ihr »jac, geben, die dritte aber ablehnen. Und die armen 
plebeier, welche in Wahrheit den reichen plebeiem ebenso fem standen 



18«) Der ausdnick lex satura wird zwar nicht In den quellen ge- 
braucht, aber das beobachtete verfediren entspricht ihm völlig; vergL 
Festus s. V. satura p. 314. und Isidor. origm. 5« 16; über den unter- 
schied der lex satura und der lex rogata per saturam vergl. Ma- 
zocchi comm. in tabuL Hercul. p. 479; dazu Göttling; röm. statsverf. 
p.. 353. note 3. CassiusDio firagm. 29. 6. legt dem Licinius darüber fol- 
gendes in den mund: eiitwu^ ötq oöx äu itioteu, sl fij^ ^ayotev. 



Oap. m.] Einzelne umstände. 153 

als den patriciern, fanden solche darstellangen' und Versprechungen 
sehr yemfinftig und nützlich i®^. Dazu kam, dass die plebs von eben 
diesem dictator gleich zu anfang ein Vertrauensvotum erhalten hatte, 
das dieselbe von der aufrichtigkeit seiner bestrebungen überzeugen 
sollte. Er ernannte zum ersten mal einen plebeischen magister equi- 
tnm und gerade aus der sich so oppositionell zeigenden familie der 
Licmier. Das sah sehr aufrichtig, sehr wolmeinend aus; und wie Li- 
vios sagt, empörte es auch viele der alten und strengen aristokraten. 
Es giebt u&t6r den conservativen immer eine anzahl sehr wolmeinen- 
der ehrenhafter männer, welche aber nicht den Scharfsinn haben, den 
maiiipulationen einer conservativen regierung folgen und in ihre ab- 
siebten eindringen zu können; die daher manchen scheinbar liberalen 
act derselben vorweg verurteilen imd sich ihm widersetzen, ohne zu 
entdecken, dass das scheinbare nachgeben meist einen glän- 
zenden sieg zur folge hat, wie die kriegsgeschichte es auch hun- 
dertmal lehrt. Zu diesen ehrenwerten, weil geraden und die Wahrheit 
liebenden, aber etwas kurzsichtigen conservativen gehörten jene Man- 
lios feindlichen aristokraten Borns; denn in Wahrheit war durch die 
ememrang eines plebeischen magister equitum nichts verloren, aber 
ZOT zeit viel gewonnen; ersteres, da es jedesmal dem dictator gänzlich 
^ die band gegeben war, seinen magister equitum auszusuchen, so 
das erste mal einer plebeischen wähl auch das einzige bleiben 
), und ausserdem da der magister equitum politisch gar keine 
^üe im State spielte, sondern nur auf befel seines dictators zu han- 
deln hatte, dadurch also principiell noch weniger bedeutung hatte, als 
der consular-tribun; letzteres aber, weil einmal die plebs durch solchen 
^ der scheinbaren nachgiebigkeit geblendet wurde und vertrauen zu 
solchem dictator und dessen planen und ratschlagen fasste, zweitens 
weil die patncier den noch mehr verlangenden volks-tribunen gegen- 
über nun bei der plebs die einrede hatten, dass die tribunen uner- 
sättlich seien imd selbst bei so grossen concessionen an vornehme so- 
wol als geringe plebeier^^?) gjch nicht zufrieden geben wollten. Und 
die menge der armen stimmte natürlich diesen klaren und so un- 
egoistisch scheinenden auseinandersetzungen des dictators und da- 
^t des patricischen organs, des senatS; zu, während mistrauen gegen 



186) Man vergleiche die politisch ausserordentlich klaren und einsichti- 
Eea raisonnements hierüber bei Be au fort la r^publique romaine 2. 412— 1$. 

187) j)er plebeische magister equitum und die beiden rogationen. 



154 Der licinisch-sextische ▼erfassangs-conflict. [Bach S. 

die Volkstribunen dadurch rege wurde, welches letztere durch die er- 
kl&rung der untrennbarkeit ihrer drei rogationen ohne zweifei noch 
vermehrten. — Dass aber die patricier wirklich so grosse concessionen 
zu machen bereit waren, das war die folge des durch Camillns herauf- 
besdiworenen Sturmes, der ihre Standes- und statsexistenz in gefahr 
gebracht hatte. 

Der dictator Manlius hatte seine aufgäbe gut gelöst, und während 
seiner dictatur und des ganzen amtsjahres eine beschlussfassung über 
die rogationen vereitelt und zu nichte gemacht ^^s), xjnd das volk 
merkte so wenig von seinen eigentlichen absiebten, dass es ihm bei 
der neuwahl von consular-tribunen seine stimme gab ^^% Manlius hat 
demnach nicht gegen den willen des senats und der patricierpartei 
mit der plebs firatemisirt, oder sich wenigstens ihr geneigt gezeigt, 
sondern nach einem woldurchdachten und politisch ungewöhnlich klu- 
gen plane zur rettung der patricischen Standes interessen gehandelt; 
und freilich gehörte er den erleuchteten und scharfsichtigen männern 
seiner partei an, aber nicht dadurch , dass er »liberal« und mit ple- 
heischen tendenzen versehen wari*<>). pasg seine erfolge nicht von 
bestand waren, fällt ihm nicht zur last; die beharrlichkeit des tribn- 
nicischen egoismus war eben grösser als die des patricischen; und 
die plebs wollte nun einmal schuldenerlass und äckerverteilung haben, 
gleichgültig von welcher partei und unter welchen nebenbedingungen. 
Wer möchte auch in der sogenannten masse eine politische Über- 
zeugung suchen? 
37 Nach Livius geht seit dem jähre 384 neben dem inneren conflict 
noch ein krieg gegen die Velitemer her, zu dem im letzten jähr ein 
fernerer gallischer einfall kommt. Dass dieselben keinen ansprucli 
auf glaubwürdigkeit machen können, werden wir imten erweisen ^^^•). 
An den gallischen krieg wird von den annalisten die fünfte dictator 
des Camillus angelehnt imd ihm für den glücklich erfochtenen sieg 
ein triumph bewilligt. Die capitolinischen fasten haben zum jähre 

188) Vergl. Cassius Dio fragm. 29. 5: ort üounkiog rtuv -jtoXtrmv 
aTa<Ttap6vTü)u npög äkk^loug dkiyou rouToog auvrjXka^e, 

18») Heber die in das jähr 386-87 fallende Zulassung der plebeier zu 
den orakelbewahrem vergl. buch 4. cap. IV. 

^ 190) Wir dürfen wol die nachricht Flutarchs Camill. 39.6, dass Man- 
lius das ackergesetz habe zur beschlussfassung kommen lassen, ebenso un- 
berücksichtigt lassen, als den damit verbundenen bericht, Manlius habe den 
volkstribun Licinius Stolo selbst zum magister equitum gemacht; vergL 
in. 14, 15. 190 a) Siehe § 42—45. 



Cap. in.] Einzelne umstände. 155 

387 die notiz: [M. Furius L. f. Sp. n.] CamillusV dict[ator] rei 
gerundac causa. Das kann auf äusseren krieg oder inneren con- 
flict zurückgeführt werden; letzteres ist jedenfalls hier der falU^O- 
Die dictatur gehört dem amtsjahr 387—88 an; die emennung also 
fand erst nach dem amtsantritt der neuen consular-tribunen, dem 
1. august, statti®2)5 zugleich war es das letzte tribunatsjahr von Li- 
cinius und Sextius. Die emennung eines dictators nun zur regulirung 
der inneren Verhältnisse setzt zwistigkeiten voraus, und zwar immer 
solche, welche nicht auf gewöhnlichem wege beigelegt werden können, 
sondern gegen die die patricier sich der höchsten magistratur be- 
dienen. Von neuem war der verfassungs-conflict brennend geworden; 
und die im vorigen jähre durch Manlius klug hervorgerufene Span- 
nung zwischen volkstribunen und der armen plebs musS demgemäss 
wieder nachgegeben haben. Wie wir oben sagten, hatte die hart- 
näckigkeit der volkstribunen über die politischen manöver der patri- 
cischen partei den sieg davqjQgetragen ; und das Interesse der plebs, 
der erste Zielpunkt des conflicts, war demgemäss den tribunen wieder 
zugefallen, da dieselbe allein auf dem wege der concession auch des 
plebeischen consulats das mittel sah, die Vergünstigung der beiden 
anderen gesetze zu erlangen. Aber dennoch hatte die plebs sich durch 
die gemachten concessionen von Seiten der patricier — zulass zu den 
orakelbewahrem, der plebeische magister equitum, das scheinbare 
wolwoUen des dictator Manlius — so weit breit schlagen lassen, dass 
sie im jähre 387 an consulwahlen nicht dachte, sondern wiederum 
consular-tribunen, und zwar lauter patricische*^^), an*s rüder konunen 
liess. Die folge davon scheint dann ein letztes energisches vorgehen 
der volkstribimen gewesen zu sein, wodurch sie die plebs so zu erregen 
wußsten, dass die patricier zur ultima ratio, zur emennung eines dicta- 
tors und zwar in der person des äusserst energischen und plebsfeind- 
h'chen C amillus ihre Zuflucht nahmen; denn für die vorsichtige politik 
eines Manlius war es nun zu spät. Es galt auch jetzt wieder die be- 
schlussfassung über 'die rogationen, deren annähme gewiss war, zu 
verhindern, und dazu musste wiederum eine aushebung dienen, da die 
intercession nicht mehr zu hoffen stand. Livius^^) nennt denn auch 



191) Die richtigkeit der dictatur selbst lässt sich wol nicht anzweifeln; 
die notiz darüber fällt in ein echtes eponymes jähr, dessen beamtenangaben 
glaubwürdigkeit verdienen. 192) Siehe ITI. 40. 

iw) Siehe § 42 am ende. i9*) 6. 42. 9. 



156 l^or licinisch-seztiaclie rerCMsangs-eoiifliet. [Badi 3. 

die nun folgenden kämpfe eine »bello atrocior seditioc, und Platarch^^) 
Iftsst sogsy: die volkstribunen sich mittelst ihres viator an dem 4ictatoT 
vergreifen, ein ebenso unerhörtes als unwahrscheinliches ereignis. 
Allein wenn auch Plutarch (oder Dionys) im unyerst&ndnis altrömischer 
Ordnung falsch malt, so geht jedenfalls so viel aus dem ganzen bericht 
hervoT; dass die Spannung zwischen patriciem und volkstribunen auf das 
äusserste gestiegen war, und dass letztere, gestützt auf die masse der 
plebs, nun energischer und trotziger als früher auftraten. Durch welche 
mittel sie endlich den widerstand eines Camilius und des Senates brachen 
ist unbekannt; vielleicht dürfen wir auch hier an die drohung mit einer 
secessio denken, die Livius bei den unmittelbar folgenden k&mpfen 
über die bestätigung des ersten plebeischen consuls Sextius erwähnt;^, 
und die Ovid^^) weiter ausführt. Das bewog denn den senat» dem 
dictator nachgiebigkeit zu empfelen, womit Plutarch ein gelübde de» 
letzteren, der Concordia einen tepipel zu weihen, wenn der bürger- 
zwist beigelegt sein würde, in Verbindung bringt ^^0* Allein die übri- 
gen patricier sollen nach Livius nicht mit dieser nachgiebigkeit ein- 
verstanden gewesen sein. So waren denn die letzten hindemisse 
gegen die abfassung eines endgültigen plebiscits über die rogationea 
aus dem wege geräumt, und die beschlussfassung selbst fand nocb 
vor dem 10. december 387 statt, da an diesem tenmn das amt des 
Licinius und Sextius ablief und sie nicht wieder gewählt wurden, 
da sie ihr ziel erreicht hatten. 
38 Abweichend von obiger darstellung lässt Niebuhr^^) Camilius 
erst nach der beschlussfassung über die rogationen zum dictator er- 
nannt werden, und wie er hinzusetzt, zwischen der beschlussfassjong 
und der bestätigung durch den senat und die geschlechter, zu dem 
zwecke, die letztere zu umgehen. Dass eine patrum auctoritas für 
^in plebiscit, das in tributcomitien ge&sst war, nicht nötig war, 
habe ich an einem andren orte nachgewiesen i^'). Von einer nach* 
träglichen bestätigung eines plebiscits durch den senat neben den 
patriciem ist im römischen statsrecht nichts bekannt; dass aber audi 
ein probulemna des Senats für einen tribusbeschluss nicht bedingung 
war, habe ich gleichfalls erwiesen 3<^). Demgemäss würde die er« 



iw) CamilL 42. im) Fasten 1. 643. i»7) Darüber vergL § 47. 

IM) B. g. 3. 43. 

id9) Yergl. meine kritischen erörterungen über den röm. stat 2. 82 ff. 
MO) Kritische erörierungen etc. 2. 111 ff., 152—55. 165. 






dp: JH] Einzelne mnstftnde. 157 

nemmog eines dictators nach der bescfalussüassung allen Zweckes ent- 
hehren; und Livius setzt sie ausserdem vor dieselbe an. Der zweck, 
die besdünssfassong zn verhindern, stimmt auch durchaos mit diesem 
bericht, dein wir uns unbedingt anschliessend^). 

Dass ein formelles plebiscit über die rogationen gefasst worden 39 
sei, Iftsst Livins die patrider erklären^. Nach Langes ansieht^ 
hätte dies plebiscit hur för das schulden- und ackergesetz, nicht fftr 
das gesetz.ttber den plebeischen consul gtkltigkeit gehabt. Dies geht 
ans seiner anschauung über die lex Yaleria Horatia von 305 betreffe 
der competenzen der tribusbeschlüsse hervor, von denen er die an- 
gelegenheiten des imperium ausschliesst^^^) ; da nun das gesetz über 
deo plebeischen consul mit dem imperium zu tun hat, so glaubt er, 
dass der einfache tribusbeschluss 2^ legalisirung der rogaüon nicht 
genfigt habe. Dieser beschränkenden auslegung der lex Yaleria Ho- 
ratia gegenüber aber muss ich meine ansieht festhalten, dass eine 
solche nicht in dem gesetz von 305 gelegen habe *<>*) ; der usus zwar hätte 
den centuriatcomitien gewisse geschäfkskreise reservirt^^, allein mit 
der zeit wurde dieser usus immer mehr durchbrochen, abgesehen davon, 
dass der wortiaut der lex Yaleria Horatia keinen gegenständ der 
beschlnssfassnng in tributcomitien entzog. Gestützt aber auf seine an- 
sieht fährt Lange die gültigkeit der dritten rogation auf einen com- 
in^miss zwischen patriciern und plebeiem zurück, nach welchem jenen 
^in patricischer praetor, diesen der plebeische consul zugestanden wor- 
den sei. Dies setzt die annähme voraus, dass das plebiscit über den 
plebeisdien consul der auctoritas patrum bedurft habe, deren Unrich- 
tigkeit ich oben dartat. Dazu kommt, dass Livius die wähl des prae- 



201) Ihne 1. 269, note 9, und 114. scheint die beschlussfassung über 
£e rogationen in die centuriatcomitien zu verlegen und bringt sie auf diese 
▼eise mit der patrum auctoritas in Verbindung; es hängt dies aber wol mit 
seiner ansieht über den dauernden rein plebeischen Charakter der tribut- 
comitien zusammen (vergl. röm. gesch. 1. 172); vergl. dagegen meine Wider- 
legung in den kritischen erörterungen etc. 2. 92 ff., 98 ff. 

202) 7. 6. 11, ausserdem 6. 39. 11; 42. 9. Appian (de bell. civ. 1. 8.) 
^gt hmzu, das gesetz sei von allen teilen beschworen worden; in wie fem 
wir dieser nachricht wert beilegen dürfen oder nicht, bleibt dahingestellt; 
▼ergL Lange 1. p. 574. ««3) ßöm. alt. 1. 577. »04) Lange 1,649. 

*») Vergl. meinen beweis in den kritischen erörterungen 2. 109—16, 
166—66; femer 96-100. 

^) Wobei übrigens das imperium nicht als gesichtspunkt galt; vergl. 
buch 7. § 66. 



158 ^ei* licinisch-sextische Terfossongs-conflict. [Bach 3. 

tors nicht mit dem plebiscit über die rogationen in Zusammenhang 
bringt, sondern als folge der von den patriciem verweigerten ancto- 
ritas zu der wähl des ersten plebeischen consnls Sextins hinstellt. Zu 
jener zeit aber war die ratification der rogationen schon eine feststehende 
Sache, und es handelte sich hier um die vorgeschriebene auctoritas 
patrum zu dem centuriatbeschluss über die wähl der persondes 
Sextins zum consul. Hier waren die patricier im formellen rechte, 
und die plebs war dem gegenüber machtlos, daher sie nach Livins 
und Ovid^o?) mit einer secessio drohte. Der dictator Camillus soll 
nach Livius den streit beigelegt haben, indem die plebeier sich zur 
concession eines besonderen patricischen praetor, dessen amtssphäre 
von der ehemaligen consularischen abgezweigt wurdej bereit erklärten. 
Damit war die wähl des ersten plebeischen consuls gutgeheissen; 
allein mit der vorhergehenden rogation hatte dieser comprconiss nichls 
zu tun; diese war durch den tribusbeschluss selbst rechtsgültig ge- 
worden. 208) 
40 Wir haben gesehen, mit welchen Schwierigkeiten die endgültige 
wähl des Sextius zum consul zu kämpfen hatte; es fragt sich nun, 
wann diese wähl statt fand. Mommsen^^^^) spricht sich dafür ans, 
dass in der älteren republik die wählen möglichst kurz vor dem amts- 
antritt vorgenommen wurden. Wir sagten 210), dass der amtsantritt 
des bisherigen consular-tribunen durch die Interregnen von 364—65 
und 366—67, femer durch die Wahlverzögerung der jähre 377^88, 
der sogenannten anarchie oder magistratslosigkeit, wol auf den 1. augnst 
verschoben worden war.*ii) 



207) Fasten 1. 643. 

208) Liv. 7. 6. 11. erklärt geradezu, dass die dritte rogation durch ein 
plebiscit bestätigt sei. 209) Rom. stätsrecht I. 480. 

210) Siehe oben II. 4. und 7, 

Sil) Die ansetzung des amtswechsels auf den 1. august gründet sich auf 
folgende berechnung: Wir haben nur zwei ziemlich weit auseinanderiiegende 
fest bezeugte daten f&r den amtsantritt; im jähre -||- ist der 1. juU höchst 
wahrscheinlich (vergl. Th. Mommsen ehren, p. 94), für 425 ist der I. Juli 
ausdrücklich bezeugt (vergl. Liv. 8. 20). Obgleich nun für beide jähre der 
antrittstag derselbe ist, so fallen doch zwischen sie eine grosse reihe von 

SUiti 

Veränderungen und Unregelmässigkeiten. Im jähre -ött- wird der amts- 
antritt durch zwei, -^^ durch drei interregen, also etwa um 25 tage ver* 
spätet (Livius 6. 1, 5). -^ treten acht, -^ elf, -^ zwei interregen 
ein (Livius 7. 17, 21, 22). -j^ finden wir wieder ein der dauer nach un- 



Gap. in.] Einzelne umstände. 159 

Setzen wir nun mit Mommsen den fall, dass die wähl unmittelbar 
vorher, also etwa im juli, statt gefunden habe. Wir haben gesehen. 



41 S 420 

bestimmtes interregnum, -^^ zwei, -^^ fünf interregen (Livius 7. 28; 
8. 3, 17). Dagegen wird zum jalire -~- von einer verfrohung des amtsantritts 
berichtet (Liv. 8. 3). Die gesammtverzögerung durch die interregnen be- 
trägt also etwa 5 — 6 monate. Zu diesen angaben kommen noch einige un- 
gefähre angaben. Im jähre 391 wird von dem consulpar ein dictator »claui 
ügendi causa« ernannt. Dies einschlagen des officiellen nageis fand an den 
iden des September statt, die wähl des dictators also ging wol unmittelbar 
Yorher, und die wähl der consnln musste dieser wiederum vorangegangen 
seÜL Es ist kein grund anzunehmen, die consuln hätten sich erst nach lau-. 
gern warten zu diesem schritte entschlossen; wir dürfen es wol als eine bald- 
möglichst ergriffenes auskunftsmittel gegen die wütende pest ansehen (Liv. 
7. 3. 3 ff.). Dann würden wir wol den antritt der consuln auf den 1. august 

S68 391 

ansetzen dürfen. Zwischen -g^ und -g^ findet eine antrittsverzögerung 
nm etwa 25 tage statt, wie wir sahen. So ist der 1. august also nur um 
wenige tage später als der amtsantritt am l.julimit zuzählung der 25 tage. 
Zwischen -äöT" ^^^ "sei" ^^^^ ^^^ ^^ gleicher zeit der licinische conflict. 
Wir sahen, dass derselbe eine reihe von Wahlverzögerungen zur folge hatte 
(yergl. § 4, 7, 9). Diese nun müssen ein jähr gerade umfasst haben, da der 
antrittstermin vorher und nachher nur unwesentlich verschoben ist, vom 
25. juli etwa auf den 1. august. Letzterem ansatz nun widerspricht Momm- 
sen, indem er für das jähr -gg- den amtsantritt erst nach dem 5. September 
eintreten lässt. Diese daten gründen sich auf einen traditionellen triumph 
^kr die Tiburter ; da derselbe aber keine historische gewähr hat (vergl. 
boch 6. § 18 ff.), so fällt das datum mit ihm (ebenso unhistorisch sind die 
weiteren triumphe, die Mommsen für chronologische zwecke verwendet und 
welche vor -Sl- fallen. Historisch sind darunter nur die von -I??- und 
17«-; vergl. buch 6. § 20, 47—51. Die triumphe über Gallier, Hemiker 

393 1Q7 404 

and Privematen aus den jähren -^^, -^' und -^^ gehören sämmtlich 
der fabel an; vergl. buch 6. § 5, 10—13; 24 ff.; 30 ff.). In so fem also lässt 
sich nichts gegen die ansetzung des antrittstermins auf den 1. august seit 
dem licinischen conflict einwenden. Es gilt aber dies datum mit den übri- 

425 398 

gen angaben bis zum jähre -^^ in einklang zu bringen. ~-^t- findet ein 
Interregnum von etwa 40 tagen statt; damit rückt der amtsantritt in die 
erste hälfte des September. Im jähre -^^ wird ein triumph an den nonen 
des juni gefeiert (vergl. die triumphalfasten); das deutet an, dass an diesem 
Zeitpunkt die alten consuln noch im amt sind; der feldzug ist zu ende, 
und der triumph findet statt. Das ist durchaus vereinbar mit dem amts- 
termin in der ersten hälfte des September. Zwischen —^^j und -ttt- finden 
zwei interregnen mit einer dauervon etwa 65 tagen statt; der antrittstermin 
ist demnach bis in die mitte des november verschoben. Im letztgenannten 
jähre findet ein triumph am 1. februar statt (vergl. triumphalfasten). Es 



160 I^r Mcinisch-sextische verfassiings-coiiflict. [Buch 3. 

dass Camillus seine dictatur noch 387 und zwar vor dem 10. december 
spätestens angetreten habe^^^); zugleich hat er nach Livius die schwe- 

liegt nichts im wage uiznn^hmen, dass der betreffende feldzug gegen die 
Volsker in den 2V3 monaten bis zum 1. febmar beendet ond der triumph 
^ffAber gefeiert werden konnte. Zwischen -j^ und -^r^ fedlen drei in- 
1«rregnen, das erste von unbestimmter aber jedenfalls kurzer, dauer, das 
zweite lOt&gig, das dritte etwa Sdtagig, zusammen ungefähr 40 tage. Ba- 
mit würde der antritt bis an das ende des Jahres gerückt worden sein. 
AIleiQ zwischen den interregnen findet zu gleicher zeit eine yerfrfthung der 
amtsniederlegung statt, und zwar vor den beiden letzten interregnen. Dies 

496 

hat zur folge, dass -^^ der 1. juli antrittstermin ist Die frühere abdica- 
ticm findet statt, um bei dem bevorstehenden ausbruch des grossen Latiner- 
krieges nicht zu bald mit dem oberbefel wechseln zu müssen. Es lässt sich 
nicht angeben, in wie fem eine um sechs monate verfrühte Abdankung wahr- 
scheinlich oder nicht wahrscheinlich seL Die Bömer mochten voraussehen, 
dass ein einziger sommerfeldzug einen solchen krieg nicht beendigen würde, 
und wünschten daher unter allen umständen mit frischen führem auszu- 
rücken. So lässt sich denn nichts bestimmtes gegen die obige berechnung 
anführen, und wir können den 1. august als amtstermin nach dem liciniscben 
conflict durchans festhalten. 

Noch ein par Worte der kritik: Wir haben gesehen, dass Mommsens 
chronologische berechnungen zum teil daran Schiffbruch litten, dass sie die 
vielen erfindungen der fasten sowol als der traditionellen erzShlung für bare 
münze ansahen. Mit dem Umsturz derselben fallen auch die anhaltspunkte 
Mommsens. Allein auch ein par andre chronologische gesetze Mommsens 
muss ich in zweifei ziehen. Er sagt (chronol. p. 80 ff.), dass von der mitte 
des 4. Jahrhunderts an die triumphe regelmässig und oft nachweislich am 
ende des amt^aJires gefeiert worden seien. Ein eigentlicher beweis ist 
hierfür nicht geliefert. Und es lässt sich solche regel nicht aufrechthal- 
ten. Der triumph fiel regelmässig an das ende des betreffenden feldzuges 
und bildete zugleich den officiellen einzug des feldherm in die Stadt, die 
er vor dem triumph nicht betreten durfte (vergl. buch 2. § 62). Das ein- 
treten des triumphes richtete sich also völlig nach der dauer des feldzages; 
auch jetzt gab es ohne zweifei ebenso viele sommerfeldzüge, als in früherer 
zeit; die nähe der feinde und eine einmalige entscheidende schlacht brachte 
das mit sich. Waren also nicht mehrere kriege gleichzeitig im gange, die 
ein längeres verweilen im felde nötig machten, so konnte der triumph ohne 
alle Schwierigkeit in der ersten hälfte des amtsjahres scho9 gefeiert wer- 
den. — - Der andre satz Mommsens, den ich angreifen muss, ist der, dass 
die consuln und eponymen nur an den kaienden oder iden ihr amt an- 
getreten hätten. Dem widerspricht durchaus die angäbe vieler interregnen. 
Wir haben oben mehrfach interregnen zu zwei interregen = 10 tagen ge- 
sehen. Eine solche terminverschiebung des antritts macht ein stAs be- 
obachten von kaienden und iden geradezu unmöglich, da zwischen Eaiden 
13 oder 15 tage liegen. Und ebenso unmöglich können die obigenCnter- 
regnen zu 5, 8, 11 interregen in das Schema Mommsens eingepasst werden. 



Cap. tÜ.] Einzelne omstWe. f^i 

ren anrahen zwischen der consulwahl und deren bestätigong durch die 
patricier vermittelt, was nach obiger annähme etwa in den juli fiel. 
Das geht deshalb nicht, weil dann Camillus länger als sechs monate 
dictator gewesen wäre, was weder rechtlich noch tatsächlich **•) vor- 
kommen konnte. Also entweder war Camillus zur zeit der wähl nicht 
mehr dictator, und die tradition hat ihm nur den rühm des endgül- 
tigen friedensstifters angedichtet, oder die wähl muss früher vor- 
genommen worden sein. Gegen die erste ansieht aber spricht der 
eiostinunige bericht bei Livius und Plutarch, dass Camillus bei dön 
neuen consulwahlen selbst tätig gewesen sei; und es ist kein grund, 
daran zu zweifeln. Wir werden daher die wähl früher ansetzen 
iQässen; dafür spricht auch, dass die gewesenen volkstribunen*^^) nach 



Also entweder dieses oder die interregen-angaben sind falsch; gegen letz- 
tere lässt sich sonst nichts anfuhren ; die namentliche au&ählung der inter- 
regen hat wol ebenso viel gewähr auf glaubwürdigkeit, wie die der eponymen. 
Endlich noch ein punkt für die schwankende gnmdlage unserer und aller 
ähnlichen combinationen aus der älteren romischen geschichte, die auf den 
Wortlaut der quellen bauen müssen. Wir haben in obigem, und ebenso im 
cap. IL über die Chronologie, die aus Livius geschöpften angaben über die 

Otto A9f\ ___ 

Jahresanfänge von -g^ und -j^ nicht weiter in zweifei gezogen. Wie aber, 
wenn dieselben der historischen glaubwürdigkeit entbehrten? Nitzsch (röm. 
annalistik p. 28 ff.) hat dargetan, dass bei Livius wie auch bei Dionjs sich 
üomer nur da angaben über Jahresanfänge finden, wo sich auch die cogno« 
ü häufen, d. h. wo die verhältnismässig jüngste von drei quellen zur 
^Wendung kommt, als welche er Licinius Macer mit recht bezeichnet 
(vergl. auch buch 1. cap. I). An allen stellen, an denen nachweislich die 
ältere oder mittlere quelle (Fabius Pictor und Valerius Antias) gebraucht 
worden sind, fehlen angaben über Jahresanfänge. Nun hat Licinius Macer 
auch sonst beweise einer besonderen und verdächtigen fasten-redaction, wie 
loittelst der höchst apokryphen libri lintei, gegeben. Da liegt der gedanke 
oah, dass wir auch in den Jahresanfängen willkürlich erdachte und gemachte 
(iaten vor uns haben. Auffallend wäre es jedenfalls, wenn Licinius, der ein- 
fach seine Vorgänger ausschrieb, beglaubigte daten haben sollte, wovon sich 
hei seinen quellen spuren nicht nachweisen lassen. Sind aber diese daten 
so fraglich, so vrird unsere daran geknüpfte combination gleichfalls bedenk- 
lich. Ich will hier darauf aufinerksam gemacht haben. Sind die daten un- 
echt, so fehlt jedes kriterium für die anfangsbestimmung der amt^'ahre. 

218) Letzteres weil die rogationen noch während des letzten amtsjahres 
der Volkstribunen, also vor dem 10. december 387, zum beschluss erhoben 
v^den, und Camillus zur Verhinderung der beschlussfassung die dictatur 
antrat. 

213) Abgesehen von den abnormen dictaturen Sullas und Caesars. 
21*) Bis zum 10. december 387 im amt. 

GiMOQ, röm. geich. I. 11 



162 I^er licinisch-sextiBcfae yerfiBusdongs-conflict. [Bach S. 

dem gewonnenen sieg die wählen werden möglichst beschlennigt haben, 
e he die paxteileidenschaft beschwichtigt worden und ihr eigenes Ver- 
dienst in Vergessenheit geraten war, da einer der leiter jedenfalls er- 
wartete, der erste plebeische consul zu werden. Kriege hatten ausser- 
dem seit dekn amtsantritt der letzten consular-tribunen — September 
387 — nicht stattgefunden , welche die wähl hätten verzögern kön- 
nen 21*). Vor dem 10. December 387 wie gesagt waren die rogationen 
zum beschluss erhoben. Damit hatte der zum zwecke der hinderung 
desselben ernannte dictator eigentlich seine dienste getan und konnte 
abgehen; allein die patricische partei scheint ihn absichtlich im amte 
gehalten zu haben, um mit iiim die letzte karte gegen die bestätigtuig 
des etwaigen aus der plebs gewählten consuls auszuspielen'^*). — 
Unter solchen umständen kann die wähl nicht spät im neuen kalender- 
jähr statt gehabt haben; denn Camillus war jedenfalls schon einige 
zeit vor dem 10. december 387 dictator, da die tribunen ihre roga- 
tionen nicht werden ganz am schluss ihres amtsjahres, sondern so viel 
früher den tributcomitien vorgelegt haben, dass sie im falle eines neuen 
hindernisses dieselben noch einmal einbringen konnten; dabei mosste 
jedesmal das promulgations-trinundinum vorausgehen. War demnach 
Camillus mitte november spätestens dictator geworden, so reichte seine 
amtszeit nur bis in die mitte des mai. Vor diesem termin muss aber 
die wähl vorgenonmien worden sein; und damit gewinnen wir für das 
4. Jahrhundert schon einen fall, in welchem die wähl und die damit 
zusammenhängende designation dem amtsantritt selbst um wenigstens 
2Vs monate voranging, was demnach den oben angeführten aussprach 
Mommsens widerlegt. Camillus selbst hat dann wol seine ganze amts- 
zeit voll ausgehalten. 
41 Wir haben noch von dem magister equitum des Camillus zu reden. 
Die quellen stimmen überein, dass es ein T. Quinctius war; nur 
über seinen zunamen sind die berichte verschieden. Livius'i^) nennt 
ihn Pennus, die capitolinischen fasten: Cincinnatüs Capitolinus. 
Nun sagt Livius^i») zum jähre 32S, dass der consul T. Quinctius 
L. filius Cincinnatüs auch den zunamen Pennus führe. Man 



215) Wir sagten, dass der Velitemer- und gallische krieg der mythe an- 
gehöre; darüber vergl. HI. 43 — 46. 

21^) So spricht übrigens auch Plutarch Gam. 42. 1, der senat habe, nadi 
den problematischen kriegen, allein vor der beschlussfassung über die roga- 
tionen, den Camillus zum zwecke politischer pression auf die gdgenpartei 
im amte gelassen. 2i7) 6. 42. 4. 218) 4. 26. 2. 



•■ -, 



Cap. III.] Einzelne umst&nde. 1B3 

könnte also nach Livius yermuten; dass der magister equitom yon 
387 etwa ein söhn oder enkel des consuls yon 323 sei; allein der mn^ 
stand, dass die capitoUnischen fasten den magister equitom nicht 
Pennus sondern Gapitolinus nennen, lässt annehmen, dass diese 
einen andren meinen. Sie kennen nämlich auch einen Pennus^^*) 
in der person des dictator von 393, T. Quinctius Pennus Gapi- 
tolinus Crispinns^^), und unterschieden dadurch offenbar diesen 
vom vorigen. Der zuname Pennus scheint also vonLivius nicht mit 
genQgender kritik aufgenommen zu sein, wenn wir nidit anzuneh- 
men haben, dass Livius gar keinen zunamen geschrieben, und erst 
ein späterer abschreiber den zunamen Pennus des zunächst citirten 
T. Quinctius, des dictator von 893221) auch auf diesen T. Quinctius, 
den magister equitum von 387, übertragen habe. Wir folgen also 
den capitoUnischen fasten, indem wü* T. Quinctius Cincinnatus 
Gapitolinus als magister equitum festhalten — freilich mit dem vor- 
behält, dass alle diese cognomina ehedem wahrscheinlich noch nicht 
exisUrten, sondern erst später willkürlich ergänzt wurden — ; er war 
im vorhergehenden jähr, 386—87, consular-tribun gewesen. *22) 

Neben den ausserordentlichen magistraten der conflictjahre sind 42 
nun noch die eponymen festzustellen. 

Was diese betrifffc, so sind wir dabei in einen conflict zwischen 

den verschiedenen berichten versetzt. Wir sprachen schon oben 22*) 

davoB, dass Livius und Diodor in gegenseitig ausschliessender weise 

die eponymen von 378—79 und 387—88 angäben. Dass der ausfall 

der eponymen oder vielmehr deren Wahlverzögerung schon von dem 

abgang der eponymen für 377— 78 an zu datiren sei, haben wü* oben 

erwiesen 224), wodurch die angäbe des Livius von einer 6jährigen ma- 

gistratslosigkeit seit 378 trotz der fCÜtjahre den schein richtiger be- 

rechaung trägt. Anders aber steht es mit der eponymen-frage selbst. 

Bei aller nachlässigkeit und Verwirrung in der Chronologie Diodors 

ist doch bei ihm zu unterscheiden zwischen Jahresberechnungen und 



319) So höchst wahrscheinlich ergänzt. 

390) Von Livius 7. 9. 3. nur Pennus zubenannt; vergl. die triumphal^ 
acten zu 393; magister equitum 394; consul 400, ü. 403. 

321) Livius 7. 9. 3, jenes obengenannten Pennus Gapitolinus 
Grispinus. 

33 s) Ist nicht zu verwechsehi mit dem gleichnamigen consulur-tribun 
von 366, II. 370, dictator 374, .triumphator 374 (vergl. die fasten), sonst 
nrQsste man 386 ein III. bei ihm erwarten. 22«) H. 6, 7. 224) n. 6^ 



164 l)er licinisch-sextiscbe yerfassangs-conflict. [Buch 3. 

daten und andrerseits Jahresbezeichnungen durch eponyme. Erstere 
sind völlig verwirrt, wie Mommäen vor allen nachgwiesen hat; letztere 
aber sind in demselben grade glaubwürdig. Denn es ist eine an- 
erkannte tatsache, dass Diodor ältere und echtere fasten vor sich 
gehabt hat, als Livius, Dionys, ja alle übrigen historiker und die ca- 
pitolinischen fasten selbst^^^). Er hat dieselben; was die einzelnen 
jähre betrifft, auch ganz gewissenhaft ausgeschrieben^! und seine 
eponymen-angaben verdienen daher vor Livius und den capitolinischen 
fasten den Vorzug. Die echtheit seiner angaben documentirt sich auch 
dadurch, dass er im Gegensatz zu Livius und den capitolinischen 
fasten in der späteren zeit der consulartribunen nicht regelmässig 
coUegien von sechs eponymen setzt, sondern, wie es für den consular- 
tribunat viel naturgemässer und nach dem beispiel der früheren 2ßit 
wahrscheinlicher war, ganz unregelmässig, bald drei, bald vier, \M 
sechs eponyme nennt. Daraus geht hervor, wie Mommsen^*^) jedu 
cirt, dass die bei Livius und in den capitolinischen fasten über Dio- 
dors angaben vorhandenen consulartribunen meist als spätere fiction 
zu streichen sind. Im ganzen sind es elf solcher verschieden besetzter 
collegien. Bei neun von diesen stehen die bei Diodor nicht vorhan- 
denen namen bei Livius an letzter stelle und erregen dadurch den 
offenen verdacht späterer Interpolation. Von diesen collegien fallen 
zwei unter die von uns zu betrachtenden, nämlich 384 und 386^^)' 
Daneben gewinnen dann die angaben Diodors über die aufeinander- 
folge der eponymen-collegien, besonders auch über die collegien von 
378—79 und 387—88 eine präponderanz vor denen des Livius. Wir 
sahen oben, dass in Wahrheit Livius und Diodor über die collegien 
zwischen 377—88 übereinstimmen, indem jeder auf sechs jähre förf 
collegien rechnet, die dann mit jedesmaligem Intervall von einigen 
monat^ gleichmässig zu verteilen wären; dabei ist es gleichgültig 



225) Vergl. Mommsen in Hermes 5. 274 ff.; auch dies spricht fürPiao 
als Diodors quelle, da derselbe wegen seiner chronologischen genauigkei^ 
bekannt war; vergl. meinen aufsatz: die quellen Diodors, in den Heidelb, 
Jahrb. 1872. p. 835; während das alter der diodorischen fasten durch den 
mangel aller cognomina bestätigt wird; vergl. Nitz^ch röm. annalistik 
p. 153. mit den nachweisen. ^26) Mommsen a. a. o. 273 ff. 227) a. a. 0. 

238) Mommsen a. a. 0. p. 276. bemerkt noch, dass Livius oft noch auf 
ältere fasten zurückgeht, als die capitolinischen fasten, da bei ersteren die 
interpolirten namen am ende, bei letzteren oft schon in der mitte eioge- 
schoben stehen, wodurch diese sich eine weitere Verderbnis zu schulden 
kommen lassen. 



Cap. m.] Einzelne umstände. Ig5 

an welche stelle dann die sunune der intervalle als ein ganzes jähr 
eingeschoben wurde^^»). Wir haben auch gesehen, dass in Wirklich- 
keit für SlS-^*79 ein coUegium anzusetzen sei, nur ging dasselbe dann 
in folge der Wahlverzögerung vom november 378 an.äso) 

Während wir nun hierin den spuren des Fabius Pictor bei Livius 
folgten, müssen wir, was die collegien selbst betrifft, vielmehr Diodor 
nachgehen, und zwar sowol was die reihenfolge der collegien, als 
auch was die Ordnung der einzelnen eponymen in denselben betrifft 

1. 377 — 78. Nach Biodor 15. 61: sechs consular-tribunen: L. 
Aemilius, C. Verginius, Ser. Sulpicius^si), L. Quinctius, 0. 
Cornelius, C. Valerius. Livius^^s) ordnet sie folgendermassen: 
1, 6 (P. Valerius DIL), 2 (C. Veturius), 3, 4, 5 (C. Quinctius Cincin- 
natus). Mommsen233) bemerkt, dass die fasten Diodors höchst wahr- 
scheinlich gar keine iterations-angaben bei den eponymen hatten, da 
dieselben bei Diodor so äusserst selten vorkommen ; diese feien denn 
wahrscheinlich folgerungen und ergänzungen Diodors selbst. Ist dies 
aber zugegeben, so folgt daraus, dass die iterationszeichen, wie sie in 
den capitolinischen fasten und bei Livius sich finden, in gleicher weise 
erst das resultat späterer combination und zwar nach massgabe der 
in diese fasten eingetragenen eponymen sind; daher sie als eine fest- 
beglaubigte historische tatsache nicht anzusehen sind. Nur also wenn 
sie mit den übrigen angaben, speciell mit Diodor übereinstimmen, 
können wir sie gut heissen. 

Was nun die reihenfolge der eponymen betrifft, so stimmen 
die capitolinischen fasten offenbar mit Diodor überein, wenngleich 
erstere nicht erhalten sind; es geht dies hervor aus den von den- 
selben abgeleiteten fasten des Chronographen von 354, welcher die 
bei Diodor an erster und vierter stelle genannten richtig vermerkt; 
Mommsen^w) erklärt dies so, dass der Chronograph von den in den 
alten fasten, auch in den capitolinischen, in zwei colonnen notirten 
eponymen jedesmal die beiden obersten, also bei zwei colonnen zu je 
drei eponymen, den ersten und vierten ausschrieb. Demnach ist die 
livianische anordnung zu verwerfen, ^sö) 

Statt C. Verginius hat Livius C. Veturius. Zu 385 notirt er 



289) Vergl. II. 6, 8. 230) n. 9. 

Ml) Diodor: lepooiXtoq statt Servius. 282) 6. 32. 

M8) Hermes 5. 279. 284) c. I. L. I. p. 483. 

285) Der Chronograph hat: Mamertino et Cincinnato, die cogno^ 
mina des Aemilius und Quinctius. 



X66 Der licinisch-sextigche Teifassnngs-conflict. [Buch 3. 

gleichfalls einen C Yeturius ohne Iteration^)) den hier aneh Diodor 
verzeichnet; wir dürfen wol dabei an einen irrtum des Livius denken 
und Diodor treu bleiben. — Was die beiden Quinctier an letzter 
stelle des Xiiyios betrifft, statt deren eines Diodor einen Cornelius 
hat, so scheint Livius beim abschreiben der fasten von dem folgenden 
C. Gomelins zu dem vorhergehenden L. Quinctius Cincinnatus in der 
weise abgeirrt zu sein, dass er das praenomen richtig setzte ^^^), das 
gentile und cognomen aber des Vorgängers wiedergab und Cornelius also 
übersah. — Dem Gaius Yalerius Diodors gegenüber muss der P. 
Yalerius IIQ. des Livius fallen. Mit dem letzteren wird überhaupt 
in Livius* fasten ungewöhnlicher unfug getrieben; sechs mal wird er 
als consular-tribun notirt: 368, 370, 374, 377, 384, 387* Davon fallen 
nach Diodor als falsch aus: 368 «m), 370«»), 377 2*o), 384 3*i), SS7^^). 
So bleiben von den sechs tribunaten nur eines, 374, echt, und dieses 
noch dazu nicht ganz sicher wegen der corruptel bei Diodor. Msa 
merkt bei Livius gar zu sehr die band des Yalerius Antias als der 
quelle seiner quelle Licinius Macer 84«), während Diodors quelle (Piso) 
noch nichts davon hat 

L. Aemilius[Mamercinus]2**) wurde, wie gesagt**^), 386 ma- 
gister equitum, consul 888, 11 391»*«). 



^ Die capitolinischen fasten fehlen hier. 

^7) Warum Mommsen röm. forsch, p. 16. unter den vomameii der 
Gomelier Gaius nicht notirt, begreife ich nicht, da doch anerkanntermassen 
eine reihe patricischer Gomelier so Messen; vergl. Livius 33. 39; 39.45; 
31. 49ff.; 32.2; 34.62; um der älteren nicht zu gedenken, Diodor 15.24. 
zu 367 und an unserer stelle. 

«W) Bei Diodor vier eponyme; P. Yalerius bei Livius letzter von sechs ; 
die beiden letzten nur füll-eponyme. 

339) Bei Livius zweiter; allein dessen ganze anordnung widerspricht der 
der capitolinischen fasten und den vier eponymen Diodors. 

240) Unsere stelle, wo dem P. Yalerius zu liebe der Gaius Diodors um- 
geändert ist; der P. Yalerius von 374 ist wol echt, und die angäbe Diodors 
an dieser stelle : UdnXtog ^A/xo€ einem Schreibfehler zuzuschreiben. 

^1) Bei Livius fOnfter, währendDiodor nur vier hat; daher zu streichen. 

248) wegen gänzlichen fehlens des eponymen bei Diodor; zu der ganzen 
frage Mommsen Hermes 5. 274ff. 

248) Nitzsch röm. annalistik 351ff. 

244) Yater- und grossvater-vomamen sind unbekannt; Diodor 6. 82. zu 
388, Liv. 7. 1, 3. zu 388 und 89 haben Mamercus statt Mamercinas. 

245) Siehe § 24. 

246) Weissenbom edit. min. stereotyp. Teubner im index ideQtific^ um 



Cap. nj.] Einzelne umstände. 167 

C. Verginius. üeber ihn ist weiter nichts bekannt**^). 

Servius Sulpicius. Monunsen^ giebt ihm den zunamen 
Praetextatus, weil zum jähre 378 der Chronograph von 364 einen 
Praetextatns notirt hat, in den capitolinischen fasten zu 384: 
...ext m, zu 386: . . . extat IV. notirt ist, was die stelle von 
Snlpicius einnimmt, und endlich Diodor unter seinen eponymen von 
378 einen Ser. Sulpicius hat. Wahrscheinlich ist der zuname also 
wol^*>. Dieser Sulpicius ist derselbe, den die sage zusammen mit 
C. Licinius Stolo einen Schwiegersohn des M. Fabius Ambustus nennt. 

L. Quinctius [Gincinnatus]. Mommsen^^*) hält ihn für den- 
selben, welcher 368 schon consular-tribun war 2^^); er ist dies wahr- 
scheinlich. 369 begegnen wir dann beim Chronographen: Capitolino 
etCincinnato, bei LiYius^ß») T. et L. Quinctii CapitoIini«w> 
Nun deutet der Chronograph unzweifelhaft an, dass ein Gincinnatus 
unter den consular-tribunen der capitolinischen fasten gewesen sei, 
natürlich ein Quinctier. Wenn nun aber Livius beide Quinctier Ga- 
pitolini nennt, so hat der verdacht Baum, dass er oder seine quelle 
aus versehen von dem gleichen gentile verftkhrt auch daa gleiche 
cognomen schrieb. Da aber Gincinnato beim Chronographen an 
zweiter stelle der vierten stelle der capitolinischen fasten entspricht, 
io gleicher weise aber auch bei Livius und Diodor L. Quinctius die 
^erte stelle einnimmt, so möchte man annehmen, dass bei ihm das 
v^ehen des Livius oder seiner quelle statt fand und aus dem Gapi- 
(olinus ein Gincinnatus zu machen sei, falls der betreffende nicht 
beide zunamen, yfie der magister equitum von 387 L Quinctius 
Gincinnatus Gapitolinus trug. Dann aberliegt nichts im wege, 
den consular-tribunen von 368 und 369 für dieselbe person zu halten. 
Wir w^den also L. Quinctius im jähre 377 zum dritten mal als con- 
snlartribun finden. 



falschlich mit dem gleichnamigen consnl von 413 und 425; vergl. CLL. I. 
p. 512 und 13 die übersieht der fasten; letzterer hat nach dem Chrono- 
graphen von 354 den zunamen Priuernas. 

M7) Wenn überhaupt der vorkäme recht ist; sonst wird Gaius nicht 
bei den Yerginiem gefunden, häufig Lucius und Aulus, ersterer 365 
nnt^r den consulartribunen. 2«) C. 1. L, L p. 508. 

249) lieber die consular-tribune von 384 upd 386 si^he unten zu den 
jähren. 250» C I. L. L index s. v. Quinctii. 

251) Liv. 6. 6; chrojograp);^. Diodor 16. 25. «m) 6. 11. 

2W) Diodor 15. 28: Kotvrtog Aedxtog, 



]gg Der licinisch-sextische yer&ssnngs-conflict [Buch 8 

C. C rn e 1 i u s ^). Zu 367 an zweiter stelle notirt Biodor ^w) einen 
C* Cornelias ^); ob beide identisch sind, lässt sich nicht sagen; mög- 
lich ist es immerhin. 

0. Valerius2*7) kommt bei Livins^«) zu 384 an letzter stelle 
wieder vor, muss aber dort wegfiallen^s»); sonst ist er unbekannt. 

2. Zwischen dem letzten coUegium und dem nun folgenden liegt 
die örste Wahlverzögerung; wir setzten demnach **>) das zweite coUe- 
gium an Tom 1. november 378 bis 1. november 379. 

Nach Diodor^i) waren es vier consular-tribune: L. Papirius, 
L. Menenius, Ser. Cornelius, Ser. Sulpicius. Wir sahen 
oben^3), c[ass das zweite livianische collegium und alle bei ihm fol- 
genden um eine stelle weiter zu schieben seien, da er das zweite dio- 
dorische ausgelassen, dafür aber an letzter stelle eines zugesetzt hätte. 
Im übrigen stimmt die von den capitolinischen fasten abgeleitete 
quelle, der Chronograph, mit Diodor so weit überein, dass sie dessen 
vierten eponymen richtig angiebt^c^). Dagegen stimmt der erste 
eponym des Chronographen nicht mit Diodor; dieser hat L. Papi- 
rius, der Chronograph LanatusIDI; dies ist kein beiname der Pa- 
pirier, sondern der Menenier^**); daher jener Lanatus mit dem 
zweiten eponymen bei Diodor übereinstimmt. 

L. Papirius. Nach Diodor «w) kommt ein L. Papirius schon 
vor 366, 367, 369 und 370. Dagegen hat Livius^««) zu 365 statt Pa- 
pirius einen L. Aemilius, zu 367 wie Diodor, zu 369 L. Papirius 
Cursor n.3*^), zu 370 C. Papirius Crassus^««); dagegen hat er zu 382 
einen L. Papirius ^«9), wo Diodor ^^o) Spurius Papirius liest. Was 
nun den livianischen L. Aemilius betrifft, so kommt er bei ihm 367 
iterum vor, allein auch ohne bei Diodor vermerkt zu sein; femer 
nennt Livius ihn zu 377^^^) wieder, allein ohne eine m, und hier hat 



2M) Gegen Livius nach Diodor; siehe oben und die note 237 über den 
Vornamen. 855) 15. 24. 

3S6) Bei Livius 6. 5. an dessen stelle Cn. Sergius. 

257) Siehe oben. 268) 6. 36. »«9) Siehe zu 384. 

2«)) n. 9. 261) 15. 71. 262) n. 7. 

263) D. h. mit dem cognomen, das Diodor zwar nicht hat, allein das 
demselben sonst zugefügt wird: (Sulpicius) Praetextatus (siehe den Sul- 
picius des vorigen collegiums). 264) Wie aus den eponymen von 2öl, 
377, 302, 314, 31ö, 335, 367 hervorgeht; vergl. C. I. L. I. p, 486 ff. 

2«) 16. 22, 24, 28, 36. 266) 6. 1. 267) 6. 5, 11. 

268) Vergl. Livius 6. 1, 5, 11, 18. «e») 6. 22. 

270) lö. 46. 271) 6. 32. 



Cap. m,] Einzelne umstäüde. 169 

auch BioäoT^^) ihn. Dieser mangel der iteration am dritten ort macht 
for Livios die beiden vorigen verdächtig, wenngleich es nicht der- 
selbe gewesen zu sein braucht; jedenfalls tuen wir gut, Biodor zu 
folgen^ dessen eponyme zu 367 sehr von den livianischen abweichen. 
- Was endlich den livianischen C. Papirius Crassus von 370 be- 
triffl;, 80 kommt er sonst nirgends vor, wird daher wol dem diodori- 
schen L. Papirius weichen müssen^'). — Wir sehen also, dass der Pa- 
pirius von 378—79*^*) zum fOnften mal consular-tribun war. Ob ihm 
von Livius mit recht der zuname »Cursor« gegeben wird, ist un- 
bestimmbar, nach dem zustande der ältesten fasten, in denen die 
cognomina fehlten; zu urteilen. 27») 

L. Menenius. lieber ihn haben wir oben gesprochen »76) und 
gesehen, dass die verschiedenen Licinii Menenii des Livius nicht in 
betracht kommen. Diodor^^) ^^t einen L. Menenius noch zum 
jake 374 an; es mag dies wol derselbe gewesen sein als der unsrige, 
der also 378 11 war. Die angäbe des Chronographen »Lanato im.« 
ist, wenn auch den capitolinischen fasten nachgescl^eben, ohne wei- 
teres gewicht; die fasten zählten offenbar wie Livius vorher drei Li- 
cinii Menenii und bezeugen dadurch nur vcm neuem die ansieht, dass 
sie wie Livius und Dionys aus denselben späten quellen schöpften ^^s). 

Ser. Cornelius. Zu 372 notirt Diodor279) noch einen Ser. 
Cornelius 3^) , während Livius zu diesem jähre sowol als zu 368, 
370^1), 374 einen solchen mit dem zunamen Maluginensis anfüQirt^^^); 
wir müssen nach Diodors Zeugnissen diese drei streichen. Ueberein- 
stimmend nennen dann beide noch einen Ser. Cornelius ohne cognomen 
zu 384 und 386. Es ist nicht unmöglich, dass alle vier eponymen 
dieselbe person sind. 

Ser. Sulpicius, in den fasten mit dem cognomen Praetextatus, 
war 377, 378, 384, 386 eponyin.a»«). 



272) 16. 6L 

273) Yergl. Mommsen Hermes 5. 277. Dass der L. Papirius von 386 
in den capitolinischen fasten und bei Livius 6. 38. an fOinfter stelle blosse 
fäüong gegenfiber den drei constdar-tribunen Diodors 15. 78. ist, hat Momm- 
sen schon dargetan; vergl. Hermes 5. 274. unter Nr. 10. 

274) Wenn er derselbe ist wie die früheren. 275) Siehe oben. 
276) m. 15. 277) 15. 55. 278) Mommscn Hermes 6. 272. 
279) 15. 41. 280) Schreibt fälschlich Servilius statt Servius. 

281) Zum jähre 370 und den fasten desgelben vergL Mommsen Her- 
mes 5. 277. 282) 6. 6, 18, 22, 27, 
28«) Siebe oben zu 377—70, 



170 ^^^ liciniseh^sextiiidie Ter&ssongs-conflict. (Bßch 3. 

8. Mit ttberspringimg der ftof fftlljahre und berechnung des fer- 
neren intervalls diurch die fnddverzögemng setzten wir oben^^ das 
' dtittecoU^gimn vom 1. februar 385 bis zqm 1. febroar 386 an. Diodor^) 
ffO* m dass vier coiMiiaarrtribimen im amt waren: L. Purins, 
A« ^a^nlius^^X Ser. Sulpicius, Ser« Cornelias. Dagegen haben 
Liviu«^^^ und die ci^itolinischen &sten^) sechs eponymen. Die zwei 
letj|te^ bei ]14vius; P. Yalerius und C. Yaleriusi feUen bei Dio- 
4or ub4 sind dahier als blosse f&llung zu streichen. ^9) 

L. Furivs. Der Chronograph giebt ihm nach den capitoünischen 
{afifte4 das cognomen Medullinus^). Nach Diodor^^*) ist ein L. 



»*) IL 9. 38») 16. 76. 

^) Der diodorische text hat : IlaöXos MdUtog, das IlauAog ist o£Eenbar 
«OS il^^mit fiüschlichem Torsetzen eines 12 entstanden; die form MäUwq 
ißt die gewöhnlidiA ; vergL 15. 35, 51 ; 16. 70, 74. und viele ancbre steUeo. 

M7) 6. 36. 

S88) Fragmentarisch aber aus dem Chronographen erkennbar. 

38») VergL Mommsen Hermes 6. 275. unter Nr. 16, 17, 18; beme^ 
kenswert ist, dass Mommsen ibid. p. 276. aufmerksam macht, dass aUe diese 
fiUl-eponymen mit einer ausnähme (M. Trebonius ton '371) aus den be- 
kanntesten patricischea gesqhlechtem ausgewählt sind, aus den Valerien, 
Horatlem und ?apiriem z. b. Pas besonders häufige vorkommen von Var 
leriQm an diesen gefälschten stellen deutet auf das klarste den falscher an, 
dem vdr vielleicht überhaupt die schematische herstellung der späteren con- 
sular-tribunicischen collegien als OsteUige zu danken haben, auf V^ilerias 
Antias aämlich. Diese fälschung wird froher noch nicht vorgelegen haben, 
und da» spricht fCLr die möglichkeit, dass die diodorischen berichte auf die 
uocb nicht hierin gefälschten fasten Pisoß zurückgehen; vergl. meinen auf- 
satz: die römische quelle Diodors in den Heidelberg, jahrb. 1872. 
p. 836 ff. Zugleich findet die weitere Mommsensche bemerkung hier ihren 
beweis, dass nämlich bei Livius die füll-eponymen leicht erkennbar am ende 
stehen und daher den eindruck einer unveränderten copie der ursprüng- 
lichen fälschung machen; während die capitolinischen fasten ein fei^i^er ent- 
stelltes bild der original-fasten geben, indem sie die füll-eponymen nicht 
mehr am ende, sondern unter den editen verteilt angeben; so steht der 
Byiauische P. Valerfus in denselben an vierter, der C. Valerius an zweiter 
oder dritter stelle, da die erste, fftnfte und sechste stelle nach dem äfo- 
npgraphen von Furius, S^^picius und Cornelias ^eset^t sind; vevffl 
Mommsen a. a. o^ p. 274. note und obei^ ^ote 228. 

2«o) Eine historische beglaubigung ist damit nicht ausgespij^h^; iß 
folge der später existirei^en stkpes — familien -r des geschlechts, di^ durch 
cognomina unterschieden waren, haben die annftUsten und fasten-v^rfcrtiger 
die älteren geschleohts^nossen mit den bein^en i^terßcbieden und jeder 
stirps ihren besonderen beiden zugewi^se^ ha)>en ; s^g^ cognomin^ wi^ ^^' 
millus werden dadurch sehr zweifelhaft. W) lö> 57. 



Cftp. m.] Einzelne umstfinde. 171 

fü/ius eponym von 376; Livius^w) hat dort Sp. Furius, wol 
flilschlicher weise 2^). Auch zu 373 wird ein L. Furius gemimt^ \ 
ob diese beiden Furii mit dem unsrigen identisch sind, bleibt dahin- 
gestellt. Vielleicht ist der unsrige derselbe, welcher im jähre 391 mit 
M. Fabius Ambustus nach den capitolinischen festen censor war und 
das zwanzigste lustrum feierte ^^); wenigstens trägt er dort auch den 
beinamen Medullinus. 

A. Manlius. Zu 371 hatLivius^) einen A. Manlius m, wl&h- 
rend Diodor^d?) offenbar einen Schreibfehler gemacht hat, da er 
KpiOTioQ MdXhog (Pdßtos schreibt; ob daraus ein Aulus Manlius her- 
Tostellen ist, bleibt unentschieden. Der A. Manlius von 369 bei U- 
Tms»8) an erster stelle ist als füU-eponym gegenüber Diodor^»*) zu 
streichen ^^). Zu 365 ist der Ä. Manilius des Livius^^^i) nachPio- 
dor'o«) in A. Manlius zu verwandeln. 

Ueber Ser, Sulpicius und Ser. Cornelius ist bei dem zwei- 
ten eponymen-coUegium'^) gesprochen worden. 

4. Vom 1. Mai 386 bis 1. Mai 387 setzten wir das vierte col- 
leginm an^^). Die consular-tribunen sind: Q. S^ervilius [Fi- 
denas in.]3ö5)^ q. Viturius^^e), A. Cornelius [Cossua], M. Cor- 
nelius [Maluginensis], Q. Quinctius^% M. Fabius [E. f. M. 



298) 6. 31. 

^) Vorher zum jähre 363 begegnet bei Livius 5. 32. ein L. Furius als 
Cimsulartribun, und zwar anfangend mit 347 (Liv. 4. 67 ; derselbe hat ^rt 
gleich 11 und zu 349 lib. 4. 61. eine III falschlich gesetzt; die capitolini- 
schen fasten corrigiren ihn); von den sieben stellen aber föllt nach Dioder 
aus Nr. I (Diodor 14, 3 der vomame Gaius; II im jähre 349 ist unsicher, 
da bei Diodor 14. 17 drei eponymen fehlen; ebenso unsicher m zu 356; 
bei Diodor 14. 82 fehlen zwei eponyme; desgleichen IUI zu 357 bei Diodor 

14. 85; desgl. VI. zu 360, bei Diodor 14. 97 sind von drei nur zwei ange- 
geben); erwiesenermassen echt nach ihm sind nur V und VII (Diodor 14. 94* 

15. 15). 

SM) Diodor 15. 48 ; Livius 6. 22. 

396) In den fasten: L(ustrum) F(ecerunt) XX. 296) 6. 21. 

297) 15. 38. 298) 6. 11. 299) lÖ. 28. 

800) Dabei findet der ungewöhnliche umstand statt, dass bei l4vil||i wie 
in den capitolinischen fasten nach dem Chronographen die fall-epon^qne nicht 
an letzter sondern an. erster und dritter stelle stehen. ^^^) 6. 1. 

«02) 15. 22. 303) Siehe obeA. 

»04) I. 9. 806) Diodor 15. 77: Quintus Serriu^i, ^4ld^s 6^. 3*. 

»06) Siehe unter Nr. 1. zu C. Verginius. 

»07) Ist bei Diodor ausgefallen. 



172 Der licinisch-seztische Terfassongs-conflict [Bnch 3. 

n. Ambustas n.]^; die reihenfolge ist in allen' fasten-angaben 
dieselbe*^). 

Q. Servilius Nach dem Chronographen: Fidenas ni; er fthrt 
zu 372 einen Fidenas, zu 376 U, zu unsrem jähr m. an'^^); 
wir dtlrfen demgemäss denselben Servilius an den drei stellen er- 
kennen. 

C. Yeturius. Wir sahen oben, dass Ldyius ihn fälschlich für 
377—78 statt Yerginius nennt; näheres wissen wir nicht über ihn. 

A. Cornelius [Gossus] und M. Cornelius [Malnginensis]. 
Die richtige Zuteilung der zunamen^^^), da in den capitolinischen 
fasten Vorname und gentile fortgefallen sind, beruht lediglich auf der 
bei allen fasten-angaben innegehaltenen genauen reihenfolge. Beide 
begegnen uns 3*^) 387—88 wieder mit dem zusatz n, woselbst sie mit 
den eponymen des ganzen Jahres als interpolirt zu verwerfen sind. 
Dass Cossus nicht mit dem sonst gleichnamigen Cossus Arvina, consul 
411 und 422 zu verwechseln sei, sagt Mommsen'^^); eine berech- 
tigung für diese ansieht ist wol hauptsächlich darin zu suchen, dass 
der consular-tribun nicht den zunamen Arvina gehabt zu haben 
scheint, wie aus den fragmenten der capitolinischen fasten zu 385 
hervorgeht; dortliestman: ...N(epos) Cossus; also war kein platz 
für den namen Arvina vorhanden, den der consul von 422 beim 
Chronographen mit dem zeichen n führt und damit au£ den consol 
von 411 zurückweist 31^). Aus demselben gründe ist der magister 
equitum von 401 und 405'^^) nicht dem consular-tribunen gleich. 
Weissenborn'i^) hält M. Cornelius fftr denselben wie den censor 
von 362.81') 

Q. Quin et ins. So nach Livius3i^);Diodor8i^) hat einen eponymen 



808) Diodor: ^duiog, «09) Capitol fasten, Chronograph, Diodor, Livius. 

310) Diodor 15. 41. zu 376 ohne das gentile aber an richtiger erster 
stelle, 15. 57. zu 376 name und stelle richtig; Livius 6. 22. zu 372 Q. Ser. 
an vierter stelle, 6. 31. zu 376 Q. Servilius U. an zweiter stelle. 

Sil) Ueber die frage nach deren glaubwflrdigkeit siehe oben in diesem 
Paragraphen. 3i2) Bei Livius 6. 42. und den feisten. 

81») C. L L. L index. 

814) Obgleich der chronogcaph hier schreibt: CossoIII, offenbar aus 
Verwechselung mit dem consular-tribnnen von 387. 

815) Fasti capitoL et triumphal. 

816) Edit. Livii maior zu 6. 36. 6. 8i7) Nach Liv. 5. 31. 
818) 6. 36. 819) 15, 77. 



Cap. in.] Einselne umst&nde. 173 

zu wenig genannt; und bei der übrigen übereinsUnimung der fasten 
für dieses jähr dürfen wir den liyianischen Qoinctins wol festhalten. 
Nur freilich ist der Yomame Quintos äusserst selten. Ldvius'^^) 
führt noch einen Q. Quinctius Cincinnatus für 349 an, dessen echtheit 
aber dnrch den ausfall Ton drei eponymenstellen bei Diodor'^^) nicht 
zu controliren ist. 

M. Fabius [Ambustus], der vorgebliche Schwiegervater des 
G. Licinios Stolo, war 878 consular-tribun gewesen s*^); wahrscheinlich 
ist er auch derselbe Ambustus*^»)^ welcher 391 mit L. Furius Me- 
dullinus***) censor war. 

5. Nach dem abgang des vorigen collegiums am 30. april 387 
üessen wir drei monate noch ausfallen und datirten das fünfte colle- 
gium vom 1. august 887 bis 1. august 388. ~ Diodor^^) sagt, dass 
diesmal drei consular-tribunen im amt waren: T. Quinctius, Ser. 
Cornelius^ Ser. Sulpicius. Livius^^) und die capitolinischen fasten 
dagegen setzen am ende dieser reihe noch drei andre hinzu: Sp. Ser- 
vilius, L. Papirius, L. Veturius; sie sind zu den füll-eponymen 
zu zählen und zu tilgen ^^). Die drei echten sind in gleicher weise 
bei Livius und Diodor überliefert, d. h. ohne cognomina, während die 
capitolinischen fasten nach Mommsens restitution den ersten Cincin- 
natus Gapitolinus, den zweiten Maluginensis VII, den dritten 
Praetextatusim nennen. 

T. Quinctius. Es ist möglich, dass er und der magister equi- 
tum von Camillus iü eben diesem jähre identisch seien. '^) 

Ser. Cornelius und Ser. Sulpicius sind uns schon häufiger 
begegnet.»») 

Was endlich das von Livius '^) und den capitolinischen fasten an 
letzter stelle angeführte consular-tribunicische coUegium angeht, so 
haben wir schon gesehen, dass es gänzlich zu verwerfen ist, da Diodor 
nichts davon weiss, und es auch überschüssig ist^^). Das auslassen 
der eponyme für 378—79, welche Diodor allein bewahrt hat, machte 



»w) 4. 61. »81) 14. 17. 

832) Livius 6. 22; Diodor 15. 48. ohne cognomen. 

828) i^or der cognomen in den fasten erhalten, bei Livius nicht erwähnt. 

•M) Siehe oben zu Nr. 3. »28) 15. 73. 826) e. 38. 

»87) Mommsen Hermes 5. 275 ff. »88) Darüber § 41. 

»8») Siehe oben zu Nr. 1. 8so) e. 42. 

»»i) U. 5, 7; m. 42. anüang. 



174 ^^ lieiniflcli-fleztische Terfassongs-conflict. [Bach 3. 

eine ergSnznng nötig, die dann statt an den anfang an's ende dieser 
Periode gerflckt wurde.*»*) 

Was nun die jedesmalige ssaU der eponymen betrifft, so haben wir 
im gegensatz zu der schematischen sechs-zahl bei Livins und den &sten 
eine mannigfEtltige abwecfaselung bei Diodor gefanden, üeberhaapt 
erhalten von allen den sechsstelligen coilegien des Liyius und der 
fasten, welche Ton 349 an constant sind, durch Diodor Ihre bestä- 
tigung, nur die coUegien Ton 349— 69, 364—67, 373— TS»**), 377 und 
das vorietzte der conflictszeit 386—87; die übrigen wechseln zwischen 
drei und vier eponymen. 

Interessant ist femer die beobachtung, dass alle eponymen der 
conflictszeit rein patricisch sind, was ein eigenttlmliches licht auf die 
Stellung der plebsmasse zu der gesetzgebungs- frage wirft^. Es 
geht daraus hervor, dass der kämpf gegen die patricier nur von der 
vornehmen plebs und den tribunen gefuhrt worden ist, während die 
geringen plebeier, die masse, immer noch grösseres vertrauen zu den 
patriciem als zu ihren eigenen vornehmen standesgenossen durch die 
wähl jener bewiesen. Zugleich aber sehen wir aus dem umstände, 
dass die vornehmen plebeier beziehungsweise die tribunen dennoch die 
gesetze durchsetzten, dass sie eine bedeutende macht und nicht eine ge- 
ringe zahl im State ausmachten, deren geschlossenes zusammenhalten 
gegenüber dem patriciat und der gleichgültigen masse allein den 
Volkstribunen den mut geben konnte, mehrere jähre hindurch den 
kämpf fortzusetzen und endlich obzusiegen; sonst wäre schon die so 
häi^ge Wiederwahl der leitenden tribunen undenkbar gewesen, wenn 
nicht die vornehmen und reichen plebeier jeder fUr sich die mit ihm 
in berührung stehenden armen standesgenossen dazu immer wieder 
angetrieben und den durch die beiden ersten rogationen zu erringen- 
den vorteil vor die äugen gestellt hätten. Der gegenständ der con- 
flicts war also ganz allein das ringen der plebeischen nobilität um 
verschmehsung mit der patrieischen, dagegen das abwehren des patri- 
cischen eben dieser Verschmelzung mit einer gleichgültig zuschauen- 
den, nur den momentanen eigenen Interesse folgenden masse von 
stimmberechtigten armen. 



M«) Moinmsen Hermes 5. 375—76. 

>8S) Darunter äit letzten beiden achtstellig bei Diodor wahrscheinlich 
in folge von mitberechnung der censoren. 

^ Siehe am ende des buches und buch II. cap. VI. 



Oap. ni] Einsefaie umstände. 175 

Als gnmd fftr die Wiederwahl Ton constdar-tribimen im jähre 384 4t 
nach der magistratslosen zeit wird von Livins der ausbmdi isijtöii 
krieges mit den Yelitemem hingestellt, der die emennung yon ober- 
befelsliabem als magistratus cum imperio notw^dig madite. Und 
ebenso macht die fortdauer des krieges in jedem folgenden jähre 
emeneuwahl nötig, der sieh sonst die volkstribnnen widetisetzt hubelä 
wötden. 

Was die 'geschidite dieser angeblich römischen colonieYelitrM 44 
betrifft, so hat schon Ihne**^) erwiesen, wie wenig glaabwtl[)'dig der 
bericht nber die colonisation des ortes im j«^e 260 sei^; dasa 
kömmt der häii%e abM der römischen colonist^ von der inutter- 
stadt, der erst recht nnglaublidi ist, da es doch das itair(Hintereäse 
soldier colonisten sein mnsste, zur anfrechterhaltong ihres amtehens 
sich fest an den mntterort anzulehnen. Alle diese berichte über frfihe 
colonisation sind, wie Ihne mit recht sagt, erfunden, um die magere 
traditian etwas auszufüllen; und demselben zweck diente dann die 
erzähloi^en über immej erneute abfalle ''7). 

Wir haben gesehen, wie der Yelitemer-einfiall von 384 als er- 45 
klSrongsgrund für die nachgiebigkeit der yolkstribunen in betreff der 
anlgabe ihrer traditionell fÜniQährigen Opposition gegen die magistrats- 
wahlen verwertet wurde, und wie derselbe alle folgenden vier jähre 
bindurdi jedesmal von neuem eine neuwahl begründen half. Die an- 
nalisten, welche sich offenbar kein klares bild von dem verlaiif des 
rerbssungs-confiicts über die licinisch-sextis<ihen rogatiemaa ge- 
niacht hatten, brauchten ausserdem einen krieg, der die ifatieli zti 
lang scheinende Verzögerung des endlichen plebiscits re(^i4fertigen 
sollte; und so zieht sich nach sofortiger zurückschlagung der Yeliter- 
iier aus römischem gebiet eine untätige und erfolglose belagerung 
der Stadt YeUtrae durch vier jähre hin, damit die masse des voHts 
von Born entfernt sich nicht in tributcomitien zur beschlussfassuitg 
versammeln kann. Allein die beschlussfassung soU dann doch plötz- 
lich 386 in scene gesetzt werden, obgleich die belagerung von YeU- 
trae fortgeht; die plebs ist plötzlich wieder vollzählig in Rom, diB bis 
dahin Ye^fa^ae fioichtlos belagert hatte. Und der krieg dauert noch 
in das amtsjahr 387—88 hinein, wie Livius^*^ angiebf^. Endlich 



«») 1. 194. und 95. «W) Liy. 6. 31. 

»^ Yergl. buch 2. § 10, 105. note. m») 6. 42. 

^^) üeber die contamination zweier berichte bei Licinius Macer vergl 
buch 1. cap. I. 



176 ^^^ licinisdi-sextisehe verfassnni^B-conflict [Bach 5. 

aber hat bei Livius der krieg und die belagerang gar kein ende; beides 
verschwindet mit der endgültigen lösung der verfassungswirren, und 
396 tauchen dann die Yeliterner als völlig unmolestirte feinde wieder 
auf<40). Plutarch*^) lässt zwar Camillus während des gallischen krieges 
von ZBI im vorübergehen und ohne Schwertstreich Yelitrae einnehmen, 
allein er, oder seine quellen, haben vielleicht den mangel in der tra- 
dition gemerkt und selbständig zu besonderem rühme des haupthelden 
GamiUus die sache möglichst ungeschickt arrangirt; denn die Stadt, 
an der sich vier jähre lang die Bömer vergeblich die schädel einge- 
rannt hatten, nimmt Camillus en passant und ohne Schwertstreich! — 
Wir können also ohne aUe gewissensbisse die Yeliterner von abialls- 
gelüsten in den jähren 384—88 freisprechen. '^2) 
46 Mit noch grösserer Sicherheit können wir den gallischen krieg 
von 387 '^) ad acta legen. Ihm widerspricht vor aUem das gewiclt- 
tige Zeugnis des Polybius***), dass dreissig jähre lang nach der Ver- 
wüstung Roms durch die Gallier diese einen angriff und einfall nicht 
erneuert hätten 3«); 387 aber ist nur dreiundzwanzig jähre nach dem 
brande. Ihne^<^) hat schon hierauf aufmerksam gemax^ht und die ent- 
stehung dieses berichts auf das Vorhandensein der fünften dictatur 
des GamiUus zurückgeftlhrt; die annalisten des letzten Jahrhunderts 
vor Chr. geb.^^) fanden es bequem, daran anknüpfend den alten bei- 
den noch einmal über die wilden feinde siegen und demnach auch 
triumphiren zu lassen; vielleicht auch deswegen, weil jener sieg über 
die Gallier nach dem brande Roms gar zu problematisch erschien; 
daher Camillus wenigstens noch einen ordentlichen sieg und triumph 
haben musste. Wie unsicher die tradition selbst über diesen krieg 
war, geht daraus hervor^ dass manche autoren'^^) den kriegsschauplatz 
an deh Anio, andre auf den albanischen berg verlegten und den krieg 
am Anio zehn jähre später ansetzten >^^). Also weder der gallische 
krieg noch der triumph des Camülus ist vor der kritik haltbar, und 



WO) Liv. 7. 16. W7) Cam. 42. 

M2) Kiebuhr 2. 663—64. ist zu gläubig an die tradition. 

8«) Dionys 14. fragm. 8. erwähnt ihn auch. ^) 2. 18. 

«*ß) Yergl. buch 6. cap. I. «*6) 1. 248. 

**7) Dass Piso den ganzen bericht in viel dürftigerem umfang vor sich 
hatte, sagt auch Nitzsch röm. annalistik p. 337; dass Yalerius Antiasdeo 
krieg erfunden, siehe buch 1. § 9. und buch 2. § 12. 

»«) Darunter auch Plutarch Cam. 40. »«) Liv. 6. 42. 6. 



Cap. lY.] Historisches resume und beurteilung der tatsachen. 177 

wir sehen daraus, dass der verJEassungsconflict in aller ruhe vor äusse- 
ren feinden ausgefochten wurde. 

Nach Plutarch^®) soll Camillus der Concordia, VfidvoeOf in seiner 47 
letzten dictatur während des heftig entbrannten yerfassungs-conflicts 
einen tempel gelobt haben, wenn der bürgerzwist glücklich beigelegt 
werden würde^**); als dann die Ordnung hergestellt worden wäre, 
habe die Tolksversammlung die Widmung und erbauung genehmigt. 
Plutarch bezeichnet als denjenigen, welcher in folge dessen gebaut 
wurde, den späteren Goncordientempel am fusse des Capitolinus, wel- 
cher, dem forum zugekehrt, von diesem aus gesehen sich heute noch 
hinter dem triumphbogen des Septimius Severus in seinen fundamen- 
ten vorfindet. Dieser letztere war von Tiberius 747 restaurirt wor- 
den; ob aber wirklich der ältere bau auf jenes gelübde des Camillus 
zurückzuführen sei, bleibt eine nicht zu beantwortende frage. Livius 
weiss weder von dem gelübde noch von dem bau etwas, und Plutarch 
und Ovidss«) sind die einzigen gewährsmänner dafür. '^) 

CAP. rv. 

Historisches resume und bearteilnng der ,tatsachen. 

Seit der gallischen Verwüstung Roms hatte sich der armen plebs 48 
einmal eine gewisse schuldennot, femer auch in folge derselben eine 
gedrückte politische Stimmung bemächtigt^^^). Die patricier hatten 
diese umstände materiell und politisch auszubeuten gewusst, letzteres 
indem sie hauptsächlich ihre candidaten zum consular-tribunat durch- 
brachten und ausserdem während längerer zeitperioden ganz den alten 
patricischen consulat wiederherstellten 8«), Die vornehmen plebeier 
sahen damit ihre hoffiiungen auf politische gleichstellung mit den pa- 
triciem iumier mehr schwinden; daher entschlossen sich zwei volks- 



850) Camill. 42. 3 und 4. 

351) Siehe oben II. 3 die note zur Chronologie über die etwaige resti- 
tution der capit. fasten zu 383. 

362) Fasten 1. 641 ff., der übrigens nur von einer seditio spricht, in folge 
deren besänftigung der tempel von CamiUus gelobt worden sei; ein be- 
stimmter fall ist nicht genannt. 

868) Vergl. Niebuh r vorl. 1. 405; Becker handb. der röm. altertums- 
kunde 1. 311 ff.; Ganina indicazione topografica di Roma antica, 4. aufläge. 
1860. p. 282—85. »w) Vergl. buch 4. I. § 2, 3, 12, 

»w) buch 4. IIL § 46, 47; dazu oben § 41. zum schluss. 

Glason, röm. gesob. I. ]^2 



178 ^^1* licinisch-sextische verfiusangs-conflict. [Bach S 

tribunen des Jahres 377— 378 "•), C. Licinius Stolo**0 uad Lucius 
Sextius*^), einen energischen schritt zur Verwirklichung ihres stre- 
bens zu tun, indem sie die verschuldete masse der plebs in ihr In- 
teresse zu ziehen suditen*^^)^ Während ihres oben angegebenen amts- 
jahres promulgirten sie nämlich drei gesetzesvotschläge für die tribut- 
comitien*^) folgenden Inhalts :••!) 

1. dass nach abzug der in gestalt von Zinsen schon abgezahlten 
summe vom schuldcapital der plebeier dieses — so viel noch von 
demselben übrig war — in dreien jähren durch entrichtung gleich 
grosser raten von bestimmter anzahl amortisirt werden sollet; 

2. dass kein. Kömer an grund und boden, sowol vom gemeinde- 
lande als von eigentttmlichen grundstttcken, mehr als 500 iugera*^*), 
an grossvieh 100, an kleinvieh 500 stttck in besitz haben dürfe, nntf 
dass jeder grundbesitzer auf seinen grundstücken eine gewiss^e anzaU 
freier arbeiter neben den Sklaven beschäftigen müsse. Wer diese be- 
stimmungen überträte, solle in strafe fallen, nach unserer vermutong 
eine geldstrafe, die 2 % <l6s mehrbetrages an besitz in grundstücken 
und vieh betrug, während das strafinass für nichtbeschäftigung der 
festgesetzten anzahl freier arbeiter nicht zu bestimmen ist. Dieses 
gesetz gehört zu den leges imperfectae, weil das verbot selbst nicht 
durchgesetzt wurde, sondern nur eine geldstrafe zur folge hatte'^); 

3. dass fortan nicht mehr consular-tribunen sondern consuln ge- 
wählt werden sollten, und zwar mit dem zusatz, dass einer derselben 
jedesmal plebeier sein müsse'^). 

Von diesen drei gesetzen, summarisch »lex Liciniac genannt^» 
lag alleia das dritte den promulgirenden tribunen und den vornehmes 
plebeiem am herzen ; die beiden ersten waren nur als ein köder ftr 
die arme masse der plebs ausgeworfen , um sie in das Interesse der 
vornehmen mitzuverwickeln*«^); in Wahrheit war auch der der armen 
plebs durch die beiden ersten gesetze bereitete vorteil sehr gering 
und hauptsächlich imaginär. 

um die beschlussfassung über diese gesetze zu verhindern, be 



856) § ö. 867) § ISAF. bes. 17. »w) § 19. 

859) Buch 4. m. §48; dazu buch 3. § 36; über die traditionelle begran- 
dungssage vergl. cap. L und III. § 10—12. 860) § 39. 

»ei) Buch 4. § 1. »82) Buch 4. I. § 2—12. 

SM) = 490 magdeburgen, 494 preussischen morgen. 
3«4) Buch 4. § 13-43. ^) Buch 4. § 44-53. 

) Buch 4. § 54. s«7) Buch 4. § 48; und oben § 36. 



Cap. IV.] Historisches resame und beurteilung der tatsadien. 179 

« 

wogen die patricier die collegen von Licinius und Seztius zu inter- 
cediren*^)i und mit erfolg; Licinius und Sextius dagegen intercedir- 
ten ihrerseits, als neue consular-tribunen gewählt werden sollten, so 
dass vor den kaienden des november 378 neue eponymen nicht an- 
traten^. Licinius und Sextius wurden in den darauf folgenden jäh- 
ren wiedergewählt und waren im ganzen fünf jähre lang im amt*^^); 
sie verzögerten bei jeder neuen consulartribunen-wahl den antritt um 
mehrere monate, so dass im ganzen eine summe von etwa zwölf 
monaten magistratslos war, dem gemäss auf die sechs confiictsjahre 
f&nf eponymen-coUegien kamen. Allein noch die zwei folgenden jähre 
nach der ersten Promulgation der gesetze gelang es den patriciem, 
darch intercession die beschlussfassung zu hindem*^^). Im dritten 
jähre fand sich kein tribun mehr bereit zur intercession, und so lag die 
gefahr nahe, dass die tribunen ihr ziel erreichen würden. Daher liessen 
die patricier einen dictator in der person des M. Furius Gamillus emen- 
neu"'^), wdcher, um einer beratung und abstimmung des volks in tribut- 
comitien über die tribunicischenrogationen zuvorzukommen, die centuriat- 
comitien, das volk ki waffen, berief, indem er in dem berufungs-edict wahr- 
scheinlich erklärte, dem tribunicischen auxilium als entschuldigung für 
nichtbefolgung der einberufung durchaus nicht rechnung tragen und 
den zuwiderhandelnden in strafe nehmen zu wollen. Dieser umstand 
wurde von den tribunen benutzt, das volk au&uregen und mit einer 
sacession zu drohen. Der senat sah sich in folge dessen, um das 
äusserste zu vermeiden, gezwungen, durch einen beschluss Gamillus 
zur abdankung zu bewegen. *7') 

Allein die patricier gaben damit nicht ihre Opposition gegen die 
beschlussfassung auf, sondern ernannten sofort einen neuen dictator 
in der person des P. Manlius Capitolinus. Dieser schlug etuen andren 
weg zur erreichung der patricischen zwecke ein, indem er die in- 
teressen der vornehmen plebeier von denen der armen trennte, sich 
diesen letzteren geneigt zeigte und im namen der patricier sich be- 
reit erklärte, die beiden ersten rogationen über den schulden-erlass 
und die beschränkung des land- und viehbesitzes suizunehmen, gegen 
die letztere, über den plebeischen consul, protestiren zu müssen, da 



868) § 21. 

369) § 7, 9, 40; über die fünf einschubjahre und die angeblich zehn* 
jährige dauer des conflicts vergl. cap. II. besonders § 5. 
WO) § 7, 40-42. «71) § ^1. 372) § 22, 23 ff. 

87S) § 22 ff., besonders 32. 

12* 



180 Der licinisch-sextiBche verfassiinfips-conflict. [Buch 3. 

« 

hiermit das göttliche recht streite. Diese politik erreichte ihren zweck 
yoUkommeQ , indem dm*ch die so heraufbeschworene Zwietracht der 
plebeischen interessen die beschlnssfassung vereitelt wurde; denn die 
arme plebs war durchaus bereit, die patricischen vorschlage anzuneh- 
men; die Volkstribunen aber widersetzten sich, indem sie die cbrei ro- 
gationen f&r einen einzigen untrennbaren gesetzesvorschlag — lex sa- 
tura — erklärten und sich auf diese weise den wünschen ihrer stan- 
desgenossen widersetzten»^*). Um jedoch nicht ganz leer auszugehen, 
promulgirten die volkstribunen eine neue rogation des Inhalts, dass 
statt der bisherigen duumuiri sacris faciundis fernerhin decemuiri, nnd 
zwar fünf patricische und fünf plebeische, ernannt werden sollten. 
Um ihren guten willen der armen plebs zu beweisen, gaben die pa- 
tricier nach und Hessen ein plebiscit darüber im eponymen amtsjahr 
386 — 387 nach dem 10. december 386 zu stände kommen, da dieses 
priesteramt, als ein jüngeres als pontüicat und augurat und nicht ans 
dem ältesten geschlechterstat erwachsen und überkommen, weder in 
so hoher Würdigung stand wie jene, noch als integrirendes durch das 
fas den patriciem allein zugewiesenes sacral*eigentum galt*^^)^ Damit 
war vorläufig die plebs beruhigt und Manlius konnte mit dem bewusst- 
sein seines erfolges die dictatur niederlegen.*'«) 

Allein die volkstribunen gaben ihr ziel nicht auf; allmählich wuss- 
ten sie wieder die plebs zu gewinnen und promulgirten abermals ihre 
rogationen, wahrscheinlich nach dem amtsantritt der consular-tribunen 
für 38T— 388, also etwa im october 387. Noch einmal versuchten die 
patricier durch emennung eines dictators in der person des alten Ga- 
millus eine endgültige niederlage zu vermeiden. Camillus scheint 
abermals auf dem wege der aushebung oder berufung der centuriat- 
comitien die beschlussfassung haben stören zu Wollen; allein dieses mal 
erhob sich ein noch grösserer stürm in der plebs, mit dem die dro- 
hung einer secession wieder verbunden gewesen zu sein scheint. Der 
Senat sah das unmögliche ferneren Widerstandes ein und bewog den 
dictator zur nachgiebigkeit. Das plebiscit über die rogationen wurde 
noch vor dem 10. december 387, dem ablaufs-terrain des amtes von 
Licinius und Sextius, abgefasst*''), wodurch alle drei rogationen zn 
gesetzen erhoben wurden ^^s). Camülus soll darauf hin der Concordia 



374) § 33 ff, bes. 36. 376) Buch 4. cap. IV. »76) § 36. 

877) § 37, 38, 40, 41. »78) § 39; buch 4. § 53. 



Cap. IT.] Historisches resume und beurteilung der tatsachen. igl 

einen tempel votirt haben '7^. — Die wahlcomitien der neuen consuhi 
fanden noch vor mitte mal 388 unter dem Vorsitz des dictators Car 
millns statt ^^); gewählt wurden der gewesene volkstribun L. Sextius 
als erster plebeischer consul und L. Aemilius Mamercus^^^). Allein 
die patrieische partei hatte nur mit widerstreben nachgegeben und 
benutzte nun die ihr zustehende bewilligung der auctoritas patrum- 
zu dem centuriatbeschluss über die wählen, um wenigstens ein Vor- 
recht für sich zu retten. Sie verweigerte zu anfang ihre auctoritas, 
und als darauf ein gewaltiger stürm im volke losbrach, wusste sie 
dnrch Camillus einen compromiss mit der plebs zu schliessen, indem 
sie unter der bedingung ihre auctoritas zu geben sich bereit erklärte, 
dass die plebs ihr einen neuen curulischen beamten, der. fortan 
die höchste Jurisdiction im state ausüben solle und als coUege der con- 
snln gelte, zugestehen würde. Die plebs ging diesen compromiss ein, 
und somit erhielten die neugewählten consuln ihre sanction, indem 
ihnen ein patricischer praetor als oberster gerichts-magistrat und col- 
lega minor hinzugefügt wurde.««*) 

Noch zu einer ferneren erwerbung benutzten die patricier die 
Sachlage. Bis dahin hatten die plebeischen aedilen den wichtigsten 
teil der polizeilichen functionen in Rom ausgeübt; die patricier wünsch- 
ten daher anteil an diesem amt zu haben. In folge dessen liess der 
Senat in centuriat-comitien unter dem vorsitz des Camillus zur feier 
der wiederhergestellten Ordnung die abhaltung von ludi maidmi mit 
Ünzufftgung eines vierten tages zu den bisherigen üblichen dreien be- 
schliessen. Dem widersetzten sich die plebeischen aedilen, wie die 
patricier vorausgesehen hatten, indem sie den mehrbetrag der kosten 
nicht tragen wollten. Sofort meldeten sich darauf die patricischen 
ioniores zur bekleidung der aedilität und zum tragen der überschüssi- 
gen kosten. Es wurden in folge dessen zwei aedilen aus den patri- 
eiem gewählt, die die festfeier anordnen und fernerhin mit den ple- 
beischen aedilen deren befugnisse teilen sollten, nur mit der bevor- 
zngung, dass sie eine selbständige Jurisdiction in handelsprocessen 
hatten und in folge dessen als aediles curules den plebeischen im 
ränge voran standen. Im ersten jähre der curul-aedilität jedoch wurde 
dieselbe beiden ständen geöffiiet, so dass abwechselnd ein jähr zwei 



879) § 47 j die traditionellen berichte über den Velitemer- und gallischen 
lo^eg während der dictatur des Camillus sind zu verwerfen; vergl. § 43—46. 

8») § 40. 381) Livius 7. 1; capitol. fasten zu 388; vergl. buch l. 

cap. I. und buch 7. § 2. 382) § 39; buch 5. I. § 1-24, 



182 I^ci* licmiBch-Bextische terfiissiuigs-confHct. [JBnehS 

patricische, das folgende zwei plebeische im amte waren. Die patri- 
der hatten damit ihren zweck, an den polizeilichen fonctionen anteil 
zn haben, TÖllig erreicht'^. Sie hatten demnach, trotz der gesammt* 
niederlage bei der licinisch-sextischen gesetzgebung, dennoch anch ihre 
Amtstätigkeit erweitert und ein ganz patricisches amt mit imperima 
— die praetor — ein gemischtes amt mit polizeilicher tätigkeit ftr 
sich gewonnen. 

An dem 1. augast traten die neuen consuln ihr amt an, nachdem die 
consular-tribunen das ihrige niedergelegt hatten ^^). üebrigens waren 
sämmtliche consular-tuibunen der sechs jähre von 377—388 (mit ab- 
zug der fünf ftUljahre) patricier gewesen^; ein beweis, wie wenig 
wirkliches Interesse die niedere plebs den politischen bestrebungen ihrer 
vornehmen standesgenossen entgegentrug, da sie in diesen bewegten 
Jahren des erbittertsten kampfes um gleichberechtigung dennoch immer 
patricier an's statsruder kommen liess. 
49 Wir haben mehrfach während der Untersuchung gelegenheit ge- 
habt, die licinische tendenz in der livianischen darstellung der uns an- 
gehenden Periode zu entdecken und hervorzuheben. Es waren das 
nur fernere beitrage zu dem von Nitzsch*®*) schon geführten beweise, 
dass Licinius Macer als quelle dem Livius f&r die licinische gesetz- 
gebungs-geschichte vorgelegen habe. Die mehr&che erwähnung und 
hervorhebung der Licinier, der versuch, ihre Verwandtschaft mit den 
altadelichen Fabiem nachzuweisen, die plebsfreundliche und wol- 
wollende gestalt des Licinius Stolo: alle diese punkte deuten auf 
licinische färbung des berichts hin, besonders da wir es mit einer zeit 
zu tun haben, aus der nur die allerspärlichsten gleichzeitigen angaben 
stammen können. Den inhalt dieser notizen können wir mit einiger 
Sicherheit auf folgende tatsachen beschränken: Das einbringen der 
drei rogationen durch Licinius imd Sextius ; Widerspruch der patricier 
und intercession durch die andren volkstribunen ; mehrfach wiederholte 
wahlverzögenmg der eponymen mittelst intercession von Licinius und 
Sextius, mit dem in gleicher weise jedes jähr fehlschlagenden versuch, 
die rogationen zum beschluss zu erheben; stete Wiederwahl der beiden 
volkstribunen; aufhören der intercession gegen die rogationen; emen- 
nung von M. Furius [Camillus] zum dictator; berufong der centuriat- 
comitien; heftiges edict des dictators gegen die kriegsmannschalten; 



388) Buch 6. II. § 2Ö-61. «8*) § 40. 3«) § 42 zum sdünss. 

333) Böm. annalistik, II. abschnitt und p. 351 ff.; vergL buch 1. cap. I. 



Gap. lyj HistoiiBcheB resmne und beorteUimg der tatsachen. 183 

omnhen der plebs; abdankong des dictators nach senatsbeschlnss ; 
P. Manlins zum dictator ernannt , will die beiden ersten rogationen 
zun beschlnss erheben, wenn die dritte fallen gelassen wird; die tri- 
bunen verhindern dies durch Vereinigung aller drei rogationen zu 
einer untrennbaren lex satura; der beschluss kommt nicht zu stände; 
daflir erhalten die plebeier mittelst plebiscits zulass zum oollegium der 
auf zehn mitglieder erhöhten orakelbewahrer, so dass je fünf von jedem 
Stande besetzt sein sollten; im folgenden jähre erneuern die volks* 
tribunen ihre rogationen; wieder wird M. Furius [Camillus] zum 
dictat(»: ernannt; er beruft centuriat-comitien zur aushebung der 
kriegsmannschaft; heftige unruhen der plebs: drohung mit einer se- 
cessio; die patricier geben nach und die rogationen werden als ple- 
biscit beschlossen; gelobung des Concordiatempels; als L. Sextius 
dann zum ersten plebeischen consul gewählt ist, verweigern die pa- 
tricier ihre bestätigung und erteilen dieselbe nur gegen die concession 
von Seiten der plebs, dass vom consulat die richterliche tätigkeit ge- 
trennt und einem neuzuwählenden patricischen praetor übertragen 
werde. Zur feier der wiederhergestellten Ordnung und eintracht sollen 
nach senatsbeschlnss ludi magni veranstaltet und ein tag zu den 
üblichen dreien des festes hinzugefugt werden; die plebeischen aedüen 
Terweigem letzteres; die jungen patricier erbieten sich die feier zu 
bestreiten; wähl zweier curulischer aedilen aus den patridem; im 
zweitfolgenden jähre werden zwei plebeier auch zu diesem amte zu- 
gelassen, und fortan tritt ein regelmässiger Standeswechsel von jähr 
zu jähr ein. Allen beschlüssen über diese neuerangen, die dessen be- 
dtkrfen, wird die auctoritas patrum als bestätigung erteilt. -— Hierzu 
die chronologischen magistrats-angaben; und ich glaube, dass das 
ganze material der ältesten aufzeichnungen völlig, erschöpft ist. 

Wenn wir nun aber sehen, wie aus diesen spärlichen notizen bei 
Livius uns ein bild heftigster parteileidenschaft mit einer fülle von 
detail zusammengesetzt ist, wie die persönlichkeiten sprechend leben- 
dig aus den ereignissen hervortreten, wie reden und gegenreden statt 
&iden, fingirte reden und fingirte redner, wie die patricier als bos- 
hafte bedrücker der plebs, diese als seufzende und sittlich empörte 
menge erscheinen; wie es zu aufruhr von selten der plebs, zu gewalt- 
massregeln von selten der patricier kommt, wie zwei kriege plötzlich 
dazwischen fahren, um den patriciem ihre zwecke zu erleichtern — 
wer erkennt da nicht die licioischen federstriche, sowol solche lang- 
jähriger familienverherrlichung als solche politischer parteifärbung? 



Ig4 ^^^ licinisch-sextische yer&ssmigs-conflict. [Bachs. 

Denn Licinios Macer war der heftige tunsturzmann nach der sollani- 
schen reaction, deijenige, welcher im volkstribimat die mächtigste par- 
teiwaffe erkamite und daher seinen ahnen in diesem ' amte als das 
mnster des weisen statsmannes hinstellte. Yielleicht haben wir auch 
die klägliche rolle, die Camillus in seinen beiden dictatnren spielt, 
auf licinische rechnung zu schreiben, indem dieser den Vorkämpfer 
der aristokraten seinem beiden und ahnen recht drastisch gegenüber^ 
stellte. Man kann von seinen quellen-autoren'^^) kaum annehmen, dass 
sie den in allen andren stücken so hochgefeierten Camillus, den vor- 
fechter ihrer partei in alter zeit, einem Licinius gegenüber so sehr 
als heftigen und ohnmächtigen greis hinstellen sollten; ihnen gehört 
wol eher des Camillus kriegerische tätigkeit gegen die Gallier in sei- 
ner letzten dictatur an. 

Ausserdem musste Macer daran liegen, zu gunsten seines ahnen 
die tätigkeit desselben, also seine gesetze, in ein möglichst beden- 
tungSYolles licht zu stellen. Freilich ist es richtig und wahr, dass 
das dritte gesetz über den plebeischen consul von grosser Wichtigkeit 
war; allein die livianische darstellung betont noch mehr die beiden 
^ersteren rogationen; mittelst ihrer wird ja Licinius erst der volks- 
woltäter. Wir werden unten sehen *88)^ ^e unbedeutend die aus die- 
sen gesetzen fliessenden yorteile ftü* die arme plebs waren, und wir 
fügen hinzu, dass derselben in der späteren geschichte auch unendlich 
wenig gedacht wird, dass ihre bestimmungen oft übertreten wurden, 
und die läge der plebs schon nach wenig jähren wieder so traurig 
war, dass zwei aufeinanderfolgende zinsfuss-herabsetzungen nötig wur- 
den. Eigentliche und ungewöhnliche bedeutung gewinnt auch das 
ackerbesitz-gesetz erst durch die gracchischen rogationen; es ist der 
abglanz dieser, welcher auf die licinisdhe zurückfällt; und dadurch er- 
wirbt dieselbe im 7. Jahrhundert sich erst das Interesse der Zeitgenos- 
sen und konnte nun als politisches agitationsmittel verwendet werden. 
Endlich hatte die arme masse, wie wir sehen werden, fast gar keinen 
vorteil davon, während das gesetz einem begüterten mittelstande zu 
gute kam, der nun durch die reicheren nicht ausgekauft werden konnte 
und daher auf seiner schölle sitzen blieb. 

Was bleibt von der ganzen bedeutung der licinischen bewegung 



387) Fabius Fictor und Yalerius Antias nach Nitzsch röm. aonaüstO^ 
abschnitt I. und II. p. 346 ff.; vergl. oben buch 1. cap. I. 

388) Buch 4. cap. I. und n, 



Cap. IV.] Historisches resnme und beorteilimg der tatsachen. 185 

ttbrig? Der geglückte versuch der vornehmen plebeier, durch köderong 
der masse mit schein vorteilen die patricier zu majorisiren und auf 
diese weise das lange erstrebte politische endziel, gleichberechtigung 
mit den patriciem im statsleben, zu erringen. Es ist der hauptpunkt 
des mit errichtung des volkstribunats angefangenen politischen ring- 
kampfes zwischen den beiden ständen oder vielmehr der plebs mit 
nnd gegen den patriciat, der mit einer Verschmelzung der letzteren 
mit den vornehmen und reichen plebeiem und der gänzlichen aus* 
Scheidung der armen plebs von ihnen schloss.*^) 



^ Vergl. auch buch 2. cap. VI. und buch 7. cap. IV. 



VIERTES BUCH. 

DIE GESETZE DES LICINTOS UND SEXTIÜS. 



1 Livins^) nennt alle drei gesetze: adnersns opes patricionun et 
pro commodis plebis. Der ansdrack ist nicht dorchaos richtig; denn 
in so fem die reichen plebeier auch ihrerseits durch den schnlden- 
erlass und das verbot übermässigen gmndbesitzes einbusse erlitten, 
waren die gesetze auch gegen ihre »opes« gerichtet. Auf der an- 
dren seite hatten die armen plebeier von dem gesetz über den einen 
plebeischen consul gar keinen gennss und vorteil zu erwarten. Seist 
zwar der verlust allseitig auf selten der patricier, allein der vorteil 
einseitig auf je einer hälfte der plebeier. 

Nach Livius promulgiren nun die volkstribunen: »ein gesetz über 
die Schuldenlast, der art, dass, nach abzug der in gestalt von Zinsen 
schon abgezahlten summe vom capital selbst, dieses, so viel noch da- 
von übrig war, in drei jähren mittelst gleich grosser teilzahlungen 
amortisirt werde; ein zweites über das mass des besitzes an gnmd 
und boden, und zwar so dass niemand mehr als 500 iugera besitzen 
solle; ein drittes, dass die wahlcomitien von consulartribunen fortan 
aufgehoben, dagegen jedesmal von den consuln der eine aus der plebs 
ausgewählt werden solle.« So lauten bei Livius die drei gesetze^ dem 
Wortlaut nach scheinbar ganz klar und einfach, allein ihrer tragweite 
nach von teilweise sehr controversem werte. Untersuchen wir sie ein- 
zeln und der reihe nach. 

CAP. I. 

Das sclialdeiigesetz« 

2 lieber die begründenden umstände und die consequenzen dieses 
gesetzes sind wir von allen dreien am schlechtesten unterrichtet, .daher 

1) 6. 36. 4. 



Ctip. 1.} Das fidmldengesetz. 1^7 

denn die hypothese eine nicht imwichtige roDe bei der erklämng spielt. 
Von der schnldennot, in welche die plebs geraten sei, weiss Livius 
im ganzen 6. buch von der zeit der gallischen verwttstung an unend« 
lieh viel zu berichten; von jähr zu jähr wächst das elend nnd lässt 
nmr noch eine in Verzweiflung dnmpf brtttende volksmasse zurück^. 
Ja, nach Livins hätte die armnt; w^cfae auf der niederen dasse der 
plebeier lastete, sogar die vornehmen nnd reichen standesgenossen 
derselben so sehr entmutigt, dass sie sich nicht mehr zum consular- 
tribnnaty kamn zu den plebeischen ämtem gemeldet hätten'). Eine 
solche Schilderung muss man »stark auftragen« nennen. Woher wvsste 
Livius denn so genau über die Stimmung der armen wie reichen ple- 
beier bescheid? Solche notizen konnten, wenn Überhaupt, ganz allein 
^^eidizeitigen privat-chroniken entnommen sein; und diese waren ple- 
bdseh gefärbt. Hatte ein plebeier so berichtet, so war es um die 
schuld der patricier zu vergrössem; nahm es ein späterer patricischer 
aimalist auf, so gab er seiner freude über die plebeische niederlage leicht 
ftbergrossen ausdruc^. Alle diese berichte über die schuldennot und 
das äusserste elend der armen scheinen viel mehr von den späteren 
annalisten als politische tendenz-entsteUung zur mageren geschichte 
der tatsachen hinzugefügt worden zu sein, wol meist als rückschluss 
von dem 877—78 zuerst rogirten Schuldengesetz; denn dieses selbst 
und wenn nicht allein, so jedenfalls hauptsächlich bietet uns eine ge- 
währ für eine vnrklich vorhandene not in der plebs, welche durch an- 
gewachsene schulden entstanden war^). Es ist auch ohne zweife 
recht, dass die annalisten das Vorhandensein dieser not mit der yer- 
wttstung Roms durch die Gallier in Verbindung bringen. Dagegen 
beruht der bericht über den langen ausfall eines census und die da- 
durch in grössten Zwiespalt gebrachten yermögens- und steuerverhält- 
nisse — seit 351 sollte kein census statt gefunden haben — auf his- 
torisch unwahrem boden; in den jähren 365—67 und von neuem 376 
mms ein census abgehalten worden sein ^). Und dass die kriege zwi- 
schen 365—377 nicht so drückend gewesen sein können, geht aus 
ilirer geringen zahl hervor <^). Selbst die im jähre 376 erhobene Steuer 
kami auf den armen nicht drückend geruht haben, da die gleichzeitige 



2) Darftber Schwegler 8. 300-306 und buch 2. cap. VI. «) Liv. 6. 34. 

*) Vergl. buch 2. cap. VI. und buch 7. cap. IL 

^) VergL buch 2. cap. V. am ende und VL 

^ Vergl. buch 2. cap. VII. und die dortigen nachweise. 



Igg Die gesetee des Lidmus nnd Sextias. [Buch 4. 

censur die vettnögens- und steuerverhältnisse regulirt hattet). Der 
bericht des Livius über die schuldennot und ihre ausdehnung ist da- 
her ausmalung der annalisten ohne historische gewähr für die einzel- 
heiten. Völlig ungereimt ist der oben erwähnte zusatz des Livius, 
dass die schuldennot der armen auch die reichen plebeier völlig ent- 
mutigt hätte. Wir haben gesehen, wie bei gelegenheit der dictatur 
des P. Manlius sich der eigennutz der volkstribunen, der Vertreter 
eben jener reichen und vornehmen plebeier, äusserte, indem sie die 
beiden ersten der plebs so günstigen rogationen nicht zum beschluss 
bringen wollten, wenn sie nicht für sich auch ihren vorteil erreichten; 
wir sahen, dass ihnen nur am consulat lag, da die gleichgültige masse 
sich nicht die mühe gab, gegenüber den patricischen candidaten zum 
consular-tribunat die plebeischen zu poussiren; die rogationen, welche 
der armen plebs dienen sollten, waren von den tribunen als die köder 
für ihre eigenen zwecke ausgeworfen; denn das prindp der nützlich* 
keit war dort, wie meist in solchen conflicten, massgebend* Jene 
niedergeschlagenheit der vornehmen plebeier also über ihre armen 
standesgenossen dürfen wir wol der fabel überweisen, vor allem da 
Livius sie hauptsächlich mit den patricischen wählen zu consular« 
tribunen und dem nichteiagreifen der früheren volkstribunen motivirt: 
beides beweise einmal für die gleichgültigkeit der armen plebs gegen 
die reiche, wie wir sahen, und umgekehrt für die gleichgültigkeit der 
reichen gegen die arme. 

3 • Als Ursache für die Verarmung und die daraus entstandene Ver- 
schuldung der plebs werden auch von den modernen historikem fast 
allgemein die oben erwähnten umstände genannt: die gallische ver- 
VTüstung, der veraltete census mit viel zu hohem Steuersatz für die 
heruntergekommenen plebeier, die besteuerung nach liegendem grund- 
besitz ohne abzug der darauf ruhenden schulden, ja selbst bei Ver- 
pfändung*), die erneuten kriege und Verwüstungen, eiae neue Steuer 
zur herstellung einer ringmauer im jähre 376^), dazu vielleicht noch 
misemdten der einzelnen. 

4 Andrer ansieht ist Ihne darüber i^). Seine anschauung über die 
Verschuldung der plebeier in folge rückständiger bodenzinsen an ihre 



7) Vergl. buch 2. cap. VI. am ende. ») Schwegler 3. 301. 

9) Liv. 6. 32. 

10) Forschungen auf dem gebiet der römischen verfassungsgeschichte 
1847, und römische geschichte 1. 270. 



Cap. I.] Das Bchuldengeset:^. 139 

pachtherrenii), die patricier, ist die folge seiner gesammt-ansicht über 
die entstehung und sociale Stellung der plebs bis zum jähre 412. Er 
hält nämlich dafür, dass die plebeier überhaupt kein freies eigentum 
besessen hätten, sondern wie sie ursprünglich blosse dienten gewesen 
wären, so auch fortdauernd, trotz politischer Selbständigkeit, in dem 
clientel- Pachtverhältnis auf ihrer patrone äcker gewirtschaftet und 
dafor pacht gezahlt hätten, bis sie im jähre 412 durch das verbot des 
ferneren eintreibens von zins ihr erblehen als eigentum erworben 
hätten. Schwegler^^) hat diese ansieht mit vielem Scharfsinn gewür- 
digt und völlig widerlegt, vor allem aus dem imistande, dass lange 
vor 412 die plebeischen besitztümer von ihren inhabem frei verkauft 
oder zwangsweise verfändet wurden. Dazu kann man hinzufügen, dass 
die öfteren vor 412 fallenden anlagen von colonien jedenfalls ein freies 
eigentum an dem zu occupirenden boden von selten der plebeischen 
colonisten voraussetzen. Femer führt Schwegler das Stimmrecht der 
plebeier in centuriat-comitien an, welches für die älteste zeit, in der 
wertbegriffe durch boden- und viehbesitz ausgedrückt wurden, jeden- 
falls land-eigentum foraussetzt. Endlich weiss die lex Grenucia von 
412 nichts von einer ablösung von erblehen und deren Umsetzung in 
freies eigentum. Damit fällt die Ihne'sche hypothese, wenngleich Ihne 
selbst die gegenbeweise Schweglers nicht als überzeugend' angesehen 
zu haben scheint. Als Ursache der Verarmung bleibt unserer annähme 
nur die gallische Verwüstung übrig, wenn jene überhaupt für so be- 
deutend angesehen werden darf. Der mangel an beglaubigten zeug- 
iiissen dafür imd die verhältnismässig geringe abhülfe die das gesetz 
herbeiführte, sprechen eher dagegen, i^) 

Ihn§ aber benutzt seine deductionen ferner, um mittelst derselben 6 
dem gesetze die härte und das unrechtmässige zu nehmen, welches 
ein gesetzlich sanctionirter Vermögensabzug in sich trägt. Allein dies 
gelingt ihm nicht; denn auch bei seiner annähme büssen die patricier 
den ihnen zustehenden grundzins ein. Ausserdem aber muss Ihne zur 
erklärung dafür, was er als capital verstanden wissen will, neben dem 
Pachtzins der plebeier noch darlehen für die beschaffung des wirt- 
schafts-inventars hergehen lassen, welche auch verzinst waren. Den 
grundzins hält er neben diesen Zinsen für unberechtigt und will den 



11) Auch Kiehl: Mnemosyne 1. 1852. p. 152, leitet hiervon hauptsäch- 
lich die Verschuldung ab. i3) 1. 631 ff. 
1») Vergl. unten § 11. 



190 ^® gesetze des Liciniiis und Sextins. [Bach 4. 

schon ausgezahlten nun vom capital abgezogen wissen, wodurdi der 
massnahme alle Ungerechtigkeit genommen wQrde. Allein wenn die 
plebeier wirklich in cUentel der patricier standen und der^ landbesitz 
in pacht hatten, so war es billig, dass sie daf&r pachtzins zahlte; 
und daher kann dieser neben den Zinsen für das vorgestreckte in- 
ventar-capital nicht unberechtigt genannt werden. 

Eine vermögens-yergewaltigung also bleibt das gesetz nun eimaal; 
allein dieselbe kann durch die umstände entschuldigt werden. 

6 Ob wir zur eutschuldigung mit Niebuhri^) von den patriciem er- 
hobene Wucherzinsen anzunehmen haben, bleibt eine offene frage; diese 
ansieht aber scheint bei Niebuhr zum teil folge seiner abneigung gegen 
die patricier zu sein. Bichtiger ist gewiss mit ihm den beurteilungs- 
massstab unserer zeit für die antike abzuweisen; und ich mödite darin 
Urne folgen 1^), welcher die zustände schildert, wie sie einer zeit a»* 
gehören, in der privat- und öffentliches recht noch nicht streng ge- 
schieden, sondern vielfach identisch war; da ist's denn nicht empörend 
für das private rechtsgef&hl, dass der stat seine band ordnend in pii- 
vatverhältnisse hineinstreckt, dass er kraft sei^^er dem familienhaiipt 
nachgebildeten autorität wie der vater in der stats&milie das bedürf- 
tige mitglied mit dem überschuss der reicheren versieht ^^). Freilich 
originirte der antrag auf die Schuldentilgung nicht im ganzen atat, 
sondern in den Vertretern der einen gemeindehälft e; allein der an- 
trag wurde erst ratificirt durch den in der gesammtvolksversammlung 
sndi bekundenden statswillen. 

7 Dazu kam speciell in diesem falle, dass die sdiulden der plebs 
nicht eigentlich auch Verschuldungen, d. h. aus leichtsinnigem ver- 
mögensspiel oder Verschwendung hervorgegangen waren; vielmehr war 
es die bare not und der mangel am nötigen, der zur aufnähme von 
darlehen geführt und gezwungen hatte. Und endlich führt Niebiihr^O 
noch den umstand an, dass lang aufgespeicherte zinsschulden beiden 
Römern nicht vorkamen; er beruft sich dazu auf den epitomator Pau- 
lus ^^), der für die ältesten römischen zeiten ein beständiges wechseln 



1*) R. g. 3. 23. 18) 1. 270. 

16) Vergl. meine krit. erörterangen 3. 174 ff. i^ R. g. 3. 26. 

18) Niebuhr schreibt falschlich: Festuss.u. uersuram; uersuram focere 
mutuam pecuniam sumere ex eo dictum est, quod initio qui mutuaba&tar 
ab alüs : non ut domum ferrent, sed ut aliis soluerent, uelut nerterent cre- 
ditorem. Der ausdruck initio ist dann so viel als oliqi oder rerumBo' 
manarum initio. 



Cap. L] bas scholdengesetz. 191 

der gläubiger statoirt, indem der Schuldner zur deckung der einen 
schuld eine neue contrahirt; die dann jedesmal die höhe des capitals 
nnd etwaiger noch unbezahlter Zinsen betrug ; daher liefen die Zinsen 
nur immer zwischen je zwei Umsetzungen des Schuldbetrages auf; 
Niebahr nimmt als gewöhnliches zeitmass eines derartigen darlehens 
ein jähr und zwar das fdlhere lOmonatliche an^^); er findet es dann 
auffiülend, dass die trifounen nicht rogationen gegen die härte des 
alten schnldrechts promulgirten, sondern sich mit diesem einmaligen 
wie es scheint nicht sehr hülf- und erfolgreichen mittel der abhülfe 
begnügten» Allein Niebuhr sollte nicht vergessen, dass die tribunen 
selbst den reichsten statsbürgem angehörten, dass sie also gegen ihr 
eigen fleisch und geld wüten würden, wenn sie energische abhülfe be- 
schafft hätten. Das lag offenbar gar nicht in ihrer absieht; sie woll- 
ten nicht verlieren sondern gewinnen, und zwar das bessere gegen 
Mngabe einiger brocken aus ihrem überfluss; wenn etwas, so spricht 
eben dieser umstand gegen die uneigennützigkeit der volkstribunen 
and leiter der bewegung. 

Was die höhe des römischen zinsfusses betrifft, so genügt es wol, 'S 
^of die jetzt allgemein anerkannten resultate der Niebuhr*schen unter- 
snchnngen über den uncialzinsfuss^<^) hinzuweisen. Niebuhr ist der 
ansieht, dass der uncialzinsfnss durch die zwölf tafeln eingeführt sei; 
er stützt sich dabei auf Tacitus^^) und Cato gegen Livius^^), welcher 
denselben erst 397 beschliessen lässt. Tacitus ist, trotz Niebuhrs 
grosser Wertschätzung, bei seiner ziemlich ungenauen kenntnis über 
das römisdie altertum, nicht zu hoch anzuschlagen 2'); wichtiger ist, 
dass Gato'^) schon in den zwölf tafeln die strafe des vierfachen be* 



19) Diurüber unten § 8 ff.; dagegen Bein (Privatrecht 626 note 2), 
dass der schluss auf eine so kurze darlehnszeit aus dem wort »uersura/ 
and der stelle des Festus nicht zu rechtfertigen sei; man kann dieser an- 
sieht völlig beipflichten, ohne jedoch hoch angelaufene schulden statuiren 
zu müssen. 

30) B. g. 3. 61—84; wir werden darüber und die gegnerischen ansichten 
anter § 10. zu sprechen haben. si) Ann. 6. 16. ^) 7. 16. 1. 

^) Yergl. Schwegler 1. 116. note 2. und 3. 

^) De re rustica zu anfemg des prooemiums; Gato spricht nicht aus- 
drückfich von den XU tafeln; allein die Verbindung dieses Verbots mit der 
zweifachen strafe für das furtum bei Gato hat schon Niebuhr 3. 62. das- 
selbe den XII tafeln zuweisen lassen; und ebenso urteilt Huschke: das 
nexnm p. 120 ff.; auch musste ja selbstverständlich irgend eine strafe auf 
die Übertretung des zinsfusses gesetzt werden ; vergl. buch 7. § 36. 



192 Die geseize des Liciniiis und Seztias. [Buch 4. 

träges des wachers findet, eine strafe, die ein wuchergesetz und da- 
mit einen bestimmten zinsfuss voraussetzt Dass aber Niebuhr f&r 
die zeit unmittelbar vor den licinischen rogationen glaubt darum einen 
bestimmten zinsfuss nicht annehmen zu dürfen» weil sonst die patri- 
cier, »die erbarmungslosen wucheren, jedenfalls höhere Zinsen zu er- 
pressen gesucht haben würden , und dass dann die schuldennot aus 
den Strafgeldern des vierfachen wucherbetrctges hätte gehoben werden 
können — diese annähme ist sehr gewagt und unstichhaltig und wol 
auch zum teil von der abneigung gegen die patricier dictirt. Das 
schuldrecht selbst war ja hart, und die gläubiger hatten in folge dessen 
gewinn genug; wozu sich da Ungesetzlichkeiten hingeben, während doch 
die Römer allezeit die bekenner des starrsten rechtsbuchstabens wa- 
ren? Wozu gegen verhältnismässig geringen gewinn -zuschuss sich so 
grosser Strafzahlung aussetzen? Ausserdem war der zinsfuss, wie Ni^ 
buhr ihn annimmt, von 8Vs % für das lOmonatliche jahr^ß) wahrlidi 
hoch genug, um auch der habgier zu genügen; warum müssen denn 
nun die patricier durchaus herzlose schurken sein? Ist aber damit die 
notwendigkeit der annähme gehoben, dass zur zeit der licinischen ro- 
gationen ein bestimmter zinsfuss nicht existirt habe, darf man somit 
auch zu jener zeit einen zinsfuss festhalten, so steht der statuirung 
des uncialzinsfusses nur noch der bericht des Livius im wege. Nie- 
buhr hält in der zeit vor 397 einen weit höheren zinsfuss als den 
uncialen für den zwar nicht gesetzlich fixirten, aber wol üblichen. 
Nun ist es ja nicht nötig, den uncialzinsfuss als den allein denkbaren 
zu setzen; man kann ebenso gut einen älteren und höheren aber den- 
noch gesetzlich fixirten zinsfuss annehmen, dessen herabsetzung auf 
die höhe des uncialfusses eine bedeutende ermässigung darstellen 
würde. Einem älteren höheren zinsfuss widerspricht dann freilich die 
^bige angäbe des Tacitus, dass der uncialzinsfuss von den zwölf ta- 
feln datire ; allein Tacitus ist, wie gesagt, eine sehr geringe autorität 
für die alte zeit, und Schwegler weist*«) auch diese seine aussage 
über den zinsfuss zurück. Nehmen wir daher an, dass die zwölf ta- 
feln einen bestimmten zins zu überschreiten verboten, dass Tacitus 
diesen mit dem uncialen verwechselte und letzteren daher zu früh an- 



3ft) 87« als zwölfter teü des gesammtdarlehens ; vergl. darflber unten 
die grosse note zu § 10. 

3«) A. a. 0. ; er nimmt in den XII tafehi überhaupt keine regelung des 
zinsverhältnisses an; vergL 3. 35*- 40; ebenso in früherer zeit: Beaufort, 
la rep. rem. 2. 419*^ Hüllmann, röm. grundverfassung 1832. 172. 



Gap.JL] Das schnldengesetz. 193 

setzte. Catos aussage stört uns gar nicht, da eine vierfache buisse 
für Überschreitung des gesetzlichen procentsatzes an keinen bestimm- 
ten satz gebunden ist. 

Es käme darauf an, zu untersuchen, wie hoch wir den voruncia- 9 
len zinsfdss ansetzen dürften. Im jähre 407^) wird der zehn jähre 
froher angesetzte uncialfüss auf die hälfte hinabgedrückt. Damit 
wflrde vereinbar sein, dass der uncialfüss aus einem älteren, doppelt 
so hohen entstanden sei, dass also für das lOmonatliche jähr vor 397 
nicht Vit sondern V« des darlehens als zins verlangt werden durfte. 
Und dem würde auch das beispiel von der dos, das Niebuhr^^) an- 
filhrt, entsprechen: die frau wird im falle grober unsittlichkeit mit 
einem sechstel ihrer dos bestraft, ebenso wie der mann in gleichem 
&lle durch verfrühte zinsentrichtung ein sechstel des capitals verliert. 
Dieser schärfste strafeatz mag wol mit dem ehedem höchsten gesetz- 
lichen zinsfuss in Verbindung zu bringen sein. Nach unserem rai- 
sonnement würden wir also für die zwölf tafeln als höchsten zios- 
6i88 einen satz von 16Vs % ^ ^&s zehnmonatliche^) jähr er- 
halten. Damit vermeiden wir die von Niebuhr statuirte aufhebung 
des ursprünglicheVi zwölf-tafel-gesetzes über den uncialzinsfuss um die 
zeit der gallischen Verwüstung und die spätere Wiederherstellung dessel- 
ben. Ebenso unnötig wird die annähme^), dass das zinsgesetz der 
zwölf tafeln in Vergessenheit geraten und später wieder aufgefrischt 
worden sei^). 

Die übrigens oben als sicher angenommene festsetzung des uncial- 10 
zinsfusses auf ein zwölftel des capitals ist zuerst von Niebuhr nach- 
gelesen worden und gilt jetzt fast allgemein als unzweifelhaft^^). 



»)LW.7.27.8,vergl.bucb7.§42. S8)a.e9. s»)rs20Vofürdasl2monatliche. 

*0) Kipperdey m Tacit. amu 6. 16; Ernesti Tac. ann. ibid; vergl. 
Bein rOm. privatrecht 6d0. und 32. 

'i) Niebuhr erklärt sich schon gegen die ansieht: 3. 61. 

^) Bei Bein röm. privatrecht 630. und 32. die gesammte litteratur. Die 
hanptopposition gegen die Niehnhr'schen annahmen hat Chr. L. Fr. Schultz 
(grundlegnng zu einer geschichtlichen statswissenschaft der Bömer 1833. 
p. 373 ff.) gemacht, indem er das foenus unciarium für gleichbedeutend mit 
1 Vo nachzuweisen suchte. Er stützt sich hauptsächlich darauf, dass die 
Zinssätze der späten republik die centesima zur gmndlage haben, die er 
dann den usurae unciae, d. h. 1 7o, gleich setzt, denmach usurae qua- 
drantes und trientes für drei und vier mal die centesima erklärt. Den Zins- 
satz von 1 % 1°^ J<^ glaubt er dann aus Sueton (Caesar 42) dartun zu 
können, wo zum jähre -—- berichtet würd, Caesar habe den Schuldnern die 

OluoB, tOm. gefch. I. 13 



194 Die gesetze des Licinius und Sextins. [Bach 4. 

11 Man sieht, das der von den yolkstribonen rogirte scbnlden-arlass 
nur sehr gering sein konnte; ein, zwei oder drei jähre längstens mag 



Zinsen vom schuldencapital abgezogen, und dieser erlass habe 26 •/• betragen. 
Da nun Schnitz glaubt, dass nur an den lustren schulden und Zinsen be- 
zahlt -wurden, ein solches aber seit 26 jähren nicht statt gefunden hatte, so 
schliesst er, das bei 26 Vo auf 26 jähre 1 */o pro jähr zu rechnen sei Aber 
einmal ist nirgend bewiesen, dass an die abhaltung von lustren die Zins- 
zahlung gebunden sei; andrerseits wäre damit ein schuldenöontrahiren zwi- 
schen je zwei lustren ausgeschlossen, was undenkbar ist. Sind aber solche 
inzwischen contrahirte schulden möglich, so föUt schon die gan^e berech- 
nung zu boden. Die centesima identificürt Sdiultz nun mit dem foeilns 
undarium; allein es bleibt dabei unklar, warum plötzlich diese ganz nene 
bezeichnung auftritt und die alte YöUig Yorschwindet, wenn die begriffe 
identisch waren. Femer hat das alte Bom als ackerbau-stat gewiss nur 
nach Jahresabschnitten zinsen berechnet, da der landmann ja auch nur j8l^ 
lieh ämtet (vergl. dazu Mommsen röm. chronol. p. 47); die erkläroBg 
aber, dass das foenus unciarium = 1 % sei, stützt sich auf monatliche 
Zinsrechnung, indem von je 100 ass j&hrüch 1 ass, also monatlich Vn ass = 
1 uncia, entrichtet worden wäre. 1 <>/• erklärt, wie schon vieliach herror- 
gehoben, nicht eine durch Zinszahlung gesteigerte Verschuldung; dazuwüide 
bei so geringem zins das Schuldgesetz des Licinius so gut wie gar keinen 
vorteil gebracht haben; Livius selbst konnte nicht an 1 o/o oder auch 2% 
(da der fall in die zeit des doppelten uncialzinsfnsses fällt; vergl. oben §9) 
denken, wenn er (6. 14) den centurio sagen lässt, er habe an Zinsen allein 
das capital schon mehrere mal abgetragen; bei SVs V« oder dem doppelten war 
das wenigstens denkbar. Dass die centesima dagegen, die monatliche Zins- 
rechnung zu 1 0/^, aus Griechenland kam und zwar in später zeit, scheint 
daraus hervorzugehen, dass in Griechenland, wenigstens in Athen, das mo- 
natliche procent üblich war (Boeckh, statshaushältung der Athener l 
p. 17dff. und Hermann gr. antiquit. 3. 221ff.) und nach Niebuhr (8. 66) 
bis in die neueste zeit in der Levante gebrauch ist. Es ist durchaus e^ 
klärlich, dass bei dem grossen capital-confluz in Bom am ende der repubUk 
viel geringere zinsen (3, 4, 6, 8 Vo) zu erlangen waren, als in der alten zeit, 
in welcher geld selten war und fast alles vermögen aus liegendem gut vad 
vieh bestand. Wir müssen demnach Schultz' ansieht zurückweiseoi und be- 
rufen uns betreffs fernerer gegengrOnde auf Niebuhr a. a. o., Beeker- 
Marquardt handbuch 3. 2. 49ff. und Bein a. a.o. Wichtig ist fftr diese 
frage, dass Mommsen (röm. chronolog. 47ff.) das zehnmonatliche jsto ^ 
304 tagen als gesehäfti^'ahr bis zu Caesars kalenderreform festhält und ans 
dieser immer unbequemer werdenden rechnung den Übergang von jährlichen 
Zinsrechnungen zu monatlichen des laufenden kalendeijahres nach griechi- 
schem vorbilde deducirt. Daraus aber geht gleicherweise hervor, dass die 
Niebuhr'sche annähme von 10% ftür das zwölfinonatliche jähr unhaltbar ist) 
da ein zwölfinonatliches nie geschäfti^ahr war. Demnach ist bis zur mo- 
natlichen Zinsrechnung stets 8Vs% grundzahl gewesen, die je nach modifi* 



(^11 Dm sduddenseietc. I95 

das Gapital hei einem gläubiger ausgestanden haben, und dieser wird» 
wenn die sinsen xdcht rechtzeitig eingingen, entweder beschlag auf die 
liegenschaft^ des Schuldners gelegt oder eine abKteung der schuld 
durch oontrahirung einer neuen und grosseren bei einem andren gläu- 
biger Terlangt haben; hatte aber der Schuldner die Zinsen des ersten 
oder höchstens auch des zweiten Jahres entrichtet, so verlor d^ gläu- 
biger den betrag derselben zwar am capital, der grösste verlust wflrde 
jedoch — wenn wir an der obigen annähme des höchsten procent- 
satees zu löV» % = Ve des capitals festhalten — nicht % des 
gesaiomtcapitals übersteige. Es ist daher nicht nötig» mit Lange'S) 
anzonehmen, dass nur die bezahlten Zinsen vom capital abgezogen 
^en, welche über den höchsten procentsatz hinaus erpresst worden 
i^aren; in solchem fcdle dürfte man das von Niebuhr angedeutete ver- 
&bren der entschädigung der maltraitirten Schuldner durch die vier- 
fachen strafisahlungen der gläubiger wol mit grösserer Wahrscheinlich- 
keit voraussetzen, besonders da die gläubiger hierunter nicht weiter 
leiden würden. Die tradition weiss nichts von ungesetzlichen wucher- 
zinsen, und das gesetz macht keine ausnähme unter den gesammt- 
^sen. Was mit den noch nicht bezahlten Zinsen geschaht ist nicht 
ausdrücklich berichtet; doch ecgiebt es sich von selbst, dass sie zu 
dem etwas verminderten capital geschlagen wurden und dieses dem- 
gemSss wiederum vergrösserten, bei guten zahlem um die Zinsen eines 
Jahres ungefähr, bei schlechteren um noch mehr, so dass das capital 
seht, abgesehen von den dem gläubiger schon ausgezahlten Zinsen, 
nicht wesentlich verringert worden sein kann, als es zur amortisation 
^ gleichen raten während drei jähren bestimmt wurde. 



cation (semuncial-zinsfuss) verwandelt wurde. In Wahrheit fifeilioh bleibt 
derNiebuhr'sche satz als berechnung, mcht als anerkannter zinsfuss, beste- 
ben, dass bei SVs % i^uf die 30i tage 10 % auf 365 tage eingenommen 
inirden; vergl. dazu Rein a. a. o. — Nipperdey zu Tac. ann. 6. 16. hält 
aach an der ansieht fest, dass das foenus unciarum nur 1 % per jähr be- 
tröge. — Was die ergänzung des Festus: nnciaria lex appeUari coepta est, 
qiuun L Sulla et Pompeius Rufiis tulerunt, qua sanctum est ut debitores 
dedmam partem .. . betrifft (bei 0. Müller p. 375 u. 77), "so scheint mir die 
Ton Niebuhr am besten : »sortis annuis usnris penderent.c 0. Müller ergänzt: 
>daodeciqiam partem usurarum solutarum sorti detraherent.c Nur Wachs- 
math p. 436 note will eine frühere berechnung fUr das zehnmonatUche, 
eine spätere fär das zwölfinonatliche jähr nicht gutheissen, glaubt vielmehr, 
dass der uncii^zins zu Via vom capital von anüang an auf das zwölfinonat- 
liche jähr bezug gehabt habe. ^) 1. 575. 

13* 



196 Die gesetse des Liduiitt uni Sezdas. [feiuski 

12 ' Was diese amortiBation selbst angeht, so Itot der tkiaoisGlM 
attsdrnck es nngewiss, ob wir drei jfthrige ratra oder mehrere anza- 
nehmen haben**); nur von gleichgrossen raten ist die rede^)* End- 
lich entzieht es sich ganz unserer beurteilung, was mit den schnldnen 
geschah) welche nicht mehr so viel capital ttbrig hatten, nm den 
schnidenrest in drei jähren abzutragen; ob ihnen vom stat beihölfe 
geleistet wurde, und dieser demgemäss, sei es als glftubiger oder als 
schenker, auftrat, bleibt ungewiss. Vielleicht hatte man diesea M 
auch nicht vorgesehen, und es stellte sich erst allmählich bei den 
einzelnen die unmöglidikeit der Zahlung heraus ; jedenblls war der 
sdittldennot nicht abgeholfen, da 397 eine herabsetzung des zinsfosses 
auf Vis <^6s capitals notwendig wurde '^. Und gerade die halbheit 
der Unterstützung, welche die arme plebs auf diese weise von ibreo 
reiclien und vomehmen Vertretern erlangte, zeugt für die gleick- 
gtkltigkeit dieser für dieselbe; das ganze gesetz scheint als blendet 
projeetirt gewesen zu sein, daher die patricier hiergegen sidi nfdit 
zu sehr sträubten. ' 

CAP. n. 

Das aekeivmass-gesetz. 

13 Es ist das nicht hocji genug anzuschlagende verdienst Niebohrs'')« 
zum ersten male die Verhältnisse des römischen ager publicus ü 
ein rechtes licht gestellt zu haben. ^) 

Seit dieser zeit aber ist die frage nach dem zusanwnenhang der 
lex Licinia Sextia mit dem ager publicus der gegenständ lebhaEtester 
controverse geworden. 



^) Weniger ist wol ausgeschlossen. 

36) Yergl. übrigens buch 7. § 42. 

S6) Liv. 7. 16; siehe oben § 9. und buch 7. cap. II. ^) 3. 146'107- 

38) Da Schwegler 2. 401—448 auf das ausfohrlichste den gegenständ 
besprochen und weiter ausgeffthrt hat, so glaube ich an dieser stelle wA 
einer recapitulation entschlagen zu dürfen. Eines nur will ich hinzosetieB, 
dass n&mlich, was Schwegler von der assignation des ager publicus an pri' 
vate sagt, auch wol auf den ager quaestorius, den vom qoaestof Offent' 
lieh verkauften ager publicus, bezug hat; ich meine, dass beide acte, des 
Verkaufs und der assignation, jedesmal erst einer gesetzlichen sanction be- 
durften; dass also in ältester zeit die höchsten magistrate, später die cen* 
soren, nicht nach willkür den ager pubUcus unter den hanuner brini^ 
durften, sondern an vorhergehende gesetzliche besdminungen darüber ^ 
bunden waren; vergl. Schwegler 2. 412 und 131 



Das swefte gesetz der fex Licmia Sextia heisdt bei Lmus^: 14 
tde iD^do agrbraihy nequid plus qiiingenta iugera agri pos- 
fideret« Drei ansklitto sind es^ welche sich über die bedeutung 
dieses satzes gebildet haben, von denen zwei in principiellem gegen- 
8it2 zn einander stehai. Verfolgen wir chronologisch das auftreten 
der einzdhien Vertreter derdelben. 

Niebnhr als deijenige, welcher das neue princip zuerst in*s leben 15 
i^mtm hatte, spridit sich entsdiieden dafür aus, dass in der genann- 
teo lex Lidnia nur vom ager publicus die rede sei. Den mangel 
des zasatases >p«(blicüs« im text des gesetses sucht Niebuhr^) dadurch 
u entsdiuldigen, däss er denselben für ttberflttssig erklärt, weil der 
aas^ck »pössidercft« aufs klarste dartue, dass nicht Ton eigentum 
sondern nur vooft besitz die rede sei, d. h. von dem innehaben einer 
Mch^, üb^r di^ mäs gewalt und Terwendungsrecht, nicht aber eigeü- 
toätsr^t hat Und freilich ist der ausdruck »possessioc ein für den 
ager publicus dm'Chaus gebräuchlicher, tmd der possessor steht darin 
dem d(Hniiiu8 stets gegenüber ^). 

Dagegen bezogen Hüllmann**) und Chr. L. F. Schultz*«) den le 
ans^bnick ager auf den gesammten grundbesitz mit einschluss des 
eigentums. Ersterer macht besonders darauf aufmerksam, däss wo 
LiTros sonst den ager publicus meine, er nie versäume^ das wort 
»piiblicusc hinzuzusetzen**), während, wo er von der lex Liciniä rede, 
er nur vom ager spreche.**) 

Einer sehr eingehenden Untersuchung hat dann Huschke*^) diese 17 
frage unterworfen; sein resultat ist, dass das lidnische gesetz »allen 
gnmdbesitz — mochte er eigentum oder blosser besitz sein — 



»)6. 36. 6. *ö) 3. 15. 

*i) Eingehend hat darftber Huschke gesprochen und den sinn von 
possessio klar. gelegt in der schrift: Aber die stelle des Varro von den Li- 
dBiem; anhang: ftber Festus v. po^sessiones und possessio p. 75 ff. Heidel- 
berg 1835; vergl. auch Schwegler 2. 423 ff.; — mit Niebuhr übereinstim- 
mend beantworteten dann Wachsmuth (p. 430), Beier ad. Cic. de offic. 
3. 152, Göttling p. 351 und Walter röm. rechtsgeschichte 1. § 92 die 
frage. *3) R5m. grundverfässung p. 270 ff. 

*S) €h:;und]egung zu einer geschichtlichen statswissenschaft der Römer 
p. 480. 

**) Vergl. 2. 41, 43, 48, 54, 61, 63; 3. 1, 4, 12, 36, 43, 48, 49, 51; 5. 
24; 6. 6, 16, 21; 8. 11, 21,31,49, 53; 9. 40; 37. 57 und viele andre stellen. 

*5) VergL 6. 36, 36, 37, 39, 40, 41; 7. 16; 10. 13; 34. 4. 

**) a, %. 0. p. 1—21. 



198 I^^ gesetse des Ueiiihu uad Sextiiui. [Biudi i 

aller gnmdbesitz^ — sowol reicher plebeier als patrieter — über 
das angegebene mass hinaus verboten habe, wobei aber aUerdings den 
bestehenden Verhältnissen gen^s sein haapt-aagennMrk auf die p»- 
tridschen possessiones gerichtet war.« 
18 Vorzüglich drei gründe fbhrt er ihr seine ansieht an: 1. Die Zeug- 
nisse der alten nennen fast einstimmig in verbindnng mit dem Ucmi- 
sehen gesetz nur den ager, welcher ein publicus und pnoatns sein 
kann; anch ist der ausdrack »possiderec nicht stehend dattr, sonders 
es wird anch »habere« gebrancht, welches eigentnm und besitz um- 
fiasst^^). Dann widerlegt Huschke aosfbhrlich die beziefaung der hier- 
her gehörigen stellen bei Plntarch^) und Appian^^) auf den ager 
publicus. — 2. Die mit der lex Lidnia zusammenhängende bestim- 
mung über die beschränkung des gross- und Meinviehs auf 100 stick 
erster, 600 zweiter Bxt^), spricht ebenso wenig von einem salt» 
publicus, auf welchem das vieh weiden solle. Es war dies eiM 
beschränkung des viehstandes der reichen, damit dieselben nicht dorA 
übergrosse herden die ärmeren von der gemeindeweide verdrängten. 
•^ 3. Die Vermögensverhältnisse der Römer waren zu licinius' zeit 
der art geworden, dass der kleine grundbesitz immer mehr schwsDd, 
teils durch Verschuldung, teils durch die Unmöglichkeit, während der 
vielen kriege den acker genügend zu bebauen. Dagegen wuchs der 
grossgmndbesitz so sehr, dass es den gutsherren nicht mehr möglieb 
war, mit ihrer dientel die bebauung herzusteUen, sondern sie eine 
grosse menge von Sklaven dazu verwenden mussten. Darin aber 
waren sich reiche patricier und plebeier gleich; und mit unrecht 
schreibt Niebuhr erst dem licioischen gesetze die bestimmung ^ 
dass fortan auch plebeier possessoren am ager publicus werden könn 
ten; das recht dazu habe lange bestanden; allein den kleinen letiten 
fehlten die mittel zur occupation und beschafiang des. nötigen inveo- 
tars. Das gesetz über das ackermass hängt eng zusammen mit der 
Schuldenerleichterung, welche gleichüedls Licinius rogirte; durch diese 
erhielten die armen kurze zeit zum aufatmen und sammeln ihrer mittel; 
jenes aber als beschränkung des factischen besitzes und bestrafimg der 
Übertretung durch eine mult^^) bewog viele eigentttmer zu verkaufen ; durch 
die masse der zum verkauf ausgebotenen äcker sank der preis der 



47) So Cato bei Gellius 7. 3; Varro r. r. 1. 2. § 9; Vell. Fater& 2. ^ 

«) Ti. Gracchus 8, 16. *») Bell. civ. 1. 8. 

50) Appian bell. civ. 1. 8 ; Cato bei Gellius 7. 3. si) siehe unten § 94-^7. 



Cap. l£] Das acker-mass-gesetz. 199 

selben, und so konnte der arme auf leichtere weise ein kleines grund- 
stück erwerben; für die ällerärmsten war dann noch die bestimmung 
hinzugefügt, dass die reichen eine yerhältnissmässige anzahl von freien 
Verwaltern oder arbeitern — tulicus — statt der bisher ausschliesslich 
verwandten Sklaven beschäftigen sollten. Unter diesen umständen war 
es ganz gleichgültig, ob sich die bestimmungen blos auf ager publicus 
oder auch auf priuatus bezogen, da es nicht auf die gattung des be- 
Sitzes, sondern auf die blosse beschränkung desselben ankam. 

So Huschke. Was dann ausserdem noch die bedeutung des wor- 19 
tes ipossiderec betrifft, so fügt er im anhang^^) hinzu, dass eine pos- 
sessio agri priuati stets neben der agri publici hergegangen sei, 
indem entweder auf dem wege der gewalt kleinere grundeigen 
tOmer vertrieben, oder durch aussterben oder verlassen der schölle 
— etwa aus unfähigheit sie weiter zu bebauen — die besitztümer 
lierrenloi^ geworden waren und nun von den nächstliegenden besitzem 
occupirt und als ager possessus bebaut wurden. Somit sei also »pos- 
siderec nicht ohne weiteres auf ager publicus zu beziehen und Nie- 
bnhr könne demgemäss aus dem werte possidere nicht die bezugnahme 
auf den ager publicus im licinischen gesetz erweisen. 

Wenn demnach in Wahrheit von dem ager publicus speciell im 20 
licinischen gesetz nicht die rede sei, dieses vielmehr überhaupt jeg- 
lichen grundbesitz, eigentum und possessio, im äuge habe, so habe 
man es hier nicht mit einer wirklichen lex agraria, sondern blos 
mit einer de modo agri^) zu tun. Damit aber fielen die weiteren 
von Niebuhr als consequenz seiner ansieht aufgestellton bestimmungen 
des gesetzes, welche auf ausscheidung des ager publicus zum zwecke 
weiterer rechtmässiger Verteilung lauten, von triumvim zur ausführung 
des gesetzes sprechen und neben der geldstrafe far mehrbesitz auch 
die exmission aus demselben anordnen. 

Ich habe hiermit kurz den Inhalt der Huschkeschen beweisfuhrung 
wiederzugeben gesucht; allein es kann dies nichts andres als ein re- 
snme sein; in betreff der näheren begründung verweise ich auf 
Huschkes schrift selbst. 

Die eingehenden Untersuchungen Huschkes haben die frage inso- 21 
fem nicht beendet, als nach ihm noch eine reihe von sachverständigen 



S9) p. 75 ff. über Festus zu possessiones und possessio. 
»3) So heisst sie auch bei Liv. 6. 35; Varro 1. 2. 9; GeU. 20. 1; Plin. 
n. h. 18. 7. 3; Colum. 1. 3. 



200 IK« gMetee des IdciniiiB und Sextiiu. [Bnch 4. 

sich darüber ausgesprochen haben. Danmter ist hervorzuheben 
Pnchta^), welcher unter dem im lidnischen gesetz erwähnten ager 
nur Privateigentum erkennen will, weil, wie er sagt, dem State daran 
lag, die ausdehnung des besitzes überhaupt durch ager publicus nicht 
zu beschränken: allein wie er sich dabei mit dem ausdruck ipossi- 
derec abfindet, sagt er nicht; es hat ihm dies auch schon Mar- 
quardt^^) vorgeworfen; dieser scheint sich der Huschke'schen ansieht 
anzuschliessen. Dagegen scheint Schwegler, ohne sich weiter darüber 
auszusprechen, der Niebuhr*schen ansieht beizupflichten^). Für Huschke 
treten femer Rudorff*^ und Jhe ring**) ein; während sich wiederum 
für Niebuhr erklärt haben Sunden*'), Lange^), Mommsen^), 
Peter«*), Long«^, von Gosen**) und Lewis^). 

22 Gosen weist vor allem auf den ausdruck ager hin, unter dem er 
allein ager publicus verstanden wissen wiU; dazu erklärt er, dass der 
übelstand nicht durch grosses eigentum, sondern durch grosse occn- 
pation des ager publicus entstanden sei ^), dass vielmehr die grossen 
nur wenig grund und boden eigentümlich besassen, wozu er sich 
auf den bericht des Livius^) über L. Quinctius Cincinnatns beruft: 
»quattuor iugerum colebatc^). Man sieht, er hat sich auf eine gegen- 
beweisführung gegen Huschke nicht eingelassen, sondern nur seine 
eigenen beweispunkte hervorgehoben. Demgemäss ist von Huschkes 
gegnem dieser noch gar nicht in genügender weise gewürdigt worden. 

23 Was nun Gosens letzten grund angeht, so bedarf es vor allem wol 
eines autentischen nachweises über die Wahrheit des berichtes von den 
vier iugera des Cincinnatus; die zeit fällt vor dem gallischen brand, 



M) Gursus der Institutionen 1. p. 104, 4. aufläge von Rudorff besorgt 
1853; 1. aufläge 1841; Drumann, röm. gesch. 4. 56 spricht einüach von 
500 iugera überhaupt. 

55) Handbuch der röm. alt 3. 1. 1852. p. 321 note 2157. 

56) Vergl. 2, p. 424 note 2. 57) Rom. rechtsgesch. 1. § 15. 

58) Geist des röm. rechts 2. 157. 

59) De lege Licinia de modo agrorum 1854; über ihn wird unten noch 
ausführlicher gesprochen werden. 60) i. 522 und 575 ff. 

61) R. g. 1. p. 286. 

69) R. g. 1. 208—9; über die anschauung Ihn es vergl das vorige ge- 
setz § 4. 68) The declline of the Roman republic L 149 £ 1864. 

64) Das öffentliche vermögen in der römischen republik, in der zeitsch. 
für die gesammte statswissenschaft 22. 1866. p. 108 ff. 

65) Unters, über die glaubw. der altröm. gesch. 2. 307 ff. 

66) Dagegen vergl Huschke a. a. 0. p. 76. 67^ 3, 26. 
66) Er folgt hierin Walter 1. p. 90 note 17. 



Cap. IL] Dt8 acker-mftss-gesetz. 201 

and Gmciimatns ist der gegenständ reichster sagenbildnng gewesen; 

damit Terliert die Wahrheit der anssage sehr an wert. Geglsn den 

zweiten gnind Gosens, dass die occnpation des ager pnbliens die über* 

grosse ansdehnnng des grondbesitzes veranlasst habe, habe ich auf 

Hnschke verwiesen, der an der aageflUnten stelle im Gegenteil dar- 

tot, dass die grosse ansdehnnng sich meist auf occnpation von ager 

prinatus bezieht. Der erste gnmd Gosens, dass ager xar' i$ö)[ijv 

ager pnblicns bedeute , ist gleichüaUs von Huschke schon bekämpft, 

indem er auf den ager priuatus occupatus hinweist. Dazu kommen 

andre beweisstellen, die Huschke ^^) anführt. Liv. 6. 36 sagt: »plebeio 

homini nix ad tectum necessarium aut iocum sepulturae suus pateret 

ager«; ein suus ager kann kein occupatus sein, sondern bezeichnet 

feines eigentum^^. Liv. 6. 41: »altera lege solitudines uastas in 

agris fieri pellendo finibus dominos.c In beiden fiUIen steht ager ohne 

allen zweifei nicht in der bedeutüng von ager publicus; daher schon 

der ausdruck Gosens auf Livius angewandt falsch ist. 

Es stehen also eigentlich bis jetzt die Huschke'schen auseinander- 24 
setzmigen — ausser in der schrift von Sund^n^^) — unangegriffen 
da. fiei annähme derselben ist nur das hinzuzufügen, dass der aus- 
dmck »possidere« bei Livius, insofern er ja auch auf wirkliches eigen- 
tnm bezug hat, so erklärt werden muss, dass er den allgemeinsten 
nnd weitesten sinn des innehabens wiedergiebt, in den sowol eigen- 
tom als reine possessio hineinpassen; er vertritt hier also völlig den 
ansdruck »habere«, voi^ dem wir oben sahen, dass er in gleicher weise 
anf das licinische gesetz angewandt worden sei. Daher will Huschke ^^ 
das licinische gesetz folgendermassen formuliren: »ne plus quam 
B iugera agri, loci [sumere] utifrui habere, possidere liceatc 

Ehe wir weiter gehen, wollen wir kurz die gründe Huschkes 25 
prüfen. Der erste, den gebrauch des wertes ager ohne zusatz von 
pnblicns bei erwähnung des liciniscfaen gesetzes betreffend, ist un- 
iengbar anzuerkennen: selbst die für Niebuhrs ansieht angeführten 
stellen bei Appian^^) und Plutarch^^) spredieii nicht dagegen; der 
einfache ausdruck y^ und x^P^ ^™^ ^^^ gebraucht. Was die stelle 
bei Appiah betrifft, so sagt Göttling^^) init unrecht, Huschke woUe 



69) p. 5 note 9. ^o) Vergl. dazu Schwegler 2. 426. 

^1) Siehe unten § 28 ff. '») p. ö note 8. 

73) Bell civ. 1. 8. 7A) Camill. 39 und Tiberins Qracchus 8 und 16. 

W) p. 861 Nr. 6. 



202 Die gesetse des Lidnins a&cf Sextius. [lEbch 4. 

durchaus die lesart r^c 7^ statt x^^e t^c y^ festhalten; viehnehr 
weist Hnschke unzweifelhaft nach, dass auch die letztere lesart nicht 
allein auf ager publicus sondern auf jeden ager öccupatorius, auch 
den gewaltsam den kleinen besitzem entrissenen und auf diese weise 
oocupirten^^), zu beziehen sei; daher daraus kein beweis iQr die alleinige 
anwendung des gesetzes auf den ager publicus zu entnehmen ist Dass 
Plutarch^^) kein klares einsehen in die yerh&ltnisse gehabt hat, das 
beweist der umstand, dass er die ttbergrosse ausdehnung der Ifthdereien 
der reichen gegenüber denen der armen einem überbieten beim ver- 
steigern der statsldndereien zuschreibt; er verwechselt also den ager 
quaestorius mit dem ager occupatorius; und dennoch spricht er nie 
direet vom ager publicus, vielmehr muss er in seinen quellen andr 
nur immer von »D iugera agric gelesen haben; im übrigen sind, W( 
gesagt, seine begriffe zu verwirrt, um aus ihnen endgültige Schlüsse 
zu ziehen. ^ Wir müssen uns also diesem Huschkeschen gmnde durdk- 
aus anschliessen. 

Der zweite grund ist eine folgerung und begleitende exemplifica* 
tion des ersten, dass ebenso wenig bei der vorgeschriebenen anzahl 
von gross- und kleinvieh von der öffentlichen weide die rede sei''^). 
Auch dem dritten gmnde können wir uns nicht verschliessen. 
26 Noch etwas möchte ich hinzusetzen. Sehen wir nämlich die an- 
sieht an, welche Livius sich von dem gesetz gebildet hat, so finden 
wir, dass auch er unklar war, indem er in seinen eingeschobenen 
reden momente aufführt die dem gesetze selbst fremd waren. In der 
rede des Appius Claudius Grassus gegen die rogationen^ heisst es 
von den beiden volkstribunen^): »qui agros dono dant... ... nee in 

mentem uenit, altera lege solitudines uastas in agris fieri pellendo 
finibus dominos.c Zwei punkte hierin finden in den auf uns gekom- 
menen berichten über das gesetz keine bestätigung: 1. dass die über- 
schüssigen äcker der reichen den armen als geschenk — d. h. als 
eigentnm — zugesprodien worden wären; 2. dass die reichen mitge- 
walt aus ihrem überschüssigen besitz vertrieben worden wären. Was 
den ersten punkt betrifft, so halten zwar Niebuhr®^) und Oötti^g^ 
diesen aufrecht, aber nur als folge ihrer ansieht über die bedeutnng 
des gesetzes, nicht indem sie sich auf Livius berufen. Der ausdruck 



w) Vergl App. 1. 7. ") TL Gracchus 8. und lö. 

7^. Dazu vergL unteil § SSff. das über Sund^ns schrift gesagte. 

^») Liv. 6. -lOff. 80) Cap. 41. 10. W) 3. 19. ^ p. 332. 



€ia^.H.^ Bm adkieiviiuuw-gesett. . MS 

'dona Amte aber ist imter aUen mastincteii falgdi; das nattkrilchste 
unter Bolc&en verliftltiusgeii wflre doch, dass der freigewordene ager 
ooGiq[)atoriii8 den armen znr occnpation überlassen worden wäre ohne 
daas freies eigoitom darans gemadit wttrde^. — Den zweiten pnnkl 
nehmen Niebohr und GkMäing gleidifalls an , dass nämlkh die be- 
sitser gewaltsam ihres mehibesitzes verlnstig gehen soUtot; keine 
tateftehliehe quelle berichtet etwas ähnliches; viebnelff ut es jetzt 
eine allgemein anerkannte tatsadie^), dass von einer ennission ans 
d«& mahrbesitz nicht die rede war, dass vielmehr nnr eine mult auf 
den mdurbesitz gelegt wurde, wie die einzigen berichte über be- 
8ti»fimg desselben beweisen^). Livins also hat hier ohne genaue 
Sachkenntnis consequoizen nach eigener willkttr gezogen; als sehr 
kritischer berichterstatter über die dunklen Verhältnisse dieses ge< 
setzes kann er also nicht gelten; und dadurch verliert der ausdruck 
ipossiderec in seinem munde auch an gewicht 

Fem^ aber schmen mir die werte des livius selbst anzudeuten, 
dass er wenigstens niclit blos an den ager publicns gedacht hat; er 
sagt^) in der rede des volkstribunen an das volk: »liberos agros ab 
immstig possessoribus extemplo si uelit habere posse . . . non esse mo- 
destiae populi Romani id postidare, ut ipse fenore leuetur et in agmm 
iniuriat poföessum a potentibus inducatur.c Hier wird ausdrtlcklich 
von iniustis possessoribus und einem ager iniuria possessus ge- 
sprochen» Das aber konnte unter keinen umständen auf den ager 
piMieuB bezttg haben, da die occupation desselben auf dem einfach- 
sten reehtswege, nachdem das edict gegebmi worden war, nach belie- 
ben zu oceupiren, vor sich ging. Livius muss hier die gewaltsame 
oeeupsation mittelst austxeibung kleiner eigentümer von ihren gtltenr 
im augB gehabt haben, und diese betraf immer oder meist — da die 
annen wol kaum am ager publicus teil nehmen konnten, wie die frei- 
lich sehr unklare stelle bei Plutardi^O es darstellt — ager priuatus, 
der dann ein ager priuatus occupatorius iniuria possessus war. Ob 
Livius damit das rechte mit bewusstsein schrieb, ist immer noch 
fraglich; vielleicht lagen ihm die späteren Verhältnisse bei den sem- 
pronischen gesetzen im sinne. Nur das steht fest, dass Livius nicht 
ausschliesslich an den ager publicus denkt. 

M) Appian bell. dv. 1. 8 spricht von verkauf an die inneren. 
S4) Auch Qosen, der sich sonst Niebuhr genau anschUesst, ist dieser 
ansieht, a. a. o. p. 109. ^) Liv. 7. 16\ 10. la M) 6. 30. 9. u. 10. 

«7) Ti. Gracchus 8ff. . . 



204 Die geselse det Lidmps nad SezüiM. [Bad» >4. 

27 D^dmwmf G9lttmgs*^)n«n gegen HnseUte^dafiff es eine^^ 
ofigereohtigkeit gewesen wäre, die mehrbesiteer zu zwiageo, Suren sMdff- 
besitz k tont prix los zn schlagen, hebt sich an^ wenn wir, wieoben, 
constatiren, dass. von einer zwaagsansweisimg nicht die rede sei, dass 
yielmehr nnr eine geldstrafe dem m^ibesitzer iraferlegt wurde, eme 
miilt, welche freilich wiederholt nnd daher ein kostbarer Inzns werdoi 
kannte; und darin stimmt die erste fassnng der lex Sempronia mit 
der lex Lidnia fiberein ^). Nur diejenigen, welche sidi der mnlt 
nicht unterziehen wollten, waräi gezwungen, ihren mehrbesitz lofszn* 
schlagen; nnd das zusammenkommen mehrerer derartiger zwangsver- 
käu£B k<mate dann freilich dazu dienen, auf die preise zu drfidten 
und deti armen den ankauf kleinerer parceUen zu leichtem. Die 
lex Lidnia sdbst aber war ebenso wie die erste fossung der lex Sem- 
proma des Ti. Gracchus eine lex imperfecta, wie Huschke das ans 
diesen gründen entwickelt. •<^) 

28 Besprechen wir an dieser steUe nun die schon erwähnte^ schrift 
Ton Sund^. 

J. M. Sund^n*^) recapitulirt und behandelt aufs eingehendste 
die frage über das vorliegende gesetz,"^ indem er sic^ zur ansidit Nie- 
buhrs bekamt. Nach einer einieitendoi historisdien darstel]ung Über 
die entwickelung der frage und die versdüedenen versuche ihrer ID- 
sung bespricht er in f&nf abteilungen den gegMistand mit allseitiger 
rtt<^ichtnahme auf die entgegenstehenden onsichten. Folgen wir ihm 
im laufe seiner Untersuchung : Er geht aus von den bekannten stell^^. 
Was Livius betrifft, so lässt er nicht unerw&hnt, dass dieser nirgends 
bei der lex Licima vom ager publicus spricht; nur fikgt er nidit 
hinzu, dass Livius bei allen andren agrar-gesetzen und erwfthnmigen 
des ager pnUicus das wort publiGüs hinzufügt^). Wenn er dagegen 
einzelne atisdrücke des Livius ^) als der auffassung von ager publicus 
günstig ansieht, so mussich bei letzterem sehr widersprechen^); ^e 



88) p. 352. 8») Vergl. Plutarch a. a. o. «>) p. 15 note 33. 

91) De lege Licinia de modo ägrormn quaestiones, üpsala 1858. 66 Sei- 
ten gr. 8^0. 

92) Livius 6.35, Plutapch>Ti. G«aodins8*^10; CamilLSO; Appian 
bell. civ. 1. 8. ^s) Siehe oben § 16. 

^) Legesnadüerisns'opes patridomm' et pro commodis plebis ; de modo 
agrornm occupationi in^nendo; iniustis possessoribus; agrum ab'potenti- 
bus iniaria pössessum: 6/ 35, 37, 39. 

96) Siehe oben § 26. meinen gegenbeweis. 



OnLSL] Dtof aeknv-mluss*ge8ete. 805 

beiden ersteren aber sind rketorisehe zasitze des liviiid, der, dme 
die Sache zq verstellen, wol eher an grandbesitz überhaupt als an ^e 
bestimmte art denkt, wozu ihn der woitlant der gesetze leicht ft^rte; 
nnd gerade die von Sunden zurückgewiesene stelle^ drückt diese 
«isehaaung des Livius noch deuÜH^er ans* Dazu übersieht Sunden 
^ possessio agri priuati. Mit reeht erklärt er dann gegen Niebuhr 
»pessiderec bei Livhis fiftr den i^gemmnen ausdrack des innehabens 
8OW0I von eigentnm als ager oocnpatorius. Wenn Sonden trotzdem 
fiBr LiTins annimmt, dass er die hanptbedeutung des gesetzes in seiner 
tichtang gegen die possessionen des ager publicns der vornehmen er- 
kannt habe, so fehlt daftkr doch der beweis, da er eben vorher von 
der völligen Unklarheit des Livins spricht. — Was Plutarch betrüft, 
so hebt er auch dessen unkenntiiis der Verhältnisse hervor, bezieht 
aber 3ie worte*^ über die beschrftnkung auf 500 iugera nur auf den 
satz: rijy 8k ftoioöpLevot hjiwakLV iSßoaav vefiAr&tu rotg dxrijiwat 
^* r. 7., nicht auch auf das vorhergehende: n^v/ueey in^rtpcurxov. Dann 
aber ist neben der possessio das zum dominium der armen gewordene 
mit hhuEaziehen, und so findet die HuscUce'sche etkiärung völlige 
begrü&diti^g. Aiuserdmn möchte man hn Niebidirs'chen sinne erwarten: 
^x jSv nMpa r^cSe r^c nc fy^ti^ ft^^ova frei/taxcHrtbv, allein das 
t^e t^C) wie bei Appian, fehlt hier ganz und es ist nur von y^ im 
allgemeinen die rede^*>: — Wir kommen zu Appian^). Auch hier 
übersieht SundiSn die occupatio agri priuati, von der Appian^^ 
spricht ^1) und bezieht alles auf den ager publicus occupatus; der 
ausdruck ri^c^e r^c y^Q ist nicht so zu pressen, wie Sunden tut; er 
selbst müsste consequenterweise den ganzen agei' occupatorius, nicht 
Mos den publicus verstehen. Der einwurf, dass Appian in der pä^ 
nülelisimng des gracchischen und licinischen gesetzes denselben ge- 
siehtspnnkt haben müsse, ist insoweit richtig, als die form des lici- 
nischen im griechischen wiederholt ist: nämlich das begrenzte mass 
von 600 iugera; nur war dabei eine verschiedene beziehung dieses 
gleichen masses denkbar ^^^). Die £pnnuli]:ung des Ucinischen gesetzes 



^) 6. 41. 11: »pellendo finibtis dominosc. ^) Ti. Öracchus 8. 

M) und ebenso Gamül. 39; dass iMutarch den Dionys im Gamillus be- 
nutet hat, nicht Livras, hat H. Feter dargetan: die quellen Plütarchs in 
den biogtaphien der BOmer 1864 p. 17—28; daher an eine copie der gö- 
setisiässung nach Lmus wol nicht gedacht werden kann. 

»») Bell. civ. 1. S. iw) 1. 7. loi) Siehe oben § 17, 26. ^ ' 

^<») Siehe unten § 32. 



1 



2jli6 Die gesetee dis IiiciBte umI Seztiiis. [Buk 4. 

scheint bei liTins nemlkh treu wiedergegeben su seinV da sie sidi 
ftbnli^ ohne nennong des ager pnblicns und priiwtitt ftberali ineder- 
findet. War aber dieser Wortlaut den BOmem geUufig, was wunder 
wttin der Grieche Appian das lioinische nnd graochisdie geseto dem 
wortiant nach parallelisirt? — Aach die worte Appians tber die ans- 
dehnnng der herden auf den weiden besieht Sandte nur anf saltds 
pobüci, obgleich er zugiebt» dass hierüber nichts gesagt sei; ja gerads 
bei beziehnng von t^€ t^c ^9C auf ager publicos tritt nm so fiel 
sch&rfer der ansdrock über beschräakung des riehstandes als ein ab- 
soluter dem über das adcermass entgegen^<^). Sundtos erkUbnmg 
ist daher eine l^rpothese, die sich auf seine firühere erkUrung Appians 
über den grundbesits allein stfttst Damit hat Sunden seine haupt- 
begründung abgeschlossen; das folgende kleidet nur das gebftude aus. 
Dazu gehören die ferneren dtate der alten über unsar gesetz: zueist 
aus Gato^<^); wir kennen den ausdruck: »si quis plus D iugera ha- 
bere uolueritc schon von oben; audi dieser spricht für die allge- 
meine livianische formulirung des gesetzes^^^). Sehr richtig aber ist» 
dass Sextus Caecilius , der Jurist ^ , die lex Lioinia mit den leges 
sumptuariae, der lexYooonia, Licinia ?on ^l und Faiu^n jtusam" 
men nennt, obgleich Sunden dies abzuweisen sucht; als blO90e iez de 
modo agri publici priuaüque war sie wirklich in gewisser weise eine 
sumptuaria, indem der grössere grundbesitz als Inxus aagesehea 
wurde. Der versuch Sund^ns, den ausdruck mit seiner ansieht zu 
reimen^ ist gezwungen. Wieder finden wir bei Yarro^) dia liviani- 
sche formulirung des gesetzes. ^<^) 
29 Damit scbliesst der erste abschnitt in Sund6ns bewei^fllhning^ 
er behauptet die tatsache, dass nur von ager publicus di^ rede s^i« 
bewiesen zu haben, und zwar vor allem gestützt auf A^ppian; wir 
sahen, dass dieser nicht ein bestimmtes zeugnis abgelegt habe, ab- 



105) pajdk npoßareöuy kxaxöv nXsu» x. r. X, 
IM) Bei Gellius 7. 3. 91 und 40. 

106) Dazu Gellius 20. 1. 28: ingemm de numero praefinito. 
iw) Bei Gellius 20. 1. 28. io7) R. r. 1. 2. 9. 

108) Und ibidem 1. 3. 11 wird auch nur vom »agrimodusc gesprochen: 
ebenso Plinius n. h. 18. 3; Yelleius 2. 3 ist freilich wol mit Sunden gegen 
Huschke als beglaubigung irgend einer ansieht zurückzuweisen. Die ganx 
verdrehten berichte des Siculus Flaccus de cond. agr. p. 136; AureL 
Yictor uir. ilL 20 und 84; Yaler. Max. 8w 6. 3 sind gLeich&Us mitSun- 
dto Men zu lassen. 



Ct^ HO Dm actketroM^feiote. 807 

gesehen davon, dass die begleitende angäbe bei ihm, dies geaetz sei 
von der btbrgersehaft beschworen worden, nirgends sonst berichtet ist 
und angessweifelt wird^^), so dass seine nachrichten ttber das Ikini- 
sche gesetz auch nicht ganz sicher zu sein scheinen. Dagegen sahen 
wir, dass die nennung der lex Licinia neben den sumptuariae ein ge- 
wichtiges Zeugnis gegen Niebuhrs ansieht enth&lt. Und die auf- 
bliende erscheinung, dass, wo auch inuner die lex Licinia genannt 
wird, immer nur vom »ager«, nie mit dem zusatz »publicus« die rede 
ist, während bei allen rein agrarischen gesetzen der ausdruck »ager 
publicus« stehend ist, darf auch nicht blos mit zwei werten absolwt 
werden. Dass das licinische gesetz auch gegen die possessionen am 
ager publicus gerichtet war, versteht sich bei der Huschke'schen aus- 
legong von selbst; und wir können dpber der abweisung der Puchta* 
sehen ansieht von selten Sund^ns^^^) nur beistimmen; mit ausnähme 
freilich des einen punktes, dass der patridsche grundbesitz haupt- 
sächlich aus ager publicus bestanden hätte, was Sunden aus Li- 
Tias^^^) und Schwegler^^*) herausliest; aber ersterer hat gewiss 
keine berichte irgend welcher art aus jenen zelten darüber, schreibt 
also entweder den reflexionen seiner quellen-autoren nach, oder re- 
flectirt selbst, was bekanntlich keine historische sttltze ist; und Schweg- 
1er weist gleichMs auf das unsichere dieser angaben hin, indem er 
eine wachsende ausdehnung patricischen eigentums flu* möglich hält 
— Der einwurf femer gegen die Huschke'sche ansieht, dass, weil ager 
pabHcus und priuatus auf ganz verschiedenem rechtsboden stünden, 
von ihnen nicht unter einer bezeichnung geredet werden könne^ ist 
rein subjectiv und wertlos. Endlich vergisst Sund6n völlig den um- 
stand, dass das licinische gesetz nicht mit exmission, sondern nur mit 
geld strafte."«) 

Im dritten und vierten abschnitt schildert Sunden die entwickelung SO 
der agrarischen kämpfe von der lex Cassia an; dabei freilich legt er 
den livianischen werten über die klagen der plebs wegen der vor- 
enthaltung des ager publicus zu viel gewicht bei; historisch ist nichts 
von alle dem beglaubigt; es sind reine re&exionen späterer zeit. Dana 
wirft sich ihm die frage auf, seit wann die plebeier überhaupt ^ger 
publicus occupiren durften. Er weist mit recht nach, dass von einem 
verbot gegen plebeische occupation sich nichts in den quellen finde, 



10») Yergl. oben buch 3. § 39. »<>) p^ 28 ff; siehe oben § 21. 

111) 4. 48. iis) 2. 447 note 1. us) Siehe oben § 27. 



1 



208 1^^ geaetse des Lidiiiiu und Seztiiu. [Bnck 4. 

dass daher die Niebnhr^sche ansieht, welche sie erst Yom licinischen 
gesetze an statnirt, der begrflndong entbehre, und die Hnschke'sche, 
weldie eine frohere annimmt, mindestens ebenso viel recht als jene 
habe. -^ Aus dem umstand, dass mit der licinischen gesetzgebnng 
einesteils der Standeskampf, dann auch agrarische bewegungen fär 
lange zeit aufhören, schUesst Sunden, dass diese die lange vorher 
dauernden kftmpfe über agrarische ebenso als über Standesfragen be- 
endet hätte. Man habe zu an&ng erstere auf dem positiven wege 
der äckerv»*teilung lösen wollen; da dies aber nicht zu stände ge- 
konmien wäre, habe man das negative mittel ergrifiSen, einen grösseren 
aateil am ager publicus als ein bestimmtes mass zu verbieten, so dass 
der rest des nicht occupirten den ärmeren zufallen könnte. Es ist 
das ein versuch, zwischen den früheren agrarischen bewegungen und 
don licinisdien gesetz einen zusamm^ihang herzustellen; allein es ist 
nur ein versuch, der andre wege nicht ausschliesst; als einen solchen 
möchte ich bezeichnen, dass, nachdem lange sich alle Streitigkeiten 
um den ager publicus gedreht hatten und dadurch dieser schon als 
name ein gehässiges gepräge trug, man nun versuchte, mit umgehnng 
dieses streitobjectes auf dem wege eines allgemeinen luxusgesetzes 
dasselbe ziel zu erreichen, nämlich in einer allgemeinen beschrän- 
kung des gnmdbesitzes auch eine solche der possessionen am ager 
publicus herzustellen. Ein solches luxusgesetz aber hatte den vorteil, 
alle streitigen Verhältnisse, auch die der gemeindeweide, durch be- 
schränkung des viehstandes zu regeln; am meisten aber scheint mir 
daf^ die beschränkung des Sklavenbesitzes und die gezwungene ver- 
tretung derselben durch freie arbeiter zu sprechen. SoUte wirklich 
der wuchernde sklavenbesitz beschränkt sein, so musste der grundbesitz 
selbst absolut beschränkt werden, damit so die fähigkeit über* 
haupt genommen sei, mehr Sklaven als eine gewisse zahl neben den 
freien arbeitem zu beschäftigen; und das war freilich eine kluge und 
woltätige anordnung flu* die gesundheit besonders des Privatlebens. 
31 Im vierten abschnitt weist Sunden gegen Niebuhr femer nach, dass 
keine triumvim zur ausführung des gesetzes ernannt worden seien, 
ja dass überhaupt von einer assignatio nicht die rede in den quellen 
sei; vielmehr spricht Appian nur von einer pi^iiäi im contraventions* 
Me, einer mult, und sagt, man habe den noch vorhandenen (nicht 
occupirten) ager publicus an die ärmeren verkaufen wollen^**); j» 

114) Freilibh eine seltsame anschauung, dass die armen, welche kein 
geld haben, kaufen sollen. 



Cap. U.] Das acker-mass-gesetz. 2()d 

gerade der tunstand; dass die ärmsten in ermangelung eines eigenen 
grimdstücks wenigstens als freie arbeiter ihren lebensunterhalt finden 
sollten; spricht gegen jede art von assignation und gratis-yerteilong 
von freigewordenen ackern ; der arme hätte sonst nicht auf fremdem 
acker m arbeiten brauchen. Niebuhr^^^) lässt es nun eigentlich als 
kennzeichen jedes agrargesetzes gelten, dass triumvirn zur ausführung 
des gesetzes ernannt werden und assignationen statt finden. Das hat 
in allen andren fällen seine berechtigung und bestätigung; dass Sun- 
den aber hier das Vorhandensein mit recht widerlegt, spricht also 
eigentlich gegen seine ansieht. — Eine wideriegung der von Huschke 
Pachta und Budorff vertretenen möglichkeit, dass durch ein gehäuftes, 
losschlagen des mehrbesitzes der grundbesitz im preise sinken und 
dadurch den armen zugängiger sein würde — eine widerlegimg hier- 
von, wie Sunden sie bringt, ist eigentlich unnötig, denn von einem 
Verkaufs zwang ist nirgends die rede; wer strafe bezahlen wollte, 
konnte zeitweilig im besitz bleiben. — 

Im fünften abschnitt endlich zieht Sunden eine parallele zwischen 32 
dem gracchischen und licinischen gesetz; er sagt dort^^^), trotzdem dass 
6r doch annimmt, dass beide bestimmungen ein gleiches mass von ager 
pnblicus betonen: »et habent sane multa dissimilia, siue consilium 
ipsarum legum et uoluntatem contemplamur, siue quae de quaque re 
scita esse acupimus«; freilich, freilich! im gracchischen fehlt alle be- 
schränkung des vieh- und Sklavenbesitzes, im licinischen jede beson- 
dere bedenkung des haussohnes neben dem hausvater; wenn dies auch 
zum teil aus den veränderten Zeitverhältnissen erklärt werden kann, so 
genttgt das doch nicht. Eine beschränkung des viehstandes i^^) bei 
unbeschränktem grundeigentum wäre ein volkswirthschaftlicher un- 
smn; woher sollte der gutsherr die nötige dungkraft fär das land be- 
ziehen? Eine beschränkung der Sklaven zu gunsten freier arbeiter 
konnte in einem agrargesetz, das auf acker Verteilung hinzielte, 
also dem armen grund und boden zu eigen geben wollte, eigentlich 
gar keinen platz haben, während beides für ein absolutes luxus gesetz 
ohne strenge prohibitiv-massregeln ganz in der Ordnung und in hohem 
grade dienlich war. Der ager publicus war zu der Gracchen Zeiten 
in*s immense gewachsen, und aus ihm bestanden damals wol die haupt- 
besitzungen der reichen; daher galt es nun, diesen zu beschränken, 



w*) S. 19. 22. 116) p. 61. 

UT) Denn ton einer absoluten spricht Appian. 

ClMOD, rtfm. gMch. I. 14 



33 



210 t>ie gesotze des Licinius nncl Sextins. [Bncb 4 

um freie äcker zur assignation zu gewinnen ; so ausgedehnt und an« 
verhältnissmftssig konnte in der zeit des Licinius besitz und eigaitum 
niclit sein. Die fthnlichkeit beider gesetze aber liegt im princip 
der beschränkung des besitzes überhaupt und in der Zah- 
lenangabe der der gattung nach verschiedenen iugera, 
welche innegehabt werden durften; daher denn dag häufige 
parallelisiren beider gesetze und die wol beglaubigte ftanahme, dass 
Tiberius Gracchus durch das licinisdie gesetz den afistoss zu seiner 
gesetzgebung empfing. 

Wir können uns, wie unser raisonnement 2eigt, den ausf&hnmgen 
Sund^ns nicht anschliessend sondern bleiben auf dem von Huschke ge- 
bahnten wege zum richtigen Verständnis der lex Licinia de modo 
agrarum. Und diese annähme gewinnt noch mehr Wahrscheinlichkeit, 
wenn wir die geringe bis dahin erworbene ausdehnung von ager 
publicus in betracht ziehen, welche occupationen von 500 iugera als 
enorm erscheinen lässt.*^*) 
^ Begreiflicherweise stand eine mult auf der Übertretung des höchst- 
bestimmten viehstandes — 100 stück gross-, 500 kleinvieh^^^) —des- 
gleichen wol auf nichtbefolgung der Verordnung über die Verwendung 
einer bestimmten anzahl von freien arbeitern neben den Sklaven auf 
den ackern der reichen. **>) 

Was nun die höhe der jedesmaligen mult betrag, so finde ich 
bei keinem neueren forscher den versuch gemacht, dieselbe einiger- 
massen zu bestimmen und zu begründen ^'^). Und es ist wahr: wir 
haben in allen quellen nur eine einzige Zahlenangabe über eine er- 
hobene mult Livius^^^) sagt: »eodem anno G. Licinius Stolo a M. 
Popilio Laenate sua lege decem milibus aeris est damnatus, quod 
mille iugerum agri cum filio possideret, emandpaadoque filium fraudem 
legi fecisset.«*^^) 



118) Vergl. das nähere darüber unten § 41 und buch 2. § 138. 

11*) Appian bell. civ. 1. 8. i*>) Appian ibid. 

131) Niebuhr 3. 16 note 14 spricht sich gegen ein bestimmtes Verhältnis 
zwischen malt und grosse des mehrbesitzes aus. 
' 132) 7. 16. 9 ad annum 387 u. c. 

133) Valer. Max. 8. 6. 3, der Livius ausschreibt, hat, wie schon Ton 
andren, besonders Huschke, bemerkt, diesen bericht eigentümlich geÜBtsst; er 
schreibt : dG. Licinius Stolo . . . mille comparauit dissimulandique criminis 
gratia partem filio emancipauit.« Huschke p. 6 note 10 vermutet mit Sa- 
vigny eine Verwechselung der emancipation des sohnes mit der Übertragung 



Cap. II.] Das acker-mass-gesetz. 211 

Licinius hatte 500 iugera tlber das vorgeschriebene mass und 36 
musste dafür 10,000 ass busse zahlen. Es kann fraglich scheinen, 
welche art ass wir hier zu verstehen haben. Nach den ausgezeich- 
neten Untersuchungen Langes^^*) über die censussummen der ser- 
vianischen Verfassung hat es sich herausgestellt, dass die in den 
quellen sich findenden sununen von 100,000, 75,000, 50,000, 25,000 
und 10,000 (oder 12,500) auf einer reduction der ursprünglichen in aes 
graue anzusetzenden sununen in den sextantarfuss beruhen, dass also 
die ehemaligen summen in aes graue um das fünffache geringer in 
der zahl waren. Haben wir eine gleiche Übertragimg bei der mult- 
angabe des Licinius anzunehmen? Ich« glaube nicht; die censussätze 
waren als dauernde Institution für die spätere zeit in d^n gangbaren 
münzfiiss übertragen, um eine wertgleichheit zu erzielen; wir haben 
es hier mit einem einmaligen fall zu tun, der aus den ältesten Chro- 
niken unverändert in die annalisten übergegangen ist; es zwang we- 
nigstens keine historische notwendigkeit zur Übertragung in den 
sextantarfuss. Also haben wir es mit aes graue, d. h. mit assen zu 
Ve pfund kupfer zu tun. — Wollen wir nun zwischen der zahl der 
straffälligen iugera und der Strafzahlung selbst eine Verwandtschaft 
annehmen, so würde durchschnittlich das iugerum mehrbesitz mit 
20 ass alter Währung bestraft worden sein. Nach Langes Unter- 
suchungen i^*) stellt sich das Verhältnis für die servianischen census- 
sommen so heraus, dass das iugerum einen wert von 1000 ass reprä- 
sentirt, oder vielmehr dass bei der ursprünglichen rechnung nach 
landmass und besitz eine Übertragung in geldeswert zu der zeit, als 
man eben nach münze zu rechnen anfing, etwa von der decemviral- 
gesetzgebung an, der art statt fand, dass man an stelle eines iugerum 



des ackers an ihn. Dass Valerius Max. den livianischen bericht misverstan- 
den hat und daher auf seine aussage nichts zu geben ist, steht fest; das 
aber ist nicht unwesentlich für die auffassung desselben, dass Julius Paris, 
welcher ja wiederum Valerius excerpirte und jedenfalls eine sehr gute hand- 
schrift desselben vor sich gehabt haben muss (vergl. Halm: praefatio zur edit. 
Teubner. des Valer Max. von 1865 zu anfang), nicht »emancipauit« son- 
dern »mancipauitcc schreibt, wodurch man sich bewogen fühlen könnte, auch 
gegen die lesart des codex Bernensis, dieses im text des Valerius herzu- 
stellen. Dann verstand jedenfalls Valerius die Übertragung des besitzes 
an den sobn als eine mancipatio; da diese aber nur auf eigentum anwend- 
bar war, so führt die consequenz dieses bericht s dazu, dass Valerius an einen 
ager publicus als gegenständ der rechtsfrage nicht kann gedacht haben. 
1»*) Rom. alt. 1 422 ff. las) a. a. o. 

14* 



^12 Die gesetze des Licinius und Sextias. plach 4. 

1000 ass schrieb und rechnete. In wie fem nun der wert des iugerum 
sich in den 70 -80 jähren von der zeit der decemvirn bis zur licini- 
schen gesetzgebung geändert hatte, lässt sich nicht sagen; ein wesent- 
licher wertunterschied wird wol nicht stattgefunden haben; denn wenn 
auch das römische gebiet durch die erwerbung der veientischen mark 
vergrössert worden war, so boten dem jedenfalls auf der einen seite 
die Yolksyermehrung y auf der andren die folgen der gallischen cala- 
mität ein gegengewicht. Halten wir aber an der Wertbestimmung des 
iugerum zu 1000 ass fest, so erhalten wir einen satz von 2 % straf- 
zahlung für die Übertretung des licinischen gesetzes über das acker- 
mass, da auf ein iugerum 20 ass strafe gezahlt werden. Bei häu- 
figerer Wiederholung einer solchen strafe würde doch der ertrag des 
ganzen wesentlich geschmälert, wenn nicht gänzlich paralysirt werden; 
daher denn, trotz der lex imperfecta, dem gesetz ein starker rückhalt 
gegen Übertretung gegeben war. 
87 Im gespräch über diesen gegenständ mit Professor Dr. Th. Mu- 
ther in Jena regte dieser den gedanken an, ob nicht, was in 
diesem falle vom römischen rechte »multa« genannt worden sei, in 
Wahrheit nicht als strafe, sondern als Steuer, eine art luxussteuer, an- 
gesehen werden müsse; er selbst fügte zwar hinzu, dass dies freilich 
dem grundsatz allgemeiner gleichbesteuerung mittelst des tributum 
widerspräche, glaubte aber vielleicht den ersten ausnahmefall davon 
hierin sehen zu dürfen. Die ansieht hat sehr viel anziehendes. Die 
lex imperfecta, die eigentlich das vergehen nicht aufhebt, sondern es 
nur so auszunutzen weiss, dass dem stat zugleich daraus ein vorteil 
erwächst; eine gleichmässige Verteilung der Zahlung nach massgabe 
der ausdehnung der gesetzes-übertretung; ein bestimmter procentsatz: 
alle diese umstände sprechen für die anschauung Muthers. Allein 
zwei punkte sind dabei in betracht zu ziehen, die mich davon abhal- 
ten, mich derselben anzuschliessen: 1. ausdrücke wie »poenac^^}, »est 
damnatus«^^), »lex iietB,W^^% »plerisque dies dicta . . . quia plus . . . 
agri possiderent«i29)^ deuten doch zu sehr darauf hin, dass nicht 
von einer contractartigen erlaubnis zum mehrbesitz, sondern von einem 
gesetzlichen verbot mit unvollkommener ahndung die rede ist. — 
2. wenn es eine einfache ausserordentliche luxussteuer gewesen wäre, 
so müssten die quaestoren es gewesen sein, welche den steuerbetrag 



136) Cato bei Gellius 7. 3. i27) Liv. 7. 16. 9 von Licinias. 

128) Varro r. r. 1. 2. 9. i») Liv. 10 13. 



Cap. ü.] Das acker-mass^gesetz. 213 

eingetrieben und in dem aerariiun deponirt hätten; dagegen sagt Li- 
vins^^): »plerisque dies dicta ab aedilibusc, also die aedilen und 
zwar die plebeischen sowol als die curulischen^^i) hatten die ein- 
klagung respective eintreibung der fälligen gelder zu besorgen; das 
aber scheint mit einer anschauung letzterer als steuern nicht verträg- 
lich; Tielmehr deutet die tätigkeit der aedilen offenbar auf eine po- 
lizeiliche, gegen ausschreitungen gerichtete massregel. Dazu kommt, 
dass, wenn blos von einer Steuer die rede wäre, man sich wundem 
müsse, dass Livius überhaupt, und wenn er es tat, nur so selten von 
der eintreibung derselben berichtete. Ich glaube daher an jene zah- 
long als eine straf Zahlung ohne notwendige regelmässige Wiederkehr 
denken zu mttssen; vielmehr war es wol den aedilen anheim gegeben, 
nach gutdünken im nichtbefolgungsfall die mult zu wiederholen. 

Ein andres bedenken erhob ausserdem Professor Muther gegen 28 
die annähme, dass wir es nicht blos mit dem ager publicus zu tun 
hätten, indem er in dem gesetz eine beschränkung der freien Ver- 
fügung über das eigentum sah. Und dies ist zuzugeben; freilich 
konnte der reiche Römer gesetzlich sein vermögen nicht mehr nach 
belieben in ländereien und herden anlegen; aber einmal sahen wir, 
dass der zuwiderhandelnde nicht des mehrbetrages verlustig ging, 
sondern nur gebüsst wurde, andrerseits ist diese beschränkung der 
freien Verfügung über das eigentum nicht gerade sehr weit verschie- 
den von den schon älteren gesetzen über einen höchsten zinsfuss. 
Auch mit diesem war die ganz freie Verfügung aufgehoben, da der 
betreffende sein geld zu höheren als den gesetzlichen procenten nicht 
anlegen durfte, selbst wenn er dazu geneigte debitoren fand, und 
während für eine Überschreitung der wuchergesetze der vierfache be- 
trag der zu hohen Zinsrechnung an den Schuldner gezahlt wurde ^^a)^ 
waren auf eine Übertretung des ackermass-gesetzes nur 2 % des mehr- 
betrages als busse gesetzt, ein verhältnismässig sehr viel geringeres 
hinderungsmittel gegen das gesetzwidrige verfahren. Ich glaube daher 
das factum jener beschränkung der freien Verfügung anerkennen, 
allein die praktische bedeutung derselben als weniger hart hinstellen 



i«o) 10. 13. 

181) Vergl. Liv.'lO. 23, 47; 33.42; 35. 10; Festus p. 238 s.v. publicius 
clinns, hier nennt Festus curulische aedilen, während Varro L. L. 5. 44 ed. 
Spengel p. 157 von plebeischen bei derselben gelegenheit spricht; wie Varro 
auch Ovid. fasti 5. 287; vergl. auch buch 5. cap. IL 

1^9) Siehe oben § 8. nach Huschke nezum p. 120ff. 



214 l^ie gesetze des Licinius und Sextius. [Buch 4. 

zu müssen. Freilich bei solchen besitzem , welche , am der malt zu 
entgehen, ihren mehrbesitz veräusserten, sammelte sich ein capital, 
das bei den beschränkenden wachergesetzen auch nicht einmal nach 
dieser seite in bankgeschäften nach belieben ausgebeutet werden 
konnte. Dass dazumal schon ein lebendiger handelsverkehr mit den 
grossgriechischen städten von Bom aus gef&hrt wurde , scheint mir 
nicht sehr wahrscheinlich; waren doch überhaupt die Römer nicht 
ähnlich wie Griechen imd Karthager ein handelsvolk; ihr Interesse 
lag eben hauptsächlich im geldgeschäft. 

39 Dadurch aber, besonders bei den noch beschränkenden Verhält- 
nissen des licinischen Schuldengesetzes, musste bei manchen eine an- 
häufung toten kapitals stattfinden; und wenn etwas, so scheint dies 
— unbeabsichtigt und unvorhergesehen wol von den gesetzgebem — 
dazu beigetragen zu haben, eine billigere vendnsung des capitals auf 
dem wege des darlehns an arme ermöglicht zu haben; wovon ich 
dann als eine folge ansehen möchte, dass im jähre 397 schon der 
frühere weit höhere zinsfuss eine allgemeine reduction auf gesetzlichem 
wege erhielt 133) vielleicht in folge einiger dennoch den alten Zinssatz 
fordernden capitalisten, welche als rigorose ausnahmen den anstoss 
zur gesetzlichen herabsetzung gaben, nachdem dieselbe im prakti- 
schen leben gewöhnlich geworden war. Im ganzen aber drückt das 
acker-mass-gesetz das streben gegen allzu grosse vermögens-ausdeh- 
nung aus, ist daher auch mehr zu Ungunsten der reichen als zu gnn- 
sten der armen gegeben. Directen vorteil wenigstens mittelst stat- 
lieber Zuweisung oder Schenkung hatten letztere nicht davon, da sie 
ja auch kaufen oder sich als freie arbeiter den reichen verdingen 
mussten. Und wie gering verhältnismässig der ihnen durch das schul- 
dengesetz gewährte positive vorteil war, haben wir oben gesehen; es 
war dieses ja nur eine erleichterung der Schuldenzahlung, nicht 
zugleich ein mittel capital zu erwerben; und wiederum ohne capital 
war das acker-mass-gesetz für die armen so gut wie nicht vorhanden. 

40 So sehen wir denn auch hier, wie unter dem schein einer volks- 
freundlichen Verfügung und dieselbe als schild und vorwand brauchend 
die beiden gesetzgeber nur jenes dritte gesetz über den plebei- 
schen consul eigentlich im äuge hatten; man braucht gar nicht ein- 
mal der Unehrlichkeit eines Licinius zu* gedenken, der auf betrflge- 



133) Siehe oben § 9. 



Ctap* TL] Das adker^mass-gesetz. 215 

rischem wege zur eigenen bereichenmg sein eigenes gesetz zu um- 
geiien sucht 

Die von Niebnhr^^) ausgesprochene ansieht, dass vom licinischen 41 
gesetar an zweifellos den plebeiem das recht der occupation von stats- 
Iftndereien zugestanden habe, begründet er mit dem von Licinius Stolo 
selbst erworbenen mefarbesitz von 500 iugera; allein das hängt mit sei- 
ner erkiftrong des gesetzes zusammen, während wir bei Licinius ebenso 
gut an Privateigentum denken können. Doch werden wir H u s ch k e ^*^) 
durchaus beistimmen dttrfen. wenn er das recht der occupation für ' 
plebeier in noch frühere zeit zurücklegte^); seitdem die plebs in- 
tegrirender teil des römischen einheitspopulus geworden war, d. h. 
nach aufhören des dualismus im State, also seit den valerisch-horati- 
schen gesetzen von 806 e^), konnte ihnen das recht an allgemeinen 
statslflndereien kaum mehr vorenthalten sein; und wenn auch eine 
praktische occupation wol erst später eintrat, als das recht dazu aus- 
gesprochen war, 80 konnte das doch lange vor der licinisch<sextini- 
sehen gesetzgebung statt gefunden haben. 

Die möglichkeit solcher occupationen hing natürlich in erster 
linie von dem Vorhandensein eines occupations-terrains ab. Nun ist 
von dauernden eroberungen und landerwerbungen vor dem jähre 311 . 
nicht die rede. Der patricische königsstat beruhte territorial auf dem 
landeigentum des königs und der patricier. Nach der tradition wurde 
in den befreiungskämpfen gegen die Etrusker kein gebiet gewon- 
nen, sondern sogar ein grosses stück verloren. Der erste eigent- 
liche ager publicus ging wol aus dem eingezogenen grundeigentum 
des vertriebenen königs hervor, und diesen beanspruchten jedenfalls 
die patricier als erben der königsgewalt zu freier occupation, so weit 
das terrain nicht für öffentliche zwecke verwandt wurde. Seit jener 
zeit aber ist die erste wirklich beglaubigte gebietserweiterimg Roms 
die erwwbung der feldmark des zerstörten Corioli im jähre 311^^); 
die tradition spricht dabei von land-assignationen an die patricier; 
das würde der annähme entgegenstehen, dass das gebiet als ager 
publicus eingezogen worden sei, da mittelst assignation privat -ei gen- 



134) 3. 15 note 12. i»«) p. 12 £ 

136) Er beruft sich auf die oben angefahrten stellen von Appain und 
Flutarch. 

187) Yergl. meine krit. erörterungen über den röm. stat 2. 146. 

1S8) Die eroberung Coriolis durch Goriolan dürfen wir fflglich ausser 
acht lassen. 



216 I^e gesetze des Licinias und Sextins. [Bueh 4. 

tarn übertragen wurde. In gleicher weise werden ackerassignationen 
bei eroberong von Labici 336 und Bolae 340 erwähnt^), allein 
keine einziehung als ager publicus. Ein solcher wird nachweislich 
erst erworben durch die eroberung von Fidenae 328. Nach der er- 
oberung von Yeii und der einziehung von dessem ganzen gebiete 
werden wiederum assignationen zu je 7 iugera an die plebeier ge- 
nannt; wie viel dann noch fftr die Verwendung als ager publicus tlbrig 
blieb, ist unbestimmt; sehr viel kann es kaum gewesen sein. Wir 
sehen daraus, dass bis zu der zeit des Licinius und Sextius nur sehr 
geringe strecken landes unter den titel »ager publicus« fallen keim- 
ten; dass daher von plebeischer occupation ebenso wenig als vonpa- 
tricischer seit der befestigung der republik vor der erwerbung von 
Fidenae und dessen feldmark die rede sein kann: wie mir scheiat 
zugleich ein grund, das licinische gesetz auf ager publicus nicht be- 
ziehen zu dürfen; denn eine schon vielfach überschrittene occupation 
von 500 iugera als nicht ungewöhnlich anzunehmen, wenn überhaupt 
nur wenig ager publicus vorhanden war, ist doch sehr bedenklich. 

42 Mit dem aufgeben des ager publicus als alleinigen gegenständes, 
den das gesetz betroffen hätte, fallen natürlich alle die weiteren con- 
sequenzen Niebuhrs^^), die er als notwendige ergänzungs-bestimmun- 
gen zu der lex agraria voraussetzt i*^). Dazu gehört auch die emen- 
nung von triumvim zur ausführung des gesetzes bezüglich Vermessung 
des gemeinlandes und Verteilung desselben an die ärmeren ^^; ihr 
Vorhandensein bei jeder wirklichen lex agraria ist ebenso erklärlich 
als notwendig; hier aber, wo es weder etwas auszumessen und zu 
scheiden, noch zu verteilen gab, haben sie keinen platz, i**) 

43 Becapituliren wir nun kurz den inhalt des gesetzes und die von 



139) Alle froheren bürgercolonien-anlagen ausser Ostia sind in das reich 
der fabel zu verweisen; vergl. buch 2. § 10. note und § 11. wo) 3. 14 ff. 

141) VergL auch Huschke p. 14 ff. dagegen imd siehe oben § 17. 

14^) ni uiri agris dandis assignandis; siehe oben § 31. bei besprechong 
Sund^DS, was hierüber gesagt ist. 

1*3) Der von Göttling p. 351 mit besonderem nachdruck vorgetragene 
grundf&r die Niebuhr'sche ansieht, dass Cicero leg. agr. 2. 25 als gegen- 
ständ aller agrarischen gesetze allein den ager publicus bezeichnet habe, 
ist von selbst hinfällig, wenn wir in dem licinischen gesetz eben kein agra- 
risches gesetz sehen dürfen, wie sich ein solches in der römischen ge- 
schichte wiederholt hat, sondern ein nur einmal gegebenes Gesetz de modo 
agri (priuati publicique), oder, um dem Wortlaut des Licinius zu foljfen,* 
de modo agrorum, d.h. der einzelaen ackerstücke. 



€ap. IL] Das adcer-mass-gesetE. 217 

« 

nns darttber gewonnenen resultate: Die lex de modo agronun war 
eine hauptsächlich gegen den grossgrundbesitz und daher, wol auch 
gegen die von den patriciem gemachten occupationen — weldie 
jedenfalls grösser waren als die von plebeiem in besitz genommenen 
öffentlichen grundsttkcke — gerichtete Verordnung, die fiir den armen 
nur relativ und in geringem grade nutzbar war und daher ebenso wie 
das Schuldengesetz mehr den schein der popularität an sich trägt, 
als dass sie wirklich das wol des armen Volkes merklich gefördert 
hätte. Ihre hauptbestimmungen waren: 1. Der einzelne hausvater — 
denn der haussohn kam hier nicht, wie später beim sempronischen 
gesetz, in betracht, was wir aus der Verurteilung des Licinius selbst 
am besten sehen i^) — durfte nicht mehr als 500 iugera — etwa 
490 znagdeburger morgen i**), 494 preussische — landes in besitz und 
nntzung haben, seien diese ager publicus, oder Privateigentum, oder 
beides 1^). — 2. Der hausvater durfte desgleichen nicht mehr als 500 
stück kleinvieh, 100 stück grossvieh zu eigen haben, um dem ärmeren 
nicht die nutzung der gemeindeweide zu schmälern. — 3. Der reiche 
besitzer mosste nach Verhältnis 4es besitzes neben seinen Sklaven eine 
anzi^ freier arbeiter — uilici — beschäftigen, eine massregel zu 
gonsten der armen, denen die mittel fehlten, sich freies eigentum an- 
zuschaffen. — 4. Wer die obigen bestimmungen übertrat, verfiel einer 
von den aedilen einzutreibenden geldbusse, als deren mutmasslicher 
betrag 2% dos mehrbesitzes anzunehmen ist; — das yerhältnis der 
geldstrafe zu der Übertretung der dritten bestimmung lässt sich nicht 
feststellen, da von einem mehrbesitz hier nicht die rede ist; es 
sei denn, dass der mehrgebrauch von Sklaven nach dem massstab 
ihres wertes mit einer entsprechenden Strafe belegt wurde. — Damit 
war ein verlustiggehen des mehrbesitzes nicht verbunden; die straf- 
bestinmiung trägt mehr den Charakter der erschwerung eines mehr- 
besitzes. Das gesetz ist demnach unter die leges imperfectae oder 



1*4) Vergl. Huschke p. 18 note 38. 1*5) Niebuhr 3. 16 note. 

146) Niebuhr a. a. o. fdhrt an, dass ein landgut von ähnlicher aus- 
dehnung noch zu seiner zeit im römischen gebiet ftlr einen ansehnlichen 
besitz galt; Huschke p. 20 note 41 sucht die zahl 500 daraus zu erklä- 
ren, dass die höchste parcelle, welche ein plebeier bei Versteigerungen des 
ager publicus sich habe beschaffen können, 50 iugera gewesen sei; dass 
dann, i^ folge der altrömiscfaen berechnung von zehn gemeinen bürgern auf 
einen vornehmen, den letzteren das zehnfache jenes ptebeischen besitzes als 
höchstes mass gestattet worden sei. 



218 Die gesetee des Lioinins und Sextius. ([Baeh 4. 

minus quam perfectae zu zSlilen imd trägt den Charakter einer 
snmpttiaria an sich. 

CAP. ffl. 

Das gesetr Ober den plebeiscben consiil. 

44 Die dritte der liciaisch-sextischen rogationen lautet: »ne tribimo- 
rum militum comitia fierent, consulumque utique alter ex plebe crea- 
retur.«!*^) 

45 Der inhalt des gesetzes ist aus dem worüaut klar: es sollen f^- 
nerhin keine consular-tribunen mobv an der spitze des states stehen, 
sondern die althergebrachte magistratur des consulats soll wieder- 

1*7) Liv, 6. 35. 5 ; in etwas modMcirter form bei Gellins 17. 31. 2ff; 
Plntarch Gam. 42; schol. bobiens in Ciceronis scholiast. ed. Orelli no^ 
Baiter II. p. 375; — Diodor 12. 25 wirft alles durcheinander; er Iftsst zu- 
gleich mit den decemvirn — im jähre 443 ¥. Chr. Olymp. 84. 2 = 450 
V. Chr., 304 d. st., Olymp. 82. 3. nach der richtigen Zählung (vergl. Momm- 
sen chronol. p. 121) — des zweiten jahres die bestimmung Über den einen 
plebeischen consul treffen, indem er noch hinzusetzt, dass damals sehen die 
zulässigkeit einer wähl beider consuln aus der plebs ausgesprochen worden 
sei, was bekanntlich erst im jähre 412 geschah^ nach LIt. 7. 42; wenn 
Lange 1. 581 (wie Lange auch Lewis untersuch, über die glaubw. der 
altröm. gesch. 2. 313) aus den worten der rede des Ap. Claudius — bei Li- 
vius 6. 40. 18: »hocine est in commune honores uocare, ut duos plebeios 
fieri consules liceat, duos patricios non liceat?« — den schluss zieht, dass 
die Zulassung von plebeiem zu beiden stellen schon in dem licioischBn ge- 
setz ausgesprochen wäre, so muss ich dem widersprechen; einmal steht dem 
die spätere festsetzung dieses grundsatzes durch ein besonderes plebiscit 
im jähre 412 (Liv 7. 42) entgegen; andrerseits war das consulat bisher als 
ein rein patricisches amt aDzusehen; die eröffhung also einer stelle an die 
plebeier schloss folgerichtig ein, dass die andre stelle den patridem reservirt 
blieby'da die neuerung sich nur auf das amt des einen consuls bezog, das 
.des andren also nach wie vor gemäss alten herkommens besetzt "wurde. — 
Göttling p. 352 note 6 will die werte des Livius über dies gesetz so er- 
gänzen, dass er schreibt: 3>nc tribunorum militum comitia fierent sed con- 
sul um, consiyumque cett«; allein dies ist überflüssig. Die alten annalisteo 
sowohl als Livius sahen im consulat den magistratus Ordinarius der ganzen 
republikanischen zeit; alle cmdnen formen der höchsten magistratur trugen 
d«nit den Charakter eines extraordinariat& Wurde daher das aufboren die- 
ses decretirt, so war es selbstverständlich i dass das ordmarinm wieder in 
kraft trat; und somit sprechen die werte des gesetzes über aufhebung der 
wählen von Gon8ular«tribunen als solche schon die statuirung von oonsoi- 
' Wahlen aus. Ausserdem sdieint die focmuHrung des . gesetzes bei Livina 
auf alte aufzeichnungen zurückzugehen^ 



Cap. III.] Das gesetz über den plebeisehen consnl. 219 

hergestellt werden mit der modification des froheren gebrauch«, dass 
eine der beiden consalstellen nicht allein den plebeiem umgänglich 
sein, sondern jedesmal mit einem plebeier besetzt werden solle. Die 
bedentung des gesetzes aber ist nicht ohne weiteres in die werte 
gelegt 

Durch Zulassung zum consular-tribunat hatten die plebeier einen 46 
hochwichtigen schritt auf dem wege der politischen g^eichstellung mit 
den patriciem getan. Theoretisch war damit die schddewaQd zwi- 
schen plebeiem und patriciem in bezug auf das zeitwmlig höchste 
statsamt aufgehoben; der Wortlaut des gesetzes ttber einsetzung von 
consular-trifounen schloss die plebeier von keiner stelle des obersten 
amtes aus, und theoretisch war ihnen also jede function des höch- 
sten beamten eröffiiet. Allein diese theoretische gleichstellung war 
durchaus nicht der praktischen gleich. Dreierlei konunt dabei in 
betracht, was als eine praktisdie beschränkung der gleichstellung 
gelten muss: 1. war die gleichstellung, bezüglidi die Zulassung, 
nur auf eine gattung der höchsten magistratur ausgedehnt, und 
diese eine gattung war nicht ausschliesslich, d. h. mit formeller und 
factischer aufhebung aller andren höchsten amtsformen, eingesetzt 
worden. Hatten die plebeier daher auch die möglichkeit dem coiie- 
gimn der consular-tribunen anzugehören, so waren sie nach wie vor 
vom consulat ausgeschlossen, wenn dieser anstatt des miütär tribunats 
die höchste stelle einnahm. Praktisch unwichtiger war der punkt, 
dass der consular-tribunat dem consulat an rang nicht gleich kam. 
— 2. Die zahl der consular-tribunen war grösser als die der consuln, 
da wenigstens drei, principiell wol sechs das amt bekleideten^^); da- 
durch verteilten sich die einzelnen amtsfunctionen mehr auf die ein- 
zelnen mitglieder, und die mehrzahl, fast immer patricier, konnte für 
sich die wichtigeren in anspruch nehmen. Dadurch war es femer 
möglich, den plebeisdien consular-tribunen einen hauptzweig der 
höchsten magistrats-tätigkeit gänzlich unzugänglich zu machen, die 
Jurisdiction nämlich; vorwand genug war dazu vorhanden: die aus- 
übung des rechts war patricisches arcanum; wenn die patricier nicht 
beliebten, konnten die plebeier sich die kenntnis der formalien und 
grundsätze der rechts - interpretation gar nicht verschaffen; dazu 
kamen sacrale hindemisse; und wenn auch die plebeisehen consular- 
tribunen die ^uspicia maxima hatten, so beschränkten sich diese auf 



1^) L. Lange: über zahl und amtsgewalt der consular-tribunen, 1856, 



220 ^ie gesetze des Licimos und Sextins. [Bock 4. 

die tätigkeit ausserhalb der Stadt und im felde, bezogen sich aber 
nicht auf die auspida urbana, welche zur höchsten richterlichen 
tätigkeit nötig waren i*^). — 3. Eine bestimmte Vertretung bei- 
der stände im höchsten amt war nicht ausbedungen; die folge da- 
von war, dass während einer reihe von jähren die patricier allein das 
amt in bänden hatten, und dass in andren jähren sie meist die ma- 
jorität bildeten; damit war das recht der Zulassung und kräftigen aus- 
Übung des amtes filr die plebeier grossenteils illusorisch geworden, 
und wir sehen, dass der praktische vorteil der einführung von consnlar- 
tribunen weit hinter der rechtlichen befiignis zur&ckblieb.^^^) 

47 Diese umstände und nachteile der consular-tribunicischen ma- 
gistratur fftr sie müssen den leitem der plebs allmählich klar gewor- 
den sein; und daraus erklärt sich das streben, durch eine bestimmtere 
formulirung -und engere regulirung der Zulassung zur hödisten gewalt 
nicht blos eine theoretische, sondern endlich auch eine praktische 
gleichstellung mit den patriciem -im politischen leben zu erlangen. 
So kurz auch die fassung des gesetzes ist, so berücksichtigt sie doch 
jene oben genannten drei mängel des gesetzes über die consutar- 
tribunen; denn 1. setzt sie den consulat als alleinige reguläre ober- 
magistratur; 2. wurde die zahl der höchsten beamten dadurch auf 
zwei herabgedrückt; 8. wurde eine bestimmte gleichmässige Vertre- 
tung beider stände durch je einen consul ausbedungen. 

Dass die voikstribunen zu gleicher zeit den neuen plebeischen 
consuln auf diese weise den zutritt zur Jurisdiction ermöglichen woll- 
ten, ist sehr wahrscheinlich; der fall konnte nur zu leicht eintreten, 
dass der patricische consul im felde, der plebeische in der Stadt war; 
dann war es notwendig, dass letzterer die Jurisdiction ausübe. Und 
dass sie sich nicht gutwillig der abzweigung der praetorischen ma- 
gistratur von der consulischen fügten, darf man wol aus dem belü- 
gen inneren kämpf schliessen, der der Verweigerung der patrum aucto- 
ritas för den ersten plebeischen consul folgte. ^*^) 

4S Wir haben schon oben darauf aufinerksam gemacht, dass das ge- 
setz über den plebeischen consul kern und motiv zur ganzen lex sa- 
tura war, welcher auch das schulden- und acker-mass-gesetz ange- 
hören. Wir sahen, wie letztere mehr dem schein als dem wesen nach 

1^7) So mit recht L. Lange: über zahl und amtsgewalt der consnlar- 
tribonen; 1856. p. 34ff. und röm. alt. 1. 563ff. gegen Schwegler a 112. 
148) Yergl. darüber Lange und Schwegler a. a. o. 
1^) Siehe oben buch 3. § 39. 



Cap. ni.] Das gesetz Über den plebeischen consol. 221 

von dauerndem und momentanem nutzen fllr die arme plebs war, wie viel- 
mehr der umstand, dass beide in scharfer Opposition gegen den rei- 
chen patriciat freilich zum teil auch gegen die reichen plebeier stan«> 
den, hauptsächlich als Stachel benutzt wurde, die verarmte masse fEkr 
das dritte und hauptgesetz ttber den plebeischen consul zu gewinnen. 
Letzteres diente bekanntlich nur den interessen der werdenden ple- 
heischen nobilität, und diese hatte sich schon so völlig von den in- 
teressen ihrer armen standesgenossen losgelöst, dass sie in denselben 
nur das bequeme material sahen, die eigenen zwecke zu erreichen. 

Eine andre frage ist die, ob die Zulassung der plebeier zum con- 49 
sulat eine aus der römischen statsentwickelung zu billigende oder nicht 
zu billigende massregel war. Hierbei tritt, wie gewöhnlich, bei der 
änderung von Standesverhältnissen ein rechtszwiespalt ein, indem auf 
der einen seite das historische recht des gewordenen, auf der andren 
Seite das sogenannte allgemeine menschenrecht, oder besser das recht 
des werdenden steht, i*^) 

Eine modification der bestehenden Verhältnisse geht meist auf 60 
kosten der einen rechtspartei vor sich, und gegen einen solchen ein- 
griff steht derselben der protest von rechtswegen zu. Die patricier 
konnten mit recht behaupten, dass sie seit Vertreibung der könige 
den stat zur allseitigen fi^rderung inneren und äusseren lebens regiert 
hätten ; sie konnten auf die grosse reihe der aus ihrer mitte hervor- 
gegangenen bedeutenden männer hinweisen, um ihre fähigkeit zur re- 
gierung darzutun; sie konnten erklären, dass sie opfer genug von 
ihren Standesvorrechten den einst politisch ganz rechtslosen plebeiem 
gemacht hätten; sie konnten sich auf die politische äpathie der ple- 
beischen masse berufen, die sich besonders bei den wählen von con- 
STilar-tribunen bewiesen hatte; sie konnten mit recht betonen, dass es 
nur einige ehrgeizige häupter unter den plebeiem wären, die eine 
assimilirung mit den patriciem anstrebten, von welcher der masse 
nichts zu gute kommen würde; sie konnten sich auf die streng reli- 
giösen anschauungen des Römertums berufen, welche eine Zulassung 
fremder demente zu den ursprünglich rein patricischen stats sacra als 
entweihung ansahen; und gewiss haben sie diese anschauung nicht 
blos aus heuchelei zu haben prätendirt, sondern sie wirklich besessen; 
denn wir haben es mit einer zeit zu tun, in welcher es nur alte 
Römer nach art des älteren Cato gab, streng- und enggläubige Römer, 



150) Vergl. buch 1. cap. IV. 



222 ^le geseUe des Licinius und Sextius [Buch 4. 

besonders anter der zabl der auf der tradition bemhenden patricier. 
Endlich konnten sie sich darauf berufen, dass sie als die eigentlichen 
Quinten, d. h. curienmänner, des alt-königlichen stats allein die 
rechte des states zu handhaben hätten, und dass es in ihrem belie- 
ben stände, davon mitzuteilen, wem und wie viel sie wollten; dass 
aber von einem abzwingen dieses rechts nicht die rede sein könne. 

51 Dem gegenttber könnten die plebeier und ihre parteihäupter er- 
widern, dass sie zwar zu an&ng rechtslos und als nichtbürger im 
State existirt hätten, dann aber durch beisteuer zum statswol n^it gut 
und blut sowol moralisch als auch rechtlich ein mitbürgertum im State 
gewonnen hätten; ja dass auf sie im kriege bei weitem die grössere 
last fiele als auf die patricier, da sie einmal viel zahlreicher seien 
und zweitens die ärmeren unter ihnen während des kriegsdienstes die 
ackerwirtschaft unbestellt lassen müssten, wodurch sie in immer grössere 
not geraten seien. Femer dass, wenn die patricier die notwendigkeit 
eingesehen hätten, ihnen von ihren Vorrechten einige abzutreten, sie 
damit erklärt hätten, die plebeier seien ein durchaus notwendiges 
glied der gesammtgemeinde; wäre das der fall, so dürften die patri- 
cier nicht f&r sich die obersten rechte des statswesens allein in an- 
Spruch nehmen, so dtlrften sie überhaupt keine willkürliche grenze 
ziehen, bis zu welcher nur die plebeier im bürgerrecht vordringen 
könnten. Sie seien ausserdem aus ehedem fremden bürger geworden» 
als bürger aber ständen sie den statsheiligtümern nicht femer als die 
patricier, und es müsste ihnen, wie sie schon Zulassung zu den auspi- 
cien erhalten hätten, nun auch folgerichtig sowol kenntnis als aus- 
Übung der an heilige gebrauche sich knüpfenden sacrälen und civilen 
rechtsfragen erö&et werden. Man könne eine pflanze nicht mitten 
im Wachstum einhalten heissen, ebenso wenig das in*s vollbürgertum 
hineinwachsende plebeiertum; und schliesslich wenn die patricier sich 
dennoch weigem würden, ihnen die erstrebten rechte zuzugestehen, so 
seien sie, die plebeier, zahlreich genug, um mittelst ausscheidung aus 
dem alten stat einen neuen zu gründen; dann möchten die patricier 
sehen, wie sie in ihrer kleinen zahl den stat nach aussen hin befesti- 
gen und sichem wollten. 

52 So hätten die plebeier denpatriciem erwidern können; so stellte 
sich das werdende princip dem gewordenen gegenüber; die blosse und 
strenge rechtsfrage würde eine den patriciem günstigere entscheidung 
bedingen; der umstand aber, dass es sich um einen lebenden, fort- 
wachsenden und sich entwickelnden stat handelte, musste den beurteiler 



Gap. JK] Das gesetz aber den plebeisdien eonaal. 223^ 

dem princip der plebeischen forderungen geneigter machen. Daneben 
aber lag es den patriciem fem, den plebeiem etwas zu nehmen; 
diese aber beanspruchten ein recht auf kosten jener. Und endlich 
waren die plebeischen forderungen nur im princip gerechtfertigt; 
die Wirklichkeit der Verhältnisse war, wie die patricier sie ansahen: 
der plebeischen masse lag weder etwas am consulat, noch hatte sie 
irgend einen vorteil davon; nur die ehrgeizigen parteihäupter gewannen 
dadurch, und diese neigten sc^on vielmehr zum patriciat auf dem wege 
der neubildung der nobilität, als dass sie sich mit ihren armen stan- 
desgenossen eins gefilhlt hätten. Und dennoch drängte alles zum 
Standesausgleich; gerade die heterogen gewordene Zusammengehörig- 
keit der vornehmen reichen und geringen armen plebeier machte eine 
trennung mittelst bildung eines neuen adels aus patriciem und vor- 
nehmen plebeiern durchaus naturgemäss und notwendig. Und die 
patricier sahen es auch ein, dass ein femeres sträuben unnütz sein 
würde; nur suchten sie den plebeischen stürm nach dem einen ziele 
in seiner alles nivellirenden tätigkeit etwas zu hemmen, indem sie aus 
der fülle der concessionen sich dennoch einige trtimmer von Vorrech- 
ten zeitweilig reservirten; nicht dass sie es allein aus der weisen rück- 
sieht für das dauemde statswol getan hätten; der parteiegoismus 
sprach wol das hauptwort mit; allein die zukunft hat gelehrt, dass 
die strenge conservativität der patricier dem stat dauernden und un- 
berechenbaren vorteil gebracht hat, indem derselbe sich erst jedesmal 
in jeden neuen Standpunkt hineinleben und darin erstarken konnte; 
ehe es weiter vorwärzging; von der klippe des stets mit dem schweren 
geschütz vollständig neuer statsgrundgesetze hervortretenden libera- 
lismus unserer zeit ist die römische weit bewarbt geblieben. 

Dass dieses gesetz in gleicher weise wie die beiden andren der 53 
lex satura schon durch das sie verfügende plebiscit gültigkeit im stat 
hatte, habe ich obeni^i) gegen Lange ausgeführt. Es bleibt noch übrig, 
die nächsten folgen dieses letzten gesetzes kennen zu lernen, d. h. 
die im jähre 388 neu creirten curulischen worden zu besprechen. 

Was die oflScielle benennung des gesetzes betrifft, so könnte man 54 
zweifelhaft sein, ob dasselbe nach beiden Urhebern oder nur nach dem 
hauptsdichlichen genannt worden sei. Mommsen^^^) spricht über den 
Sprachgebrauch bei d^ benennung solcher von mehreren zugleich 
eingebrachter gesetze; danach scheint es bei plebisciten und senatus- 



151) Yergl. buch 3. § 39. iö2) Rom. statsrecht 1. p. 73 note H. 



224 I^e gesetee des Licinins und Seztios. (Bach 4. 

consulten üblich gewesen za sein, nur einen Urheber zu nennen, wtii« 
rend bei consular-gesetzen beide namen genannt werden. Was unser 
gesetz betrifit, so bewährt sich die beobachtung Mommsens daran, 
da es nur »lex Liciniac heisst.^ 



CAP. IV. 

Das gesete tber die decemHiri saeroraiii. 

55 Während der Verhandlungen über die licinischsextischen roga- 
tionen wurde von den volkstribunen ein neues postulat an die patri- 
cier gestellt, dass nämlich in Zukunft die plebs Zulassung und einen 
der zahl nach gleichen teil der zu besetzenden stellen von den aus 
Iluiri sacrorum zu Xuiri vermehrten deutem und Verwaltern der 
sibyllinischen bücher haben sollte wie die patricier, nämlich jeder 
stand fünf platze***). Nach Livius***) promulgirten die volkstribunen 
diese rogation schon im jähre 385 als vorläufige ankündigung dessen, 
was sie in späterer zeit den tribut-comitien vorlegen wollten. Allein 
erst über ein jähr später — jene Promulgation fällt noch in das achte, 
die durchberatung darüber aber in das zehnte amtsjahr der tribunen**^) 
— kommt es über diese rogation zur abstimmung respective zur an- 
nähme derselben. Livius erklärt diese lange Verschleppung durch die 
abwesenheit der plebeier in der belagerungsarmee von Velitrae; allein 
wir haben gesehen, dass dieser krieg nur eine fiction zur ausfOllong 
der mageren originalberichte war, daher er als verzögerungsgrund 
für das plebiscit nicht gelten kann**^). Wie gesagt, ein plebiscit über 
die rogation »ut pro Iluiri sacris faciundis Xuiri creentur, Ita ut 
pars ex plebe pars ex patribus fiat« findet nach Livius erst im amts- 
jahr 386 -87, und nach seiner darstellung wol erst im kalendeijahr 



15S) Livius 7. 22. 10, 25. 2; 10. .7. 2. Die consuln scheinen als ge* 
schlossenes untrennbares coUegium aufgefasst zu werden, so dass ihre na- 
men nicht einzeln bei gesetzen figuriren konnten, während bei allen grösse- 
ren collegien und körperschaften, auch wenn mehrere Urheber waren, nur 
der an erster stelle stehende dem gesetz den namen gab. Was mit den beiden 
von Mommsen angeführten ausnahmen, der lex Fnfia Canina, die er fOr ein 
plebiscit hält, und der lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia der gro- 
matiker zu tun ist, lässt sich hier nicht angeben. 

15*) Vergl. Schwegler: 1. 37, 313, 315, 773, 774, 801-3; 2. 623, 
645; 3. 177, 179. i«) 6. 37. 12. 

iw) Vergl. Livius 6. 42. 2. "») Vergl. buch 3. 8 43 «f. 



Cap. TV.] Das gesetz Über die decemuiri sacroram. 225 

387 statt**®). Und zwar trifft dies zusammen mit dem oben erwähn- 
ten Zeitpunkt, in welchem der dictator P. Manlius durch seine kluge 
Politik das Interesse der plebs von dem der volkstribunen zu sondern 
gewusst und auf diese weise eine endgültige beschlussfassung über die 
ursprünglichen drei zu einer zusammengefassten rogationen vereitelt 
hatte. Die volkstribunen waren dadurch geschlagen; undwol nur die 
hoffiiung der plebs, die Verwirklichung der ihr günstigen antrage der 
tribunen zu sehen, bewog dieselbe zu einer Wiederwahl, der zehnten, 
derselben. Es muss dies die tribunen bitter gewurmt haben; und da 
sie ihren hauptzweck nicht erreichen konnten, suchten sie wenigstens 
etwas den patriciem abzuringen und vor allem die Zulassung zu einer 
priesterschaft, da die patricier um sacraler und religiöser gründe 
willen die statuirung eines plebeischen consuls abwiesen. Warum die 
tribunen gerade das amt der orakelbewahrer und nicht den augurat 
oder pontificat aussuchten, lässt sich schwer bestimmt .angeben. Viel- 
leicht sahen sie so weit richtig, dass die patricier ihrem eintritt in 
dies collegium weniger Schwierigkeiten in den weg legen würden, als 
in die andren beiden genannten. Denn das priestertum der orakel- 
bewahrer galt^und war kein uraltes, aus dem geschlecht 'derselben er- 
wachsenes, stand daher nicht in engster beziehung zum patriciat; viel- 
mehr führte die tradition dasselbe auf die ausgebildete tyrannis zurück, 
Md zwar als ein von auswärz eingeführtes und octroyirtes glied des 
römischen sacral-systems. War aber der Ursprung dieses amtes nicht 
im alten patricierstat zu suchen, so stand nichts im wege, dasselbe 
auch nichtpatricischen dementen des states zu eröffnen i*^). 

Ich sage, ob die volkstribunen sich dieser umstände bewusst wa- 56 
ren und ähnlich gedacht haben, bleibt dahingestellt. Das motiv zur 
Promulgation aber war wol der ärger über ihre niederlage und der 
Wunsch, sich dafür zu entschädigen, und zwar in einer richtung, in 
der dieser fall als praejudiz für künftige Zeiten verwandt werden 
konnte. Und dass die patricier eine Verhinderung nicht hervorriefen, 
mag wol in der politischen läge des Standes und darin gelegen haben, 
dass die bedeutung der orakeldeuter sich mehr auf äussere als auf 
innere statsverhältnisse ausdehnte. 

Ein grund aber für eine über ein jähr verfrühte Promulgation 57 
dieser rogation lag nicht vor; vielmehr scheint dieselbe nur deswegen 



1^) Jedenfalls nach dem 10. december 3d6. 

w«) Vergl Niebuhr: r. g. 3. 33; Langet r. a. 1. 390. 

QlMon f rtfm. geseh. I. 15 



226 ^^^ gesetze des Licinios und Sextins. [Bach 4. 

dem jähre 385 zugewiesen zu sein, weil dasselbe sonst an begeben- 
heiten ganz arm ist und die annalisten ihm auf diese weise au&uhelfen 
und es auszufüttern suchten. Wir dürfen daher wol Promulgation und 
abstimmung selbst in den von Livius dafür angegebenen Zeitraum, 
zwischen dem 10. december 386 und dem antritt der consular-tribunen 
für 387—88, versetzen. 

Die ansieht Niebuhrs^^®), dass diese rogation zugleich mit den 
drei übrigen aufgestellt worden sei, entbehrt einer quellenmässigen 
notwendigkeits-begründungißi); ein Zusammenhang zwischen den ver- 
schiedenen gesetzen existirt nur in so fem, als sie alle gegen die pa- 
tricischen Sonderrechte gerichtet sind. Es scheint mir daher eine 
nachträgliche Promulgation gerade der angegebenen Situation zu ent- 
sprechen, indem die enttäuschten tribunen einen ersatz für sich und 
die vornehmen plebeier zu erwerben suchen. — Aber auch Lange^^^ 
kann ich nicht beistimmen, wenn er die annähme und durchsetzung 
der rogation über die Xuiri sacrorum von den tribunen der plebs 
als bedingung für ihre Wiederannahme der tribunenwahl hinstellt. Li- 
vius deutet es nicht an, lässt vielmehr der Vermutung räum, dass die 
* Volkstribunen nur unter der bedingung sich zur Wiederannahme des 
tribunats bereit erklärten, wenn die plebs der zusammenschmelzung 
der drei rogationen zu einer lex satura nichts in den yreg legen 
würdelos). Ausserdem wenn den tribunen daran gelegen war, die 
plebs für ihre lex satura zu gewinnen, so durften sie nicht eine wei- 
tere rogation promulgiren, die nur für die vornehmen, durchaus nicht 
für die masse, vorteil mit sich brachte. Es scheint vielmehr ein act 
persönlicher entschädigung und ranküne gegen die patricier gewe- 
sen zu sein, welcher die volkstribunen zur Promulgation dieses ge- 
setzes trieb. Dasselbe wurde in gleicher weise wie die drei anderen 
in gestalt eines plebiscits gefasst und hatte als solches volle gültigkeit. 
68 Was den Inhalt des gesetzes betrifft, so sahen wir schon, dass 
mit einer erhöhung der ordentlichen mitgliederzahl des collegiums von 
zwei auf zehn eine gleichmässige Verteilung der stellen auf patricier 
und plebeier statt fand. Es war das erste sacral-amt des gesammt- 
volks und stats, welches auf diese weise den plebeiern zugänglich ge- 
macht wurde; und damit war freilich ein bedeutender brach mit der 
Vergangenheit vor sich gegangen, indem die patricier hiermit still- 



160) R. g. 3. 33. 161) Dagegen auch Göttling p. 363, 

162) 1. 679. 163) Liv. 6. 39. 2 und 6., 



Cap. IV.) Das gesetz über die decemuiri sacroram. 227 

schweigend erklärten, dass alle angelegenheiten des gesammtstats, so 
weit sie nicht auf den ältesten und den patriciem eigentümlichen stats- 
gnmdlagen beruhten, der plebs ebenso wie ihnen offen ständen, dass 
daher die plebeier officiell vollberechtigte bürger des gesanuntstats 
seien, und die patricier nur standesrechte, nicht allgemein politische, 
vor ihnen voraus haben. Sie machten freilich in betreff des consulats da- 
mit weiter keine concessionen, da die demselben zu gründe liegenden 
höchsten anspielen bisher factisch und theoretisch noch als eigentum 
der patricier angesehen waren, i^) 

Noch ein wort über den üblichen emennungsmodus dieser X uiri 59 
sacrorum. Göttlingi^^) ist dafür, dass von beginn der republik an 
die emennung in centuriat-comitien geschah, indem er sich auf Dionys 
beruft ^^^); allein der ausdruck ist einmal sehr unklar und durchaus 
nicht notwendig mit centuriat-comitien zu übersetzen; und andrerseits 
ist Dionys selbst ein sehr unsicherer bürge für jene älteste zeit, aus 
der er ohnehin gleichzeitige nachrichten nicht haben konnte. Lau ge^^^) 
ist der ansieht, dass mit dem beginn der republik der ausfall eines 
Iluir durch cooptation von selten des andren ergänzt worden sei; da- 
neben lässt er der möglichkeit raiün, dass vor der Vermehrung der 
mitglieder auf zehn der jedesmalige consul den ausfall durch emen- 
nung ausfüllte 1^^). Die sache wird schwer zu entscheiden sein; nur, 
scheint mir eine cooptation bei einem nur zwei mitglieder zählenden 
coUegium kaum tunlich; ausserdem möchte ich dem consul ebenso 
wenig eine derartige machtvollkommenheit über sacrale ämter ein- 
rämnen; eher Hesse sich eine emennung von selten des pontifex maxi- 
mns denken, wie dieser ja auch die flamines und vestalinnen und 
den rex sacrificulus ernennt 1^^). Eine emennung durch centuriat- 
comitien ist an und für sich nicht unmöglich; nur würde die später 
beglaubigte cooptation i^^^) nicht damit recht vereinbar sein, weil die 
plebs und ihre vomehmen mitglieder sich damit einer einwirkung auf 



^^) üeber die auspicien der plebeischen consular-tribunen vergl. Lange 
1. 563—64 und seine schrift: über die consular-tribunen p. 34—37, 1856; 
Langes ansieht über die modificirten plebeischen anspielen scheint mir rich- 
tiger als Schweglers3. 112, welcher den plebeischen consular-tribunen 
alle auspicien abspricht. ^^) p. 213. 

ißß) Dieser lässt nach Vertreibung der könige die nöXtg sie ernennen, 
4. 62. 167) 1. 389. 168) Ibid. 1. 390. 

169) y ergl. Marqnardt: faandb . d. röm. altert. 4. p. 244 u. 265 note 1599 . 

170) Liv. 40. 42; ebenso für die spätere zeit Göttling 3. 93 und 
Lange 1. 389. 

15* 



228 I^® gesetze des Licinias and Seztius. [Buch 4. 

die besetzong begeben und diese den doch meist aristokratisch ge- 
sinnten amtsgenossen allein überlassen hätte, was ein verlast gewe- 
sen wäre; dagegen ist eine cooptation sehr wol mit einer früheren 
ergänzong durch den pontifex nuudmus vereinbar. Der Zeitpunkt des 
Übergangs zur cooptation ist durch die auf zehn erhöhte zahl der mit- 
glieder und den erst von hier an datirenden bestand eines wirk- 
lichen collegiums von selbst gegeben. Ein magister stand fortan an 
der spitze. ^^1) 



171) Plin. n. h. 28. 2.12; Marquardtröm. alt. 4. 327; Lange 1.390. 



FÜNFTES BUCH. 

DIE FOLGEN DER LICINISCHEN GESETZGEBUNG : 
PRiETÜR UND CÜRÜLISCHE AEDILITÄT. 



CAP. L 

Die praetnr. 

Wir haben oben gesehen, dass die entstehung der praetur als i 
eines neben dem consol stehenden von dessen befugnissen abgezweig- 
ten amtes nicht sowol das resultat eines compromisses zwischen pa- 
triciat und plebs betreffs ratificirung des gesetzes über den plebei- 
sehen consul^) sei, sondern ihren grund in einem folgenden compromiss 
gehabt habe, als nämlich die zur bestätigung des ersten plebeischen 
consuls nötige auctoritas patrum anfangs verweigert und später nur 
nnter der bedingung concedirt wurde, dass neben dem consulat ein mit 
dem höchsten richterlichen imperium ausgestatteter magistrat creirt 
und der alleinigen besetzung durch die piatricier überwiesen würde. ^ 

Die motive zur absonderung der praetur vom consulat von selten 2 
der patricier, wie Niebuhr sie darstellt, tragen gar zu sehr den Cha- 
rakter seiner antipatricischen neigungen und gehen dabei zum teil 

1) Wie Lange a. a. o. meint. 

2) Vergl. oben buch 3. § 39. — Litteratur über die praetur und ihre 
fhnetionen; die juristische bei Rein: römischer civilprocess p. 852 note 2; 
dazu Rudorff: röm. rechtsgesch. 2. p. 1 note und p. 13 ff.; Walter: röm« 
rechtsgesch. 3. aufläge 2. p. 329 ff.; Seil: recuperatio p. 405 ff.; Lei st: 
versuch einer gesch. der röm. rechtssysteme, p. 18 ff. — Vom archaeologi- 
schen und historischen Standpunkt aus: Niebuhr 2. 13Tff.; 3. 36ff.; Göttling 
p. 355—363 (ausführlich); Hüllmann: grundverfassung etc. p. 366 ff.; 
Becker: handbnch d. r. a. 2. 2. p. 181—190 (eingehend); Lange: 1* 
651— »667 (am vollständigsten); dazu monographisch: Bein: artikel »prae- 
tor« in Panlys real-encydopädie 6. p.23; — Labatut: histoire de la pr^turQ 
1868, habe ich nicht einsehen können. 



230 ^^^ folgen der licinischen gesetzgebung. TBuch 5 

von seiner auslegung des gesetzes über das ackermass^) aus*). Er 
hebt zwei aus dem crassesten egoismus entspringende beweggründe 
hervor: 1. dass, weil der praetor das recht hatte, ganz nach belieben 
in der civiljastiz den einzelrichter zu bestellen, es den patriciem sehr 
am herzen gelegen hätte, nur praetoren aus ihrem kreise zu haben, die 
dann im standes-interesse auch patricische einzelrichter einsetzen wür- 
den; 2. sei es für die patricischen Interessen wichtig, bei aburteilnng 
und Zuweisung des durch die lex Licinia^) im besitz beschränkten 
ager publicus einen Standes- und Parteigenossen zum obersten richter 
zu haben, der auf kosten des rechtes den besitz patricischer occupa- 
toren schützen könne. — Beide beweggründe sind der art, dass sie 
wol für eine Schwindler- und räuberbande massgebend sein können; 
sie aber als grundmotiv für die handlungsweise eines ganzen Standes 
und noch dazu des ersten im besitze der rechtsausübung und rechts- 
kenntnis befindlichen hinzustellen, heisst so viel, als sämmtliche patri- 
cier für schufte erklären. Dieser kleine und gemeine geld-und vermögens- 
egoismus scheint mir kaum mit in berechnung gezogen werden za 
dürfen, wo so viele andre bedeutendere motive sich darbieten. Was 
vor allem die gefühlsseite dabei betrifft, so ist es in hohem grade 
denkbar, dass der alt -adeliche starre patricische stolz sich gegen 
den gedanken aufbäumte, vor einem plebeischen richter sich verant- 
worten oder einen process führen zu müssen; es war ja bisher noch 
nicht dagewesen. An zweiter stelle spielte jedenfalls der politische 
egoismus eine grosse rolle, indem die patricier, was ihnen noch rettbar 
schien, für sich retten wollten. Mit Widerwillen und nur nach den 
äussersten kämpfen hatten sie die rogationen zur abstimmung kommen 
und beschliessen sehen ; in gleicher Stimmung hatten sie den ersten 
plebeischen consul, einen ihrer hauptgegher, den triumphirenden ge- 
setzgeber L. Sextius, in den wahlcomitien renuntiiren hören; da stellte 
sich ihnen nun die consequenz dieser facta in bezug auf die jmis- 
diction in der ihnen innerlich widerstrebendsten weise entgegen, und 
sie rafften ihre letzte Widerstandskraft zusammen, um wenigstens das 
während des consular-tribunats stets occupirte richteramt für sich zu 
retten. Endlich: waren gegen die Zulassung der plebeier zu dem mit 
der Jurisdiction verbundenen consulat ehedem starke bedenken wegen 



3) Siehe oben bueh 4. § 15ff. 

^) Becker a. a. o. p. 182 schliesst sich darin Niebahr ganz an. 

5) Nach Niebuhr. 



I 



Cap. L] Die praetor. 231 

der sacralen znlässigkeit in den patriciem lebendig gewesen, so spra- 
chen diese jedenfalls hier gleichfalls mit; und das grauen vor einem 
nefsLS war im alten strenggläubigen Körner gross. Wer will dem fran- 
zösischen adel im jähre 1789, als er sich mit aller gewalt dem vor- 
dringenden und einflnssgewinnenden tiers-6tat widersetzte, nur 
schmutzige und gewinnstlchtige motive unterschieben? War es nicht 
auch dort der ahnenstolz, der sich gegen die aus den unteren classen 
hervorgegangenen neuen teilnehmer an der legislative sträubte? War 
es nicht auch dort der politische egoismus, der sich ein lange allein 
hesessenes Vorrecht, nämlich das, in statsangelegenheiten mitzuspre- 
chen, nicht durch andre teilnehmer verkümmern lassen woUte? Und 
dort sprachen sacrale bedenken nicht mit. 

Lange^) nennt das strebender patricier, die praetur und damit 3 
das richteramt für sich zurück zu halten, einen kleinlichen ehrgeiz, 
welcher die Schwächung des Imperiums im ganzen und damit ein vor- 
bauen für die demokratie zur folge hatte. Letzteres ist gewiss der 
fäll; ob aber daraus gerade den patriciern ein so grosser Vorwurf er- 
wächst, ist wol streitig; dann war die spätere Vermehrung der prae- 
toren und der mit dem consulischen Imperium versehenen beamten in 
gestalt von proconsuln gleichfalls ein fehler, indem sie eine Zersplit- 
terung des Imperiums auf viele mit sich brachte. Und doch war dies 
bei der immer wachsenden zahl äusserer und innerer statsgeschäfte 
nötig; die beiden consuln und der eine praetor hätten die arbeitsmasse 
nicht beherrscht. So war es auch mit der abzweigung der praetur 
vom gesammtconsulat. Während der zeit der consular-tribunen hatte 
man sich gewöhnt, eine Verteilung der geschäfte auf drei und mehrere 
vorzunehmen; nur interimistisch und vorübergehend hatten zwei con- 
suln die ganze geschäftsmasse noch verwaltet. 

Als nun der consulat endgültig wieder eingesetzt wurde, da mag 
sich wol die frage aufgeworfen haben: »können die zwei männer die 
arbeitslast allein tragen?« ; und die bisher üblich gewesene abzweigung 
und Überweisung der Jurisdiction an bestimmte patricische mitglieder 
des consular-tribunats-coUegiums mag wol den gedanken einer dem 
nachgebildeten aber fester gegliederten und geordneten einteilung der 
geschäfte, bezüglich trennung der Jurisdiction von dem gesammt- 
imperium mit Übertragung an einen besonderen magistrat hervor- 
gerufen haben. Eine solche teihmg war oder wurde wenigstens nötig; 

«) h 578. 



232 ^i^ folgen der licinischen gesetzgebnng. [Buch 5. 

was wunder, wenn die patricier diesen augenblick für den geeignetsten 
hielten, das notwendige so in's leben zu rufen, dass sie für sich die 
politische, wenn auch kleinere hälfte des imperiums retten konnten? 

Die praetur als solche hat wahrlich in der geschichte genügend 
bewiesen, wie weise ihre institution war; ist doch auf sie vor allem 
die ausbildung des römischen rechts in seiner einzigen grossartigkeit 
zurückzuführen. Daher kann manwolnichtmitrecht ausderneuschöpfung 
dieser magistratur den patriciem einen besonderen Vorwurf machen, 
besonders da sie aus der not eine tugend machten und dann freilich 
das neue für sich in ansprach nahmen. Man kann mit demselben 
recht behaupten, dass das abgehen vom princip der absoluten mon- 
archie bei uns und das übergehen zu den verfassungsstaten ein fehler 
sei respective der demokratie vorarbeite; letzterer gewiss mit recht; 
aber ein stehenbleiben bei der absoluten monarchie ist damit nicht 
gerechtfertigt. 

Die ursprünglich im königtum vereinigte ges^mmtheit des ma- 
gistrats-imperium und der gleichen potestas^) hatte durch den Über- 
gang auf zwei consuln in ihrem wesen keine trennung in verschiedene 
gattungen nach fonctionen erfahren; es waren eben nur statt eines 
trägers deren nun zwei eingetreten, freilich mit beschränkterer macht- 
Vollkommenheit, als sie ehedem dem könige zugestanden hatte. Jeder 
der beiden consuln hatte demnach ohne aussdiliessliche Zuweisung 
sowol die militärische als die richterliche seite des imperiums nach 
bedürfiiis zu versehen ; und theoretisch blieb das Verhältnis das gleiche, 
als an stelle der zwei consuln drei und mehr consular-tribunen traten; 
auch unter diesen fand keine einteilung des imperiums in seine be- 
standteile statt; nur machte sich praktisch geltend, dass der ple- 
beische consular-tribun auf das militärische imperium beschränkt blieb 
und ihm das richterliche unzugänglich war. Dadurch brach sich all- 
mählich der gedanke einer Scheidung der gewalten bahn,^ besonders 
in der späteren zeit, als die plebeier zahlreicher im collegium figurir- 
ten, und daher die etwaigen patricier notwendigerjweise hauptsächlich 
die richterliche seite des imperiums wahrnehmen mussten, besonders 
wenn nur ein patricier im amt war; doch stand diesem theoretisch 
und im notfall auch praktisch das militärische imperium zu. 



7) Gegen Mommsens ansieht über imperium und potestas^in seinem röm. 
statsrecht|vergl. meinen aufsatz: »Imperium und potestas nach][Mommsenc 
*n den Heidelberger jahrb. 1872 p, 689 ff. 



Gap. L] Die praetor. 283 

Ein weiterer schritt auf dem wege der trennung der gewalten 
wurde nun durch die errichtung der praetur gemacht; freilich nicht 
der Bxt, dass hiermit eine absolute zerreissung des ursprünglich ein- 
heitlichen imperiums statt gefanden hätte; allein es war dennoch ein 
schritt; der das durch den Übergang vom consulat zum consular-tribunat 
erwachte princip der arbeitsteilung conciser fasste und die arbeitsfelder 
nicht mehr nach Willkür in einem und demselben collegium und mit 
willkürlich wechselndem Vertreter austeilte, sondern zwei verschiedenen 
gattungen von oberbeamten, die zwar formell ein collegium bildeten 
-~ da der prätor als i>collega consulum« gilt^) — allein der amtsstaffel 
nnd machtvollkommenheit nach verschieden waren, je ein arbeitsfeld 
als haupttätigkeit zuwies. 

Die grenze zwischen den consulischen und praetorischen macht- 5 
befagnissen war, wie das gewöhnlich im römischen statsleben war, 
nicht durch ein gesetz bis in alle details hinein bestimmt und formell 
festgestellt; im gegenteil finden wir auch hier das seltsame schwanken 
der grenze, das theoretisch zu einer reihe von collisionen anlass geben 
konnte. Untersuchen wir im folgenden das Verhältnis der consuln und 
des praetor urbanus zu einander genauer. 

Die benennung des praetor als urbanus von anfang an recht- 
fertigt sich daraus, dass er als College der consuln im gegensatz zu 
deren hauptsächlich militärischem arbeitsfeld das städtische zu ver- 
walten hatte, daher er neben den praetores consules, seinen höheren 
collegen, praetor iudex oder urbanus genannt wird; und die bezeich- 
nungen iudex und urbanus decken sich in bezug auf die tätigkeit 
völlig; dem ausdmck urbanus entspricht auch durchaus der livia- 
nische : »qui ius in urbe diceret« ^) ; es ist darin also nicht ein gegen- 
satz gegen den späteren praetor peregrinus zu suchen; vielmehr 
liegt der gegensatz in den collegae maiores militari imperio praecipue 
praediti.^®) 

8) Yergl. Livius 7. 1; Messalla: de auspiciis üb. I. bei Gellius 13. 
15. 4; dazu Livius 3. 55; 8. 32; Niebuhr 3. 55; Becker: handbuch 
2. 2. 183 note 420; Lange 1. 652; Mommsen: röm. statsrecht p. 75 sieht 
in der gründung der praetur ein abweichen vom princip der coUegialität und 
eine rückkehr zum monarchischen princip mit nur formeller beibehaltung 
der coUegialität. 

9) Liv. 6. 42; Festus s. v. sacramentum p. 347: qui inter eines ius 
dicet; ganz dasselbe. 

10) Gegen die benennung des praetor alsnrbanns sprechen sich Momm- 
sen: röm. statsrecht 1. 305 note 1, und Bein: Paulys real-encydopftdie 



234 I>ie folgen der licinischen gesetzgebong. [Buch 5. 

6 Der praetor wurde mit den consuln am selben tage*^), unter den- 
selben auspicien^^) gewählt; darin drückt sich schon die collegialität 
aus; er hatte, wie die consuln, auspicia maxima^'); seine prouincia, 
das amtsgebiet, stand formell und sachlich hinter der prouincia der 
consuln nicht zurftck; hatten doch die patricier während der consular- 
tribunicischenzeit besonderen wert darauf gelegt, gerade die Juris- 
diction fbr sich zu wßhren, und dadurch den plebeischen consular- 
tribunen gegenüber eine hervorragende Stellung erworben. Daneben 
war den consuln ebenso wenig die ausübung der Jurisdiction völlig 
verschlossen^^), als den praetoren das militärische Imperium abge- 
sprochen i^); vielmehr scheinen beide gebiete dem betreffenden be- 
amten nur zeitweilig suspendirt gewesen zu sein^^); beide hatten also 
eigentlich das volle Imperium, nur mit einzelnen schlummernden functio- 
nen, die sich gegenseitig ergänzten. Nur freilich standen die con- 
suln als collegae maiores^''^) dem praetor als collega minor gegenüber 
und konnten rechtlich sowol gegen seine richterlichen acte intercedi- 
ren, als eine provocation gegen dieselben annehmen i^); dennoch 
empfing der praetor seine potestas und -sein Imperium ohne Vermittlung 
der consuln ausser als wähl Vorsitzender dirept von den centurien und 
curien, und die consuln konnten ihm keine rechtsnormen vorschreiben, 
nach welchen er handeln sollte ^^); ebenso hatte er mittelst der gleichen 



6. 1 p. 23. aus, allein ohne angäbe von gründen. Die sonst vorkommenden 
bezeichnungen bei Becker: handbuch 2. 2. 186 note 437; für unsere an- 
sieht Niebahr: Vorlesungen zar röm. geschickte 1. 406. 

11) Livius 10. 22. 8; Lange 1. 652; Becker: handbuch 2. 2. 182 
note 419; Mommsen: röm. statsrecht 1. 487 und note 2, dazu p. 24 note 
6; über die spätere Verlegung der pra^torwahlen auf den folgenden tag oder 
noch später vergl. ebendaselbst und die dort angeführten citate, besonders 
bei Mommsen. i») Vergl. die oben § 4. angeführten stellen. 

13) Die angeführten stellen. 

14) Livius 41. 9 und ülpian. instit. 1. 7; vergl. Lange 1. 653. 

15) Liv. 39. 20; 2ö, 22; dazu 43. 14; 7. 25; 23. 32; 27. 7 epit. 12 und 
20; Zonar. 8. 17; Yal. Max. 2. 8. 2; Lange 1. 659 und 660; man denke 
nur an die im felde kommandirenden und späterhin als general-gouvemeore 
in die provinzen gehenden praetoren; vergl. auch Mommsen: röm. stats- 
recht 1. p. 100. 16) So Lange a. a. 0. 

17) Messalla bei Gellius 13. 15. ' 

18) Val. Max, 7. 7. 6; Cicer. de leg. 3. 3.4; dazu Rein: röm. civil- 
process. p. 958 und note 1. 

19) Ueber das prätor. edict siehe unten § llff., Lange 1. 657, ^9fL 
und die dort aufgefclhrte litteratur. 



Cap. I] Die praetur. 235 

anspicia maxima das recht der obntintation gegen die von consuln be- 
rufenen yolksyenamnilnngen; als umgekehrt diese gegen ihn, während 
bei gleichzeitiger anstellung von anspielen die praetorischen vor den 
consnlisehen znrttcktreten niussten^); er konnte ausserdem den wahl- 
comitien weder der consnln und censoren noch in späterer zeit der 
übrigen praetoren versitzen, noch auch einen dictator ernennen ^^); er 
musste die von ihm berufenen Volksversammlungen wieder auflösen, 
wenn der consul sie abberieft) ; er referirte erst nach den consuln im 
Senat 33) und konnte diesen nur im auftrage der consuln oder bei deren 
abwesenheit berufen**); ebenso berief er nur im auftrage der consuln 
die centuriat-comitien zu andren als zu richterlichen zwecken ^s) ^md 
präsidirte den öffentlichen spielen gleichfalls nur in abwesenheit der 
consuln^), wie er freilich immer bei deren abwesenheit das höchste 
und vollkommenere imperium in der Stadt ausübte, da er die frtLhere 
Stellung des custos oder praefectusurbi bekleidete^). Endlich war er 
den consuln die ehrerbietung und ehrenbezeugung schuldig, die jeder 
niedere beamte dem höheren schuldete: aufstehen vom platz, senken 
der fasces vor den consuln und ähnliches.^) 

Wir sehen also, dass weder sein imperium noch seine potestas 7 
eine nur teilweise gewesen sei; vielmehr wenn sich die gelegenheit 
bot, konnte er nicht nur, sondern musste sogar die consularischen 
befugnisse neben seinem specieUen amtsgebiet versehen; wir müssen 
daher, me gesagt, bei ihm sowol als bei den consuln seit der grün- 
düng der praetur nicht an eine teilung der gewalt, sondern an eine 
teilung der der einen gewalt zugehörigen geschäfte auf zwei ver- 
schiedene arten von beamten denken, so dass unter gewöhnlichen ver< 
hältnissen jeder beamte mit tli^oretisch unverminderter machtvoll- 
kommenheit praktisch sich einerseits der ausübung bestimmter ge- 



20) Messalla bei GelHus 13. 15. 

31) Messalla a. a. o.; dazu Yarro-L. L. 6. 9. 76 (63) ed. 'Spengel, 
über das recht die centuriat-comitien zu berufen; besonders Cicer. adAtt. 
9. 9. 3: »consules (a praetore creari) eo non esse ius, quod malus imperium 
a minore rogari non sit ins ; praetores autem, cum ita rogentur, ut collegae 
consulibos sint, quorum est malus imperium.« ^) Messalla a. a. o. 

23) Gellius 14. 7; Cic. pro lege Manil. 19. 58. 

3*) Cic. ad fam. 10. 12. 3; Livius 30. 21, 23; 33. 21; 39. 18; 42. 21; 
45. 44; Lange 1. 657—58; 2. 361ff. 25) Liv. 22. 33. 

26) Liv. 45. 1; daau 8. 40. 

27) Lange 1. 658; Cic: ad tarn. 10, 12; Niebuhr 2. 187. 
Cass. Dio 36. 24; Dionys 8. 44. 



236 ^0 folgen der licinischen gesetsgebimg. [Buch 5. 

Schäfte enthält, andrerseits der praetor dem consul gegenllber als jfln- 
gerer oder minderer College sidi in gewissen dingen fbgen muss, 
während in andren ihm freie hand gelassen ist^) 

8 Der unterschied im Verhältnis des praetor zum consul und des 
einen consul zum andern ist also dieser: der praetor und der consul 
haben bestimmte dauernd ihnen zugewiesene und von einander ge- 
trennte amtsfimctionen; die beiden consuln lösen sich gegenseitig in 
der fiüirung derselben geschäfte zeitweilig ab; insofern also ist 
der eine praetor dem einen consul tiberlegen, als ersterer dauernd 
die ausübung seines Imperium hat, während der eine consul zeitweilig 
mit ruhendem Imperium existirt. 

9 Was den Zusammenhang der paertur mit der aus der königszeit 
stammenden ausserordentlichen praefectura oder custodia urbis be- 
trifft, so scheint mir Niebuhr^) sie in zu engen connez mit einander 
zu bringen; eine fortsetzung der stadtpraefectur kann die praetur doch 
nicht genannt werden ; dagegen scheinen mir verschiedene grtbide zu 
sprechen: 1. war mit der praetur das amt des stadtpraefecten nicht 
aufgehoben'; denn nach wie vor wurde während der feriae Latinae, 
wenn die magistrate die Stadt verliessen, ein solcher ernannt, und der 
praetor vertrat seine stelle nicht; — 2. hatte der stadtpraefect nie- 
mals ein Imperium, weder ein actives noch ein ruhendes; erhandelte 
nur im auftrage der consuln beztlglich der höchsten magistrate, nie 
aus eigener machtvollkommenheit; seine sogenannte potestas war da- 
her nur die ihm zeitweilig abgetretene der consuln, in früherer zeit 
des königs; ebenso wie seine auf dem Imperium beruhenden acte — 
aufbietung der seniores zur Verteidigung der Stadt, berufimg der cen- 
turiat-comitien — nur folgen fremden Imperiums waren; dagegen 
sehen wir, dass der praetor aus eigener potestas und gleichem Im- 
perium handelt. — 3. war die stadtpraefectur hervorgegangen aus dem 
allgemeinen bedürMs, in abwesenheit des höchsten beamten jemanden 
zu haben, der die laufenden geschäfte in der stadt versehe; ein be- 
stimmter geschäftszweig war dabei gar nicht in aussieht genommen; 
dagegen ist der ausgangspunkt für die errichtung der prcetur der, 
dass die Jurisdiction von den amtsfonctionen der ständigen oberbeam- 
ten getrennt, fortan besonders ausgeübt werden sollte; zu dem zwecke 
wurde ein coUega minor der consuln creirt, der nur an zweiter 



^) So in betreff des edicts, der richterbestellnng, der zeitansetzung fBr 
richterliche acte. 30) 2. 137ff. 



Cap. L] Die praetor. 237 

stelle, nicht als praetor, sondern als consnlischer College, die Vertre- 
tung der consuln in deren abwesenheit übernahm. Dem wesen nach 
also sind die beiden ämter, stadtpraefectur und praetur, yersdiieden, 
abgesehen daron, dass das eine amt ständig, das andre nnr subsidiär 
als zeitweiliger notbehelf existirte. Nur darin liegt eine verwandt- 
Schaft, dass mit errichtung der praetur in gleicher weise wie des 
consolar-tribunats die praefectur zur Vertretung der laufenden geschäfte 
in der Stadt überflüssig geworden war. Mir scheint vielmehr, wie 
ich oben ausführte ^^), die prätur dem streben entsprungen zu sein, 
das schon während des consular*tribunats eine teilung der geschäfte 
nach den beiden hauptäusserungen des imperium, der militärischen 
und richterlichen, angeregt hatte. 

Das amtsgebiet des praetor wird am vollständigsten bei Cicero^^) 10 
wiedergegeben: »iuris disceptator, qui priuata iudicet iudicariue iubeat, 
praetor esto. is iuris ciuilis custos esto.«^^) Cicero nennt also nur 
das gebiet der civi^justiz als die prouinda des praetors, was factisch 
durchaus gerechtfertigt ist, besonders für seine zeit. Allein theoretisch 
war doch gewiss die cnmina^ustiz nicht ausgeschlossen; der praetor 
konnte und durfte darin recht sprechen; nur war er nicht die letzte 
und oberste instanz, da die prouocatio ad populum dem beklagten zu- 
stand und wol gewöhnlich angewandt wurde; dennoch war auch bei 
richterlichen centuriat-comitien der praetor als versitzender tätig, wäh- 
rend ein anderer magistrat die anklage führte; bei multprocessen -^ 
d. h. bei solchen^ welche eine höhere mult betrafen, als die der straf- 
gewalt jedes magistrats zustehende — vor den tribut-comitien con- 
currirte freilich der praetor im vorsitz mit den volkstribunen. Ob die 
dem praetor in späterer zeit zugesprochenen quaestiones extraordina- 
riae^) schon für die erste zeit anzunehmen sind, muss dahingestellt 
bleiben. Tatsächlich war demnach der criminalistische zweig der 
Jurisdiction schon von der richterlichen tätigkeit der oberbeamten los- 
gelöst, und nur der rest, die civiljustiz, stand diesem zu. 

Der ausdruck Ciceros^^): »iuris ciuilis custos esto«, ist aus seiner 11 
zeit und der jahrhundertlangen erfahrung der praetur gesprochen; diese 
»custodia iuris ciuilis«, unter welcher die fortbildung zugleich begriffen 



31) § 2, 3. 33) De legg. 3. 3. 8. ed. Or. 

83) Kürzer Livius 6. 42: praetor urbanus, qui ius in urbe diceret 

84) Liv. 38. ö6; 42. 21. aus den jähren ~~- und -^. 
35) A. a. 0. 



238 ^^6 folgen der licinischen gesetzgebong. [Buch 5. 

ist» machte sich hauptsächlich durch das praetoris,che edict geltend; 
dieses erlangte aber seine hauptsächliche rechtsbildende kraft erst seit 
der lex Aebutia^), indem neben den alten legis actiones der for- 
mular-process eingefiüirt wurde. Für die ältere zeit der praetoriscfaen 
Wirksamkeit ist der andre ausdruck Ciceros: »iuris disceptator esto«, 
wol richtiger, wie die livianische fassung des gesetzes es auch wie- 
dergiebt: »qm ins in urbe diceret«^ für diese galt also in vollem sinne 
der satz: »praetor ins facere non potest«^^), wenngleich durch das 
interdict-verüahren des praetors auch schon in älterer zeit ein wirk- 
sames moment zur bildung von rechtsgrundsätzen gegeben war, in- 
dem aus diesem sich allmählich das spätere recht des besitzes ent- 
wickelte. Es muss angenommen werden, dass der praetor von anfang 
an seine edicte auf dem forum aushing, das »album praetorisc, ge- 
weisste holztafehn. mit schwarzer schrift und roten titelüberschrifteB 
(rubricae)^«). 

12 Den ursprünglichen inhalt bezeichnet Rudorff^^) mit: Yerwamiffl- 
gen^), cautionsleistungen^^) und besitzregulirungen^^); die petitori- 
schen und definitiven rechtsmittel dagegen ^^) lässt er erst seit ver- 
öfitentlichung des civilprocesses durch das ins Flauianum des jahres 
--— im edict mitproponirt werden**); bis dahin handelte der praetor 
nach Willkür, oder ohne controle der processirenden mit jedesmaliger 
vorhergehenden instruction derselben über die anzuwendenden aas- 
drücke und fonneln. 

13 Im ganzen herrscht in betreff des ältesten rechtsverfalirens,. vor 
allem des edicts, ein grosses schwanken der meinungen, nachdem man 



86) Unbekannter zeit aber älter als die leges Jnliae, vergl. Rudorff: 
röm. rechtsgesch. 1. 95, 104; 2. 91; Walter 2. 345; nach Puchta: m- 
stitutionen 1. 337 fällt sie etwa in die erste halfte des 6. Jahrhunderts der 
Stadt, also in die zweite halfte des 3. Jahrhunderts v. Chr.; vergl. über ihre 
bedeutung ausserdem L e i s t : versuch cett. p. 20ff. ; Seil: recuperatio p. 407. 

37) Gaius 3, 32; institut. lust. 3. 9. 2: praetor heredes facere 
non potest; der obige satz ist generalisirt; Leist: versuch p. 19; Bu- 
dorff: rechtsgesch. 1.- 143 note 1. 

38) Yergl. Budorff a. a. o. p. 144 und die quellencitate daselbst 

39) A. a. 0. p. 147. ^) Interdicta. ^i) Stipulationes. 

^) Missiones in possessionem , uindiciae, translatio possessionis, bo- 
norum possessio. ^3) Actiones. 

44) Ebenso Leist: versuch p. 20 ff.; dass auch er die Veröffentlichung 
der actiones erst von dem ius Flauianum an datirt, scheint mir aus seinen 
Worten hervorzugehen. 



Cap. l] Die praetor. 239 

fither die sache als eine absolat feststehende angesehen hatte. Es 
ist hier nicht der platz, die frage im juristischen sinne zu beantwor- 
ten; yiehnehr genügt es, die allgemeinen grundzüge der entwickelüng, 
welche anerkannt sind, wiederzugeben. Danach werden drei pmoden 
in der entwickelung des praetorischen edicts unterschieden: 1. Das 
älteste edict unterschied sich nicht von den allgemein üblichen edicta 
magistratuum, d. h. es wurde jedesmal nach bedürfius und zum ein- 
zahlen fall gegeben, edictum repentinum. Der inhalt besclifränkte sich 
auf die bei dem einzelM zur anwendung kommenden festsetzungen 
über das verfahren in betreff der interdicta stipulationes oder uin- 
diciae^^). — 2. Ein fortschritt machte sich dann geltend, als dernach- 
folger im amt einzelne bestinmiungen aus den edicta repentina seines 
Vorgängers in seine edicte übernahm und zu denselben einige bestim- 
mungen hinzufügte; daraus bildete sich ein Übergang von dem alten 
edictum repentinum zu dem in der folgenden periode aufkommenden 
tralaticium. — 3. Hier hatte sich ein gewisser stamm von bestim- 
mungen gebildet, der freilich von der Willkür des einzelnen praetors ab- 
hängig, von einem edict in's andre überging, und zwar jetzt nicht mehr 
blos als für den einzelnen fall gültig angegeben, sondern meist zu 
anfang der praetur selbst als rechtsnorm für das vaiahren während 
des amtsjahres ausgesprochen und nur noch mit Zusätzen versehen 
wurde. Dieses edictum tralaticium bildete dann die grundlage für 
das seit Hadrian constituirte edictum perpetuum^). 

Das Verhältnis der lezAebutia zu dieser entwickelung des prae- 14 
torischen edicts ist durchaus unklar. Wir sagten schon, dass auf sie 
hauptsächlich die einführung des formular-processes neben der sülten 
legis actio zurückgeführt werde; allein es müssen früher schon neben 
den actionen bestimmte formein in gebrauch gewesen sein, die von 
dem praetor jedesmal zu seinem interdict-, stipulations- und vindiden- 
verfahren mitgeteilt und festgestellt wurden. 

Der unterschied des alten legis actions-processes und des spä- 15 
teren formularprocesses ist wol hauptsächlich dieser, dass der ältere 
auf das streng formale und unabänderliche 12-tafel'gesetz zurückging, 
wobei es als hauptsache auf eine möglichst genaue beobachtung der 
auf sacralen grundlagen beruhenden formalitäten ankam, so sehr, dass 



*5) Siehe oben § 12. 

^) Obiges ist die ansieht Th. Muthers nach mündlichen mitteilungen 
desselben. 



240 ^® folgen der lidnischen gesetzgebong. [Buch 5* 

eine ungenauigkeit den yerlust desprocesses nach sich zog; dass die 
dabei zu beobachtenden werte und ausdrücke vom praetor den pro- 
cessirenden vorher instruirt werden mussten, ist Mar. 

Fttnf verschiedene legis actiones der älteren zeit werden unter- 
schieden^^): 1. legis actio sacramento, die älteste art des processes; 
2. legis actio per iudicis postulationem; 3. legis actio per condictio- 
nem; 4. legis actio per manus iniectionem; 5. legis actio per pignoris 
capionem. Die vier ersten sind eigentlich allein arten des processuali- 
sehen verfEihrens, die letzte gehört dem executionsverfahren an.*^) 

Dagegen bot der formular-process dem praetor eine grössere be- 
weglichkeit, indem er von den strengen und umständlichen alten 
formein sich lossagen durfte und an stelle derselben selbst componirte 
einfachere, die auch dem veränderten rechtsbewusstsein rechnung tru- 
gen, setzte und dadurch auch den processirenden von der peinlichen 
beobachtung und der gravirenden folge einer nichtbeobachtung altheili- 
ger ritualien entbinden und befreien konnte. Wurde auf diese weise 
das processverfahren gefördert, so bot sie zugleich die gelegenheit 
zur modificirten anwendung und Interpretation feststehender rechts- 
grundsätze. 

16 Das ganze wesen des praetorischen Verfahrens im process älterer 
und jüngerer zeit spricht sich am deutlichsten aus in den drei Wor- 
ten: do (iudicem uindicias), dico (ins), addico (rem litim iudicium); 
sie bezeichnen einmal das vorläufige verfahren zur richtigen führung 
des processes, indem, wenigstens in bestimmten rechtsfällen, ein oder 
mehrere richter zur Untersuchung des rechtsfalles eingesetzt und der 
rechtsgegenstand einem der processirenden zu vorläufigem besitz über- 
geben wurde *^); zweitens den Urteilsspruch, den der praetor nach ge- 
höriger Untersuchung spricht, und drittens das zusprechen des gegen- 
ständes an den ntm als rechtmässig anerkannten eigentümer oder 
besitzer. 

17 Noch ist dabei die freiwillige und streitige gerichtsbarkeit zu 
unterscheiden 50); bei letzterer^i) bestand die tätigkeit des praetors in 
der Instruction des civilprocesses, in etwaiger verfttgung von execution 



47) Göttling SöSff.; Rudorff 2. 77 ff* 

48) So Budorff gegen Göttling; vergl. dazu Earlowa: der röm. dvil' 
process zur zeit der legis-actionem, 1872. 

49) Vindicias dare. 

w) Rudorff 2. 64; Lange 1. 654; Walter 231ff. 
31) lurisdictio contentiosa. 



Cap. L] Die praetor. 241 

nach Yorhergehender beratong mit einem von ihm eingesetzten sach- 
verständigen coUegium, und in emennung teils von richtem aus der 
reihe der privaten nach Verständigung mit den streitenden parteien^^), 
teils der vorhandenen riditercoUegien^^); nur extra ordinem sprach er 
selbst das urteil aus. Weit persönlicher war das verfahren der frei- 
willigen gerichtsbarkeit^^); hier sprach er das urteil auch ohne ein 
collegium von sachverständigen zu bedürfen. 

Beide arten unterschieden sich auch in betreff der freiheit oder 18 
gebundenheit des ortes; letztere konnte überall stattfinden^^); für er- 
stere war in älterer zeit die ordentliche gerichtsstelle das comitium 
am forum Romanum; der praetor nahm dort auf der sella curulis pro 
tribunaliW) platz. 

Als gerichtstage gelten allein die »dies fasti«, 46 an der zahl im 19 
jähr; diese verteilen sich auf kaienden, nonen und die erstfolgenden 
tage der kaienden, nonen und iden.^^) 

Das rechtsgebiet des praetor umfasste demnach die ganze civil- 20 
Justiz in Born, und zwar sowol zwischen römischen bürgern allein, als 
auch zwischen diesen und den peregrinen^^), bis um das jähr 610 
ein besonderer zweiter praetor die Jurisdiction letzterer art übernahm, 
da die geschäfte für einen zu ausgedehnt wurden ^^). Der ausdruck 
»imperium mixtum« für die Verbindung von Imperium und Jurisdiction 
des praetor ist für diese ältere zeit nicht anwendbar.^) 

Rücksichtlich der insignien der praetur ist zu bemerken, dass sie 21 
die jedem curulischen magistrat zukommenden auch hatte, also sella 
curulis, toga praetexta und lictoren; nur in betreff der zahl der letz- 
teren herrscht Unsicherheit. 



53) ludices arbitri recuperatores. ^^) Xuiri Guiri. 

^) lurisdictio uoluntaria. 

55) Dig. 1. 1. 11; ubicunque praetor salua maiestate imperii sui sal- 
uoque more maiorum ius dicere constituit, is locus recte ius appelUtur. 

^) So viel als in tribunali, vergl. Festus s. v. pro p. 229 ed. Müller» 
Paulus epit. p. 228 ibid. 

5*^) Mommsen: ehren. 220, 226; Rudorff a. a. o. p.ö9; Huschke^ 
das altröm jähr und seine tage, p. 3d8ff. 

M) Dass Hüll mann: grundverfassung p. 371, bis zur einsetzung des 
praetor peregrinus die Streitsachen zwischen bürgern und fremden den con- 
culn reservirt, dafür fehlen die beweise; auch sprechen die neuem forscher 
alle dagegen. ^^) Darüber seiner zeit. 

60) Vergl. Lange 1. 665. 

Clason, röm. geseh. I, IQ^ 



242 I^ie folgen der licinischen gesetzgebang. [Buch 5. 

22 Nach Polybius^i), Appian«*), Cicero*'), Cass. Dio**), Valerius 
Maximas^) waren es sechs lictoren, welche sowol beim praetor urbanos 
als den provincialen fangirten. Dagegen stehen drei andere berichte 
von Censorinus**), Plautus^) und Cicero^), wonach der praetor ur- 
banus nur zwei lictoren hatte; Gensorinas flArt sogar eine lex Plae- 
toria des inhalts an, dass der praetor urbanus ron der zeit des ge- 
setzes an zwei lictoren bei sich haben und so auch zu gericht sitzen 
soUe^^). Die zeit dieses gesetzes ist ungewiss; Niebuhr^<>) aber setzt 
sie wol mit recht vor die zeit des Polybius, spätestens in die des 
Plautus, weil dieser sie zu kennen scheint, Mommsen^^) in 
den an£ang des 6. Jahrhunderts wegen des praetor urbanus als 
gegensatz zum peregrinus^^). Der Widerspruch der beiden be- 
richte besteht darin , dass Polybius dennoch auch den praetor ur- 
banus i$and^xog nennt ^3). Man hat in der vomiebuhrschen zeit 
zwischen dem praetor urbanus und den späteren provincialen so 
scheiden wollen, dass ersterer nur zwei, letztere sechs lictoren be- 
sessen hätte ^^); allein dem widersprechen die berichte des Polybius 
und Valerius Maximus^^), wie Niebuhr^*) mit recht bemerkt"). 
Freilich sind wir gezwungen, einen unterschied zwischen dem städti- 
schen und den provincialen praetoren anzuerkennen, wie Becker 
sagt^^); allein wir dürfen mit Lange^') doch daran festhalten, dass 
der praetor urbanus ein recht auf sechs lictoren gehabt habe. Die 
ansieht Mommsens^), dass dies untunlich sei, weil der lictor vom 
magistrat untrennbar sei, hat er nicht bewiesen, denn die zum be- 
weise angeführten stellen®^) sprechen nur von lictoren insgemein, nicht 



«1) 2. 24. 6; 3. 40. 9, 14; 106. 6; fragm. 33. 1. 6. ö) Syr. 16. 

68) Verr. 5. 54. «*) 53. 13. 

65) 1. 1. 9; dazu eine münze bei Borghesi: oeuvres 1. 113£t; Momm- 
sen: röm. münzwesen p. 741; röm. statsrecht p. 304 note 6, 305 note 3. 

66) De die nat. 24. 67) Epidic. 1. 1. 26. 68) De leg. agr. 2. 34. 

69) Der text in der angäbe von Hui t seh nach B. Schölls restitution: 
praetor urbanus qui nunc est quique posthac fiiat duo lictores apud seha- 
beto iusque ad supremam (seil, lucem) inter ciues dicito. 

70) 3. 38. 71) Böm. statsrecht 305. note 1. 

73) Siehe oben § 20. 73) Siehe oben an letzter stelle. 

74) So jetzt wieder Mommsen: röm. statsrecht 305, gegen seine frü- 
here auseinandersetzung bei Borghesi: oeuvres l. 197. 

75) Yergl. Becker: handbuch 2. 2. p. 189. 76) 3. 33. note 43. 
77) Yergl. Pighius: annal. 1. 266 über die ältere ansieht und dagegen 

Becker a. a. o- 78) a. a, o. p. 190. 79) 1. 662ff. 

80) Statsrecht 305 note 1. «i) p. 297 note 4. 



Cap. I.] Die praetur. 243 

von einer bestimmt yorgeschriebenen oder vollständigen zahl ; es steht 
auch nichts im wege, anzunehmen, dass der stadtpraetor bei amts- 
handlangen alle sechs lictoren, im privaten leben nur zwei, mit sich 
führte 8^); Mommsen hätte die stellen bei Polybius»») und The- 
mistios^) über den praetor urbanus als k^aniXsxoQ nicht so leicht neh- 
men sollen, wie Becker^*) tut, wenngleich Themistius dabei ohne 
belang ist. Dass ausserdem Mommsen ohne weiteres das citat des 
Valerius Maximus W) auf einen provincialpraetor bezieht, obgleich der 
berichtete fall ebenso gut vor der zeit der provincialpraetoren über- 
haupt anzusetzen ist, finde ich ebenfalls zu wenig begründet; auch 
scheint mir der von Mommsen zurückgewiesene einwurf Beckers sehr 
richtig, dass der geringere provincialpraetor kaum habe in der stadt 
mehr fasces führen dürfen, als der vornehmere städtische. Endlich 
muss Mommsen das citat des Cassius Dio^^) zu seinem zwecke durch 
eine rein hypothetische änderung der lictorenverhältnisse in der kaiser- 
zeit erklären. — Bei betrachtung des Wortlauts der lex Plaetoria 
hat sich mir der gedanke aufgedrängt, dass die zwei lictoren als 
geringste begleitung angesehen werden dürfe, während vorher viel- 
leicht eine solche begleitung überhaupt nicht so streng normirt wor- 
den war. Dass ein solcher begleitender tross vielfach lästig war und 
der praetor daher wol sich ab und zu, wie der eine consul, welcher 
nicht die leitung der geschäfte hatte, eines blossen accensus bediente, 
ist denkbar; allein da der praetor nie wie der eine consul ein zeit- 
weilig ruhendes Imperium hatte, so war es auch nicht angemessen, 
das zeichen seines amtes abzulegen; und daher mag die lex Plaetoria 
als geringste begleitung zwei lictoren festgesetzt haben, während der 
praetor das volle recht hatte, sechs zu führen. Dass dies nur auf den 
praetor urbanus bezug hatte, geht wol schon daraus hervor, dass bei 
obiger datirung der lex Plaetoria dazumal noch keine provincial- 
praetoren existirten®®); ausserdem bedingte das auftreten den unter- 
worfenen Völkerschaften gegenüber eine strengere beobachtung aller 
formen, welche die maiestas populiRomani repräsentirten; daher war 
auch wol der praetor peregrinus nicht mit bei den bestimmungen über 
die lictorenzahl des stadtpraetor berücksichtigt worden. Dass letzterer, 



83) Siehe das folgende. »3) 33. 1. 5. 84) or. 34. 8. 

W) A. a. 0. 190. W) 1. 1. 9. 87) 53. 13. 

627 

«8) Diese erst sei -j^ ; vergl. Livius epit. 20. 

16* 



^44 ^6 folgen der ficinischen gesetzgebong. [Bach 5. 

wie alle, so lange sie in der Stadt waren, keine beile in den fasces 
tragen, geht einfach aus der analogie der consuln hervor.^) 

Dass in der älteren zeit ein bestimmtes alter zum amtsantritt 
nicht erforderlich warj ist bekannt, da derartige bestimmungen erst 
durch die leges annales des L. Villius -^ ) und eines Pinarius von 
unbekannter zeit aufkamen. ^^) 

28 Was den amtsantritt betrifft, so muss derselbe mit dem des con- 
sulats zusammengefallen sein, da es bezeugt ist, dass die wahlcomitien 
in älterer zeit am selben tage statt fanden und in späterer zeit der 
antritt gleichzeitig ist. Freilich fielen die ersten praetorischen wahl- 
comitien nicht mit den consulischen auf denselben tag, da die ein- 
setzung der praetur ja erst das resultat eines compromisses zwischen 
plebs und patriciat nach der consulwahl und vor der bestätigung 
durch die patres war; allein die wähl muss zeitlich unmittelbar nach 
abschluss des compromisses und vor der endgültigen erteilung der 
patrum auctoritas angesetzt werden, schon deswegen, weil die patri- 
cier nicht auf eine blosse zusage der plebs hin ihre bestätigung wer- 
den gegeben und danach die praetorwahl von dem gutdünken der 
plebs haben abhangen lassen — konnte doch die plebs durch völ- 
liges enthalten von der Stimmabgabe tlber den etwaigen praetorischen 
candidaten die wähl vereiteln. So wird also der praetor gewählt und 
ihm mit den consuln sodann zugleich die patrum auctoritas und das 
imperium von den curien übertragen worden sein. Wir sahen oben^*), 
dass der amtsantritt der consuln wahrscheinlich auf die kaienden 
des august 388 fiel; damals also trat auch dann der praetor sein 
amt an, und zwar in der person des Spurius Für ins [M. f. Ga- 
millus], des sohnes des grossen Camillus.^^) 

24 Die ansieht Niebuhrs^), es sei durch ein gesetz bestimmt wor- 
deU; dass einer der gewesenen consuln zum praetor ernannt werde, 

Afif 

bezieht er erst auf die zeit vom jähre -^ an; einen beweis aber 



89) Mommsen: statsrecht 301, über den grund dieser erscheinong: 
dass nach dem factischen fibergang der capital^'ustiz auf das volk durch das 
valerische provocationsgesetz und durch das verbot der hinrichtung mit 
dem beU in der Stadt den fasces der magistrate in der Stadt die beile ge- 
noounen worden seien; vergl. a. a. o. 97. ^) Liv. 40. 44. 

dl) Nipperdey: die leges annales der röm. republik, 1865. 

W) Vergl. buch 3. § 40. »3) Livius 7. 1; vergl. buch 7. § Iffi 

94) 3. 436 note 30; dazu Göttling 356 note 3 gegen Walter 1. 95. 



Cap. n.] Die cnntlische aedilit&t 245 

hat er hierfür nicht geliefert; das tatsächliche häufige zutreffen genügt 
dafiir nicht. Ebenso wenig kann Walter eine fernere hypothese be- 
weisen, dass abwechselnd der plebeiscbe und der patricische consul 
praetor geworden seL 

CAP. n. 
Die enniliselie aedilität. 

Die entstehung der aedilität^*) wird von Livius^) folgender- 26 
massen geschildert: Nachdem endlich der lange streit zwischen patri- 
eiern und plebeiern beigelegt war, erklärte der senat, dass die götter, 
wenn jemals sonst, es verdient hätten, dass »ludi maximi« gefeiert und 
ein tag zu der sonst üblichen dreitägigen feier hinzugefügt würde; 
als aber die plebeischen aedilen sich geweigert hätten, diese müh- 
waltung zu übernehmen, da hätten die patricischen Jünglinge sich zur 
ehre der götter gern bereit erklärt, aedilen zu werden^). Man habe 
ihnen allgemein dafür dank gesagt, und es sei ein senatus-consult 
abgefasst, dass der dictator (Camillus) den antrag beim volke stelle 
dass (fortan) zwei aedilen aus den patriciem gewählt werden und die 
patricier allen comitien des Jahres ihre bestätigung erteilen sollten. 

Gegen diese fassung des berichts spricht sich Niebuhr^®) in 26 
äusserst wegwerfender und spottender weise aus. Seine haupt-argu- 
mente dagegen sind 1. dass die plebeischen aedilen nichts mit den 
lud! Bomani, spielen des gesammtvolkes, zu tun gehabt hätten ; 2. dass 
die kosten für die ludi Romani von statswegen bestritten worden seien, 
daher kein grund zur Weigerung vorgelegen habe. — Dagegen hat 
Becker^) schon einen energischen gegenbeweis geführt. Vor allem 
weist er darauf hin, dass, wenn die plebeischen aedilen gar nichts 
mit den ludi Romani zu tun gehabt hätten, jeder grund und vorwand 
zur einsetzung curulischer aedilen für ihn fehle; dazu kommt, dass 
freilich eine bestimmte summe zur abhaltung der ludi Romani vom 
stat ausgesetzt worden war; allein es sollte von derselben der ganze 



95) Litteratur: Niebuhr 3. 39 ff.; Schubert: de Romanorum aedilibus, 
1823, 1828; Göttling p. 363; Hofmann: de aedilibus Romanomm, 1842; 
Becker 2. 2. 311ff.; Walter 1. § 209ff.; Lange 1. § 68. p. 715»ff.; Schwe 
gier 2. 164 ff.; 3. 73; Mommsen: rOm. forschungen 1. p. 97ff., 159; Puchta; 
instituüones 1. 205 ff. ^) 6. 42. 

97) Und damit die leitung der spiele zu übernehmen, 

98) 3. 89 ff. 99) Handbuch 2. ^. 300. 



246 I^i® folgen der licinischen gesetzgebung. [Buch 5. 

aufv^and, auch des neu hinzugekommenen tages, bestritten werden. 
Dann föhrt Becker fort, den ersten punkt Niebuhrs zu bekämpfen; er 
unterscheidet mit recht den yorsitz bei den spielen von den ge- 
schäftlichen anordnungen zu denselben; den ersten hatten die con- 
suln. Freilich sei, ausser an unserer stelle, nirgends ausdrücklich ge- 
sagt, dass in so Mher zeit schon die plebeischen aedilen festordner 
gewesen seien; aber ebenso wenig sei ein andrer beamter in dieser 
function genannt. Ich füge hinzu, dass, ausser den aedilen, tlberhanpt 
kein beamter da war, der diese tätigkeit hätte übernehmen können; 
die quaestoren haben es bekanntlich in der republikanischen zeit nie 
getan; die volkstribunen erst recht nicht; andere reguläre beamte 
aber gab es nicht, so dass die aedilen allein dafür übrig bleiben. 
Ausserdem ist es für das jähr 388 ausdrücklich bezeugt, dass die 
plebeischen aedilen die festordnung ausübten. In Wahrheit aber wäre 
die einsetzung der curulischen aedilen in dieses amt gar nicht denk- 
bar, wenn die plebeischen nicht schon vorher mit den genannten 
spielen zu tun gehabt hätten. Die sonstigen fiinctionen der aedilen 
und Niebuhrs fernere hypothesen werden wir weiter unten kennen 
lernen; hier möge es gestattet sein, kurz auf die von Livius er- 
wähnten »ludi maximic zurückzukonunen. 

27 Becker^^) lässt es zweifelhaft, ob die livianischen »ludi maximic 
wirklich die sogenannten ludi Bomani seien. Die alten autoren iden- 
tificiren letztere mit den sonst genannten ludi magni oder maximi-^^^) 

28 Eingehend hat Mommsen darüber gehandelt i^^). er weist nach, 
dass die ursprüngliche feier, die später unter dem namen ludi Bo- 
mani oder magni bekannten spiele, in unmittelbarem Zusammenhang 
mit dem triumph des siegreich heimkehrenden feldherm und seinem 
aufzug zum capitol stand, von wo aus dann gleich die festpompa sich 
weiter in bewegung gesetzt habe. Danach war die feier nicht eine 
jährlich wiederkehrende, sondern eine nach massgabe der triumphe 
sich richtende ausserordentliche; es waren also jedesmal »ludi uotiuic 
Die Vermehrung der festtage von einem auf drei in der ältesten zeit 
nach der Überlieferung habe durchaus nicht zur notwendigen folge, dass 
die spiele schon jährlich geworden seien; die mangelnde erwähnung 



100) a. a. o. p. 300. 

101) Livius 1. 35; Gic: de re publ. 2. 20. 39; Paulus der epito- 
mator p. 122 und 262 ed. 0. Müller; Pseudo-Ascon. p. 142. 

102) Rhein. Mus. n. L 14. 1859. p. 79 ff. 



Cap. II.] Die cornlische aedilität. 247 

derselben im festkalender der zwölf tafeln spreche dagegen. Yon ludi 
Bomani sei in historischer zeit erst 432^^^) die rede, damit seien 
dann jährliche spiele gemeint; aus den ludi uotiui, den zweckspielen 
ohne regelmässige Wiederkehr, wie sie noch zur zeit der zwölf tafeln 
existirten, wurden also allmählich jährliche ludi Eomani; daneben aber 
gehen die fernerhin ludi magni genannten ausserordentlichen triumphal- 
spiele in derselben weise nebenher. Die einführung der curulischen 
aedilität zum zwecke der spiel-ordnung habe jedenfalls einen bedeu- 
tenden abschnitt bezeichnet, und von jener zeit an seien dann wol die 
spiele jährlich unter dem namen »ludi Eomani« geworden. So stellt 
Mommsen, gestützt auf quellen- und logische beweise, die sache dar, 
und wol nur in eroem geht er zu weit, dass er die curulischen aedilen 
nur als curatores ludorum solemnium auffasst und ihren namen als 
»Wagenhausmeister» ^^) erklärt, wodurch sie also etymologisch ver- 
schieden von ihren plebeischen coUegen wären; zugleich setzt er da- 
mit voraus, dass die plebeischen aedilen vor dieser zeit nicht die fest- 
ordnung der spiele zu besorgen hatten, wogegen Beckers und meine 
obigen ausfahrungen sprechen. 

Waren aber bisher die plebeischen aedilen festordner, so oft 29 
spiele angeordnet waren, so bedingt die einsetzung curulischer aedilen 
als festordner in gleicher weise nicht durchaus eine fortan regel- 
mässig wiederkehrende feier. Gegen eine bisherige regelmässige» 
spricht vor allem der ausdruck des Livius : »senatus censeret . . . ut 
ludi maximi fierentet dies unus ad triduum adiceretur.« Die quellen- 
autoren des Livius, oder die älteste derselben scheint diese notiz in 
ähnlicher gestalt den alten Urkunden ^^^) entnommen zu haben, von 
wo sie dann in ziemlich originaler fassung, wie häufig die gesetze 
bis zu Livius gelangte. Ist dies zugegeben, so folgt aus dem Wort- 
laut, dass an jährliche spiele dabei nicht gedacht wurde, denn 
der ausdruck »ut fierent« setzt voraus, dass sie ohne den beschluss 
nicht würden statt gefunden haben; es sind also auch hier extra- 
ordinäre ludi uotiui, nicht die späteren jährlichen ludi Eomani ge- 
meint; die dreitägige gewöhnliche dauer setzt, wie schon Mommsen 
richtig sagt, durchaus keine regelmässige Wiederholung voraus. Jene 
ludi uotiui wurden eben bis dahin jedesmal dreitägig gefeiert, und 
nun wurde ein vierter tag zugefügt. Der Wortlaut sagt auch durch- 



103} Livius 8. 40. 

m) Aedis tensarum auf dem capitol. i^s) oder Chroniken. 



248 ^^^ folgen der lidnischen gesetzgebung. HBuch 5. 

aus nicht, dass dieser vierte tag fortan immer gefeiert werden solle; 
es ist nur von dem einmaligen falle die rede. Die möglichkeit 
liegt zwar vor, dass das einmal festgesetzte auch dauernde geltung 
erwarb, und dass auf diese weise die curulischen aedilen als dauernde 
magistratur dauernd die festordnung übernahmen; allein ein zwingen- 
des motiv zu ersterem ist letzteres nicht; vielmehr werden wir zum 
rechten Verständnis des Verhältnisses, in welchem die curulische aedi- 
lität zu jenem feste stand, die politische Sachlage der zeit und jenes 
augenblickes zu entwickeln und uns zu vergegenwärtigen haben. Ist 
das eigentliche motiv fiir die einsetzung der curulischen aedilität Mar 
geworden, so ergiebt sich das andere von selbst. 
30 Die plebeische aedilität i^) war ursprünglich ein rein plebeisches 
gemeindeamt, indem sie in der plebs selbst Ordnung zu halten ver- 
bunden war^^). Aus dieser rein plebeischen tätigkeit aber tritt sie 
allmählich heraus, und zwar nach massgabe der Verschmelzung von 

291 

plebs und patriciat zum gesammtpopulus. Schon im jähre -^ übt^^^) 
sie bei krankheit und abwesenheit der consuln an deren stelle und offen- 
bar in deren auftrage die diesen zukommenden geschäfte aus ; noch klarer 
aber tritt dies seit dem jähre 305, der ofßciellen Vereinigung der bei- 
den stände zu einer statlichen einheit in folge der valerisch-horatischen 
gesetzgebung i<^) hervor. In gleicher weise wie die ursprünglich rein 
plebeischen concilien nach tribus zu der allgemeinen Volksversammlung 
anwachsen und als die tributcomitien immer grössere politische be- 
deutung gewinnen, scheint auch die plebeische aedilität «ich aus dem 
engeren verbände des Standes gelöst und dem wesen einer allgemeinen 
volksmagistratur genähert zu haben. Seit -— r- haben sie die ver- 

826 

Wahrung der Senatsbeschlüsse zu besorgen^^o), seit -— - die aufsieht 
darüber, dass sich keine neuen culte in Eom einschleichen -^^i): um- 
stände, die ganz unabhängig von der plebeität der aedilen wäre 
Aus dem bericht über die entstehung der curulischen aedilen geht hervor, 
dass sie vorher schon festordner nicht allein der plebeischen, sondern auch 
der gesammten volksspiele, ludi magni, maximi, waren. Ebenso müssen 
wir annehmen, dass sie schon vor dieser zeit die cura annonae ver- 



106) Darüber Sphwegler 2. 273ff.; dazu Becker 2. 2. 291 ff. und 
Jjange 1. 716ff. lo?) Darüber unten § 42. io8) Livius 3. 6. 

109) Yergl. meine krit. erörterungen über den röm. stat ^, 1459. 
?io) Liv. 3. öö. 111) Liv. 4. 30, 



Gap. II.] Die Cürulische aedilität. 249 

walteten 11^), ohne jedoch dieselbe als ständige amtssphäre inne zu 
haben. ^) 

Wir sehen hieraus, dass die plebeischen aedilen alhnählich eine 31 
reihe von functionen bekleideten, die zwar nicht von einem einheit- 
lichen gesichtspunkt aus betrachtet werden können, vielmehr wol ihr 
Wesen auf eine widerrufliche Übertragung von selten der consuln grün- 
deten, dass aber die summe der geschäfte dem am nächsten steht, 
was wir unter polizei verstehen ^i*); und diese polizeiliche tätigkeit 
war nicht mehr eine auf die plebs beschränkte, sondern eine auf den 
ganzen populus ausgedehnte i^^). 

Diese ganze entwickelung, naturgemäss wie sie war, da es eben 32 
an andren magistraten fehlte, welchen die consuln derartige functionen 
übertragen konnten, war offenbar den patriciem allmählich unbequem 
und bedenklich geworden. Sie sahen eine reihe von wichtigen inneren 
fonctionen nach und nach in die bände eines amtes übergehen, zu 
dem sie keinen zutritt hatten, während zu gleicher zeit die plebeier 
ihnen ihre besonderen Vorrechte in der besetzung der höchsten ma- 
gistratur zu entreissen suchten. Da galt es den augenbück benutzen 
und unter dem gewande der nachgiebigkeit und grossmut für sich teil- 
nähme an der polizeilichen tätigkeit der bisherigen plebeischen aedi- 
len zu erringen. Die patricier haben sich immer durch eine stats- 
kluge ausbeutung des moments ausgezeichnet; sie haben es verstan- 
den, aus jeder niederlage doch immer ein quantum vorteil zu ziehen, 
und haben damit absichtlich oder unabsichtlich dem statsganzen stets 
gedient, sowol retardirend als durch uQjischöpfungen im verwaltungs- 
leben.116) 

Der livianische bericht über die entstehung der curulischen aedi- 33 
lität — an dem zu zweifeln wir keinen grund haben; die kürze der 
fassung spricht för autenticität^^^) — deutet ganz bestimmt darauf 



11») Plin. n. h. 18. 3. 4. 

113) Vergl. auch Nitzsch: röm. annalistik p. 209 ff. 

11*) Vergl. Lange 1. 725. 

11&) Wir haben oben buch 4. § 37. gesehen, dass diese polizeiliche 
function sich auch auf eine Überwachung des licinischen gesetzes de modo 
agrorum et pecudis bezog. 

116) Vergl. was wir oben buch 3. § 33—36 über die dictatur des Man- 
lius sagten. 

11^) Dazu kommt, dass Licinius Macer quelle ist (vergL buch 1. oap. I), 
4er ^anze beri<:ht aber nipht gerade tedemdös plebeisch geßUrbt ist, 



250 I)i6 folgen der licinischen gesetzgebung. [Bach 5. 

hin, dass wir es mit einem wolberechneten plan der patricier zu tun 
haben. Wäre die weigerong der plebeischen aedilen gegen den vierten 
tag der spiele den patriciem ganz unvorbereitet gekommen, so hätten 
die patricischen iuniores — dieses ereignis moss nämlich in den cen- 
tnriatcomitien vor sich gegangen sein, in denen der vorbeschlnss des 
Senats über die festfeier znr abstimmung gebracht wurde ^^^) — d.h. 
die haussöhne nicht sofort versprechen können, die mühwaltung re- 
spective die deckung des mehrbetrages der kosten leisten zu wollen ^^^), 
da sie als haussöhne keine disposition über das familienvermögen 
hatten, zugleich aber durch die centurienordnung der iuniores und 
seniores möglicher weise gehindert waren, der väter einwiUigung so- 
fort einzuholen. Ausserdem entspricht eine derartige handlungsweise 
aus ritterlichem impuls nicht der bedäditigen und berechneten römi- 
schen weise, wie überhaupt alles das, was wir rittertum und ritterehre 
nennen, den Römern eigentlich völlig fremd war, diese vielmehr immer 
den nützlichkeitsstandpunkt im äuge hatten — ; wir dürfen daher ge- 
wiss diese moderne anschauung der handlungsweise völlig fallen lassen 
und an der berechnung festhalten. Ist aber daraus ersichtlich, dass 
wir der patricischen handlungsweise eine absichtlichkeit zusprechen 
müssen, so liegt nichts näher als anzunehmen, die patricier hätten 
diese gelegenheit benutzt, sich anteil und zwar in hervorragender 
weise an dem polizeilichen und verwaltungs-amt der aedilität zu ver- 
schaffen. Drängt sich aber dies als notwendigkeit auf, so ist die con- 
sequenz davon, dass in gewisser weise die Weigerung der plebeisdien 
aedilen vorhergesehen und 9,uch beabsichtigt war; weiter aber war 
dann die Vermehrung der festtage selbst ein wichtiges moment in der 
patricischen speculation, und wir werden endlich bewogen, das senatus- 
consult über die anzustellende feier mit Vermehrung der festtage und 
dadurch auch der kosten — ohne besondere gratification -— als das 
erste glied der patricischen combinationskette anzusehen, durch welche 
die plebeier mystificirt werden sollten. 
34 Haben wir nun aus dem gesagten gesehen, dass die ganze fest- 
feier mit ihrer erweiterung um eioen tag nur ein mittel zum politi- 
schen zwecke der patricier war, so fallen von selbst so tief greifende 
und symbolisirende motive für den vierten festtag, wie sie Niebuhr ^ 



118) Siehe unten § 36. 

119) So allein findet der ihnen ausgesproo^e^e cM]^ ^i^^ erklänrng. 
t?o) 3. 41 ff. 



Cap. II.] Die curulische aedilität. 251 

annimmt, fort, dass nänüich der vierte tag die anerkentnis ausdrücke, 
jetzt sei das vierte glied des römischen Volkes — die plebs neben 
den Ramnes Tities und Luceres — in die gesammtheit verschmol- 
zen^). Ja der umstand selbst wird völlig zweifelhaft, ob dieser 
Tierte tag als dauernde oder als einmalige bestimmung anzusehen sei. 
Ben patriciem lag ja nur daran, durch eine ausgedehntere festfeier 
gerade an jenem Zeitpunkt ihr ziel zu erreichen; da war es gar nicht 
nötig die zukunft besonders in betracht zu ziehen; taten sie dies aber, 
so war dies nur in der absieht, dem heraufbeschworenen umstand 
grössere Wichtigkeit und religiöse weihe beizulegen, vielleicht auch 
nm auf diese weise eine regelmässige Wiederwahl der neu eingesetzten 
aedilen beanspruchen zu können. Auf der andern seite spricht gegen 
die absieht, den vierten tag dauernd hinzuzufügen, dass dann wol 
nach massgabe der grösseren leistung zugleich eine grössere geld- 
summe zur bestreitung bewilligt worden wäre; wenigstens wäre dies 
rechtens gewesen. Dann aber hätten die plebeischen aedilen gewiss 
nichts einzuwenden gehabt, die vermehrte festfeier zu leiten; und so 
hätten die patricier ihr ziel verfehlt. Es scheint daher in der ur- 
sprünglichen absieht und dem daraus resultirenden senats-vor- 
beschluss nicht gelegen zu haben, aus dem vierten tag eine dau- 
ernde Institution zu machen; eine andre frage ist freilich, ob das 
einmal eingeführte neue nicht dauernd wurde, indem die neu- 
geschaffene curulische aedilität es als eine ihrer functionen angesehen 
und demgemäss bei der feier der ludi magni wiederholt habe. Frei- 
lich entzieht sich auch dies unserer beurteilung. Allein für das jähr 
^'^ - über anderthalb jahrhimderte nach unserer periode - 
steht die zahl der tage für circusspiele bei ludi uotivi^^^) fest, und 
zwar sind es vier tage. Ob diese seit dem jähre -^ datiren, ist 
natürlich nicht zu sagen; denkbar wäre es ja, dass in der Zwischen- 
zeit der vierte tag oMciell hinzugefügt worden sei, wenngleich die 
obige erklärung ebenso viel für sich hat. Auch die von Dionys*^) 
angegebene summe von 500 silberminen = 500,000 ass, die bis zu 
den punischen kriegen auf die spiele und Opferfeierlichkeiten ver- 
wandt worden sei, bietet keinen anhaltspunkt für die entscheidung 
der frage nach dem ofGciellen eintritt des vierten tages; derselbe 
kann ebenso gut nachher hinzugekommen oder officiell beim kosten- 



T^) Dagegen auch Becker: handbuch 2. 2. 299 ff. ^) Liv. 30. 27. 12. 
193^ Gleich ludi magni nach M o m m s e n ; rhein. mus. a. a. o. ^ 7. 71* 



252 ^1^ folgen der licinischen gesetzgebong. [Bndi 5. 

anschlag in berechnung gebracht worden sein, so dass vorher freilich 
der vierte tag existirt haben kann, allein bestritten aus der vorhan- 
denen summe für die älteren drei tage und fiir den mehrbetrag ans 
der tasche der curulischen aedilen. 

35 Was die Weigerung der plebeischen aedilen betritt, ohne be- 
willigung einer zulage die feier des vierten tages zu übernehmen, so 
ist diese sehr erklärlich; entweder sie hätten die drei ersten tage in 
bezug auf ihren glänz verkürzen müssen — was sie vielleicht aus 
standes-interesse^ um ihr amt bei der masse nicht in miscredit zu 
bringen; vermeiden wollten — oder sie hätten den mehrbetrag ans 
eigener tasche decken müssen — was nicht von ihnen zu verlangen 
war. Nur darin fehlten freilich die plebeier, dass sie die patricische 
intrigue nicht einsahen; ein umstand, der einerseits aus der egoisti- 
schen praeoccupation der plebeischen führer resultirte, andrerseits 
— freilich unbeabsichtigt von selten der plebeier ~ eine gerechtere 
teilung der polizeilichen geschäfte auf beide stände zur folge hatte. 

36 Die art und weise, wie Livius die gesetzliche einsetzung der 
neuen aedilität statt finden lässt, muss mit Lange^^) ungenau ge- 
nannt werden. Sie entspricht der späten republik im gegensatz zur 
älteren; in jener herrschte eben der senat ausschliesslich, in dieser 
war er hauptsächlich vorberatendes organ. So mag es geschehen 
sein, dass Livius oder seine quelle einen notwendigen hauptfactor in 
der darstellung übergangen hat. Livius sagt nämlich ^^), es sei ein 
senatus-consult abgefasst worden, dass der dictator (Camillus) die wähl 
zweier patricischer aedilen beim volke veranlasse. Lange J^) nimmt 
durchaus mit recht an, dass der dictator zuerst eine lex de duobus 
aedilibus curulibus creandis in centuriatcomitien beantragen und zur 
beschlussfassung bringen musste; nur die gründe, welche Lange daf&r 
anführt, kann ich nicht gut heissen, nämlich dass der wahl-act in den 
tributcomitien nicht denselben wert habe, wie derselbe in centuriat- 
comitien, vielmehr nur als designation gelte; letzteres freilich, aber 
in gleicher weise jeder wahl-act der centuriat-comitien ; und die an- 
sieht einer auf das Imperium nicht ausgedehnten competenz der tribut- 
comitien haben wir oben schon zurückgewiesen^^); ebenso wenig hat 
der umstand, dass um der curulischen aedilen willen die den consuln 



125) 1. ö. 79. 136) 6. 42. 127) a. a. o. 

128) Yergl. buch 3. § 39; dazu die dort angeflihrten citate aus meinen 
krit. erörterungen. 



Gap. n.] Die cnnüische aedilität. 253 

erteilte lex coriata de imperio dnrch nennung der neuen magistratur 
etwas modificirt wurde, sowie dass die curulischen aedilen eine gewisse 
bescfuränkte Jurisdiction ausübten, mit einer beschlussfassung über die 
einsetzung der neuen aedilen in centuriatcomitien zu tun; diese war 
lediglich dem gutachten des dictators überlassen; essentiell stand ihm 
nichts im wege, den beschluss über die creirung des neuen magistrats 
in tributcomitien abfassen zu lassen; allein die centuriatcomitien als 
die comitia maiora einerseits, welche auch officiell den uniuersus 
popnlus repräsentirten^^), werden für die einsetzung .eines neuen 
amtes die würdigeren gewesen sein; andrerseits war der patridat in 
ihnen seines resultats gewisser, als in den censuslosen demokratischen 
tributcomitien; und es stand schliesslich dem dictator zu, nach eigenem 
ermessen die Volksversammlung zu berufen. Wir dürfen darin ferner 
Lange gewiss beistimmen, dass die curulischen aedilen als magistratus 
minores wie die quaestoren und ebenso wie ihre plebeischen coUegen 
in tributcomitien gewählt wurden ^^o). allein dass er unmittelbar nach 
dem centuriatbeschluss über die creirung der neuen würde die wähl 
der aedilen selbst vor sich gehen und dann erst beiden acten die 
auctoritas patrum erteilen lässt, scheint mir zwiefach unrichtig: ein- 
mal war die patrum auctoritas für die tribusbeschlüsse nicht nötig ^^i), 
zweitens war der centurienbeschluss so lange ungültig, als ihm nicht 
diese patrum auctoritas erteilt war, daher vor dieser tatsache man 
unmöglich an die wähl der aedilen selbst schreiten konnte. 

Die reihenfolge der einzelnen acte muss also folgende gewesen 37 
sein: 1. senatus-consult ; 2. centurienbeschluss über die neue magistra- 
tur; 3. patrum auctoritas für diesen beschluss; 4. wahlcomitien der 
tribus für die neuen beamten, welche bis zum amtsantritt^^^) als de- 
signati galten. 

Was das Standesverhältnis der curulischen aedilen betrifft, so hat 38 
nach Niebuhr^^^) und Becker i^*) Mommsen^^^) überzeugend nach- 



las) Vergl. meine kritischen erörterungen 1. 64. 

130) Dazu Livius 9. 46. 2 über die wähl des curulischen aedilen Gn. 
Flavius; der ausdruck des Livius 7. 1. 2: »patres praeturam . . . aedilitatem 
gratia campest ri ceperunt« ist nicht wörtlich zu fassen; nur aufdieprae- 
tnr kann sich die gratia campestris, d. h. die tätigkeit der centuriatcomitien, 
beziehen; auf den wahl-act der aedilen wird es nur nebenher mitbezogen. 

131) Meine krit. erörterungen 2. 82. 89. 133) siehe buch 3. § 40. 
133) 3. 49. 13*) 2. 2. 304. 764. 

135) Böm. forsch. 97 ff^; nach den capitoL fasten, Livius, Polyb. 10. 4. 



254 I^ie folgen der licinischen gesetzgebong, [Buch 5. 

gewiesen, "dass für die spätere zeit — seit dem 6. Jahrhundert — 
zweifellos, für die ältere höchst wahrscheinlich ^s^) ein regelmässiger 
jährlicher Wechsel zwischen zwei patricischen und zwei plebeisdien 
aedilen statt fand. Dabei macht sich der umstand geltend, dass die 
varronisch ungraden jähre mit patriciem, die graden mit plebeiem 
besetzt sind. Nun aber hat das erste jähr — -- zweifellos zwei pa- 

•DO 

tricier zu aedilen gehabt; es muss demnach einmal eine zwe^ährige 
aufeinanderfolge von patriciem statuirt werden, und Mommsen^^^) 
lässt daher erst von 389 an den Wechsel eintreten. Dies haben wir so 
zu verstehen, dass das jähr 388—89 gemäss einmaliger bestimmuog 
patricische aedilen erhielt, nach Livius^^) Cn. Quinctius Capitolinus 
und P. Cornelius Scipio; als dann während des amtsjahres derselben 
die frage aufgeworfen wurde, ob es ein rein patricisches oder ge- 
mischtes amt sein solle, und letzteres durchging, wurde die reihen- 
folge so eingerichtet, dass die patricier mit ausschluss des amtsjahres 
388—89 den anfang bei dem Wechsel machen sollten, so dass auf sie 
auch noch das folgejahr 389-90 fiel^*). Im jähr •390— 91 traten 
dann zuerst curulische aedilen aus der plebs an; und unter diesen 
— wenn wir die angäbe des L. Cassius bei Cicero ^*^), der dieser 
nicht recht zu trauen scheint^**), annehmen — war ein gewisser 
Juventius.i*^) 
39 Der bericht des Livius^*') über die feststellung dieser norm wird 
von Niebuhr^**) heftig angegriffen und als lächerlich hingestellt i*^)- 
Livius erzählt, die volkstribunen hätten sich im ersten jähr der neu- 
Ordnung beklagt, dass, während die plebs nur ein curulisches amt, 
das des einen consuls, erlangt hätte, die patricier drei derartige ne- 
ben dem consulat bekleideten, die praetur und die neue aedilität. In 
folge dessen habe sich der senat gescheut, die wähl der curulischen 
aedilen (allein) aus den patriciern statt finden zu lassen, und man sei 



186^ Liv. 7. 1.6: ut altemis annis ex plebe fierent. 

137) p. 102. 138) 7. 1. 

139) Damit föllt die Niebuhr'sche ansieht, dass bei begründung der aedi- 
lität selbst gleich schon die standes-abwechselung eingefohrt worden sei, 
denn eine zweimalige aufeinanderfolge war damit ausgeschlossen; vergl. 
Niebuhr 3. 41-42. i^o) Pro Plane. 24. 68. 

141) Was freilich kein beweis fQr ihre Unrichtigkeit ist nach Ciceros 
ziemlich oberflächlicher kenntnis des röm. altertums zu urteilen; vergl. 
Becker 2. 2. 404. 763. i^^) Den übrigens Livius nicht kennt, i^) 7. 1. 

1**) 3. 39 und 41. w*) Dazu Becker 2. 2. 300. 



Gap. IIJ Die cornlische aedilität. 255 

ttber den oben erwähnten Wechsel zwischen beiden ständen überein- 
gekommen. — So wie der bericht lautet, enthält er freilich falsche 
Toraussetznngen ; zuerst hat der senat nichts damit zu tun, dass für 
das folgende jähr wieder patricische aedilen antraten oder nicht; sein 
vorbeschlussrecht dehnte sich auf die gesetzgeberische tätigkeit der 
centnriatcomitien, nicht auf einfache wahlcomitien aus, wie denn auch 
die wahlcandidaten sich beim Vorsitzenden magistrat, nicht beim senat 
meldeten^^). Die neuwahl der patricisbhen aedilen war im Zusam- 
menhang mit der wähl der höheren und niederen magistrate, und 
zwar in tributcomitien^*^), vor sich gegangen. Freilich wenn nun 
statt rein patricischer curul-aedilen solche abwechselnd aus beiden 
ständen gewählt werden sollten, so wurde dadurch der Wortlaut des 
gesetzes, über die wähl zweier patricischer aedilen, das der dictator 
Camillus rogirt hatte, geändert, und das konnte nur auf gesetzlichem 
Wege geschehen. Nun fragt es sich, in welchen comitien die abstim 
mmig und beschlussfassung hierüber statt fand. Beide, centuriat- und 
tributcomitien, waren dazu competent, wie wir gesehen haben; ge- 
schah es in ersteren, so war freilich ein senatsvorbeschluss zur gül- 
tigkeit der abstimmung notwendig, wie bekannt ist; das könnte der 
von Livius unklajj; berichtete inhaJt des Vorganges gewesen sein. 
Allein da nun schon die ersten curul aedilen in tributcomitien gewählt 
waren, da femer volkstribunen die Opponenten gegen den erstmaligen 
beschluss sind, so ist es wahrscheinlich, dass diese ihr berufungsrecht 
der tributcomitien und die Unabhängigkeit derselben vom senat be- 
nutzten , um auf dem wege eines plebiscits die ihnen günstige ab- 
änderimg zu treffen; vielleicht auch bewog die Vorausverkündigung 
der rogation der tribunen den senat, sich mit letzteren in Verbindung 
zu setzen und einen gewissen modus der amtsbesetzung vorzuberaten, 
der beiden teilen gerecht werden konnte; die tribunen werden dann 
diese auf dem wege des compromisses fxirte rogation in tributcomi- 
tien zum beschluss erhoben haben; und so findet der livianische be- 
richt über das übereinkommen 'von senat und plebs seine erklärung, 
denn an ein freiwilliges nachgeben der patricier aus Zartgefühl für die 
scheinbar zu kurz gekommenen plebeier zu denken, halten wir, wie 
Niebubr, für absurd. 



1*«) Vergl. buch 7. § ö3. 

1^7) GeUius 13. 15; Livius 9. 46; Cic. pro Plane. 22. 53; siehe oben 
und Becker 2. 2. 305. 768; Lange 1. 716; dazu speciell Zedicke: delCo- 
manorum comitüs aediliciis, 1832. 



256 1^6 folgen der licinischen gesetsgebung. [Buch 5. 

Die plebeischen aedilen sind ohne zweifei in älterer zeit am 
selben tage designirt worden, wie die Tolkstribonen. Aus dem seit 
dem decemvirat constant gebliebenen antrittstag der letzteren, dem 
10. december, schliesstMommsen^^) auf einen gleich Constanten wähl- 
termin ; dieser fiel im 7. Jahrhundert in den juli^^^), dieselbe zeit nimmt 
Mommsen daher auch fOr die ältere periode an. 
40 Wir sahen oben^^), dass die wahlcomitien der neuen consuln des 
Jahres 388—89 vor der mifte des mai 388 mttssen statt gefanden 
haben. Unmittelbar daran schloss sich die wähl des praetors^^^); kurz 
darauf haben wir den beschluss über die festfeier und den damit zu- 
sammenhängenden über die errichtung der curulischen aedilität an- 
zusetzen; dann kam die wähl der neuen aedilen in tributcomitien, 
auch noch unter Vorsitz des dictators Camillus.^^^) Alle diese um- 
stände haben sich jedenfalls sehr zusammengedrängt uud fallen, wie 
die consulwahl, vor die mitte des mai. Es wären also dieses mal 
die wahlcomitien der patricischen und curulischen ämter denen der 
plebeischen vorangegangen. Nun hält Becker^^^) daran fest, dass die 
plebeischen vor den curulischen gewählt worden seien, wofür die von 
ihm angeführte stelle i**) spricht. Dagegen freilich steht Plutarch***), 
der die umgekehrte reihenfolge als regel bezeichnet Mommsen hat 
gewiss recht, wenn er sagt, Plutarch habe aus dem einen fall des 
Marius die regel abstrahirt; er hält aber die Wahrheit des einzel- 
berichts fest^*^). Diese beiden berichte aber zwingen dann zu der 
schon von Lange ^^^) und M o m m s e n ^^) gegebenen auskunft, dass eine 
gesetzlich bestimmte reihenfolge zwischen plebeischen und patricischen 
wahlcomitien gar nicht existirt habe; letzterer hält sogar die auf einen 
tag fallenden wahlcomitien von plebeischen und patricischen beam- 
ten^^^) für möglich, da am selben tage noch eine aufeinanderfolge 
denkbar ist. Nur das zusammenwerfen der wähl von curulischen und 
plebeischen aedilen in einer Wahlversammlung, wie Orelli^^) vor- 



1^) Rom. statsrecht p. 482. 

149) Tergl ebendaselbst und die dort angefahrten citate: Gic. ad. Att. 
1. 1. 1; ad famü. 8. 4; Appian: bell. civ. 1. 14. 

IM) Buch 3. § 40. 1^1) Siehe oben § 23. 

152) Siehe oben buch 3. § 40. 153) 2. 2. 306 ff. 770. 

154) Gic: ad. fiam. 8. 4 in dem briefe des Gaelius über seine anwart- 
schaft auf die curulische aedilität. 155) Marius 5. 

16«) A. a. 0. 479. 1. i") 1. 607, i»») A. a. o. 479. 

15») Wie Plutarch sagt. i«0) Zu Gic. pro Plane. 7 und 22. 



Cap. n.} * Die curulische aedilitfit. 25T 



i' t 



schlägt, ist wol mit Becker 1") unbedingt abzuweisen. Die wahltermine 
isiellet abeti fielen dömgetoftss nicMt notwendig zusammen, auch nicht zu der 
zeit; iali^ideF amtsaAtdttstennin derselbegewordenwar^. — Was den 
Vorsitz bei aedilicischen comitien betrifft, so wurden die plebeischen wol 
«hedem getrt)hnlicb unter leitung eines tribunen^ die curulischen unter 
emem consul oder praetor gewählt. Dem widerspricht ein bericht des 
annalistea Piß o**^),, wonach b^ der wähl des Cn^Flavius» des dien- 
ten. ToobAppW: Claudiiis Caecus, zum cunüifichen aedil g^eiehfaUs 
^n aedjkder wähl prftsidirte; es scheint ein ausnahmefall zu sein, 
tmd'der aedil handelte vielleicht im auftrage des consuls oder hoch- 
sten anwesenden magistrats so. — Als eigentümlichkeit der cömiüa 

, j^edilicia wird noch erwähnt, dass bei ihnen im falle der Stimmen- 
gleichheit : das ]ß&s euitoohied *-** soriitio aedilicia *^, ein umstand, 
deit von ändr^ wahlcon^itien nicht berichtet ist.^^) 

Der ämtsaiitritt der plebeischen aedilen fiel in älterer zeit wahr- 41 
scheinlict mit dem der volkstribunen zusammen. Später aber — im 
$,;jahrhandert gewiss -*- war der amtsantritt derselben am selben 
tage, wie deir d^r. xmruliseben, d» h. am antrittstag der eurulisehen 
magista^t^ überhaupt, also toob 6ai-^600 am 15. märz, von 601 an 
am IV jänuar***). Wahn dbr antrittstermin der plebeischen aedilen 
sich änderte und mit dem der curulischen zusammengelegt wurde, ist 
du^phau^. unsicher; ob dieser umstand mit der einsetzung der curul- 
aediütiU; t seU>si. in zusaoimenhiang . steht» ist zweifelhaft; vielleicht 
k&tinte man e^ auf den zevlpunkt zurückführen, als der beschluss ge- 
fa^öft wurde, die cuml-aedflität bei jähriicher Standesabwechselung bei- 
bejDL ßtl^iden zu eröfi^en. Zugleich mag eine assimilirung der beiden 

• a^edilität;^- mit^ bezug auf ihre befugniase ausgesprochen und als 
äumrer. aiisdnick diaiür der gleijche antrittdtermin festgesetzt wor- 

d^ «ein.' •■■''■ 

jWas di6 ftinctionen dör plebeischen aedilen betrifft, so verweise 42 
j^)^ i^fl^ die a^sf^ Öch^eglers^^*''), denen ich mich durchaus 

' ' ■'•wtyi 4. 'soft ff. Wo. w«) ffiehe unten § 41. i^) Bei GelUus 6. 9. 
' '■'' iW)''Cic'ei*o pro Plane. 22. 68 und Bchol. B^Mens. p. 264 bei Orelli 
ööKrifiaÄtlH; Lange! 1.720. 

•• '/ iwy V^^igi. 'Be<;kei' 2: 2- 308ff.; Mcxüiiüsen a. a. o. 499. 2 und 3; 
"däjfü 48Yff.'; über 'die' difeseto wfd6rsprech6nde aber zerirtittete stelle desLi- 
VitiÖ 'Sto.'fe.'Ö Siei^ ebendaselbst 499. '2. ' »«) 2. 8tS-79; Ö.'78. 
'*'"' i^\ & 'betiitfi diös besonders den umstand über die entstehnng der 



258 I)ie folgen der licinischen gesetzgebong. p^ach 5. 

Wir sahen schon oben^^), dass die plebeische aedilität aUmählich 
aus einem rein piebeischen amt ein solches fOr den gesammtpopulus 



aedilität, die ich, wie Schwegler, entweder für gleich alt oder älter als die 
des Yolkstribonats halten möchte. Schwegler charakterisirt diese beiden 
ämter sehr gut, indem er letzteres als yertretung der äusseren, ersteres der 
inneren interessen der plebs kennzeichnet; so gingen sie neben einander 
her, und es wird mehr in folge der allmählich anwachsenden und fiberwie- 
genden bedeutung der tribunen gewesen sein, dass diese eine^bergeordnete 
Stellung über den aedilen erlangten, als dass wir eine solche anordnung 
von anfang an anzunehmen hätten; für eine ursprünglich gleiche berech- 
tigung spricht auch der umstand, dass beide sacrosanct waren, was wol auf 
blosse diener des einen amtes nicht ausgedehnt worden wäre; es sei denn, 
dass die aedilen nur dann unverletzlich waren, wenn sie im auftrage der 
tribunen die prensio oder die intercession überhaupt ausübten; allein sie 
sind es dauernd und zwar unabhängig von der tribunicischen unverletzM- 
keit; die angaben des Dionys 6. 90, 95 und Zonaras 7. 15, welche die 
aedilen j^ÖTnjpiraga: der tribunen nennen, sind natürlich blosse schluss- 
folgerungen aus einzelnen fällen, in denen die aedilen im auftrage der tri- 
bunen handeln, und aus der ersteren tätigkeit als kanzleibeamten der plebs; 
damit aber hatten die tribunen gar nichts zu tun (vergl. auch Becker 2 
2. 293} Aus dem gesagten geht dann hervor, dass wir eine anfängliche 
emennung der aedilen durch die volkstribunen , wie Lange 1. 527 und 
716 annimmt, für untunlich halten, und mit Schwegler 2. 277 (Becker a. a. 
0. 304 ff. spricht sich (über die älteste art der einsetzung nicht aus) eine 
der wähl der volkstribunen völlig gleichartige auch für die aedilen von an- 
fang an befürworten. Ja in einem punkt möchte ich weiter gehen als 
Schwegler. Die errichtung des volkstribunats war eine massregel, die durch 
die allmählich entstandenen reibereien zwischen beiden ständen und gegen 
die Vergewaltigungen von selten der patricier notwendig geworden war; es 
ist bekannt genug, dass das ursprüngliche wesen des volkstribunats narb 
einer schutzleistung defensiver natur der einzelnen piebeischen individuen 
bestand; dass sich später erst hieraus allmählich die fülle von consequcnzen 
entwickelte, welche die tribunicische machtsphäre ausmachten (siehe weiter 
unten in der note die Widerlegung der ansieht Mommsens über das wesen 
der tribunicischen potestas). Es ist daher vor der zeit des standesconflictes 
kein platz und grund für die existenz der volkstribunen gewesen. Anders 
mit den aedilen. Seitdem sich die plebs als ein stand dem bevorrechtigten 
stand der patricier gegenübergesetzt sah, d. h. seit den neuordnnngen, 
die von der tradition dem altem Tarquin und vor allem Servius Tullius zu- 
geschrieben werden, musste sich notwendig das bedürfnis einer corporativen 
Vereinigung aller glieder des Standes geltend machen , und dazu war ein 
geschäfbsleitendes amt von nöten; so begannen die plebeier eine eigene ge- 
meinde zu bilden, und erst hieraus entwickelt sich dann die möglidikeit 
eines standesconflicts, da sonst nur der einzelne plebeier es jedesmal mit 
den patriciem zu tun gehabt hätte, die masse der übrigen aber als anTe^ 



Oap. II.] Die curulische aedilität. ^59 

geworden sei und zwar in der Verbindung von polizeilichen und verwal- 
tungsfunctionen fOr Ordnung der kanzlei-^ fest-, cultus- und markt- 



bimdene glieder davon gar nicht weiter berührt worden wären. So scheint 
mir denn die aedilität das älteste plebeische amt zu sein, dessen entstehung 
eine Vorstufe für den volkstribunat wurde, dessen fnnction neben der des 
letzteren herging, dessen bedeutung aber von diesem überflügelt wurde und 
daher in eine untergeordnetere steUung zurücksank, bis es gänzlich vom 
tribunat losgelöst und die inhaber in Verbindung mit der curulischen aedi- 
lität de faäo zu magistratus populi Bomani wurden (vergl. auch Niebuhr 
1. 447, 650 und Nitzsch: röm. annalistik 209; über die plebeische aedi- 
lität vergl. sonst noch Becker 2. 2. 291; Lange 1. 715 ff.). Die ansieht 
Mommsens, dass der volkstribunat dem consulat nachgebildet, aber die- 
sem gegenüber mit einer maior potestas von anfang an versehen worden 
sei, so dass mit demselben eine dem consulat überlegene gewalt ge- 
schaffen sei (röm. statsrecht I. p. 43, 58, 130, 134, 218, 236), ist von 
Lange (recension des Mommsen'schen Werkes im litt, centralblatt 1872, 
29. juni, Nr. 26. col. 685 ff.) aus Mommsens eigener methode des beweises 
widerlegt und zurückgewiesen worden. Mommsens sätze treten dabei in 
Widerspruch zu ihren notwendigen consequenzen : die sacrosancta potestas 
dedacirt Mommsen (a. a. o. p. 91. 2 und 133) aus der maior potestas, wie 
schon Lange anführt; sie gilt demnach nur da, wo letztere auch vorhanden 
ist; dem dictator gegenüber spricht auch Mommsen den tribunen keine 
maior potestas zu; folglich waren sie auch diesem gegenüber nicht sacro- 
sanct; allein dies widerspricht der. historischen Wahrheit, da die volkstribu- 
nen, wenn auch mit zeitweilig ruhender potestas, doch selbst unverletzlich 
blieben (Liv. 8. 34; Lange: röm. alt. 1. 638). Dass femer die potestas 
der tribunen nicht rechtlich als eine maior neben der consulischen ange- 
sehen werden darf, sondern in ihrer abnormität nur diese lahm legen kann, 
scheint mir auch daraus hervorzugehen, dass das recht der prensio vom 
consul weit ausgedehnter und ungehinderter uusgeübtt wird , als vom tri- 
bon, wie Mommsen selbst zugiebt (a. a. o. p. 132 ff.); es müsste das eine 
eigenartige maior potestas sein, die in ihrer ausübung beschränkter wärei 
als die minor potestas. Schon der umstand, dass die prensio des tribunen 
nur im eigentlichen sinne, in der persönlichen ergreifung, statt findet, wah- 
rend die consulische das recht der uocatio, der citation, damit verbindet, 
deutet darauf hin, dass dieses recht des tribunen nicht der ausfluss einer 
anerkannten höchsten stats gewalt, sondern der persönlichen un- 
verletzlichkeit ist, da in folge dessen der ergriffene sich gegen den 
tribun oder dessen delegirten nicht wehren darf. Hieraus schon sehen wir, 
dass das intercess ionsrecht der tribunen, aus welchem sich die prensio ent- 
wickelt hat, nicht auf eine maior, sondern auf die sacrosancta potestas 
zurückgeht; diese steht nicht als eine nach dem vorbild des consulats 
sondern in bewusstem gegensatz gegen denselben gegründete anomale 
mitten in dem übrigen beamtenleben Roms; und daraus erklärt sich die 
seltsame mischung von teils dem consulat überlegenen, teils ihm unter- 

17* 



^ '^60 Die folgen äei lidnfscheii ge^etzgebung. ^^Btiai' 5. 

'^^to'g^l^^Öih'eit'eh, <!^ä8S'daiiebeü^^M auch tioü' dön'öbieHteii ilotegfstra. 

"^^iyü'bk'öndei'e'gescfiafte ati%efr^^ wefdien köttotöfl/ ääöt^öJ^'im 

ganzeii das amt nicht als ein seinem wesen nach einheitiiches, son- 

,. ,,dei:a meh^ als ein dur.ch cuniulation von fiiiictionen 'en1iäömä^i'6'i an- 

.•.;.Z«0ehWi Q^lf!. 'i- •,'■• . •: : / .".:'..■::...• siit;. ■< / ■.';.■ 

i .. i iWieTeiThftlten fiich nun ZU ihren |debeificben.i}o]Jeg^ai.4ie^.€|uni- 

^■;'; liödien-'aedilen? • '" ■ ■• ■ • ^ -•• • • •■•. . ••- .:i ■■•■ r.:. 

43 '" Vin^lbuhri^) ist det ansieht, flass fttr dicf cäfulische aedüitit die 

, ;(esl;o];cb;^i)n£ def spiele njebensächlich, dagegen hajiptsache ,iiil4.We^^^ 
hl ihI^er'Amctil9n.4ic. qua6stip*a jßamci^^ nfu^h.^abjU^sung 4er-,filijier dazu 
-'^'^'bestimmt^ qnäestoren gewesen sei^ die sie erst 3{itftter..dearttrwnuiri 
''"' äajpitäleä Itberksäeu hätte; seit dieser zeit hätten sie' noohveine ge- 
wisse criminäTjustiÄ beibehalten, die sidh latrf venüOgdisfeic^tüche an- 
v-v.gelegqiU^eiten .fe^zog. Darauf, zählt' Niebuhr eine reihe historischer 
r' i beiapiole mm h^l^g^ sein^ Jt^e^iauptung auf», wofiach d>e {^e^ilQii ^ 
'i' ^Idq^oipirewie imd anklageJade jnlEtgifttrate iia fillIed»\T<iia, giftouscb^rei, 
'["' f ^dz^überei-, 'schäädüng frder borget- und bttrgeriiineD> terletza&g der 

'' ötegkeftsmajestät^ endlich Vennutangsweläevon tei^httMetenf'iiöder- 

'Mr.. .jbgiw.^wd^- .- - . . / , . . " V ." „^ /' ; . . ,, '",. ■ ' .,,. ;;, ,[ \ , 

'^n.< ':! Gegen 4iiese gßxa^t auseinandprsetzuag hs^ sich Becjk|ej:^''^) auf 
;'''^da)^' emtschiededste' amgesprodien: und iüael^gewieseii; iMs, alle, ange- 
" '"Ähttfeii' DiBisi^iele' iicht ^s idör* crünins^üstiÄ, «6tide)to aus' der beiden 
[^l,'^Tt^B,ion iaeäilen eigeneii polüöilfcfaen ge\^Ut ^heWofgnli^iü/ ttid *w8r 
Hiird^ßß ^be^i;^ wol.plebeische, als curulisphe aedilen als inqüirirehae und 
fMn^aoaiklag^nd^ m^gistrateia diesen fäU^ auftr:äX<^n^7i), d^s^ a^^rdem 

: .leinnen,machtbefagniߣfen,, -r Endliph widerspricht ' die agi^alime,' tos die 






•n pleb9>[ bei* jihx'pr,.j.f41ere];8teii selbständigen poUtischen reflpmg'^'^'f^^^^ die 
n ,;ii,hOflhstft.potesta? 4es states für ihre beamten^gewoiin^n Hättet äi^ 
-lii. //d^vDff9MgQ«, politj^fpil;i^n sacJbJOjge,; . der in vollster macht , Äefin^che. patiiciat 
jshMWttrde iwmöglich sifih ^p)l)Ch^;jmg.<;Jitijge fein^diäft z^jgezoi^eIii ' ipä 'der ^^ 
j ,tiidal«H-P9li^iWh» (^i^ rpfihtfijlqse pjeb9jier^ dürfte kaup sofoji'^'^Äcä''^ 
-ii.i i0ig0be[i^ea ypirechtj^ an^p^ch geoip^en haben ; ^cn ti:%nneiii^'JI(|ie ja 
ii')i: Ä«tGk, df^pMt .l?Q^, .JWJ^ djäßspljie r^ck und (ülpseM 

,'ij ff Mmäefky I wel^e , ^ iU| .^cr. ei^tyicJsjeUsten , (demoKratie '^bieii^ Xufh' ent- 
j.f) «pdelp^ dlß weil }ßjf^^,^eit selir geijl^ckte i^tellung der _^^ei)s cliejser Äacht- 
</:%n«t^lluiig,%er.l?ean]^t€in.durph.aus nicjit^ ' '^?^)§^2./ "' i6^'i''43it 

.;r.ii,.n..^'9)i^.n?, W?f.l.Ä".-^^ Ööttling 3§4; V älter,';}: ^8^^^^^^^ 
'.i;..(Wt*getB,..9ß J^Qte,,?;^, und 15, Wp..l7Ö note 43: SchubeKz'fleBoin. 

, ..4?;!) ,8oi Jjiyi^JJ^.f^ j klagen plebeisc^r aedijen w^gen ^^^ 10. ö: 

wegen ye^ljetzung der incolumitas des volks durcÜredenl '"' "^ 



('■•■ijj 



Cap, IJJ : ; Pk.cnnU^die.aedilitat . . ; i 261., r. 

die ai^we.iveg^ .ypr^huldetep .aiederl^g^. ^u?(Jpt(cpplif yo;^j,d^,,,i| 
queüw deA.voib?trib]»pen;?ugewie«ei^'wü:4^'.^^^ 4ju?<5lMw;i^{k^ g^i^i^.,„, 

geripgstie Toi^r d^ni <Ö>ierg*9g. . dßr b^ftignisse 4jer (^u^8,toy«^, . ipf^rric;i^ii , ^ , .^ 
auf dJeri^^iniUsßli^ »edilen. Wir AXi^j^-A^^ di^:bjppftPS0.ij!RieT,trv 
bulurg.ate.flibw^WPiideiii ai^Sieftep. ; ÜBd.vel)eii5o mlkß.?,^ n. .i^ .^ ,?!^^^ioI^^i,l 
wefew, ,wn?i .NiehirfurV*) die schöpfuaog dÄr ^^:iuralift(^eft aedilitÄt^ 
einea.pitßgFilwdew t^il dier: liciiusch^ii ge^^t^giebipig. fffsiel^t,; . p?, fi^h ,) 
sultjiit^; 4168 aus ;S|eiIl^ra^«ücht, 4as^ ^^t.Ql)ert;r{aguag. 4e^ cap^t^^. iinji,,.., 
moMl^splilag^ yop.,rein:,pa1xicj[«qbea, fiw^e^t^ren .f^ui^dilß^:a^8 bpir : ü 
den sttod^n», den. plebftiern . ein vorteil. ^rwacjis^.*!?ei^, .Wif. h^b^p,; ,. 
vietaehrvgeseb^n^^?), ^assim gi^geosat« gegep die plßbS/dm-.oh.^iift^j,.., 
klngei;iQi9)Q]Unatipp; der ppftriQiedr. ; dia^e die iunißt|onen , der , ßh^^den^i .x. 
rein .plfl^eiw^he» aedilitÄt auch. dßm eigenen stafld zug;i(togigr,gpm^c^H,.n 



Das Verhältnis beider acidilitätep 7^ .^jqaoder VißfmX Nißbubr^^^). ^m^^ # 
der^.wauflösöctotejiii^tsel derrftmischj^n ajjertljmeir; iwd.ßi^okejfli'') 
giebt » S» teilweise. ; rßcht . darin. All^ia , nur. Nicjbuhrs i«)raj^^s^t«ungem ; [ 
machen das verfeUtni^ rMselhÄfti.in.wfthrbßjit .stehep s^ie.BicfeiPiitjWe-. h 
seiHfidiigleiche«» funetionen uur im bezug ao^Tang uq(d ansebßP ger^ ! 
trc^Mgeg^ifiber^ Sohon das» d^rjUame. der,0uruli$ißhen:m£^gi9tr^tuirH>p 
der^ plfibeiscb<»i: entlehnt ist^ spricht fbr:eineifyonj ^vimg^f^ be^b^^i^hrK .v 
tiglei» iunts¥€ari{andt»chflit,^7^< I)i6 vienr^disoh^ni iriei: dite; pleb^i^c^ep , -j 
hab^idas gesehäft der festondinnjig bei den .iverscjkiddeii^p; .spielq^y/r , 
wie die umstände: bei der ;eitt6tehüng< des; neuen i^untes ]ie^^9m^, ,t . ,[, 

Wasxum das veiMltnis. beid^ iaedttitä(tofi .gegenüber! 1 den^aMge- (46 
meiden. iniA^tratsi^e&gnissenibetriffliy: so idarf /ich imi^h ,wq1 .der.^ebr ,// 
praeclsiB» < «worte L äa g es^^) bsedienen : »IDie i curwUschen i aedilw . b^r. i . 
sassenuiron 1 vom herein lals; i«irklichiev'itn der dedH ccmstdiuiuerteiilQ^,:, 
den lex eiirriata de« imperio^9) anerkdimte! Inagisilrate,.da4i4u3 m^ru > 



"2) Schol. Bobiens. zu Cic. in Clodium et Curionem ; bei Orelli schoMast. 
2. p.337.--'^ "■'■ '■■■'' ::•■■•..■■' ^ ..•'[ .: .l:.1'-i -^ i ^ri: » {J" 

"8) Becker a. a. 0. p. 302 notft.76l= föhrt 'den h&w€fiS'.Niebqhrsr?ifUi^=.j 
diese: aonahniei als -. beispl^ der «tfblectivien kmtik desdelbeiL ran« ^ ' 1 i > 
-m>ai 43;; 1"^) Vöifel.-§ 33. • :■• l^^)\S<.4S^] . "?)-3i.a.';3Q4:;)/ i 

'*T8)'iDi6 ansieht Mommsens 7' rhfein paus*: n; £.M14 p» 86, 18$ö^ da^vdi« ;» 
comltsd^en Odilen ihren nasnen tondJem wagensditippenüauf ideta ,C9&^k »i 
aedis tensattmi, liabenj erdehemt undnilehikbar« i P^) 1. 7dOr>^l» r . •;(/^> 

180) gleite oben die grosse note zu § 42. -^ ': 



262 1^1® folgen der licmisclieii gesetzgebung. [Buch 5. 

tionis, das ins edicendi nnd als consequenz der lex Atemia Tarpeia 
anch das ins mtdtae dictionis, welche rechte die plebeischen aedilen 
erst erworben hatten. Voraus hatten sie vor den plebeischen aedilen 
nur die auspicia minora, die sie eben durch ihre wähl unter dem Vor- 
sitze eines magistrats mit anspielen erhielten . . . Gemeinsam mit den 
plebeischen aedilen hatten sie femer auf grund der multae dictio das 
selbständige recht zur anklage auf höhere vermögensbussen vor den 
tributcomitien. Im allgemeinen teilten sie mit den plebeischen aedilen 
auch die Unterordnung unter die höheren magistrate, aus deren auf- 
tragen auch ihr mit dem der plebeischen aedilen im ganzen gemein- 
schaftlicher geschäftskreis entstand. Doch bezog sich diese Unter- 
ordnung von vom herein nur auf die patricischen magistrate, wie sie 
z. b. von consuln und censoren ausserordentliche auftrage erhielten, 
nicht aber auf die tribunen, von denen sie nicht so, wie die plebei- 
schen aedilen, sondern nur so, wie auch die andern magistrate, durch 
das intercessionsrecht derselben abhängig waren.« 
47 Mit recht hebt dann Lange hervor, dass die' curul-aedilen ein wirk- 
liches Vorrecht vor den plebeischen hatten, das man »nach analogie 
des imperium oder der specifischen potestas andrer magistrate auf- 
fassen muss.c Als solches nennt Lange, gestützt auf mehrfache 
quellencitate^^^), die von dem imperium des praetor abgezweigte 
selbständige Jurisdiction in handelsprocessen. Dieselbe mftsse 
ganz anders beurteilt werden, als die richterlichen cognitiones und die 
etwaigen schiedsrichterlichen Sprüche der plebeischen aedilen im auftrage 
des tribunen ^^), die ohnehin nur in der frühesten zeit vorgekommen 
zu sein schienen. Als imperium sei diese Jurisdiction nicht aufge&sst 
worden, ebenso wenig wie die multae dictio; daher erhielten die 
curul-aedilen auch keine lictoren, wol aber das sichtbare abzeichen 
richterlicher tätigkeit, die sella curulis, woher sie die bezeichnung als 
curules führten. In Verbindung mit dieser Jurisdiction habe auch 
das ins edicendi der curul-aedilen eine grössere bedeutung gewonnen, 



181) Gaius 1. 6; Dig. 21. 1; Plaut, menaechmi 590. Gass. Dio 53. 2; 
luv. 10. 100; Aurel Victor de uür. ill. 72. 

189) Die Zeugnisse hierfür aus aller ältester zeit sind sehr praecärer 
natur: Dionys 7. 58; Lydns de magistr. 1. 88. 44; Isidor. orig. 9. 4. 18; 
9. 3. 29; solche .schiedsrichterliche Sprüche werden in ältester zeit die ple- 
beischen aedilen selbständig, aber nicht als magistrate, sondern als Ver- 
trauensmänner ihres Standes, gefällt haben; vergl. oben die grosse note 
§ 42. 



Cap. n.] Die curnlische aedilität. 263 

als das der plebeischen, indem jene gleich den praetoren richterliche 
yerordnungen in ihren edicten erliessen.^®') 

Die prensio aber und uocatio hatten sie nicht; daher sie 48 
eigentlich auch hätten ohne uiatores sein mtlssen ; diese kommen den- 
noch vor^^) und sind daher wol als boten aufzufassen. Auf befel 
der consuln freilich stand den aedilen die prensio zu^^^); und tat- 
sächlich galten sie — wenigstens in späterer zeit — während der 
amtsdauer für unanklagbar, wenn auch das recht der anklage gegen 
sie vorlag. ^^) 

Was nun das gemeinschaftliche amtsgebiet der aedilen betrifft, 49 
so nennt Puchta^^^) als solches die gesammte bau-, Strassen-,, sicher- 
heits-, gesundheits-, religions- und sitten-polizei. Er lässt aber die 
marktpolizei aus, die offenbar einen hauptfactor bildete, wie schon die 
griechische bezeichnung dyopavöfios beweist ^®®). Lange i^^) stellt da- 
her mit recht diese voran und bringt mit derselben die handelspolizei 
in Verbindung 1^). Dazu kam die cura annonae^*^). An zweiter stelle 
nennt Lange^^) die cura urbis, d. h. die aufsieht über gebäude, 
Strassen und platze in der Stadt i®^), die festordnung der spiele i^), 
die Verhütung von feuersnot***), bewachung der Wasserwerke i^), bau- 
liche Verschönerung der Stadt aus Strafgeldern i^^). Eine eigentliche 



188) Gaius 1. 6; Dig.21. 1; Gell. 4. 2; litteratur dazu : Thibaut in den 
civilistischen abhandlungen 1814 von p. 131 an; Manfeldt; de usu actionum 
aediliciarum 1827; Vernede: de aedilicio cdicto et redhibitione 1834; 
C 1 e rm n t : quaedam ad edictum aedilium animadversiones 1840 ; M e i s n e r : 
aedilicii edicti ob uitium rei uenditae propositi praecepta q. d. 1862. 

iw) Liv. 30. 39; Orelli: inscript. Lat. 2253. i^ö) Liv. 39. 14. 

186) Varro bei Gell. 13 13. 1^7) Institutionen 1. 206. 

188) Dionys. 6. 90; Cass Die 52. 20. 189) 1. 726. 

190) Er stützt sich auf Plin. n. h. 18. 3. 15 ; Tab. Heracleen. zeile 34 ff. 
C. I. L. I. 120; Dig. 21. 1. Iff., 38; Gell. 4. 2; Plaut, rudens 374; luven* 
10. 100; Persius 1 129; Cic. ad fam. 8. 6. 

i»i) Nasse: melitemata de publica cura annonae apud Romanos 1852 . 
Livius 10. 11; 23. 41; 30. 26; 31. 4, 60; 33. 42; 38. 35. 192) i. 727. ' 

i»3) Livius 25. 1; Dionys. 6. 90; Varro L. L. 6, 81 ; Paulus ep. p. 135 
tab. Heracl. z. 20 ff. C. I. L. I. 120. 

iw) Liv. 34. 44, 54; siehe oben; Frontin. de aquaeduct- 96. 

195) Lydus de mag. 1. 50. 

196) Frontin. de aq. 96. 96. 97 ; Seneca ep. 86. 

197) So aus den Strafgeldern wegen Übertretung des licinischen gesetzes 
de modo agrorum et pecudis; dass beide arten von aedilen diese functionen 
ansöbten, ist durch die quellen bezeugt, für 4ie curülisphen bei I^iyius 10, 



•••■-•..' I! .. 

264 Pie folgen der liQiniachen gesetzgebong. . , [Bach 5.. 

gesondheits- und sitten-polizei nach art des ceüsotiscb^ i'^glnftö'dö^ 
rum wqist Lange i^*) zurück; vielmehr erkennt er d!c'polii^i(!höltäi^- 
keit, das bestehende gegen unberechtigte ftbeiixetuiig' i:a #iä^eii,''ill 
folgenden .fällen: Verhinderung fremder göttesdienste, ^tatsgtef&hrlieMei^ 
reden» zins- und komwucher^ und unerlaubten Ittsm, sttrpi^tmitti^k^ 
pergefährlichen unfugs und giftmischerei und zäuberkftnste.'^^*) ' 

60 Getrennt aber waren beide aedilltäten ' eintiial t^ehi'' rähge' ttäcte 
durch äussere abzeichen, femer in arbeitsmaterial und locälenr ' I>i<^ 
cürülischen aedilen hatten die sella curiilis*^), tiie^ töga )^äete^ 
gleich den höheren magistraten^^) und galten Wol als coUegäef liianMre^ 
der plebeischen aedfl'en. Dann war* die äieiferschar betd(di''a^dili^te&^ 
getrennt, ebenso das anitslocal**^ und die' casse der sttkfg6M^'^. 
Im .übrigen galten in jeder einzelnen äedilität "die cöU^gen ftlr '^tei^- 
berechtigt, und der bei der ^aÜ zuerst reuuntürte,' der iaediHd prior, 
hat hur in so fem eine ehre ineht^). *^ i li-ni-l: 

51 Ich habe hiermit die summe der aedilicJschen befugiiisse ättf^elÄhrt; 
dieselben genau der zeit nach betreffs ' ihrer Übertragimij itk='fix&ieni = 
ist unmöglich, da alle berichte darüber fehlen; daruln habe' liM-' tot- 
gezogen, hiermit die sache gleich abzuüiachen. DoA ' M^e icfti ^hei* • 
der Lange'schen ansieht, dass das amtsgebiet kein einheitliches, von 
inned herausgewachsenes, sondern .ein durch ühertra^fung .7^9]^ ^s^en 
der Oberbehörden auf dem wege der scunmlation. ^nia biefiigmsfim..Q]^ 
staudenes gewesen sei. . . / 7 - .hju.-.f ■:,. 



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•■'■ •!•- ' r.\,- ,n /.- 



23, 47; 35. 10; 88. 35; Festos p. 238 s. u. publiciu$ <^liuu«^;; ff^T; d^ (plebjei* 

sehen bei Livius 83. 42; Varro L. L. 5. 44 ed; Spepg^i.p. ,l^;,.py|d. is^t. 

5. 287; siehe oben bttdi 4. § 37; vergl. zum übrigen noch Liv^,.7f,^0y-lO^ 

23, 31; 30. 3»; 34. 5^; 85. 41v ^^^yhli^. \ • . f. ../, y, 

1»») Vörgl. Liv. 4. 80; 25. I; 39.'14'y C4e. h^usp. wp. l^; x J*®?' 

10. 6; - Cic. phil. 9. 7; dazu Ovid. festi. 6j 663; •— Wv., 8..^;'(10^rt^i;,. 

25. 2; Val. Mak; 6. l. 7 und 8; -** GelL 4. 14; Macffob^ jsj^t. 2% Ajv^ Uy. 

8. 18; Plin. n. h. 18. 6. 41ff.' 5 ' 200) Sieheoben 8,.47,, .. ,^ , / ^.. 
«Ol) Liv. 7i'l;' Cic; Yerr; 6.^14. ■' •••■ • ^ ■•. ,.i ,1 .rS --^n \ .'^'^" 
S02) Für die curulischen die schola Xantha; K Bmua: phüo). Sj^j^ple- 

mentband 2. p. 379 flt. 1862; vergl. 0; : I. >L. I. 170. h. i\ ,,: .,i 1 ».! 
203) Liv. 38. 35. ! . ,; ... ,.,|,. ^ ^ 

20*) Cic. m Pis. 1; Lange 2. 461^ dij timstandy d^p b^ «rfJqjL.pQllöpali- 

schen ämtern statt fend. >' ; i , ,..',, . r ., ,,^,.. 



*-jiJ -ji/i.I .. •; .r: ■ .. .• • ... •; ; . 
.rt [a ,',•1/' -■ ;•.: I ■' ■ .. ,. . 



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' :.l ' ^' • . t • ' 



1 1 



SECHSTES^ BUCH. 



■ ' ' ' ! • , '. ' 1 • •' 



DIB'ÄÜSSBEfi OESCHIOHTfi ROMS VON DEK EESTEN 
IHEN CölIÖÜLAT BIS ZU DEN SAMNITEfiKEIBÖM 



,< ; 




388 411 



T'':. T;' :l. . 



"■•' ••' ' ' . . 868-. Ml" 

t 

CAP. L -•■.■.. 

' ;. ' ' ■ Die eahierkriegeJ 

Wir haben sehon früher über die vielen traditionellen Gallier- 1 
kriegt' >^ob~ didf kehrtöifung Borns bis 2u deh Saaäiiiterkriegen geppro- 
ch^Ä^) idad ijösdi^n, daös vor alleni jehö unmittelbar' auf die' ein-» 
*sc|f jöfVAg , J^ xmd ^fee 'durchaus dertj-'^ 

mi^-j|9j(ip]^^ erfindung bespn4ers in den familien-chrpnäen dJige- 
hosen»,«! DfiiBfiGiBlUier wäre« dazumal, mit beute und lösegeld abge^og,en, 
ohnoidas3 die/Eömer ihnen nacbgcisetzt h|ltten< 

' 'Gi^ft^erm^' ^t 'sdiweigt dann die traditidn über GalUerkriege. 9 
Zu^;röt taucht, ein solcher wieder im jähre --rjj- auf *). Eö^tst der seiko» 
beaprpcli^.n^, /zu i ehren des greisen beiden Furiuö Cämillus bei dessen 
letj^terdpiptatur^erfun^enß. an. dem kein zeichen der glaubwürdigkeit 
ist^' gegen. idönabw iokü» gewichtige zeugnis d^ Polyjbiua^) vprhoiidQn, 
ist,^^dd'yök> äemidfeissigsten jähr nach der yerwOstnng Borns kein. 

Gaii6rkö^^^^^ ';■■'''- -■• . - 

'^ 4em jähre -^ berichtet Xlvius*) ybn einem heuen ieiitfdl S 
dwiGaUier. , £r ;^ag|()^ Qß stjünde fe$t, dass joi diesem jähre die (jallier 
am^drittto naeäienäteane ifon.Bam: aitf 4er via, SalariA jenseits! der. 



l! .. .' 



-hii)"yeTg)i.ihpch.^ oaiv I. nad bu|ah,3. §^4^.; dazu buch 1. cap. 1. 
;) i^} 'Anqteri :liiy|n$ V i(U(^; A^i^ Peltica 1 ; über Riesen und die folgen- 
deü.krieg» vergjL be9pndei:s:Ih.ne 1, ^ff, . ?) 2. 18. ä. , . 

■•h/<J Ye»glKibi^/.S..:§.42fri; •.. •. -•'''.'" 

*) 7. 9ff. und Appian Geltica 1. 



• c 



266 Aenssere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 6. 

brücke über den Anio ein lager aufgeschlagen hätten^). Livius fügt 
hinzu, er glaube, dass um dieses krieges willen T. Quinctius Pennus 
zum dictator^) ernannt worden sei, während Licinius Macer erkläre, 
der dictator sei nur zur consulwahl ernannt worden, und zwar von 
dem consul Licinius Calyus, da dieser die egoistischen absiebten seines 
coUegen C. Sulpicius auf solche weise habe kreuzen wollen. Livius 
verwirft diesen bericht und glaubt, er sei aus familien-eitelkeit von 
Macer hinzugedichtet worden. Und nach Liyius eigener angäbe steht 
in den älteren annalen nichts davon, aber auch ebenso wenig, dass 
Pennus um des Gallierkrieges willen ernannt wurde, wenngleich dieser 
grund wol am meisten Wahrscheinlichkeit hat. Jedenfalls ist das mo- 
tiv, welches Licinius Macer dem consul Sulpicius unterschiebt, er habe 
seine Wiederwahl veranlassen wollen, sehr problematisch,^ da derartige 
selbstrenuntiationen ohne besonderes geheiss vom senat in dieser zeit 
nicht anzunehmen sind.®). 
4 Die Gallier also sind jenseits der brücke des Anio an der 
salarischen Strasse dicht am Tiber und diesseits Fidenae gelagert^). 



ö) 7. 9. 6. f) Vergl. buch 7. § IL «) Vergl. buch 7. § 29. 

. 9) Es sei erlaubt, hier auf eine quelienfrage einzugehen, die von 
H. Peter reD. bist. Rom. L p. 203ff., besonders p. 207— 10 und 211—13 
angeregt worden ist, dass nämlich sowol die geschichte des gallischen bran- 
des, als der Verschwörung des Manlius Gapitolinus, als endlich auch der 
folgenden Gallierkriege von -g|^, -^ und -j^, letztere beiden mit bezug 
auf die Zweikämpfe des Manlius Torquatus und Yalerius Gorvus, ja dass 
fast das ganze fünfte, sechste und siebente buch des Livius demnach auf 
Claudius Quadrigarius zurückzuführen seien. Was die übrigen gegenstände 
betrifft, so sind die erhaltenen claudischen fragmente kurz; Peter glaubt 
die abhängigkeit des Livius davon durch einzelne anklingende worte zu er- 
weisen. Allein solche anklänge haben keine beweiskraft; wir finden sie 
auch bei autoren, die nachweislich auf ganz verschiedene quellen zurück- 
gehen (so z. b. Livius 8. 7. 4ff. und Zonaras 7. 26. p. 362 B. und G.: 
roög yäp Aarivooq — aofißaXeXv, — Livius 8. 10. 8 und Gassius Dio 
fragm. 35. 4 am ende. — Livius 8. 8. 1 und Gassius Dio 35. 3 am ende. 
— Livius 8. 6. 9ff. und Zonaras 7. 26. p. 363 A. Zonaras geht immer 
auf Dio zurück; dieser aber auf eine ganz andre quelle als Livius, wie die 
grossen sachlichen abweichungen beweisen; ja die quelle Dies selbst kann 
noch eine weiter abgeleitete sein, als die des Livius, vielleicht Dionys; und 
dennoch finden sich wörtliche anklänge, ein beweis für die vielfach wörtlich 
treue copie der urquelle ; nur so viel steht dadurch fest, dass irgend eine Ur- 
quelle gemeinsam war; hier Valerius Antias, der für Livius durch Lidnins 
Macer, für Dio vielleicht durch Dionys vermittelt war und sieh sogar noch 
bei Zonaras treu erhalten findet; vergl. über die ganze frage buch 8. aber 



Cap. L] Die Gallierkriege. 267 

Der dictator zieht mit grossem beere gegen sie und lagert sich dies- 
seits des Anio. Beide armeen liegen sich beobachtend gegenüber, bis 



die quellen zum Latinerkrieg. Aehnliche Verhältnisse finden sich in älteren 
stücken des Livins und Dionys; vergl. Nitzsoh: röm. annalistik p. 86ff.» 
bes. SS'j die autoren haben verschiedene quellen vor sich (über dieselben 
vergl. auch buch 1. § 69. grosse note). Das hauptgewicht aber legt Peter 
auf die zuletzt erwähnten beiden Zweikämpfe. Nun sagt Livius 6. 42, 
Claudius habe die Gallierschlacht am Anio mit dem Zweikampf des Manlius 
Torquatus iu das jähr -^- angesetzt, was die andren autoren nicht gut 
heissen; Livius selbst erzählt die tatsache im Zusammenhang 7. 9. Da ver- 
mutet denn Peter, Livius habe dennoch Claudius gebraucht, aber dessen 
anordnung umgeändert und zwar andren autoren zu liebe. Wir können das 
nicht annehmen. Livius folgte jedenfalls in der chronologischen anordnung 
stets seiner grundquelle, wenn er auch gegen dieselbe polemisirte und andre 

Zeugnisse anftlhrte. Hätte er Claudius ausgeschrieben, so würde er den 

007 

Zweikampf zum jähre -5^=- erzählt und die abweichenden Zeugnisse der 
andren autoren bemerkt haben. Zum jähre -j^ aber muss seine grund- 
quelle den ganzen bericht enthalten haben; denn wenn Livius, wie Peter 
meint, zu dieser stelle den verfrühten bericht des Claudius herangezogen 
hätte, so müsste er es mit einem worte angedeutet haben. Dazu kommt, 
dass die zweikampfsbeschreibungen bei Claudius und Livius sich durchaus 
nicht so decken, wie Peter meint, obgleich auch hier anklingende wortc 
Torkommen. Nach Claudius ist der Gallier nudus, nach Livius uersi- 
colori neste bekleidet. Claudius weiss nichts von einem gold schmuck, 
von dem Livius spricht. Nach Livius findet der Zweikampf auf der Anio- 
brücke statt; davon weiss Claudius nichts; nach Livius hat es kleine ge- 
fechte vorher gegeben, worauf der Zweikampf eintritt; nach Claudius ist 
eine Schlacht mitten im toben; erst durch den wink des Galliers tritt eine 
pause far den Zweikampf ein. Nach Claudius ist der Römer quidam T 
Manlius; nach Livius wird er aufs bestimmteste als söhn des dictators 
bezeichnet, dessen erlaubnis zum Zweikampf er erst einholt. Nach Claudius 
bringt Manlius den Gallier zweimal in's wanken, ehe er ihn tötet; nach 
Livius st5s8t er ihm nur einmal den schild weg. Nach Claudius verwundet 
Manlius den gegner nach einander an brüst und Schulter; nach Livius trifft 
ersterer des letzteren uentrem etinguina; der Gallier ist denmach Li- 
vius geniäss weit grösser, als nach Claudius. Nach Livius verletzt Manlius 
den Leichnam des gegners in keiner weise; nach Claudius schneidet er ihm 
den köpf ab. Ich sollte sagen, das wären abweichnngen gravirender art, 
die eine herleitung der einen darstellung aus der andren völlig aus- 
schliessen. Wir haben bei Livius ein weit ausgemalteres bild, als bei Clau- 
dius; der bericht ist schon durch ein par bände gegangen, die das romanhafte 
hebten . ~< Noch zweifelhafter steht es um die erzählung des zweiten Zwei- 
kampfes vom jähre -^ . Das von Peter dem Claudius zugeschriebene fragment 
Nr. 12. ist in keiner weise als claudisches bezeugt; nur aus dem umstände, 



268 '- Aenssere geschichte liiir KU d«B' SaubiterkriegeiL [Bu<Si^ 6q( > 

ein gaSii^(^r d^s^ auf die t^Füi^e* 8<^6itet tifid ein^nKOm^! «bm 1 
zweikaäfpJT'tiid^^s^oi'd^H. ' TJ Mainli^v deihselb&'^ei^se&on froher kidi> 
durch sein energisches verfahren bei der anklage seines yata*s ans- 
gezeich&et:htftiCe ^), meldetifiiob daza; ider .«wei]{ampf beginpjl^ »i^ 
der^kdrpt^rHc^ien'llberlegenlieit' wfi^ der Gralliei*< hingestreekt^ i>Maji-^ 
lius iiinimt dein fdüde öWnen balsschmtick; torqties, als beutfeMAb ttid 
kel^i z!^ seine^i beere zutuet; seine jubelnden cämaraden legen 'IIA 
den.JteüwBi^ ;,To?q^i^tus beii, un4 der dictajor .fligt.eii»^n,,jg^d^-^ 
krau^ himn^r WlUbro^; der .folg^dea nacht breche^ ,dieiQf^Q]rrihr 
lager abi und 7iehfiik:«ieh : auf dA» ämm befreundete ÜSbur^f); jtui^Ä; 
später Wenden sleihi^efi m^eh nach Cämpeknien^ So Liviüä. 
ö ' [ *Was Utin df s jahi*-^ betrifft, so ist es in Wahrheit das df eisjnigite 
Baoli dem ersten einfaÜ der Gallier und der Verwüstung der staät des' 

jaftrcis -§^ J^ 80 fer^ also. hat dieser eiirfajl der (JalHerdfszewu^ 
des Px)lybjiit^. für; sich uad ein^ ßt^Q^e; daran ^*). Nur fi;eiliph> l/i^^t 
der^ bedchit! bei Poljbius ganz &aderB':als bei Lima. . Ersteiter i<6Ft. 
zählt: i »Als mm idie (ballier wiederum liiit eineM giiosseaheer^ bei 
Alba erschienen, lald zwar im drisisöigsteh jahr^ nach der eSnflähmö 
der stadt^* da Wagten^die Römer nicht^ denselben ihre arMeei^ entgegeii- 
zujstellpn, weil sie tilJeiTajsicbt worden waren — denn der ejnlpli war 

daei^^S' mit iandreii claudischenfragmenten im äelbes-büchis des'Geüias 
steht, -^d äa6B wOriücüe^anldtogd an das' obige dauditefa^fragmehti statt 
find^,' begHindet^er ^die^ aüterschaft :de8:-iDladdiu9. Istdieä' schoHr- nelta 
pr^eär, 1^ treteü «Mch häetisachUdM'hindensfeseeiii': beiliviaft '^fiöff. der 
zufltiid(e-CorVu&^ bei 'ClaucUus' Oairvlhurwie <bdi' DM)(n]^^(TergL: hiaük U- 
§ ii)* bdLiyitfs fliegt! dier rabeaum scMuss^nach osten zu lort, l»ei Olau«« 
dius i^M 'er ■ faidh' wieder duf ' den * h^m ' des iVaÜerins ; < lrei< IMus : ist r der 
OaäUyr '■ eid ein&cher ktieget«, bei Claudius ein; ' d u z/ h4 Wir k6m»«i < 'viso^ 
au^ hier' \Bäterä' hjipothese vldit' imnehmen« '' ^egeh die jaxme i «nftkham 
ab^^'i^erWdiseof wir iUif uifeere audfilhrangeti im ersten oatiitel des oretBU: 
bu^idiä. '!Dii9> ^uellen^aütdi^Haft des Liouüuä Maeeit iQr Livaus scheiol'liD 
keiA^r Weiäifti sbfeehtbär fi^" sbin. ■:•■.■•'*• ■ '■, .;■ r -\-'-\:-n -Mb •{••.•j--- 
10) lflviÄ& 7: 6r>e^. trudi 3. §'»7ff. ü) Darüber «ntei^'SjilÄfL 

,!i8).iiKii^4rr^ wess^ir 1/1249 (den trad^ioneUen Md2ug des fidjfeyidleai 
jahriö* -^^i^ dem pel^bisitthen-id^tifid^; •gewamrtös jÄto iwbtf" das'^ein 
und' drelssigste nachdem ersten eüifkn. ' Dftiu koAäiit"d6 'ähiiffchk8itr''d» 
beri<!!hÜe' des 'Föll^biüs u^d Linusy was döuvotj&hrigeö krieg- 1^ iso' 

feriiäts ^ine 'schlWctt bei beiden li'ifeht statt findet, dl^OäBft^ vielmteftif 
ruäg-'iwitfei'**}*beii*"vett*/btidb'-7i'öai>.^ •-'-..': . ;;. '^^A^■^^v^^r.<V\'v • 



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Widelr'j^hrkil^^h g^ciifeheu ^^ imdi diebttlfetzuppeiiider'biuid^BgeEMNföen 

■'iSmid^^ V^äxamett tuidifi%'fßldgeifiQirtivweirde^^ 
^' "Slo»'Pt>l^Ais'hierübei'. -Damitabär 4-.ideim. voir!det.4u 6 

'Polipbiüs'liliixitlSLiviiis 'iiioiait-beBtbheii it^Buifet^deri ganze* (päeAladiabe- 
rieht 'dM Lit^ <k>''den iBtHub. üDec swbikainipfiientBtammti tiSettbar 

' d^'fkäiilieMadiricbteü der^Maidler i ebeHsb wie'woL diej/finhcite^tat 
' d^&sblb^il Mahlias bei ^^i^ tkitaug' sfibesf intern' ym'd&B m^ 

'■'ti-W-eik äi^üm^kehBt mytihtts üur erUärtükg deB^-bemamens »iTor- 

quatusc. Nacb FcUlybiüs aldo'zög keiii lieei5! aii^» Rom aus.. .Doch 

' ist 64i '^hi'''wäfai*sd^!ei3iUcbj daiss iBÜfi^^^ diotatior 0um ziw^doke ek- 

h^Öhäi: ^tati^i^itun^ emantlt wöfde^ urekdieffi dan«^ imielrhalliLder 

siädt^Jbdieii&üs '^ine= t^pp^baushebimg Vom iWir «ierdeü.^so 

' döbh' Wdl nilt Livitts dki JEuigabe des LiciniiräiMaoei: IkberidasiBtotiv 
'zttf 'itetätor^eniiöüiiung veNrerfeö bttissefi. ' > • .■. i ^i • 

' Ö^^meiniätlhaftlidi isli beidesi dar»teUttbgen>wiä gesagt^ «nur, der 7 
' ii^a&^el " efiner BCfalä^hi: ' D^r ort des ^ galüsehes lagenrl^ ist i äudL : :ver- 
sdhied^ aii^^gebieii, Hadl liiviüB jtiiisäit' tfesi !Ahii(H «lso> > iiordiw>är2»i ! nach 
Polybius bei Alba, das heisst am Albanergebirge, also «Üdofstwär^i von 
Ädfew): -Wiif tiiüÄäen Att6h hi^i^ Polybiud feigen , vornajleiti da.iyir 

' ^BaÄen,' däSB Liviiis diu^ <}y]!r6rB(^lä<5ht am Albanergeibirge schoii>Mher 
^; äfiMwM^«);^' ffi^ älso' iöti' däsB dii& Öallier im^ jdhire: tj^ 

i^^6r''ni' d^iMiähei BöniB am AMnergefbirge erBdiiemebv absrohne 
ti^ Bdin^nr'dii^äfö^M ki'üelei^^h' bände iabsogenLiiNachnLivius 
g^iifeü'biei ifeshääb uabh Ckmpäidefn, wdU er siei im ifolgseiiiten/ jähre 
wieder als kriegsstaffage braucht, um sie gründlich yonrd^ijRötnem 
':'' säüs^gi^k'Äiladsteli '^'" ' "■-' "■•'■■ • ' ■[. -"■ ''-'^ !- •'■^''^;. ^''^■■■'^ n 
.1 ^ito' jäÄrö' l^'lrüfek^ aM noch LiviuÖV) idief Grilieuiaus Cam- 8 

''^)aä6& iI^iiTib'ärti^ g^^ RomtSu'hiÜfei'vmd fn^rtsn'mdhä^^ 

"''"' i-"J - .'Ji-*- --i-:!. .!i^ ..S ..;.,,{ -..I. :.,(• ,;■(. i,j,.,,; .,.<,. ;;K. 

M) Siehe oben buch 3. und 7. § 9ff. , . . ... 

< ' iMf^iiPi^!?.^^^^ ^* ^* ^^^ übrjigen^ erst am Arno einen grossen aoppel- 
Bieg Aber die dalUer erfechten; kWz al^rauf (Me^'^fli^^) ^tiien neäV^n 
sieg .unter Valerius Gorvinus stattfinden; die erste schlacht lässt er am 
vierten meilenstein von Born sich ereignen. Ein wert liegt diesen notizen 
nicht bei Ueber Manlius' heldentat vergkauch.GieAlliilStW 19. 4 nach 
/€lküäiUä' QliladrigärittS 4md ^SikidabiSi-U OGtirqotttoaiiMich.GaBSiUSi Die fragm. 
''9f;^diis'tiAti:tap}iallk8t60 habclB bo|(«p einen] triamphideftiümnctiiCi üim die 
Gsdlier Terzeichnet; das ist mehr aLs.r^ontt; dieuikühnsteaBi.ifljKncv gewagt 
habenf' kn^ ÜraisSns weiset hi^ ^oni > {ij^täi > 1 1 'U < i: i . ; u . . • . [ < > ^^ 
i^'j'^tftitti bück d.f 42 uhdibnoliiL ^^>h .\ ].^^):7i IK ^; 



270 AeoBsere geschiehte bis 211 den Samniterkriegen. [Bach 6. 

Wüstungen gegen die römischen besitzongen unter der leitung jener 
aus. Ein dictator wird in der person des Q. Servilios Ahala ernannt, 
der T. Quinctius zum reiterf&hrer macht ^^). Eine starke armee wird 
ausgehoben und mit derselben in der nähe des coUinischen tores den 
Galliern eine schlacht geliefert, die mit der flucht dieser endet Die- 
selben werfen sich in Tibur hinein. Noch einmal werden sie mit den 
Tiburtinem vom consul G. Poetelius Baibus ^^) geschlagen und in Ti- 
bur eingeschlossen. Der dictator feiert keinen triumph; dagegen Poe- 
telius einen doppelten, über Gallier und Tiburter.^) 

9 Die gegend vor dem collinischen tor stimmt mit der gegend des 
gallischen lagers im vorigen jähre jenseits des Anio überein, da die 
salarische Strasse von dem alten collinischen tor aus nordwärz auf 
den Anio zu lief. Beide male wird Tibur mit den Galliern in Ver- 
bindung gebracht. Der ganze krieg ist teils eine Wiederholung des 
vorjährigen feldzugs, teils eine ergänzende ausmalung desselben und 
fällt in nichts zusammen vor der einfachen tatsache, dass Polybius 
nur von einem einfall im dreissigsten jähre nach der einäscherung 
Roms weiss. 

10 Im jähre -^^ sind die Gallier wieder da und lagern sich bei 
Pedum an der praenestinischen Strasse unweit Praeneste*^). C. Sul- 
picius wird zum dictator ernannt, der M. Yalerius zum reitercomman- 
deur macht. Zwei consularische beere werden gegen den feind ge- 
führt. Mit einer fülle von detail erzählt dann Livius^^) die schlacht 

zwischen beiden beeren; die feinde werden geschlagen und der dictator 

« 

triumphirt. 

11 Acht jähre später, -^^ erscheinen die Gallier wieder in der 
nähe Boms. M. Popilius Laenas wird zum dictator ernannt, rückt 
gleichfalls mit zwei consularischen armeen, vier legionen, gegen den 
feind, schlägt ihn wieder in einer von Livius glänzend geschilderten 
schlacht, treibt ihn auf die höhe des Albanergebirges und trium- 
phirt dann.^^) 

12 Im folgenden jähre, als die Gallier durch die winterkälte vom 



1«) Vergl. buch 7. § 12. 

19) Die fasten nennen ihn Poetelius Libo Visolus; auch ein beweis, 
dass diese cognomina erst späte zugäbe ohne einheitliche redaction sind. 
^) Ebenso die fasti triumph. 

91) Livius 7. 12. 8flf. und Appian Celt. 1. 33) 7. 12-16. 

^) So Livius 7. 23, 24, Appian Gelt. L und fasti triumph. 






Cap. I.] Die GaUierkriege. 271 

Albanergebirge in die ebene getrieben werden^), kommt es von neuem 
zum kämpf unter dem consul L. Furius Gamillus und seinem reiter- 
general P. Cornelius Scipio im pomptinischen gebiet. Ehe die schlackt 
aber beginnt, ficht M. Yalerius, ein kriegstribun, mit einem gallischen 
nesen einen Zweikampf aus, in welchem natürlich ersterer sieger 
bleibt und zwar durch die untersttttzung eines raben, der, auf seinem 
helme sitzend, dem Gallier bei dessen angriff entgegenfiiegt und die 
äugen aushackt. Yalerius bekommt in folge dessen den beinamen 
»Corvus«, nach andren »Corvinus«**). Unmittelbar darauf wird 
die Schlacht eingeleitet, der feind geschlagen und zerstreut. Die 
Gallier ziehen sttdwärz nach Apulien ab und verschwinden da. Sie 
kehren nun bis zum zweiten Samniterkrieg nicht wieder^). 

Was die beiden vorletzten kriege von -^ und -^^ betrifft, so 13 
sind sie einfach zu streichen; Polybius weiss nichts von ihnen. Ausser- 
dem ist derjenige von -^^ offenbar nur zu ehren des plebeischen 
consuls M. Popilius erfunden, dem plebeische annalisten, vielleicht 
Licinius Macer, auf kosten der patricier waffenruhm zudichten. 

Dagegen erhält der letztgenannte durch Polybius in so fem eine 
historische stütze, als dieser zum selben jähre von einem neuen einfall 
der Gallier berichtet. Im zwölften jähre nach dem vorigen des Jahres 

S9S 

-^ kommen sie wieder ^^). Dieses mal sind die Römer schlagfertig 
und off^enbar mit den truppen der Latiner und Herniker^) vereinigt. 
So rücken sie den Galliern kriegsmutig entgegen. Die Gallier da- 
gegen, erschreckt durch die anrückenden Römer, nehmen in der nacht 
reissaus und kehren in ihre heimat zurück. Also auch hier findet 
keine schlacht statt. Wir geben dieser version unbedenklich den Vor- 
zug vor der livianischen. Die Gallier sollen in grossen scharen ge- 
kommen sein^); trotzdem ist es ihnen ratsam erschienen, sich mit 
dem wolgerüsteten und starken Römerheer — Livius^o) spricht von zehn 
legionen'i) — nicht einzulassen. Sie waren plünderungshalber ge- 
kommen; da ihnen dies nicht glückte, zogen sie ab. 

24} Die aus den Alpen kommenden Gallier sollen den winter im Alba- 
nergebirge nicht vertragen können. Liviosl ^) Yergl. buch 1. § 15. 

96) YergL über das ganze Livius 7.25,26; Dionys 15, Iff.; Appian 
Celtica 1. nach Suidas s. v. Xt^atfisl; Gassio Die fragm. 34. nach Suidas 
s. Y. dfiLüff<nw\ Zonaras 7. 25; Gellius 9. 11; Eutrop. 2.3; Orosius 
3. 6. — über Polybius 2. 18. 7 ff. weiter unten. 

«7) Polybius 2. la 7 ff. ^) Darüber unten. 

99y Polyb. 2. 18. 7: ßerä fie^äXi^g orpartaQ iTttKopeuoßivofv, 

80) 7. 26. 7 ff. 31) Yergl. buch 2. cap. I. 



272 Aeussere (psscMchte bis zn den Samniterkriegen; [Bach 6. 

Der Zweikampf des Yalerius ist treue imitation des ^rOherei^ Zwei- 
kampfe von Manliud Torqnatuk. Der ruiun der mariischen jfäimHen- 
cUroüik hätte die valerischö nicht schlafen lassen; aucn liileizierer 

^ konnten cogüomina 2u rühm und ehren des geschlechts inierpretirt 
werden. 

14 Die gallischen einfalle und kriege rednciren sich also iapf zwei 

■ ' blosse öinfiUle im jähre -zz— und -rrr— Beide liefen ohiie schladit 
odei* blutv^rgiessen ab, das erste mal aiis furcht von selten der £ö- 

' mer, das Äweite mal von weiten der Gallier. Kach tölybius'*) hiel- 
ten diese dann dreizehn jähre lang; ruhe ; und da inzwischen die^ rö- 



' I 



"mische macht bedeutend gewachsen war''), so schlössen die .CraUiex 

, . . , '418 ' ' l''i' '1' '. '.i'i ^' 

mit deh Römern frieden; also mi jähre -^ 






16 Anderp urtisilt Niebuhr'*) über die geschichte der gaUischen 
einfalle; er hält dafltr, dass Polybius hier nicht in gleichem masse 

, . . ■ . • . , r--.-^ . . Jet;, 

glaüb¥^dig ^iei als fClr die späteren epochen, imd ziejit Livius,vor. 
Solnit ist ftir ihn jene ganze reihe von kriegszügen' mit, einer ftllle 
von schlachten im wesentlichen historisch; 4och lässt^ßi* sich n^cht 
darauf ein, den kern des wahren von der dichtui^g zu sichten. Den 
hauptanstoäs zu dieser ansieht scheint er äurch die notiz beiPlu- 
tarch**) erhalten zu haben, wonach Aristoteles von. der, Zerstörung 
Borns durch die Gallier gesprochrn, den retter der Stadt aber Luc ins 
genahnt habe. Niebuhr erkennt unter diesem Lucius den liyianischen 

' Sieger über die Gallier vom jähre! -t?~, Lucius Furiug ' Camillus. 

' Allein dies ist doch sehr bedenklich, (Jia Aristoteles nur von einem: 
Lucius spricht, jener L. Furius ^uch unter keinen umständen eis 
retter der Stadt genannt werden kann '^i. Die krfeg^berichte , bei 
Livius sind ausserdem mit sagen durchflochten, ja zum ,teil so hand- 
greifliche erfindungeh und Wiederholungen, dass ich mich der Nie- 
buhr*sChen anschaüuhg nicht anschliessen kann und den, kritischen 
ifölybius vorziehe, vorzüglich da auch Diddor nichts .yon ferneren 
Gallierkrie gen weiss. . , 

33) Der er^te Samnitet'* un^ der groap« Lftti««rk0e^i£»ilffl{ 19 /diese 
. dnei^ehn jähre. 34)3.86«:. 35) CwwU. J8J.^/, i-.V ^ 
. 36) v^i^Lauch Ihne L siöO IM>te.^,^ätt^.dicliEtö»eJt^«^ 
. schlachten mit den (iraUi^ra geschlagen HDCt si^egQ erfocht^^^aa wi*^ der 
furchtbare schrecken der erstreik vor ijetztereii in:.«(^€#eii„8amniterlsnege 
ganz unbegreiflich- , . j- ; .f . i . "1 •" 



L .i-l./I 



Cap. n.] Die kriege mit den Aequem Yon Tibur und' Praeneste. 273 



GAP. n. 
Die kriege mit den Aeqnern von Tibnr und Praeneste. 

Dass die aequischen grenzen noch immer der Stadt Rom sehr 16 
nahe waren, hat sich uns als ergebnis unserer früheren Untersuchun- 
gen dartlber^^) aufgedrängt. Wir sahen, dass sowol Praeneste mit 
den von ihm abhängigen Städten als in früherer zeit auch Bolae und 
Labici ursprünglich aequisch waren, letztere beide städte dann bei 
dem vordringen des latinischen bundes von diesem erobert wurden, 
während Praeneste nach wie vor eine aequische Stadt blieb'®). Prae- 
neste scheint nach dem grösseren kriege zwischen ihm und Rom im jähre 

874 

-^ Waffenstillstand oder zeitweiligen frieden geschlossen zu haben. 

#Aehnlich nun wie Praeneste war Tibur^) offenbar, so weit wir 17 
historisch zurückblicken können, aine aequische oder sabinische 
Stadt — die ' Verwandtschaft zwischen beiden Völkern lässt eine 
scharfe Scheidung nicht zu. — Tibur, das heutige Tivoli, liegt am 
mittleren lauf des Anio, und zwar an dessen linkem ufer, gerade da, 
wo dieser aus dem Sabinergebirge heraustritt und der römischen ebene 
zueilt. Der ort selbst war auf den felsenhöhen des abfallenden ge- 
ii>irges gebaut und also ähnlich wie Praeneste eine natürliche festung. 
Es ist offenbar, dass diese landesteile noch nicht zu Latium gehörten, 
wenn die Aequer erst vor kurzem vom Albanergebirge und aus Labici 
und Bolae verdrängt waren. Ausserdem aber dehnte sich das eigent- 
liche Latium noch nicht so weit aus; und noch der heutige name 
»Sabinergebirge« für jene gegend bezeichnet deutlich die ursprüng- 
liche zugehör Tiburs^^). Dass es unter den dreissig städten des cas- 
sischen bündnisses aufgeführt wird, ist ebenso wie mit Praeneste eine 
historische prolepsis und eine zurückdatirung der zustände aus der 
zeit des grossen Latinerkrieges.^^) 



37) Vergl. buch 2. cap. III. 38) Vergl. buch 2. § 10, 46, 87. 

39) IJeber die läge vergl. Mann er t: geogr. 9. 1. 648. 
^) Auch Livius scheint dies so angesehen zu haben, wenn er mit offen, 
barem bezug auf Tibur von ein^m hostis Sabinus spricht; vergl. Livius 

7. 24. 4. 

41) eine andre frage ist es ja freilich, ob nicht in nrvordenklicher zeit 
Tibur, Praeneste und die ganze spätere landschaft der Aequer im besitz 
der Tdlkerschaft war, welche später die kembewohner Latiums bü« 
dete , mag man diese Aboriginer oder Laurenter oder endlich La- 
tiner nennen (darüber vergl. Bubino: beitrage zur Vorgeschichte Ita- 

OlJMOH/ rSm. getch. I. 18 



274 Aenssere geschiohte bis za den Sunniteikrieg^n. [Badi 6. 

Nachdem aber die Aequer aus der latinisch-römischen ebene 
rückwärz auf ihre berge gedrängt worden waren, hatten sie sich, wie 
wir das schon oben bei Praeneste sahen ^), auf ihre festen platze ge- 
worfen und von dort aus den krieg gegen Rom geführt; daher denn 
die tradition fortan nicht mehr von Aequerkriegen, sondern von Prae- 
nestiner- und Tiburterkriegen weiss. 
18 Die Tiburterkriege nach dem licinisdien gesetzes-confiict haben 
grosse ähnüchkeit mit den Praenesterkriegen vor demselben. Wie 
hier die Latiner, so spielen dort die Hemiker die rolle ungetreuer 
bundesgenoasen, mit welchen Tibur gemeinsame sache macht. Dazu 
kommen die gallischen kriege. Zuerst stehen die Tiburten auf selten 
der Gallier, wie die Praenestiner mit den Yolskem sich yereinigea 
Mit den Galliem werden sie gescWagen im jähre -^*'). Darani 
machen die Tiburter plötzlich einen streifisug bis unter die nuyiern 
Borns. Grosse yerwirrung in Eom, dann sieg über die feinde, die 
sich zurttckziehen^) im jähre -^^. Das jähr darairf kommt es von 
neuem zum kriege. Der consul M. Popilius Laenas treibt die feinde 

400 

hinter ihre Stadtmauern und verwüstet ihr gebiet. Im jähre -^ 
wird ein rachekrieg gegen die Tiburter geführt; ihnen wird eine ab- 
hängige Stadt, Empulum, im folgenden jähre auch Sassula, genommen, 
und dasselbe Schicksal droht allen übrigen, wenn nicht die »uniuersa 
geasc sich dem consul unterworfen hätte. Damit ist frieden und 
ruhe hergestellt.^) 



Uens, 1868, p. 29 ff., 41 ff., 67 ff., 72 ff.). Bei den verschiedenen wandeniR' 
gen der italischen stamme hat, wie auch sonst, der folgende ^taimm den 
vorhergehenden vorwärz gedrängt; und so ist dieselbe gegend nach einan- 
der von verschiedenen Völkerschaften occupirt worden. Tibur ist der sage 
nach schon in jenen nrzeiten vorhanden gewesen und so erst von Aborigi' 
nom, später von Sabinem, den aequischen stammverwandten, eingenommen 
worden (vergL Rubine a. a. o. p. 38). Allein zur zeit der erst^i römi- 
schen gememdebildung schon waren die Sabiner jedenfalls weit aber den 
gebirgsrand von Tibur vorgedrungen, da bei der gründung Roms und seiner 
conglutination aus drei verschiedenen elementen schon Sabiner tätig waren. Die 
sagenhaften Sabinerkriege der königszeit können keinen ansprach aufhisto- 
risdie gewähr machen, wenn die Aequer noch bis tief in die repoblik hin- 
ein bis an das Albanergebirge ihre Wohnsitze haben. Wir aber, die wx 
nur die historische zeit im äuge haben, müssen daran festhalten« dass wir 
von einer früheren ausdehnung des Latinerlandes bis nach Tibur und Prae- 
neste und darüber hinaus nichts wissen und nichts anerkennen können. 

48) VergL buch 2. cap. HI. «) Liv. 9. 11. **) Liv. 7. 12. 

«) Iiiv. 7. 18. 3; 19. 1. 



Gap. li.] Die kriege mit des Aeqaern ?on THmr und Praeaeste. 275 

Diese kriegszftge mit dem atr^ug gegen Born, der sorttok^ 19 
gescUagen wird, der darauf folgende erobemngszug Borns mit der 
QQterwaüfang Tibnrs uod seiner unabhängigen stfidte, erinnert so deut- 
lick in den einzelnen punkten an die Praenestinerkriege, dass d^ veif- 
dacht rege wird, es seien ungeschickte Wiederholungen desselben the- 
mas. Man möchte daher die ganzen berichte streichen, wenn wikt 
zwei punkte die tatsache eines krieges wenigstens bestätigten. £3 ist 
das erstens der umstand, dass Tibur später wie Praeneste als iaü- 
nische bundesstadt gilt, daher es aus dem zustand einer aequisehen 
Stadt irgend einmal herausgetreten sein muss ; zweitens eine notiz b6i 
Diodor^), wonach gerade im jähre -j^ ein waienstillstand mit d&a 
Praenestinem geschlossen wird. 

Niebuhr^^) hat, wie mir scheint mit recht, aus dieser notiz djen 
sclduss gezogen^ dass einmal eine teilnähme der Praenestiner am Ti^ 
burterkriege angenommen werden müsse, aber bei Liyius ausgefallen s^; 
dami aber dass dieser Waffenstillstand sich jedenfalls auch auf die 
Tiburter bezogen habe, da Livius ja gerade von ihnen das gleiche 
aussagt 

Somit haben wir wol anzunehmen, dass die Aequer, vertreteh 20 

durch ihre bauptgemeinden, Tibur und Praeneste, von denen letzterem 

seit dem vorigen kriege gegen Bom bedeutend geschwächt und durch 

die anläge der tribus Publilia im jähre -^^ gereizt zu sein scheint*^), 

den krieg gegen Bom erneuert haben. Die details erklärt Niebidur^) 

für eitle erfindung und zudichtung zu der einen tatsache, dass £de- 

den mit den Tiburtem und Praenestinem geschlossen wurde. Und das 

wird noch wahrscheinlicher durch den vergleich der kriegsherichte, 

den ich ob.en vornahm. Die phantasiearmen annalisten haben die 

Praenestinerkriege noch einmal wiedererzählt. 

Wir haben also nur einen krieg zu constatiren, der im jähre 

400 

-^^ zun endg^tigen frieden führte. Wenigstens wird bis zum 
grossen Liatinerkrieg von feindseiigkeiten zwischen Bom, Praeneste 
und Tibur nichts mehr berichtet Dass dieser krieg für die Bömer 
und Latiner günstig ausfiel, darf, man aus dem friedensschluss^^) wol 
abnehmen \ daher hat der in den triumphalfasten verzeiclmete triumph 
das M. Fajbius Ambustus an den nonen des juni wol seine richtig- 



46) 16. 46. *^) 8. 96 note. 

48^ YßTgt. bcich 2. cap. lU; dazu auch hucV 7. § 105. 

49) 3. 96. w) Vergl. folg. §. . . 

18* 



276 Aeiunere geseldciite bis za den Samniterkriegen. [Bucli 6. 

keit, und wir lernen damit zugleich die person des römischen feld- 
herm kennen; 

21 Welcher art aber war der friedensschlnss zwischen Rom und 
jenen stÄdten? Wir haben schon firtther*^) darauf hingedeutet, dass 
Praeneste und ebenso Tibur im grossen Latinerkrieg, vierzehn j^^ 
später, unter den latinischen Städten, die in aufruhr stehen, sich be- 

400 

finden. Seit diesem friedensschluss von -^^ muss also eine grosse 
Umänderung in der politischen läge jener städte eingetreten sein; sie 
sind coloniae Latinae geworden, in der weise wie vorher schon La- 
bici^'). Sie sind gezwungen worden, der aequischen nationalität zu 
entsagen und sich der latinischen anzuschliessen^'). In späterer zeit 
werden sie unter den dreissig latinischen bundesstädten aufgeführt^). 
Mommsen sieht diese alle als ursprünglich latinische städte an, allein 
von dem irrigen Standpunkt aus, dass die Aequer zu anfang vorge- 
drungen und jene gegenden eingenommen hätten, die ihnen später 
wieder abgenommen worden wären. Wir haben gesehen, dass fär 
diese anschauung das historische beweismaterial fehlt, und wir äie 
Aequer in historischer zeit zuerst bis zum Albanergebirge wohnend 
kennen lernen, von wo sie schrittweise zurückgedrängt wurden ^^). 
Der umstand nun, dass in der späteren liste der alten latinischen 
bundesstädte sowol Labici als Tibur und Praeneste einen platz haben, 
scheint mir darauf zurückgeführt werden zu müssen, dass die späteren 
erweiterten gränzen von Latium dafär den massstab abgaben, so dass 
alle in diesen eingeschlossene und zur zeit des Latinerkiieges vor- 
handenen Städte zu dem ursprtLnglichen Latinerbunde gezählt wurden.^) 

22 Ob wir eine wirkliche colonisation von Tibur und Praeneste anzu- 
nehmen haben, kann fraglich erscheinen. An eine eigentliche eroberung 
der orte durch römisch'-latinische truppen zu denken, verbietet die 
uneinnehmbarkeit der orte. Und mit langen belagerungen haben sich 
die Römer noch nicht abgegeben, ausser bei Yeii. Auf dem wage 
des compromisses also muss das bündnis hergestellt worden sein. Di^ 



61) Buch 2. cap. III. M) Buch 2. cap. 1. § 10, 

^) Ein derartiges bild der Verhältnisse scheint auch Livitts 7. ^- ^ 
vorgeschwebt zu haben, wenn er von einem hostis Sabin us, d. Yl Tibm 
(siehe oben)^ sagt: »quem uictnm armis socinm ex hoste facias.« 

M) Dionys 5. 61; dazu Monunsen r. g. 1^. 350 ff. note. 

^) Buch 2. cap. I. und III. 

M) Aehnlich ist das Verhältnis des ursprünglich volskischen Telitrae 
mm ]Latinerbund; vergl. buch 2. § 105. 



». JL] Die kriege mit den Aeqaem von Tibnr und Ftaeneste. 277 

tradition weiss nichts von einer colonisation; eine solche möchte auch 
bei volkreichen Städten nicht tnnlich sein. Zwar könnten beiden stftd- 
ten die abhängigen Ortschaften genommen ^^ und deren äcker znm 
teil an latinische colonisten überwiesen werden; allein die hauptstädte 
waren dadurch nicht weiter betroffen. Wir müssen also annehmen, 
dass, wie früher mit Satrinm und Nepete es geschah, so auch jetzt 
Tibitr und Praeneste mit ihrer alten einwohnerscfaaft durch Verleihung 
des latinisehen bürgerrechts als ciuitates foederatae in den latinisohen 
band eintraten und später unter den coloniae Latinae mitgezählt 
wurden*^. 

Damit hatte der latinische bund zwei wichtige grenzfestungen 23 
gegen osten gewonnen, wie ehedem ähnliche gegen norden in Sutrium 
und Nepete erworben waren. Nur traten Tibur und Praeneste in ein 
engeres Verhältnis zu den Latinem als jene Städte, welche nicht im 
latinischen gebiet lagen, sondern noch im eigentlichen Etrurien Boms 
grenzgebiet deckten. Dagegen dehnte sich Latium selbst durch den 
aoscUuss von Tibur und Praeneste aus und zwar nach einer seite, wo 
Hom nicht unmittelbar seine eigenen gränzen hatte, jenseits Gabi! 
tmd Labici nämlich. Dadurch hat Latium die grenzen nach osten 
erreicht, die fortan bestehen blieben und als geographische norm 
galten. 

Die Aequer selbst wareii auf diese weise ihrer beiden festesten 
platze beraubt und konnten, so weit sie reine bergbewohner waren, 
nun nicht mehr an eine wirksame bekriegung der Bömer und Latiner 
denken; sie verschwinden denn auch aus der geschichte und tauchen 
in viel späterer zeit nur noch einmal kurz auf. 

Offenbar aber deutet das neugeschlossene bundesverhältnis mit 
Tibnr und Praeneste darauf hin, dass der kämpf gegen diese beiden 
Städte den Bömem und Latinem ebenso gefährlich als lästig erschienen 
war; daher sie es für geratener hielten, dieselben durch bundes- 
anerbietnngen in das eigene Interesse zu ziehen und nun als Vor- 
mauer gegen auswärtige feindseligkeiten zu benutzen. 



$7) Dass auch Tibur untergebene städte hatte, wird zwar nicht ans der 
angäbe des Liv. 7. 19. 1 über Sassula und ähnliche Ortschaften zu schliessen 
sein, da diese, wie der ganze kriegsbericht, als nachdichtung nach prae- 
nestinischem vorbilde anzusehen sind ; allein die historische analogie Prae- 
nestes macht es wenigstens möglich. 

^) Vergl. oben über Sutrium und Nepete bnch 2, cap. L § 16 ff. 



376 Aenssere gesdfidite bis zn den Sammterkxiegeii. [Buch ^ 



GAP. m. 
Die verliältiiisse Roms zu den Hernikern und Latinern. 

24 Wie die Latiner mit den Praenestineni in der früheren epodie, 
80 stehen nadi der tradition in dieser die Hemiker mit den Tibnr- 
tem zusammen, um Born zu bekriegen. Was jene ältaren Latiner- 
kriege betrifft, so haben wir gesehen, dass sie völlig ans der Luft 
gegriffen sind, teils um kriegsleere jähre zu f&llen, teils aus verken- 
nung der Praenestinerfcriege, teils endlich ans nationaler besdiOnigung 
und täuschung, um das spfttere harte verfiihren gegen die Latiner zu 
entschuldigen und als die folge langjähriger widersetdichkeit und an- 
feindung darzusteUen. Was für die Latiner gilt, ist in gleicher weise 
von den mit diesen zusammen genannten Hernikern zu sagen; beide 
Völkerschaften haben offenbar vor den lidnischen rogationen den frie- 
den Bom gegenüber nicht gestört, sondern nur in gewisser weise die 
Iftstige hegemonie R(Hns abgeschüttelt und sich selbständig hingestellt 

26 Von Latinerkriegen weiss die spätere uns vorliegende epoche 
nichts mehr; dagegen treten die Hemiker in den Vordergrund und 
zwar in Verbindung mit den aequischen Tiburtem. 

Wir haben gesehen, dass die kriegsgeschichte mit den Tiburtern 
nur eine Wiederholung der älteren praenestinisdiien ist, dass wir eben 
nur die nackte tatsache eines solchen krieges anerkennen können. 
Damit fallen die berichte über verbündungen zwischen den Tiburtem 
und Hernikern von selbst hin. Während fünf jahrra sollen die Her- 
nikerkriege gedauert haben, von -j|^ bis -^* Allein schon zm 
jähere --— - meldet Livius**) den ab fall, defectio, der Hemiker. 
Zum jähre -j^ berichtet er^) darauf, dass, nachdem die fetialen 
umsonst zu den Hernikern »ad res repetendas« gesandt wären, der 
krieg beschlossen worden sei. Der ausdruck defectio selbst beruht 
ja auf völliger verkennung des bundesverhAltnisees. Wen» dem be- 
griff defectio eine tatsache zu gründe liegt, so müsste man entweder 
eine aufkündigung des bündnisses oder einen einMl in römiBches ge- 
biet verstehe. Letzteres wird wede)r von der tradition gemeldet^ 
noch war es geographisch möglich, ohne vorher Latium zu durch- 
streifen. Dieser fall also ist zu streichen; so bleibt nur der erstere 



w) 7. 1. 3. «0) 7. 6. 7. 



Cap. in.] Die veriiältnisse Roms zu den Hernikeni und Latinem. 279 

möglidi. Ein eigentlicher grtind zum. kriege aber war damit noch 
nicht gegeben. 

Nun aber zum kriege selbst. Der plebeische consul L. Oenu- 26 
eins erhält den auftrag, den krieg zu fiUiren. Wir haben schon firü* 
her von der plebeischen tendenzmalerei dieses umstandes gesjirocben 
und darin die band des Lidnins Macer entdeckt'^). Genueias gerflt 
in einen hinterhalt, wird geschlageft und selbst get(M»t Die nach* 
rieht davon erweckt in Rom unter den patridem grossen jubel, in* 
dem sie sidi darauf berufen, dass es sieh herausgestellt habe, wie un- 
gern die gOtter einen plebeischen consul sähen, der unter eigenen 
anspielen krieg fikhre. 

Streichen wir von diesem bericht den patricischen jubel als ple- 27 
beisdien tendenzzusatz, so sieht das übrige sehr nach einer patrici- 
schen tendenzerfindung aus. Die patridschen annalisten haben eine 
tatsächliche begründung för die berechtigung ihrer Opposition ge^fen 
plebeische consuln bringen zu müssen geglaubt Es ist aber schlecht 
erfanden; denn es hatten schon plebeische consular-tribunen unter 
eigenen auspiden krieg geführt. Genudus selbst fällt. Das begegnet 
ausserdem noch zweimal Genuciem: in historischer zeit einem kriegs- 
tribunen M. Genudus beim krieg gegen die Boier im jahre-isp ); in 
Uietet zeit -zzr- dem consular-tribun Cn. Genudus im kämpf gegen 
Falisker und Capenaten^^). Dieser fall ist dem unsrigen sehr ähn- 
lich; bdde male marschiren die consuln höchst mutig voran, geraten 
beide mal in hinterhalt, werden umzingelt und niedergemacht. Beide 
male ist der schade an und für sich nicht gross; und endlich wird 
beide male ein dictator danach ernannt. Die erzählungen sind also 
sehr ähnlich; und der umstand, dass wir es alle mal mit Genuciem 
zu tun haben, lässt der Vermutung räum, dass die eine erzählung nur 
wieder aufgewärmt wurde, um zur ülustration patricischer partei- 
Politik zu dienen, der dann später der color plebeius hinzugesetzt 
wurd% Schon der umstand macht den livianischen bericht sehr zwei- 
felhaft, dass, trotz des todes des einen consuln, eine ergänzungswahl 
nidit statt findet, was eigentlich notwendig war. 

Nachdem dann der legat C. Sulpicius die vorher erlittene schlappe 28 
wieder gut gemacht hat, kommt der dictator Ap. Claudius^) hinzu. 
Die Hemiker rüsten in folge dessen aufs äusserste. Es kommt zur 



«) Vergl. buch 1. cap I. § 17. «2)|Liv. 36 »ö. 

63) Liv. 5. la» 6*) üeber diesen vergL buch 7. § 10, 



280 Aenssere geschichte bis za den SamniterkriegeiL [Bach 6. 

Schlacht, die anfangs schwankt, dann aber zu gnnsten der Römer mit 
der flacht der Hemiker endet, welche über nacht auch ihr iager ye^ 
lassen. Die bewohner von Signia zerstreuen noch den rest der flie- 
henden Hemiker. Im folgenden jähre rücken beide consnln in's ge- 
biet der Hemiker ein, treffen den feind nicht im feld nnd erobern 
daher die hauptstadt Ferentinmn. Dann kehren sie zurück, bei wel- 
cher gelegenheit der oben sdion besprochene krieg mit den Tiburtem 

S94 

zum ausbmch konunt^). Gleich im folgenden jähre, -^^, führt der 
consul M. Fabius Ambustus wieder krieg gegen die Hemiker, erficht 
erst einige kleinere siege und bringt ihnen dann eine gründliche nie- 

896 

derlage bei^). Im jähre •■^- zieht von neuem der consul C. Plau- 
tius gegen die Hemiker; das anrücken der Gallier verhindert den 
weiteren krieg ^. Doch werden noch im selben jähre die Hemiker 
von Plautius besiegt und unterworfen^). Es ist dasselbe jähr, in 
welchem nach Livius^ das latinische bündnis emeuert wurde, ein 
ereignis, welches jedoch früher fsdlen muss nach den bei Polybius^^) 
befindlichen angaben, dass das alte Verhältnis zwischen Latinem und 
Römem vor dem ersten gallischen einM des Jahres -^ wieder- 
hergestellt war.^) 

29 Was die Unterwerfung der Hemiker unter die Römer betrifit, 
so ist das blosse renommage von selten letzterer. Es kann höchstens 
von einer herstellung des alten bundesverhältnisses die rede sein, das 

» nach Livius selbst^ sehr locker war, da er im jähre ^jj- noch die 
gesammte Latinereidgenossenschaft den Römem zum b*iege gegen 
die Gallier die hülfstrappen verweigern lässt^') 

Aber auch die kriegsberichte selbst sind s^ verdächtig. Nach- 
dem die Hemiker völlig geschlagen sind, ziehen die Römer ab, um 
erst im nächsten jähre das land von neuem zu durchziehen und die 
hauptstadt zu erobem. Wiederum tritt eine völlige niederlage der- 
selben ein; aUein zwei jähre später wird der krieg emeuert und die 
Hemiker gänzlich unterworfen. Ein grund zur emeuerung dea^krie- 
ges wird nicht angeftlhrt. Das ganze sieht so lückenbüsserartig aus 
und ist mit so wenig richtiger anschauung der Verhältnisse geschrie- 
ben, dass der verdacht reiner erfindung gar zu nahe liegt Wir sahen 



65) Liv. 7. 9. 1. ^) Liv. 7. 11. 8. «7) Liv. 7. 12. 6£ 

««) Liv. 7. 16. 8. «») 7. 12. 7. ^o) 2. 18. 6. 

71) Vergl. oben cap. I. und buch 2. cap. II. und IV. 

72) 7. 25. 6. 73) Darüber unten ein weiteres. 



Gap. IIL] Die yerh&Itnisse Borns zu den Heniikeni und Latinem. 281 

schon, dass der krieg und die niederlage des Genucius nach richtiger 
parteilüge schmecken. Ich stimme daher Niebuhr^^) bei, der diese 
ganze kriegsgeschichte als reflexion und ausschmückuug des einfachen 
berichtes ansieht, dass mit den Hemikem ein bündnis geschlossen 
oder vielmehr das alte erneuert worden sei^^). Der Hemiker- 
krieg ist auch darin dem älteren apokryphen Latinerkrieg zwischen 

Mö 877 * » * " 

-jjj- und -g^ gleich, dass beide keinen erfolg haben, sondern wie 
blosse strategische spielwerke aussehen, da ja Ton einer Unterwerfung « 
der Hemiker nicht geredet werden kann. Römische phantasie und 
nationale eitelkeit Hessen es nun einmal nicht anders geschehen, als 
dass die bundesgenossen erst besiegt wurden, ehe sie zu Bom in ein 
näheres Verhältnis zugelassen wurden. Beide, der Latiner- und der 
Hernikerkrieg mit dem zum schluss wieder angeknttpften bundesver- 
hältnis, scheinen müssige Wiederholungen der älteren berichte über 
die erste Schliessung des bundes im beginne der republik und die 
vorhergehende besiegung beider Völker durch die Bömer zu sein^^); 
das eine vne das andere ist historisch wertlos ^^). 

Höchst wahrscheinlich haben wir eine gleichzeitige herstellung des 30 
alten bündnisses sowol von selten der Latiner als der Hemiker an- 
zunehmen ; welcher umstand dann, vne wir schon sagten, um das jähr 

898 

'^, dem jähre des erneuten einfalls der Gallier, anzusetzen ist. 
Beide Völkerschaften scheinen bis dahin Bom gegenüber die rolle 
selbständiger staten gespielt zu haben, die nur dann mit Bom ge- 
meinsame Sache machten, wenn es galt, gemeinsame feinde zu be- 
kämpfen, dagegen in Boms eigenen auswärtigen kriegen keinen 
truppenzuzug leisteten. 

Der historischen glaubwürdigkeit jener emeuerung des alten bünd- 31 
nisses mn -— - scheint nun der bericht des Livius^^) zu widersprechen, 

406 

wonach die Latiner und Hemiker im jähre -j^ beim anrücken der 
Gallier den Bömem ihre hülfe versagt hätten; Livius lässt sie sagen, 
sie würden nicht für fremde herrschaft, sondern nur für eigene be- 
freiuBg ihren arm hergeben. Dies auf die Gallier zu beziehen, wie 
Livius es tut, ist geradezu unsinn; denn von diesen waren Bömer, 



74) 3. 95. 75) Auch Ihne 1. 245 spricht sich für friedliceh wieder- 

anknfipfdng des alten bundes aus. 

76) Yergl. die berichte über die schlacht am see Begillus und die unter- 

887 

werfimg der Hemiker im jähre -^^ bei Livius 2. 19, 20, 40. 

77) Dazu kommt, dass weder Polybius noch Diodor von älteren kriegen 
zwischeB Hemikem und Bömem wissen. 78) 7. 25. 5; siehe oben cap. L 



282 Aeilflsere geschiGfate bis sa den SanmiterioiegeiL [BugIl 6. 

La^üm&t tmd Henuker in gleicher weise bedroht Dazu kommt, dass 
gegen die angäbe des LiTius, wonach nur SOmer in diesem letzten 
gallisdien krieg gefochten hfttt^^^), Polybins^) ausdrücklich erMflrt, 
dass dieses mal die bimdesgenossen sich mit den Römern 2um kämpf 
vereinigt hätten; eine aassage, die vor der livianischen ja dorchans 
den Vorzug verdient 
32 Jene abweisende nnd hülfe versagende erkliining des latinischen 
bimdestages mnss daher, wenn sie historisch ist, aof andre kriegs- 
ereignisse bezogen werden. Und als solche bieten sich die etroski- 

SM 403 

sehen sehr passend dar. Von -^ bis -^ weiss Livins von meh- 
reren Etntskerkriegen zn berichten, die zum teil aof Wahrheit an- 
sprach machen ^^). In diesen kriegen, welche am rein römische In- 
teressen and grenzfragen gefbhrt warden, hatten die bondesgenossen 
w<^ kein trappen-contingent den Römern geliefert; darauf erfolgt 
dann die römische anfrage and die ablernende erklftrung jener. Diese 
tatsache ist vielleicht von Livias oder seinen quellen zu spftt ange- 
setzt worden, da die letzten feindlichen berührongen zwischen Rom 
und Etrurien in das jähr -—- etwa fallen^). Wir möchten da- 
her jene anfrage vor -ttt ansetzen, wenn nicht etwa in diesem jähre 

400 

der erste allgemeine bundestag seit dem jähre -rrr statt fEund. 

o04 

Wir haben eine ähnliche üifrage und antwort schon fr&her in 
der vorigen epoche zum jähre -^ kennen gelernt^ und sie ebenso 
zu erklären gesucht, wie wir es an dieser stelle taten. Beide male 
waren es die Etniskerkriege, welche eine gespannte Stimmung zwi- 
schen den gliedern des bundes hervorrief, indem die Römer das 
bundes-contingent in ansprach nahmen, die Latiner und Heniiker es 
. aher für auswärtige kriege verweigerten. Bei der frtlheren gelegen- 
heit stellten die Römer die anfrage, gestützt auf das von frtkher her 
noch bestehende bündnis. Die Verweigerung von selten der verbün- 
deten wird sehr dazu beigetragen haben, die beiden teile zu trennen 
und von einander unabhängig zu machen. Erst die von den Galliern 
drohende gefiahr führte eine Vereinigung zu gemeinsamer abwehr her- 
bei, die nur durch das schnelle anrücken der feinde verhindert wurde. 
Dass sie aber bestand, lehrt das zusammenstehen der allürten beim 

406 

wiederholten anrücken der Gallier im jähre -jjj-. Und, wenn man 



W) Vergl. oben cttp. L ^) 2. 18. 7. 

81) Liv. 7. 12. 6 '21. 9ff.; vergl. unten cap. V. «») VergL cap. V. 
Yergl Liv. 6. la 6ff. nnd oben bufib 2. cap. II. und IT. 



Gap. DI.] Die yerlilÜtiiisBe Roms zu den Hernikem und Latineni. 283 

Livius^) glauben dar^ forderten schon vorher im jähre -^ die La- 
tiüer ein romisches nnterstützongscorps gegen einen von den Yolskem 
drohenden einfall. Da aber hier von weiter nichts verlantet, so wird 
es wol eher eine leere erfindnng eines annalisten sein, der kein glau- 
ben beizulegen ist Derselben kategorie gehört die bei Livius^^) 
geäusserte furcht der Bömer, dass der bevorstehende Aurunkerkrieg 
des Jahres -g^ mit einem au&tande von ganz Latium in Verbindung 
stände. Livius weiss nichts weiter davon; es ist also ein von den 
annalisten erst hinzugedichteter verdacht, um, wo es tunlich ist, die 
Latiner als verdächtige und untreue bundesgenossen zu stempeln. 
Und ebenso ist eine ähnliche aussage bei gelegenheit des Yolsker- 
krieges von -^jj- ) zu würdigen. 

Ausser diesen hemikischen kämpfen wird auch noch ein einfall 33 
der Velitemer in römisches gebiet erwähnt ^^). Näheres ist nicht ge- 
sagt; ebenso wenig von einer bestrafung derselben durch die Bömer 
gemeldet. Der einfall wird in Zusammenhang mit dem der Priver- 
naten genannt. Wir wissen ja schon, dass Yelitrae der sündenbock 
der römischen annalisten ist, und haben die verschiedenen unverein- 
baren angaben über die Stadt als einer stets im abfall begriffenen 
römischen bürgercolonie dadurch auf die wahrheit^urückgeführt, dass 
erstens Yelitrae keine römische, sondern eine latinische colonie, 
höchst wahrscheinlich in früherem volsMschen gebiet angelegt^), war, 
dass die vielen früheren kriege desselben gegen Rom sowol zvdschen 



877 

.„^ und -rrr- als auch während des licinischen gesetzes-conflicts zum 

889 «77 

teil nachweislich, zum teil höchst wahrscheinlich auf reiner erfindung 
zum zwecke der fttllung ereignisloser jähre, zur erklärung chronolo- 
gischer irrtümer und zur entschuldigung des späteren harten verfah- 

416 

rens gegen die Stadt nach dem grossen Latinerkrieg im jähre 



838 

beruhen *^). Wir haben gesehen, dass Livius die während des licini- 
schen conflicts gemeldete belagerung der Stadt Yelitrae durch Rom 
im sande verlaufen lässt^), während nach Plutarch der alte Camillus 



«*) 7. 19, 6. 85) 7. 28. 2. W) Livius 7. 27. ö. 

8^ Livius 7. 16. 11. 

^) Yergl Mommsen: r. g. 1^. p. 349 und röm. münzwesen p. 313 
note 61 8») YergL buch 2. § 52. und 105, buch 5. § 43 ff. 

90) In treuer copie seiner quelle Licinius Macer, der ungeschickt den 
berifiht des Ylderius Antias über jenen krieg zusammenschmolz mit dem 
bericht des Fabius Pictor, der noch nichts davon berichtet hatte; ein sehr 
preis¥rürdiger grund, den berieht Mlea zu kusseB; v^rgl. budk 1. ea(p.L § 9« 



284 Aeussere geschichte bis zu den Samniterkriegen. (Bach 6^ 

die Stadt en passant erobert^^). Das untunliche einer mehrfachen er* 
oberung, die gar keinen eindruck auf die bewohner Y^litraes gemad^t 
zu haben scheint, da sie stets von neuem, meist ungestraft, ihre ein- 
falle vollführen, ist so einleuchtend, dass wir nicht zweifeln dürfen, 
auch an unserer stelle bei Livius nur Wiederholung des abgedrosche- 
nen themas zu erkennen und den bericht zu den übrigen zu werfen. 
Es ist dies übrigens das letzte mal, dass die Yelitamer vor dem 
grossen Latinerkrieg von ^ erwähnt werden.»») 

a4 Wie es also im früheren Zeitabschnitt vor der licinischen gesetz- 
gebung mit den Latinem, und in der gegenwärtigen epoche auch mit 
den Hemikem stand, so verhielt es sich auch diesmal mit den La- 
tinem. Offene feindseligkeiten zwischen den Römern und beiden Völ- 
kern sind nicht statthaft. Den Bömern selbst muss bei ihren ent- 
zweiungen mit dem ausländ sehr daran gelegen haben, wenigstens 
mit den ehemaligen verbündeten in frieden zu leben, wenngleich sie 
keine Unterstützung von denselben in den auswärtigen kriegen erhiel- 
ten. Und dass ein gemeinsamer krieg von Latinem und Hemikern 
gegen Bom ein überaus gefährliches ereignis für letzteres gewesen 
sein würde, geht schon aus der grossen bedeutung hervor, welche 
allgemein dem Lat^erkrieg von -^ — -5— beigelegt wurde, in 
welchem die Körner es nur mit Latinem zu tun hatten, und noch 
dazu mit den Samnitem verbündet waren. 

35 Erst ein Latinerkrieg, dann ein Hemikerkrieg, wie die tradition 
in der zeit von -— - — -— - berichtet. Beide Völker sollen zur un- 
terwerfnng und Wiederanknüpfung des alten bundes gezwungen sein. 
Es ist eine genaue Wiederholung des späteren wirklich historischen 
Sachverhalts: erst werden die Latiner im kriege von -gjj -^^ spä- 
ter die Hemiker -— - besiegt und wenigstens scheinbar zum teil in 

806 

das alte bundesverhältnis wieder aufgenommen. So hat die tradition 
aus dem einmaligen späteren vorkommen dieser tatsache drei Varia- 
tionen gemacht und an verschiedenen stellen in die darstellung ein- 
getragen: wie wir oben sahen an erster stelle zu anfEing der republik, 
wo wenigstens die Schliessung eines bündnisses historisch ist; an zwei- 



91) Letzteres offenbar eben nach Valerius Antias durch die vermittelnng 
des Dionys, vergl buch 3. § 43 ff. 

92) Ich kann daher auch mit Lange 2, 60 nicht übereinstimmen, wenn 

er in anknüpfong an diese traditionellen kriege Yelitrae im jähre -^ 
die römische doitas sine sufi&agio erhalten lässt. 



Cap. QI.] Die verhftltiiisse Roms zo den Hemikern und LMinern. 285 

ter stelle in die sonst ziemlich ereignislosen jähre kurz vor und nach 
dem licinisehen gesetzes-conflict. Dabei erscheinen natürlich die Bö- 
mer sehr edel und anständig, dass sie, trotz wiederholten krieges, das 
tdte recht gelten lassen; und die Latiner und Herniker erscheinen 
recht treulos und unanständig, dass sie so liebenswürdige verbündete 
inuner wieder bekriegen. Va, wer in der römischen geschichte den 
schaden hat, darf für den spott in gestalt von yerläumdung nicht 
sorgen. 

Halten wir aber die entwickelten tatsachen fest, dass das bundes*- 36 
Verhältnis im ganzen ein kühles war, was sich von selten der Latiner 
und Herniker dadurch aussprach, dass sie Born in auswärtigen krie- 
gen nicht unterstützten. Die tradition schweigt natürlich darüber, in 
wie fem Born sich gleichen ansprüchen den bundesgenossen gegenüber 
benahm; denn wir sahen, dass jene notiz bei Livius^^) über das von 
Latinem gegen Volsker von Born erbetene unterstützungscorps schwer- 
lich auf historische glaubwürdigkeit und echte Überlieferung aaspruch 
machen kann**). Nach Polybius**) gelangte es kurz vor dem er- 

393 

neuten einfall der Gallier im jähre -r--- zu einem ausgleich zwischen' 

461 

Römern und Latinem 9«), der wahrscheinlich durch die bewegungen 
der Gallier veranlasst, eine emeuerung des alten bündnisses hervor- 
rief. Jedenfalls stehen bei dem nächstfolgenden Galliereinfall im jähre 
■jjj- alle verbündeten zusammen den Galliem gegenüber. Dennoch 
aber scheint nur die allgemeine gefahr das gespannte Verhältnis zeit» 
weiüg zurückgedrängt zu haben, da — woran zu zweifeln kein grund 
ist — auch nach der formellen Wiederherstellung des bundes dennoch 
der landtag der Latiner den Bömem Unterstützung zu ihren Etrusker- 
kriegen versagt®^). Dadurch sahen sich die Bömer in ihren hege- 
moniegelüsten empfindlich beschränkt; ihrerseits aber ging das stre- 
ben nach absoluter hegeiiionie. Latiner- und Hemikerseits nach deut^ 
lieh ausgesprochener coordinirung. Der kämpf dieser principien hat 
offenbar während des ersten Samniterkrieges den lange vorbereiteten 
Zündstoff in flammen gesetzt, welche, im Latinerkriege das recht der 
einen partei völlig annullirten und die andre zur herrscherin machten. 



7. 19. 6. W) Vergl. oben § 32. »«) 2. 18. 6. 

^) Herniker werden gar nicht erwähnt; vielleicht sind sie unter den 
Latinem mitgemeint, vielleicht war eine lockerung zwischen ihnen und 
Rom nicht einmal zur kenntnis der annalisten gekommen und daher auch 
unhistorisch. 

»7) Livius 7. 26. ö, 6; vergL oben § 31. 



286 Aeoisere geschickte bfB sn den Sanmiteritziegetti [Bach 6. 

Wäre es wirklich vorher schon zum kriegerischen zastmmenstoss ge- 
kommen, so mttoste diese frage froher ihre endgültige eatadieidHig ge- 
funden haben. Ja wäre zwischen den Hemikem und RöDtern in widhr- 
heit ein so gespanntes Verhältnis als zwischen letzteren und den Lar 
tinem vorhanden gewesen, so hätten sich erstere ohne zwafel im 
grossen bundeskriege den Latiaem angeschlossen, während wir sie 
offenbar damals im römischen beer zu suchen haben. 

37 Die römische tradition weiss natürlich auch davon nichts, daas in 
dem kriege gegen Tibur und Praeneste die Römer mit den Latinem 
vereint kämpften, während wir dies unbedenklich annehmen dürfeo, 
vor allem da weder Tibur noch Praeneste unmittelbar an das römische 
gebiet grenzten, sondern durch die latinischen bundesstädte Qabii imd 
Labici von demselben geschieden waren^). Diese waren zuerst bei 
kriegsumständen von der aequischen macht bedroht uud fanden höchst- 
wahrscheinlich ebenso bereitwiUig wie fr&her Lanuvium und Ardea 
gegen die Yolsker^) in den Römern kampfesgefährtea. Ob auch die 
übrigen Latinerstädte ihr contingent stellten ist fraglidi, jedoch niM 

. unwahrscheiolich. Livius^^) sagt im Zusammenhang mit dem i^ 
kryphen Gallierkrieg von "jjg^^^^)» dass zum ersten male wieder cAi 
grosses bundescontingent der Latiner sich mit den Römer» vereinigt 
hätte. Da wir nun die Weigerung der bundesgenossen, hüi&tru];)fi^n 
zum Etruskeriorieg zu stellen, fest halten müssen, in genamitem jähre 
aber kein historischer krieg statt findet, so haben wir wol diese tn^- 
penstellung der Latiner auf den der zeit nach ziinächsi liegeaid^ 
Aequerkrieg zu beziehen, dessen zeitausdehnung wfr nicht kannteit, 
welcher aber im jähre -j^ zu ende gmg.^**) 

CAP. IV. 

Die kriege mit den Yolskem« 

38 Von einem kriege der volskischen Privenmten gegen R(Mn weiss 

896 

die tradition in unserem Zeitraum zu erzählen ^^^). Zum jai^:e -igff 
mddet Livius einen eiofall der Privematen in's römisch gebiet, zpm 
folgenden jähre den rachekrieg der Römer gegen die feinde. Der 



»8) VergL buch 2. cap, L ^) Vergl. buch 2. cap. ü. imd IV. 

100) 7. 12. 7. 101) Siehe cap. L lo») Vergl. § 20, uimI «2. 

103) Livius 7. 15. 11; 26. 3 ff.; Dionys 14. 23; dazu die triumphalfasten 
zum jähre 396 caton. aera. 



Cap. IT.] Die kriege mit den Vblakem. 2S7 

coi^ C, Marciofl fiUurt sein keer sofort gegen Privernom, schlägt 
darea tnif»j>^ vor d^ Stadt, erstüimt die manem und i^wihgt die Stadt 
sich ibm zu ergeben^). Darauf zieht er ab und feiert einen trimnph ^^)* 
Di^ Priyematen aber sind des feindes wieder los und ledig; es war 
nur eine väterliche Züchtigung für sie; vermutlich liess man sie mit 
der vermahnnng, fortan art^; zu sein, wieder in freiheit. Denn im jähre 
-j^ erfreuen sie sich derselben nach Livius^^) so sehr, dass sie die 
coloni^i Norba und Setia angreifen und deren gebiet verwüsten. 
Wieder rückt ein römisches beer unter C. Plautius gegen sie, erobert 
die Stadt und nimmt dieses mal alle massregehi vor, wie sie Unter- 
tanen gegenüber statt finden: eine besatzung wird hineingelegt, und 
zwei drittel des gebietes genommen und wol an römisch-latinische an- 
siedier verteilt; eine colonie ist aber Privemum nie geworden. 

Während des ersten Samniter- und des Latinerkrieges verhalten 39 
sich die Privematen ruhig. Im jähre -jjj- aber stehen sie aber- 
mals in Waffen wider Rom^^^). Wie das möglich war, was aus der 
römischen Besatzung und der ansiedlung auf den zwei dritteln des ehe- 
maligen gebiets wurde: die fragen lässt die tradition imbeantwortet. 
Ein privematisches beer verwüstet wie voriges mal das gebiet von 
Setia und Norba, dazu auch das von Cora. L. Papirius zieht gegen 
sie und schlägt sie, worauf sie sich eiligst in ihre Stadt zurückziehen, 
gerade wie beide male vorher. Statt Papirius f&hrt nun dessen Col- 
lege der consul L. Plautius den krieg weiter; das privematische ge- 
biet wird verwüstet. Nach kurzem Zwischenspiel mit Fundi belagern 
beide consuln die Stadt Privemum. Mit dem neuen jähr treten an 
ihre stelle L. Aemilius und G. Plautius. Privemum wird erobert, die 
mauern der Stadt niedergerissen, eine besatzung hinemgelegt und Plau- 
tius zum triomph zugelassen. Der privematische'senat wird jenseits des 
Tiber verbannt; die übrigen einwohner erhalten römisches bürgerrecht. 

Dass der zweite und dritte krieg auf einen und denselben be- 40 
rieht zurückzuführen sind, muss jeder sehen 1^): beide male werden 

104) Nach Dionys giebt er die belagerung auf das freundschaftsverspre- 
chen der Privematen auf; offenbar ein erklärungsversuch für die folgenden 
kriege und Unterwerfungen. 

105) Den die triumphalfasten bestätigen. 10«) 7. 42. 8 ; 8. 1 ffl' 
10^ Livius 8. 19. 4 ff.; vergL dazu Dionys 14. 27; Cass. Dio fragm. 35. 

11 und Yaler. Max. 6. 2. 1. 

108) Freilich sind die historiker bisher nicht darauf gekommen; ver- 
mutlich weil eine ganz detaillirte Untersuchung der umstände noch nicht 
vorgenommen ist. 



288 AeoBsere geschichte bis sa den Samniterkriegen. [Buch 6. 

Setia und Norba angegriffen; beide male oonunandirt ein C. Plaatius 
imd erobert die Stadt ^^); beide male wird eine besatznng hinein- 
gelegt; und die entziehnng von zwei dritteln des gebietes entspricht 
der verbanniing der Senatoren mit einziehung von deren landereien. 
Dass der zeitlich letzte &11 historisch ist, darf man wol annehmen, 
denn an ihn knüpft sich die yerleihong des bflrgerrechts an die Pri- 
vematen; dazu gehört er einer schon etwas weniger nebelhaften zeit 
an. Zwar wird noch eine empönmg der Privematen im jähre -^ 
während des zweiten Samniterkrieges erwähnt ^^^), allein dieser hat 
hiermit nichts zu tun; ja die berichte darübec sind Äusserst kurz und 
dunkel, so dass er in keiner weise als repetition des vorigen krieges 
anzusehen ist. 

41 Sehen wir aber den dritten krieg von -|^ als historisch an, 
wie wir gezwungen sind, so ist es nötig und geboten, den zweiten ein- 
fach zu streichen. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass die 
tradition selbst nicht rat weiss, wie nach besetzung der Stadt und ein- 
ziehung von zwei dritteln der landschaft, das heisst völliger Unter- 
werfung der gemeinde, plötzlich die Privematen wieder los und ledig 
sind, den krieg mit einfallen in das gebiet benachbarter latinischer 
colonien anfaugen und dann erst durch die römischen beere zurflck- 
getrieben werden. 

Niebuhr^ii) macht mit recht darauf aufmerksam, dass die end- 
gültige Unterwerfung der Stadt durch Aemilius und Plautius eine ge- 
feierte tatsache gewesen sein muss; er führt das aemilische eognomen 
»Privemasc darauf zurück. Für die Plautier war es ein gleicher 
rühm ; und da lag es nahe, dass ihre familieneitelkeit das ereignis in 
der geschichte verdoppelte und schon früher einen G. Plautius in ähn- 
licher weise dieselbe Stadt einnehmen liess. Die Plautier haben nicht 
viel Phantasie dabei bewiesen. Wir haben ja die völlige gleichheit 
der berichteten umstände kennen gelernt Somit ftUlt der zweite krieg 
vom jähre -j^ in nichts zusammen. 

42 Wir kehren zu dem ersten Privematenkrieg zurück. Die Bömer 
machen nach siegreichem feldzug sich die Stadt untertänig ^^^). Nach 
der sitte wurde in solchem falle der Stadt ein teil ihres gebietes ge- 
nommen und an römisch-latinische ansiedier verteilt, ohne dass darum 



109) Hierauf weist auch schon Mommsen, r. g. 1&. p. 859ff. note, hin. 
HO) Liv. 8. 37. 8. m) 3. 2OI. 

11^ In deditionem nrbem acceperunt. 



Cap. iV.] Die kriege mit den Volskem. ^^9 

eine colonie daraus entstanden wäre. Die alten einwohner aber ver- 
ioren die Selbstverwaltung, soweit sie nicht als sMayen verkauft wur- 
den; und römisch-latinische beamte regierten die Untertanen. Das 
wäre die folge einer tatsache, wie Livius^^*) sie schildert; ein Ver- 
hältnis, das wir bisher nur bei Bolae haben beobachten können. ^^^) 

Dass wir aber eine solche Unterwerfung Privemums unmöglich 
annehmen können, hat schon Niebuhr^i«) eingesehen. Die Stadt er- 
scheint später frei und unabhängig. Auch weiss Livius^^^) nichts von 

einer »defectio« derselben bei gelegenheit des krieges von -^ — 

zu berichten. Dieser krieg hat den Charakter eines zwischen zwei 
gleichberechtigten factoren geführten. 

Privemum^i®) selbst liegt im herzen des alten Volskerlandes zwi- 44 
sehen Setia und Fundi, an einem nebenfluss des Ufens, während die 
volskisch-lätinische grenze sich noch nördlich von Satricum hinzog ^^^). 
Es war also eine alte Volskerstadt. Livius^^) lässt sie das römische 
gebiet verwüsten. Das ist geradezu unmöglich, denn dieses war durch 
eine reihe von Latinerterritorien von Privemum getrennt. Letztere 
müssten zuerst betroffen worden sein; dann aber haben wir die Ver- 
wüstung des gebietes von Setia und Norba wie beim zweiten und 
dritten krieg der tradition in wiederholter aufläge. Auch das »in de- 
ditionem accipere« beim ersten krieg entspricht dem »se in dicionem 
permittere« des letzten krieges ^^i). ebenso der beide male gefeierte 

897 

triumph. Das jähr des ersten krieges -— ist sehr kriegsarm; ausser 
dem Privematenkrieg weiss Livius nur zu berichten, dass von dem 
Faliskerkrieg nichts besonderes zu berichten sei^. Das jähr lud 
also zur fÜUung durch erfundene kriege ein; und so scheint der Pri- 
vematenkrieg von -t~- an dieser stelle zum dritten male eingefügt 
zu sein. Ob etwa die familiengeschichte der Tullier und Marcier 
bei der fälschung tätig gewesen sei, lässt sich nicht versichern; 
allein hier wie auch in dem vorjährigen apokryphen Gallierkriege . 
spielt ein Sex. Tullius eine grosse rolle, und, wie das bei derartigen 
familiensagen häufiger ist^^^), er hat dabei kein bestinmites amt inne, 
sondern spielt eine heldenrolle nebenher. So mag denn den Tulliem 



lU) 7. 16, 6. U5) Vergl. buch 2. cap. I. § 11 ff. ii«) 3. 96. 

117) 8. 19. 118) tJeber die Lage vergl. Manne rt geogr. 9. 1, 642. 

119) Vergl. buch 2. cap. IL § 4ö, 81. 120) 7. 16. 11. 

121) Livius 8. 20. 6. ^) Livius 7. 16. 7. 

128) Vergl. die sage über Coriolanus, Maelius, Capitolinus. 

ClasoD, röm. gesch. I. 19 



290 Aettssere gescMchte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 6. 

sowol jener Grallier- als dieser Privematenkrieg zur Verherrlichung 
eines geschlechtsgenossen zugeschrieben werden; ein umstand, der auf 
die glaubwürdigkeit beider kriege einen dunklen schatten wirft. Haben 
wir aber schon den Gallierkrieg als zweifellos erfionden nachgewie- 
sen i^), so bleibt uns kein andres urteil über den andren übrig. Nie- 
buhr^^) zwar will nur einen strei£zug der Privematen ohne weitere 
folgen darin sehen. Aber wenn die ganze fassung des berichts be- 
denklich sowol durch copie ähnlicher berichte als auch durch histo- 
rische Unmöglichkeiten und sagenhafte bestandteile wird, so scheint 
es mir kritisch nicht zu rechtfertigen, auch nur ein abgeschwächtes bild 
der darstellung für wahr zu halten. Wir müssen in solchem falle das 
ganze verwerfen und im übrigen uns eines weiteren urteils enthalten. 
Wir wissen demnach nichts von einem Privematenkrieg vor dem 

J^® IST- 

45 Noch andrer Yolskerkriege gedenkt die tradition in unserem Zeit- 
raum. Wir haben früher ^^) die Unwahrheit der livianisdien aussagen 
über die Yolskerkriege nach dem von — - bis zu dem licinischen con- 
flict und damit zugleich auch über die gründung der colonie Satricum 
und deren Zerstörung durch die Latiner kennen gelernt. Wir sahen, 
dass letzterer umstand ein abklatsch der in späterer zeit wieder be- 
richteten tatsache sei, da ja auch an beiden stellen die Antiaten spe- 
ciell unter den Yolskem als feinde auftreten. Wir haben dabei die 
Überzeugung gewonnen, dass Satricum unzerstört als Yolskerstadt 
fortexistirte, dass daher der zum jähre -t^t- vonLivius^^) berichtete 
Wiederaufbau von Satricum durch die Antiaten und die colonisirung 
von ebendaher nur ein zur erklärung des späteren Vorhandenseins der 
Stadt erfundener zusatz ist. Satricum ist schon ohnehin eine vols- 
kische Stadt. 

46 Schon zum jähre -~^^ erzählt Livius^^®) von einem drohenden 
Yolskerkrieg, und ein consul, M. Yalerius, hat den Yolskern gegenüber 
an der grenze Tusculums ein lager aufgeschlagen. Dann aber wird 
er abberufen, imi den krieg gegen Etrurien zu fahren. Yon den Yols- 
kem verlautet nichts weiter, und so scheint das ganze müssige maierei 
zu sein. Die Yolsker würden sonst wol nicht so rücksichtsvoll ge- 
wesen sein abzuziehen und ruhe zu halten, weil die ihnen entgegen- 
gestellte armee keine zeit hatte, sich mit ihnen abzugeben. 



124) Siehe oben cap. I. las) 3. 96. i26j Buch 2. cap. II, 

127) 7. 27. 2. 128) 7. 19. 6 und 9. 



Cap. IV.] Die kriege mit den Volskem. 291 

Ein wirkliches feindliches zusammentreffen zwischen Volskem und 47 
Eömern fand seit dem jähre -^ zum ersten male im jähre -j^ 
statt. Also ganze dreiundvierzig jähre hatten die Volsker gebraucht, 
um von ihrer grossen niederlage und völligen niederwerfung durch 
Camillus sich zu erholen. 

Die volskische grenze lief in jener zeit nördlich von Satricum, 
wol quer durch das spätere Latium auf die hernikische grenze zu, 
doch so, dass Setia und Norba als latinische colonien einen keilförmi- 
gen Vorposten gegen Süden abgaben. Satricum selbst war, wie ge- 
sagt, noch eine Volskerstadt, ohne früher in den bänden der Latiner 
und Kömer gewesen zu sein. 

Livius^^) berichtet, den Römern sei im jähre -^^ die nachricht 48 
zugegangen, dass von Antium aus eine allgemeine erhebung Latiums 
gegen Rom beabsichtigt werde. Daher |;iätten die Römer, ehe sich 
die zahl der feinde mehre, einen krieg gegen die Volsker beschlossen. 
Bie volskischen truppen haben sich bei Satricum gelagert; dorthin 
eilt der römische consul M. Valerius Corvus. Es kommt sofort zur 
Schlacht, die Volsker werden geschlagen und flüchten in die Stadt Sa- 
tricum. Als die Römer die Stadt zu stürmen beginnen, ergeben sich 
die Volsker, und es fallen 4000 Soldaten ausser der unbewaffneten 
einwohnerschaft den Römern in die bände, welche letztere die Stadt 
plündern und anzünden; nur der tempel der Mater Matuta wird ge- 
schont. Der consul kehrt triumphirend nach Rom zurück und führt 
dabei jene 4000 gefangenen im triumph mit auf. Dieselben werden 
nachher in die Sklaverei verkauft und vermehren dadurch den stats- 
schatz um ein bedeutendes. Andre autoren halten jene 4000 für ge- 
fangene Sklaven der Volsker, da der verkauf von solchen, die sich im 
kämpf ergeben hätten, unerhört sei. Letzteres ist natürlich eine ra- 
tionalisirende erklärung der tradition. 

Wir haben es hier ohne zweifei mit einer wirklichen eroberung 49 
Satricums zu tun. Es wird notwendig eine solche anzunehmen, wenn 
wir bedenken, dass die stadt unmittelbar nachher zur zeit des grossen 
Latinerkrieges als latinische colonie erscheint ^^). Sie muss also aus 
voJskischem besitz in latinischen übergegangen sein. Aber auch die 
einäscherung der Stadt scheint historisch zu sein, da die rettung 



1^) 7. 27. Öff. 130) Buch 2. § 10 ; mit unrecht hält deshalb Lange 

2. 60 dafür, dass Satricum in diesem jähre die römische ciuitas sine suf-^ 
fragio erhalten habe. 

19 • 



^92 Aeossere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [äach 6. 

des tempels der Mater Matuta als religiöser act auf eine gleichzeitige 
ao&eichnung zurückweist; die römischen Chroniken aus ältester zeit 
waren ja darin sehr genau ^'^). Dies bedingt, dass der latinische bund 
die Stadt wieder aufbauen und dann erst colonisiren Hess. Was die 
Vorbereitungen zum kriege, in denen die yerleumdungssucht der Rö- 
mer wiederum die Latiner nicht unangetastet lassen kann ^'^), betrifft, 
so sind die berichte darüber sowol als über die details des krieges 
selbst durchaus als spätere erfindung zu streichen. Es steht nur fest, 
dass ein kämpf zwischen den Yolskem und dem Latinerbund um Sa- 
tricum stattgefunden und mit der eroberung und einäscherung der 
Stadt geendet hat. 
50 Was femer die gefangennähme der 4000 Soldaten und den triumph 
des consuls Valerius Corvus^^) angeht, so findet sich letzterer auch 
in den triumphalfasten zum jähre 407 catonischer aera; doch ist da* 
mit die Sache noch nicht durchaus beglaubigt. Im übrigen jedoch 
liegt kein grund vor, nach solcher waffentat, wie sie notwendig anzu- 
Nehmen ist, an dem triumph des feldherm zu zweifeln. In wie fem 
aber die gefangennähme jener 4000 volskischen Soldaten, ihre auf- 
flüirung im triumph und ihr späterer verkauf in die Sklaverei anf 
Wahrheit beruht, ist nicht leicht zu entscheiden. Schon die römischen 
annalisten selbst haben die tatsache angezweifelt, wie der versuch be- 
weist, den verkauf von wirklichen Soldaten in eüien von Sklaven zu 
verwandeln. Jedenfalls wird dadurch sowol als durch die Verbrennung 
der Stadt der bericht einer ergebung der einwohner vor der erstür- 
mung sehr zweifelhaft; es widerspricht eben dem alten kriegsrecht, 
wie Weissenbom^^) anführt. Vielleicht süid jene 4000 gefangene 
auch auf das conto der valerischen hauschronik m setzen, wenn nicht 
Valerius Antias^^«) selbständig hier erdichtet hat, um seinen grossen 
geschlechtsgenossen zu feiern. Zahlenangaben sind f&r so alte zeit 
Überhaupt sehr precär. 



isi) Vergl. buch 1. cap. I. und IL 13«) VergL oben cap. lH. 

133) Der übrigens in diesem jähre gaif nicht consul war, sondern erst 
im folgenden; vergl. buch 7. § 30—31. Vielleicht haben wir hier die band 
des Valerius Antias zu erkeimeuj welcher seinem geschlechtsgenossen den 
sieg über die Volsker zuschreiben wollte, und daher denselben in diesem 
jähre consul sein liess. 

1^) Grosse ausgäbe des Livius zu 7. 25. 8, sich auf Valer.MaJt. 6.5.1. 
berufend. 

135) Als quelle der livianischen quelle Licinius Macer; vergl. buch 1. cap.1« 



Cap. IV.] Die kriege mit den Yolskem. 293 

So Tiel also haben wir wenigstens constatiren können, dass in 51 
einem erneuten kriege zwischen Born und Latium einerseits nnd den 
Tolskem unter filhrung der Antiaten andrerseits den letzteren Satricum 
abgenommen und bald darauf als latinische colonie aus der asche wie* 
der aufgerichtet worden ist. Femer dass der bundesfeldberr dafÜU* 
einen triumph feierte. 

Wir haben ohne weiteres von einem kriege des römisch-latinischen 52 
bundes gesprochen, obgleich Livius nur von Römern spricht. Alleiu 
wenngleich das römische gebiet durch die erwerbung des ager Pompti- 
nus, wo inzwischen im jähre -j^ eine neue Tribus mit dem namen 
Pomptina errichtet worden war^^«)^ unmittelbar die damaligen Volsker- 
grenzen berührte, so waren dennoch die latinischen gemeinden Lanu» 
vimn, Ardea, Yelitrae und andre hauptsächlich der gefahr einer über« 
rmnpelung von selten der Yolsker ausgesetzt; daher es selbstverständ- 
lich war, dass die Latiner mit den Römern gemeinschaftliche sache 
machten, wozu sie olmehin ihr bundesvertrag verpflichtete, denn es 
galt nicht einseitige, sondern gemeinsame feinde abzuwehren. 

Mit der eroberung von Satricum aber war unbedingt auch die 53 
einziehung seiner feldmark verbunden. Wie weit sich diese ausdehnte 
ist ganz unbestimmt; doch scheint der umstand, dass die Antiaten 
dieses mal eine besondere rolle spielen, darauf hinzudeuten, dass die 
gebiete von Antium und Satricum sich berührten ^^^). Damit hat dann 
nach dieser seite Latium die grenzen erreicht, die es während des 
grossen Latinerkrieges inne hat, und die daher als grenzen des alten 
Latium im gegensatz zu dem später bis Campanien erweiterten ange- 
geben werden. Die colonien Satricum und Setia sind nun die vor- 
geschobensten posten gegen das Yolskerland. 

409 

Im jähre nach dem besprochenen Yolskerkrieg, -jjg-, erheben 54 
sich nach Livius^**) die südlichen nachbaren der Yolsker, die Aurun- 
ker^'^) zum kämpf gegen Rom und Latium. Die Römer fürchten 
einen allgemeinen aufstand der volskischen nation^^^) und ernennen 



136) Yergl. buch 2. § 156 am ende nnd Liv. 7. 15. 11 ; dazu buch 7. cap. Y. 

187) Später, im jähre j^, heisst es, dass die Antiaten wiederum den 
krieg erneuern und unmittelbar gegen Satricum vorrücken, was inzwischen 
colonie geworden sein muss; auch dies lässt den schluss auf gegenseitige 
nachbarschaft zu; vergl. Livius 8, 1. ^) 7. 28. Iff. 

139) Ueber ihr gebiet und dessen läge vergl. Mann er t: geogr. 9. 1. 77ff. 

1^) So ist offenbar mit Mannert der livianische ausdruck »consilimn 



294 



Aenssere geschichte bis zu den Sumniterkriegen. [Buch 6. 



daher einen dictator in der gestalt des L. Furins Gamillus. Die- 
ser rückt sofort in's Aurunkergebiet ein and gelobt während der 
Schlacht der göttin Moneta einen tempel, wenn er siegen sollte. Dies 
tritt ein. Als aber der dictator siegreich zurückkehrt, wird er wegen 
seines gelöbnisses in anklagezustand gesetzt nnd vemrteilt, in folge 
dessen er sein amt niederlegt. Darauf werden zwei männer zur er- 
bauung des tempels ernannt und derselbe auf dem platz aufgeführt, 
wo ehedem das haus des M. Manilas Gapitolinus stand. Die consuhi 
treten indessen an die spitze des dictatorischen heeres, ttberfallen 
Cora im östlichen Yolskerland und nehmen es in besitz. -- So Livius. 

55 Betrachten wir zuerst das gelöbnis des Monetatempels^^^). li- 
vius ^^) sagt geradezu, L. Furius' Gamillus habe den tempel der Juno 
Moneta gelobt. Dagegen erklärt Cicero^**), diese Juno, welche ihren 
tempel auf dem Gapitol hatte, sei »Moneta« genannt wegen einer 
mahnstinune, welche aus dem tempel gehört worden sei Also war 
der tempel älter als der name »Moneta«. Während nun aber Lims 
den tempel von Lucius Gamillus geloben lässt, hat nach Plotarch^^) 
und Ovid^**) dies der vater des Lucius, der berühmte Marcus Gar 
millus, der eroberer Veiis und der traditionelle held in Gallier-, 
Yolsker-, Aequer- und Ftruskerkriegen, getan. Und endlich verlegt 
Suidas^^) die gründung des tempels in den krieg gegen Pyrrhus. Es 
herrscht also eine völlige Unsicherheit mit bezug auf die zeit und die 
Urheber der erbauung. 

56 Wir haben früher schon einmal gesehen, dass Livius ein weih- 
geschenk des Quinctius Flamininus aus dem 6. Jahrhundert dem 
Quinctius Gincinnatus aus dem 4. Jahrhundert octroyirt hat^*^). Li- 
vius selbst wird unschuldig daran sein; seine quellen berichteten nicht 
anders. Wir wissen zwar nicht wie gross die glaubwürdigkeit des 



omnis Latini nominisc zu verstehen. Latium im späteren erweiterten sinne 
und hier specieU die volskischen teile sind gemeint. 

141) üeber denselben vergl Becker: röm. topographie p. 303 u. 404; 
Ganina: indicazione topografica di Roma antica p. 310. 

1«) 7. 28. 4. 1«) De divin. 1. 43; 2. 32. 

1^) Gamillus 36; es geschieht nämlich unmittelbar nach der nieder- 
reissung des hauses des Manlius Gapitolinus und vor dem verbot der Man- 
lier, den namen Marcus femer zu foliren, also noch während der tradi- 
tionellen dictatur des GamiUus; vergL buch 2. § 121 und 144. 

^^) Fasti 6. 183 ff.; die blosse benennung als »Gamillusc deutet wol- 
auf den berühmtesten träger des namens. 1*6) g. v. Mov^ra. 

1*7) Vergl. buch 2. § 99. 



Cap. IV.] Die kriege mit den Yolskern. 295 

berichts von Soidas ist; allein alles was sich an die sagenhafte gestalt 
eines Gamillus anlehnt, ist verdächtig, wenn es nicht anch sonst be- 
glaabigt ist Und hier schwankt die tradition gar zwischen vater und söhn. 
Dazu kommt, dass die einzelnen züge des livianischen berichts sich in 
andren CamiUussagen wiederholen. So gelobt der ältere Gamill im 
Yeienterkrieg dem Apollo den zehnten der beute; beim eintreiben 
desselben wird er angeklagt und muss sein amt niederlegen; ähn- 
lich hier. Und dabei konunt in betracht, dass, wie wir nachgewiesen 
haben ^^), eine anklage gegen den im amt befindlichen dictator ein 
statsrechtliches unding in Rom war. Ein zweiter wiederkehrender zug 
in der Gamillus-tradition ist das gelöbnis eben eines tempels; schon 
der ältere Gamillus hatte während des licinischen gesetzes-conflicts in 
ähnlicher weise den Goncordiatempel gelobt. 

Alle diese umstände lassen es wahrscheinlicher erscheinen, dass 57 
Suidas recht hat, als die untereinander abweichenden nachrichten bei 
Livius, Plutarch und Ovid. Fällt aber damit die weihung des Mo- 
netatempels aus dem Zusammenhang, so hat eigentlich der krieg gegen 
die Aurunker selbst den boden verloren. Abgesehen davon, dass Li- 
vius der einzige autor ist, der von demselben berichtet, scheint der 
krieg recht eigentlich ad hoc erfunden, um die beilegung des tempel- 
gelöbnisses an Lucius Gamillus, den söhn, zu rechtfertigen. Warum 
Livius' quellen-autor Licinius Macer gerade den söhn zum gelobenden 
macht, ist nicht ersichtlich. Yalerius Antias^^^) jedenfalls hatte diese 
lesart nicht, sondern muss die gelobung unter des älteren Gamill 
dictatur erzählt haben. 

Zu diesen gründen gegen die glaubwürdigkeit des livianischen 58 
Kriegsberichts kommen noch andre umstände hinzu. Wie die Aurun- 
ker eigentlich dazu kommen sollten, mit den Römern krieg anzufan- 
gen, ist nicht recht erklärlich, da sie durch ihre stammesverwandten, 
die Volsker, völlig von jenen geschieden waren^**^). Wie sie über- 
haupt mit einem plünderungszug auf römischem gebiet anfangen, ist 
unter diesen Verhältnissen und bei völliger ruhe der Volsker unklar. 
Es kann doch fraglich erscheinen, ob diese einen plünderungszug, der 
ihr gebiet durchschnitt, ohne weiteres gut heissen wtlrden. Weiter 



148) VergL buch 3. cap. in. § 26flf. 1*9) Als quelle des Dionys, den 
wiederum Plutarch copirt; vergL buch 1. cap. L 

150) Der grund Niebuhrs 3* 101, dass sie wegen des vorrückens der 
Homer sich gegen diese erheben, ist nicht sehr plausibel, so lange die Bö« 
nier und Aurunker noch gar keine berührungspunkte haben. 



■ 296 Aenssere geschichte bis zu den SamniterkriegeiL [Buch 6. 

auch ist es gleich unwahrscheinlich) dass die Yolsker ruhig zugesehen 
hätten, wie die Bömer ihr gebiet durchschnitten, um zu den Aunm* 
kern zu gelangen. Endlich findet sich zum schluss des kriegsberichts 
eine notiz, wonach Sora am Liris im Yolskerlande im verlauf des 
krieges genommen wird. Sora aber liegt i^^) in der nordöstlichsten ecke 
des Yolskerlandes und möglichst weit vom Aurunkergebiet entfernt ^^'). 
Wie aber kam es, dass bei dem Aurunkerkrieg die Römer völlig un- 
beteiligte Yolskerstädte erobern? Die beiden ereignisse sind wie räum- 
lich auch tatsächlich getrennt und ohne Zusammenhang, und zwar 
scheint mir die kurze anilalitische notiz über die wegnähme Soras sehr 
viel eher auf alte au&eichnungen zurückzugehen, als der Aurunker- 
krieg. Und dass Sora in Wahrheit in die bände der bundesgenossen 
überging beweist der umstand, dass wir später eine colonie dort 
finden ^^. Hier also haben wir es mit einer historischen tatsache 
zu tun. 

Es ist dabd zu bemerken, dass das Jahr -j^ ausser den ge- 
nannten ereignissen jeder weiteren tatsache entbehrt, also leer ist 
Da mochte denn die kurze ursprüngliche notiz von der eroberong 
Soras die späteren historiker bewegen, in anknüpfung daran einen 
weiteren krieg zu erfinden, der an einen volkstümlichen heldennamen, 
wie Gamillus, sich anlehnend noch dazu die willkonunene gelegenheit 
bot, darauf die gelobung des Monetatempels zurückzuführen. 
59 Wir sind daher sehr geneigt, den ganzen Aurunkerkrieg der fabel 
zu überweisen. Damit fällt dann auch die dictatur des Lucius Ga- 
millus. Der historische kern des ganzen aber scheint folgender zu 
sein: Nachdem die Yolsker im vorigen jähre über ihre nordwestlichen 
grenzen bei Satricum zurückgedrängt worden waren, hatte der krieg 
noch nicht unmittelbar sein ende gefänden. Yielmehr scheinen die 
Yolsker im folgejahre ihre kräfte gegen die südost-ecke des latinisch- 



151) Yergl. Mannert: geogr. 9. 1. 677, und Kieperts atlas antiquos 
5. aufläge tafel Ym. 

15S) Wie Niebahr 3. 101 und Mommsen r. g.. 1^ 355 dazu kommen, 
Sora in'9 Aurunkergebiet zu legen, verstehe ich nicht; es sei denn, dass sie 
den Aurunkerkrieg hiermit in Verbindung bringen wollen; dagegen vergL 
Mannert a. a. o. p. 679 und Strabo 5. 2. 3. p. 232ff., wo das gebiet der 
Ausoner, d. h. der Aurunker, als an der küste von Girceii abwärz gelegen 
geschildert wird; vergl. auch Weissenbörnzu Livius 2. 16 und 26. 

IM) Yergl. Livius 9. 23. 2; 24 14; 43. 1} 44. 16; 10. X. Ij Diodor 19. 
72. 3; 20. 80. 1; 90. 4. 



Cap. lY.] Die kriege mit den Yolskern. 297 

kernikischen bnndes gerichtet zu haben. Ob wir einen einfall in*s 
bemikische anzunehmen haben, lässt sich nicht beantworten; nur so 
viel steht fest, dass der krieg dort emenert wurde und mit der er- 
oberung Soras unweit der bemikischen grenze endete. Damit waren 
ohne zweifei auch nach dieser seite hin die bundesgebietsgrenzen er- 
weitert. Zugleich ist damit bedingt, dass die ganze bundesgenossen- 
schaft, Römer, Latiner und Hemiker, zusammenstehen und kämpfen. 

Sora blieb einige zeit hindurch in den bänden der verbtlndeten, 60 
d. h. der Römer. In den Samniterkriegen ist es yielfach ein Zank- 
apfel der kriegführenden mächte und wechselt häufig seine gebieter. 

489 

Nach Livius und Diodor^**) war es im Jahre -— - während des zwei- 
ten Samniterkrieges eine römische colonie, die von den alten ein- 
wohnem aufgehoben und den Samnitem überliefert wurde. Nach wech- 
selndem Schicksal erobern die Römer es endgtlltig wieder und colo- 
nisiren es von neuem im jähre -^^ *)• Diesmal aber wird es lati- 
nische colonie. Allein nach Diodor^^^) heisst Sora schon im jähre 
-^- eine nSXtg aomiaxouaa^ was so gut ist wie latinische colonie ^*^). 
Dies deutet darauf hin, dass Sora wol seit seiner colonisirung nicht 
römische, sondern gleich latinische colonie wurde, und dass wir 
es bei Livius und Diodor i**) mit der tkblichen Verwechselung von latini- 
schen und römischen colonien zu tun haben. Somit fand im jähre 
^ eine neue colonisirung statt, nachdem die alten colonisten in 



S08 

den wechselnden kämpfen umgekommen oder vertrieben worden waren. 
Die beendigung des zweiten Samniterkrieges im jähre -rrr ermög- 
lichte ja wieder geordnete zustände. 

Anders erklärt Mommsen^^^) die bezeichnung als colonie vor dem 
jähre -^. Er sieht darin nur eine zeitweilige militärische be- 
setzung. Bei dem häufigen Wechsel der herren konnte freilich Sora 
mit dem ersten Übergang zu den Samnitem im jähre -r-r- ) nicht 
mehr eine ansässige latinische colonie vorstellen; und zwischen -^ 
und der endgültigen neucolonisirung des Jahres -r^ lag jedenfaUs, 
so oft Sora in bänden der Römer war, nur immer eine besatzung 



IM) Siehe die oben a. stellen. 

155) So auch Velleius Paterc. 1. 14. 5; nur spricht er hier von einer 
erstmaligen colonisation. '^^) 20. 80. 1. 

157) Ebenso Diodor 20. 90 zum schluss im folgenden jähre, 
iw) 19. 72. 3. 159) Rom. mönzwesen p. 314 note 72. 

160) Liv. 9. 23. 2 ; Diodor 19. 72. 3. 



298 Aeussere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 6. 

darin. Allein vor -^ konnten geordnetere zustände in Sora existi- 
ren; und wir dürfen da wol eine latinische colonisirung festhalten« 

^1 Dass Sora auch noch in späterer zeit latinische colonie sei, 
glaubte man früher aus Livius ^^^) entnehmen zu können, wo die stadt 
unter andren colonien aufgezählt stand. Allein neuere yergleichungen 
des codex Puteanus haben ergeben, dass zwischen »Carseolisc und 
»Suessac, wo gewöhnlich >Sora« gelesen wird, gar nichts steht, also 
Sora ganz fehlt; nur die geringeren handschnften haben Sora, Jeden- 
falls muss noch ein name stehen, da Livius kurz vorher ausdrücklich 
von zwölf colonien spricht und im Puteanus nur elf verzeichnet sind. 
Man hat n^a gezweifelt, ob Sora oder Cora zu ergänzen sei; beides 
ist gleich wahrscheinlich der äusseren schrift nach ; denn Cora konnte 
durch den gleichen anfang von Carseolis, Sora durch den von 
Suessa übersehen worden sein. Doch sprechen historische gründe 
eher far Cora als für Sora. Dass ersteres latinische colonie war, 
geht aus der liste des Dionys^^*) hervor; somit war es colonie zur 
zeit des grossen Latinerkrieges^^^). Allein Cora ist auch in der spä- 
teren liste der dreissig colonien aus dem zweiten punischen kriege 
verzeichnet^^), während Sora dort fehlt. Das deutet so viel an, dass 
Sora aufgehört hatte colonie zu seia und zu irgend einer zeit nach 
— - und vor -— in das römische bürgerrecht eingetreten war^®). 

62 Immerhin aber steht fest, dass Sora überhaupt einmal colomsirt 
wurde. Die frage ist nur, wann das geschah. Unmittelbar nach der 
einnähme des orts kann es nicht stattgefunden haben. Dass Livius 
nichts davon sagt ist zwar kein grund, wol aber dass Sora in der 
dionysischen liste i^) aus der zeit des grossen Latinerkrieges fehlt. 
Wir können also die wirkliche colonisation nicht vor den Latinerkrieg 
ansetzen und müssen für die zeit vor demselben eine militärische be- 
setzung der stadt von bundeswegen annehmen. Wann dann die erst- 
malige colonisation statt fand, lässt sich nicht sagen; vielleicht vor 
dem ausbruch des zweiten Samniterkrieges im jähre -j^, um als 
Stützpunkt gegen etwaige angriffe der Samniter von dieser seite zu 



161) 29. 16. 5. 163) ö. 61. 163) Vergl. buch 2. § 10 und 105, 

164) Livius 27. 9. 

165) Yergl. Mommsen: röm. münzwesen p. 311 note 65 und p. 314 
note 72; M advig; opusc. acad. p. 268 note 1, der Sora überall lesen will, 
war mit der lesart des Puteanus unbekannt. 166) ö. 61 ; vergl. buch 2. § 10. 



Cap. IT.] Die kriege mit den Volskem. 299 

dienen. Jedenfalls muss, wie gesagt, die colonisation vor -zrr ^^' 
getreten sein. 

Durch die erwerbung Soras war nun die bundesgrenze bedeutend 63 
vorgeschoben. An beiden enden derselben, im westen und osten, stan- 
den die allürten teils unmittelbar diesseits, teils schon jenseits — wie 
bei Sota, — der grenzen, die in späterer zeit för die alten volekischen 
galten ^^^). Durch die besetzung Soras ab^r war nun auch das wich- 
tige Liristal in den bänden der bundesgenossen, was nach dem La- 
tinerkrieg gleich ist mit dem besitz der Körner. Sora selbst bildet 
eine bequeme Station, um in das Samnitergebiet überzutreten. 

Schon zum jähre -—7- berichtet Livius^^^) von einem btlndnis, was 64 
zwischen Römern und Samnitem geschlossen wurde. Wir werden das 
als ein bündnis zwischen letzteren und der römisch-latinisch-herniki- 
schen eidgenossenschaft anzusehen haben. Der wünsch der Samniter 
konnte ja natürlich nur der sein, im eüivemehmen mit derselben die 
zwischen ihnen liegenden Völkerschaften nach und nach zu erdrücken 
und sich in den raub zu teilen. Zugleich musste es den Samnitem 
lieb sein, wenn die bundesgenossen mit den Yolskern im kämpfe lagen, 
da sie dann freie band in der besetzung und eroberung der campa- 
nischen grenzdistrikte hatten, wohin stets das äuge der Bergsamniter 
gerichtet war. Auf der andern seite wird das bündnis bei Livius im 
zusanmienhang mit dem für Eom gefährlichen und vielleicht unglück- 
Hchen kriege gegen Tarquinii erwähnt. Hier lag gleicherweise den 
Körnern daran, im rücken von feinden unbelästigt zu sein; dazu konn- 
ten ihnen die Samniter an der volskischen grenze am besten ver- 
helfen. So wurde denn von beiden selten, von norden^und Süden, ein 
durchbrach versucht, der unausbleiblich zu einem rivalisirenden zu- 
sammenstoss führen musste. . Daher stehen wir an einer wichtigen 
grenzscheide in der äusseren politik Koms. Ob wir annehmen dürfen, 
dass Kom schon mit bewusstsein und absieht jenen Verstoss bei Sora 



167) Der umstand gerade, dass Sora als colonie nach dem Latinerkrieg 
nicht mehr innerhalb Latiums lag, beweist, dass der zustand der grenzen 
gegen die Yolsker und Aequer zur zeit des Latinerkrieges der massstab 
dafür wurde, zu entscheiden, welche Städte als alte bundesstädte , welche 
als neue colonien der latinisch-hemikischen eidgenossenschaft anzusehen 
seien. Zugleich geht daraus hervor, dass die eidgenossenschaft gerade zur 
zeit des Latinerkrieges diese grenzen erreicht hatte, die dann später auch 
fOr die alt-urspr&nglichen und von neuem erworbenen gehalten wurden. 

168) 7. 19. 4; vergl Diodor 16. 46. 



300 AeuBsere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 6. 

gegen Bamnitisches gebiet machte, nm von dort eine kriegsheerstrasse 
nach Samnimn anzulegen, ist unsicher. Doch ist wol kaum zweifelhaft, 
dass sich jetzt schon die äugen der aufgeklärteren Politiker Roms 
auf das volk jenseits der Yolsker und Aurunker richteten, ja dass 
auch den Römern schon der mund nach dem reichen und gesegneten 
Campanien wässerte. Allein vorläufig musste man mit den Samnitern 
noch auf gutem fuss stehen. Es war diplomaten-freundschaft. 

CAP. V. 

Die Etrnskerkriege« 

65 Die Etruskerkriege des vorigen Zeitraums von dem gallischen 
brande bis zu dem licinischen gesetzes-conflict beschränkten sich, wie 
wir gesehen haben, auf den kämpf um Sntrium wahrscheinlich zm- 

S66 

sehen Tarquiniem und Römern im jähre -— -, wozu vielleicht noch 
eine fortsetzung im folgejahre kam. Im ganzen und grossen waren 
die territorialverhältnisse dieselben geblieben: Sutrium und Nepete, 
als die römischen bundesfestungen nach norden blieben in ihrem Ver- 
hältnis, und die römische grenze hat sich gegen das innere von Etm- 
rien nicht weiter, oder jedenfalls in nur sehr geringem grade aus- 
gedehnt i«»). 

66 Tarquinii, die sagenhafte mutterstadt der gleich sagenhaften Tar- 
quinier Roms, gehörte in älterer zeit zu den hervorragendsten und 
blühendsten Städten Etruriens^^^). Dafär spricht auch schon der um- 
stand, dass es selbständig und allein mit dem mächtigen Rom krieg 
zu führen wagt;. Seine lage^^^), etwa eine deutsche meile von der küste 
entfernt, am Mar tafluss, war zum handel zu lande und tlber see förder- 
lich, so dass die bedeutung des ortes sehr erklärlich war. Zwischen 
Tarquinü und dem römischen gebiete Etruriens zieht sich der dmi- 
nische bergrücken hin ^7^, der auch heutzutage noch* waldreich sich 
von der küste südlich vom Marta-, nördlich vom Miniofluss in östr 
lieber richtung bis zum ciminischen see, dem heutigen lago die Vico 
auch lago di Rondglioni genannt, erstreckt, üeber dieses Waldgebirge 
ist nur an einer stelle bei den alten autoren ausführlicher gesprochen 



16») VergL buch 2. cap. V, bes. § 124. 

170) Dionys 3. 137 zählt sie unter den zwölf blühendsten anl 

171) Das einzelne darüber bei Mannert: alte geogr. 9. 1. d85£ 
17^ Ueber denselben Mannert: alte geogr. 9. 1. p. 285. 



Cap. V.] Die Etroskerkriege. ^01 

and zwar bei Livins^^'). Es fällt dies zusammen mit dem bericht über 
die heldentaten des Q. Fabius Maximas Bullianns im zweiten Sam. 

444 

niterkrieg zum jähre -jjj-. Fabius fällt in's nördliche Etrurien ein 
verrichtet die allerwanderbarsten heldentaten, schlägt mehrmals die 
aliergewaltigsten Etruskerheere, welche einmal sogar 60,000 tote und 
yerwundete verlieren; und zum schluss des krieges ist alles beim alten, 
und Rom hat gar keinen vorteil errungen. Bei dieser gelegenheit 
nmi lässt Livius den Fabius auch das ciminische gebirge überschrei- 
ten, das er noch wilder und unwegsamer als die germanischen Ur- 
wälder nennt, und von dem er aussagt, dass nicht einmal kaufleute 
sich darüber hin wagten. Nun aber ist es in Wahrheit ein massiger 
bergrücken, über den später zwei Strassen führen, die via Cassia und 
Glodia; und es ist eigentlich notwendig anzunehmen, dass, wennTar- 
quinii mit Rom krieg führte, der bergrücken überschritten werden 
musste, da er wie ein riegel zwischen beiden territorien lag. Jene 
Schilderung bei Livius ist also offenbar sagenhafte ausschmückung, 
um die heldentaten des Fabius noch grösser erscheinen zu lassen, 
wie denn diese kriegsereignisse fast sämmtlich wol auf fabische familien- 
nachrichten zurückzuführen sind, die Fabius Pictor vorfand und in 
sein geschichtswerk au&ahm, und die später noch immer erweitert 
wurden. Selbst die verhältnismässig nüchterne darstellung bei Dio- 
dor^^*) trägt etwas den sagenhaften Charakter an sich, da die taten 
mit den erfolgen nicht recht sich reimen wollen i^^). Dazu kommt, 

868 

dass .die Römer schon im jähre -jjj-, also etwa achtzig jähre früher, 
denselben bergrücken müssen überstiegen haben, da sie bis in die 
gegend von Yolsinii vordrangen^^^). Die Schilderung des ciminischen 
gebirges ist also als eine völlig wertlose poetische ausmalung zu strei- 
chen, und wir haben in demselben nur ein massiges und bewaldetes 
zu erkennen 1^^). 

l)as römische gebiet stiess nicht unmittelbar an dies gebirge; 67 
vielmehr liegen die städte Nepete, Sutrium und Falerii südlich und 
südöstlich davon als römische grenze; letzteres ein noch unabhängiger 
tind mit Roni verfeindeter stat^'^*), während erstere Roms grenz- 



iW) 9. 36 If. 174) 20. 35. 

l75) Darüber seiner zeit das nähere; vergl auch Niebuhr 3. 326ft; 
Sckwegler 3. 177, 233, 237; Mommsen r. g. 1. 362; besonders Ihne 
1. 361 ff. 1'^) Vergl. Liv. 5. 32 und auch Diodor 14. 109. 

177) VergL besonders Kiebuhr a. ä. o. 

178) Vergl. buch 2. § lö. 



302 Aeossere gescHchte bis zu den Sanmiterkriegen. [Buch 6. 

bundesfestungeQ waren. Die ganze küstenlandschaft südlich vom ci- 
minischen gebirge bis unweit Born war gleichfalls nicht römisch, son- 
dern zum grössten teil wol Stadtgebiet von Caere, einer mit Rom be- 
freundeten aber weder abhängigen noch verbündeten Stadt. 
6Ö Um Tarquinii dreht sich nach Livius der nun folgende krieg zwi- 
schen Rom und Etrurien. Livius erzählt folgendermassen^^^) : Im jähre 
-—— machen die Tarquinier einen plünderungseinfall in*s römische 
gebiet. Die consuln des folgenden Jahres, C. Fabius und C. Plautius, 
sagen ihnen daher krieg an. Fabius führt das beer gegen die Tar- 
quinier und wird geschlagen. Von den römischen gefangenen werden 
30*7 in Tarquinii den göttern geopfert. Die Tarquinier verbünden sich 
nun mit den Faliskem, denen von Rom aus auch der krieg erklärt 

397 

wird; dies fällt in's jähr -— -. Der consul Manlius, welcher gegen 
letztere in's feld zieht, vollführt nichts besonderes, sondern liegt im 
lager bei Sutrium, wo der bekannte aussergewöhnliche tribusbeschluss 
über die vicesima der manumittirten gefasst wird^^). Im folgenden jähre, 
--^, entspinnt sich ein heisser kämpf zwischen Tarquiniem uad Fa- 
liskem einerseits und Römern unter der führung des consuls M. Fa- 
bius Ambustus andrerseits. Die Römer geraten zu anfang in dnen 
panischen schrecken, da bei den Etruskern priester mit brennenden 
fackeln und schlangen furienartig vor dem beere marschiren; dann 
raffen sich die Römer auf, stürzen auf die feinde, schlagen sie und 
erobern ihr lager. Unmittelbar darauf steht ganz Etrurien unter 
leitung von Tarquinii und Falerii in waffen und sammelt sich an den 
salinen nördlich von Ostia an der meeresküste. Die Römer ernennen 
einen dictator und zwar den ersten plebeischen, C Marcius Rutilüs. 
Derselbe zieht den Tiber abwärz, überfällt die marodirenden Etrusker- 
truppen und erobert sofort deren lager. 8000 gefangene werden ge- 
macht, die übrigen entweder niedergehauen oder aus römischem ge- 
biet vertrieben. Darauf kehrt der dictator heim und triumphirt gegen 

899 

den willen der patricier populi iussu. Im jähre -j^ soll nach dem 
bericht einiger autoren ein plünderungszug in's tarquinische gebiet 
durch den consul C. Sulpicius Peticus ausgeführt worden sein. Im 

400 

jähre -^^ wird ein strenger rachekrieg gegen Tarquinii unternom- 
men; in der schlacht werden viele umgebracht, eine sehr grosse zahl 
gefangen und aus dieser 358 ausgewählt, die nach Rom geschickt und 



"Ji ! ■ 



179) 7. 12—22. 180) Vergl. meine kritischen erörterunge» 2, p. 87. 

und unten buch 7. § 57. 



Oap. ?.] Die Etniskerkriege. 303 

auf dem forum hingerichtet werden. Im jähre -^ stehen die Tar- 
quinier wieder in waffen und wie es scheint im bunde mit den Cae- 
riten. Darauf hin wird T. Manlius zum dictator ernannt, der mit 
einem consularischen heere — 2 legionen = 9000 mann — den krieg 
gegen Caere unternimmt. Darüber erschreckt bitten die Caeriten um 
frieden, der ihnen denn auch auf hundert 'jähre gewährt wird. Der 
dictator wendet sich darauf gegen Falerii; aliein der feind zeigt sidi 
nirgends; daher begnügt sich der dictator mit der Verwüstung des 
gebiets und kehrt nach Born zurück, wo die mauern und türme wie- 
der hergestellt werden i®^) und ein tempel des Apollo eingeweiht wird. 

402 

Im jähre -j^ veranlasst ein falsches gerücht, dass sich die zwölf 
Stämme Etruriens gegen Bom verbündet hätten, die wähl eines dicta 
tors. Im jähre --rrr- endlich ziehen beide consuln gegen Falerii und 
Tarquinii aus. Sie finden keinen feind im felde und verwüsten das 
gebiet derselben. Die erschöpfung beider Städte treibt sie zum frie- 
densgesuch, das ihnen denn auch auf vierzig jahrQ gewährt wird. 

So Livius. Der ganze ungeheure kriegsapparat, die vielen grossen 69 
siege und erfolge der Bömer bringen keinen nutzen. Es wird ein 
frieden mit festhalten des Status quo vor dem kriege geschlossen. 
Das ist bedenklich für die glaubwürdigkeit der livianischen darstellung. 
Neun kriegsjahre mit acht verschiedenen feldzügen werden bei Livius 

genannt, von — — -ttt . Fünf grosse schlachten werden geschia- 

gen, die erste für die Bömer ungünstig, alle folgenden grosse siege 

398 

derselben; davon fallen zwei in das jähr -^. Die vier folgenden 
feldzugsjahre beschränken sich auf plünderungs- und verwüstungszüge. 
Zuletzt wagen sich die feinde (nicht mehr aus ihren mauern hervor, 
sind gänzlich ermattet und bitten um frieden; den gewähren ihnen die 
Bömer grossmütig. Das sieht alles sehr unwahrscheiolich aus. Die 
Bömer haben sonst ihren vorteil klüger ausgenutzt. Es musste ihnen 
äusserst wichtig sein, Falerii zu besitzen, allein sie verzichten. 

Ein ganz andres büd von diesen kriegen gewinnen wir aus Dio- 70 
der. Aus acht feldzügen werden bei diesem drei. Der erste fällt 
in's jalir -^^®*) und ist gegen die Falisker gerichtet. Die Zeit- 
angabe stimmt mit Livius überein, und ebenso der kriegsbericht^*^). 



181) Der ausdruck ist ref leere 7. 20. 9. « 

183) Bei Diodor wegen seiner feilschen Zählung Olymp. 106. 3 statt 105. 
4; vergL Mommsen: röm. Chronologie p. 123. 

183) Die Worte sogar stimmen zusammen; Livius 7. 16. 7: nihil memo- 



304 Aeossere geschichte bis zu den dammterkriegen. [fiiidL ^ 

Kach Diodor beschränkt sich der krieg auf venrftstung des Mski- 
sdien gebietes. Der zweite krieg findet im jähre -^r statt; die 
Etrusker verwtlsten während eines krieges mit Rom das ganze gebiet 
desselben bis an den Tiber und kehren dann -- wie es scheint un- 

400 

behelligt — nach hause zurück ^^). Im jähre -ttt- endlich richten 
die Römer 260 Tarquinier auf dem forum hin^^). Das jähr -ttt 
ist in SO fem bei beiden autoren gleich dargestellt, als die Etrusker 
bis gegen den Tiber Tordringen; allein Diodor weiss nichts von den 

400 

zwei grossen siegen. Das jähr -^|^ ist gleichfalls von beiden flber- 
einstinunend behandelt, wofern die hinrichtung der Tarquinier bei 
Diodor einen krieg voraussetzt; es sei denn, dass man die hingerich- 
teten fiir tarquinische marodeurs ansehe, die von den Eömem aufge- 
hoben wurden. Der unterschied der zahlen — bei Livius 858, bei Dio- 
dor 260 — ist wol so zu verwischen, dass bei einem oder dem an- 
dern ein hundert zuzusetzen oder abzuziehen ist; ob wir bei Diodor 
eine runde summ^statt der livianischen genaueren anzunehmen haben, 
ist unsicher; im ganzen sind wir eher geneigt, den diodorischen be- 
richten zu folgen. 
71 . Für die genannten drei krlegsjahre werden wir wol unbedingt 
der diodorischen version ams anschliessen müssen ; das erste derselben 
ist ja auch bei Livius gleich berichtet. Damit fallen also die beiden 
grossen siege von ---- in nichts zusammen. Wie aber stehts mit den 
übrigen kriegsjahren des Livius? Zu bemerken ist, dass die nieder- 

SM S98 400 186\ 

läge von -jjjj-, sowie die zwei siege von -^jj- und -jjj- ) mit Fa- 
hlem zu tun haben. Nun spielen die Fabier eine grosse rolle in den 
traditionellen Etruskerkriegen. Bekannt ist die niedermetzelung jener 
806 Fabier an der Cremera durch Etmsker; ein Kaeso Fabius Am- 
buBtus ist befehlshaber gegen Yeii^^^), ebenso ein andrer Eaeso Fa- 
bius ^^), ein M. Fabius, bmder des Eaeso desgleichen^^); drei Fabier 
sind gesandte nach Clusium, um die Gallier abzuhaltend^); endlich der 
grosse held und sieger über die Etrusker Q. Fabius Maximus Kul- 
lianus während des zweiten Samniterkrieges^^^). Die Fabier scheinen 
Etrurien als ihre grosstaten-provinz gepachtet zu haben. Ueberall ist 
der Zug der familiensage merklich. Das wirft verdacht auf alle ähn^ 
liehen berichte. 



rabile gestum; Diodor 16. 31: ßijra fikv obdhv obd^ ä^tov ßUT^ßiji 

ücireXiirihj. i") piodor 16. 36. w») Diodor 16. 45. 

iW) ffier ist ein Fabius constd. W) Liv. 6. 12. iW) Liv. 2. 49. 

W) Liv. 2. 44 ff. iw) Liv. ö. 8Ö ff. i»i) Siehe oben § 66. u. Liv. 9. 36ft 



Cap. T.] Die BStroskerkriege. 30^ 

Ihne^^) hat schon auf die ähnlichkeit der zahl der an der Cre- 72 
mera gefallenen Fabier und der im jähre j^ gefangen genommenen 
und in Tarquinii geopferten Römer hingewiesen — 306 und 307 — 
und daraus geschlossen, dass das erstere ereignis als eine nationale 
Widerspiegelung des letzteren anzusehen sei. In beiden fällen sind 
Fabier tätig. Freilich könnte man sagen, dass die römischen anna- 
listen nicht so ohne weiteres eine römische niederlage mit darauf ge- 
häuftem schimpf erfanden hätten. Das ist richtig. Wie aber wenn 
die erfindung zur beschönigung eines ähnlichen römischen Verfahrens 
statt fand? Die Bömer richten 260 — bei Livius 358 — Tarquinier 
im jähre -^ hin; Livius nennt sie die vornehmsten unter den ge- 
fangenen. Das erschien den späteren annalisten, die den Zusammen- 
hang nicht kannten, sehr grausam und ungerechtfertigt; das musste 
auf irgend eine weise in günstiges licht gestellt werden. Daher viel- 
leicht die niederlage und hinschlachtung von 307 Bömern in Tar- 
quinii? Rom hatte nach Livius immer noch den vorteil weniger als 
die Tarquinier verloren zu haben. 

Der nächstfolgende Fabierkrieg des Jahres -^ ist schon dahin 73 
aufgeklärt, dass wir mit Diodor nur einen grossen pltlnderungszug 
der Etrusker — wol Tarquinier — bis zum Tiber festhalten. Die 
s(diöne und furchtbare Schlachtbeschreibung mit fackel- und schlangen- 
tragenden priestern ist selbstverständlich erfindung^^^). Aber auch 
die dictatorische tätigkeit des G. Marcius Rutilus im Etruskerkrleg 
ist mehr als zweifelhaft. Diodor ^ sagt einfach, dass die Etrusker, 
nachdem sie bis zum Tiber vorgedrungen seien, abzogen; eine nieder- 
lage ist nicht berichtet und so bleibt für den dictator gar kein räum für 
taten übrig. Zwar melden die capitolinischen triumphal-fasten seinen 
triumph; aber das ist ein sehr wenig haltbares beweismittel^^). Was 
aber wird dann aus dem dictator? Offenbar sind die Etrusker re- 
spective Tarquinier in grossen scharen plötzlich in's römische gebiet 
bis nahe an die Stadt eingefallen, wie Rom es ähnlich mit den 
Etruskerstädten machte. In der angst des augenblicks ernannten die 
Römer einen dictator, der aber erst die kriegsmannschaft ausheben 



1»») 1. 247 note 20. 193) So auch Ihne 1. 351 ff.; obgleich er an 

früherer stelle p. 247 noch an die decorationen zu glauben scheint. 
1^) 16. 26 : ßixP^ "^^^ Tißspewg xaradpafidurs^ iicaif^l^ov, 
196) Ihne 1. 447 note 23 nennt die triumphal-fasten eine »wahre lügen- 
chronikc; mit recht 1 Ueber die dabei in betracht kommende statsrechtliche 
frage vergL das folgende buch cap. I. 

OlMOD, röm. SMCb. I. 20 



^06 Aeusser^ geschichte bis zu den SanmiterkriegeD. [Bach 6. 

musste nnd daher wol zu spät fertig wurde, oder es überhaupt nicht 
wagte, dem feind entgegen zu gehen, so dass dieser umnolestirt ab- 
zog. Verdächtig ist auch, dass gerade Marcius, der erste plebeische 
dictator, als held erscheint; natürlich musste er etwas grosses geleistet 
haben^*«). 
74 Der kriegs- oder plünderungszug des Jahres -^ wird von Li- 
vius selbst als zweifelhaft hingestellt, und wir können ihn streichen. 

400 

Wir kommen zum rachekrieg von -^-. Unter den consuln ist 
ein Fabier. Wie gesagt, Diodor weiss nichts von einem kriege, son- 
dern berichtet nur die hinrichtung von 260 Tarquiniem ohne zusatz. 
Der krieg eines Fabius ist bedenklich, bedenklicher, dass Diodor 
nichts davon sagt. Ich deutete schon oben^^^) darauf hin, dass man 
auch ohne krieg die gefangennähme jener 260 mann erklären könne; es 
war vielleicht ein kleiner trupp tarquinischer marodeurs, der von dem 
Caeritengebiet aus plünderungszüge in's römische territorium machte, 
dort aufgehoben und kriegsrechtlich ^^•) hingerichtet wurde. Diese er- 
klärung lässt das schweigen Diodors über einen krieg gerechtfertigt 
erscheinen!^). 

401 

76 Der krieg von -— ;- hat ein bedenkliches aussehen. Raubzüge 
der Caeriten und Tarquinier werden berichtet. Dazu wird T. Man- 
lius zum dictator ernannt. Er begnügt sich mit einem consulariscben 
beer, 2 legionen = 9000 mann, um gegen beide Völkerschaften nnd 
die Falisker obendrein krieg zu führen. Als dann die sache mit den 
Caeriten beigelegt ist, sind die Tarquinier verschwunden, und der 
dictator greift sie auch nicht an, sondern wendet sich gegen Falerii, 
wo es ihm aber gerade so geht wie dem Cn. Manlius ebendaselbst 

807 

jm jähre -j^. Das sieht völlig nach Wiederholung aus. So bleibt 
also nur die affaire mit Caere als historischer teil des berichts. 
Darüber werden wir weiter unten zu reden haben. Ein Etrusker- 
krieg aber fand nicht statt. Wichtig dabei ist die offenbar echte 
annalistiscbe notiz von der Wiederherstellung der mauern und türme 
Roms in diesem jahre*^). Vielleicht gab das anlass, einen krieg vor- 
auszusetzen. Wir haben darin wol den Wiederaufbau der mauer nach 
der gallischen Verwüstung zu erkennen. Die gefahr des letzten 
Etruskereinfalles mochte die herstellung wünschenswert machen. Die 



106) Ueber die Marcius-familiendironik vergl. oben § 44. iw) § 70. 
1^8) Wie die franctireurs im französischen kriege von 1870—71. 
19») üeber die Caeriten vergl. unte» § 81 ff. *») Lw. 7. 20. 9. 



Cap. y.| Die Etraskerkriege. 307 

häufigen dictaturen dieser jähre, die gewöhnlich folge innerer zwiste 

waren, haben jedenfalls viel beigetragen, kriege aller art fdr sie zu 
erfinden *>i). 

Im jähre -^g^ ist es das leere gerOcht einer etmskischen gesammt- <^^ 
erhebung, welches nach Linius^ die wähl eines dictators, C. Julius, 
veranlasst. Derselbe greift dann in den stände-conflict wegen der 
consularwahlen ein. Und gewiss bezieht daher Weissenborn*^) mit 
recht die dictatur allein auf die inneren Vorgänge ^^). Jenes kriegs- 
gerücht ist also zum dictator zugedichtet. 

40S 

Im jähre -^ endlich werden wieder grosse rachezüge von Quin- 
cüus und Sulpicius gegen Falerii und Tarquinii unternommen; sie laufen 
aber gerade so aus , wie die beiden früheren traditionellen und der 

1107 ■ 9ni\ 

eine echte Faliskerkrieg von -^ ), d. h. das feindliche territorium 
wird verwüstet. Es ist die dritte aufläge des echten Faliskerkrieges, 
etwas gewürzt durch seine ausdehnung auch auf tarquinisches gebiet. 
Historisch aber ist dieser feldzug wertlos. 

Nach diesem kriege schlössen dann Tarquinii und Falerii, durch 77 
den krieg ermattet, mit Rom einen Waffenstillstand — inditiae — auf 
40 jähre. So Livius*^). Allein Diodor weiss nichts davon. Nach 
seiner darstellung sind die kriegsereignisse auch durchaus nicht der 
art, dass sie einen so förmlichen friedensschluss bedurft hätten. Alle 
drei einzelereignisse bei Diodor beschränken sich auf plünderungs- 
züge, wie sie damals wol nichts seltenes waren, feindnachbarliche be- 

400 

suche, wobei doch alles beim alten blieb. Seit dem jähre -^ haben 

wir ja auch keinen kriegszug mehr gut heissen können; wie sollten 

deim drei jähre später erst friedenspraeliminarien in's werk gesetzt 

werden? Freilich schlage ich mit dieser ansieht der bisherigen for- 

schung sehr in's gesicht; denn der 40jährige Tarquinierfriede ist so 

zu sagen ein dogma geworden, das zur bestinmiung der berechnung 

von Medensjahren gedient hat und von allen historikem anerkannt 
wird«"). 



aoi) Vergl. buch 7. cap. I. § löff. «») 7. 21. 9. 

903) Edit. maior Liv. zu obiger stelle. ^o^) Vergl. buch 7. § 21. 

»») Nach Diodor. «») 7. 22. 6. 

^7) Niebuhr K 296 ff. und nach ihm Mommsen: röm. chronoL 
p. 47 ff. haben den grundsatz aufgestellt, dass friedensschlQsse in der alteren 
zeit nur immer nach lOmonatlichen jähren berechnet worden seien. Nie- 
buhr führt dafbr verschiedene beispiele an, die jedoch höchst zweifelhafter 
natur sind, da sie vor die zeit des gallischen brandes fallen. Livius, oder 

20* 



303 Aeossere geschickte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 6 

78 Dass wir aber mit dieser these nicht gar zu sehr im irrtimi sind 
lässt sich auch sonst erweisen. Wir haben schon gesehen, dass dnrch 
die üabischen heldentaten eine gewisse yerwandtschaft zwischen den 
traditionellen Etruskerkriegen unserer periode und des zweiten Sam- 
niterkrieges hergestellt ist. Nun findet in der letzteren periode sieher 
bezeugt ein friedensschluss zwischen Rom und Tarquinii auf 40 jähre 

vielmehr seine quelle Licinius Macer (vergl. buch 1. cap. I.), hat unbedingt 
die angaben als sonneiijahre angesehen (vergl. Gensorinus de die natali 
20. 2, und H. Peter: rell. bist. Rom. 1. p. 301 fragm. Lic. Macr. 3.); es 
war also von ihm völligste nachlässigkeit, wenn er den 40jährigen Meden 

280 816 

zwischen Yeii und Rom, der nur von -^^ bis -^^ dauerte, und den 20- 
jährigen Meden zwischen den gleichen contrahenten, der nur 18 jähre, von 
-^ bis -~^, umfasst (vergl. Livius 2.64; 4. 17; 35. 58), in dieser weise 
darstellt, besonders da er beim schluss des letzteren ausdrQckUch aussagt, 
der friede sei abgelaufen. Die ältere römische Chronologie ist eine zu mi- 
sichere, um auf wenige derartige berichte so grosse thesen aufzubauen ; die 
fasten selbst konnten, selbst wenn sie echt vorgelegen hätten, nicht feste 
Jahresangaben in folge des wechselnden amtsantritts gewähren. Für die 
spätere zeit nun ist das einzige beispiel fär eine derartige berechnung der 
von uns besprochene 40jährige frieden mit Tarquinii. Wir sagten, dass 
nach den fasten die zahl der jähre zwischen dem früheren und späteren 
Etruskerkrieg, -—r- und -^rr- aufs genaueste stimmt. Allein auch nur in 
den fasten, nicht in den annalistischen darstellungen. Nach Livius sind es 
nicht 40, sondern nur 38 jähre, da er die beiden in die fasten eingescho- 
benen dictatoreigahre, -|~- und -^» nicht mitrechnet (darüber Niebuhr 
3. 323 und Mommsen: röm. chron. K p* UOff). So sind es nach ihm und 
seinem gewährsmann Licinius Macer also weniger als 40 jähre; und dies 
wird mit dem tatbestand übereinstimmen, da jene dictatoreigahre eingescho- 
ben sind, um den bei synchronistischer rechnung gewonnenen überschuss Ton 
zwei Jahren auszufüllen, wie wir das ähnlich mit den überschüssigen fünf 
Jahren bei dem licinischen gesetzes-conflict kennen lernten (vergl. buch 5. 
cap. TL). Dieser fall also scheint vöUig dazu angetan, die Ki^uhr'sche hj- 
pothese zu stützen, da der 40jährige friede ohne gebrochen zu sein nicht 
ganze 40 jähre innegehalten wurde. Allein hier macht sich die frage gel- 
tend, ob wir es mit Wahrheit oder fälschung zu tun haben. Livius in seiner 
gleichgültigkeit gegen dergleichen hat nicht gemerkt, dass die von ihm als 
40 sonneujahre verstandenen nur 38 jähre zählen; er hat einfach seinen 
quellen nachgeschrieben. Dass aber in Wahrheit auch hierauf jene hypo- 
these sich nicht gründen kann, wird dann klar sein, wenn wir oben im text 
den mangel an glaubwürdigkeit jenes Friedensschlusses dargetan haben. Da- 
mit fehlt jedes beispiel ausser den besprochenen älteren als beweis der 5ie- 
bnhr'schen ansieht, und wir müssen sie als unerwiesen auf die seite legen. 
YergL gegen Niebuhr auch Huschke: das alte rOmisdie jähr und seine 
tage p. 21. 



Cap. V.] Die Etruskerkriege. 309 

statt**). Das zarückdatiren von ereignissen späterer zeit in die ältere 
Periode ist ja bei Livius keine Seltenheit; haben wir es ja doch bei 
kriegen schon sehr häufig entdeckt. Etwas derartiges kann auch hier 
passirt sein; besonders einladend aber zu solcher flälschung war eben 
der umstand, dass zwischen dem letzten traditionellen kriegsjahr der 
früheren periode, -rr-, und dem ersten der folgenden, -^»^achden 

901 oll 

fasten gerade 40 jähre verflossen waren. Da war es leicht für den- 
jenigen, der för chronologische berechnungen eine fastentafel zur band 
nahm, einen solchen frieden auch in die ältere zeit einzuschmuggeln, 
während wir gesehen haben, dass nach den durch Diodor beglaubigten 
tatsachen ein so formeller friedensschluss kaum am platze war und 
jedenfalls nicht in's jähr -JJJ fallen konnte, da alle kriegerischen 
bewegungen schon im jalu*e — — beendet worden waren. Also kein 
friede, sondern fortdauer früherer Verhältnisse; nur mag es den Tar- 
quiniem später bei Boms anwachsender bedeutung und macht nicht 
mehr« geraten geschienen haben, den nachbar zu reizen; die erwer- 
bung Caeres war eine günstige hemmung för weitere plünderungs- 
zfige, da Rom nun unmittelbar bis an das ciminische gebirge sich er- 
streckte, also auch wol die bergpässe besetzt hielt ^^). 

Betrachten wir nun die bei Diodor berichteten kriege genauer, 79 
so finden wir, dass dieselben im gegensatz zu den livianischen in kei- 
nem so engen Zusammenhang stehen. Zwar scheint der zweite krieg 
als revanche für den ersten angesehen werden zu können. Die Römer 
machen den ersten kriegszug im jähre -j^ in's faliskische gebiet, das 
sie verwüsten. Im folgenden jähre dringen die Etrusker in gleicher 
weise bis zum Tiber vor. Es scheinen somit die Falisker sich wol 
mit den Tarquiniem und andren Völkerschaften verbündet zu haben, 
um gemeinsam an Rom räche zu nehmen. Der dritte feindliche zu- 
sammenstoss, der, wie wir darlegten, vielleicht nur aus einem einfall 
von marodeurs bestand, scheint mit den obigen kriegen nichts zu tun 
zu haben. Nach Livius ist Caere damit verknüpft; sehr wahrschein- 
lich. Doch hat der caeritische stat wol weniger damit zu tun als 
einzelne Caeriten im bunde mit tarquinischen freibeutem, denen 
das gebiet ersterer als Schlupfwinkel diente ^i^). 



208) So Livius 9. 4L 5 und Diodor 20. 44 am ende. 

209) Darüber unten § 81 ff. 

210) Vergl. Livius 7. 20. 6, 7 in der Verantwortung der Caeriten, ob- 
gleich das kein historischer beweis ist. 



810 Aeossere geschichte bis zu den Sumniterkriegen. [Buch 6. 

80 Was die Falisker betrifft, so erscheinen sie in der älteren ge- 
schichte immer mit den etniskischen Städten zusammen. Dennoch 
hat Niebuhr^^) recht, wenn er ohne sichere beweise an der etruski- 
schen nationalität der Falisker zweifelt, und diese vielmehr den Aequem, 
d. h. den sabellischen Völkerschaften, welche die nordöstliche grenze 
Latiums bilden, zuweist. Dies hat sich durch inschriftliche ftmde im 
alten Falerii bestätigt, wonach das faliskische aiphabet ebenso wie die 
Sprachbildung grosse Verwandtschaft mit dem lateinischen, dagegen 
keine mit dem etmskischen hat^. So ist also Falerii ursprünglich 
sabinisch, hat sich dann aber bei den poHtischen Verwickelungen der 
zeit an die fester begründeten und mächtigeren Etruskerstädte an- 
geschlossen, so dass allmählich diä beiderseitigen interessen besonders 
Rom gegenüber zusammmenwnchsen. Nach dem letzten kriege von 
hört das kriegerische Verhältnis zwischen Rom und Falerii auf^ 



857 

und auch während den Etruskerkriegen zur zeit des zweiten und drit- 
ten Samniterkrieges wird entweder Falerii gar nicht oder auf seilen 

461 

Roms genannt ^1'). Dann, im jähre -^,schliessen sie sich zum ersten 
mal wieder Roms feinden an. Aus dieser langen friedenszeit entnimmt 
dann wol Mommsen^^*), dass Falerii im jähre -^ einen ewigenfrie- 
den mit Rom geschlossen habe. Allein ein besonderer grund dazu 
liegt nicht vor; denn der sogenannte 40jährige frieden ist wenn für 
Tarquinii so auch fhr Falerii unglaubwürdig und historiscli wertlos. 
81 Wir haben noch über Caere und sein Schicksal zu reden. Caere, 
eine der bedeutendsten alten Etruskerstädte, war ursprünglich durch 
den phoenikischen handel aufgeblüht und trug noch in spätester zeit 
den auf phoenikische wurzel zurückgehenden namen »Agylla«^^)' 
Es lag unmittelbar westlich von Veii an einem kleinen flüsschen und 
hatte als eigentlichen hafen den ort Pyrgi in besitz^^^). Zwischen 
den Caeriten und Römern scheint von altersher ein gutes eiaver- 
ständnis geherrscht zu haben. Nach der glaublichen tradition bringen 
die römischen priest^r und vestalinnen beim anrücken der Gallier im 

364 

jähre -^ ihre heiligen gegenstände in Caere unter 2"). Dafür wird 



211) 1. 77. und 3. 323. 

^3) Vergl. Mommsen: röm. gesch. 1. 114 und Mode stow: der ge- 
brauch dec Schrift unter den röm. königen, 1871, p. 6 und 20 mit den do^ 
tigen nachweisen. 

318) So Livius 10. 14, 45. 6: qui per muHos annos in amicitia fuerant. 

21*) Röm. gesch. 1. 326, 21«) Vergl. Mommsen: r. g. 1. 128. 

21«) Mannert: alte geogr. 9, 1. 376. 2i7) Uy. 6. 40. 10. 



Gap. y.] Die Etraskerkriege. 811 

nach dem abzug der Gallier mit den Caeriten ein »hospitium pnbli- 
cmnc, eine gastfreundschaft von statswegen, geschlossen^^). Und 
nach Diodor^^) sollen die Caeriten einem aus Japygien zurückkeh- 
renden trupp Gallier nach der befreiung Roms aufgelauert und ihn 
vernichtet haben, was nicht unglaubhaft ist, da die Gallier ja jeden- 
falls nicht bloss Born brandschatzten^. So sehen wir Caeriten 
und Bömer in einer gewissen freundschaft zu einander stehen; daher 
denn erstere sich auch von den Etruskerkriegen der nachgallischen 
Periode fem halten; während sie selbst unmittelbar danach von der 
seeseite her durch Dionys von Syrakus überfallen, geplündert und ge- 
schlagen werden; dies fand im jähre -— -- statt^). 

Das freundschaftsverhäJtnis zwischen Caere und Bom wurde ge- 82 
stört, wie wir oben sahen, bei gelegenheit eines freibeuterzuges von 



918) Liv. 5. 50, 3; darüber vergl unten § 83 ff. 

^9) 14. 117. 6; nach Strabo 5. 2. 3 p. 220 schlagen sie die von Bom 
abziehenden Gallier und nehmen ihnen das lösegeld ab. 

^ Yergl. buch 2. cap. I. zu anfang. 

S31) Die gänzlich verwirrten chronologischen angaben Diodors zu dieser 
stelle 15. 14 hat Mommsen: röm. chron. p. 122 und note 227, geordnet, 
wir haben danach für angaben aus römischen quellen und römische epony- 
men eine anticipation von acht jähren, in folge einer schon vorhandenen 
3 jährigen und einer Wiederholung der eponymen und jähre von 360-64 
anzunehmen; für griechische angaben und eponymen aber kan nur einen 
2!j ährige anticipation überhaupt angenommen werden, da hier keine Wieder- 
holung der eponymen statt findet. So also ist bei Diodor eine zwiefache 
anticipation in betracht zu ziehen, die eine fär die römischen jähre, die 
andre verschieden laufende für die olympiadenrechnnng, so dass römischer- 
und griechischerseits jedesmal die ereignisse verschiedener nicht identischer 
jähre zusammengestellt sind. Mommsen geht von der gleichnng aus, dass 
das jähr der Aliaschlacht mit olymp. 97. 3 zusammenfalle als dem jähr des 
athenischen archonten Pyrgion. Dagegen Mit nach Diodor der archontat 
desselben auf olymp. 98. 1, also 2 jähre später, oder vielmehr Diodors rech- 
nung ist um 2 jähre anticipirt; diese Verschiebung muss festgehalten wer- 
den. Allein Diodor verlegt die Aliaschlacht nicht unter Pyrgion, sondern 
unter dessen nachfolger Theodotos auf olymp. 89. 2, so dass er hier also 
3 jähre fbr römische Verhältnisse anticipirt, denn die 2jährige olympiaden- 
anticipation überträgt sich auf die gleichung mit den römischen jähren. 
Hier also haben wir gleich ein auseinandergehen römischer und griechischer 
daten um ein jähr. Die römischen ereignisse stehen also mit den griechi- 
schen des jedesmaligen folgejahres zusammen. Von hier aus müssen die 
übrigen daten berechnet werden« Wir gewinnen also folgendes bild der 
diodorischen datirung: 



512 Aenssere geschichte bis zn den Samniterkriegen. [Buch 6. 

Tarqniniern, die im caeritischen gebiet Schlupfwinkel und vielleicht 
private Unterstützung fanden. Die folge davon 'war f&r die freibeuter 
ge&ngennahme von 260 mann und öffentliche hinrichtung derselben in 

die demselben jähre anticipaüon 

zugeschriebw grie« fOr 

die duschen ereignisse Diodors röm. griech. 

Aliaschlacht bei Diodor datinmg gesch. gesch. 

••* = Ol. 97. 3, -^ = Ol. 97. 4, ol. 98. 2, 3 jähre, 2 jähre. 



390 —-*••"•-? 389 

Dasselbe gleichungsverhältnis bleibt rückwärz bis zum jähre -^ 
= oL 90. 3, bei Diodor 91. 2, bestehen, so da£(8 also die römischen eponymen 
und ereignisse von -rrr- ol. 90. 3 zusammenstehen mit den griechischen von 
-TT^ol. 90. 4. Dann tritt eine änderung ein. Diodor hat vor diesem jähr 
f&nf römische jähre, von -^' — -^j aus&llen lassen, vrährend die grie- 
chischen ereignisse eine änderung nicht erlitten. So stehen denn jetzt bei 
Diodor zusammen: 

römische griechische Diodors anticipation für 

ereignisse von ereignisse von datinmg Rom Griechenland 

-~- = Ol. 89. 1, -^ = Ol. 90. 3, Ol. 91. 1, 8 jähre, 2 jähre. 

Zwischen -|||- und -—^ schiebt Diodor ein römisches eponymen-coUeginm 

und jähr ein; demnach sieht das jähr -^^beiDiodorfolgendermassenans: 

römische griechische Diodors anticipation für 

ereignisse von ereignisse von datirung Rom Griechenland 

*^ = Ol. 88. 1, -^ = Ol. 89. 2, ol. 89. 4. 7 jähre, 2 jähre. 



438 " ^' '' 426 

Zwischen -^ und -^^ schiebt Diodor wieder ein römisches jähr eis. 

Danach ist seine gleichung: 

römische griechische Diodors anticipation für 

ereignisse von ereignisse von datirung Rom Griechenland 

-^ = ol. 80. 4, -^ = ol. 81. 4, ol. 82. 2, 6 jähre, 2 jähre. 

Bei Diodor fällt ein olympiadenjahr aus, bei ihm ol. 82. 1, damit zu glei- 
cher zeit die griechischen ereignisse desselben. So finden wir denn zu- 
sammen : 

römische griechische Diodors anticipation für 

ereignisse von ereignisse von datirung Rom . Griechenland 

■^ = ol. 80. 3, ~ = oL 81. 2, ol. 81. 4, ö jähre, 2 jähre. 

278 a 

Die römischen eponymen und ereignisse von -^^ fehlen bei Diodor. Sp 

stehen zusammen: 

römische griechische Diodors anticipation ftür 

ereignisse von ereignisse von datirung Rom Griechenland 

*'^ = Ol. 74. 2, -^ = ol. 7ö. 2, ol. 76. 4, 6 jähre, ^ jähre. 



488 ^ "•• •*• -» 47» 



Gap. y.] Die Etroskerkriege. 313 

Rom im jahre-^. Dabei wurde das Verhältnis von Caere zu den 
verbreebem bekannt, und die Körner forderten ohne zweifei sofort 



Soweit die ergänznng der Mommsen'schen tabelle vor der Aliaschlacht. 
Was die zeit nach derselben betrifft, so gewinnen wir folgende resultate: 

864 865 

zwischen -j^ und -^^ wiederholt Diodor fUr Bom die fünf eponymen- 

860 864 

collegien und jähre -^ •— -j^ö'' ^ stehen nun zusammen: 

römische griechische Diodors antidpation f&r 

ereifpusse von ereignisse von datirung Rom Griechenland 

1. eingesch. Jahr, -— -=sol. 98. 1, oL 98. 3, 4 jähre, 2 jähre, 

2. eingesch. jähr, -~^ = ol. 96. 2, ol. 98. 4, 5 jähre, 2 jähre, 

868 

3. eingesch. jähr, -^^ = ol. 98. 3, ol. 99. 1, 6 jähre, 2 jähre, 

4. eingesch. jähr, -|^ «ol. 98. 4, ol. 99. 2, 7 jähre, 2 jähre, 
6. eingesch. jähr, -^ = ol. 99. 1, ol. 99. 3, 8 jähre, 2 jähre, 

-^ = ol. 97. 4, ~^- = ol. 99. 2, ol. 99. 4, 8 jähre, 2 jähre. 

Dann fehlen bei Diodor 4 der 5 anarchiejahre von dem licinischen gesetzes» 
conflict. So stehen zusammen: 

-^ = ol. 102. 3, -^ = ol. 103. 1, ol. 103. 3, 4 jähre, 2 jähre. 

887 

Dann fehlen die römischen eponymen von -3^* Demnac)i: 
^ = ol. 103. 3, -^ = ol. 103. 4, Ol. 104. 2, 3 jähre, 2 jähre. 



366 ' 866 

•AniaVii* 

888 * 



Dann fehlt das dictatorenjahr ^H-* Demnach : 



^^ = Ol. 112. 1, -^ = Ol. 112. 1, ol. 112. 3, 2 jähre, 2 jähre. 



383 ^" * ' 483 

Hier zum ersten mal stehen die gleichzeitigen römischen und griechischen 
jähre und ereignisse bei Diodor zusammen. Ebenso: 

*^* Ol. 113. 4, -^ = ol. 1 13. 4, Ol. 1 14. 2, 2 jähre, 2 jähre. 



826 ^ 326 

324 * 



480 

Dann fehlt das dictatoreiijahr -üj-. Demnach : 



^^ = Ol 114, 2, -^ = Ol. 114. 1, ol. 114. 3, 1 jähre, 2 jähre. 



Dann fehlt das dictatorenjahr -^ü^. Demnach: 



838 — *-*.-? 834 

^ronisilir .. 

809 

-^ = oL 118. 1, -^= Ol. 117 3, ol. 118, 1,-2 jähre. 

Es hat mir nicht ganz überflüssig geschienen, diese eigentümliche daten- 
verschiebung bei Diodor nach der Mommsen'schen tabelle darzustellen. Es 
sei das ein fingerzeig, wie man die einzelnen mitgeteilten ereignisse chro- 
nologisch zu scheiden und neu zu gruppiren hat. Die willkür und nach- 
lässigkeit Diodors dabei ist freilich das allererstaunlichste. — Um nun zu 
obiger angäbe über den Überfall von Caere durch Dionys zurück zu kommen 



314 Aeussere gescliichte l»8 xa dm Samniterkriegen. [Buch 6. 

rechenschaft über den flagranten bruch der öffentlichen gastfreund- 
schaft Ohne zweifei hätten es die Körner zu einem kriege kommen 
lassen, wenn nicht die Caeriten ihnen zuvorgekommen wären und mit- 
telst einer gesandtschaft abbitte getan hätten^. Es kam zu einer 
Verständigung, wodurch der frieden aufrecht erhalten blieb. Die frie- 
densbedingungen aber stehen nicht gleich fest. 
83 Wir haben verschiedene berichte darüber. Nach Livius ^ wurde den 
Caeriten eingedenk ihrer einstmaligen aubahme der römischen priester- 
schaften und heiligtümer bei der gallischen katastrophe Verzeihung 
und ein frieden auf 100 jähre gewährt. Weniger grossmütig sind die 
Körner nach Cassius Bio ^^), indem die Caeriten den frieden nur nach 
abtretung der hallte ihres gebietes erlangen. Wiederum anders be- 
richtet Strabo^^): die Römer hätten sich der caeritischen woltat nicht 
sehr erinnert, sondern diese als bürger ausserhalb der tribus aufgenom- 
men 3^), d. h. als »eines sine 8ufi&*agio et honore«; und danach seien 
alle folgenden halbbttrger in die caeritischen tafeln eingetragen wor- 
den. Femer berichtet Gellius^, die ersten municipes ohne Stimm- 
recht seien die Caeriten gewesen. Endlich heisst es^, dass die Cae- 
riten wegen der bewahrung der römischen heiligtümer die volle civi- 
tät empfangen hätten und municipes geworden wären; dies aber sei 
ihnen bei einem späteren abfall durch entziehung des Stimmrechts ver- 
kürzt worden. Diesen vier letzten Zeugnissen gegenüber muss der 
livianische berichte als beschönigung gestrichen werden. Es steht viel- 
mehr fest, dass die Römer mit äusserster härte gegen die Caeriten wie 
gegen im kriege überwundene verfuhren. Die verschiedenen ül)rigen an- 
gaben über das Schicksal der Caeriten können wolalle als historisch, wenn 



bemerken wir, dass der bericht darüber griechischen quellen entnommen ist; 
dies geht schon daraus hervor, dass hier Caere »Agylla« mit griechischer 
bezeichnung heisst, während früher buch 14. cap. 117. '6, wo nach römischen 
quellen berichtet wird, der römische name der Caeriten gesetzt ist. Unter 
solchen umständen aber fäUt das gemeldete ereignis unter die daten grie- 
chischer jähre und ereignisse, d. h. die ansetzung derselben bei Diodor ist 
nur um zwei jähre anticipirt, während die zugleich berichteten romischen 
ereignisse um 6 jähre zu spät bei Diodor vermerkt sind. Die angäbe Dio- 
dors von olymp. 99. 1 für obiges ereigniis fällt also in Wirklichkeit auf 

^' ^ ~ "ise"* 

233) Es ist kein grund, an der Wahrheit dieses umstandes zu zweifehL 
233) 7. 20. 8 ff. 224) Fragm. 33. 225) 5. 2. 3. p. 220. 

226) IJaXtreiav yäp dövreg obx äviypafpav bU robs TtoXkag. 

227) 1,6. 13. 7, 228) Im schoL Cruquianus zu Horaz ep, 1. 6. 62. 



Gap. y.] Die Etraskerkriege. 315 

auch nicht als gleichzeitig, angesehen werden« Vielleicht mussten die 
Caeriten zuerst die hälfte ihres gebietes — wol die südlidie — als 
römisches statsland abtreten; die eigentümer also mussten von dort 
weicl^en, wenn sie nicht als pächter oder untertänige den acker der 
neuen occupatoren bearbeiteten. Danach mag als endgültiger spruch 
die aufhebung der autonomie Caeres ausgesprochen und dasselbe mit 
dem römischen stat so verbunden worden sein, dass die Caeriten rö- 
mische bürger aber ohne stimm- und ehrenrechte, nur mit pflichten 
worden« Dies war eine neue statsrechtliche erfindung, welche bei 
Caere zum ersten mal angewandt wurde. Was dagegen den bericht 
des scholiasten zu Horaz betrifft, so ist offenbar die erteilung des 
»publicum hospitiumc mit der des vollen bürgerrechts verwechselt 
worden; zu der späteren rechtsverkürzung hat derselbe dann als er- 
klärung einen wirklichen krieg zugedichtet, während doch wol fried- 
liches verfahren anzunehmen ist 

Wir haben nun die dabei in betracht kommenden statsrechtlichen §4 
fragen näher zu beleuchten^). Vor allem gilt es, den begriff des 
municipiums kirr zu legen, da wir in zwei der obigen citate gesehen 
haben, dass Caere municipium geworden sei. Die ausführlichste notiz 
über den begriff »municipium« und »municeps« hat Paulus^) über- 
liefert. Dieser unterscheidet drei arten, deren erste zwischen bür- 
gern Eoms und andrer gemeinden stattfindet, auf gemeinsamem com- 
mercium und connubium aufgebaut, allein mit ausschluss gegenseitiger 
civität nebst stimm- und ehrenrechten ; solche gemeinden sind später 
erst in die civität anfgenommen^^^). Als zweite gattung werden die 
gemeinden bezeichnet, welche ganz und völlig in den römischen stat 
aufgingen. Unter diesen wird Caere genannt. Als dritte endlich führt 
Paulus solche gemeinden an, die zwar das römische bürgerrecht haben* 
aber daneben municipes ihrer eigenen gemeinden respective colonien 



VergL dazu Niebuhr 2. 60ff.; C. Peter: Zeitschrift f. altertnms- 
wiss., 1844, spalte 193—224; Bubin 0: zeitschr. für altertumswiss.. 1844, 
spalte 865—885; 961--991; Becker -Marquardt 3. 1. 7ff., 257, bes. 
note 27; Mommsen r. g. 1. 325 ff.; röm. tribus p. 157 ff.; röm. münzwesen 
p. 113, bes. note 120; Lange 2. 58 ff. und die daselbst auf p. 59 ange- 
führten femer dahin gehörigen Schriften; die Schriften von Madwig, s. 0. 
buch 2. § 10; Zumpt und Grauer, sowie die älteren arbeiten sind bei 
Becker-Marquardt a. a. 0. p. 5 citirt. 

s^) Epit. p. 127 nach Festus vielleicht noch in der ursprfinglichen 
fassung des Verrius Flaccus. 

^ Darunter wird l'usculum genannt; vergl. oben buch 2. § 107* 



316 Aenssere gescMclite bis zu den Samniterkriegen. [Bucli 6. 

bleiben. Dazu werden Tibur, Praeneste, Nepete und Sutrium gezogen. 
Bei den drei arten ist das mass der civität unbestimmt gelassen ; nnd 
der interpretation dieses nmstandes sind hauptsächlich die oben ge- 
nannten Schriften gewidmet. 

^ Was nun die erste art des municipiums betrifft ^^2)^ gQ teilen sich 
die gelehrten in der erklärung in der weise, dass Rubino, Wal- 
ter, Kiene und Rein nach Niebuhrs Vorgang darin eine art iso- 
politie nach art des bimdesverhäJtnisses zwischen Römern, Latinern 
und Hemikem erkennen wollen. Dagegen erklärt Madwig^^^), dass 
dann Verrius Flaccus^^) vor allem die Latiner und Herniker hätte 
als beispiel auffuhren müssen, statt dessen er nur einzelne gemeinden 
nennt. Dem gegenüber hat grössere Wahrscheinlichkeit, was Mar- 
quardt dartut, dass nämlich jene erste gattung mit dem schon oben 
bei Caere vorkommenden »hospitium publicum«^*) identisch und der 
zeit nach die älteste sei. Dann passt die nennung von Tusculum 
gleichfalls, da dieses vor seiner endgültigen au&ahme in das römische 
Vollbürgerrecht in freundschaftlichem Verhältnis zu Rom stand 23«). 

86 Was die zweite gattung der municipes bei Paulus bötriffl, so legt 
Rubino 2^) diese als vollbtirgerrecht aus, indem er es an den drei 
genannten gemeinden Aricia, Caere und Anagnia nachzuweisen sucht. 
Für Aricia führt er an, dass es dasselbe bürgerrecht wie Lanuvium, 
dies aber das volle erhalten habe^^S). Allein für Caere und Anagnia 
ist dies nicht erweislich; die angaben des scholiasten von Cruquius 



282) Dazu die ergänzende und bestätigende notiz bei Festus p. 142. 

333) p. 237. 834) Und nach ihm Festus und Paulus. 

335) Darüber vergl. Mommsen; röm. forschungen p. 326 ff., besonders 
333ff. und Lange 1. 406ff. 

236) Vergl. buch 2. § 107 ; dazu Livius 3. 18, 29 über L. Mamilius aus 
Tusculum und seine aufnähme in's römische bürgerrecht; daher denn die 
bezeichnung Tusculums als »municipium antiquissimumoc bei Cicero pro 
Plane. 8. 19 durchaus erklärlich ist. Mit recht weist Marquardt dann aber 
Peters und Madwigs ansieht zurück, dass der ausdruck »ciues« far die erste 
klasse municipes, welche bürger geworden waren, bei Paulus durchaus auf 
Vollbürger zu beziehen sei; denn von den neben Tusculum und Lanuvimn 
genannten orten Cumae, Fundi, Formiae und Acerrae steht es fest, dass sie 
ciues sine snffragio wurden. Dagegen irrt Marquardt, wenn er dies auch 
auf Tusculum und Lanuvium ausgedehnt wissen will; wie Marquardt auch 
C. Peter: zeitschr. f. altertumswiss., 1844, spalte 204; vergl. dagegen buch 
2. § 107 und Mommsen: röm. mtinzrecht p. 333. 

337) A. a. 0. spalte 881 ff. 

33SjSo auch Mommsen: röm. münzwesen p. 333. 



Cap. V.] Die Etruskerkriege. 317 

zu Horaz sind nicht haltbar, was die erteilung des bürg&r rechts von 
Caere betrifft; es liegt dort eine Verwechselung mit dem »hospitium 
publicum« vor. Wir haben ia der zweiten klasse also diejenigen ge- 
meinden zu sehen, welche mit aufhebung jeder Sonderstellung und com- 
munalen Verwaltung teils als voUbürger, teils als halbbürger in den 
römischen stat aufgingen^^^). 

Unter der dritten klasse haben wir dann endlich alle diejenigen 87 
gemeinden anzusehen, welche ursprünglich freie orte waren oder als 
latinische bundesstädte und colonien galten, dann aber das römische 
bürgerrecht erhielten, indem sie ihre eigene gemeinde fort und fort 
selbständig verwalteten, demgemäss römische bürger, aber tibur- 
tische, praenestinische u. s. w. municipes blieben. Sie unterschei- 
den sich also von der vorigen klasse durch beibehaltung eines eigenen 
gemeinwesens neben dem besitze römischen bürgerrechts. Die ange- 
gebenen namen aber deuten auf einen viel späteren eintritt in die 
römische civität, als es bei den andern der fall ist; sie gehören dem , 
letzten Jahrhundert der republik an. Aber auch hier ist die frage 
nicht betont, welches bürgerrecht wir zu verstehen haben, wenngleich 
tatsächlich diesesmal das Vollbürgerrecht vorwiegt. 

Wir haben also in den drei Massen zu unterscheiden: 1. gemein*- 88 
den ohne gemeinschaftliche civität, allein im hospitium publicum ste- 
hcfnd; 2. gemeinden, welche teils mit voller, teils mit halber civität 
gänzlich in den römischen stat aufgingen; 3. gemeinden, welche im 
besitz der römischen civität, gleichgültig ob voller oder halber, da- 
neben noch eine communale Selbständigkeit inne hatten. 

Unter den gemeinden zweiter klasse wird nun von Paulus Caere 89 
genannt. Demgemäss würden wir darunter eine ganz in den römi*- 
sehen stat. aufgehende gemeinde ohne jede communale selbstverwultang 
zu erkennen haben. Dagegen aber spricht sich Mommsen^ aus, 
nachdem er früher 2*i) die eben angeführte ansieht vertreten hat. Zum 
beweise der geänderten ansieht beruft sich Mommsen auf Rubino^^). 
Doch finde idi in der ganz abweichenden' anschauung Rubinos — der- 
selbe meint, Caere habe das Vollbürgerrecht erhalten und sei erst viel 
später zum haJLbbürgerrecht herabgesunken — keine stütze für Momm- 
sens meinungsänderung, und ich glaube mit Marquardt^^) die frühere 



239) Ueber diese gattung vergl. aucli Mommsen: röm. tribus p. 160 ff.; 
was Caere angeht, das weitere unten. 

^) Röm. münzwesen p. 338 note 120. 941) Höm. tribus p. 160 ff. 

242) A. a. 0. spalte 883 note. 2«) a, a. o. p, 9 note. 2Q. 



31S Aeussere geschichte bis cu den SanmiteriEriegen. [Back d. 

erklärung Mommsens, welche genau mit Paulus stimmt, festhalten zu 
mttssen, wonach Caere mit aufhebung der eigenen commune ganz in 
Bom aufging, und zwar mit der ciuitas sine suffragio et honore. 
Zwar weist Bubino^ die angäbe des Gellius zurück, dass die Cae- 
riten die ersten municipes sine suffragio gewesen seien; allein aus 
willkflriichem gründe. Wir haben hier den ausdruck »municipes« 
nicht in der ersten bedeutung bei Paulus zu fassen, sondern in der 
zweiten, wenn wir nicht etwa einen ausdruck wie »ciuesc hinzu- 
zudenken haben, der von G^Uius als selbstverständlich ausgelassen 
wurde. Dann Messe der satz: »primas autem municipes [eines] siue 
su£Gragii iure Caerites esse factos accepimus€, d. h. die ersten muni- 
cipes, welche bürger ohne stinunrecht wurden, waren die Caeriten. 
Gilt aber dieser satz, so muss das ereignis vor dem grossen Latiaer- 

krieg von -jjjj — stattgefunden haben; denn damals wwde 

dieses bürgerrecht au<ä an andre gemeinden erteilt. 

90 Nun wird bei Livius der abschluss des lOOjährigen Medens zwi- 
schen Rom und Caere zum jähre -^ berichtet, d. h. zum jähre nach 
hinrichtung der 260 Tarquinier^^) auf dem römischen forum. Es 
wäre ja denkbar, dass in Bom erst nach diesem umstand jene heler- 
tätigkeit der Caeriten bekannt geworden wäre. Die Verhandlungen, 
gesandtschaft u. s. w. würden den winter in ansprach genommen haben, 
so dass im folgenden frül^ahr endlich erst die entscheidung Qber das 
Schicksal Caeres in oben angegebener weise gefällt wurde ^. Einer 
etwas späteren zeit schreibt Mommsen^^) die colonisirang des hafen- 
orts Caeres, »Pyrgi«, von Bom aus zu. £r bringt es in zosanoimen- 

' 406 

hang mit dem ersten karthagischen bttndnis von — — . Allein eine 
Sicherheit dafttr ist nicht vorhanden. 

91 War nun aber die hälfte des caeritischen gebietes statseigentum 
geworden, so war ihirch die incorporation Caeres selbst die römische 
grenze um das ganze gebiet erweitert worden und dehnte sich nörd- 
lich bis an den ciminischen wald und die tarquinische grenze ans. 
So hatte denn Bom dadurch nach norden die natürliche grenze eines 
gebirges gewonnen, welches es nun gänzlich von dem mittleren £tm- 
rien abschnitt, ausser der seite wo nach Falerii zu der waldrücken 
aufhört. Diese neuerwerbung, wenn sie wirklich bis zum ciminischen 
walde reichte, war sehr bedeutend, da sie als maximalsatz etwa 



a**) A. a. 0. ^) Nach Diodor vergl. oben § 70, 73. 

3i6) So auch Mommsen. ^47) ]^öm. gesch. 1^. 405. 



Oäp: T.] Die Etruakerkriege. 819 

20 deutsche ameilen umfasste**®). Der Zuwachs zu den vorhandenen 
82 deutschen omeilen^^) rergrösserte demnach das römische gehiet 
um etwa % ^^^ alten ausdehnung, was bei der ehemaligen grossen 
bedeutung Caeres nicht erstaunlich ist. 

Und wol mag Rom diesen umstand bei den Verhandlungen mit 92 
Caere in*s äuge gefasst haben. Das harte verfahren gegen letzteres 
ist aus den uns bekannt gewordenen umständen nicht erklärlich, wenn 
wir nicht annehmen, dass Borns äugen schon lange begehrlich auf 
Caere gerichtet waren, und dass es nun die willkommene gelegenheit 
jener wie es acheint rein privaten heierei der Caeriten zu gunsten 
d^ tarquinischen freibeuter sofort ergriff, um seine grenzen nach nor- 
den an den gebirgigen schutzwall anzulehnen. Eine reiche, dicht- 
bewohnte landschaft, gute seehäfen zu handelszwecken, eine glfick- 
liche abrundung des gebiets: alles das waren äusserst schätzenswerte 
acqtusitionen. Dagegen verbot offenbar die zahlreiche caeritische be- 
Yölkerung eine au&ahme derselben in*s römische Vollbürgerrecht; sie 
hätten zu grossen einfluss auf die römischen Interessen innerer und 
äusserer politik ausgetLbt. Daher wurde ftLr sie das neue halbbürger- 
recht creirt. Allein auch diesem wtLrde gefahr gebracht haben, wenn 
communale Selbständigkeit damit verbunden wäre; die Caeriten hätten 
dann bei irgend einer für Kom kritischen gelegenheit als gemeinde 
das Verhältnis kündigen und sich autonom machen können. Dazu 
mussten ihnen mittel und organ durch communale Verwaltung genom- 
men werden; und so wurden römische beamte der Verwaltung und 
Justiz deputirt, um die caeritische gemeinde zu administriren. Caere 
wurde demnach eine praefectura, indem ein praefectus iuri dicundo 
von Rom aus eingesetzt wurde ^^), wie sie seit dem Latinerkrieg häu- 
figer auftreten, nicht aber der art, wie wir es für Capena annahmen, 
da die Capenaten weder voll- noch halbbürger waren ^si). Wesentlich 
zwar war das Verhältnis dasselbe; nur die form war versdiieden; 
ausserdem hatten die unterworfenen Capenaten wol nicht commercium 
und conubium mit den Römern ^^^). 

Dieses neue bürgerrecht verpflichtete die Caeriten zu allem dem, ^^ 



2i8) VergL unten § 118. 24») Vergl. buch 2. § 26, 83, 107 und 

163; das weitere über die gebictsausdehnung bei besprechung der zwei 
neuen tribus, PubliEa und Pomptina, im folgenden buch cap. V. 

»») Vergl. darüber Lange 2. 66. 67 ff. 35i) Vergl. buch 2 § 16. 

363) Ueber die praefectnren vergl. Zumpt: commentationes epigraphl- 
cae, 1860, p. 50ff«; nach ihm Marquardt 3. 1. 21, 62* 



320 Aeossere geschichte bis zu den Sanmiterkriegen. [Bach 6. 

wozu auch die Körner verpflichtet waren; zum kriegsdieost in den 
römischeu legionen und zum steuerzahlea. Ihr redit aber war das 
halbe römische, das passive bürgerrecht, in so fern sie nur ehe- 
gemeinschaft, conubium, hatten und quiritarisches eigentum in Rom 
und dessen gebiet erwerben kcmnten, commercium. Alle teilnähme 
an politischer tätigkeit war ausgeschlossen. Den tribus wurden sie 
auch nicht zugeteilt, da sie kein Stimmrecht hatten. Nichtsdestoweni- 
ger wurde ein census sowol über ihre zahl als ihr vermögen abge- 
halten und die resultate aufgezeichnet. Allein die so angefertigten 
listen wurden getrennt von den bürgerlisten geführt^ und erhielten 
nach ihrer ersten anwendung bei Caere den namen »tabulae Cae- 
ritumc. Diese caeritischen listen waren das vorbild der sache und 
dem namen nach für alle andren halbbürgerlisten der späteren zeit. 
Und da das Verhältnis der aerarii, der aus den tribus ausgestossenen 
vodlbürger, dem der passiven bürger wesentlich gleich ist, so wurden 
beide arten halbbürger bald identificirt, und auch die eigentlichen 
aerarii mit in den caeritischen bürgerlisten geführt^^^). 

CAP. VI. 

Die bertthrnngen Roms mit ftriechen and Karthagern. 

94 Im Zusammenhang mit dem letzten gallischen einfall des Jahres 

bringt Livius^^) eine landung griechischer piraten an der küste 



S49 

Latiums. Diese hatten die ganze linie von Antium bis Ostia unsicher 
gemacht; bei. ihrer landung aber treten ihnen die gallischen hor- 
den entgegen; es kommt zu einer unentschiedenen schlacht, wonach 
beide teile sich zurückziehen und die Griechen wieder in see gehen. 
Während darauf die römischen consuln das beer gegen die Gallier 
rüsten, erhält der praetor urbanus L. Pinarius den befel, die meeres- 
küste zu überwachen und die pirat^ abzuwehrend^). Allein weder 
dieser noch der zeitige consul L. Furius CamiUus kommen mit den 
Griechen zum treffen ; letztere ziehen endlich in ermangelung wassers 
und andrer lebensmittel von Italien ab* Livius vermutet in ihnen 
schiffe sicilischer tyrannen 2*^). 



353) Yergl. Strabo 5. 2, a p. 220, s. c; dazu Lange 1. 406; 2. 58. 

^ 7. 25. 4. 2^^) Livius 7. 25. 12; da der praetor das imperiam 

wenngleich gewdhntieh als ein ruhendes hat, so kann er selbständige com- 
mandos führen; vergl. buch 5. cap. I. ^^^) Liv. 7. 26. 13 ff. 



Gap. Tl.] Die berttlirungen Borns mit kriechen und Karthagern. 5^1 

Ausser jener unentschiedenen schlacht zwischen Galliern und 
Griechen, die etwas nach flickwerk aussieht, dürfen wir das übrige 
tatsächliche wol als historisch anerkennen. Die sache ist sehr ein- 
fach: es zeigen sich griechische piraten an der küste Latiums; die 
römische und latinische Wachsamkeit aber verhiadert sie an einer lan- 
dung, so dass sie unverrichteter sache abziehen müssen. 

Wer aber und woher waren diese Griechen? Livius denkt an eiae 96 
sikeliotische expedition. Dagegen spricht Niebuhr^s^)^ weil damals 
die sikeliotischen Verhältnisse in äusserster Verwirrung und in gegensei- 
tige kämpfe verwickelt waren, so dass an auswärtige Unternehmungen 
nicht gedacht werden könne. Statt dessen bringt Niebuhr diesen raub- 
zug mit dem von Archidamos aus Sparta nach Italien geführten Söld- 
nerheere zusammen, wo er Tarent gegen die Lukaner verteidigen 
sollte. Von Tarent aus glaubt Niebuhr, dass dann teile jener söldner- 
schar plündernd an den küsten Italiens entlang gezogen wären und 
auf diese weise auch Latium und das römische gebiet berührt hätten ^^^). 
Die Niebuhr'sche ansieht klingt wahrscheinlich; doch lässt sich keine 
Sicherheit darüber gewinnen. Es gab genug griechische städte auch 
an der italischen küste, bei deren häufigen Verfassungs-umwälzungen 
und Vertreibung der unterliegenden partei sich leicht letztere auf's 
freibeutem werfen konnte, bis sie die gelegenheit zur revanche an 
ihren politischen gegnem fand. Es ist eine unbedeutende tatsache, 
und sie erregt nur in so fern Interesse, als es die erste berührung 
zwischen Römern und Griechen war. 

In einen nicht unwahrscheinlichen Zusammenhang hiermit bringt 96* 

Ana _^^ 

Niebuhr^^) den bericht des Livius ^ßo)^ dass im jähre -^ die Kar- 
thager mit Rom ein bündnis schlössen. Er führt ^ßi) aus, dass die 
Karthager damals im besitz der Latium und Etrurien gegenüber- 
liegenden hSfen von Sardinien und Corsica waren, daher denn es 
ihnen leicht war, das tyrrhenische meer von griechischen piraten zu 
säubern, um zugleich die unbestrittene meeresherrschaft zu haben. 
So vereinigten sich hier römische und karthagische interessen gerade 
so, wie wir das beim bündnis der Römer und Samniter sahen 363). 



257) 3. 99. 258) Er bringt dies zusammen mit der von Phalaekoa 

aus Phokis nach dem heiligen krieg fortgeführten schar von Phokiem, die 
zuletzt nach Kreta gerieten, von wo Archidamos den rest nach Italien ge- 
führt habe; Diodor 16. 62. 25») 3. 100. ^O) 7. 27. 2. 

261) Nach Diodor 16. 66; dazu 15. 24. 

362) Vergl. cap, IV. am ende. 

ClMoa, rtfm. g«SGb. I. 21 



322 Aeussere geschichte bis zu den SamniterkriegeiL [Bndi 6. 

97 Hier aber tritt die frage an uns heran, ob dies karthagische 
btlndnis das erste oder das zweite war*^*)/ Nach Polybius^) wurde 
das erste bündnis unter dem consulat des L. Junius Brutus und Mar- 

845 

cus Horatius, d. h. im ersten jähre der republik nach Varro — 
geschlossen. Dem gegenüber steht Diodors angäbe*^), welcher das 
erste bündnis in unser jähr -— - verlegt. Nach Livius^ wird im 
jähre -ttt- ein drittes, im jähre -rrr- ein viertes bündnis geschlos- 
sen*^^). Dieses vierte ist identisch mit dem dritten bei Polybius*'^), 
da der pyrrhische krieg als zeit desselben angegeben wird. Polybius 
muss also, wenn er die zeit des ersten Vertrags richtig verzeichnet 
hat, den vertrag von -jjj- völlig streichen. 

98 Gegen die richtige datirung des ersten Vertrags nun aber haben 
sowol Schwegler als Mommsen, Aschbach und Schäfer die gewichtig- 
sten bedenken erhoben ^^) : die angegebenen consuln des ersten Jahres 
der republik sind apokryph ^^). Das unbedingte zeugnis des Diodor 

406 

und Livius , dass im jähre -t;t- ein vertrag statt fand, macht es not- 
wendig, dass ein solcher nach der römischen tradition fest stand, da* 
her von Polybius nicht übersehen werden durfte. Das völlige schwei- 
gen von Livius und Dionys über jenes bündnis von -^. Die ausdrück- 
liehe Versicherung Diodors, dass das von -^ das erste gewesen 
sei^^). Dazu die ausdrucksweise des Livius an unserer stelle, die 
durchaus einen erstmaligen schluss charakterisirt^^*). 

99 Zu diesen gründen kommen noch gewichtigere. Die Urkunde 
des ersten bündnisses, die Polybius vollständig wiedergiebt, macht einen 



^3) Dazu vergl. Schwegler 2. 95£r.; Mommsen: röm. chron. 
p. 272 ff.; Aschbach: die römisch-karthag. bündnisse, 1859; A. Schae- 
fer: rhein. mus. 15. 396; 16. 288; Emil Müller: verhandl. d. frankfnrt. 
phüologenversamml., 1861, p. 79 ff.; H. Nissen: Fleckeisens jahrb. 95. 
321 ff.; Weissenborn zu Livius 7. 27. 2; die ältere Htteratur bei Asch- 
bach p. 427 note 1. »64) 3. 22. 266) I6. 69. »6«) 9. 43. 

867) Livü epit. 13. »68) 3. 25. 

269) üeber die ansichten Müllers und Nissens werden wir weiter unten 
zu sprechen haben. 

370) Vergl. auch Mommsen: chron. 1. p. 194^ und Aschbach p. 439. 

271) Wir haben Diodors aussagen durchaus achten lernen, da sie auf 
ältere und weniger verfälschte quellen zurückgehen; vergl. buch 1. cap.H- 

272) Foedus ictum, cum amicitiam ac societatem petentes uenissent; 
hätte irgend eine der unmittelbaren oder mittelbaren quellen des Lrms 
etwas von einem Mheren bündnis gewusst, so mttsste das bemerkt sein und 
sich bei Livius finden; und so hat auch OrosiusS. 7 die stelle verstan- 
den, wenn er es das erste bündnis nennt 



Cap. YL] Die bertthrongen Roms mit Griechen und Earihagem. 323 

sehr verdächtigen eindruck. Yor allem setzt sie fflr das erste jähr 
der republik Verhältnisse f(ir Born voraus, die undenkbar sind. Da- 
nach sollten die Römer eine flotte haben, von der es möglich wäre, 
dass sie sich bis nach Karthago wage. Dann wird von »bundes- 
genossenc der Körner gesprochen. Davon ist für jene zeit nichts be- 
kannt; die Latiner und Hemiker traten erst später in dies Verhältnis 
zu Born. Ausserdem werden von untergebenen Städten Borns und 
zwar in nicht geringer anzahl gesprochen ^3). Wir wissen nicht, dass 
Rom damals Untertanen hatte; es ist vielmehr durchaus unwahrschein- 
lich^^). Das Verhältnis Boms zu Latium ist wie das der capitale 
zur landschaft aufge£asst. Das widerspricht aufs energischste der 
ansetzung dieses bündnisses und seiner Urkunde bei Polybius in den 
anfang der republik. 

Allein ich möchte weiter gehen: Auch für das jähr -^jtt- passt es 100 
nicht ^*). Mommsen zwar meint, es müsse vor -r—- fallen, da An- 
tium noch als freie Stadt genannt werde; allein dies ist nicht richtig. 
Wer unbefangen die worte betrachtet muss anders urteilenT« »Die 
Karthager aber sollen nicht beschädigen die bevölkerung von Ardea, 
Antium, Laurentum^^), Circeii, Tarracina, noch irgend eine andre der 
latinischen städte, so viele ihrer Untertanen — nämlich Boms — sind. 
Sollten aber einige der gemeinden nicht Untertan sein, so sollen sie sich 
derselben enthaltenem^). Danach sind erst die Untertanen, dann die 
nicht-untertanen erwähnt; die ersteren liegen Bom zunächst am her- 
zen. Jene besonders aufgezählten städte also sind zu den unterge- 
benen zu ziehen. Das spricht sich darin aus, dass, während von der 
ersten Masse nur der S^/iog^ d. h. hier die bevölkerung, genannt wird, 
die unabhängigen als nöhtg^ d. h. staten, bezeichnet sind. Ist das 
zugegeben, so kann diese Urkunde nicht vor -^ angefertigt sein, ja 
sie müsste weit später fallen, da nach ihr Laurentum, Ardea und 
Circeii als Untertanen erscheinen, während sie im zweiten punischen 
kriegt®) noch latinische colonien sind. Wirft aber dies einen schat- 
ten überhaupt auf die echtheit der Urkunde selbst, so wird diese nicht 



373) Nach aufzählung verschiedener städte firjd^ äXXov iiyjdiva Aaxiv<ov 
o<rot äv ^xoou 374) Yergl. buch 2. cap. I. 

375) Der erste, der die polybische Urkunde auf den vertrag von -^ 
bezog, war P. v. Kobbe; röm. gesch. 1. 123 ff. 

^^) In den hdss.: ^Ap^vrtv&v, Niebuhr hält auch fOr möglich, dasa 
^e Aziciner gemeint seien; dagegen weist Aschbach auf Lavininm hin. 

»7) Polyb. 3. 22. 11, 12. ^^) Livius 27. 9. 

21* 



324 Aeossere gesckichte bis zu den Samniterkriegen. pBuch 6. 

weniger erschüttert, wenn wir den namen Tarracina in betracht 
ziehen. Nach Livius^^) und Plinius^*^) hiess Tarracina Mher Anxur 
als volskische stadt, und erhielt erst, nachdem sie in römischen be- 
sitz übergegangen war, den andren namen. Allein zur zeit des ver- 

ÄtiO 

trags von —— war Anxur eine vollständig selbständige stadt wie An- 
tium; erst nach dem grossen Latinerkrieg kommt es in römische 
bände und wird -rrr- colonisirt^^^). Also erst von da an kann der 

829 

name Tarracina in aufnähme gekommen sein. Eine benennung der 
Stadt aber in letzterer weise vor jener zeit ist nicht denkbar. Zwar 
liesse sich dagegen anführen, dass Polybius nicht wörtlich und genau 
habe referiren wollen, daher auch den später üblichen namen Tarracina 
statt Anxur gewählt habe. Das aber wirft dann überhaupt ein un- 
günstiges licht auf die art, in welcher Polybius die Urkunden be- 
nutzte ^2), vielleicht kannte er sie nicht einmal aus autopsie. Nicht 
minder wichtig ist es, dass Rom mit Karthago vertrage in betreff 
Karthagos verfahren gegen gänzlich von Rom unabhängige, ja ihm 
feindliche gemeinden schliesst. Wie kommt Rom dazu, sich so für 
die volskerstädte Antium und Anxur zu interessiren? Deutet das 
nicht alles darauf hin , dass die polybianische Urkunde in einer zeit 
abgefasst ist, die von den ehemaligen Verhältnissen der Latium um- 
gebenden Völker kaum eine ahnung mehr hatte ?^^) Und dazu fasst 
die Urkunde alle namentlich a,ufgeführten städte unter den begriff 
»Latiner« 284). q]j^q anschauung, die einer sehr viel späteren zeit erst 
angehört. 
101 So müssen wir denn die polybianische Urkunde für gefälscht 
erklären; nicht zwar von Polybius, wol aber von seinen Zeitgenossen, 
unmittelbar vor dem dritten punischen krieg bei gelegenheit der di- 
plomatischen Verhandlungen mit Karthago 2®^). Ist es nicht auffallend 



279) 4. 59 j 8. 21. 280) n. h. 3. 5. 9; vergl. in der ausgäbe von 

Franzius 1778 die amnerkung zur steUe mit weiteren citaten. 

281) Liv. 8. 21. 11; vergl. auch Madwig: opusc. acad. p. 297, ^^ 
Marquardt 3. 1. p. 18 282) Darüber weiter unten. 

383) Der versuch Schäfers: rhein. mus. 16. p. 288 ff., und Asch- 
bachs p. 444 ff., die Verhältnisse der in der Urkunde verzeichneten städte 
aus der anderweitigen geschichte zu erklären, steht auf dem noch hypercon- 
servativen boden der kritik, gegen die ich auf buch 2. cap. I. und II- » 
buch 6. cap. IV. und spätere bücher, in denen über Antium, Auxur, Circeii 
und ihre colonisation gesprochen werden wird, verweise. 

284) Nach aufzählung der städte: juijd' äkkov fjy^diva Aarivtov. 

285) Mommsen: ehren, p. 274; darüber ein weiteres im verfolg. Schon 



Cap. VI.] Die bertlhnmgen Borns mit Griechen und Karthagern. 325 

genug, dass Polybius*®*) selbst sagt, von den drei ersten von ihm mit- 
geteilten Vertragsurkunden hätten weder die ältesten und kenntnis- 
reichsten Bömer, noch die gleichen Karthager, auch nicht der ge- 
schichtsschreiber Philinos etwas gewusst? Warum haben denn die rö- 
mischen annalisten jener zeit, ein Cato, Galpurnius Piso, Gellius u. a., 
gar nicht darauf rücksicht genommen und die gleiche Urkunde ge- 
sehen und benutzt? Denn es ist ausser durch Polybius von keinem eine 
ähnliche notiz auf uns gekommen. So scheint Polybius als Grieche 
mystificirt zu sein, wo der nüchterne Kömer eine fälschung erkannte, 
und Polybius hat hier der Urkunde mehr getraut, als den älteren 
annalisten; daher hat er den ersten vertrag in's jähr -^ gerückt, 
und zum jähre -^ von keinem gewusst. 

Den obigen ausffthrungen aber widersprechen Emil Müller und 102 
H. Nissen auf das entschiedenste. Ersterer steht in vielem noch auf 
sehr traditionsgläubigem Standpunkt, besonders wo er die ^m ersten 
vertrag erwähnten politischen Verhältnisse aus der so sagendunkeln 
tradition zu belegen sucht. Andre punkte seiner darstellung sind 
schon von A. Schäfer widerlegt worden 2®^). Nissen hat überhaupt 
die frage zuletzt — im jähre 1867 — behandelt. Seine begeisterte 
Vorliebe für Polybius ist bekannt ^^); er spricht sie auf's unver- 
holenste auch hier aus^^^). Ihm liegt es daher sehr am herzen, das 
erste polybische bündnis zu retten. 

Nissen wendet sich vor allem gegen Mommsens beweisführung. 
Wir lassen vorläufig die frage, ob drei, vier oder mehr vertrage an- 
zunehmen seien, ausser acht. Nissen stellt die Sachlage so dar: auf 
der einen seite steht ein urkundliches Zeugnis nach Polybiu^ ; auf der 
andren annalistische berichte, die nicht auf Urkunden, sondern auf 
alte aufizeichungen zurückgehen. Nissen ist dabei noch der irrtümlichen 
ansieht, dass die pontificaltafeln das älteste historische material ge- 
boten hätten^). Weil nun im jähre -~- officielle aufeeichnungen 



U. Becker: vorarbeiten zu einer geschichte des zweiten panischen krieges, 
1823, vergl. auch Dahlmanns forsch, auf dem gebiet der geschichte 2. 1, 
hatte die echtheit der Urkunde überhaupt in frage gezogen, allein ohne 
weitere gründe als die untunliche datinmg anzuführen. 286) 3. 26. 2. 

287) Vergl. unmittelbar hinter Müllers Vortrag die entgegnung Schä- 
fers p. 92ff. 

288) Yergl. sein6 krit. Untersuch, über die vierte und fanfte decade des 
Liivius. 889) Fleckeisens jahrb. 95. 383. 

290) Dagegen vergl. buch 1. cap. IL über die aedilicische chronik. 



326 Aenssere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 6. 

noch nicht gemacht wurden, so sei die notiz ttber jenes bttndnis nicht 
in die annalen übergegangen. Dem kann entgegnet werden, dass bei 
der ergänzung der ältesten Chroniken für die zeit der Vergangenheit 
gewiss alles vorhandene nrkondliche material benutzt wnrde. — 
Dann sucht Nissen die echtheit des urkundlichen datums jenes ersten 
bündnisses darzutun. Mit recht widerlegt er Mommsen darin, dass 
Polybius die Urkunden aus keinem gleichzeitigen historiker, etwa Gato, 
habe entnehmen können. Es lässt sich dafär auch anfahren, dass 
Polybius sich offenbar als entdeck er dieser Urkunden ansieht, wenn 
er^^) sagt, bisher hätte keiner der ältesten und hervorragendsten 
Römer und Karthager davon gewusst. Dies schliesst eine anfEÜirong 
in Catos geschichtswerk aus. Allein wenn auch die Römer kaum die 
alte spräche der Urkunde entziffern konnten, so vermochte es Poly- 
bius noch viel weniger; er war also auf seine römischen gehülfen zum 
zwecke der Interpretation oder Übersetzung in's moderne latein ange- 
wiesen. Und diejenigen beamten, die ihm im aufstöbern der Urkun- 
den dienten, mussten wol auch die Übersetzung besorgen; ihnen war 
er völlig Überlassen. 
103 Aber zur datirung zurück. Nissen verteidigt die angäbe des con- 
sulats des L. Junius Brutus und M. Horatius, die Polybius an- 
giebt. Dabei übersieht er aber nicht das bedenkliche des cognomen 
»Brutus« ; cognomina sind bekanntlich ein späterer zusatz^ und unter 
keinen umständen auf die erste zeit der republik zurückzuführen. 
Das hat aber Polybius nicht gewusst; wie es überhaupt den Römern 
nicht klar war; die moderne forsdiung hat es erst entdeckt. War 
also die Urkunde echt, so haben wir hier es mit einer fälschung der römi- 
schen interpretatoren für das Verständnis des Polybius zu tun. Eine 
fälschung aber ist schon ein sehr gravirendes moment^^^), — Nissen 
sucht den umstand abzuschwächen, dass Polybius hier die eponymen, 
bei der zweiten Urkunde gar keine und bei der dritten eine allgemeine 
datirung vermerkt habe. Er erklärt, dass Polybius in der römischen 
gesdiichte zwei hauptberechnungspunkte für die chrohologie gehabt 
habe: den gallischen brand und die landung des Pyrrhus. Daher 
habe er bei den beiden letzteren Urkunden kein jahresdatum gesetzt; 
zur ersteren aber, als jener zeit vorausliegend, habe er die eponymen 



391) 8. 26. 2. ^ Vergl buch 1. eap. I. und Mommsen: rbm. 

forsch, p. 47. 393) Der erklärungsversuch bei Aschbach p. 440 ist 

gar zu hypothetisch. 



Cap. VI.] Die berfihnmgen Borns mit Griechen und Karthagern. 327 

genannt Dies ist etwas willkürlich; denn wenn Polybius auch den 
gallischen brand als terminus ex qno annahm, so ist damit das datum 
der zweiten Urkunde noch in keiner weise näher gekennzeichnet. Seine 
interpretatoren mussten jedenfalls die eponymen der ersten Urkunde 
ganz besonders hervorgehoben haben. Dies mitsammt dem cognomen 
»Brutus« lässt dem argwöhn immer mehr räum, dass wir es mit einer 
absichtlichen mystification des Polybius zu tun haben. — Endlich jene 
ersten consuln. Hier weiss sich freilich Nissen nicht anders zu hel- 
fen, als dass er alle Polybius entgegenstehenden ansichten tlber den 
häufen wirft und mit Cicero^*) ausruft: »sequamur enim potissimum 
Polybium nostrum, quo nemo fuit in exquirendis temporibus diligen- 
tior!« Ja, wenn wir Cicero zum historischen Schiedsrichter nehmen, 
so sind viele unserer antiquarischen Untersuchungen überfltlssig. Hier 
aber handelt es sich gerade darum, eine so gründlich, wie von Momm- 
sen, angezweifelte aussage des Polybius zu untersuchen; da kann we- 
der subjective überzeugimg noch Cicero den ausschlag geben. Ueber 
den mythischen Charakter der Brutusgestalt sind die modernen ge- 
schichtsforschef — ausser etwa Gerlach und Bachofen — einig. Die 
Unvereinbarkeit der capitolinischen tempelweihe mit dem consulat des 
Horatius und Brutus hat Mommsen^^s) schlagend nachgewiesen. Wir 
brauchen nicht erst auf die völlige Verwirrung der fasten für das 
erste republik-jahr hinzudeuten. Wir haben gesagt, dass eine der- 
artige Urkunde in älterer zeit bei der grossen spärlichkeit ähnlicher 
den ältesten Chronisten, den plebeischen aedilen, bekannt werden 
musste. War dies der fall, so hätte eine solche Verwirrung der fasten 
unmöglich statt finden können, die noch dazu in keiner fassüng Bru- 
tus und Horatius gleichzeitig im amte fungiren lassen. 

Damit sind die Nissen'schen gründe erschöpft. Er hat demnach 104 
eigentlich nichts bewiesen, sondern nur behauptet, dass die ech- 
ten Urkunden des Polybius den annalisten und Chronisten unbekannt 
geblieben seien. Wir aber müssen aus inneren und äusseren gründen 
die oben ausgeführte anschauung durchaus bestätigen und damit zu- 
gleich den ersten der fünf Nissen'schen vertrage streichen. Der wirk- 
liche erste fällt also übereinstinunend mit Diodors und Livius angäbe 
auf das jähr -^. 

Fahren wir hier gleich in der Untersuchung der ferneren bünd- 
nisse fort. Die zweite Urkunde des Polybius ^^) wird von Mommsen 



»*) De rep. 2. 14. 295) Chron. 194 flf. 296) 3. 24. 3 ff. 



328 Aenssere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 6. 

448 

und Schäfer dem jähre -r- - zugewiesen und auch Nissen kommt zu 
diesem resultat. Warum er nun aber trotzdem in diesem punkte so 
sehr gegen Mommsen polemisirt, kann ich nicht einsehen. Dass Momm- 
sen seinen zweiten vertrag damit nicht meint, ist wol jedem klar, 
da Nissen diesen in's jähr -j^ legt. Das ist freilich nicht Momm- 
sens ansieht. Und warum man, wie Nissen sagt, ehedem die in der 
dritten Urkunde des Polybius ausgesprochene ratification eines frü- 
heren bündnisses auf den zweitletzt- und nicht den letztyorhergehen- 

406 448 

den vertrag — auf den von -^, nicht den von -^ bezog, sehe 

ich nicht ein. Bei neuschliessung eines bündnisses besteht zu rechten 
ja doch nur immer das zuletzt vorher geschlossene. Die zweite ver- 

448 

tragsurkunde also gehört dem jähre -^ an. Dafür sprechen auch 
alle indicien^»^). 

Die dritte Urkunde des Polybius ist einigermassen datirt und 
zwar etwa mit dem jähre -^. Somit haben wir die datirung dreier 
bündnisse erreicht. 

106 Zwischen diese schiebt Nissen ein viertes — bei ihm das dritte 

411 ' 

— ein und zwar zum jähre -^. Nach Livius^^) senden die Kar- 
thager in folge der römischen siege über die Samniter eine gesandt- 
schaft nach Rom, um zu gratuliren und ein weihgeschenk zu über- 
bringen. Schäfer vermutet, dass sie einen weiteren zweck, die Siche- 
rung ihres handeis an der campanischen küste, dabei gehabt hätten. 

Nissen entnimmt daraus und dass Livius die vertrage von -^ — 

den dritten und vierten nennt, es sei in diesem jähre ein neues bünd- 
nis geschlossen worden. 

107 Gegen diese annähme aber lässt sich folgendes geltend machen: 
Polybius nennt nur drei vertrage bis zur zeit des Pyrrhus. Freilich 
könnte er, wie Nissen meint, nur die Urkunden ausgesucht haben, 
welche speciell zur darlegung der rechtsfrage von Wichtigkeit waren. 
Allein ich stosse mich dabei an dieses: Polybius kann überhaupt von 
einem vertrag des Jahres -z^ keine kenntnis gehabt haben; er 
führt nämlich die zweite Urkunde als kripoLQ aov^rjxag ein. Nun ist 
mir zwar der Sprachgebrauch des Polybius nicht so geläufig, dass ich 
versichern könnte, irepog werde bei ihm nur in der bedeutung des 
lateinischen »alter« als eines von zweien gebraucht; sonst aber ist es 
das regelmässige; und es hier qualitativ zu fassen finde ich keinen 
grund, besonders da das temporale des begrififs durch das voraus- 



397) Yergl. besonders Aschbach p. 436 und Schäfer 15. 896; über den 
inhalt dieses Vertrages seiner zeit. ' ^^) 7. 38. 



Gap. YL] Die berührungen Roms mit Griechen und Karthagern. 329 

gehende fisrä Sk raOrac^ d. h. die an erster stelle erwähnte vertrags- 
Tirkunde, bestätigt wird. Auch diese vorhergehenden worte deuten 
auf die unmittelbare aufeinanderfolge des ersten und des zweiten Ver- 
trags bei Polybius, so dass die kenntnis eines dazwischenfallenden 
dritten ausgeschlossen ist. Einen solchen m ü s s t e aber Polybius kennen, 
wenn derselbe historisch und in den annalen-werken verzeichnet ge- 
wesen wäre. Somit hat die römische tradition älterer periode von 
einem vertrag im jähre -ttt- nicht gewusst. 

Mein auch sachliche gründe lassen sich gegen Nissens ansieht an- 
führen. Vorausgesetzt dass die erste polybische Urkunde echt wäre, 108 
was würde dann zu einem vertrage von -rrr- zugesetzt werden kön- 
nen? Vielleicht ein hineinziehen der campanischen küstenorte in den 
römischen schütz. Allein diese gehörten Rom noch in keiner weise 

448 

an; und selbst in der Vertragsurkunde von -j^-, als Gampanien längst 
römisch war, wird desselben nicht erwähnung getan, und nur latinische 
Städte werden als unter römischem schutzrecht gegenüber Karthago ge- 
nannt. £s lag also nichts vor, ein neues bündnls zu schliessen, da 
die küsten- und namentlich maritimen Verhältnisse dieselben wie im 

406 

jähre -^ waren. Ausserdem aber ist es ein auffallendes ding, dass 
innerhalb von fünf jähren, zwei grossstaten zwei bündnisse ziemlich 
gleichen inhalts schliessen, ohne dass irgend eine Störung des Ver- 
hältnisses vorläge; wir haben keinen grund, dasselbe hier anzuneh- 
men. Wir müssen daher die hypothese Nissens zurückweisen. 

In Wahrheit war jene karthagische gesandtschaft eine courtoisie 
gegen die kaum erworbenen und jetzt siegreichen bundesgenossen. 109 
Es war Karthago lieb, die Römer im vordringen zu sehen und da- 
durch im Süden und gegen die Griechenstädte freie band zu haben. 
Zugleich lag ihnen daran, nun das freundschaftsverhältnis möglichst 
fest zu halten, um römischerseits ein eingreifen in ihre plane zu ver- 
eiteln. Daher die demonstration einer gesandtschaft mit geschenken. 

Wie aber kam Livius dazu, dennoch einen dritten und vierten 
vertrag in den jähren -j~- und -^^ zu zählen? Es wird wol eher 110 
ein fehler seiner quelle gewesen sein. Wahrscheinlich urteilte diese wie 
Nissen und hielt für den zweck jener gesandtschaft von -^ eine er- 
neuerung des früheren bündnisses; wenn nicht inzwischen das erste 
von Polybius fälschlich datirte bündnis schon in die späteren annar 
len eingang gefunden hatte und stillschweigend mitgezählt wurde ^). 

2»9) Vergl. A'schbach p. 447. Vielleicht auch haben wir hier wieder 
die contaminirende tätigkeit des Macer vor uns, der das erste bfindnis nach 
Fabius Pictor angab, das zweite und dritte aber nach Antias, welcher sei- 



330 Aeussere geschichte bis za den Sanmiterkriegen. [Bnch 6. 

111 Das resultat unserer nntersnchong also ist, dass die von Monun- 
sen festgesetzte datimng der drei historischen bündnisse bis zum jähre 
sich dnrchans bewährt hat. Wir weichen nur in so fem von 



879 

ihm ab, als wir die erste Urkunde bei Polybius für eine fälschnng 
seiner zeit halten. 

112 Vielleicht dürfen wir auch eine entstellung des textes der zwei- 
ten Urkunde annehmen. Wir haben oben gesehen, wie Polybius mit 
bezug auf die interpretation dieser tafeln ganz den bänden der römi- 
schen beamten anheim gegeben war, da er gewiss in keiner weise das 
alte latein verstand. Den interpretirendeYi beamten waren die schwe- 
benden rechtsfragen jedenfalls bekannt. Nun wundert sich Polybius, 
dass Philinos im zweiten buche seiner geschichte erklärt habe, der 
vor dem ausbruch des ersten punischen krieges gültige vertrag — 
der zweite polybische — habe ausgesagt, die Römer hätten sich von 

. ganz Sicilien fem zu halten, während die polybische Urkunde dies 
nur von Sardinien und Afrika anführt. Andrerseits bemerkt Ser- 
vius^, die römisch -karthagischen bündnisse hätten bedungen, dass 
die Bömer sich von karthagischen, die Karthager von römischen meeres- 
ufem fem zu halten hätten, während Corsica als neutrale grenze an- 
zusehen sei. Mommsen^^) bezieht dies gewiss mit recht auf den ver- 

448 

trag von -^. Die werte des Servius aber scheinen sich für die dar- 
legung des Philinos zu erklären, denn sowol Sardinien als Sicilien 
hatte karthagische meeresufer, d. h. die Karthager sahen mittelst 
küstenbesetzung die insel als ihr eigentum an. Dass Philinos will- 
kürlich getäuscht hätte, haben wir keinen grund anzunehmen; als 
Agrigentiner stand er zwischen den kämpfenden staten im ersten 
punischen krieg; die sicilischen städte waren eher noch den Römern 
als den Karthagem ihren uralten feinden hold. Nun war die ge- 
nannte bestimmung wichtig, um festzusetzen, wer durch Überschrei- 
tung des Vertrags den ersten punischen krieg herbeigeführt hatte. 
War die darstellung des Phiünos richtig, so hatten die Römer durch 
ihre landung auf Sicilien unter Ap. Claudius Caudex den vertrag ge- 
brochen. Wie leicht war es da für die iaterpretatoren jener uralten 
Vertragsurkunden, Sicilien aus seiner Verbindung mit Sardinien im 
text zu lösen und statt dessen neben Karthago hinzustellen; damit 
war das odium von den Römern gewälzt. Ich spreche hier nur von 
der möglichkeit, dass Polybius auf diese weise getäuscht wurde, und 

nerseits wol das erste polybische schon mitzählte. Dass Macer livianische 
quelle zum zweiten bündiüs war, vergl. buch 8. § 73 ff.; ausserdem buch 1. 
§ 3 ff. m) Zar Aeneis 4. 628. ^oi) Eöm. gesch. 1^. 419 note. 



Gap. VI.] Die berfihmiigen Roms mit Griechen und Karthagern. 331 

Philinos und Servius scheinen dafilr zu zeugen. Diese annähme frei- 
lich ist für die geschichte der punischen kriege von umwälzender be- 
deutung. Immerhin lag der römischen neigung gewiss nichts näher, 
als, auf kosten der Wahrheit sogar, ihre sache in ein günstiges licht 
zu stellen. 

Was nun den inhalt des ersten Vertrags betrifft, so sind wir darin 113 
sdilecht gestellt, dass wir die erste polybische Urkunde als echt nicht 
anerkennen können. Doch ist sie, wie es scheint, nicht gar zu un- 
wahrscheinlich erfunden, was das Verhältnis Boms zu Karthago und 
umgekehrt betrifft. — Vor allem dürfen wir wol annehmen, dass nach 
dem Vorbild der zweiten Urkunde wir es nicht mit einem schütz- und 
trutz-bündnis, sondern mit einem handeis- und verkehrs-vertrage zu 
tun haben. Es wird auch wol demnach wahr sein, dass das west- 
liche mittelmeer den Römern verboten wurde, dass freier verkehr bei- 
der Völker in den gegenseitigen territorien erlaubt sei, wo hinein wol 
von römischer seite auch die latinischen und hemiMschen bundes- 
genossen eingeschlossen waren. Dazu kam wol das verbot von er- 
oberungen auf gegenseitigem und eine beschränkung derselben auf 
bundesgenössischem gebiet, wie das auch in der zweiten Urkunde aus- 
gesprochen ist. 

Wie gesagt, die Römer waren ohne zweifei bereit zu solchem 114 
vertrag, um von der griechischen seeräuberei befreit zu werden; wäh- 
rend die Karthager solche bedingung wol für wünschenswert erach- 
teten, nachdem die Römer in den besitz von Caere und dessen hafen- 
stadt Pyrgi gekommen waren *>*). Von dort aus konnte ihnen leicht 
der gedanke kommen, die gegenüberliegenden inseln, besonders Sar- 
dinien, welches von den Karthagern colonisirt worden war, zu be- 

447 
sitzen, wie da^ etwas später - vor — - auf Corsica, dem neuta-alen 

gebiet, von den Römern, wenn auch ohne erfolg, versucht wurde 3^'). 

Ob wir, wie Mommsen^ es tut, diesen vertrag als eine demütigung 

Roms anzusehen haben, möchte zweifelhaft erscheinen. Abgesehen 

davon, dass wir den Wortlaut des ersten bündnisses nicht anerkennen, 

scheint in den gegebenen Verhältnissen nichts zu liegen, wodurch der 

vertrag den Römern eine hemmung in ihrer bewegung auferlegt hätte. 

Ganz Italien blieb nach wie vor ihrer politik überlassen. Ob sie 



^ Dessen colonisirung Mommsen dieser zeit zuschreibt; vergl. oben 
§ 90. note. sos) Vergl. Theophrast hist. plant. 5. 8. 

304) Rom. gesch. 1^ p. 417. 



332 Aenssere geschichte bis zu den Samniteikriegen. [Bach 6. 

überhaupt jemals schon die absieht gehabt hatten, das mittelmeer in 
ausgedehnterem masse zu befahren, ist bei ihrem mehr binnenländi- 
schen Charakter sehr fraglich, und verpflichteten sie sich, die kar- 
thagischen interessen nicht zu schädigen, so wurde ihnen die gleiche 
Zusicherung zu teil, die noch dazu bedeutsamer war, da die kartha- 
gischen flotten leicht und oft die küste von Latium und Born beun- 
ruhigen und yerheeren konnten, während die Bömer den Karthagern 
gegenüber, ohne eine eigentliche flotte zu besitzen, ohnehin ganz 
machtlos waren. So lag der grössere yorteil auf seiten der Römer, 
deren augenmerk ja vorläufig nur auf Italien gerichtet war. Jene 
Mommsen'sche anschauung hängt mit der annähme zusammen, dass 
Rom schon früh einen ausgedehnten seehandel getrieben habe; diese 
aber stützt sich allein auf die gefälschte erste Urkunde des Polybius 
mit ihrer datirung aus dem anfang der republik. Mit derselben fällt 

jene annähme, und dadurch wird auch Mommsens obige ansieht 
haltlos 305), 



CAP. vn. 

Resame der ereignisse und äusseren politik. 

115 

Fast zwanzig jähre ^ hatten die Römer in frieden gelebt Der 
etzte feindliche zusammenstoss hatte mit den Praenestinem im jähre 
-^ stat* gefunden 3^). Im inneren des states hatte es inzwischen 
stark gegährt, und der Ständekampf war zu einer gewissen entschei- 
dung geführt worden. Danach war völlige ruhe eingetreten; und erst 
im jähre -— - erschreckte die künde von einem neuen anrücken der 
Gallier Rom aufs äusserste. Das Verhältnis zu den Latiaem und Her- 
nikem war bisher nicht intimer geworden, als es vorher gewesen war. 
Die beiden letzteren Völker hielten sich in unabhängiger ferne von 
Rom, ohne jedoch zu tatsächlichen feindseligkeiten zu gelangen. Wir 
haben gesehen, dass, wo gemeinschaftliche interessen der Römer und 
Latiner in frage gestellt waren, beide Völkerschaften auch band an- 
legten sowol zur Verteidigung als zum angriff; so gegen die Yolsker 



305) Vergl. Aschach p. 431. 

306) Wenn wir den problematischen fiberfall Tusculums durch die Prae- 

877 

nestiner im jähre -r==- ausser acht lassen. 

807) Vergl. buch 2. § lö9, 160; dazu buch 3. § 43 ff. 



Gap. YU.] Besame der ereignisse und äusseren politik. 333 

und Aequer^^). Nur wo Borns interessen allein im spiele waren, 
da erklärten sich die bandesgenossen los von der Verpflichtung mili- 
tärichev Unterstützung; natürlich zu Borns grossem ärger, welches nun 
nicht gleich wirksam nach norden zu seine macht und grenzen aus- 
dehnen konnte**). 

Erst das oben erwähnte neue anrücken der Gallier tm jähre 116 
yereinigte die bundesglieder waiigstens zu nomineller gemein- 



sei 
Schädlichkeit. Der ungeheure schrecken, der dem namen der Gallier 

voraus lief, liess alle bisherigen entzweiungen vergessen. Dennoch 
aber hatten die verbündeten ihre trappen nicht vereinigt, als die 
Gallier nun wirklich am Albanergebirge erschienen, ein umstand, der 
wol der Schnelligkeit der feinde zuzuschreiben war. Die Bömer wag- 
ten sich in folge dessen nicht aus ihren mauern heraus, sondern be- 
obachteten den feind in Untätigkeit. Derselbe zog denn auch bald 
mit seinem raube in die heünat ab^^^). 

Wiederum traten einige fnedensjahre ein. Im jähre ----- sehen 117 
wir dann aber die Bömer auf einen kriegs- und beutezug gegen Fa- 
lerii begriffen. Den grund mögen grenzstreitigkeiten gegeben haben; 
wir wissen weiter nichts darüber. Die Falisker hielten sich inner- 
halb ihrer mauern und wagten keinen offenen kämpf. Nach Plün- 
derung und Verwüstung des landes zogen dann die Bömer zurück ^^^). 

In folge dieses ereignisses vereinigte sich wol Falerii mit Tar- 
quinii, welches jenseits des ciminischen waldes lag, und möglicher- 
weise noch andren etruskischen gemeinden zu einem grossen raub- 
einfall in's römische gebiet, welcher im jähre -^ in*s werk gesetzt 
wurde. Bis an den Tiber drangen die feiadlichen scharen vor, ohne 
dass dies mal die Bömer ihnen entgegentraten. Diese hofften viel- 
leicht auf Unterstützung von den Latinem, allein vergebens. So trau- 
ten sie sich denn nicht allein der masse der feinde entgegen und 
Hessen die letzteren unbelästigt wieder heimkehrend^). 

899 

Zum folgenden jähr, -— r-, wissen wir von keinen kriegerischen 118 
ereignissen, wenn wir nicht etwa schon den ausbruch eines neuen 
Aequerkrieges gegen Tibur und Praeneste in dieses jähr verlegen 
sollen, dessen beendigung für das nächste jähr constatirt ist. Nach 
etwa 25jähriger ruhe sehen wir die Aequer wieder in waffen gegen 
Born und Latium, und wie es scheint in sehr fester einheit und zahl- 



308) Buch 2. cap. H, HI. und IV. 809) Buch 2. cap. V. 

310) VergL cap. I. 3ii) Cap. V. 3i2) Cap. V. 



334 Aeussere geschidite bis zu den Samniteikriegen. [Bach 6. 

reicher yertretnng. Praeneste wird sich wol nach seiner grossen nie- 

874 

derlage des Jahres -^ einigermassen erholt haben. An der spitze 
des bnndes aber scheint Tibnr gestanden zu haben. Ueber den ver- 
lauf des krieges wissen wir weiter nichts; doch kann derselbe für die 
Aequer nicht gerade günstig gewesen sein. Der rOmisdie feldherr 
M. Fabiüs Ambustus triomphirte in folge dessen. Die Medensbedin- 
gnngen können wir nur aus dem umstände entnehmen, dass fortan die 
Städte Tibur und Praeneste nicht mehr als aequische, sondern als la- 
tinische bundesstädte erscheinen. Daher ist es wahrscheinlich, dass 
Tibnr und Praeneste bewogen wurden, sich dem römisch-latinischen 
bunde in der weise anzuschliessen, dass sie mit den latinischen bun- 
desstädten gleiches recht und völlige eigene autonomie hatten, allein 
fortan mit den Latinem gemeinsame sache gegen gemeinsame feinde 
machen sollten. Dadurch war flir Latium und Bom eine feste schutz- 
wehr gegen fernere aequische einMe gewonnen und den Aequem 
selbst ihre besten städte und festungen genommen^^'). 

119 Hatte Latium sich auf diese weise nach osten hin erweitert, so 
hatten die Bömer nun ihre äugen nach norden gewandt. Im selben 
jähre, -^j^, scheint ein fireibeuterzug von Tarquiniem gegen das rö- 
mische gebiet unternommen worden zu sein, während die Gaeriten 
oder wenigstens einzelne derselben jenen Tarquiniem im eigenen ge- 
biet Schlupfwinkel für den raub und eine günstige rückzugslinie dar- 
boten. Die Römer aber scheinen jene scharen überfallen und ihnen 
wenigstens 260 gefangene abgenommen zu haben. Diese wurden in 
Rom auf dem Forum öffentUch hingerichtet, zum warnenden exempel 
bei ähnlichen vorfallen. 

120 Darauf forderten die Römer aufs energisdiste rechenschaft von 
den Gaeriten und rüsteten sich zu einem kriege gegen dieselben. 
Die Gaeriten entsandten eine gesandtschaft nach Rom, die sie ent- 
schuldigen und um Schonung bitten sollte. Die Römer aber, denen 
das caeritische gebieft gewiss längst als ein begehrenswerter besitz er- 
schien, forderten nun vor allem abtretung des halben caeritischen ge- 
biets. Dann fügten sie als weitere strafe hinzu, dass die Gaeriten 
aufhören eine sondergemeinde zu bilden und als bürger in den rö- 
miscihen stat aufgehen sollten. Doch wurde denselben nicht das volle 
bürgerrecht, sondern ein hier zum ersten mal vorkommendes halb- 
bürgerrecht aufgedrungen, wonach sie dieselben pflichten und lasten 

«13) Cap. II. 



Cap. Yn.] Besame der ereignisse and äosseren politik. 335 

wie der vollbttrger tragen, von dessen rechten aber nur commerciom 
und conubiom, dagegen keinerlei active oder passive politischen rechte, 
wie wähl- und Stimmrecht, ausüben sollten. Es ist das die ciuitas 
sine suffragio et honore. Caere wurde demgemäss ein municipium 
mit schlechtestem rechte, zugleich eine praefectura, indem nun ein 
praefectus iuri dicundo vom römischen praetor deputirt wurde, in 
jener Stadt recht zu sprechen. Diese entscheidung scheint im jähre 
^^^ zur endgültigen executiou gekommen zu sein. Im selben jähre 



95S 

wurden in Rom die wol noch vom gallischen brande her yerÜEÜlenen 
mauern und türme der Stadt, ob in gesammtheit oder blos teilweise, 
wiederhergestellt; das vordringen der Etrusker bis in die nähe der 
Stadt am Tiber hatte wol die Körner auf diesen mangel aufinerksam 
gemacht ***). 

400 

Wichtig ist übrigens auch, dass im jähre -^ das erste bündnis 121 
zwischen den Sanmitem und Bömem, oder vielmehr wol den römisch- 
latinisch-hemikischen bundesgenossen, zu stände kam. Dadurch war 
die existenz der Aequer sowol als der Yolsker äusserst gefährdet; 
denn zwischen den mächtigen Völkerschäften eingekeilt, mussten sie 
einem bündnis derselben offenbar zum raube fallen'^'). 

Fünf jähre später, -^jj-, bei gelegenheit des Zusammentritts des 122 
drei-völker-bundestags im ferentinischen hain, beschwerten sich die 
Römer darüber, dass die bundesgenossen ihnen in ihren Etrusker- 
kriegen keine hülfstruppen geschickt hatten. Allein die andren bun- 
desvölker erklärten, nur bei gemeinschaftlichen angelegenheiten ihre 
hülfe leisten, nicht aber nur der vergrösserung und machterweiterung 
eines einzelnen states dienen zu woUen'^^. , 

Als aber unmittelbar darauf die Gallier von neuem in Latiumi23 
einfielen, standen sämmtliche bundesheere zusammen, bereit, den kämpf 
mit den gefürchteten feinden auMnehmen. Als sie aber sich gegen 
letztere in bewegung setzten, entfernten sich die Gallier schleunigst 
und zogen in ihre heimat zurück. Dreizehn fernere jähre blieben die 
bundesgenossen unbelästigt von den Gralliem. Inzwischen hatte sich 
das machtverhältnis sehr zu Roms gunsten geändert, und daher hiel- 
ten es denn die Gallier für das beste, frieden und vertrage mit den 
Römern abzuschliessen, also im jähre -^ ). 

In demselben jähre zeigte sich auch eine griechische piraten-i25 
flotte an der küste Latiums, zog aber, als es dieselbe gut bewacht 



3U) Cap. V. wö) Cap. IV. «i«) Cap. UL »") Cap. L 



336 Aeossere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 6 

fand, wieder ab. Die folge davon jedoch war ohne zweifei ein bündnis 
Borns mit Karthago, das die gegentlberliegenden haf enplätze von Sar- 
dinien und Corsica inne hatte, höchst wahrscheinlich zum zwecke der 
Unterdrückung der piraterei im tyrrhenischen meere. Jenes bündnis 
war das erste seiner art. Die angäbe des Polybius über ein älteres 
mit sammt der von ihm citirten Urkunde desselben ist falsch und apo- 
kryph ^i»). Noch war ein solches bündnis für Rom nicht von weiterer 
bedeutung. Koms und Karthagos interessen berührten sich im übri- 
gen zu wenig, als dass man in diesem bündnis ein anbahnen der spä- 
teren Verhältnisse erblicken könnte, zumal es vor dem ersten puni- 
schen kriege noch zwei mal erneuert wird. Allein das erkennen wir 
doch darin, dass Bom seine blicke schon über die eigentlichen grenzen 
Latiums und der nächsten Umgebung ausdehnte. Wie bei dem Sam- 
niterbündnis sehen wir es auch hier: Bom fängt an grosse politik zu 
treiben. Es wird sich seiner inneren kraft mehr und mehr bewusst 
und beginnt danach zu handeln. 

125 Mit bitterer eifersucht haben das jedenfalls die latinischen bun- 
desstädte mit angesehen und daher wol auf ihre Selbständigkeit Bom 
gegenüber gepocht. Bom hat sich's gefallen lassen und inzwischen 
sowol an der volskischen grenze zwei neue tribus gegründet, als im 
norden den ganzen reichen caeritischen stat incorporirt, wodurch es 
gewiss beinahe um % des alten gebietes sich erweiterte. Fortan war 
es fOr die einzelnen Latinerstädte unmöglich, Bom entgegenzutreten. 
Sie mussten fest zusammenstehen, um etwas zu erreichen. Das scheint 
sich denn auch schon auf jenem bundestag von -— - geltend zu machen. 
Und wer weiss, ob dort nicht schon die ersten heimlichen abmachun- 
gen zum zwecke eines allgemeinen aufstandes statt fanden, wie er 
neun jähre später ausbrach. 

126 Seit dem jähre ---- hatten sich die Volsker ruhig verhalten. 
Ihre damalige niedenage scheint die ganze kriegsmannschaft gebro- 
chen zu haben; denn volle dreiundvierzig jähre halten sie sich still, 
während die Bömer sich in den ihnen abgenommenen grenzdistrikten 
wohnlich einrichten. Dann im jähre -— erheben sie sich plötzlich 
unter der führung der seestadt Antium. Sie dringen gegen die nächste 
römische grenze bei dem volskischen Satricum vor und lagern sich 
dort, als das Bömer- und Latinerheer heranzieht. Bei Satricum 
kommt es zur schlacht; die Volsker werden in die stadt hinein- 



318) Cap. VI. 



Cap. yn.] Besame der ereignisse und äussern politik. 837 

geworfen, dann aber die Stadt von den Römern gesttlrmt und ein- 
geäschert, während die Yolsker sich weiter südwärz auf Antium zurück- 
ziehen. Der consul kehrt siegreich mit vielen gefangenen zurück und 



triumphirt. Darauf wird Satricum wieder aufgebaut, und nun zur la- 
tinischen colonie hergestellt. Damit hat Latium nach dieser seite die 
grenzen erreicht, welche es im Latinerkrieg inne hat, und die fälsch- 
lich als die uranfänglichen bezeichnet werden'^^). 

Doch war hiermit der krieg nicht beendet. Zwar waren im 127 
Westen die Yolsker zurückgeworfen; daftlr scheinen sie im folgenden 

409 

jähre, -^1^, ihre macht gegen den osten des latinisch -hemikischen 
bündnisses geworfen zu haben, denn zu diesem jähre wird die er- 
oberung Soras im oberen Liristal an der nordost-ecke des Yolsker« 
landes durch die Römer gemeldet. Die bundestruppen scheinen also 
einen volskischen einfall an dieser seite gleichfalls zurückgeschlagen 
und wie im westen Satricum so hier Sora erobert zu haben. Letz- 
teres wurde nach einiger zeit gleichfalls zur latinischen colonie ge- 
macht; doch muss dies nach dem grossen Latinerkrieg statt gefunden 
haben. Bis dahin hielten wol bundestruppen die Stadt besetzt'^). 

Damit haben wir die kriegerischen ereignisse und die auswärtige 128 
politik Roms in ihren historisch constatirten punkten kennen gelernt. 
Es ist nicht ohne interesse bei dieser gelegenheit zu erwähnen, wie 
unblutig diese ganze zeit für Rom war. Nur eine Schlacht ist con- 
statirt, die von -^ vor Satricum. Für das folgejahr dürfen wir auch 
wol eine annehmen, und wol noch eine im Aequerkrieg. Das aber ist 
alles, denn aUe übrigen kriege sind unblutig, wenigstens ohne Schlacht 
abgelaufen, so wol die Gallier- als die Etrusker- und Faliskerkriege. 
Der Zeitraum aber, den wir vor uns haben, umfasst dreiundzwanzig 

jähre, von -^ ^. Eine solche, verhältnismässig wenig durch 

äussere unruhen bewegte zeit bot natürlich Rom gute gelegenheit, 
sich in den neuen acquisitionen zu befestigen, wofür das beste 
zeichen die später zu besprechende errichtung zweier neuer tribus 
auf ehemaligem Yolskergebiet ist. 

Und der unmittelbare und mittelbare fortschritt der römischen i29 
machtverhältnisse in diesem Zeitraum ist wahrhaft bedeutend. War 
jn der früheren zeit nach dem gallischen brande nur zweierlei von 
unbedeutender ausdehnung gewonnen worden, nämlich das pomptinische 
gebiet, nördlich von Satricum und zwischen Ardea und Lanuvium, und 



819) Cap. IV. «30) Cap. IV. 

OlMon, rdm. geaoh. I* 22 



338 Aeussere geschichte bis zvl den Samniterkriegen. [Buch 6. 

Tuscnlum mit seiner kleinen feldmark; so kommt in dieser periode 
das bedeutende gebiet Caeres hinzu, das die früheren erwerbmigen 
beinahe um das dreifache übertrifft. Allein auch die mittelbaren 
maditzuschüsse sind nicht zu yergessen, die dem latinischen bunde 
zufielen. Wenn diese auch zu an&ng nicht unmittelbar Roms macht 
erweiterten, so fielen sie doch bald darauf demselben zu in der ge- 
stalt untergebener bundesgenossen. In der yorigen periode haben wir 
die anläge der colonie Setia im ehemaligen Yolskerlande kennen ge- 
lernt. Dazu aber konmien in unserer epoche Satricum und Sora 
hinzu, die nun mit Setia wie grenzpfäle dastehen. Femer aber von 
gleicher oder noch grösserer Wichtigkeit ist die hereinziehung Tibnrs 
und Praenestes in den latinischen bund, wodurch nun auch gegen die 
Aequer eine unüberwindliche mauer gezogen war. So war denn Rom 
und Latium nun nach allen selten mit festungen umgeben und ge- 
deckt. Nur die Tiberstrasse, auf welcher die Galliereinfälle gewöhn- 
lich stattfEmden, stand noch offen. Die gründung der colonie Narnia 
daselbst gehört erst einer späteren zeit an. 
130 Die durch die annexion Caeres gewonnene rergrösserung des rö- 
mischen gebiets berechneten wir zumeist auf 20 deutsche a meilen. 
Dazu kommen etwa 4 a meilen ehemaligen praenestinischen gebietes, 
welche die tribus Publilia ausmachten 3^^^), so dass das ganze jetzt eine 
ausdehnung von ungefähr 66 deutsdien a meilen erreicht hatte. Da 
nun die ganze caeritische bevölkerung in das römische bürgertnm 
wenn auch mit beschränkungen übergegangen war, so hatte die rö- 
mische bürgerschaft einen der gebietserweiterung durchaus ent- 
sprechenden Zuwachs erfahren. Wir haben die seelenzahl am ende 
der vorigen epoche als auf 170,000 etwa ansetzen zu müssen geglaubt 
Diese als bürgerbevölkerung auf 32 a meilen würde auf 20 a meilen 
etwa 100,000 einwohner ergeben. Doch können wir die vergrösserung 
der bürgerzahl nicht so hoch beziffern, da wir nach massgabe der 
truppenzahl Roms im jähre -^^ früher eine gesammtbürgerschaffc von 
circa 250,000 berechneten 3^. Entweder also ist die annähme der 
gebietsvergrösserung zu hoch angesetzt, oder das gebiet Caeres war 
nicht so stark bevölkert als das römische; doch ist bei so ungefähren 
angaben der unterschied von 100,000 und 80,000 nicht zu betonen. 
Der bürgerschaftszuwachs betrug demnach etwa 80,000 seelen, wo- 
durch die römische truppenzahl auf 10 legionen feldsoldaten a= 45,000 



331) Vergl buch 7 § 105. 333) Yergl. budi 2. § 39. 



Cap. Vn.] Resoine der ereignisse und änssem politik. 339 

mann und 5 legionen reservisten = 22,600 mann, nach abzng der 
greise über 60 jähren, der krüppel und capite censi, stieg ^^^): eine 
für damalige Verhältnisse bedeutende trappenmacht, auf welche ge- 
stützt ein stat schon weitergreifende plane in's äuge fassen konnte. 

Doch darf nicht etwa angenommen werden, Born habe nun schon 131 
mit bewusster absieht die kommenden Samniter- und Latinerkriege 
gewollt. Wie im inneren so auch im äusseren statsleben war Bom 
gesund und naturwüchsig, nicht krankhaft speculativ. Unbewusst lei- 
tete der gesunde politische takt des Volkes die äussere und innere 
Politik, die hauptsächlich in der glücklichen ausnutzung des augen- 
blicks bestand. 



883) VergL buch 2. § 39. 



22* 



SIEBENTES BUCH. 

INNERE GESCHICHTE VON DEN LICINISCHEN GESETZEN 

BIS Zu DEN SAMNITEMRIEGEN 



388 411 



866 343 

CAP. L 

Die magistrataren und der kämpf darnin. 

Wir haben gesehen i), dass im jähre -j^ die consuln etwa am 
1. august ihr amt antraten, nachdem durch die summe der verschie- 
denen interregnen in der licinischen conflicts-zeit ein jähr ungefähr 
ohne reguläre eponymen gewesen war^). Es war das erste maJ, dass 
ein plebeier die consulwürde erlangte: ein von den plebeiem nach 
langem kämpfe errungener sieg, der aber zugleich die einschränkung 
der consulmacht durch abzweigung des gesammten gerichtswesens in 
der praetur und curulischen aedilität zur folge hatte. 

Als erste träger dieses auf solche art modificirten consulatsi wer- 
den von den quellen genannt: L. Aemilius Mamercus^) oderMa- 
mercin us*) und L. Sextius, der ehemalige volkstribun und College 
des C. Licinius Stolo^). 

Was die Zuweisung der beiden an erster oder zweiter stelle be- 
trifft, so weichen darin die quellen von einander ab. Diodor und die 
fasten-angaben stellen Aemilius an erste, Sextius an zweite stelle; um- 



1) Vergl. buch 3. § 9. und buch 4. cap. III. 

2) Vom 2ö. juli -|^ bis zum 1. august -j^ sind vier eponyme, fünf 
f&ll- und ein interregneigahr nebst einigen tagen. 

3) So Diodor lö. 82; Livius 7. 1 und Cassiodor. 

*) Wie wol im gründe richtiger; so fasti capit., chronogr. von 354, fasti 
Hispani und chron. paschale , letzteres zum jähre -^ . 
5) Vergl. buch 3. § 14 ff. 



Gap. I.] Die magistratoren und der kämpf darum. 341 

gekehrt Lmus und Gassiodor. Die frage ist, wer von beiden »coEsul 
prior renuntiatus« war^). Für die livianische darstellimg liesse sich 
anführen, dass die plebeier vor allem zuerst darauf bedacht sein muss- 
ten, ihren candidaten zu sichern. Allein es hing von dem ausfaU der 
jedesmaligen centurien- und tribus-abstimmung über die praesentirten 
candidaten ab, welcher von beiden zuerst die erforderliche stimmen- 
zahl erhielt. Derselbe wurde nämlich dann an erster stelle renuntürt. 
Nun haben wir gesehen, wie auch während des licinischen conflicts 
dennoch die masse der stimmberechtigten plebeier so teilnahmslos an 
der Sache ihrer vornehmen standesgenossen war, dass sie nur patri- 
cische consular-tribunen ernannten^). Jedenfalls lag dem damaligen 
römischen volke, auch der plebs, eine grosse achtung vor den höher 
geborenen und bevorrechtigten im State zu gründe. Dieser umstand 
macht, es dann besonders neben Diodors zeugnis wahrscheinlicher, 
dass Aemilius als dass Sextius »consul prior« geworden sei. 

Als erster praetor des amt^jahres -r^ -^ wird Sp. Fu- 

rius Gamillus, der söhn des berühmten M. Gamillus, genannt^)* 
Ob derselbe wirklich ein söhn jenes heroen ist, kann bezweifelt wer- 
den. Wir haben gesehen, dass die ältesten fasten, wie sie noch 
Diodor vorlagen und jedenfalls von Fabius Pictor überliefert sind^), 
überhaupt nur vor- und gentil-namen aufwiesen, dass daher die bei 
Livius so häufigen, aus Licinius Macer entlehnten i^) cognomina und 
angaben von vater und grossvater, ebenso wie dieselben in den capi- 
tolinischen fasten nur auf späterer erfindung und willkürlicher zu- 
fügung beruhen. In den ältesten fasten also wird wol nur verzeichnet 
gewesen sein: »Sp. Furius Praetor«, daher eine Verwandtschaft 
zwischen diesem und M. Furius Gamillus nicht nachweisbar ist. Die 
furische familieneitelkeit hat wol erst den nahen Zusammenhang der 
verschiedenen Furii aus der zeit des Gamillus mit diesem hergestellt. 

Die ersten curulischen aedilen sind nach Livius i^): Gn. Quinctius 
Gapitolinus und P. Cornelius Scipio. Nach dein berichte des Li- 
vius ^2) waren es jüngere leute aus der zahl der patricier, welche die 



6) Darüber Lange 1. 617; 2. 493 und die dort angefahrten citate. 

7) Vergl. buch 3. §. 42; vielleicht weil nur solche candidaten praesen- 
tirt wurden. 

8) Livius 7. 1. 2; er ist nicht mit dem livianischen consular-tribun Sp. 

Furius des Jahres -— (vergl. Liv. 6. 31) zu verwechseln, da dieser nach 
Diodor 1^. 57 viehnehr L. Furius hiess; vergl. buch 3. § 42. 

9) Vergl. buch 1. cap. L lo) Vergl. a. a. 0. li) 7. l. 2. 1») 6. 42. 



342 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

aedilit&t antraten. Wir dürfen daher wol ohne zweifei dies amt als 
die erste amtstätigkeit derselben ansehen. Wir haben gesehen, dass 
in dem ersten amtsjahre die firage über den znlass der plebeier znr 
cnndischen aedilität sich geltend machte, und dass nun festgestellt 
wurde, dass fortan die besetzung Jahr nm jähr dem einzelnen stände 
zustehen solle, allein so, dass von dieser bestimmung an doch die 
patricier den Vorgang hatten, so dass wir Air beide jähre, -rtr- nnd 

S89 180 ^^ 

-TTT-, patricische aedilen anzunehmen haben, während erst -— -plebeisdie 
enml-aedüen antraten "). 
6 Auch censoren müssen im eponymen-jahr ^^^^ im amte ge- 
wesen sein, denn einmal erwähnt Livins^^), dass im folgenden jähre 
ein censor an der pest gestorben sei^^); und ausserdem geben die 
capitolinischen fasten zu unserem jähre die namen beider cenB<»'» 
an, nämlich [Postumius] Regillensis Albinus und G. Sulpi- 
cius P oticus. Dass censoren in diesem ersten jähre inneren frie- 
dens nach annähme der gesetze sehr am platz waren, geht daraus her- 
vor, dass das sdiuldengesetz eine verhältnissmässige Umwälzung in 
den yermögensverhältnissen hervorgerufen hatte. Dies madite eine 
neue einschätzung nötig. Die letzte censur hatte in dem jähre 
^^_jj statt gefunden 1*). Die Identität jenes Postumius Regillensis 
Albinus ist nicht festzustellen, da in den capitolinischen fasten der 

S7S 

vomame verloren gegangen ist. Livius") citirt zum jähre i;ir-zwei 
Postumü Regillenses, mit vomamen Aulus und Lucius^®). Möglidier- 
weise ist der censor mit einem von beiden zu identificiren. Was den 
andren censor 0. Sulpicius Peticus betrifft, so ist er wol d^ consul 

, . , 390 19\ 

des jahres-j^ ). 
6 Im jabre ^^^^_^ werden als consuln genannt: L. Genucius 



13) VergL buch 6. cap. n. ") 7. 1. 8. 

ifi) G. de Boor: fasti censorii p. 68 £f. wandert sieh, dass die capitoli- 
nischen fasten nichts darüber sagen und ist in folge dessen geneigt, statt 
eines censor einen censorius sterben zu lassen. AUein hier können doch 
gewiss nicht die feisten den ausschlag geben. Die annalistischen auÜEeich- 
nongen gehen hier ohne zweifei auf echte and alte sacnd-aofiEeklmangen 
zurück, deren Zusammenhang mit den aedilicisehen jahrbüc&em des Geres- 
tempels Nitzsch nachgewiesen hat. Yergl. buch 1. cap, n. 

1«) VergL buch 2. § 188 und 147. i^ 6. 22. 

19) Auch Diodor 15. 48 hat sie, jedoch ohne cognomen. 

19) Nach Liv. 7. 2. 1; Diodor 15. 95; fosti capit.; ver^L auehG. de 
Boor: fasti censor. p. 60. 



Gap. L] Die magistratiiren und der kämpf darum. 343 

und Q. Servilius, ersterer als plebeier. Dieses mal ist das voran- 
stehen des plebeiers allgemein bezeugt. Es sei hier bemerkt, dass 
die Priorität in den ersten jähren des gemischten consulats bis ^^ 



865 

von jähr zu jähr mit den ständen abwechselt. Erst durch die Störung 
des gleichgewichts und das wieder-vorkommmen rein patricischer con- 

899 

sulate seit -^^ verschwindet diese gleichmässige Verteilung, auch 
als regelmässig wieder einer der consuln plebeier ist. L. Genucius 
tritt hier zum ersten mal auf. Sein College Q. Servilius*^) ist viel- 
leicht der consular-tribun von -— g- und -^ ). — Andre beamte 
sind dem namen nach nicht bekannt. 

Im folgenden jähre, -—-, treten der oben ^2) genannte C. Sul- 7 
picius Peticus und C. Licinius den consulat an. Was den letz- 
teren betrifft, so haben wir schon die Varianten der berichte über die 
identität desselben kennen gelernt^). Da die ältesten angaben wol 
gar keine cognomina enthielten, so sind die zusätze von Stolo oder 
Calvus willkürlich. Wir haben zwei C. Licinii kennen gelernt: den 
volkstribun und den magister equitum des dictators P. Manlius^). 
Wahrscheinlich ist es, dass einer von beiden mit dem consul dieses 
Jahres identisch ist. Es ist aber nicht festzustellen, welcher es sei. 

391 93 

Wir kommen zum amtsjahr ^^ ^„ . Als consuln fungiren Cn. 8 
Genucius und L. Aemilius Mamercus oder Mamercinus zum 
zweiten mal^^). Genucius tritt als »homo nouusc wie Sextius, Li- 
cinius und der andre Genucius in das höchste amt ein und begründet 
dadurch den neuen adel seines geschlechts^). 

Demselben jähre gehört die dictatur »claui figendi causa«, zum 9 
zwecke der officiellen nageleinschlagung, des L. Manlius mit dem 
Zunamen Imperiosus*^) oder auch Capitolinus Imperiösus*^) 



90) In den capitolinischen fasten mit dem cognomen »Ahalac versehen« 
31) YergL buch 2. § 42. zu genannten jähren. ^) § 5. 

38) Vergl. buch 3. § 14. «*) Vei^l. buch 3. § 14fF. 

35) Livius 7. 8. 3 hat G. Genucius; dagegen die feusten und Diodor 
16. 2 wie oben, was daher vorzuziehen ist. Diodor entbehrt natürlich des 
cognomens und der iterationszahl bei Aemilius; doch ist die identität des- 
selben mit dem consul von -^ höchst wahrscheinlich. Genucius heisst in 

OQA 

den capitolinischen fasten wie auch der consul von -^ Lucius Genucius: 
Aventinensis; mit welcher gewähr ist bekannt. 

36) Darüber unten cap. lY., besonders § 77. 

37) So Livius 7. 3. 4. 38) So die capitolinischen fasten, 



344 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

an. Derselbe tritt in der tradition hier zum ersten male anf^). Er 
ernannte L. Pinarius^) zmn reiter-obersten. Es ist dies wol der- 
selbe, welcher im jähre -^ praetor war^^). Daraus geht hervor, 
dass er patricier war**). 

Auch censoren fahren zu diesem jähre die capitolinischen fasten 
an, und zwar [Fabius] Ambustus und L. F.urius Medullinus. 
Die Identität des Fabius ist nicht festzustellen, da in jener zeit meh- 
rere Fabii Ambusti mit verschiedenen vomamen: C. M. und Q. vor- 
kommen'3). Ob wir in Furius den gleichnamigen consular-tribun von 
-^ und —^ zu erkennen haben ^), ist natürlich zweifelhaft, wenn 
auch nicht unmöglich oder unwahrscheinlich. 

S91 

Unter den volkstribunen, welche am 10. december -— - w&h- 

891—92 

rend des amtsjahres „.^ ^, ihr amt antraten, nennt die tradition^) 
einen M. Pomponius*^). 
10 Es folgen -^^ als eponyme nach den angaben der fasten und 

des Livius*^) Q. Servilius Ahala zum zweiten mal und L. Genu- 
cius zum zweiten mal*^). Dieser Genucius ist es, dem die sage 
niederlage und tod von selten der Hemiker angedichtet hat^). 

Auch ein dictator wird zu diesem jähre genannt, und zwar Ap. 
Claudius, mit den zunamen Grassus Inrigillensis^). Als sein 
magister equitum fungirt nach den fasten ein [Cornelius] Scapuia. 
Nun haben wir aber gesehen, dass der traditionelle krieg gegen die 
Hemiker, zu dessen zweck Claudius zum dictator ernannt wird, durch- 
aus apokryph und unhistorisch ist^^). Dadurch wird der dictator 



^) Ueber die ansieht Mommsens: r. g. IK 315, dass hier zum ersten 
mal eine beschränkung der dictatorischen gewalt statt finde, da der be- 
treffende nur zur nageleinschlagung ernannt worden sei, vergL unten 
cap. y. § 110. und in diesem cap. § 22, 28, 32 und 88. 

80) In den capitolinischen fasten Natta zubenannt. 

31) Livius 7. 25. 12. ^a) Vergl. auch Mommsen: röm. forsch, p. 116. 

33) 0. de Boor: fasti cens. p. 69 sagt ohne grund, dass Livius diesen 
Fabius mit vomamen Marcus nenne; derselbe spricht nirgend von einein 
gewesenen censor M. Fabius Ambustus. 

34) Vergl. 0. I. L. I. p. 626 col. 2. 

35) Livius 7. 4. Iff. und Appian: Sämnit. 2. 

36) Vergl. darüber § 10. 37) 7. 4. 1. 

38) Diodor 16. 4 nennt auch Genucius, doch mit vomamen Quintas; 
vielleicht aus versehen wegen des vorhergehenden Quintus Servilius; über 
die ersten consulate beider vergl. § 6. oben. 

39) Vergl. buch 6. § 26 ff. ^o) So die capitolinisphen fasten, 
«) Vergl buch 6. § 28 ff. 



Gap. I.] Die magistraturen and der kämpf darum. 345 

selbst sehr unglaubwürdig. Es kommt hinzu, dass Livius an dieser 
stelle*'), was er sonst aufs genaueste beobachtet, keinen magister 
equitum erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass belid)ig zum erdich- 
ten krieg ein dictator erdichtet worden ist*'). Wir streichen ihn also 
mit sammt dem reiter-obersten. 

Ob der volkstribun dieses Jahres, M. Pomponius, auf glaub- 
würdigkeit anspruch machen darf, scheint sehr fraglich. Er ist nur 
zur exemplification des processes gegen den gewesenen dictator L. 
Maulius vorhanden und wird dabei von dem söhne Manlius tiberlistet. 
Da nun aber die anklage gegen den exdictator ebenso sehr als die 
sage dieser überlistung auf Wahrheit keinen anspruch erheben kann**), 
so fällt damit wol der tribun Pomponius gleichfalls in nichts zu- 
sammen. 

Es ist überhaupt dadurch dem livianischen bericht über das sein 
amt überschreitende verfahren des dictators Manlius alle gewähr ge- 
nonmien. Die Manlier scheinen bei den späteren demokratischen 
historikem ähnlich wie die Claudier gegenständ besonderen hasses 
und Verleumdung gewesen zu sein. Yielleicht geht dieser umstand 
auf das sagenhafte Schicksal des Manlius Capitolinus zurück*^), gegen 
den seine sämmtlichen geschlechtsgenossen partei ergriffen haben 
sollen*^). Die dictatur jenes L. Manlius muss also als eine durchaus 
regelrechte, zum zwecke der nageleinschlagung gehandhabte angesehen 
werden*"^). 

Im jähre -TTT" fungiren die consuln C. Licinius und C. Sulpi- 11 
cius**). 0. Licinius heisst bei Livius mit zunamen Calvus, in den 



^) 7. 6. 12. ^) Dass die capitoliniBchen fasten einen magister 

equitum haben, ist von gar keiner bedeutung, da diese quelle zu den aller- 
unglaubwürdigsten gehört und ein sehr spätes machwerk der republik oder 
der ersten kaiserzeit ist. 

44) VergL darüber buch 3. § 26 £, bes. 30, über die älteren dictatoren- 
processe gegen Gamillus und Manlius. 

45) Vergl. buch 2. cap. VI. u. cap. II. § 49. über den Volskerkrieg der 

Manlier des Jahres ^ 



879 

46) So in der ablegung des Vornamens Marcus. 

47) Nicht unwahrscheinlich ist es, dass um der sagenhaften entstellung 
seinea Charakters willen die spätere tradition auf ihn das manlische cogno- 
men »Imperiosusc zurückffihrte und um daher so nannte« 

4») Bei liivius 7. 9. 1 in umgekehrter folge, allein nach Diodor 16. 6. 
und den capitolimschen fa9te^ mit voranstellung des Licinius, was auch der 



316 Innere geschidite bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

capitolinischen und den verwandten fasten Stolo. Dass diese Zu- 
namen zur bezeichnnng des yolkstribuuen oder magister equitmn aus 
der conflictszeit hier willkürlich hinzugesetzt sind, bähen wir früher 
dargetan^^). Es ist danach ganz unsicher, ob wir zwischen diesem 

890 

Licinius und dem gleichnamigen consul von -— - zu unterscheiden 
haben oder nicht; ebenso ob wir in ihm, sei es den Tolkstribunen 
oder den magister equitum überhaupt zu suchen haben ^). Was 
Sulpidus angeht, so nennt ihn Livius ohne iterationszahl. Doch haben 
wir schon zweimal einen G. Sulpicius kennen gelernt, als censor von 

888 890 51.\ 

-^ und als consul von -^ j. Dass dieser den beinamen »Peti- 
cusc bei Livius und in den fasten führt, ist nicht von belang; Diodor 
kennt denselben nicht. Wir haben also möglicherweise denselben 

890 893 

Sulpicius als consul für -— - und ■--- anzunehmen. 

8w4 8ol 

Als dictator des Jahres wegen des Gallierein&lls wird T. 
Quinctius mit dem zunamen Pennus genannt, sein reiter-oberst 
war Ser. Cornelius mit dem beinamen Maluginensis. Ob letz- 
terer identisch ist mit dem Ser. Cornelius ^^), consular-tribun im 

884 886 

collegium von -^ und -^jj-j bleibt dahingestellt^'). Dass Quinctius 
wirklich dictator war, geht wol aus der Wahrheit des damaligen Gal- 
liereinfalls hervor; wenngleich sein triumph**) durchaus nach Poly- 
bius apokryph ist"), da überhaupt kein kämpf statt fand. Die Rö- 
mer ernannten den dictator für den äussersten notfall, während sie 
das beer in der Stadt zurückhielten. 
12 Die folgenden consuln waren M. Fabius mit dem beinamen 
Ambustus*«) und C. Poetelius"). Ob dieser Fabius identisch 

• S8fi 

ist mit dem consular-tribun von --— , welcher der sagenhafte schwie- 
gervater des Licinius Stolo gewesen sein soll, ist nicht zu bestim- 
men^®). Poetelius tritt hier zum ersten mal auf. 



oben § 6. angegebenen abwechselung der stände in den consolstellen bis 

355 



-^ entspricht. 



^) YergL buch 3. cap. III. § 14£f. über die Licinier. 

«>) Vergl. § 7. w) VergL § 6. und 7. 

52) In den capitolinischen fasten auch Maluginensis genannt 

^) Vergl. buch 8. cap. III. § 42 zu den genannten jahrgangen. 

M) Vergl. fasti triumph. zu diesem jähr. ^) Vergl. buch 6. § 3, 5 ff. 

56) Livius 7. 11. 2. und die fasten. 

97) Bei Diodor 16. 9. als Schreibfehler räids U&nXtoi, Nach Livius 
Baibus, nach den &8ten Libo Visolus zubenannt; beides gleich pro- 
blematisch; Livius hat die consuln umgestellt. 

f^) VergL buch 3. cap. lU. § 42. zum Jahrgang und § lOff. 



Cap. L] Die magistraturen und der kämpf dämm. 347 

Anch in diesem jähre giebt es einen dictator nach den quellen: 
Q. Servilins Ahala mit dem reiter-obersten T. Qujinctias Ca- 
pitolinns Grispinns. Beide sind nnhistorisch. Ist es schon sehr 
verdächtig, dass der dictator nicht, wol aber der unter ihm fungi- 
rende consul triumphirt^^), was geradezu unmöglich ist, so wird die 
dictatur selbst sehr fraglich, da der Gallierkrieg, den die tradition 
als motiv zu derselben nennt, durchaus erdichtet ist^). Man kann 
hier eine zweimalige erdichtung unterscheiden: als erste den Gallier- 
and Tiburterkrieg mit dem triumph des Poetelius; als zweite den 
dictator, der, um die tradition nicht weiter zu stören, den ihm zu- 
stehenden triumph an seinen untergebenen abtreten muss. 

Im jähre -^ sind consuln: M. Popilius Laenas^^) und Gn. 18 
Manlius^^). Unter ihrem consulat findet der problematische ein&U 
der Tiburter bis unter die mauern Boms statt^'). 

Im nächsten jähre sind M. Fabius, nach den capitolinischen 
fiasten Ambustus zubenannt, und C. Plautius, nach denselben 
Proculus heissend, im amte^). 

Wieder wird ein dictator, C. Sulpicius, nach den triumphal- 
fasten Peticus genannt, im kriege gegen die Gallier erwähnt. Allein 
wie der Gallierkrieg dieses Jahres unhistorisch ist, so wird es auch 
der dictator sein^*). 

Auch censoren müssen wir endlich für dies jähr annehmen, da 
die zahl der tribus um zwei, die Pomptina und Publilia, vermehrt 
wird^. Es konnte das nur unter leitung der censoren geschehen, 
schon wegen der neu anzulegenden tribulenlisten^^). 

0. Marcius und Gn. Manlius bekleiden den consulat von H 
). Ob letzterer mit dem ManUus des zweitletzten Jahres iden- 



897 68> 



357 



69) Livius 7. 11. 9. und £BUSti triumph. ^) VergL buch 6. § 8. 

^) Livius 7. 12. 1; auch Diodor 16. 15. hat dieses mal den zunamen: 
Acuyärjjg. 

69) Von Diodor und den fasti cap. Imperiosus zubenannt. 

«8) YergL buch 7. § 18 ff. 

«) Livius 7. 12. 6. schreibt C. Fabius, wol verführt durch den glei- 
chen Vornamen des Plautius, wenn der fehler nicht auf alte abschreiber 
zurflckgeht. Diodor 16. 23 wie oben. 

««) Vergl. buch 6. § 10 ff. ««) Vergl. § 103 ff. 

W) Vergl. buch 2. cap. V. und VI. über den census bei den vier tribus 
un vejentischen; dieselbe ansieht finde ich nun auch in der neuesten sohrift 
darüber von C. de Boor: fasti censor. p. 71 ausgesprochen, 
Livius 7. 16. 1 ; Diodor 16. 28. 



348 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

tisdb sei, ist zweifelhaft, doch nicht unmöglich, wenngleich Diodor 
dies mal den znnamen Imperiosns nicht hinzufügt. 

Aus dem yolkstribunen*<;ollegium werden uns zwei gewiss auten- 
tische namen als antragsteller zu der rogatio de unciario fenore ge- 
nannt: M. Duillius und L. Menenius^^). 

Noch ein beamter wird erwÄhnt und zwar als richter bei über- 
tretung des licinischen ackergesetzes. Licinius Stolo selbst wird ver- 
urteilt und zwar von M. Popilius Laenas. Nun haben wir ge- 
sehen, dass die beobachtung dieses gesetzes den aedilen, sowol den 
pl^eischen als den curulischen, zufieP^). Diese büssten die Übertre- 
ter je nach massgabe der Übertretung wahrscheinlich mit 2 % straf- 
zahlung von dem überschüssigen besitz ^^), Da nun jedesmal in den 
geraden varronischen jähren plebeier, in den ungeraden patricier die 
curulische aedilität einnahmen, wir es aber mit dem ungeraden jähre 
ZU tun haben, so kann der genannte aedil Popilius Laenas als 



357 

plebeier nicht curulischer, sondern muss plebeischer aedil gewe- 
sen sein'^). 

Es ist nicht wahrscheinlich, dass dieser Popilius Laenas mit dem 
consul von 4;r- identisch gewesen sei, zumal letzterer -|^ schon 
wieder im amte ist. Die plebeische aedilität scheint ein zu unter- 
geordnetes amt, als dass ein gewesener consul es noch sollte ange- 
treten haben. Möglicherweise war der aedil ein söhn des consuls. 
16 M. Fabius, von Livius^^) Ambustus und zum zweiten mal 
consul genannt, und M. Popilius Laenas, gleichfalls zum zweiten 
mal consul, folgen ~g^ im amt'*). Wir fanden einen M. Fabius, 
auch Ambustus genaimt, schon -^ und -g^. Es wäre daher wol 
nicht unberechtigt, wenn wir die Identität der drei M. Fabii annehmen, 
hier denselben zum dritten mal als consul zu notiren^^). Was M. Popilius 
betrifft, so haben wir ihn, wofern er derselbe ist, schon -rrr im amte 
getroffen 'ö). 

Als dictator wird zu diesem jähre C. Marcius Rutilus mit 
seinem magister equitum C. Plautius genannt ''^). Das motiv zur 
emennung ist ein grösserer krieg der Tarquinier und Falisker in die- 



69) Darüber unten § 35. 70) VergL buch ö. cap. IL 
71) Vergl. buch 4. cap. II. ^^) Vergl. darüber buch 5. cap. II. 

73) 7. 17. 1. 74) Diodor 16. 32. hat bei beiden consuhi weder 

cognomen noch Iteration notirt. 7^) Vergl. § 12. und 13. 

76) VergL § 13. u. 14. am ende. 77) Liy. 7. 17. e; und &sti triumph. 



Gap. L] Die magistratnren und der kämpf darum. 849 

sem jähre. Nim haben wir gesehen, dass die livianische darstellung 
desselben durchaus entstellt ist, er sich vielmehr auf einen grossen . 
plünderungszug der feinde bis an die Tiber beschränkt, ohne dass 
die Bömer offenen kämpf gewagt hätten 7^). Allein wie wir das bei 
dem Galliereinfall des Jahres -;-- bemerkten, so wurde auch dies mal 

861 

ein dictator in der Stadt selbst ernannt, um für alle eventualitäten 
das commando zu führen'^); derselbe aber wagte keine offene feld- 
schlacht, und die feinde zogen unmolestirt nach hause. 

Was die persönlichkeit des dictators betrifft, so knüpft sich an lö 
diese die wichtige tatsache, dass Marcius der erste plebeische 
dictator war^). Es war kein gesetz über die Zulassung von ple- 
foeiem zur dictatur erlassen. Vielmehr mussten nach strenger reohts- 
interpretation die plebeier noch als ausgeschlossen betrachtet werden; 
denn jeder plebeische fortschritt auf der bahn der ehedem patricißchen 
statsämter war nur durch ein gesetz erreicht; und die plebeier hatten 
bis dahin stets danach gestrebt, solche gesetze in's leben zu rufen. 
Was demnach ihnen noch nicht gesetzlich eröffiiet und zugesichert 
war, das musste rechtlich als ihnen verschlossen angesehen werden. 
Nahmen sie dennoch besitz voö einem derartigen amt, so musste das 
als Usurpation eines nicht zuständigen rechts angesehen werden. — 
Wie die plebeischen häupter es möglich machten, diese Usurpation 
auszuführen, ist leicht ersichtlich. Die emennung eines dictators war 
durch die Verhältnisse bedingt und durch den senat angeordnet. 
Offenbar war dem plebeischen consul Popilius die aufgäbe der ernen- 
nung zugefallen, und dieser benutzte nun die ihm formell zustehende 
machtvollkommenheit zur annexion des allerhöchsten statsamts für den 
eigenen stand, indem er den plebeier C. Marcius zum dictator 
machte. Damit war die sache zur unumstösslichen tatsache geworden ; 
die patricier hatten keine erfolgreiche einspräche dagegen. Nach Li- 
vius®^) zwar klagen diese nur über das neue und finden es unpas- 
send; allein in Wahrheit mussten sie es als eine rechtsusurpation an- 
sehen, die auf ihre kosten ging. Das stillschweigende gesetz der 
nichtzulassung von plebeiem zur dictatur war durchbrochen. Die pa- 
tricier empfanden auf's bitterste ihre ohnmacht dem gegenüber. Allein 



78) Vergl. buch 6. § 68. und 73. 79) Vergl. § 11. 

80) Die Marcier sind offenbar von anfang an plebeisch gewesen; der 
einzige patricische der tradition, C. Marcius Coriolanus, ist eine rein sagen- 
hafte gestalt, vielleicht von den späteren Marciem gleichsam als patrici- 
scher ahn erdichtet. w) 7. 17. 7. 



350 Innere gesehichte bis zu den Samnitetkriegen. [fiach 7. 

sie fanden ein erfolgreiches mittel als revanche, wor&ber| wir gleidi 
werden zu reden haben. 

Was den reiter-oberst 0. Plantius betrifft, so haben wir in ihm 
wol den consnl von -^ zu erkennen«*). Auch er war plebeier, was 
zwar nichts neues war, aber in diesem falle ebenso als demonstration 
des plebeischen dictators aussieht, wie dieser vom plebeischen consnl 
ausging. 
17 Nach Liyius hintertreiben die patricier die neuwahlen von con- 
suln fOr das jähr -^^, weil sie weder den plebeischen dictator noch 
d^ gleichen consul zum Vorsitzenden in den wahlcomitien wollten, 
der patricische consul aber im kriege abwesend gewesen sei. So 
kommt es zu einem Interregnum, in welchem sich acht Zwischenkönige 
folgen, so dass die Zeitdauer also zwischen 36 und 40 tagen liegt 
Der achte erst bringt eine endgültige wähl zu stände und zwar v<m 
zwei patricischen consuln, C. Sulpicius Peticus zum dritten mal 
und M. Yalerius Publicola, gegen das bestehende licinische con- 
sulgesetz. 

Livius hat gewiss recht, wenn er die wähl der zwei patricischen 
consuln als ausgesprochene absieht ihrer partei ansieht, ob er gleich 
keine urkundlichen belege dafür hatte. Suchen wir uns den verlauf 
der tatsachen zu reconstruiren: Wir haben gesehen, dass die plebei^ 
ohne gesetzliche bestätigung und daher in Wahrheit gegen die beste- 
henden rechtssätze im voijahre zulass zur dictatur erlangt hatten, 
ohne dass die patricier ihre berechtigte einspräche hätten zur geltung 
bringen können. Diese überlistung reizte die patricier zur revanche. 
Handelten die plebeier so schnurstracks gegen die bestehenden Ver- 
hältnisse, warum sollten sie, die patricier, sidi da streng an die 
rechtsnormen binden? Die plebeier konnten für ihre Usurpation nur 
das formell nicht eingeschränkte recht der dictator-emennung anfah- 
ren, nicht einmal einen ausdruck des volkswillens ; es war also offen- 
bare rechtsüberschreitung. Die patricier konnten mit grösserem rechts- 
schein sich rächen. Ob wirklich der consul Fabius abwesend war, 
kann zweifelhaft sein. Unter allen umständen könnten die patricier 
durch Verweigerung ihrer auctoritas zu den in centuriatcomitien ge- 
wählten candidaten eine neubesetzung des consulats vereiteln, ebenso 
wie in dem licinischen conflict die volkstribunen getan hatten. Als 
dann das amtsjahr der consuln am 1. august^) abgelaufen war, wurde 



83) Vergl. § 13. «3) Buch 3. § 40. 



Cap. I.] Die magistraturen und der kämpf darum. 351 

das eintreten von Zwischenkönigen notwendig. Dies aber war ein 
rein patricischer act, indem aus der gesammtheit der patricier in cu- 
rien eine anzahl, vielleicht 100, ausgewählt wurden, die von füknf zu 
fünf tagen sich in der Oberleitung des states ablösten, bis eine neu- 
wahl von regulären oberbeamten statt gefunden hatte ^). Von der 
gesammtzahl der Zwischenkönige kamen nach einander acht an's rüder. 
Dass die wähl der consuln so lange verzögert wurde, ist wol auf den 
Wahlkampf zu schieben. Offenbar brachte schon gleich der interrex^) 
— nach ablauf der neun ersten zu wahlacten untauglichen tage — 
die wahlcomitien zusanunen und schlug dann die verabredeten zwei 
patricischen candidaten vor. Die comitien lehnten sie wol ab, und 
dieses wiederholte sich so lange, bis die plebeische partei die Unmög- 
lichkeit längeren Widerstandes einsah und die beiden patricischen can- 
didaten gut hiess. Nun hatten die patricier die formelle rechtfer- 
tigung für ihre handlungsweise, dass der jedesmalige letzte volks- 
beschluss gültigkeit haben solle ^). Moralisch waren sie eben so sehr 
im unrecht, als die plebeier mit ihrem plebeischen dictator; formell 
aber konnten sie mehr für sich anführen. Es war eine bittere re- 
yanche gegen die ehrgeizigen häupter der plebs; allein was dem einen 
recht ist, ist dem andren billig. Dazu kommt, dass auch in der folge- 
zeit es den patriciern noch mehrfach gelang, sich in den alleinigen 
besitz des consulats zu setzen; und dem plebeischen adel fehlte jedes 
mittel der Opposition. Die liciniSchen confiictsjahre kehrten in um- 
gekehrter form wieder. 

Als jene acht Zwischenkönige werden genannt: Q. Servilius 13 
Ahala, M. Fabius, Cn. Manli'us, C. Fabius, C. Sulpicius, 
L. Aemilius, Q. Servilius, M. Fabius Ambustus. Es ist auf- 
fallend, wie sehr die Fabier hier vorwiegen; volle drei von ihnen 
sind Zwischenkönige. Ob wir hier vielleicht fabische familienverherr- 
lichung vor uns haben? Licinius Macer, die quelle des Livius, schöpfte 
ja aus Fabius Pictor^^). Denkbar wäre es ja, dass nur die zahl der 
Zwischenkönige, welche im amte waren, verzeichnet war, nicht aber 
die namen derselben. Darauf könnte hindeuten, dass Livius^) von 



M) YergL 'meine krit. erörtemngen über den röm. stat I. p. 44 ff. 

^) Nach Livius 7. 17. 12. schon der zweite; es konnte das aber erst 
am zehnten tage statt finden. 

M) Liyins 7. 17. 12: ut quodcunque postremum populus iussisset, id 
ius ratumque esset, nach den 12 tafeln. 

«^ VergL budi 1. cap. L «) 7. 17. 12. 



352 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

dem zweiten interregnmn spricht, ohne den namen des betreffenden 
ZU nennen, und bei dem folgenden Interregnum im jähre -^ auch 
nur die zahl der interregen erwähnt ^^). Zwei Servilier auch werden 
genannt, beide mit dem vomamen Qu intus, der erstere durch den Zu- 
namen Ahala unterschieden. Sie sind alle gewesene consuln der 
letzten zehn jähre ^). Die echtheit der namen-angaben kann verdäch- 
tig erscheinen. Zu bemerken ist noch, dass durch dieses Interregnum 
das antrittsdatum der consuln vom 1. august in die erste hälfte des 
September verschoben wurde ^^J. 

399 

19 Als neue consuln des jahres -^ treten auf C. Sulpicius, nach 
Livius^^) Peticus genannt und zum dritten mal im amt, undM. Ya- 
lerius, Publicola zubenannt. Ob ersterer mit dem consul von 
—^ und -~- ) und dem obigen interrex identisch ist, lässt sich 
nicht bestimmen; Livius scheint es anzunehmen, da er ihn zum drit- 
ten mal consul sein lässt. M. YaJerius kommt zum ersten mal vor. 
Im folgenden jähre setzen die patricier wieder ihre candidaten 
durch, und zwar M. Fabius, nach Livius^) AmbustusIII, und T. 
Quinctius^^). Und ebenso kommen im jähre ggj~ zwei patricier 
zum consulat: M. Valerius, nach Livius Publicola n, und 0. 
Sulpicius, nach Livius ^^) Peticus rV^^). Livius schreibt die er- 
möglichung dieses umstandes dem grossen schuldendruck, der auf der 
plebs trotz einfilhrung des uncialzinsfusses gelastet habe, zu, wodurch 
die plebs gleichgültig gegen diese ^erfassungsangelegenheiten gewor- 
den sei. Ersteres ist gewiss anzunehmen, wie das aus dem kurz 
darauf folgenden Schuldentilgungsmittel hervorgeht. Allein die Ver- 
schuldung der armen plebeier hätte ja gerade deren reichen standes- 
genossen die mittel in die band gegeben, wie ehedem bei den licini- 
schen gesetzen durch Schuldenerleichterungsgesetze ihren politischen 



8«) Vergl. 7. 21. 2. »O) Auch C. Fabius nach Livius 7. 12. 6. zum 

jähre -|^. «i) Vergl. buch 3. § 40. 9») 7. 17. 13. 

93) Vergl. oben § 11. w) 7. ig. 10. 

9^) Livius sagt, dass in andren annalen an stelle des letzteren M. Po. 
pilius genannt werde; doch spricht die autorität des Diodor 16. 40. für 
erst genannten. Niebuhr 3. 56. hält zwar M. Popilius fOir.den eigentlich 
rechtmässigen consul, stützt sich aber dabei auf die in keinem falle auten- 
tische Schilderung des Wahlverfahrens bei Livius; er vergisst zweierlei da- 
dabei: den rhetoriker Livius und dessen demokratischen quellen-autor Li- 
cinius Macer. »«) 7. 19. 6. 

9'^) Bei Livius umgekehrte Ordnung; wir folgen Diodor 16. 46* 



Gap. L] Die magistrataren und der kämpf, daram. 358 

zweck zu erreichen. Die begründung bei Livius ist natürlich eine 
subjective, nicht auf gleichzeitige aufzeichnungen zurückgehende**). 

Wenn C. de Boor^) meint, es sei unwahrscheinlich, dass zwi- 
sehen den censuren von — — - und -rr- noch eine dritte statt gefanden 

858 «Ol 

habe, so kann er nichts wesentliches dafür anführen, besonders da er 
selbst ^^) den nachweis geliefert hat, dass das ältere lustrum von drei- 
jähriger dauer gewesen sei, wenngleich die censoren nur achtzehn mo« 
nate davon im amte waren. Zwischen -^ und -^^ aber liegen sie- 
ben jähre, so dass platz für eine fernere censur vorhanden ist. Dass 
aber eine solche nicht bloss nicht unwahrscheinlich sondern durchaus 
notwendig ist, das lehrt uns die notiz bei Livius ^^^), dass im amtsjahre 
--^~', die wol noch vom gallischen brande her in trümmer liegenden 
Stadtmauern und türme, oder teile derselben, wieder aufgebaut, und 
ein Apollotempel geweiht wurden. Oeffentliche bauten herzustellen 
war ganz sache der censoren, da diese allein über die dazu bestimm- 
ten mittel verfügten. Bauten also, wie die von Livius erwähnten, be- 
durften unmittelbar des eingreifens von censoren ^®2). Ebenso deutet 
die weihung des Apollotempels auf einen neubau, der auch wiederum 
ohne censoren nicht statt finden konnte ^^3). Wir sind also geradezu 
gezwungen, im amtsjahr ^-."^^ censoren anzunehmen. Die von Livius 

400—2 — 

ZU den jähren ^^^^^ berichteten Etruskerkriege sind fingirt, wie wir 
sahen 1^; So war volle ruhe und zeit für die tätigkeit von censoren. 
Der neue zinsfuss des jahres -^ ) hatte ohne zweifei gleichfalls 
einen census erwünscht gemacht. Und endlich passt die zeit völlig 
für eine censur. Wie der bericht über die weihung des ApoUotem- 
pels aussagt, war der bau im jähre ^^^ beendet; dasselbe haben 
wir wol von dem bericht über die befestigungsbauten anzunehmen; 
ihre Vollendung wird in den ältesten Chroniken verzeichnet gewesen 
seiu. Somit fällt die censur in diese und die vorhergehende zeit. Da 
nun im amtsjahre ^^'^ die nächste censur eintritt, so muss um 
des dreyährigen Zeitraums willen i^«) die vorhergehende censur 
ijiren anfang im amtsjahr ~^ genommen haben; dann dehnte sie 
sich etwa bis an das ende von ~sir~r- aus; und während dieser 
zeit fanden die bauten der befestigungen und des Apollotempels statt. 



»8) Darüber unten § 37. 9») Fasti censor. p. 72. 

100) A. a. 0. p. 36 ff. loi) 7. 20. 9. 

103) Vergl. oben buch 6. § 75. über die wahrscheinliche Ursache zu den 
bauten. los) Vergl. unten cap. V. § 113. i04) Buch 6. § 74 ff. 

loß) Vergl. % 42ff. lo«) vergl. C. de Boor a. a. o. p. 36ff. 

OlMOD, rdm. gesch. I. 23 



854 Innere geschichte bis 211 den Saniniterkriegen. [Buch 7. 

400—2 

Mit der annähme einer censur in den jähren ,^ ^ streitet 
aber die ansieht C. deBoors^), dass eine censur f&r das jähr 
-^ anzusetzen sei. £r führt Eusebius und Hieronymus zu olymp 
110. 1. an, die allein Yon allen autoren hier einen census noth*en; 
allein er giebt selbst zu, dass sie sich um zehn jähre yerzählt haben, 
wie andre chronologische angaben derselben bestätigen, und eigent- 

408—4 

lieh die censur von ,^, . meinen. Die weiteren gründe, dass dann 
zwischen -üTT-nnd—r- kein census stattgefunden habe, was auffallend 
sei, und dass das gesetz des Publilius Philo von -^ über die cen- 
surstellen notwendigerweise eine kurz vorhergehende censur bedinge: 
diese gründe sind subjectiv und können die notwendigkeit jener cen- 
sur zum jähre -rrr nicht anfechten. Dass aber nur eine von beiden 
censuren zulässig ist, geht daraus hervor, dass bei der censur von 

Sfil 488 

das zwanzigste lustrum, bei der von — r- das fünfundzwanzigste 



gefeiert wurde. Nun fallen als historisch sichere censuren zwischen 

898 408 4S3 

diese beiden die von -rrr-, -larr ^md —---. Somit fehlt noch eine, als 

890 801 ^1^ 883 

welche de Boor eine in das jähr -—- legt, ich aber entschieden eine 

400—1 

für — ^~ — in anspruch nehme. Wer die beiden censoren waren, ist 
nicht zu ermitteln; jedenfalls waren beide patricler. 

Auch ein dictator wird zu letzterem jaJhre erwähnt: T. Man- 
lius, der söhn des Lucius, mit dem reiter-obersten A. Cornelius 
Cassus^^). Der Etruskerkrieg aber, zu dessen Zweck der dictator er- 
nannt wird, ist unhistorisch. Zwar lag die absieht vor, im notMe 
Caere zu bekriegen, allein es kam in Rom nicht dazu^^). Dadurch 
wird der dictator auch verdächtig. Möglicherweise war er zu dem 
kriege erst erfunden worden. 
20 Als die neuen wahlcomitien für das jaiir -^?- statt fanden, er- 
neuerte sich der Ständekampf. Die plebeischen parteihäupter scheinen 
eingesehen zu haben, dass der patricischen beharrlichkeit gegenüber 
nur eigene noch grössere helfen könnte. So vereiteln sie offenbar 
durch tribunicische intercession die rechtzeitigen wählen und lassen 

403 

es am ende des amtsjahres -^ zum Interregnum kommen. Die pa- 
tricier versuchen ihre candidaten durchzusetzen; allein die plebeische 
Opposition dauert aus^^^). Bis zum eilften Zwischenkönig gelangt man, 
da geben die patricier — nach Livius^^^) auf befel des Senats — die 



107) Fasti cenaor. p. 72 £ ^^ Livins 7. 19. 10. 

1») YergL bueU 6. § 75. uad 82. 

iio> ?eif L § 37. über die walvsekeinlichen motive dam. lU) 7. 21« 4. 



Cap. L] Die magistraturen nnd der kämpf darum. 355 

wähl eines plebeiers zum consul zu. Gewählt werden C. Marcius 
Bntilns und P. Yalerius Publicola^. Der erfolg derplebeiei" 
war also ihrer ausdauer zuzuschreiben. Die patricier wollten es nicht 
aufs ftosserste treiben. Von den Zwischenkönigen wird nur der letzte 
genannt, nach Liyius^ C. Cornelius Scipio. Der amtsantritt der 
neuen consuln war wiederum verzögert worden, und zwar bis etwa 
zum 1. november^^^). Der erstgenannte consul ist wol identisch mit 
dem plebeischen dictator^^). Der zweite ist neu hinzugekommen. 

Ein coUeginm ausserordentlicher magistrate wird in diesem jähre 
noch erwähnt: quinqueuiri mensarii, zur regulirung der all- 
gemeinen schuldverhältnisse ^^^). Als solche werden genannt: t). Du- 
ellius, P. Decius Mus, M. Papirius, Q. Publilius, T. Aemi- 
lius, drei plebeier und zwei patricier ^^^). Da plebeier allein als 
Schuldner dastanden, dagegen plebeier und patricier als gläubiger, so 
ist jenen die grössere zahl der stellen wol eingeräumt worden. Keiner 
der fünf namen ist uns sonst in letztvergangener zeit begegnet. 

Auch dieses jähr hat einen dictator au&uweisen: C. Julius, mit 21 
dem reiter-ob^rsten L. Aemilius^^^). Die emennung wird auf ein 
blosses gerächt eines Etruskerkrieges zurückgeflohrt. Dann soll er 
bei den neuen consulwahlen zwei patricier haben auswirken wollen; 
allein vtf geblicfa. Ein interregnum erfolgte, welches das den patriciem 
erwünschte resnltat hatte. Die rolle des dictators ist eigentlich gänz- 
lich überflüssig, da er nichts erreicht und nicht einmal ein erfundener 
krieg ihm nachhilft. Eben dieser umstand aber macht die dictatur 
glaubwürdig : eine rein erfundene würde mit dem nötigen tatenschwaD 
umgeben worden sein. Der modus der emennung nach Livius, indem 
die consuln im lager ausserhalb der Stadt diese ausführten, hat seine 
bedienklichkeit Ein lager werden die consuln wol nicht auf römi- 
sdiem, sondern nur auf feindlichem gebiet aufgeschlagen haben, wenn 
sie nicht etwa zurückgedrängt worden waren. Ausserhalb des ager 
Bomanus aber konnte ein dictator nicht ernannt werden ^^^). 



111) Bei Livius 7. 21. 4. in umgekehrter Ordnung ; wir folgen Diodof 
l$k 62, der übrigens irrtflmlich Mapxog Fatös schreibt und die cognomina 
nicht hat. u«) 7. 21. 4. i") VergL buch 3. § 40. 

iw) Vergl. § 16. u«) Ueber die sache vergl. unten § 37. 

ni) Liv. 7. 21. 6. IM) Liv. 7. 21. 9. 

n») Vergl. Livius 27. 5; dazu Becker-Marquardt 2. 2. 160, 
Lange L 684. Die von Becker angeführten beweissteDen dafür, dass auch 
sonst im lager dictatoren ernannt worden seien, sind zum teil hinfällig, da'^ 

23* 



356 Innere geschichte bis zn den Saouiiterkriegen. [Back 7. 

Ein zweites bedenken aber macht sich gegen diesen modus der 
emennung geltend, dass nibnlich gar kein krieg im gange war, nnd 
dass das kriegsgerücht offenbar um des dictators willen erfanden 
ist^^). Daher ist es undenkbar, dass gar beide consnln im felde stan- 
den. Wir müssen also dies beispiel einer dictatoren-emennong im 
lager umstossen. Doch bleibt dennoch wol der dictator selbst glaub- 
würdig. In Wahrheit war er wol ernannt, um eine pression auf die 
consulwahlen zu gunsten der patricier auszuüben. Doch mislang ihm 
dies nach Livius, da erst Zwischenkönige dies resultat erreichten. 
0. Julius ist sonst nicht bekannt. Der reiter-oberst L. Aemilius 

888 S9l 

ist wol^kaum mit den consuln von -— -- und -rrr- identisch. 
22 Wir haben gesehen, dass der dictator C. Julius es nicht ver- 
mochte, die wähl zweier patricischer consuln zu erzwingen. Das amts- 
jahr der consuln lief ab, und wieder musste man zum Interregnum 
die Zuflucht nehmen. Dieses mal werden nur zwei Zwischenkönige ge- 
kannt: C. Sulpicius und M. Fabius, und letzterer erringt schon 
die wähl der patricischen eponymen, wodurch der amtsantritt der 
consuln also etwa bis auf den 10. november hinausgeschoben wurde. 
Livius ^21) schreibt die nachgiebigkeit der plebs der im vorigen jähre 
angeordneten schuldenregulirung zu. Und es kann das auf Wahrheit 
beruhen; wenn die arme plebs zufrieden war, konnten ihre vornehmen 
standesgenossen sie selten als Werkzeug zu den eigenen planen^ be- 
arbeiten. 

Die neuen consuln sind nach Livius der erste interrex C. Sul- 
picius, hier Peticus zubenannt, und G. Quinctius^. 



nach Livius 8. 23. 13. dem schon in Samnium befindlichen consul Come- 
lius, und nach 9. 38. 11 ff. dem Q. Fabius, der in Etrurien sich aufh&lt- 
der auftrag zur dictator-emennung wird, beides nach obigem satz unzu 
lässig; daher die angaben darüber fehlerhaft sein müssen; übrigens wird 
auch der dictator bei Livius 8. 23. 13. als uitio creatus zur abdankung ge- 
zwungen. Livius oder seine quelle kann sich das nur aus patricischer 
eifersucht erklären; vielleicht aber ist eben die emennung in^eincHichem 
gebiet das sacrale hindemis gegen die gesetzlichkeit des dictators gewesen. 
Bei Livius 25. 2. muss angenommen werden, dass der den dictator ernen- 
nende consul Ti. Sempronius aus Lucanien auf römisches gebiet zurück- 
gekehrt sei, wofern nicht auch hier schon ganz Italien als ager Bomanus 
aufgefasst wird, wie das bei Livius 27. 5. ausgesagt wird. 

130) Vergl. buch 6. § TOffl, 76. wi) 7. 22. 2. 

13^ Bei Livius heisst letzterer auch noch Titus oder Gaeso mit Vor- 
namen; nach Diodor 16. 53. ist Graius zu schreiben. 



Cap. t] Die mai^rainren und der kämpf dämm. 357 

Wiederum tritt ein dictator auf, von dem Livius ^**) ausdrücklich 
sagt, dass er um keiaes krieges willen, sondern zur yertretung der 
patridschen wahl-interessen ernannt worden sei. Wenngleich dies 
wol nicht auf gleichzeitige notizen zurückgeht, so mag es doch tat- 
sächlich der fall gewesen sein. Es ist kein * krieg vorhanden; das 
macht den dictator glaubwürdiger, da ein erfundener gewiss seiae por- 
tion krieg mitbekommen hätte. Es sind eben politisch ungeheuer er. 
regte zeiten, in denen beide parteien an der äussersten grenze des 
formellen rechts, moralisch aber auf ungesetzlichem boden sich bewe- 
gen. Und ein dictator machte auf die masse mehr eindruck, als die 
consuln, vorzüglich da sein Imperium auch die volkstribunen lähmte, 
und er selbst unverantwortlich war. Wir haben es also hier ebenso 
wenig mit einer beschränkung der dictatorischen befugnisse zu tun, 
wie Mommsen^ meint, als bei den drei dictaturen während des li- 
cinischen gesetzes-conflicts^^^). Der diesmalige dictator war M. Fa- 
bius, vermutlich der letzte Zwischenkönig des Vorjahres. Als sein 
reiter-oberst wird Q. Servil ins genannt^. 

Auch censoren werden in diesem Jahre gewählt. Es war das die 
notwendige folge der schuldenregulirung des voijahres. Damit hatten 
sich die Vermögensverhältnisse vielfach und wesentlich geändert, und 
es bedurfte somit neuer listen über die einzelnen bürgervermögen. 
Der letzte census war im jähre ^^^^ abgehalten worden 1^). 

Bemerkenswert nun ist, dass in diesem jähre der erste plebei- 23 
sehe censor und zwar in der person des gewesenen ersten plebeischen 
dictators auftritt. Auch die censur war durch stillschweigendes rechts- 
verbot bisher den plebeiem verschlossen gewesen. Freiwillig haben 
es die patricier ihnen sicherlich nicht eröffiiet; diese haben es sich 
erzwungen, trotz des patricischen Wahlvorsitzenden. C. MarciusBu- 
tilus meldete sich als candidat zur censur, wie Livius^*®) berichtet. 
Die consuln wiesen ihn ab. Dennoch beharrte er bei seinem plan im 
einverständnis mit den volkstribunen, welche eiae wähl andrer Con- 
coren nicht zuliessen. Dadurch wurde der patricische widerstand ge- 
brochen, und die plebeier erweiterten ihre machtsphäre durch den 
rechtszwang. Diese errungenschaft war weit wichtiger, als die zu- 



1») 7. 22. 10. ^) B. g. 15. 316. 

^ Vergl. buch 3. cap. III. ; femer oben § 9. und unten § 28, 32. 

1^ Yergl. über den gleichnamigen Zwischenkönig § 18. 

137) VergL § 19. M») 7. 22. 7 ff. 



358 Innere geschichte bis zu den Samniterkri^f en. [Budi 7. 

lassung zur dictatur« Die censur mit ihren weit verzweigten, stets 
zunehmenden functionen, besonders durch die censura ordinnm et 
morum, war ein wichtiges instrument zur förderung von part^inter- 
essen, zur einffihrung der Parteigenossen in den senat und zur per- 
sönlichen ingunstsetzung bei der masse durch gemeinnützige bauten 
und anlagen. Das mag wol Marcius eingesehen und daher die all- 
gemeine statsrechtsunsicherheit dieser jähre benutzt haben, um zur 
dictatur auch die censur zu erwerben. Doch dürfen wir yon dieser 
zeit an noch nicht eine rechtliche Zulassung der plebeier zur censur 
datiren. Dagegen spricht der umstand, dass erst ^ durch PubH- 
lius Philo den plebeiem eine stelle in der censur gesetzlich garantirt 
wurde. Nichts desto weniger wird der einmalige praecedenzfaU nicht 
wenig zur feststellung dieses gesetzes beigetragen haben, wenngleich 
er der einzige fall vor dem gesetze blieb. Marcius wurde mit Cn. 
Manlius zum censor ernannt; ein gleichnamiger Manlius ist unter 

S99 

den Zwischenkönigen von -^ verzeichnet^^). 
24 In Zusammenhang mit der censur des Marcius wird neuerdings 
eine lex Ouinia gebracht, welche die ergänzung des senats regelte und 
vor allem dies geschält den bisherigen oberbeamten nahm und den cen- 
soren übertrug. Lange^^) setzt das gesetz in diese zeit Er tut 
dar, dass es nicht nach -ttt statt gefunden haben könne, da in diesem 

91« 

jähre der berühmte Ap. Claudius Caecus als censor den senat mit 
ausgesprochenem gegensatz gegen die lex Ouinia ergänzte ^^^). Lange 
schliesst dann^aus dem auffallenden und ungewöhnlichen des verfahr 
rens dieses censors, dass es schon längere zeit gebräuchlich gewesen 
sei, den senat nach der lex Ouinia zu completiren. Andrerseits deutet 
er den ausdruck des gesetzes ^^^), es sollten >ex omni ordinec die 
besten in den senat gewählt werden, so dass das gesetz erst nach er- 
richtung der praetur und curulischen aedilität habe erlassen sein kön<* 
nen, da der begriff »ordo« hier auf die beamtengrade zu beziehen 
sei, darunter aber nicht als einziger der consulat verstanden werden 
könne; es seien vielmehr mehrere ordines dazu nötig. Infolge dessen 

887 

sei -j^ der früheste termin für das ovinische gesetz ^8^). Und wenn 
man diese erklärung von »ordo« gut heisst, muss man beistimmen. 

199) YergL § 18. und C. de Boor: fasti cens. p. 72. 
130) 2. 336 ff. 131) Vergl. Diodor 20, 36; Livius 4, 29 ff. 

132) Bei Festus p. 246. 

183) Vergleiche dazu die ausf&hrliche beweisführung von Hof mann: 
der röm. senat p. 12 ff. 



Gap. I.] Die mofiBtraturen und der kämpf darum. 3S9 

Dodi sind auch andre erklärungen yersucht. Niebuhr^*^) erklärt 
»ex omni ordinec durdi »aus dem ganzen standec, welcher nämlich 
in curien Tereinigt sei^^), d. h. dem patricierstande. Becker-Mar- 
quardt^^) bezieht den ordo auf senatorier und ritter, patHcier und 
plebeier. Lange verwahrt sich endlich noch gegen die auslegung als 
»berufsstandc mit hinweis auf Cicero ^^^) und Sueton^'^). Letzteres 
ist wol, da die formulirung bei Festus nach YerriuB Flaccus gewiss 
auf originale fassung ansprach machen darf, far so alte zeit übe]> 
haupt ausgeschlossen. Die Becker'sche ansieht leidet daran, dass es 
dazumal durchaus noch keinen senatorier- und ritterstand gab. Ausser- 
dem ist fUr die alten stände der patrider und plebeier der ausdruck 
ordo nicht angebracht; und wenn in späterer zeit dennoch ein »ordo 
plebeiusc vorkommt, so ist dieser der dritte stand neben dem senato- 
rier- und ritterstand, hat also nichts mit dem alten plebeierstand zu 
tun. Ueberhaupt schliesst ordo den begriff des erst angeordneten, 
nicht des von natur bestehenden. .^^jtandesverhältnisses ein; ein ordo 
patricius existirt daher nicht — Was endlich die Niebuhr'sche er- 
klärung betrifft, so ist diese sehr precär; dadurch nämlich wären die 
plebeier als nicht zu den curien gehörig ausgeschlossen, was durch- 
aus den tatsachen widerspricht. — So sind wir auf Langes ansieht 
zurückgekommen. Dieser setzt ordo gleich gradus als beamten- 
classe^^); und dass »ordo« hierauf auch angewandt wird, scheint er 
mir mit recht aus Livius^^) zu schliessen, wo von der ergänzung des 
Senats nach ordines die rede ist; zugleich aber wird daselbst von den 
gewesenen curulischen magistraten und den niederern gesprochen, die 
zu Senatoren gemacht wurden ^^^). Schliessen wir uns aber dieser an«- 
schauung an, so müssen wir gleichfalls die einsetzung der praetur 
und curulischen aedilität als frühesten termin für das ovinische gesetz 

887 443 

gelten lassen. Nun ist freilich der Spielraum zwischen -jj^ und -5^ 
gross. Doch macht Becker ^^) noch auf einen umstand aufinerksam, 
der der datirung zu gute kommt. Neben den consuln werden von 
Festus nach Yerrius Flaccus die consular-tribunen in gleicher weise 
für die ältere zeit erwähnt, in welcher sie die lectio senatus vor- 



1^) 1. 553. ^^) Es hängt dies mit dem ausdruck »curiatic oder 

»curiatim« in der stelle des Festus p 264 über das gesetz zusammen. Dar- 
über unten. 136) 2. 2. 391 note 1003 am ende. i»^ Verr. 2. 6. 17. 

ISS) Aug. 41. Ob eine solche these angestellt ist, weiss ich nicht. 

18») Nach GelUus 14. 7. 9. i*o) 23. 23. 

141) Yergl. bei Lange a. a. 0. die Utteratur darüber. ^^) A. a. 0. 



360 Innere geschidite bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

nahmen. Wäre das gesetz erst gegen ende der angegebenen periode 
erlassen, so würde die erwähnnng von consnlar-tribnnen überflüssig 
sein, da ja nach diesen wieder eine lange reihe von consuln das amt 
ausgeübt hatten. Ausserdem stehen die consulartribonen nach, was 
auch zeitlich gefasst werden kann. Dann muss angenommen werden, 
dass das gesetz sehr, bald nach aufhebung des[consulartribunats gegeben 
worden sei, da dieses noch in nächster erinnenmg war. So werden wir 
denn das gesetz wol eher in die erste^ hälfte des Zeitraums von 
-nr ^^ "^ö"? als in die zweite zu yerlegen haben. — Damit würde 
die ansetzung in das jahr -rrr vereüibar sein. Doch bleibt sie nar 
türlich unsicher und hypothetisch. Im übrigen konnte der plebeisdie 
ceniior Marcius ohne grosse mühe ein solches gesetz veranlassen, um 
den gewesenen plebeischen oberbeamten einen platz im Senat zu 
sichern, was bis dahin wol nicht garantirt war, da es der Willkür der 
consuln anheim gegeben war. Dazu kommt, dass das häufige vor- 
kommen rein patricischer consulate in der letzten zeit auch die er- 
gänztmg des senats ganz in patricische bände gelegt hatte. Dem 
wollte der kluge plebeier vielleicht auf doppelte weise abhelfen, eines 
teils durch usurpirung der censur, andrerseits durch regelung der 
Senatsergänzung zu gunsten plebeischer candidaten. 

26 Was den antragsteller der lex betrifft, so muss es ein Ovinius 
gewesen seüi. Die lex heisst bei Festus eüie i>tribxmicia«. Da nun 
aber ein consulartribun mit namen Ovinius nicht vorkommt, wir auch 
sahen, dass das gesetz nach aufhebung dieses amtes gegeben worden 
sein muss, so kann jener Ovinius nur volkstribun gewesen sein*^. 
Dadurch aber erfahren wir zugleich, dass dies gesetz ein plebiscit 
und zwar in tnbutcomitien beschlossen sei^**). 

2e Wir kommen zum Inhalt des gesetzes^**). Festus i**) sagt aus, 
dass es in älterer zeit nicht als makel gegolten habe, bei der senats- 
ergänzung übergangen zu werden, da die könige und später die con- 
suln und consulartribunen die ihnen zunächst stehenden aus den pa- 
triciem, später auch aus den plebeiem^^^), ausgewählt hätten, bis das 



1^) So Meier inErsch und Grabers encyclopädie. abtl. 3.bd. 8. p.97, 
1886. und Haakh in Paulys real-encycl. bd. 5.p. 1033. 1848; dazu Lange 
2. 336. 

144) Yergl. Lange 2. 578; dazu meine krit. erörterungen über den 
röm, stat 2. p. 81fr. W5) Vergl. Hof mann: der röm. senat p. 7 ff. 

14«) A. a. 0. 147) Dass Festus so zu verstehen sei, vergL meine 

krit. erörterongen 2. p. 127. 



Gap. I.] Die magistraturen und der kämpf dämm. 361 

ovinisdie gesetz festgestellt hätte, dass die censoren speciell die 
jedesmal besten und zwar aus allen rangstufen aufiaehmen sollten, 
nachdem sie sich vorher eidlich zu einer gewissenhaften handhabung 
des rechts verpflichtet hätten i**). Eine doppelte neuerung also trat 
ein: erstens ging die lectio senatus von den consuln auf die censoren 
über, und zweitens wurde der act selbst von nun an an bestimmte normen 
gebunden. Durch den ersteren punkt stieg die censur ausserordentlich 
an Wichtigkeit; ja eben dies wurde in späterer zeit die bedeutendste 
und geftlrchtetste machtvollkommenheit der censoren. Der zweite 
punkt bestimmte, dass der senat so weit möglich aus gewesenen be- 
amten, besonders oberbeamten, welche ohne rüge ihr amt verwaltet 
hatten, ergänzt werden sollte, und zwar wol der reihe nach vom höch- 
sten amte anfangend, so lange ein ausfall zn decken war^^^). 

Dass die curulischen ämter, consulat, praetur, aedilität, sowie die 27 
censur eingeschlossen waren, versteht sich von selbst. Auch auf die 
quaestoren war das gesetz gewiss ausgedehnt i**). Fraglich aber ist 
es, ob schon jetzt die plebeischen ämter, tribunat und aedilität, an- 
spruch an au&ahme erheben konnten. Lange^^^) lässt dies erst 
durch das plebiscitum Atinium, das er der zeit des zweiten punischen 
krieges zuweist, eintreten. Allein dasjenige, was uns über das ge- 
nannte plebiscit berichtet wird, kann, meiner ansieht nach, unmöglich 
so gedeutet werden. Gellius^^^ ganz allein giebt an, es sei zwi- 
schen den älteren gelehrten Junius, Varro, Capito und Tubero streitig 
gewesen, ob der praefectus urbi in Rom den senat berufen und die 
Sitzung abhalten könne. Die drei letzteren erklären sich dafür, und 
Capito fährt als beweis an, dass auch die volkstribunen dieses recht 
gehabt hätten, obgleich sie vor dem atinischen plebiscit nicht sena- 



•■ 



1^) Die stelle heisst bei Festns p. 246: praeteriti senatores quondam 
in opprobrio non erant, quod, ut reges sibi legebant sublegebantque, quos in 
consilio publice haberent, ita post exactos eos consules quoque et tribuni 
militum consolari potestate coniunctissimos sibi quosque patriciorum et 
de in de (siehe die vorige note) plebeiorum legebant, donec Ouinia tribu- 
nicia interuenit, qua sanctum est, ut censores ex omni ordine optimnm 
quemque iurati (im text curiati, früher verbessert curia tim, was falsch 
ist; Meier: index lect., Halle, winter 1844—45, hat iurati corrigirt; 
yergl. dazu den weiteren nachweis bei Becker-Marquardt 2. 2. p. 390 
note 1003) in senatum legerent 

1^) Dies schliesse ich ans der andeutung des Livius 23. 23; vergl. 
oben § 24. 1») Vergl. Lange 2. 337. iw) 1. 701; 2. 161, 338. 

15») 14. 8. 



362 Innere gesehichte bis zu. den Samniterkriegen. [Bach 7. 

toren gewesen wären. Die frage also ist, ob ein nic^tsenatorischer 
beamter den senat abhalten könne. Betont wird dabei die amtszeit 
Wie aber kann daraus geschlossen werden, dass folglich das atinische 
plebiscit die bestimmung getroffen habe, gewesene tribnnen müssten 
durch die censoren auch in den senat aufgenommen werden? Der 
unterschied ist ja doch, dass vor dem atinischen gesetz die tribu- 
nen, ohne Senatoren zu sein, den senat abhalten konnten, während 
seit dem gesetz sie Senatoren seien, also nicht erst werden müss- 
ten, wenn das amt abgelaufen sei. — Ebenso wenig wie Langes er- 
klftrung kann ich aber Hofmanns^^') annehmen, dass n&mlich nur 
Senatoren dadurch hätten tribnnen werden können. Umgekehrt 
sagt Gellins aus, dass durch das gesetz die tribunen Senatoren ge- 
worden wären. Ichmuss mich daher Rubino^^) und Mercklin^^) 
anschliessen, welche, dem Wortlaut getreu, annehmen, dass das atini- 
sche plebiscit die volkstribunen zu Senatoren erklärt habe, so dass sie 
fortan während des amts das recht des sitzes und des referats, nach 
ablauf des amts auch das ins sententiae dicendae besessen hätten, 
während sie bei der nächsten lectio senatus durch die censoren auch 
formell in das album der Senatoren eingetragen wurden. Dieses aber 
war blosse formalität; sie galten auch vorher schon von reditswegen 
als Senatoren. Was dann die zeit des atinischen plebiscits angeht, 
so verlegen jene es in die gracchische oder nachgracchische zeit. Jeden- 
falls darf nach einsetzung des gesetzes der £sdl nicht mehr vorkom- 
men, dass ein volkstribun als nichtsenator auftritt. Die annähme Hof- 

MM 

manns^^^), dies könne dann nicht vor -^ statt gefunden haben, ist 
nicht stichhaltig, da sie nur auf seiner ganz subjectiven Interpretation 
der lex Acilia repetundarum^^^) beruht Im übrigen liegt die frage 
nach derzeit jenseit unseres bereichs, da siewol nicht vor -1^9-"*) fiel. 
Hat aber das atinische plebiscit nichts mit der aufiiahme in den 
senat durch die censoren nach ablauf des amtes zu tun, so steht nichts 
im wege, diese letztere wie für die curulischen ämter und die quaestur 
so auch ftlr den volkstribunat und die plebeische aedilität auf die 



183) Der röm. senat p. 145ff. i^) De tribunicia pot. p. 43ff. 

i^) Zeitschr. fOr altertumswiss. 1846, p. 876 ff. 

15«) A. a. 0, p. 167. w^ p. ö4ff. 

158) Li V ins 46. 16; dort beklagt sidi der tribun Gn. TremeUinSi dass 
er von den censoren nicht in den senat aufgenommen sei; somit war der 
selbstverständliche eintritt in den senat damals noch nidit gesetzlidif wenn 
wir hier nicht das eintragen in das senats-album zu verstehen haben. 



J 



Cap. I.] Die magistraturen and der kämpf darum. 363 

lex Ouinia zurttckzuführen^^^. Jedenfalls galt dies schon im jähre 
998 igo\ 
21« / 

Damit war dar wfficflr eine schranke gesetzt. Und die censoren 
¥nirden ausserdem auf gewissenhafte ausfiüirung des gesetzes hin ver- 
eidigt i«). 

» f Lange^'^) nimmt für die frühere zeit an, dass der senat nur 28 
aas den seniores ergänzt, und dass dies nun erst durch die Vorschrift, 
gewesene beamte anzunehmen, unmöglich geworden sei. Letzteres 
ist gewiss richtig, aber ersteres unbewiesen. Der ausdruck bei 
Festus^^) schliesst auch die iuniores nicht aus. Das setzen bestimm- 
ter altersgrenzen für die bekleidung eines statspostens ist erst die 
anordnung später Jahrhunderte^^); ein umstand, der einer früher an- 
erkannten altersgrenze für den senat zu widersprechen scheint; wir 
müssen daher der Willkür der consuln und consulartribunen bei den 
älteren ergänzungen freieren spiefraum lassen. 

Wir sahen obeni^), ^j^gg gegen ende des amtsjahres ^^^^^ der 29 
dictator M. Fabius ernannt wurde, um die consulwahlen zu gun- 
sten der patricier zu beeinflussen. Es gelingt ihm aber nicht, und 
die patricier lassen es diesmal auch nicht auf ein Interregnum an- 
kommen, sondern heissen einen plebeischen consul gut. Gewählt wur* 
den G. Cornelius und M. Popilius mit dem zunamen Laenas, 
den wir schon mehrfach getroffen haben ^^). 

Als praetor nennt Livius^^^^*) P. Yalerius Publicola; es ist 
wol derselbe wie der consul des Vorjahres. 



ift^ So auch Hof mann: der röm. senat p. 12 ff. 

i«o) VergL Livius 23. 23. 

1^1) Diese aus der Meier'schen emendation iurati statt curiati re- 
snltirende tatsache hat nichts auffallendes und findet viele analoga; vergl. 
Meier und Becker-Marquardt a. a. o. gegen Niebahr 1. 553; gegen die hy- 
pothesen Mommsens: röm. forsch. 1, p. 260, vergL meine krit. erörterungen 
2. p. 134; femer Lange 2. 335, 354. i^) 2. 336. 

168) Coniunctissimos sibi quosque legebant. 

IM) So die leges annales. i««) § 22. 

166) Diodor 16. 56. hat das cognomen an dieser stelle nicht, scheint 
also zwischen diesem und dem früheren zu unterscheiden; die triumphal- 
lasten haben consul in, was freilich kein beweis ist. Livius 7. 23. 1. hat 
an steUe des ersteren L. Cornelias Scipio; wir folgen Diodor. Livius 
mag aus verwechselang oder falsdier identificirang mit dem letzten zwi- 
schenk&nige im kalendetjahr -j^, vefgl. 7. 21. 4, Lucius statt Gaius 
geschrieben haben; der beiname Scipio findet sich auch in den späteren 
fastra; die capitolinischen fehlen hier. i66*) 7. 23. 3. 



364 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

In dieses jähr fällt auch ein erdichteter Gallierkrieg ^^), der f&r 
den plebeischen consnl Popilios einen triumph abwirft ^^). 

Das amtsjahr endet wiederum mit den bekannten wahlkämpfen, 
zu deren zweck auch ein dictator eintritt. Nach livitis^^) ist es 
L.FuriusGamillns mit dem reiter-oberstenP. Cornelius Scipio^^^). 
Es ist eine eigentümliche erscheinung, dass in diesen jähren sich stets 
eine dictatorenwahl findet. Man möchte bei solcher häufung an 
eine mehrfache interpalation denken. Dennoch aber lässt sich die 
tatsadie aus der ungeheuer erregten politischen atmosphäre j^er zeit 
erklären, so dass absolute zweifei nicht aufkommen können. Auch 
dieses mal wird der dictator wol zum zwecke der Wahlbeeinflussung 
erwählt, »comitiorum habendorum causa« wie die capitolinischen fasten 
sich ausdrücken, aUein ohne dass seine competenzen darum allein auf 
diesen gegenständ beschränkt worden wären ^^^). Und es gelingt ihm 
auch, zwei patricische consuln durchzusetzen. 
30 lieber die consuln dieses Jahres divergiren die angaben. Li- 
yius^^^ erzählt, bei der consulwahl sei der versitzende dictator selbst 
ernannt worden und habe zu seinem coUegen Ap. Claudius Cras- 
sus gemacht. Hierbei stellt sich Livius ein ganz falsches bild von 
den Wahlverhältnissen vor^ Nach ihm hätte der dictator nichts zu 
seiner eigenen wähl getan, während es doch ganz von ihm abhing, 
wen er als candidaten nannte; er musste also sich selbst ebenso wie 
Ap. Claudius vorgeschlagen haben ^^'). Ein absolutes hindernis gegen 
eine solche selbstrenuntiation lag nicht vor, doch war sie äusserst 
selten ^^^). In unsrem falle aber kommt noch ein andres moment 



167) Vergl. buch 6. § 6, 12. 

168) Man merkt auch hier die plebeische quelle des Livius. 169) 7. 23. 11. 

170) Die dictatur ist auch von .den capitolinischen fasten bezeugt, wo 
zu diesem jähre allein erhalten ist: [M]AG EQ., d, h. »magister equitum.c 

171) Vergl. oben § 21. über Mommsen; desgl. § 9 u. 32. 172) 7. 24. 11. 

173) YergL Mommsen: röm. statsrecht 1. p. 162 note 1. 

174) Mommsen: röm. statsrecht 1. p. 402 note 1 führt aus der ganzen 
republikanischen zeit nur sechs bcispiele auf; davon steht unser fall an 
zweiter stelle. Das älteste beispiel des decemvir Ap« Claudius im jähre 
-^- ist durch die historisch so unklare zeit zweifelhaft; vielleicht audi 
lag hier eine besondere anfforderung dazu von senatswegen vor, da wir es 
mit einer änderung des verfassungslebens zu tun haben, und die patricische 
partei sich offenbar schon vorher über ihre candidaten einigte; der M 
congruirt dann mit den aus den jähren -j^ und -^\ vergl. Mommsen 



Gap. I.] Die magistratnreii und der kämpf dämm. 365 

hinzu, welches sie ausschliesst. Während nämlich Livios und die 
fasten L. Furius und Ap. Claudius als consuln angeben, finden wir 
bei Diodor ganz andre namen, nämlich M. Aemilius und T. 
Quinctius^''*). Die besseren quellen des Diodor sprechen ihm 
grössere glaubwürdigkeit zu. Bei Livius und den fasten haben wir 
es wol wieder mit der Verherrlichung eines Furius Camillus zu tun. 
Damit fällt die selbstrenuntiation des Camillus zu boden. Im übrigen 
aber ist der livianische bericht noch wichtig, weil an ihn consequen- 
zen angeschlossen werden könnten. Nach ihm nämlich stirbt Ap. 
Claudius während des amtsjahres, und Furius Camillus bleibt ohne 
suffection alleiniger consul^^*). Weder Becker -Marquardt"^) 
noch Lange^^^) haben diesen fall mit in betracht gezogen; letzterer 
verwahrt sich mit recht gegen das in die sagenzeit fallende älteste 
beispiel des P. Yalerius Poplicola^*^^). Aber auch das Zweitälteste 

254 

beispiel von -^ ist aus historisch zu dunkler zeit, um auf historische 
gewähr anspruch machen zu können; dazu berichtet auch nur Dionys^^) 
davon. Alle andren beispiele fallen erst nach dem sullanischen bttr- 
gerkrieg, als die alte Ordnung gänzlich verkümmert war. Wir haben 
in dieser sage von dem einzelconsulat des Camillus wiederum nur 
einen zug farischer familienverherrlichung zu sehen. Durch annähme 
der diodorischen consuln fällt die ganze erzählung vom tode des Clau- 
dius und dem eüizelconsulat in nichts zusammen^^^). 

Neben den consuln wird noch der praetor L. Pinarius ge- 
nannt) welcher den. auftrag erhält, die küste Latiums und Boms gegen 
die griechischen piraten zu schützen. Die richtigkeit dieser püra- 
tereien spricht für die.echtheit der personal-angabe^^^). 



a. a. 0. Die Unregelmässigkeiten des letzten Jahrhunderts der republik ge- 
ben keinen massstab für die ältere zeit ab. Es bleibt ausser unsrem dann 
noch ein fall aus dem jähre -^r^, wo der interrex L. Postumius Me- 
gell US sich selbst zum consul renuntirt, nach Livius 27. 6. An der ange- 
fahrten stelle wird er als ältestes beispiel hierfür genannt. Und die selbst- 
renuntiation eines interrex zum consul findet darin schon eher eine ent* 
sehuldigung, dass der erstere ein magistrat ohne imperium ist. Wir aber 
können dies beispiel mit derselben Sicherheit für das älteste historisch be- 

404 

glaubigte halten, da, wie wir sehen werden, ein solcher fall fRr -^ aus- 
geschlossen ist. "5) Diodor 16. 59. 1^6) Liv. 7. 26. 10 ff. 

W7) 2. 2. 88. 178) 1. 616. 179) Lirius 2. 7. 8. iw) 5. 67. 

181) Diese Verherrlichungen der GamiUi lassen sich wol auf Yalerius 
Antias zurückführen, aus dem sie Licinius Macer entnahm und dem Livius 
Übertrug. 183) VergU buch 6. § 94 ff. 



866 Innen gesdiichte bis ni den Sanmiterkriegen. [Bach 7. 

Wiedenun nennen uns Livins^^) und die fasten einen dictator 
comitioram causa: T. Manlins Torqnatns mit dem reiter-obersten 
A. Cornelius Cossns. Livins h&lt ersteren fOr den helden im 
Gallierkriege von -^, welcher im Zweikampf den riesenmässigen 
Gallier tötete ^^). Es Utost sidi eben nichts bestinmites gegen die 
dictator sagen; wir geben die tradition wieder. 
31 Nach Liyins^^) erreicht der dictator seinen zwec^ nidit^^). Es 
wird ein plebeischer consnl erwählt; und zwar wunderbarer weise 
scheint dieser vom dictator selbst vorgeschlagen worden zu sein; 
denn livius sagt, letzterer habe seinen nebenbuhler im rühm des 
Zweikampfs gegen einen Gallier, M. Yalerius Gorvus^, den oo- 
mitien vorgestellt; in denselben sei aber zugleich M. Popilius Laenas 
zum vierten mal gewählt worden. Das konnte gleichfalls nur auf verschlag 
des dictators geschehen. So hätte dieser also seine partei vernachlässigt 
und wäre plebsfreund geworden; das widerspricht seinem sonstigen 
Charakter, denn er ist derselbe, welcher der tradition nach seinen 
vater, den gewesenen dictator, durch gesetzwidrige dn^ungen gegen 
den volkslribun vor der anklage rettete^. — AuffaUend ist femer, 
dass hier die beiden Galliertöter Manlius und Yalerius in berührung 
treten, ja dass die berührung zurückgefGÜirt wird eben auf jmie vdllig 
sagenhafte erlegung je eines Galliers. Darin kdnnte eine absidit 
liegen, ebenso wie wir sie in dem zusammenbringen des altw Gar 
millus mit jenem Manlius Gapitolinus beobachteten^^*). Es Ist der cha- 
frakter der sage, hervorragende erscheinungen mit einander in Ver- 
bindung zu bringen, so Herakles und Theseus, letzteren und Jason, 
sowie mit Gedipus, so Bomulus und Titus Tatius, so ißrutus und €^ 
latinus und gleicherweise mit Horatius, dem weiher des capitolini- 
schen tempels, und mit Yalerius Poplicola, so Sp. Maelius mit Minu- 
cius Augurinus^*^). — Dieselben consuln wie Livius geben auch die 
hierin ja immer mit ihm übereinstimmenden fasten an. Anders aber 
Diodor^*^). Dieser hat dasjenige consulpar, was bei Livius und den 
asten zum jähre -^ notirt ist: M. Fabius und Ser. Sulpicius. 
Auf die genannten folgen dann bei Diodor der reihe nach , die bei 



iw) 7. 26. 11. iw) Liv. 7. 10; vergL buch 6. § 4. 

1^ 7. 26. 12 ff. 1^) üdber zweck und competenz vergl. § fi, 22, 28. 

M») YergL buch 6. § 12 ff. w») Vergl. oben § d. und la. 

180) Vergl. buch 2. cap. YI. und cap. HI. 

1^ YergL Mommsen Hermes 6. 2. p. 266 ff. i*^) 16. 66. 



Öap. I.] Die magistratnren und der kämpf darum. 367 

Livius und den fasten zu den jähren -— , — —- und -r^ gehörigen 

848 #47 «Mb 

eponymen, so dass bei ihm jener Yalerius Corvus unter dem jähre 

407 

-TTT- angeführt ist. Wenn Diodor irrt, so haben wir anzunehmen, 

409 

dass er oder seine quelle die consuln von -t—- willkürlich um drei 
jähre vordatirt habe. Man ist vielleicht geneigt, dies daraus zu er- 
klären, dass die diodorischen consuln von -~- beide patricier sind 
und die existenz eines dictators bei den wahlcomitien dem argwöhn 
räum gab, es müssten patricier gewählt sein; das nächste patricische 
Gonsulpar aber ist nach den fasten und Livius eben das von -j^ 
mit Fabius und Sulpicius. Doch lässt sich hiergegen einwenden, dass 
Diodor überhaupt nichts von einem dictator berichtet, andrerseits, 
dass die uns bei Livius und in den fasten vorliegende redaction der 
Jahresangaben sehr viel später abgefasst ist, als die diodorische re- 
daction i**), welche letztere wir durchaus haben schätzen lernen. Für 
Diodor aber spricht einmal das patricische consulpar als folge der 
dictatur des Manlius, dann die verdächtige Zusammenstellung des 
Manlius Torquatus mit Yalerius Corvus bei Livius und in den fasten. 
Dieser umstand lässt der Vermutung räum, dass wir es vielmehr bei 
Livius und in den fasten mit einer Umstellung der eponymen zu tun 

406 

haben, indem das patricische par von -— hinausgeschoben wurde, da- 
mit der Yalerius des folgejahres in ihre stelle einrücken könne ^^'). 
Es kommt noch dazu, dass Livius ^^) gar nicht zu erklären weiss, 

409 

wie im jähre -j^ plötzlich rein patricische consuln auftreten; er weiss 
nidits von einem dictator oder einem Interregnum ; die consuln treten 
an, als sei alles in grösster Ordnung. Auch das spricht gegen diesen 

40A 

bericht. Wir halten uns daher an Diodor und nennen zu -ttt- die 

#48 

eponymen M. Fabius^**) und Ser. Sulpicius^^). Die capitolini- 
nischen fasten führen zu diesem jähre auch einen dictator an, dessen 
name freilich ausgefallen ist. Livius weiss nichts davon, und so dür- 
fen wir wol den bericht für sehr späte zudichtung halten ^^^). 



19S) Wahrscheinlich nach Calpnrinus Piso; vergl. buch 1. cap. II. und 
Heidelberg, jahrb. 1872 11. p. 8d6ff. 

193) Pass diese Umstellung vielleicht von Yalerius Antias herstamme, 
deuteten wir Mher an; vergl. buch 6. § öO.^note. i»*) 7. 28. 1. 

i9fi) Nach Livius und den fasten Dorsua zubenannt. 

IM) Nach Livius Gamerinus, den capitolinischen fasten und dem 
Chronographen auch Rufus genannt. 

197) YergL C. I. L. I. p. 446 zum jähre 406, und den dort citirten 
Drumann 2. 170. 



368 Innere geschichte bis za den Samniterkriegen. [Buch 7. 

32 In diesem jähre treten dann die schon genannten consuln M. Ya- 
lerius^^®) und M. Popilius Laenas^^) zum vierten mal an. 

Diesen folgen G. Plautius und T. Manlius mit dem beinamen 
Torquatus*^). Ob dieser Plautius derselbe ist wie der consul von 

996 

-, ist nicht zu bestimmen, doch nicht unwahrscheinlich. 



WS ^^ 

Im jähre -jjj- finden wir bei Diodor**^) M. Valerius und M. 
Popilius*®*). Livius*®^) und die fasten haben M. Valerius Cor- 
vus n und C. Poetelius*^). Die eine oder die andre lesart in 
betreff des letzteren consuls mass auf einem Schreibfehler beruhen; 
doch haben wir dasselbe schon zum jähre -^ mit den gleichen na- 
men beobachtet. Möglicherweise hat Diodor den etwas fremd klin- 
genden namen Poetelius in nachlässigkeit für Popilius ge- 
halten *>5). 

Auch ein dictator wird von Livius zu diesem jähre genannt, und 
zwar Gn. Manlius Gapitolinus. Dass derselbe aber ebenso wenig 
wie der mit. ihm in Verbindung gebrachte Aurunkerkrieg historisch 
ist, haben wir oben auseinandergesetzt*^). 
33 C. Marcius, nach Livius*®^) Butilusin, und T. Manlius 
TorquatusH*®^), folgen im consulat. Wegen aussergewöhnlicher 
prodigien wird ein dictator zur ansetzung ausserordentlicher ferien er- 
nannt, und zwar P. Valerius Publicola mit seinem reiter-obersten 
Q. Fabius Ambustus, wie Livius berichtet. Ohne zusanunenhang 
damit erzählt Livius weiter, es sei am schluss des amtßjahres zum 
interregnum gekommen, in folge dessen zwei patricische consuln er- 
wählt worden seien. Nach den früher beobachteten Vorgängen aber 
möchte ich beide erscheinungen unter denselben gesichtspunkt brin- 



19^) Nach Livius 7. 26. 12 und den fasten Corvus zubenannt; Diodor 
16. 69 entbehrt den beinamen. 

199) Per Zuname fehlt bei Diodor ebenso wie die iteration. 

900) Bei Diodor 16. 70. nicht ; dagegen im zweitfolgenden jähr mit dem 
cognomen. Livius 7. 27. 3. und die fasten haben umgekehrte reihenfolge; 
vergl. oben § 6. *oi) 16. 72. 

202) Bei Diodor wie gewöhnlich IlonXtog 903) 7. 27. ö. 

*04) In den capitolinischen fasten Libo VisolusII. zubenannt 

*05) Die duumvim zur erbauung des tempels der Juno Moneta in die- 
sem jähre, nach Livius 7. 28. 5, sind, wie der ganze tempelbau selbst in 
dieser zeit, sehr verdächtig; vergl. buch 6. § 65 ff. 

206) VergL buch 6. § 64—59. 

307) 7. 28. 6; vergl. die jähre ^ und i^. 

208) Auch Diodor 16. 74. hat dieses mal den zunamen. 



Cap. II.] Die finanzverhältnisse. 369 

gen, da wir gesehen haben, dass der dictator und ein interregnom 
gewöhnlich sich an den wahlkampf in consularcomitien anlehnten. Die 
letzten vier jähre waren wieder mit beobachtung des licinischen con- 
sulgesetzes vergangen. Ob die patricier keinen versuch zur ferneren 
occupirung beider consulstellen gemacht hatten, oder ob sie darin 
überwunden worden waren, entzieht sich der beurteilung. Allein im 
jähre -^ .erneuerte sich offenbar der kämpf. Zwar mag der dictator 
urs^ünglich zum zwecke sacraler feierlichkeiten ernannt worden sein. 
Vielleicht aber reizte gerade diese seine existenz die patricier zu neuer 
Usurpation des gesammt-consulats^. So viel steht zwar fest, dass 
der dictator nicht reussirte; allein er brachte es doch dahin, dass 
Zwischenkönige die regulären magistrate ablösten, und dass unter 
diesen zwei patricische consuln zur wähl kamen. — Wie weit durch 
das Interregnum der antrittstermin der consuln hinausgeschoben wurde, 
ist unsicher, da nichts über die dauer des Interregnums gesagt ist. 
Jedenfalls aber müssen wenigstens zwei Zwischenkönige im amt ge- 
wesen sein. Und da wir als letzten antrittstermin etwa den 10. no- 
vember kennen lernten ^^o), so sind wir nun etwa an dem 20. novem- 
ber angekommen. 

Die beiden neuen patricischen consuln waren M. Yalerius, nach 
Livius und den fasten Corvus lU, und A. Cornelius, nach den- 
selben quellen Cossus zubenannt. Letzterer ist vielleicht identisch 
mit dem magister equitum von -g~- ). Damit ist die zu behan- 
delnde zeitepoche zu ende geführt. 

CAP. n. 
Die flnanzverhältnisse. 

Wir haben schon früher in anknüpfung an das licinische schul- 34 
dengesetz ausführlich über die finanziellen angelegenheiten Boms ge- 
sprochen *i*). Wir lernten dort, dass durch die zwölf tafeln zuerst 
ein fester zinsfuss mit einer Strafzahlung an den geschädigten im Über- 
tretungsfall zum vierfachen betrage des ungesetzmässig erhobenen 
Zinses festgesetzt wurde. Die höhe des damaligen zinsfusses glaubten 



^ Daraus würde der schluss auf eine nicht beschränkte, auf keine 
blosse special-competenz des dictators erlaubt sein; vergL § 9,22,28,30. 
310) Vergl. oben § 22. aii) Vergl. oben § 29. 

913) Vergl. buch 4. cap. I; dazu buch 2. cap. VL 

Clason, röm. gMch. I. 24 



370 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

wir auf etwa ^/^ des capitals fOr das in geschäftssachen gültige zehn- 
monatliche jähr, d. h. auf das doppelte des uncialzinsfasses, anstellen 
zu dürfen, ein procentsatz, der noch zur zeit der licinischen gesetz- 
gebung in kraft war. Die höhe desselben erklärt sich daraus, dass 
in jenen zeiten offenbar ein grösseres bank- und geldgeschäffc noch 
gar nicht betrieben wurde, daher gelddarlehen nur gegen hohe Zinsen 
gemacht wurden. Das aufoehmen von darlehen aber wurde notwendig 
durch die materiell ungünstige läge der armen plebs, an welcher«der 
brand und die Verwüstung Roms durch die Gallier die hauptschuld 
trugen. Die spuren einer durch solche darlehen entstandenen Ver- 
schuldung entnehmen wir hauptsächlich, ja fast allein dem umstände, 
dass Licinius und Sextius ein Schuldentilgungsgesetz erliessen ; da auf 
die traditionellen angaben über die schuldennot kein gewicht gelegt 
werden kann^^^j, dj© abhülfe, welche durch das licinische gesetz in's 
werk gesetzt wurde, war äusserst gering; die ärmeren mussten von 
neuem schulden machen, nur um die früheren schulden amortisiren 
zu können, so dass die Sachlage kaum verbessert wurde. 
35 Livius zwar weiss bis zum jähr -^- nichts hierüber zu berichten. 
In dieses jähr aber fällt ein wichtiges finanzielles und national-öko- 
nomisches ereignis: die herabsetzung des zinsfusses auf die hälfte, 
von Vö des capitals auf Vu, auf den uncialzinsfuss = 8V» % für das 
zehnmonatliche geschäftsjahr der Römer ^i*). Als antragsteUer wer- 
den die Volkstribunen M. Duilius und L. Menenius'^'^) genannt; 
der beschluss also wurde in tributcomitien als plebiscit gefasst, ebenso 
wie es mit den licinischen rogationen sich verhielt ^^^). Livius *i^) fügt 
hinzu, die plebs habe mit ungewöhnlichem eifer sich an der abstimmung 
beteiligt. Der ganze bericht ist in chronikartiger kürze abgefasst und steht 
nebeii ähnlichen notizen, die durch ihre form auf alte gute quellen, 
wahrscheinlich Fabius Pictor, zurückweisen *i^). Vielleicht haben wir 



213) Buch 2. cap. VI. ^u) Vergl. buch 4. cap. I. 

315) Früher wurde Maenius gelesen. 

916) l^iebuhr: 3. 60. schliesst ohne allen grund aus den werten des 
Livius: »haud aeque laeta patribusc, dass die curien widerstrebend ihre 
einwilligung zum gesetz gegeben hätten. Einmal sind jene werte eine be- 
liebige floskel aus demokratischer feder; denn die vornehmen plebeier 
waren gerade so sehr dadurch getroffen. Andrerseits hatten die corien 
und das patricische bestätigungsrecht nichts mit beschlüssen der tribus zu 
tun; vergl. meine krit. erörterungen über den röm. stat 2. p. 85fi^ 

ai7) 7. 16. 1. . ai8) Vergl. buch 1. cap. I. und n. 



Gap. n.] Die finanz Verhältnisse. 371 

daher in jener schlussbemerkong des Livius^^^) auch eine alte, auf 

gleichzeitige aufzeichungen zurückgehende anmerkung über die art 

der abstimmung und beschlussfassung zu suchen, und dtürfen sie auch 

wol als willkommenes historisches material ansehen. Der eifer der 

plebs bekundet, dass ein wichtiger und allerseits verstandener gesetzes- 

act in's werk gesetzt wurde; und wir sahen darin eine bestätigung 

unserer ansieht über die herabsetzung des procentsatzes auf die 
hälfteJöO). 

Dass dies gesetz rückwirkende kraft gehabt habe, lässt sich wol 36 
nicht annehmen, wenigstens insofern als etwa noch nicht abgetragene 
zinsschulden um die hälfte vermindert worden wären. Doch wird für 
ausstehende darlehen von dem angenblick des gesetzesbeschlusses an 
nur noch der neue Zinssatz erhoben worden sein, da der ältere höhere 
nun als wucher anzusehen war. Dass ein solcher wucher strafbar war, 
geht aus der tatsache des zinsgesetzes hervor. Nur ist die art der 
strafe unklar. Wir haben früher ^i) im anschluss an Huschke^ 
dargetan, dass schon bei festsetzung des ersten zinsfiisses von V^ des 
capitals durch die zwölf tafeln der vierfache betrag des wuchers als . 
entschädigung von dem übervorteilten eingeklagt werden konnte. Es 
war das aber noch keine multa, keine geldstraf e von statswegen mit 
Zahlung an die statskasse. Eine solche nun wird auf die lex Duilia 
Menenia zurückgeführt. Niebuhr^^S) lässt hier jene vierfache wucher- 
strafe eintreten; doch mit unrecht ^^^). Huschke und nach ihm 
Bein^^^) führen die erste multa auf dies gesetz zurück. Doch sind 
ihre gründe nicht zwingend. Tacitus^^S) berichtet nur allgemein, dass 
neben den drei zinsgesetzen^^) eine reihe von plebisciten gegen den 
Wucher existirte; eine Zeitangabe ftlr letztere hat er nicht. Nach Li- 
vius^^) erfahren wir zum ersten mal von aedilicischen wucher-ankla- 
gen vor den comitien zum jähre -^, nachdem im jähre -^ ) 
der uncialzinsfuss auf die hälfte herabgestellt uud die licinische Schul- 
dentilgung von neuem in's werk gesetzt worden war. So kann denn 



319) Et plebs aliquante eam cupidius sciuit. 

320) Vergl. buch 4. cap. I. und über die motive zur herabsetzung von 
Seiten der reichen vergl. buch 4. § 39. 221) Buch 4. cap. I. 

Nexum p. 120 ff. nach Gate de re rust. zu anfang, 
2. 61. 334) Vergl. Huschke a. a. 0. 

335) Rom. privatrecht p. 633 ff. ^) Ann. 6. 16. 

337) Uncialfdss, semtmcialfuss und völliges verbot des zinsnehmens. 

338) ,7. 28. 9. 239) Liv. 7. 27. 3, 4. 

24^ 



372 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

jenes multgesetz gegen wacher auch zusammen mit dem letzteren 
Zinsgesetz gegeben worden sein**^). Und das energische vorgehen 
gegen die wacherer drei jähre nach dieser zeit spricht eher ftlr die 

407 897 

ansetzung des multgesetzes auf -^^, als auf -^ ; man würde sonst ein 
solches vorgehen früher erwarten. Auch war ein multgesetz bei einem 
auf 4V6 % herabgesetzten zinsfuss wichtiger und gebotener, als bei 
dem immerhin noch hohen satz von SVs % ^^^ zehn monate. Doch 
bleibt es unbestimmt, wann eine multa gegen wucher gesetzlich fest- 
gesetzt worden sei. Die höhe des multbetrages scheint jedesmal von 
dem antrag der klagenden beamten und von dem volksbeschluss darüber 
abgehangen zu haben. Die aedilen treten als öffentliche ankläger 
auf; dabei werden wol die plebeischen sowol als die curulischen tätig 
gewesen sein, wie wir das auch bei den mult-eintreibuugen in folge 
von Übertretung des licinischen ackergesetzes kennen lernten ^3^). 
37 Schon vor der herabsetzung des zinsfusses auf die hälfte des 
uncialzinses, auf 4V6 % ^ ^^^ monate , machte sich der umstand 
geltend, dass die herstellung des uncialzinses, trotz seiner grossen 
erleichterung für die Schuldner, dennoch die schulden nicht aufhob 
oder verminderte. Zwar die notiz bei Livius^^) beruht nicht auf 
autentischen berichten, sondern ist reflexion aus den darauf folgenden 
tatsachen^^^), allein eben diese berechtigen zu solcher anschauung. 

402 

In folge dessen wurde im jähre -^ von statswegen eine schulden- 
tilgung angeordnet. Livius^^) lässt diese den armen plebeiem gün- 
stige massregel als consequenz einer versöhnlichen Stimmung zwischen 
beiden ständen eintreten, da gerade dies mal ein patricier und ein 
plebeier zu consuln gewählt worden wären, P. Valerius Publicola und 
C. Marcius Rutilus, der gewesene erste plebeische dictator^^s). j^ach 

399 

dreyähriger Verletzung des licinischen consulgesetzes ~ da von -rrr- bis 

401 

-^ Stets zwei patricier ernannt worden waren — stand dieses mal 
wieder ein plebeier im amt, derselbe, dessen emennung zum dictator 



Dass Lange^2. 34 and 579 den consul Marcius Rutilus des jahres 
-|^ die lex Marcia (nach Gaias 4. 23) beschliessen lässt, wonach es den 
Schuldnern erlaubt sein sollte, wenn ihre gläubiger wucherzinsen von ihnen 
einforderten, gegen diese die »manus iniectioc auszuüben, ist durch keine 
angäbe verbürgt; es kann das gesetz auch einer ganz andren zeit ange- 
hören. 231) Vergl. buch 4. cap. II. 

233) 7. 19. 5: etsi unciario fenore facto leuata usura erat, sorte ipsa 
obruebantur inopes nexumque inibant. 233) Vergl. oben § 19. 

234) 7. 21. ö. 236) VergL § 20. 



Gap. n.] Die finanzverhältnlsse. 373 

die patricier zur nichtbeachtung des licinischen gesetzee bewogen 
hatte ^^). Ein energischer mann scheint dieser Marcins gewesen zu 
sein. Er hatte wol die üblen folgen seiner Usurpation der dictatur 
erkannt; jetzt galt es, bei der menge ftlr seine und der vornehmen 
plebeier sache werben. Dazu musste ein Schuldentilgungsgesetz dienen. 
Ja wer weiss, ob er nicht durch in-aussichtrstellung dieses gesetzes 
die plebeier erst bewogen hatte, den patricischen 'bestrebungen nach 
zwei patricischen consuln auch für das laufende jähr so hartnäckig zu 
widerstehen, dass diese im eilften interregnum sich fügten 8^7) ? Und 
so war Marcius es ohne zweifei, welcher den antrag stellte, fünf man- 
ner zu wählen, die eine commission zur Schuldentilgung bilden sollten« 
Ohne zweifei stellte er den antrag in tributcomitien, wo er durch die 
virilstimmen der masse seiner sache sicher war. Es wurden demnach 
fünf männer, quinqueuiri mensarii^^^), ernannt, und zwar zwei 
patricier und drei plebeier 23»), in folgender reihenfolge: C. Duellius, 
P. Decius Mus2*o), m. Papirius, Q. Publilius, T. Aemilius. 
Livius weiss sie nicht genug zu loben; er sagt, alle annalisten däch- 
ten ebenso; doch haben wir wol darin nur die ansieht der Livius 
gerade zur band seienden zu sehen. Die sache selbst war von vor- 
übergehender bedeutung. Der ruin der kleineren verschuldeten grund- 
besitzer ward dadurch befördert. Die absieht war, wie gesagt, alle 
schwebenden Schuldverhältnisse aufeuheben und auszugleichen. Ent- 
weder, wenn kein capital vorhanden war, wurde des Schuldners hab 
und gut, besondere, der landbesitz wol, in billiger weise abgeschätzt 
und an geldesstatt dem gläubiger übergeben; oder der Schuldner 
musste dem State gegenüber durch bürgen oder eigentum Sicherheit 
gewähren; in welchem falle der stat die gläubiger befriedigte und nun 
an Stelle derselben gläubiger wurde. Fraglich ist es, ob in letzterem ' 
falle der stat Zinsen bezog. Eigentlich widersprädie dies den wöl- 
tätigkeitsabsichten des gesetzes, allein Sicherheit darüber ist nicht 
vorhanden. Wie wenig dies verfahren aber allen notständen abhelfen 
konnte, geht daraus hervor, dass alle die kleinen verschuldeten be- 
sitzer, welche nicht bürgen oder genügendes pfand dem State leisten 



236) Yergl. § 16, 17. »37) Vergl. § 20. 

338) Von mensa, dem geldtisch benannt, wie unsere banquiers von bank. 

239) Vergl. den gnmd § 20. 

240) Ob der znname echt ist, kann bezweifelt werden ; in den Samnitef- 
kriegen werden mehrere beiden Decii Mures genannt; vielleicht ist hier 
das cognomen zurückdatirt. 



374 Innere gesduchte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

konnten, ihr eigentmn verloren und dem städtischen Proletariat an- 
heim fielen. Schlimmer noch waren die daran, deren eigentmn schon 
fiberschnldet war, und die sich in schuldhaft befanden; ihr eigentmns- 
recht ging verloren und sie blieben verschuldet. Am nutzlosesten war 
das verfahren fEkr diejenigen, die überhaupt kein eigentmn mehr be- 
sassen und verschuldet waren. Wer hätte da btlrgschaft leisten kön- 
nen und wollen? Die sache blieb also beim alten. Nur die weniger 
herabgekommenen Schuldner fänden eine erleichterung darin, dass sie 
die person ihrer gläubiger wechselten, indem der stat mit wolwollen- 
den absiebten jene vertrat und vielleicht keine Zinsen dafEkr forderte. 
•Der stat selbst litt eigentlich gar keinen schaden-, sein kassenzustand 
blieb absolut derselbe, nur dass statt baren geldes auch gut und btlr- 
gen eintraten. Nach beendigung dieses Verfahrens aber steht so viel 
fest, dass eine reihe von ehedem freien besitztttmem kleiner leute nun 
zu den gtltem der grossen geschlagen war, und erstere in den städ- 
tischen Proletariat einzutreten genötigt waren: wahrlich kein vorteil 
für den stat. Das ganze beruht also entweder auf wirtschaftlicher 
blindheit der leitenden statsmänner, oder auf absichtlicher berückung 
und blendung der masse, ohne dass jene im geringsten ein opfer zu 
leisten brauchten; also ähnlich wie mit den licinischen woltätigkeits- 
gesetzen. Aber der scheinbare vorteil für die masse, einen augen- 
blick schuldenfrei, wenngleich auch capitaJ-, ja mittellos zu sein, 
scheint dieselbe wirklich berückt zu haben. Marcius blieb der mann 
des Volkes, wie seine bald folgende ernennung zum censor beweist. 

38 Was das äussere verfahren der commission betrifit, so giebt Li- 
vius — oder sein gewährsmann — nach dem beispiel späterer ähn- 
licher fälle an, dass jene fünf männer sich auf dem forum an tischen 

' niedergelassen hätten, auf denen das bare geld zur ablösung der 
schulden, welches der statsschatz lieferte, lag. Diese statsbank-directo- 
ren sind in keiner weise mit den späteren privatbanquiers, auch men- 
sarii genannt, zu verwechseln. Erstere waren stets ausserordentliche 
beamte**!). 

39 Aus der tatsache aber, dass der stat tatsächlich in die schuld- 
verhältnisse eingriff und die gläubiger zum teil aus der statskasse 
befriedigte, geht hervor, dass diese in sehr gutem bestand gewesen 
sein müsse. Es lässt sich das auch daraus erklären, dass in der 
ganzen früheren zeit nur wenige kriege, zum teil solche, die den stat 



3*1) Vergl. Becker-Marquardt 3. 2. 64. 



^ i 



Gap« II.] Die finanzrerhältnisse. 375 

nichts kosteten, statt gefunden hatten. Wir haben gesehen, dass 
eigentlich nur ein krieg von Rom in activer weise geführt worden 
war: der gegen die aequische coalition^*^); alle übrigen, die verschie- 
denen Etrusker- und der Gallierkrieg, waren jedesmal einseitig ge- 
wesen, indem entweder die Römer einfalle in feindesland machten? 
oder diese in römisches gebiet, ohne dass es zum treffen gekommen 
wäre^^). Es waren nur raubzüge, und während die römische stats- 
kasse die gemachte beute einstrich, waren es die römischen bürger, 
deren äcker vom feind gebrandschatzt wurden. Ausser diesen um- 
ständen war erst im vorigen jähr, -^^, Caere gänzlich in Roms ge- 
walt geraten. Der statsschatz dieser reichen handelsstadt ist den Rö- 
mern willkommene beute gewesen. Endlich war es sehr denkbar. 

897 ' 

dass das im jähre -^ beschlossene gesetz über die freigelassenen- 
steuer — ein zwanzigstel oder 5% des wertes des freizulassenden 
musste in den statsschatz gezahlt werden — dem State schon eine 
erwerbsquelle geworden war^. So war alle Ursache vorhanden, dass 
die statsfinanzen bltlhten. 

Wie aber kam es daneben, dass die einzelnen bürger in so grosser 40 
not waren? Wir sagten schon, dass jene feindlichen raubzüge der 
Gallier und Etrusker dem statsschatz wenig eintrag taten, da dieser 
nicht einmal einen activen krieg führte. Dagegen verwüsteten sie den 
privat-grundbesitz, auf den der römische bauer angewiesen war. Auch 
war die not durch das licinische gesetz, wie wir sahen, durchaus nicht 
gehoben. Im gegenteil muss sie stetig gewachsen sein, wie die lawine, 
die einmal in bewegung geraten ist. Somit war es ganz erklärlich, 
dass die Schuldenmasse zu anfang des neuen Jahrhunderts der Stadt 
grösser war, als zwanzig jähre früher. 

Die grossen Veränderungen in den besitzverhältnissen, besonders 41 
was grundbesitz anging, welche ohne zweifei die folge der schulden- 
ablösung vom jähre -^ gewesen waren, machten es nun um der ge- 
rechtigkeit gegen die depossedirtenbesitzer willen nötig, eine neue ver- 
mögenseinschätzung zu unternehmen. Trotz des köd ers, den die vor- 
nehmen plebeier mittelst des Marcius (der armen menge durch die 
Schuldenablösung hingeworfen hatten, oder vielleicht wegen der gerin- 
gen materiellen vorteile desselben, erreichten es die patricier im jähre 



3«) Vergl. buch 6. cap. II. 243) Buch 6. cap. I. und V. 

2^) Ueber dies gesetz, seine beschlussfassusg und seinen inhalt vergL 
unten § 57 ff. 



L... 



376 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

-^ dennoch wieder, ihre eigenen leute in den consulat zu bringen 
und die plebeier auszuschliessen. Der ehrgeizige Marcius empfand 
ohne zweifei die schlappe tief. Die bevorstehende censur sollte ihm 
gelegenheit zu neuen machinationen geben. Wir haben gesehen, dass 
er es erreichte, zum ersten plebeischen censor gewählt zu werden ^). 
In diesem amte konnte er von neuem sich volksfreundlich beweisen 
und eine den armen möglichst günstige einschätzung vornehmen. Es 
ist wahrscheinlich, dass er sein bestes getan hat. Aber die schulden- 
not hat er auch hier nicht gehoben, oder auch nur erheblich vermin- 
dert. Vier jähre später sind von neuem umfassende Schuldengesetze 
nötig geworden. 
42 Die ihres grundbesitzes ledigen ehemaligen Schuldner brauchten 
geld zum existiren. Diejenigen, deren schulden vom stat übemonmien 
worden waren, konnten gleichfalls ohne etwas (^capital nicht wirtschaf- 
ten. Für die ärmsten hatte sich die Sachlage gar nicht geändert. 
So begann denn das schuldenwesen von neuem zu wuchern und muss 
bald eine erkleckliche höhe erreicht haben, da man im jähre 



347 

in doppelter weise dem einhält zu tun bestrebt war. Was die vor- 
handenen schulden betraf, so sollte von neuem eine tilgung eintreten, 
die sich, wie es scheint, auch auf die vor fünf jähren vom stat über- 
nommenen schulden bezog. In vier von jähr zu jähr abzuzahlenden 
gleichen raten sollte der ganze betrag der jedesmaligen schuld amor- 
tisirt werden, und zwar so dass sofort das erste viertel, nach dem ab- 
lauf von drei jähren das ganze abgetragen werde. Livius**^) sieht 
selbst ein, dass dies für viele eine harte massregel war, da nun auch 
die statsdebitoren zur deckung ihrer schuld ihren grundbesitz auf- 
geben mussten. Auch wurde gar nichts vom schuldcapital abgelassen, 
wie doch durch das licinische gesetz verfügt wordeiv war. Livius will 
das entschuldigen, indem er sagt, der allgemeine credit habe den 
drückenden Verhältnissen einzelner vorgehen müssen. Ganz gut! Dann 
aber war dies gesetz mehr zu gunsten der gläubiger als der Schuldner 
gegeben worden; es sollte dann jenen eine Sicherheit gegeben werden, 
dass ihr ausgeliehenes geld nicht verloren sei; ja der stat selbst 
machte sich zu ihrem anwalt. Livius setzt hinzu, die traurige läge 
der armen sei dadurch erleichtert worden, dass man für dies jähr von 
statssteuer und aushebung abgesehen habe. Es war das freilich eine 



W5) Vergl. § 23. W«) 7. 27. 3, 4. 



Cap. II.] Die finanzyerhältnisse. 377 

erleichterung, wenngleich letzterer umstand in diesen ziemlich fried- 
lichen Jahren nicht schwerwiegend war^^). 

Wichtiger für die Zukunft war die erneute herabsetzung des zins- ^ 
fusses vom uncialzins auf den semuncialzins, d. h. von SVs auf 4V6 % 
für zehn monate* Die absieht, welche dieser massregel zu gründe 
lag, war gewiss eine gute, da sie einen höchst billigen zinsfuss ge- 
setzlich festzusteUen bestrebt w|r. Die capitalbedürftigen haben auch 
ohne zweifei mit grossem eifer die erleichterung begrüsst; sie konnten 
nun doppelt so grosse summen für den ehemaligen einfachen Zinssatz 
au&ehmen; und sie brauchten geld, nachdem sie eben ihre alten 
schulden ganz hatten abtragen müssen. Aber die gesetzliche bestim- 
mung war keine garantie gegen geheimen wucher; und der capitalist 
konnte seine zeit abwarten, bis der bedürftige auch gegen ungesetz- 
liche Versprechungen zu borgen gezwungen sein würde. Zwar haben 
wir gesehen, dass auch wuchergesetze existirten^; aber was helfen 
sie? Wuchergesetze und zinsbeschränkungen haben allezeit dazu bei- 
getragen, den offen betriebenen und daher vom stat zu übersehenden 
zinsmisbrauch zu einem heimlichen, doppelt abgefeimten und der stat- 
lichen controle entzogenen zu machen; und das übel wird doppelt so 
gross. Wer da behauptet, dass rechtlich denkende menschen sich 
durch ein Wuchergesetz vom zu hohen zinsnehmen abhalten lassen^*) 
der bedenkt nicht, dass rechtlich denkende menschen auch ohne ge- 
setzlichen zwang nicht zu hohe, mit der billigkeit streitende Zinsen 
nehmen werden; sonst sind sie eben nicht rechtlich denkend. Und 
dass die capitalisten und gläubiger nicht gesonnen waren, sich an 
den niedrigen zinsfuss zu binden, das sehen wir aus den aedilicischen 
Processen gegen Wucherer aus dem jähre -j^ ). Leider erfahren 
wir nichts über die höhe der gegen die Wucherer verhängten strafe. 
— Die Schuldverhältnisse aber blühten fort.. Schon zwei jähre später, 

418 

, wurde wieder eine Schuldentilgung mit dem eigenttünlichen ver- 



841 

bot, überhaupt zins zu nehmen, angeordnet. Darüber zu seiner zeit 
das- nähere. — Die gesetze von -j^ sind offenbar, wie die verwand- 
ten licinisch - sextischen und duilisch - menenischen , plebiscite ge- 
wesen ^^i). 



3«) Vergl. buch 6. cap. VII. 248) Vergl. § 36. 

^9) So der abgeordnete Lasker in seiner rede vom 4. april 1873; 
vergl. die stenographischen berichte des preussischen landtages. 
360) Vergl Livius 7. 28. 9 ; dazu § 36. am ende. 
251) Vergl. buch 3. cap. III. und oben § 35. 



378 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7* 



CAP. m. 

Polizeilicbe massregeln und einzelgesetze. 

44 Was die massregeln betrifft, die gegen gesetzes- Übertretungen 
in unserer periode ergriffen wurden, so ist uns nicht viel darüber be- 
kannt geworden. Was aber mitgeteilt wird, bezieht sich gerade auf 
die wichtigsten volkswirtschaftlichen gesetze jener zeit, auf die acker- 
und geldwirtschaftliche gesetzgebung. 

45 Wir haben schon zu seiner zeit gelegenheit genommen, die ein- 
malige, uns in diesem Zeitraum entgegentretende bestrafung eines grösse- 
ren grundbesitzes, als derselbe durch das licinische gesetz festgestellt 
worden war, zu besprechen und zu beleuchtend^). Es ist das der fall, 
den Livius^^) kurz angiebt und der den gesetzgeber G. Licinius 
Stolo selbst angeht Livius sagt, dieser sei im jähre -|f mittelst 
eines eigenen gesetzes von M. Popilius Laenas — dem zeitigen ple- 
beisdien aedil^ — zu einer stra&ahlung von 10,000 ass des alten 
schweren gewichts^^) verurteilt, weil er zusammen mit seinem söhn 
1000 iugera ackers besessen und um das gesetz zu umgehen seinen 
söhn emancipirt und demselben die hälfte überlassen hätte. 

46 Die Wahrheit die^s berichts ist, so viel ich weiss, nur von C« 
Peter^^) angezweifelt worden. Derselbe nennt sie die erfindung des 
parteihasses; es sei kaum denkbar, dass Licinius seit seiner gesetz- 
gebung sich in besitz so grosser grundstücke gesetzt habe, wobei er 
an ager publicus denkt^^). Letzteres ist eine vage behauptung. 
Gerade der umsatz der guter, den das eigene gesetz hervorgerufen 
hatte, gab die gelegenheit zur erwerbung neuer grundstücke. Die an- 
nähme, dass wir es hier mit späterer parteierdichtung zu tun haben, 
widerlegt sich dadurch, dass wir hier bei Livius gerade kurze anna- 
listische stücke haben, die gewöhnlich durch Licinius Macer auf Fa- 
bius Pictor und daher wol auf alte aufzeichnungen zurückgehen^^). 
Wir müssen also Peters annähme ablehnen und den bericht für wahr- 
heitsgetreu halten. 

47 Früher schon haben wir gesehen ^^^), dass das strafinass etwa 



»5«) Vergl. buch 4. cap. II. »«) 7. 16. 9. 

SM) YergL oben § 14. ^^^) Das ass = Va pfund knpfer an gewidit 

S56) Böm. gesch. 1. 209 note. s»?) Darfiber vergL buch 4. cap. IL 

358) YergL buch 1. cap. I. und II. ^9) Buch 4. cap. ü. 



Cap. III.] Polizeiliche massregeln und einzelgesetze. 379 

2% des wertes des ungesetzlichen mehrbesitzes betrug, dass damit 
aber nicht die entziehung oder der zwangsverkauf jenes mehrbesitzes 
bedungen war. Demnach blieb Licinius Stolo mit seinem söhne im 
besitze der 1000 iugera, nachdem er die multa entrichtet hatte ^. 
Der ausdruck des Livius aber tlber das verfahren des aedilen ist un- 
genau ^^i). Der aedil war nicht der verurteilende, sondern der an- 
klagende und auf strafe antragende. Somit wurden auf antrag des 
aedilen die tributcomitien^^) berufen, wahrscheinlich von einem volks- 
tribunen, und diese sprachen dann über den antrag des aedilen ihr 
placet aus 263). 

Die tatsache aber, dass der gesetzgeber selbst, wie es scheint! 48 
als erster tlbertreter in strafe genommen wird, charakterisirt recht 
den vielgepriesenen edelsinn der vornehmen plebeier in ihrem kämpf 
gegen patricische Vorrechte und zu gunsten der armen standesgenos- 
sen. Es ist eine gründliche niederträchtigkeit, eine partei durch 
scheinbar volksfreundliche gesetze stürzen zu wollen und nachher diese 
gesetze selbst aufs crasseste zu misachten. 

Eine zweite ähnliche prohibitivmassregel wurde gegen den wucher 49 
ergriffen. Livius ^ß*) berichtet, dass im jähre -rrr- schwere gerichtliche 
Verfolgungen der Wucherer statt fanden ^^). Auch hier waren es die 
aedilen, welche die anklage führten und den Strafantrag einbrachten. 
Leider wissen wir nichts über die höhe der beantragten multa. Neben 
derselben aber wird gewiss die privat -entschädigungsklage auf das 
vierfache des erhobenen wucherzinses statt gefunden haben, wenngleich 
nichts darüber mitgeteilt ist ^6). Die wuchergesetze, welche in an- 
wendung kamen, datiren, wie wir wahrscheinlich machten, aus dem 

, , 407 267\ 



360) Ueber die art und weise, wie Licinius das gesetz umging, ist gleich- 
falls a. a. 0. schon gesprochen worden; die parallelstellen zu Livius sind 
Valer.Max. 8. 6. 3. und Plinius n. h. 18. 2. 17. 

961) G. Licinius Stolo a. M. Popilio Laenate ... est damnatus. 

362) ^ar an diese ist wol zu denken, da wir von anklage-acten ple- 
beischer aedilen bei den centuriatcomitien nichts wissen. Die angäbe des 
Dionjs 14. 22. bei einem ähnlichen fall: önd tou äi^fwu xaraupy^^urd'Bigf ist 
zwar nicht von bedeutung, da Dionys sehr selbständig die Verfassungs- 
maschine in bewegung setzt; dennoch ist es so sachgemässer. 

363) So auch Weissenborn zu dieser stelle in seiner grosseren aus- 
gäbe des Livius. 364) 7. 28. 9. 

365) ludieia .... tristia in feneratores facta .... traduntur; vergl. oben 
§ 36. und 43. 366) Vergl. § 36. 367) Vergl. § 36. und 43. 



380 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

60 Den oben angegebenen stra&iassregeln wegen gesetzesttberschrei- 

896 



tung lässt sich als verwandt ein prohibitivgesetz des jahres 



S58 



an die seite stellen. Es ist die rogatio Poetelia de ambitu. 

Um das wesen des ambitus, des werbens um wahlstimmen zu 
irgend einem amte, kennen zu lernen, mtLssen wir uns zuerst das 
ganze verfahren der candidaten vor der wähl vergegenwärtigen^*). 
61 Die bewerbung um ein amt zerfi&Ut in zwei acte: 1. die vorläu- 
fige bewerbung beim volk; 2. die petitio beim magistrat Der erste 
act besteht aus zeitlich verschiedenen handlungen und findet sowol 
vorher, als auch am Wahltage selbst statt. Zu den vorbereitenden 
massregeln gehört vor allem das »prensare«, d. h. das herumgehen 
bei verwandten und freunden, das händedrücken und auffordern, dem 
candidaten ihre stimmen zu geben. Es war das das gewöhnlichste 
mittel und wurde niemals als ungesetzlich angesehen. Allein dies 
wurde allmählich ausgedehnt, indem der bewerber in gleicher weise 
mit unbekannten • verfrihr, kleinere Wählerversammlungen berief oder 
berufen liess, auch die markte der verschiedenen wahlberechtigten Ort- 
schaften besuchte und dort ebenso durch händedruck und einschmei- 
chelnde Worte um die stimmen bat. Die prensatio in dieser ausge- 
dehnteren weise ist der eigentliche ambitus, wenngleich schon die 
einfache art dem woft entspricht, ja eigentlich besteht aus ambire 
und prensare, d. h. herumgehen und die band drücken. Wir 
werden sehen, dass gegen die erweiterte art des ambitus und der 
prensatio die lex Poetelia gerichtet war**^). 



^ lieber dies und den ambitus vergl. B e c k e r - M a r q u a r d 1 2. 2. p. 33 ff. ; 
Mommsen: röm. statsrecht 1. p. 407 ff.; monographisch Pardon: die 
röm. Volksmacht und ihr einfluss auf den ambitus p. 27 ff. ; Progr. der louisen- 
stadtischen realschale, Berlin, 1863; letztere schrift legt die Verhältnisse der 
ciceronischen zeit auseinander. 

369) Vergl. über das ganze Yarro de 1. 1. 5, 28; Festus epit. p. 16 
Cicero de rep. 1. 31. 47: pro Plancio 4. 9; 18. 45; 21. 51; ad Att. U 1. 
1; Val. Max. 4. 5. 4; 7. 5. 2; Plutarch: Coriol. 14; Aem. Pauli. 2. 
Dass die prensatio und der ambitus in späterer zeit lange vor dem amts- 
antritt und wahltermin statt fand, sehen wir an Cicero, welcher mehr als 
siebenzehn monate vor dem amtsantritt und ein jähr vor dem wahltermin 
damit anfing und dies als ein usitatum et legitimum tempus ad petionem 
hinstellt; vergl. ad tarn. 10. 25. 2; ad Att. 1. 1. 2; philipp. 2. 30. 76; 
Caesar b. O. 8. 50. -— Für die ältere zeit aber werden solche wähl- 
Umtriebe und so lange Vorbereitung nicht anzunehmen sein; das römische 
borgergebiet war noch so klein, dass der ambitus schneller bewerkstelligt 
werden konnte. 



Gap. m.] Polizeiliche massregeln und einzelgesetze. 381 

Hatte der candidat sich auf diese weise die geneigtheit des publi- ö2 
cums erworben, so galt es niin, am Wahltage die gute meinung zu er- 
höhen und femer zu fesseln. Vor allem bekleidete sich der candidat 
festlich nach altgebräuchlicher weise mit der weissen toga, die aber, 
um grösseren glanzes willen, mit kreide besonders geweisst wurde ^®). 
Gegen diese weissung der toga soll nach Livius^^) schon im jähre 
ein plebiscit gefasst worden sein. Es ist schwer zu sagen, ob 



482 

wir hier echte alte Überlieferung oder spätere partei-entstellung etwa 
eines Licinius Macer ^^) vor uns haben. Dass übrigens wahlmanöver 
bei den consulartribunen-wahlen statt fanden, lässt sich wol denken. In 
späterer zeit aber bleibt diese manipulation unangefochten, wie Li- 
vius auch aussagt. — Dann zieht der bewerber mit möglichst grossem 
anhang^^) auf den wahlplatz, um zu imponiren, eine sitte, die gleich- 
falls wol sehr alt ist. Hier auf dem wahlplatz aber begann von neuem 
der ambitus und die prensatio, wobei manches nachgeholt wurde, was 
versäumt worden war. — Diese art des ambitus, als gesammtbegriff, 
schliesst noch nicht unmittelbar ungesetzmässigkeit oder verbrechen 
in sich. Das tritt erst dann ein, wenn bestechung und intriguen aller 
art zum stürz anderer candidaten in anwendung kommen. Gegen die- 
sen misbrauch fand später eine scharfe gesetzgebung statt, die nach 
Polybius^^*) zu einer zeit, wenngleich wol nur vorübergehend, den tod 
darauf setzte. 

Neben dieser zwar durchaus üblichen, aber in keiner weise ge- 53 
setzlich vorgeschriebenen art der bewerbung geht nun die oben an 
zweiter stelle genannte petitio beim magistrat. Dieselbe beruht in der 
:i>professio «, d. h. in der meidung als candidat beim magistrat ^^). 
Die professio bestand entweder in der blossen namensnennung oder, 
wie später fest stand, in einem schriftlichen zu protocoU geben des na- 



^0) Toga Candida das bewerberkleid, daher candidati; toga Candida 
cretata das durch kreide besonders geweisste kleid; vergl. Livius 4. 25. 
13; Isidor orig. 19. 24 6; Persius 6. 177; Polyb. 10. 4. 8; Seneca 
epist. 5. 3; dazu besonders Mommsen: röm. statsr. p. 409 notc 1. 

371) A. a. 0. 372) Der dortigen quelle des Livius; vergl. oben 

buch 1. cap. I. und II. 

373) Deductores und assectatores; vergl. Q. Cicero, de pet. cons. 9. 

374) 6. ö7. 376) Vergl Livius 26. 18. ö. 7; Plutarch: Aem. 
Pauli. 3; Sulla 5; die weiteren belege bei Mommsen: röm. statsr. p. 409 
note 2; daselbst und Becker- Marquar dt 2.3.96, Widerlegung Beckers 
2. 2. 33 ff., dass die professio nicht beim magistrate, sondern beim volke 
auf dem forum oder comitium statt fand. 



382 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bnch 7^ 

mens für die candidatenliste ^% Dass diese professio nur in der Stadt 
vorgenommen werden konnte, geht daraus hervor, dass einmal der 
wahlleitende beamte in der Stadt sein musste, andrerseits es ein offi- 
deller act war, der in dem streng formalen Rom nicht privatim, d.h. 
an beliebigem ort, bewerkstelligt werden konnte. Mommsen^^) 
nimmt das comitium als feststehenden ort an. Doch brauchte in alter 
zeit der betreffende sich nicht persönlich zu melden ^^), Desgleichen 
blieb in älterer zeit die candidatenliste bis zum tage der wähl offen, 
während später ein trinundinum vorher der termin zur meidung war^^). 
-^ Damit haben wir die frage nach den bewerbungsverhältnissen in 
unserer periode beantwortet. 
64 Dass dieser zweite teil nicht in das gebiet des ambitus, noch 
viel weniger des straffälligen gehört, ist klar. Wir haben es mit der 
ersten gattung, dem ambire et prensare, zu tun. Nach Livius^ war 
damals schon das besuchen von allerlei Sonderversammlungen und 
marktflecken*®*) aufgekommen, nm wahlstimmen zu erwerben. Livius 
sagt, es sei dies besonders von den »homines noui« geschehen, d. h. 
von mitgliedem der plebs, die noch nicht zu den vornehmen familien 
zählten, allein geld und ehrgeiz genug besassen, um sich einen platz 
unter jenen zu erobern. Gegen diese sei denn auch das gesetz de 
ambitu gerichtet worden. Da nun der Inhalt nicht genauer angegeben 
ist, so haben wir ohne zweifei in demselben das verbot zu erkennen, 
zum zwecke der wahlbewerbung die umliegenden marktflecken zu be- 
reisen und in Bom Sonderversammlungen abzuhalten, wo sich der can- 
didat empfelen könnte ^^3^. Das bedeutet dann wol so viel als, dass 



^^ Ob dies aber von jeher geschehen ist, lässt sich nicht erweisen. 
277) A. a. 0. 411. 278) Die beweissteilen bei Mommsen a. a. o. 412 

note 1. 879) Mommsen a. a. o. 411 note 1, 2,3. 280) 7. 15. is. 

281) Nundinae et concihabula nach Livius; Weissenbom erklärt ersteres 
gewiss mit recht fftr die im römischen gebiet liegenden bflrgerortschaften ; 
natürlich mussten auch diese zur zeit des marktes aufgesucht werden, da 
dann die landbevölkerung herein kam. 

282) (}egen die beziehnung des gesetzes auf die homines noui hat sich 
jüngst M. Isler im rhein. Mus. n. f. band 28. heftS: über das poetelische 
gesetz gegen den ambitus, dahin ausgesprochen, dass dasselbe vielmehr ein 
gesetz sei, welches im rein plebeischen standes-interesse gegen den gesammt. 
patricat gerichtet worden sei, um die bewerbungen der patricier besonders 
ausserhalb der Stadt Rom zu verhindern. Allein einmal hatten die patri- 
cier zur zeit dieses gesetzes noch gar keine anstalt gemacht, sich in den 
aUeinigen besitz des consulats zu setzen; ausserdem aber wurde der senat, 
als Vertreter der patricischen partei, nicht ohne weiteres einem solchen an- 



Cap. in.] Polizeiliehe massregeln und einzelgesetsaw 383 

der ambitus und die prensatio auf bekannte und angehörige beschränkt, 
nicht aber auf die unbekannte menge ausgedehnt werden solle. Von 
bestechung ist noch nicht die rede^'). 

Wichtig aber ist dieser umstand dadurch 2^), dass sich hier schon öö 
der gegensatz zwischen den homines noui, unter denen nicht mehr 
alle plebeier, sondern nur die emporkömmlinge aus der unteren schiebt 

« 

zu verstehen sind, und den nobiles, dem neuen, sich anbahnenden, 
aus patricisch - plebeischen elementen verschmolzenen adel, geltend 
macht»*). 

Es bleibt noch übrig, etwas tlber die beschlussfassung des ge- 56 
setzes zu sagen. Da ein volkstribun die rogation einbringt, so darf 
man nur an tributcomitien denken, denen der tribun praesidirte. Von 
Wichtigkeit dabei ist der livianische zusatz, diese rogatio sei »patri- 
bus auctoribusc an das volk gebracht worden»^). Der volkstribun 
sah wol ein, dass es zur erreichung seines Zweckes dienlich wäre, sich 
Ober den gegenständ der rogatio erst mit dem senat, als dem haupt 
der patridschen nobilität, in einvernehmen zu setzen. Es war dem- 
nach ein gemeinsames vorgehen des gesammt-adels gegen alle neu 
eindringenden demente. Allein aus diesem vorkommen darf keines- 
wegs geschlossen werden, ein derartiges probulemna des Senats sei 
für die gültigkeit des plebiscits notwendig gewesen. Es war, wie ge- 
sagt, eine freiwillige Vereinbarung zu gemeinsamem interesse»^. Das 



sinnen seine billigung erteilt haben; vergL § 66, und über die motive der 
patricier zur späteren oceupation des consulats i 17 iL Isler übersieht ganz 
das neu entstehende dement des patricisch-plebeischen adels, dessen ab- 
wehr gegen neu eindringende elemente fortan der hauptinhalt des politi- 
schen lebens im inneren des states wurde; darüber vergl. cap. IV. Wir 
halten demnach an der livianischen darstdlung fest. 

S83) Vergl. dazu Becker-Marquardt 2. 2. 41fiE: 

384) Dass der livianische bericht auf autenticität und alter, jedenüeüls 
mit bezug auf Fabius Pictors autorschaft ansprach machen kann, geht aus 
der kurzen annalistischen weise der darsteUung hervor. Die angäbe steht 
zwischen der gleich kurzen notiz über die anläge der beiden neuen tribus 
und der ebenso beschaffenen über den uncialzinsfiiBs; vergl. buch 1. cap. I. 
und n. 285) Darüber mehr im cap. IV. 

9S€) Weissenbom bezieht das »primumc bei Livius mit recht auf das 
ambitus-gesetz als ein erstmaliges, nicht auf eine erstmalige teilmüune des 
Senats an tribusbeschlüssen. 

387) üeber die richtigkeit dieses satzes vergL meine krit. erörte- 
rungen über den röm. stat 2. p. lllff., 152ff. und M. Isler: rhein. mus. 
n. f. 28. 3. a. a. 0. Das unter jenen patres auctores nicht die patricische 



384 Innere geschichte bis ^ den Samniterkriegen. [Buch 7. 

gesetz trägt nadi dem antragsteller den namen lex Poetelia de am- 
bitu. Der äusseren form nach war es plebiscit'^). 

57 Gleichfalls als eine prohibitiv-massregel dürfen wir das gesetz 

897 

des Jahres --rrr »de uicesima manumissionum« neben seiner finan- 
zieUen bedeutong ansehen^*). Nach Livius^ beruft der consul Cn. 
Manlius, als er bei Sutrium in einem kriege gegen Falerii sein lager 
aufgeschlagen hat, allein keinen wirksamen kämpf f&hren kann^^), seine 
arme^ nach tribus zu einer Volksversammlung und lässt in derselben 
den beschluss fassen, dass fortan bei freilassung von Sklaven 5 % 
des wertes derselben in den statsschatz eingezahlt werden sollten. 

58 Bas motiv zu diesem beschluss kann kein anderes gewesen sein, 
als dem überhandnehmen solcher freilassungen zu steuern, oder we- 
nigstens dem State einen nutzen daraus erwachsen zu lassen. Ein 
derartiges überhandnehmen aber bedingt vor allem das Vorhandensein 
grosser Sklavenmengen. Denn nur in solchem falle konnte ein zahl- 
reiches freilassen der bürgerschaft lästig und geMrlich werden, in- 
dem zu viel fremde demente in berechtigte umgewandelt wurden 2»«). 
Lästig war es für den römischen bürgerstolz, gefährlich für die Volks- 
abstimmungen, insofern entweder die stimmberechtigte dientel der 
grossen den bürgerstinmien eintrag tun, oder der Zuwachs der ple- 
beier und der städtisch-demokratischen stimmen den grossen schäd- 
lich werden konnte; es hing das von dem verhalten der einzelnen 
freigelassenen ab, ob sie in der clientel ihrer ehemaligen herren blie- 
ben, oder als wirklich freie sich dem städtischen handwerk an- 
schlössen^^). Von beiden selten aber mag ein solcher Zuwachs an 
parteistärke nicht gern gesehen worden sein; daher denn diesem um- 
stände durch ein gesetz einhält oder einschränkung angetan werden 
sollte. Unter allen umständen entstand dadurch eine Vermehrung des 
Proletariats, jenes unsicheren, stets unruhelustigen teils der bevöl- 
kerung. 

59 Neben dieser bedeutung als politische prohibitivmässregel geht 



nachträgliche bestätigung zu verstehen ist, geht schon daraus hervcgp, dass 
Livius den gesetzesantrag auctoribus patribus stellen lässt; wir haben es 
daher mit dem senat zu tun; über die bezeichnung sowol des patriciats als 
des Senats durch »patres« vergl. meine krit. erörter. 1. p. 51 ff., bes. 55. 

*88) üeber das wesen eines solchen vergl. meine krit. erört. 2. p. 81 ff. 

289) Vergl. § 39. 290) 7. 16. 7. 29i) Vergl. buch 6. § 70. 

292) Vergl. auch Niebuhr 3. 59. 293) Vergl. Lange 12. 171. 



Cap. III.] Politische massregeln und einzelgesetze. 385 

die finanzielle her^. Und sie scheint in keiner weise unwirksam 
und geringfügig gewesen zu sein. Im jähre -— — fanden sich in der 
kasse, welche diefreilassungssteuer enthielt, gegen 4000 pfnnd goldes in 
harren 3«5). Zwar m.uss man Lange beistimmen, wenn er sagt, dass 
aus jenem schätze des Jahres -^^ nicht unmittelbar der schluss er- 
laubt sei, von anfang an sei die Steuer aufgespart worden. Allein es 
spricht auch nichts dagegen; und wir haben ebenso wenig ein recht, 
wie Lange es tut, anfänglich eine Verwendung der Steuer zur ent^ 
lastung der ärmeren bürger anzunehmen. Der umstand, dass sich 
eine so grosse summe in gold vorfand, lässt jedenfalls auf eine schon 
langdauemde aufsparung der Steuer schliessen; warum sollte das 
nicht von anfang an beabsichtigt sein? Ob von anfang an eine Zah- 
lung der Steuer in gewogenem golde angeordnet war, entzieht sich 
unserer beurteilung; vielleicht wurde später alles andre me'tall in 
gold, als das dauerhafteste metall, umgesetzt, das aber, weil es noch 
nicht cursivmünze war, die quantität der mtlnze nicht beeinträgtigte. 
Der aufbewahrungsort in späterer zeit, das »aerarium sanctius« oder 
»sanctumc, war ein teil des schatzhauses im Satumtempel, in welchem 
für ausserordentliche fälle geprägtes und ungeprägtes metall aufbe- 
wahrt wurde. Ob der ausdruck »sanctius« darauf zurückzuführen ist, 
dass dieser goldschatz als letzte reserve angesehen wurde, lässt sich 
nicht entscheiden^**). Wenn Livius den statsschatz arm nennt^^), 
so ist das wol ohne historische gewähr als rhetorische floskel anzu- 
sehen, da derartige zusätze kaum in der ältesten quelle gestanden 
haben. Die Schlussfolgerungen Weissenborns aus diesem ausdruck 
sind also hinfällig 3»»). 

Was die art der beschlussfassung über dieses gesetz betrifft, so 60 
haben wir es hier mit einem ausnahmefall zu tun. Zwar waren die 
tributcomitien nicht an bestimmte localitäten gebunden, konnten also 
sowol innerhalb als ausserhalb des römischen Weichbildes statt finden. 
Allein dieses mal treten sie weit von der Stadt vielleicht gar auf 



894) Vergl. § 39. 895) Livius 27. 10. 11; dazu Becker-Mar- 

quardt 3. 2. 124; Mommsen: röm. münzrecht p. 401; Lange 1. 171, 
2. 24 ff.; Haltsch: gr. und röm. metrologie p. 226. 

896) Mommsen a. a. o. sieht es als letzte reserve an; vergl. über den 
ort des aerars Dramann: gesch. Roms 3. 446 und die dortigen nach- 
weise. 897) Inopi aerario. 

898) Er sieht darin eine bestätigung der ansieht, die Lange über die 
aniängüche Verwendung der Steuer geäussert hat. 

OUsoa, röm. goseh. I. 25 



386 Innere geschiclite bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

nicht eigentlich römischem, sondern auf verbündetem Sutrianerboden 
zusammen. Dann ist auch nicht die ganze tribusmitgliedschaft vor- 
handen; denn erstens fehlen sämmtliche seniores, und zweitens waren 
von den iuniores nur die Soldaten von höchstens vier legionen vor- 
handen, während eine gesammt-kriegsmannschaft von acht bis zehn 
legionen sich in der bürgerschaft befand ^W). Diese umstände lassen 
die abstimmung im lager bei Sutrium als eine nicht durchaus legale 
erscheinen und konnten daher dazu dienen, in Born den beschluss zn 
annulliren. Aus diesem gründe allein haben dann die beschliessenden 
die nachträgliche bestätigung von selten der patricier nachgesucht, 
die an und für sich nicht bedingung fftr die gtiltigkeit von tribus 
beschlüssenwar^oo). Die bestätigung der patricier vnirde dem beschluss 
gegeben, da er, wie oben ausgeführt, den parteizwecken förderlich 
schien und den statsschatz bereicherte. 
61 lieber die motive zu dieser ausserordentlichen massregel des con- 
suls ist natürlich nichts sicheres berichtet. Niebuhr**^) sieht darin 
den versuch, unter der gewalt des Soldateneides und des militäri- 
schen gehorsams der nobilität günstige gesetze zu erzwingen. Es kann 
das deswegen nicht gut geheissen werden, weil die nobilität weder 
mehr vorteil noch mehr nachteil dadurch hatte, als die Proletarier ^os). 
Lange^^3) dagegen sieht darin den versuch, die Proletarier fiir die 
nobilitätspolitik zu gewinnen; doch geht das aus seiner hypothese her- 
vor, dass die Steuer unmittelbar den armen zu gute kommen solle ^o*). 
Es fehlt uns an material, bestimmte motive anzugeben. Vielleicht war 
bei der längeren Untätigkeit der armee vor dem verschlossenen Fa- 
lerii diese frage aufgeworfen worden; und consul und truppen ver- 
einigten sich zu dieser resolution, deren gtiltigkeit sie dann nach- 
sachten. - Dass nach tribus und nicht nach centurien — der sach- 
gemässeren Ordnung — gestimmt wurde, ffthrt Niebuhr'*^*) wol mit 



299) Vergl. buch 6 § 130. 

300) Ve^gl. über die ganze frage meine krit. erörterungen über den 
röm. stat. 2. p. 83ff. besonders p. 87. 8oi) 3. 0Ö. 

802) Vergl. § 58. Vielleicht hat Niebuhr sich durch die wörte des Li- 
vias 7. 16. 8: »nihil enim non per milited iaratos in consulis verba . . . ferri 
possec bewegen lassen. Dies aber ist offenbar ein blos erläuternder Zusatz 
sei en des Livius oder seiner quelle Macer zur motivirung des gesetzes de 
seuocando populo; auf autenticität macht die notiz keinen ansprach, 

303) 2». 26. 804) Vergl. § 69. 306) 3. 59. hote 96. 



Gap. III.] Politisehe massregeln und einzdgesetze. 387 

recht darauf zurück, dass für letztere der unumgänglich notwendige 
Yorbeschluss des Senates fehlte. 

In engen causalnexus mit obigem gesetz oder vielmehr mit der 62 
art der beschlussfassung bringt Livius ein unmittelbar folgendes ple- 
biscit des inhalts, dass, wer in zukunft das volk auf die seite riefe, 
des todes schuldig sein solle ^^). Dass dasseuocare hier räumlich ' 
zu verstehen sei und nicht blos die ausscheidung eines teils aus dem 
ganzen bedeute, wie Niebuhr^oT) meint, geht aus dem tatsächlichen 
umstände hervor, dass der consul recht eigentlich das volk »auf die 
Seite« gerufen, d. h. ausserhalb des üblichen versammlungsr-terrains 
berufen hatte. Niebuhr stösst sich dabei am ausdruck »populus«, 
worunter er den patriciat versteht. Dagegen erkennt er in den pe- 
dites der centurien nur plebeier und ist somit der ansieht, dass viel 
eher eine ausscheidung der plebs aus der gesammtheit statt gefunden 
habe, nicht also des patricischen populus. Allein einmal ist letztere 
ansieht eine heutzutage überwundene, und zweitens hat Livius hier in 
keiner weise an den alten statsrechtlichen begriff »populus« gleich alt- 
bürgerschaft gedacht, sondern von der Volksmenge überhaupt ge- 
sprochen. Die seuocatio ist daher wol auf eine berufung ausserhalb 
des römischen pomoerium zu beziehen. Vielleicht enthält sie zugleich 
den zweiten begriff einer nur partiellen berufung, wie dieselbe ja bei 
Sutrium statt fand. Weissenborn hat wol recht, wenn er zur erklä- 
rung der ersten bedeutung hinzusetzt, als grenze sei der räum zu 
fassen, innerhalb dessen das Imperium ein beschränktes sei, was mit 
dem pomoerium zusammenfällt. Freilich hat dies dann nur auf curiat- 
und tributcomitien bezug, da die centuriatcomitien extra pomoerium 
auf dem campus Martins statt fanden *^ö). 

Der grund, weswegen die volkstribunen diesen antrag stellten, 63 
mag wol die furcht gewesen sein, dass, wenn ein derartiges verfahren 
üblich würde, einmal das militärische Imperium des consuls die ab- 
stinmiung beeinflussen könnte, andrerseits die grosse anzahl von Pro- 
letariern im beer den zu hause gebliebenen bürgern gegenüber ein 
unrechtmässiges Vorrecht genösse. 

Wir haben bei besprechung der gesetze schon mehrfach gesehen, 64 
dass sich bei ihrer abfassung rücksichten auf eine Standesbildung gel- 
tend machten, die früher nicht eigentlich vorhanden war, oder we- 



S06) Ne quis postea populum seuocaret, capite sanxerunt. 
307) 3. ö9 note 95. 308) Vergl. auch Lange l^. 483. 

25* 



388 Innere gescMchte bis zu den Sanmiterkriegen. [Bach 7. 

nigstens nicht als politischer factor galt £s war das einerseits der 
neue patricisch-plebeische adel und andrerseits die masse des armen 
Yolks, die wir gewöhnlich unter den begriff des Proletariats fassen*»). 
Auch das vierte gesetz, dessen wir jetzt zu gedenken haben, klingt 
an diese Verhältnisse an. 

892 

66 Im jähre -^ wurde nach Livius^^^) der beschluss gefasst, dass 
von den fUr das jährliche aufgebot von vier legionen notwendigen 
vierundzwanzig legionstribunen fortan sechs durch volkswahl ernannt 
werden sollten. Das recht, die armee-officiere zu bestellen, war vom 
könig unbedingt auf die consuln respective dictatoren übergegangen 
und bis zu genanntem jähre von diesen ausgeübt worden. So allein 
war die Organisation naturgemäss und richtig ; denn der oberste kriegs- 
herr, als welcher der conunandirende consul oder dictator galt, musste 
unbedingte Verfügung über sein kriegsmaterial haben. Diesen, der 
alten Standesverfassung entsprechenden grundsatz erschütterten die 
neuerungen der letzten Jahrzehnte. Wahrscheinlich schon durch den 
Sieger über Yeii, M. Furius Gamillus, waren die Proletarier gegen sold 
in die armee aufgenommen worden und bildeten seitdem gewiss keinen 
unbedeutenden teil der jährlichen aushebung, da sie mehr als die 
ansässigen zu dem unstäten leben bereit waren ^^i). Bei ihrer grossen 
zahl war das nicht unwichtig; sie wurden beschäftigt, wenn krieg aus- 
gebrochen war, und die Stadt war die unruhigen gesellen los. Auf 
der andren seite aber drohte auch eine gefahr: gerade ihre zahl- 
reiche Vertretung in der armee machte diese leichter zum heerd von 
Unruhen, und die läge des commandirenden wurde erschwert ^i*). 
Andrerseits mochten die Proletarier durch ihre angehörigkeit an die 
armee auf dieselbe und die Stellenbesetzung einfluss gewinnen wollen, 
da es natürlich für sie wichtig war, mit welchen vorgesetzten sie es 
zu tun hatten. Da kam ihnen denn wol der gedanke, durch ihre 
stimmen in tributcomitien an der besetzung der legionstribunate an- 
teil zu nehmen. Die folge davon war das gesetz, dass in zukunft 
jedesmal sechs militärtribunen vom volke gewählt, die übrigen vom 
feldherrn ernannt werden sollten. 

66 Wie aber wurde dieser beschluss zu stände gebracht? Lange^i') 



809) Mehr hierüber vergl. unten cap. IV. 3io) 7. 6. 9. 
811) Vergl. Lange l^. 433, 465, 470, Ö71. 

312) Wie gross diese gefahr war, werden wir bei besprechung des mi- 

litäraufstandes im jähre -4^ kennen lernen. 3i3) 2. 24. 



Cap. III.] Polizeiliche massregeln und einzelgesetze. ' 389 

nimmt an, es sei ein centürienbeschluss gewesen, da der beschluss 
eine Verringerung des imperium in sich schliesse; und aus eben die- 
sem gründe habe er eine abänderung der lex curiata de imperio be- 
dungen. Diese ansieht ist die folge der Lange eigentümlichen aus- 
legung der lex curiata und ihrer bedeutung für das verfassungs- 
leben ^^*), in welcher er den voUbewussten ausdruckund die genaueste 
abgrenzung aller aus dem imperium hervorgehenden amts- und macht- 
befngnisse und mit demselben in Verbindung stehenden umstände er- 
kennt. Dies aber setzt eine viel genauere juristisch-dogmatische be- 
stimmtheit der einzelnen rechts- und amtskreise voraus, als sie uns 
im ganzen römischen verfassungsieben begegnet. Dort ist alles ein 
neben- und untereinander ohne ausgesprochene competenz-grenzen. 
Durch das praktische leben auf rein empirischem wege bildeten sich 
die rechtsgrenzen aus, die von anfang an nicht vorhanden waren; es 
war dem gesunden volkssinn überlassen die normen zu finden, unter 
denen das scheinbar sich ausschliessende imd collidirende friedlich 
zusammenwirken könne '^^). Die begriffe »imperium« und :»potestasc 
waren selbst erst abstractionen aus der einen ungeteilten königs- 
gewalt; ihre grenzen konnten demgemäss nicht von anfang an klaf 
gezeichnet sein. Die lex curiata hat ohne zweifei durch ihr Vorhan- 
densein auf die begriffliche abgrenzung hingewirkt; allein nach Lange 
müsste sie von anfang an den begriff aufs schärfste definirt haben, 
da seiner ansieht nach jede neuerung und zufügung neuer magistrate 
in der lex eine erwähnung gefunden hätte, um die nun geänderte 
machtstellung der ünperialbeamten zu praecisiren. — Nun haben wir 
leider gar keinen bericht über die fassung und den genaueren inhalt 
der lex. Da aber sowol consuln als praetoren das »imperiumc er- 
hielten - ausdrücke wie maius und minus imperium sind erst ab- 
stractionen aus dem tatsächlichen Verhältnis — da auch die collegia- 
lischen beamten gleichzeitig dasselbe imperium inne hatten, so scheint 
es mir am wahrscheinlichsten, dass überhaupt nur immer das im- 
perium in der durch den usus geltenden bedeutung übertragen wurde, 
und dass die einzelnen beamten als solche den begriff in weiterer oder 
engerer weise zu verstehen und dasselbe auszuüben hatten. Das ent- 
spricht völlig den in gleicher weise juristisch-dogmatisch nicht defi- 



31*) Vergl. Lange 1». 267 ff., 673; 23. 24, 674. 
31^) So schon in der coUegialität. 



390 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. (Buch 7« 

nirten, noch auch gesetzlich fixirten einzelbefdgnissen der römischen 
beamten überhaupt. 

67 Lassen wir demnach die Lange'sche erkläning einer notwendigen 
beteiligung und mitleidenschaft der lex curiata bei dem beschluss über 
die wähl der sechs tribunen durch das yolk fallen, so ist gleicher- 
weise die notwendigkeit der annähme, jener beschluss sei in cen- 
turiatcomitien gefasst worden, aufgehoben. Und wir stehen den cen- 
turiat- und tributcomitien als gleichberechtigten factoren gegenüber^^^). 
Pa wir nun sahen, dass es nur im Interesse des Proletariats oder der 
dienstpflichtigen masse überhaupt war, einfluss auf die besetzung der 
vorgesetzten stellen zu erhalten, dass es aber für stats- und heeres- 
zucht von bedenklicher natur war, die niederen officiere unabhängig 
vom oberstcommandirenden zu machen, ja sie zum teil in einen gegen- 
satz zu jenem zu setzen, so scheint es mir, dass die vornehmen, die 
herrschende partei, eine solche neuerung keineswegs gern sehen konnte. 
Und wenn Lange^^^) sagt, die macht des senats, als des organs der 
herrschenden partei, habe dadurch nicht gelitten, so kann ich das 
nicht unbedingt zugeben, da die consulargewalt, die immer mehr mit 
der Senatsmacht sich vereinigte oder vielmehr dieser untergeordnet 
wurde, litt, demnach mittelbar auch der senat, während die dem Se- 
nat gegenüberstehende partei, die armen und geringen, geleitet von 
den homines noui, an macht und einfluss zunahm. 

68 Diese umstände nun bewegen mich zu der annähme, dass die 
nobiles nicht ihre band zur fassung dieses beschlusses liehen, dass 
(demnach ein volkstribun als Vertreter der untergeordneten masse in 
tributcomitien den antrag stellte, wo die grosse kop&ahl der betei- 
ligten den ausschlag gab. Unabhängig von jeder imperium-frage lau- 
tete dann der antrag, dass fortan sechs der jährlich ernannten kriegs- 
tribunen aus volkswahl hervorgehen sollten. Die völlig berechtigte 
consequenz davon war, dass diese sechs tribunen auch von der volks- 
masse in tributcomitien gewählt wurden. Und dißse ansieht über die 
tätigkeit der tributcomitien in beiden fällen bestätigt sich durch die 
angäbe des Livius^i^) zum jähre -g^, dass die erweiterung der durch 



316) Yergl. dazu buch 3. cap. III. über das plebiscit der licinischen ro- 
gationen und buch 5. cap. L und II. über die gesetze de praetore und de 
aedilibus curulibus crcandis; femer meine krit. erörterungen über den röm. 
stat. 2. 95 ff., 99, 114 ff., 166 ff. 

317) 22. 24. 318) 9. 30. 3, 4. 



Cap. IV.J Neue stände- und partei-bildiingen. 391 

das Volk gewählten tribunenzahl auf sechszehn in den vier legionen 
von einem volkstribunen, also in tributcomitien, beantragt worden sei. 
Wer das gesetz von -^^ einbrachte, ist unbekannt. 

CAP. IV. 

Nene stände* nnd partei-bildangen« 

Es kann nicht unsere aufgäbe an diesem ort sein, die neue po- 69 
litisch sociale bildung des öffentlichen lebens in Kom bis in ihre weit- 
gehendsten einzelheiten auszuführen. Dasjenige, was wir zu berühren 
beabsichtigen, entsteht eigentlich noch gar nicht zu einer festeren 
gestaltung in unserer periode ; und nur insofern kann es anspruch auf 
einen platz innerhalb derselben machen, als der samen dazu gelegt 
wird und die keime davon an's historische tageslicht treten. Aber 
auch nur keime, die zwar annähernd das wesen der Zukunft in und 
an sich tragen, dennoch aber nichts weniger als ein klares abbild der 
ferneren entwickelung darstellen. Vielmehr ist eigentlich der Wechsel 
in den Verhältnissen mehr negativer als positiver art. Zwar bestehen 
noch die alten parteiungen fort und stehn im kämpf mit einander; 
allein der kämpf ist nicht mehr ein allgemeiner, sondern wird nur 
von einem teil der einen partei, der plebs, mit energie geführt, wäh- 
rend der andre teil entweder apathisch den bestrebungen seiner stan- 
desgenossen zuschaut, oder in eigener weise beiden andren factoren 
gegenüber seinen willen kundgiebt. Andrerseits steht der patriciat 
nicht mehr auf der hervorragenden abgeschlossenen tribüne vor den 
übrigen; vielmehr wird der kämpf eben auf und um diese tribüne ge- 
führt. So hat sich alles geändert ; das alte aristokratische Rom steht 
mitten in einer gewaltigen gährung. Geburtsvorrechte sollen plötzlich 
ihren wert verlieren; es würde ein chaos werden, wenn nicht der 
lange intensive Ständekampf und das zäh-aristokratische dement fiin- 
dament und grundmauem zu einer neuordnung und neubildung gelegt 
hätten. Um dies darzutun, bedarf es aber eines übersichtlichen rück- 
blicks über den bisherigen verlauf der altständischen entwickelung. 

Ich habe an einer andren stelle ausgeftürrt^^^), dass die ganze 70 
ältere politische entwickelung der römischen republik völlig zusammen- 
fällt mit dem entwickelungsgang des plebeischen statsrechts, dass 
dieses selbst aber in verschiedenen stufen zwei verschiedene perioden 



319) Erit. erörterungen über den röm. stat 2. 145 ff. 



392 Innere geschichte bis za den Samniterkriegen. [Bach 7. 

durchwanderte. Die erste periode ninfiasste den ringkampf um poli- 
tische anerkennnng der plebs neben dem patriciat; die zweite den 
um politische gleichberechtig ung mit dem patriciat. 
71 Die erste periode zerfUlt in drei stufen, deren erste als Vorstufe 
die existenz der plebs bis zur errichtung des yolkstribunats um&sst. 
In ihr herrscht das Verhältnis blosser privatrechtlicher duldung der 
plebs impatricischen geschlechterstat, woneben freilich ein Stimmrecht in 
den centuriatcomitien herging, ein Stimmrecht aber, das rein illuso- 
risch der einflussreichen masse der patricier und ihrer dienten gegen- 
über wurde, ausserdem auch jede wahlföhigkeit ausschloss. — Die 
zweite stufe, welche durch errichtung des volkstribunats — in seiner 
ursprünglich privatrechtlichen gestalt — angezeigt ist, bringt einen 
gewissen privatrechtlichen schütz der plebs mit sich, indem der volks- 
tribun das defensive schutzrecht über seine standesgenossen aus- 
übt, sie vor Vergewaltigungen von selten der herrschenden klasse zu 
bewahren. Dieses recht aber dehnte sichr aus zu einer vertreter- 
schaft plebeischer Standesinteressen dem patricia^t gegenüber; die 
plebs gewann eine corporative bildung und strebte in dieser nach 
Selbständigkeit neben dem herrschenden stand. Corporative Versamm- 
lungen waren die folge; ein gemeinsam beratenes handeln unter lei- 
tung des tribunen wurde hergestellt, und so wurde die plebs aus 
einem ursprtlnglich rein socialen ein politischer stand. Allein noch 
fehlte dieser neuentwickelung die anerkennung von selten des herr- 
schenden Standes. So lange diese nicht erreicht war, hatte jener 
nicht die fähigkeit, willkürliche einmischungen von selten der patricier 
auszuschliessen; und diese brauchten sich in keiner weise durch ple- 
beische beschlüsse in ihrer handlungsweise beschränkt zu erachten. 
Sie konnten das auftreten der volkstribunen im namen des Standes, 
nicht des einzelnen, ignoriren. Daher galt es nun vor allem, der ple- 
beischen Standesversammlung statliche geltung als berechtigter und 
geschlossener Standes Versammlung zu erwerben. Das geschah 

883 

durch die voleronischen rogationen des Jahres -^. Und damit tre- 
ten wir auf die zweite stufe der plebeischen standesentwickelung. 
Der stand ist politisch anerkannt; seine Versammlung und Standes- 
beschlüsse als solche sanctionirt; die plebs ist, um modern zu reden, 
eine juristische person geworden und nimmt nun das wesen eines 
factors im statsleben in anspruch. Wie wir ausgeführt haben ^*), 



3^) Siehe oben das citat 



Gap. lY.j Nene stände- und partei-bildongen. 393 

war die bisherige ansbildung auf dem wege des Separatismus von sei- 
len der plebs geschehen. Sie hatten es erreicht, ähnlich wie die par 
trider neben dem umstände, dass sie statsbürger waren, noch ein ab- 
geschlossenes politisches ganze mit besonderem politischen princip dar- 
zustellen. Beide stände lebten in einem compromiss, der sie zu einem 
statswesen verband; doch war es ein kündbarer compromiss. Jede 
betonung des eigenen standes-interesses auf kosten des andren konnte 
ein casus belli werden; jede Verletzung durch den einzelnen hatte ein 
Standesgericht über denselben zur folge. So erwarb die plebs aus den 
consequenzen ihrer Stellung das recht, eine Volksgerichtsbarkeit aus- 
zuüben, vor die auch mitglieder des andren Standes als verletzende 
geladen und gesteUt werden konnten. War nun die erste periode 
inneriich die des anerkennungsstrebens, so war sie äusserlich die des 
Separatismus und dualismus. 

Diese richtung ^wurde plötzlich unterbrochen, als im jähre -jgj- 72 
die decemviral-regierung auftrat und in ihrer entwickelung die ple- 
beier auf das princip hinwies, welches anzustreben ihnen noch nicht 
in den sinn gekonmien war. Im zweiten decemvirat nämlich traten 
zum ersten mal plebeier in collegialischer weise mit patriciem an die 
spitze des states. Das ideal der politischen gleichberechtigung in 
der gestalt des zulasses zu den höchsten statsämtem trat vor ihr 
äuge und zündete. Fortan war dies der gegenständ des strebens. 
Zwar schien es, als ob durch das valerisch-horatische gesetz von -^ 
der dualismus noch fortgebildet worden wäre, indem den plebeischen 
tributcomitien volle, für den ganzen stat gültige gesetzeskraft zuge- 
sprochen wurde; allein stillschweigend war wol schon darin einge- 
schlossen, dass die patricier zulass und mitstimme in den genannten 
comitien erhalten sollten, wie es denn auch von da an gehandhabt 
wurde. Dadurch aber war ein grosser schritt zur Vereinigung ge- 
schehen. — Und nun beginnt der sturmlauf auf die Vorrechte der pa- 
tricier. Gleichzeitig erheben die plebeier das verlangen nach eben- 
bürtiger ehe mit den patriciem und nach anteil am höchsten amt. 
Ersteres wird gewährt, letzteres aber nur unter der modification, dass 
statt des dem königtum verwandteren consulats eine vervielfältigte 
Oberleitung eingesetzt wurde, der consulartribunat nämlich mit sechs 
stellen als maximum, die nicht die gleiche Standeshoheit hatte als der 
consulat, und in welcher die hochwichtige oberrichterliche tätigkeit 
tatsächlich den patriciem reservirt blieb, abgesehen davon, dass höchst- 
wahrscheinlich eben hiermit auch die censur und ihre neuerrichtung 



394 Innere geschichte bis zu den Sanmiterkriegen. [Buch 7. 

zusanmienhängt'^), Im grnnde hatten die plebeier hauptsächlich 
einen ideeUen sieg davongetragen, denn im ganzen kamen sie nur 
selten zum consulartribunat, an dessen stelle in kritischen zeiten viel- 
fach auch der alte consulat wieder eintrat. Bis zum entscheidungs- 
jahre des licinischen conflicts, -rzn dauerte dieser zustand fort. Dann 
erst erreichten die plebeier es, auch wirklich den consulat zu be- 
kleiden. 

73 Wir haben gesehen, dass auch dieses mal die patricier das ober- 
gericht durch gründung der praetur sich vorbehielten^^), wie auch dass 
sie später dennoch wieder für mehrere jähre beide consulstellen besetz- 
ten '^3). Der kämpf also war noch nicht am letzten ende angekom- 
men, wenngleich in unserer periode die plebs den tatsächlichen erfolg 
erreicht hatte, eine hervorragende persönlichkeit aus ihrer mitte als 
dictator und als censor zu sehen. Und nicht lange darauf, im jähre 

417 

-rzr erhielten sie auch zulass zur praetur 3^), nachdem kurz vorher 
im jähre -^ das patricische bestätigungsrecht für gesetzesbeschlüsse 
der centuriatcomitien illusorisch gemacht worden war^^*). 

74 Lange vor dieser zeit aber hatte sich in der plebs selbst eine 
Zersetzung vorbereitet und vollendet, die allmählich eine tiefere kluft 
zwischen den beiden teilen dieses Standes als zwischen patriciem und 
plebeiem überhaupt riss. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass von 
anfang an ein weit grösserer Vermögensunterschied im plebeischen als 
im patricischen stände existirte. Die verschiedene art, wie plebeier 
in den römischen stat eintraten, bedingt dies; es gab neben armen 
annectirten oder zugewanderten gewiss auch reiche besitzer, die in's 
römische gebiet übergetreten waren. Von diesen vermögenderen ple- 
beiem ging dann auch ohne zweifei der anstoss zu den ersten ple. 
heischen bewegungen aus; sie waren aus persönlichem egoismus offen- 
bar die grössten gegner des herrschenden Standes, wie sie sich bis 
zum endgültigen ausgleich bewiesen haben. Doch tritt von der zwei- 
ten periode des Ständekampfs an eine ander ung im verhalten dieser 
vornehmeren plebeier gegen die patricier ein. Bisher wollten sie blos 
an der spitze ihres Standes geltung erwerben; jetzt aber streben sie 



321) Vergl. auch C. de Boor: fasti censorii p. 36 ff. 

833) Vergl. buch V. cap. 1. »33) Vergl. oben § I7ffl 

834) Livius 8. lö. 9. 

835) Livius 8. 12. 15. Es ist die patmm anctoritas, die wir meinen, 
4ie hauptbefugnis der xein patricischen cuiiatcomitien, ohne welche die be- 
fichllk^se 46r centuriat-comitien nicht gesetzeskraft hatten. 



Cap. lY.] Neue stände- and partei-bildongen. 395 

eine assimilirang mit den patriciem an. Sie tragen etwas vom par- 
Yenu-charakter an sich: obgleich principiell voll gegnerschaft gegen, 
die Vorrechte der geborenen vornehmen, suchen sie sich doch per- 
sdnlich in eben jene Vorrechte zu insinuiren und jenen gleich zu wer- 
den; und zu dem zwecke beabsichtigten sie eine persönliche annähe- 
rung an den adel. Das aber war eigentlich erst ermöglicht, als durch 

811 

das canuleische gesetz vom jähre -^ die vollgültige ehe zwischen bei- 
den ständen garantirt war. 

Nachdem diese ehe-schranke gefallen war, trat höchst wahrsdiein- 75 
lieh bald eine Vermischung einzelner patricischer und plebeischer fa- 
milien ein'^). Aus solchen Verwandtschaften entwickelte sich offenbar 
eine gemässigte mittelpartei, welche eine weitere fusion anstrebte und 
zu dem zweck erweiterung der plebeischen amtszulassung zum ziel 
ihrer bemtlhungen machte. Diese Zulassung war schon durch errich- 
tung des consulartribunats und die vielleicht gleichzeitige erste auf- 
nähme von plebeiem in den senat^^) principiell angebahnt, wenn- 
gleich nur eine spärliche anzahl von plebeiem wirklich dies oberste 
amt bekleidet haben. Dennoch wirkte die collegialität zwischen mit- 
gliedem beider stände darauf hin, dass die so ausgezeichneten ple- 
beischen familien einen vorrang vor den übrigen erwarben, in der weise 
wie die englische gentry mit ihren baronets und knights über die 
übrigen commoners hinausragt und eine Stellung in unmittelbarer nähe 
des betitelten adels einnimmt. 

So entstand ein plebeischer beruf s-adel, der zugleich die geld- 76 
macht des Standes repraesentirte oder zu hintermännem hatte. Von 
diesem sonder-adel und der damit verbundenen besitzerklasse wurde 
nun schliesslich allein noch der kämpf gegen den patriciat geführt, 
während die geringere masse der plebs teils sich apathisch verhielt, 
teils in die iuteressen bald des einen bald des andren kämpfers ge- 
zogen wurde, eigentlich aber beiden entfremdet war. 

Diese masse hatte aufgehört, eia einheitliches ganze mit ihren 
vornehmen standesgenossen zu bilden. Ersterer als aus weniger be- 
mittelten und ganz armen bestehend, kam es stets und vor allem auf 
befriedigung materieller bedürfiiisse an; der hunger war manchmal 
das hauptagens zu ihren wünschen. Höhere politik konnte sie nur 



336) Wenngleich die traditionellen berichte darüber, wie von den Lici- 
niem mit den Manliem und Fabiem, sehr precärer natur sind; vergl. 
buch 3. § Uff. s^^ Vergl meine krit. erörterungen 2. p. 117 £ 



396 Innere geschiehte bis zn den Samniterkriegen. [Bach 7. 

insofern interessiren, als jene materiellen interessen davon abhingen 
oder hinein verflochten waren; an nnd üQr sich war das politische 
princip und der erfolg ihrer standesgenossen ihr gleichgültig'^). Es 
ist flberall nnd zu allen zeiten dasselbe gewesen: der magen ist der 
Politiker der armen. So hatte sich schon vor der licinischen gesetz- 
gebnng die trennnng der geringen und vornehmen plebeier vollendet, 
und letztere benutzten fortan erstere nur zu eigenen zwecken, in- 
dem sie ihnen berücksichtigung ihrer sonder-interessen verhiessen'»). 
77 Wenn es nun heisst, dass der plebeische consul L. Sextius von 
der erste »homo nouusc sei, so ist das die folge davon, dass 



S66 

man den beginn der Verschmelzung des alten geburts-adels mit dem 
neuen plebeischen geld- und amts-adel von der Zulassung der plebeier 
zum consulat und der damit gefeierten concordia ordinum^<^) datirte. 
Im gründe aber war diese concordia noch lange nicht dauernd her- 
gestellt, wie die Verfassungskämpfe unserer periode beweisen 3^); und 
andrerseits war jener Zeitpunkt nur einer in der fortentwickelung 
dieser neuen adelsbildung. Freilich traten die beiden anzeichen der 
neuordnung immer entschiedener auf: das streben nach möglichst 
völliger Separation der grossen masse von den herrschenden familien 
und nach möglichst völliger Verschmelzung der plebeischen grossen 
mit den patriciem; aber sie waren im wesen schon früher vorhanden* 
Andrerseits trat eine ruhe zwischen den noch miteinander ringenden 
elementen des neuen adels erst dann ein, da ein Vorrecht als gegen- 
ständ der eifersucht des plebeischen teils nicht mehr existirte. Damit 
war eben das streben der einen seite befriedigt, und die abwehr der 
andren seite gegenstandslos geworden. Und so ist eine wirkliche und 
völlige Vereinigung und Verschmelzung eigentlich erst seit der zeit des 
ogulnischen gesetzes über die Zulassung von plebeiem zum pontiflcat 
und augurat; seitdem jähre -r^ anzunehmen^. Allein vor dieser 
zeit war dennoch schon die bildung des neuen adels eine vollendete 
tatsache geworden; die politischen gegensätze hatten lange aufgehört 
als patridsche und plebeische zu gelten; nobilität und masse mit de- 



<K) Yergl buch 8. § SSff.j über die dictatur des Manlius und cap. IV; 
ferner buch 4. cap. I, II und besonders III. 

399) So in der licinischen gesetzgebung. 

»«0) Vergl. buch 3. cap. III. zu ende. ««i) VergL cap. I. 

^ Der noch spätere zutritt der plebeier zu den patridschen curien 
und curial-ämtem war wol die folge dieses gesetzes und im ganzen ohne 
eigentliche politische bedeutung; vergl. meine krit. erörterungen 1. p.7— 13. 



Gap. lY.] Neue stände- and partei-büdungen. 397 

mokratischen tendenzen hatten jene stelle eingenommen. Wir können 
daher einen früheren scheidepunkt der beiden epochen ansetzen und 
müssen ihn vielmehr da suchen, wo das politisch geartete streben 
des plebeischen adels sein politisches ziel erreicht: teilnähme an 
allen regierongsämtem. Das aber fällt zusammen mit der eröff- 
nung der praetur an die plebeier, welche factisch von dem jähre 
-^ datirt«3»). 

Die ganze vorhergehende periode von der zeit an, in der der 78 
kämpf um die patricischen Vorrechte begann, also tatsächlich seit den 

311 

canuleischen rogationen des Jahres -^: dieses Jahrhundert war die 
vorbereitungs-epoche für die neu- und Umbildung der adelsverhältnisse : 

417 

unsere periode speciell, von den licinischen gesetzen bis -— -, ist die 
letzte und entscheidenste phase. 

Noch einmal bietet der patriciat in dem licinischen gesetzes- 79 
conflict und den späteren kämpfen um den alleinbesitz des consu- 
lats alle kräfte auf, um die schranken, die ihn noch von der plebs 
trennen, aufrecht zu erhalten. Allein es war vergeblich; die zeit war 
schon zu weit vorgeschritten, vm den Jahrhundert alten kämpf unge- 
schehen zu machen. Die völlig veränderte physiognomie des inne- 
ren statslebens bedingte nun auch eine Umformung der socialen weit 
Darum aber darf man die patricier nicht kleinlich und engherzig nen- 
nen, weil sie einen endgültigen rettungsversuch machten ; es galt das 
ganze auf altheiliger grundlage ruhende standesrecht; der kämpf war 
ebenso gerechtfertigt als der einstige verzweifelte, aussichtslose, aber 
überzeugungstreue kämpf der royalisten in der Vend^e gegen die re- 
volution und die republik. Und jener endkampf der patricier 
hat auf das statslebcn in keiner weise störend gewirkt; er hat 
vielmehr auch hier den endsturm der plebeier noch etwas ver- 
zögert und damit auch einer zu frühen Verschmelzung und Verhärtung 
der neuen aristokratie vorgebeugt. Bald genug ohnehin macht sich 
das absolute regime des neuen adels gegenüber der volksmasse gel- 
tend; eine sofortige consolidirung desselben würde seine herrschaft 
von an&ng an auf die höhe der späteren plutokratie gebracht haben, 
die so verderbend und vernichtend auf den wolstand Boms und Ita- 
liens und auf die existenz des freistats wirkte. Freilich auch hier 
haben wir es nicht mit einem so weit ausschauenden plan der patricier 



333) Vergl. Livius 8. 15. 9. 



398 Innere gesehichte bis za den Sanmiterkriegen. [Buch 7. 

zu tam'^) sie ebenso wie die plebeier handelten; an erster stelle 
immer getrieben vom partei-egoismas. Allein die hemmiing einer zu 
schnellen entwidcehing war auch hier nur die folge einer imm^hin 
noch berechtigten und gesunderen parteipolitik der patricier, wenn- 
gleich diese ihren eigentlichen zweck nicht mehr erreichen konnte 
noch auch durfte. 

80 Wie also der alte Ständekampf von anfang den keim des myel- 
jirens der Ständeunterschiede in sich trägt, so gleicherweise den po- 
sitiven keim einer neuen und verschiedenen Ständebildung. In der 
letzteren entwickelung aber haben wir das doppelte moment zu be- 
achten, sowol das der trennung der plebs in zwei divergirende in- 
teressenten-complexe, als auch das streben des einen von beiden dem 
andren gegenüber mit dem patriciat eine allianz anzubahnen. 

81 Natürlich konnte auch nach erreichung dieses Zweckes der ple- 
beische adel nicht gleich mit dem patricischen concurriren; es war ja 
ein verhältnissmässig junger. Und wenn auch das streben der ple- 
beier schon älter war, nach art der patricier »gentes« zu bilden, so 
waren dennoch diese gentes und ihre familiae: nouae, d. h. neue, 
von jungem adel. Solcher familien nun, aus denen die begründer 
plebeischer adelsgeschlechter hervorgingen, die später als »homines 
nouic angesehen worden, gab es schon vor dem licinischen conflict hervor- 
ragende. Und wir dürfen gewiss mit recht die Licinier, Sextier, 
Genucier, Atilier, Duilier, Maenier, Popilier, Poetelier, 
Marcier, Publilier, Menenieru. a. schon damals in gewisser weise 
für adelsfamilien in ihrem stände ansehen. Im ganzen aber erscheint 
die zahl dieser hervorragenden und demgemäss auch mit reichtom 
versehenen familien Mein, so dass der ältere Verfassungskampf einen 
oligarchischen Charakter erhält, da er zwischen so wenigen plebeier- 
famiiien mit den gleichfalls sehr zusammengeschmolzenen patricier- 
geschlechtem geführt wurde. Die patricier konnten demnach, wenn 
sie von dem sacralen bedenken und ihrem auch sonst hochconserva- 
tiven wesen absahen, in der Vermischung mit den plebeischen vorneh- 
men eine Stärkung und ergänzung ihrer eigenen partei sehen. Denn 
in Wahrheit war der alte patriciat formell das Vorbild der neuen no- 
bilität, und die plebeischen nobiles wurden den patridem ähnlicher, 
als diese ihren neuen plebeischen standesgenossen. Aber wie gesagt, 
die patricier sahen weniger auf den* ihnen erwachsenden vorteil, als 



35*) Vergl. buch 3. cap. IV. schluss und buch ö. cap. I. 



Cap. IV.] Neue stände- und partei-bildungen. 399 

auf die bedenken und das traditionswidrige der neuerung und waren 
daher nicht gerj^^bereit dazu. 

Die Verhältnisse blieben auch tatsächlich nicht die alten. Hatte 82 
früher blosse geburt dazu gehört, dem einen oder andren stände an- 
zugehören, während derselbe in sich abgeschlossen war, so trat nun 
die möglichkeit steten Zuwachses aus den niederen kreisen der plebs 
ein, wie das auch tatsächlich der fall wurde. Daneben aber war die 
andre gefahr vorhanden, dass vornehme farailien durch verlust ihrer 
guter in die masse der armen versinken könnten, auch ein wenig er- 
quickliches bild für den bisher in geschlossener Sicherheit dastehenden 
pafriciat. Die notwendige folge dieser möglichkeiten für das beneh- 
men der nobilität war demnach, sich möglichst eng unter einander zu 
verbinden, um so möglichst geschlossenen widerstand gegen neue ein- 
dringlinge zu leisten. Daher wurde, wenn auch die aufnähme neuer 
demente nicht ganz verhindert werden konnte, das auftreten des neuen 
adels ein viel schrofferes und egoistischeres, ja ein fester oligarisches, 
als es ehedem der patriciat gewesen war, dem solche hülfsmittel zur 
behauptung seiner Stellung nicht nötig schienen. Ob von diesem Stand- 
punkt aus die Unterdrückung des begüterteren mittelstandes der plebs, 
des freien ackerwirtes — denn er allein konnte das material zu den 
homines noui liefern — - systematisch von der nobilität betrieben wurde, 
ist wol kaum zu bestimmen oder anzunehmen. Tatsächlich aber war 
dies der weg, auf welchem sich der adel immer isolirter und unum- 
schränkter machte; tatsächlich ging der mittelstand unter und musste 
dem grossgrundbesitz weichen; tatsächlich brachte es die nobilität da- 
hin, dass nur reiche und arme, adelige und Proletarier existirten. 
Doch gehört das einer sehr viel späteren epoche an 3^). 

Als äusseres zeichen ihres neuen ranges nahmen die plebeier wol 83 
das von den patriciern gewiss seit anfang der republik innegehabte 
2>ius imaginum« an. Es bestand dies darin, dass die einzelnen fa- 
milien die bemalten portraitmasken aus wachs solcher ahnen im Atrium 
aufbewahrten, welche eine hervorragende Stellung, ein höheres stats- 
amt, bekleidet hatten. Damit war das recht verbunden, diese bilder, 
auch »cerae« genannt, bei begräbnissen eines familienmitgliedes vor 



a35) Vergl. meinen aofsatz: »das gründerwesen im alten Borne im ma- 
gazin für die litteratur des ausländes, 1873, No. 18., desgl. »das herrenhaus 
im alten Borne ebendaselbst Nr. 4. ; endlich »vor mehr als 2000 jahrenc. 
eine historisch-politische Untersuchung, Bostock, 1871. 



400 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

dem sarge her zu tragen und so die höhe des adels des betreffenden zu 
bekunden. Zu diesem ins imaginum, wie überhaupt zum eintritt in die 
nobilität berechtigte die bekleidung eines curulisch^ amtes, also des 
consulats, der praetur und curulischen aedilität, nebst der censur und 
dictatur^««). 

84 Noch haben wir das Verhältnis des neuen adels zu der übrigen 
bürgerschaft zu beleuchten. Wir sahen schon, dass der begütertere 
mittelstand, der freie ackerbauer, deijenige war, aus welchem die er- 
gänzung der plebeischen nobilität statt finden musste, wenn dies über- 
haupt geschehen sollte. Principiell war ja mit eröfEhung der höchsten 
statsämter an die plebeier sowol der mittel- als auch der untere stand 
eingeschlossen und wählbar geworden. Allein auch nur principiell; 
tatsächlich existirte die oben geschilderte kluft zwischen den hervor- 
ragenden und reichen plebeierÜEunilien und den übrigen. Aber gerade 
weil jene freien bauem das recht hatten und durch fleiss sich auch 
möglicherweise soweit herauüarbeiten konnten, an ein öffentliches amt 
zu denken, deswegen gerade war die nobilität ihnen am wenigsten 
günstig; denn jeder Zuwachs an zahl war eine abnähme des einflusses 
des einzelnen adeligen. Ich wiederhole es: der neue adel brachte 
es mit der zeit fertig, jenen freien bauernstand zu grabe 
zu tragen. 

85 Anders war das Verhältnis zur mittellosen städtischen bevölke- 
rung, zum eigentlichen Proletariat, mit einschluss der freigelassenen 
und handwerker. Hier brauchte der adel nicht die furcht zu hegen, 
unerbetenen Zuwachs aus jener schiebt zu erhaltenen; die kluft zwi- 
schen ihnen war eine unübersteigliche, wie es schien. Wir haben ge- 
sehen, wie die vornehmen plebeier diese masse vielfach als mittel zu 
ihrem zweck verwandten und als gegenleistung förderung der massen- 
interessen gewährten. An eine eigene politik dachte diese bevölkerung 
noch nicht; der anstoss dazu wurde erst viel später gegeben, wenn 
wir von dem vorübergehenden militäraufstand aus dem jähre 



349 

absehen, der durch die besonderen kriegsverbältnisse hervorgerufen 
wurde. Somit brauchte der adel nicht ängstlich diese klasse zu be- 
obachten, oder so sehr zu drücken wie den mittelstand. Ausserdem 
konnte sie nicht übergrossen einfluss in den tributcomitien gewinnen, 
da sie ihrem Wohnort nach nur in den vier städtischen tribus stinun- 
recht hatte. In dieser beziehung war die stimmenzahl der ländlichen 



33«) Ueber dies ganze recht vergl. Lange 2. 6 ff. 



1 



Cap. IV.] ll'eae stände- und partei-bildungeii. 401 

tribus, in unserer periode auf dreiundzwanzig angewachsen, sehr viel 
bedeutsamer; daher die kleme freie bauerschaft an politischem ein- 
fluss die Städter weit tiberragte. Verschiedene gesetze sollten daher 
dazu dienen, beide teile zu beschwichtigen und in freundlicher ge- 
sinnung zu erhalten. 

Zu diesen gesetzen gehören unter andren die schon besprochenen 86 
zins- und Wuchergesetze nebst den schuldtilgungen^^), wenngleich diese 
im wesentlichen dem adel gar keinen vertust verursachten; femer ge- 
setze wie tlber die volkswahl von sechs kriegstribunen^^^). Dagegen 
waren andre gesetze, wie das tlber den ambitus, gegen die mittel- 
klasse gerichtet, um derselben die mittel zu entziehen, in den kreis 
des adels sich einzudrängen. Von bedeutung für den Proletariat war 
auch die veriügung in dem ackergesetze des Licinius, dass die gross- 
grundbesitzer neben ihren Sklaven eiae reihe freier arbeiter beschäf- 
tigen soUten^^'). Was endlich das gesetz über die freilassungssteuer 
betrifft^, so war dies mehr aus der klugheit des adels hervorgegan- 
gen, um der durch geld und gute worte stets zu mobilisirenden volks- 
masse keinen zu grossen Zuwachs zu gewähren; wenngleich ein wirk- 
liches hindemis nicht vorlag. Ftlr die freigeborenen armen aber war 
es andrerseits ein bestechender gedanke, nicht zu sehr mit diesem 
noch tiefer stehenden demente vermengt zu werden. Und es war 
zugleich weise, diese vermengung zu verhüten; denn die fremden frei- 
gelassenen, denen Bom nicht das eigentliche Vaterland war, trugen 
jedenfalls in späterer zeit nicht wenig dazu bei, die untere volksklasse 
zu revolutioniren und in der entartung zu fördern. Ob die zahl 
der freigelassenen schon damals gross war, lässt sich nicht sagen. 
Allein nicht zu lange nachher, im jähre -^ schon, werden sie das 
Werkzeug und mittel zu jener eigentümlich genialen aber geföhrlichen 
Politik des Ap. Claudius Gaecus; und ihre zahl scheint so gross 
gewesen zu sein, dass sie bei Verteilung auf alle tribus einen bestimmen- 
den einfluss auf die tributcomitien ausüben konnten ^^). — So war es 
denn eia stillschweigender compromiss, der zwischen dem neuen adel 
und der niederen bevölkerung existirte, und der von seiten des erste- 
ren nicht ohne ein aufopfern wichtiger momente der Ordnung ausgeübt 



837) Vergl. cap. n. 338) Cap. III. 339) Vergl. buch 4. cap. II. 

340) Vergl. cap. in. 

3^) VergL meinen aufsatz: »die pohtik der patricischen Glaudier in 
Rom«, im magazin fär die litteratur des ausländes. 1873, Nr. 14. 

Claaon, röm. geseh. I. 26 



402 Innere geschichte bis zu den Samniteiiaiegen. [Bach 7. 

wurde, besonders indem die militärische discipMn durch jene vom volk 
ernannten tribunen schon einen bedenklichen stoss erlitt. Das volk 
in der armee konnte sich als den quell der macht ansehen, die diese 
tribunen besassen, und darauf hin ansprüche an die Willfährigkeit der- 
selben erheben. Auch scheinen die feldherm damals schon den Pro- 
letariern im beer zu liebe in bezug auf plünderung laxer gedacht zu 
haben^. Und dass die Proletarier in folge dessen sich zu f&hlen 

412 

anfingen, geht schon aus dem aufstand des Jahres -r— - hervor 3*«). 
87 Noch eines umstandes mag hier gleich erwähnung geschehen. 
Wir haben es ja zwar nur mit dem anfang dieser ganzen entwickelung 
zu tun. Da hat sich denn noch nicht ein scharfer unterschied zwi- 
schen den curulischen und nichtcurulischen familien unter den reichen 
und bisher schon vornehmeren plebeiem gebildet. Erst die länge 
der zeit konnte diesen unterschied ziehen und somit den wirklichen 
adel der plebeier von den übrigen trennen. Die nichtcurulisdien rei- 
chen plebeier aber waren von anfang an in einer art von coalition 
mit den curulischen. In älterer zeit hatten die achtzehn rittercentu- 
rien die elite der reichen Jugend Eoms, sowol der patricier als ple- 
beier, umfasst. Neben diese nun trat seit -^ ) eine fernere gruppe 
von reitem zu militärischen zwecken, welche gegen sold auf eigenen 
pferden3*5) dienst taten. Dass hierzu nur reiche sich meldeten ist 
klar, da ihnen die Stellung des pferdes selbst oblag. Der umstand 
aber, dass die reichen auf diese weise sich vor dem übrigen volk 
auszeichnen konnten, war besonders fär die vornehmeren plebeier ver- 
lockend; und aus diesem kriegscontingent von freiwilliger reiterei bil- 
dete sich dann eine gruppe im socialen leben. Zwar von einem ritter- 
s tan de kann noch nicht entfernt die rede sein; ein solcher ist erst 
von dem augenblick an vorhanden, dass diese ritter corporations- 
rechte und Privilegien erhalten, was erst durch Gaius Gracchus ge- 
schah, als den rittem die besetzung der richterstellen officiell über- 
tragen wurde. Dennoch aber werden alle reichen plebeier epe ehre 
darin gesehen haben, zu pferde zu dienen; und diese tatsächliche 
auszeichnung kennzeichnete sie in gewisser weise als eine besondere 
klasse von bürgern. Aus ihnen gingen dann die plebeischen nobiles 



343) Vergl. Liv. 7. 16. 3. 8«) Liv. 7. 38 ff. 

344) Nach Livius 5. 7, 12; 7. 41; Polybius 6. 39. 

345) Equi priuati im gegensatz zu den equi publici der achtzehn ceu- 
turien. 



Cap. 17.] Neue stände- und partei-bildungen. 403 

hervor^**). Diese nobiles hinwiederum ketteten das interesse der rei- 
chen waffengenossen an sich. Und ohne zweifei waren die letzteren 
auch zur ergänzung des Senats das geeignetste material neben den 
nobiles selbst. 

Haben wir so die elemente kennen gelernt, aus welchen sich die ^ 
zukünftige bürgerschaft zusammensetzen sollte, so gilt es nun zu unter- 
suchen, wie sich der verfassungsrahmen an diese neubildungen an- 

888 

schmiegte. Durch die neuen curulischen ämter des Jahres -g~-, die 
praetur und aedilität, war freilich der consulat in seiner machtvoU- 
kommenheit tatsächlich beschränkt, indem einzelne sehr wichtige seiner 
competenzen fftr ihn als ruhend betrachtet werden mussten^*?). "^jr 
haben aber gesehen^, wie die teilung der geschäfte bei der wach- 
senden ausdehnung des states eine notwendigkeit geworden war. Auf 
diese eine Veränderung beschränkt sich auch die 'ganze modification 
der verfassnngsmaschine. 

Denn wenn Mommsen^*^) erklärt, in unserer periode trete auch ^^ 
die erste factische beschränkung der dictatorischen allmacht ein, in- 

891 

dem ein dictator seit -^ ausdrücklich nur zu bestimmten functionen 
mit gesetzlichem anscUuss des andren ernannt worden sei, so hat er 



346) Was die litteratur über die ritter und den ritterstand betriflPt, so 
habe ich die neueste arbeit darüber Ton M. B61ot: histoire des Chevaliers 
romains, Paris, 1873, nicht zu gesicht bekommen; eine recension derselben 
befindet sich in der revue politique et litteraire Nr. 49. 7. juni 1873, 
p. 1179 ff. — Dass übrigens gleich mit einffihrung der equites equo priuato 
auch ein dazu berechtigender census equester eingeführt worden sei, wie 
Lange 1. 419, 431 ff. ; 2. 20 meint, ist durchaus fraglich. Die quellen sagen 
nichts davon; und die aus Livius (24. 11) zur zeit des zweiten punischen 
krieges gezogenen Schlüsse sind einmal unsicher und nicht stringent (vergl. 
meinen aufsatz : »zur frage über die reformirte centurienverfassung« in den 
Heidelberg, jahrb. 1872, p. 221 ff., besonders 223 und 236 ff. Livius a.. a. o. 
sagt auch nichts von einem rittercensus) ; andrerseits liegt der zweite pu- 
nische krieg schon in einer ganz anderen entwickelungsepoche ; auch bietet 
die reformirte centurienverfassung erst seit der Gracchenzeit einen festen 
anhält für die annähme eines besonderen census equester (vergL meinen 
aufsatz a. a. o. p. 234); und dieser steht vielleicht überhaupt in ursäch- 
lichem Zusammenhang mit jener endgültigen constituirung eines ritter- 
stand es durch Gaius Gracchus, während die ritter vorher hauptsächlich 
eine gesellschaftliche klasse bildeten. 

347) Vergl. buch 6. cap. I. besonders über die praetur. 

348) A. a. 0. 349) R. g. 16. 314 ff., vergl. oben § 9. und die dorti- 
gen citate. 

* 26» 



404 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. pSach 7. 

das in keiner weise bewiesen. Denn wenn auch bei Livios und in 
den capitolinischen fasten ein besonderer zweck bei der dictator- 
emenntmg erwähnt wird^, so ist damit durchaus nicht ausgespro- 
chen, dass das dictatorische imperium damit aufgehoben oder be- 
schränkt wäre. Wäre der dictator z. b. ausdrücklich und nur zur 
nagelschlagung ernannt worden, so hätte er gar kein imperiimi haben 
können, da zu jenem act die magistratliche potestas genügte '^^). An- 
drerseits aber ist ein dictator ohne imperium gar nicht denkbar, da 
auf der fülle aller magistratlichen befugnisse «gerade die dictatur ruht, 
ja dieselbe als das nächste abbild des königtums, als summa der ma- 
gistrate des gesammtvolkes angesehen werden kann 3^^). Wir haben 
also notwendig anzunehmen, dass zwar der jedesmalige zweck der 
dictatoremennung beschränkt sein kann, z. b. auf religiöse geschäfte, 
auf das abhalten von wahlcomitien und ähnliches, dass aber dadurch 
in keiner weise die competenzen des amts beschränkt sind, dass ihm 
vielmehr alles das rechtlich zusteht, was der dictator rei gerundae 
causa ausübt. Nur freilich erwartete man stillschweigend, dass der 
dictator sich auf die geschäfte beschränken werde, zu deren zweck er 
ernannt worden sei. Wenn aber in Wahrheit während der ausübung 
eines solchen specialgeheisses plötzlich ein kriegerischer Überfall des 
feindes statt fand, sollte da dieser dictator nicht competenter ober- 
feldherr sein? Sollte da wol erst ein neuer gewählt oder dem vor- 
handenen eine neue anzahl von amtsbefugnissen übertragen worden 
sein? Es wäre das eine competenz-verclausulirung, die dem sonstigen 
römischen verfassungsieben völlig fremd ist. Hoben doch sogar con- 
suln und praetoren nicht einmal gegenseitig die gegenseitigen macht- 
befugnisse auf ^^^). Bei solcher annähme würde ja das imperium völlig 
aufgelöst und in eine reihe von competenzen zerlegt worden sein. 
Und die lex curiata de imperio wäre ein äusserst verzwicktes Instru- 
ment* geworden. Ja einzelne dictatoren, wie der zur nagelschlagung 
ernannte, hätten gar nicht einmal diese lex für sich rogiren können ^^). 



850) Claui figendi causa — comitiorum habendorum causa tt. ähnl. 

851) Vergl. meinen aufsatz: »potestas und Imperium« in den Heidelb. 
jahrb. 1872, p. Ö89fp. 

353) Jenes raisonnement des Livius 7. 3. 9, der dictator claui figendi 
cfiusa Manlius habe in folge dessen widerrechtlich das beer aufgeboten, 
Wird Mommsen sicherlich nicht als beweis gelten lassen; abgesehen davon, 
dass der beregte Hemikerkrieg fabel ist; vergl. buch 6. cap. III. 

3W) Vergl buch 6. cap. I. 3W) yergl. § 66. 



Cap. IV.] Neue stände- und partei-bildungen. 405 

Gesunde statsverhältnisse, wie die damaligen, erwarten von jedem 
bürger, dass er seine pflicht tue, dass er also seine gewalt nicht auf 
kosten andrer ausbeute. 

Wir haben gesehen, dass nach und nach die oberämter theore-90 
tisch dem ganzen volk eröffnet wurden; allein nur theoretisch, denn 
tatsächlich blieb der adel, der alte und der neue, alleinbesitzer der 
ämter, die er nun, in ermangelnng gesetzlicher schranken, de facto 
immer mehr zum eigenen monopol zu machen strebte. IJQter diesen 
umständen war es für den adel von wert, fortan die gesetzgebung 
hauptsächlich in die centuriatcomitien zu verlegen, da diese einmal 
dem grösseren vermögen ein höheres Stimmrecht verliehen, andrer- 
seits völlig an den vorbeschluss des senats gebunden waren. Allein 
die tributcomitien, in denen das kopfstimmrecht herrschte, und welche 
sowol des Vorbeschlusses des senats als auch der patricischen be- 
stätigung entbehrten, waren schon zu einer bedeutenden macht an- 
gewachsen, nachdem eine reihe der wichtigsten Verfassungsänderungen 
durch sie in's werk gesetzt worden waren. Wenn daher im adel 
selbst eine meinungs Verschiedenheit ausbrach, dann waren die tribut- 
comitien durch die möglichkeit der majorisirung das Instrument, in- 
dem die eine oder andre partei der masse verheissungen und aus- 
siebten machte, um sie zu gewinnen. Das war natürlich hauptsächlich 
das verfahren des jungen plebeischen adels gegen die patricischen 
standesgenossen; das plebiscit und der volkstribuüat blieben, so lange 
eine endgültige einheit im adel nicht erzielt war, die waffen des ple- 
beischen teils. Wir werden später sehen ^5), wie hieraus ein com" 
petenzconflict mit bezug auf das plebiscit entstand, der mit der er- 

805 

neuerung des valerisch-horatischen gesetzes von -^^ über die bindende 
gültigkeit der tribusbeschlüsse und dessen ausdrückliche beziehung 
auch auf die plebiscite, d.h. die unter Vorsitz von plebeischen beam- 
ten und auf deren antrag beschlossenen tribusgesetze^^) endete. — 
Erst von der zeit der festen bildung der nobilität an wurde natürlich 
die tribusversammlung um ihres demokratischen stimm-modus willen 
von dem adel weniger beliebt. Und um den verderblichen einfluss 
einzuschränken galt es nun vor allem, alle organe der plebs, beson- 
ders den volkstribunat, mit dem adels-interesse zu verbinden, so dass 



8W) Bei besprechung der gesetze des Publilius Philo von -^ 
856) Yergl meine krit erörtemngen 2. p. 82 und 113ff. 



406 Innere geschichte bis zn den Samniterkriegen. [Bach 7. 

die arme masse zu irgend einer selbständigen willensäasserong ge gen 
den adel gar nicht das mittel besass. 

91 Wir haben den volkstribnnat erwähnt Es ist von Interesse, sei- 
nen Standpunkt inmitten der neuen Standes- nnd partei-gmppen ken- 
nen zn lernen. Ausgegangen von dem wesen einer schutzmannschaft 
ftlr die politisch rechtslosen plebeier, hatte er bald sich zu dem in- 
strument au&uschwingen gewusst , das sowol der plebs eine Selbstän- 
digkeit erwarb, als auch den patriciem ihre Privilegien entwand. 
Nachdem nun aber die alten stände durch den rechtsausgleich poli- 
tisch zu existiren aufgehört hatten und eine ganz neue einteilung in 
berufs- und geld-adel gegenüber der unbemittelteren masse der land- 
und Stadtbevölkerung eingetreten war — an diesem Zeitpunkt ange- 
langt, hatte der Tolkstribunat seinen beruf erfüllt, und im state war 
eigentlich weder bedürfois noch platz für ihn. Dennoch blieb er fort- 
bestehen, da die Römer sich nie haben dazu entschliessen können, 
ein reguläres amt aufzuheben. Aber die bedeutung des tribunats 
musste eine andre werden. War derselbe bisher stets der föhrerder 
Opposition gewesen, so war dies in so fem nicht mehr möglich, als 
jene alte standes-opposition im begriff war, aufzuhören. Nun konnte 
freilich der tribunat sich an die spitze einer neuen Opposition stellen, 
nämlich der geringeren masse, wofern diese schon zur Opposition ge- 
neigt oder reif war. Jedenfalls wäre es den tribunen ein leichtes ge- 
wesen, wie später, im letzten Jahrhundert der republik, so auch jetzt 
schon Unruhe und begehrlichkeit unter der decke politischer bestre- 
bungen hineinzuschleudem. 

92 Das aber würde freilich nicht allein den adel, sondern ebenso den 
stat erschüttert und einem Mheren ende entgegengeführt haben. Und 
wol hat das der neugebildete adel erkannt. Nun aber war der tri- 
bunat bisher immer nur aus der zahl der vornehmen plebeier besetzt 
worden. Somit war er selbstverständlich auch in's lager der neaen 
nobilität übergegangen. Dadurch verwischte sich der strenge unter- 
schied dieses ehedem plebeisch-opp ositionellen amtes und der gesammt- 
magistrate. Natürlich musste es dem adel sehr daran liegen, den tri- 
bunat niemals in die bände eines mannes aus der masse gelangen za 
lassen. In solchen bänden konnte er zu demselben werden, was er 
den plebeiem im früheren Verfassungskampf gewesen war. — Ob- 
gleich der tribunat auf diese weise seinen alten zweck völlig aufgegeben 
\md in ausgesprochenstem gegensatz dazu zum instrument des adels 



Gap. lY.] Neue stfinde- und parte! -bildungen. 407 

geworden war'*'), sind seine competenzen dennoch nie andre geworden. Er 
hat nie aufgehört, nur plebeiem zugänglich'zu sein ; er ist nie regierungs- 
amt geworden; er hat seine volle tätigkeit und unverletzlichkeit mit 
allen rechten bewahrt. 

Und doch ist er mittelst anwendung aller dieser eigenschaften 
und machtbefagnisse unter den veränderten Verhältnissen des states 
dem wesen nach ein völlig andres amt geworden; freilich nur eine 
bestimmte, wenn auch längere zeit hindurch, nach welcher der tribu- 
nat seine ursprüngliche Stellung im stat als Vertreter der gedrtlckten 
diesmal der grossen masse, wieder einnahm und seinem so vieljähri- 
gen patron, der nobilität, den todesstoss gab. Was aber war in der 
Zwischenzeit aus ihm geworden? 

Wir werden gleich sehen, wie seit dem auftreten der nobilität 93 
die regierungsgewalt immer mehr sich auf den senat concentrirte, und 
dieser eine ascendenz über die magistratur gewann. Es war das na- 
türlich, da im senat nun die nobilität eine einheitliche Vertretung sah, 
während in früherer zeit patricische und plebeische Senatoren in 
keiner weise so vereinigte Interessen haben konnten. Jetzt war der 
senat die veste des adels und wurde es mehr und mehr, je nachdem 
sich der stat äusserlich ausdehnte. Die Verwaltung aller unterwor- 
fenen gegenden, die Verteilung der beamten auf die provinzen fiel 
dem senat zu. Unter solchen umständen war es natürlich für ihn 
hochwichtig, den beamten mit Imperium gegenüber, denen er gesetz- 
lich keine Vorschriften machen konnte, ein mittel der controle zu be- 
sitzen, welches stark genug war, durch einspruch jene oberbeamten in 
der ausübung ihrer functionen zu hemmen. 

Was war dazu tauglicher, als der so zu sagen frei und beschäf- 94 
tigungslos gewordene volkstribunat? Ihm stand die ganze machtfülle 
zu, durch das einfache »Veto« Versammlungen und beschlüsse un- 
möglich zu machen, Volksgerichte zu berufen, selbst solchen volks- 
gerichten zu praesidiren und gewesene beamte in anklage-zustand zu 
bringen. War der tribunat ehedem, gestützt auf die plebs, übermäch- 
tig gewesen, so wurde er jetzt allmächtig durch ein zusammenwirken 
mit dem senat. Oder vielmehr wurde der senat allmächtig durch er- 
werbnng des tribunats als seines Werkzeugs. Es war ein wechsel- 
seitiges wirken, das zur gegenseitigen hebung in macht und ansehen 
diente. Denn nun konnte der senat alles im State controliren, so 



357) Was für Jahrhunderte blieb. 



408 Innere geschichte bis zn den Sanmiterkriegen. [Back 7. 

da8s die magistrate allmfthlich in die stellimg von senats^elegirten 
hinabsanken. Daneben erwarb der tribnnat, als ein dem senat notwen- 
diges Organ, eine tatsächliche bedeutnng, die der höheren magistratur 
überlegen war, da er selbst nicht einer ähnlichen controle unterworfen 
werden konnte. Somit wird der tribunat zu einem nnwillkfirlichen 
nachbilde des spartanischen ephorats nnd verwandt mit dem kartha- 
gischen hnndert-ausschoss, der die feldherm durch eine im lager be- 
findliche civil-commission beaufsichtigen liess^^). Doch blieb der tri- 
bunat ein einjähriges amt mit zehn stellen; und dieser umstand ver- 
hinderte ein zu kühnes emporwachsen des einzelnen. Machte die 
kurze amtsdauer es schon nötig, dass der einzelne den anschluss an 
den ständigen senat suchte, so konnte dieser leicht jedes streben des 
einzelnen durch die eifersucht und intercession seiner collegen er- 
drücken. Und so war es der senat schliesslich doch, welcher den 
grössten vorteil aus diesen umständen zog. Andrerseits gebot es das 
interesse des senats, den tribunat in diese Vertrauensstellung einzu- 
laden, da jener sonst in gleicher weise der intercession des tribunats 
unterworfen worden wäre, was dem immer mehr zum regierungs- 
coUegium anwachsenden senat sowol hierzu hinderlich, als zur errei- 
chung der einzelzwecke und bei einer etwaigen gegencoalition gefähr- 
lich werden konnte. Alle diese umstände waren ein starker beweg- 
grund für den senat, die tribunen entgegenkommend zu behandehi. 
Und daher hat Hofmann^^) gewiss recht, wenn er aus einer reihe 
von andren gründen, zu denen die oben genannten umstände mitwirkend 
treten, die volkstribunen seit der zeit nach der licinischen gesetz- 
gebung 3^) im senat einen sitz und das »ius referendi« einnehmen 
lässt, während sie früher nur an der schwelle der senatscurie verweil- 
! ten und von dort aus ihr veto-recht ausübten. So kettete der senat 

j die tribunen aufs festeste an sich; denn jenes recht des sitzes nnd 

I des referats war ein auf widerruf gegebenes, daher stets von der hal- 

tung der tribunen abhängiges. Erst das der zeit nach^^^) unbe* 
stimmte plebiscitum Atinium gewährte ihnen anspruch auf die teil- 
nähme an den senatssitzungeu^^) während sie zugleich mit den übri- 



il 



858) Vergl. Aristoteles polit. 2. 8. 2. »w) Der röm. senat p. 142. 

^0) ^ber wol nicht unmittelbar danach, sondern erst im laufe der bil- 

dang des neuen adels und der neuen parteien im State, also kaum vor dem 

686 

ende unserer periode. 36i) Wol nach 



169 * 

9^3) Gellius 14. 8; vergl. die ausfahrungen darüber oben § 27. 






Gap. IV.] Neue stände- und partei-bildungen. 409 

gen conilischen und nichtcurulischen magistraten durch die lex Ouinia 
vielleicht schon in unserer periode^^^) ein anrecht erhielten, nach 
niedergelegtem amt durch die censoren endgültig in den senat auf- 
genommen zu werden^. 

War aber auf diese weise der tribunat dem senat eine bequeme ^^ 
handhabe der controle und der eigenen machterhöhung, so wusste 
letzterer auch nach andrer seite den tribunat auszunutzen und ihn 
den adels-interessen dienstbar zu machen. Wir haben gesehen ^'^^ 
dass der adel mit dem Proletariat und der ganzen niederen masse 
ein gutes einvernehmen zu erhalten suchte, wie er durch allerlei Zu- 
geständnisse an die materiellen Verhältnisse derselben die mit so 
grossen befngnissen ausgestattete menge sich geneigt erhielt. Es ge- 
schah das besonders vom plebeischen adel, so lange noch der alte 
Ständekampf nicht völlig beigelegt war. Zur Vermittlung dieses Ver- 
hältnisses diente nun dem adel und seiner corporativen repraesenta- 
tion im senat nichts so sehr, als gerade der volkstribunat, dies bei 
der masse in gutem klang stehende amt, das zugleich die tributr 
comitien beherrschte. Durch volkstribunen also wurde die masse in 
den tributcomitien gestreichelt; und volkstribunen konnten jeden stürm 
im niederen lager beschwichtigen. So wurde der senat zum herm 
sowol der centuriat- als der tributcomitien und wusste doch immer 
den schein der leutseligkeit nnd Volksfreundlichkeit zu erhalten, in- 
dem er je nach bedür&is seine organe beschäftigte. Ein sehr kluges 
und politisches System; allein auf den gefährlichen boden möglicher 
und dann höchst verderblicher Opposition von selten des mächtigen 
vcdkstribunats gegründet. Doch kannte der senat sowol seine leute 
als auch den ganzen statsbau und die statskraft. und so konnte er 
über zweihundert jähre fast absolut im State regieren. 

Wir haben im obigen schon dargelegt, wie der senat durch ver- % 
einigung mit dem volkstribunat allmählich ein übergewicht über die 
oberbeamten des stats gewann. Dies erklärt sich aber auch aus an- 
dren umständen. Nachdem der Ständekampf in seine zweite periode 
eingeixeten war, also seit der decemviral-gesetzgebungSö*), seitdem 
die plebs eine Verschmelzung mit dem patriciat anstrebte und da- 
durch ohne zweifei es auch erreichte, zur mitgliedschaft im senat zu- 



^3) Vergl. § 24ff. ^) Vergl. § 24 ff., bes. § 27. 

365) § eö. 366) VergL § 72. 



410 Innere geschicbte bis za den Sanmiterkriegen. [Buch 7. 

gelassen zu werden^'); seit dieser zeit war dersenat eigentlich von 
einer beteilignng am Ständekampf ausgeschlossen, da er kein einheitr 
liches interesse repraesentirte. Wenn er dennoch dann und wann den 
patricischen Interessen Vorschub zu leisten scheint^, so tritt er wie- 
derum zu andren zeiten vermittelnd auf^^). Der mangel an einheitr 
lichem interesse hemmte natürlich auch den einfluss des Senates. Und 
so sehen wir, dass im Ständekampf die hauptaction den parteibeamten 
und den comitien in tribus und curien, letzteren als patricischen Stan- 
desversammlungen und als beschlusskörper für die auctoritas patrum, 
zufiel. So war denn die bedeutung des senats hauptsächlich auf die 
die äussere politik gerichtet, und nur sein vorbeschlussrecht f&r die 
centuriat-comitien sicherte ihm einen einfluss auf die gesetzgebung. 
97 In unserer periode findet zwar kein wesentlicher fortschritt hierin 

statt, doch arbeitete das ovinische gesetz'^^), wenn es in diese zeit 
gehört, durch die Vorschrift, den gewesenen magistraten an erster 
stelle bei der jedesmaligen Senatsergänzung durch die censoren rech- 
nung zu tragen, einer Vereinigung des neuen adels im senate schon 
vor. Dadurch gerade trat eine gleichmässigere mischung patricischer 
und plebeischer demente im senat ein, und gerade solcher demente, 
die immer mehr dahin gedrängt wurden, bei dem stände-ausgleich 
eine neue coalition zu bilden. Mit der befestigung des neuen adels 
dann tritt der senat an die spitze dieser partei, d. h. der Oligarchie 
im State; besonders nachdem die plebeische nobilität es im jähre 
dahin gebrachthatte, dass das patricische Vorrecht, allen centuturiat- 



839 

beschltlssenüber gesetzeihre auctoritas nach gutdünken geben und verwei- 
gern zu dürfen, zu einer wesenlosen formalität hinabgedrückt wurde *^j^). 
Nun waren auch die patricischen nobiles auf den senat als ihr ein- 
ziges organ angewiesen; und dieser umstand beschleunigte offenbar 
die endgültige Verschmelzung beider demente. 



867) Darüber vergl. meine krit. erörtenmgen 2. 130 ff.; dass die ergän- 
zung zu anfang der republik nicht aus plebeiem sondern aus patridem 
statt fand, darüber vergl. W. Ihne über die patres conscripti in der fest- 
schrift des bist. phil. Vereins zu Heidelberg 1865. p. 21 ff., und meine krit. 

erörterungen 2. 117 ff. 

368) So indem er die emennung eines dictators anordnete, wenngleich 
die magistrate weder hieran gebunden waren, noch eines Senatsbeschlusses 
dazu bedurften. 



369) So als er Camillus im jähre -3^ zur niederlegung der dictatur be- 
wog; vergl. buch 3. cap. HI. 370) Vergl. § 24 ff. ^) Liv.8. 12.15. 



Cap. IV.] Neue stände- und partei-bildungen. 411 

So war der senat plötzlich aus seiner passiven Stellung in eine 98 
stark actiye eingetreten; er war partei-vorstand geworden. Er han- 
delte demgemäss im einklang mit der nobilität und den aus der- 
selben hervorgehenden oberbeamten. Er war der officielle beirat 
derselben nicht blos in allgemeinen stats-, sondern auch in oligar- 
chischen angelegenheiten geworden. Mehr als ehedem war nun der 
umstand von bedeutung, dass er als lebenslängliche behörde den jäh- 
rigen beamten gegenüber stand und dadurch den grossen vorteil der 
geschäftsübung hatte. So vereinigten sich technische und partei- 
gründe, dem Senat eine autoritätsstellung auch über den höchsten be- 
amten zu verschaffen, die diese gern anerkannten, da es gemeinsame 
interessen galt. — Dazu kommt, dass bei den nun folgenden grösseren 
kriegen und der ausdehnung der römischen herrschaft der senat durch 
seine initiative in den centuriat^comitien die leitung der geschäfte ganz 
in der band hatte. Zwar war er selbst gleichfalls von der bemfung 
und leitung eines oberbeamten abhängig; aber wie gesagt, diese han- 
delten einheitlich mit ihm. Oder wenn sie es nicht taten, so haben 
wir gesehen, dass der senat am volkstribunat eine mächtige waffe ge- 
wonnen hatte, vorzüglich da dieser das tatsächliche recht hatte, den 
senat zu berufen^*). 

Grösser noch war die regierungsgewalt des senats geworden, so- 99 
bald Rom seine herrschaft weiter ausdehnte. Alles was ausserhalb 
des römischen stats im engeren sinne lag, z. b. Verwaltung von ausser- 
römischen besitzungen, von kriegsbeute, besteuerung von Untertanen 
und verbündeten, gesandtschaften nach andren staten und empfang sol- 
cher von dort, Verteilung der armeen auf ihre posten, vielfach frie- 
densschlüsse: dieses alles wurde durch den gebrauch ohne bestimmte 
gesetzliche competenzgewährung das gebiet der senatorischen Verwal- 
tung; und es war das um so hervorragender, als im inneren stats- 
leben verfassungsumwälznngen für lange zeit beendet waren. Auch 
die dem adel so gefährlichen massnahmen des censors Ap. Claudius 

442 373 \ 

Gaecus im jähre -^ ) wusste der senat durch seine beamten in 
kurzer zeit wieder völlig ungeschehen zu machen. Das politische In- 
teresse wurde immer mehr nach aussen gerichtet, bis der rückschlag 



373) Yergl. § 27; wenigstens hatte er es schon vor dem plebiscitum 
Atinium nach der dort angefahrten stelle des Gellius. 

373) Ergänzung des senats mit söhnen von freigelassenen; Verteilung 
der unroMgeren städtischen bevölkerung auf alle ländliehen tribus, befbr- 
denmg eines homo nouus, Cn. Flavius, zur curulischen aediUtät 



412 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Bncli 7. 

kam, der während des letzten Jahrhunderts der repnblik die ümere 
Politik wiederum aufs panier schrieb und damit den adel und die re* 
publik zu gründe richtete. 

100 Alle diese umstände wirkten zusammen, die stehenden oberbeam- 
ten immer mehr in eine tatsächliche abhängigkeit vom senat zu brin- 
gen, die zwar, so lange eintracht existirte, den Charakter gemein- 
schaftlichen handelns trug, bei einem dissens Yon seiten der beamten 
aber in ihrem wahren wesen erschien. Wir sahen, dass der tribuoat 
davon in gewisser weise frei war, da er das notwendige iustnunent 
des Senats zu dieser Oberhoheit war. 

101 Noch ein andres amt bewahrte^ sich eine grössere Selbstän- 
digkeit, die censur nämlich, und zwar dadurch, dass sie das ergän- 
zungsrecht am senat ausübte, daher natürlich eine gewisse Oberhoheit 
auch über diesen hatte. Freilich war auch die censur, wie die übri- 
gen ämter, in aUianz mit dem senat; doch nicht immer, wie die 
schon erwähnte censur des Ap. Gaudius Caecus beweist Wie 
nun die bedeutung des tribunats mit dem wachsen der senatsmacht 
zunahm, so auch die bedeutung und der rang der censur. Je wich- 
tiger der senat wurde, um so wichtiger und yrürdevoller das amt, dem 
die besetzung der senatssteilen zustand. Und wie der tnbunat in 
immer grossartigerem masse das intercessionsrecht gegen stats-actionen 
aOjfF art ausübte nnd als solcher eine seite des spartanischen epho- 
rats darstellte, so die censur eine andre seite, da ihr die vollkom- 
menste gewalt über die politisch-socialen und moralischen Verhältnisse 
im State zustand; und zwar let^ere in höherem grade als ersterer; 
denn diese stand über dem senat, jener neben und unter demsel- 
ben als sein organ, wenngleich ihm zunächst. Dennoch war die censnr 
in gewisser weise wiederum vom senat abhängig, in so fem dieser das 
recht hatte, den censoren für ihre etwaigen bau*untemehmungen die 
statsgelder zu bewilligen oder auch nicht zu bewilligen '^^) , so dass 
er die Intentionen der censoren völlig kreuzen konnte, wenn sie sich 
in Opposition gegen ihn setzten. Und dies war der grund, weswegen 
Ap. Claudius Caecus als censor jene berüchtigte lectio senatus ans 
söhnen von freigelassenen vornahm; denn nur so konnte er erwarten, 
vom senat die mittel zu seinen ungeheuren anlagen zu erwerben '^^)' 



»'*) VergL Polybius 6. 13. 3. 

^^) VergL meinen au£aats »die pohtik der patr. Clandier in Rom« im 
magazin fQr die litteratur des ausländes 1872 Nr. 14. 



Cap. V.] Die neuen tiübus und sacrale angelegenheiten. 41 3 

Endlich ist noch auf die augurn hinzuweisen, die bei dem allmählich 
sich anbahnenden Unglauben ein immer bereitwilligeres und darum 
wirksameres mittel in den bänden des adels und des Senats wurden, 
misliebige beamte als uitio creati zur abdankung zu zwingen, oder 
irgend welche Versammlungen aufzulösen; ein umstand, dem gleicher- 
weise die censoren unterworfen waren. 

Wir haben somit gesehen, wie von unserer periode an bei ausser- 102 
lieh nur unwesentlich verändertem statswesen doch in Wahrheit sich 
eine völlige Umwälzung auf allen teilen des Verfassungslebens vollzog. 
Ein neuer adel eine neue plebs. Eine neue Oligarchie mit noch 
exclusiveren grundsätzen als früher, ein noch unselbständigerer zweiter 
stand als früher. Der senat, das oberste und bald allmächtige regie- 
rungscoUegium, die beamten von ihm abhängig. Der volkstribunat 
ein adelsschutz und organ des Senats, die censur bald an der spitze 
der ämter. Die Volksversammlungen immer unselbständiger: die curiat- 
comitien aller bedeutung beraubt, die centuriatcomitien ganz vom senat 
und seinen organen abhängig, die tributcomitien gleichfalls ohne ini- 
tiative durch die adeligen volkstribunen geleitet. Ein sich anbahnen- 
der grosscapltalistenstand neben dem adel als dessen ergänzungskörper. 
Von beiden heftiger druck auf den kleineren bauer als den möglichen 
rivalen; dagegen leutseligkeit und Zugeständnisse an die unterste städ- 
tische bevölkerung: alles Verhältnisse, die ohne gesetzgebung, ohne 
besondere rechtliche grundlage, nur durch die tatsachen und umstände 
entstanden und von bestand, alles anf die praemisse gebaut, dass die 
umstände stets so bleiben würden, völlig unfähig eine neuordnung zu 
erleiden, da diese den stat selbst in gefahr bringen müsste. Ein gross* 
artiger politischer und ein engherziger persönlicher egoismus der herr- 
schenden Masse hatte dieses ganze gebäude errichtet, welches ein 
noch grösserer einzel-egoismus dereinst zu stürzen berufen war: der 
egoismus eines Marius, Sulla und ihrer noch gewaltigeren nachfolger. 



CAP. V. 

Die neaea tribas nnd sacrale angelegeaheiten. 

Nach Livius376) sind im jähre -j^ zwei neue tribus den schon 103 
vorhandenen fünfundzwanzig >^^) hinzugefügt worden. Wir haben ge^ 



37«) 7. 16. 11. 377) Vergl. buch 2. cap. V. am ende. 



414 Innere geschiclite bis zu den Samwitedcriegen. [Bach 7. 

seheDL*^^, dass dazu censoren notwendig waren '^^). Die beiden neuen 
tribns heissen Pomptina nnd Publilia. 

104 Was die tribns Pomptina betrifft, so fällt sie ohne zweifei mit 
dem schon Yor dem licinischen gesetzes-conflict in folge des Yolsker- 
krieges von -^ Bömerseitsoccupirten ager Pomptinns zusanunen. 
Wir haben gesehen '^), dass dieser nördlich von Satricnm, um Ardea, 
Lanuvium und Yelitrae rielleicht mit einem nordwärz zwischen Ardea 
und Lanurium bis an das ältere römische gebiet reichenden streifen 
gelegen habe und zum teil auf kosten älterer besitzungen dortiger 
latinischer Städte, z. b. Lanuyiums, angeeignet worden sei. Dies 
pomptinische gebiet war damals ohne colonisation durch occupation 
von Seiten der Bömer als ager publicus, vielleicht auch durch assipa- 
tion einzelner parcellen als eigentum an kleinere bürger, in besitz ge- 
nommen worden; und es scheint sich seit jener zeit dort eine 
neue bürgerbevölkerung gebildet zu haben, die es der mühe wert er- 
scheinen liess, dort einen neuen politisch-localen bürgerbezirk anzu- 
legen. Das ist die tribus Pomptina, die sechsundzwauzigste der ge- 
sammtzahl, geworden. 

105 Weniger genau unterrichtet sind wir über die läge der tribus 
Publilia in ihrer ersten anläge. Was ihre spätere ausdelmung, offen- 
bar nach dem grossen bundesgenossenkriege des letzten republikanischen 
Jahrhunderts betrifft, so sehen wir, dass mit Sicherheit Anagnia^^), 
die frühere Hemikerstadt, dazu gehört ^8*)* Weniger sicher, aber 
wahrscheinlich ist es, dass wir auch Aletrium und Ferentinum, 
gleichfalls ehemalige Hemikerstädte, dazu zu zählen haben '^), wenn- 
gleich das inschriftliche Zeugnis nicht unbedingt feststeht'^). 



378) Oben § 13. 3^9) Vergl. auch buch 2. cap. V. 

8«0) Vergl. buch 2. cap. II, IV und VII. 

448 

Wi) Zwar wird Anagnia schon im jähre -^ zur ciuitas sine suffragio 
herangezogen; diese aber berechtigte nicht zur au&ahme in die tribus, 
wenigstens nicht in die politischen tribus. Vielleicht dass das gebiet aber 
schon zu den localen tribus zugezählt wurde. Vergl. buch 6. § 84 ff. 

389) Vergl. Orelli-Henzen: inscr. Lat. 4101 und Grotefend: Zeit- 
schrift für die altertumswiss. 1836, 921. 

338) iXese beiden st&dte behalten un jähre ~^^ ihre communale Selb- 
ständigkeit. 

384) Die hierher gehörige Inschrift, Orelli-Henzen 3785, vergl. 
Grotefend a. a. o. 920, spricht von einem C. Julius Bnfns aus der 
Publilia, der in Aletrium praetor, aedil und Illluir iuri dicundo war; die 
Inschrift selbst aber ist in Ferentinum gefunden worden. 



Oap. V.] Die neuen tribus nnd sacrale angelegenheiten. 415 

Man könnte aus diesen umständen abnehmen, dass das ganze ehe- 
malige Hemikerland zur tribus Publilia geschlagen worden wäre. Doch 
muss jedenfalls die tribus in älterer zeit sich ausserhalb des Herniker« 
gebietes befunden haben. — Nun scheint die p^mptinische tribus in 
späterer zeit sich nach osten hin ausgedehnt und die beiden ehemals 
latinischen städte Yelitrae und Signia in sich aufgenommen zu 
haben ^. Finden wir nun, dass die Publilia in späterer zeit das 
Hernikerland umfasst, so muss der ältere teil derselben mehr Eom- 
wärz im alten Latium, aber östlich von Yelitrae und Signia, gelegen 
haben. Damit gewinnen wir die gegend zwischen dem Albanergebirge 
und dem alten Aequer- und Hemikerlande, d. h. westlich von Prae- 
neste. Wir haben gesehen^, dass, nachdem Tusculum in die rö- 
mische Vollbürgerschaft aufgenommen worden war, es der tribus Pa^ 
piria zugewiesen wurde. Vielleicht stösst nun die Publilia nordwest- 
lich an die Papiria. Haben wir aber die Publilia an die rechte stelle 
gelegt, so mag das gebiet derselben der römische löwen-anteil an der ehe- 
maligen eroberung und annexion des praenestinischen gebietes im jähre 
gewesen sein 3®^), der dann ähnlich wie das ehemalige volskisch- 



380 

pomptinische gebiet durch acker-anweisungen und occupation romani- 
sirt wurde, so dass die herstellung einer neuen tribus daselbst wün- 
schenswert erschien. Vielleicht trug dieser umstand dazu bei, im jähre 

400 

einen neuen krieg der Praenestiner vereinigt mit den Tiburtem 



864 

herau£zubeschwören3«8). — Die Pomptina und Pu'blilia berührten sich 
denmach nicht, streckten sich vielmehr wie zwei arme nach Südosten 
gegen das Volskergebiet vor, durch welches hin sie bald fühlung mit 
den Samnitem gewinnen sollten. Wenn wir die vergrösserung des 
römischen gebietes durch die Publilia ^*^) auf etwa 4 Gmeilen an- 
setzen, so haben wir am schluss unserer periode eine etwaige ge- 
Bammtausdehnung von 66 Qmeilen anzunehmen^. 



885) Wenngleich auch dies nicht ganz sicher ist ; die hierher gehörigen 
Inschriften (Muratori 776. 4; 1118. 2 ; — Orelli-Henzen führt sie nicht mit auf) 
nennen zwar jedesmal Velitrae und Signia als heimatsort des betreffenden aus 
der Pomptina; SEVERIANO VELITER (no oder VeHtris?) und SEVERO 
nnVIROCOL. sign, (colonia Signia); vergl. dazu Mommsen: röm. forsch. 
p. 64 ff. Allein die echtheit der Inschriften scheint von Orelli und Henzen, 
nach der ausscheidnng aus ihrer Sammlung zu urteilen, angefochten worden 
zu sem. 386) Buch 2. cap. IV. 887) Vergl. buch 2. cap. IH. 

38«) Vergl buch 6. § 20. 

389) Die Pomptina ist schon auf 6 ameilen berechnet; vergl. buch 2. 
cap. n. 890) Vergl. buch 6. § 91. 



416 Innere gesehichte bis za den Samniterkriegen. [Buch 7. 

106 Neben diesen reinen yerwaltungs-angelegenheiten, der errichtong 
zweier neuen tribus, haben wir es nnn auch mit einer reihe von in 
das sacrale gebiet fallenden ereignissen and massregeln zu ton. We- 
nigstens lässt sich ufiter keinen gesichtspunkt die masse der noch ab- 
zuhandelnden tatsachen besser bringen, als anter den genannten. Mit 
den göttern hängt zusammen sowol seuche, als prodigien, als gottes- 
dienstliche Verrichtungen — lectistemien, feste — als endlich die 
daran sich knüpfenden spiele, tempelbauten und weihungen. Das aber 
ist der gegenständ unserer weiteren forschung, ein gegenständ, der in 
dieser periode besonders reichhaltig überliefert wird. Es scheint am 
angemessensten, diese umstände in ihrer historischen aufeinanderfolge 
zu betrachten, da sie vielfach durch causalen connex mit einander in 
Verbindung stehen. 

107 Unmittelbar nach der endgültigen Schlichtung des licinischen con- 
flicts scheint das erste neue consulaijahr ^^ in ruhe hingegangen 
zu sein, hauptsächlich wol um die neuen Vermögens- und gutsbesitz- 
bestimmungen in*s leben zu rufen; zugleich haben wir gesehen, dass 
eine dazu hergestellte censur die Veränderung des allgemeinen yer- 
mügensstandes im census fixirte^^). Unter diesen umständen traten 
die consuln des folgejahres ihr amt an, welches durch eine grosse, 
den ganzen stat treffende calamität in der gesehichte bekannt werden 
sollte. Eine ungewöhnlich furchtbare pest brach plötzlich aus und 
stürzte stat und volk in die grössten sorgen. Ein censor, ein cnrul- 
aedil und drei volkstribunen sollen allein daran gestorben sein, wo- 
nach wir dann den massstab für die übrige bevölkerung anzulegen 
habe ^^2), Ueberdas wesen der seuche und ihre Symptome wissen wir 
nichts 3^'). Einen besonderen rühm hat die pest noch erworben, in- 
dem ihr auch der tod des alten M. Furius Camillus zugeschrieben 
wird^^). Ob wir diese angäbe als wirklich historisch ansehen dürfen 



391) Yergl. oben § 5. und die dort angeführte schrift von C. de Boor: 
fasti censorü. 

393) So drücken sich Livius 7. 1. 8, Plutarch Gam. 48. nach Dionys 
und Orosins 3. 4. aus, und ihnen stimmt Niebuhr 3. 52. note 78 bei. 

393) Die fäbeleien des Orosius a. a. o. daröber können wir füglich über- 
gehen. 

394) So Livius, Plutarch a. a. o. und Zonaras 7. 24. am ende; be- 
merkenswert ist dabei, dass, wie wir sahen (buch 1. § 7 ff.. 12 ff.), fOr die 
beiden ersteren autoren verschiedene quellen anzunehmen sind, für ersteren 
Licinius Macer, für letzteren, durch die vermittelung des Dionys, Yalerias 
Antias. 



Cap. y.] Die neuen tribus and sacrale angelegenheiten. 417 

oder nicht, kann fraglich erscheinen. Es kommen dabei yerschiedene 
punkte in betracht. Das 1. capitel des 7. buches des Liyius trägt 
vielfach jenen kurzen annalistischen Charakter an sich, den Nitzsch 
als kennzeichen für wirklich echte und gleichzeitige aufzeichnungen er- 
wiesen hat, die dann durch die band des Fabius Pictor in das werk 
des Licinius Macer tibergegangen und so von Livius überliefert seien ^5). 
Dies findet besonders immittelbar vor dem bericht über des Camillus 
tod statt^^). Dieser selbst aber und das folgende trägt nicht jenen 
chronistischen Charakter 3»'). Zwar ist es möglich, dass diese notizen 
auf Fabius Pictor zurückgehendes) allein sie können nicht den ältesten 
Chroniken entnommen worden sein. Möglicherweise hat Fabius Pictor 
sie unmittelbar aus dem grabelogium des Camillus geschöpft; denn 
die hauptzüge der CamiUusgeschichte und -sage müssen damals schon 
festgestanden haben, wie sie wol überhaupt den furischen familien- 
quellen entsprossen sind. Damit aber verliert auch der bericht über 
den tod des Camillus während und durch die pest an glaubwürdig- 
keit, und wir haben es mit einer unbeglaubigten sage zu tun. Dass 
die angäbe den ältesten aufzseichnungen nicht angehört hat, geht auch 
daraus hervor, dass, während die wirklichen beamten, welche an der 
pestv starben , ohne namen aufgeführt sind, Camillus als damaliger 
Privatmann besonders erwähnt wird. Die beamten würden eine na- 
mentliche bezeichnung viel eher erfahren haben. Somit bleibt es 
fraglich, ob Camillus wirklich in diesem jähre starb. Es war mög- 
licher weise gar nichts darüber berichtet. Da er nun aber in der 



395) Vergl. buch 1. § 37. und die note dazu, § 3 ff., 7 ff., 17 ff.; der 
kenner wird leicht aus unserem capitel das chronikartige aus der rhetori- 
schen Verbrämung herausschälen können. 

896) § 6: primo ut altemis annis ex plebe fierent (aediles). § 7: inde 
L, Genucio et Q. Seruilio consulibus et a seditione et a hello quietis re- 
bus . . . pestilentia ingens orta. § 8 : censorem, aedilem curulem, tres tri- 
bunos plebis mortuos ferunt, pro portione et ex multitudine alia multa fii- 
nera fuisse. Darauf der bericht über Camillus. 

397) Maximeque eam pestilentiam insignem mors quamuis matura, ta- 
rnen acerba M. Fun fecit. Darauf folgt ein völliges elogium ; es entspricht 
dasselbe vollständig den uns erhaltenen grabschriften und elogien der Scio- 
pionen etwa aus der zeit des ersten punischen krieges; vergl. C. I. L. I. 
p. 11 ff.; dazu Niebuhr 1*. 271, in der neuesten aufläge von M. Isler, 
1873, 1. 211 ff. 

398) Durch Licinius; dafür spricht, dass nur M. Furi ohne das cogno- 
men Gamilli gesagt wird. 

Olason, röm. gesch. I. 27 



418 Innere gesehichte bis zu den Samniterkriegen. [Bach 7. 

folgezeit nicht mehr genannt wurde, schrieb man seinen tod jener 
grossen pest zu*^). 

108 Die pest dauerte noch über das amtsjahr ^^^*^ hinaus und in 
das folgende hinein. In folge dessen wandte man ein versöhnimgs- 
mittel fStr die götter an, indem man ein »lectistemiumc, eine öffentliche 
festliche speisung der götter, anordnete ^^). Es war dies das dritte, 
welches überhaupt statt gefunden hatte ^^). Diese massregel hing zu- 
sammen mit den sibyUinischen bttchem und den orakelbewahrem, den 
Xuiri sacrorum. Auch dies ist eine bestätigung der von Nitzsch 
dargetanen tatsache, dass alles, was mit griechischem cultus, mit den 
sibyllinischen büchem und orakelbewahrem in berilhrung steht, in der 
älteren tradition besondere erwähnung und berücksichtigung findet^^). 

109 Allein trotz des lectisterniums hörte die pest nicht auf. Und so 
griffen denn die geängsteten Eömerseelen nach neuen mittebi, den 
götterzom zu besänftigen. Aus Etrurien, dem sitz aller Zauberei und 
abergläubischen caerimoniells, wurden tänzer gerufen, welche nach der 
tibia zu ehren der götter tanze aufführten, allein ohne wort, gesang 
und mimische bewegung, einfache reigentänze wol. Die tänzer Messen 
ludii oder ludiones^^). In anknüpfung an diese tatsache giebt Li- 
vius dann einen kurzen überblick über die entwickelung der sceni- 
schen spiele in Rom. Ob der excurs seiner eigenen Idee entsprungen 
ist, oder ob er nicht etwas ähnliches schon in seiner quelle Licinius 
vorfand, ist nicht zu entscheiden. Wenn Mommsen und Weissen- 
born Livius hier den antiquar Cincius braucheu lassen, so ist das 
nicht notwendiger weise daraus zu schliessen, dass ersterer letzteren 
an einer späteren stelle*^) citirt; Livius konnte das citat schon in 



899) Wir würden hier gewiss mit Livius eine Charakteristik des Ca- 
millus geben, wenn nicht der Charakter und die gesehichte des mannes so 
durchaus sagenerfüllt und dunkel wäre. Wir sind noch nicht in der zeit 
angekommen, in welcher wirklich klare personen auftreten. 

400) XJeber das wesen derselben hat Schwegler 3. 179 ff. schon das 
nötige gesagt; vergl. dazu Becker-Marquardt 4. 52 ff. 

•»■CK 

401) Das erste nach Livius ö. 13. 6 im jähre -^^; von dem zweiten 
wird nichts berichtet. 

403) Yergl. buch 1. § 28 ff. und die dortigen citate aus Nitzsch: röm. 
annalistik. 

408) Darüber vergl. Weissenborn in der grossen ausgäbe des Livias 
zu 7. 2. 4; femer Friedländer bei Becker-Marquardt 4. 523 ff. und die 
dortigen nachweise; Friedländer nennt diese tanze wol mit unrecht panto- 
mimen. 404) 7. 3. g. 



Gap. y.] Die neaen'tribas und sacrale angelegenheiten. 419 

seiner quelle vorgefdnden haben. Ausserdem scheint Licinius anti- 
quarische excurse geliebt zu haben; man vergleiche nur die frag- 
mente^, in denen sich, trotz ihrer geringen zahl, eine reihe von 
antiquarischen notizen findet^. 

Für die tänzervorstellungen wurde durchaus kein besonderes ge- 
bäude errichtet, sondern sie gingen im circus, dem platz der übrigen 
spiele, vor sich. £s folgt das daraus, dass mitten während der auf- 
flüirung der circus durch das austreten des Tiber unter wasser ge- 
setzt wurde^^). Der feierliche tanz wurde so unterbrochen, und die 
pest dauerte ungestört fort 

So begann das dritte amtsjahr seit dem ausbruch der seuche, 110 

891—92 

das jähr g^_^^ . Im anfang desselben^ entschloss man sich zu 
einem aussergewöhnlichen mittel. In erinnerung des umstandes, dass 
einst durch eine nagelschlagung von selten eines dictators eine seuche 
getilgt worden sei, wurde auch jetzt ein dictator in der persbn des 
L. Manlius^^) ernannt, um die nagelschlagung vorzunehmen. 

Was diesen act selbst betrifft, so giebt Livius nach dem zeugnis 
des antiquars Cincius*^) an, es sei ein altes gesetz, dass der jedes- 
malige praetor maximus an den iden des September den nagel ein- 
schlage, und zwar geschehe dies an der rechten wand des Jupiter- 
tempels auf dem capitol an der seite der Minerva-zelle^^^). Man habe 
dieses in alter zeit getan, um bei der gerigen Verbreitung der buchstaben- 



<05) Bei H. Peter: relL bist. Bom 1. p. 300 ff.: Im zweiten wird über 
die bmmalia, im dritten über die monatszafal* des alten jabres, im vierten 
über die kalender-intercalatioo, im neunten über den trinmph, im zehnten 
über den Ursprung der dictatur gesprochen. 

^ Vergl. Mommsen: chronoL i. 172 u. 270 note; Weissenborn 
zu Livius 7. 2. 4; H. Peter: rell. bist. Kom 1. p. CVff.; als Zeitgenosse 
Varros konnte Cincius von Licinius schon gebraucht worden sein. 

*^) So Livius 7. 3. 2; es ist kein grund, diese angaben in zweifei zu 
ziehen; denn den allerglaubwürdigsten kern der alten tradition bilden die 
an sacral-umstände sich anlehnenden angaben über natur-ereignisse und ähn- 
liches, besonders da sie hier mit dem griechischen cult der sibyllinischen 
bücher und somit auch mit dem Über annalis des Gerestempels anmittelbar 
zusammenhängen; vergl. buch 1. § 22 ff. 

*o®) Das amtsjahr begann wol mit dem aügust ; vergl. buch 3. § 7. u. 9. 
und die dortigen nachweise. ^ Vergl, oben § 9. 

*io) Livius 7. 3. 5; vergl. vorigen Paragraphen. 

*ii) Preller: röm. mythol. p. 331 und 259. Suchier im philologus 
33. 2. p. 339 will mit unrecht, auf Preller gestützt, die annalistische bedeu- 
tung des nagelschlags leugnen; Preller erkennt diese vielmehr an. 

27* 



420 Innere gescüichte bis zu den Saniniterlariegen. [Bnclit. 

Schrift die zahl der jähre zu notiren. Dasselbe sei in Yolsinii an dem 
tempel der Nortia üblich gewesen. Horatius habe bei der einweihung 
des Japitertempels den ersten nagel geschlagen, die consnln, später 
auch die dictatoren, hätten es fortgesetzt, »intennisso deinde more 
digna etiam per se uisa res, propter quam dictator crearetur.c So 
liivins. — Gregen diese ansieht des Jahresnagels hat dann Mommsen 
opponirt^^'), indem er ans dem jahresnagel einen jahrhundertnagel 
macht und alle dem entgegenstehenden queUen-angaben^^') umstösst. 
Eine Verteidigung der livianischen darstellung hat gegen Mommsen G. 
F. Unger^i^) unternommen. Er macht gegen Mommsen geltend, dass 
Livius den Übergang der jährlichen nagelschlagung von den consuln 
auf einen dictator nur als einen fetcultativen, wenn nämlich ein dicta- 
tor gerade im amt war, ausspreche. Den ausdruck »intermisso more« 
erklärt Unger sowol für die jährliche als seculare auffassung gleich 
störend und möchte ändern »intermisso tempore«, was im sinne des 
Livius viel für sich hat. In Wahrheit aber haben wir es hier nicht 
mit autentischen berichten, sondern mit viel späteren gelehrten Inter- 
pretationen zu tun, was auch auf die obige frage nach dem dictator 
als nagelschläger zu beziehen ist^^^). Ferner wirft ünger Mommsen 
vor, dass er seiner seculartheorie zu liebe die zum jähre -~j- be- 
richtete nagelschlagung auf das verjähr setzt, damit von damals bis 

891 

-^ 100 jähre herauskämen. Ausserdem deute die angäbe des Livius 
über die vorhergehende nagelschlagung ^i^) auf eine noch im gedächtnis 
der älteren männer lebende tatsache; das könne nicht hundert jähre 
her sein, womit das seculare wesen des nagelschlages aufgehoben 
wäre. Den zweifei Mommsens an der echtheit des nagelschlags von 
-^ ) widerlegt ünger, indem er das schwanken der quellen-autoren 
des Livius nur auf den vergiftungs-verdacht bezieht. Ebenso hebt er 
die nagelschlagung durch den dictator Poetelius im jähre -rrr- gegen 
die secular-annahme hervor. Es bleibt uns somit nichts andres übrig, 
als die Mommsen'sche ansieht fallen zu lassen. Was die ältere ge- 
schichte angeht, so ist deren beglaubigung zu unsicher, um aus ihr 



«3) Rom. chronol. i. p. 172. 

418) Darunter besonders Paulus epit p. 56, s. v. claüus. 

*i*) Im philologns 32. 3. p. 631 £f. 

415) Die antiquare haben es als erklärung des praetor maximus an- 
gegeben. 

416) Ex seniorum memoria repetitam, pestilentiam quondam dauo ab 
dietatore fixo sedatam. 4i7) Livius 8. 18. 



€ap. Y.] Die neuen tribus and sacrale angelegenheiten. 421 

stringente beweise zu schöpfen. Dagegen sind die nagelschlagungen vou 
-^ und -^ schlagende beweise gegen die seculartheorie, wozu die 
von Unger angeführte stelle des Livius*i®) konunt, dass nach den 
quellen auch bei btkrgerlichen unruhen die nagelschlagung als heil* 
mittel angewandt worden sei. Solche umstände ebenso wie grosse 
seuchen haben mit secular-angelegenheiten nichts zu tun. Der nagel- 
schlag erhält dabei neben seiner Jahresbedeutung noch die der sühn- 
kraft; doch wird er nur am 13. September wie üblich vorgenommeut 

Das resultat also ist, wenn wir XTngers änderung von »intermisso 
more« in »intermisso tempore« gutheissen, folgendes : Seit begrttndung 
der republik wurde zur Zählung der jähre jedesmal am 13. September 
ein nagel in die wand des Jupitertempels geschlagen; der jedesm^Uige 
oberste beamte hatte den auftrag dies zu tun, sei es dass er consul 
war, sei es dass gerade ein dictator im amte stand. Nachdem dies 
eine Zeitlang fortgegangen war, erschien es in gedachtem jähre an- 
gemessen -^ da ehedem der nagelschlag eines dictators gerade die 
seuche gehoben hatte •— zum zwecke des nagelschlages einen beson- 
deren dictator zu ernennen, der sonst eben nicht ernannt worden 
wäre*^^). Demnach war die sitte des nagelschlags beigeblieben und 
wurde nach wie vor von dem jedesmal höchsten beamten ausgeübtt 
Und die später noch vorkommenden nagelschlagungen, noch im jähre 

-, beweisen die fortdauer der sitte. Uebrigens war die pest schon 



263 

im abnehmen begriffen und hörte wol bald ganz auf. 

392 

Zum folgenden jähre, -TTT-, erzählt Livius die entstehung des 111 
lacus Curtius auf dem forum. Plötzlich sei ein gewaltiger und uner« 
gründlicher spalt daselbst entstanden. Nach vielen vergeblichen be- 
mühungen ihn auszufüllen, habe man den bescheid von den göttem 
erhalten, man müsse das in den spalt werfen, worin Rom am meisten 
leiste. Hierauf habe sich M. Curtius auf einem geschmückten pferde 
in voller rüstung freiwillig hinabgestürzt; an des abgrundes stelle sei 
in folge dessen ein see entstanden, der nun den namen des opfers, 
Curtius, erhalten habe**>). Livius selbst hält den ganzen bericht für 
fabel und stellt eine andre version dieser entgegen, wonach der name 
von einem Soldaten des mythischen Titus Tatius mit namen Curtius 



^18) 8. 18. ^19) Dass wir dabei keine competenzbeschränkung an- 

zunehmen haben, ist oben auseinandergesetzt; vergl. § 89. 

*») Vergl. Livius 7. 6; Dionys 14. 20; Val. Max. 56. 2\ Cassius Diq 
30. Iff.; Zonaras 7. 25; dazu oben buch 1 § 18. note. 



422 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

Mettius herstamme. Diese version geht auf Galpumius Piso zurttck^^^). 
Noch eine dritte lesart existirt*^), nach welcher der ort vom blitz 
getroffen und dann durch ein senatus-consult eingezäunt worden sei; 
dies sei durch den consul Curtius geschehen, welcher damals mit 
M. Genucius im amt stand; und daher habe der teich den namen 
erhalten. Allein von einem solchen consulpar weiss die tradition 

892 

nichts. Die consuln zum jähre -^ sind Q. Servilius und L; Genu- 
cius ^^'). — Wir sehen aus allen diesen umständen, dass wir es hier 
nicht mit einem historischen bericht, sondern mit einer beliebigen ein- 
Schiebung eines ätiologischen mythos zu tun haben; daher die ge- 
schichte darüber hinweggehen muss. 
112 Unter denchronistisch kurzen notizen zum jahr-jgj- ) führt Livius 
auch die feier von ludi uotiui an. Die Zusammenstellung mit ähn- 
lichen notizen und die gleiche kürze garäntirt die glaubwürdigkeit des 
umstandes. Falsch aber ist jedenfalls der zusatz bei Livius, dass der 
dictator M. Furius, d. h. der berühmte Camillus, sie ehedem gelobt 
habe. Die von diesem gelobten spiele zur feier der concordia ordi- 

888 

num im jähre-—- müssen unmittelbar nachher statt gefunden haben ^). 

80D nOÄ 

Wenn aber Weissenbom sie auf das von Livius zum jähre — 
berichtete gelöbnis von ludi magni wegen des drohenden Gallier- 
kriegs bezieht, so leidet das an folgenden übelständen: Erstens ist 
der Gallierkrieg von -j^ unhistorisch ^. Die spiele könnten dem- 
nach allein als dank für die rettung vor der Galliergefahr des Vor- 
jahres angesehen werden *37); dann aber würden sie wol schon imvor- 



^1) Nach Yarro de L. L. 5. 41. (36) p. 148 ed. Spengel; derselbe 
führt als gewährsmann für die andre darstellung bei Livius Procilius an. 
Die zweite version wird ausserdem erwähnt bei Livius 1. 12. 8; Dionys 2. 
42; Plutarch Rom. 18. Diodor. erwähnt in den erhaltenen teilen nichts da- 
von; es kann das gleichfalls zur bestätigung unserer ansieht dienen, dass 
er Piso gebrauchte, da er dann den umstand nur unter Bomulus' herrschaft 
berichten konnte. 

^) Sie geht nach Varro a. a. o. auf Aelius Stilo und Lutatius Catulus 
zurück; vergl. H. Peter: reU. bist. Rom. 1. p. 193. 

*23) Vergl. oben § 10. und die Variante des Diodor. 

^ Errichtung der tribus; gesetz gegen den ambitus, über den uncial- 
zinsfuss; bei Livius 7. 15. 11 ff. 

425) VergL buch 5. cap. ü. zu anfang; dazu Weissenbom zu der stelle 
des Livius. ^) Vergl. buch 6. § 8 ff., 8.; bei Livius 7. 11. 4. 

427) Vergl. buch 6. § 3ff.; als dankspiele sind auch die des jahres 
-^ anzusehen. 



Cap. V.] Die neuen tribus und sacrale angelegenheiten. 423 

jähre gelobt worden sein. Der bericht über das gelöbnis ist dem- 
nach wol ebenso apokryph, als der über den krieg des genannten 
Jahres. Ein blosses gelöbnis, dem die ausführung nicht gleich folgte, 
würde auch in den kurzen gleichzeitigen Chroniken keinen platz ge- 

896 

fimden haben. Gegen eine beziehung der spiele von -j^ hierauf aber 
spricht zweitens der umstand, dass der gelobende kein Furius son- 
dern Q. Servilius Ahala gewesen sein soll. 

Wir müssen also einfach constatiren, dass uns zeit und motiv zu 

896 

dem gelöbnis der spiele von -j^ völlig unbekannt sind. 

Was das wesen der spiele betrifft, so haben wir es hier ebenso 

wenig wie -^ mit jährlich wiederkehrenden spielen, den späteren 

ludi Romani, zu tun, sondern mit solchen zu besonderem zweck vo- 
tirten«8). 

fi.hrp. - 

853 



401 

Ln jähre -— - wird ein Apollotempel geweiht*^). Bis zu Augustus' 113 

821 

zeit war nur einer in Rom. Nun aber wird schon zum jähre 



483 

die weihung eines Apollotempels berichtet *80).. Weissenbom***) meint, 
der tempel sei während des gallischen brandes vernichtet, dann neu 
aufgebaut und nun geweiht worden. Doch würde man dann erwarten, 
dass bei Livius sich irgend etwas über die restitution des tempels 
fände, die in den ältesten Chroniken gewiss verzeichnet worden wäre. 
Es scheint mir fast, als ob jene erstmalige weihung einfach eine 
zurückdatirte Wiederholung derselben tatsache zu ehren des gottes 
sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwaige Chroniken aus der zeit vor 
dem gallischen brande durch diesen untergingen, lässt der Vermutung 
räum, dass bei der jedenfalls späteren Wiederherstellung derselben 
die orakelbewahrer*^*) den ApoUocultus nicht nur, sondern auch einen 
Apollotempel in ältere zeit verlegten. Dass -rrr- ein lectistemium 
vorkommt, in welchem auch Apollo gefeiert wird, kann nicht bewei- 



^) Ueber diese ganze frage vergl. buch 5. cap. IL zu aniang, wo 
auch Mommsens ansichten dargelegt sind. 

*a») Livius 7. 20. 9; Becker: topogr. Roms 606; Ganina: mdicaz. 
topogr. 353; Preller 269. 

430) Livius 4. 29. 7. Ich schliesse mich Becker gegen Sachse: gesch. 
der Stadt Rom 1. 357, an, welcher letztere die erste weihnng als verfas- 
sungswidrig nun erst wiederholen lässt. 

^1) ZvL unsrer stelle des Livius. 

^3) Der ApoUocultus ist griechisch und folge der sibyllinischen bücher, 
welche die orakelbewahrer verwalteten; letztere stehen zugleich in engster 
Verbindung mit dem aedilicischen liber annalis des Gerestempels: vergl. 
nch 1. § 2dff. 



424 Innere geschichte bis «u den Samniterkriegen. pBach 7. 

sen, dass schon ein Apollotempei vorhanden gewesen sein müsse; 
denn die gleichzeitig gefeierten götter Latona und die griechische Ar- 
temis nebst Herakles treten auch hier zum ersten mal im römischen 
leben auf und werden durch das lectistemium erst in Rom bekannt 
gemacht^'^): Ich möchte mich demgemäss dafübr entscheiden, dass im 

401 

jähre -— r der erste Apollotempel gebaut und geweiht worden sei*^). 
Die läge des tempels bestinmit Becker zwischen dem theater des 
Marcellus und dem circus Flaminius an der Strasse nach dem car- 
mentalischen tor*'*)« 

406 

114 Von neuem brach eine pest im jähre -r-r- aus. Auf senatsgeheiss 

948 

befragen die orakelbewahrer die sibyllinischen btLcher, welche wieder 
ein lectistemium, das vierte also**^), anordnen*'^. 

Dass die gelobung des Monetatempels nicht in diese zeit gehört, 
haben wir schon an andrem ort ausgef&hrt***). 

Im jähre -^ werden die Römer durch abnorme naturerscheinun- 
gen erschreckt. Steinregen und sonnenverfinsterungen treten ein. Von 
neuem fltlchtet man sich zu den sibyllinischen büchern, die eine fest- 
feier anordnen. Ein dictator wird dazu ernannt, und die supplicatio- 
nen beginnen. So Livius^'^). Ob wir diesmal wie früher -ttt**^) 
eine dreitägige feier anzunehmen haben, ist nicht gesagt. Die sup- 
plicationen sollen übrigens auf wünsch der Römer auch in den be- 
nachbarten gemeinden angestellt worden sein. Dabei zog ein grosser 
zug vom Apollotempel aus, voran dreimal neun jimgfrauen, welche ein 
lied sangen. Dieser zug bewegte sich dann von altar zu altar, wo- 
selbst jedesmal die decemuiri sacrorum die obsecratio an die götter 
sprachen. Der ganze act hing wie die lectistemien aufs engste mit 
dem griechischen cult, der die sibyllinischen bücher protegirte, zu- 
sammen **i). 



433) Vergl. Becker-Marquardt 4. 54. 305. 

434) Yergl. oben § 19. über die censoren des genannten jabres. 

435) Ebenso Ganina; vergl. bei beiden die quellennachweise. 

436) Livius 7. 27. 1; siehe oben. 

437) Gegen die falsche angäbe von secnlarspielen in diesem jähre, nach 
Cenaorin. de die nat 17. 10; Festus s. v. seculares p. 829; Zosimus 
2. 4^ vergl. Mommsen: röm. chronol. i. 175 ff* 

438) Vergl buch 6. § Soft zu Livius 7. 28. 4, 

439) 7. 28. 7 ff.; vergl. dazu oben § 33, dass der dictator damit nichts 
zu tun hat; Livius erwähnt ihn auch 3. 5. 14 bei gleicher feier nicht. 

440) Nach Livius 3. ö. 14. " 

441) Yergl. Becker-Marquardt 4. 54ff. und die dortigen quellen- 
nachweise. 



Cap. TL] Resume und Charakteristik der.epoche..Li> 425 



CAP. VI. 

Resnme and Charakteristik der epoche. 

Wir haben es in diesem buche vielfach mit von einander los- 115 
gelösten einzeltatsachen der inneren geschichte zu tun gehabt. Die 
politischen Streitigkeiten^ die neubildungen im stats- und standes- 
leben haben wir zur gentige im ersten und vierten capitel besprochen. 
Es bleibt noch übrig, eine übersichtliche chronologische aufzählung der 
einzelnen tatsachen zu geben. 

Durch die licinischen gesetze war den plebeiem eine stelle im 
consulat zugesichert, und dies fand seinen ausdruck in dem antritt 
des L. Sextius als consul des jahres -|^. Während seines amtsjah- 
res scheint dann der beschluss gefasst zu sein, dassdie curulische aedi- 
lität beiden ständen zugänglich sein sollte, so dass die besetzung 
von jähr zu jähr mit den ständen wechselte. Der Wechsel begann 
-^ durch ein patricisches aedilenpar, dem im jähre --^ zwei ple- 
beier folgten**^). 

388 

Schon im jähre -^ war eine heftige pest ausgebrochen, welche 
auch eine reihe der höchsten beamten hinraffte. Unter andren soll 
der berühmte Camillus daran gestorben sein**^). im folgenden jähre 
griff man nach sacralen massregeln zur dämpfung der seuche. Ein 
lectistemium, das dritte seit Boms bestand, wurde angestellt. Da es 
nichts half, so fährte man nach etruskischem ritus feierliche tanze 
unter fiötenbegleitung im circus auf. Das austreten der Tiber aber 

890 

störte die aufführung. Endlich im jähre -j^ Hess man durch einen 
eigens dazu ernannten dictator den jahresnagel am capitolinischen 
Jupitertempel einschlagen, worauf sich die pest verlor***). 

Im jähre -g^ wurden zum ersten male sechs von den gewöhnlich 
im jähre ausgehobenen vierundzwanzig kriegstribnnen vom volke in 
tribut-comitien gewählt; eine concession der nobilität an die masse**^). 

896 

Das jähr -^ist reicher an neuordnungen. Es wurde ein gesetz 
gegen den ambitus, die übertriebene bewerbung um ein amt, gege- 
ben, welches vor allem den eintritt neuer elemente in die vornehme 
und adelsklasse verhindern sollte**^). — Dann wurden zwei neue tri- 



*«) Vergl. dazu buch ö. Cap. II. 443) § 107. 

444) § 198—10; über die sage der entstehung des lacus Curtius tergl. 
§ 111. 446) § 65ff. 446) § soff. 



426 Innere gesdiidite Ins m den SaaBoHerkriegen. [Bodi 7. 

bus, die Pomptina und Pnblilia, im ehemaligen volskisclien mid aeqoi- 
schen gebiet angelegt, wonach das römische gebiet auf etwa 56 
deutsche Dmeilen anzusetzen ist^^. — Endlich fanden ladi aotiui 
statt, deren motive nns unbekannt sind^. 

397 

Noch mehr neaerongen begegnen wir im folgenden jähre -^. Der 
zinsfoss warde auf 8 Vs % f^ das zehnmonatliche jähr herabgesetzt^'). 

Im lager vor Sutrinm wurde in aussergewöhnficher weise ein tri* 
bttsbeschluss gefitöst, wonadi bei jeder freOassung von sUaven 5% 
des wertes derselben an den statsschatz zu zahlen seien; eine mass- 
regel gegen die Vermehrung der freien städtischen bevölkernng. Da- 
mit aber eine so aussergewöhnliche abstimmnngsweise nicht nadifolge 
finde, wurde fortan die todesstrafe gegen den magistrat ausgespro- 
chen, weldiw solche bemfüng wiederholen wttrde^. 

Im selb^ jähre wurde G. Licinius Stolo, der Urheber der lici- 
nischen gesetze, wegen Übertretung seines eigenen ackerbesitz-gesetzes 
von den aedilen in strafe genommen ^^). 

Einen wichtigen erfolg errangen die vornehmen plebeier den pa- 

898 

triciem gegenüber im jähre -^, indem C. Martins Rutilus der erste 
plebeische dictator wurde. In folge dessen Hessen es die patricier 

899 

nicht zur regulären «onsulwahl fftr -~- kommen, so dass ein inter- 
regnum eintrat, welches ein rein patricisches consulpar f&r das ge- 
nannte jähr erzwang. Dasselbe gelang audi in den jähren -rrr und 

401 4Ai\ ^^ . 

Im jähre -jjj- wurde der erste Apollotempel in Rom vollendet 
und eingeweihte^); zugleich wurden die schadhaften Stadtmauern und 
türme wiederhergestellt*"). 

Für das jähr —^ suchten die' patricier von- neuem zwei eigene 
candidaten als consnln durch^ubringen; allein trotz eines interregnmns 
erreichten sie ihren zweck nicht***). -*- Demselben jähre gehört eine 
Öffentliche Schuldentilgung an, wodurch die verschuldeten grundbesitzer 
ihren grundbesitt an geldesstatt geben oder dem stat bürgen für ihre 
leistungsfähigkeit stellen mussten, worauf dieser die schuld abtrug***). 

Im Jahre -^ erreichten die patricier es wieder, zwei consuln 
aus ihrem stände zu wähleiji. Dagegen gelang es den plebeiem , in 
der person des Marcius Rutilus, weldier schon der erste plebeische 



**7) § loaff. **8) § 112. 449) § 34ff. 450) § 07—64. 

451) § 46 ff. 452) § 16-19. 453) § 113. 4fi4y buch 6. § 75. 

465) § 20. 456) § 37 ff. 



Cap. VI.] Besame und Charakteristik der epoche. 427 

dictator gewesen war, auch den ersten plebeischen censor zu gewin- 
nen. Seiner censur' gehört dann vielleicht der anstoss zur lex Ouinia 
über die besetzung erledigter senatssteilen an^^). 

Yon neuem finden wir nur patricische consuln in den jähren 
*^* und — — ^^y In letzterem jähre brach eine zweite pest aus» 



349 348 

gegen welche das vierte lectistemium hergestellt wurde **^). 

Wichtig ist, dass im jähre -^ der uncialzinsfuss mit SVa % f&r 
zehn monate auf die hälfte herabgesetzt, und eine neue schulden- 

387 

tilgung nach dem vorbilde des licinischen gesetzes von -^ angeord- 
net wurde. Zugleich scheinen gesetzliche Strafbestimmungen gegen 
den Wucher erlassen worden zu sein*^). 

410 

Bedrohliche naturerscheinungen des Jahres -^ bestimmen den 
stat, öffentliche supplicationen in Rom und den nachbargemeinden an- 
stellen zu lassen**!). Im selben jähre finden die ersten bestrafungen 
dea Wuchers durch die aedilen statt **^). 

Im jähre -^ endlich werden noch einmal zwei patricische con- 
suln emannt^3). 

Damit schliesst unsere zeitepoche. 

Die ganze zeit macht den eindruck einer heftigen inneren gab- 116 
rung mit allen anzeichen einer Übergangsperiode. Noch befinden sich 
die alten feinde in heftigem kämpf mit einander; und schon treten 
die neuen parteiungen und entzweiungen zwischen reichen und armen, 
zwischen vornehmen und geringen ein. Wie bei andren Übergangs- 
stadien tritt auch hier als Symptom eine ungewöhnlich starke legis- 
latorische tätigkeit auf, grösstenteils Versuchsgesetze, um schaden auf- 
zuheben, ohne dass ein dauernder erfolg erzielt worden wäre. Dazu kommt 
die verschiedene und schwankende gesetz-interpretation je nach den 
individuellen Interessen auf. Und mitten in diese von parteileiden- 
schaft und dialektik geschwängerte zeit tritt zugleich der aberglaube 
mit verstärkter kraft: wunder und zeichen, krankheit und elend, aller 
art religiöse abhülfen halten die strenggläubigen Homer in atem; eine 
seltsame zeit! Trotz dem allen aber weiss die römische politik nach 
aussen hin in vollster klarheit und klugheit ihren vorteil zu verfolgen. 
Es ist das die überall beobachtete eigentümlichkeit des rein prakti- 
schen Verstandesmenschen: in allen fragen, wo der mensch es nur mit 



«7) § 22-28. 458) § 30, 31. 459) § 114. 

4«0) § 42, 43 und 36. 46i) § 114. 462) § 49. 

4^) § 33. am ende. 



428 Innere geschichte bis zu den Samniterkriegen. [Buch 7. 

dem menschen und menschlichen zu tun hat, da ist jener verstand 
durchdringend und sicher in seinen massregein; wo aber das über- 
natürliche, dem verstände entrückte an solchen verstand herantritt 
und ihn vom fremden dasein überzeugt, da ist derselbe wie aus seinem 
element herausgerissen, unsicher, zaghaft, unselbständig und fast hülf- 
los. Ihm fehlt die phantasie, das band zwischen dem sichtbaren und 
unsichtbaren dasein; letzteres erscheint daher schaurig; und so ist 
der praktische Verstandesmensch am leichtesten dem furchtsamen aber- 
glauben ergeben: So erscheinen uns die Römer auf ihrem ganzen ent- 
wicklungsgange. 

Wir können denn auch einen eigentlichen cultur-fortschritt in 
jenen neuordnungen -^ den etruskischen tänzem, den processionen 
und gesängen, der erweiterung der öffentlichen spiele — nicht sehen; 
die barbarei des aberglaubens dictirte sie; und die kunst, welche als 
dienerin auftrat, erhob sich nicht aus der niederen Stellung in den 
äugen der Römer. Furcht und gewissensgebundenheit ist freilich der 
gegensatz künstlerischer Vorbedingungen und motive. 



Druck von J. Dr&ger*s Bachdrnckerei (0. Feieht) In Berlin, 



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