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Full text of "Römische Herrschaft in Westeuropa"

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RÖMISCHE HERRSCHAFT 

IN 

WESTEUROPA 



VON 



EMIL HUBNER 




Berlin 

Verlag von Wilhelm Hertz 
(Bessersghe Buohhandlung) 



1890 



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Alle Rechte vorbehalten. 



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VOKWOET 

Uie in diesem Buche vereinigten, bisher zerstreuten und 
theilweis schwer zugänglichen Aufsätze sind hervorgegangen 
aus langjähriger Beschäftigung mit den Quellen und wieder- 
holtem Aufenthalt in den Ländern des westlichen Europa' s, mit 
denen sie sich beschäftigen. Sie beanspruchen nicht, die alte 
Geschichte dieser Gebiete des römischen Reiches in erschöpfen- 
der Vollständigkeit zu erzählen. Sie wollen vielmehr aus eige- 
ner Forschung und Anschauung detffeintergrund schildern, auf 
welchem die römische Eroberung sich vollzog, und den noch 
vorhandenen Spuren nachgehn, welche sie hinterliess. Frank- 
reich, das nach-Spanien und vor Deutschland und England in 
den Kreis der römischen Herrschaft eintrat, ist desshalb aus- 
geschlossen; es gehört nicht zu den Ländern, über welche der 
Verf. nach umfassenden eigenen Vorarbeiten berichten könnte, 
obgleich ihm die Anschauung der hauptsächlichsten seiner 
römischen Städte und Denkmäler nicht fehlt. 

Diese Schilderungßn von Ländern und Städten, von grofsen 
Befestigungsanlagen und mannigfachen anderen Denkmälern aus 
römischer und vorrömischer Zeit wenden sich nicht nur an die 
kleine Zahl der Mitforscher, sondern an den weiten Kreis von 
Lesern, welche in der geschichtlichen Erkenntniss überhaupt und 
besonders in verständnissvoUem Eindringen in die Lebensformen 
des klassischen Alterthums noch immer die Grundlage aller 



IV Vorwort 

höheren Bildung sehen. Daher sind die gelehrten Belege fort- 
gelassen; man findet sie an den tiberall angegebenen Stellen, 
an welchen diese Abhandlungen früher erschienen sind. Doch 
sind sie sämmtüch erweitert und mehr oder weniger umge- 
arbeitet, auch überall bis auf den neuesten Stand der Unter- 
suchung fortgeführt worden. 

Die alten Städte und Denkmäler in den Ländern des Ostens, 
in Aegypten, Griechenland und Italien, sind hundertfach beschrie- 
ben worden. Die Reste des Alterthums in Westeuropa, die uns 
weit näher liegen und weder an malerischem Reiz noch an 
geschichtlicher Bedeutung jenen nachstehen, sind so gut wie 
unbekannt. Vielleicht gelingt es diesen Blättern, auch ihnen 
einiges Interesse zuzuwenden. 

Berlin, im December 1889. 

E. H. 



'yUNIVERMTY 



INHALT 

Seite 

Vorwort ni 

I. England 

I. Die Eroberung Britanniens 3 

II. Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian .... 25 

III. Die römischen Grenzwälle in Britannien 

I. Der Wall des Hadrian 39 

n. Der Wall des Pius 48 

IV. Das Ende der römischen Herrschaft in Britannien . 52 
V. Mars Thingsus 57 

IL Deutschland 

I. Der römische Grenzwall in Deutschland 71 

I. Die raetische Grenze 78 

II. Die Grenze von der Donau bis zum Main ... 88 

UI. Die Grenze vom Main bis zum Bhein 96 

n. Römische Städte in Deutschland .116 

I. Raetien 121 

n. Der Oberrhein 126 

m. Der Main 128 

IV. Der Rhein 139 

V. Ergebniss und Aufgabe 146 

HI. Arminius 153 

HI. Spanien 

I. Tarragona 167 

II. Die Balearen 208 

m. Citania 232 

IV. Römische Bergwerksverwaltung 268 

V. Die Heilquelle von ümeri 288 

Nachträge und Berichtigungen 292 

Register 293 



I 

ENGLAND 



lÜNlVEKsiTY 



Bübner, Weatenropa. 




LfBR^;^^ 






I. 

Die Eroberung Britanniens. 

Verschiedene Vorträge, in der archäologischen Gesellschaft zu Berlin 
gehalten aber nirgends gedruckt, liegen diesen Ausfuhrungen zu Grunde. 
Kurz zusammengefasst erschien ihr Inhalt unter dem Titel „eine römische 
Annexion^ in der Deutschen Rundschau, Jahrgang XV 1878 Heft 8 
S. 221-^262, in englischer Uebersetzung von Thomas Hodgkin, dem 
Verfasser des Werkes über die Ostgothen in Italien, in der Archaeologia 
Aeliana New Series 1885 XI S. 82— 116; einen Auszug gab H. Schiller 
in Bursians Jahresbericht XIX 1880 S. 443 ff. 

Die Angaben über das römische Heer gehen auf eine Erstlingsarbeit 
aus dem Jahr 1857 zurück; weiter ausgeführt und näher begründet sind 
sie in der Abhandlung „das römische Heer in Britannien" im Hermes XVI 
1881 S. 613 — 584, welcher eine Uebersichtskarte von H. Kiepert beige- 
geben ist. Ueber die römischen Legaten und die römischen Bleigruben in 
Britannien handeln Aufsätze im Rheinischen Museum XH 1857 S. 46 ff. 
und S. 347 ff. Die Vermuthungen über die Zusammensetzung von Agricola's 
Heer sind gegen Einwendungen anderer Gelehrten vertheidigt worden in dem 
Aufsatz über „die gallischen und germanischen Auxiliartruppen in Bri- 
tannien" in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst IH 
1883 S. 398—407, vgl. IH 1884 S. 293. Dafs von den über die Eroberung 
Britanniens aufgestellten Ansichten manche immer nur Vermuthungen blei- 
ben werden, liegt in der Natur der Sache. Ich habe, was gegen sie vor- 
gebracht worden ist, z. B. von KPanzerin den historischen Forschungen 
für Arnold Schäfer (Bonn 1882 S. 106 ff.), sorgfältig geprüft, aber 
mich nicht veranlasst gesehen, in Folge dieser Einwendungen von meinen 
Ansichten abzugehen; doch sind sie in der hier gegebenen Darlegung 
nicht unberücksichtigt geblieben. Der Versuch von H. Hayman, die 
Marschlinie Agricola's vom Dee bis zum Clyde aus der Natur der Land- 
schaft und aus Ortsnamen römischen Ursprungs genauer festzustellen (in 
der Zeitschrift the Antiquary VI 1882 S. 92 ff., vgl. H. Schiller in Bur- 
sians Jahresbericht XXXH 1882 S. 523) führt nicht zu sicheren Ergebnissen. 

üeber Glevum und seine Bedeutung habe ich nach den Mittheilungen 
des Herrn John Bellows in Gloucester die näheren Nachweisungen ge- 
geben in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhein- 

1* 



4: England 

lande LIX 1876 S. 142 ff. und LX 1877 S. 157|f., über das Heiligthum 
des Nodon habe ich ebendaselbst gesprochen LXVII 1879 S. 29 ff. 

Karten des römischen Britanniens sind in vielen Werken zu finden; 
eine sehr genaue von H. Kiepert ist dem siebenten Bande der Sammlung 
der lateinischen Inschriften beigegeben. 

Auf die in allen diesen Arbeiten gegebenen näheren Ausführungen 
und Belege sei hier verwiesen. 



??®v®? Bei keinem der modernen Kulturländer, welche einst unter ro- 

und Vor- ' 

arbeiten mischer Herrschaft gestanden haben, fällt es uns so schwer, wie bei 
England, das Bild von damals mit dem von heute in unseren Vor- 
stellungen zu einem einheitlichen Ganzen zu verbinden. Der Orient 
und der romanische Süden Europa' s tragen den Stempel der antiken 
Kultur noch so deutlich eingeprägt in den Profilen der Landschaft, 
in Bauten und Kunstwerken, in den Typen und Sitten der Bewohner, 
dass es keiner Anstrengung bedarf und von Dichtem und Malern 
hundert Mal versucht worden ist, den Geist des Alterthums dort in 
die gewohnten Kreise heraufzubeschwören. Selbst in unseren rhei- 
nischen Landen, auch abgesehen von Orten wie Trier, das ebenso 
gut in Italien oder im südlichen Frankreich liegen könnte wie in 
Deutschland, und hier und da an den Nordabhängen der Alpen weht 
noch klassische Luft und vermag auch der ungeübte Blick, einmal 
darauf aufmerksam gemacht, in Mauern und Thürmen, in dem schwarz- 
äugigen Menschenschlag, in den zweirädrigen Karren und den die 
Lasten auf dem Kopfe tragenden Frauen die letzten Reste altrömi- 
schen Lebens zu erkennen. Aber in dem heutigen England, unter 
dem Mastenwald seiner Häfen und den rauchenden Kaminen seiner 
Fabriken, auf den saftigen Wiesenfiächen und buschigen Hügeln, in 
den schattigen Parks, in dem Gewühl der Städte und der endlosen 
Pracht grofser und kleiner Landsitze aller Art, das römische Bri- 
tannien herauszuerkennen, dazu gehört Studium und Vertiefung in 
Bücher und Sammlungen und eine gewisse Uebung in bewusster Ab- 
straction von der Gegenwart und ihren überwältigenden Eindrücken, 
welche den Meisten abgeht. Kein Wunder daher, dass selbst in dem 
grofsen Emporium der Welt die Zahl derer unverhältnifsmässig gering 
ist, welche die mit den Eisenbahnen in wenigen Tagen von Süd nach 
Nord und von Ost nach West in allen Richtungen zu durchmessende 



I. Die Eroberung Britanniens 5 

heimathliche Insel nach den üeberresten der römischen Herrschaft 
durchsucht haben. Auf das Land und in die kleinen Städte muss 
man gehen, zu dem beschaulichen Stand der Geistlichheit, um die 
Kenner dieser Besonderheit aufzufinden, welche sich in jenen Kreisen 
von jeher der aufopferndsten Pflege erfreut hat. Die zünftigen 
Gelehrten, die Professoren der beiden grofsen englischen Universi- 
täten oder die der freien Londoner oder der schottischen, kümmern 
sich um diese Dinge nicht; kein Newton oder Bentley, kein Porson 
oder Dobree hat hiervon je Notiz genommen. Seit den Zeiten des 
vortrefflichen William Camden, eines der Vorsteher des Heroldsamtes 
unter der Königin Elisabeth und Verfassers der Britannia, der ersten 
grofsen Landesbeschreibung (sie erschien zuerst im Jahre 1586 und 
ist bei des Verfassers Lebzeiten sechs Mal, nachher bis in dieses 
Jahrhundert noch öfter wiederholt und erweitert worden und aus 
einem kleinen lateinischen Quartband zu vier Folios angeschwollen), 
hat nur noch ein Engländer die Aufgabe, das römische Britannien 
zu schildern, in grofsem Maafsstab sich gestellt und mit den be- 
scheidensten Mitteln in seiner schlichten Weise annähernd gelöst. 
Dies war ein Mann, dessen Namen man unter den berühmten Grofsen 
der englischen Litteratur und Wissenschaft vergeblich sucht, ein Zeit- 
genosse Bentley* s, aber, wie es scheint, auch von ihm nie beachtet, 
und bis auf den heutigen Tag selbst in England nur den bezeich- 
neten Kreisen der Lokalantiquare bekannt, unter welchen sein Buch 
noch immer mit Recht in dem gröfsten Ansehen steht und mit 
hohem Preis bezahlt wird. Er hiess John Horsley und hat es in 
den sechsundvierzig Jahren seines Lebens (1685 — 1731) nur zu der 
bescheidenen Stelle eines Pfarrers der presbyterianischen Gemeinde 
von Morpeth, einem kleinen Flecken in Northumberland nahe der 
schottischen Grenze, gebracht. Nicht einmal die Genugthuung ward 
ihm zu Theil, dass er das Werk langjährigen Fleisses, den Folio- 
band seiner Britannia Romana, welchem er Gesundheit und Vermögen 
zum Opfer gebracht hatte, im Druck vollendet vor sich sah: das 
Buch erschien erst kurz nach seinem Tode im Jahre 1732. Seit- 
dem ist zwar in gröfseren und kleineren historischen Werken, in 
Essays, Handbüchern und Encyklopädien der Gegenstand in- und 
ausserhalb Englands in mehr oder weniger eingehender Weise oft 
behandelt worden. Aber nicht einmal ein erheblicher Fortschritt 
gegen Camden und Horsley, geschweige denn eine wirklich erschöpfende, 



g England 

alle Quellen je nach ihrem Werthe richtig verwendende Lösung der 
mannigfachen Fragen, welche sich an diese Aufgabe knüpfen, ist da- 
mit erreicht worden. 

Und doch geniefst Britannien vor allen den früher erworbenen 
Provinzen des römischen Reiches den neidenswerthen Vorzug, dass 
wir eine zusammenhängende Geschichte seiner Eroberung und der 
ersten vierzig Jahre seiner Verwaltung aus dem beredten Munde des 
gröfsten Geschichtschreibers der Kaiserzeit besitzen. Tacitus, die 
Zierde des trajanischen Zeitalters, hat in seiner ersten Schrift histo- 
rischen Inhaltes, der im Jahre 98 veröffentlicliten Lobrede auf seinen 
Schwiegervater Gnaeus Julius Agricola, die Eroberung Britanniens 
bekanntlich deshalb in prägnanter Kürze erzählt, weil es dem Helden 
des Buches, dem Agricola, beschieden war, während seiner sieben- 
jährigen Statthalterschaft daselbst die Unterwerfung der Insel, wenn 
auch durchaus nicht zu Ende, so doch um ein Erhebliches weiter 
als seine Vorgänger zu führen. Freilich ist diese mit Recht viel- 
gerühmte Darstellung in rednerischer Allgemeinheit gehalten. Von 
ethnographischen und geographischen Angaben ist nur das Nothwen- 
digste den gangbaren Hülfsmitteln der damaligen Kunde entlehnt. 
Namen, Daten, Zahlen, topographische Angaben fehlen so gut wie 
gänzlich. Der Verfasser wollte nach der langen gezwungenen Stille 
unter Domitian's verhasstem Regiment die neue, durch Nerva und 
Trajan begonnene Aera mit einem kurzen und eindringlichen Stück 
hoher rednerischer Vollendung, nicht mit einer umständlichen histo- 
rischen Arbeit begrüfsen. In weiser Beschränkung begnügte er sich 
damit, das Interesse möglichst auf seinen Helden zu lenken, so wie 
wenn etwa jetzt Jemand einen ausführlichen Nekrolog auf einen der 
Feldherren im Krieg von 1870 schreibt nnd dabei das allen Lesern 
noch in frischer Erinnerung Lebende als bekannt voraussetzt. Doch 
unterlässt er dabei nicht, was uns fremdartig erscheint, dem Führer 
der Caledonier Calgacus, ebenso wie dem Agricola selbst, vor der 
einzigen Schlacht, welche er schildert (es ist die an dem vielge- 
suchten und unfindbaren Berge Graupius), kurze Reden, nach dem 
Muster des Sallustius verfasst, in den Mund zu legen. Als er in 
seinen späteren und umfangreicheren Geschichtswerken im Laufe der 
Erzählung auf die britannischen Ereignisse zurückkam, erzählte er 
zwar weit umständlicher, aber zum Theil in noch höherem Maafse 
ohne genaue thatsächliche Angaben. Die uns erhaltenen Theile seines 



I. Die Eroberung BritaimlenB 7 

letzten Werkes, der Annalen von Augustus' bis auf Nero's Tod. lassen 
uns das wenigstens an einer wichtigen Episode, dem Aufstand der 
Brittenfürstin Boudicca gegen den Legaten des Nero Suetonius Paul- 
linus, zu unserem Bedauern deutlich erkennen. Leider fehlt uns von 
den zeitgeschichtlichen, weit ausführlicheren Btlchem des Tacitus, 
den Historien, welche er vor den Annalen verfasst hatte (sie be- 
gannen mit der Erhebung Vespasians und endeten mit Domitian's 
Tod), wie bekannt der weitaus gröfste Theil, welcher die Parallel- 
darstellung gerade der Thaten des Agricola in dem gröfseren Rahmen 
gleichzeitiger Ereignisse und aus einer Epoche vorgeschrittener schrift- 
stellerischer Kunst des Verfassers enthielt. Der Grieche Dio konnte 
sie für die betreffenden Abschnitte seiner grofsen römischen Ge- 
schichte in achtzig Büchern, welche er in den ersten Decennien des 
dritten Jahrhunderts schrieb, noch benutzen. In den Resten und 
Auszügen dieses Werkes ist noch manches Goldkom der üeberliefe- 
rung erhalten. Bei alle dem aber geben die Nachrichten im Agri- 
cola und in den Annalen und Historien des Tacitus, richtig ver- 
standen und verbunden mit dem, was in den anderen allgemeinen 
historischen Quellen, wie für die übrigen Provinzen, so auch für 
Britannien überliefert ist, sowie mit den Thatsachen, welche aus den 
erhaltenen inschriftlichen Denkmälern und den üeberresten baulicher 
Anlagen aus jener Zeit im liande selbst zu gewinnen sind, ein klares 
Bild von den Mitteln und Zielen der Eroberung Britanniens, so wie' 
von den hervorragendsten Männern, welche sie ausführten. 

An mannigfachen Beiträgen zur Geschichte des römischen Kriegs- 
wesens hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt. Während Hand- 
bücher und selbständige Werke den jetzigen Stand der Forschung 
zusammenfassend darzulegen versuchen, haben nach und neben diesen 
gröfseren Arbeiten zahlreiche Monographieen über das römische Lager 
in seiner ursprünglichen Gestalt und späteren Erweiterung, über den 
Bestand der einzelnen Truppenkörper, ihre Ober- und Unteroffiziere 
und die weiteren Chargen, über ihr Avancement, über ihre Bewaff- 
nung und Verwendung auf dem Marsch, im Lager und in der Schlacht, 
und manches andere dahin gehörende, theils aus den in immer stei- 
gender Zahl verwendbaren Inschriften und Denkmälern, theils aus 
erneuter Erwägung der in Betracht kommenden Schriftstellerzeug- 
nisse neue Ergebnisse zu gewinnen gesucht. Wieviel trotzdem noch 
zu thun bleibt, soll hier nicht ausgeführt werden. Kaum in Angriff 



^e UBRAßf^ 




8 England 

genommen ist aber bis jetzt die Untersuchung über die Zusammen^ 
Setzung gröfserer Armeen, besonders in der Zeit von Augustus ab- 
wärts, und ihrer Verwendung zu umfassenden Expeditionen. Neben 
dem topographischen und epigraphischen Detail, das eine solche 
Untersuchung beherrschen muss, ist die Frage nach der in den ein- 
zelnen Gegenden jedesmal verfügbaren Truppenzahl von einleuchtender 
Wichtigkeit. Ueber den Bestand der Legionen und Auxilien im All- 
gemeinen und ihr gegenseitiges Verhältniss liegen aus der Zeit vor 
Caesars gallischen Feldzügen nur sehr summarische Angaben vor. 
Denn wenn auch häufig genug die in einem Feldzug zusammen ope- 
rierenden Legionen aufgezählt werden und seltener, aber doch hier 
und da, die Zalil der neben ihnen verwendeten Bundesgenossen wenn 
auch nicht immer mit unzweifelhafter Zuverlässigheit namhaft ge- 
macht wird, so fehlt doch fast durchgehends die Möglichkeit, den 
Marsch und die Dislocationen eingehender zu verfolgen. Caesars 
Berichte, oft und mit militärischer EinsicJit geprüft, ersetzen, so un- 
vergleichlich sie in jeder Weise sind, doch auch nicht eine voll- 
ständige Ordre de Bataille. Aus augustischer und nachaugustischer 
Zeit werden erwähnt oder sind ihrem Bestände nach theilweise wenigstens 
im Allgemeinen bekannt die Heere in einer ganzen Reihe von Pro- 
vinzen, von Ober- und Untergermanien, von Afrika, Arabien, Panno- 
nien, Blyrien, Moesien, Raetien. Die Vertheilung der Legionen auf 
die einzelnen Provinzen ist im Wesentlichen genau überliefert; aber 
auch was die Auxilia betrifft, so geben die Militärdiplome, inschrift- 
liche Urkunden von der gröfsten historischen Wichtigkeit, und die 
in den betreffenden Ländern gefundenen Inschriften, verbunden mit 
den anderweitig inschriftlich oder sonstwie bezeugten Thatsachen, 
eine ziemlich genaue Vorstellung von ihrer Anzahl im Allgemeinen. 
Nur ist es meist nicht möglich, ihren Bestand zu verschiedenen 
Zeiten genau auseinander zu halten. Das in jeder Hinsicht reichste 
Material liegt wohl vor für das Heer in Britannien. Vor einigen dreissig 
Jahren wurde von mir der erste Versuch gemacht, zunächst nur 
statistisch die römischen Heeresabtheilungen in Britannien aufzu- 
zählen. Die inzwischen erschienene und ihrer Vollendung entgegen- 
gehende grofse Sammlung aller lateinischen Inschriften bildet die 
Grundlage aller auf Fragen solcher Art bezüglichen Ermittelungen. 
Diese Zeugnisse vermehren sich fortgesetzt durch neue Funde in 
meist unerwarteter Weise, so dass die Untersuchung niemals zu völ- 



I. Die Eroberung Britanniens 9 

ligem Abschlnss gelangt. Dennoch verlohnt es sich anf Grand der 
sämmtlichen epigraphischen und topographischen Funde sowie nach 
den spärlichen Naclirichten bei den Schriftstellern hier zusammenzu- 
fassen, was sich bis jetzt in Bezug auf den ursprünglichen Bestand 
und die wichtigsten Veränderungen des britannischen Heeres als 
wahrscheinlich ergeben hat. 

Die Aufgabe, Britannien zu erobern, gehörte in allererster Linie ^^^J^^ 
zu der von Caesar seinem Nachfolger hinterlassenen Erbschaft. Zwei 
Mal, im vierten und fünften Jahre seines achtjährigen Eroberungs- 
krieges in Gallien, hatte er, in vollkommen richtiger Erwägung der 
Sachlage, den Versuch gemacht, freilich auf unzureichende Trans- 
portmittel gestützt, den Kanal zu überschreiten und die mit den fest- 
ländischen von jeher eng verbundenen Kelten in Britannien wie jene 
in den Kreis der Unterwerfung zu ziehen. Beide Male scheiterte 
das Unternehmen, aus Ursachen, die klar zu Tage liegen und hier 
nicht erörtert werden sollen. Caesar hatte seine erste Expedition Caesar 
nach Britannien im Sommer des Jahres 57 v. Chr., eine Recognos- 
cierung im grofsen Stil, unternommen mit nur zwei Legionen ohne 
Tross, der siebenten und zehnten, und einer entsprechenden Anzahl 
von Reitern. Die Legionen wurden auf 80, die Reiterei, welche erst 
nach der ersten Schlacht aus Gallien eintraf, auf 18 Lastschiffen 
hinübergeschaflft; ausserdem dienten noch einige Kriegsschiffe für den 
Stab, den Quaestor, die Legaten und Praefecten. Für die zweite 
Expedition entbot er ftlnf Legionen (von denen nur eine, wiederum 
die siebente, genannt wird) und 2000 gallische Reiter. Durch die 
Schwierigkeit des Landens an der flachen Küste dazu veranlasst Hess 
er für den Transport des Heeres 600 Schiffe neu erbauen und 28 Last- 
schiffe ausrüsten; 60 von den ersteren trafen nicht rechtzeitig ein, 
doch traten dafür eine Anzahl Von denen der vorjährigen Expedition 
(annottfUie) und solche für die den Legionen gewiss auch über das 
Meer folgenden Händler, Marketender u. s. w. (privatere) hinzu, so- 
dass eine Flotte von mehr als 800 Schiffen landete; zehn Cohorten 
und 300 Reiter blieben zur Deckung des Schiffslagers zurück. Da- 
durch war, ganz abgesehen von politischen Gründen, die militärische 
Ehre des Reiches eingesetzt und musste über kurz oder lang einge- 
löst werden. Die Eroberung Britanniens, von jeher als ein noth- 
wendiges Moment für die vollständige Unterwerfung des gallischen 
und germanischen Ländergebietes angesehen, war seitdem nur noch 



10 England 

Aujrustus eine Frage der Zeit und der passendsten Gelegenheit. Augustus 
hatte zwei Mal, in den Jahren 34 und 27 vor Chr., alle Vorberei- 
tungen zu einer neuen Expedition nach Britannien getroffen. Die 
Dichter Virgil, Horaz und Properz spielen in schwungvollen Versen 
auf diess Ruhm und Schätze versprechende Unternehmen des Kaisers 
an. Die regelmäfsige Zusammenstellung der britannischen mit der 
parthischen Expedition deutet auf ihre Wichtigkeit. Augustus scheint 
sich aber, zuletzt durch seinen Aufenthalt in Gallien im Jahre 8 vor 
Chr., von der Gröfse und Schwierigkeit des Unternehmens überzeugt 
zu haben. Er gab es auf; in dem Verzeichniss seiner Thateu konnte 
er nur davon berichten, dass zwei britannische Fürsten seinen Schutz 
gesucht hätten, wahrscheinlich in Folge von einheimischen Streitig- 
keiten. Dass diplomatische Verbindungen ihm und seinen Nachfol- 
gern die Möglichkeit einer Intervention stets offen hielten, ist aus- 
drücklich bezeugt: selbst Tiberius, welcher sonst in der auswärtigen 
Politik bekanntlich die weiseste Zurückhaltung übte, sah, nach einem 
bedeutungsvollen Wort des Tacitus, die Besetzung von Britannien als 
eine unausweichliche Aufgabe an. Aber zur That schritt er nicht. 
Die Gründe seiner Enthaltung entwickelt beredt und überzeugend, 
vielleicht irgend einer authentischen Kundgebung des Kaisers Augustus 
folgend, sein Zeitgenosse Strabo, der zugleich die Fortdauer diplo- 
matischer Beziehungen (Gesandtschaft nach Rom , Aufstellung von 
Weihgeschenken auf dem Capitol u. s. w.) bezeugt, bei denen der 
Staat sich besser stehe, als bei der Besetzung. Wenn für diese 
mindestens eine Legion und etwas Reiterei als erforderlich bezeichnet 
wird, so beruht das offenbar auf der absichtlich verächtlichen Schilde- 
rung des unbedeutenden Ertrags, den die Insel verspreche. Der 
Kaiser Gaius (Caligula) kam nicht über Projecte zu einer Expedition 
hinaus; doch unterwarf sich ihm einer der Söhne des Cunobellinus. 
der von seinem Vater vertriebene Adminius, welcher mit einer kleinen 
Schaar auf das Festland geflohen war. Caligula hatte an dem 
Scheitern seines Feldzugs gegen Germanien, der wahrscheinlich die 
Einleitung zu dem britannischen bilden sollte, genug. So ist es ge- 

ciaudius kommen, dass die Ausführung des niemals völlig aufgegebenen grofsen 
Planes dem schwachsinnigen Claudius vorbehalten blieb, dem aller- 
uhbedeutendsten unter den Kaisern der julischen Dynastie, dem Ver- 
fasser weitläufiger griechisch geschriebener Geschichtswerke, dem 
Grammatiker und Rhetor, der seinem grofsen Bruder Germanicus 



I. Die Eroberung Britanniens 11 

Caesar so ungleich war, dass er den Zeitgenossen, weil er zufällig 
in Lyon geboren war und eine oft ausgesprochene Vorliebe für seine 
keltischen Landsleute in Gallien und Hispanien zeigte, für einen 
halben Kelten galt. Dies schien dem Tacitus so wunderbar, dass 
er meint, das Geschick habe wohl dadurch dem Yespasian, dem nach- 
maligen Kaiser, Gelegenheit geben wollen, sich der Welt im Voraus 
zu zeigen: denn er befehligte eine zu der Expeditionsarmee gehörende 
Legion. /Der ausführliche Bericht des Dio, in allem Thatsächlichen 
sicher aus des l'acitus verlorenem zehnten Buch der Annalen ge- 
schöpft, zeigt, vielmehr deutlich, dass, wenn auch der Wille des 
Kaisers den Ausschlag gegeben haben mag, doch die ganze Organi- 
sation des Unternehmens, welches von Sueton kaum richtig ein mäfsi- 
ges genannt wird, vielmehr dem Aulus Plautius zuzuschreiben ist, 
wohl einem Verwandten de$ Kaisers und aus hochangesehenem Haus, 
aus welchem später Kronprätendenten hervorgingen. Es ist wahr- 
scheinlich, aber nicht durchaus noth wendig, dass er, weil schon ein 
Mann in reiferen Jahren, da er bereits im J. 29 Consul gewesen 
war, damals eines der beiden germanischen Heere befehligte. Sicher- 
lich wird man dem Claudius selbst die militärischen Dispositionen 
für den Feldzug, welchem unzweifelhaft diplomatische Verhandlungen 
vorangegangen waren, nicht zuzuschreiben haben, sondern den er- ^'l^J^^- 
probten Offizieren, mit denen er sich umgab, als er die Expedition 
im Jahr 43 unserer Zeitrechnung persönlich antrat. Im Stabe des 
Kaisers befanden sich eine Anzahl der vornehmsten jüngeren Offi- 
ziere. Es gehörte zu ihnen Galba, der spätere Kaiser, wegen dessen 
Erkrankung der Tag der Abfahrt nach Britannien verschoben wurde. 
Er hatte sich schon unter Gaius als ausgezeichneter Offizier bewährt, 
war zuletzt Legat des oberen Germaniens gewesen, und erhielt wahr- 
scheinlich unmittelbar nach dem britannischen Triumph das Procon- 
sulat von Afrika. Auch ein anderer Sulpicius, wohl ein Verwandter 
des Galba, wird als Legat des Kaisers während der britannischen 
Expedition genannt. Er stellte dem Kaiser für die glückliche Heim- 
kehr und den britannischen Sieg ein Weihgeschenk auf, dessen Auf- 
schrift zum Vorschein gekommen ist. Femer begleiteten den Kaiser 
Valerius Asiaticus, damals Consular, die beiden späteren Schwieger- 
söhne des Kaisers Lucius lunius Silanus und Gnaeus Pompeius Magnus, 
welche die Siegesbotschaft nach Rom brachten; Tiberius Plautius Sil- 
vanus Aelianus, wahrscheinlich ein NefTe des Aulus Plautius und daher 



ziere 



12 England 

auch mit dem Kaiser Verwandt, damals Praetorier, dessen Grabmal 
am Fusse der Höhen von Tivoli bekannt ist; endlich mit hervorragen- 
dem Antheil am Erfolg Gnaeus Sentius Satuminus. Zwei berühmte 
Aerzte machten den Feldzug mit, ein römischer, Scribonius Lar- 
gus, der Verfasser einer noch erhaltenen Schrift über die Zusam- 
mensetzung der Heilmittel, und ein griechischer, Stertinius Xenophon 
von Kos. Von ihm wird berichtet, dass er dem Kaiser für die 
Wohlthaten und Auszeichnungen, die ihm zu Theil geworden, schlecht 
gelohnt habe; von Nero's Mutter angestellt, soll er den gewaltsamen 
Tod des Claudius durch ein giftiges Brechmittel beschleunigt haben. 
Legat der zweiten Legion unter Aulus Plautius war Vespasian; unter 
ihm befehligte sein Bruder Flavius Sabinus; Legat einer anderen 
Legion war Hosidius Geta. Beide, Vespasian und Geta, erhielten 
dafür, obgleich sie dem Range nach noch nicht dazu berechtigt 
waren, ebenso Didius Gallus, der spätere Statthalter der Provinz, 
wie eine ihm in Olympia gesetzte Ehreninschrift gelehrt hat, die 
hohe Auszeichnung des Triumphatorenschmuckes, Silanus dieselbe so- 
gar trotz seines noch nicht mannbaren Alters. Rubrius Pollio, der 
kaiserliche Praefectus praetorio, erhielt eine Statue und einen Sitz 
im Senat neben dem Kaiser; Graecinius Laco, damals wohl Procu- 
rator von Belgica und als solcher Kriegszahlmeister, ebenfalls den 
Triumphatorenschmuck; wie der Kaiser denn überhaupt die Auszeich- 
nungen für diesen Feldzug nicht sparte. Sogar einem der kaiser- 
lichen Eunuchen, Posides, wurde neben den Militärs, gewiss keineswegs 
zu deren Erbauung, eine der bekannten Kriegsdekorationen, die Ehren- 
lanze, gegeben. Marcus Licinius Crassus Frugi, der Consul des J. 27, 
erhielt den Triumphatorenschmuck zum zweiten Male und machte da- 
her den Triumph zu Boss und in gesticktem Kleid mit. Zum Reichs- 
verweser wurde während der Abwesenheit des Kaisers auf dem bri- 
tannischen Feldzug Lucius Vitellius, der Vater des späteren Kaisers, 
bestellt. Der eigentliche Leiter desselben aber war Aulus Plautius, 
der, wenn bis dahin Inhaber des räumlich nächsten grofsen militäri- 
schen Kommandos, als solcher der gegebene Führer war in einem 
Kriege, der Caesar's Gedanken, den gallischen Provinzen ausser dem 
Schutz der militärisch besetzten Rheingrenze auch noch die im Norden 
offene Küste durch die Eroberung der sie beherrschenden Insel zu 
sichern, nun endlich definitiv ausführen sollte. Dios Erzählung 
giebt als äussere Veranlassung zu der Expedition die Flucht eines 



I. Die Eroberung Britanniens 13 

britannischen Fürsten Bericus an; derselbe ist sicher dem Namen, 
wahrscheinlich auch der Person nach, identisch mit Verica, dem Sohn 
des Commius, des Königs der Atrebaten, der noch erhaltene Mtlnzen 
schlug. Dio berichtet ferner von dem Widerstand der Truppen gegen 
die gefürchtete und unsichere Einschiffung, und wie erst der von 
Claudius gesendete Narcissus, einer der einflussreichsten Hofleute, den 
Widerstand brach, freilich, nach Dios Darstellung, nur dadurch, dass 
sich der Unwille nun gegen ihn, statt gegen den Feldherm wandte. 
Hierdurch auch verzögerte sich der Aufbruch. 

Caesars beide Expeditionen nach Britannien haben den unge- jy^ ^^^^ 
fähren Maafsstab abgegeben für die Zusammensetzung der Armee des 
Claudius, welche wir mit annähernder Sicherheit, obgleich in des 
Tacitus Agricola kein Wort davon steht, zu reconstruieren vermögen. 
Den Kern der Truppen bildeten vier Legionen, die zweite (genannt 
Augusta), die neunte (Hispana), die vierzehnte (Gemina) und die 
zwanzigste (Valeria Victrix). Drei derselben sind den germanischen 
Heeren, eine dem paimonischen entnommen worden; man verwendete 
natürlich zur Bildung einer Armee die nächsten verwendbaren Truppen. 
Dazu kam eine Abtheilung von der achten ebenfalls Augusta ge- 
nannten Legion, deren Standquartier Mainz waf, vielleicht als eine 
Art Stabswacht des Feldherrn. Nicht sicher, aber auch keineswegs 
unmöglich ist, dass noch von einer zweiten der in Mainz liegenden 
Legionen, der vierten macedonischen, eine Abtheilung oder Vexillatio 
zum britannischen Heer des Claudius gehört hat. Dem Bürgerheer der 
Legionare trat seit der Heeresorganisation des Caesar und des Au- 
gustus durchgehends eine an Stärke ungefähr gleiche Zahl sogenannter 
Auxilia zur Seite, das heisst nicht in den Legions- (wir würden etwa 
sagen Divisions-) Verband gestellter Kavallerie- und Infanterie -Ab- 
theilungen (Alae und Cohortes) von im üebrigen der Legion ganz 
gleichartiger Organisation und Bewaffnung, welche ursprünglich aus 
den Nichtbürgem der Provinzen gebildet wurden. Nicht mit der 
gleichen Bestimmtheit, aber doch mit annähernder Sicherheit lässt 
sich, mit Benutzung besonders einer bestimmten Art inschriftlicher Denk- 
mäler, der schon genannten Militärdiplome, der Umfang auch dieses 
Theils des Expeditionsheeres ermitteln. Zahl und Namen der in Bri- 
tannien stationierten Auxiliartruppen ergeben sich aus vier solchen Ur- 
kunden auf Erz, die sich daselbst gefunden haben und im brittischen 
Museum aufbewahrt werden, nebst einigen Fragmenten von gleich- 



14 England 

artigen Urkunden. Es sind diese sogenannten Militärdiplome Erz- 
täfelchen in Diptychenform, enthaltend die für einen bestimmten 
Eriegsmann in der üblichen doppelten Ausfertigung innen und aussen 
darauf gravierte Kopie eines kaiserlichen Privilegiums, welches die 
von Nichtbürgem bestimmter darin namhaft gemachter Truppentheile 
oder von Veteranen während der Dienstzeit mit fremden Frauen ge- 
schlossenen Ehen nach einer gewissen Anzahl von Dienstjahren 
nachträglich legitimiert und denselben das Bürgerrecht sowie andere 
Auszeichnungen verleiht. Solcher Urkunden, aus allen Provinzen des 
Reiches und der Zeit nach von der Regierung des Claudius reichend 
bis auf die des Diocletian, sind bis jetzt etwa achtzig bekannt ge- 
worden; sie ersetzen einigermafsen die Quartierliste des römischen 
Reichsheeres. Die vier auf das britannische Heer bezüglichen unter 
ihnen fallen in die Jahre 103, 105, 124 und 146 unserer Zeit- 
rechnung, also in die Regierungen des Trajan, Hadrian und Anto- 
ninus Pius. Zusammen mit den ausserdem in England gefundenen 
inschriftlichen Denkmälern geben sie uns eine fast vollständige Ueber- 
sicht über die Cohorten und Alen, welche einst in den zahlreichen 
Kastellen der Provinz in Garnison lagen. Das ist die eine Art ur- 
kundlicher Ueberlieferung für unsere Kenntniss der britannischen 
Truppen; sie giebt den Anhalt für die Statistik des nicht aus den 
liCgionen bestehenden Theiles der Expeditionsarmee des Claudius. 
Die Einzeluntersuchung führt zu dem übrigens nicht überraschenden 
Ergebnifs, dass weitaus der gröfste Theil der Auxiliartruppen von 
Anfang an in der Provinz gewesen und bis zur Aufgabe derselben 
auch darin geblieben ist. Auf alle Fälle ist kaum eine der britan- 
nischen Cohorten oder Alen dauernd aus der Provinz wegverlegt 
worden; unfreiwillige Abgänge, wie die der meuterischen üsipierco- 
horte, wurden durch Nachschübe ersetzt. Eine erhebliche Verstär- 
kung des ursprünglichen Bestandes scheint, soweit sich das bis jetzt 
aus der vergleichenden Statistik der in den übrigen Provinzen garni- 
sonierenden Korps ermitteln lässt, nicht stattgefunden zu haben. 
Wie schwierig es ist, trotz der vorher genannten mannigfachen 
Quellen und Hülfsmittel, in diesen Fragen zu völliger Sicherheit zu 
gelamgen, kann hier nicht näher ausgeführt werden. Manches wird 
immer unsicher bleiben, wenn nicht unvorhergesehene Funde Auf- 
klärung schaffen. Für vieles ergeben sich fortwährend Ergänzungen 
und Aenderungen des annähernd Festgestellten aus den erst vor 



I. Die Eroberung Britanniens 15 

kurzer Zeit begonnenen und noch im Fluss befindlichen Untersuchungen 
über die Aushebung und Zusammensetzung der römischen Heeres- 
theile auf Grund des in steter Zunahme begriffenen inschriftlichen 
Materiales. Im Grofsen und Ganzen steht fest, dass in dem Heer 
des Claudius neben den in den Legionen dienenden Bürgern aus den 
Stadtgemeinden Italiens und Galliens vorwiegend ans germanisch-galli- 
schen und pannonischen Völkerstämmen ausgehobene Hülfstruppen Ver- 
wendung gefunden haben, meist die vollständigen Kontingente einzelner 
Völker, wie der Bataver, Nervier, Tungrer, Lingonen, Pannonier, 
Dalmater und Thraker, oder die ersten ans vorher freien Stämmen 
gebildeten Cohorten und Alen. Die auf meine Zusammenstellungen 
und Berechnungen gegründeten Zahlenangaben über den Bestand des 
Heeres sind jedoch nur als im weitesten Sinn annähernde zu be- 
trachten. Es ist bekannt, dass vom Beginn der Kaiserzeit an bis 
in die spätesten Zeiten eine fortwährende Steigerung der Ziffer des 
stehenden Heeres stattgefunden hat. Die für das erste Jahrhundert 
ermittelten Ziffern erscheinen nach unserem Maafsstab noch sehr 
gering; dennoch habe ich sie für das claudische Heer vielleicht noch 
zu hoch angesetzt. Das Ergebnifs der Untersuchung, deren Einzeln- 
heiten nicht hierher gehören, ist, dass mindestens vierundzwanzig 
Alae Kavallerie und nahe an sechzig Cohorten Infanterie zum Heere 
des Claudius gehörten, ausnahmslos aus Völkerschaften des Nordens 
und Westens, aus Thrakien und Pannonien, den germanischen Ländern 
und Gallien, rekrutiert. 

Hechnet man die vier Legionen einschliesslich der etwa 120 
berittenen Gensdarmen einer jeden zu rund 6000 Mann, was, da 
man gewiss für eine solche Expedition die möglichst hohe Kriegs- 
stärke zu erreichen suchte, eher zu niedrig als zu hoch gegriffen 
sein wird, und die Vexillation der achten zu 1000 Mann (diese Zahl 
wird durch die Analogie ähnlicher Abtheilungen empfohlen), so ergiebt 
dies einen Kern von 25,000 Mann Legionaren. Die sechzig Cohorten 
werden durchschnittlich zu 5 bis 600 Mann anzusetzen sein; dass schon 
damals wie später nicht selten einzelne auf die doppelte Stärke von 
1000 bis 1200 Mann gebracht wurden, ist nicht ausgeschlossen. 
Dieselbe Stärke hatten die Kavallerieabtheilungen; auch bei ihnen 
kamen Doppelalae vor. Man kommt dabei also auf eine der der 
Legionen ungefähr gleiche Stärke der Auxiliarinfanterie von 25 bis 
30,000 Mann und auf ein Kavalleriecorps von 12,000 Mann. Eine 



16 England 

Armee von rund 70,000 Mann mit dem dazu gehörigen Train ist 
ftlr jene Zeit einer zwar hoch entwickelten militärischen Technik, 
aber einer höchst unzulänglichen Rekrutierung, eine sehr beträchtliche. 
Die Zahl spricht ftlr die Wichtigheit und Schwierigkeit, welche man 
dem Unternehmen beimafs. 

Dass eine gewaltige Transportflotte dazu gehörte, um diese 
Armee, wenn auch nur nach und nach, über den Kanal zu bringen, 
versteht sich von selbst. Ftlr die üeberschiffung eines Heeres von 
der angegebenen Gröfse mit dem entsprechenden Tross bedurfte es 
einer Flotte, deren Segelzahl nicht unter der der zweiten caesarischen 
zmückgeblieben sein wird. Die Flottenstationen in Italien, zu Mi- 
senum und Ravenna, werden den Kern derselben gestellt, die gallischen 
Häfen und das Gebiet der Rheinmündungen die nöthigen Verstär- 
kungen geliefert haben. Auf den hervorragenden Antheil der Flotte 
an dem Erfolg ist es wohl zurtlckzuftlhren, dass der Kaiser an den 
Mtlndungen des Po — vielleicht bei der Rückkehr der zur ravenna- 
tischen Flotte gehörenden Schiffe — eine Art von Seetriumph ver- 
anstaltete. Er fuhr daselbst auf einem gewaltigen, haushohen Schiffe 
in den Hafen ein. Es war dasselbe Schiff, welches unter seinem 
Vorgänger Gaius einen Obelisken aus Aegypten gebracht hatte; später 
wurde es von Claudius beim Hafenbau von Ostia versenkt. Erwähnt 
wird die britannische Flotte zuerst im Krieg gegen den Civilis und 
dann wiederholt in den Feldzügen des Agricola. Es scheint von 
Anfang an eine eigene Flottenabtheilung, die „britannische Flotte", 
gebildet worden zu sein, welche in den nordfranzösischen und süd- 
englischen Häfen feste Station nahm, wie z. B. in Lymne in Kent 
und Boulogne-sur-mer, und bis an das Ende der römischen Herrschaft 
in Britannien zusammen blieb. 

An der Südküste Englands nennen die alten geographischen 
Verzeichnisse einen „grofsen" und einen „neuen Hafen''. Der grofse 
Hafen ist der, der noch heute seinen römischen Namen trägt, Ports- 
mouth, einer der schönsten und gröfsten Häfen der Welt. Später 
sind der Flotte Ankerplätze auch an den Mündungen der Themse 
und des Sevem u. s. w. nach Norden aufwärts angewiesen worden; 
ohne den durch sie vermittelten Verkehr mit Gallien sind die Ope- 
rationen gar nicht denkbar. 
Die Be- ^1^ Abfahrt und Landung des Heeres erfolgte nach Dio's 

Setzung B^pißj^i;^ natürlich unter günstigen Himmelszeichen, und in drei Ab- 



Die Eroberung Britanniens 17 

theilungen. An dem Punkt, von welchem die Abfahrt erfolgt war, 
bei Gaesoriacum, wurde dem Claudius später ein Ehrenbogen er- 
richtet; von ihm hat sich keine Spnr erhalten. Wie Caesars Portus 
Itius wird er in nächster Nähe von Boulogne zu suchen sein, 
üeber den oder die Landungspunkte, über den Occupationsplan 
und seine Ausführung fehlt uns jede Nachricht. Dennoch ist es 
möglich, mit Hülfe der aus der Natur der Sache sich ergebenden 
Bedingungen und der sonsther bekannten Grundsätze der römischen 
Taktik, sowie mit Benutzung einer besonderen Art monumentaler 
Zeugnisse, auch darüber Vermuthungen aufzustellen, welche sich 
schwerlich weit von der Wahrheit entfernen werden. Wie einst 
Caesar gethan, dessen Landungsplatz übrigens trotz aller darauf ver- 
wendeten Mühe und der sinnreichsten Combinationen von Beobach- 
tungen über Stürme, Meeresströmungen und Fluthbewegung mit Sicher- 
heit nicht zu ermitteln ist, benutzte man unzweifelhaft die im Kanal 
herrschenden Südostwinde, um an der schmälsten Stelle desselben 
von einer oder mehreren der schlechten nordfranzösischen Rheden 
ans so schnell als möglich an die englische Küste zu gelangen. Wo 
die erste Landung und Verschanznng des Landungscorps stattfand, 
ist gleichgültig; sicher begannen die Operationen mit einer Concen- 
tration der gesammten Armee an einem Punkt möglichst in der Mitte 
des überhaupt für eine Landung möglichen Theiles der Südküste, 
über deren topographische Beschaffenheit man gewiss längst im Besitze 
jeder erreichbaren Kundschaft war. Auf einen oder mehreren Punkten 
etwa zwischen Dover und Southampton (näher lässt sich das Gebiet 
nicht begrenzen) muss die Landung erfolgt sein, auf der durch die „fünf 
Häfen" (Sandwich, Dover, Romney, Hythe, Rye) bezeichneten Küsten- 
strecke, auf welcher später auch Wilhelm des Eroberers Landung 
stattfand. Die fast durchweg unnahbaren Felsenküsten von Comwall 
und Devon kamen dabei natürlich nicht in Betracht. Höchst wahr- 
scheinlich waren, um eine sichere Grundlage der Kriegführung zu 
gewinnen, die Beziehungen zu britannischen Fürsten und Stämmen 
dienlich, welche die ganze Expedition eingeleitet hatten. Ein oder 
mehrere Lager mussten ja nothwendig nach dem bekannten römischen 
Brauch erst errichtet sein, ehe an den weiteren Vormarsch gedacht 
werden konnte. Wo haben wir uns die ersten Standlager der Armee 
des Claudius zu denken? Schwerlich ist es ein Zufall, dass gerade 
an einem fast centralen Punkte der südwestlichen Küste, in Chi- 

Hübner, Westeuropa. 2 



18 England 

ehester, der alten Hauptstadt des Volksstammes der Regni, jetzt 
einer der stillen und anmuthigen Kathedralenstädte, wie sie Dickens' 
letzter Roman so tlheraus anschaulich schildeil, ein einheimischer 
Fürst, der vom Kaiser Claudius das römische Bürgerrecht und den 
Titel eines Legatus Augusti erhalten hatte, dem Neptun und der 
Minerva zu Ehren des kaiserlichen Hauses einen Tempel errichten 
Hess. In dem dem Herzog von Richmond gehörigen Park von Good- 
wood steht das Denkmal dieses „Königs" Tiherius Claudius Cogi- 
dumnus, wie er sich nennt, unhemerkt von den Tausenden, welche 
dort jährlich zu den Goodwood Races zusammenströmen. Tacitus 
bezeugt ausdrücklich, dass Claudius dem Könige Cogidumnus einige 
Völkerschaften zum Geschenk gemacht und dafs dieser bis auf des 
Agricola Zeit den Römern treu ergeben geblieben sei. Dies also 
war sicher einer der ersten Punkte, an welchem die Besetzung, 
unterstützt durch diplomatische Action, festen Fuss fasste. Ich gebe 
nicht viel darauf, dafs unmittelbar südwestlich von Southampton erheb- 
liche Reste eines römischen Lagers gefunden worden sind, wonach 
man den in den römischen Itinerarien erwähnten Ort Clausentum 
nach Bittern bei Southampton setzt. Der Ort hat, wie die meisten 
römischen Niederlassungen im Süden Englands und im Norden Frank- 
reichs, nur wenig römische Denkmäler aufzuweisen, was auf eine 
frühe Gründung und spätere Vernachlässigung schliessen lässt. Doch 
ist die Vermuthung nicht abzuweisen, dass der Name Clausentum 
eine Bildung aus dem des Claudius sei, etwa für Claudientum. 
Wenigstens entspräche dies durchaus dem alten Brauch der römischen 
Eroberer. An den alten Atta Clausus, den Stammherm des clau- 
dischen Geschlechtes, darf man dabei nicht denken. In Spanien, 
Gallien, Germanien bezeichnen Stadtgründungen mit aus den Namen 
der siegreichen Feldherren gebildeten Ortsnamen überall den Weg 
der Eroberung. Es ist mithin mindestens sehr möglich, dass dieser 
Ort gegründet wurde im Anschluss an eine der ältesten Flotten- 
stationen in der neuen Provinz und seinen Namen erhielt, um des 
Kaisers Landung und siegreichen Feldzug zu verewigen. Unmittel- 
bar vor dem „grofsen Hafen" liegt die Insel Wight, deren aus- 
drücklich überlieferte Besetzung während der Expedition des Clau- 
dius, welche gleich zu erwähnen sein wird, es unzweifelhaft macht, 
dafs hier die Operationen begamien. 
strafsenbau Den damaligen Kulturstand der einheimischen Bevölkerung im 



Die Eroberung Britanniens 19 

Süden der Insel darf man sich nicht allzu gering vorstellen. Er 
war mindestens dem der vorgeschrittensten unter den gallischen 
Völkerschaften zu Caesars Zeit gleich, dem der Germanen der 
gleichen Epoche überlegen. In der Zeit von Caesar bis Claudius 
sind zahlreiche Münzen von den einheimischen Fürsten nach dem 
Fufs der gallischen geschlagen worden. Der Name des sagenbe- 
rühmten Cunobellinus, Shakespeares Cymbeline, erscheint unter an- 
deren darauf; auch gab es einzelne Städte von verhältnissmäfsigem 
Reichthum. Eines aber fehlte sicher, wie überall im Barbarenland, 
ehe es der Fufs des römischen Legionars betrat, und zwar das 
Nothwendigste für den Vormarsch einer Armee von mindestens 
40,000 Mann (ich rechne gleich eine entsprechende Zahl ab für die 
Sicherung der Küstenplätze und Flottenstationen): Strafsen. Der 
Chef des Genies im Stabe des Kaisers, der römische Praefectus fa- 
brum — seinen Namen kennen wir nicht — , gewiss der erste Mann 
seines Faches und von hoher wissenschaftlich -militärischer Bildung, 
legte unzweifelhaft damals schon den Grund zu dem Strafsennetz, 
welches später nach und nach die Insel nach allen Richtungen hin 
durchzog. Darin aber zeigt sich die sichere Gewöhnung einer wenn 
auch an sich nicht grofsen Zeit, dafs man in solchen Dingen keinen 
Schritt umsonst zu thun pflegte. Wir gewinnen mit dieser Erkennt- 
nifs die Möglichkeit, aus dem späteren Strafsennetz sowie aus der 
Lage der festen Standquartiere, welche gleich damals die Legionen 
wenigstens bezogen, den langsam aber sicher vorschreitenden Gang 
der Besetzung des Landes selbst zu erkennen. Nordwestlich von 
€hichester weiter in's Land hinein liegt das seit der sächsischen 
Eroberung und in der Kirchengeschichte hochberühmte Winchester, 
damals Venta, der Hauptort der mächtigsten unter den südenglischen 
Völkerschaften, der Belgae, unzweifelhaft eines früh erstarkten Ab- 
legers des gleichnamigen festländischen Stammes. Dort ist ein kleiner 
Altar gefunden worden (er steht jetzt im brittischen Museum), ge- 
setzt von einem Ordonnanzoffizier (würden wir sagen) des Statt- 
halters der Provinz den italischen, germanischen, gallischen und 
brittischen „Müttern''. Aus den Männern dieser vier Regionen be- 
stand der Kern des Heeres. Hier kann mit hoher Wahrscheinlich- 
keit der erste Sitz des Armee- (und natürlich auch Provinzial-) Ober- 
kommando's angenommen werden. Die Lage ist so systematisch 
gewählt wie möglich: just die Mitte zwischen den tief einschneiden- 

2* 



20 England 

den Mündungen der Themse . östlich und des Severn westlich, in 
gerader und gewiss völlig gesicherter Verbindung mit dem durch die 
davorliegende Insel Wight so unvergleichlich geschützten Hafen von 
Southampton, dem alten Clausentum. Von Venta aus führt die 
spätere Strafse in gleicher Richtung nach Calleva, der Stadt des 
Verica (Silchester) ; auch darin mag, wer will, blolsen Zufall sehen. 
Von hier aus erfolgte später der weitere Vorstofs gleichzeitig nach 
Osten und nach Westen, immer auf den durch die üeberlieferung 
der Reichsitinerare und zahlreiche üeberreste uns hinlänglich be- 
kannten Strafsenzügen, welche noch über das Mittelalter hinaus unter 
mannigfach wechselnden Namen die Hauptverkehrsadern des Landes 
geblieben sind. 
schLldun^s- Sowcit siud die Grundzüge der Eroberung topographisch mit 

Schlacht einiger Wahrscheinlichkeit festzustellen. Wo die entscheidende Schlacht 
stattfand, zu welcher des Kaisers Anwesenheit erwartet wurde, ist 
weniger sicher. Der Bericht des Dio ist verständlich und in sich 
zusammenhängend. Gesagt ist nur, dafs zuerst Caratacus, dann 
Togodumnus, die Söhne des Trinovantenfürsten Cunobellinus und 
Brüder des Adminius, einzeln geschlagen wurden, nicht aber wo. Sie 
können sehr wohl dem von Verica und den Atrebaten geführten Heer, 
das sie zuerst durch die bekannte Taktik des Zurückweichens in 
Wälder und Sümpfe weit in das Land gelockt hatten, auf dem Marsche 
gegen Camalodunum an verschiedenen Stellen in den Weg getreten 
sein. Hierauf wird eine Völkerschaft unterworfen, die in einem Ab- 
hängigkeitsverhältniss stand zu den Catuellaunen, iden alten Gegnern 
der Trinovanten, und eine Besatzung bei ihnen zurückgelassen, wahr- 
scheinlich in Glevum (Gloucester). Sie heifsen bei Dio Boduner; 
genau in derselben Gegend, als unmittelbare Nachbarn der Atrebaten 
nach der Seite der Silurer zu, nennt die Lisie, des Ptolemaeos 
Dobuner oder Lobuner. Die Identification der Boduner und Dobuner 
liegt so nahe, dafs sie bisher von fast allen, dife sich mit diesen 
Fragen beschäftigt haben, angenommen worden ist. Aber wie man 
auch über sie denkt, dafs diese Ereignisse im westlichen Britannien, 
etwa in der Umgebung des Bristolkanals, sich abspielten, kann nicht 
bezweifelt werden. Unsicher bleibt aber der Fluss, den die schwimm- 
kundigen Bataver zur Ueberraschung der Barbaren durchschwammen; 
er wird ausdrücklich von der nachher genannten Themse unter- 
schieden. Man kann daher sehr wohl an den Avon (alt wohl Abona) .^ 



Die Eroberung Britanniens 21 

denken. Hier erfochten Vespasianus und sein Bruder Sabinus, nach- 
her Hosidius Geta an der Spitze ihrer Legionen Siege. Die alten 
Biographen Vespasians haben verzeichnet, offenbar auf Grund einer 
Triumphalinschrift des Kaisers, dafs er als Befehlshaber einer der 
Legionen des Claudius in Britannien dreifsig Treffen geliefert, 
zwei tapfere Völkerschaften und über zwanzig Ortschaften der- 
selben, endlich, wie schon gesagt, die Insel Wight unterworfen 
habe, und zwar theils unter dem Oberkommando des Kaisers selbst, . 
theils unter dem des Aulus Plautius. Der Besitz von Wight war 
gewiss eines der ersten Ziele der Eroberung: ich vermuthe, dafs 
ihre Unterwerfung noch im ersten Jahre unter dem Kommando des 
kaiserlichen Hauptquartiers erfolgte. Aus der Lage der Insel vor 
dem grofsen Hafen, dem von Southampton, folgt mit grofser Wahr- 
scheinlichkeit, dafs der Vormarsch von diesem ziemlich weit westlich 
gelegenen Punkte aus erfolgte. Unter Plautius wird Vespasianus 
dann in den folgenden Jahren seine übrigen Thaten verrichtet haben. 
Nach den ersten Niederlagen weichen die Barbaren nach Osten zurück, 
zu ihren alten Wohnsitzen nördlich der Themsemündung. Abthei- 
lungen der Flotte werden vorher von Westen her in den Bristol- 
kanal, nachher von Osten in die Themsemündung einfahrend den 
Feldzug unterstützt haben. Hier erst erfolgte die entscheidende 
Schlacht, zu welcher die Ankunft des Kaisers erwartet worden war. 
Unmittelbar daran schliefst sich die Einnahme der Königsburg des 
Cnnobellinus, Camalodunum, so genannt nach dem britannischen 
Kriegsgott Camalus, worauf der Kaiser, nach nur sechszehntägigem 
Aufenthalt auf der Insel, nach Gallien zurückkehrt. In diesem Be- 
richt Dio's ist nichts, was über die durch Ort und Zeit gegebenen 
Schranken hinausginge. Auf jenem Siegeszuge fand die Nieder- 
werfung der elf Könige statt, welche die Inschrift des dem Kaiser 
nachher in Korn errichteten Triumphbogens erwähnt. 

Als der nördlichste Punkt, welcher auf der Ostseite der Insel ^»™^i<^^"- 

' num 

im ersten Jahre der Eroberung erreicht wurde, ist hiernach Cama- 
lodunum anzusehen. Sicher ist, dafs dort dem Claudius noch bei 
seinen Lebzeiten ein Tempel errichtet wurde, wahrscheinlich zugleich 
mit der Göttin Roma und der Venus oder Victoria; denn so hiefs 
bekanntlich die römische Venus als Stammmutter der Aeneaden und 
des julischen Kaiserhauses. Das war der Mittelpunkt für den sofort 
eingerichteten Provinzialkultus, ähnlich wie für das germanische 



22 England 

Grenzland der Altar des Augustus in der Ubierstadt Köln, für 
Gallien der des Claudius bei Lyon am Zusammcnfluss von Bhone 
und Saöne, fttr Hispanien der Tempel des Augustus in Tarragona. 
Camalodunum hiefs danach in der amtlichen Sprache Golonia Yictrix. 
In dem austemberühmten Golchester, das an seiner Stelle liegt, ist, 
aufser der hohen Lia^e des alten Kastells mit seinem weiten Blick 
über die Marschen und Küsten, einigen Mauerresten und den üb- 
lichen Zeugen römischer Niederlassungen, Bronzen, Grabsteinen und 
Geräthscherben, die ein sauberes städtisches Museum bewahrt, nicht43 
vom alten Glanz der barbarischen Zeit zu sptlren. Ein schöner 
Grabstein eines Centurionen der zwanzigsten Legion, mit dem Belicf- ' 
bild des Verstorbenen in ganzer Figur, ein anmuthiges Kunstwerk 
wohl noch aus neronischer Zeit, bezeugt die militärische Bedeutung 
der Stadt. Als eine Folge der Besetzung von Camalodunum wird 
die Unterwerfung der nächst wohnenden Stämme, wie der Diener, 

^ anzusehen sein. Bir König Prasutagus erscheint wie der der Begner 

Cogidumnus unter den von Bom abhängigen britannischen Fürsten. 

Bleiminen Wie woit uach Wcstcu in das Land hinein der Vorstofs der 

Armee in den Jahren der ersten Statthalterschaft zu dauernder 
Unterwerfung führte, ist nicht unmittelbar bezeugt. Doch lässt sich 
dafür auf anderem Wege ein Zeugniss gewinnen. Seit den Tagen 
des Pytheas von Massalia, des ersten Griechen, welcher das äufserste 
Thule erreicht zu haben sich rühmte (gemeint sind damit die Orkney- 
Inseln), ist der Beichthum der Berge des fernen Britanniens an edlen 
und unedlen Metallen und seiner Meere an Perlen von Dichtem und 
Prosaikern mit märchenhafter Uebertreibung gefeiert worden. Auch 
Caesar zog es wenigstens mit in seine Berechnung, als er die britan- 
nische Expedition unternahm, dafs damit möglicher Weise dem Beiche 
ein zweites Hispanien als eine neue, unerschöpfliche Quelle des 
Beichthums erworben werden könne. Und soviel steht ja fest^dafs 
das Zinn und Blei, welches die zuerst vielleicht von den PhoeiUKiem, 
dann von der einheimischen Bevölkerung eifrig bebauten und arg- 
wöhnisch abgeschlossenen Minen von Comwall und Devon nach den 
Scilly-Inseln lieferten, unter den Ausfuhrartikeln der Insel seit un- 
vordenklicher Zeit die erste Stelle einnahm. Am östlichen Ufer der 
Sevenimündung und südlich vom Avon, in dem nördlichsten Theil 
des heutigen Somerset, liegt der noch jetzt bebaute Minenbezirk der 
Mendiphügel. Dies war das erste von den Bömern in Betrieb ge- 



Die Eroberang Britanuiens 23 

noiTimene britannische Bergwerk; die Bergwerke von Devon und 
Cornwall liefs man, wie bei der Landung, vor der Hand links liegen. 
Die einzigen römischen Orte in jenen Gegenden, Durnovaria, das 
spätere Dorchester, der Hauptort der Durotriger, von welchen die 
Grafschaft Dorset ihren Namen hat, und die Stadt der Dumnonier 
Isca, Exeter, scheinen erst viel später einige Bedeutung erlangt zu 
haben. Aber in den Mendiphügeln sind seit dem sechzehnten Jahr- 
hundert nach und nach etwa vierzig Bleibarren zum Vorschein ge- 
kommen mit lateinischen, in die Gussform gestempelten Aufschriften. 
Diese Aufschriften enthalten zum weitaus gröfsten Theil die Namen des 
regierenden Kaisers als des rechtmäfsigen Besitzers der Minen (doch 
kommen auch Namen von Privaten vor) und den des Bergwerks; 
daneben findet sich zuweilen die Angabe, dafs das Metall aus silber- 
haltigem Erz gewonnen sei. Die Barren wechseln im Gewicht 
zwischen rund 50 und 225 englischen Pfunden; die jüngsten Kaiser- 
namen, welche auf den bis jetzt vorliegenden sich finden, sind die 
des Marcus Aurelius und Lucius Veras. Der älteste Barren aber, 
jetzt im brittischen Museum, im Gewicht von 163 Pfund, trägt den 
Namen des Britanniens und das Jahr 49 n. Chr. Also bereits sechs 
Jahre nach der Invasion ist der Name des damals siebenjährigen Thron- 
folgers, der schon in seinem vierzehnten Jahre starb, sicher mit Zu- 
stimmung des Kaisers, dessen eigener Name wohl nur aus Zufall 
bisher noch auf keinem Barren gefunden worden ist, diesem Er- 
zeugniss der neuen Provinz aufgestempelt worden. Bis dahin ist 
mithin die Besetzung gleich in den ersten Jahren vorgeschritten. Ob 
dagegen das im westlichen Binnenlande etwa auf gleicher Höhe mit 
Colchester gelegene Glevum (Gloucester) schon damals dauernd be- 
setzt worden ist, muss nach den vorliegenden Berichten bezweifelt 
werden; erst sieben Jahr später wird von einem gegen die Si- 
lurej^errichteten Legionslager berichtet, womit nur Glevum gemeint 
^ein Kann. Man wird die Linie Bath (Aquae Sulis), Silchester 
(Calleva), London (Londinium) mit der vorgeschobenen Festung Col- 
chester mit Wahrscheinlichkeit als die erste bezeichnen können, bis 

9 

ZU welcher die neue Provinz sich erstreckte. 

Bereits im Jahre 44, also ein Jahr nach dem Aufbruch, ist der ^f^gSJ,^; 
Kaiser wieder in Rom und feiert den britannischen Triumph. Sechs ""^p*i 
Jahre später war auf dem Marsfeld schon zur Erinnerung an diesen 
Triumph der prachtvolle Bogen errichtet, dessen Reste noch im fünf- 



24 England 

zehnten Jahrhundert den Corso beim Palast Sciarra sperrten. Die 
grofsen Kcliefs desselben, die Parade der Armee vor dem Kaiser 
und seinen Generalen darstellend, steif und ernst und ohne Anmuth, 
sind theilweise noch erhalten und in der offenen Eingangshalle der 
Villa Borghese zn sehen. Die Inschrift des Bogens, eine gewaltige 
Marmorplatte mit grofsen, aus Erz eingelegten Buchstaben, ist nur 
zur Hälfte noch vorhanden; sie befindet sich in einer Terrassen- 
wand neben dem Palast Barberini eingemauert. Der Kaiser rühmt 
sich darin, ohne jeglichen Verlust elf britannische Könige besiegt 
und unterworfen und zuerst die Barbaren jenseits des Oceans dem 
Beiche einverleibt zu haben. Auch Weihgeschenke wurden dem K^ser 
in Kom für die glückliche Heimkehr und den Sieg aufgestellt. Den 
Siegesnamen Britannicus aber lehnte Claudius für seine Person ab, 
auch darin seinen Stiefgrofsvater Augustus nachahmend; ihn führte 
seitdem der schon erwähnte unglückliche Sohn der Messalina, zuerst 
Germanicus genannt. Von einem zweiten Bogen, der dem Kaiser 
an der gallischen Küste da errichtet wurde, wo die Expedition hin- ^ 
übergegangen war, ist schon gesprochen worden. Auch in den 
übrigen Provinzen des Reichs wurde der Sieg gefeiert. In Kyzikos 
wurde dem Claudius ein Ehrenbogen errichtet, zugleich mit seinen 
Vorgängern Augustus und Tiberius, dessen Aufschrift ihn, wie diö* 
Aufschrift des Triumphbogens in Rom, als den Besieger von elf bri- 
tannischen Königen feiert. 

Der erste Statthalter von Britannien, Aulus Plautius, verwaltete 
die neu erworbene Provinz, das heifst also den südlichsten Abschnitt 
der Insel, noch weitere drei Jahre; bei seiner Heimkehr wari ihm 
die Auszeichnung der Ovation oder des kleineren Triumphs zu Theil. 
Dies Ergebniss spricht deutlicher als Schlachtberichte: die Expedition 
muss so wohl vorbereitet gewesen und mit solchem Glück geleitet 
worden sein, dafs sie vollkommen gelang. 

Claudius, der Wasserkopf mit dem schielenden Blick und der 
schweren Zunge, der Spott der Zeitgenossen, der das Sprichwort 
wahr gemacht hatte, dafs man entweder als König oder als Tropf 
zur Welt kommen müsse, er hatte wie spielend erreicht, woran 
Caesars Glück und Augustus* Vorsicht gescheitert waren; er konnte 
sich in der Rede, welche auf den grofsen Erztafeln des Museums 
von Lyon, seiner Vaterstadt, erhalten ist, rühmen, das Reich über 
den Ocean hinaus erweitert zu haben. In der römischen Anthologie 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 25 

stehen nicht weniger als acht mehr oder weniger gelungene Epi- 
gramme der Hofpoeten, welche das Ereigniss feiern. In einer der 
geistreichsten, aber boshaftesten Satiren aus dem Alterthum, die wir 
haben, in des jüngeren Seneca Apotheose oder Apokolokyntose (das 
heifst Verkürbissung) des Claudius, lässt der Verfasser ein Trauer- 
loblied auf ihn singen, als er auf des göttlichen Angustus Antrag 
und den einstimmigen Beschluss aller Grötter aus dem Olymp, in 
den er eben nach seiner Consecration eintreten soll, hinausgeworfen 
und in den Orcus abgeführt wird. In diesem wird unter Anderem 
gesagt, mit deutlicher Anspielung auf die ruhmredige Aufschrift des 
Triumphbogens: „Er befahl, den Britannien! jenseit der Gestade des 
bekannten Meeres und den Briganten mit ihren blauen Schilden den 
Hals mit den römischen Ketten zu beschweren, und liefs selbst den 
Ocean vor dem neuen Gebot der römischen Beile erzittern". 



n. 
Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian. 

Es ist nicht meine Absicht, hier einen historisch-antiquarischen 
Commentar zum Agricola des Tacitus vorzulegen. Freilich giebt es 
keinen der Art, auf welchen verwiesen werden könnte, und der oft, 
besonders von englischen Militärs gemachte Versuch, wie von dem 
General Roy im vorigen Jahrhundert, die Erzählung des Tacitus mit der 
Oertlichkeit in üebereinstimmung zu bringen, stöfst auf grofse 
Schwierigkeiten. In kurzen Zügen hat der unerreichte Meister im 
rhetorisch -poetischen Stil der Historiographie von jedem der Vor- 
gänger des Agricola und seiner Thätigkeit, von den Fortschritten der 
Besetzung und Unterwerfung des Landes ein scharf umrissenes Bild 
gegeben, dessen Umrisse wiederum durch die allgemeine Analogie 
des anderswo ähnlich Ueberlieferten, durch Denkmäler und Inschriften 
Farbe und Leben gewinnen. Allein die Lösung dieser Aufgabe 
fordert gi'öfseren Raum und weiteres Ausholen. Hier soll es ge- 
nügen, gleichsam das Skelett der Ereignisse zu geben und die lei- 
tenden Grundsätze der fortschreitenden Eroberung darzulegen, ohne 
die der Geschichtschreibung vorbehaltene eingehende Schilderung der 
Personen und der unter den verschiedenen Kaisem mit wechselndem 
Glücke geführten Kämpfe. 

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26 England 

^ Städte*^ Etwa eiu Deccuiiium nach dem Beginn der Besetzung hatte eine 

hinreichende Anzahl von Legionaren ihre Dienstzeit beendet und es 
musste für die Ansiedelung dieser Veteranen in der neuen Provinz 
gesorgt werden, um auf "diese Weise, nach den bekannten Grund- 
sätzen römischer Verwaltung, einen sesshaften Kern der Bevölkerung 
zu gewinnen, aus dem sich, neben und im engsten Anscliluss an die 
befestigten Lagerplätze der Truppen, städtisches Leben mit Handel 
und Gewerbe, Unterricht Hud Künsten entwickeln konnte. So sind 
überall die römischen Lc^erstädte entstanden, deren rechtwinkelige 
Anlage wenigstens in Strafsen und Thoren, Mauern und Thürmen 
von so mancher modernen Stadt erkennbar ist, wo nicht der Wüsten- 
sand allein sie bedeckt un4 in fast unberührter VoUständigkeit be- 
wahrt hat, wie in der französischen Strafcolonie Lambessa, dem alten 
Lambaesis, in Algier. Die erste Veteranencolonie in Britannien, 
unter dem nächsten Nachfolger des Aulus Plautius zu Nero's Zeit 
gegründet, war die von Camalodunum, das wegen der erwähnten 
Stiftung eines gemeinsamen Kultus für die Provinz dasellbst die erste 
Hauptstadt der neuen Provinz geworden sein muss und seinen Cha- 
rakter als befestigtes Standquartier der vierzehnten Legion, der 
Bändiger von Britannien, wie sie im Heere hiefsen, nach und nach 
verlor. Tacitus hebt ausdrücklich hervor, dafs die Veteranencolonie 
unbefestigt war, als sich der Aufstand der Dcener zunächst gegen sie 
wendete. London, schon damals gewiss der wichtigste Handelsplatz 
des Landes, wurde wahrscheinlich sogleich der Sitz eines römischen 
Zollamtes für die von den gallischen und germanischen Kaufleuten 
eingeführten Waaren und erhielt eine Flottenstation. Die anderen 
alten Königsburgen der einheimischen Fürsten, wie die Burg der 
Kantier, Durovemum (Canterbury), Calleva (Suchest er), Verulamium 
(Verulam bei St. Albans), Duroconiovium (Cirencester, westlich von 
Oxford), und andere, sind nie bedeutende römische Städte geworden. 
Wo die alten Erdwerke der Lagerbefestigungen einigermafsen aus- 
gebaut wurden und erhalten blieben, zeigt der stehende und sehr 
begreifliche Brauch der sächsischen Eroberer an, welche alle solche 
Orte ausdiücklich Castrum (ceaster) nannten, die alten, in natürlich 
befestigter Lage, meist hoch gelegenen Orte ohne römische Werke 
aber als Burgen (wie Canterbury, Shrewsbury, Peterborough) oder 
wenigstens mit ihren alten Namen, ohne den Zusatz — ehester be- 
zeichneten. Keineswegs darf man aus dem in den englischen Orts- 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 27 

namen so ungemein häufigen Bestaudtheil ehester schliefsen, dafs es 
ebensoviel römische Festungen im eigentlichen Sinne des Worts, be- 
festigte Lagerplätze mit stehender Besatzung, in der Provinz gegeben 
habe. In diesem Sinne ist in dem südlichen Theile der Insel aufser Gievum 
Colchester nur noch eine römische Festung nachweisbar, Gievum, 
ein alter Ort des Stammes der Dobuner, von den Sachsen Gleavan- 
ceaster genannt, das heutige Gloucester, ein Name, dessen Klang 
uns aus der geschichtlichen üeberlieferung weniger vertraut ist, als 
aus Shakespeare* 8 Dichtungen. Wir wissen jetzt (es ist erst vor 
Kurzem durch eines bescheidenen Lokalforschers Verdienst zu völliger 
Evidenz gebracht worden), dafs dort wahrscheinlich gleich von An- 
fang an eine andere von den britannischen Legionen, die zweite Au- 
gusta genannte, ihr erstes Standquartier erhielt, an das sich wohl 
ebenfalls früh eine Veteranencolonie anschloss. Merkwürdiger Weise 
liegt Gloucester, wie ein Blick auf die Karte zeigt, westlich fast 
genau auf demselben Breitengrade wie im Osten Colchester, und 
beide fast ganz gleich weit entfernt von Calleva (Silchester), dem 
ersten Knotenpunkt der beiden grofsen Hauptstraf sen, welche im 
Osten und Westen der Insel nordwärts führten. Vielleicht bildete 
also die Linie Gloucester -Colchester die zweite Nordgrenze der in- 
zwischen dui'ch erweiterte Strafsenzüge und neue Flottenstationen an 
beiden Küsten fester zusammengefassten Provinz. Bei oberflächlicher 
Betrachtung kann es freilich scheinen, als ob weder Camalodunum noch 
Gievum als die ersten Standquartiere der vierzehnten und der zwan- 
zigsten Legion anzusehen seien, sondern als das jener vielmehr die britan- 
nische Stadt Viroconium, bei dem heutigen Wroxeter unweit Shrews- 
bury in Shropshire, im westlichen Theil des Landes. Man hat 
diesen kleinen Ort mit einiger üebertreibung ein brittisches Pompeji 
genannt. Es steht daselbst allerdings ein grofses Stück eines rö- 
mischen Bauwerks aus der spätesten Zeit der römischen Herrschaft, 
und Reste von ziemlich ausgedehnten Villen und Bädern, die Grab- 
steine zweier Soldaten der vierzehnten und eines der zwanzigsten 
Legion, sowie der eines thrakischen Reiters sind innerhalb des alten 
Mauerrings gefunden worden. Dennoch ist Viroconium niemals Stand- 
lager einer oder mehrerer Legionen gewesen, wie seine ganz ungleich- 
mäfsige ovale ümwallung und seine Ueberreste deutlich zeigen; hat 
auch später nie den Titel Colonie erhalten. Dafs einige Soldateu- 
grabsteine daselbst gefunden worden sind, beweist so wenig für die 



28 England 

Colonie wie die weit zahlreicheren Funde gleicher Art für Londinium 
oder Aquae Sulis (Bath). Jene Legionare scheinen während der Expe- 
dition des Paullinas nach Mona, die gleich zu erwähnen ist, gefallen 
zu sein; in beiden erscheint die Legion ohne die Beinamen Martia 
Victrix, welche sie erst nach der Wiedereroberung von Camalodunura 
erhielt. Sie gehören also in die frühere Zeit der Besetzung. Aber 
Viroconium liegt so weit nördlich über die Linie Gloucester-Col- 
chester hinaus, dafs nur zwingende Gründe dazu veranlassen könnten, 
schon damals eine solche Ausdehnung der Eroberung anzunehmen. 
Etwas südlich von Gloucester, bei Aylburton, sind hoch am 
Severn gelegene Reste des grofsen Heiligthums eines britannischen 
Gottes Nodon gefunden worden; eine merkwürdige und in ihrer Art 
fast allein stehende Anlage. 
«ca^'^üa ^^^ festen Standlager der Legionen waren die natürlichen Stütz- 

punlite für die weiteren Operationen. Die übrigen Legionen und 
sämmtliche Auxilia zu Fufs und zu Boss waren in vorübergehend 
errichteten Lager- und Gamisonplätzen vertheilt; jeder Vormarsch in 
feindliches Gebiet suchte natürlich sogleich wieder im Kleinen, wie 
für das ganze Land im Grofsen, feste Stützpunkte zu gewinnen. 
Von Gloucester erfolgte der Vorstofs gegen Wales, das schwer zu- 
gängliche Bergland der Silurer und Ordoviker; die SilurerstÄdte 
Venta (Caerwent, nicht zu verwechseln mit dem belgischen Venta in 
Südengland) und Isca, im dritten Jahrhundert das Standquartier der 
zweiten Legion, daher Caerleon, Castra Legionis — Caer ist die 
welsche Umformung von Castra — in Südwales bezeichnen wohl unge- 
fähr die erste Marschrichtung. Aus dem Bericht des Tacitus über 
die Feldzüge des Ostorius Scapula, des Nachfolgers des Plautius, 
ebenfalls eines vorzüglichen Offiziers, geht nur soviel deutlich hervor, 
dafs er auf den beiden Kriegsschauplätzen, im Osten, auf Camalo- 
dunum gestützt, gegen die Ikener, im Westen, auf Glevum gestützt, 
gegen die Siluren, mit ungefähr gleichem Erfolge vorging. Während 
Gamalodunum zur Colonie erhoben und mit zuverlässigen Veteranen 
besiedelt wird, legt der Lagerpräfect der zwanzigsten Legion im Lande 
der Siluren zerstreute Kastelle an, deren Besatzungen in der Vereinze- 
lung theilweis unterliegen, bis die zusammengenommene Kraft der Le- 
gionen die Feinde zurückwirft. Leider ist die einzige Ortsangabe für 
diese Kämpfe in der Handschrift der Annalen des Tacitus verderbt 
überliefert. Alle bisherigen Versuche den Namen des hier genannten 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 29 

Flusses wieder herzustellen sind missglflckt: der neueste, der den 
Antonafluss bei Southampton annimmt, führt zu weit nach Süden. 
Das Wahrscheinlichste bleibt, dafs Ostorius in dem weiten Gebiet 
zwischen Camalodunura und der Sevemmündung nach dem alten rö- 
mischen Brauch Kastelle anlegte, ohne dafs daraus dauernde Nieder- 
lassungen hervorgingen. Der Feldzug des Scapula endet zwar mit 
der von Tacitus in den Annalen eindrucksvoll geschilderten Nieder- 
lage der Britannier und der Gefangennahme ihres Fürsten Caratacus, 
des Caradoc der Sagen von Wales, aber keineswegs mit der wirk- 
lichen Besetzung des Landes, die erst zwanzig Jahr später durch- 
geführt worden^ ist. In den nächsten sechs Jahren wurden die Gren- 
zen der Provinz nicht erweitert. Erst Suetonius Paulliuus, ein ehr- suetonius 

Paiillmus 

geiziger Führer, voll Tapferkeit, der Rival des Corbulo, aber ohne 
die nöthige Vorsicht, gewinnt, so scheint es, beträchtlich weiter 
nördlich, an der Flussmündung des Deva, ein neues Standquartier 
für die dritte der britannischen Legionen: es führte damals den 
gleichen Namen wie der Fluss und hiefs später nur das Lager 
schlechthin: Castra, ehester. Aus dieser ersten Zeit der Colonie ehester 
sind zahlreiche Grabsteine von Legionaren, sämmtlich der zwanzigsten 
Legion, erhalten. Bei der Erweiterung der Befestigungen im dritten 
Jahrhundert sind sie in die nördliche Stadtmauer verbaut worden. 
Paullinus versuchte es von da aus den Kanal von Bangor, den jetzt 
die berühmte Eisenbahnbrücke überspannt, zu überschreiten und das 
Eiland Anglesey, das alte Mona, den Hauptsitz des keltischen Gottes- 
dienstes, zu erobern. Er mag sich das öde Felsplateau gröfser und 
mächtiger vorgestellt haben, als es in Wahrheit ist. Segontium (Gaer 
Seiont) wird damals schon von ihm zum Schutz des Uebergangs an- 
gelegt worden sein. Inzwischen aber brach im Jahre 61 im Osten 
der Insel, und zwar mit richtiger Berechnung von Seiten der Em- 
pörer in Camalodunum selbst, in dessen Lager nur eine schwache 
Garnison geblieben war, die erste und höchst gefährliche Rebellion 
der unterworfenen Fürsten und Völker gegen das römische Joch aus. 
Ihre Schilderung durch Tacitus hat strengen Tadel erfahren. Seine 
Leser brachten den Dingen nicht das sozusagen technische Interesse 
entgegen, wie wir es zu thtin pflegen; ihm selbst lag nur daran, die 
Thatsachen wirkungsvoll zu verknüpfen. Ursachen aber und Wirkung 
legt er gewiss richtig in ungefähr folgender Weise dar. Die Aus- 
bebung und die Besteuerung, beide oft mit Gewalt und Erpressung 



30 England 

verbunden, machten den sonst meist der Ruhe geneigten gemeinen 
Mann den hochfliegenden Plänen der Königin der Ikener Boudicca 
willig. Sie seien vom Regen in die Traufe gekommen, hiefs es schon 
damals; statt eines Fürsten hätten sie jetzt deren zwei, den Legaten 
und den Procurator des Kaisers; der eine nimmt die Söhne vom 
Pflug weg, der andere das Geld aus dem Kasten und das Korn aus 
der Scheuer. Schamlose Unbill von Seiten der kaiserlichen Beamt<in 
gegen das Fürstenhaus und frecher üebermuth der Veteranen gegen 
die Gemeinden trugen das Ihrige bei. Wunder und Zeichen halfen 
nach, die Menge zu fanatisieren : das Bild der Siegesgöttin im Tempel 
des Claudius sollte von seinem Postament herabgestürzt sein oder 
auch sich umgewendet haben, als wolle es weichen. Kurz, Besatzung 
und Veteranen, damals, wie ausdrücklich gesagt ist, durch keine Be- 
festigung geschützt, werden niedergemacht. Petillius Cerialis, der Legat 
der nächsten Legion, der neunten, der zuerst gegen die Empörer 
vorrückt, wird geschlagen und vermag sich kaum in Verschanzungen 
mit dem geringen Rest seiner Truppen zu halten, bis endlich Sue- 
tonius Paullinus mit einem Theile des Heeres erscheint. Er muss 
blühende Städte, Londinium und Verulamium, und ihre römische Be- 
völkerung der Rache und Beutelust der Barbaren preisgeben, um 
seine Kräfte nicht zu zersplittern. Aber es gelingt der überlegenen 
Taktik des römischen Heeres den Aufstand im Keime zu ersticken 
und durch eine einzige siegreiche Schlacht die ganze Provinz dem 
Reiche zu erhalten. Das Alles erzählt Tacitus, weit ausführlicher 
und anschaulicher als im Agricola, in den Annalen, aber freilich 
mit jenem dem rhetorisch -poetischen Stil eigenem Vermeiden fast 
aller Ortsangaben, welches das Verständniss der Erzählung sehr er- 
schwert. Dem Tacitus dient die Erzählung dieses und ähnlicher 
Ereignisse aus Nero's Zeit dazu, auch die politische Verkommenheit 
der Monarchie neben dem Sittenverfall der höchsten Stände zu be- 
weisen. Aber wenn auch der Stern der julischen Dynastie im Sinken 
war, so zeigen diese Ereignisse doch vielmehr, dafs deshalb das 
Reich noch keineswegs in seinen Grundfesten, dem Heer und der 
Verwaltung, wankte. Eine dauernde Hemmung der Eroberung von 
Britannien ist durch jene wenn auch sehr gefährliche Episode nicht 
eingetreten; ehester scheint nicht einmal aufgegeben worden zu sein. 
Erhebliche Verstärkungen von Auxiliartruppen sind damals nach Bri- 
CeriaUa^ taunieu gesendet worden. Der erste Legat Vespasians, Petillius 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 31 

Cerialis, derselbe, welcher soeben erst die neunte Legion in Bri- 
tannien kommandiert hatte, drang im Osten der Insel von Colchester 
aus gegen den mächtigsten und kriegerischesten aller britannischen 
Stämme, die Briganten, vor. Ihr Name wird von Seneca und Ta- 
citus auch für die frühere Zeit schon als fast dem der Britannier 
gleichbedeutend gebraucht, solchen Eindruck hatte er in Rom hinter- 
lassen; mit dem modern italienischen brigante, Räuber, stimmt er nur 
zufällig im Laut überein. Vespasian, der die Schwierigkeiten der 
Aufgabe ans eigener Erfahrung kannte, sandte die von ihm im Jahre 70 
neu aus Flottenmannschaften errichtete zweite Hülfsiegion, die Secunda 
Adiutrix, aus ihren Quartieren in Pannonien sofort nach England, 
zum Ersatz für die vierzehnte, welche inzwischen zum Kriege gegen 
den Bataver Civilis nach Germanien zurückbeordert worden war und 
seitdem dort geblieben ist. Der zweiten damals zuerst und nicht 
auf lange Zeit nach Britannien versetzten Legion erwarb Cerialis ein 
festes Standquartier in der Colonie Lindum, das davon noch heute 
seinen Namen Lincoln führt. Zu Anfang von Domitians Regierung 
stand sie schon wieder in Pannonien; ihr Aufenthalt in England fällt 
also in die Zwischenzeit. Nur in Lincoln sind einige Grabsteine von 
Soldaten dieser zweiten Legion gefunden worden; daher liegt es am 
nächsten, ihren zeitlich begrenzten Aufenthalt mit dem Feldzug der 
Cerialis in Verbindung zu bringen. Es ist wahrscheinlich, wenngleich 
nicht mehr durch Denkmäler zu erweisen, dafs die vier Legionen, 
welche in den ersten Jahren nach der Besetzung wohl noch wechselnde 
Winterlager bezogen, mindestens seit der Verwaltung des Scapula, 
also zu Nero*s Zeit, schon feste Standquartiere bezogen hatten. 
Nach der älteren, erst von Domitian abgeschafften Ordnung lagen jQ 
zwei Legionen in einem Lager; wo diese frühesten Doppellager sich 
befanden, ist nicht zu ermitteln. Aber da es feststeht, dafs die 
vierzehnte in jener zweiten Epoche, bis sie unter Nero aus Britannien 
wegverlegt wurde, zu Camalodunum lag, so wird höchst wahrschein- 
lich die neunte hispanische, die wir auch später im Osten finden, 
nicht allzuweit davon ihr erstes Quartier gehabt haben. Man kann 
an Calleva, die Stadt der Atrebaten, denken, die wohl wie Camalo- 
dunum von Anfang an ein Stützpunkt der Eroberung war, ihrer 
Lage nach und wegen der Beziehungen zu dem Atrebatenfürsten 
Verica. Aus ähnlichen Gründen wird man das erste Standquartier 
der zwanzigsten Legion in dem westlichen Theil der Insel, etwa 



32 England 

zwischen dem der neunten und dem der zweiten, Glevum, wie oben 
vermuthet wurde, ungefähr in der Gegend von Durocornovium (Giren- 
cester) und den Bädern der Sulis (Bath) suchen müssen. Dort sind 
in der That die ältesten Inschriften von Soldaten der Legion ge- 
Agricoia fuuden wordcu. Hier also hätte dann Agricola im Jahre 69 den 
Befehl tiber die Legion übernommen. Er war von Licinius Mucianus, 
dem Reichsverweser Vespasians, dazu ausersehen worden, in der ihm 
schon durch die rudimenta castrorum im Contubernium des Suetonius 
Paullinus bekannten Provinz sich weiteren Ruhm zu erwerben und 
die Truppen dem Vespasian zuzuführen. Nachdem sein Vorgänger 
Roscius Coelius im Streit mit dem Legaten Trebellius Maximus den 
üebermuth der Truppen gefördert hatte, fiel ihm zunächst die schwie- 
rige Aufgabe zu, die Disciplin wiederherzustellen. Unter Vettius 
Bolanus, dem wenig thatkräftigen Nachfolger des aus der Provinz 
herausgeärgerten Maximus, bot sich noch keine Gelegenheit zu krie- 
gerischen Thaten. Erst unter dem Petillius Cerealis, dem einstigen 
Legaten der neunten Legion, häbuerunt virtutes spatium exemplorum. 
Leider ist auch hier die Schilderung dieser Thaten im Agricola zwar 
wie immer voll der glücklichsten und gewähltesten Wendungen, aber 
ohne alle topographische Grundlage und ohne thatsächliche Angaben. 
Deutlich aber sehen wir, wie die Legion im Westen Fufs fasst, 
schon ehe sie zu Ende etwa des ersten oder zu Anfang des zweiten 
Jahrhunderts ihr bleibendes Standquartier in Deva (Chester) erhält, 
neben welchem wahrscheinlich bald jene Lagerstadt erwuchs, die den 
Namen des Lagers bis heute führt. Dort sind die meisten ihrer 
Denkmäler im südlichen Theil der Insel überhaupt gefmiden worden; 
nur hier finden sich die Ziegel derselben; von hier aus hat sie durch 
Vexillationen und Gehörten die praesidia und casteUa längs der west- 
lichen Küste anlegen helfen, wie unter Anderem ihre Arbeit in den 
Steinbrüchen jener Gegenden zeigt. Lindum und Deva liegen vdede- 
rum, wie Gamalodunum und Glevum, in fast genau gleicher Breite, 
das eine zwischen der grofsen Bucht der flachen Ostküste, the Wash, 
und der hafenähnlichen Flussmündung des Humber, das andere, 
Chester, zwischen den Mündungen des Dee und Mersey, dem heutigen 
Hafen von Liverpool, also an möglichst günstigen Punkten für den 
Seeverkehr. Inzwischen hatte Sextus Julius Frontinus, der Nach- 
folger des Cerialis im Kommando, einer der vorzüglichsten von Ves- 
pasians Offizieren, der gelehrte Verfasser uns erhaltener Werke 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 33 

kriegswissenschaftlichen und technischen Inhaltes, endlich auch das 
Gebirgsland Wales unterworfen, so dafs die gröfsere südliche Hälfte 
der Insel römisch war. Die Linie Chester- Lincoln bezeichnet deut- 
lich die dritte Grenze, bis zu welcher die Provinz sich erstreckte, an 
verhältnissmäfsig schmaler Stelle der Insel. 

Des Frontinus Nachfolger im Oberbefehl war Agricola. Dafs 
ihm, dem noch von Vespasian Ernannten, die Söhne und Nachfolger 
desselben, Titus und Domitian, den britannischen Oberbefehl sieben 
volle Jahre (von 78 — 85 n. Chr.) liefsen, mehr als doppelt so lange Zeit, 
als gewöhnlich die Statthalterschaften zu dauern pflegten, zeugt ftir 
das hohe Vertrauen, das er sich zu erwerben und zu erhalten ver- 
standen hat. Die meisterhafte Schilderung seiner Verwaltung der 
Provinz und seiner kriegerischen Thaten, welche wir der Pietät seines 
Schwiegersohnes verdanken, tibertreibt in verzeihlichem und natür- 
lichem Eifer wohl ein wenig den Werth der Thaten, wenn auch 
sicher nicht den des Mannes. Zw^eierlei Aufgaben konnte ein ehr- 
geiziger, kiiegserfahrener und rastlos thätiger Offizier, wie er, nach 
Lage der Sache sich stellen: entweder das Werk der Vorgänger da- 
durch zu krönen, dafs er alles innerhalb der bisherigen Grenzen der 
Provinz belegene Gebiet vollständig und endgültig unterwarf, was 
bis dahin keineswegs geschehen war, oder aber die Vorgänger da- 
durch zu tibertreffen, dafs er noch nicht unterworfenes Gebiet in 
möglichstem Umfang, wo möglich die ganze Insel, für das Reich ge- 
wann. Beide Aufgaben scheint er sich in der That nacheinander 
gestellt zu haben, keine von beiden hat er gelöst. 

Gleich im ersten Jahre seines Oberbefehls gelang es ihm, einen 
Aufstandsversuch der Ordoviker, welche die in einem nicht bekannten 
Kastell zu ihrer Bewachung stationierte Reiterala fast völlig nieder- 
gemacht hatten, zu dämpfen und Anglesey, das Suetonius Paullinus 
hatte aufgeben müssen, mit Hülfe der das Schwimmen gewohnten 
batavischen Cohorten endgültig zu erobern. Im folgenden Jahre schritt 
die Unterwerfung innerhalb der bisherigen Grenzen weiter vor — , in 
welcher Richtung, wissen wir nicht, da keine Namen von Orten oder 
Völkern angegeben werden. Agricola beschäftigte sich, nach dem 
Bericht des Tacitus, ausschliefslich mit der Einrichtung und Vervoll- 
kommnung der bürgerlichen und militärischen Verwaltung. Im dritten 
Sommer (den Winter, blieb man nach alter Weise in den Quartieren) 
rückt er weiter gegen Norden vor und besetzt einen neuen Terrain- 
Hübner, Westeuropa, ji^^ ÜBR^/^y 3 



34 England 

absclmitt, wahrscheinlich an der westlichen Küste; doch ist die 
Meeresbucht, bis zu welcher er seine Besatzungen vorschob, das 
Aestuarium Tanaum (denn so haben die Handschriften des Agricola), 
sonst völlig unbekannt und geograpliisch nicht festzustellen. Im 
vierten beginnt die grofse Expedition mit der ganzen mobilen Armee, 
welche als die Veranlassung des verlängerten Oberbefehls anzusehen 
ist. Die Erzählung des Tacitus hebt diesen augenfälligen Abschnitt 
vielleicht absichtlich nicht besonders hervor. Allein es ist klar, dafs 
dazu aus allen verfügbaren Truppen ein eigenes Expeditionscorps 
gebildet worden ist, dessen Zusammensetzung und Stärke sich nur 
annähernd aus den Angaben über die letzte Schlacht ermitteln lässt, 
welche Agricola mit demselben schlug. Es müssen an Legionen, 
Reiterei und Hülfscohorten nahe an 30,000 Mann gewesen sein, also 
etwa die Hälfte des ganzen britannischen Heeres. Eine Flottenabthei- 
lung begleitete die Expedition, wahrscheinlich auf der Ostküste. Zu 
berücksichtigen ist dabei, dafs die eine der seit Vcspasian wieder 
auf die ursprüngliche Vierzahl gebrachten britannischen Legionen, 
die von ihm hinübergeschickte Secunda Adiutrix, inzwischen aus Ver- 
anlassung von Domitians germanischem Feldzuge nach Pannonien 
zurückkehrte, wodurch auch Lincoln seine Festungsbesatzung verlor, 
falls nicht inzwischen die neunte I^egion dort eingerückt war; was 
nicht unmöglich ist. Die Ermittelung der Truppenzahl und Zusammen- 
setzung von Agricolas Heer ist ein nach den Angaben des Tacitus 
und den Inschriften nur annähernd zu lösendes Problem. Agricola, 
so heifst es in bündiger Kürze, marschiert nordwärts bis zu den 
Aestuarien Clota und Bodotria und besetzt diese Linie mit Kastellen. 
Das sind, wie anderweitig mit völliger Sicherheit feststeht, der Firth 
of Clyde und der Firth of Forth in Schottland; es ist die Linie 
Glasgow-Edinburgh, die nördlichste der ganzen Insel, welche je von 
der römischen Eroberung erreicht worden ist, und zwar erst ein 
volles Jahrhundert später. Denn auf dieser Linie legte, wie sich 
nachher ergeben wird, der Kaiser Antoninus Pins den nördlichsten 
Grenz wall der Provinz an. Hier ist in der Darstellung des Agricola 
eine offenbare Lücke, welche die spätere Ausführung in dem ver- 
lorenen Theile der Historien wahrscheinlich ergänzt haben wird. Denn 
es ist undenkbar, dafs ein Vorstofs so weit nordwärts in Feindes- 
land und sogar noch über diese Linie hinaus auch von dem kühnsten 
Führer unternommen werden konnte, ehe nicht der gewaltige Raum 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 35 

zwischen den Linien Chester- Lincoln im Süden und Glasgow-Edin- 
burgh im Norden, in der erprobten Weise mit wenigstens einer 
starken Festung besetzt, in gesicherten Land- und Seeverbindungen 
die nöthige Rückzugslinic und die Möglichkeit des Nachschubs von 
Proviant und Verstärkungen gewährte. Das Gebiet der Briganten, 
welches gerade jenen mittleren Theil der Insel umfasst, muss noth- 
nothwendig ebenso wie alle früher eroberten Gebiete erst unter- 
worfen wordeit sein, ehe an einen Vormarsch so weit über dasselbe 
hinaus vernünftiger Woiso gedacht werden konnte. Nun ist, wie 
durch Schriftstellerzcugnisse und Inschriften in zweifelloser Weise 
feststeht, spätestens seit Trajaus Regierung Eburacum, das heutige 
York, der alte Haupt ort der Briganten, das Standquartier der letzten 
unter den jetzt nur drei britannischen Legionen, nämlich der neunten 
hispanischen, und zugleich der militärische Mittelpunkt des Landes. 
Es begreift sich, dafs nachdem der Schwerpunkt der militärischen 
Operationen in die Mitte und die nördliche Hälfte der Insel verlegt 
worden war, während der ganze Süden in dauerndem Friedenszu- 
stand sich mehr und mehr romanisiert hatte, das ferne Colchester 
nicht mehr geeignet schien, den Legaten und sein Hauptquartier zu 
beherbergen, zumal das Lager der vierzehnten Legion daselbst in- 
zwischen eingegangen war, wie oben erzählt wurde. In Chester und 
in gröfserem Maafsstabe in York haben seit dem Ende des ersten 
Jahrhunderts die britannischen Legionen, die zwanzigste und die 
neunte, zuerst in England gröfsere Bauten für Dienstzwecke nach der 
heimischen Art ausgeführt und dazu die nöthigen Ziegeleien ange- 
legt; in den südlichen Festungen hat man sich mit dem vorgefun- 
denen Bruchsteinmaterial und mit Holzbauten begnügt. Nur in Chester 
und York werden Ziegel mit den Stempeln der Legionen gefunden; 
in dem schönen Museum von York, das in den erhaltenen Räumen 
und den Gärten der alten Marienabtei aufserhalb der Stadtmauer 
untergebracht ist, sind ganze Gräber der Legionare aus den grofsen 
gestempelten Ziegeln der neunten Legion zu sehen. In York stand 
das Prätorium des Statthalters, wie eine griechische Inschrift aus- 
drücklich bezeugt. Hier hat sich neben dem militärischen, wenn 
auch im Vergleich zu anderen Provinzen in geringem Maafse, muni- 
cipales Leben entwickelt; die Soldaten aus allen Weltgegenden haben 
fremde Kulte aller Art, wie den des Mithras und des löwenköpfigen 
Aeon, hier eingeführt; die Kaiser Septimius Severus und Constantius, 

3* 



36 England 

der Vater des Coiistantin, sind liier gestorben. York ist seitdem 
unzweifelhaft die Hauptstadt der Provinz. Der Schluss, dafs Agri- 
cola als sein eigentlicher Gründer anzusehen ist, lässt sich kaum 
abweisen, wenn auch in des Tacitus Schrift Nichts davon steht — : 
ob er eine Festung mehr oder weniger angelegt, da man dieser die 
künftige Bedeutung damals nicht ansehen konnte, schien für die 
Charakteristik seiner Thaten gleichgültig und keiner besonderen Er- 
wähnung werth. York liegt von Lincoln und ehester gleich weit 
entfernt an einem mittleren Punkte zwischen den beiden Meeren: 
das strategische System der Besetzung erscheint hier in einen mächtigen 
Mittelpunkt zusammengefasst, welcher die nothwendige Grundlage für 
den Vormarsch nach Norden bildet. Dafs Agricola nach dem Ur- 
theilc der Fachleute gerade in der Wahl der strategischen Positionen 
aufsergewöhnlich geschickt gewesen sei, dafs nie ein von ihm be- 
festigter Platz feindlichem Angriff erlegen oder durch üebergabo 
oder Flucht aufgegeben worden sei, hebt Tacitus ausdiücklich hervor. 
Da er das Kastell von Eburacum sicher noch nicht vorfand, so 
muss er es wohl angelegt haben. Und gewiss war dies nicht das 
einzige, das er gründete, da Cumberland und Northumberland und 
das ganze südliche Schottland wenigstens einigermafsen besetzt sehi 
mussten, ehe er an die Linie Glasgow-Edinburgh gelangte. 

Im fünften Kriegsjahre setzte er zu Schiff wahrscheinlich über 
den Firth of Clyde nach dem westlichen Schottland, Argyleshire oder 
Arran, über. Denn hier kam ihm der Gedanke, dafs es leicht sein 
müsse das gegenüberliegende Irland zu erobern. Er knüpfte, nach 
althergebrachter Politik inneren Zwist benutzend, mit den einheimischen 
Fürsten Verbindungen an; oft hat er noch später seinem Schwieger- 
sohne gegenüber geäufsert, Irland könne mit einer einzigen Legion 
und mäfsigen Hülfstruppen unterworfen und besetzt werden, und das 
werde auch die Pacificierung Britanniens erleichtern, welches dann, 
statt des Ausblicks in ein freies Land, überall römische Besatzungen 
sehen würde. Man dachte sich, durch unvollkommene Karten ver- 
leitet, Irland ungefähr in der Mitte zwischen Britannien und His- 
pauien liegend; der Anklang des Namens Hibernia an den Hiberus, 
den Ebro, und das iberische Land scheint dabei mitgewirkt zu haben. 
Es schien somit das natürliche Verbindungsglied zu sein zwischen 
den drei Provinzen des Westens, Hispanien, Gallien und Britamiien. 
Wenn trotzdem Domitian oder seine militärischen Rathgeber, wie 



Die Verwaltung von Nero bis auf Hadrian 37 

zwischen den Zeilen zu lesen ist, die dazu verlangte vierte Legion 
(denn die drei britannischen waren sicher dort nicht zu entbehren) 
nebst den entsprechenden Hülfstruppen verweigerten, so handelten sie 
offenbar gemäfs dem weisen Grundsätze, keine Erweiterung der 
Reichsgrenzen vorzunehmen. 

Der Heereszug nach Irland wurde aufgegeben; Irland ist nie- 
mals von den Römern besetzt worden. Im sechsten Kriegsjahre 
marschiert Agricola nach dem östlichen Schottland, trotz der sehr 
begründeten Warnungen einzelner seiner Offiziere, während vorgeblich 
das Heer darauf brannte, nun endlich das Ende der Insel zu er- 
reichen, und trotzdem dafs bei dem mit einer Dreitheilung erfolgten 
Vormarsche wiedenim die schwache neunte Legion in einem nächt- 
lichen Ueberfall beinahe aufgerieben ward, und besetzt, mit Hülfe der 
Flotte, die Gebiete jenseits des Firth of Forth. In dem rednerisch 
mit am meisten ausgeführten Theile der Schrift, welcher diese Er- 
eignisse umfasst, verliert aber des Tacitus Bericht jede weitere topo- 
graphische Grundlage. Die wenigen Ortsnamen, welche überhaupt 
vorkommen, der Berg Graupius (so haben die Handschriften des 
Agricola; dafs man im siebzehnten Jahrhundert den Gebirgszug, 
welcher sich nördlich von Blair Athol quer durch Schottland von 
Südwest nach Nordost zieht, the Grampian mountains getauft hat, 
der damals geltenden schlechten Lesart Grampius folgend, hat noch 
die neuesten Herausgeber des Agricola getäuscht), das Volk der 
Borester und der trucculensische Hafen, sind auch nicht mit an- 
nähernder Wahrscheinlichkeit ihrer Lage nach zu bestimmen. Aber 
genau ist die Angabe des Tacitus über das Heer des Agricola in 
jener Schlacht. Aufser den vier britannischen Legionen mit höchstens 
15,000 Mann, vorwiegend Mannschaften aus Gallien, Germanien und 
Britannien, konnte er der Uebermacht des Feindes 8000 Auxiliarier, 
gallische, germanische, panuonische und hispanische Truppen, nebst 
3000 Reitern gegenüberstellen. 

So viel ist aber deutlich: der Sieg über den Calgacus und seine 
Caledonier im nächstfolgenden Sommer, dem siebenten Kriegsjahre, 
am Berge Graupius ward trotz der schönen Rede des Agricola an 
seine Truppen nur mit grofsem Verluste erkauft, und seine strate- 
gische Bedeutung war gleich Null. Damit verträgt sich sehr wohl, 
dafs der Sieg, wie ihn Tacitus in ziemlich verständlicher Weise 
schildert, an sich ein vollständiger war. Das weite Gebiet der Bri- 



38 England 

ganten von York nordwärts blieb nach wie vor der Heerd des natio- 
nalen Widerstandos. Eine der germanischen Cohorteii von dem alt- 
berühmten Stamme der Usipier. welche in einem der römischen Ka- 
stelle an der Küste, vielleicht in Uxellodunum (Maryport in Cumbcr- 
land) in Garnison lag, erschlägt ihre wenigen römischen Offiziere und 
sucht auf drei Transportschiffen die Heimath zu erreichen. Diese 
Meuterei, blieb dem Feinde nicht unbekannt und gab trotz des tra- 
gischen Endes der tollkühnen Wikingerfahrt, ein höchst gefährliches 
Beispiel. Der Rückzug musste angetrclon werden, und zwar sofort, 
wenngleich die nöthige Langsamkeit in der Beziehung der Winter- 
quartiere den Schein ungebrochenen Muthes wahrte. Und zwar ging 
der Rückzug herab bis auf die Linie von York, das vielleicht nun 
erst vor ähnlichen Kastellen seiner centralen Lage wegen bevorzugt 
und zu einer Festung ersten Ranges gemacht wurde. Nördlich von 
York ist kein Denkmal gefunden worden, welches in die vortrajanische 
Zeit hinaufreicht. Nur die Flotte umfuhr, wie einst Pytheas gethan. 
die ganze Insel und erreichte das geographisch interessante, politisch 
aber gleichgültige Ziel, das Ende der Welt, das äufserste Thule, 
gesehen zu haben. Kein römisches Heer ist nach dieser Lehre je 
wieder so weit nach Norden vorgedrungen. Dafs Agricola nach 
seiner im folgenden Jahre erfolgten Abberufung vom Kaiser kühl 
empfangen ward, obgleich er die höchste niilitärische Auszeichnung, 
die Ehren eines Triumphators . erhielt, ist gewiss, wie die weiteren 
Zurücksetzungen, welche er bis an seinen acht Jahre später erfolgten 
Tod erfuhr, mit auf den heimtückischen Hass des Domitian zurück- 
zuführen. Die Charakteristik dieses Kaisers, welche Tacitus bei jener 
Gelegenheit giebt, ist in allem Wesentlichen richtig. Aber die beiden 
Aufgaben, welche Agricola zu lösen sich' vorgenommen hatte, hat er 
nicht gelöst: er hat keine neue Nordgrenze der Provinz gewonnen 
und die überall drohende Rebellion unter den Briganten wahrschein- 
lich durch die schottische Expedition eher befördert als unterdrückt. 
Wohl aber konnte Juvenal, der Satirendichter, der vielleicht noch 
unter Agricola eine Cohorte der Dalmatier als Tribun in Britannien 
befehligt hat, rühmen, dafs die römischen Wafien siegreich bis 
über Hibernien hinaus und zu den jüngst besetzten Orkneyinseln ge- 
langt seien. 

Mit dem Schluss von Tacitus' Schrift endet der zusammen- 
hängende Bericht über die Geschichte Britanniens. Dafs Trajan, 



Die römischen Grenzwälle in Britannien 39 

Alles in Allem genommen der gröfste unter den römischen Kaisern, 
nicht auch in das Geschick Britanniens, wie in das fast aller übrigen 
Provinzen, mit kräftiger Hand eingegriffen zu haben scheint, mag 
seine guten Gründe gehabt haben. Unsere Ueberliefcrung über ihn 
ist zu dürftig und lückenhaft, als dafs man darüber mehr als Ver- 
muthungen haben könnte. Einige seiner Legaten in Britannien, wie 
der als Redner niclit unbedeutende Salvius Liberalis und Neratius 
Marcellus, der als gelehrter Jurist bekannt ist, haben oETenbar nur 
durch die Anwendung der altbewährten Methode ein mäfsiges Gebiet 
nördlich von York durch Kastelle und Strafscn bleibend in römischem 
Besitz erhalten. Eine Thatsache aber spricht deutlich: die neunte 
Legion verschwindet nach Trajans Regierung, in welche ihre letzten 
in York erhaltenen Denkmäler fallen, aus der Liste der römischen 
Armee und wird unter Hadrian durch die sechste mit dem Beinamen 
Victrix ersetzt, welche seit Augustus in Hispanien, zuletzt in Xanten 
am Niederrhein ihr Standquartier gehabt hatte; sie liegt fortan in 
York im Quartier. Die neunte, die schon zwei Mal, unter Petillius 
Cerialis im Kampfe gegen Boudicca und unter Agricola vor der 
Graupiusschlacht fast aufgerieben und wahrscheinlich seitdem nie 
wieder auf die volle Stärke gebracht worden war, muss in den 
Kämpfen mit den Brigantcn ihr Ende gefunden haben. 

Dafs unter Hadrian eine grofse Zahl römischer Soldaten in 
Britannien niedergemacht und damit die Befriedung wenigstens des 
nördlichen Theils der Provinz von Neuem in Frage gestellt wurde, 
ist ausdrücklich bezeugt. Nach fast hundertjährigen Kämpfen war 
es also noch nicht gelungen, der Provinz nach Norden hin eine 
sichere Grenze zu geben. 

m. 
Die römischen Grenzwälle In Britannien. 

L 

Der Wall des Hadrian. 

Die näheren Nachweisungen und Quellenzeugnisse über die römischen 
Wälle in Britannien sind auf Grund der ganzen einschlägigen Litteratur 
und wiederholten Besuches (in den Jahren 186G und 1883) zusammenge- 
stellt in den Inscriptioncs Britanniae Latinae, Band VII des Corpus in- 
scriptionum Latinarum (Berlin 1873 fol.), besonders S. 99 ff. und S. 191 ff. 
Das Kastell von South Shields habe ich in den Bonner Jahrbüchern LXIY 
1878 S. 25 ff. beschrieben. 



40 England 

Aehnlich wie es einst dem unbedeutenden Claudius zum Er- 
staunen seiner Zeitgenossen beschieden war, in Britannien die Pläne 
seiner grofsen Vorgänger Caesar und Augustus zur That zu machen, 
so ist es nicht dem Trajan, sondcni seinem weit weniger kriegerischen 
Naclifolger Hadrian vorbehalten geblieben, in das bisherige System 
der Besetzung Britanniens eine wesentliche Veränderung zu bringen. 
Die noch immer ungebrochene Widerstandskraft der Briganten, von 
welcher die Dichter jener Zeit zu erzählen wissen, wie Juvenal, der 
wie schon gesagt selbst Offizier in Britannien gewesen war, und die 
Vernichtung der neunten I^egion zwangen ihn zu Maafsregeln, von 
welchen eine neue Epoche in der Verwaltung der Provinz datiert. 

Hadrian ist der Schöpfer jenes erstaunlichen Denkmals der 
Römerherrschaft in Britannien, dessen Name wohl, aber keineswegs 
seine Bedeutung, in den weitesten Kreisen bekannt ist, des Pikten- 
walles, wie man früher zu sagen pflegte, oder des römischen Walles, 
wie er jetzt schlechthin genannt wird. Ich will versuchen, von ihm 
eine kurze, auf eingehendes Studium aller einschlägigen Werke und 
auf wiederholte Autopsie gegründete Schilderung zu geben. 

Quer durch die Insel, von der Mündung des Tyneflusses öst- 
lich von Newcastle-upon-Tyne in Northumberland bis zum Solway 
Firth, dem Meerbusen westlich von Carlislc in Cumberland, erstreckte 
sich ein gewaltiges, zusammenhängendes System von Mauern und 
Thürmen, Wällen und Gräben und grofsen und kleinen Kastellen, 
welche durch eine in deutlich erkennbaren Resten erhaltene römische 
Strafse untereinander verbunden waren. Trotz der fortgesetzten 
Kriege mit den nordischen Barbaren seit dem sechsten Jahrhundert 
und der zerstörenden Wirkung, die sie nothwendig ausüben mussten, 
waren grofse Strecken dieser Anlage das ganze Mittelalter hindurch 
noch so wohl erhalten, dafs sie in den Fehden der schottischen und 
englischen Nachbarn und der einzelnen Grafen und Barone unterein- 
ander, wie die gleichzeitigen Berichte ergeben, in steter Benutzung 
geblieben sind. Erst die Vereinigung der beiden Königreiche und der 
im Frieden zunehmende Wohlstand des Landes brachte jene Bauwerke 
zu allmäligem Verfall. Noch zur Zeit der Königin Elisabeth waren 
die Grenzgebiete zwischen England mid Schottland so unsicher durch 
Wegelagerer und Räuberbanden, die in den verfallenden Werken des 
Walls bequeme Schlupfwinkel fanden, dafs der gelehrte Sir Robert 
Cot ton und sein Begleiter, der Staatsarchivar William C am den, 



Der Wall des Hadrian 41 

der Verfasser der Britannia, welche den Wall im Jahre 1599 zu 
besuchen wünschten, mit Bedauern davon abstehen mussten ihre 
Wünsche zu befriedigen. Das folgende Jahrhundert, das siebzehnte, 
die grofse Zeit der politischen Revolutionen und zugleich der mate- 
riellen Entwickelung Englands, war den antiquarischen Forschungen 
daselbst überhaupt nicht hold. Erst im dritten Decennium des acht- 
zehnten Jahrhunderts wurde der Wall von Antiquaren besucht, von 
dem sehr eingebildeten William Stukeley aus London (im Jahre 1724), 
von dem bescheidenen schottischen Musilaneister Alexander Gordon 
(1737), und endlich von dem vortrefflichen John Horsley, dessen 
ich schon gedacht habe (S. 5), und, wenn auch noch in unvoll- 
kommener Weise, beschrieben. Damals war schon Vieles ver- 
schwunden, was im sechzehnten Jahrhundert noch vorhanden war. 
Mehr aber hat die erst seitdem mächtig entwickelte Bebauung des 
Landes durch Ackerwirthschaft und Strafsenanlagen in aller Stille 
beseitigt, zur grofsen Betrtibniss der einheimischen Antiquare, die es 
mit ansehen mussten, wie die sumpfigen Gräben des Walles in seiner 
ganzen Länge von Jahr zu Jahr mehr trocken gelegt und bebaut, 
die unfruchtbaren Steinhaufen der Mauern und Kastelle auf den Ab- 
bruch verkauft, das Material zu Pächterhäusern und Viehställen ver- 
wendet, der ehemals steinige Boden beackert ward — : sehr zur 
Freude und zum Vortheil der Pächter und Grundbesitzer, welche 
die Stätten früherer Kultur rings um die römischen Niederlassungen 
als besonders fruchtbar schätzten und den Ertrag des Bodens in 
jenen Gegenden sich nach und nach um das Zehnfache steigern sahen. 
Die Chaussee von Newcastle nach Carlisle, bis vor etwa fünfzig 
Jahren, als die Eisenbahn erbaut wurde, die Hauptverkehrsader 
zvrischen den beiden Meeren, läuft in beträchtlichen Strecken auf 
dem breiten Rücken der römischen Mauer, welche die Ingenieure 
einfach als Fundament benutzten und dabei Erhebliches an den Bau- 
kosten ersparten. Bei derselben Gelegenheit freilich, beim Chaussee- 
bau und nachher mehr noch bei dem Eisenbahnbau, haben zuerst zu- 
fällige Funde von allerlei Alterthümern den Eifer des Sammlens 
und Erhaltens angeregt, nachher auch zu mehr oder weniger um- 
fänglichen Ausgrabungen geführt. So wird, was die früheren Jahr- 
hunderte durch Vernachlässigung gefehlt haben, jetzt durch verdop- 
pelte Sorgfalt im Beobachten, Sammeln und Veröffentlichen einiger- 
mafsen wieder gut gemacht. Nach Horsley haben sich John Hodgson, 

tll^IVKllsiTl 



42 England 

der sorgfältige Geschichtschreiber seiner Heimath Northumberland (seit 
1820), und vor Allem seit über vierzig Jahren J. CoUingwood Bruce 
in Newcastle die gröfsten Verdienste um die Aufhellung der Geschichte 
und die Beschreibung und Deutung des Baues und der Alterthümer 
des Walles erworben. Algornon, der vierte Herzog von Northumber- 
land, hat in den Jahren 1851 und 1852 ehie sorgfältige topogra- 
phische Aufnahme des ganzen Walles und der mit ihm in Verbin- 
dung stehenden römischen Strafsen und Kastelle, verbunden mit ver- 
schiedenen Ausgrabungen, auf seine Kosten ausführen lassen. Römische 
Denkmäler aller Art aus dem ganzen Norden von England werden in 
den öffentlichen Sammlungen von Durham, Newcastle und Carlisle, in 
den privaten des Herzogs von Northumberland auf dem prachtvollen 
Schlosse zu Alnwick, und in der des ehi'würdigen Veteranen der 
englischen Alterthumsforschung John Clayton zu Chester am Wall 
aufbewahrt. Die mit vielen Abbildungen ausgestatteten, von der 
archäologischen Gesellschaft zu Newcastle herausgegebenen Werke von 
Bruce, die Beschreibung des Walles (1867) und die Sammlung der 
Steindenkmäler des ganzen Nordens (1875), vermögen bis zu einem 
gewissen Grade die mangelnde Anschauung zu ersetzen. 

Für die wissenschaftliche Reconstruction des Walles und seiner 
Stationen liegen uns aufserdem noch zweierlei Hülfsmittel vor. Als es 
galt, die Kastelle längs des Walles mit stehenden Garnisonen zu ver- 
sehen, waren die inzwiscJien auf drei rcducierten britannischen Le- 
gionen, wie ich ausgeführt habe, bereits sämmtlich dislociert (in Gle- 
vum, Deva und Eburacum); auch ward keines der Kastelle so grofs 
angelegt, dass eine ganze Legion, sondern nur so, dafs eine oder 
mehrere Gehörten oder Alen sowie andere kleinere Detachements 
darin Platz fanden. Die Kenntniss der in den Kastellen liegenden 
Truppen verdanken wir den oben (S. 14) erwähnten vier bri- 
tannischen Militärdiplomen. Die in den einzelnen Kastellen längs 
der Linie des Walles gefundenen Inschriften beweisen, dafs die Be- 
satzungen von Hadrian bis auf das Ende des dritten Jahrhunderts 
dieselben geblieben sind. 

Dafür bietet eine Bestätigung die zweite Art von urkundlicher 
Ueberlieferung, welche für diese Fragen in Betracht kommt. Er- 
halten ist uns bekanntlich noch das unter den Kaisern Honorius und 
Theodosius dem zweiten in den ersten Decennien des fünften Jahr- 
hunderts abgefasste Staatshandbuch der beiden Reichshälften, genannt 



Der Wall des Hadrian 43 

die Notitia dignitatum. Diese enthält zwar im Uebrigen die Dislo- 
cierung der Annce in den Provinzen für jene Zeit, für Britannien 
allein aber hat sich aus einer älteren Redactiou in ihr die voll- 
ständige Liste der inzwischen bereits aufgegebenen Garnisonen längs 
des Walles erhalten, wie sie bis zu Ende des dritten Jahrhunderts 
bestanden. Ihr allein verdanken wir die Kenntniss der Namen des 
gröfsten Theiles jener britannischen Kastelle längs des Walles. Die 
Truppentheilc, welche als in denselben garnisonierend darin aufge- 
führt werden, sind fast durchgehend genau diejenigen, die sich aus 
den Militärdiplomen und Inschriften als mindestens schon seit Anfang 
des zweiten Jahrhunderts dort vorhanden ermitteln lassen. Für die 
nördlichste Grenzlinie hat sich eine ähnliche, nur weniger vollstän- 
dige und dabei stark verderbte Liste wenigstens der Stationen er- 
halten in der sogenannten ravennatischcn Kosmographie, einem Com- 
pendium des sechsten Jahrhunderts. Mit diesen Ilülfsmittcln lässt sich 
über Ursprung und Zweck des grofsen Werkes, sowie über die Ver- 
änderungen, die es betroffen, zu hinreichender Klarheit gelangen. 

Der Gedanke, die Reichsgrenzc an dazu geeigneten Stellen durch 
ausgedehnte Befestigungswerke förmlich zu schliefsen, ist in Britannien 
nicht zum ersten Male ausgeführt worden. Das nächste Vorbild für 
den britannischen Grenzwall bietet der deutsche, von dem weiter unten 
die Rede sein wird. Hadrian, der gröfste Bauherr aller Zeiten (seine 
Bauten übertreffen auch die der assyrischen und ägyptischen Könige an 
Zahl, Mannigfaltigkeit und Ausdehnung), kam selbst im Jahre 121 nach 
Britamiien; die Dichter seines Hofes fanden die Entsagungen dieser 
Reise unbegreiflich. Er fasste daselbst den Gedanken, nicht etwa, 
wie es der Zweck der oft mit Unrecht zum Vergleich herangezogenen 
chinesischen Mauer gewesen zu sein scheint, das Reich durch solche 
Anlage nach Norden hin hermetisch zu verschliefsen, sondern viel- 
mehr, dem stets auch offensiven Charakter jeder wirkungsvollen De- 
fensive entsprechend, statt des bisher angewendeten Systems einzelner, 
nur durch Strafsen verbundener Kastelle von Meer zu Meer eine 
langgestreckte Grenzburg zu schaffen, welche den Operationen nach 
Süden (denn man war der Briganten keineswegs sicher) wie nach 
Norden zur festen Basis dienen sollte. Thore und Strafsen führten 
nordwärts über den Wall hinaus; nach Norden vorgeschobene Kastelle 
beweisen, dafs man damals wenigstens noch keineswegs daran dachte, 



44 England 

den Plan Agricola's aufzugeben und den nördlichsten Theil der Insel 
den Barbaren für immer zu überlassen. 

Nahe der Mündung des Tyne bei Wallsend, östlich von dem 
rauchgeschwärzten Newcastle mit seiner Eisenbahnbrücke und dem 
normannischen Kastell beginnend erstreckt sich der Wall in einer 
Ausdehnung von rund achtzig römischen oder etwa vierundsiebzig 
englischen Meilen über Höhen und Thäler westlich bis Bowness am 
südlichen Ufer des Solway Firth. Die Anlage ist in ihrer ganzen 
Länge deutlich in drei verschiedene Theile gegliedert: auf der Süd- 
seite der Erdwall, auf der Nordseite die steinerne Mauer mit kleinen 
Kastellen und zahlreichen Thürmen, zwischen beiden die siebzehn 
grofsen Kastelle und eine sie miteinander verbindende Strafse. 

Der Erdwall im Süden ist ein dreifacher. Nördlich von dem 
über dreifsig Fufs breiten (ich gebe abgerundete Maafse in englischen 
Fufs) und zehn Fufs tiefen Graben ist er ein einfacher, südlich ein 
doppelter, auf beiden Seiten je vierundzwanzig Fufs vom Graben ent- 
fernt. Der nördliche und der innere der beiden südlichen Wälle 
sind noch jetzt sechs bis sieben Fufs hoch, mit flach ansteigendem 
Profil, der südlichste etwas niedriger. Der Kern der Konstruktion 
ist vielfach, besonders auf sumpfigem Boden, unregclmäfsigcs Mauer- 
werk. Die Entfernung des gesammten Erdwerkes von der nördlichen 
Mauer wechselt zwischen 180 und 200 Fufs; an einer Stelle etwa in 
der Mitte zwischen den beiden Meeren, da wo die Mauer die bis 
zu einer Höhe von' etwa 300 Fufs über die Meeresfläche ansteigen- 
den Felsen erklimmt, während der Wall der Thalsohle folgt, beträgt 
sie 500 Fufs. Der Erdwall ist an beiden Enden um einigen eng- 
lische Meilen kürzer als die Mauer. 

Die steinerne Mauer im Norden ist, wie die fast durchgehends 
noch kenntlichen Fundamente zeigen, sechs bis acht Fufs breit. In 
der ursprünglichen zinnengeltrönten Höhe ist sie natürlich nirgends 
mehr erhalten. Beda im achten Jahrhundert, der in dem nahen 
Kloster Wearmouth bei Jarrow südlich von der Tynewündung lebte, 
sah sie noch zwölf, verschiedene Zeugen des sechzehnten Jahrhun- 
derts an einzelnen Stellen sogar noch sechzehn Fufs hoch; acht bis 
zehn Fufs beträgt an einer Stelle die Höhe noch jetzt. Sie wird 
ursprünglich etwa zwanzig Fufs gewesen sein. Den Kern des Mauer- 
werkes bildet sogenanntes opus incertum: ein felsenharter Guss von 
kleinen und grofsen, durch Mörtel verbundenen Steinblöcken. Die 



Der Wall des Hadrian 45 

nördliche Front ist bekleidet mit ziemlich gleichmäfsigen Quadern 
von mäfsigem Umfang (meist zwanzig Zoll lang, zehn breit und acht 
hoch), welche, wie üblich, der Länge nach in die Tiele der Mauer 
gelegt sind, während die schmale Seite nach auswärts steht. Die 
südliche Front ist durchgehends mit geringerer Sorgfalt und Gleich- 
mäfsigkeit behandelt; die Quadeni sind kleiner und unansehnlicher 
als auf der Nordseite; häufig springen gi-ofse Flächen in einer Tiefe 
von acht bis zwölf Zoll ein. Der Stein, den man verwendete, ist 
ein ziemlich harter, quarzhaltiger Sandstein, welcher in den Höhen- 
zügen südlich vom Wall bricht. Eine Reihe von Steinbrüchen, aus 
denen er stammt, lässt sich nachweisen: flüchtig in den natürlichen 
Felsen eingehauene Inschriften bewahren die Erinnerung an die rö- 
mischen Werkleute. In ungleichen Zwischenräumen lehnten sich an 
die Mauer viereckige Thürmc von etwa zehn Fufs im Quadrat, mit 
einer Eingangsthür an der südlichen Seite; die innere Construction 
war aus Holz. Schon zu Horsle)''s Zeit wai^en von den etwa 320 
Thürmen dieser Art, welche man nach den Abständen längs der 
ganzen Mauer berechnet, nur noch di*ei an einer Stelle nebeneinan- 
der w^ohl erhalten; nur noch ganz vereinzelte lassen sich jetzt er- 
kennen; manche sind neu wieder aufgefunden w^orden. In Abständen 
von ungefähr einer römischen Meile, aber natürlich mit Benutzung 
jeder Gunst des Geländes, finden sich aufserdem kleine Kastelle, 
deren man im Ganzen mithhi nahe an achtzig zählt; die Engländer 
nennen sie nicht unpassend Meilenkastelle. Es sind vierseitige um- 
mauerte Flächen, die Ecken an der Südseite abgerundet, von unge- 
fähr sechzig Fufs im Quadi^at. Die Nordfront fällt meist mit der 
der Mauer zusammen; zuweilen springt sie etwas über dieselbe vor. 
Thore führen nicht blos an der Südseite hinein, sondern ebenso auch 
an der Nordseite hinaus: die Kastelle sind also eigentlich in der 
üblichen Weise befestigte Thore. Von Baulichkeiten innerhalb der- 
selben hat sich so gut wie Nichts erhalten; es werden nui* Block- 
häuser von Holz gewesen sein. 

An der Nordseite läuft, wo es irgend das Gelände gestattet, 
eüi Graben, wie der des Erdwalles auf der Südseite dreifsig Fufs 
breit und acht bis neun Fufs tief. Wo Flüsse, wie der Tyne, den 
Mauerlauf durchschneiden, verbinden vorzüglich gebaute Brücken, an 
beiden Ufern durch brückenliopfartige Vorbauten geschützt, den 
Strafsenzug längs der Mauer. 



46 England 

Etttllkb die siebzehn grorson Kastelle, Stationen oder Practen- 
turen genannt, welche, mit Ausnahme von drei etwas südlich vom 
Erdwall befindlichen, in sehr ungleichen Abständen von einander 
zwischen Wall und Mauer liegen; im Durchschnitt sind sie etwa fünf 
englische Meilen von einander entfernt. Leicht möglich, dafs Ha- 
drians Ingenieure schon von der einheimischen Bevölkening befestigte 
Punkte oder bei früheren Märschen römischer Heere gewählte Lager- 
plätze in das Befestigungssystem hineingezogen haben. Allein im 
Wesentlichen sind sie nach einheitlichem Plan und zu gleicher Zeit 
hergestellt worden. Denkmäler, welche mit Sicherheit in die Zeit 
vor Iladrian gesetzt werden müssten, sind in keinem derselben zum 
A^orschein gekommen. Von den sämmtlich durch die Notitia digni' 
tat um erhaltenen Namen derselben weist einer deutlich auf Titus 
Aelius Iladrianus als Gründer: Newcastlc, mit seiner römischen 
Di-ücke über den T3'ne, deren Pfeiler unter den späteren wieder ge- 
funden worden sind, hiefs nach ihm Pens Aelius. Die Kastelle sind 
alle ebenfalls von der bekannten quadratisch -oblongen Form; ihre 
Gröfse wechselt je nach der Oertlichkeit zwischen drei und sechs 
englischen Acres (fünf bis neun prcufsischen Morgen); Mauern von 
etwa fünf Fufs Dicke, Erdwälle und Gräben umgaben sie; deutlich 
sind noch fast in allen die vier Hauptthore und die rechtwinkelig 
sich schneidenden Hauptstrafsen erkennbar. An einige haben sich, 
wie an die grofsen Colonien, vorstädtische Anlagen angeschlossen, 
Bäder, kleine Heiligthümer , ein Mal sogar ein Amphitheater. Die 
bcsterhaltenc , einst Borcovicium geheifsen, von den Anwohnern als 
IIousc Steads, die Häuserstätten, bezeichnet, wird von den Lokalanti- 
quaren, wie Viroconium (oben S. 27) das englische Pompeji genannt. 
Aufser den in nächster Nähe von Wall und Mauer liegenden Kastellen 
gehört zu der grofsen Vertheidigungsanlagc aber auch noch eine An- 
zahl von südlich davon, besonders an den beiden Endpunkten gele- 
genen Kastellen, wie z. B. das von South Shields gegenüber von 
Newcastle, das die Mündung des Tyne beherrschte. 

An zwei Stellen, im Osten und im Westen, durchschneiden die 
nordwärts führenden Strafsen den Wall. An ihnen, in Northumber- 
land und im südwestlichen Schottland, liegen in passenden Abständen 
je zwei, etwa in der Mitte des Walles noch ein vorgeschobenes Kastell; 
im Ganzen also fünf. 

Die monumentalen Thatsachen, die ich in möglichster Kürze 



Der Wall des Hadrian 47 

zusammciigefasst habe, sprechen an sich laut genug. Durch die oben 
charakterisierten übrigen Quellen unserer Kcnntniss, die Militär- 
diplome, die an Ort und Stelle gefundenen Inschriften, die Notitia 
dignitatum. empfangen sie weiteres Licht. Der Legat des Hadrian, 
unter dessen Befehl das Werk in den Jahren 122 bis 124 begonnen 
und wahrscheinlich bald darauf im Wesentlichen vollendet wurde, 
hiefs Aulus Platorius Nepos; er ist ein auch sonst bekannter Offizier. 
Ausgeführt wurde der Bau durch die drei damals hi Britannien 
stehenden Legionen, die zweite, sechste und zwanzigste, während 
Dctachements dreier anderer, der siebenten, die in Hispanien stand, 
und der beiden Mainzer, der achten, welche schon zum Heere des 
Claudius ein Detachement gestellt hatte, und der zweiundzwanzigsten, 
inzwischen den Dienst in der Front thaten. Aufserdem arbeitete ein 
grofser Theil der Cohoi-ten und Alen, welche in den Kastellen ihre 
Ganiison erhielten, mit an dem Werk. Zahlreiche grofse und kleine 
Inschrift tafeln bezeugen den Antheil jedes einzelnen Truppentheils an 
dem Bau, nicht selten mit Angabe des Maafses der von ihnen aus- 
geführten Strecken. Jeder einzelnen Centurie fast ist auf diese 
Weise ihr Ruhmesantheil an dem grofsen Werk, mit weiser Rück- 
sicht auf den militärischen Ehrgeiz, urkundlich bescheinigt worden. 
Die Zahl der zur Besetzung erforderlichen Truppen lässt sich nur 
amiähernd bestimmen. Auch wenn man dem anderweit feststehenden 
antiken Gebrauch entsprechend nur sehr niedrige Ziffern ansetzt, so 
werden doch zehntausend Mann eher zu niedrig als zu hoch gegriffen 
sein. Die sämmtliclien damals in Britannien befindlichen Auxilien 
standen am Wall und in den Kastellen südlich und nördlich des- 
selben, von den Legionen nur kleinere Abtheilungen. 

Wenn man auf dem steilen Felsengrat bei Housesteads steht 
und nordwärts auf die kleinen northumbrischen Seen herabblickt, 
südwärts auf die reiche Hügelflur, welche die Eisenbahn durch- 
schneidet, so erkennt man, von kundigen Augen darauf aufmerksam 
gemacht, die Linien der Mauer und des Erdwalls, bergauf und ab 
in gerader Richtung sich erstreckend und endlich im Westen wie im 
Osten in nebliger Feme sich verlierend. In dem schattigen Park 
von Chesters Hall, wo am buschigen Ufer des nördlichen Tyne die 
Station Cilurnmn liegt, in dem kleinen Hotel von Gilsland Spa bei 
RosebeiTy Hill, in Stanwix, mit der anmuthigen Aussicht auf den 
berühmten Seendistrikt von Cumberland, dem eleganten Villenquartier 



V c4LlFoa^*''■- " 



48 England 

von Carlisle, das gerade den hochgelegenen Platz des römischen 
Kastells von Petrianae einnhnmt, am Meeresgestade an den beiden 
Endpunkten und noch an manchen anderen Stellen des Walles kann 
man Einzelnhciten desselben in Verhältnis smäfsig guter Erhaltung 
sehen und deren Eindruck auf sich wirken lassen. Aber meist wird 
es dorn Besucher jener Plätze gehen, wie dem, welcher zum ersten 
Male das römische Forum betritt oder in den kleinen Gassen von 
Pompeji wandelt. Das schwer zu bemeisternde Gefühl einer gewissen 
Enttäuschung weicht erst nach und nach dem durch liebevolle Hin- 
gabo gewonnenen Verständniss. Nur mit dem geistigen Auge ist die 
grofsartige Anlage des römischen Walles in Nordengland recht zu 
erkennen. 

II. 
Der Wall des Pius. 

Dafür, dafs in der That der Grenzwall des Hadrian die Pro- 
vinz keineswegs gegen Norden abschloss, sondern mit seinen beinahe 
achtzig Thoren und den fünf nach Norden vorgeschobenen Kastellen 
viel mehr ein gi'ofses Angiiffswerk war, bestimmt, die fortschreitende 
Eroberung auf eine festere Grundlage zu stellen, als die vorüber- 
gehende Besetzung durch Agiicola, dafür haben wir ein völlig aus- 
reichendes Zeugniss. Es ist gar nicht unmöglich, dafs des Tacitus 
vielgelesene Schrift die Veranlassung dazu gab, das Ziel, welches 
Agricola einst erreicht, aber wieder aufgegeben hatte, die Linie Clota- 
Bodotria (Glasgow-Edinburgh), die weitaus schmälste Stelle der ganzen 
Lisel zwischen beiden Meeren, nun, auf den Wall Hadrians gestützt, 
mit besserer Aussicht auf Erfolg von Neuem zu verfolgen. Gerade 
zwanzig Jahre nach dem Beginn des Baues der hadrianischen Mauer 
hat sein Nachfolger, der Kaiser Antoninus Pius, auf jener Linie ein 
Erdwerk, wie es in dem einzigen erhaltenen Schriftstellerzeugniss 
darüber ausdrücldich gesagt ist, errichtet, welches sich bis in das 
vorige Jahrhundert hinein noch in deutlichen Resten erhalten hat 
und, wie die Mauer Hadrians, durch inschriftliche Zeugnisse aufser- 
dem in ausreichender Weise Licht erhält. Das Volk nannte den 
Wall Grahams Dyke (oder Gryme's Dyke), nach dem Helden der 
schottischen Sage Graeme, dem Stammvater des Geschlechts der 
Grahams. Freilich hat das Erdwerk des Pius, zumal es, wie wir 
sehen werden, früh verlassen wurde, weit weniger deutliche Spui*en 



Der Wall des Pius 49 

hinterlassen, als der massive Bau des Hadiian. Auch fehlt es für 
dasselbe an einer so sorgfältigen, auf Ausgrabungen gestützten topo- 
graphischen Aufnahme, wie wir sie für jenen haben. Die Linie des 
Walles, von den schottischen Chroniken nur kurz erwähnt, erscheint 
zum ersten Male auf einer alten Karte von Schottland aus dem 
Jahre 1565 (von Timotheus Pont) eingetragen. William Camden 
(1599) und die schottischen Antiquare Sir Robert Sibbald (1607) 
und Doctor Irvine (1685), auch der Engländer William Stukeley 
(1720) geben nur sehr obei-flächliche Notizen. Den schon beim 
englischen Wall genannten Antiquaren des achtzehnten Jahrhunderts 
Gordon und Horsley wird eine etwas genauere Beschreibung auch 
von diesem Denkmal verdankt. Aber die ersten zuverlässigen An- 
gaben brachte erst die allgemeine militärische Landesaufnahme, welche 
in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Schottland be- 
gaim. Es ist das Verdienst eines ausgezeichneten Genieoffiziers, des 
späteren Major-General William Roy, der sich während des sieben- 
jährigen Ki'ieges hei-vorgethan hat, im Jahre 1764 die noch jetzt 
einzige genaue topographische Aufnahme des schottischen Walles ge- 
liefert zu haben. Der tapfere Offizier hat vi^ Mühe und Fleifs 
darauf verwendet, eine grofse Anzahl alter Befestigungsanlagen in 
ganz Schottland genau zu untersuchen. Er glaubte sichere Kiitcrien 
gefunden zu haben für die Unterscheidung der verschiedenen Arten 
derselben, der brittischen, römischen, sächsischen, dänischen, schot- 
tischen u. s. w. Wenn er, gestützt auf diese der Natur der Sache 
nach vielfach trügenden Beobachtungen, es unternahm, mit Berück- 
sichtigung aller topographischen Hindernisse und mit genauer Berech- 
nung der Marschfähigkeit und der Verpflegung der Truppen, Agri- 
cola's Zug nach dem Norden zu reconstruieren und den Platz der 
Schlacht am Berge Graupius endgültig, wie er meinte, zu ennitteln, 
so hat ihn freilich darin seine umsichtig aufgestellte, aber gröfsten- 
theils auf falschen Prämissen ruhende Berechnung getäuscht. Die 
Frage nach dem Ort der Graupiusschlacht ist und bleibt eine offene, 
fast so wie die nach dem der Teutoburger Schlacht und viele ähn- 
liche Fragen. Aber dem auf ihre Lösung verwendeten Fleifse dan- 
ken wir, wie gesagt, die noch unter verhältnissmäfsig günstigen Um- 
ständen ausgeführte topographische Aufnahme des Walles und seiner 
Stationen. Seit dem verflossenen Jahi-hundert ist die Zerstörung 
aller erhaltenen Reste desselben mit reisseuden Schritten vorwärts 

Hübner, Westeuropa. 4 



50 England 

gegangen. Eoy's Beschreibung folgen durchaus der vortreffliche John 
Hodgson (1828) und ohne Eigenes liinzuzuthun der letzte, der den 
Wall beschrieben hat, der verstorbene Robert Stuart (1840), ein 
intelligenter Buchhändler von Glasgow, aber kein Gelehrter. Der 
zweiten Auflage der „Caledonia Romana" dieses Verfassers hat sein 
Schwiegersohn, Herr John Buchanan, Banquier in Glasgow, durch 
eigene Untersuchungen an Ort und Stelle höheren Werth verliehen. 
Das Bauwerk zu beschreiben genügen wenige Worte. Von 
Carridden bei Borrowstowness am Firth of Forth, nördlich von Edin- 
burgh, bis nach West Kilpatrik am Clyde bei Dunbarton erstreckt 
sich in einer Länge von rund vierzig römischen oder siebenunddreifsig 
englischen Meilen (also etwa halb so lang wie der Wall Hadrians) 
durch das fast durchgehends ziemlich ebene Gelände, dessen mannig- 
fachen Verschiedenheiten er überall folgt, ein Graben, etwa vierzig 
(englische) Fufs breit und zwanzig tief. Ihn begleitet an der süd- 
lichen Seite, in einer Entfernung von durchschnittlich fünfzehn bis 
zwanzig Fufs, der Erdwall, wie der hadrianische mit fast überall 
gemauertem Kern, der Jahrhunderte lang als Steinbruch gedient hat. 
Seine Maafse sind .schwer zu bestimmen; Roy nimmt, wohl etwas 
übertreibend, die Breite an der Basis auf vierundzwanzig, die Höhe 
einschlief such einer Brustwehr auf zwanzig Fufs an; erhalten war 
der Wall nirgends höher als fünf bis sechs Fufs. Ein gleichmäfsiger 
Winkel des Profils liefs sich nicht ermitteln und wechselte wohl auch 
von Anfang an je nach dem Gelände. Nur an einzelnen Stellen, 
zwischen Rough Castle zum Beispiel und Castlecary, sind die Fun- 
damente von Thürmen und kleineren Kastellen (wahrscheinlich Thoren) 
beobachtet worden; erhalten hat sich von ihnen nichts. Endlich 
ebenfalls südlich vom Graben liegen in sehr ungleichen Entfernungen 
von einander die zehn grofsen Kastelle, mit der Nordfront überall 
mit dem Erdwall zusammenfallend, alle von oblonger oder qua- 
dratischer Form, im Umfang von rund 500 zu 300 bis auf 300 zu 
200 Fufs wechselnd, von breitem Erdwall und Graben umgeben, meist, 
wenn die Strafse sie schneidet, mit drei, zuweilen nur an der Süd- 
seite mit einem Thor; die Nordscite überall geschlossen. Bauliche 
Anlagen im Innern derselben sind nirgends kenntlich geblieben; es 
waren dies wiederum wohl nur Holzbauten. Die Kastelle verbindet 
wie am Wall Hadrians eine südlich des Grabens und der Kastelle 
laufende, zuweilen jene durchschneidende Heerstrafse. Die Namen 



Der Wall des Pius 51 

der zehn Kastelle sind erhalten (was freilich keiner der hisherigen 
Beai'beiter des Walles bemerkt hat), aber in arger Entstellung, in 
dem oben (S. 43) erwähnten etwa im ' sechsten Jahrhundert am Hofe 
zu Ravenna in griechischer Sprache zusammengestellten Reichsitinerar, 
welches uns in einer durch unwissende Abschreiber völlig verwahr- 
losten lateinischen Rückübersetzung vorliegt. Etwa fünfzig Inschriften 
sind in den Stationen längs des Walles gefunden worden; sie befinden 
sich zum gröfsten Theil in dem von dem Naturforscher Hunt er gegrün- 
deten Museum der Universität von Glasgow; in Edinburgh sind nur 
wenige. Es sind meist in gleichmäfsiger Weise gearbeitete grofse 
Steintafeln, enthaltend eine Weihung an den Kaiser Antoninus Pius, 
gesetzt von demjenigen Truppentheile, welcher den betreffenden Ab- 
schnitt des Wallbaues ausgeführt hatte; die Schrittzahl dieser Ab- 
schnitte ist hinzugefügt. Auf manchen sind Reliefs von roher Arbeit 
angebracht: Götter, Mars, Victoria und die kaiserliche Tapferkeit, 
den Kaiser hoch zu Ross die Feinde niederreitend, ein Festopfer zu 
Ehren des Kaisers, die Abzeichen der Legionen, z. B. einen Eber, 
und Aehnlichcs darstellend. Kein anderer Kaiser aufser Pius kommt 
darin vor. Auch von den übrigen nicht zahlreichen Denkmälern, die 
längs des Piuswalles gefunden worden sind, ist keines später als die 
Zeit der Anlage. Diefs schliefst den Gedanken an einen Neubau des 
Piuswalles unter Seveinis von vornherein aus. Der Legat des Kaisers, 
welcher den Bau im Jahre 142 in Angriff nahm und wahrscheinlich 
auch zu Ende führte, hiefs Quintus LoUius ürbicus; er ist aus den 
Denkmälern seiner vor die britaimische fallenden Verwaltung von 
Afrika bekannt. Die Truppen, welche den Bau ausführten, waren 
wiederum Abtheilungen der drei britannischen Legionen und der 
längs des Hadiianswalls stehenden Cohorten und Alen. 

Deutlich ergibt sich mithin, dafs der Wall des Pius in allem 
Wesentlichen eine Wiederholung des hadrianischen ist, nach den- 
selben Grundsätzen angelegt (nur ohne die vielleicht beabsichtigte, 
aber nie ausgeführte nördliche Mauer) und mit dem gleichen Zweck 
wie dieser, die Unterwerfung des südlich davon liegenden Gebietes 
abzuschliefsen nnd die des nördlichen vorzubereiten. Wenigstens ein 
beträchtlich weiter nordwärts vorgeschobenes Kastell ist auch bei 
ihm nachweisbar: bei Ardoch nördlich von Stirling. Dort ist der 
Grabstein eines Soldaten der ersten hispanischen Cohorte gefunden 
worden, welche zu Ende des zweiten Jahrhunderts eine Zeitlang da- 

4* 



52 England 

selbst in Garnison gelegen haben muss. Das ist das am weitesten 
nördlich gefundene Denkmal lateinischer Zunge, welches wir kenneu. 
Dafs der Wall des Pius an die Stelle des hadiianischen getreten, 
ihn zu ersetzen bestimmt gewesen sei, ist völlig ausgeschlossen. 
Sicherlich diente auch er nur dazu, wie jener, die gewissermaafsen 
freie Zone eines Vorlandes der Provinz zu umgrenzen. Der Wall 
des Hadrian mit seinen Kastellen und Garnisonen bliisb, wie schon 
bemerkt, bis zum Ende der römischen Herrschaft in Britannien ne- 
ben dem des Pius bestehen. 

IV. 
Das Ende der römischen Herrschaft in Britannien. 

Der Grenzwall des Pius ist die letzte grofse strategische An- 
lage, welche die Geschichte der britannischen Provinz zu verzeichnen 
hat. Mit ihr erst findet die Erorberung derselben ihren Abschluss. 
Die Geschichte der folgenden drei Jahrhunderte der Provinz, bis 
zum Abzug der letzten römischen Garnisonen, soll hier nicht aus- 
führlich erzählt werden, obgleich auch ihr ein über das Durch- 
schnittsmaafs der Provinzialgeschichte hinausgehendes Interesse sich 
abgewinnen lässt. An der Hand der Denkmäler (denn eine litterari- 
sche Ueberlieferung darüber ist kaum vorhanden) kann man bis in's 
Einzelnste verfolgen, wie auf des Hadrian mid Pius erfolgreiche An- 
strengungen in den nächsten sechzig Jahren, zunächst unter des philo- 
sophischen Kaisers Marcus Aurelius mildem Scepter, auch für Bri- 
tannien bis etwa auf die Scheide zwischen dem zweiten und dem 
dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung eine Epoche des Friedens 
und des materiellen Wohlstandes folgt. In dem vergleichsweise 
milden Süden der Insel blühten Ackerbau und Handel; zahlreiche 
römische Villenanlagen, mit allem südlichen Comfort von warmen 
Bädern und weiten Hallen ausgestattet, mit Mosaikfufsböden, so grofs 
und mannigfaltig, wie sie im Rheinthal, im südlichen Frankreich und 
Spanien vorkommen, sind daselbst aufgedeckt worden. Nördlich von 
York sind bis jetzt solche Anlagen kaum gefunden worden, nur in 
der Nähe der gröfseren Kastelle des Walles sind sie ähnlich wie 
bei den Stationen des germanischen Grenzwalles vorhanden. Die 
Thermen der Göttin Sulis- Minerva zu Bath, dem berühmtesten 
Badeort des vorigen Jahrhunderts, waren schon damals von den 
Provinzialen eifrig besucht. Manches Kunstwerk von zierlicher Ar- 



Das Ende der römischen Herrschaft 53 

beit, das in jenen Gegenden gefunden worden ist, zeugt von dem 
gebildeten Kunstgeschmack seiner früheren Besitzer. 

Ein Bau von dem Umfang der hadrianischen Mauer, aller Un- 
bill eines nordischen Klimans ausgesetzt, erforderte begreiflicher Weise 
fortgesetzte Fürsorge; daher denn die Erinnerung an allerlei Wieder- 
herstellungen desselben in verschiedenen Denlimälem bewahrt ist. 
Aber von feindlichem Angriff ist nicht die Rede. Unter des Marcus 
Aurelius Sohn Commodus regt sich wieder hier und da der alte 
Freiheitssinn der Briganten. Der kriegstüchtige Kaiser Septimius 
Severus kommt mit seinen beiden Söhnen Caracalla und Geta selbst 
nach Britannien, um die in langer Friedenszeit gelockerte Disciplin 
der Truppen wiederherzustellen, die Kastelle neu zu armieren und 
jede aufständische Bewegung zu unterdrücken. Seine Thätigkeit am 
Wall des Hadrian ist eine so umfassende, dafs schon bei seinen 
ruhmredigen Biographen nicht Hadrian, sondern er für den Erbauer 
wenigstens der Mauern, Thore und Thürme desselben angesehen wird. 
Dies ist ein offenbarer und durch die oben dargelegten monumen- 
talen Thatsachen leicht zu widerlegender Irrthum. Dennoch ist er 
Veranlassung gewesen, dafs noch bis in die neueste Zeit hinein ein 
heftiger Streit geführt worden ist zwischen den geschichtskundigen 
Männern von North umberland, welche von ihrer Stadt Pons Aelius 
aus mit vollstem Recht au Hadrian festhielten als Gründer des ganzen 
Werkes in allen seinen Theilen, das nur ein einheitlicher Gedanke 
habe eingeben können, und den Antiquaren von Cumberland, welche 
zu Severus hielten, besonders weil die früh-mittelalterlichen Chronisten 
den Severus für den Erbauer des Hadrianwalles hielten und noch in 
den Liedern und Sagen ihrer Heimat der Wall Gual Sever, Wall 
des Severus, genannt werde. Die Frage nach dem Antheil des 
Severus an den britannischen Befestigungsanlagen wird nach Lage 
der Ueberlieferung vielleicht niemals mit völliger Sicherheit ent- 
schieden werden können. Die englischen Antiquare haben die An- 
gaben seiner Biographen mit den älteren Ansprüchen des Hadrian 
theilweis so zu vereinen gesucht, dafs sie diesem die ganze Anlage 
und den doppelten Erdwall, dem Severus aber die steinerne Mauer 
zusclirieben nach dem Wortlaut der Ueberlieferung in den Caesares 
des Victor, aus welchen der Verfasser der Kaiserbiographien schöpfte. 
Hier ist nur ungenau, dafs von einem Neubau gesprochen wird, 
während es sich um Ausbau und Wiederherstellung der älteren 



54 England 

Anlage handelt. Dieser Erklärung steht die schon hervorgehohene 
und in die Augen fallende Thatsache, dafs die ganze Anlage, Wall, 
Maueni, Kastelle u. s. w. eine einheitliche ist, nicht im Wege. Eine 
weitere Schwierigkeit bildet, dafs in einer unabhängigen Quelle die 
Ausdehnung des dem Severus beigelegten Walles auf zweiunddreifsig 
römische Millien angegeben wird. Diese Zahl passt weder auf den 
Wall des Hadrian, der achtzig, noch auf den des Pius, der vierzig 
Millien lang war; dafs 32 dieser Zahl etwas näher kommt, als der 
anderen macht dabei keinen Unterschied. Die späteren Ausschreiber 
der Nachricht haben die unmögliche Zahl willkürlich auf 132 Millien 
erhöht. Mit demselben Rechte könnte man statt des überlieferten 
XXXn etwa LXXXn verbessern, um damit der wirklichen Ausdehnug 
des Hadrianwalls näher zu kommen. Zahlreiche Inschriften bezeugen 
des Severus wiederherstellende Thätigkeit am Hadrianswall, während 
am Piuswall nicht ein einziges Denkmal seiner Anwesenheit oder 
überhaupt der eines späteren Kaisers gefunden worden ist. Die von 
Bruce zuerst mit Nachdruck aufgestellte Meinung, dafs nur auf den 
Wall des Hadrian sich des Severus Thätigkeit beziehen lasse, bleibt 
daher die allein auf Zeugnissen und Denkmälern begründete. Sie steht 
mit allem, was wir sonst von dieses Kaisers Politik wissen, in bestem 
Einklang. Auch die grofsen Kastelle zwischen dem englischen und 
schottischen Walle sind damals von Grund aus hergestellt und er- 
weitert worden. Eines derselben, High Rochester, das alte Breme- 
nium, welches der Herzog von Northumberland, dem der Boden ge- 
hört, zum gröfsten Theil hat freilegen lassen, zeigt den Plan und 
die Vertheilung der römischen Lagerbauten mit grofser Deutlichkeit. 
Auch das an der Mündung des Tyne auf dem südlichen Ufer ge- 
legene grofse Kastell von South Shields, am östlichen Endpunkt 
des Walls, scheint erst von Severus angelegt worden zu sein, un- 
zweifelhaft um die wichtige Verbindung mit der Flotte noch mehr 
als bisher zn sichern. Grabsteine von Personen syrischer und afri- 
kanischer Herkunft haben sich hier gefunden. Aufser dem Bri- 
gantenland war Wales, das Land der Silurer, der Heerd unaufhörlicher 
Aufstandsversuche seiner kriegerischen Bewohner. Wer den mäch- 
tigen Snowdon kennt und die ihrer landschaftlichen Reize wegen so 
hoch gepriesenen Thäler und Schluchten von Südwales, weifs, dafs 
dies Land in seiner Eigenart zum kleinen Kriege förmlich heraus- 
fordert. Auch da schaffte Severus endgültige Ordnung: er nahm, wie 



Das Ende der römischen Herrschaft 55 

früher erwähnt wurde, die zweite Legion aus ihrem alten Standquartier 
Gloucester und legte sie weiter westlich in das Gebirgsland der Silurer 
nach Caerleon in Südwales; auch gründete er neue Kastelle am iri- 
schen Kanal. Dafs Isca nicht bereits zu den unter Nero angelegten 
Legionslagem gehört hat, ergiebt sich nicht blofs aus seiner weit nach 
Westen vorgeschobenen Lage, sondern mehr noch aus der baulichen 
Beschaffenheit seiner Anlage und den dort gefundenen inschriftlichen 
Denkmälern, von denen keines über die Zeit jenes Kaisers hinauf- 
reicht. Auch Deva, das alte Standquartier der zwanzigsten Legion, 
hat Severus, wie die neuen dort gemachten Funde zeigen, erheblich 
erweitert und neu befestigt. Er ist der letzte Kaiser, welcher die 
Provinz noch einmal auf lange Zeit hinaus der römischen Waffen- 
gewalt völlig unterthänig gemacht hat. 

Die grofse militärische Bedeutung der Provinz fand ihren Aus- 
druck in dem Pronunciamiento der britannischen Armee zu Gunsten 
des in Gallien und Germanien proclamierteu Gegenkaisers Albinus. 
Solchen gefährlichen Vorgängen vorzubeugen theilte Severus die 
Verwaltung der Provinz unter zwei coordinierte Offiziere, den Le- 
gaten der oberen und den der unteren Provinz. Auch in anderen 
Provinzen hatte man längst auf ähnliche Art den Gefahren der grofsen 
Militärkommandos zu begegnen gesucht. Die Theilung des britan- 
nischen scheint jedoch nicht lange Bestand gehabt zu haben. 

Aber unter des Severus Regierung noch ward auch in Bri- 
tannien der erste Schritt rückwärts gethan. Es ist glaubhaft über- 
liefert, dafs damals schon die Garnisonen aus den Kastellen am 
schottischen Walle zurückgezogen wurden. Die umfassende Neube- 
festigung des Hadrianswalles und der ihn in der Front deckenden 
Kastelle scheint mit jener Maafsregel im engsten Zusammenhang zu 
stehen. Nur die Stationen der Strafse längs des schottischen Walls 
werden in den Itinerarien des Reiches noch fortgeführt. Der ver- 
hältnissmäfsig wenig entwickelte bürgerliche Wohlstand findet auch 
in dieser Zeit noch seine Hauptstütze an den grofsen Besatzungen. 
In den Kastellen am Wall haben syrische Männer aus Palmyi*a Handel 
getrieben; eine ursprünglich aus einem syrischen Volksstanam gebildete 
Cohorte stand daselbst. Die geringe Zahl inschriftlicher Denkmäler im 
Vergleich mit den übrigen Provinzen darf nur bis zu einem gewissen 
Grade als ein Beweis für mangelndes Durchdringen der römischen 
Sitten angesehen werden. Wo gegraben wird oder der Zufall früher 



56 England 

verwendete Denkmäler blofslegt, wie in Chester, finden sich Zeug- 
nisse des römischen Lebens in steigender Zahl und Bedeutung. Der 
frühe Wohlstand des Landes hat viel einst Vorhandenes verbaut 
und versteckt. Aber im Ganzen tritt doch zu jeder Zeit der krie- 
gerische Charakter der Verwaltung und Bevölkerung deutlich hervor; 
das erhebliche üeberwiegen militärischer Inschriften ist kein Zufall. 
Dafs es daneben an höherer, auch griechischer, Bildung und feineren 
Sitten, besonders im Süden der Insel, nicht gänzlich fehlte, versteht 
sich; aber die Beweise dafür erscheinen als Ausnahmen gegenüber 
der Regel. In den Städten des Südens, vor allem in Londinium, 
lag bis an das Ende der römischen Herrschaft der Schwerpunkt des 
bürgerlichen Lebens; in den grofsen Legionslagern, besonders in 
Eburacum, der des militärischen. London übertrifft an Zahl und Reich- 
thum antiquarischer Funde alle übrigen römischen Städte der Pro- 
vinz. Denkmäler des ersten Jahrhunderts sind überhaupt nur im 
Süden der Insel gefunden worden. York erscheint seit dem Beginn 
des zweiten Jahrhunderts als die eigentliche Hauptstadt, als Sitz des 
Legaten mit einem kaiserlichen Absteigequartier. 

Im Laufe des dritten Jahrhunderts, unter dem ansteckenden 
Einflüsse der das Reich nach allen Riclitungen hin durchwühlenden 
centrifugalen, autonomistischen und föderalistischen Tendenzen und der 
damals schon in den Armeen hervortretenden nationalen Reibungen 
wird York noch einmal für vorübergehende Zeit, ähnlich wie Lyon 
und Trier, der Sitz eines Gegenkaiserthums von nicht zu unter- 
schätzender Bedeutung. Aber Diocletians kraftvolle Neugründung 
der eigentlichen Monarchie und Constantins Ausbau derselben in der 
freilich den Anfang vom Ende bezeichnenden Theilung des Reiches 
zertraten der Hydra den Kopf. Die Barbaren, von Norden zu Land 
und von Osten über das Meer eindringend, schwemmen, erst wie die 
Fluth von fernher anschlagend, aber langsam nagend, nachher mit 
immer stärkerer Bewegung den Fimiss römischer Gesittung weg, der 
aufser in den Festungen und Kastellen nirgends tief eingedrungen 
war noch fest anhaftete. Während im Innern des Landes, besonders 
in der Mitte der Insel und im Westen, längst, wie es scheint, das 
römische Element dem einheimischen gewichen war, hielt man, wie die 
Notitia dignitafum ausweist, bis zuletzt die Grenzgarnisonen südlich 
vom Hadrianswall, in den Küstenplätzen, vor Allem in den Häfen längs 
des Kanals fest. Noch bis gegen das Ende des vierten Jahrhunderts 



Mars Thingsus 57 

war man, wie die erhaltenen Meilensteine zeigen, eifrig bemüht, das 
die Kastelle verbindende Strafsennetz in gutem Stand zu halten und 
zu erweitem. Die fremden Götter, die mit den gallischen und ger- 
manischen Truppen neben den einheimischen, auch hier den ver- 
wandten römischen gleichgesetzten verehrt wurden, daneben die orien- 
talischen Kulte des Mithras, bereiteten wie tiberall dem Christenthum 
den Weg. Damit tritt ein neues Interesse in dieser letzten Epoche 
der Geschichte der Provinz, wie in der des Reiches, in den Vorder- 
grund. Die einheimische britannische, nur wenig romanisierte, aber 
früh dem Christenthum gewonnene Bevölkerung, die kleinen Leute 
auf dem Lande, bewahren treu ihren christlichen Glauben allen In- 
vasionen zum Trotz, und auch nachdem in den folgenden Jahrhun- 
derten die sächsischen Eroberer selbst Christen geworden, diesen 
gegenüber in besonderen Formen und Satzungen. Es erschien mehr 
und mehr unthunlich, die militärische Besatzung und die römische 
Verwaltung aufrecht zu erhalten. Um die Mitte des fünften Jahr- 
hunderts wird die Provinz endgültig aufgegeben. 

Fragt man nach dem bleibenden Ergebniss des mit so viel 
Mühe und Opfern erreichten, mit so grofser Zähigkeit behaupteten 
Besitzes der Provinz Britannien, so giebt die bündigste Antwort da- 
rauf die englische Sprache. Sie ist eine germanische Sprache; ihre 
romanischen Elemente verdankt sie ausschliefslich der normannischen 
Eroberung. Nicht also hat, wie in Spanien und in Frankreich, die 
römische Eroberung auch hier zu einer wahrhaften Assimilation geführt. 
Fremd sind die Eroberer vier Jahrhunderte lang in England ge- 
blieben, als Fremde haben sie endlich den frischen Nationalitäten 
den Platz geräumt, welchen es bestimmt war, nicht blofs die Herren 
des Landes zu sein, sondern ihre bleibende Heimath in ihm zu finden. 



V. 
Mars Thingsus. 

Nach einer kurzen Nachricht über den Fund, der hier besprochen 
werden soll, welche den Herren John Clayton imd Dr. Bruce verdankt 
wird, in den Ftoceedings der Society of Antiqtuiries in Newcastle-upon-Tyne 
I 1883 S. 104 ff., sind die Denkmäler des Mars Thingsus zuerst von mir 
veröffentlicht worden in einem Aufsatz „Altgermanisches aus England" 
in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst HI 1884 



UNIVEKSITT 



58 England 

S. 120 — 129 und 287 — 293, — sein Inhalt ist mit einigen Bemerkungen 
des Herausgebers Bruce und anderer Gelehrter wiederholt in der Archaeo- 
logia Aeliana von Newcastle-upon-Tyne X 1884 S. 148 ff.; nachher von 
dem verstorbenen W. Th. Watkin in der Archaeologia Aeliana X 1884 
S. 150 ff. Darauf hat der verstorbene Wilhelm Scher er in den Sitzungs- 
berichten der Berliner Akademie von 1884 S. 671 ff., theilweis mit Be- 
nutzung von Bemerkungen W. Heinzeis in Wien, ihre Deutung eingehend 
begründet, und H. Brunner dieselbe in bündiger Kürze mit werthv ollen 
Ergänzungen wiederholt in der Zeitschrift der Savignystiftung V 1885 
german. Abth. S. 226 f. Abgesehen von der Erörterung einiger epi- 
graphischer Nebenfragen, die ich hier nicht anführe, ist dann der Gott 
und sein Schwan zuerst von W. Ple'yte in den Mittheilungen der Amster- 
damer Akademie von 1886 (mit 6 Taf. Letterkunde 3. Reihe 2. Theil S. 
110 ff.; vgl. dazu J. Klein Bonner Jahrb. LXXIX 1885 S. 276 und F. 
Möller Korrespondenzbl. der W. D. Z. V 1886 S. 256 ff.), nachher von 
J. Hoffory in seinen Eddastudien, erster Theil Berlin 1889 S. 145 ff., 
mit der deutschen Sage vom Schwanenritter in Verbindung gebracht und 
als der germanische Himmelsgott Tivaz, in seiner doppelten Eigenschaft 
als Volksversammlungsgott und Wolkenhen^cher gedeutet worden. Hoffory 
hat seiner Abhandlung auch Abbildungen der drei Denkmäler beigegeben. 
Der verstorbene F. Möller in Metz wollte ohne Wahrscheinlichkeit nur 
den römischen Mars mit der Gans in ihm erkennen, in dem Aufsatz über 
die Gans auf Denkmälern des Mars in der Westdeutschen Zeitschrift für 
Geschichte und Kunst V 1886 S. 321 ff. Eine neue Deutung der beiden 
Begleiterinnen des Gottes versuchte K. Weinhold in der Zeitschrift für 
deutsche Philologie XXI 1887 S. 1—16. Den Fund von Procolitia, die 
Weihinschrifien der Göttin Coventina, habe ich im Hermes XII 1877 S. 
267—272 besprochen. 

Mit den Truppen von gallischer und germanischer Herkunft sind, 
wie überall, so auch in Britannien fremde Gottesdienste eingezogen. 
Davon verschieden ist noch die Frage, wie weit britannische Gott- 
heiten in derselben Art römischen Göttern gleich gesetzt und neben 
und mit ihnen verehrt worden sind, wie es von keltischen, germa- 
nischen, hispanischen, pannonischen und dakischen bekannt ist. Die 
inschriftlicben Denkmäler bieten reichen Stoff für darauf gerichtete 
Untersuchungen; bisher ist eine solche nur für die keltischen und ger- 
manischen Mütter unternommen worden. Bei einer der Stationen des 
Hadrianswalles, Procolitia, jetzt Carrawburgh in Northumberland, haben 
germanische Soldaten aus den Cohorten der Bataver und Cugerner 
einer Quellgöttin Coventina kleine Altäre sowie thönerne Becher und 
zahlreiche Münzen von Hadrian abwärts geweiht. Ob diese Göttin 
fremden, germanischen Ursprungs ist oder vom Zusammenkonamen bei 



Mars Thingsus 59 

ihr einen lateinischen Namen führt, lässt sich mit Sicherheit nicht 
entscheiden. Hier soll auf den Ursprung und die Verknüpfung solcher 
fremder, aber doch in ihrem Urgrund mit den römischen stammver- 
wandter religiöser Vorstellungen nicht eingegangen werden. Aus 
einem anderen der von germanischen Hülfstruppen besetzten Kastelle 
am Hadrianswall sind uns Denkmäler bekannt geworden, welche ein 
überraschendes Licht auf die älteste Gottesverehrung unserer Vor- 
fahren werfen. Sie verdanken der römischen Herrschaft in England 
ihre Erhaltung; als eine schöne Frucht der auf ihre Erforschung ge- 
richteten Untersuchungen verdienen sie die Aufmerksamkeit auch wei- 
terer Kreise. 

In dem Bezirk eines der gröfsten unter den Kastellen am 
Hadrianswall, dem alten Borcovicium, dessen Ruinen, wie schon ge- 
sagt (S. 46), den Namen Housesteads, die Häuserstätten, führen, 
sind im November 1883 drei Steindenkmäler gefunden worden. 
Herr John Clayton bewahrt sie in dem Museum seines Landsitzes 
zu Chesters; das ist die heutige Bezeio.hnung für die Reste eines 
anderen, weiter östlich liegenden Kastells am Wall, des alten Cilur- 
num. Es sind zwei grofse Altäre und ein halbrundes bogenartiges 
Relief, wahrscheinlich das Frontstück eines kleinen der Gottheit ge- 
weihten Heiligthums. 

Die beiden Altäre tragen Inschriften in grofser und schöner 
Schrift, wie man sie in jenen entlegenen Orten und aus jener Zeit 
kaum erwartet; sie gehören, wie sich gleich ergeben wird, in die 
erste Hälfte des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Aber 
die Schrift ist auf dem nicht besonders harten granitartigen Sand- 
stein, der dort bricht, durch Feuchtigkeit und langes Liegen in der 
Erde sehr ausgewittert und stellenweise wie verwischt; im übrigen 
sind die Altäre wohl erhalten. Die Bildwerke des Heiligthums 
sind ziemlich roh und von flachem Relief, wie man es von den mili- 
tärischen Steinmetzen aus ziemlich zahlreichen ähnlichen Werken 
jener Gegenden gewohnt ist. Dennoch liefs sich die Lesung mit 
Hülfe von künstlicher Beleuchtung der Steine, sowie von Papierab- 
drücken und Photographien mit aller wünschenswerthen Sicherheit 
feststellen. Hoffentlich zieren Gipsabgüsse dieser für das deutsche 
Alterthum so wichtigen Denkmäler in nicht allzu langer Frist misere 
Museen. 

Der erste Altar, 2 Fufs 3 Zoll (englisch) hoch, 1 Fufs 5 Zoll 



60 England 

breit, trägt eine hohe, aber glatt gelassene Krönung und auf der 
rechten Seite vom Beschauer eine weibliche Figur in flachem Relief. 
Auf der linken Seite war gewiss einst eine entsprechende Figur be- 
absichtigt; sie ist entweder heruntergemeifselt oder vielleicht nie aus- 
geführt worden, etwa wegen des Raumes, in welchem der Stein auf- 
gestellt war. Die Figur trägt weite Gewänder, unter denen die liinke 
verborgen ist; die Rechte erhebt sie mit geöffneter Hand wie zum 
Ruf. Den Kopf mit hoher Haartracht scheint kein Kranz oder Band 
zu schmücken. Die Inschrift, mit grofsen und deutlichen Buch- 
staben eingemeifselt und mit ziemlich häufigen raumsparenden Buch- 
stabenverbindungen, wie sie zu der Zeit üblich waren, lautet: 

Beo Marti Thingso et duahus Älaesiagis Bede et Fimmilene 
et n(uminibus) Aug(usti) Germ(ani) cives Tuilianti v(otum) s(olve- 
runt) l(ibentes) m(erito). 

Die Lesung und Auflösung der Abkürzungen entspricht durch- 
aus bekanntem Brauch und bedarf keiner Rechtfertigung. Welches 
Augustus Numen oder Numina gemeint sind, ergiebt sich aus der 
zweiten Inschrift. 

Sie steht auf einem etwas kleineren Altar (hoch 2 Fufs, breit 
1 Fufs 7 Zoll), dessen Krönung eine sehr gewöhnliche architektoni- 
sche Form zeigt, an den Seiten zwei Voluten, vorn mit radförmigen 
Rosetten verziert, in der Mitte ein kleiner Giebel, in welchem sich 
eine Büste befindet, ohne Zweifel die des Gottes. Auf den Seiten 
sind Opfergeräthe, rechts Kanne und Schale, links Messer und Beil 
dargestellt, wie auf vielen gleichartigen Altären. Das erste Wort 
der Inschrift steht vorn auf der Krönung des Altars. Der Text, in 
Schriftformen, welche denen des ersten Altars ganz ähnlich und offen- 
bar gleichzeitig sind, lautet: 

Beo Marti et duahus Älaisiagis et n(uminibus) Aug(usti) 
Grer(mam) cives Tuihanti cunei Frisiorum Ter . . . Ser . . . Älexan- 
driani votum sölveru[nt] libentfes m(eriio)J, 

Der Name des Kaisers, dessen Gottheit in beiden Inschriften 
zugleich mit den übrigen Göttern geehrt wird, ergiebt sich mit 
Sicherheit aus dem (oder den) Beinamen des cuneus Frisiorum: es 
ist Severus Alexander, und damit ist die Zeit der Denkmäler sicher 
auf die Jahre 222 bis 235 n. Chr. bestimmt. 

Wir haben also zwei im wesentlichen gleiche Weihungen vor 
uns, denselben Gottheiten von denselben Personen dargebracht. Nur 



Mars Thingsus 61 

dafs in der ersten die Namen der Gottheiten, in der zweiten dieje- 
nigen der Weihenden vollständiger angegeben sind, als in der an- 
deren. Man könnte fast vermuthen, dafs die zweite Inschrift wegen 
einiger darin vorkommender Abkürzungen, die wahrscheinlich fehler- 
haft sind, verworfen worden ist, Daraus würde sich erklären, dafs 
die beiden letzten Zeilen anscheinend unvollendet geblieben sind. 
Allein so gut sich ein solches Verwerfen eines nicht ganz gelungenen 
Textes durch ähnliche Beispiele erläutern lässt, so ist doch auch die 
Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dafs beide Altäre nebenein- 
ander, etwa an verschiedenen Oertlichlteiten des Heiligthums, für 
welches sie bestimmt waren, Verwendung fanden. Die Undeutlich- 
keit und UnvoUständigkeit des Textes lässt sich auch auf andere 
Weise erklären. 

Zunächst die Gottheiten, denen diese Altäre geweiht sind. 
Mars, der an erster Stelle genannt ist, erscheint vielfach unter ein- 
heimischen Anrufungen, welche mit seinem römischen Namen ver- 
bunden werden, in Britannien zum Beispiel als Bclatucadi'us und 
Cocidius. Thingsus, wie er hier auf dem ersten Altar genannt wird, 
ist, me die Kenner der ältesten Formen unserer Sprache überein- 
stimmend urtheilen, die Latinisierung eines germanischen Adjectivs, 
gebildet von dem altnordischen thing, dem althochdeutschen ding, „Volks- 
versammlung''. Mars Thingsus ist mithin der Vertreter des deut- 
schen Tiu, wie er im Namen des Dienstages (holländisch noch heute 
Dingstag), des dies Martis, als solcher erscheint. Tiu, der deutsche 
Kriegsgott, ist mithin hier zugleich Gerichtsgott, wie Heeresfriede 
und Thingfriede im deutschen Recht gleichbedeutend sind. Für die 
Wechselbeziehung zwischen Kampf und Ding verwies Scherer auf das 
althochdeutsche wehadinc als Bezeichnung des gerichtlichen Zwei- 
kampfs, Brunn er auf das compthing, Kampf ding, des friesischen 
Rechtes. 

Auch erscheint der Name des Gottes hier nicht zum ersten Mal. 
Auf einem schon länger bekannten kleinen Altar mit verwitterten 
Schriftzügen, der in einem der Kastelle in Cumberland, südlich von 
Hadrianswall, Brougham Castle (der antike Name ist unbekannt), zum 
Vorschein gekommen ist, steht folgende Inschrift: 

Deo Belatitcadro a micro siv[e] Tus Tingso ex cuneum 
[Fr]is[iorum Gerjmanot'tim, 

Die Lesung ist zwar nicht vollkommen zweifellos, aber doch 



62 England 

in der Hauptsache deutlich. Bemerkenswerth ist zunächst, dafs auch 
hier wieder dieselbe friesische Heeresabtheilung als weihende erscheint, 
wie auf den Altären von Borcovicium. Belatucadrus ist, wie schon 
gesagt, der britannische Mars; er heifst a muro, der vom Wall, mit 
auffälliger, aber doch verständlicher Kürze. Gemeint ist mit dem 
murus natürlich der Wall des Hadrian. Durch das sive scheint der 
britannische Mars noch deutlicher, wie in jenen anderen Weihungeu, 
dem Thingsus (hier ohne die Aspiration geschrieben) gleichgesetzt 
zu werden. In Tus liegt also wahrscheinlich der Name des deutschen 
Tiu, in etwas missverstandener Umschrift. Die ungrammatische Ver- 
bindung ex cuneiim für ex cuneo entspricht den zu jeder Zeit im 
Volksmunde üblichen rein lautlichen Verwechselungen der Casus. 

Mit Mars werden auf den Altären von Borcovicium nun femer 
zwei weibliche Gottheiten genannt, die beiden Alaisiagae; ihre be- 
sonderen Namen, Beda und Fimmilena oder Fimmila, hat nur die 
Inschrift des ersten Altars erhalten. Dafs auf dem ersten Altar 
Alaesiagae, auf dem zweiten Alaisiagae steht, ist nicht auffallend; 
der ältere Diphthong ai hat sich neben ae in .einheimischen Namen 
lange im Gebrauch erhalten. Was der Name Alaisiagae oder Alae- 
siagae bedeutet, ist noch nicht mit völliger Sicherheit ermittelt 
worden. Seh er er erklärte die Alaesiagen, vermuthungsweise und 
zweifelnd, für die Allgeehrten; Weinhold hält die Form Alaisiagis 
für verschrieben statt Alaisagiis — was ja immer bedenklich bleibt — , 
und deutet sie als die grofsen Gesetzsprecherinnen. Deutlicher sind 
ihre besonderen Namen Beda und Finimilena. Nach Heinz eis Vorgang 
erklärt sie Scher er, unter allseitiger Zustimmung der Kenner des 
deutschen Rechtes, ftlr die Gottheiten zweier verschiedener Arten der 
Volksversammlung, also als die rechten Gehülfinnen des Kriegs- und 
Dinggottes Tius. Bodthing ist im friesischen Recht das regelmäfsige 
Gericht, zu welchem eine Ladung stattfand, Beda, Bitte, später 
Bot, Gebot. Davon verschieden ist das Fimmelthing oder richtiger 
Fimelthing, das bewegliche Gericht, das nicht regelmäfsig stattfand, 
sondern nur wenn ein besonderes Bedürfniss dazu vorlag. Es war 
ein After- oder Nachding, welches die im Bodthing nicht zu Ende 
gebrachten Sachen verhandelte. So sind also die beiden Alaisiagen 
„Vertreterinnen der Ehrfurcht, welche Tius Things auf der Volksver- 
sammlung heischt'', sie sind die Göttinnen des Thingfriedens, und 
zwar Beda für das Bodthing, Fimmilena für das Fimmelthing, Bedas 



Mars ThingsuB 63 

Name erscheint selbstständig in dem Namen einer rheinischen Ortschaft, 
dem pagits Bedae der römischen Itinerare, das dem heutigen Bitt- 
burg entspricht. In dem Genetiv Fimmilene hat Weinhold vielleicht 
mit Recht nach Wilhelm Wackeraagels Vorgang eine veränderte Ab- 
leitung von dem Nominativ Fimmila erkannt. Deutsche Namen auf 
a, männliche wie weibliche, werden im frühmittelalterlichen Latein 
nicht selten wie Formen auf anus, ana decliniert: z. B. JSgica 
(männlich) Egwani, Teudila (weiblich) Teudilane, und ähnliche. 
Man erwartet freilich dann Fimmilane; doch läfst sich auch Finuni- 
lene statt dessen wohl erklären. Wie dem aber auch sei, ob Fim- 
mila oder Fimmilena, die Beziehung zum friesischen Fimmelthiug 
ist auf dieser von Friesen gesetzten Weihung an den Mars Thingsus 
neben der der Beda auf das Bodthing unzweifelhaft. 

Die eine der beiden Alaisiagen ist mit grofser Wahrscheinlich- 
keit in der weiblichen Gestalt auf der Seite des ersten Altars zu 
erkennen; die Handbewegung stimmt gut zu ihrer Bedeutung. 

Es entspricht nur der Treue gegen den kaiserlichen Kriegs- 
herrn und weit verbreitetem Gebrauch in von römischen Beamten oder 
Militärs gesetzten Weihungen der Kaiserzeit, wenn neben dem ein- 
heimischen Gott und seinen Helferinnen auch noch die Gottheit des 
Kaisers in der Weihung verehrt wird. Sie erscheint theils singu- 
larisch bezeichnet, als numen Augusti, theils pluralisch, als mimina 
Augusti oder Augustorum, mit einigen Gebrauchsverschiedenheiten, 
die hier nicht zu erörtern sind. 

Ehe ich in der Erläuterung der inschriftlichen Urkunden fort- 
fahre, ist nun gleich noch des dritten Denkmals zu gedenken, welches 
zugleich mit den beiden Altären gefunden worden ist. Das halb- 
kreisförmige Relief war, wie schon gesagt, vielleicht bestimmt, die 
Vorderfront am Heiligthum des Mars und seiner Nebengottheiten zu 
schmücken, das an jener Stelle innerhalb des Kastells von Borcovi- 
cium gestanden haben muss. Wie dies Heiligthum beschaffen gewesen, 
haben die Ausgrabungen nicht aufgeklärt; die Bogenöffnung unter 
dem Relief bildete wahrscheinlich den Eingang zu der Cella des 
Gottes, vor welcher die beiden Altäre standen. In der Mitte des 
Reliefs ist in über dem Bogen erhöhter Nische der Gott Mars dar- 
gestellt, in der gewöhnlichen römischen Bewaffnung mit Helm, Har- 
nisch, an der rechten Seite hängendem Schwert, Schild und 
Speer. Der Helm scheint einen grofsen, zu beiden Seiten herab- 



64 England 

hängenden Helmbusch zu haben. Leider ist gerade der Kopf durch 
die Verwitterung fast unkenntlich; mau sieht nur, dafs er nach rechts 
gewendet ist. In der Rechten hält der Gott den Speer, die Linke 
stützt er auf den runden Schild. Zu seiner Rechten unten sitzt ein 
Schwan, der zu ihm aufblickt. Ein Schwan, nicht eine Gans, ebenso 
wie auf einem in Lancashire gefundenen römischen Schildbuckel, 
jetzt im brittischen Museum, neben dem Speer oder Feldzeichen, 
das der thronende Mars in der Linken hält, deutlich ein Schwan 
erscheint. Diesen Schwan hat zuerst W. Pleyte in Leiden mit dem 
Schwan der Lohengrinsage in Verbindung gebracht. J. Hoffory 
wies überzeugend nach, dafs Hönir, der Wolkenherrscher der skan- 
dinavischen Götterwelt, aus dem alten schwanengleichen Tius (oder 
Tivaz) hohnijaz hervorgegangen ist. Dieser aber ist wiederum kein 
anderer als der Schwanenritter der Sage, die in zahlreichen Ab- 
wandlungen überliefert ist. Alle ihre Wandlungen weisen auf das 
nordwestliche Deutschland als Ursprungsort. Im dritten Jahrhundert 
sind beide Gestalten des Tius von den Friesen verehrt worden, wie 
der dem Gotte beigegebenc Schwan beweist. 

So wird also die Bedeutung der grofsen Gottheit aus deutscher 
Vorzeit, die aus ihrem Namen erschlossen wurde, durch die Darstel- 
lung des Reliefs bestätigt. 

Zu beiden Seiten der Nische des Gottes sind zwei gleichartige, 
wie es scheint ganz nackte Knabengestalten schwebend angebracht, 
die eine nach rechts, die andere nach links gewandt; sie sind stark 
verwittert. In der erhobenen Linken tragen beide etwas, das wie 
ein Stab oder ein Zweig aussieht; wahrscheinlich ist ein Zweig, wohl 
ein Palmenzweig, gemeint. Die herabhängende Rechte hält einen 
deutlichen Kranz. Nach den ersten Abbildungen und Beschreibungen 
sah ich darin die beiden Alaisiagen, wobei vorausgesetzt wurde, dafs 
sie kurze eng anliegende Gewänder getragen hätten. Allein die Photo- 
gi-aphie lässt davon nichts erkennen. Ich bin daher jetzt geneigt, 
die beiden nackten Genien mit Kranz und Zweig für die numina 
Äugiisti zu halten; schon Pleyte hat sie für Eroten erklärt. Frei- 
lich wird der römische Genius gewöhnlich anders dargestellt, als ein 
Jüngling mit langem Mantel und Füllhorn. Aber wenn wir in der 
Nische den Mars, auf der Seite des ersten Altars eine der Alai- 
siagen fanden, so bleiben die Numina allein übrig als nicht darge- 



Mars Thingsus 65 

stellt. Für die Deutung des ganzen Denkmals ist unerheblich, was 
mit den beiden Knabengcstalten gemeint war. 

Ich kehre nun zu den inschriftlichen Urkunden zurück. Als 
Weihende werden auf beiden Altäre genannt Gerniani cives Tmhanti, 
d. h. Tuihanten von germanischer Herkunft. Auf dem zweiten werden 
sie genauer bezeichnet als gehörig zu dem cuneus Frisiorum Ter. 
Ser. Alexandrianus, und derselbe cuneus Frisiorum Germanorüm 
erscheint auch auf der dritten Thingsusinschrift, der v^on Brougham 
Castle in Cumberland. Ich beginne mit dem Unsicheren in diesen 
Bezeichnungen. Die römischen Truppcntheile, Legionen, Cohorten, 
Alen und andere, führen im dritten Jahrhundert nicht selten Ehren- 
beinamen von dem jedesmal regierenden Kaiser. So heifst die hier 
genannte Abtheilung auf einer vierzehn Jahr jüngeren Inschrift aus 
einem anderen römischen Kastell in Cumberland, Papcastle, dessen 
antiker Name Aballava war, cuneus Frisioniim Aballavensium Phüip- 
pianuSf nach dem Kaiser Philippus (244 bis 249 n. Chr.). Die 
nach dem Kaiser Scverus Alexander Ehrenbeinamen führenden Truppen- 
abtheilungen pflegen sich durchweg nach seinen beiden Beinamen zu 
nennen: also ala oder cohors Severiana Äkxandriana, numerus 
Severianus Alexandrianus oder Severianorum Alexandrianorum, nie, 
soviel ich sehe, Alexandriana oder Alexandrianus, Alexandriani 
allein; was gewiss wohlbegründet ist. Daher bleibt es das wahr- 
scheinlichste, dafs in dem überlieferten Ver. Ser, der Inschrift des 
zweiten Altares nichts steckt als ein Versehen des provinzialen Stein- 
metzen für Sever(ianus). Die einzige noch bleibende Möglichkeit 
der Deutung wäre, Ser. für eine lautliche Zusammenziehung aus Sever. 
und Ver. für eine Ortsbezeichnung zu halten, wie bei jenem cuneus 
Frisionum von Aballava. Aber die Abkürzung Ser. für Setter, ist 
unerhört und der Name des Ortes, an dem die Altäre standen, war 
BorcoVicium, nicht Ver . . . . ; auch pflegen Ortsnamen nicht in so 
vieldeutiger Weise abgekürzt zu werden. Der cuneus Frisionum von 
Borcovicium führte also, so viel ist unzweifelhaft, nach bekanntem 
römischem Gebrauch Ehrenbeinamen nach dem Kaiser Severus Alex- 
ander. Daraus folgt, dafs die Weihungen während der Regierungs- 
zeit jenes Kaisers, 222 bis 235 n. Chr., gesetzt worden sind; wie 
schon gesagt wurde. 

Die Weihenden nennen sich Gerinani, Deutsche, und zwar cives 

Hübner, Westeuropa. 5 



66 England 

Tuilianti. Das Wort cives bedeutet in diesem Zusammenhang, ohne 
Rücksicht auf rechtliche Stellung, die engere Heimath. So finden 
sich auf einem in Schottland gefundenen Altar des Mars und der 
Victoria cives Baeti militantes in cohorte secunda Tungrorum ge- 
nannt; älmlich in einer schottischen Inschrift ein pagus Condrustis, 
auch ein germanischer Gau, militans in cohorte secunda Tungrorum, 
Der Name der Tuihanten lebt fort in dem Namen der niederländischen 
Landschaft Twente. Das Wort ist ein zusammengesetztes und in 
seinem ersten Theil steckt die Zweizahl, deutlich erhalten wie in 
Tuisto. Hart an die Twente grenzt die Drente, alt Tliriauta, worin 
die Dreizahl den ersten Theil der Zusammensetzung bildet. Woher 
jene Stämme die Zahlennamen führen ist nicht bekannt. Von der 
Bevölkerung der Twente war es streitig, ob sie für friesisch oder 
für sächsisch oder für fränkisch- chaniavisch anzusehen sei. Die 
Tuihanten im cuneus der Frisier zeigen, dafs der Stamm aller Wahr- 
scheinlichkeit nach ursprünglich ein friesischer war. 

In den beiden britannischen Inschriften, der des zweiten Altars 
von Borcovicium und der von Brougham Castle, erscheint der cuneus, 
der Keil, zum ersten Mal als technische Bezeichnung einer römischen 
Heeresabtheilung. In der nachdiocletianischen Eintheilung des rö- 
mischen Heeres finden sich aufserdem cunei als gröfsere Abthei- 
lungen dalmatischer, maurischer, palmyrenischer, sarmatischer Reiter; 
gennanische fehlen. Tacitus bezeugt von den Germanen ausdrücklich, 
dafs ihre Schlachtordnung aus Keilen zusammengesetzt werde: acies 
per cuneos componitur (Germania Cap. 6). Gewiss ist es kein Zu- 
fall, dafs im römischen Heere des dritten Jahrhunderts das Wort 
zuerst bei einer friesischen Abtheilung begegnet. Ueber den ger- 
manischen cuneus ist von denen, die sich mit der Kriegführung und 
Heeresverfassung unser Vorfahren beschäftigen, eingehend gehandelt 
worden; wie der römische cuneus aus ihm hervorgegangen, ist schwer 
zu sagen. Scher er hat es auf folgende Weise zu erklären versucht. 
Die einzelne germanische Völkerschaft habe sich in der Schlacht als 
Keil formiert: so viel Völkerschaften, so viel Keile, wie denn nach 
Tacitus in den Historien (IV 16) unter Civilis Canninefaten, Friesen 
und Bataver besondere Keite bildeten. Die Angehörigen eines Keiles 
glaubten sich untereinander verwandt und nannten sich mit einem 
gemeinsamen Namen. Zu jedem Keil gehörte nach der germanischeu 



Mars Thingsus 67 

Heersverfassuiig eine Abtlieilung Reiterei; in der Regel bildete den 
Keil eine zur Hälfte aus Fufsvolk, zui* Hälfte aus Reiterei bestehende 
Truppe. Diese gemischte Truppe wurde vor der Front aufgestellt; 
noch in später Zeit war es eine Auszeichnung an der Spitze des 
Keiles das Feldzeichen zu tragen. Der Keil war also eine Elite- 
truppe; wenn die Römer die Elite der Friesen aushoben, so mochte 
auf dieser Truppe der Name des Keiles haften bleiben. Soweit 
Sc her er. Doch ist die keilförmige Schlachtordnung keineswegs aus- 
schliefslich den Germanen eigen gewesen. Die Identificierung des 
Keils mit der Völkerschaft lässt sich vielleicht auch auf folgende 
Weise erklären. Jede zum Kreis zusammentretende Versammlung 
von Geschlechts- oder Gaugenossen, welche, ihre Führer voran, in 
sich geschlossen bleiben wollte, zerfällt in keilförmige Abtheilungen, 
falls gleichmäfsige Annäherung aller Theile an den Mittelpunkt beab- 
sichtigt war, der Vorsitz und Leitung in sich schliefsen musste. Aus 
ähnlichem Grunde zerfällt der Zuschauerraum des griechisch-römischen 
Theaters und Amphitheaters in Keile. Trat der Kreis einer Ver- 
sammlung nach geschehener Berathung auseinander, etwa zum Kampfe, 
so konnte die keilförmige Eintheilung als taktische Einheit beibe- 
halten werden. Dann hätte der Keil der Friesen vielleicht noch 
besondere Veranlassung dazu gehabt, den Tius Things zu ehren. 
Auch würde sich so erklären, dafs die landsmannschaftlichen Heeres- 
abtheilungen auch anderer Völker als der Germanen den Namen der 
Keile übernommen haben. Immerhin bleibt es bemerkenswerth, dafs 
zuerst im römischen Heer eine Abtheilung der Nervier, vielleicht 
eine aus Reitern und Fufsvolk gemischte und besonders bevorzugte 
Truppe, den Namen des Keiles führt. Aus den britannischen In- 
schriften ist aufserdem nur noch eine Cohorte der Frisiavonen be- 
kannt; man wii'd sie trotz der verschiedenen Nam.ensform (Frisia- 
vonen für Frisier) für aus Friesen gebildet halten dürfen. Eine 
Reiterabtheilung der Friesen gab es dagegen nicht. In dem Keil 
der Friesen dienten also, wie wir aus den britannischen Inschriften 
erfahren, im dritten Jahrhundert n. Chr. germanische Tuihanten, 
^ Angehörige der Landschaft Twente. Sie hielten fest auch in der 
Fremde und in römischer Heeresfolge an ihrem uralten Gottesdienst 
und haben uns so die Erinnerung bewahrt an die poesievolle Ver- 

5* 

, >* Of THE '^ 

ÜNIVERSITI 



68 England 

ehrung des Schwanengottes Tius Things, den sie auf römisch Mars 
Thingsus nannten. 

Das ist die mannigfache und anziehende Belehrung über deut- 
sches Alterthum in römischer Zeit, welche auf kleinem Raum die an 
der Nordgrenze des römischen Reiches in Britannien gefundenen 
Denkmäler uns bieten. 



II 

DEUTSCHLAND 



Der römische Grenzwall In Deutschland. 

Durch einen vom Verfasser am Winkelmannsfest der archäologischen 
Gesellschaft zu Berlin am 9. December 1877 gehaltenen Vortrag ist das 
Interesse an dem Gegenstand neu geweckt worden. Der Vortrag erschien 
unter dem Titel „Kömisches in Deutschland" in der Deutschen Bundschau 
Jahrgang V 1879 Heft 10 S. 116—131. Die Belege und näheren Aus- 
fuhrungen dazu geben der Aufsatz „der römische Grenzwall in Deutsch- 
land" in den Jahrbücheni des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhein- 
lande Heft LXIH 1878 S. 17 ff. nebst weiteren Beiträgen ebenda LXIV 
1878 S. 33—62 und einem Nachtrag LXVI 1879 S. 13—25. Den Ertrag 
der danach in grofsem Umfang aufgenommenen neueren Untersuchungen 
fassten des Verf. „neue Studien über den römischen Grenzwall" in den 
Bonner Jahrbüchern LXXX 1886 S. 23—149 zusammen. Endlich legen 
den augenblicklichen Stand der Forschung und ihre Ergebnisse dar die 
„neuesten Studien über den römischen Grenzwall in Deutschland", die in 
denselben Jahrbüchern LXXXVIII 1889 erscheinen. Den beiden ersten Auf- 
sätzen ist je eine Uebersichtskarte von H. Kiepert beigegeben. Von 
anderen Spuren der römischen Herrschaft in Deutschand handelt ein 
zweiter Aufsatz „Römisches in Deutschland" in der Deutschen Rundschau 
XU 1886 S. 206—228. Verschiedene kleinere Beiträge des Verf. zur Lösung 
dieser Fragen stehen in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und 
Kunst H 1881 S. 393— 407 u. IV 1883 S. 238—244. In diesen verschiedenen 
Aufsätzen ist die ausgedehnte und in steter Zunahme begriffene Litteratur 
nachgewiesen, die sich auf alle Theile des Grenzwalles und die Städte 
und Strafsen hinter ihm erstreckt. 



Wie es die Römer angefangen haben, sich in den Besitz von 
Deutschland zu setzen, welches zunächst ja nur als das natürliche 
Vorland der durch den Rhein nicht hinlänglich geschützten gallischen 
Provinzen und als eine nothwendige Folge der früheren Eroberungen 
besetzt werden sollt«, dann aber Jahrhunderte lang der Schauplatz 



72 Deutschland 

der gröfsten kriegerischen Machtentfaltung blieb, deren sich Rom, 
ja das ganze Alterthum überhaupt fähig gezeigt hat — tarn diu 
Germania vindtur — , das soll hier nicht erzählt werden. Sondern 
nur, wie sie es anfingen das Eroberte zu halten — denn difßcHius 
est provincias öbtinere quam facere — , welche Spuren noch vor- 
handen sind oder waren von dieser erhaltenden Thätigkeit, die nur 
eine Seite der allgemeinen Verwaltungspolitik ist, bildet den Gegen- 
stand der folgenden Darlegung. Sie wendet sich an alle Freunde 
unserer ältesten Geschichte, insbesondere an alle diejenigen, welche, 
dauernd oder vorübergehend, in der Lage sind, jenen Spuren nach- 
zugehen und zu ihrer urkundlichen Feststellung, womöglich auch zu 
ihrer Erhaltung beizutragen. Sie soll versuchen, das Interesse für 
die Reste der römischen Herrschaft in Deutschland, das im wesent- 
lichen auf den engen Kreis der Lokalforscher beschränkt ist, dadurch 
zu beleben, dafs sie zeigt, wie verhältnissmäfsig leicht es ist, sie 
aufzufinden und zu ihrer Erforschung und Erhaltung beizutragen, 
wie nothwendig andererseits die allgemeine Betheiligung des Staates, 
der Gemeinde, der Einzelnen erscheint an dem Werke der Erfor- 
schung und Erhaltung, ehe es zu spät dazu ist. 
Mauern im ^^^ Gebrauch, die Grenzen eines Landes durch feste Mauern 

j^^Q^^g^^g^^abzuschliefsen, ist uralt. Das älteste Beispiel dafür ist die aus 
land Xenophons Anabasis bekannte raedische Mauer zwischen Euphrat 
und Tigris, deren Erbauung die Sage der Semiramis zuschrieb. Der 
aegyptische Sesostris, Ramses der zweite, hat zum Schutz gegen feind- 
liche Einfälle von Osten her eine Mauer von etwa 260 Kilometern 
Länge von Heliupolis nach Pelusion erbaut. Auf dem Weg von 
Syene nach Philae, an der südlichen Grenze Aegyptens, läuft 
den Fluss entlang im Thale eine Mauer aus ungebrannten Back- 
steinen. Man hält sie für eine Anlage zum Schutze der Grenze 
aus ptolemäischer oder römischer Zeit; Lepsius glaubte mit älteren 
Reisenden, dafs sie nur zur Sicherung der Strafse die Katarakte 
entlang gedient habe. Die Nachfolger Alexanders haben auch in 
anderen Gegenden des Ostens dergleichen ausgedehnte Befestigungen 
angelegt. Bei D erbend an der Westküste des kaspischen Meeres 
ist eine Mauer mit Thürmen vorhanden, die Persien gegen die Nord- 
nomaden abschloss; man schreibt sie Justinian dem ersten oder dem 
Kosru-Nuschirwan zu; ihr Ursprung ist völlig unbekannt. Antiochos 
Soter erbaute den Grenz wall der Landschaft Margiana. Im per- 



Der römische Grenzwall in Deutschland 73 

gamenischen Reiche sind bei der jüngsten Erforschung des Landes 
in der Richtung von Kane und Pitane nach Pergamon mit grofser 
tektonischer Kunst ausgeführte Kastelle und Wachtthürme gefunden 
worden, welche das Land in einer Linie durchqueren. Athens lange 
Mauern bilden wohl die älteste bekannte Uebertragung der die Stadt 
einschliessenden Mauer auf eine lang ausgedehnte Verbindung, welche 
die Entfestigung der Burg möglich machte. Die langen Mauern 
Athens sollen den älteren Vorbildern in Korinth und Megara folgen, 
deren Ursprung nicht näher bekannt ist. Mit Unrecht hat man jedoch 
geglaubt, die römische Provinz Afrika sei im Süden durch Wall und 
Graben gegen die Wüste abgeschlossen gewesen; es liegt dieser An- 
nahme nichts thatsächliches zu Grmide. Das berühmteste Beispiel 
einer langausgedehnten Befestigung ist die grofse im Jahre 212 vor 
Chr. erbaute chinesische Mauer; ob und wie weit für sie europäische 
Vorbilder anzunehmen sind, etwa durch Alexanders Nachfolger ver- 
mittelt, entzieht sich meiner Beurtheilung. 

Alle jene Anlagen zeigen nur entfernte Aehnlichkeit mit den Römische 

Grenzwälle 

römischen Grenzwällen, als deren am besten erhaltene und am ge- 
nauesten bekannte Beispiele die oben (S. 39 ff.) beschriebenen Wälle 
des Hadrian und des Pius in Britannien anzusehen sind. Jene Be- 
festigungen im Orient waren sämmtlich, soviel ich sehe, von Anfang 
an feste Bauten aus Stein. Die römischen Anlagen dagegen sind in 
ihrer Grundlage Erdwerke, hervorgegangen, wie wir an den beiden 
britannischen Wällen deutlich erkennen, aus dem römischen Lager. 
Man kann sie füglich als in die Länge gestreckte Lager bezeichnen, 
nur dafs sie, statt von allen vier Seiten durch Erdwerke umgeben 
zu sein, an zweien, den kurzen Querlinien, vom Wasser, Meer oder 
Fluss, abgeschlossen werden. So erscheinen sie als eine nationale, 
aus der römischen Kriegsweise hervorgegangene Erfindung. Caesars 
Befestigungen des Rhönelaufs sowie seine ausgedehnten Belagerungs- 
werke bilden eine Vorstufe zu der Uebertragung der Lagerbefesti- 
gung auf die Grenzlinie, welche die neuen Aufgaben der kaiserlichen 
Verwaltung nothwendig machten. Auch die römische Bezeichnung der 
Grenze als Querstrafse, wenn dies als die Grundbedeutung von limes 
gelten darf, ist von der Lagerumwallung hergenommen. Die nach 
Art eines Lagerwalls befestigte Grenzlinie wird dadurch zur Grenz- 
wehr. Ihre Verbindung mit davor und dahinter liegenden Lager- 
plätzen, den grofsen und kleinen Kastellen und den Wachtthürmen, 



74 Deutschland 

macht sie zum befestigten Grenzwall. Aus der neueren Befestigungs- 
kunst kann man den römischen Grenzwällen Wellingtons Linien von 
Torres Vedras in Portugal vergleichen. Der deutsche Grenzwall ist 
älter als die britannischen Wälle; er bietet überhaupt das älteste 
Beispiel solcher Befestigungen. 
QueUen Eine Zusammenhängende üeberlieferung über den römischen 

Grenzwall in Deutschland, seinen Zweck, seine Entstehung und Ent- 
wickelung, über den Ausbau der einzelnen Strecken und die Wieder- 
herstellungen, die nach und nach nöthig werden mussten, liegt nicht 
vor. Aehnlich wie die britannischen Wälle wird er nur nebenher 
gelegentlich und nirgends mit deutlicher Bezeichnung seiner Aus- 
dehnung erwähnt. Von den hunderten von Kastellen, die an ihm 
lagen, sind dem Namen nach nur sehr wenige, der Entstehmig nach 
kein einziges genauer bekannt. Die wenigen vorhandenen Erwäh- 
nungen des Walles bei den römischen Schriftstellern werden nachher 
an ihrer Stelle Besprechung finden. Auch hier also sind wir fast 
ausschliefslich auf die erhaltenen Reste des Walles und seiner 
Kastelle angewiesen. Aber nur in sehr viel geringerem Maafse als 
bei den britannischen Wällen wird hier das stumme Zeugniss der 
erhaltenen Reste durch die redenden Zeugen, die inschriftlichen 
Denkmäler, unterstützt. Hier ist von der Zukunft noch mancherlei 
Aufklärung zu erwarten. Denn vieles zwar, was früher vom Wall 
sichtbar war, ist jetzt verschwunden; aber mit sorgfältiger Beschrei- 
bung des vorhandenen und vor allem mit Ausgrabungen ist eben erst 
ein Anfang gemacht. Meist zufällige Funde, besonders bei Strafsen- 
und Eisenbahnbauten, haben manches Neue zu Tage gefördert. An- 
dererseits wirkt die fortschreitende Bebauung des Landes, wie über- 
all, verwischend und entstellt die schon geringen Reste von Jahr zu 
Jahr mehr bis zu völliger Unkenntlichkeit. Auch geschichtliche und 
archivalische Forschung ist mithin nothwendig. Manches verschwun- 
dene Denkmal, hier und da ein ganzes römisches Kastell, hat aus 
den Akten ausgegraben werden müssen. Um so mehr erscheint es 
geboten, sich dasjenige zu vergegenwärtigen, was man wirklich weifs, 
und Hand anzulegen zur Beschaffung des zur Vermehrung der Kennt- 
niss nöthigen, so lange es noch geht. 
Vorarbeiten Seit der Zeit, in der man in Deutschland nach dem Vorbild 
der italienischen Renaissance begann den Resten des römischen Alter- 
thums in der Heimat Interesse zuzuwenden, seit dem Ende des 



Der römisclie Grenzwall in Deutschland 75 

fflnfzehnten und dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, ist man 
auch hier und da auf die besonders in Süddeutschland damals besser 
als jetzt erhaltenen römischen Strafsen und Befestigungslinien auf- 
merksam geworden, welche die gröfseren ursprünglich römischen 
Städte mit einander verbanden. So ist in gröfseren Pausen nach 
und nach eine mehr umfang- als inhaltreiche Litteratur über diese 
Dinge entstanden, die man erst in jüngster Zeit begonnen hat in er- 
schöpfender und methodischer Weise auszunutzen. Jedes der früheren 
Jahrhunderte hat eine oder die andere Untersuchung dieser Fragen 
aufzuweisen; in gröfserem Zusammenhang werden sie erst seit wenigen 
Jahrzehnten geführt. Alle diese Arbeiten erstrecken sich nur auf 
einzelne Theile des grofsen Grenzwalls, auf einzelne Städte und 
Landschaften. Im Jahr 1748 hatte die Berliner Akademie, vielleicht 
unter des grofsen Königs Einwirkung, in französischer Sprache die 
Preisaufgabe gestellt: wie weit der B;ömer Macht in Deutschland ein- 
gedrungen sei. Christian Ernst Uansselmanns nachher noch zu 
erwähnende Beschreibung des Grenzwalls in den hohenlohischen 
Landen, ein Stück der Grenze des Zehentlandes, verdankt dieser 
Anregung ihre Entstehung. Den Preis erhielt der Gamisonpfan'er 
in Hameln Christoph Friedrich Fein. lieber das römische 
Deutschland im Ganzen und besonders über den Grenzwall haben 
erst seit den vierziger Jahren in summarischer Weise die Hand- 
bücher der alten Geographie berichtet, wie das von Friedrich August 
ükert. Etwas genauer und zum Theil de visu schildern ihn einzelne 
englische Reisende, welchen die Vergleichung mit den britannischen 
Wällen den deutschen nahe gebracht hatte, wie James Yates, der 
treffliche Verfasser eines Werks über die antike Webekunst, und 
William Bell aus Newcastle. Ihnen sind in jüngster Zeit gelehrte 
Reisende, wie Thomas Hodgkin, der Verfasser der Geschichte 
der Ostgothenherrschaft in Italien, und rüstige Fufswanderer, wie L. 
G. Mowat, gefolgt. Erst vor etwa zehn Jahren ist das Bewusst- 
sein von der Bedeutung dieses grofsen Denkmals der römischen 
Herrschaft in Deutschland in weiteren Kreisen erwacht. Die Ge- 
schichtschreiber, welche von den Anfängen unserer Geschichte ein- 
gehender sprechen, wie Wilhelm Arnold, Georg Kauffmann, 
Felix Dahn, oder die Geschichte des Kriegswesens behandeln, wie 
der Oberstlieutenant Max Jahns, oder die römischen Kriege und 
die römische Herrschaft in Deutschland prüfend untersucht haben, 



76 Deutschland 

wie der verstorbene Theodor Bcrgk und Mommsen in seiner rö- 
mischen Geschichte der Kaiserzeit, haben ihm ihre Aufmerksamkeit 
zugewendet. Ihnen kam zum Theil schon das Werk eines Mannes 
zu gut, das trotz mancher begreiflicher UnvoUkommenheiten immer 
einen hervorragenden Platz unter den hierhergehörigen Arbeiten ein- 
nehmen wird. Es ist das Buch des früheren Obersten im Ingenieur- 
corps und jetzigen Conservators des Museums zu Wiesbaden August 
von Cohausen, „der römische Grenzwall in Deutschland'' (Wies- 
baden 1885, mit Atlas von 52 Tafeln). Dieses Werk bietet eine 
zuverlässige, technisch genaue Beschreibung der einst und noch jetzt 
vorhandenen Ueberreste der römischen Befestigungsanlagen im Rhein- 
land und hat damit die Grundlage für alle weiteren Untersuchungen 
geschaffen, wenn auch nicht für die ganze gewaltige Ausdehnung der 
542 Kilometer langen Limeslinie« so doch für den einen Haupttheil 
derselben die Strecke zwischen Main und Rhein. Mit Benutzung 
der älteren Vorarbeiten, aber im eigentlichsten Siime des Wortes 
auf eigenen Füfsen stehend — er hat die oben bezeichnete Strecke 
der Limes Schritt für Schritt, zum Theil wiederholt begangen — , 
in anschaulicher und auch dem Laien verständlicher Weise die Er- 
gebnisse seiner Abmessungen und Aufnahmen darlegend (die aufge- 
nommenen Profile füllen allein neun Doppeltafeln) lässt er die einzelnen 
Abschnitte der ganzen Anlage an dem Auge des Lesers vorübergehen, 
in ihren Einzelnheiten wie in den charakteristischen Eigenthümlich- 
keiten, welche die Bodenbeschaffenheit ganzer Gegenden hervorruft. 
Die kartographische Darstellung der Strecke von Grofskrotzenburg 
am Main bis nach Hönningen gegenüber von Niederbreisig am 
Rhein in zweiundzwanzig Kartenstreifen gewährt ein Bild von der 
ganzen Anlage; die zahlreichen Profile des Walls und die nach 
gleichem Maafsstab aufgenommenen Pläne der einzelnen Kastelle mit 
gröfseren der Thümie, Thore und vorstädtischen Anlagen vervoll- 
ständigen es. Für den bayerischen Theil des Limes liegen die noch 
besseren Karten Friedrich Ohlenschlagers vor, wie wir sehen 
werden; für die würtembergische und badische Strecke fehlen sie 
theils noch ganz, theils sind sie in Zeitschriften versteckt. Lehrreich 
besonders ist Cohausens üebersichtstafel , welche die Gröfsenverhält- 
nisse der rheinischen und britannischen Limeskastelle und einiger 
römischer Städte wie Köln, Heddernheim, Regensburg, zur An- 
schauung bringt. Viele thatsächliche Berichtigungen von Cohausens 



Der römische Grenzwall in DeutscMand 77 

Buch werden den Forschern verdankt, die nach ihm und meist auf 
seinem Werk fufsend die Untersuchung der im Boden steckenden 
Reste gefördert haben. In einem zwei Jahr später erschienenen 
Nachtrag hat der Verfasser selbst schon manches davon verwerthet. 

Lange vor Cohausens Werk war der verstorbene Karl Samwer, 
der bekannte holsteinische Patriot, nachher in gothaischem Staats- 
dienst, zufällig aufmerksam geworden auf die spärliche üeberliefe- 
rung über den römischen Grenzzolldienst. Dies veranlasste ihn, in 
dem deutschen Grenzwall ausschliefslich eine Zollschranke zu sehen. 
Es ist dankenswerth, dafs der praktische Verwaltungsbeamte auf 
diesen bis dahin nicht gehörig betonten Zweck des Grenzschutzes 
hinwies; nur dürfen darüber die anderen, wichtigeren Aufgaben des- 
selben nicht aufser Acht gelassen werden. 

Den Ertrag der Arbeit Cohausens und seiner Nachfolger haben 
bald danach Ferdinand Hang in Mannheim, Hermann Haupt 
in Giefsen, der verstorbene Albert Duncker in Kassel, zuletzt 
Alexander Riese in Frankfurt und J. Asbach in Köln in gemein- 
verständlicher Kürze zur Darstellung gebracht, jeder an seinem Theil 
und aus dem ihm nächstliegenden Gebiete selbständiges beisteuernd. 
Doch lagen ihnen Ohlenschlagers Arbeiten noch nicht vor; auch 
fehlen noch die neuesten Untersuchungen über die Neckar-Mümling- 
linie. Auf die in mancher Beziehung noch von einander abweichen- 
den Ergebnisse aller dieser Betrachtungen konmie ich später zurück. 
Eine zusammenfassende Darstellung des ganzen Werkes, auch ohne 
Karten und Pläne verständlich und anschaulich, liegt noch nicht vor. 

Der römische Grenzwall zerfällt, obgleich ein einheitliches Werk, 
in drei Abschnitte, den Donaulimes oder die raetische Grenze, den 
südlichen Theil des obergermanischen Limes oder die Grenze des 
Decumatenlandes von der Donau bis zum Main, und den nördlichen 
Theil des oberrheinischen Limes vom Main bis zum Rhein. Zum 
zweiten Abschnitt gehört die Neckar -Mümlinglinie und ein Stück 
nur durch den Main gebildete Grenze. Nach diesen drei Abschnitten 
wird sich am leichtesten eine Uebersicht über das Ganze gewinnen 
lassen. 



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78 Deutschland 

I. 
Die raetische Grenze. 

Da Donau und Rhein zusammen des Reiches nördliche Grenze 
bildeten, so kann sich die Betrachtung nicht streng auf Deutschland 
beschränken, sondern es muss ein Blick geworfen werden auf den 
Lauf der Donau bis zu ihrer Mündung, 
DaWsche Ehe Trajan Dakien, das heutige Siebenbürgen und Rumänien, 

.renzwa e ^^^ römischen Reiche als neue Provinz hinzugefügt hatte, bildete 
die Donau die nördliche Grenze der seit Augustus unterworfenen 
römischen Provinzen unter- und Obermoesien, Pannonien und Noricum. 
Erst seit Vespasian scheinen auf dem rechten Donauufer, abgesehen 
von den älteren beiden Legionslagern in Singidunum (Belgrad) und 
Viminacium (Kestolatz) in Moesien, gröfsere Kastelle bestanden zu 
haben. Novae (bei Steklen unweit Sistow), Durostorum (Silistria) 
und Troösmis (Iglitza) an der unteren Donau wurden wahrscheinlich 
zu Anfang des zweiten Jahrhunderts gegründet. Seit dieser Zeit sind 
an verschiedenen Stellen Ansätze dazu gemacht worden, das Gebiet 
jenseits des Flusses durch Wälle zu schützen. Die äufserste nord- 
östliche Grenze Dakiens, zwischen Pruth und Dniester, war durch 
eine doppelte Linie von Wällen und Kastellen gesperrt. Dieser 
moldauische Wall ist uns durch C. Schuchardts Untersuchung erst 
neuerdings etwas genauer bekannt. Vom oberen Lauf des Sereth 
nördlich von Nicoresci beginnend zieht er sich über den Berladfluss 
in südöstlicher Richtung an den Pruth und den Jalpuch in Bess- 
arabien nördlich von Belgrad und weiter, wie es scheint über Tabak 
und Tartarbunar, zum Dniester nördlich von Akkjerman. Nur das 
moldauische Stück ist von Schuchardt gesehen worden und kann für 
römischen Ursprungs gelten. Ein zweiter weiter nördlich in Bess- 
arabien zwischen Leowa am Pruth und Bendery am Dniester sicht- 
barer Wall ist nur aus den englischen Aufnahmen der Donaumün- 
dungen unvollkommen bekannt. Diese bessarabischen Wälle dienten 
offenbar dazu, die römische Küste des Pontus gegen die Sarmaten 
im Binnenlande zu schützen. 

Zu irgend einer Zeit einmal, wohl ehe die Donaumündungen 
von Galatz an die Reichsgrenze bildeten, ist die kurze Landstrecke 
der Dobrugea von 6 Kilometern Breite von dem Flusslauf bei Cer- 
nawoda, dem alten Capidava, nach Tomi-Konstanza am Pontus durch 



Die raetische Grenze 79 

Wälle gesperrt worden, in der Richtung von Westen nach Osten, 
hinter den Karasuseen. Diese Befestigungslinie ist unter dem Namen 
der Trajansmauer bekannt. Von ihr giebt die im Jahre 1840 ver- 
öffentlichte Beschreibung nebst drei vorzüglichen Aufnahmen mit Pro- 
filen von dem preufsischen Ingenieuroffizier Herrn von Vincke eine 
ziemlich ausreichende Vorstellung. Weitere Mittheilungen über sie 
gab Schuchardt. Der Grenzwall bestand demnach hier aus drei 
befestigten Linien, einer steinernen Mauer und zwei Erdwällen; da- 
hinter liegen in ungleichen Abständen Kastelle. Die südlichste Linie, 
die für die älteste gilt, ist ein Erdwall mit nach Süden, also gegen 
die Provinz, davorliegendem Graben. Von den beiden anderen ist 
die eine ein bis drei M. hoher Erdwall, die andere ein weniger hoher 
mit Steinen gefütterter Wall. Sie laufen oft dicht nebeneinander 
her, anderswo weit von einander entfernt, und kreuzen sich etwa in 
der Mitte, so dafs in der östlichen Hälfte der Erdwall, in der west- 
lichen der Steinwall der nördlichere ist. Der Erdwall hat auf beiden 
Seiten Gräben, der Stcinwall nur im Norden. Die Mauern von 
Konstanza sind durch einen besonderen Wall mit den Linien in Ver- 
bindung gesetzt. Wälle und Gräben sind in ihrem Lauf über Höhen 
und Tiefen weithin bis zur See kenntlich; auch von dem Kastell 
Capidava am Fluss lassen sich Umfang und Maafse noch erkennen. 
Die Anlage scheint eine gewisse Aehnlichkeit mit dem britannischen 
Wall Hadriaus zu haben, doch fehlt es auch hier noch ganz an in- 
schriftlichen Zeugnissen. Es wird die Aufgabe des aufblühenden ru- 
mänischen Staatswesens sein, hier weitere Aufklärungen zu schaffen. 

Unterhalb Drobetae, d. i. Turnu-Severin am eisernen Thor der 
Donau, bei der scharfen Biegung des Flusses nach Westen, beginnt 
eine gi'ofse Wallanlage, die ziemlich parallel der Donau durch Ru- 
mänien von Westen nach Osten zieht. Der Wall wird vom Volk 
Trojan genannt, da von dem Lokalgelehrten dort überall die Reste 
der Vorzeit mit Trajan in Verbindung gebracht werden, oder auch 
die Novaksfurche; ein Name, für den es bis jetzt keine Erklärung 
giebt. Ueber Craiowa (das ist Castra nova), Schoperlitza , wo ihn 
Schuchardt selbst sah, zur Aluta und über diese hinaus zieht sich 
der Wall bis nach Greci am Argeschflusse. Von da ab schwindet 
jede nachweisbare Spur. Allein dafs der Wall dort nicht im Leeren 
abbrach, sondern von da weiter nördlich von Bukarest über Plo- 
jesci und Buzeu z\m Seretb bis nach Galatz lief und dort einen 



80 Deutschland 

festen Anschluss finden musste, ist eine naheliegende und allgemein 
angenommene Yennuthung. Denn am unteren Lauf des Sereth bei 
Serbesei beginnt wiederum ein Stück Wall, das in der Anlage völlig 
mit dem südlichen bessarabischen tibereinstimmt. Es zieht sich in 
nordöstlicher Richtung bei Tulucesci an der Nordwestspitze des 
Brateschsees vorbei und endet 15 Kilometer nördlich von Galatz. 
Wenn dies Schlussstück eines dem Fluss parallel laufenden Limes 
römischen Ursprungs ist, woran nicht wohl gezweifelt werden kann, 
so wird man auch den Anfang bei Drobetae und mithin die ganze 
ursprünglich etwa 600 Kilometer lange Linie mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit für römisch halten dürfen. Schuchardt hält den An- 
fang, da er für den römischen Ursprung der ganzen Linie in der 
Geschichte der dakischen Provinz keine passende Veranlassung findet, 
für einen von dem Gothenkönig Athanarich im Jahre 376 gegen die 
Hunnen errichteten Verhau, von dem Ammianus Marcellinus berichtet. 
Schwerlich dürfte ein eiliger Bau der Art eine solche Ausdehnung 
gehabt und so erhebliche Spuren zurückgelassen haben. Unsere 
Kenntniss von den dakischen Feldzügen Domitians und Trajans ist 
ganz unvollständig und unsicher. Ich will nicht behaupten, dafs eine 
so grofse Wallanlage, deren Ausdehnung die des ganzen germa- 
nischen Limes noch überträfe, als ein unmittelbarer Vorläufer der 
Besetzung Dakiens durch Trajan angesehen werden könne; wie Do- 
mitians Wall in Deutschland mit seinem Chattenkrieg in Verbindung 
stand. Römische Strafsenzüge mögen diese Anlage später gekreuzt 
und über sie hinausgeführt haben. Dakien galt stets als eine weit 
vorgeschobene Provinz und Avurde deshalb früher aufgegeben als die 
älteren. Die grofse rumänische Wallanlage, die zugleich das Hinter- 
land in Schach hielt, würde mit Dakiens Lage nicht in nothwendigem 
Widerspruch stehen. Aber freilich, noch ist kein Spatenstich am 
rumänischen Wall gethan, kein Stein, keine Ziegelscherben, geschweige 
eine römische Inschrift daher bekannt geworden. Nur seine allge- 
meine Aehnlichkeit mit den grofsen römischen Anlagen des Westens 
springt in die Augen. Auch andere Völker, nach und neben den 
Römern, haben in jenen Gegenden wahrscheinlich, wie die Gallier 
und Germanen im Westen, Verhaue und Brustwehren, Gräben und 
Ringwälle zu ihrem Schutze gegen den Feind angelegt. Es bedarf 
noch viel genauerer Untersuchung, bis man hier das römische von 
dem nichtrömischen wird sicher unterscheiden können. Vielleicht 



Die raetische Grenze 81 

hat hier doch der volksmäfsige Name Trojan eine geschichtliche Er- 
innerung bewahrt, so leicht auch oft für volksmäfsig und alt gehalten 
wird, was neuerer Gelehrsamkeit seinen Ursprung verdankt. 

In späterer Zeit haben, nach den Untersuchungen Karl Torma's 
in Budapest, an der nordwestlichen und an der südwestlichen Grenze 
der dakischen Provinz zwei verschiedene Walllinien bestanden. Die 
erste, nördliche Linie, von Tliho-Nyirsid bei Porolissum (Moigrad) 
nach Kis-Sebes nordwestlich von Napoca, Klausenburg, die in einer 
Inschrift des dritten Jahrhunderts (C. I. L. IQ 827) erwähnt wird, 
ist 65 Kilometer lang, und bildete also wohl die Grenze der Provinz 
zwischen den Flüssen Szamos und Koros. Der Wall ist an seinem 
Fundament 11,2 und 12 Meter breit, an seiner Krone 1,40 bis 
2,30 Meter. Die innere Höhe beträgt zwischen 2,5 und 6 Meter, 
die äufsere wechselt je nach der Wichtigkeit des bedrohten Punktes 
zwischen 3,5 und 7 Meter. Der Wall besteht, wie in sehr sum- 
marischer Weise angegeben wird, theils aus Steinmassen, theils aus 
Pflasterwerk, theils aus blofsen Erdschanzen. Der davorliegende 
Graben ist vielfach nicht mehr oder war überhaupt nicht vorhanden. 
Längs des Walles sind dreiundzwanzig kleinere runde Kastelle be- 
obachtet worden; siebzehn oder achtzehn werden als aufserdem noch 
vorhanden angenommen, sodafs erst auf 2000 Schritt je eines kam. 
Hinter dem Wall, 1,50 bis 7,75 Kilometer entfernt, in den nahen 
Thälem, liegen sieben gröfsere Kastelle, durch Strafsen mit dem 
Wall verbunden. Das bedeutendste unter ihnen ist das aus In- 
schriften ermittelte Resculum (bei Sebesväralja). Die römischen 
Strafsen führen durch den Wall hindurch in das Feindesland zu vor- 
geschobenen Kastellen und, falls ich den Bericht recht verstehe, zu 
einer zweiten noch wenig erforschten weiter nordöstlich liegenden 
Befestigungslinie im Biharer Comitat, zwischen den Flüssen Kräszna 
und Koros. Sieben Stationen derselben, Kräszna-Beltek, Kegye, 
Zalnok, Sziplak, Baromlak, Verzdr und Püspöki am Koros sind er- 
mittelt. Dies ist die beim Volke unter dem Namen „ Teufelsmauer " 
(Czörsz-arka?) gehende Linie. Die runde Form der Kastelle deutet 
auf Ursprung in nachdiocletianischer Zeit. 

Später hat Torma auch den südlichen Theil des dakischen 
Grenzwalles zwischen Maros und Donau an der südöstlichen Grenze 
der Provinz untersucht, welcher die Hauptstadt Sarmizegetusa (Värhely) 
schützte; doch sind mir genauere Aufnahmen davon noch nicht 

Hübner, Westeuropa. 6 



82 Deutschland 

bekannt geworden. Noch also vermögen wir nicht ganz den grofsen 
Zusammenhang der römischen Grenzlinie von Westen nach Osten, 
das vielleicht schon unter Nero und Vespasian erdachte, von Domitian 
begonnene und von Trajan und Hadrian vollendete Werk zu über- 
sehen. 

Pannoniens Grenze von Singidunum (Belgrad) bis hinauf über 
Camuntum (Deutsch -Altenburg zwischen Wien und Presburg) hat 
stets nur die Donau gebildet mit zahlreichen Kastellen, von denen 
das letztgenannte, eines der gröfsten und durch die neuen Ausgra- 
bungen der Wiener Altcrthurasfreunde und Alterthumskenner am besten 
bekannten, wahrscheinlich schon unter Claudius angelegt und durcli 
Vespasian erweitert worden ist. In einem jener Kastelle, dem von 
Matrica, südlich von Budapest, ist eine dem Kaiser Commodus im 
Jahre 185 gesetzte Inschrift gefunden worden, in der es heifst, er 
habe das ganze Ufer geschätzt durch Burgen (burgis), die er von 
Grund auf durch seine Legaten habe erricLlen lassen, uud durch 
Wachtmannschaften, die an geeigneten Stellen das heimliche Hinüber- 
kommen von Wegelagerern zu verhindern hatten. Wachtposten mussten 
also hier neben den Kastellen an Stelle eines Grenzwalles die nur 
durch den Fluss gebildete Grenze schützen helfen. Auch Noricum 
und Raetien bis über Regensburg hinaus haben nur die Donau als 
natürliche Grenze gegen das Barbarenland; hier erst beginnt die 
natürliche Befestigungslinie, 
s^he umes ^^ unsichcr auch unsere Kenntniss von jenen dakischen Wällen 

ist, nur erst seit wir von ihnen überhaupt etwas wissen reiht sich 
der raetisch-germanische Limes für unsere Anschauung in ein grofses 
System gleichartiger Befestigungswerke ein. 

Die bayerische Strecke des raetischen Grenzwalles gehört zu den 
theilweis am frühesten bekannten der ganzen Anlage. Der bayerische 
Chronist Johannes Thurmayr von Abensberg, der sich lateinisch 
Aventinus nannte, hat schon um die Mitte des sechzehnten Jahr- 
hunderts einige Andeutungen über den Wall gegeben. Zu Anfang 
des achtzehnten hat dann erst wieder Johannes Alexander Döder- 
lein, der Rector des Lyceums von Weifsenburg, in zwei 1723 und 
1731 in Nürnberg gedruckten Schriften einzelne Theile davon ziem- 
lich eingehend beschrieben. Es folgen Redenbacher und der baye- 
rische Staatsrath von Stichaner, dann Johann Andreas Buch- 
ner, Professor in Regensburg, der in den Jahren 1818 bis 1820 die 



Die raetische Grenze 83 

ganze Strecke von Kehlheim bis Lorch beging, und Dr. Anton Mayer, 
Pfarrer in Gelbelsen bei Kipfenberg. Er hat in sechzehn Jahren, 
1821 bis 1838, wiederholt den ganzen bayerischen Grenzwall be- 
schritten, an vielen Stellen Grabungen veranstaltet, und vieles mit 
ziemlicher Genauigkeit ermittelt. Als er am Ende seiner Wanderung 
angelangt ist, kniet er in tiefer Erregung im weichen Moos unter 
den rauschenden Baumwipfcln nieder, um Gott zu danken, dafs es 
ihm vergönnt gewesen sei, noch in vorgerücktem Alter das Ziel zu 
erreichen und eine genaue Beschreibung dieses schönen Denkmals römi- 
scher Baukunst zu geben. Allein über wichtige Fragen der Bauart 
wie des Zuges blieben noch erhebliche Zweifel, denen Cohausen in 
seinem Werke wiederholt Ausdruck gegeben hat. Seit Jahren lag 
die Aufgabe, hier an die Stelle des Zweifels und der Unsicherheit 
bestimmtes Wissen zu setzen, in den bewährten Händen des Herrn 
Friedrich Ohlenschlager in Speier. Nach einer Reihe von 
gröfsem uud kleinern Vorarbeiten hat er vor wenigen Jahren sein 
Werk „über die römische Grenzmark in Bayern" (München 1887 4., 
mit 4 Kartentafehi) vorläufig abgeschlossen. Er beherrscht, was bei 
diesen Untersuchungen nothwendig ist, da jedes Jahr weiter den vor- 
handenen Bestand der Ueberreste verändert und vermindert, die 
gesammte handschriftliche und gedruckte Litteratur; eine Anzahl ver- 
schollener handschriftlicher Quellen hat er mit glücklichem Spürsinn 
zuerst wieder aufgefunden. In wiederholten Wanderungen hat er das 
ganze bayerische Landesgebiet durchschritten. Doch ist er weit ent- 
fernt, mit seiner bisherigen Arbeit die Untersuchung überhaupt für 
erledigt anzusehen; sein Zweck ist vielmehr, neben der Feststellung 
und Mittheilung des Erreichten und Erforschten zu zeigen, was noch 
zu thun ist. Seine Aufnahmen, in die Karten des neuesten topo- 
graphischen Atlas von Bayern (Maafsstab 1 : 50000) eingetragen, sind 
die vorzüglichsten, welche bisher überhaupt von irgend einem Theile 
des römischen Limes in Deutschland gegeben worden sind; sie können 
sich dreist neben die bisher unerreichten englischen Aufnahmen des 
Hadrianswalles in England stellen. 

Ich beginne mit den Kastellen zum Schutze der Donaugrenze 
östlich am Anfang des raetischen Limes. An der Grenze der Provinzen 
Noricum und Raetien liegen sich gegenüber, durch den dort in die 
Donau mündenden Inn getrennt, die norische Zollstation Boiodurum 
und die Altstadt von Pas sau, die raetischen Castra Batava. Eben- 

6* 



34 Deutschland 

falls unmittelbar an der Donau, 24 römische Meilen nordöstlich von 
Passau, folgt Künzing, das seinen Namen von dem dort gelegenen 
Kastell Quintanae, an dem Flüsschen gleichen Namens, führt, un- 
gefähr so grofs, wie das römische Kastell von Wiesbaden. Weitere 
30 römische Meilen westlich — denn „die Wischelburg", zehn rö- 
mische Meilen vorher, scheint eher vorrömischen oder barbarischen 
Urspi-ungs — liegt Straubing, das alte Sorviodurum, im zweiten 
Jahrhundert Standquartier der ersten Cohorte der Canathener, erbaut 
oder erweitert von Mannschaften der zweiten Raetercohorte und der 
dritten italischen Legion. Endlich Regensburg, die Regina Castra, 
seit Marc-Aurel Standquartier der neu errichteten dritten italischen 
Legion, aus deren Lager die heutige Stadt hervorgegangen ist. 

Südwestlich von Regensburg, am Einfluss der Alcimona (Altmühl) 
in die Donau bei Kelheim, beginnt der raetische Limes, dessen Zug 
wir jetzt erst vollständig und genau übersehen, Dank den Bemühungen 
Ohlenschlagers. Ueber Kipfenberg nördlich von Eichstädt, Weifsen- 
burg, Gunzenhausen gelangt er in einer nach Norden vorspringenden Bo- 
genlinie zur württembergischen Grenze bei Mönchsworth, etwas südlich 
von Dinkelsbühl. Das württembergische Stück ist zwar im Allge- 
meinen so bekannt wie das bayerische, aber eine der Ohlenschla- 
gerischen ebenbtlrtige kartographische Aufnahme fehlt noch. Nördlich 
von Bopfingen, Aalen, Mügglingen gelangt der Limes über Pfahlbronn 
an einen Punkt zwischen Lorch im Remsthal und Welzheim, von 
dem an er seine Richtung, wie wir sehen werden, wechselt. 

Der raetische Grenzwall läuft nicht in schnurgerader Richtung, 
wie der überrheinische in Württemberg, sondern benutzt überall, wo 
es angeht, die oft stundenlang ausgedehnten nattlrlichen Hochflächen 
der dortigen Gebirgsbildung, nur unterbrochen durch eine nicht sehr 
grofse Zahl meist tief eingeschnittener Thäler. Diese werden senk- 
recht durchquert, um die unvermeidliche, aber störende Lücke mög- 
lichst zu verkleinern. Wasserläufe von gleicher Richtung mit dem 
Grenzwall werden vor ihm gelassen; beherrschende, weithin sichtbare 
Höhen in das römische Gebiet hereingezogen. Die Grenze war mithin 
auf einem grofsen Theil dieser Strecke von Anfang an eine natürliche, 
die man geschickt benutzte. Wo die natürliche Grenze ihrer längeren 
Ausdehnung wegen verlassen wird, bietet sie doch in leicht erreich- 
barer Entfernung von dem Wall eine erhebliche Verstärkung. Das- 
selbe ist an Hadrians brittischem Wall zu beobachten. Nicht umsonst 



Die raetische Grenze 85 

führt dieser Theil d^s Grenzwalles den alten Namen der Teufels- 
mauer. Auf gemauertem Unterbau von ungefähr 1,30 m Breite 
erhob sich aus den verschiedenen Gesteinen der nächsten Umgebungen 
theils ohne Mörtel geschichtet, theils regelrecht gemauert, je nachdem 
zu verschiedener Zeit nachlässiger oder sorgfältiger gearbeitet werden 
konnte, eine etwa 1 m breite Mauer, deren Höhe sich zu höchstens 
2,50 m annehmen lässt. Unmittelbar mit der Mauer verbunden 
waren in ziemlich gleichen, durch die Verschiedenheit des Geländes 
bedingten Abständen ummauerte Lagerstellen (wie die Hammer- 
schmiede bei D a m b a c h) und zahlreiche quadratische Wachtthtirme 
vorhanden, überall an Hochpunkten gelegen; zuweilen, wenigstens auf 
dem württembergischen Theil, stützen Strebepfeiler die Mauer auf 
der südlichen Seite. Auch Thore zum Einläss der Grenzbevölkerung 
fehlen in der Mauer nicht. Beim Abstecken der Linie scheinen den 
römischen Feldmessern Ausblicke auf entferntere Höhen, wie z. B. auf 
den Hohenstaufeu, behülflich gewesen zu sein. 

Vor dem Wall nach Norden hin, etwa zwanzig Schritt entfernt, läuft 
überall ein Graben, aufser wo ihn der stete Abfall des Geländes 
überflüssig machte. Er war durchschnittlich einst wohl 3 m breit 
und von ungleicher Tiefe; an vielen Stellen in den Wäldern und 
Schluchten, welche bisher erfolgreich der Bodenkultur getrotzt haben, 
ist er noch deutlich; oft freilich gänzlich verschwunden. Auf der 
Höhe des Walles, wir wissen nicht, ob vor oder auf der Mauer, zog 
sich einst, längst freilich spurlos verschwunden, die Pallisadenreihe 
hin, welche dem ganzen Werk seinen zuerst im vierten Jahrhundert 
vorkommenden deutschen Namen gegeben hat: palae die Pfähle. 
Das älteste Zeugniss dafür findet sich bei Ammianus Marcellinus 
(XVni^ 2, 15), der in der Erzählung von Julians Alamannenkrieg 
vom Jahr 359 von einer Gegend an der Grenze zwischen Alamannen 
und Burgundiern spricht, cui capellatii vel palas nomen est Dafs 
damit ein Theil des Decumatenlandes gemeint sei, ist sicher. Capella- 
tium bedeutet wahrscheinlich, wie im heutigen italienisch capellaccio, 
Mauersteine. Also ist damit wohl die Verbindung von Mauerbau 
und Pallisadenreihe angedeutet. Pfähle gehören schon nach den Vor- 
schriften der griechischen Befestigungstechniker zu den notwendigen 
Bestandtheilen von Erdwerken mit Wall und Graben. Stets ist das 
römische Lager mit Pfahlwerk befestigt worden; der Schanzpfahl ist 
seit alter Zeit ein so wichtiges Ausrüstungsstück des römischen 



86 Deutschland 

Legionars wie seine Waffen. Es erscheint undenkbar, dafs eine so 
grofse römische Befestigungsanlage überhaupt des Pfahlwerks gänzlich 
entbehrt haben sollte. Tritt zu diesen Erwägungen nun noch das 
Zeugniss des Ammianus und die in der Ueberlieferung erhaltene 
Bezeichnung hinzu, so sollte jeder Zweifel ausgeschlossen sein. Denn 
in den verschiedenen Gegenden kommen abwechselnd für den Wall 
vor die Namen Pfahlrain, Pfahlgraben, Pfahldamm und ähnliche. 
Daher ferner die Namen zahlreicher Ortschaften längs desselben, wie 
Pfahlbach, Pfahlbronn, Pfahldorf, Pfahlholz, Pfahlwiesen und ähnliche. 
Die deutschen Anwohner des Grenzwalls müssen also die Pfähle als 
eine bezeichnende Eigenthümlichkeit der ganzen Anlage gekannt und 
als solche hervorgehoben haben. 

Der Anfangspunkt des Limes am linken Donauufer beim Einfluss 
der Altmühl oberhalb Kelheim, eine halbe Stunde von dem auf dem 
linken Ufer liegenden Hienheim und gegenüber von Staubing auf dem 
rechten, ist genau ermittelt. Vier Kilometer südlich davon, am rechten 
Ufer, liegt das den Anfang schützende Kastell Eining am Abensflufs, 
des Chronisten Aventinus Heimat, der sich danach den lateinischen 
Namen gab. Aber der alte Name, wie ihn für dieses und einige der 
folgenden Kastelle das römische Staatsliandbuch des fünften Jahr- 
hunderts erhalten hat, war vielmehr Abusina, wie auch der Fluss 
hiefs; Thurmair hätte sich richtiger Abusinensis nennen können. Das 
Kastell, von 150 zu 120 m, ist schon zum Theil ausgegraben. Die 
Ziegelstempel bezeichnen als Erbauer Mannschaften der dritten itali- 
schen Legion von Regensburg, der ersten Canathenercohorte, wie in 
Straubing, und der dritten brittischen Cohorte, deren Tribun die Notitm 
dignifatum nach Abusina setzt. Zwischen Abusina und dem Limes lagen 
zwei jetzt nicht mehr sichtbare kleinere Befestigungen. Dann folgt, 
in einer Linie, die 2,5 bis 11 Kilometer vom Limes sich entfernt, 
eine Reihe von Kastellen, untereinander und mit der Grenze durch 
Strafsen verbunden, an welchen Ohlenschlager auch noch kleinere 
Lagerstellen beobachtet hat: Irnsing, Pföring mit seiner Biburg 
(Celeusum), Kösching, Pfünz (Vettonianae) , Weifsenburg (Biri- 
cianae?) bei Ellingen, wo ein Militärdiplom des Trajan gefunden 
wurde und die Frauen noch bis zum Jahr 1771 zu einem römischen 
Götterbild wie zu einer Inno Lucina wallfahrteten, ferner T heilen - 
hofen bei Gunzenhausen (Iciniacum?), Gnotzheim, Weiltingen; 
diese alle in Bayern. In Württemberg sind Bopfingen (Opia), Buch 



Die raetische Grenze Sl 

bei Ellwangen, Aalen (Aquileia), ünterböbingen, Schirenhof 
und Lorch theilweis bereits als Kastelle ermittelt. Lorch (Lauriacum, 
wie das gleichnamige Kastell an der Donau und das rheinische an 
der Wispermündung), durch seine Benedictinerabtei berühmt, ist längst 
als römisches Kastell bekannt. Aufserdem zieht sich weiter südlich, 
zwischen der raetischen Grenzlinie und der Donau eine vielleicht 
ältere Linie von Kastellen, der nördlichen ziemlich parallel, von 
Osten nach Westen: Gaimersheim, Nassenfeis, durch ziemlich 
zahlreiche Inschriften hervoiTagend, Faimingen, Heidenheim ge- 
hören dazu. Ferner gehören dahin die römischen Kastelle von Man- 
ching, Neuburg und Günzburg. Aber auch weiter hinauf, bei 
Mengen, Möfskirch, Tuttlingen fehlt es nicht an Spuren römi- 
scher Städte oder ländlicher Niederlassungen. Die Donau, noch 
weiter südlich und westlich der Rhein bildeten hier einst die Linie, 
von der aus die römische Eroberung nach Norden vordrang. Der 
württembergische Theil der Grenzlinie und ihre Kastelle sowie die 
übrigen römischen Orte zwischen Donau und Bodensee haiTcn noch 
genauerer Untersuchung und Feststellung. 

Des raetischen Limes erwähnt zuerst Tacitus in der Germania, 
wo er den friedlichen Verkehr der an ihm wohnenden Hermunduren 
mit den Römern zur Zeit der flavischen Kaiser schildert. Im Gegen- 
satz zu der überall sonst an den Grenzen festgehaltenen strengen 
Absperrung, die dem Fremdling nur unter militärischer Begleitung 
den Eintritt in das römische Gebiet gestattete und von jeder Einfuhr 
einen Zoll erhob, durften jene friedlichen Leute ungehindert ein- und 
ausgehen und ihre Waaren bis nach Augsburg auf den Markt bringen. 
Ein Jahrhundert lang etwa genügte der Schrecken, der den römischen 
Waffen voranging, die Grenze zu schützen. Ueberall, wo die Grenze 
über die grofsen Ströme hinaus vorgeschoben wurde, ist zunächst 
wohl eine Grenzlinie abgesteckt und, wo die Natur des Geländes es 
erforderte, durch Wall und Graben bezeichnet worden. Das reichte 
unter friedlichen Verhältnissen, wie an der raetischen Grenze, lange 
Zeit für den Grenz verkehr und die Zollerhebung aus. Aber als vom 
zweiten Jahrhundert an die ersten Flutwellen der grofsen Wander- 
züge unter den Völkern des Nordens gegen die nördlichen Grenzen 
des Reiches anschlugen, um sich von da an in immer stärkerem 
Anprall zu wiederholen, genügte die blofse Grenzlinie nicht mehr; 
sie wurde zu einer Grenzwehr ausgebaut. Das scheint in Raetien 



88 Deutschland 

erst vom zweiten Jahrhundert an, vielleicht schon unter Hadrian 
geschehen zu sein; sicher erfolgte es unter den Kaisern Pius und 
Marcus, deren Kriege mit den Markomannen um jene Zeit heginnen. 
Damals wurden auch die grofsen Donaukastelle, wie Regensburg, ver- 
stärkt und ausgebaut. In diese Zeit lässt sich mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit, nach den bisherigen Funden und Beobachtungen, der 
Bau der Teufelsmauer setzen. An ihr und an den daran und da- 
hinter liegenden Thtirmen und Kastellen haben die folgenden Jahr- 
hunderte bis zum Ende der römischen Herrschaft in jenen Gegenden 
einen festen, erst nach und nach geringer werdenden Schutz gefunden. 
Die Mauer allein wäre dafür nicht ausreichend gewesen; aber mit 
den dahinter liegenden Kastellen und ihren im Fall der Noth aus 
aller waffenfähigen Mannschalt der Grenzbezirke verstärkten Be- 
satzungen bildete sie eine sehr ausreichende Befestigungslinie. So 
ist der raetische Limes vielleicht als das letzte, aber als ein gleich- 
artiges Glied den grofsen Grenzbefestigungen von der Donau bis zum 
Rhein eingefügt worden. 

II. 
Die Grenze von der Donau bis zum Main. 

Die württembergische Strecke des Grenzwalles gehört in einigen 
ihrer Theile zu den am frühesten bekannten. Auf Christian Ernst 
Hansseimanns umständlichen Bericht (1768 und 1773) ist schon 
hingewiesen worden. Ihm folgten Julius Leichtlen (1818 und 1825), 
ein sorgfältiger Forscher, und Friedrich von Stalin (1841), der 
treftliche württembergische Geschichtschreiber. Seit den sechziger 
Jahren ist Eduard von Paulus, der schon früher den Alterthümem 
des Landes als Forstmann und Topograph Aufmerksamkeit geschenkt 
hatte — eine Frucht dieser Studien ist seine archäologische Karte 
von Württemberg mit erklärendem Text — , der Erforschung des 
württembergischen Limes näher getreten und hat diese Aufgabe auf 
seinen Sohn und Wandergenossen den jüngeren Paulus vererbt. 
Gelegentliche Arbeiten anderer Gelehrten, wie Otto Kellers Ab- 
handlung über Oehringen, haben nicht wenig dazu beigetragen, klarere 
Anschauungen von der römischen Kultur dieser Landstriche zu ver- 
breiten. Seit dem Jahr 1876 hat die württembergische Regierung 
durch eine Kommission von Topographen, Statistikern und Antiquaren 
(Professor E. Herzog in Tübingen leitet den antiquarischen Theil 



Die Grenze von der Donau bis zum Main 89 

der Arbeit) eine vollständige Anfnabme der liimeslinie in AngriiT ge- 
nommen. Das Ergebniss der Vermessung ist im Jahr 1880 mitge- 
theilt (in den Württembergischen Vierteljahrsheften für Landes- 
geschichte) und auf eine Karte (Maafsstab: 1 : 200000) eingetragen 
worden. Die Begehung der ganzen Strecke erwies sich auch in land- 
wirthschaftlicher Beziehung als äufserst lohnend; sie gab ein grofs- 
artiges Gesammtbild von der ganzen Anlage. Seitdem sind neben 
Paulus eine Reihe von jüngeren württembergischen Forschem wie 
Bück, Drück, Gufsmann thätig, unter denen ich Konrad Miller 
hervorhebe. 

Der militärischen Besetzung des Decumatenlandes durch die 
Römer hat ein gelehrter Offizier, der jüngstverstorbene württember- 
gische General E. von Kallee, als Mitarbeiter Herzogs durch eine 
Reihe von topographischen Aufsätzen bekannt, eindringende Unter- 
suchungen zugewendet. Er hat eine Reihe von römischen Kastellen 
südlich der Rems und am oberen Neckarlauf zuerst genau bestimmt. 
Nur eines ist noch nicht genau ermittelt: der Punkt, an welchem 
der raetische Limes mit dem obergermanischen zusammentraf. Die 
Ansichten der betheiligten Forscher gehn darüber noch ziemlich weit 
auseinander. 

Wo die Donaugrenze aufhört und der Rhein seinen Lauf nach 
Norden richtet, ändert sich die Front der Grenze. Bis dahin nörd- 
lich, also von West nach Ost gezogen, wird sie nun eine östliche, 
von Süd nach Nord gerichtete. Hier musste die bis dahin mehr 
oder weniger natürliche Begrenzung zuerst durch eine durchaus künst- 
liche Grenzlinie ersetzt werden. Zwischen den Kastellen Haaghof 
bei Pfahlbronn, unweit Lorch im Remsthal, und Welzheim, dem 
ersten der an der östlichen Grenzfront liegenden, hat sich der 
Richtungswechsel bereits vollzogen. Es fragt sich, ob die südnörd- 
liche Linie nicht schon südlich von Remsthal, gegen den Hohenstaufen 
hin, begann. Die Ansicht der württembergischen Forscher hat sich 
von jeher dieser Annahme zugeneigt. Herr von Cohausen bestreitet 
sie; und der topographische Nachweis ist allerdings bis jetzt noch 
nicht geführt worden. Es wäre nicht unmöglich, dass der raetische 
Limes von dem Kastell Hesse Iberg aus ursprünglich, wenn auch nur 
als Linie, durch die Kastelle Sixenhof, Gmünd, Staufen, Köngen 
bezeichnet war. Von Köngen am Neckar könnte dann eine engere 
ältere Grenzlinie über Neckarelz nach Wörth am Main geführt 

• UNIVERBITT 



90 Deutschland 

worden sein. Doch dies sind vor der Hand nur Vermuthungen. 
Unentschieden ist femer noch, ob das letzte Stück des raetischen 
Limes auf der Hochebene zwischen Rems und Lein bis zum Haaghof 
lief, wie Herzog annahm, oder in das Remsthal nach Lorch hinab- 
stieg, wie Paulus und mit ihm Cohausen glauben. Herzog nahm 
an, das Stück vom Brackwanger Hof bis Pfahlbronn sei nicht Grenz- 
mauer, sondern römische Heer straf se gewesen, die nördlich vor dem 
Limes lief. Paulus lässt den Grenzwall von beiden Seiten, im Norden 
und Süden, von Kastellen begleitet sein, gleichsam wie einen Rücken- 
markstrang der Befestigungslinie. Beide Annahmen werden schwer- 
lich vor der Bodenuntersuchung Stand halten. Dafs diese hier noch 
fehlt, ist die einzige erhebliche Lücke in der Kenntniss des ganzen 
deutschen Grenzwalls. Die Frage hängt eng zusammen mit der Fest- 
setzung der Grenze zwischen Raetien und Obergennanien, welche 
grade von hier ab zur Donau und zum Bodensee lief, aber noch nicht 
genauer ermittelt ist. 

Sicher aber ist, dafs vom Haaghof ab der Grenzwall in fast 
schnurgerader Richtung (was oft als unmöglich bezweifelt worden ist) 
von Süden nach Norden, mit geringer Abweichung nach Nordwest, 
quer durch Württemberg läuft, nördlich von Jagsthausen auf badi- 
sches Gebiet tritt, den Odenwald in der Richtung von Osterburken 
auf Walldürn schneidet und endlich in mehrmals wechselnder Rich- 
tung auf bayerischem Gebiet bei Miltenberg den Main erreicht. 

Die xinlage dieses Stückes des Grenzwalls ist genau bekannt. 
Er ist ein Erdwall, keine Mauer, wie in Bayern. Davor liegt ein 
Graben und dahinter in Abständen von 12 bis 14 Kilometern Kastelle; 
dazwischen auch hier Wachtthürme und kleinere Lagerplätze. Die 
Linie von Wall und Graben, hier und da sogar noch die breite Wal- 
deslichtung vor dem Pfahlwerke, die einst überall vorhanden gewesen 
sein muss, ist in ihrer Lage und Richtung fast überall kenntlich 
und meist in einer Breite bis zu 20 m festgestellt. 

Es steht fest, dafs das germanische Grenzland, welches durch 
die überrheinische Grenzlinie gegen den Osten abgegrenzt wird, von 
Vespasian dem Reiche zugefügt worden ist. Wir haben dafür das 
klassische Zeugniss des Tacitus, welches uns zugleich die amtliche 
römische Bezeichnung dieses anfänglich nicht der Provinz Gallien 
einverleibten, aber doch unter römischer Hoheit stehenden Land- 
striches erhalten hat. Er sagt in der Germania (Cap. 29), zu den 



Die Grenze von der Donau bis zum Main 91 

Völkern Germaniens wolle er, obwohl sie jenseits des Rheins und 
der Donau wohnten, die nicht rechnen, welche die Zehentäcker be- 
bauten; wer von den Galliern den leichtesten Muth und jene Kühn- 
heit besessen habe, welche die Armut verleiht, der habe sich Besitz 
in dem zweifelhaften Gebiet angeeignet. Nachher erst sei der Grenz- 
wall gezogen und Besatzungen dorthin vorgeschoben worden, sodal's 
sie als ein Winkel des Reichs und ein Theil der Provinz angesehen 
würden. Zehentäcker, agri decumates oder decumani, denn beides 
ist gleichbedeutend , nannte man also das Gebiet , wohl weil die 
Bewohner zwar den Zehnten vom Bodenertrag der römischen Steuer- 
verwaltung in Gallien zahlten, aber zu den übrigen Lasten der Pro- 
vinz noch nicht herangezogen wurden, und noch keine Besatzung 
das Land zur römischen Provinz gemacht hatte. Das geschah erst 
später, und zwar kurz bevor Tacitus schrieb. Im Verein mit in- 
schriftlichen Zeugnissen, welche beweisen, dafs die erste Anlage der 
römischen Strafsen in diesem Gebiet durch Vespasian geschehen ist, 
darf man also die Einverleibung des Decumatenlandes mit gröfster 
Wahrscheinlichkeit den flavischen Kaisern zuschreiben, Durch sie 
sind dazu an der natürlichen Grenze jenseit des Rheines nach Osten 
hin, an der Neckarlinie, die ersten festen Lagerplätze für römische 
Truppen angelegt worden. 

Damals wird man sich, wie gleichzeitig oder wenig später in 
Raetien, mit der Absteckung der Grenze und ihrer Befestigung durch 
Wall und Graben zunächst begnügt haben. Die Verstärkung des 
Werks durch die Anlage fester Kastelle dahinter mag schon unter 
Trajan oder Hadrian begonnen worden sein. Die Kastelle der würt- 
tembergischen Linie sind von Haaghof nordwärts Welz heim. Murr, 
hardt, Mainhardt, Oehringen, Jagsthausen, Osterburken. 
Schon ist mit ihrer Aufgrabung ein Anfang gemacht worden. In 
Murrhardt ist der Umfang des Kastelles (185 zu 150 m) ermittelt 
und Inschriften des Kaisers Severus Alexander und der Julia Domna 
gefunden worden, gesetzt von der 24. Cohorte der Freiwilligen. 
Oehringen ist schon länger bekannt; als sein alter Name oder als 
der des damit verbundenen Fleckens ist jüngst vicus Aurelianus er- 
mittelt worden. Es war im dritten Jahrhundert Standquartier eines 
numerus AureKanensis. Seine inschriftlichen Denkmäler reichen bis 
in die Zeit Marc Aurels hinauf. In Jagsthausen, Goetzens Burg, 
die auf klassischem Boden liegt, noch jetzt Sitz der Herren von Ber- 



92 Deutschland 

lichingen. ist ebenfalls die Lage des Kastells ermittelt. Das letzte 
Stück dieser Limesstrecke, von dem Kastell Osterburken und dem 
Wachtthurm im Hettinger Walde südlich von Walldürn an, mit den 
Kastellen Alteburg bei Walldürn, der Hasselburg bei Reinhard- 
sachsen, endlich der Alteburg am Main unterhalb Miltenberg, 
und dazwischen die Grundmauern von einundzwanzig in Abständen 
von 900 bis 1000 Schritten liegenden Wachtthürmen hat nach älteren 
Versuchen verschiedener Gelehrter Wilhelm Conrady in Miltenberg, 
einer der sorgfältigsten Erforscher unserer heimischen Alterthümer, 
ermittelt. Walldürn führt seinen Namen übrigens nicht vom Wall, 
sondern, wie Wallhausen und Grofswallstadt, entweder, wie man an- 
nimmt, von den Welschen, den Fremden, oder von Wallfahrten. 
Von Walldtlrn an hört die gerade Richtung des Grenzwalls auf. Bis 
Miltenberg mussten die römischen Feldmesser, dem Gelände folgend, 
wiederum wie in Raetien mehrere Winkelschläge eintreten lassen. 
Auch hier wird die Aufgrabung der einzelnen Kastelle, die noch kaum 
ernstlich in Angriff genommen worden ist, für ihre Anlage und ihren 
Ausbau wahrscheinlich die gleichen Ergebnisse liefern, wie die der 
württembergischen Kastelle. Miltenberg, W. Conrady' s Wohnsitz, war 
nach inschriftlichen Zeugnissen im zweiten und dritten Jahrhundert 
Lagerort einer Abtheilung von Vortruppen, welche den Namen eocplo- 
rafores Seiopenses führten. Seiopa oder Seiopum scheint daher Milten- 
bergs alteinheimischer Name gewesen zu sein. Wie sehr seine Lage 
gerade für eine Abtheilung militärischer Kundschafter sich eignet, 
bedarf keiner Ausführung. Eine Anzahl Soldateninschriften, die dort 
gefunden wurden und von L. von Urlichs in Würzburg gelehrt er- 
klärt worden sind, bestütigen seine militärische Bedeutung. Zu den 
hier gemachten Funden hat der Bau der Eisenbahn Miltenberg- 
Aschaffenburg den ersten Anstofs gegeben. 
Die Ehe ich mich zu der von hier ab dem Main folgenden Grenz- 

eckar in e jj^^ i^endc, ist noch einer anderen Vertheidigungslinie des Decumaten- 
landes zu gedenken. Von Vindonissa, Windisch in der Schweiz 
etwa in der Mitte zwischen Zürich und Basel, einem der alten Lager- 
orte der gallischen Legionen, führte eine Strafse über den Rhein 
und nordwärts, die Donau unweit Donaueschingen überschreitend, 
nach Rottweil am oberen Neckar. Dort hatte Vespasian bei der 
Besetzung des Decumatenlandes einen oder mehrere Altäre für die 
göttliche Verehrung seines Hauses gestiftet, so wie Augustus und 



Die Grenze von der Donau bis zum Main 93 

Drusus einst in den Pro vinzialbaupt Städten Altäre der Göttin Roma 
und des julischen Hauses errichtet hatten. Das Kastell von Rottweil, 
das den Namen der „flavischen Altäre'' führte, ist nebst einer Reihe 
anderer in jenem Gebiete liegender römischer Kastelle von den ein- 
heimischen Gelehrten, dem General von Kallee und Professor K. 
Miller durch Untersuchung und Grabung festgestellt worden. Von 
dort zieht sich, dem Laufe des Neckar folgend, der ja an sich eine 
Parallele zum Lauf des Rheines bildet, ähnlich wie hinter dem raeti- 
schen Grenzwall, eine Kette von Kastellen nordwärts, welche als eine 
Staffel und zugleich als eine Rückendeckung der Linie Lorch-Milten- 
berg anzusehen ist. Das also sind die Besatzungen, welche nach 
dem Zeugniss des Tacitus in das Barbarenland vorgeschoben worden 
waren. Auf Rottweil folgen, sämmtlich am linken Neckarufer, wobei 
ich kleinere Kastelle übergehe, Rottenburg, im Alterthum Sumelo- 
cennae (in der Sülcheukapelle daselbst ist ein Rest des alten Namens 
erhalten), der Sitz der Steuer Verwaltung in dem neu erworbenen 
Zehentland, Köngen, die Altenburg bei Cannstadt (Clarenna), 
Benningen (der vicus Murrensis mit römischer Neckarbrücke), 
Walheim, Böckingen-Heilbronn, Neckarmühlbach bei Gundels- 
heim. Nördlich davon wendet sich der Neckar nach Westen dem 
Rhein zu. 

Wo die natürliche Flussgrenze aufhört, beginnt eine Linie von 
Kastellen und Thürmen, nicht durch Wall und Graben verbunden, 
welche über die Höhe des Odenwaldes dem Main zustrebt, den sie 
bei Wörth erreicht. Man nennt sie die Neckarmümlinglinie, 
von einem der kleinen Flüsse, deren Thäler die Linie schneidet: die 
Modau, die Mümling, die Gersprenz. Ihre ersten Kastelle sind „ Bürg '^ 
bei Neckarburken und „die Burgmauer'' bei Oberscheidenthal; 
es folgen die nicht grofsen, aber offenbai' nach gleichmäfsigem Plane 
angelegten Kastelle Schlossau, Hesselbach, Würzberg, Eul- 
bach, Hainhaus, Lützelbach und zuletzt Wörth am Main; nur 
wenige aber von ihnen sind genauer bekannt. Sie liegen alle auf 
weithin herrschenden Höhenpunkten an den Hauptübergängen aus dem 
Main- in das Mtimlingthal. Im Park der Grafen zu Erbach-Erbach 
in Eulbach sind allerlei Ueberreste dieser Kastelle gesammelt. Nach 
den älteren nicht ausreichenden Nachrichten über sie, die dem ge- 
ehrten badischen Staatsrath J. F. Knapp und Friedrich Creuzer, 
dem Heidelberger Philologen, verdankt werden, war schon vor Jahren 



94 Deutschland 

eine Aufnahme derselben auf Veranlassung der badischen und hessi- 
schen Regierung in Aussicht genommen worden. Da von dem Fort- 
gang dieser Arbeit nichts verlautete, hat in den letzten Jahren ein 
einsichtiger Liebhaber dieser Studien, Friedrich Kofier in Darmstadt, 
die Linie und ihre Kastelle auf eigene Hand sorgfältig begangen 
und soweit möglich festgestellt. Die Linie folgt der Hauptsache 
nach der „hohen Strafse" im Odenwald; zwischen den KasteUen 
liegen auf zur Beobachtung nach vor- und rückwärts geeigneten 
Punkten Wachtthürme. Aber Wall und Graben fehlen durchaus; 
sie würden auf solcher Höhe zwecklos gewesen sein. Nur ein Ver- 
bindungsweg, keine Heerstrafse, läuft zwischen den Kastellen. Es 
liegt nahe, in diesen Kastellen am Neckar und im Odenwald eine 
ältere überrheinische Grenzlinie des Zehentlandes zu erkennen, eine 
Staflel wiederum und zugleich eine Rückendeckung der Linie Lorch- 
Miltenberg. Die Kastelle beider Linien stehen in enger Verbindung 
miteinander und hatten gleichzeitig Besatzungen derselben Truppen- 
körper. Vielleicht also wurden diese Kastelle und Wachtthürme 
zuerst schon zu Ende des ersten Jahrhunderts angelegt. Die ältesten 
inschriftlichen Zeugnisse, die sich bis jetzt in ihnen gefunden haben 
z. B. in Hesselbach und in Eulbach), sind aus der Zeit des Pius, 
also den raetischen und denen der Linie Lorch-Miltenberg gleichzeitig. 
Damals wird also auch ihnen Ausbau und Verstärkung zu Theil ge- 
worden sein. Nicht blofs gegen den Feind aufserhalb der Grenzen 
sollten Grenzlinien und Grenzwälle schützen; auch in dem eroberten 
Lande selbst gab es eine zahlreiche einheimische Bevölkerung, die 
scharf überwacht werden rausste. Griechische Befestigungskunst hat 
in den asiatischen Reichen der Nachfolger Alexanders schon der- 
gleichen Kastelle und Wachtposten im eroberten Laude angelegt: 
auf die pergamenischen Kastelle ist oben (S. 72) bereits hingewiesen 
worden, Auch das grichische Wort für Thurm, Tcupyo^, ist als 
hurgus in den römischen Gebrauch tibergegangen. Einige der ober- 
germanischen Kastelle, wie die pannonischen (oben S. 82), werden 
auf Inschriften lurgi genannt. Daher finden sich hier, wie an der 
Taunuslinie, viele mit Burg gebildete Namen für die Linieskastelle; 
Alteburg ist einer der häufigsten. 
Die Von Miltenberg bis Hanau fliefst der Main fast genau von Süden 

Mainiinie ^^^^ Norden parallel dem Rhein und bildet die natürliche Fortsetzung 
der beiden ktlnstlichen Grenzlinien Lorch-Miltenberg und Rott- 



Die Grenze von der Donau bis zum Main 95 

weil-Wörth. Ungenaue Keiintniss der Oertlichkeiten und ihrer 
Ueberreste, phantastische lieber Schätzung der römischen Herrschaft 
und ihrer Ausdehnung nach Osten haben ältere Lokalgelehrte, wie 
den Baumeister Karl Arnd, der ein nicht sorgfältig beobachtender 
Enthusiast war, und den ganz unkritischen J. W. Chr. Steiner 
in Seligenstadt zu der an sich nicht unmöglichen Vermuthung ge- 
bracht, der überrheinische Grenzwall habe sich jenseits des Maines, 
bei Freudenberg, wie sie meinten, über den Spesshardt hin fort- 
gesetzt, bei Gelnhausen etwa die Einzig überschritten und am 
westlichen Abhang des Vogelsbergs entlang ziehend Laubach als 
nördlichsten Punkt berührt und von da erst sich .westlich wendend 
den Taunus erreicht. Sic folgten darin einem Irrthum Gibbons, 
des Historikers, der eine Nachricht über den Kaiser Probus damit 
in Verbindung brachte. Diese beträchtliche Erweiterung der römi- 
schen Macht in Deutschland hat sich, wie Albert Duncker und 
Friedrich Kofi er zeigten, als ein Truggebilde erwiesen. Vor 
wenigen Jahren hat H. Haupt in Giessen durch eine Begehung 
der ganzen Strecke den Nachweis geführt, dafs was Arnd für römi- 
sche Wälle und Gräben ansah, sehr junge Anlagen verschiedener 
Art sind. Kein behauener Stein römischen Ursprungs, kein Legions- 
oder Cohortenziegel, keine römischen Thonscherben, geschweige denn 
irgend ein gröfseres inschriftliches Zeugniss hat sich in diesem ganzen 
Gebiete gefunden. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dafs es 
niemals zum römischen Provinzialland gehört hat. 

Zwischen Miltenberg und Grofskrotzenburg, welches ober- 
halb der Kinzigmündung am rechten Mainufer gelegen ist, hat vielmehr 
stets der Main allein die eigentliche Grenze des römischen Gebietes 
gebildet. Aber parallel zu ihm lief wenigstens bis Wörth etwas 
weiter westlich die Mümlinglinie, wie wir sahen, und ausserdem wai* 
sein linkes Ufer, genau wie das des Neckars, durch eine Reihe von 
in mäfsigen Abständen liegenden Kastellen geschützt. Zwischen 
Miltenberg und Wörth liegt ein kleines Kastell bei Trenn fürt. 
Dann folgen den Main abwärts Wörth, etwa eben so grofs, das 
den Abschluss die Mümlinglinie bildet, Obern bürg, bedeutend 
gröfser wie die beiden genannten, an Umfang der nachher zu nennen- 
den Saalburg nahe stehend, und die wenig kleineren Niedernberg, 
Stockstadt, Seligenstadt und Heinstadt gegenüber von Grofs- 
krotzenburg. Aus Stockstadt sind Inschriftsteine nach Aschaifen- 



96 Deutschland 

bürg gekommen und haben eine Zeit lang zu der falschen Annahme ge- 
führt, dafs auch Aschaffenburg, das Ascapha der alten Geographen, 
ein römisches Kastell gewesen sei. Doch hat sich bis dahin nie 
der Römer Macht erstreckt. Die Kastelle am Main sind, Dank den 
Bemühungen Wilhelm Conrady's, Karl Christs und Friedrich 
Kofiers zum Theil schon genauer bekannt; auch ist wiederum zwi- 
schen ihnen eine Reihe von Wachtthürmen festgestellt worden. 
Wahrscheinlich bildete der Main auch noch ein Stück weiter bis 
Hanau, in frühester Zeit vielleicht sogar in seinem nun von Osten 
nach Westen gerichteten Lauf bis Mainz die Grenze des römischen 
Reiches. Aber dies bedarf noch der näheren Untersuchung. Die 
Kastelle am linken Mainufer sind nicht ohne Verbindung über den 
Fluss hinüber geblieben. Bei Seligenstadt schon scheint eine rö- 
mische Brücke über den Main geführt zu haben. Bei Grofskrotzen- 
burg ist eine solche sicher nachgewiesen; auch bei Hanau und viel- 
leicht bei Höchst sind Reste von römischen Brücken bemerkt wor- 
den, lieber die Zeit dieser verschiedenen Brückenanlagen lässt sich 
noch nicht mit Sicherheit urtheilen. Die von Grofskrotzenburg ge- 
hört wohl der Zeit an, in welcher, wie sich sogleich zeigen wird, 
der Grenzwall jenseit des Maines angelegt worden ist. Die Hanauer 
und Höchster Brücke fallen dann innerhalb des Provinzialgebietes 
und werden mit Wahrscheinlichkeit in die Zeit der am meisten ent- 
wickelten römischen Kultur jener Gegenden, von zweiten Jahrhun- 
dert abwärts, gesetzt werden können. Doch könnte von Hanau aus 
ein älterer Grenzwall über Friedberg nach Butzbach gefthrt 
worden sein; davon wird nachher zu reden sein. 

So endet der zweite Hauptabschnitt der nordöstlichen römi- 
schen Reichsgrenze, der oberrheinische Grenzwall zwischen Donau 
und Main. 

m. 

Die Grenze vom Main bis zum Rhein. 

Mainz ist nach Augsburg die erste deutsche Stadt, deren rö- 
mische Denkmäler schon zu Anfang des sechzehnteu ^Jahrhunderts 
gelehrte Behandlung erfahren haben. Von Mainz und Wiesbaden 
aus sind zuerst auch die Spuren des römischen Grenzwalles beobachtet 
worden. Zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts hat Johann Justus 



Die Grenze vom Main bis zum Rhein 97 

Winckelmaiin in seiner Beschreibung der Fürstenthümer Hessen und 
Hersfeld (1697) den Grenzwall in der Wetterau von Amsburg bis 
Pohl beschrieben. Philipp Dieffenbach in Friedberg hat dann, 
nach allerlei älteren Vorarbeiten, seiner Heimatstadt Alterthümer 
(1829) und die Urgeschichte der Wetterau (1845) zum Augangs- 
punkt darauf gerichteter Nachforschungen gemacht. Allein die genaue 
Erforschung des Grenzwalles in allen seinen Theilen — für die rhei- 
nischen hat schon vor Cohausen der verstorbene Oberstlieutenant 
Friedrich Wilhelm Schmidt den sicheren Grund gelegt — wird 
erst der jüngsten Vergangenheit verdankt. 

Auf die Anlage dieses Theils der Grenzlinie bezieht sich die 
älteste bestimmte, wenn auch nur kurze Nachricht über den germani- 
schen Grenzwall aus dem Alterthum, die wir besitzen. Sie findet 
sich in den Schriften des Frontinus, eines hochgestellten Offiziers 
der Kaiser Domitian und Trajan; an Domitians Feldztigen gegen die 
Chatten hat er selbst Theil genommen. Er berichtet von Domitian, 
dass dieser Kaiser zuerst der schwierigen und unsicheren Krieg- 
führung gegen unsere germanischen Vorfahren eine völlig neue 
Grundlage gegeben habe. Sie pflegten bekanntlich überall aus ihren 
Thälern und Wäldern zum Angriff plötzlich vorzubrechen und zogen 
sich dann ebenso schnell wieder in ihre Schlupfwinkel zurück, ehe 
sie verfolgt werden konnten. Dem zu begegnen habe der Kaiser 
auf eine Entfernung vom 120 römischen (oder etwa 25 — 30 geogra- 
phischen) Meilen — leider sagt Frontinus nicht von wo bis wo — 
Grenzwälle (limites) gezogen, die Schlupfwinkel der Feinde blofsge- 
legt — nämlich durch Lichtung der Wälder vor dem Walle — und 
dadurch die Unterwerfung derselben herbeigeftihrt. Auf dies Unter- 
nehmen desselben Kaisers bezieht sich eine zweite, für die Geschichte 
des Grenzwalles in Deutschland nicht minder wichtige Nachricht. 
Sie steht in der Germania des Tacitus und ist daher wenig jünger 
als die des Frontin; leider ist sie noch kürzer, enthält aber wenig- 
stens eine Ortsangabe. Tacitus sagt, des römischen Volkes Gröfse 
— er verschweigt absichtlich den Namen des ihm persönlich beson- 
ders verhassten Kaisers — habe bis jenseit des Rheins — er rechnet 
von Gallien aus — in das Gebiet der Mattiaker über die alten Gren- 
zen hinaus — die bis dahin der Rhein gebildet hatte — Ehrfurcht 
vor seiner Herrschaft verbreitet. Hier wird also Domitian ausdrück- 
lich als der Erbauer der befestigten Grenze jenseit des Rheins be- 

Hübner, Westeuropa. 7 



98 DeutBchland 

zeichnet. Sicher ist, dafs, was Domitian begann, seine Nachfolger 
Trajan und Hadrian weitergeführt haben. Von Trajan wissen wir, 
dafs er die rechtsrheinischen römischen Niederlassungen, soweit sie 
zerstört oder verfallen waren, wieder hergestellt hat. Von Hadrian 
berichten seine Biographen ausdrücklich, dafs er während seines Auf- 
enthaltes bei dem germanischen Heer die durch Grenzwälle, nicht 
durch Flüsse, gebildeten Grenzen gegen das Barbai*engebiet durch 
gewaltige Pfahlbauten nach Art einer Mauereinfriedigung habe schliessen 
lassen. £r hat ja bekanntlich alle Provinzen des weiten Reiches 
wiederholt bereist und sich dabei überall um den Dienst im Kleinen 
und Grofsen gekümmert und alle Anstrengungen und Gefahren der 
Feldzüge mit den Truppen getheilt. Diese Nachricht ist allgemein 
gehalten; wir sind daher durchaus berechtigt, sie nicht blofs auf den 
britannischen Wall des Hadrian zu beziehen, sondern ebenso auch 
auf den germanischen. Die Erwähnung der Pfahlbauten führt deut- 
lich auf den germanischen Grenzwall. Der Holzbau war hier wohl- 
feiler und wohl auch schneller herzustellen, als der steinerne Mauer- 
bau, welchen der Kaiser mit dem gleichen Zweck in England er- 
richten liefs. Erst von diesem Zeitpunkt an scheint auch die räum- 
lich feste Grenze der untergermanischen Provinz vorhanden zu sein. 
In Obergermanien waren schon früher, wie wir sahen, rechtsrheini- 
sche Gebiete dem Reiche dauernd einverleibt worden: das Decuma- 
tenland durch Vespasian, das Gebiet der Mattiaker duixh Domitian. 
Wie weit den beiden germanischen Provinzen auch Gebiete auf dem 
linken Rheinufer zugetheilt worden sind, die bis dahin zur belgischen 
Provinz von Gallien gehörten, kann hier unerörtert bleiben. Aber 
die Feststellung der Grenze zwischen dem oberen und dem unteren 
Germanien ist von entscheidender Wichtigkeit ftlr die richtige Be- 
urtheilung der Frage, wie weit der obergermanische Limes sich er- 
streckt hat. Die Germania des Tacitus ist im ersten Jahr der Re- 
gierung des Trajan 98 vor Chr., zwei Jahr nach Domitians Tod, 
veröffentlicht worden; sie erzählt nur erst von dem Beginn des Wer- 
kes. Zu einer Schilderung des glücklichen Zeilalters des Trajan ist 
Tacitus nicht mehr gekommen; es liegt uns über Trajan überhaupt 
gar keine zusammenhängende geschichtliche üeberlieferung vor. So 
ist es kein Wunder, dafs wir von seinem Antheil an der Befestigung 
der obergermanischen Grenze nichts erfahren. Von Hadrian berichtet 
die dürftige uns erhaltene Biographie, die unter Constantin verfasst 



Die Grenze zwischen dem Main und dem Rhein 99 

worden ist, eben nur die nackte Thatsache, dafs er einen Pfahlbau 
gegen die Barbaren aufgeführt habe. Das sind die gegebenen Da- 
ten, mit welchen wir an die Betrachtung des nächsten Abschnittes 
der römischen Reichsgi'enze gehen. 

Den herrlichen Südabhang der Höhe oder des Taunus (der antike 
Name ist erst in neuerer Zeit von den Gelehrten wieder hervorge- 
sucht worden) mit den angrenzenden Höhenzügen östlich bis gegen 
den Vogelsberg, westlich bis nach Rüdesheim, bewohnte im ersten Jahr- 
hundert ein Stamm des mächtigen Chattenvolkes , die Mattier oder 
Mattiaker, deren Namen die Römer mit den Wiesbadener Heilquellen, 
den Aquae Mattiacae und dem Kastell jenseit Mainz, dem Castellum 
Mattiacorum, von jeher verbunden haben. Von Hanau an bis Mainz 
bildet der Main, von da bis Bingen der Rhein die Grenze und 
zugleich die zum Ueberschreiten lockende Verbindung für diesen 
lachenden Landstrich, dessen Klima schon damals trotz der Wälder 
ein vergleichsweise dem italischen ähnlicheres gewesen sein wird, 
wie das aller übrigen Gegenden des Nordens. Der Blick von 
den hohen Mauern von Mainz, dem Sitz des Statthalters der 
Provinz, über das weite Hügelland bis zu der langgestreckten 
Höhe erinnert noch heute an Italien. Kein Wunder, dafs seit 
den Zeiten des Augustus, seit denen Mainz eines der Haupt- 
quartiere des germanischen Heeres geworden war, die römischen Er- 
oberer bestrebt waren, mit Güte oder Gewalt sich in den Besitz jenes 
übermainischen und überrheinischen Gebietes zu setzen. Von den 
ersten Unterhandlungen des Drusus mit den Chatten, seinem Feldzug 
gegen ihre alten Feinde, die Sugambem, und nachher gegen die ver- 
einten Cherusker, Sugambem und Chatten lässt sich so wenig ein 
topographisch sicheres Bild gewinnen, wie Arbalo, der Ort seines 
Sieges im Chattenlande, bis jetzt hat ermittelt werden können. Sicher 
aber ist, dafs Drusus ein Jahr vor seinem Tode noch von Mainz 
aus über den Rhein siegreich vordrang und ein Kastell am Taunus, 
Artaunum, anlegte. Wo es lag, ob es den Grundstock gebildet hat 
zu einem der später in jenen Gegenden vorhandenen gröfseren römi- 
schen Kastelle, wie der Heddernburg zwischen Praunheim und 
Heddernheim (was einige Wahrscheinlichkeit hat) oder etwa von 
Friedberg, ist auch zunächst noch nicht mit Sicherheit zu ent- 
scheiden. Wahrscheinlich wurden die Chatten durch des Drusus 
Nachfolger Tiberius mit Landgebiet der vertriebenen Sugambem und 

7* 



100 Deutschland 

Markomannen entschädigt und blieben den Römern gefügig bis nach 
der Varusschlacht. Da fiel der überrheinische Besitz bis auf den 
Brückenkopf Mainz gegenüber für einige Zeit wieder in die Hände 
der Chatten. Germanicus drang dann von neuem gegen die Chatten 
vor und stellte das von seinem Vater Drusus angelegte Kastell wieder 
her; damals vielleicht wurde zuerst die Straf se von Mainz nach 
Friedberg uud Butzbach angelegt, die wohl seitdem als eine Art 
Schutz des rechtsrheinischen Gebietes diente. Die Unterwerfung der 
Chatten wurde durch die damals erfolgte Zerstörung der Mattier- 
feste (Mattium, vielleicht bei Gudensberg unweit der Adrana oder 
Edder) gefördert; aber auch in den folgenden Jahren waren noch 
Feldzüge gegen die Chatten nöthig. Von der Zeit des Tiberius an 
bis auf die flavischen Kaiser fehlt es nicht an Nachrichten über 
Kämpfe mit den Chatten, die ich hier übergehe. Leicht möglich, 
dafs es damals schon römische Ansiedlungen bei den Mattiakem im 
Taunusgelände gab; je nach dem Stande der Beziehungen zu den 
Chatten wird der Grenzverkehr über den Main ängstlich beschützt 
oder freier gehandhabt worden sein, wie bei den Hermunduren. Erst 
Domitian hat in zwei Feldzügen, in den Jahren 83 und 89 n. Chr. dem 
dauernden Kriegszustand mit den Chatten dadurch ein Ende gemacht, 
dafs er das römische Gebiet von dem der Germanen in wirksamer 
Weise trennte. Damals ist wahrscheinlich die erste stehende Brücke 
über den Rhein gebaut worden, von der nachher die Rede sein wird. 

Hier setzt die oben gegebene Nachricht des Frontin ein. An 
Stelle der Strafse von Mainz oder Hanau und Kesselstadt nach 
Friedberg und Butzbach ward damals die alte Grenze des Decuma- 
tenlandes, die Neckar-Mümlinglinie , mit ihrer Fortsetzung, der Main- 
linie von Wörth bis Hainstadt gegenüber von Grofskrotzenburg, über 
den Main ausgedehnt. Hier beginnt der dritte und letzte Hauptab- 
schnitt des römischen Grenzwalls, die Befestigungslinie zwischen 
Main und Rhein. 

Bis vor etwa zwanzig Jahren war auch dieser Abschnitt der 
grofsen Anlage nur sehr unvollkommen bekannt. Nur die in den 
Jahren 1833 bis 1845 gemachten vorzüglichen Aufnahmen des verstor- 
benen Oberstlieutenant F. W. Schmidt habe den rheinischen Theil 
der Anlage bereits im Wesentlichen richtig bestimmt. Seitdem ist 
es nach vielen Irrthümem im Einzelnen den Bemühungen zuerst des 
verstorbenen Archivars Carl Rössel in Wiesbaden, dann vor allem 



Die Grenze vom Main bis zum Rhein löl 

des Obersten von Cohausen, nach ihm dem in Cassel verstor- 
benen Albert Duncker, dem schon genannten Friedrich Kofi er in 
Darmstadt, A. Hammeran und Georg Wolff in Frankfurt, dem 
Major Otto Dahm in Hanau, Ferdinand Haug in Mannheim, 
Hermann Haupt in Giefsen gelungen, die Art und den Lauf der 
Befestigung bis auf unwesentliche Lücken genau festzustellen. 

Es ist vielleicht der strategisch und historisch wichtigtse Ab- 
schnitt der ganzen Anlage. Seine I^age in unmittelbarer Nähe der 
vielbesuchten nassauischen Heilquellen macht ihn zugleich zu dem 
weitaus zugänglichsten und landschaftlich lohnendsten Theil des ganzen 
Limes Transrhenaus. Schon Ende der vierziger Jahre hat James 
Yates ihn besucht und mit den britannischen Wällen verglichen, im 
Jahre 1881 Thomas Hodgkin, und die Zahl gelehrter englischer 
Wanderer, die den deutschen Wall mit ihren einheimischen Römer- 
wällen vergleichen, nimmt jährlich zu. Seitdem sind die Haupter- 
gebnisse besonders von Cohausens den ganzen Limes umfassendem 
Werk in die allgemeinen Darstellungen römischer und deutscher Ge- 
schichte tibergegangen. Aber auch in Cohausens Werk ist das topo- 
graphische Detail für die ganze Strecke noch nicht vollständig ver- 
einigt; doch bietet es die bisher besten Karten. Nichts kann lehr- 
reicher und zugleich genussreicher sein, als an der Hand dieser Karten 
durch das Kinzigthal, die Höhe des Taunus bis gegen Schwalbach 
und von da am rechten Rheinufer über Ems bis Hönningen und 
Rheinbrohl gegenüber von Neuwied den leider nach dem Lauf der 
Dinge von Jahr zu Jahr mehr verschwindenden Resten des Grenz- 
walles, seiner Thürme, Warten und Kastelle zu folgen. Die Grad- 
linigkeit und der tibersichtliche Zug des Walles in gleicher Richtung 
mit dem Flusslauf, wie wir ihn am raetischen und decumatischen 
Limes fanden, ist hier fast völlig aufgegeben. Nur die Beschaffen- 
heit des Geländes und das Bestreben, das fruchtbare Gebiet der rö- 
mischen Provinz zu gewinnen und zugleich auskömmlich zu schützen, 
haben die Abmachungen mit den Chatten bestimmt, nach denen die 
Linie abgesteckt worden ist. Grofskrotzenburg am Main, das 
Crucenburg der Urkunden aus karolingischer Zeit, alter Königsbesitz, 
dann dem St. Petersstift in Mainz gehörig, ist, wie schon gesagt, das erste 
Kastell der Linie. Sie geht von da in grader Richtung, wie zuerst 
Jacob Schneider in Düsseldorf sah, durch die Kinzigniederung 
und über den Fluss mit römischer Brücke unweit der Alteburg bei 



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102 Deutschland 

Rückingen, dem zweiten Kastell, nach Marköbel, Altenstadt^ 
Echzell, „aufderBurg'^bei ünterwiddersheim im Thal der Horloff, 
und wendet sich von da ein wenig westlich nach Arnsburg. Diese 
Kastelle sind jetzt sämmtlich nach Umfang und Anlage bekannt. 
Sie entsprechen dem bekannten Schema; überall die gleiche quadra- 
tische oder oblonge Form mit abgerundeten Ecken, die zwei sich 
rechtwinklig schneidenden Hauptstrafsen und die vier Thore an ihren 
Endpunkten; die innere Eintheilung ist selten erkennbar. Meist 
schliessen sich vorstädtische Anlagen an die Mauern des Kastells, 
aus denen zuweilen die modernen Ortschaften erwuchsen. Fast regel- 
mäfsig lässt sich in der Nähe des Kastells eine villenartige Anlage 
nachweisen, mit heizbaren Räumen und Badeeinrichtungen: das Bad 
des Kastells, das in den Inschriften erwähnt wird und zugleich zum 
Absteigequartier der höheren Offiziere gedient zu haben scheint. 
Nicht aber ein Offizierskasino oder eine Zollstation, wie auch ver- 
muthet worden ist. Alle Kastelle liegen unmittelbar an der Linie 
des Walls und sind aufserdem durch eine Heerstrafse mit einander 
verbunden. Kleinere Lagerstellen und Wachtthürme kehren auch hier 
wieder. Endlich liegen weiter rückwärts, ähnlich wie am raetischen 
Limes, in mäfsigen Abständen von den Limeskastellen und durch 
Strafsen mit ihnen verbunden, einige gröfsere und kleinere Kastelle, 
wie Oberflorstadt hinter Echzell, auf der Mauer zu Inheiden, 
die Alteburg bei Arnsburg, die Hunenburg bei Butzbach. Auch 
in ihnen kann man, wie in denen der Neckar-Mümlinglinie, eine ältere 
Befestigung sehen. 

Westlich von Arnsburg, bei dem Kastell von Grüningen, er- 
reicht der Grenzwall seinen nördlichsten Punkt und wendet sich von 
da in südwestlicher Richtung, an den Kastellen Pohlgöns, „die 
Burg " bei Langenhain, Hunnenkirchhof, „auf der Burg", lauter 
charakteristischen Namen, Kaisergrube mid Ockstadt (diese beiden 
hat Cohausen benannt) — eine Anzahl kleinerer übergehe ich — 
«\ und Capersburg vorbei zur Saalburg. Die Saalburg bei Hom- 
burg, ein oft besuchtes Ziel der Ausflüge von Wiesbaden, Homburg, 
Schwalbach und den übrigen Taunusbädem, ist das bekannteste aller 
deutschen Limeskastelle. Die anmuthige Lage und der Besuch von zahl- 
reichen angesehenen Fremden erhöhen seinen Ruhm. Es geniefst den Vor- 
zug, der einzige Ort in der ganzen Linie des römischen Grenzwalls zu 
sein, für dessen Erhaltung etwas geschieht. Dank den Bemühungen 



Die Grenze vom Main bis zum Rhein 103 

Cohausens und des Baumeisters L. Jacobi sowie der Unterstützung 
der Regierung ist das Kastell wie die Lagerstadt davor zum grofsen 
Theil ausgegraben, die südwestliche Winkelrundung der Kastellmauer 
bis zur ursprünglichen Mauerhöhe mit ihren Zinnen wiederhergestellt. 
Ein eigenes Saalburgmuseum birgt die hier gemachten Funde an 
Alterthümem aller Art. Die innere Eintheiiung zeigt das übliche 
Muster des römischen Lagers mit einigen Abweichungen: in dem 
Schneidepunkt der beiden sich kreuzenden Hauptstrafsen das Praeto- 
rium, der Sitz des Kommandos, und die Fahnenkapelle; in dem 
übrigen Raum die Kasernen der verschiedenen Truppentheile, je nach 
der Gröfse des Lagers und der Stärke der Besatzung vertheilt, ur- 
sprünglich und bei vorübergehendem Aufenthalt in Zelten und Ba- 
racken, bei dauerndem in festen Holz-, Ziegel- oder Steinbauten. 
Die Ermittelung des Zweckes der einzelnen Gebäude ist jedoch noch 
keineswegs abgeschlossen. Nur die Vergleichung möglichst vieler, 
auch aufserdeutscher Kastellanlagen wird, wenn inschriftliche Funde 
hinzutreten, die Lösung solcher Fragen bringen. Nie hat sich inner- 
halb eines Kastells ein Grabstein gefunden; die Gräberfelder liegen 
stets in einiger Entfernung aufserhalb. Etwa zehn verschiedene mit 
Heizräumen versehene Bauten sind in der Lagerstadt der Saalburg 
aufgedeckt; eine derselben ist probeweise wieder in heizbaren Zustand 
gebracht worden. Besonders lehrreich sind die inschriftlichen Funde. 
Sie beweisen, dafs das Kastell, dessen alter Name übrigens noch 
nicht wieder zum Vorschein gekommen ist, spätestens seit Hadrian 
oder Pius der Standort der zweiten Raetercohorte gewesen ist, eines 
aus den römischen Bürgern der Städte Raetiens ausgehobenen Truppen- 
theils. Die Ziegel mit dem Stempel dieser Cohorte zeigen, dafs 
ihre Mannschaften wie die der Mainzer Legionen an dem Bau des 
Kastells und seiner Kasernen beschäftigt gewesen sind. Die Saal- 
burg ist ein deutsches Pompeji geworden und dient, obgleich nicht 
eines der gröfsten und wichtigsten, als Musterbeispiel der deutschen 
Limeskastelle. 

Von der Saalburg an schlägt der Grenzwall wieder eine dem 
Main und Rhein parallele Richtung ein. Die nächsten Kastelle sind 
Feldberg, am Maisei, Alteburg bei Heftrich, Eichelgarten, 
Hofheim, Zugmantel, Born, Kemel. Im Thal der Aare bei 
Adolfseck, unweit des Kastells Alteburg bei Heftrich, sind in die 
natürliche Felswand die Namen lanuarius lustinus eingehauen, in 



104 Deutschland 

Schriftformen etwa des beginnenden dritten Jahrhunderts. Wahr- 
scheinlich ist es der Name eines Centurioncn oder Soldaten, der 
dort Steinbrucharbeiten leitete. Grade so sind in England an ver- 
schiedenen Stellen unweit des Hadrianswalls Felsinschriften in den 
alten Steinbrüchen erhalten, aus denen die mit dem Wallbau beauf- 
tragten Truppen ihren Bedarf an Material entnahmen. Für die Kastell- 
und Thurmbauten gewann man auch am deutschen Grenzwall die 
Steine möglichst aus der Nähe. Von da an folgt der Wall der 
nordwestlichen Richtung des Rheins über Alteburg bei Holzhausen, 
Pohl, Becheln zur Lahn, die er unweit Ems überschreitet, bei dem 
Kastell auf der Äugst, unweit Arzbach und Montabaur. Ob dieser 
Name in der That mit irgend einem Augustus zusammenhängt, 
wie Äugst bei Basel den Namen der alten Augusta Rauricorum be- 
wahrt hat, mag dahin gestellt bleiben. Von hier an hat schon 
Oberstlieutenaiit Schmidt den Wall erkaimt: er läuft zu einem Ka- 
stell bei Höhr unweit der Landstrafse nach Vallendar, danach zu 
dem Kastell Alteburg oberhalb Heimbach- Weif s und erreicht dann 
das jetzt fast gänzlich verschwundene bedeutendste der Kastelle jener 
Gegend, die Alteburg bei Niederbiber. Von seinem Vorhandensein 
und Umfang haben uns nur die Aufnalimen Dorows, des Haupt- 
mann Hoff mann und des Baumeisters Hundeshagen Kunde er- 
halten, welche unter Förderung Hardenbergs und der Provinzialbe- 
hörden nach den in den Jahren 1801 bis 1820 gemachten Ausgra- 
bungen veranstaltet worden sind. Der Name auch dieses Kastells ist 
unbekannt; seine Gröfse und die Herkunft der Truppen, die dort 
lagen, zeigt, dafs es unter den Grenzkastellen der obergermanischen 
Provinz einen hervorragenden Platz eingenommen haben muss. Es 
folgen längs der hier stets erkennbaren Limeslinie, welche sich dem 
Rhein immer mehr nähert, nur noch zwei kleinere Kastelle, das jetzt 
ebenfalls verschwundene vom Weiherhof bei Rockenfeld und ein 
mit Wahrscheinlichkeit anzunehmendes bei Rheinbrohl. Wenig 
nördlich davon verliert sich der Grenz wall in der Niederung ^im Maar" 
und in dem durch ein Werth im Rhein gebildeten rechten Arm des 
Flusses, der Laach oder Lache. Warum der Wall gerade hier en- 
dete, wird sich sogleich ergeben. Vorher sei noch ein Blick ge- 
worfen auf die Besonderheiten dieses grofsen Abschnittes der Grenz- 
linie, der von Main bis zum Rhein reicht. 

Hier tritt mehr noch, wie auf der Strecke Lorch-Miltenberg, 



Die Grenze vom Main bis zum Rhein 105 

der Charakter des Walles deutlich hervor. Kastelle und Wachtthürme 
sind allen Theilen des Limes gemeinsam. In Raetien verband sie, 
wenigstens seit dem zweiten Jahrhundert, eine steinerne Mauer, wohl 
zugleich mit Pallisaden; davor nicht tiberall ein Graben. Die Neckar- 
Mümlinglinie zeigt nur Kastelle und Thürme, aber weder Wall noch 
Graben. Der obergermanische Limes ist fast überall durch sein Profil, 
wenn dieses auch je nach der Natur des Geländes in der Form 
wechselte, und den davor liegenden Graben kenntlich. Das Profil 
von Wall und Graben wird von Anfang an kein fest bestimmtes ge- 
wesen sein; die Bodenwelle zeigt meist eine Ausdehnung von 11 bis 
13 m; die Erhebung 0,50 m und mehr. Die natürlichen Ver- 
änderungen, denen der Boden unterliegt, haben den Wall oft bis zur 
Unkenntlichkeit entstellt, so dafs gleiche Ausmessungen auch für be- 
stimmte Strecken kaum angegeben werden können. Aber es unter- 
liegt keinem Zweifel, dafs Wall und Graben, und zwar beide von 
beträchtlicher Gröfse, überall in ununterbrochener Linie vorhanden 
waren. Selbst das hin und wieder beobachtete gänzliche Fehlen von 
Spuren künstlicher Erdarbeit beweist dagegen nichts. Herr von Co- 
hausen hat sehr anschaulich und aus vollster Sachkenntniss geschil- 
dert, wie die steilsten Böschungen nach und nach verschwinden und 
Wald und Sumpf den Wall verdecken. Nicht jede Grenzlinie brauchte 
durch Erdwerke, wie die des römischen Lagers, befestigt zu sein. 
Wo, wie in Raetien, das Gelände dazu ausreichte die Grenzlinie zu 
schützen, begnügte man sich mit Mauer und Pfählen. Hier, in den 
Niederungen wie auf den Höhen, war der künstliche Erdwall, zu- 
weilen aus Steinen zusammengeworfen, aber ohne gemauerten Kern, 
ein nothwendiges Erfordemiss des Schutzes. 

Die Kastelle des oberrheinischen Limes liegen zu einem nicht 
unbeträchtlichen Theile nicht an solchen Stellen, die man heute für 
Festungen auswählen würde. Hohe Lage, freie Umsicht sind nirgends 
bevorzugt; was unseren Militärs, wie Cohausen, natürlich auffällt. 
Viele Kastelle sind von nahen Erhebungen überhöht. Dennoch ver- 
lieh ihnen ihre Zahl und ihre Verbindung durch den Wall die Eigen- 
schaft eines langgestreckten befestigten Lagers. Die zur Besetzung 
der einzelnen Kastelle und Wachtthtlrme nöthige Truppenzahl lässt 
sich nur sehr annähernd veranschlagen. Die ähnlichen neueren An- 
lagen, wie z. B. die frühere österreichische Militärgrenze, geben 
keinen sicheren Anhalt, da die Bedingungen von Angriff und Verthei- 



106 Deutschland 

digang ganz andere geworden sind. Auch die moderne Berechnung 
des Raumgehaltes eines römischen Lagers nach der Kopfzahl lässt 
sich nicht anwenden, weil wir die normalen Besatzungszahlen nicht 
kennen. Sicher ist nur, dafs eine ungemein viel kleinere Zahl von 
Legionssoldaten oder Mannschaften der Hülfstruppen nach antiken 
Begriffen ausreichte. Das beweist ein zufällig erhaltenes Zeugniss 
aus dem Jahre 155 n. Chr., wonach in einem der gröfseren Kastelle 
des oberen Moesien aufser dem befehlenden Centurionen nur 76 Le- 
gionare, darunter zwei Reiter, die Besatzung bildeten. Nicht blofs 
der Centurio und Principalis, das ist der eine ünteroffiziersstelle 
bekleidende, sondern jeder Legionär hatte seine Knechte, Sklaven 
oder Freigelassene, mit sich im Felde, der Reiter für zwei Pferde 
oft mehr als einen Trossknecht. Es ist also neben den eigentlichen 
Besatzungstruppen auf mindestens die doppelte Zahl an Nichtcom- 
battanten zu rechnen. Alle von unseren Offizieren, wie den Herren 
von Cohausen und Dahm, aufgestellten Berechnungen und Unter- 
scheidungen der Kastelle nach der Zahl ihrer Besatzungen erscheinen 
daher noch unsicher. In den Kriegszuständen des ersten Jahrhun- 
derts wird das germanische Heer von etwa 30 000 Mann, im zweiten 
und dritten ein geringeres von etwa 20 000 ausgereicht haben. 
Gegen Ende des dritten und im vierten Jahrhrhundert fand eine be- 
trächtliche Vermehrung und zugleich eine neue Organisation der Grenz- 
truppen statt, die im Gegensatz zu den vornehmeren beweglichen 
Reichstruppen in ihren Standorten mit Grundbesitz angesiedelt wurden. 
Auch eine erhebliche Verstärkung vieler Limeskastelle durch Thtirme 
hat in jener Zeit stattgefunden. Damals mögen die bis dahin mit 
Centurien, halben Centurien und noch geringeren Besatzungen be- 
legten der gesteigerten Gefahr entsprechende gröfsere Besatzungen 
erhalten haben. 

Aus allem dem ergiebt sich, dafs der Grenz wall seit dem zweiten 
Jahrhundert mehr war, als eine polizeiliche Grenzlinie. Der Wall 
mit seinen Kastellen und Wachtthürmen bildete vielmehr eine befestigte 
Vorpostenlinie, hinter denen die gröfseren Kastelle die strategische 
Bedeutung von Grenzfestungen hatten. Tacitus sagt in seiner ersten 
historischen Schrift, dem Leben des Agricola (Cap. 41), von den vielen 
unglücklichen Kriegen des Domitian in Moesien, Dakien, Panno- 
nien und Germanien wohl mit einiger Uebertreibung, zweifelhafte 
Kämpfe hätten nicht blofs um den Limes und die Ufer von Donau 



Die Grenze von Niedergermanien 107 

und Rhein, sondern um die Winterlager der Legionen und den ganzen 
Besitz des Landes stattgefunden. Damit bezeichnet er treffend die 
drei Hauptbestandtheile der befestigten Grenze, um welche gekämpft 
wurde : den Grenzwall, den Fluss oder die nasse Grenze, und die Kastelle. 

Es ist kein Zufall, dafs der obergermanische Grenzwall an der 
angegebenen Stelle bei Rheinbrohl endet. Gerade gegenüber diesem 
Punkte, zwischen Schlofs Rheineck und Niederbreisig, mündet von 
linksher der Vinxtbach in den Rhein. Dieser Vinxtbach, der Abrinca 
der alten Geographen, ist, wie eine Reihe von tibereinstimmenden 
Beobachtungen erwiesen hat, die Grenze der beiden Provinzen Ober- 
und Untergermanien auf dem linken Rheinufer. Auf dem rechten, 
südlichen Ufer des Vinxtbaches stand einst ein dem Juppiter, dem 
Genius loci und der Inno Regina von einem Soldaten der oberger- 
manischen achten Legion und Beneficiar des Statthalters gewidmeter 
Altar, der sich jetzt in Lüttich befindet; auf seinem linken, nörd- 
lichen, ein ähnlicher Altar, jetzt in Brüssel, den Firns, d. h. den 
Grenzgottheiten, dem Genius Jod und dem Juppiter von Soldaten der 
untergermanischen dreifsigsten Legion gewidmet. Diese beiden Altäre 
beweisen, dafs südlich und nördlich von dem Grenzbach römische 
Wachtposten standen. Auch an alten Befestigungen an dieser Stelle, 
zwischen dem Rhein- und Brohlthal, hat es nicht gefehlt. Auf dem 
Thalrande bei Brohl nördlich vom Alverhof, auf der hohen Buche, 
will man einen römischen Lagerplatz erkennen; auch Burg Rheineck 
gilt für einen von Alters her befestigten Punkt. Bis in diese Ge- 
gend zählen die römischen Meilensteine des Oberrheins von Mainz 
ab, die des Unterrheins von Köln ab. Aufserdem ist der Vinxtbach die 
alte Diöcesangrenze zwischen den Erzbisthümem Trier und Köln. 
Desswegen also endete der oberrheinische Grenzwall hier, grade gegen- 
über der Grenze der obergermanischen Provinz. 

Die ersten Befestigungen am Niederrhein hat Caesar angelegt. Die Grenze 
Zweimal ist er, wie bekannt, über den Rhein gegangen, um das vor germanien 
den Einfällen der Germanen stets unsichere linke Ufer des Flusses, 
besonders an seinem unteren und mittleren Lauf, zu unterwerfen, 
wenn auch ohne das rechte dauernd zu besetzen. Zuerst im Jahre 
55 V. Chr. geschah diefs, als er von seinem Zuge gegen die Eburonen 
im heutigen Belgien kam und sich gegen die Sugambren wendete. 
Also irgendwo am Niederrhein gegen Holland hin, vielleicht bei 
Xanten, wo unter Augustus das älteste Standlager der römischen 



108 Deutschland 

Legionen, die Castra Vetera, sich befand. Das zweite Mal, im Jahre 
53 V. Chr., kam er aus dem Lande der Treverer und zog in das 
der Ubier, um von hier aus die Sueben anzugreifen. Damit ist im 
Allgemeinen das rechte Ufer Bonn und Köln gegenüber bezeichnet. 
Er ging, wie er selbst sagt, über den Fluss ein wenig weiter auf- 
wärts als das erste Mal, also vielleicht bei Köln oder Bonn. Sicher ist 
Caesar beide Male bis zum Rhein auf den alten Verbindungswegen 
der Völker vorgedrungen, welche er vorfand. So hat er es überall 
auch in Gallien gemacht; diese alten Wege bildeten die natürliche 
Grundlage, deren sich seine Genieoffiziere bedienten, um jene blitz- 
schnellen Märsche möglich zu machen, durch die er berühmt war. 
Allein vergeblich hat man sich bisher bemüht, den Punkt des einen 
wie des anderen Uebergangs zu ermitteln, auf Grund von Caesars 
unbestimmt gehaltenen Angaben, oder aus den späteren römischen 
Strafsenübergängen, oder endlich aus vorhandenen Resten von Brücken. 
Die ältesten Strafsenzüge, sicherlich meist die durch die Natur selbst 
vorgezeichneten kürzesten Verbindungslinien, wie wir sie im Kleinen 
in jedem Feldweg entstehen sehen, sind aus begreiflichen Gründen 
immer in Gebrauch geblieben und bilden den Kern des späteren rö- 
mischen Strafsennetzes, an den sich die späteren Strafsenanlagen an- 
lehnten. Hieraus erhellt, wie wichtig die Ermittelung dieses Strafsen- 
netzes für die gesammte Geschichte der Provinz ist, auch da, wo 
nicht, wie in Italien und in anderen Provinzen des römischen Reiches, 
Meilensteine mit Inschriften bezeugen, wann die einzelnen Strafsen 
angelegt worden sind. In den Rheinlanden haben sich vor die Re- 
gierung Trajans fallende Meilensteine überhaupt bisher nicht gefunden. 
Woraus nicht geschlossen werden darf, dafs vorher regelrecht ange- 
legte Heerstrafsen überhaupt nicht vorhanden waren; aber ihr gleich- 
mäfsiger Ausbau mit der bekannten soliden üntermauerung, dem sorg- 
fältig gelegten Pflaster mit Bordschwellen und Meilensteinen beginnt 
überall in den germanischen Provinzen erst gegen das Ende des 
ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Die Feststellung der rö- 
mischen Strafsen in Deutschland beschäftigt seit Jahren eine Anzahl 
von Forschem. Zuletzt haben am Oberrhein Jacob Näher und 
Karl Miller, am Niederrhein Jacob Schneider und der General 
von Veith sich um ihre Erforschung verdient gemacht. Die 
Strafsen gingen, wie sich von selbst ergiebt, in zwei Hauptrichtungen : 
von Westen nach Osten an den Rhein und über ihn hinaus, und von 



Die Grenze von Niedergermanien 109 

Süden nach Norden dem linken Ufer parallel, und verbanden die 
Hauptwaffenplätze mit einander. Für die ersten waren Trier und 
Reims, für die letzten Vindonissa und Mainz die Ausgangspunkte. 
Es bedarf noch vieler geduldiger Untersuchung des Bodens durch 
persönliches Begehen, womit General von Veith begonnen hat, um 
an der Hand der späten römischen Itinerarien, die uns vorliegen, 
der wenigen erhaltenen Meilensteine, der vorhandenen römischen 
Niederlassungen und der aus der Natur des Bodens sich ergebenden 
allgemeinen Bedingungen, zu einer annähernd vollständigen Kenntniss 
der römischen Strafsen in Deutschland zu gelangen, Schon jetzt ist 
sicher, dafs auf alle Hauptplätze am Rhein, Bonn, Köln, Xanten, 
von Westen her Strafsenzüge führten. 

Sichere Reste römischer Brücken über den Rhein in der ober- Die 

Brücken 

germanischen Provinz, oberhalb von Mainz, sind noch nicht nach- 
gewiesen worden. Von Caesar an bildete der Rhein in seinem gan- 
zen Lauf bis zur Mündung die Grenze der gallischen Provinz. 
Ehe man daran dachte, das rechte Ufer zu erobern, werden Brücken 
überhaupt nicht angelegt worden sein. In der Zeit des Friedens, 
vom zweiten Jahrhundert abwärts, wii^d es schwerlich daran gefehlt 
haben, so gut wie an Brücken über die hauptsächlichsten Neben- 
flüsse des Rheins. Bei den Kastellen der Neckarlinie, ebenso bei 
Heidelberg, sind verschiedentlich römische Brückenpfeiler im Flusse 
bemerkt worden. Von den Mainbrücken war schon die Rede. Die 
Mainzer Brücke ist die erste, deren Anlage auf gemauerten Pfeilern 
mit grofser Wahrscheinlichkeit in die Zeit Domitians gesetzt werden 
kann, zur Verbindmig der Stadt mit dem Brückenkopf in Castel, 
und im Zusammenhang mit der Befestigung der Reichsgrenze zwischen 
Main und Rhein. Diefs schöne geschichtliche Ergebniss wird später 
genauer dargelegt werden. Vorher schon muss eine Schiffbrücke zeitweise 
in Mainz vorhanden gewesen sein. Von Mainz abwärts sind noch 
innerhalb Obergermaniens Brückenreste gefunden worden am Thurmer 
Werth bei Neuwied, in Niedergermanien bei Bonn und bei Köln, 
endlich bei Xanten. Dafs es an allen den Hauptpunkten, wohin die 
römischen Strafsen führten, die Friedenszeit hindurch an festen Holz- 
oder Schiffbrücken oder Fähren nicht gefehlt hat, ist mit Sicherheit 
anzunehmen. Die Brücken Obergermaniens, welche in das vom Grenz- 
wall eingeschlossene rechtsrheinische Provinzialland führten, werden, 
in welche Zeit auch ihre Entstehung fällt, während des ganzen 



110 Deutschland 

zweiten und dritten Jahrhunderts bestanden haben, bis die zuneh- 
mende Unsicherheit nöthigte, sie öfter zeitweis, nachher dauernd ab- 
zubrechen. Erst als das Reich unter Diocletian und Constantin sich 
zu erneutem kraftvollen Schutz der Grenzen ermannte, sind auch die 
Hauptbrücken, die von Mainz und Köln, neu wieder angelegt worden. 
In den Brückenresten am Thurmer Werth darf nicht Caesars zweite 
Rheinbrücke gesucht werden. Diese Brücke wird zur Verbindung 
des rechten Ufers mit dem gröfsten der dort liegenden Limeskastelle, 
dem vom Niederbiber, zu Ende etwa des ersten Jahrhunderts gebaut 
worden sein, vielleicht gleichzeitig mit der Coblenzer Moselbrücke, 
welche die Strafse von Mainz nach Köln nothwendig gemacht hatte. 
Die Bi-ückenreste in Niedergermanien sind zu unvollständig bekannt, 
als dafs ihre Entstehung auch nur annähernd bestimmt werden könnte. 
Die Frage hängt mit der nach dem Alter der rechtsrheinischen Be- 
festigungen überhaupt zusammen. Sicher ist nur, dafs in Köln unter 
Constantin eine feste Rheinbrücke bestand, wahrscheinlich, dafs schon 
seit dem ersten Jahrhundert dort, wie in Mainz, eine Holzbrücke 
vorhanden war und die Stadt mit dem Brückenkopf in Deutz ver- 
band. Ueber das Alter der Brückenreste bei Bonn und Xanten ist 
keine sichere Bestimmung möglich; allein sie können bis auf Caesars 
Anlagen zurückgehen. 

Nur da, wo er seine zweite Brücke geschlagen hatte, liefs Caesar, 
Kastelle ^ig ^j. q{q gum gröfstcn Theile wieder abbrach, eine Besatzung zu- 
rück. In ihrem befestigten Lager kann der Keim zu einer der spä- 
teren, dem Ubierland gegenüberliegenden Festungen, etwa Köln oder 
Bonn, gefunden werden. Als Augustus zur Ausführung von Caesars 
Gedanken schritt und Germanien bis zur Elbe dem Reiche zu unter- 
werfen dachte, mussten seine Feldherren, Agrippa, Drusus, Tiberius 
und ihre Nachfolger vor allem darauf bedacht sein, die Rheingrenze 
durch Kastelle zu sichern. Seit Caesars Zeit bestanden die beiden 
grofsen Lagerplätze der Legionen in Mainz und in Xanten. Agrippa 
hat im Jahre 38 v. Chr. die Ubier, die vor ihren Stammesgenossen 
Schutz suchten, anf dem linken Ufer angesiedelt und damit die Ubier- 
stadt Köln gegründet. Drusus hat nicht blofs den Rhein mit der 
See durch einen Kanal verbunden und zum Schutz der Provinz überall 
Besatzungen und Wachen vertheilt, an der Maas, der Weser und 
der Elbe, sondern auch nach dem summarisch übertreibenden Bericht 
rednerischer Geschichtschreiber mehr als fünfzig Kastelle an den 



Die Grenze von Niedergermanien 111 

Ufern des Rheins augelegt. Die Elbe bildete zwar amtlich unter 
Augustus die Ostgrenze des Reichs, aber der Rhein blieb doch, wie 
die Donau, der eigentlich befestigte Schutz. Nach des Varus Nie- 
derlage musste zeitweilig das rechtsrheinische Gebiet verlassen 
werden; Tiberius und Germanicus gewannen es wieder, aber unter 
Claudius wurde es endgültig aufgegeben; von da an war wieder die 
befestigte Rheinlinie die Grenze des Reichs. Vergeblich ist freilich 
das Bemühen, die fünfzig Drususkastelle von Basel bis Nymwegen 
zusammenzuzählen. Aber dafs der Grund zu den meisten der be- 
festigten Plätze am Rhein damals schon gelegt wurde, ist sicher. In 
Obergermanien behielten die den Lauf des Rheins begleitenden Kastelle 
Strafsburg (Argentorate), Brumat (Broecomagus), Speier (Noviomagus), 
Worms (Borbetomagus) und nach Mainz Bingen (Bingium) mit den 
Kastellen auf der Heidenmauer bei Kreuznach (Cruciniacum) und 
von Biugerbrück stets eine gewisse militärische Bedeutung, trotz des 
weit davor nach Osten liegenden Grenzwalls. Von Bingen bis 
Koblenz bedurfte der eingeengte Lauf des Stroms keinen stärkeren 
Schutz: nur Boppard (Baudobriga) scheint später wenigstens ummauert 
und militärisch besetzt gewesen zu sein. In Koblenz war nur eine 
Zollstation für die Moselschifffahrt. Den Abschluss der obergerma- 
nischen Provinz, dem Schlussstück des Grenzwalls etwa gegenüber, 
bildet Andernach (Antunnacum), eine uralte vorrömische Ansiedelung, 
dann Lagerort verschiedener Truppentheile und noch in spätester Zeit 
mit verstärkten Befestigungen versehen. Von hier an beginnt, wie wir 
sahen, die Provinz Untergermanien. Nach der Grenzstation am 
Vinxtbach und vei-schiedenen kleineren Wachtposten am Ausgang des 
Brohl- und Ahrthals folgen Remagen (Rigomagus) — dort hat ein 
Militär zu Ende des zweiten Jahrhunderts dem Genius des Ortes 
und dem Rheinstrom einen Altar gesetzt — und Bonn. Bonn ge- 
hört wohl sicher zu den schon von Drusus angelegten Kastellen; er hatte 
es zu einem der Stationsorte ftU* die Rheinflotte gemacht und, wo- 
fern des Florus viel besprochene Nachricht darüber nicht falsches 
zusammenbringt, eine Strafse von Bonn über Sumpfniederungen bis 
nach Gesoriacum (Boulogne-sur-Mer) geführt. Jüngst ist in Bonn das 
beträchliche römische Kastell, der Lagerplatz der ersten Legion, der 
Minervia, seinem Umfang nach genauer festgestellt worden, nördlich 
von der Stadt am Wicheishof, hoch über dem Fluss. Südlich lehnte 
sich daran die Lagerstadt, aus der nach und nach die heutige her- 



112 Deutschland 

vorging. Zwischen Bonn und Köhi gab es noch verschiedene Wacht- 
posten am Rhein; kurz vor Köhi „dieAlteburg^, wo auch eine Station 
der Rheinflotte gewesen zu sein scheint. Köln hat seit Claudius 
aufgehört, ein Militärkastell zu sein. Doch blieb der einst von 
Drusus gestiftete Altar, wie der früher in Lyon am Zusammen- 
flufs von Rhone und Saöne von ihm angelegte, bestehen. Hier wie 
dort hat Kaiser Claudius, des Drusus Sohn, fOr die Erhaltung der 
väterlichen Stiftung gesorgt. Auch nachdem Köln durch Claudius im 
Jahre 51 v. Chr. Veteranencolonie geworden war und aufgehört hatte 
befestigter Lagerort zu sein, blieb ihm unzweifelhaft eine Besatzung 
als dem Sitz des Statthalters der Provinz Niedergermanien. Solange 
das rechtsrheinische Germanien als Provinz galt, wird es an einer 
Brücke, wie wir sahen, und an einem befestigten Brückenkopf Köln 
gegenüber nicht gefehlt haben. Wahrscheinlich befand sich daselbst 
schon eine Niederlassung der Ubier. Der Name Divitia, seit dem 
dritten Jahrhundert für Deutz bezeugt, ist keltischen Ursprungs. 
Auch nach der Aufgabe des rechtsrheinischen ProvinziaUandes scheint 
Deutz besetzt geblieben zu sein; im zweiten und dritten Jahrhundert 
schon war es wohl ein ummauertes KasteU. Nach dem Bau der 
steinerneu Rheinbrücke unter Constantin erhielten seine Mauern er- 
hebliche Verstärkungen durch zahlreiche Rundthürme. Aus seiner 
Besatzung sind Abtheilungen des römischen Heeres der nachdiocle- 
tianischen Zeit hervorgegangen und nach der Heeresverfassung jener 
Zeit nach dieser ihrer Herkunft Divitienses benannt worden. Deutz 
ist gewissermafsen der letzte Rest der über den Rhein hinauswei- 
senden römischen Politik; ein Zeichen, dafs zwar freiwillig, aber doch 
ungern die Eroberung des freien Germaniens aufgegeben worden ist. 
Andere Kastelle auf dem rechten Rheinufer gab es nicht. Auf dem 
linken folgen auf Köln rheinabwärts Dumomagus (Dormagen), Burun- 
cum (Haus Bürgel), Novaesium (Neufs), Gelduba (Gellep), Ascibur- 
gium (Asberg) bei Mors, Xanten, etwa Wesel gegenüber. An allen 
diesen Orten sind die römischen Lager mehr oder weniger sicher 
nachgewiesen; zahlreiche kleinere Wachtposten zwischen ihnen sind 
schon bemerkt, andere mögen noch nicht beobachtet oder durch die 
Veränderungen des Rheinlaufs unkenntlich geworden sein. Bei Xanten 
tritt inuner deutlicher, besonders nach General von Veiths Unter- 
suchungen, das alte Lager der augustischen Legionen, auf dem 
Fürstenberg bei Birthen, und das neue Lager der dreifsigsten tra- 



Die Grenze von Niedergermanien 

janischen Legion (Grimlinghausen) nebst den beträchtlichen Re\ 
der städtischen Ansiedelung, der Colonia Traiana, zu Tage, 
waltige, eisenbeschuhte Eichenpfähle der Brücke, die auch hier eiiJbt, 
wie in Köln und Mainz, wenigstens zu Kriegszwecken geschlagen 
worden war, sind noch erhalten. Sie können zu den Pfeilern der 
Brücke gehört haben, welche man im Jahre 15 vor dem Rückzuge 
des Caecina schon abbrechen wollte, wie Tacitus berichtet, hätte sich 
Agrippina dem nicht widersetzt. Wahrscheinlich lag auch hier, so 
lange eine feste Brücke bestand, ein befestigter Brückenkopf auf dem 
gegenüberliegenden Ufer. 

Von Xanten abwärts folgen am Rhein ausser kleineren Wacht- 
posten Burginatium (zwischen Kehmm und dem Monterberg), Qua- 
driburgium (Qualburg), Arenatium (Cleve) und Noviomagus (Nymwe- 
gen) mit dem gegenüberliegenden Batavodurum und seiner auf römi- 
schen Fundamenten ruhenden Pfalz Karls des Grofsen. 

So war von der Mitte des ersten Jahrhunderts an die Rhein- Recht»- 

l*}l fiilli 8 eil 6 

grenze geschützt. Für die Zeit der erstrebten und amtlich geltenden Befesti- 
Ausdehnung der germanischen Provinz bis an die Elbe, also jjjj^^^^™^®" 
einiger Unterbrechung nach der Varusschlacht bis auf das Jahr 51, 
führten die Hauptstrafsen von Westen her an den Hauptplätzen 
Niedergermaniens, wie wir schon sahen, über den Fluss nach Osten 
weiter. Zu einen festen Abschluss dieses nördlicheren rechtsrheini- 
schen Gebietes ist es zwar nie gekommen, aber dafs Anfänge zu 
einer auch hier dem Rhein parallelen Grenzbefestigung gemacht 
worden, ist höchst wahrscheinlich. Schon Oberstlieutenant F. W. 
Schmidt glaubte die Reste derselben an verschiedenen Stellen des 
rechtsrheinischen Gebietes von Hönningen abwärts bemerkt zu haben. 
Jacob Schneider und General von Veith sind derselben Mei- 
nung; Gohausen bekämpft sie. Von Hönningen und Linz bis zur 
Sieg und weiter nördlich bis zur Ruhr und Lippe sind zwar mannig- 
faltige Verschanzungen bemerkt worden, aber ihr römischer Ursprung 
lässt sich nicht erweisen und eine zusammenhängende Grenzwehr 
bilden sie nicht. Gewiss verfuhren die römischen Feldherrn bei ihrem 
Vordringen nach Osten mit der bekannten althergebrachten Vorsicht 
der römischen Kriegführung. Wir wissen, dafs Tiberius und Ger- 
manicus Grenzwälle auf dem rechten Rheinufer anlegten; sicher 
stützten sich alle Feldzüge naijh Norden und Osten hin, die glück- 
lichen wie die unglücklichen, auf diese Befestigungslinien und führten 

Hübner, Westeuropa. 8 



112 Deutschland 

vorging. Zwischen Bonn und Köhi gab es noch verschiedene Wacht- 
posten am Rhein; kurz vor Köhi „die Alteburg'', wo auch eine Station 
der Rheinflotte gewesen zu sein scheint. Köln hat seit Claudius 
aufgehört, ein Militärkastell zu sein. Doch blieb der einst von 
Drusus gestiftete Altar, wie der früher in Lyon am Zusammen- 
flufs von Rhone und Saöne von ihm angelegte, bestehen. Hier wie 
dort hat Kaiser Claudius, des Drusus Sohn, für die Erhaltung der 
väterlichen Stiftung gesorgt. Auch nachdem Köln durch Claudius im 
Jahre 51 v. Chr. Veteranencolonie geworden war und aufgehört hatte 
befestigter Lagerort zu sein, blieb ihm unzweifelhaft eine Besatzung 
als dem Sitz des Statthalters der Provinz Niedergermanien. Solange 
das rechtsrheinische Germanien als Provinz galt, wird es an einer 
Brücke, wie wir sahen, und an einem befestigten Brückenkopf Köln 
gegenüber nicht gefehlt haben. Wahrscheinlich befand sich daselbst 
schon eine Niederlassung der Ubier. Der Name Divitia, seit dem 
dritten Jahrhundert für Deutz bezeugt, ist keltischen Ursprungs. 
Auch nach der Aufgabe des rechtsrheinischen Provinziallandes scheint 
Deutz besetzt geblieben zu sein; im zweiten und dritten Jahrhundert 
schon war es wohl ein ummauertes Kastell. Nach dem Bau der 
steinernen Rheinbrücke unter Constantin erhielten seine Mauern er- 
hebliche Verstärkungen durch zahlreiche Rundthürme. Aus seiner 
Besatzung sind Abtheilungen des römischen Heeres der nachdiocle- 
tianischen Zeit hervorgegangen und nach der Heeresverfassung jener 
Zeit nach dieser ihrer Herkunft Divitienses benannt worden. Deutz 
ist gewissermafsen der letzte Rest der über den Rhein hinauswei- 
senden römischen Politik; ein Zeichen, dafs zwar freiwillig, aber doch 
ungern die Eroberung des freien Germaniens aufgegeben worden ist. 
Andere Kastelle auf dem rechten Rheinufer gab es nicht. Auf dem 
linken folgen auf Köln rheinabwärts Durnomagus (Dormagen), Burun- 
cum (Haus Bürgel), Novaesium (Neufs), Gelduba (Gellep), Ascibur- 
gium (Asberg) bei Mors, Xanten, etwa Wesel gegenüber. An allen 
diesen Orten sind die römischen Lager mehr oder weniger sicher 
nachgewiesen; zahlreiche kleinere Wachtposten zwischen ihnen sind 
schon bemerkt, andere mögen noch nicht beobachtet oder durch die 
Veränderungen des Rheinlaufs unkenntlich geworden sein. Bei Xanten 
tritt immer deutlicher, besonders nach General von Veiths Unter- 
suchungen, das alte Lager der augustischen Legionen, auf dem 
Fürstenberg bei Birthen, und das neue Lager der dreifsigsten tra- 



Die Grenze von Nicdergermanien 

janischen Legion (Grimlingliausen) nebst den beträchtlichen Re^ 
der städtischen Ansiedelung, der Colonia Traiana, zu Tage, 
waltige, eisenbeschuhte Eichenpfähle der Brücke, die auch hier ein\3t, 
wie in Köln und Mainz, wenigstens zu Kriegszwecken geschlagen 
worden war, sind noch erhalten. Sie können zu den Pfeilern der 
Brücke gehört haben, welche man im Jahre 15 vor dem Rückzuge 
des Caecina schon abbrechen wollte, wie Tacitus berichtet, hätte sich 
Agrippina dem nicht widersetzt. Wahrscheinlich lag auch hier, so 
lange eine feste Brücke bestand, ein befestigter Brückenkopf auf dem 
gegenüberliegenden Ufer. 

Von Xanten abwärts folgen am Rhein ausser kleineren Wacht- 
posten Burginatium (zwischen Kehmm und dem Monterberg), Qua- 
driburgium (Qualburg), Arenatium (Cleve) und Noviomagus (Nymwe- 
gen) mit dem gegenüberliegenden Batavodurum und seiner auf römi- 
schen Fundameuten ruhenden Pfalz Karls des Grofsen. 

So war von der Mitte des ersten Jahrhunderts an die Rhein- Rechta- 
grenze geschützt. Für die Zeit der erstrebten und amtlich geltenden ^BefeSti-^ 
Ausdehnung der germanischen Provinz bis an die Elbe , also mit ^^^* 
einiger Unterbrechung nach der Varusschlacht bis auf das Jahr 51, 
führten die Hauptstrafsen von Westen her an den Hauptplätzen 
Niedergermaniens, wie wir schon sahen, über den Fluss nach Osten 
weiter. Zu einen festen Abschluss dieses nördlicheren rechtsrheini- 
schen Gebietes ist es zwar nie gekommen, aber dafs Anfänge zu 
einer auch hier dem Rhein parallelen Grenzbefestigung gemacht 
worden, ist höchst wahrscheinlich. Schon Oberstlieutenant F. W. 
Schmidt glaubte die Reste derselben an verschiedenen Stellen des 
rechtsrheinischen Gebietes von Hönningen abwärts bemerkt zu haben. 
Jacob Schneider und General von Veith sind derselben Mei- 
nung; Gohausen bekämpft sie. Von Hönningen und Linz bis zur 
Sieg und weiter nördlich bis zur Ruhr und Lippe sind zwar mannig- 
faltige Verschanzungen bemerkt worden, aber ihr römischer Ursprung 
lässt sich nicht erweisen und eine zusanmienhängende Grenzwehr 
bilden sie nicht. Gewiss verfuhren die römischen Feldherrn bei ihrem 
Vordringen nach Osten mit der bekannten althergebrachten Vorsicht 
der römischen Kriegführung. Wir wissen, dafs Tiberius und Ger- 
manicus Grenzwälle auf dem rechten Rheinufer anlegten; sicher 
stützten sich alle Feldzüge nach Norden und Osten hin, die glück- 
lichen wie die unglücklichen, auf diese Befestigungslinien und führten 

Hübner, Westeuropa. 8 



y 



/ 

114 Deutschland 

sie weiter. Es wäre wunderbar, wenn von diesen Befestigungsan- 
lagen, den trockenen Parallelen zur nassen Rheingrenze, die es hier 
so gut wie am Oberrhein und an der Donau gegeben haben mrd, 
nicht noch Spuren im Boden sich erhalten haben sollten. Freilich 
sind sie nicht in den Zusammenhang einer befestigten Grenzlinie 
gebracht, ausgebaut und mit Kastellen und Wachtthttrmen besetzt 
worden. Nördlich der Lippe zwischen Haltern, Dülmen und Borken 
hat General von Veith ausgedehnte Wallanlagen gefunden und 
eingehend beschrieben, in denen er den von Tiberius nach dem Zeug- 
niss des Velleius (II 120) begonnenen, von Germanicus nach dem des 
Tacitus (Annalen I 50) benutzten und durch Kastelle verstärkten 
Grenzwall erkennt. Nach einer zufällig in einem späten Verzeichniss 
der römischen Provinzen erhaltenen Nachricht erstreckte sich das zur 
Provinz Gallia Belgica gehörige römische Gebiet von Mainz an jen- 
seits des Rheins achtzig Leugen weit. So unbestimmt die Nachricht 
ist — denn es ist nicht gesagt, nach welcher Richtung hin gemessen 
ist — , so bleibt doch das Wahrscheinlichste, dafs im ersten Jahr- 
hundert, als die germanischen Provinzen noch nicht als solche be- 
standen, das ganze rechtsrheinische, dem Rlieinlauf parallele Gebiet 
unter römischer Hoheit jene Längenausdehnung gehabt hat. Sie führt 
nördlich hinauf bis zum Thal der Lippe und in die Gegend von Lipp- 
stadt. Erst unter Kaiser Gallien, heifst es in jenem Bericht weiter, 
sei dieser überrheinische Besitz des Reiches verloren worden. Von 
dem grofsen Lager von Xanten aus sind die Lippe aufwärts alle 
grofsen Heereszüge gegen Osten ausgegangen. Dauernde Spuren der- 
selben in Schanzen und Lagerplätzen sind schon vom General 
von Müffling und Oberstlieutenant F. W. Schmidt, nachher be- 
sonders vom Hauptmann L. Hölzermann, zuletzt vom General 
von Veith beobachtet worden. Aber eine zusammenhängende Linie, 
aus der später ein Grenzwall mit gemauerten Kastellen erwachsen 
konnte, bilden auch sie nicht. Die Beantwortung der vielbesprochenen 
Fragen nach der Lage des Kastells von Aliso, vermuthlich Elsen bei 
Paderborn, und nach dem Ort der Schlachten des Varus und Germanicus 
ist dadurch zwar nicht entschieden, aber doch mittelbar gefördert worden. 
Für die Varusschlacht haben inzwischen die Münzfunde zu einer Lösung 
geführt, welche man, ehe nicht entscheidende Beweise für eine andere 
Oertlichkeit beigebracht worden sind, für abschliessend halten muss. Sie 
fand demnach im Venner Moor bei Barenau westlich von Minden statt 



Die Grenze von Nicdergermanien 115 

und der Teutoburger Wald ist das Wiehengebirge, von der Porta 
Westphalica bis nach Bramsche an der Hase. Für die Schlachten 
von Idisiaviso ist eine solche Entscheidung der Frage noch nicht ge- 
lungen. Bohlwege, ponfes longiy sehr alt und höchst wahrscheinlich 
römischen ürprungs, giebt es in jenen Niederungen mehrere. Auch ihr 
Vorhandensein bildet also keinen abschliessenden Beweis. Ausser Mün- 
zen, Waffen und Geräthen ist am rechten Rheinufer von Hönningen 
abwärts nichts Römisches gefunden worden, keine Baureste, keine 
Bildwerke aus Stein oder Erz. Der berühmte Silberfund von 
Hildesheim, den das Berliner Museum bewahrt, braucht nicht auf 
Feldzüge bezogen zu werden, sondern beweist den regen Handels- 
verkehr der Germanen mit den Römern im ersten und zweiten Jahr- 
hundert. Immerhin ist es nicht unmöglich, dafs Funde von Münzen 
und Waffen auch noch einmal über die Idisiavisoschlacht und die 
Heereszüge und Flottenfahrten des Germanicus im äufsersten Norden 
des Reiches Aufschluss geben. 

So sind wir an den Schluss der Wanderung längs der römi- 
schen Grenzen Germaniens von der Donau bei Regensburg bis zu 
den Mündungen des Rheines gelangt. Was man von den einst 
zum Schutze dieser Grenze von den Römern angelegten gewaltigen 
Werken kennt, ist verzeichnet worden. Wie viel noch zu erforschen 
bleibt, wie viel unsichere und falsche Vorstellungen noch durch rich- 
tige und sichere Erkenntniss ersetzt werden müssen, hat die Be- 
trachtung ergeben. Die Bedeutung der germanischen Provinzen, in 
welchen einst, zu Anfang und dann wieder gegen Ende der Kaiser- 
zeit, die gröfste Militärmacht des gesammten Alterthums versammelt 
war, acht Legionen mit allem Zubehör von Hülfstmppen und Tross, 
ein Heer von zu Zeiten über hunderttausend Kriegern, auch für die 
heutigen, unendlich gesteigerten Anforderungen eine ansehnliche, für 
das Alterthum eine ungeheure Kopfzahl — , ihr Einfluss auf die Ge- 
schicke der Weltmonarchie kann kaum überschätzt werden. Von 
Caesar an bis zum Ausgang des römischen Alterthums ist der durch 
den Grenzwall bewachte, von hunderten von ummauerten Kastellen 
geschützte deutsche Besitz des Reiches schon als die Heimat der 
streitbarsten seiner Krieger ein überaus wichtiger Bestandtheil seiner 
Macht. 



8* 



Allge- 
meines 



116 Deutschland 

U. 

Römische Städte in Deutschland. 

Der in der Deutschen Rundschau Bd. XII 1886 S. 206—228 gedruckte 
Vortrag erscheint hier erweitert durch die in den Aufsätzen über den 
römischen Grenzwall gegebenen Ausführungen, welche den hier behandelten 
Gegenstand betreffen. Die neueste anschauliche Karte Germaniens und 
der unteren Donauländer zur Römerzeit in G. Droysens allgemeinem 
historischen Handatlas (Bielefeld und Leipzig 1885) Taf. 17 wird Herrn 
Dr. G. Kossinna verdankt. Sie genügt zur allgemeinen Orientierung. 

Es ist ein berechtigter Zug der neueren Geschichtsforschung, 
dafs sie die Folge der Ereignisse und das Wesen der handelnden 
Personen nur dann sich wirklich anzueignen und lebendig darzu- 
stellen vermag, wenn sie neben und zu allem Uebrigen für die Er- 
kenntniss Nothwendigeu auch den Boden genau kennt, auf welchem 
die Geschichte geschah. Aus der topographischen Grundlegung, aus 
der genauen Kenntniss und der durch sorgfältige Studien erworbenen 
Anschauung von Land und Leuten zieht das geschichtliche Wissen 
immer neue Antäuskräfte. Darin liegt der grofse Unterschied zwi- 
schen den Reisen in der alten Welt, auf historischem Boden, und 
den Entdeckungsfahrten in geschichtslose Erdtheile. Die unzu- 
sammenhängenden Einzelnheiten einer noch so trümmerhaften Ueber- 
lieferung gewinnen Einheit und Gestalt, sobald man ernstlich ver- 
sucht, sie in dem Rahmen ihrer geographischen Umgebung zu ver- 
stehen. Während die jüngste unter den wissenschaftlichen Disciplinen, 
welche das älteste Problem der Philosophie, das Sein der Dinge ausser 
uns, unserm Erkennen vermittelt, die Schöpfung d*Anville*s, Ale- 
xander von Humboldts, Karl Ritters, die wissenschafiliche 
Erdkunde, seit lange beides umfasst, die mathematisch-physische 
Grundlage der Geographie und die anthropologisch -ethnographische 
Betrachtung des Menschen auf unserem Planeten, hat die historische 
Wissenschaft erst begonnen, aus den Theilen der Geographie, welche 
man die Länder- und Ortskuude im engeren Sinne nennt, aus der 
Chorographie und Topographie, die ganze Fülle der Ernte einzu- 
heimsen, die ihr aus diesen Disciplinen zuwächst. 

Längst ist von allen den Forschern, welche den zerstreuten und 
lückenhaften Nachrichten über das orientalische, das griechische und 
römische Alterthum Leben zu geben bestrebt sind, anerkannt, welch 



Römische Städte in Deutschland 11? 

eine gewaltige Unterstützung der Erkenntniss aus der genauen Er- 
forschung der Gegenden erwächst, in welchen die Staaten -jener 
Epochen der Geschichte entstanden, sich ausbildeten und wieder 
untergingen. Nicht aus den Königs- oder Beamtenreihen und den 
Kriegen, aus den Parteikämpfen und den Verfassungstreitigkeiten 
allein lässt sich ein Bild von dem Leben der alten Völker gewinnen. 
Wir wollen beides, „Land und Leute'', kennen lernen, das Land, 
in dem gewohnt und um das gekämpft worden ist, die Leute, die 
beherrscht, von denen gestritten und gehandelt wurde. Für einen 
grofsen Theil des Orients und besonders für die klassischen Länder, 
Griechenland und Italien, ist diese von Niebuhr zuerst besonders 
betonte Forderung durch eine Reihe von grofsen Werken und durch 
unausgesetzte Forschungen erfüllt oder ihrer Erfüllung nahe gebracht 
worden. Italien schickt sich an, durch Theilung der Arbeit eine 
umfassende Darstellung der italischen Topographie in Angriff zu 
nehmen. Für die Länder des Westens dagegen ist von dieser Art 
wenig den heutigen Anforderungen Genügendes vorhanden. Frank- 
reich hat noch keinen würdigen Nachfolger d'Anville's für das ge- 
sammte Gebiet der historischen Geographie gefunden, obgleich es an 
zahlreichen Vorarbeiten dafür nicht mangelt. Für England liegt eine 
Fülle von zerstreutem Material ftir die verschiedenen Epochen seines 
geschichtlichen Lebens vor, und neuerdings sind mehrere kurze, po- 
pulär gehaltene Schriften erschienen, welche die geographische Kunde 
des keltischen, des römischen, des sächsischen Englands u. s. w., 
so weit sie ermittelt ist, in weitere Kreise zu tragen bestimmt sind. 
Für die Länder des äussersten Westens, Spanien und Portugal, wie 
für die des Ostens von Europa haben wir erst mehr oder weniger un- 
vollkommene Anfänge solcher Studien zu verzeichnen. 

Wie steht es damit für Deutschland, vor allem für seine älteste 
Geschichte? Ich verkenne nicht, dafs besonders für die politische 
Geographie der späteren Perioden unserer Geschichte durch zahl- 
reiche Einzelschriften und durch manche zusammenfassende Ueber- 
sicht in den umfangreichen geschichtlichen und geographischen Dar- 
stellungen, an denen kein Mangel ist, sowie durch kartographische 
Hülfsmittel viel geschehen ist, um uns eine Vorstellung von dem wech- 
selnden Territorialbestand der einzelnen Landschaften, von den Städten 
und Burgen, den wirthschaftlichen Verhältnissen des Landes u. s. w. zu 
geben. Aber für das, was man die alte Geographie Germaniens nennt, 



118 Deutschland 

sind Mannerts und Ukerts Handbücher (1820 und 1843) mit ihren 
schleckten Karten veraltet und durch keine neueren und besseren er- 
setzt, die Menge der seit den letzten vierzig Jahren gemachten Beob- 
achtungen noch nirgends zusammengefasst worden. Auch die neuesten 
und eingehendsten Darstellungen der deutschen Urzeit und Vorzeit ver- 
kennen das Bedürfniss nach einer sicheren geographischen Grundlage 
keineswegs. Ebenso setzen manche jüngst erschienene Arbeiten über die 
römischen Provinzen, über die Verbreitung der lateinischen Sprache, 
überall Vertrautheit mit der römischen Geographie voraus. Des berufen- 
sten Meisters Werk über unsere älteste Geschichte, Müllen hoff s deut- 
sche Alterthumskunde, ruht auf der sichersten Beherrschung gerade 
dieses Wissensgebietes, und die deutsche Geschichte von Nitzsch, 
der, wie wenig Andere, voll des lebendigsten Verständnisses für Land 
und Leute seine Aufgabe gefasst hatte, schenkt trotz der Schranken 
des akademischen Lehrvortrages, in denen sie sich bewegt, doch 
überall auch dieser Seite die gebührende Aufmerksamkeit. Aber 
beide Werke verfolgen doch, soweit sie vorliegen, ganz andere Ziele. 
Den grofsen Sammlungen der lateinischen Inschriften sind durch- 
gehends genaue Karten beigegeben, auf welchen nicht blofs alle sonst- 
her bekannten antiken Oertlichkeiten sich verzeichnet finden, sondern 
auch jeder moderne Ort, an dem eine Inschrift zum Vorschein ge- 
kommen ist, so dafs diese sorgfältigen Spezialkarten alle, selbst die 
in den gröfseren Kartenwerken gegebenen, wie im Maafsstab, so auch 
in der Fülle der Nachweisungen weit übertreffen und fast den Cha- 
rakter archäologischer Fundkarten annehmen. Doch sind darauf die- 
jenigen Oertlichkeiten nicht berücksichtigt, welche nur schriftlose 
Ueberreste ergeben haben, und deren sind gerade in Deutschland 
sehr viele; wogegen die römischen Strafsenzüge , wenigstens soweit 
sie für das Verständniss der erhaltenen Meilensteine in Betracht 
kommen, eingetragen sind. Die Sammlungen, welche die inschrift- 
lichen Denkmäler Galliens und der beiden germanischen Provinzen 
umfassen sollen, sind noch nicht erschienen und bis zu ihrem Er- 
scheinen wird noch manches Jahr hingehen. Nur für die öster- 
reichischen und bayerischen Lande, für das römische Pannonien, für 
Raetien und Noricum, liegen die Sanunlungen mit ihren Karten be- 
reits vor. Für das eigentliche Germanien, unsere Rheinlande, Hessen- 
Nassau, Rheinbayern, Baden, Württemberg muss man sich einstweilen 
meist noch mit älteren unvollkommenen Karten behelfen und das Material 



Römische Städte in Deutschland Hd 

für die Anschauung von den Grundlagen des römischen Lebens in 
jenen Gegenden aus allen möglichen gelehrten Ecken und Winkeln 
zusammensuchen. Eine Ergänzung, aber keinen Ersatz, bieten die 
von der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Angriff ge- 
nommenen Karten der praehistorischen Funde, insofern sie die Fund- 
orte von vorrömischeu Alterthümem verzeichnen. Aber von einer 
den heutigen Anfordenmgen entsprechenden kartogi'aphischen Auf- 
nahme des einst römischen Theiles von Deutschland, wie sie filr 
Frankreich die grofse durch Napaleon HI veranlasste topographische 
Karte von Gallien bis auf die römische Eroberung bietet, sind wir 
noch weit entfernt. 

Caesar vielleicht schon und sicher nach ihm Augustus hatten, 
wie wir sahen, den Gedanken gefasst, das nördliche Deutschland bis 
zur Nordsee und der Elbe, das südliche bis nach Böhmen und Un- 
garn und weiterhin alles Land bis zum schwarzen Meer dem römi- 
schen Reich einzuverleiben, so dafs der ganze Lauf der grofsen 
Ströme des Nordostens und Nordwestens, der Donau und des Rheins, 
römisch werde. Aber schon um die Mitte des ersten Jahrhunderts 
unserer Zeitrechnung sind diese hochfliegenden Pläne endgültig auf- 
gegeben worden. Im Westen begnügte man sich etwa von Coblenz 
abwärts mit der Rheingrenze, im Osten etwa von der Drawemün- 
dung an mit der der Donau. Unter Trajan erst trat dort das neu 
eroberte Dakien nördlich von der Donau zum Reiche und blieb da- 
bei bis gegen Ende des dritten Jahrhunderts. Zwischen Donau und 
Rhein aber, etwa von Regensburg an westlich, in Bayern, Württem- 
berg, Baden und Rheinhessen bis zum Main, von da nördlich bis 
zur Lahn und etwas weiter, wenig unterhalb Coblenz, da wo die 
Rheingrenze beginnt, war das Land jenseits der grofsen Ströme doch 
schon so weit von den römischen Truppen besetzt und von einer 
sesshaften Bevölkerung bewohnt, die sich des römischen Schutzes 
freute, dafs diese reichen Fluren und Höhen nicht wohl aufgegeben 
werden konnten. So schritten denn in der zweiten Hälfte des ersten 
Jahrhunderts die tüchtigen flavischen Kaiser, Vespasian und seine 
Söhne Titus und Domitian, nachher ihnen folgend die grofsen Herrscher 
des zweiten Jahrhunderts, Trajan und Hadrian, dazu, dies weite Ge- 
biet, dem natürliche Grenzen gegen das Barbarenland fehlten, durch 
jene künstlich befestigte Grenze abzuschliessen, von welcher der vor- 
hergehende Abschnitt versucht hat eine Vorstellung zu geben. Die 



120 Deutschland 

von Vielen ausgesprochene Mahnung, dafs es hohe Zeit sei, den 
Spuren des gewaltigen Römerwerkes nachzugehen und sie in Beschrei- 
bung und Aufzeichnung zu fixieren, ehe die fortschreitende Kultur 
sie gänzlich verwischt haben wird, ist nicht auf unfruchtbaren Boden 
gefallen. Fleissige Hände und Ftifse haben sich fast überall in je- 
nen Gegenden unseres Vaterlandes geregt, um dem Lauf der Befesti- 
gungslinien, den Kastellen und Wachtthürmen nachzuspüren, die schon 
verschwundenen Erinnerungen daran aus Aufzeichnungen verschie- 
denster Art, Urkunden und Flurbüchern, sowie aus den alten Ge- 
markungsgrenzen hervorzusuchen, die an den einzelnen Orten ge- 
fundenen Denkmäler, von den grofsen Steinaltären mit Inschriften an 
bis zur unscheinbarsten Thonlampe herab, vor Allem die Münzen 
und die gestempelten Ziegel zu sammeln, zu verzeichnen und zu 
deuten. Es ist jetzt nicht mehr nöthig, das Interesse für den Ge- 
genstand überhaupt erst zu wecken; wohl aber ist die Frage danach 
berechtigt, wodui-ch sich denn diese künstliche Abschliessung der rö- 
mischen Provinz gegen das freie Germanien erklärt, was sie über- 
haupt bezweckte, wie geartet die Kultur war, die sie gegen das 
Ausland abschloss. Eine kurze Darstellung der üeberreste der rö- 
mischen Herrschaft in Deutschland, die sich darauf beschränkt, auf 
die sichtbarsten Spuren hinzuweisen, welche diese Epoche unserer 
Geschichte zurückgelassen hat, wird auf Theilnahme und Verständniss 
bei allen denjenigen rechnen dürfen, denen unserer Heimat Ver- 
gangenheit und ihre Erkentniss am Herzen liegt. 

Man liest wohl die Namen der römischen Städte in Deutschland 
und prägt sich auch ihre Lage auf der Karte ein; man betrachtet 
flüchtig die in den verschiedenen lokalen Sammlungen aufgespeicherten 
Reste des römischen Lebens, Sculpturen, Steinschriften, Mosaikfufs- 
böden, Waffen und Geräthe aller Art, und findet sie mit wenigen 
Ausnahmen dürftig und gering im Vergleich mit den Schätzen der 
antiken Kunst, welche die Museen der grofsen europäischen Haupt- 
städte bergen. Sehr wenige gelangen zu den in Feld und Wald 
zerstreuten Resten der römischen Kultur, zu den Villen und Grab- 
mälem, wie z. B. zu dem grofsen von Igel bei Trier, und ähnlichen. 
Wie wenige vermögen sich deutlich Rechenschaft zu geben von dem, 
was einst römisch war bei uns und von dem Stempel, den es dem 
deutschen Wesen in gewissen Beziehungen zu seiner Zeit aufgedrückt 
hat! Erst die gesteigerte Kultur der letzten Jahrhunderte hat all- 



Bömische Städte in Deutschland 121 

mälich Alles verwischt, was von solchen Resten der römischen Zeit 
einst vorhanden war und sich an vielen Orten mit überraschender 
Zähigkeit erhalten hatte. Es ist begreiflich, dafs unsere Geschicht- 
schreiber über die Epoche der römischen Herrschaft in Deutschland, 
über welche die schriftlichen Quellen so dürftig fliesseu, meist in 
summarischen Uebersichten hinweggehen. Auch mag das gehobene 
Vaterlandsgefühl, ein gewisser patriotischer Abscheu gegen alles 
Wälsche zuweilen dazu beigetragen haben, dafs ein genaueres Ein- 
gehen auf die Zeit der römischen Fremdherrschaft vermieden wurde. 
Wie weit und wie lange sich römische Bauten, besonders Mauern 
und Thore der einst von den Römern befestigten Städte, erhalten 
haben, wie oft diese Städte in ihrer Anlage, in den Strafsenzügen 
und in den Brücken, in der Lage ihrer Kirchen, unmittelbare Zeug- 
nisse der römischen Gründung bieten, wird wohl nebenher erwähnt, 
aber kaum recht gewürdigt. Wie lange die römischen Strafsen 
überhaupt die einzigen waren, auf denen sich Kriegszüge und Han- 
delsverkehr, die Romfahrten der Könige wie die Frachten der Italiener- 
waaren bewegten, ist meines Wissens nirgends im Zusammenhang 
untersucht worden. Ftlr die Zeiten der Karolinger, ja noch für die 
die der sächsischen und fränkischen Kaiser bis zu den Staufern herab 
bilden die römischen Bauten, welche den Stürmen der Völkerwande- 
rungen wie den späteren Kriegen gewiss in erheblicher Anzahl ge- 
trotzt hatten, den nothwendigen Hintergrund der Ereignisse. Das 
heilige römische Reich deutscher Nation knüpft auch äusserlich un- 
mittelbar an die römische Kultur an, deren Spuren es überall vor- 
fand. Nur darf man freilich nicht, wie eine Zeit lang der über- 
triebene Eifer lokaler Gelehrter zu thun pflegte, in jedem fremdklin- 
genden Namen einen römischen, in jeder Bodenerhöhung ein römi- 
sches Lager, in jedem Thurm mit Bossenquadem einen römischen 
Festungsthurm sehen. Aber wohl lohnt es sich der Mühe, das, was 
wirklich römisch war oder ist, zu erkennen und aufzusuchen. 

I. 
Es ist nicht meine Absicht, die jetzt zu Oesterreich gehörigen Raetten 
Provinzen Moesien (die Balkanländer von den Donaumündungen bis 
Belgrad), Pannonien (Slavonien und Ungarn westlich vom Donaulauf 
bis über Wien hinaus) und Noricum (die Steiermark und das Erz- 
herzogthum Oesterreich nebst dem Salzkanmiergut) in den Kreis die- 



122 Deutscliland 

ser Betrachtungen zu ziehen, ohgleich die heiden letztgenannten einst 
ausschliesslich von germanischen Stämmen bewohnt wurden. Die 
ganze oben beschriebene Donaugrenze von Troösmis (dem rumänischen 
Iglitza) an mit ihren grofsen Kastellen in Moesien, wie Durostorum 
(Silistria), Oescus (Gigen), Ratiaria (Artscher), Drobetae (Turnu Se- 
verin), Viminacium (Kostolatz), liegt uns zu fern und ist zu wenig 
bekannt, als dafs sich davon verständlich in Kürze reden Hesse. 
Und doch konnte die Fortsetzung dieser Postenkette in Pannonien 
und Noricum mit Aquincum (Altofen bei Budapest), Brigetio (Komorn 
gegenüber), Camuntum (Deutsch -Altenburg zwischen Prefsburg und 
Wien), Lauriacum (Lorch an der Donau), nur im Zusammenhang 
mit jener richtig gefasst, können die dahinter liegenden Landschaften 
und ihre Denkmäler nur vereint betrachtet werden. Für die öster- 
reichischen Lande liegt mancherlei anziehendes Material vor, aber 
ich verzichte hier auf seine Verwerthung und beginne meine Be- 
trachtung an der Grenze Bayerns und des deutschen Reichs. 

Noch heute bildet der Lauf des Inn etwa von Kuefstein nord- 
wärts bis Passau die Grenze zwischen Oesterreich und Bayern, wie 
er einst die römische Provinz Noricum von Raetien trennte. Passau, 
das schöne Donau-Coblenz, Castra Batava, oder Batava schlechthin, 
an der Mündung des Inn, ist seit dem zweiten Jahrhundert Lager- 
ort der neunten Cohorte der Bataver, die ihm den Namen gab. Es 
bildete mit dem ihm gegenüber auf demselben Ufer der Donau, aber 
auf dem anderen des Inn liegenden Boiodurum (von den keltischen Boiem 
gegründet, dessen Name noch in der Beiderwiese und dem Beider- 
bach fortlebt), das war längst bekannt, die Grenzstation zwischen 
den beiden Provinzen. Erst in allerneuester Zeit aber ist es 
mit musterhafter Geduld und Umsicht geführten Nachforschungen 
gelungen, beides, sowohl das römische Kastell am linken wie die 
altbefestigte Stadt am rechten Innufer, welche später zugleich Zoll- 
station war, mit hinreichender Sicherheit aus den im Boden selbst 
.erhaltenen Resten nachzuweisen. 

Den Fluss aufwärts zwischen Passau und Regeusburg folgen, 
wie wir sahen, die römischen Kastelle Künzing (Quintanae) und Strau- 
Regensburg hing (Sorviodurum). Regensburg selbst, die Castra Regina, an der 
Mündung des Regenflusses in die Donau, dem es seinen Namen ver- 
dankt, ist im zweiten Jahrhundert eines der grofsen Lager einer Le- 
gion gewesen, der von Antoninus Pius für den Markomannenkrieg 



\ 



\ 

Römische Städte in Deutschland 

errichteten dritten italischen. In Regensburg ist der Umfang der 
alten Befestigung ziemlich vollständig ermittelt worden; beträchtliche 
Reste zweier der römischen Thore mit doppelter Durchfahrt, Steine 
des dorischen Gesimses und Säulenschäfte, ein Fragment der grofsen 
Inschrift über dem Eingang, welche eine Wiederherstellung des 
Bauwerks unter Kaiser Commodus erwähnt, sind zum Vorschein ge- 
kommen. 

Von dem raetischen Grenzwall und seinen Kastellen, von den da- 
hinter liegenden wahrscheinlich älteren Befestigungen vor und an der 
Donau, ist oben gesprochen worden. An zahlreichen Orten ist hier 
der geduldigen und methodischen Forschung, welche den alten üeber- 
lieferungen nachgeht, die Flurbücher vergleicht, die Bodengestaltung 
zu deuten versteht und die gelegentlichen Mittheilungen alter Leute 
von gelehrter Schulweisheit unterscheidet, ein Ergebniss so gut wie 
gesichert Freilich darf mau nicht erwarten, hervorragende Werke 
der antiken Kunst zu finden. Aber die gleichmäfsigen und desshalb 
so sicheren Anzeichen der Kastellanlage, Thore nnd Wachtthürme, 
pflegen fast nirgends gänzlich zu fehlen. Den bescheidenen Ertrag 
lokaler Ausgrabungen bilden zwar nur die unscheinbaren Ziegel und 
Töpferscherben mit ihren Stempeln, die Münzen, die Reste von Waffen 
und Geräthen, hier und da als hochwillkommene Beute ein Inschrift- 
stein. Aber sie geben die unverächtliche Gewissheit, dafs man 
auf deutschem Boden wieder ein Stück römisches Leben mehr ge- 
funden hat. 

Erst wann die durch Strafsen aus dem Hinterland nach vorn Augsburg 
und untereinander verbundenen Kastelle das Land gesichert hatten, 
konnte sich das provinzielle Leben ungestört entwickeln. Als Drusus 
die Vindeliker unterwarf, hat er bereits den alten Hauptort der kel- 
tischen Licatier, wohl der Vorgänger der Vindeliker, am Zusanmienfluss 
von Lech (Lica) und Wertach, zu einem römischen Kastell und zum Wohn- 
platz der ersten römischen Bürger in der neuen Provinz gemacht und ihm 
den Namen Augusta Vindelicum gegeben. Erst unter Claudius wurde die 
erste römische Alpenstrafse vom Po zur Donau, d. h. von Verona über 
den Brenner nach Innsbruck und Partenkirchen bis Augsburg und 
weiter bis gegen Donauwörth vollendet. Colonie im staatlichen Sinn 
wurde Augsburg erst unter Hadrian, mit dem Namen Colonia Aelia 
Augusta. Als eine der ersten gröfseren römischen Städte auf deut- 
schem Boden und als Hauptstadt der Provinz Raetien ist Augsburg, 



124 Deutschland 

wie bekannt, bis in das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert hin- 
ein das eigentliche Thor von Italien, leider aber nicht zugleich die 
Hauptstadt von Bayern gebüeben. Die älteste gedruckte Sammlung 
römischer Alterthümer aus Augsburg, d. h. Von Sculpturen, architektoni- 
schen Fragmenten und Inschriftsteinen, ist die auf Kaiser Max* Befehl 
von Konrad Peu tinger herausgegebene, zuerst gedruckt in Augsburg 
durch Erhard Ratold im Jahre 1508, dann wieder mit einigen Zu- 
sätzen in Mainz bei Johann Schöffer im Jahre 1520. Manche der 
hier von einem mir nicht bekannten Meister kräftig und charakte- 
ristisch gezeichneten und in Holz geschnittenen Abbildungen von 
Alterthtimem sind von allen spätem Sammlern wiederholt worden, 
da die Originale inzwischen verloren gingen. Durch die gelehrten 
Augsburger Peutinger und Wels er veranlasst und durch den fürst- 
lichen Reich thum Raimund Fuggers unterstützt erschien die erste 
gedruckte Sammlung lateinischer Inschriften und Alterthümer des gan- 
zen römischen Reichs in geographischer Anordnung, meist aus den 
Handschriften der italienischen Sammler geschöpft; sie ist durch die 
Ingoldstädter Professoren Petrus Apianus und Bartholomäus Aman- 
tius in Ingolstadt 1534 zum Druck gebracht und mit den treff- 
lichen Holzschnitten Ostendorf fers geziert. Augsburg ist der 
erste Mittelpunkt des römischen Lebens geworden in den reichen 
Thälern und Ebenen, in die der römische Eroberer aus den rauhen 
Alpenhöhen herabgestiegen war. Aber eine hervorragende militärische 
Bedeutung scheint die Stadt am Lech nicht gehabt zu haben. Auf- 
fällig ist unter ihren inschriftlichen Denkmälern, besonders im Ge- 
gensatz zu denen von Mainz , das Zurücktreten von Soldatengrab- 
steinen; das bürgerliche und besonders das kaufmännische Element 
wiegt vor. Was von Ueberresten der römischen Zeit erhalten ge- 
blieben ist, bewahrt das Maximilianeum der Stadt. Man kennt wohl 
ungefähr den Platz der ältesten Niederlassung, beim Dom, auf der 
Höhe des langgestreckten Hügels, den die Stadt einnimmt; in der 
Grottenau vermuthet man das römische Amphitheater. Aber es fehlt 
noch an einem ausreichenden Situationsplan des römischen Augsburg 
und seiner Umgebung. Sollte die schöne und reiche Stadt, welche 
für die Erhaltung ihrer geschichtlichen Denkmäler aus späterer Zeit 
so opferwillig eingetreten ist, nicht auch ihrer Gründungszeit einiges 
Interesse entgegenbringen? 



Römische Städte in Deutschland 

Wer die Mühe nicht scheut, auch den zerstreuten und entlö 
Resten der römischen Zeit nachzugehen, der findet ihrer noj 
manchen Orten in den Niederungen des Inn, der Isar, des Lech und 
der Hier, wie im Oberland der raetischen Alpen. Chieming am schönen 
Chiemsee, schon zum römischen Noricum gehörig, ist der Sitz der 
alten Kultusstätte eines keltischen Gottes Bedaius und führte danach 
seinen alten Namen. Bei Reichenhall und in der Ebene nach 
Salzburg zu, bei Rosenheim, dem römischen Innsbruck (Pons Aeni), 
in Epfach (Abudiacum), in Kempten (Cambodunum) , in Kellmünz 
(Caelimontium), in Wilten beim heutigen Innsbruck (Veldidena), in 
Matrei (Matreia) und Sterzing (Vipitenum) an der Brennerstrafse, in 
Chur (Curia), Maienfeld (Magia) und Feldkirch (Clunia) im oberen 
Rheinthal, endlich in Bregenz (Brigantium) und Eschenz (Tasgaetium), 
um nur einige der wichtigeren zu nennen, sind an Stelle altkeltischer 
Niederlassungen, wie die Namen zeigen, römische Stationen getreten. 
In allen jenen von der Natur reich gesegneten Ebenen und Gebirgs- 
thälern, an den Alpenstrafsen mid auf den mittleren Höhenzügen 
haben in Feld und Flur neben den keltischen und germanischen 
römische Ansiedler gewohnt und Spuren ihres Daseins hinterlassen. 
In Kempten und Bregenz sind neuerdings die Reste der römischen 
Marktanlagen gefunden worden. Das Münchener Antiquarium, theil- 
weise auch das bayerische Nationalmuseum bilden eine Art von 
Mittelpunkt für die im Lande gefundenen römischen Alterthümer, 
über die es an beschreibenden, aber wenig lesbaren Werken nicht 
mangelt. Kleinere Sammlungen sind ausser in Augsburg in Landshut, 
Straubing und Kempten. Eine ethnographisch-historische Schilderung 
des alten Raetiens ist von einem patriotischen Geschichtsforscher in 
Chur versucht worden; doch fehlen ihr ausreichende Pläne und Abbil- 
dungen, ohne welche Bücher der Art jetzt überhaupt nicht mehr her- 
ausgegeben werden sollten. Ein solches Werk, aus der gemeinsamen 
Arbeit der besten Kenner hervorgegangen, aber einheitlich nach Plan 
und Ausführung, ohne ermüdende Gelehrsamkeit und überflüssige 
Kleinigkeitskrämerei, wie sie den antiquarischen Untersuchungen leider 
noch vielfach anhaftet, künstlerisch ausgestattet und daher wohl nicht 
ohne Aufwand aus öffentlichen Mitteln herzustellen, würde für das 
römische Bayern wie für die nachher zu besprechenden übrigen Ge- 
genden Deutschlands einem wirklichen Bedürfniss entsprechen. 



126 Deutschland 

n. 

Der Unweit Jjorch im Remsthal verlässt, wie oben geschildert worden 

^"^'^ist, der Grenzwall plötzlich die bis dahin eingehaltene der Donau 
parallele ostwestliche Richtung, um sich fast im rechten Winkel nach 
Nordnordwest zu wenden und bei Miltenberg den Main zu erreichen. 
Ehe das Decumatenland dem Reiche einverleibt wurde — es geschah, 
wie wir sahen, unter Vespasian — , bildete auch hier der Rhein die 
Grenze des römischen Gebietes. Die Reihe der grofsen Kastelle, 
welche das linke Ufer des Rheins von seinem Austritt aus dem Bodensee 
bei dem vorhin erwähnten Tasgaetium (Eschenz, zwischen Constanz 
und Schaf hausen) begleiten, sind vergleichsweise genauer bekannt. 
Winterthur (Vitodurum), Windisch (Vindonissa), das alte Hauptquartier 
einer der seit Augustus in Gallien stehenden Legionen, Avenches 
(Aventicum), Äugst bei Basel (Augusta Rauricorum) sind, Dank den 
rührigen Schweizer Gelehrten, theilweis schon durch Ausgrabungen 
erforscht worden. Auch die Rheinfestungen im Elsass, Argentovaria 
(Horburg bei Colmar), Strafsburg (Argentorate), neuerdings von einem 
deutschen Ingenieurofficier von Appell sorgfältig aufgenommen, sind, 
wenn auch kaum durch eigentliche Nachforschungen, so doch durch 
Strafsburg zufällige Fundc in ihrer Lage identificiert. Das Kastell von Argen- 
torate, auf einem Hügelrücken an der 111, im Knotenpunkt verschie- 
dener Strafsen gelegen, hatte nach den noch oder einst vorhandenen 
Resten von Mauern, Thürmen und Thoren einen Umfang von etwa 
530 X 370 m im Mittel; es liegt also in der Gröfse etwa zwischen 
der Saalburg (300 X 200 m) und Heddemheim (950 X 480 m). 
Aus den Verschiedenheiten in der Anlage der Mauern, Thürme und 
Gräben scheint sich sogar bis zu einem gewissen Grade Ursprung 
und Verlauf des Festungsbaues entnehmen zu lassen. Noch fehlen 
freilich entscheidende inschriftliche Zeugnisse und Ziegelstempel. Aber 
wahrscheinlich ist, dafs wenigstens ein Theil der achten Legion ihr 
erstes Hauptquartier in Obergermanien hier und in den nächstliegen- 
den Kastellen gehabt hat. Vespasians Strafsenanlage nach dem 
Osten, welche die Einverleibung des Decumatenlandes nöthig machte, 
nahm von hier aus ihren Anfang. Im Allgemeinen bekannt sind 
ferner die Niederlassungen im Innern des Landes. So zunächst die 
Kastelle zwischen Strafsburg mid Bingen, von denen oben die 
Rede war, sowie einige der Hauptorte Badens in römischer 
Zeit, vor Allem Baden selbst, die Colonia Aurelia Aquensis, 



land 



Römische Städte in Deutschland 127 

Heidelberg und Ladenburg (Lupodunum) ; obgleich auch hier im Einzel- 
nen noch so gut wie Alles zu thun bleibt. Ladenburgs Denkmäler sind 
von dem verstorbenen Karl Bernhard Stark in Heidelberg in seiner 
ausführlichen Weise beschrieben worden. Bei Gemsheim am Rhein, 
zwischen Woims und Oppenheim, hat Friedrich Kofier die Reste einer 
ziemlich umfangreichen Stadt gefunden. In allen diesen Orten hatte 
sich, so viel erkennt man schon jetzt, die römische Durchschnitts- 
kultur im ersten und zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bereits 
mehr oder weniger festgesetzt und ausgebreitet. Anders sah es in 
dem östlichen Württemberg und in Rheinhessen aus. Nicht der natür- <^y;;^/^- 
lichen Gestaltung des Landes und den gewiesenen Wegen des Anbaus 
in Thälem und Ebenen folgend, sondern ausschliesslich aus strategi- 
schen Gründen trennt hier der Grenzwall das von den Römern be- 
setzte Land von dem der freien Germanen. Wann immer diese letzte 
Begrenzung des römischen Gebietes ausgeführt worden ist, die römi- 
schen Niederlassungen längst derselben behielten lange sicherlich einen 
rein militärischen Charakter. Wie die Linie des Walls über Berg 
und Thal, durch Wald und Sumpf zieht, ohne Rücksicht auf Terrain- 
schwierigkeiten, so sind auch die unmittelbar hinter und an ihr lie- 
genden Kastelle in fast gleichen Abständen und annähernd gleicher 
Gröfse angelegt worden, ohne Rücksicht auf etwa früher vorhandene 
Niederlassungen der einheimischen Bevölkerung, deren es kaum ge- 
geben zu haben scheint. Bei den meisten von ihnen haben sich nach 
und nach erst kleine bürgerliche Niederlassungen an die Kastelle 
gelehnt. So in Oehringen, dem Vicus Aurelianus. Den an künst- 
lerischem Werth geringen, im Ganzen aber doch nicht unerheblichen 
Ertrag an Alterthümem aus den nur erst zum Theil aufgegrabenen 
und genauer durchforschten römischen Ortschaften Württembergs be- 
wahrt das Stuttgarter Antiquarium, Einiges aus den nördlichen Ge- 
bieten das des Grafen Erbach zu Erbach und der Eulbacher Park im 
Odenwald, sowie das Darmstädter Museum. Es ist klar, dafs erst 
vom Ende etwa des zweiten Jahrhunderts an und in der ersten Hälfte 
des dritten diese Gegenden etwas von wirklicher römischer Kultur 
erlangt hatten, das sie dann gegen die in der zweiten Hälfte des 
dritten Jahrhunderts schon beginnenden Raubzüge der Alamannen und 
Franken nicht lange zu halten vermochten. Hätte hier, wie in der 
Nordschweiz und im Elsass, die einst zu Gallien gehörten, eine um 
ein bis zwei Jahrhunderte ältere Kultur ihre Wurzeln geschlagen, so 




Der Main 



128 Deutschland 

würde sie der barbarischen Ueberfluthung vermuthlich längeren und 
zäheren Widerstand entgegengesetzt haben. Württembergische, badi- 
sche und hessische Gelehrte, Architekten, Ingenieure und Alterthums- 
freunde haben vieles Nützliche gesammelt, beobachtet und verzeichnet, 
aus dessen Veruinigung sich ein annähernd richtiges Bild von dem 
Zustand jener Gegenden während der Dauer der römischen Herrschaft 
gewinnen lässt. Allein noch muss der Spaten oftmals angesetzt und 
vieles Vergessene an das Licht gezogen werden, ehe dies Bild auch 
weiteren Kreisen in klaren Umrissen und ausreichender Genauigkeit 
gezeigt werden kann. In Baden hat wie auch anderswo eine Zeit 
lang romantische Ueberschätzung der römischen Beste geherrscht, ge- 
stützt auf dilettantische ünkenntniss und etymologisches Spiel mit 
den Ortsnamen. Gegen solches Uebermaafs hilft nur die rück- 
sichtslose Aufdeckung des Thatsächlichen ; und sie hat schon vielfach 
ihren Dienst gethan. Statt des bis in unsere Tage selbst von an- 
gesehenen und geistreichen Gelehrten noch nicht aufgegebenen Ety- 
mologisierens und willkürlichen Deutens der Ortsnamen wäre es wohl 
angezeigt, einmal die wirklich und unzweifelhaft aus römischen her- 
vorgegangenen deutschen Ortsnamen zusammenzustellen und mit Rück- 
sicht auf ihre in den verschiedenen Gegenden und unter dem Ein- 
fluss verschiedener Dialekte verschiedenartige Abwandelung zu unter- 
suchen. In Bayern ist neulich damit ein kleiner Anfang gemacht 
worden. Schon die in diesen Aufsätzen von mir zusammengestellten 
Parallelen werden dem aufmerksamen Leser durch mannigfach überein- 
stimmende Endungen (wie die auf -ing und -ingen) und Bildungen 
(mit Burg) aufgefallen sein. 

IIL 
Vom Thal der Einzig an bis Mainz fiel dem Main die Rolle 
zu, welche weiter südlich der obere Donaulauf hatte; er bildete, wie 
es die Flüsse überall in unbekannten Ländern thun, die erste natür- 
liche Strafse, um von Mainz aus nach Osten vorzudringen. Allein wir 
sahen, wie früh der reiche Südabhang des Taunus römische Kaufleute 
und Ansiedler gelockt hat, trotz der Gefahr, die von dem kriegsgewalti- 
gen Volke der Chatten drohte, in jenen schönen Thälern und Höhen 
festen Fufs zu fassen. Schon Drusus hatte das erste gi'öfsere römische 
Kastell in ihrem Gebiet, „am Taunus" angelegt; es scheint den kelti- 
schen Namen, der dies bedeutet, geführt zu haben, Artaunum. Viel- 



Römische Städte in Deutschland 129 

leicht ist es der heutige Flecken Hedderaheim an der Nidda, nörd- 
lich von Frankfurt, das, wie sein Name zeigt, erst in fränkischer 
Zeit an seine Stelle trat und der Hauptort jener Gegenden nehen 
Mainz wurde. Mainz aber war von jeher die bedeutendste Stadt ^^^^^ 
nicht blofs im römischen Deutschland, sondern es scheint, dafs sie 
es bald an Glanz und Macht mit der alten Hauptstadt der drei galli- 
schen Provinzen Lyon (Lugudunum) aufnehmen konnte; Augsburg 
hat sich, wie schon gesagt, nie mit ihm messen können. Wie Lyon 
am Zusammenfluss der Rhone und der Saone, so war Mainz an dem 
des Rheins und des Mains von Kelten gegründet worden, wie sein 
Name Mogoutiacum zeigt, der an die Namen keltischer Götter, Mogon 
und Mogontia, anklingt. Die unvergleichliche Lage an zwei schiff- 
baren Strömen veranlasste wahrscheinlich schon den Drusus hier das 
erste stehende Winterlager für seine Legionen anzulegen, zum Theil 
mit Benutzung des hoch gelegenen Platzes, auf dem die alte Kelten- 
stadt lag, dem heutigen Kästrich. Am andern Ufer des damals wohl 
noch breiteren und gewaltigeren Stroms, als er es jetzt ist, wird nur 
eine kleinere Verschanzung zum Schutz der Landungsstelle für Fähren 
angelegt worden sein. Eine stehende Brücke über den reissenden 
Fluss gab es damals nicht; Schiffbrücken aber mögen für Kriegszwecke 
öfter aufgefahren worden sein. Erst gegen Ende des ersten Jahr- 
hunderts, als inzwischen die Besetzung des Taunuslandes jenseit des 
Rheins Fortschritte gemacht hatte und römische Strafsen angelegt 
wurden, die, wie schon gesagt, nach Wiesbaden und Heddernheim 
und weiter über Homburg und Friedberg bis hinauf nach Butzbach 
führten, wird man in Friedenszeiten dazu haben schreiten können, 
aus mächtigen Eichenpfählen mit eisernen Schuhen die Pfeiler im 
tiefen Bett des Stroms zwischen Mainz und Kastei einzurammen. Es 
ist möglich, dafs schon derselbe Kaiser, welcher aller Wahrschein- 
lichkeit nach, wie wir sahen, das Zehentland im Süden jenseit des 
Rheines zum Reiche schlug und die Neckarlinie schützte, oder aber 
einer seiner Nachfolger, vielleicht Domitian oder Trajan, der Urheber 
war des einheitlichen Gedankens, welcher zur Ummauerung des für 
eine Legion eingerichteten Kastells von Mainz, zu der Anlage der 
festen, auf steinernen Pfeilern ruhenden Mainzer Rheinbrücke und des 
festen Brückenkopfes zu Kastei, dem Castellum Mattiacum, endlich 
auch zur Fortsetzung des Grenzwalls durch den Taunus geführt hat. 
Ueber die römische Brücke zwischen Mainz und Kastei ist eine ganze 

Hüb n er, Westeuropa. 9 



130 Deutschland 

Litteratur herangewachsen. Schon nach den gelegentlichen Beob- 
achtungen von im Strom erhaltenen Pfeilerresten, die vereinzelt seit 
dem siebzehnten Jahrhundert, in gröfserem Zusammenhang seit dem 
Ende der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts durch die Strombau- 
meister gemacht worden sind, konnte an ihrem Ursprung nicht ge- 
zweifelt werden. Verschiedene Forscher, welche die Frage in be- 
sonderen Schriften oder gelegentlich bertlhrt haben, Dr. Friedrich 
Schneider, dem ein schönes Werk über den Mainzer Dom verdankt 
wird, Dr. Julius Grimm, Karl Christ in Heidelberg, Karl von 
Becker in Karlsruhe, A. Hamm er an in Frankfurt, endlich der In- 
genieurhauptmann P. von Poellnitz kamen in Bezug auf Bauart und 
Entstehung zu abweichenden Ergebnissen. Im Interesse der Schifffahrt 
wurde die Beseitigung aller Pfeilerreste beschlossen und in den Jahren 
1880 bis 1882 durch das hessische Kreisbauamt ausgeführt, kurz 
vor dem Bau der neuen steinernen Brücke, die jetzt eine der Zierden 
von Mainz bildet. Die dabei vom Baurat h Heim gemachten sorg- 
fältigen technischen Beobachtungen und die daran geknüpfte geschicht- 
liche Erörterung von Dr. W. Velcke in Mainz, im Jahre 1887 in 
der Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der rheinischen Geschichte 
und Alterthümer in Mainz mit guten Abbildungen veröffentlicht, be- 
stätigen im Wesentlichen, was sich mir, und unabhängig von mir dem 
verstorbenen Albert Duncker, schon vor jener Veröffentlichung aus 
den gelegentlich bekanntgemachten Fundstücken als das wahrschein- 
lichste in Betreff der Bauart wie der Entstehung der Brücke er- 
geben hatte. 

Genau in der Achse der Mainzer Zeughausgasse und der Kasteier 
grofsen Kirchgasse, welches wahrscheinlich die Achse beider römi- 
schen Kastelle ist, standen im Flussbett 18 gewaltige Pfeiler von 
rund 19 m Länge (bis zur äussersten Spitze) und 7 m Breite, in 
ungleichen Abständen von 15 bis 30 m, dazu auf der Mainzer Seite 
noch 7, von denen erst kürzlich zwei zum Vorschein gekommen sind, 
im Ganzen also 25; auf der Kasteier Seite wird die Brücke nur duixh 
einen Erddamm oder eine in leichter Holzconstraction ausgeführte 
Rampe mit dem Kastell verbunden gewesen sein. Die Gesammtlänge 
der Brücke wird auf 2500 Fufs oder etwa 834 m geschätzt. Grofse 
Massen von eichenen Pfählen und Bohlen, Schwellen von 7,50 m 
Länge und 0,27 bis 0,30 m im Quadrat, eiserne Schuhe (Spitzen) 
der Pfeiler, ähnlich denen von der Coblenzer Moselbrticke, mit ge- 



Römische Städte in Deutschland 131 

waltigen Nägeln befestigt, sind herausgefördert worden. Der eine 
der Pfeiler ist in allen seinen einzelnen Theilen herausgenommen und 
im Hof des Mainzer Schlosses neu wieder aufgestellt worden. Die 
runden eichenen Pfähle sind ftlr jeden Pfeiler mit in das Holz ge- 
schnittenen römischen Ziffern bezeichnet, die von I bis DV laufen, 
ebenso die darauf gelegten Schwellen mit Ziffern von I bis VI. Sie 
sind, wie durch eine sinnreiche Erklärung des Vorgangs erläutert 
wird, durch Schwellenkasten hergestellt und aus Quadern gemauert 
gewesen, die sich in grofser Zahl im Rhein gefunden haben und nur 
zum Theil heraufbefördert werden konnten, lieber die steinernen 
Pfeiler lief eine hölzerne Brückenbahn, wie bei der Trajansbrücke 
über die Donau; keilförmige Quadeni haben sich nicht gefunden. 
In oder bei den Pfeilern aber ist eine Reihe von Gegenständen gefunden 
worden, welche wichtige Aufschlüsse über die Zeit ihrer Erbauung 
geben: ein 1,40 m langes bleiernes Gussstück von eigenthümlicher 
Form und unsicherer Bestimmung, von 72 Kilo Gewicht, das viel- 
leicht zur Verankerung einer Signalstange gedient hat oder an irgend 
einem Holzwerk zu Bau- oder Belagerungszwecken befestigt war, mit 
der Inschrift leg(io) XVI; ein wuchtiger Schlägel aus Eichenholz 0,58 m 
hoch und 0,22 m lang, mit der flach eingeschlagenen Inschrift 
L(u€ius) Val€(rius) leg(ionis) XIIII; ein eiserner Brennstempel 
mit der Inschrift Ieg(w) XXII Änt(oniniana). Die sechzehnte Legion, 
zum frühesten Bestand des germanischen Heeres gehörig, hat im 
Jahre 69 Mainz verlassen, um an den Kämpfen zwischen Otho und 
Vitellius Theil zu nehmen und ist bald nachher von Verspasian kassiert 
worden. Die vierzehnte Legion stand ebenfalls von Anfang an in 
Mainz, bis sie durch Claudius zur britannischen Expedition abberufen 
wurde, kehrte nach dem Aufstand des Civilis zurück und blieb dort, 
bis die Aufregung in den germanischen Provinzen sich gelegt hatte 
und Trajan sie zu seinen pannonisch-dakischen Kriegen fortnahm; 
seitdem ist sie unausgesetzt in Pannonien geblieben. Der Schlägel 
ist nicht zufällig in den Brückenpfeiler gelegt worden, in dessen Holz- 
werk fest eingeklemmt er gefunden wurde, sondern er blieb offenbar 
bei der Bauarbeit darin stecken. Die zweiundzwanzigste Legion end- 
lich gehört von Anfang an bis fast zu Ende der römischen Herr- 
schaft zur Mainzer Garnison; der Beiname Antoniniana, den sie auf 
dem Brennstempel führt, beweist, dafs er zu einer Arbeit an der 
Brücke unter dem Kaiser Caracalla gebraucht worden ist. Schon in 

9* 



132 Deutschland 

diesen Werkzeugen ist die Geschichte der Brücke enthalten. Dazu 
kommen aber noch eine Anzahl Inschriften auf Stein. Bei den 
Baggerarbeiten im Strom, wenig unterhalb der römischen Brücke, 
ist ein einst mit Blei eingefugter Sandsteinquader gefunden worden mit 
der Aufschrift leg(io) XIIII gemina Marita Victrix, centuria G(ai) Velsi 
Secundi. Diefs ist die gewöhnliche Form, in welcher der Antheil 
von Truppentheilen an Bauten urkundlich bezeugt wird; z. B. in zahl- 
reichen Beispielen an den britannischen Befestigungen. Auf der 
Kasteier Seite ist ein ähnliches Werkstück gefunden worden mit der 
Aufschrift in schönen Buchstaben leg(io) XXII nebst den Wappen- 
thieren der Legion, dem schreitenden Stier und dem Capriconius. Dieses 
Werkstück bezieht sich wahrscheinlich auf eine Wiederherstellung der 
Brücke und gehört in die Zeit des Severus oder Caracalla. Auch eine 
eiserne mit Silber und Erz tauschierte Dolchscheide mit der Inschrift 
l€g(w) XXII primi(genia) fand sich in der Nähe eines der Pfeiler. End- 
lich sind eine ganze Anzahl von nicht im Bau der Brücke verwendeten 
Werkstücken gefunden worden, die nur als Anschüttung zum Schutz 
der Strompfeiler gedient haben oder bei späteren Reparaturen ange- 
bracht worden sind, Inschriften und tektonische Fragmente, Sculp- 
turen, Grabreliefs u. s. w. Das älteste inschriftliche Denkmal dar- 
unter ist ein dem Nero im Jahre 56 von einer Reiterabtheilung des 
britannischen Heeres gesetztes; zwei gehören wahrscheinlich der Zeit 
des Trajan, die übrigen dem dritten Jahrhundert an. Hiernach ist 
es unzweifelhaft, dafs die Brücke ein Bau der domitianischen Zeit 
ist, ausgeführt von den damals dort stehenden Legionen, der vier- 
zehnten und der zweiundzwanzigsten; denn auch ihr wird man einen 
Antheil am Brückenbau nicht absprechen dürfen. Das dem Nero ge- 
setzte Denlanal kann schon bald nachdem jenes Kaisers Gedächtniss 
verfehmt war als Werkstück verwendet worden sei. Damals ist Kastei 
auch, wie es scheint, zuerst mit steinernen Mauern befestigt worden, 
während früher, wie gesagt, nur ein Erdwerk den Uebergang auf 
Fähren oder eine Schiifbrücke geschützt haben mag. Genauer noch 
wird die Zeit des Brückenbaus dadurch bestimmt, dafs, wie es in 
dem Bericht über den Aufstand des Legaten von Obergeimanien 
Antonius Saturninus gegen Domitiau im Jahre 88 heisst, grade in 
der Stunde des Kampfes der plötzliche Eisgang des Rheins den Ueber- 
gang den Barbaren verhindert habe, d. h. der Chatten, die der 
Empörer aufgeboten hatte. Also gab es damals noch keine feste 



Römische Städte in Deutschland 133 

Brücke über den Rhein. Die Oertlichkeit jenes Kampfes wird mit 
gröfster Wahrscheinlichkeit unmittelbar vor Mainz zu suchen sein, 
dem amtlichen Sitz des Statthalter^. Wer den Strom und seine Ge- 
walt kennt, weifs dafs bei plötzlichem und starkem Eisgang auch ein 
Uebergang auf Kähnen unmöglich ist. Die Erwähnung einer festen 
Brücke, welche nach einem Zeugniss Strabos zu Anfang der Regie- 
rung des Tiberius von den Feldherm des germanischen Krieges im 
Gebiet der Treverer geschlagen worden war, also irgendwo von 
Mainz abwärts bis gegen Andernach hin, ist nur von einer Kriegs- 
brücke zu vorübergehendem Gebrauch zu verstehen und kann nicht 
auf die Mainzer Brücke bezogen werden. Der Kaiser Caligula fand 
bei der Rückkehr von seinem germanischen Feldzug die Schiffbrücke 
von Soldaten und Tross versperrt und liefs sich in eiliger Flucht 
aus Angst vor dem Feinde über die Köpfe der Leute hinwegtragen. 
Das wird auf eine wohl schon seit Drusus bei Mainz bestehende oder 
zeitweilig hergerichtete Schiffbrücke zu beziehen sein. Die älteste 
stehende Brücke über den Rhein bei Mainz ist mithin die frühestens 
im Jahre 89 unter Domitian, vielleicht erst etwas später vollendete. 
Die Vermuthung, dafs sie in enger Beziehung stand zu dem damals, 
wie wir sahen, errichteten Grenzwall und der zu ihm führenden Strafse, 
ist fast unabweisbar. In augustischer Zeit würde eine solche Brücke 
wahrscheinlich ganz aus Stein gebaut worden sein mit gewölbten 
Bogen, wie die in ihren sechzig steinernen Bogen noch erhaltene, 
aber freilich viel flachere Brücke über den seichten Guadiana bei 
Emerita Augusta in Lusitanien, dem heutigen Merida. Ob Domitian oder 
etwa Trajan Erbauer der Brücke gewesen, ist vorläufig nicht zu ent- 
scheiden; vielleicht lösen inschriftliche Funde dereinst diesen Zweifel. 
An Trajan könnte man desshalb denken, weil er nach dem Sieg über 
den Dakerkönig Dekebalus auch die erste steinerne Donaubrücke er- 
baut hat. Aber da seit seiner Regierung der Schwerpunkt der 
Reichsvertheidigung vom Rhein an die Donau verlegt worden ist, so 
wird mancher geneigt sein, die üeberbrückung des Rheins noch unter 
Domitian zu setzen. Seitdem bestand die Brücke in der Zeit der 
höchsten Machtentfaltung Roms am Rhein vielleicht über ein Jahr- 
hundert lang. Erst in der Epoche der beginnenden germanischen 
Angriffe gegen Ende des zweiten Jahrhunderts, wahrscheinlicher noch 
in Folge der Völkerbewegungen, welche Caracallas germanischen Feld- 
zug vom Jahre 213 veranlassten, musste sie zeitweise abgebrochen 



134 Deutschland 

werden. Dann ist sie möglicherweise nach dem Sieg der Legion, 
welche nun den Namen Antoniniana ftthrte, wiederhergestellt worden. 
Vom Kaiser Maximinus wird sodann berichtet, er habe eine Brücke 
tlber den Rhein gebaut, welche der Empörer Magnus hinter ihm ab- 
brechen wollte. Die Nachricht tritt zwar ohne jede bestimmte Be- 
zeichnung der Oertlichkeit auf, aber sie wird nicht ohne Wahrschein- 
lichkeit auf Mainz bezogen. Bei Gelegenheit der germanischen Feld- 
züge des Severus Alexander sprechen die Berichterstatter von der 
grofsen Festigkeit, welche die winterliche Eisdecke dem Rhein wie 
der Donau verleihe. Das braucht nicht nothwendig anf das Fehlen 
einer stehenden Brücke gedeutet zu werden. Wenn die steinernen 
Pfeiler, wie wahrscheinlich ist, bestehen blieben, so kann der höl- 
zerne Oberbau der Brücke je nach den wechselnden Beziehungen zu 
den Alamannen öfter eine nur zeitweilige Wiederherstellung* gefunden 
haben. Die Pfeilerreste zeigen vielfach, nach übereinstimmender Be- 
obachtung der Sachverständigen, den Charakter schleuniger und wenig 
sorgfältiger Arbeit. Erst die wiedererstarkte Macht des Reiches 
unter Diocletian bewerkstelligte eine einem Neubau gleichkommende 
Wiederherstellung der Brücke. Sie bezeugt ein in Lyon gefundenes, 
jetzt im Pariser Münzkabinet befindliches Bleimedaillon, an dessen 
Aechtheit kein Zweifel ist. Der obere Abschnitt des Münzbildes 
zeigt die beiden Kaiser Diocletian und Maximian auf Thronen sitzend 
und die Huldigungen Unterworfener entgegennehmend, mit der Bei- 
schrift saeculi felicitas. Unten ist links mit Thürmen und Thoren 
Mainz — Mogontiacum — , rechts Kastei — Castel(lum) — darge- 
stellt, dazwischen der Fluss — fl(uvius) Ehenus — und die Brücke, 
durch drei steinerne Rundbogen mit Balustrade darüber bezeichnet; 
über sie führt, unter Vorantritt eines geflügelten Genius und eines 
kleinen Knaben (ich weiss ihn nicht sicher zu deuten) die geflügelte 
Siegesgöttin den Kaiser, ihm den Kranz auf das Haupt setzend. Es 
folgt aus dem zwar glaubwürdigen, aber im Einzelnen doch nur an- 
deutenden Münzbild nicht, dafs die Brücke damals steinerne Bogen- 
wölbungen erhielt. Aber gehalten hat sie, mit einigen Unterbrechun- 
gen, für ein weiteres Jahrhimdert, bis auf Valentinians Alamannen- 
kriege. Danach verschwindet jede Kunde von ihr. Wir erfahren 
erst wieder, dafs Karls des Grofsen Baumeister, wohl mit Benutzung 
der noch vorhandenen römischen Pfeiler, eine neue Brücke bei Mainz 
erbauten. In einer Urkunde aus der Zeit vor dem Jahre 803 wird 



Römische Städte in Deutschland 135 

der Platz an der Brücke mit dem alten deutschen Namen ad hrachor 
tom genannt, mittelhochdeutsch ee den racheden; wahrscheinlich eine 
Umdeutschung des romanischen arcata, Bogenreihe. 

Das sind die Schicksale der Mainzer Brücke. Die inschrift- 
lichen Denkmäler von Mainz, die noch nicht in einer vollständigen 
und übersichtlichen Sammlung vorliegen, mit dem vielen Neuen, das 
die letzten Jahre gebracht haben, werden dereinst das Bild von den 
wechselnden Schicksalen der Stadt in den ersten vier Jahrhunderten 
unserer Zeitrechnung zu einem vielfach genaueren und vollständigeren 
machen, als es jetzt vor uns steht. 

Aber schon vor dem Bau der festen Brücke war Mainz eine 
bedeutende Stadt, in der trotz ihres vorwiegend kriegerischen Cha- 
rakters auch Handel und Verkehr blühten. In Mainz ist eines der 
letzten wirklich gelehrten Bücher des römischen Alterthums, des Cen- 
sorinus Schrift über die Geburtstagsfeier, im Jahr 238 geschrieben 
worden. In demselben Jahr 1520, in welchem die zweite Ausgabe 
von Peutingers römischen Denkmälern von Augsburg erschien, ist 
in Mainz die Zweitälteste Sammlung lateinischer Inschriften, die 
überhaupt vorhanden, Huttichs „CoUectaneen der Alterthümer in und 
um Mainz", bei Johann Schöffer daselbst gedruckt und fünf Jahre 
später zum zweiten Mal herausgegeben worden. Wer von des rö- 
mischen Reiches Herrlichkeit in deutschen Landen einen Begriff ha- 
ben will und aus Denkmälern Geschichte zu lernen weifs. der muss 
das römisch-germanische Centralmuseum in Mainz in der bischöf- 
lichen Residenz aufsuchen. Da stehen in langen Reihen die zwar 
nicht von griechischen und italischen Künstlern, aber doch von theil- 
weis recht geschickten Arbeitern gemeifselten Grabmonumente der 
römischen Legion are und der Soldaten aus den verschiedenen Ab- 
theilungen der Hülfsvölker; sorgfältig, oft in Lebensgröfse ausge- 
führte Bildnisse, in denen aber mehr Gewicht gelegt ist auf die treue 
Wiedergabe der Tracht und Bewaffnung, als auf Schönheit und in- 
dividuellen Ausdruck. Einige davon sind auch nach Wiesbaden ge- 
kommen; von wenigen, und nicht von den besten, sind Abgüsse im 
Museum zu Berlin. Es fehlt auch nicht an Denkmälern nicht mili- 
tärischer Personen: die Gilde der Rheinschiffer, wie in Lyon die der 
Schiffer des Rhodanus und Arar, die Hirten der grofsen Grundbe- 
sitzer und allerlei Private sind in oft rohen, aber charakteristischen 
Darstellungen vertreten. Unvergleichlich ist der Reichthum an Waffen 



136 Deutschland 

und Geräth aller Art, bis auf die sorgfältig gearbeiteten Lederschuhe 
herab, die, vielfach im Flussbett des Rheins, zum Vorschein gekom- 
men sind und in den langen Glaskästen zierlich aufgereiht liegen. 
Der Vorstand dieses ersten und bedeutendsten aller Museen römischer 
Alterthümer in Deutschland hat es bekanntlich in der virtuosen 
Nachbildung der antiken Stücke in bemalten Abgüssen zu solcher 
Vollkommenheit gebracht, dafs die in vielen Sammlungen vorhandenen 
Kopien von den Originalen fast nicht zu unterscheiden sind und jene 
für die Anschauung vollständig ersetzen. Schöne Abbildungen eines 
Theils der Mainzer Kriegerdenkmäler enthält Lindenschmits, des 
Directors der Sammlung, Werk über die Alterthümer unserer heid- 
nischen Vorzeit; allein sie stehen da zusammen mit vielem anderen 
Ungleichartigen nnd sind im Ganzen wenig bekannt. Die kleineren, 
aber nicht unbedeutenden Sammlungen in Wiesbaden, Darmstadt, 
Worms, Speier, Mannheim, das Saalburgmuseum in Homburg, er- 
gänzen diese Eindrücke. Weniger gut ist für die baulichen Reste 
des römischen Mainz gesorgt worden. Es gibt noch keine Auf- 
nahme der im Boden und in den Kellern der Häuser zerstreuten Fun- 
damente der Mauern und Thore des Kastells auf dem Kästrich. 
Noch wissen wir nicht sicher, ob die römische Brücke wirklich in 
der Achse des Mainzer Kastells sowie des von Kastei liegt, wie 
wahrscheinlich ist. Noch ist unbekannt, ob neben dem seit dem 
Ende des ersten Jahrhunderts ummauerten Lagerplatz der einen 
Legion die Lager der anfänglich hier vereinten zwei oder mehr Le- 
gionen mit ihren Auxilien nachweisbar sind. In verschiedenen Ge- 
genden der unteren Stadt, wo der Grmid zu Neubauten ausgehoben 
wird, kommen Reste der römischen Gebäude, tektonische Fragmente 
u. s. w. zu Tage. Man kennt den alten Begräbnissplatz der Gar- 
nison bei Zahlbach, und ein bedeutsames Wahrzeichen seines Alter- 
thums besitzt Mainz in dem Eigelstein. Jetzt nur ein formloser 
Kern von felsenhartem Gusswerk ohne einen einzigen der Quadern, 
mit denen er einst bekleidet war und von denen sich, wie die alten 
Abbildungen zeigen, bis in das vorige Jahrhundert noch beträcht- 
liche Reste erhalten hatten, kann er in der That, wenn man der 
ununterbrochenen Ueberlieferung seit der karolingischen Zeit nicht 
jede Beweiskraft absprechen will, für das Grabdenkmal gehalten wer- 
den, das dem Drusus, nach seinem zwischen Saale und Rhein er- 
folgten Tod, in dem Winterlager der Legionen bei Mainz errichtet 



Römische Städte in Deutschland 137 

und mit den Zeichen seiner Siege geschmückt wurde; ein Kenotaph, 
denn der Leichnam selbst oder vielmehr seine Asche wurde im 
Mausoleum des Augustus auf dem Marsfelde in Rom beigesetzt. 
Vor dem „ürususmal" in Mainz, dem Trusileh der Urkunden, wurde 
alljährlich eine Leichenparade, die militärische Gedächtnissfeier für 
den gefallenen Führer, gehalten; ein wohlberechneter und gewiss auf 
die Germanen weithin wirkender Act der römischen Politik. Viel- 
leicht stand in Mainz auch der dem Germanicus nach seinem Tode 
„am Ufer des Rheins" errichtete Ehrenbogen. 

Die Bedeutung von Mainz erklärt es, dafs man dies grofse Aus- 
fallsthor für die germanischen Feldzüge mit einem geschützten Vor- 
terrain versah, in welchem bald eine friedliche Bevölkerung unter dem 
Schutze der mächtigen Festung sich ausbreitete. Der Grenzwall, der, 
wie wir sahen, von Grofskrotzenburg durch die Wetterau geht und zu- 
erst in südnördlicher Richtung die Thäler der Nidder, der Nidda, der 
Horloff, der Wetter, der Use einschliefst, schützt den schönsten Theil 
den Rheinlands mit seinen zahlreichen Mineralquellen, die alle den 
Römern bekannt waren und theil weis, wie die Wiesbadener, den 
Grund zu bedeutenden römischen Niederlassungen gelegt haben, und 
mit seinen köstlichen Weinbergen. Kein Wunder daher, dafs hier die 
altbegründete Kultur auch noch lange nach dem Fall des römischen 
Reiches in merklichem Gegensatz zum ganzen übrigen Deutschland 
sich erhalten und bis auf unsere Tage dem Leben ihren Stempel auf- 
gedrückt hat. Ausser Wiesbaden und Kastei gegenüber von Mainz 
ist Friedberg hier eine der wichtigsten römischen Niederlassungen, 
wie Ladenburg und Heddernheim ein Sitz des durch die römische 
Eroberung eingeführten Gottesdienstes des persischen Sonnengottes 
Mithras. Eine Anzahl von Heiligthümern dieses Kultus sind in und 
hei Heddernheim gefunden worden. Die Bedeutung des Sprengeis, 
den der erste Kirchenfürst Deutschlands regierte, und seine Rolle 
in Deutschland sind bekannt genug. Aber wie es in den Kastellen 
und Städten am linken Rheinufer in römischer Zeit aussah, in Bin- 
gen (Bingium) und dem dahinter liegenden Kastell an der Nahe, der 
Heidenmauer bei Kreuznach, aus welchem eine Anzahl schöner, den 
Mainzern ähnlicher Kriegergrabsteine hervorgegangen ist, in Ober- 
wesel (Vosolvia), Boppard (Baudobriga), in dem Kastell und der Zoll- 
station, die auf dem Platz der Castorkirche in Coblenz {ad Con- 
fluentes) mit seiner römischen Brücke über die Mosel lagen (seine 



138 Deutschland 

Lage wurde schon oft mit der Passau' s verglichen), und in Ander- 
nach (Antunnacum) — ich nenne nur die wichtigsten Orte — , das 
zu ergründen fehlt es nicht an mannigfachem Material. Aher auch 
für diese Gegenden gehören genaue Aufnahmen, sorgfältige Ermitte- 
lungen des Verschwundenen, zuverlässige Beschreibungen noch zu den 
Ausnahmen. Seit üomitians Regierung war weniger aus strategischen 
als aus politischen Gründen der bis dahin einheitliche Oberbefehl über 
die römischen Heere am oberen und unteren Rhein in die getrennte 
Verwaltung zweier verschiedener Provinzen, des oberen und unteren 
Germaniens, getheilt worden, die, wie wir sahen, am Vinxtbach, zwi- 
schen Schloss Rheineck und Niederbreisig, ihre Grenze hatten. Es 
schien bedenklich, den Befehl über die gröfste mobile Truppenmacht, 
welche das Reich damals vereint aufstellen konnte, acht Legionen 
mit den ihnen an Zahl fast gleichkommenden Hülfsvölkern zu Fufs 
und besonders zu Pferd, im Ganzen über sechzigtausend Mann, zu- 
gleich mit der Verfügung über die giofse Kriegskasse und die da- 
selbst niedergelegten Spargelder der Truppen in einer Hand zu lassen. 
Die Truppenzahl wurde dem damals befriedeten Zustand der Pro- 
vinzen entsprechend vermindert und ihre Dislocierung verändert; der 
kaiserliche Oberbefehlshaber in Mainz gab das Kommando über die 
Hälfte derselben dem zu Köln residierenden des unteren Germaniens 
ab. Obergermanien, das ausser dem linken Rheinufer auch einen 
beträchtlichen Theil Galliens, die Gebiete der Helvetier, Sequaner 
und Lingonen vom Nordufer des Genfer Sees an (die Freigrafschaft 
mit BesanQon und Langres), den Elsass und die Pfalz, auf dem 
rechten das ganze vom Grenzwall umschlossene Gebiet vom Thal der 
Roms in Württemberg bis zur Mitte etwa zwischen denen der Lahn 
und der Sieg in unseren Rheinlanden umfasste, hat Jahrhunderte lang 
diese künstlich geschaffene Abgeschlossenheit in den Verkehrswegen 
und den politischen Beziehungen, in manchen Gewohnheiten und 
Bräuchen, theilweis in den Dialekten bewahrt. Eine Schilderung 
dieser wichtigen Provinz des Reiches, ihrer Städte und Begräbniss- 
plätze, ihrer Strafsen mit ihren Brücken und Fähren, der zahlreichen 
über das Land zerstreuten Villen und Gehöfte, auf Grund sorgfal- 
tiger kartographischer Aufnahmen und einer erschöpfenden Samm- 
lung aller inschriftlichen und anderen Reste des römischen Le- 
bens — ; welch eine Grundlage würde sie bieten für das tiefere 
Verständniss aller der geschichtlichen Vorgänge, der territorialen 



Römische Städte in Deutschland 139 

Veränderungen und gesellschaftlichen Wandlungen, die sich seit dem 
Ende der römischen Herrschaft auf diesem Stück Erde vollzogen 
haben ! 

IV. 
Das spätere Niedergermanien, d. h. das östliche Vorland des Der Rhein 
belgischen Galliens bis zum Rhein, vom Vinxtbach abwärts bis an 
seine Mtlndung, war Anfangs nicht dazu bestimmt am Rhein seine 
Grenze zu finden. Zwar hatte Drusus wie am oberen Rhein so auch 
den Fluss abwärts an den passendsten Stellen, an hohen, das Ufer 
beherrschenden Punkten und da, wo von alters her die germanischen 
Stämme über den Strom zu setzen pflegten, mit Erdwällen befestigte 
Lagerplätze angelegt, die vielfach den Kern der später ummauerten 
Kastelle gebildet haben werden. Schon Agrippa hatte den Grund 
zur Ubierstadt gelegt; Drusus befestigte den Platz und stiftete den 
Altar der Ubier. Köln wie alle übrigen Kastelle auf dem linken 
Ufer hatte den Zweck, den Rhein zur geeigneten Basis für den An- 
griff gegen die freien Germanen auf dem rechten zu machen; Deutz, 
Divitia, Köln gegenüber, blieb bis in die spätesten Zeiten ein stark 
befestigter Brückenkopf. Aber wir wissen, dafs die Politik der Er- 
oberung nicht sowohl in Folge der noch so bedeutenden Niederlagen, 
wie der des Lollius und des Varus, und trotz der Erfolge des Ti- 
berius und Germanicus vielmehr aus Sparsamkeit aufgegeben wurde. 
Unter der Regierung des Claudius schon erging der Befehl, die 
sämmtlichen rechtsrheinischen festen Plätze aufzugeben und ihre Be- 
satzungen auf das linke Ufer zurückzuziehen. Da gleichzeitig eine 
neue Provinz, Britannien, dem Reiche erworben worden, so schienen 
die Streitkräfte keine gröfsere Zersplitterung zu gestatten. In den 
etwa sechzig Jahren vom Tod des Drusus bis auf Claudius hat sich 
in dem rechtsrheinischen Germanien begreiflicher Weise keine sess- 
hafte römische Bevölkerung gebildet, deren Spuren in Städten und 
Villen sich erhalten konnten; wie dies in Raetien und am Oberrhein 
der FaU ist. Allein aus dem Mangel solcher Reste auf dem rechten 
Ufer des Niederrheins folgt noch keineswegs, dafs es daselbst in der 
Zeit bis auf Claudius neben und unter dem Schutz der befestigten 
Plätze überhaupt römische Niederlassungen nicht gegeben habe. In 
den weiten Gefilden der Lahn, Sieg, Ruhr, Lippe und Yssel kann 
noch Vieles im Boden stecken, was die römischen Ansiedler des 



I IJNIVER 



IJNIVERSITl 



140 Deutschland 

ersten Jahrhunderts dort zurückgelassen haben mögen. An einer 
Statistik der Funde von Alterthüniem, insbesondere von Münzen 
fehlt es noch durchaus. Die von der deutschen anthropologischen 
Gesellschaft in Angriff genommenen und in Vorbereitung begriffenen 
prähistorischen Fundkarten werden für solche Untersuchungen, welche 
noch viel geduldigen Fleifs erfordern, eine Grundlage bieten. 

Auf dem linksrheinischen Gebiete, dem späteren Niedergerma- 
nien und den angrenzenden Theilen von Gallien, hat die römische 
Kultur der vier ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung reiche und 
ausgedehnte Spuren zurückgelassen. Die jetzt wieder zu Deutsch- 
land gehörigen Gebiete des römischen Galliens, das obere Moselthal 
mit Metz, ferner Trier und das untere Moselthal haben in jener 
Zeit eine eigenartige, reich entwickelte und von der Obergermaniens 
Trier vielfach verschiedene Kultur besessen. Mit der besonderen Bevor- 
zugung, welche der Kaiser Claudius seiner gallischen Heimat zu 
Theil werden Hess — er hatte zufällig in Lyon das Licht der Welt 
erblickt, wo sein Vater Drusus sich gern aufhielt — , hängt es wohl 
zusammen, dafs wie Köln so auch Trier von ihm zur Colonie er- 
hoben und, wie ich glaube, mit gewaltigen Mauern und Thoren be- 
festigt wurde. Die Porta nigra, das Wahrzeichen Triers, ein stark 
befestigter, aber trotzdem nicht minder reich ausgeschmückter und dess- 
halb vielleicht nie ganz vollendeter Thorbau, dessen solide Pracht nur 
mit den grofsen Bauten des ersten Jahrhunderts in Parallele gestellt 
werden kann, wird so lange mit den älteren Gelehrten für einen 
Theil dieser ersten und nachher so nicht wiederholten Befestigung der 
Stadt angesehen werden dürfen, als nicht sein späterer Ursprung 
durch unwiderlegliche Beweise dargethan ist. Von den Bauten dieser 
ersten Glanzzeit des römischen Triers ist es begreiflicher Weise noch 
nicht gelungen, sichere Reste nachzuweisen obgleich sie nicht fehlen 
werden; die erhaltenen Bauten, die Thermen, die Basilika, die Fun- 
damente des Doms, das Amphitheater, die grofsen Mosaikfufsböden 
gehören späteren Epochen an. Wo schriftliche Zeugnisse durchaus 
fehlen, ist nur von sorgfältiger Untersuchung aller erhaltenen Reste 
und genauer Vergleichung derselben mit erhaltenen und sicher da- 
tierten Bauten an anderen Orten, womöglich in denselben Gegenden 
— also z. B. mit denen von Lyon, Reims, Köln — , nachher erst 
mit den italischen, die Aufklärung der Baugeschichte Triers zu 
erwarten. Die Aufgabe ist in gute Hände gelegt und wird mit der 



Römische Städte in Deutschland 141 

Zeit soweit gelöst werden, als es möglich ist. Dafs Trier im dritten 
Jahrhundert vorübergehend der Sitz eines eigenen gallischen Kaiser- 
thums werden und in den nachfolgenden Jahrhunderten am längsten 
dem Ansturm der Alamannen und Franken Widerstand leisten konnte, 
verdankt es sicherlich auch der soliden Gründung seiner Mauern und 
Thore. Es ist natürlich, dafs aus der letzten Periode seiner Blüthe, 
der der christlichen Zeit, die inschriftlichen und anderen Denkmäler 
Triers, welche jetzt das Provinzialmuseum vereinigt, überwiegen; doch 
fehlt es auch keineswegs an Resten älterer Zeit. Von der reichen 
Kultur, die sich besonders durch den Handel mit dem Moselwein 
und mit WoUenwaaren , einem der Hauptproducte Galliens, unter 
dem Schutze Triers im ganzen Moselthal etwa vom Ende des ersten 
und dem Anfang des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung an 
entwickelt und bis in das vierte und fünfte Jahrhundert in ihrer 
Höhe erhalten hatte, geben die reichen Grabmonumente Zeugniss, 
wie z. B. das Igeler, über welches der Name Goethe's auch für 
weitere Kreise einen Schimmer des Ruhms verbreitet hat. Es ist 
oft abgebildet worden und durch kleine farbige Nachbildungen in 
Gips ziemlich bekannt; aber die eigenthümliche Mischung von my- 
thologischen Allegorien (die Spitze krönt der vom Adler zum Himmel 
getragene Ganymed) und Darstellungen des täglichen Lebens und 
Handelsverkehrs, welche die zahlreichen Reliefs desselben enthalten, 
zusammen mit der etwas barocken architektonischen Anlage ist aus 
den meist zu kleinen, auch den photographischen Abbildungen nicht 
recht zu erkennen, zumal das Denkmal gelitten hat und durch un- 
geschickte Restaurationen entstellt ist. Auch steht dieses Denkmal 
keineswegs allein; im oberen Moselthal ist noch eine Reihe von Grab- 
säulen, mit Reiterfiguren gekrönt, gefunden worden, die eine sonder- 
bare Mischung römischer und gallischer Religionsvorstellungen zeigen. 
Die Museen von Trier, Metz und Luxemburg lehren, dafs die wohl- 
habenderen Bewohner jener Gegenden mit einer selbst in Italien sel- 
tenen und wohl mittelbar auf griechische Vorbilder zurückzuführenden 
Freude an der Kunst sich und die Ihrigen auf den Grabsteinen dar- 
stellen zu lassen liebten, in der Tracht des Lebens, von den Werk- 
zeugen und Gegenständen ihrer gewerblichen Thätigkeit umgeben; so 
dafs aus diesen noch nirgends gesammelten und durch gute Abbil- 
dungen zugänglich gemachten Denkmälern ein ungemein deutliches 
und vollständiges Bild vom Leben jener Leute und ihren häuslichen 



142 Deutschland 

Umgebungen gewonnen werden kann. Grabdenkmäler mit Sculpturen- 
schmuck waren in so grofser Zahl in jenen Gegenden vorhanden, 
dafs in den Zeiten des Verfalls ihre Quadern trotz des reichen 
Schmuckes, den sie zeigten, in grofsen Mengen als Material zum 
Anschtltteu an die hölzernen Brückenpfeiler der Moselbrücken bei 
Coblenz und zu Mauerbauten, wie in Neumagen, verwendet worden 
sind. Aus Neumagen besonders sind in den letzten zehn Jahren so 
zahlreiche und bedeutende Fragmente römischer Reliefsculpturen zu 
Tage gefördert worden, dafs man den Fund, seiner Auffindung wegen 
und wegen seiner Massenhaftigkeit, mit dem der Reliefs des grofsen 
pergamenischen Zeusaltars vergleichen konnte. Als Beweis für die 
höhere Bildung kann angeführt werden, dafs in Trier ebenso wie in 
Köln grofse Mosaiken gefunden worden sind, auf denen mit den 
Musen alle berühmten griechischen und römischen Dichter (mit bei- 
geschriebenen Namen) gesehen und täglich betreten wurden. 

üeber Andernach, Remagen und Bonn ist schon gesprochen 
worden (S. 111). Die beiden Alterthümersammlungen in Bonn, die 
der Universität und die des rheinischen Alterthums Vereins, bergen 
werthvolle Reste der römischen Zeit, nicht blofs aus Bonn, sondern 
auch aus einer Anzahl anderer römischer Niederlassungen am Nieder- 
rhein; darunter das bekannte in Xanten gefundene Brustbild eines 
Centurionen, der in der Varusschlacht gefallen war; seine Gebeine 
wurden nachher von seinen Dienern in Xanten beigesetzt. 
Köln Das heilige Köln, wie schon gesagt, schon seit Drusus Lager- 

platz zweier, nachher wohl blofs einer Legion, seit dem Jahre 50 
Veteranencolonie und zu Ehren der dort geborenen Gemahlin des 
Claudius, der jüngeren Agrippina, der Enkelin des Agrippa und 
Tochter des Germanicus, benannt, besafs seit jener Zeit eine feste 
Ummauerung von nicht genau rechtseitiger Form. Ihren Umfang 
mit gröfserer Genauigkeit festzustellen hat erst die jüngst erfolgte 
Niederlegung der alten Festungswerke Veranlassung gegeben. Es 
scheint danach an Ausdehnung Mainz ungefähr gleich, etwas kleiner 
als Trier gewesen zu sein; der Glanz der drei grofsen geistlichen 
Fürstenhöfe datiert, trotz aller Zerstörungen und Veränderungen der 
späteren Jahrhunderte, aus römischer Zeit. Am Nordthor hat sich 
noch ein Theil des Thorbogens mit der Inschrift C(olonia) C(laudia) 
Ä(ra) A(grippinensis) gefunden; sie gehört etwa dem zweiten Jahr- 
hundert an. Dann hat unter Kaiser Gallien eine Wiederherstellung der 



Römische Städte in Deutschland 143 

Mauern und Thore stattgefunden; und wiedenim im letzten Jahrzehnt 
des vierten Jahrhunderts, wie ebenfalls Inschriften bezeugen. Nanien 
von Straf sen und Oertlichkeiten in Köln, die aus Inschriften bekannt 
geworden sind, erinnern an Rom. Der Name des Capitols, den eine 
der Kirchen Kölns führt, täuscht jedoch; er ist erst seit dem elften 
Jahrhundert nachweisbar und das römische Capitol Kölns ist eher 
am Dom zu suchen. Auch wo der Altar der Ubier stand, ist un- 
bekannt; man wird auch ihn in der Nähe des Doms vermuthen diirfen. 
Er wird, wie der Lyoner, freistehend zu denken sein, etwa von zwei 
Säulen flankiert. So frilh wie in Augsburg und Mainz sind jedoch 
weder in Trier noch in Köln die römischen Alterthtlmer gesammelt 
und beschrieben worden. Erst spät sind mannigfache Spuren, er- 
haltene Fundamente und aus Urkunden geschöpfte Beweise, zur Fest- 
stellung der Lage der Tempel, des Amphitheaters und der Profan- 
bauten verwendet worden. Die inschriftlichen Denkmäler, darunter 
manche auf öffentliche Bauten bezügliche und Kriegergrabsteine des 
ersten Jahrhunderts, den Mainzern vergleichbar, sind zahlreich. 
Die Reste einheimischer Töpfereien haben unter anderem die Namen 
einer der • Vorstädte und verschiedener Oertlichkeiten in der Stadt 
kennen gelehrt. Im Kellergeschoss des städtischen Museums Wall- 
raf-Richartz sind die römischen Alterthümer, soweit es der schon 
nicht mehr ausreichende Raum gestattet, vereinigt. Eine ganze Reihe 
von Privatsammlungen enthält Gläser, Gefäfse, Erzgeräthe, Schmuck 
in zum Theil sehr schönen Exemplaren; einiges davon ist im Ber- 
liner Museum. Die erste grofse Lokalsammlung aus neuerer Zeit, 
die der verstorbenen Frau Sibylla Mertens-Schaaffhausen, reich an 
merkwürdigem Kleingeräth, bleiernen Verkaufsmarken und dergleichen, 
ist leider vor Jahren nach Rom gekommen. Alle Elemente zu einer 
würdigen Veröffentlichung über das römische Köln sind vorhanden. 
Hoffen wir, dafs die reiche Stadt neben den Aufgaben ftlr ihre 
spätere Geschichte, die sie zu lösen unternommen hat, auch die das 
Alterthum betreffenden nicht vergisst. Noch ist es nur dem Fach- 
mann möglich, sich aus den zerstreuten Materialien ein annäherndes 
Bild von der Römerstadt Köln zu machen. 

Auch von Köln führte eine Brücke über den Fluss, wie in 
Mainz; ob schon seit der Gründung der Stadt durch Agrippa oder 
seit Drusus dort den Ubieraltar gestiftet hatte, ist noch streitig. 
Für beides, das Vorhandensein wie das Fehlen einer Brücke in jener 



144 Deutschland 

ältesten Zeit, die wohl nur eine Schiff- oder höchstens eine stehende 
Holzbrücke gewesen sein wird, lassen sich Gründe denken. Selbst 
nachdem seit Claudius der rechtsrheinische Besitz aufgegeben worden, 
könnte doch die Brücke fortbestanden haben, wofern richtig ver- 
muthet wurde, dafs trotzdem Deutz als Kastell bestehen blieb. 
Allein des Tacitus Nachrichten über die Verhandlungen der beiden 
germanischen Stämme der Tenkterer auf dem rechten und der Ubier 
auf dem linken Ufer zur Zeit, des batavischen Aufstandes 70 vor 
Chr., machen es wahrscheinlich, dafs damals keine Brücke bestand. 
Nun spricht manches dafür, dafs bald nach jener Zeit der Grund zu 
dem steinernen Kastell von Deutz gelegt worden ist, als die sonst in Ober- 
germanien liegenden beiden Legionen, die achte und die zweiundzwan- 
zigste, in Köln waren. Ziegel dieser beiden Legionen sind in Köln und 
iu Deutz gefunden worden. So bestechend die Gleichartigkeit der ge- 
schichtlichen Entwickelung ist, welche dann für Mainz und Köln her- 
vorträte, so ist die frühe Gründung des Deutzer Kastells doch noch 
bestreitbar. Nun sind im Strom bei Köln, wiederum wie bgi Mainz, 
die Pfeilerreste einer römischen Brücke in den Jahren 1765, 1848 
und 1854 bemerkt, aber leider nicht sorgfältig gemessen und be- 
schrieben worden. Inschriftliche, datierbare Fundstücke sind nicht 
zum Vorschein gekommen. Der Versuch, die erste Anlage einer 
festen Brücke bei Köln der Zeit nach zu bestimmen, ist hiernach 
noch aussichtslos. Erst unter Constantin ist, wie in Mainz unter 
Diocletian, wiederum eine feste steinerne Brücke bei Köln bezeugt; 
in jener Zeit erhielt ja auch, wie gesagt, das Deutzer Kastell er- 
neute Bedeutung. Die erhaltenen Reste der Brücke mögen dem con- 
stantinischen Bau angehören. 

Neben Bonn, Köln und Deutz hat es eine nicht unbeträchliche 
Zahl römischer Städte von einiger Bedeutung am NiedeiThein gege- 
ben. Ich nenne im Süden beginnend Beda (Bitburg), Marcomagus 
(Marmagen), Belgica (Billig), Tolbiacum (Zülpich), Marcodurum (Dü- 
ren), Blariacum (Bierich), die alle ihren römischen Namen bis heute 
erhalten haben. Einige zeigen im Namen zugleich das Datum und 
die Veranlassung ihrer Entstehung, wie luliacum (Jülich), Tiberiacum 
(Zieverich), Gründungen des Caesar oder Augustus und des Tiberius. 
Die dichte Kette der Kastelle am linken Rheinufer von Köln abwärts 
bis zur Mündung ist schon oben aufgeführt worden (S. 113). Wie 
sich diese Städte unter einander verhielten, welchen Umfang sie 



Römische Städte in Deutschland . 

hatten, welche Truppentheile in ihnen lagen (was für die Bestimmung 
des Alters und der Dauer ihrer Bedeutung wichtig ist), alles das ist\ 
noch so gut wie gänzlich unbekannt und kann doch durch beharrliches 
Nachforschen, vor Allem durch Ausgrabungen recht wohl einiger- 
maafsen ermittelt werden. Das alte Lager der Legionen, die Castra 
Vetera, Xanten, der Lippemündung gegenüber, etwa unserer Festung 
Wesel an strategischer Bedeutung vergleichbar, ist jüngst, wie be- 
merkt, etwas genauer bekannt geworden. In Aachen, den Aquae 
Calidae, deren Thermen den Galliern und Römern so bekannt waren, 
wie die von Wiesbaden und Baden-Baden, und Nymweg«n (Novio- 
magus) stehen die Kaiserpfalzen auf römischen Fundamenten. In 
den alten brandenburgischen Ländern Jülich und Cleve, in dem 
reichen Herzogthum Geldern hat neben der wehrhaften Mannschaft 
der Bataver, die den Kern der römischen Hülfsvölker in Britannien 
und später in vielen anderen Provinzen bildete, eine dichte bürger- 
liche Bevölkerung gesessen. Der berechnete Schutz, welchen die 
Pflege der alten Götter des Landes unter römischer Herrschaft fand, 
wird neben dem Kriegsdienst und den Steuern nicht wenig dazu 
beigetragen haben, dafs römisches Leben auf deutschem Boden feste 
Wurzeln schlug. Diese Gegenden sind die eigentliche Heimat des kel- 
tisch-germanischen Mütter- und Matronenkultus. Jede Landschaft, 
jedes Thal und jeder Berg und Rain hatte seine nach dem Ort be- 
nannten Mütter, deren traditionelle Dreizalü zur analogen Vereini- 
gung auch der fremden Götter auf den in ganz Gallien und Deutsch- 
land häufigen, anderswo aber fast gänzlich fehlenden Drei- und Vier- 
götteraltären geführt zn haben scheint. Jupiter, Juno, Mars oder 
Minerva oder beliebige andere Götter erscheinen auf den drei oder 
vier Seiten der Altäre in Hochrelief, meist in Nischen, dargestellt 
und in den Weihinschriften verehrt; die drei Matronen werden meist 
in einer Gruppe sitzend dargestellt. 

Den natürlichen Schluss unserer Uebersicht über das römische 
Germanien bilden die Niederlande. Auch unter den fetten Wiesen 
jener weiten Niederungen an den Rhein- und Waalmündungen sind 
die Fundamente römischer Kastelle zerstreut und versunken. Li 
Cattwijk aan Zee, in Roomburg, Voorburg, Doomburg, deren Namen 
auf römische Burgen weisen, in Utrecht (Traiectus), dem alten 
Rheinübergang, in Vechten (Fectio) und dem schon genannten Nym- 
wegen sind Inschriftsteine und alle übrigen Zeugen römischen Le- 

Hübner, Westeuropa. 10 



1 46 Deutschland 

beiis, besonders viel Ziegel mit allerlei lateinischen Schreibereien 
darauf, gefunden worden und werden in den Museen in Leiden, 
Utrecht, Nymwegen und in manchen Privatsamralungen aufbewahrt. 
Hier muss früh friedlicher Verkehr zwischen den römischen Be- 
satzungen, den Veteranenansiedlungen und der einheimischen Bevöl- 
kerung stattgefunden haben. Es ist bekannt, dafs die Friesen jen- 
seit des Rheins auch nach dem Aufgeben der rechtsrheinischen rö- 
mischen Besatzungen in einer gewissen Abhängigkeit vom Reiche ge- 
blieben sind. Jtlngst ist ein inschriftliches Denkmal bei Beetgum 
gefunden worden, welches lehrt, dafs römische Genossenschaften die 
ausgedehnten Fischereigründe in den Seen und Watten Frieslands ge- 
pachtet hatten. Sie weihen einer germanischen Gottheit, der Hludana, 
einen Altai*. In Massen dienten die zahlreichen Stämme der Bataver, 
Canninefaten, Friesen und belgischen Tungrer im römischen Heer. In 
ihren fernen Gamisonplätzen in Northumberland und Schottland be- 
wahrten sie den Kult ihrer einheimischen Gottheiten; das lehren die 
oben (S. 57 ff.) besprochenen Denkmäler des Mars Thingsus. 

V. 

Die Aufgabe, eine genaue und wohlbegründete Kenntniss des 
römischen Deutschlands zu gewinnen, deren Bedeutung nur engher- 
zige Beschränktheit oder falscher Nationalitätsdünkel verkennen kann, 
ist einzig unter verständnissvoller Theilnahme der weitesten Kreise 
aller Gebildeten zu lösen. Nur wenn ausser bei der geringen Zahl 
von zünftigen Gelehrten und der wenig gröfseren der Sammler und 
Liebhaber von Altertümern die Wichtigkeit und Nützlichkeit der 
darauf gerichteten Untersuchungen in Stadt und Land, in den Kreisen 
des grofsen Grundbesitzes, bei der Geistlichkeit beider Confessionen, 
unter den Offizieren (besonders des Generalstabs und der tech- 
nischen Waffen), den Lehrern der gelehi-ten und der Gemeindeschulen, 
den Magistraten, Gemeindevertretungen und Ortsvorständen, endlich 
bei den intelligenten Bürgern und Bauern Anerkennung findet, wird 
es ausführbar sein, das allernächste Bedürfniss zu befriedigen, die 
einfachste Vorbedingung zu erfüllen, ohne welche die künftige Lö- 
sung der Aufgabe nicht möglich ist. Es handelt sich vor allen 
Dingen darum, das noch Vorhandene von sichtbaren Ueberresten der 
römischen Zeit zu erhalten und zu schützen und das noch in der 
Erde Vergrabene an das Licht zu fördern. Dazu gehört mehr noch 



Römische Städte in Deutschland 147 

als Geld, ohne das es freilich auch nicht thunlich ist, das Interesse 
daraiL Ist dies erst einmal geweckt, so werden sich auch die im 
einzelnen Fall selten unerschwinglichen Mittel finden, um nach und 
nach, mit weiser Sparsamkeit, aber ohne falsche Engherzigkeit den 
bezeichneten Aufgaben zu genügen. Ich habe dabei in erster Linie 
natürlich nur die gröfseren und wohlhabenderen Gemeinden im Siim, 
deren Säckel ja oft für gemeinnützige Zwecke sich privater Zuwen- 
dungen zu erfreuen hat. Für die kleineren Gemeinden wie für die 
über weitere Gebiete sich erstreckenden Aufgaben wird freilich der 
Staat eintreten müssen. Aber selbst ein durch Staat shülfc ermög- 
lichtes Eintreten in die Arbeit verspricht keinen rechten Erfolg, 
wenn nicht durch einsichtige Kenner der einzelnen Oertlichkeiten un- 
ternommene Vorarbeiten vorliegen. Nur jahrelange geduldige Be- 
obachtung, völlige durch Heimatsangehörigkeit begründete Vertraut- 
heit mit Land und Leuten verbürgt die Richtigkeit und Vollstän- 
digkeit des Materials, aus welchem dann in zusammenfassender Be- 
arbeitung historische Ergebnisse gewonnen werden kömien. Geist- 
liche und Lehrer sind von Alters her die geborenen Träger der 
Heimatskunde; in Regensburg und Mainz, in Augsburg und sonst 
in Bayern und Württemberg, in Frankfurt und Hanau und an vielen 
anderen Orten wird Mitgliedern der einen oder der anderen dieser 
Berufsklassen so ziemlich Alles verdankt, was wir bis jetzt wissen. 
Dies ist ein Gebiet, auf welchem die beiden herrschenden Confessio- 
nen sich die Hand reichen können zu gemeinsamer nützlicher Thä- 
tigkeit. Der Fortschritt der Zeit hat aber hier bei uns wie in an- 
deren Ländern noch andere Berufsklassen oft zufällig in nahe Be- 
lührung mit der Vergangenheit gebracht. Strafsen- und Eisenbahn- 
bauten sind vielfach die nächste Veranlassung zu archäologischen 
Funden geworden und haben den dabei betheiligten Technikern, 
Baumeistern und Ingenieuren, trotz ihrer meist auf modernstem na- 
turwissenschaftlichen Boden ruhenden Bildung, Bewunderung abge- 
nöthigt. vor der Solidität und Zweckmäfsigkeit römischer Anlagen. 
So sind sie durch ihre Geschicklichkeit im topographischen Aufneh- 
men und Zeichnen häufig die zuverläfsigsten Ftlhrer für die gelehrte 
Verwerthung der Funde und Ausgi-abungen geworden. Endlich hat 
die geschichtliche Kriegswissenschaft ein erhebliches Interesse daran, 
nicht blofs die Thatsachen der Ueberlieferung, sondern auch das 
Terrain der Schlachten und Belagerungen, der Befestigungsanlagen 

10* 



148 Deutschland 

und Brücken genau zu kennen. In den Ofifzieren begrtifsen wir 
äufserst werthvolle Bundesgenossen unserer Studien, die nicht blofs 
in Italien, in Griechenland und in Asien, sondern auch in der Hei- 
mat der Topographie die wichtigsten Dienste geleistet haben und 
noch leisten werden. Es ist nicht ganz leicht, über alle die mannig- 
faltigen Beiträge, die von so verschiedenen Seiten her der Forschung 
zufliefsen, Buch und Rechnung zu führen und ihren auf oft entge- 
gengesetzten Grundlagen beruhenden Verdiensten und Fehlem gerecht 
zu werden. Oft wirken die hohlen Phrasen des Lokalpatriotismus 
mit ihren üebertreibungen irreführend, üeber selbstbewussten Hoch- 
muth und kleinlichen Undank solcher, die nur der Besichtigung au 
Ort und Stelle ein ürtheil zugestehn, wie über die gutgemeinten 
Phantasien anderer, die bei einer einzelnen Streitfrage erst das Ma- 
terial der Ueberlieferung überhaupt kenneu lernen und schnell fertig 
darauf die weitgehendsten Vermuthungen bauen, muss stillschweigend 
zur Tagesordnung übergegangen werden. Aber die unvermeidlichen 
Irrwege und Umwege hindern doch nicht, dafs wir uns dem Ziele 
langsam, doch stätig nähern. Es ist kein Grund zur Klage da. 
Nach langem Schlummer sind in den zehn bis zwanzig letzten Jahren 
besonders die auf den römischen Grenzwall sich richtenden Studien 
zu neuem Leben erwacht. Für die anderen Gebiete und Aufgaben 
haben sie nie ganz geruht; aber Regierungen und Gemeinden, Ver- 
eine und Private haben hier und da einen neuen Anlauf genommen. 
Keineswegs soll verlangt werden, dafs jeder unschöne, den Ver- 
kehr erheblich hindernde und leicht zu beseitigende Ueberrest des 
Alterthums, des römischen wie des späteren, unter allen Umständen 
erhalten werde. Aber verlangt kann werden, dafs ehe er beseitigt 
wird, eine genaue Aufnahme seiner Lage gemacht und photographi- 
sche oder andere ausreichende Abbildungen seiner äusseren Be- 
schaffenheit in genügender Gröfse und Zahl angefertigt werden, 
die, in dem zuständigen Archiv niedergelegt, den Nachkommen und 
der wissenschaftlichen Forschung das Denkmal bewahren. Für die 
durch Ausgrabungen blofsgelegten Fundamente von Kastellen, Mauern, 
Brückenpfeileni u. s. w. ist mit vollem Recht dieselbe Regel aufge- 
stellt worden: nach der Ausgrabung sofort Aufnahme und Zeichnung, 
dann, wenn nöthig oder unvermeidlich. Zuschüttung. Das Aufgegra- 
bene offen und unbeschützt liegen lassen, ist der sicherste Weg zu 
seinem baldigen völligen Verschwinden. 



Römische Städte in Deutschland 149 

Von entscheidender Wichtigkeit ist ferner das Sammeln und die 
richtige Aufstellung und Verwaltung der Sammlungen. In Verbin- 
dung mit den im Lande selbst nach und nach zum Vorschein gekom- 
meneu und noch erhaltenen Spuren der Strafsen, Kastelle, Mauern und 
Wälle, der Villen, Heiligtbümer und Gräber, sind es die kleinen und 
grofsen Alterthümer, deren Kenntniss und Verstau dniss auch die den 
gelehrten Studien ferner Stehenden in den Stand setzt, mit zu for- 
schen und Eigenes beizusteuern. Nur wer eine Anschauung hat we- 
nigstens von irgend einer Art der wissenschaftlichen Faktoren, aus 
welchen die geschichtlichen Ergebnisse gewonnen werden, wird der 
Forschung dauernde Theilnahme entgegenbringen. Was anderes hat 
von jeher die edle Leidenschaft des Sammeins aller möglichen auf die 
Kultur vergangener Zeiten bezüglichen Gegenstände, wie der Münzen, 
Waöen, Geräthe, Autographen, Siegel u. s. w. angefacht und bis zu 
ihrer gegenwärtigen Höhe und Verbreitung gesteigert, als eben die- 
ses berechtigte Bestreben, wenigstens einen Theil der greifbaren 
Zeugnisse in Händen zu halten, welche unser Dasein mit demjenigen 
vergangener Geschlechter verknüpfen, und durch ihre Erhaltung, 
Deutung und Verwerthung, wenn auch nur zu kleinstem Theile, selbst- 
thätig mitzuwirken an dem grofsen Werke der historischen Wieder- 
gewinnung unserer Vorzeit?^ Kaum irgendwo ist diese Arbeit des Sam- 
meins und Bewahrens aller Reste der Vergangenheit in gröfserem 
Maafsstabe seit langer Zeit eingeleitet und, durch beispiellofs glück- 
liche Verhältnisse unterstützt, durchgeführt worden, als in England. 
Gleich nach England kommt in dieser Beziehung, ebenfalls durch 
seinen Reichthum begünstigt, Frankreich; erst an dritter Stelle 
Deutschland. Von Italien, dessen Leben bis vor Kurzem mehr die 
Vergangenheit betraf als die Gegenwart, soll hier nicht geredet 
werden. Nicht als ob nicht auch bei uns die liebevolle Hingabc an 
die Heimat und das grade in den engsten Grenzen besonders mäch- 
tige Gefühl der Vaterlandsliebe sichtbar und kräftig gewirkt hätte 
von dem Zeitpunkte an, wo die Nation sich zu erholen begann von 
den tiefen Wunden, die ihr der unselige Krieg der dreifsig Jahre 
geschlagen. In England giebt es keine Grafschaft, kaum eine kleine 
Landstadt, welche nicht ihr meist aus privaten Mitteln gegründetes 
Lokalmuseum hätte. Daneben verwenden zahllose Private, von den 
grofsen historischen Adelsgeschlechtern an bis herab zum Landpfarrer 
und Gemeindebeamten, einen Theil ihres Ueberflusses auf die Anlage 



150 Deutschland 

von irgend welchen Sammlungen. In Frankreich hat der hochge- 
steigerte nationale Sinn in höherem Maafse als die privaten Lieb- 
haber die verschiedensten Körperschaften, Gemeinden, Diözesen und 
andere Verbände gröfseren und geringeren ümfangs zu fast ebenso 
ausgedehnter und an Reichthum nur wenig hinter England zurück- 
stehender Entwickelung des Sammeleifers geführt; obgleich es auch 
nicht an Gegenden fehlt, z. B. im Süden, welche in diesen Dingen 
noch weit zurück sind. In Deutschland fehlt es zwar nicht, beson- 
ders in dem begüterten Westen und Süden unser Heimat, an mehr 
oder weniger reichen und wohlgepflegten öffentlichen, zum Theil auch 
privaten Sammlungen, an grofsen und kleinen historischen und Alter- 
thumsvereinen mit meist schon bändereichen Veröffentlichungen, an 
Jahres- und Wanderversammlungen mit gelehrten und gemeinverständ- 
lichen Vorträgen, kurz an all den Erfordernissen der geschichtlichen 
Massenarbeit, welche das in England besonders reich entwickelte 
Vereins wesen und die in Frankreich weit verbreitete Kunst der 
Gruppierung und Aufstellung von Denkmälern und üeberresten ausge- 
bildet hat. Aber was uns noch fehlt auf diesem Gebiete gegenüber 
unsern Nachbarn dies- und jenseits des Kanals, das ist die allge- 
meine und nachhaltige, die verständnissvolle und opferbereite Theil- 
nahme aller Gebildeten an den Bestrebungen und Leistungen der 
verhältnissmäfsig doch nur Wenigen, welche zu jener Sammelarbeit 
in Vereinen und Gesellschaften zusammengetreten sind oder auf eigene 
Hand an ihr theilnehmen. Gewiss wird man sagen müssen, dafs 
unter der harten Arbeit des berufsmäfsigen Wirkens nicht allzu 
Vielen Zeit, Kraft und Mittel bleiben, um mit frischem Geiste auch 
zu sammeln, zu lernen und zu hören, zu lesen und aufzuschrei- 
ben; denn ohne solche Thätigkeiten kann eine Theilnahme an jener 
Art von historischen Arbeiten nicht bestehen. Aber in*e ich 
nicht, so ist das nur ein untergeordneter Grund für unser Zurück- 
bleiben. Unter unseren Beamten, Künstlern, Gutsbesitzern und In- 
dustriellen gibt es genug solche, welche wohl Lust, Zeit und Kräfte 
hätten, um sich solcher Arbeit in Nebenstunden zu widmen, beson- 
ders auf dem Lande und in kleineren Städten, wofern nur die rechte 
Anregung geboten, das rechte Verständniss vermittelt, auch der rechte 
Dank und Lohn, nicht materieller sondern geistiger Art, gesichert 
wäre. Unsere Fachgelehrten, unsere Sammler und Forscher, un- 
sere Vereine und Museen und ihre durchgehends kenntnissreichen und 



Römische Städte in Deutschland 151 

gefälligen Vorstände sind, natürlich mit glänzenden und bekannten 
Ausnahmen, vielleicht nicht ganz frei zu sprechen von dem Fehler 
einer gewissen Schwerfälligkeit und ünbeholfenheit in der schrift- 
lichen wie mündlichen Mittheilung, in der Aufstellung und Erklärung 
der von ihnen gesammelten oder ihrer Obhut anvertrauten Schätze. 
Bei weitem nicht alle öffentlichen Sammlungen erfreuen sich so 
musterhafter Aufstellung wie die des germanischen Museums zu 
Nürnberg, des römisch-germanischen Centralmuseums zu Mainz, der 
antiquarischen Gesellschaft zu Zürich; um nur einige der hervorra- 
gendsten zu nennen. Und wie viele nicht unbedeutende Städte ha- 
ben überhaupt noch keine Sammlungen, welche ihrer würdig wären! 
Dazu fehlt es vielfach an kurzer aber verständlicher Bezeichnung der 
ausgestellten Gegenstände durch daran befindliche Zettel oder Tä- 
felchen. Es ist gar nicht leicht und nur den völlig den Gegenstand 
beherrschenden Kennern möglich, solche Aufschriften zu verfassen. 
Die Engländer legen mit Recht ein Hauptgewicht auf diese Bezeich- 
nungen der Gegenstände selbst, ein gröfseres als auf die gedruckten 
Verzeichnisse. Denn diese kommen immer nur in die Hände eines 
verhältnissmäfsig kleinen Bruchtheils der Besucher. Die gi'ofse Menge 
verlangt an dem Gegenstande selbst über seine Herkunft und Be- 
deutung Irarz unterrichtet zu werden. Wo das nicht oder in ungenü- 
gender, gelehrt räthselhafter Weise geschieht, darf man sich nicht Avun- 
dern, wenn die Massen theilnahmslos durch die Säle und Zimmer gehen, 
um nie oder selten zuiückzukehren. Auch unsere gröfsten Museen 
wie unsere öffentlichen Denkmäler fehlen in dieser Beziehung noch 
vielfach im Grofsen wie im Kleinen gegen den guten Geschmack. 
Die Kunst, kurze und deutliche Aufschriften zu macheu, die prak- 
tische Exigraphik, wird in Italien berufsmäfsig in allen iliren Zweigen 
gepflegt; bei uns geniefst sie noch kaum eine berechtigte Existenz. 
Freilich ist um Sammlungen gut aufzustellen, so gut wie um sie 
zusammenzubringen, ausser der Mühe und dem Verständniss , vor 
allem auch Geld nöthig. Die bildende Künste haben jetzt in allen 
gröfseren Staaten Deutschlands feste jährliche Bewilligungen für mo- 
numentale Zwecke. In dem Voranschlag des öffentlichen Unterrichts 
nehmen die Sammlungen einen jährlich steigenden Posten in Anspruch, 
welcher, wenn schon winzig im Vergleich zu den von England- für 
die nämlichen Zwecke aufgewendeten Summen, für unsere Verhält- 
nisse erheblich genannt werden muss. In Frankreich hat schon vor 



152 Deutschland 

Jahren die Regierung einen bedeutenden Kredit Mr die Museen und 
Sammlungen der Provinzen gefordert, um auf einmal einen ordent- 
lichen Schritt vorwärts zu thun. In jüngster Zeit ist das Interesse 
für die sogenannten vorgeschichtlichen Funde, die Reste der Höhlen- 
zeit und der Pfahlbauten, im Steigen begriffen; für die Fundstücke 
dieser Art ist fast besser gesorgt, wie für die viel Raum brauchen- 
den, oft ungefügen Inschriftsteine und architektonischen Fragmente 
und die kleinen Alterthümer aus römischer Zeit. So ist es begreif- 
lich, dafs gerade für die wichtigsten und entscheidendsten Jahrhun- 
derte unserer ältesten Geschichte und ihre Ueberreste nur Wenige 
das richtige Verständniss besitzen. Wenn es gelingt, dies Verständ- 
niss in weitere Kreise zu tragen und dabei dem verbreiteten Vor- 
urtheil zu steuern, dafs Provinzialmuseen im ganzen langweilig, ihr 
Inhalt unbedeutend sei und kaum lohnend für einmaligen Besuch, so 
wäre damit ein Schritt vorwärts gethan auf dem Wege zu lebendiger 
Erkenntniss unserer Vergangenheit. Für die Anschauung des rö- 
mischen Lebens in Deutschland sind die bedeutenderen Sammlungen 
römischer Alterthümer aus heimischen Funden in München und Augs- 
burg, in Stuttgart, Darmstadt, Mannheim, Wiesbaden und Mainz, in 
Bonn und in Köln, die schon öfter erwähnt wurden, von grofser 
Wichtigkeit. Sie verdienen es durchaus, genauer gekannt und in ihrem 
Werthe richtig geschätzt zu werden. 

So wendet sich die Betrachtung des römischen Lebens in Deutsch- 
land von den grofsen geographischen Verhältnissen, von den Grenz- 
strömen und den Grenzwällen mit ihren Lagerplätzen, von den rö- 
mischen Städten und Landhäusern zuletzt zu den kleinen und oft un- 
scheinbaren Resten aus zufälligen Funden und absichtlichen Ausgra- 
bungen. Auf manches der Art ist in den vorhergehenden Ausfüh- 
rungen hingewiesen worden. Neben den Resten der Kultur, welche 
noch vorliegen in Städten und Dörfern, in Wald und Flur sichtbar, 
wenn auch nicht gleich bei oberflächlicher Betrachtung in die 
Augen fallend, sind diese in allen jenen Sammlungen mehr aufge- 
speicherten, als für das bequeme Verständniss übersichtlich geord- 
neten und bezeichneten Gegenstände mannigfaltigster Art, in Stein 
und Thon, in Erz und Glas, von nicht zu unterschätzender Be- 
deutung. 

Die richtige Zeitbestimmung der Fundstücke, die meist nur bei 
sorgfältig überwachten Ausgrabungen möglich ist,, ihre Einreihung in 



Arminius 153 

das gesammte Kulturbild der Vergangenheit ist eine Aufgabe, an der 
noch manches Geschlecht von Sammlern und Alterthumsfreunden sich 
mühen wird. Erst wenn viele und sichere Ergebnisse solcher mit 
liebevoller Hingabe an das Kleinste und scheinbar Unbedeutendste ge- 
pflegter Vorarbeiten vorliegen, wird es möglich sein, auch den weiteren 
Kreisen gebildeter Vaterlandsfreunde von ihnen eingehender zu be- 
richten. 



m. 
Arminius. 

Zu Grunde liegt ein in der Zeitschrift Hermes Bd. X 1876 S. 393—407 
veröffentlichter Aufsatz. Göttling hat auf seine unten erwähnte Abhand- 
lung grofsen Werth gelegt, denn er hat sie nicht weniger als vier 
Mal herausgegeben : zuerst in kurzer lateinischer Fassung de signis Thus- 
neldae et Thumelici in den Annalen des römischen archäologischen Instituts 
von 1841 S. 58 ff. mit der Abbildung in den Monumenti inediti HI Taf. 28; 
dann erweitert unter dem Titel „Thusnelda Arminius Gemahlin und ihr 
Sohn Thumelicus in gleichzeitigen Bildnissen nachgewiesen, eine archäo- 
logisch-historische Abhandlung" (mit einer Tafel, Jena 1843, 8.); diese 
ist wiederholt in seinen gesammelten Abhandlungen aus dem classi- 
schen Alterthum Bd. I (Halle 1851) S. 380 ff. mit derselben Tafel; und 
endlich hat er davon eine schön ausgestattete „neue, mit Zusätzen und 
einem Wort über den Fechter von Ravenna versehene Ausgabe" (aber 
ohne die Weglassungen und Zusätze des Abdrucks von 1851) in Quer- 
lolio (Jena 1856) veranstaltet, welche dem weiland König Otto von Griechen- 
land gewidmet ist und aufser der früheren noch eine zweite Tafel enthält, 
die Umrisszeichnung der lebensgrofsen Marmorstatue der Thusnelda von 
Ernst von Bändel in des Fürsten zur Lippe Besitz, nach Bandeis Zeichnung. 

Auf Grund von Göttlings wenig vermehrtem Material hat ohne ihn 
anzuführen und, wie es scheint, ohne Kenntniss meiner Abhandlung 
L. Schmidt in Leipzig in Pfeiffers Germania XVI 1883 S. 342—346 als 
sicheres Ergebniss verkündet, dafs Arminius kein deutscher, sondern der 
römische Geschlechtsname sei, den jene von Göttling erwähnten Inschriften 
aufweisen, oder auch die der Armenii. Die völlige ünkenntniss der römi- 
schen Namenordnung, die sich hierin zeigt, droht bei den Kennern des 
deutschen Alterthums Eindruck zu machen. Vielleicht hat sie gchon dazu 
mitgeholfen, dafs der verstorbene G. Vigfusson in Oxford in der Schrift 
zur Grimmfeier (Grimm-Centefnary, mit F. Y. Powell, Oxford 1886 8.) 
mit dem Zeugniss des Tacitus über des Arminius Fortleben im Helden- 
lied wie vor ihm schon Mone den Missbrauch getrieben hat, ihm neben 
dem vermeintlich römischen den deutschen Namen Siegfried zu vindi eieren 



154 Deutschland 

und daran dann Vermuthungen zu knüpfen, die von allen Einsichtigen 
zurückgewiesen worden sind. 

üeber die Darstellung von Germanen in der römischen Kunst habe 
ich in der archäologischen Zeitung XXVI 1868 S. 46 if. gesprochen und 
daselbst wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs wir in zwti Jünglings- 
köpfen des Berliner Museums Darstellungen von Germanen besitzen. Einen 
dem der Thusnelda ähnlichen weiblichen Kopf des Museums der Eremitage 
in St. Petersburg hat A. C o n z e in der Zeitschrift für bildende Kunst VII 
1872 S. 325 ff. veröffentlicht und für eine germanische Gefangene erklärt. 
Diese Deutungen sind nicht völlig sicher; aber mit der florentiner Statue 
sind dies beinahe die einzigen Werke der antiken Kunst, die unter den zalil- 
losen üeberresten derselben, unter denen es an Bildern von Kelten nicht 
fehlt, mit annähernder Wahrscheinlichkeit für Darstellungen von Germanen 
angesehen werden können. 

Nicht die Thaten des Arminias sollen hier geschildert noch auf 
die jüngst vielfältig behandelte Frage eingegangen werden, wie weit 
dem Siegfried unserer Heldensage der geschichtliche Arminius ent- 
spricht. Den Ausgangspunkt dieser Betrachtung bildet der Name 
Arminius; die Erörterung über ihn lässt sich nicht trennen von der 
Betrachtung der militärischen und politischen Stellung seines Trägers 
gegenüber den römischen Eroberern. So gibt auch diese scheinbar 
etwas Äusserliches und Nebensächliches betreffende Darlegung einen Bei- 
trag zur ältesten Geschichte der römischen Herrschaft in Deutschland. 

Karl Wilhelm Göttling in Jena, ein hervorragender Philolog 
von Geschmack und vielseitiger Bildung, hat dem Namen des Armi- 
nius eine besondere Anmerkung gewidmet in der bekannten, geist- 
und gemtithvollen Abhandlung über jene beiden grofsartigen und er- 
greifenden Bildwerke der Kunst der ersten Kaiserzeit, in welchen er 
meinte, Bildnisse der Thusnelda und ihres Sohnes Thumelicus nachge- 
wiesen zu haben. Die Abhandlung hat, obwohl sie in ihrem Ergebniss 
nicht überzeugend ist, dem Dichter Halm den Anlass gegeben zu 
seinem bekannten Trauerspiel, dem Fechter von Ravenna. In der Statue 
der Halle zu Florenz erkennt man, Göttlings offenbar richtigen Grund- 
anschauungen folgend, mit Recht eine Idealdarstellung der besiegten 
Germania selbst. Ob der Marmorkopf des brittischen Museums, wel- 
chen Göttling Thumelicus genannt hat, wirklich auch nur für den eines 
Germanen gehalten werden darf, kann bezweifelt werden. Es sind 
in verschiedenen Museen Marmorköpfe vorhanden, die, wie jener, den 
Charakter kräftiger, von den römischen Bildnissköpfen verschiedener 
Naturen zeigen und zum Theil mit grofser Wahrscheinlichkeit für 



Arminius 155 

Germanen gehalten werden. Auch das Berliner Museum besitzt zwei 
solche Köpfe. Der Thumelicus genannte Kopf trägt mehr gallischen 
Charakter. Wie dem auch sei, Göttlings Anmerkung über den 
Namen des Arminius, welche lange unbeachtet geblieben war, ist erst 
wieder hervorgesucht worden, als vor etwa fünfzehn Jahren sich aller 
Augen in Deutschland und selbst jenseits der Alpen auf den Bandei- 
schen Arminius im Teutoburger Walde lenkten. Göttlings Meinung, 
dafs Arminius ein römischer Geschlechtsname sei, etwa in dem Sinne 
von Germanicus, und noch mehr die von anderen daran geknüpften 
Folgerungen sind nicht haltbar. Aber die römische Namenkunde, 
die sich überall in erster Linie auf die römische Inschriftenkunde 
stützt, und die römische Alterthumskunde , die uns die römische 
Heeresverfassung in ziemlicher Vollständigkeit kennen gelehrt hat, 
geben hinreichenden Aufschluss darüber, wie wir uns die rechtliche 
Stellung unseres ersten Nationalhelden im römischen Heer zu denken 
haben. Sie bedingt das Urtheil über den Namen. Den Versuchen 
einer Deutung wird dadurch nicht vorgegriffen, wohl aber die Rich- 
tung gezeigt, in der sie sich zu bewegen haben. 

Nach einem bekannten Zeugniss des Velleius steht es fest, dafs 
Arminius das römische Bürgerrecht und den römischen Ritterrang 
besafs. Das Zeugniss ist zwar seinem Wortlaut nach, wie vieles in 
dem schlecht überlieferten Texte des Velleius, nicht ganz richtig 
erhalten, aber es besagt doch deutlich, dafs Arminius zum Behuf 
des Eintrittes in das römische Heer als Führer seiner Volksgenossen, 
wie Tacitus ihn nennt, mit dem Bürgerrecht beschenkt worden und 
dann in demselben nach und nach die bekannten Kommandostellen mit 
Ritterrang erlangt habe, also die Praefectur einer Cohorte, den Tribunat 
in der Legion oder den einer Cohorte, oder die Praefectur einer 
Reiterala. Das Zeugniss ist unzweifelhaft glaubwürdig; denn Velleius 
war, wie er selbst angiebt, vom Beginn der Feldzüge gegen die 
Germanen an neun Jahre lang im Heer des Tiberius Reiterpraefect 
und Legat; er spricht von den Kämpfen in Germanien als Augen- 
zeuge und begeisterter Bewunderer des Tiberius und wählt, seiner 
Gewohnheit gemäfs, um die Stellung des Arminius im römischen 
Heere zu bezeichnen die technisch-militärischen Ausdrücke. Velle- 
ius nennt den Arminius dabei den ständigen Begleiter in früheren 
römischen Feldzügen. Der Titel Begleiter, comes, wird schon zu 
jener Zeit nicht selten Fremden, die sich in der Umgebung des Feld- 



1 56 Deutschland 

herm befanden, ertheilt und diese amtlich so genannten Begleiter des 
Feldherrn bezogen Gehalt. Später ist der Titel in der Bedeutung von 
Anführer in die römische Heeresverfassung übergegangen und so in die 
germanischen Heere des frühen Mittelalters gelangt. Auch des Arnii- 
nius Bruder Flavus scheute sich nicht römischen Sold zu empfangen; 
er rühmte sich sogar, wie Tacitus berichtet, dem zürnenden Bruder 
gegenüber, dafs ihm der Sold erhöht nnd militärische Auszeichnun- 
gen zu Theil geworden seien, wie sie im römischen Heere üblich 
waren, die goldene Halskette, der Kranz und andere. Schon unter 
Drusus haben so zwei vornehme Nervier Chumstinctus und Avectius 
(die Namen scheinen nicht richtig überliefert zu sein) als Tribunen 
gedient, und unter Germanicus der Bataverführer Chariovalda. 

Wie und wann aber erhielt Arminius das römische Bürgerrecht? 
Von der Möglichkeit diese beiden Fragen mit annähernder Sicherheit 
zu beantworten hängt es ab, ob über die rechtlich damit verbundene 
Namensertheilung überhaupt etwas ermittelt werden kann. 

Die Verleihung des Bürgerrechts auf Grund des Heerdienstes, 
in alter Zeit durch den Feldherrn und nachher durch den Kaiser, 
ist eine bekannte Einrichtung des römischen Staatsrechts. Mit der 
Verleihung des Bürgerrechts in den Provinzen bei der Coloniegründung 
scheint von jeher regelmäfsig auch die Ertheilung des Geschlechts- 
namens dessjenigen Beamten an die mit dem Bürgerrecht Beschenkten 
verbunden gewesen zu sein, unter dessen Auspicien die Gründung 
erfolgte, weil man den römischen Bürger ohne die römischen Namen, 
die tria nomina des Juvenal, nicht für völlig fertig ansah. Die hervor- 
ragenden Geschlechter in den Provinzialstädten bilden durch ihre 
Namen eine dauernde Bezeugung der vornehmsten Beamten, die einst 
die Provinz verwaltet und dabei das Recht der Bürgerrechtsertheilung 
geübt, häufig auch das Patronat über Gemeinden und Provinzen er- 
langt haben. Die zahlreichen Pompeii in Hispauien, die lunii in 
Gallaecien, die lulii in Gallien verdanken Bürgerrecht und Namen 
dem Pompeius oder seinen Söhnen, dem Decimus lunius Brutus, 
dem Dictator Caesar; eine Fülle analoger Beispiele findet sich in 
allen Provinzen. Die Vornamen scheinen aber dabei von den einzelneu 
Personen frei gewählt worden zu sein, ohne Rücksicht auf den Vor- 
namen des Beamten, der ihnen das Bürgerrecht verlieh; oder wenig- 
stens nach uns nicht mehr erkennbaren Rücksichten. Die Beinamen 
werden in den meisten Fällen, wie bei der Freilassung, die Ursprung- 



Arminius 157 

liehen Individualnamen der betreffenden Personen gewesen sein, da 
sie häufig den fremden Ursprung deutlich zeigen. 

Offenbar in gleicher Weise ist von Seiten der Kaiser von Caesar 
an bei dem in Folge des Heerdienstes an einzelne Personen ertheilten 
Bürgerrecht verfahren worden, zumal bei hervorragenden Männern, 
wie den Fürsten unterworfener Gebiete. Diefs zeigen die folgenden 
Beispiele. Der Fürst des Reiches, welches später die cottischen 
Alpen genannt wurde, Donnus mit Namen, erhielt als er unter die 
Bundesgenossen und Freunde des römischen Volkes aufgenommen 
wurde, von Dictator Caesar das römische Bürgerrecht und die Namen 
Marcus lulius Donnus; sein Sohn nennt sich in der Inschrift des 
im Jahre 8 v. Chr. errichteten Bogens von Susa Marcus lulius 
Cottius, Sohn des Königs Donnus. In der thrakischen Fürstenfamilie 
des Kotys heifst der erste einer Reihe von Fürsten, die sämmtlich 
den Namen Rhoemetalkes führen, nach Augustus Gaius lulius Rhoe- 
metalkes; seine Herrschaft fällt in die Jahre 743/11 v. Chr. bis 
12 n. Chr. Auf Caesar oder Augustus gehen die Namen zurück, 
welche der aus seinem athenischen Denkmal bekannte Fürst von 
Kommagene in der Zeit des Trajan ebenso wie sein Vater führte, 
Gaius lulius Antiochus Philopappus. Unter den pontisch-bosporani- 
schen Fürsten, die aus ihren Münzen bekannt sind, hat wahrschein- 
lich schon der erste Rheskuporis die Namen Tiberius lulius geführt. 
Er verdankte dem Kaiser Tiberius den Königstitel; die Namen Ti- 
berius lulius vererben sich in seiner Familie bis in das dritte Jahr- 
hundert. Einer von den britannischen Königen, der mit den Römern 
stets freundschaftliche Beziehungen unterhalten hatte, der bei Tacitus 
genannte König der Regner Cogidumnus (oder Cogidubnus) führt nach 
einer an dem Sitze seiner Herrschaft im südlichen England gefundenen 
Inschrift (oben S. 18) die Namen Tiberius Claudius Cogidumnus und den 
Titel König und Legat des Kaisers ; er hatte von Claudius den Königs- 
titel und eine Art von Reich erhalten. Demselben Kaiser verdanken 
die Bataver Claudius Labeo und Claudius (nicht lulius) Paulus, die 
bei Tacitus genannt werden, ihre Namen; während Civilis, der Führer 
des Aufstandes der Bataver, wie zahlreiche Gallier aller verschiede- 
nen Stämme von Caesar her den Namen lulius führte. In Pola in 
Istrien lebte in der Verbannung ein Roxolanenkönig Rasparaganus; 
er hatte von Hadrian nach Abschluss eines Vertrages das Bürger- 
recht und die Namen Publius Aelius erhalten. In Carnunfum hat 



158 Deutschland 

sich die Grabschrift eines Scptiraius Aistomodius gefunden, der 
sich rex Germanorum nennt; er erhielt Namen und Bürgerrecht also 
vom Kaiser Septimius Sevenis. Demselben Kaiser verdanken ihre 
Namen die Fürsten von Palmyra Septimia Zenobia, Septimius Odae- 
nathus, Septimius Aeranes. 

Von Caesar an also bis in das dritte Jahrhundert kann der 
Gebrauch als allgemein gültig angesehen werden, dafs der fremde 
Fürst den Geschlechtsnamen des Kaisers annimmt, dem er das Bür- 
gerrecht verdankt, ferner einen römischen Vornamen, vielleicht nicht 
von Anfang an denselben wie der Kaiser, dafs er aber als Beinamen 
seinen alten einheimischen Namen behielt; wie es bei der Aufnahme 
von Sklaven und Fremden in das Bürgerrecht von jeher üblich ge- 
wesen war. Ganz dem entsprechend führten von jeher auch die rö- 
mischen Colonien Beinamen von ihren kaiserlichen Gründern; luliae 
hiefsen die des Caesar, Augustae die des Augustus, Claudiae die des 
Claudius, Flaviae die des Vespasian, und so fort. Klang der ein- 
heimische Beiname zu barbarisch, so wurde seine Endung etwas ro- 
manisiert. . ^ 

Also auch Arminius wird schon wegen seiner königlichen Ab- 
stammung höchst wahrscheinlich, als er das Bürgerrecht erhielt, zu- 
gleich auch die üblichen drei römischen Namen erhalten haben. 
Darin hat Göttling ganz Recht; nur irrte er darin, dafs er den 
uns allein erhaltenen Namen Arminius füi' den Geschlechtsnamen 
hielt, während es nur der Beiname sein kann. Es ist nicht auf- 
fällig, dafs alle Schriftsteller, die über den Arminius berichten, 
Velleius, Strabo, Tacitus, der wohl dem älteren Plinius folgte, nur 
den einen Namen des Arminius kennen, genau so wie bei den übrigen 
fremden Fürsten, deren volle Namen nur Münzen und Inschriften 
bewahrt haben. Ebenso kennen wir aus dem Kreise des Armi- 
nius nur die Namen Segestes, Flavus und Italiens, nicht aber die 
jenen Männern bei der Ertheilung des Bürgerrechtes unzweifelhaft 
ausserdem noch beigelegten beiden anderen. Es begreift sich, dafs 
viele Fürsten der Art, die wir nur mit ihi-en einheimischen Namen 
bezeichnet finden, die römischen Namen lieber verschwiegen, mit 
denen sie die Freundschaft und Bundesgenossenschaft des römischen 
Volkes, wie es in der amtlichen Formel heifst, besiegeln mussten. 
So z. B. die von Augustus in der Aufzeichnung seiner Thaten nur 
mit einem Namen genannten parthischen, germanischen und britanni- 



Arminius 159 

sehen Könige; ferner die Könige von Noricura, Voccio des Ariovistus 
Schwager und Kritasirus; die britannischen, die sich auf ihren nach 
Caesars Einfall in Britannien geschlagenen Münzen nennen, Verica 
des Commius Sohn, Eppillus, Cunobellinus; endlich manche nur aus 
Inschriften bekannte, wie Sitalkes, der Geisel des Augustns genannt 
wird, Pieporus der König der Koistoboker, der Parther Seraspadanes. 
Niemals kommt der umgekehrte Fall vor, dafs ^ich nur die den 
Fremden mehr oder weniger zwangsweise auferlegten römischen Namen 
ni der Ueberlieferung erhalten hätten, der alte einheimische Name 
aber nicht. Hiernach ist als so feststehend zu betrachten wie nur 
irgend eine geschichtlich bezeugte Thatsache, dafs Arminius der ein- 
heimische Individualname seines Trägers war — mag er auch etwas 
entstellt worden sein — und nicht ein römischer Geschlechtsname. 

Göttling hat allerdings ein Paar Beispiele herausgefunden, in 
denen ein römischer Geschlechtsname Arminius vorkommt; sie lassen 
sich sogar noch um eines oder das andere vermehren. In einem 
Yerzeichniss römischer Praetorianer aus dem Jahr 143 n. Chr. er- 
scheint ein Tubabläser Gaius Arminius Probus aus Volaterrae. Die 
übrigen Beispiele gehören Personen der unteren und mittleren Stände 
aus dem zweiten Jahrhundert an und begegnen auf ihren in Rom 
gefundenen Grabschriften. In diocletianischer Zeit kommt in Afrika 
eine reiche Frau des Namens Arminia Fadilla vor. Auf etruskischen 
Inschriften finden sich verschiedene Personen des Namens Ar^ime 
vor. Aus diesem etruskischen Namen ist der romanisierte Geschlechts- 
name Arminius gebildet worden, wie aus Tarchna Tarquinius und 
andere. Er hat mit unserem Arminius, dem er ganz zufällig gleich 
lautet, nicht das Geringste zu thun. 

In den Handschriften des Strabo wird der Name des Cherus- 
kerfürsten Armenios geschrieben. Strabo fand in seinen Quellen viel- 
leicht die Form Ai-mainios oder Armaenius vor; denn das griechische 
kurze e entspricht häufig dem ai oder ae. Diefs erwähne ich, weil 
im dritten Jahrhundert ein Paar vornehme römische Beamte des Na- 
mens Armenius Peregrinus vorkommen. Dieser Name mag der Namen- 
mengerei jener Zeiten entsprechend mit den Armeniern und ihrem 
mythischen Stammvater, dem Argonauten Annenos, zusammenhängen; 
mit dem Cherusker Arminius hat auch er nichts zu thun. 

An diese späteren Arminii und Armenii kann schon defshalb 
hier gar nicht gedacht werden, weil des Cheruskers Name nothwendig, 



160 Deutschland 

wie wir sahen, den Werth eines römischen Beinamens, nicht den 
eines Geschlechtsnamens gehabt haben muss. Ein vereinzeltes Bei- 
spiel des Beinamens Arminius aus späterer Zeit hat sich erhalten. 
Auf einer Soldatengrabschrift des ausgehenden zweiten oder be- 
ginnenden dritten Jahrhunderts in Rom erscheint ein Septiminus, ge- 
bürtig aus dem oberen Pannonien, der unter den Elitereitern des 
Kaisers gedient hatte, aber schon siebzehnjährig starb; seine Testa- 
mentserben, die ihm den Grabstein setzen, hiessen Martialis und 
Arminius. Hier erscheint der Name, wie die des Septiminus und 
Martialis, zweifellos als Beiname; die Geschlechtsnamen solcher Sol- 
daten, wenn sie römische Bürger waren und überhaupt welche führten, 
wie Flavius, Aelius, Aurelius, dienten damals nicht mehr zur Unter- 
scheidung und wurden häufig fortgelassen. Dieser Arminius, der 
Kamerad und Erbe eines Mannes aus Pannonien, könnte wohl deut- 
scher Herkunft gewesen sein und den Namen in der Erinnerung an 
den Cherusker oder vielleicht irgendwie als Erbtheil von ihm oder 
seinen Stammesgenossen geführt haben. 

Die römischen Beinamen guter Zeit pflegen allerdings nicht auf 
ius zu endigen, sondern auf us oder anderswie. Aber die Regel 
findet keine Anwendung auf Namen fremden Ursprungs. So fanden 
wir schon den Marcus lulius Cottius und werden nachher noch einen 
Gaius lulius Mugdonius finden; beide aus augustischer Zeit. In äl- 
terer Zeit erscheint bei den Freigelassenen nicht selten Salvius als 
Beiname. Später sind Beinamen in ins, besonders griechischen Ur- 
sprungs, nicht selten; so hiefs z. B. schon ein Freigelassener des Atticus 
Marcus' Pomponius Dionysius. Selbst rein römische Geschlcchts- 
namen in ins werden schon in dieser Zeit als Beinamen gebraucht, 
wie Publius Sulpicius Quirinius zeigt, der berühmte Statthalter von 
Syrien und Phoenikien zur Zeit von Christi Geburt. Es steht zwar 
fest, dafs Arminius nicht Hermann geheissen hat, was althochdeutsch 
etwa Charjaman, in römischer Umformung etwa Chariomannus lauten 
müsste; aber nicht minder fest steht, dafs Arminius nach dem Gesetz 
der römischen Namenordnung nur der Beiname, nicht der Geschlechts- 
name seines Trägers war. Und da dieser Beiname römischen Ur- 
sprungs sicher nicht ist, so bleibt doch das Wahrscheinlichste, dafs 
er deutschen Ursprungs ist, mag ihn nun die deutsche Sprachwissen- 
schaft erklären können oder nicht, und mag er auch einer leichten Um- 
formmig, etwa in der Endung, sich unterzogen haben. Dafs man sich 



Anninius 161 

die schwierige Aufgabe der Deutung des Namens einfach damit bei 
Seite geschafft zu haben glaubt, wenn sie ihn als römisch ansieht, 
ist eine Täuschung, der sehr energisch entgegengetreten werden muss. 
Ihn für heillofs verderbt zu erklären, wie den der Thusnelda, geht 
angesichts der nicht schwankenden üeberlieferung auch nicht wohl 
an. Wenn jemand fragte, wie denn des Armiuius Vor- und Ge- 
schlechtsname gelautet haben möchten, so kann man darauf zunächst 
die Gegenfrage aufwerfen, ob die Namenertheilung, zumal an Fürsten, 
wie sie in den oben angeführten Fällen von der Zeit des Caesar an 
üblich war, unter allen Umständen stattgefunden habe und nicht viel- 
mehr aus uns nicht bekannten Gründen zuweilen unterblieben sei. 
Jene Nervier unter Drusus und der Bataver Chariovalda unter Ger- 
manicus werden, wie Arminius, nur mit einem Namen genannt; wo- 
raus freilich nicht folgt, dafs sie nur den einen geführt haben. 

Als Praefect einer römischen Reiterala wird auch Arminius in den 
Heereslisten des Tiberius höchst wahrscheinlich mit drei vollen rö- 
mischen Namen geführt worden sein. In den uns erhaltenen Solda- 
tenverzeichnissen und in den Soldatengrabschriften erkennt man noch 
deutlich, wie die äussere Gleichmäfsigkeit der Listen mafsgebend ist 
und die Namen von in der Legion dienenden Fremden so gestellt 
und behandelt werden, als seien sie römische. Möglich aber ist, 
wie schon gesagt worden, dafs fremde Fürsten oder Häuptlinge, trotz 
ihrer Abhängigkeit von den römischen Feldherrn und Kaisem, ihre 
römischen Namen für gewöhnlich überhaupt nicht führten. Als Ar- 
minius an die Spitze der gegen Rom gerichteten Empörung trat, 
wird er seinen römischen Namen ohnehin aufgegeben haben. Trotz 
einzelner bezeugter Beispiele aus Caesars und Augustus Zeit mag es 
erst um die Mitte und in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhun- 
derts üblich geworden sein, dafs solche „Zeichen der Knechtschaft", 
wie sie nach dem Ausdruck des Tacitus die römischen Namen ent- 
hielten, allgemein geführt wurden. Bei Tacitus sind die fremden 
Julier und Claudier im zweiten Buch der Annalen noch selten, im 
dritten und vierten etwas häufiger; in den Historien gewöhnlich. 
Also auch Arminius wird, ebenso wie Segestes, trotz des Bürger- 
rechts und der damit, wie es scheint, nothwendig verbundenen Er- 
theilung dreier römischer Namen dieselben für gewöhnlich gar nicht 
geführt haben, auch so lange er noch nicht den Römeni feindlich 
gegenübergetreten war. Erhielt er aber also einen römischen Vor- 

Jiübner, Westeuropa. 11 



162 Deutschland 

und Geschlechtsnamen, so ist es sicher, dafs er sie nur von einem 
hervorragenden römischen Feldherrn, vom Kaiser selbst oder von 
einem Mitglied des kaiserlichen Hauses, empfangen haben kann. Es 
ist völlig undenkbar, dafs der Cheruskerfürst bei der Bürgerrechts- 
ertheilung einen obscuren römischen Geschlechtsnamen erhalten ha- 
ben sollte, wie der jener Arminii, der möglicher Weise in augusti- 
scher Zeit überhaupt noch gar nicht vorhanden war. Arminius war, 
wie aus den Angaben des Tacitus bei seinem Tode mit Recht ge- 
folgert wird, etwa neunzehn oder zwanzig Jahre alt, als Tiberius 
im Jahre 4 die Heeresfolge der Cherusker gewann. Es ist daher 
nicht wahrscheinlich, dafs die Ertheilung des Bürgerrechts schon 
früher, etwa durch einen der Vorgänger des Tiberius im germani- 
schen Oberbefehl, stattgefunden hat, besonders da überhaupt erst 
seit dem Feldzug des Tiberius Cherusker auf römischer Seite fochten. 
Erhielt also der junge Arminius dem Brauche gemäfs einen römischen 
Geschlechtsnamen, so kann es nur der Name lulius gewesen sein. 
Tiberius war damals schon von Augustus adoptiert und führte seineu 
eigentlichen Geschlechtsnamen Claudius nicht mehr, lieber den Vor- 
namen ist nur eine annähernd wahrscheinliche Vermuthung möglich. 
Folgte Arminius darin dem Feldherm, der ihm das Bürgerrecht verlieh, so 
muss der Vorname Tiberius gewesen sein; betrachtete dieser, was seinem 
Charakter entsprochen hätte, den Akt der Bürgerrechtsertheilung als nui' 
in übertragener Gewalt im Namen des Kaisers vollführt, so muss er 
Gaius gewesen sein; denn das war der Vorname des Augustus. 
Also Tiberius lulius Arminius oder Gaius lulius Arminius muss der 
Cherusker im römischen Heere genannt worden sein. 

Bei dieser Annahme erklärt sich auch, warum des Arminius 
jüngerer Bruder einen einheimischen Namen überhaupt nicht geführt 
zu haben scheint, sondern nur den römischen Beinamen, wie ihn 
Tacitus ausdrücklich nennt, Flavus, der wohl die germanische Fülle 
seines blonden Haares bezeichnet. Er trat wahrscheinlich so jung 
in das römische Heer, in dem er mit deutscher Treue bis zur Ein- 
bufse eines Auges vor dem Feinde diente, dafs er nach römischem 
Brauch mit der Anlegung der Praetexta zugleich die drei Namen 
erhielt; desshalb ist sein Beiname römisch. Doch kann er bei die- 
ser Gelegenheit auch seinen einheimischen Namen abgelegt haben; 
bei der Ertheilung des Bürgerrechts wie bei der Freilassung kam 
beides vor, der römische Name konnte beibehalten oder mit einem 



Arminius 163 

römischen vertauscht werden. Die fremden ProvinziaJen werden ihre 
einheimischen Namen, wenn sie appeUativisch waren, oft in das Latei- 
nische ühersetzt hahen. In Hispanien begegnen solche Namen wie 
Amoenus, Niger, Lupus häufig bei Fremden. Je jünger der neue 
Bürger war, desto leichter war die Vertauschung des einheimischen 
mit dem fremden Namen. Aber fehlen durfte der Beiname grade bei 
den Rittern nicht; griechische Sklaven erhielten bei der Erhebung 
in den Ritterstand zu ihrem griechischen regelmäfsig noch einen 
römischen Beinamen. 

Auch die in Italien geborenen Kinder der beiden Brüder führen 
römische Namen. Italiens hiefs der Sohn des Flavus wohl mit Rück- 
sicht auf den Ort seiner Geburt. Der in Ravenna geborene Sohn 
des Arminius, dem das Schicksal so grausam mitspielte (wie, hatte 
Tacitus in den verlorenen Büchern der Annalen erzählt), Thumelicus, 
führt seinen griechischen Namen von der Schaubühne. Der Name 
ist selten, aber nicht unbezeugt; obgleich die Ueberlieferung in der 
Schreibung schwankt wie bei dem der Thusnelda, ist kein Grund an 
seiner Richtigkeit zu zweifeln. Dafs Thumelicus in Ravenna als 
Sklave zum Gladiator ausgebildet worden sei, wie Göttling vermu- 
thete, ist nach den von Tacitus gegebenen Andeutungen nicht un- 
möglich. Doch hat der Name nichts mit den Gladiatorenspielen zu 
thun. Beide, Flavus und Italiens, werden ausser ihren Beinamen den 
väterlichen Geschlechtsnamen lulius geführt haben. Ganz ähnlich 
ist ein inschriftlich bezeugter Fall. In demselben Ravenna, wo der 
Knabe der Thusnelda aufgezogen wurde, starb fünfzigjährig ein frei- 
geborener Perser, der in jungen Jahren in römische Gefangenschaft 
gerathen war und das römische Bürgerrecht erlangt hatte; er hiefs 
Gaius lulius Mugdonius. Die Mygdonen sind ein phrygischer Stamm; 
die Inschrift gehört etwa in die Zeit des Claudius. Der Fall ist 
daher auch ziemlich gleichzeitig. 

Der Fall des Arminius steht also keineswegs allein. Dafs er 
mit seinen vollen drei römischen Namen in der Ueberlieferung nicht 
genannt wird, entspricht, wie wir sahen, durchaus dem Gebrauch der 
Schriftsteller, die über ihn berichten. Wäre ein gleichzeitiges Denk- 
mal erhalten, das ihn zu nennen Veranlassung gegeben hätte, so 
würden wir dai'auf aller Wahrscheinlichkeit nach die drei Namen 
lesen; wie auf jenem des Cottius, des Sohnes des Donnus. Aber 
auch ohne solches Denkmal kann über den Werth des Namens nach 

11* 



164 Deutschland 

römischem Begriff kein Zweifel sein: Arminius kann unter keinen 
Umständen der Geschlechtsname, es muss nothwendig der Beiname 
des Cheruskers gewesen sein. 

Arminius ist also der aller Wahrscheinlichkeit nach aus deut- 
schem Stamm römisch gebildete Beiname des Cheruskers; welches 
seine Form und Bedeutung in unserer Sprache war, hat die deutsche 
Philologie noch nicht mit Sicherheit anzugeben vermocht. 



III 

SPANIEN 






Die hier zusammengestellten Aufsätze gehen zum Theil auf die epi- 
graphischen Mittheilungen üher meine erste Bereisung der pyrenäischen 
Halbinsel zurück, welche in den Monatsberichten der Berliner Akademie 
aus den Jahren 1860 und 1861 gedruckt sind, sowie auf die italienisch 
geschriebenen Berichte über alte Denkmäler in Spanien, welche im Bullettino 
des römischen archäologischen Instituts aus denselben Jahren erschienen. 
Diese sind in kürzerer deutscher Fassung wiederholt im Anhang zu meinen 
„Antiken Bildwerken in Madrid" (Berlin 1862 8.). Doch sind sämmtliche Auf- 
sätze bei wiederholtem Besuch des Landes in den Jahren 1881, 1886 und 
1889 nachgeprüft und erweitert worden. Die vollständigen Litteratumach- 
weisungen, die hier nicht wiederholt werden, finden sich in der Sammlung 
der Inscriptiones Hispaniae Latinae (Corpus inscriptionum Latinarum 
Bd. II, Berlin 1869 fol.) und den Inscriptipnes Hispaniae christianae 
(Berlin 1871 4.), sowie in dem Supplement zu diesen Sammlungen 
(Berlin 1890 fol. und 4.). 

I. 

Tarragona. 

Zu Grunde liegt der Aufsatz „Tarraco und seine Denkmäler" im 
Hermes I 1866 S. 77—127; vgl. C. I. L. II S. 538—545 und Supple- 
ment S. 973. 

Für die römischen Eroberer, die von der nahen Südküste Frank- 
reichs aus zuerst nach Spanien kamen, war Tarragona die erste be- 
deutende Stadt, die sich ihrem Anblick darbot. An die Erörterung 
von Tarragona s Bedeutung knüpfen sich eine Keihe von Erwägun- 
gen, welche das' Verhältniss der beiden alten hispanischen Provinzen, 
der diesseitigen und jenseitigen, und ihrer Hauptstädte Tarragona und 
Cartagena, auch Sagunt, betreffen. Zwar soll hier nicht die Geschichte 
der Eroberung überhaupt erzählt werden; aber es fällt vielfach Licht 
auf sie. Mit Tarragona beginnt daher nicht unpassend eine Betrach- 
tung der römischen Herrschaft in Spanien. 

Wären wir allein auf die dürftigen Zeugnisse der Schriftsteller 
angewiesen, so würde es nicht möglich sein von einer so bedeutenden 



168 Spanien 

Stadt, wie das alte Tarraco im diesseitigen Hispauien war, eine 
wesentlich andere Vorstellung zu gewinnen, als von vielen anderen 
antiken Städten in Italien und den römischen Provinzen. Allein die 
erhaltenen Reste der alten Stadt in dem heutigen Tarragona, die 
Münzen und Inschriften, die uns vorliegen, Statuen, Reliefs, Mosaik- 
fufsböden und eine grofse Masse von kleinem antiken Geräth aller 
Art, welches fortwährend zu Tage kommt, ersetzen die Dürftigkeit 
der Schriftstellerzeugnisse vielleicht in höherem Maafs als bei irgend 
einer anderen alten Stadt mit Ausnahme Pompejis. Es liegt an der 
eigenthümlichen Isolierung von dem übrigen Europa, besonders von 
dem gelehrten, in welcher sich Spanien und alles auf die spanische 
Kultur bezügliche befindet, dafs von diesen Zeugnissen bisher noch 
so gut wie nichts im Zusammenhang verwerthet worden ist. 

Vorübergehend hat Tarragona vor Jahren in den Kreisen der 
Archäologen und Orientalisten von sich reden gemacht durch die von 
dort gemeldete Entdeckung eines vermeintlichen Grabmals des phö- 
niki sehen Herakles mit ägyptischen Hieroglyphen und einer Reihe 
von in sehr roher Weise in Marmor eingelegten Bildern, zu denen 
die auf Diodor zurückgehenden Fabeln über die Urgeschichte der 
Halbinsel den Stoff hergegeben haben. Der verstorbene Herr von 
Minutoli, damals preufsischer Generalconsul in Barcellona, hat diese 
Entdeckung argloser Weise verbreitet. Den gegründeten Zweifeln, 
welche die Vorsichtigeren sogleich äufserten, suchte er in einer aus- 
führlichen Veröffentlichung (Altes und Neues aus Spanien, Band II, 
Berlin 1854, S. 133 ff.) dadurch zu begegnen, dafs er das Werk 
im Einverständniss mit den Herren Movers und Brugsch für ein 
Erzeugniss der spätesten Kaiserzeit und des gnostischen Ideenkreises 
erklärte; während inzwischen in Rom nach Canina*s Vorgang der 
verstorbene Emil Braun in einem phantasievollen Aufsatz für die 
Aechtheit und das hohe Alterthum desselben eintrat. Der geistreiche 
Gelehrte giebt darin einer gewissen Neigung zum Auffälligen und 
Wunderbaren nach, die in seinen späteren Arbeiten oft hervortritt. Diese 
Offenbarungen haben ausser dem spanischen Entdecker des Grabes 
selbst meines Wissens von deutschen Gelehrten nur die auch in- 
zwischen verstorbenen Roth in Heidelberg und Ross in Halle mit 
Begierde ergriffen und geglaubt. Das ganze Grabmal ist eine Fäl- 
schung neuesten Ursprungs. 



Tarragona 169 

Dafs es Vorarbeiten für die Geschichte Tarraco's, welche den^*''*'^®**®" 
Namen verdienen, nicht giebt, braucht bei einem Gegenstand aus den 
Alterthümern Hispaniens eigentlich kaum gesagt zu werden. Um die 
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts benutzte ein rechtschaffener Ad- 
vocat in Tarragona, Luis Pons de Icart, seine Mufsestunden um 
ein Buch von den Herrlichkeiten und Werkwürdigkeiten seiner Vater- 
stadt zu verfassen, welches er König Philipp dem zweiten im Jahre 1572 
widmete. Er war dazu veranlasst worden von dem Canonicus Don Juan 
Cesse, der schon im Jahre 1514: einige Inschriftsteine an einer der 
Bastionen der Stadt hatte aufstellen lassen. Obgleich es dem Schrei- 
ber an gelehrter Bildung so gut wie gänzlich fehlt und seine dar- 
aus zu erklärende Vorliebe für das weitläufige, sachwalterisch genaue 
eitleren der spanischen Chronisten den Leser ermüdet, so gehört das 
Buch doch zu den besseren der spanischen Lokallitteratur. Der 
Verfasser beschreibt sehr genau alles was zu seiner Zeit an Alter- 
thümern vorhanden war und erhebt sich sogar zur Urkundenforschung, 
um das Vorhandensein von später verschwundenen Bauresten in städti- 
schen Grundstücken zu ermitteln. Eine neue monographische Be- 
handlung von Tarragona's Alterthümern müsste durchaus von seinen 
Angaben ihren Ausgangspunkt nehmen. Pons hatte sich für seinen , 
Privatgebrauch eine vollständige Sammlung aller in Tarragona befind- 
lichen lateinischen Inschriften angelegt, die er öfter in seinem Buche 
erwähnt. Leider hat er sie nicht drucken lassen und die Hand- 
schrift ist verloren; die nicht sehr zahlreichen Proben daraus, welche 
er in seinem Buche mittheilt, sprechen deutlich für seine Genauigkeit. 
Dieses ist die älteste Monographie über Tarraco; Moral es, der be- 
kamiteste unter den spanischen Antiquaren, hält sich durch sie der 
Mühe überhoben, eingehend über Tarragonas Alterthümer zu berichten. 
Antonio Agustin, schon Bischof von Lerida (seit 1561) als er die 
Curie noch auf dem Tridentinum vertrat, war nach dem Schlüsse des- 
selben im Jahre 1564 auf einer Provinzialsynode zu Tarragona, wie 
Pons de Icart erzählt, und gab ihm einige Aufklärungen in antiquari- 
schen Dingen, die mit der unterwürfigsten Ehrfurcht vor der grofsen 
Gelehrsamkeit des vornehmen Prälaten aufgenommen werden. Auch 
einige Briefe des Pons an Agustin aus dem Jahre 1572 über In- 
schriften von Tarragona habe ich unter des letzteren Papieren in 
Madrid gefunden. Aber erst im Jahre 1576 bestieg Agustin den erz- 
bischöflichen Stuhl, von Tarragona und starb 1586. In dieser Zeit 



170 Spanien 

hat er das Mögliche geleistet für die Sammlung und Erhaltung der 
Inschriften und übrigen Alterthümer der Stadt, wie seine eigenen 
Aufzeichnungen bezeugen und die des Niederiänders Anton von Po- 
villon, welcher im Jahr 1585 bei ihm war. Aber es ist ihm nicht ver- 
gönnt gewesen eine zusammenhängende Behandlung und Darstellung 
derselben hervorzurufen. Er selbst, bejahrt und auf ganz anderen 
litterarischeu Gebieten thätig, wird eine solche wohl niemals beab- 
sichtigt haben. Der Augustiner Enrique Florez, der unter seinen 
meist kritiklosen Landsleuten durch die lauterste Wahrheitsliebe her- 
vorragende Verfasser des Werkes über die antiken Münzen Spaniens 
und der bändereichen, noch heute unvollendeten Espana sagracla, 
giebt zwar als Einleitung zur Geschichte der Kirche von Tarragona 
eine Uebersicht über die profane Geschichte der Stadt, zu welcher 
er die alten Zeugnisse, Inschriften, Münzen und Denkmäler in seiner 
Weise benutzt hat. Allein trotz des redlichsten Bemühens ist er in 
eine Reihe von Irrthümern verfallen, welche bis auf die neueste Zeit 
fortbestehen, und hat vieles Wichtige übersehen, trotz seines eigenen 
Aufenthaltes in der Stadt im Jahr 1762 und trotz der guten Abschriften 
von Inschriften und sorgfältigen Zeichnungen der Denkmäler, 
welche ihm der Canonicus Ramon Foguet aus Tarragona zusendete. 
Nach Pons de Icart und Florez hat es zwar nicht an, auf die Alter- 
thümer aufmerksamen Reisenden gefehlt, wie die Spanier Antonio Ponz 
und Jayme Villanueva und manche Ausländer, und an Compilatoren, 
wie Cean und Cortes nebst den Handbüchern der alten Geographie 
von Mannert, Ukert und Forbiger: allein weder ist das Material 
durch sie erheblich vermehrt, noch auch die an den Gegenstand sich 
knüpfenden Fragen in irgend befriedigender Weise gelöst worden. 
Keine Ausnahme macht das gi^ofse und noch heute unentbehrliche 
Reisewerk des Grafen Laborde, die malerische Reise durch Spanien, 
zwei kostbare Foliobände, die dem ersten Kaiserreich ihre Ent- 
stehung verdanken. Es giebt nur malerische Ansichten ohne ein- 
gehende wissenschaftliche Erörterung. Sie sind nach den Materialien, 
die der Verfasser mit einem ganzen Stabe von geschickten Zeichnern 
gesammelt hatte, in Paris ausgeführt worden und haben dadurch viel 
von ihrer Unmittelbarkeit eingebüfst. In neuerer Zeit haben sich 
zwei Bürger der Stadt, die Herren Albiiiana und Bofarull, ver- 
einigt, um eine neue Monographie zu liefern. Die Verfasser haben 
sich mit grofser Sorgfalt und persönlicher Aufopferung der alten 



Tarragona 171 

Denkmäler ihrer Vaterstadt angenommen; sie sind die Hauptbegründer 
einer kleinen archäologischen Gesellschaft daselbst und eines Museums. 
Aber ihr Buch ist kenntniss- und kritiklofs, die Abbildungen für 
wissenschaftliche und künstlerische Zwecke gleich unbrauchbar. Die 
wenigen nützlichen Nachrichten über noch in der Stadt erhaltene 
Baureste benutze ich an ihrem Orte. Seit fast einem halben Jahr- 
hundert ist Buenaventura Hernandez in Tarragona eifrig bemüht, 
allen römischen und vorrömischen Alterthümern seiner Stadt Pflege, 
Erhaltung und Deutung zuzuwenden. Ihm verdankt das Museum be- 
ständigen Zuwachs; durch zahlreiche Schriften, Verzeichnisse, Führer 
fördert er die immer noch sehr schwache Theilnahme seiner Lands- 
leute für Tarragona* s Alterthum. Jüngst haben auch die etwas zahl- 
reicheren Liebhaber lokaler Studien in Barcellona zuweilen Ausflüge 
nach dem nahen Tarragona gemacht. Die Frucht eines solchen Aus- 
flugs ist der Vortrag des Baumeisters Le an dro Serrallach (Monu- 
mentos romanos de Tarragona, Barcellona 1886 8.), der wenig that- 
sächliche Angaben und gar keine Aufnahmen enthält; das beste 
darin sind einige Bemerkungen von Hernandez über den Mauerbau 
von Tarragona. 

Die hier genannten Werke sind insgesammt so schwer zugäng- 
lich, dafs schon aus diesem Grunde eine eingehende Darstellung ge- 
rechtfertigt erscheint. Die folgenden Beschreibungen und Erörte- 
rungen sehen aber absichtlich von bildlichen Beigaben durchaus ab. 
Die in den angeführten Werken gegebenen Darstellungen sind sämmt- 
lich unbrauchbar. Neue Aufnahmen der Denkmäler, wie sie aller- 
dings im höchsten Grade wünschenswerth sind, könnten nur durch 
die vereinte Arbeit eines Architekten und eines geübten Zeichners, 
bei einem Aufenthalt am Ort von einigen Wochen, hergestellt wer- 
den. Schwerlich werden Auswärtige zu einer solchen Arbeit sich 
veranlasst fühlen, weil der rein künstlerische Werth der Denkmäler 
von Tarraco dazu nicht grofs genug ist. Ob die spanische Regierung 
zu einem Unternehmen der Art sich jemals erheben wird, ist sehr 
zweifelhaft; die privaten Versuche der lokalen Liebhaber aber fallen 
immer ungenügend aus. Mein wiederholter Aufenthalt in Tarragona 
reichte wenigstens dazu aus, eine lebendige Anschauung zu gewinnen 
und die Urtheile der Vorgänger an Ort und Stelle zu prüfen. Dieses 
ist die für jetzt allein mögliche, aber auch wie ich glaube ausreichende 
Grundlage, auf welcher die hier zu gebende Darstellung ruht. 



172 Spanien 

Tarragona liegt auf einer beträchtlichen Erhebung an der Ost- 
küste der Halbinsel, etwa in der Mitte zwischen dem Gebirgsvor- 
sprung der Pyrenäen, welcher die Grenze gegen Frankreich bildet, 
und der Ebromündung, zwischen zwei kleinen Küstenflüssen, deren 
alte Namen Subi und Tulcis uns erhalten sind. Welcher von beiden 
dem heutigen Francoli entspricht, dem etwas bedeutenderen Flüss- 
chen an der südlichen Seite der Stadt, lässt sich nicht erweisen. 
Man könnte den Subi desshalb für den bedeutenderen zu halten ge- 
neigt sein, weil es in der Nähe von Tarraco einen Ort Subur gab, 
dessen Name von gleichem Stamm zu sein scheint wie der des 
Flusses. Dafs der Tulcis des Mela für einen anderen Fluss zu hal- 
ten, scheint mir die grofse und unmöglich zufällige Verschiedenheit 
der Namensform zu fordern. Der kleine Küstenfluss Gaya, welcher 
etwas nördlich von Tarragona bei Altafulla mündet, könnte damit 
gemeint sein. 

Kommt man von Norden her, so führt die Strafse langsam zur 
Höhe hinauf und man gewinnt kaum einen Anblick des hohen Pro- 
fils, in welchem die felsige Burg terrassenförmig von der Unterstadt 
ansteigt. Dazu wird der Fels der oberen Stadt seit Jahrzehnten ab- 
gebaut, um die Steine für die Hafenmolen zu liefern. Von Süden, 
von der Ebene von Reus aus und den rebenbestandenen Höhen west- 
lich davon gesehn thront Tarragona weithinragend als Schluss eines 
langgestreckten Bergrückens, der von Westen nach Osten streicht. 
Tarragona liegt also, wie viele der ältesten Niederlassungen im Inne- 
ren des Landes, auf schwer erreichbarer Felsenhöhe, die gleichsam 
nur zufällig so weit bis an das Meer vorgeschoben erscheint. Schon 
diese seine Lage — sie erinnert an die sicilischen Städte wie Ter- 
mini, Girgenti und Syrakus — zeigt, dafs es nicht vom Meere aus 
gegründet worden ist. 
Die Dafs schon phönikische Ansiedler sich dort niedergelassen ha- 

ben, wie an so vielen Punkten der Kästen von Spanien und auf den 
gegenüber liegenden balearischen Inseln, ist nicht zu erweisen. Es 
wäre ja denkbar, dafs am Fufs des Felsens, auf dem Tarragona liegt, 
eine phönikische Niederlassung gegründet worden sei. In dem Na- 
men Tarraco finden die neueren Orientalisten keine Nöthigung zur 
Annahme phönikischen Usprungs. Münzen mit punischer Schrift, wie 
von den Balearen und den punischen Städten der Südküste Abdera 
Sexi Malaca Gades, giebt es von Tarraco nicht; worin freilich kein 



Gründung 



Tarragona 173 

entscheidendes Moment liegt. Denn dafs jene anderen Städte phö- 
nikische Münzen aufzuweisen haben beweist nur, dafs noch in der 
verhältnissmäfsig späten Zeit, in welcher sie als selbständige, vom 
Mutterlande getrennte Gemeinden eigene Münzen schlugen, ihre phö- 
nikische Nationalität sich erhalten hatte, während diese in vielen 
anderen unzweifelhaft ursprünglich ebenfalls phönikischen Ansiedlun- 
gen nicht zu jener Dauerhaftigkeit gelangt, sondern durch spätere 
Bewohner anderer Nationalität, Iberer Griechen Römer, verändert 
worden ist. Aber ein Umstand spricht ziemlich entscheidend gegen 
die Annahme einer phönikischen Niederlassung: das erste, wonach 
die phönikischen Seefahrer sich überall umsahen, ein guter Hafen, 
fehlt Tarraco so gut wie dem nahen Barcino; während Mago, die 
phönikische Niederlassung auf der kleineren der balearischen Inseln 
und das punische Neukarthago unvergleichliche natürliche Häfen ha- 
ben. Strabo nennt die Stadt Tarraco ausdrücklich und mit vollem 
Recht hafenlofs. Dafs die römischen Truppen demioch zuweilen hier 
ausgeschifft wurden oder auch die römischen Schiffe hier überwin- 
terten und demzufolge bei Livius einmal von dem Hafen von Tarraco 
gesprochen wird, beweisst nichts gegen die Thatsache, dafs Tarraco 
noch heute trotz gewaltiger Molenbauten eine der schlechtesten 
Rheden an der spanischen Ostküste hat. So löst sich der Wider- 
spruch zwischen Eratosthenes und Artemidor, dessen Strabo gedenkt: 
Eratosthenes wusste von einer Rhede bei Tarraco, Artemidor be- 
merkte mit Recht, Tarraco sei nicht einmal mit gutem Ankergrunde 
ausgestattet. Strabo fügt hinzu, erst jenseit Tarraco gegen MassaJia 
hin sei die Küste an Landungsplätzen reicher. Der Antheil an der 
Fahrt der „tyrischen'' Jungfrau, dessen sich Tarraco rühmte, beruht 
daher gewiss auf späten griechischen Erfindungen; wir kommen nach- 
her auf die Sage zurück. Phönikier also waren nicht die Gründer 
von Tarraco. Von einer griechischen Niederlassung in Tarraco, wie 
wir sie an dieser Küste in Emporiae und Rhode kennen, ist nirgends 
die Rede und es giebt keine Münzen der Stadt mit griechischem 
Gepräge. 

Griechische Gründungssagen sind oder waren in Hispanien fast 
so häufig wie in Italien. Aber ihr Ursprung ist leicht kenntlich. 
Die gelehrten Griechen, die seit Hekataeos und Pytheas, besonders 
dann nach Polybios das Land theilweis kennen lernten, wie Artemidor 
von Ephesos, Posidoniös, der Stoiker von Apaniea, und Asklepiades 



174 Spanien 

von Myrlea, der in Cadiz gelehrt hat, fanden in den iberischen Na- 
men überall Anklänge an die griechische Sage und Hessen, da ja an 
der Ostkilste unzweifelhaft griechische Niederlassungen seit alter 
Zeit bestanden, die troischen Helden noch etwas weiter wie Odysseus 
und über Sicilien hinaus verschlagen werden und Städte im Süden 
und im fernsten Westen der Halbinsel gründen. Dafs Tarraco, so 
viel wir sehen können, selbst von solchen Gräcisierungsversuchen ver- 
schont geblieben ist, beweist, dafs nicht der geringste Anhalt für sie 
vorhanden war. 

Also wird derjenige iberische Volksstaram die erste Ansiedlung 
auf dem Felsen von Tarraco gegründet haben, zu welchem die Stadt 
von den alten Geographen gerechnet wird, die Kessetaner. Ein Ort 
in der Nähe von Tarraco, wohl landeinwärts, wird bei der Schilde- 
rung der Feldzüge der Scipionen von Livius Cissis, von Polybios 
Kissa genannt. Dies scheint die später untergegangene Hauptstadt 
jenes Stammes gewesen zu sein, von der er seinen Namen führte. 
Unzählige Münzen mit demselben Gepräge, aber zahlreichen unter- 
scheidenden Beizeichen und derselben Aufschrift in iberischer Schrift 
werden noch heutigen Tages, wie ich mich selbst überzeugt habe, 
fast täglich in Tairagona ausgegraben, und zwar nur in Tarragona 
und seinen Umgebungen. Im Jahre 1850 fanden sich deren tau- 
send Stück auf einmal. Die Kupfermünzen zeigen in seltener Voll- 
ständigkeit sechs verschiedene Nominale und werden durch darauf 
angebrachte kleine Kugeln ganz analog wie der römische As und 
seine Theile unterschieden. Ausserdem werden sie noch im Gepräge 
in sinnreicher Weise so unterschieden: das Silberstück und die gi'öfsten 
Kupferstücke zeigen, wie viele andere iberische Münzen, einen galop- 
pierenden Reiter, der die Friedenspalme trägt; .auf dem Quinar er- 
scheint neben dem Reiter noch ein lediges Pferd; auf dem folgenden 
Kupferstück erscheint das Pferd allein, laufend oder schreitend; auf 
dem folgenden grast es, auf den kleinsten ist es nur halb vorge- 
stellt und endigt in einen Flügel, oder es findet sich statt seiner 
der Delphin, auch ein sehr gewöhnliches Zeichen auf den iberischen 
Münzen. Die Aufschrift lautet in der volleren und wahrscheinlich 
älteren Form, die nur auf einigen Kupferstücken erhalten ist, Tcesse, 
in der verkürzten Form mit der auf den iberischen Münzen üblichen 
Buchstabenverbindung und der Auslassung des einen Consonanten 
hese, oder mit der Unterdrückung des ersten Vocals, die ebenfalls 



Tarragona 175 

häufig vorkommt, lese] denn es darf als unzweifelhaft angesehn 
werden, dafs diese Aufschriften so zu lesen sind. Diese Münzen 
der Kessetaner gehören also unzweifelhaft nach Tarraco. Die volle 
Aufschrift wird von den Münzkeunem der alten Stadt Kissa, die 
verkürzte den Kessetanern in Tarraco zugeschiieben. 

Allein die iberischen Bewohner von Tarraco haben noch ganz Die 
andere Spuren ihrer Existenz zurückgelassen als jene Münzen. Wie 
bei den ältesten Niederlassungen aller alten Kulturvölker ist der am 
höchsten gelegene Theil des Stadtgebietes der der ältesten Ansiedlung. 
Die Burg von Tarraco erschien noch den römischen Dichtem des 
ersten und des vierten Jahrhunderts, Martial undAusonius. als eine 
charakteristische Eigenthümlichkeit der Stadt, und nicht ohne Grund. 
Denn noch heute umgeben den höchsten Punkt der Stadt auf drei 
Seiten gewaltigeMauern von sogenannter kyklopischer Bauart aus we- 
nig behauenen und ungleichen Steinblöcken. An einer zuverlässigen 
Messung und Abbildung dieses ungemein interessanten Bauwerks 
fehlt es durchaus. Die erste Abbildung überhaupt ist meines Wissens 
die bei Laborde Band I Tafel 49 (Pons de Icart und Florez geben 
keine) und diese giebt nur einen kleinen und keineswegs einen be- 
sonders charakteristischen Theil der Mauer in ganz ungenügender, 
die eigenthümliche Art des Baues geradezu entstellender Weise wie- 
der. Besser gewählt ist die Ansicht bei Albinana auf Tafel 1; 
aber ihre Ausführung steht noch weit unter der von Laborde. Eben- 
sowenig genügt das Gipsmodell der Mauern von Tarraco, welches 
der französische Archäolog Petit-Radel nach ihm zugegangenen Zeich- 
nungen anfertigen Hess und in seinem Buch recherches sur les mo- 
nunients cyclopeens (Paris 1841, 8.) beschreibt. Die Zeichnungen 
sind verschollen; das Modell ist noch auf der Mazarinschen Biblio- 
thek in Paris vorhanden. Hernandez hat die Mauern wiederholt, 
zuletzt (1867) in den Abhandlungen der Akademie von Barcellona 
(Bd. n, 1878) beschrieben, und dabei ein gut erhaltenes Stück von 
7,14 m Höhe nach einer Photographie abgebildet. Gute photogra- 
phische Aufnahmen einiger Theile der Mauer, die mir vorliegen, 
ersetzen nicht eine vollständige Veröffentlichung, die zu den drin- 
gendsten Aufgaben der spanischen Alterthumskunde gehört. 

Die Mauern sind in der ganzen Ausdehnung der drei nach 
Norden, Osten und Süden gerichteten Seiten fast ohne Unterbrechung 
in einer Länge von ungefähr 3 km, aber in ungleicher Höhe er- 



176 Spanien 

halten, am vollständigsten auf der südlichen und westlichen Seite. 
Die Höhe dieser Art von Constraction wechselt zwischen ungefähr 
3 bis 10 m, die Dicke zwischen 5 und 6 m. Auch nach der west- 
lichen Seite des Meeres zu, auf welcher sich die Stadt wahrschein- 
lich schon in rönuscher Zeit gegen die Burg hin geöffnet hatte, sind 
Fundamente gleicher Construction, auf welchen die modernen Häuser 
an der oberen Rambla (der Poststrafse durch die Stadt) ruhen, in 
den Kellern derselben zu sehen. Mehr lässt sich mit Sicherheit 
über den Umfang der alten Stadtmauer nicht angeben. 

An einem Plane der Stadt, auf den ich verweisen könnte, fehlt 
es. Der bei Florez gegebene umfasst nur die obere Stadt ohne 
den Hafen; der bei Laborde passt auf die jetzt sehr veränderte An- 
lage der Hafenstadt gar nicht mehr; der neueste und beste, welchen 
Coello auf seiner vorzüglichen Karte der Provinz von Tarragona 
(Madrid 1858), einer Abtheilung seines grofen Atlas de Espana, 
giebt, ist etwas zu klein, um die Lage der Denkmäler darauf an- 
schaulich machen zu können. 

Die gewaltigen Werkstücke von unregelmäfsiger, aber überall 
länglicher Form (die gröfsten sind ungefähr 12 bis 14 Fufs 
lang, bis gegen 8 Fufs breit und bis 5 Fufs hoch) sind nicht, wie 
bei manchen ähnlichen Mauerbauten in Griechenland und Italien 
(z. B. bei den Mauern von Cortona, an welche die von Tairaco in 
manchen Stücken erinnern), künstlich in einander gefügt, sondern in 
horizontalen Schichten trocken übereinander gelegt und die Lücken 
mit kleineren Steinen von unregelmäfsiger Fonn ausgefüllt. Serral- 
lach giebt die Höhe dieser Construction auf bis zu 7,14 m an. An 
der Aussenseite liegen die polygonen, aber annähernd oblongen Blöcke 
von gleicher Höhe scharf aufeinander, sodafs meist nur geringe Füll- 
stücke nöthig sind. Auf der Innenseite dagegen liegen die rohen 
Blöcke ohne Verbindung nebeneinander und halten nur im allgemei- 
nen die gleiche Fläche mit den horizontalen Schichten ein. Die 
Steine sind zum Theil stark corrodiert und überhaupt meist von we- 
nig guter Qualität; man erklärt sich das daraus, dafs sie wahr- 
scheinlich in nächster Nähe aus dem Burgfelsen selbst gebrochen 
wurden. Ihre gewaltige Gröfse macht ohnehin das Heraufschaffen 
von weither unwahrscheinlich. In ungleichen Zwischenräumen, je 
nach der Bodenbeschaffenheit, springen aus der Mauer viereckige 
Thtlrme vor, deren im ganzen Umkreis der Mauer noch sieben sieb 



Tarragona 177 

erkennen lassen; ursprünglich waren es wahrscheinlich mehr. Neben 
einigen dieser Thürme befinden sich in der Mauer kleine, später mit 
Mauerwerk ausgefüllte Thore. Diese Thore sind scharf rechtwinklich 
ausgeschnitten. Es sind deren in dem ganzen Mauerzug noch sechs 
erhalten. Eines der besterhaltenen ist die sogenannte Portella, auf 
der Nordseite nahe der Esplanade; es ist auf den Abbildungen bei 
Labor de und Albiiiana zu sehen. Der obere Balken wird durch 
einen einzigen quer über die beiden Pfosten gelegten Stein von ge- 
waltiger Länge und Dicke gebildet. Die Pfosten bestehen nicht aus 
besonderen aufrechtstehenden Blöcken, sondern werden durch die 
auch im übrigen angewendete Mauerconstruction gebildet, meist von 
je drei gewaltigen Blöcken auf jeder Seite; bei der Puerta del Ro- 
sario sind es jedoch elf und zwölf. Um das Thor fortificatorisch 
zu schützen steht der Eingang durchgehends nicht rechtwinklich zur 
Mauer, sondern in einem- ziemlich spitzen Winkel; die Abbildungen 
lassen von diesem bemerken swerthen Umstand nichts erkennen. Aber 
Petit-Radel giebt wenigstens die ihm mitgetheilten Maafse dieses 
kleinen Thores an: es ist 1,60 m breit und 3,30 m hoch; der obere 
Balken wird gebildet durch einen Stein von 3,60 m Dicke, 2,30 m 
Breite und 1,10 m Höhe. Auch von dem gröfsten Stein in dem 
Thurm seines Modells giebt er die Maafse: er ist 4,20 m lang und 
2,60 m hoch. Die Puerta del Rosario misst nach Hernandez nur 
2,45 m Höhe und 1,45 m Breite im Lichten; die Dicke der Mauer 
beträgt daselbst 6,11 m. Die Decke bilden vier gewaltige Felsblöcke. 
Eine sichere Zeitbestimmung für die Entstehung dieser ältesten 
Mauern von Tarraco giebt es nicht. Aber alles spricht dafür, dafs 
sie noch in die vorrömische Zeit zu setzen sind. Die römischen 
Eroberer legten um die Mitte des sechsten Jahrhunderts der Stadt 
ihre Befestigungen gewiss schon mit gröfserer Sparsamkeit in den 
Mitteln und einer höheren technischen Vollendung an. Republikani- 
sche Mauerbauten sind freilich nicht in grofser Anzahl erhalten und 
es fragt sich, ob derartige Bauten der Hauptstadt, wie etwa die 
Serviusmauer, oder italischer dem griechischen Einfluss nahe stehen- 
der Orte ohne weiteres zur Vergleichung herangezogen werden dürfen. 
In Murviedro, dem alten Saguntum, habe ich ein prachtvolles Stück 
einer alten Mauer in der Unterstadt abgezeichnet, welches eine von 
der von TaiTaco ganz abweichende Bauart zeigt. Die Werkstücke, 
sämmtlich von fast gleicher Höhe, etwa 3 Fufs, aber ungleicher Länge, 

Hübner, Westeuropa. 12 



178 Spanien 

einzelne 6 bis 7 Fufs lang, sind an den Kanten sorgfältig behauen, 
liegen in regelmäfsigen horizontalen Schichten übereinander und sind 
mit hakenartig einspringenden Ansätzen fest untereinander verknüpft, 
ganz so wie bei manchen italischen Mauerbauten der republikanischen 
Zeit. Dieses Stück der Mauern von Sagunt kann nur gehören ent- 
weder zu den Befestigungen, welche nach Livius, vielleicht unter der 
Leitung griechischer oder römischer Baumeister, im Jahr 535 der Stadt 
219 vor Chr. gegen die hannibalische Belagerung aufgeführt wurden, 
oder zu dem Wiederaufbau der Stadt durch die Römer in den Jahren 
540/214 und 549/205. Das letä:tere halte ich für wahrscheinlicher. 
In beiden Fällen lehrt es, wie man in den hispanischen Städten 
um die Mitte des sechsten Jahrhunderts Mauern baute. Die Mauern 
von Tarraco zeigen eine sicherlich um mindestens ein Jahrhundert, 
vielleicht um mehrere, ältere Bauart. Ich habe in Spanien nichts 
ähnliches von Mauerbauten gesehen; aber» nach den Beschreibungen 
und photographischen Abbildungen, welche Gongora in seinem Werke 
über die vorhistorischen Alterthümer Andalusiens (Madrid 1868) giebt, 
scheinen in Ibros und Giri-Baile, zwei kleinen Orten im Gebiet der 
Oretaner am südlichen Abhang der Sierra Morena, deren alte Namen 
nicht bekannt sind, Mauerreste von ähnlicher Art und gleichem Alter 
wie die von Tarraco erhalten zu sein. Man darf darin also wohl 
die ursprüngliche Befestigungsweise der iberischen Städte erkennen. 
Ob die ältesten Befestigungen von Tarraco errichtet worden sind zum 
Schutz gegen stammverwandte Nachbaren, oder etwa gegen die An- 
griffe punischer Seefahrer, oder gegen die von Norden eindringenden 
Keltenstämme, welche mit Erfolg von der Besetzung der Ostküste 
ferngehalten worden sind, lässt sich natürlich nur vermuthen. Das 
erste ist das weitaus Wahrscheinlichste. Die Behauptung der Lo- 
kalantiquare, dafs die Befestigungen desshalb von einem fremden von 
der See her gekommenen Stamm herrühren müssten, weil sie auch 
gegen die Landseite gerichtet sind, ist ganz, unhaltbar. Was wäre 
das überhaupt für eine Festung, die nach einer Seite hin geöffnet 
ist? Der an drei Seiten von jenen ältesten Mauern umschlossene 
Thcil der heutigen Stadt ist die alte Oberstadt, das iberische Oppidum, 
welches die Römer vorfanden. Die römische Stadt erstreckte sich 
unzweifelhaft bis an den Hafen hinunter. Auf der nach der neuer- 
dings erfolgten Schleifung der Festungswerke nach der Seite des 
Meeres hin freigelegten Fläche, deren Fclsengrund als Steinbruch 



Tarragona 179 

für den Hafenmolo dient, kommen fortwährend römische Bauten zu 
Tage. Ebenso sind in den Kellern von manchen Häusern der ganz 
modernen Hafenstadt (der Hafen war früher durch Gärten und Wein- 
berge von der Stadt vollständig getrennt) Reste von unzweifelhaft 
römischer Construction erhalten. Ob aber die jetzt zum allergröfsten 
Theil verschwundenen Mauetreste in der Ebene, besonders auf der 
südlichen Seite der Stadt bei der ebenfalls nicht mehr vorhandenen 
Kirche von San Frutos bis zum Flusse Francoll, zu jener ältesten 
Ummauerung gehörten, wie Pons de Icart und nach ihm die Späteren 
annahmen, ist zweifelhaft. Die Beschreibmig, welche er davon giebt, 
nöthigt keineswegs zu dieser an sich unwahrscheinlichen Annahme. 

Aber nicht alle Theile des Mauerbaus in der Oberstadt sind 
aus so grofsen Werkstücken aufgeführt. Man unterscheidet deutlich 
an manchen Stellen über den unteren Schichten jener gröfsten Blöcke 
eine Schicht von etwas kleineren, auf der Aussenseite regelmäfsigen, 
innen unregelmäfsigen Werkstücken, welche sich wiederum sehr deut- 
lich von den darauf ruhenden ganz regelmäfsig behauenen Stücken 
unterscheiden, auf welche wir nachher zu sprechen kommen. Auf 
diesen Werkstücken der zweiten, offenbar ein wenig jüngeren Schicht, 
an der Südwestseite der Stadt und auf der inneren Seite der Mauer, 
finden sich mitten auf den Steinen grofse einzelne Buchstaben des 
aus den Münzen bekannten iberischen Alphabetes eingehauen. Hier- 
von ist in den früheren Beschreibungen nirgends die Rede. Ich no- 
tierte sechs verschiedene Buchstaben, welche in mehr oder minder 
zahlreichen Wiederholungen vorkommen. Am häufigsten findet sich 
IS| , unzweifelhaft das iberische i; fast ebenso häufig M> seltener liJ, 
K, A, H, U» über deren Werth sich noch nichts bestimmtes angeben 
lässt. Diese Buchstaben stehen ganz unregelmäfsig, bald nach rechts 
bald nach links gekehrt, bald in der angegebenen gewöhnlichen Weise, 
bald auf dem Kopf. Man sieht deutlich, dafs sie auf die einzelnen 
Werkstücke eingehauen worden sind ehe diese ihren Platz in der 
Mauer erhalten hatten. Offenbar sind es Bezeichnungen der Werk- 
stücke zu irgend welchem technischen Zweck, wohl schon in den 
Steinbrüchen gemacht; vielleicht Zahlen, vielleicht Anfangsbuchstaben 
von Namen. Eine bestimmte Erklärung dieser einzelnen Zeichen 
wird man, auch wenn sie einem bekannten Alphabet angehörten, nicht 
beanspruchen. Uns genügt die Thatsache, dafs es iberische Schiift- 
zeichen sind, denen wir an dieser Stelle begegnen. Voreilig aber 

12* 



180 Spanien 

wäre es aus dem Vorhandensein dieser Schriftzeichen zu schliefsen, 
dafs auch dieser offenbar jüngere Theil des Mauerbaus noch in vor- 
römische Zeit gehöre. Nach Otto Richters Untersuchungen über die iu 
Rom an den Mauern des Servius Tullius sowie in anderen antiken Städten 
vorkommenden Steinmetzzeichen (in dem 45. Winckelmannsprogramm 
der Berliner archäologischen Gesellschaft von 1885) gehören diese 
sämmtlich einer Zeit an, in welcher man die Quadern bereits vorher in 
den Steinbrüchen oder Werkstätten für den Bau herrichtete. Sie sind 
Versatzmarken und finden sich daher nicht in der Front, sondern an 
den inneren Seiten der Mauern. Dasselbe gilt von denen von Tarraco. 
Dafs iberische Sprache und Schrift neben der römischen noch 
geraume Zeit fortbestanden hat, beweisen aufser den zweisprachigen 
Münzen anderer Städte im diess- und jenseitigen Hispanien für 
Tarraco speziell mehrere daselbst gefundene iberische Inschriften. 
Bis auf die Zeit des Augustus etwa wurde in Tarraco neben dem 
Latein noch iberisch gesprochen und geschrieben; ähnlich ist es ja 
mit den italischen Dialekten, ähnlich auch mit dem Keltischen ge- 
gangen Daher wird man die Mauerschicht mit den iberischen Buch- 
staben sehr wohl in die römische Zeit setzen dürfen. Für die Ver- 
vollständigung und Erweiterung der ältesten Mauern können sich die 
römischen Feldherrn ja leicht einheimischer Arbeiter bedient haben. 
In den Steinbrüchen in den Umgebungen der Stadt sind von diesen 
Arbeitern die iberischen Versatzmarken in die Quadern gemeisselt 
worden. Von dem Bau dieser römischen Mauer giebt Hernandez 
(im Anhang zu dem oben erwähnten Vortrag von Serrallach) eine 
lehrreiche Beschreibung auf Grund zufälliger Beobachtungen, die er 
bei einem Abbruch anstellen konnte. Das auf dem alten iberischen 
Unterbau ruhende Stück Mauer in der Nähe der Portella besteht da- 
nach aus zwei je 0,80 m dicken Wänden. Die äussere Seite zeigt 
äusserst sorgfältig behauene Quadern mit Stofsfugen, die in regel- 
mäfsigen horizontalen Schichten ohne jeden Mörtelverband liegen. 
Die Quadern sind durchschnittlich 0,57 m hoch. Die innere dagegen 
ist weniger sorgfältig errichtet; sie besteht aus ungleichen, kaum be- 
hauenen Steinen, die nicht genau über einander geschichtet sind. 
Zwischen beiden ist der hohle Raum von 3,60 m Breite mit einer 
festgestampften Schicht von Erde und Gusswerk aus handgrofsen 
Steinen und Steinsplittern gefüllt. Die ganze Dicke der Mauer be- 
trägt daher zwischen 5,20 und 6,11 m. Dazu aber sind Querwände 



l^arrägöna Isi 

oder Strebepfeiler zwischen den beiden Mauern zur Stütze angebracht, 
welche Abtheilungen von 6,27 m Länge und 5,20 m Breite (das ist 
die Dicke der ganzen Mauer) bilden. Von der Richtigkeit der Be- 
schreibung in Betreff der äusseren und inneren Mauerwand habe ich 
mich überzeugt; die Strebepfeiler im Inneren waren nicht mehr sicht- 
bar. An einem der vorspringenden Thürme, dem Thurm von San 
Magin, sind die die Ecken bildenden Steine noch auf eine eigen- 
thümliche Art verziert worden. Es treten nämlich aus diesen Steinen 
menschliche Köpfe, je einer an zwei Ecken, an der dritten vorn zwei 
nebeneinander, aus der Fläche hervor, nicht später eingesetzt, son- 
dern von Anfang an aus dem ganzen Block herausgearbeitet. Die 
Arbeit scheint roh zu sein; die Köpfe sind so hoch angebracht und 
ausserdem durch das Wetter so angegriffen , • dafs man nicht einmal 
erkennt, ob Männer oder Weiber damit gemeint sind. Diese Ver- 
zierungen scheinen in dieselbe Zeit zu gehören, wie die Stücke mit 
den iberischen Buchstaben. An manchen primitiven Mauerbauten 
haben sich Vorstellungen in Relief, Böses abwehrende Zeichen (wie 
Phallen) gefunden; ähnliche Köpfe sind mir auf alten Mauerbauten, 
soweit man sie in Edward Dodwells bekanntem Werke übersieht, 
nicht bekannt. Dagegen bietet ein ganz analoges Beispiel der so- 
genannte Isiskopf in dem Tuffstein der Stadtmauer von Pompeji, 
neben welchem eine okische Inschrift eingemauert ist. 

Die ganze Art der Construction, die iberischen Buchstaben und 
jene eigenthümlichen Sculpturen, alles zusammen macht einen weit 
roheren und alterthümlicheren Eindruck als die oben beschriebene 
Mauer von Sagunt. Wenn diese etwa nach der Mitte des sechsten 
Jahrhunderts gebaut worden ist, so möchte ich den besprochenen 
Theil derer von Tarraco noch um wenigstens einige Decennien früher 
ansetzen. In die spätere Zeit der Republik darf man die Stücke 
mit den iberischen Buchstaben auch aus dem folgenden Grunde nicht 
setzen. Zum grofsen Theil direct auf dem ältesten, sogenannten 
kyklopischen Mauerbau (so z. B. in den bei Laborde und Albinana 
abgebildeten Stücken), da wo er vorhanden auf dem jüngeren, ist 
nämlich noch eine dritte antike Construction aufgeführt, welche an 
Ort und Stelle überall ziemlich leicht unterschieden werden kann. 
Sie besteht aus mäfsig grofsen, in gleichmäfsigen horizontalen 
Schichten übereinander gelegten Steinen, welche an den Kanten sorg- 
fältig behauen, in der Mitte aber unbehauen gelassen sind: die be- 



1 82 Spanien 

kannte von den Italienern aUa rustwa genannte Bauart, wie man sie 
an den sorgfältigsten Bauten aus der späteren Republik und der 
früheren Kaiserzeit (bis etwa auf Nero herab) gewohnt ist. An vielen 
Stellen der Burgmauer erreichte diese Construction die beträchtliche 
Höhe von ungefähr 30 Fufs; an den Thürmen ist sie noch höher 
hinauf erhalten. Aber von den Zinnen, welche aller Wahrscheinlichkeit 
nach diesen Mauerbau krönten (denn wir kennen die Zinnen als eine 
charakteristische Eigenthtlmlickeit des römischen Festungsbaues in 
einer Reihe von Beispielen aus der besten Zeit), habe ich nirgends 
noch Spuren bemerkt. Die Zinnen an dem Modell von Petit-Radel 
sind also auf dieses Gelehrten Phantasie zu schieben; die bei Laborde 
und Albiuana abgebildeten und theilweis noch vorhandenen Zinnen sind 
mittelalterlichen Ursprungs. Auch von den beiden erkerartigen Vor- 
bauten an dem Thurm in Petit-Radels Modell habe ich nichts gesehn. 
Vielmehr ist im Mittelalter und in neuester Zeit auf den antiken Bau 
auch in Tarragona, wie so häufig an anderen Orten, noch eine vierte 
und oft eine fünfte Schicht von Mauer- und Thurmbauten aufgesetzt 
worden; Kirchen und Häuser lehnen sich wo es geht an diese sichere 
Stütze an. Nur der zufällige Umstand, dafs die ganze Burgmauer 
von Tarragona den modernen, im spanischen Erbfolgekrieg angelegten 
Befestigungswerken als innerster Kern dient, hat sie überhaupt vor 
dem Untergang bewahrt. Sonst würde sie gewiss längst, wie die 
meisten antiken Bauten in Spanien, als Steinbnich benutzt worden 
und spurlos verschwunden sein. Drei der Zeit nach verschiedene 
Schichten des Mauerbaues haben alle Beobachter unterschieden; nur 
in der Zeitbestimmung der einzelnen gehen die Meinungen begreiflicher 
Weise auseinander. Uebrigens ist es keineswegs geboten, alles was 
von jener dritten und jüngsten Schicht des alten Mauerbaus erhalten 
ist in eine und dieselbe Zeit zu setzen. Vielmehr haben gewiss ver- 
schiedene Generationen an diesen Befestigungen fortgebaut. Dafs sie 
noch in der im ganzen friedlichen Kaiserzeit Gegenstand besonderer 
Sorgfalt von Seiten der städtischen Behörden waren und gewiss je 
nach Bedürfniss erneut oder ergänzt wurden, zeigt das Amt eines 
praef(ectus) murorum col{oniae) Tarr(aconensis) ex d(ecurionum) 
d(ecretoX welches Gaius Galpuniius Flaccus bekleidete nach einer wohl 
an das Ende des ersten oder schon in das zweite Jahrhundert zu 
setzenden Inschrift. 
Römische Versuchen wir es auch hier die geschichtlichen Folgerungen zu 



Tarragonä 183 

ziehen, welche sich aus den mitgetheilten Beobachtungen ergeben. 
Es liegt auf der Hand, dass die römischen Feldherrn bei ihrem Vor- 
dringen gegen die Ebrolinie einen so wichtigen Punkt wie das feste 
Tarraco nicht unbeachtet lassen durften, Ein blofser Thurm auf dem 
hohen Ufer, wie es deren viele in Hispanien, besonders an der Küste 
gab, als Warten und Schutz gegen Seeräuber, wie Livius sagt, kann 
es nicht gewesen sein. Sondern der Ort muss damals schon befestigt 
gewesen sein: sonst würden ihn die römischen Feldherm bei seiner 
schlechten Rhede gewiss nicht zum Landungsplatz der Truppen ge- 
wählt und sich mit dem weit besseren Hafen des freilich beträchtlich 
nördlicher gelegenen Emporiae oder eines der anderen Landungs- 
plätze an diesem Küstenstrich begnügt haben, von denen Strabo spricht 
(oben S. 173). Als Ausgangspunkt für das weitere Vordringen in 
die Halbinsel konnte nicht ein beliebiger ungedeckter Platz an der 
Küste, sondern nur eine Festung dienen; dann durfte man über die 
Unbequemlichkeit einer schlechten Rhede hinwegsehn und sie mit der 
Zeit künstlich zu überwinden suchen. Aus den sehr kurzen Berichten 
über die Feldzüge der beiden Brüder Gnaeus und Publius Scipio, 
welche uns Livius und Polybios geben, beide aus einer gemeinsamen 
annalistischen Quelle schöpfend, geht hervor, dafs Tarraco einer der 
ersten festen Plätze war, welchen Gnaeus von Emporiae aus, wo er 
im Jahr 534 (220 v. Chr.) gelandet war, in seine Gewalt brachte, 
wahrscheinlich in Folge des in unmittelbarer Nähe gewonnenen Sieges 
über den Hanno bei dem oben erwähnten Hauptort der Kessetaner 
Kissis oder Kissa. Auf den raschen Angriff des Hasdrubal, der von 
Neukarthago her über den Ebro bis nahe an Tarraco vordrang, zog 
sich zwar Gnaeus selbst mit dem Kern des Heeres und der Flotte 
nach Emporiae zurück, liefs aber in Tarraco, das also schon in 
seiner Gewalt gewesen sein muss, eine mäfsige Besatzung zurück 
und nahm von den zunächst wohnenden iberischen Völkern, wie den 
Ilergeten, Geiseln mit. Kaum ist Scipio fort, so erscheint Hasdrubal 
von neuem und verwüstet mit Hülfe der treulosen Ilergeten das Ge- 
biet der den Römern treu gebliebenen Stämme, wahrscheinlich 
darunter gerade das der Kessetaner, welche die Besatzung von 
Tarraco in der Hand hielt. So sieht sich Gnaeus genöthigt gegen 
die feindlichen Stämme, die Ilergeten, die Ausetaner und Laeetaner, 
mit der gesammten Macht vorzurücken. Die geographischen An- 
schauungen sind hier vielleicht wieder, wie gewöhnlich in den 



184 Spanien 

liviaDischen Berichten, verkehrt; zuerst giiff er wahrscheinlich die 
Ausetaner an, um Vieh und Gerona, und dann die ihnen zu Hülfe 
eilenden Laeetaner an der Küste bis gegen Barcellona, endlich die 
Ilergeten, den mächtigsten jener Stämme, dessen Sitze sich, wie 
schon die Namensgleichheit erweist, bis Ilerda erstreckten. Dieses 
scheint die natürliche Beihenfolge der Ereignisse zu sein. Ist des 
Livius Bericht genau, so muss man annehmen, dafs der Consul 
zuerst gegen die Ilergeten zog, als den wichtigsten unter den treu- 
losen Stämmen, ohne sich um die übrigen aufrührischen Völker in 
seinem Rücken zu kümmern. Beide Auffassungen haben ihre Be- 
rechtigung, Die Stadt der Ilergeten Atanagrum, welche Livius hier 
nennt, ist sonsther nicht bekannt; wahrscheinlich wurde sie damals 
von Grund aus zerstört. Die nicht genannte Stadt der Ausetaner, 
welche im Census des Agrippa als latinische Bürger aufgeführt waren, 
findet sich zwar noch auf Inschriften von Tarraco erwähnt und wird 
bei Ptolemaeos unter dem Namen Ausa aufgeführt, scheint sich aber 
von jenem ersten Schlage, der sie traf, nie recht erholt zu haben. 
Es sind nur ein paar ganz unbedeutende Inschriften daselbst gefunden 
worden und sie sank wahrscheinlich früh zum vicus herab; als 
solchen erweist sie ihr mittelalterlicher Name Vieh d'Osona. Auch 
Gerona, das alte Gerunda, der andere gröfsere Ort der Ausetaner, 
hat zwar fortbestanden, aber in römischer Zeit keine so grofse Be- 
deutung erlangt, wie Tarraco und Barcino. Die günstige Lage der 
schönen Stadt, der hohe Burgfelsen, die weite Ebene, die sie beherrscht, 
sicherten ihr ein gewisses Ansehen. Inschriften sind nur, wenige 
dort gefunden worden. Nach diesem Feldzuge, den Polybios ganz 
übergeht, lässt Livius das Heer in die Winterquartiere nach Tarraco 
zurückkehren, während Polybios den Hasdrubal nur einmal den Ebro 
überschreiten und den Gnaeus gleich in Tarraco Winterquartiere 
beziehen lässt. Man sieht übrigens aus diesem einen Beispiel, wie 
Viel noch zu thun bleibt für eine genaue, auf Ortskenntniss und 
sorgfältige Interpretation gegründete Behandlung der römischen Feld- 
züge in Spanien. 

Die mäfsige erste Besatzung der Burg erhielt wohl damals 
schon den Auftrag vom Feldherrn, den Ort für die Zukunft zu 
einem grofsen Waffenplatz einzurichten. Vielleicht gehören die Neu- 
bauten der Burgmauer, jene Schicht mit den iberischen Buchstaben, 
schon in diese erste Zeit. Die Ein- und Umwohner mussten helfen- 



Tarragona 185 

die iberischen Buchstaben, die rohen omamentalen Verzierungen er- 
lilären sich daraus leicht. Aber vollendet wurde das Werk von den 
Römern selbst mit gröfserer technischer Vollkommenheit, die Burg- 
mauer, so wie sie vorliegt, vielleicht erst in weit späterer Zeit. Da- 
gegen eins war schon damals unumgänglich nothwendig: die Rhede, 
fast eine halbe Stunde Weges von der Burg entfernt, musste auf 
sichere Weise mit der Burg in Verbindung gebracht werden, sonst 
konnte die Burg nicht den wichtigen Verkehr mit der Flotte declcen. 
Die Fundamente der Umfassungsmauer der unteren Stadt, welche 
Pons de Icart sah (oben S. 179), sowie die Wölbungen in den 
Kellern der Häuser am Hafen können daher ebenfalls schon in jene 
Zeit gesetzt werden; auch hier wird freilich die spätere Zeit noch 
vieles hinzugefügt haben. 

Schon im nächsten Jahr, 535 der Stadt 219 vor Chr., erscheint 
Tarraco als Stützpunkt aller Feldzüge gegen den Ebro und über den 
Ebro hinaus nach Sagunt und Neukarthago. Gnaeus Scipio bricht 
von Tarraco aus gegen den Hasdrubal auf. Die Flotte des Pu- 
blius wird von den römischen Bürgern und den Bundesgenossen 
von hier aus mit grofser Freude begrüfst. Hier wird der Hafen von 
Tarraco bei Livius ausdrücklich genannt: dem oben (S. 173) ange- 
führten bestimmten Zeugniss des Strabo gegenüber offenbar ein un- 
genauer Ausdruck, welchen der in diesen technischen Dingen überall 
sorgfältigere Polybios vermieden hat, obgleich er die Ereignisse im 
ganzen kürzer erzählt als Livius. Acht Jahre später, im Jahr 543 
d. St. 211 vor Chr., fährt Claudius Nero mit seinen Truppen direct 
von Puteoli nach Tarraco. Der junge Publius Scipio aber, der 
spätere Africanus, welcher nach Livius in demselben Jahre das Ober- 
commando übernalfm, landete seine Truppen in Emporiae, dem heutigen 
Ampurias, und marschierte von dort erst nach Tarraco, welches von 
da an sein Hauptwaffenplatz ist. Von dort aus organisierte er die 
einheimischen Hülfstruppen; Tarraco blieb wahrscheinlich das Haupt- 
quartier seines CoUegen Marcus Silanus, während er selbst den 
kühnen Feldzug gegen Neukarthago ausführte. Dorthin kehrte er auch 
von Neukarthago wieder zurück und entsendete von dort aus den 
Gaius Laelius mit der Siegesbotschaft von der Einnahme der hispani- 
schen Hauptstadt nach Rom; während dies nach einem anderen Be- 
richt bei Livius und wie an sich wahrscheinlicher ist vielmehr 
von Neukarthago aus geschah. Von Tarraco aus endlich unter- 



186 Spanien 

nimmt er die Expeditionen der folgenden Jahre. Als Scipio im 
Jahre 548 d. St. 206 vor Clir. den Besuch beim Syphax in Afrika macht, 
lässt er den Marcus Silanus wiederum in Tarraco zurück, aber den 
Lucius Marcius, einen seiner Unterbefehlshaber, in Neukarthago; nach 
Neukarthago kehrt er zurück und feiert dort die Leichenspiele für 
seinen Vater und Oheim. In Neukarthago erkrankte er und 
von dort aus dämpfte er die Meuterei der Truppen ebenso wie den 
in seinem Rücken ausgebrochenen Aufstand der Ilergeten. Schon 
damals also war der Schwerpunkt der Feldzüge und der Sitz der 
obersten Leitung von Tarraco nach Neukarthago verlegt. Die hier voll- 
ständig zusammengestellten Nachrichten sind für das bisher noch nicht 
gehörig bestimmte Verhältniss zwischen den beiden Städten Tarraco 
und Neukarthago von entscheidender Wichtigkeit. Man betrachtet 
nämlich Tarraco, das hispanische Neurom, im Gegensatz zu dem 
hispanischen Neukarthago, soviel ich sehe, fast allgemein als die 
älteste Hauptstadt der ganzen neuen Provinz. Zu dieser Annahme 
verleitete hauptsächlich die bekannte Thatsache, dafs später die ganze 
diesseitige Provinz von Tarraco ihren Namen führte; ferner die miss- 
verstandene Angabe des Plinius, welcher Tarraco ein Werk der Sci- 
pionen nennt, wie Karthago ein Werk der Punier sei, nebst des 
Solinus wohl allein hieraus geschöpfter Bemerkung, dafs desswegen 
Tarraco die Hauptstadt der Provinz sei, und die daran sich knüpfen- 
den Bestimmungen der Zeit, in welcher Tarraco Colonie wurde, 
^coion^e^ Bestimmte Zeugnisse über diesen Zeitpunkt liegen nicht vor. 

Auf der unter Augustus in Rom aufgestellten Weltkarte des Agrippa, 
welcher Strabo wie Plinius folgen, muss Tarraco schon als Colonie 
bezeichnet gewesen sein. Bei Plinius wird es an der schon ange- 
führten Stelle ausdrücklich so genannt, und nur ifait Tarraco gelangt 
man zu der von ihm angegebenen Gesammtzahl von zwölf Colonien 
der Provinz. Bei Strabo findet sich zwar die Bezeichnung als römi- 
sche Colonie, die er z. B. von Corduba und Hispalis gebraucht, nicht 
ausdrücklich hinzugefügt, aber er ist überhaupt in dem Hinzufügen 
oder Weglassen der Rechtsstellung der römischen Städte, die er an- 
führt, so wenig consequent, dafs aus seinem Stillschweigen durchaus 
kein Schluss gemacht werden darf. Die lateinischen Münzen von 
Tarraco, die wir kennen, sind zum gröfseren Theil erst nach Augustus 
Tod geschlagen. Auf ihnen erscheint die Bezeichnung C • V • T und 
zwar diese allein auf den noch bei Augustus Lebzeiten geschlagenen, 



Tarragona 187 

auf denen die Caesaren Gaius und Lucius und Tiberius als Caesar 
erscheinen, oder C«V«T«T; diese auf den nach Augustus Tode 
geschlagenen neben der anderen einfacheren. Antonius Augustinus 
erklärte diese Abkürzungen für colonia victrix Tarraco und colonia 
victrix togata Tarraco, Aber Togaträger werden, wie wir erst 
später gelernt haben, in technischem Sinne genannt die in Tracht 
und anderen Aeufserlichkeiten , aber nicht im Rechte den Römern 
gleichstehenden Nichtrömer, z. B. die latinischen Bürger im Gegen- 
satz zu den römischen. Nun aber findet sich eine merkwürdige 
Nachricht über Tarracos Ursprung in der Schrift des Dichters und 
Rhetors Annius Florus, der unter Hadrian lebte, über die Frage, ob 
Virgil für einen Redner oder Dichter zu halten sei. Nur die Ein- 
leitung zu dieser Schrift hat sich zufällig erhalten. Dafs die 
Scene des darin geschilderten Gespräches keine andere Stadt war als 
Tarraco, ist unzweifelhaft; die Zeit des Gesprächs ergiebt sich aus 
der Erwähnung von Trajans dakischem Triumph im Jahr 101. Er 
nennt die Stadt eine unter den vornehmsten Anspielen gegründete; 
das kann in dieser Zeit und in dem Munde eines solchen Schrift- 
stellers nur von einer kaiserlichen Gründung verstanden werden. Hier- 
mit hätten wir also zunächst wenigstens ein indirectes Zeugniss dafür, 
dafs Tarraco vor Caesar noch nicht Colonie war. Gewiss wird damit 
auch auf ihren Namen lulia angespielt. Femer sagt er von der 
Stadt, sie trage des Kaisers Fahnen. Das heifst wohl nur, sie be- 
herbergt kaiserliche Truppen; wenigstens scheint mir keine Nöthi- 
gung darin zu liegen, diess für ein directes Zeugniss für die aller- 
dings, wie wir sehen werden, höchst wahrscheinliche Thatsache an- 
zusehn, dafs Caesar der Gründer der Colonie sei. Das Wort Caesar 
in dem allgemeinen Sinn von Kaiser wird in demselben Fragment 
noch zweimal gebraucht. Dazu kommt, dafs was bei den Veteranen- 
colonien nicht fehlt, die Feldzeichen und die Legionsnamen auf den 
Münzen, auf . denen von Tarraco, wie wir auch sehen werden, sich 
nicht findet. Welche Legion oder welche Theile einer Legion damals 
in Tarraco standen wird nachher zu erörtern sein. Dann heifst es, 
sie habe von den Triumphen (des Caesars nämlich) ihren Namen 
empfangen. Diese Worte können zwar allenfalls für erklärt gelten mit 
dem Namen victrix, über den wir gleich zu reden haben werden, aber 
nahe liegt in dem T des Stadtnamens eine bestimmte Beziehung auf 
die Triumphe zu erkennen. Danach scheint mir das T mit trium- 




188 Spanien 

phalis aufgelöst werden zu müssen. Wir kennen von Isturgi in Baetica den 
Beinamen municipitim triumphale als einen wahrscheinlich auch von Cae- 
sar ertheilten Ehrennamen einer Stadt. Die colonia trzumphalis und das 
municipium triumphale nehen einander 'erregen keinen Anstofs; 
ebenso kennen wir nebeneinander Norba, die colonia Caesarina, und 
Asido. das municipium Caesarinum. Lange nachdem dieses ge- 
schrieben hat sich in Tarragona das Fragment einer Inschrift ge- 
funden, auf welchem das Wort triumphalis, und zwar höchst wahr- 
scheinlich als Beiname der Stadt ausgeschrieben erscheint. 

Die Auflösung von V durch victrix beruht nur auf einer Yer- 
muthung, welche sich auf die Beispiele von Celsa und Osca stützt. 
Beide Städte nämlich ftüiren auf ihren Münzen den Namen victrix. 

Auf mehreren in Tarragona und inBarcellona gefundenen Inschriften 
wird Tarraco auch colonia Julia genannt. Nun führen diesen Namen 
zwar gleichmäfsig die Colonien des Caesar, die von den Triumvirn nach 
Caesars Bestimmung gegründeten und die des Augustus, bevor er 
diesen Namen angenommen hatte. Aber da andererseits feststeht, 
dafs Augustus in den Provinzen nur Veteranencolonien gegründet 
hat, zu denen Tarraco nicht gehörte, wie sich sogleich ergeben wird, 
nicht aber Bürgercolonien , so dürfen wir mit voller Bestimmt- 
heit in dem Namen lulia eine Bestätigung finden für die Worte des 
Florus von der vornehmen Gründung; sie war eben durch Caesar 
selbst erfolgt. 

Danach hiefs also Tarraco mit vollem amtlichem Namen colonia 
Julia victrix triumphalis, die juli^che, sieghafte, triumphesfrohe. Es 
fragt sich aber, zu welcher Art von Colonien Tarraco gehörte. Da 
Zeugnisse wiederum nicht vorliegen, so können nur die Münzen und 
die Inschriften Aufschluss geben. Auf den Münzen von Tarraco 
finden sich weder Feldzeichen und Legionsnamen, wie auf denen von 
Corduba Acci und Ilici, noch auch der Pflüger mit den Stieren, wie 
ausser den Feldzeichen und Legionsnamen auf denen von Augusta 
Emerita und Caesaraugusta; sondern sie zeigen nur den Altar und 
Tempel des Augustus, die kleineren noch bei Augustus Lebzeiten ge- 
schlagenen Stücke einen Stier, der als ein bekanntes Symbol des 
Ackerbaues den Schluss auf Ackerassignationen an Bürger mindestens 
sehr nahe legt. Florez meinte Tarraco könne schon in der Zeit vor 
Caesar Colonie geworden sein. Allein wir kennen die sämmtlichen 
dreizehn Colonien in der diesseitigen Provinz, welche das amtliche 



Tarragona 189 

Städteverzeichniss der augustischen Zeit aufzählte. Darunter ist nur 
eine vorcaesarische, Yalentia; caesarische gab es in derselben Provinz 
noch drei: Neukarthago, Celsa und Acci. Zu bemerken ist schliess- 
lich noch, dafs Tarraco weder auf Münzen noch auf Inschriften je- 
mals den Namen Augusta gefuhrt hat, wie z. B. Hici, eine augustische 
Veteranencolonie. Wenn also auch Augustus in Tarraco Land assig- 
nierte, worauf der Stier der Münzen und, wie wir sehen werden, 
die Tribus Galeria zu beziehen sind, so deutet doch das Fehlen des 
Namens Augusta an, dafs nicht er der Gründer der Colonie war. 

Also auch die Münzen lehren, dafs Tarraco nicht zu den von 
Augustus deducierten Veteranencolonien gehört hat, der Name lulia 
also nicht auf ihn zu beziehen ist, sondern auf Caesar. Denn in 
nachaugustische Zeit wird man schon desshalb nicht hinabgehen 
dürfen, weil Colonien der folgenden Julier, des Tiberius und des 
Gaius Caesar, kaum nachzuweisen sind. 

Die Inschriften lehren ebenfalls, dafs Tarraco keine Veteranen- 
colonie gewesen ist. Die bei weitem gröfste Anzahl der in Tarraco 
gefundenen Soldateninschriften gehört Soldaten der YII gemina an, 
welche bekanntlich von Galba errichtet worden ist und seit Vespasian 
in der Halbinsel stand. Diese kommt also hier gar nicht in Betracht. 
Von den sechs Legionen, die, wie wir wissen, seit Caesar und Augustus 
in Hispanien gestanden haben, der / und //, die wir aus den Münzen 
von Acci kennen, der IV Macedontca, der V alaudae, der VI victrix 
und der X gemina, findet sich in Tarraco keine Spur. Auch die 
übrigen caesarischen und augustischen Legionen, z. B. die des benach- 
barten Gallien, kommen niemals vor. Alles das kann unmöglich dem 
blofsen Zufall zugeschrieben werden. Allein damit ist keineswegs 
die von Florez aufgestellte Vermuthung, dafs Tarraco eine alte 
Bürgercolonie gewesen sei und nur den Namen lulia von Caesar 
empfangen habe, als einzige Alternative offen gelassen. Sondern 
Tarraco wird zu den ziemlich zahlreichen Gemeinden in Hispanien 
gehören, denen Caesar dafür, dafs sie in den beiden Feldzügen gegen 
den Pompeius und seine Söhne zu ihm gehalten hatten, unter anderen 
Vergünstigungen verstattete Rang und Namen einer römischen Colonie 
zu führen; d. h. er gab ihnen das römische Bürgerrecht, wofern sie 
es nicht schon hatten, und den Titel von Colonien römischer Bürger. 
Ebenso hat er es mit einer Reihe von anderen hispanischen Städten 
gemacht. 



190 Spanien 

Es giebt noch ein anderes Mittel aus den Inschriften zu einer 
Anschauung von der Rechtsstellung der Gemeinde von Tairaco zu 
gelangen. Das ist die Feststellung der Tribus, zu der ihre Bürger 
gehörten. Die gröfste Anzahl der Inschriften erweist die Galeria als 
Haupttribus von Tarraco; von anderen Tribus kommen nur verein- 
zelte Beispiele vor. Ihr Vorkommen kann auf verschiedene Weise 
erldärt werden; in manchen Fällen ist hier wie anderswo eine Er- 
klärung für das Nebeneinander verschiedener Tribus bei den Be- 
wohnern eines Ortes überhaupt nicht zu finden. Möglich dafs von 
Alters her römische Plebejer, aus der Stadt selbst wie aus italischen 
Municipien, im Hafen von Tarraco sich gewerbetreibend und handelnd 
niedergelassen haben. Missbräuchlich konnten sich Einwohner, die 
nicht das Gemeindebürgerrecht hatten, aber seit Generationen ansässig 
waren, als Tarraconeuser bezeichnen. Wahrscheinlich ist erst durch 
Augustus eine allgemeine Bürgerrechtsertheilung und die Zutheilung 
der Bürgerschaft zur Tribus Galeria erfolgt. Da Caesar nach meiner 
Annahme nicht förmliches Colonialrecht, sondern nur den Ehrentitel 
Colonie ertheilte, so könnten möglicher Weise die alten in Tarraco 
ansässigen römischen Bürger als colani angesehen worden sein, ohne 
dafs man aus ihnen ein besonderes Gemeinwesen constituierte den 
von August bei der Assignatiou in die Galeria Eingeschriebenen 
gegenüber. Denn von einem solchen anderswo nicht selten bezeugten 
doppelten Gemeinwesen giebt es in Tarraco keine Spuren. 

Danach wäre Tarraco vielleicht als ein altes Kastell römischer 
Bürger anzusehn, und zwar als eine wirkliche Festung mit stehender 
Besatzung, ähnlich wie es in der jenseitigen Provinz Italica gewesen 
zu sein scheint. So fände der Ausdruck des Plinius, dafs Tarraco 
ein Werk der Scipionen sei, eine in jeder Beziehung befriedigende 
Erklärung. Italica war in demselben Sinn ein Werk des Scipio Afri- 
canus. Allein es ist nicht wahrscheinlich, dafs die Stadtgeraeinde von 
Tarraco damals oder später zu einem förmlichen Bündniss mit Rom zu- 
gelassen worden ist, wie die griechischen und phönikischen Küstenstädte 
Emporiae Malaca Gades. Die Annahme eines solchen stützt sich 
aber nur auf eine Anrede des Quintus Fabius Maximus an den Scipio 
bei Livius, in der er von Scipio rühmt, er habe die Truppen zu 
Freunden und Bundesgenossen des römischen Volkes nach Tarraco 
geführt. Gemeint sind damit die Ausetaner, Ilergeten und andere 
Stämme, denen Rom das später oft gebrochene Bündniss wohl be- 



Tarragona 191 

willigen musste. Tarraco aber wird wohl nur zu den römischen 
Besatzungen zu zählen sein, welche Fabius in den gleich darauf 
folgenden Worten erwähnt. Die Absicht der Rede ist den hispanischen 
Feldzug als weit leichter wie den bevorstehenden afrikanischen zu 
erweisen. 

Das Kastell oder die Besatzung wird, schon seit der Verbindung 
der Burg mit der Rhede, nach und nach eine Stadtgemeinde ge- 
worden sein. Dafs bei Gelegenheit der Feldzüge des Cato, des 
älteren Tiberius Gracchus, im Krieg gegen den Viriatus, bei Scipio's 
Feldzug gegen Numantia, und in den zahlreichen kleineren und 
gröfseren Kriegen, welche zu den jährlich wiederkehrenden Aufgaben 
der römischen Statthalter gehörten, in unseren freilich ungemein 
dürftigen Berichten Tarraco so selten genannt wird, hat seinen Grund 
offenbar zum Theil darin , * dafs sein Besitz trotz des wiederholten 
Abfalls der umwohnenden Stämme niemals wieder zweifelhaft wurde. 
Cato z. B. landet wiederum wie Scipio mit seinen Truppen in 
Emporiae und marschiert erst, da die Stämme zwischen Emporiae und 
Tarraco und östlich von beiden wieder rebelliert hatten, nach Tarraco, 
das also wieder der sichere Stützpunkt dieser Feldzüge ist. Dess- 
wegen bestellt sich Tiberius Gracchus das Heer seines Vorgängers 
Quintus Fulvius Flaccus nach Tarraco, um daselbst die Veteranen zu 
entlassen, die Ersatzmannschaften zu vertheilen und das ganze Heer 
zu ordnen. Auf dem Marsch nach Tarraco hat das Heer des Flaccus 
noch mit den Keltiberem in einem nicht bezeichneten Gebirge einen 
heftigen Strauss zu bestehen, der nur durch die Tapferkeit der 
römischen Legionsreiterei gewonnen wird; gelangt dann aber glücklich 
nach Tarraco und daselbst werden die Veteranen entlassen. Auch 
im sertorianischen Krieg scheint Tarraco treu geblieben zu sein. 
Wenn Strabo unter den Städten, in denen sich Sertorius bis zuletzt 
noch gehalten habe, neben Ilerda, Osca und Calagurris auch Tarraco 
nennt, so beweisst das noch nicht, dafs Sertorius dauernd Herr von 
Tarraco war. Wenn Sertorius wirklich in Tarraco sich festsetzen 
konnte, wie in dem Hafen von Dianium — dafs er die Absicht 
dazu gehabt, sieht ihm ganz ähnlich — , so sind die letzten Feld- 
züge des Pompeius gegen ihn nicht zu verstehen. Im ersten hispanischen 
Feldzug des Caesar schloss sich Tarraco mit vier anderen Stämmen 
und Städten, Osca, lacca, den Ausctanern und Dergavonen, erst daini 
dem Caesar an, als sich seine äusserst bedenkliche Lage etwas ge- 



192 Spanien 

bessert hatte. Wenn Caesar dabei von fünf grofsen Gemeinden 
spricht, so kommt auf Tarraco gewiss nur der geringere Antheil an 
der Gröfse. Die Legaten des Pompeius Afranius und Petreius konnten 
dennoch den Bückzug auf Tarraco wenigstens ins Auge fassen. In 
Tarraco erwarten dann den Caesar nach der Beendigung des Feld- 
zuges in den beiden Provinzen die Abgesandten beinahe der ganzen 
diesseitigen Provinz. Er segelt von Gades direct nach Tarraco, weil 
Massalia noch nicht gefallen war; also auch wegen seiner militärischen 
Wichtigkeit, nicht etwa, weil es die Hauptstadt der Provinz schon 
damals war. Sehr möglich, dafs Tarraco selbst unter den Gemeinden 
sich befand, welchen damals in Tarraco von Caesar nach seinem 
eigenen Zeugniss private und öffentliche Ehrenbezeugungen zu Theil 
wurden; dafs also daher sein Colonietitel und die Beinamen victrix 
Itdia, vielleicht auch triumphalis stammen, also aus dem Jahr 708. 
Damals schrieb Caesar auch wohl jenen Brief von TaiTaco aus an 
den Deiotarus, dessen Cicero in der im folgenden Jahr für den 
galatischen Tetrarchen gehaltenen Bede gedenkt. 
Neu- Aber die Hauptstadt der Provinz war Tarraco auch damals nicht, 

karthago 

sondern das war Neukarthago. Dies ist ein für die Geschichte der 
Stadt wichtiger Umstand, der bisher nicht gehörig hervorgehoben 
worden ist. Von den alten Geographen sagt keiner es ausdrücklich, 
aber um so deutlicher sprechen die bezeugten Thatsachen und die 
Denkmäler. Castulo, das heutige Cazlona in dem Bergwerksbezirk 
von Linares, am oberen Lauf des Baetis, ist von Neukarthago und 
der Küste getrennt durch das noch heute theilweis bewaldete Ge- 
birgsland der Sierra von Segura. An sich schon musste die reiche 
Stadt mit der Burg der Barkiden und dem unvergleichlichen Hafen, 
deren Lage Polybios als Augenzeuge genau und lebendig beschreibt, 
und der nahen Hauptquelle ihres Reichthums, den Silbergruben, weit 
mehr zur Hauptstadt der ganzen diesseitigen Provinz sich eignen als 
das zwar stark befestigte aber hafenlose und weniger volkreiche 
Tarraco. Auch die Lage Neukarthago' s innerhalb der diesseitigen 
Provinz war weit günstiger für den Verkehr mit der jenseitigen als 
die Tarraco' s. Dazu kam, dafs Neukarthago wie Gades einer der 
natürlichen Verbindungspunkte mit Afrika war. Von hier ging Scipio 
zum Syphax (oben S. 186), von hier schiffte sich Sertorius nach 
Afrika ein. Niemals aber ist Neukarthago Hauptstadt der jenseitigen 
Provinz gewesen, der späteren Baetica, wie neuerdings zuweilen an- 



Tarragona 193 

genommeil worden ist. Im Gegentheil, so früh wie von einer jen- 
seitigen Provinz die Rede ist — und es scheint dieser Zeitpunkt von 
dem der Einnahme Neukarthago* s durch Scipio Africanus nicht sehr 
entfernt gewesen zu sein — , bildet ihre Grenze das Waldgebirge von 
Castulo. Dort beginnt die jenseitige Provinz, wie hier nicht näher 
ausgeführt werden kann. Dem widerspricht keineswegs, dafs Neu- 
karthago die Hauptstadt der ehemals karthagischen Provinz war, 
welche die später römische jenseitige mit umfasste; denn von Rom 
oder Massalia aus sah man diese Länder natürlich anders an, als 
von Afrika aus. Mehr als die gelegentlichen Erwähnungen der Stadt 
während Caesars erstem und zweitem spanischen Feldzug beweist, 
dafs Neukarthago die Hauptstadt war, das oben (S. 185) über Scipio's 
Feldzüge bemerkte und ferner die Stellung, welche es im Census und 
in der Welttafel des Agrippa einnimmt. Nicht nur ist in der Auf- 
zählung der sieben Gerichtsbezirke der diesseitigen Provinz bei Plinius 
der von Neukarthago der erste, was nicht auf geographischer noch 
auf alphabetischer Anordnung beruht, also wohl zurückgeht auf die 
schriftlichen Ausführungen, welche der Welttafel beigegeben waren; 
sondern auch die Zahl der zu seinem Bezirk gehörigen Städte und 
Stämme übertrifft die aller übrigen Bezirke. Denn nach Neukarthago 
gehören 65 Gemeinden und aufserdem die drei balearischen Inseln; 
nach Caesaraugusta 55, nach Tarraco 43, nach Clunia 39 und nach 
den drei kleinen westlichen Bezirken von Asturica Lucus und Bracara 
je 22, 16 und 24. Also Tarraco steht der Zahl der Gemeinden 
nach erst an dritter Stelle; an Gröfse und Wichtigkeit aber über- 
trafen die zu ihm gehörenden Gemeinden die des Bezirks von Caesar- 
augusta, daher dieser bei Plinius zu dritt steht; ebenso die übrigen 
nach der Rangfolge. Auch an Bedeutung übertreffen die nach Neu- 
karthago gehörigen Gemeinden bei weitem die des Bezh-ks von Tarraco, 
wie ich hier nicht näher ausführen will. Daher denn des Strabo 
bestimmtes Zeugniss, dafs Neukarthago bei weitem die mächtigste der 
Städte in jener Gegend sei und der gröfste Handelsplatz für den 
Verkehr des Binnenlandes mit der Küste sowie der überseeischen 
Plätze mit dieser, gewiss für die Zeit vor Caesar ganz wörtlich zu 
nehmen ist; wogegen der späteren Geographen Mela und Ptolemaeos 
Geringschätzung gegen die Stadt ebenfalls gute Gründe hat. Denn 
in der nachaugustischen Zeit ist Neukarthago offenbar mehi* und mehr 
gesunken ; der Grund davon wird wohl hauptsächlich in der früh ein- 

Mübner, Westeuropa. 13 



194 Spanien 

tretenden Erschöpfung seiner Silbergruben zu suchen sein. Zu den 
ausdrticklichen Zeugnissen dafür, dafs in römischer Zeit das Silber 
hauptsächlich aus einer Reihe von anderen Bergwerken in Hispanien 
gewonnen wurde, nicht aus den karthagischen, kommt die gewiss nicht 
zufällige Thatsache, dafs wir aus der letzten Zeit der Republik nur 
Bleibarren aus den karthagischen Bergwerken kennen; dazu noch eine 
Anzahl aus anderen Bergwerken. Diese Bergwerke gehörten nicht, wie 
in der Kaiserzeit üblich war, dem Staate, sondern Privaten. Die gröfsere 
Kostbarkeit des Silbers allein erklärt nicht genügend die Erhaltung 
solcher Barren in ziemlich beträchtlicher Anzahl. Es sind etwa 
dreifsig von den Barren eines Bergwerks, des der Roscier, auf einmal 
gefunden worden. Dafs Neukarthago' s Glanzepoche unter der römischen 
Herrschaft in die Zeit der Republik fällt, zeigen die daselbst ge- 
fundenen Inschriften auf das deutlichste. Neukarthago ist der einzige 
Ort in ganz Spanien, an welchem Inschriften republikanischer Zeit 
überhaupt in einiger Anzahl vorkommen. Auch wenigstens ein Paar In- 
schriften von höheren Magistraten der augustischen Zeit sind darunter. 
Auch die viel zahlreicheren römischen Erzmünzen, welche in Neukar- 
thago seit Augustus geschlagen worden sind, mit einer ziemlichen 
Anzahl von Magistratsnamen, gegenüber den weit geringeren Varietäten 
der gleichzeitigen von Tarraco, müssen hier angeführt werden. 
Den Titel Colonie und die Beinamen victrix Julia erhielt Neukarthago 
übrigens wahrscheinlich zugleich mit Tarraco von Caesar. In Tarraco 
fehlen zwar Inschriften der voraugustischen und frühaugustischen Zeit 
nicht ganz; aber sie sind weit seltener. Deutlich aber spricht die 
Masse der einfachen Grabschriften von Neukarthago, welche ganz 
durchgehend das Gepräge wenn nicht republikanischer, so. doch der 
allerersten Kaiserzeit trägt, in den Formeln der Sprache wie in den 
Schriftformen. Die überall sonst, und z. B. auch in Tarraco, häufigen 
Grabsteine aus dem zweiten und dritten Jahrhundert fehlen dagegen 
in Neukarthago fast ganz. Die ganze Masse endlich der in Tarraco 
gefundenen Inschriften überhaupt übertrifft die von Neukarthago 
in einem solchen Grade an Zahl und Bedeutung, dafs schon diefs 
allein den späteren Vorrang von Tarraco aufser allen Zweifel stellt. 
In Tarraco sind etwa 450 lateinische Inschriften gefunden worden, 
in Neukarthago etwa 120. 

Das Verhältniss zwischen den beiden Städten Neukarthago und 
Tarraco scheint nach alle dem bisher Gesagten ganz analog dem- 



Tarrageua 195 

jenigen gewesen zu sein, welches in der Kaiserzeit auch in den beiden 
übrigen Provinzen der Halbinsel zwischen je zwei der bedeutendsten 
Städte sich findet. Corduba (Cordoba) war unzweifelhaft die alte 
Hauptstadt der jenseitigen Provinz, wahrscheinlich seit ihrer Ein- 
richtung; aber die stärkste Besatzung hatte Italica und war mithin 
auch oft der Sitz der ersten Beamten. Ebenso war in Lusitanien 
Augusta Emerita (Merida) seit seiner Gründung durch Augusts Le- 
gaten Publius Carisius amtlich und militärisch die Hauptstadt von 
Lusitanien; aber der Stadthalter wohnte oft in dem reichen und an- 
muthigen Olisipo (Lissabon). Das gleiche Verhältniss des wechseln- 
den Wohnsitzes der obersten Behörden zwischen Neukarthago und 
Tarraco bezeugt endlich ausdrücklich noch für seine, also die Zeit 
gleich nach Augustus, Strabo in der Hauptstelle über die letztgenannte 
Stadt, auf welche sich diese Darlegung schon öfter beziehen musste 
(S. 173 und S. 193). Doch führe ich sie absichtlich erst hier 
vollständig an, weil sie jetzt erst zu allseitigem Verständniss gebracht 
werden kann. Strabo also sagt: „zwischen den Ebromündungen und 
der Höhe der Pyrenäen, auf welcher des Pompeius Siegesdenkmal 
steht (das war die Grenze der Provinz und der Hauptpass nach 
Gallien) ist Tarraco die vornehmste Stadt. Sie ist zwar hafenlofs, 
liegt aber an einer Bucht (ein Blick auf die Karte zeigt das); auch 
im übrigen ist sie wohl eingerichtet (das geht hauptsächlich auf die 
Befestigungen), und jetzt nicht weniger bevölkert als Karthago (also 
war Neukarthago früher weit volkreicher, von jeher war sie ja mili- 
tärisch wichtig); denn sie eignet sich für den Aufenthalt der Statt- 
halter und als Hauptstadt nicht blofs für die diesseits des Hiberus, son- 
dern auch für die weit über ihn hinaus Wohnenden"; d. h. der Bezirk von 
Tarraco erstreckte sich über den Ebro hinaus, wie denn z. B. Sagunt 
und Valentia zu ihm gehörten. Damit zu verbinden ist die Nach- 
richt einer anderen, für die Provinzialverwaltung von Hispanien be- 
sonders lehrreichen Stelle des Strabo: „der Statthalter der tarraco- 
nensischen Provinz selbst überwintert in den Küstengegenden und be- 
sonders in Neukarthago und in Tarraco, wo er Kecht spricht". Aus 
beiden Stellen geht deutlich der ursprüngliche Vorrang von Neu- 
karthago hervor und zugleich ist darin angedeutet die Veränderung, 
welche offenbar in der Zeit des Augustus sich vollzog. Diese spricht 
Mela, der unter Claudius schrieb, deutlich aus, wenn er Tarraco die 
reichste unter den Seestädten an jenen Küsten nennt, während er 

13* 



196 Spanien 

Neukarthago' s, das der panische Feldherr Hasdrubal gegründet habe, 
neben Sagunt Valentia Ilici kaum erwähnt. 
'^nf'eUes ^^^ ^^^ natürlichen Verhältnissen hervorgegangene Verschiebung 

AugustuB ^eg Uebergewichts zu Gunsten von Tarraco erfuhr eine nachhaltige 
Unterstützung durch des Augustus längeren Aufenthalt in der Stadt. 
Auf dem Feldzug gegen die Asturer und Cantabrer, welchen Augustus 
zuerst in eigener Person leitete, erkrankte er im Jahr 728 (26 vor 
Chr.) in Tarraco, so dafs er die Führung des Krieges seinen beiden 
Legaten Publius Carisius und Gaius Antistius Vetus überlassen musste; 
zu Ende führte die schwierige Expedition erst mehrere Jahre später 
im Jahr 735 (19 vor Chr.) Agrippa. lieber ein Jahr musste August 
in Tarraco bleiben: es wird ausdrücklich berichtet, dafs er sein 
achtes und neuntes Consulat, in den Jahren 728 und 729 (26 und 
25 vor Chr.), in Tarraco angetreten habe. Erst zu Anfang des 
Jahres 730 (24 vor Chr.) kehrte er nach Rom zurück. Von diesem 
langen Aufenthalt des August in ihrer Stadt leiteten wohl die Tarra- 
conenser ihren Anspruch darauf her, ihm noch bei seinen Lebzeiten 
einen Altar errichten zu dürfen, auf welchem ihm als Gott geopfert 
wurde, aber auch hier wohl nur wie sonst überall in Verbindung 
mit der Göttin Roma. Ob sie diefs zu allererst im ganzen römischen 
Reiche oder nach dem Vorgang anderer Städte in anderen Provinzen 
thaten, welche schon dem Caesar und anderen römischen Statthaltern 
ähnliche Ehren erzeigt hatten, lässt sich nicht feststellen. Wir 
kennen die Gestalt dieses Altars aus den unter Tiberius geschlagenen 
Münzen. Es muss danach ein grofser viereckiger Bau gewesen sein, 
mit dem üblichen architektonischen Schmuck von Stierschädeln und 
Gewinden von Eichenlaub, ganz ähnlich wie der grofse Altar des 
Augustus in Lugudunum. Auf der Vorderseite des Altars erscheinen 
ein runder Schild und ein Speer aufgehängt; ob sie es in natura 
waren oder auch nur in Reliefdarstellung, wie der übrige Schmuck 
des Altars, steht dahin. Sie beziehen sich wohl auf den Feldzug 
des Kaisers in Hispanien. Oben auf der Fläche des Altars sind einige 
Palrazweige, auf den kleineren Stücken sogar ein förmlicher kleiner Palm- 
baum zu sehen. Was es mit diesen für eine Bewandtniss hatte, er- 
fahren wir durch eine zufällig darüber erhaltene Anekdote. Quintilian 
verzeichnet unter den verschiedenen Arten witziger Antworten auch 
die, welche Augustus den Gesandten von Tarraco gab, als sie ihm 
meldeten, auf seinem Altar in ihrer Stadt sei eine Palme von freien 



T'arragaiiä lÖf 

Stücken erwachsen. Statt des Dankes für die darin vermeinte gött- 
liche Bezeugung seines Ruhmes sagte er ihnen trocken: man sieht 
daraus, wie oft ihr auf dem Altar Brandopfer anzündet. Der Altar 
diente also wohl auch dem besonderen Kult der Colonie für den Gott 
Augustus, wie er auf den Münzen genannt wird. Nach dem Tode 
des Kaisers erst kam dazu auch ein Tempel. Tacitus hat die Nach- 
richt darüber bewahrt und bemerkt dabei, dafs damit ein Beispiel 
gegeben worden sei für alle Provinzen. Auch der Tempel ist auf 
den Münzen abgebildet; er zählte acht gewiss korinthische Säulen 
in der Front und stand auf einer hohen Terrasse mit breiter Frei- 
treppe. Auf der anderen Seite der Münzen ist Augustus thronend 
als Gott vorgestellt, mit Krone und Scepter, auf der ausgestreckten 
Rechten trägt er zuweilen eine kleine Yictoria, häufiger nur, wie so 
viele Götterbilder, eine Opferschale. So sah also wohl das Tempel- 
bild aus. Wahrscheinlich trug der gewaltige Unterbau im höchsten 
Theil der Stadt, auf welchem jetzt die in ihren ältesten Theilen nur 
bis in das zwölfte Jahrhundert hinaufreichende Kathedrale steht, auch 
den Tempel, welcher dem Kult der ganzen Provinz entsprechend 
grofs zu denken ist. Die hervorragendsten Örtlichkeiten des heidni- 
schen Kultus sind ja überall später vom christlichen in Beschlag ge- 
nommen worden. Eine Anzahl von Ehrenbasen der Flamines der 
Provinz, von der Provinz ihnen errichtet, ist in unmittelbarer Nähe 
der Kathedrale gefunden, andere zu ihren Mauern verwendet worden; 
viele stecken gewiss noch unsichtbar darin. Das Plateau von Sub- 
structionen, welches Pons de Icart beschreibt, war wohl grofs genug, 
um einen solchen Tempel getragen zu haben. Auch die breite Frei- 
treppe, die zur Kathedrale hinaufführt, scheint in ihrem Kerne antik 
zu sein. Es ist nicht ganz zweifeUofs, ob einige schöne Bruchstücke 
eines Frieses von Sandstein, welche im Kreuzgang der Kathedrale 
eingemauert sind, in der That zu dem Altar gehört haben, wie 
Florez annimmt; sie zeigen Gewinde von Eichenlaub zwischen Stier- 
schädeln aufgehängt, dazwischen die Abzeichen der Flamines, Apex 
und Weihwedel — der Krug und das Messer fehlen nur durch Zu- 
fall. Aber es ist höchst wahrscheinlich, dafs Tempel und Altar an 
einer Stelle der Stadt sich befanden. Die Bruchstücke könnten den 
Maafsen nach zum Fries des grofsen Tempels selbst gehört haben. 

Ein dreifacher Kultus des Augustus und seiner consecrierten ^^^g^f 



198 Spanien 

Nachfolger lässt sich seitdem in Tarraco aus den zahlreichen und 
werthvoUen Inschriften der Stadt erkennen. 

Zuerst der Hauptkultus der ganzen provincia Hispania citerior, 
welcher hier in weit gröfserer Vollständigkeit hekannt ist, als in 
irgend einer anderen römischen Provinzialhauptstadt, und aufserdem 
desshalb besondere Aufmerksamkeit verdient, weil von hier aus nach 
den Worten des Tacitus das Beispiel für die übrigen Provinzen ge- 
geben wurde. Der Tempel und der ihn umgebende Raum war in 
gemeinschaftlichem Besitz der Provinz, deren Vertreter, nach den 
Gerichtsbezirken und den einzelnen Gemeinden geordnet, zu einer 
Rathsversammlung in der Hauptstadt der Provinz zusammentraten, 
lieber diese provinzialen Rathsversammlungen, die sich an den Kultus 
der Roma und der göttlichen wie der regierenden Kaiser knüpften, 
im Osten und Westen des Reiches, besonders auch in Afrika, ihre 
Formen und Befugnisse sind wir ziemlich genau unterrichtet. Auch 
in den beiden anderen spanischen Provinzen, Baetica und Lusitanien, 
in Cordoba und Merida, sind ähnliche Einrichtungen nachweisbar. Hier 
soll in der Kürze ein Bild gegeben werden von der besonderen Ge- 
stalt, welche der Kaiserkultus in Tarraco hatte. Etwa siebzig In- 
schriften geben uns über diesen Kultus sehr eingehende Nachweise. 
Auf dem freien Platz vor dem Tempel stand der Altar der Göttin 
Roma und des Augustus und daneben, wie es scheint, kleinere Altäre 
oder Statuen der Genien der sieben Gerichtsbezirke, in welche die 
Provinz getheilt war. Diese Gerichtsbezirke müssen eine Art von 
Bedeutung innerhalb der Rathsversammlung der Provinz gehabt haben; 
sie werden auf den Inschriften mit einer festen, nur hier vorkommen- 
den Abkürzung des Wortes conventus bezeichnet. In ihrer Mitte aber 
mag die Statue der Provinz selbst gestanden haben. Den Raum 
umgaben weiterhin die Statuen der früheren Provinzialpriester, der 
Flamines der diesseitigen Provinz, errichtet nach Ablauf ihres Amts- 
jahres entweder von der Rathsversammlung der Provinz selbst oder 
von den einzelnen Gemeinden, deren etwa vierzig auf den Inschriften 
genannt werden, oder von Privaten unter Beistimmung der Provinz 
und auf dem von der Provinz dazu bewilligten Platz. Der jährlich 
gewählte Priester, Flamen oder Sacerdos, der Provinz musste vorher 
die ordentlichen Gemeindeämter in seiner Heimatgemeinde bekleidet 
oder den römischen' Ritterrang erlangt haben oder beides vereinigen. 
Sein Amt und dessen Wirkungskreis ist dem der römischen Kaiser- 



Tarragona 199 

flamines ähnlich; es entspricht nur zum Theil dem der stadtrömischen 
Flamines und hat auch manches dort den Pontifices Zustehendes in 
sich aufgenommen. Der Flamen der Provinz verwaltete die für den 
Kultus im Tempel und am Altar bestimmten Gelder, über deren Auf- 
bringung wir nicht unterrichtet sind. Auch ein Archiv, das täbularium 
censuale, war damit verbunden. Die Tempel besafsen, me alle Heilig- 
thümer, aus Schenkungen und Legaten herrührendes Vermögen. Be- 
sonders zur Veranstaltung von Spielen wurden Summen ausgesetzt. 
Der Flamen führt die Aufsicht über den Tempel und die in ihm 
aufbewahrten Schätze, Statuen des Kaisers u. s. w. Er führt in 
der Rathsversammlung den Vorsitz und zu seinen Pflichten gehört 
vor allem die jährliche Veranstaltung von Spielen auf seine Kosten. 
FiS mögen diess in den östlichen, griechischen Provinzen wohl vor- 
herrschend scenische gewesen sein. Im Westen, in Gallien und 
Hispanien, heiTSchten durchaus die Gladiatorenspiele. Daneben werden 
auch Circusspiele erwähnt, deren grofse Verbreitung bildliche Dar- 
stellungen, besonders grofse Mosaikbilder, bezeugen, wie sie sich in 
Barcellona und Gerona erhalten haben. Bei der Höhe der Preise, 
welche für die berufsmäfsigen Gladiatoren und Circusfahrer sowie ftlr 
die übrigen Erfordernisse der Auflführungen , besonders die Thiere, 
zu zahlen waren, wurde die Herrichtung der Spiele eine immer 
wachsende Last, deren Minderung durch gesetzliche Mittel vom Ende 
des zweiten Jahrhunderts an erstrebt wurde. Auch scheint der Flamen 
der Provinz die Aufsicht über den Kaiserkultus der ganzen Provinz 
geführt zu haben. Neben ihm waltete seine Gattin als Flaminica, 
vielleicht auch seine Kinder als Opferdiener oder Camilli; wie bei dem 
römischen Juppiter. Doch ist sein Amt nur jährig; aber nach Ablauf 
desselben hat er den Titel zuweilen als Ehrentitel ständig beibe- 
halten; auch bilden die gewesenen Flamines einen bevorzugten Stand. 

Aufser diesem Kultus, den die ganze Provinz in ihrer Haupt- 
stadt dem Kaiser widmete, gab es in Tarraco auch noch einen 
municipalen Kultus der Göttin Roma und der Kaiser mit eigenen 
Flamines und Flaminicae, der sich wohl an denselben Altar und 
Tempel knüpfte wie der provinziale. Unter den auf Weihinschriften 
genannten Gottheiten kommt wiederholt eine stadtschützende Göttin, 
die Tutela von Tarraco, vor. Auch sie scheint Gegenstand des be- 
sonderen städtischen Kultus gewesen zu sein. Die Flamines der 
Colonie rückten zuweilen zu solchen der Provinz auf. Endlich be- 



200 Spanien 

stand auch in Tarraco ein Oollegiam von Augustalen für den Eultas 
der kaiserlichen Laren. Seine Mitglieder sind auch hier wie anderswo 
Leute aus dem Stand der Freigelassenen und bilden die Bevorzugten unter 
ihnen. Man hat ihre Stellung in den Provinzialstädten zwischen dem 
vornehmsten Stand, den Magistraten und den Mitgliedern der Decurionen- 
versanmilung einerseits und der Plebs der Einwohner andererseits, 
passend verglichen mit der des römischen Ritterstandes zwischen dem 
Senat und den Plebejern in der Hauptstadt und im Staate. 

Hauptstadt Tarraco war also einer der Mhesten Sitze des concüiun pro- 

vineiae, jener provinzialen Rathsversammlung mit gewählten Vertretern 
der Gemeinden, die als der antike Keim repräsentativer Versammlungen 
anzusehen ist. 

Ftlr den hauptstädtischen Charakter der Stadt spricht die ansehn- 
liche Reihe von erhaltenen Postamenten für den Kaisem gesetzte Statuen, 
von Augustus an bis auf Leo und Anthemius (468 bis 472 n. Chr.), 
und der Inschriften von Provinzialstatthaltern, kaiserlichen Legaten 
der Provinz und obersten Richtern, so wie der späteren Praesides, 
von verschiedenen Procuratoren und ihren ünterbeamten, dem Personal 
der Steuereinnehmer bei den Steuern für Freilassungen und Erb- 
schaften; femer besonders noch eine Anzahl von Statuen, welche ver- 
dienten Bürgem, die aber nicht Flamines der Provinz waren, von der 
Provinz oder von ihren Heimatsgemeinden gesetzt worden sind. Ver- 
anlassung dazu boten im Interesse der Stadtgemeinde 'mit Hingabe 
und Ausdauer geführte Prozesse*, oder eine unentgeltlich übernommene 
Gesandtschaft an den Kaiser Hadrian, oder 'vielfache Zuwendungen an 
eine Gemeinde', und ähnliches. Einmal wird ausdrücklich hinzugefügt, 
dafs der Platz für die Statue von der Provinz bewilligt worden sei. 
Also befanden sich diese Statuen in dem Bezirk des grofsen Tempels. 
Die Gemeindeverfassung von Tarraco ist die übliche; Aedilen, 
Quaestoren, Duovim und in den Schatzungsjahren Quinquennalen, die 
Rathsversammlung der Decurionen und alle anderen Besonderheiten 
dieser bekannten Verfassung sind in zahlreichen Beispielen vertreten. 
Auch besondere Pontifices der Colonie, verschieden von den Flamines, 
fehlen nicht. Doch ist mir kein Beispiel eines Augur bekannt, welche 
in Neukarthago vorkommen. Auch das kann wohl darauf bezogen 
werden, dafs Tarraco*s Blüthe erst von Augustus an datiert. 

DesatzTing ^^^^ Tarraco, obgleich nicht Colonie im alten Sinne, doch von 

jeher eine Besatzung hatte und auch seit Caesar und August eine 



Tarragona 201 

förmliche Festung war kann nicht bezweifelt werden. Was die 
Scipionen schon begonnen zu haben scheinen, das vollständige Her- 
einziehen der unteren Stadt mit dem Hafen in die Umfassungsmauern, 
ist, nach dem Charakter der in diesen Theilen der Stadt gemachten 
Ausgrabungen zu schliefsen, in augustischer Zeit vollendet worden. 
Aber auch die Burgmauern sind, wie oben bemerkt, den Anforde- 
rungen der Zeit entsprechend ergänzt und vollendet worden. Viel- 
fache spätere Umbauten und Veränderungen folgten nach. Hernan dez 
hat in einem Ausgrabungsbericht aus dem Jahre 1867 (hinter seiner 
Abhandlung über die Mauern in den Abhandlungen der Akademie von 
Barcellona) an einem Beispiel gezeigt, wie zuweilen im Boden vier verschie- 
dene Arten der Bebauung übereinander nachzuweisen sind. Die obersten 
Schichten werden in diesem Falle durch zwei mit geringem 
Zwichenraum übereinander liegende Mosaikfufsböden gebildet. Die 
Mauern standen unter der Aufsicht eines besonderen Offiziers, des 
praefectus murorum (oben S. 182). Eine Anzahl der noch erhaltenen, 
in ihren Fundamenten und den Hauptumfassungsmauem antiken Ge- 
bäude, die in engerem Zusammenhang mit den Thoren, Mauern und 
Thürmen der Burg stehen, werden zu den Gebäuden für militärische 
Zwecke zu rechnen sein. So der sogenannte Thurm des Pilatus, 
ein fester Quaderbau, in welchem die Ueberlieferung durchaus den 
Palast erkennen will, in welchem August krank gelegen habe und 
von welchem aus er der Annahme der spanischen Kirche zufolge das 
Edict zu der Reichsschatzung um die Zeit der Geburt Christi er- 
lassen haben soll. An den Namen des Pilatus knüpfen sich auch 
in Spanien mancherlei Legenden. So heisst z. B. auch der Palast 
der Herzöge von Medinaceli in Sevilla Haus des Pilatus, was mit 
einer Pilgerfahrt eines der Vorfahren nach Jerusalem in Verbindung 
gebracht wird. Wahrscheinlich schon seit dem Beginn des siebenten 
Jahrhunderts war Tarraco mit Emporiae und weiter mit Massalia 
durch eine Militärstrafse verbunden. Etwas später, nachdem Pompeius 
auf dem Pyrenäenpass im Gebiet der Cerretaner an der Grenze von 
Gallien sein schon (S. 195) erwähntes Tropaeum aufgestellt hatte, ward 
von da die Strafse nach Herda gebaut. Die Verbindung von Tarraco 
mit Herda und Caesaraugusta und weiter mit Pompaelo und den 
Vasconen stellte erst Augustus her, veranlasst durch den cantabrischen 
Feldzug; ebenso wie er die Strafse von Berda weiter südlich nach 
Castulo und Corduba und so bis an den Ocean nach Gades führte 



202 Spanien 

und nach seinem Namen via Augiista nannte. Durch diese Ver- 
bindung mit Gallien einerseits und mit der jenseitigen Provinz anderer- 
seits war Tarraco auch strategisch in der Lage, die Hauptstadt der 
ganzen diesseitigen Provinz zu werden; wofür Neukarthago zu weit 
abseits lag. 

üeber die Besatzung selbst geben die Inschriften für die spätere 
Zeit, seit dem Ende des ersten Jahrhunderts, ausreichenden Auf- 
schluss. Mir scheint aus ihnen hervorzugehn, dafs eine beträchtliche 
Abtheilung der YII gemina, jener von Galba in Hispanien selbst 
zuerst ausgehobenen Legion, in Tarraco feste Standquartiere hatte. 
Nicht blofs die grofse Zahl von Inschriften einzelner Offiziere und 
Soldaten dieser Legion, die in Tarraco gefunden worden ist, weist 
darauf hin, sondern mehr noch die Verzeichnisse an den von be- 
stimmten Chargen einzelnen Statthaltern oder ihren CoUegen gesetzten 
Statuen, wie von den cornicularii commentarienses speculatores. Be- 
zeichnend ist in den sämmtlichen Militärinschriften der siebenten 
Legion in Tarraco das Vorwiegen der zur besonderen Dienstleistung 
beim Statthalter befehligten equiies singidares, ft-umentarü, corni- 
culaHi und optiones, so wie besonders der heneficiarii Ein besonderer 
üebungsplatz für diese Truppen wird in einer dem Mars Campestris 
von einem Centurio der siebenten Legion im Jahr 182 gesetzten In- 
schrift erwähnt. Dennoch aber hat sich meines Wissens niemals in 
Tarraco ein Ziegelstein mit dem Stempel der Legion gefunden. 
Eigene Ziegeleien hatte die Legion nur in dem Hauptquartier, das 
von ihr bis heute seinen Namen führt, Leon in Altcastilien, und in 
Italica. Auch keine Inschrift mit dem Namen eines Legaten der 
Legion ist bis jetzt in Tarraco zum Vorschein gekommen. Ich bin 
danach geneigt die vexilla Caesaris in der oben (S. 187) behandelten 
Florusstelle sehr wörtlich zu verstehen, nämlich von der vexülatio der 
siebenten Legion, welche in Tan*aco zur Besatzung gehörte. Denn 
dies ist die amtliche Bezeichnung für eine solche Abtheilung eines 
Truppentheils. Dafs es für die Zeit vor Galba an Zeugnissen über 
die hier stationierten Truppen fehlt, ist auch bereits bemerkt worden 
(S. 189), Die Erwähnungen von Offizieren oder Soldaten anderer 
Legionen oder Hülfstruppen sind zu vereinzelt, als dafs daraus auf 
ihren Aufenthalt geschlossen werden könnte. Man möchte aber hier- 
aus wenigstens den Schluss ziehen, dafs die Besatzung in der Zeit 
von Caesars Tod bis auf Vespasian oft gewechselt hat; sonst bleibt 



, Tarragona 203 

das gänzliche Fehlen von Militärinschriften aus dem ersten Jahrhundert 
auffällig, da doch z. B. von den Inschriften der Flamines und den 
Kaiser- und Legateninschriften ein beträchtlicher Theil noch in das 
erste Jahrhundert gehört. 

Neben den vexülarü der siebenten Legion aber gehörte noch 
eine eigene Provinzial- oder Lokalmiliz zur Besatzung von Tarraco. 
Zum Schutz der Küsten sind einige Cohorten junger Mannschaft, 
tironeSy ausgehoben worden, deren Praefect in Tarraco stand. Daher 
setzt dem einen dieser Praefecten der Conventus von Tarraco eine 
Statue, einem anderen ein Bürger von Barcino. Auch in anderen 
Provinzen lassen sich solche Truppen verschiedener Art nachweisen. 
Aehnlicher Art mögen die beiden cöhm^tes colonicae gewesen sein, 
welche Caesar in Corduba verwendete; auch in Castulo scheint es 
eine solche gegeben zu haben. Vielleicht kann auch der Tribun 
einer cohors maritima in Corduba hierhergezogen werden, Die An- 
griffe, gegen welche diese Truppen die Küsten um Tarraco zu schützen 
hatten, werden wohl hauptsächlich von nordafrikanischen Piraten aus- 
gegangen sein. Dafs von dort her während der Kaiserzeit wieder- 
holte kriegerische Einfälle in die hispanischen Provinzen gemacht 
worden sind, erweisen die Inschriften vollständiger als einige ver- 
einzelte Notizen bei den Schriftstellern. 

Unter den Gebäuden von Tarraco scheint der grofse Tempel Gebäude 
der Provinz immer das hervorragendste gewesen zu sein. Trotz eines 
eigenen curator templi, den wir bestellt finden — er war zugleich 
Aufseher der Mauern und Flamen der Provinz — , musste schon Ha- 
drian den Tempel wieder herstellen, als er zu Tarraco einen Winter 
zubrachte (wahrscheinlich den Winter des Jahres 121 auf 122) und 
Abgesandte der ganzen Provinz dort um sich versammelte, um über 
die Aushebung und Grenzbestimmungen zu entscheiden. Die im Leben 
des Hadrian tiberlieferten Worte (C. 12) sumptu suo aedem Augusti 
restituit, klingen wie ein Stück der Dedicationsinschrift des Tempel- 
baus. Auch entging Hadrian daselbst einem Attentat auf sein Leben, 
dessen Urheber ein Wahnsinniger war. Von dem Kaiser Septimius 
Severus wird femer als ein Anzeichen seiner künftigen Erhebung auf 
den Kaiserthron berichtet, er habe als Praetor in Tarraco einmal ge- 
träumt, er würde den Tempel des Augustus, der schon wankte, wieder 
herstellen. Vielleicht in Verbindung mit dem Tempel stand ein 
Triumphbogen des Kaisers mit Reliefdarstellungen seines Sieges über 



204 Spanien 

die Cantabrer. Ein Stück dieser Reliefs hat sich erhalten. Von 
den anderen Tempeln war der berühmteste der des Jupiter, der alte 
Tempel, wie er im Gegensatz zu dem neuen des Augustus genannt 
wird. Aus diesem Tempel weihte die Gemeinde von Tarraco dem 
Galba einen goldenen Kranz, den er beim Einschmelzen für nicht 
vollwichtig erfand. Auch geschahen in diesem Tempel bei Galba s 
Thronbesteigung einige Wunderzeichen. Warum dieser Tempel aus- 
drücklich der alte genannt wird, lehrt das Fragment des Florus 
(oben S. 173): Zeus sollte auf seinem Ritt mit der Europa unter 
anderem auch in Tarraco gelandet sein, daher die vetus religio und 
die peregrina nöbüitas der Stadt. Auf den Inschriften kommt Jupiter 
mehrere Male vor. Bei dem Abbruch des Geländes zwischen 
Ober- und Unterstadt, dem Steinbruch für die Hafeumolen, ist eine 
Anlage zum Vorschein gekommen, aber sofort wieder zerstört worden, 
die Hernandez als einen deutlich erkennbaren Tempelbezirk bezeichnet. 
Inschriften oder bezeichnende Bildwerke fehlten; aber es ist nach 
seiner Beschreibung nicht unmöglich, dafs der Bau gottes dienstlichen 
Zwecken diente. In einer ganzen Reihe der christlichen Kirchen der 
Stadt hat Pons de Icart aus den Ruinen selbst und durch urkund- 
liche Nachrichten antike Tempelbauten nachgewiesen. Aufserdem 
lehren die Inschriften noch ein templum Minervae Äugustae kennen. 
Unter den inschriftlich bezeugten Gottheiten fehlen nicht die früh 
in den römischen Kultus eingedrungenen orientalischen, wie die dea 
Caekstis; während von iberischen sich nichts gefunden hat. 

Vom Circus und Amphitheater sind noch erhebliche Reste übrig. 
Der Circus lag auffälliger Weise An der oberen Stadt, quer über die 
ganze Breite der Burg beinahe von Mauer zu Mauer reichend, unter- 
halb des grofsen Tempels. Florez giebt ihn nach einem freilich nicht 
sehr voUkommeuen Plan auf 1500 Fufs Länge zu 300 Fufs Breite 
an; Laborde hat keine neue Aufnahme und auch Albinana wie- 
derholt nur den Plan von Florez. Seitdem ist keine Aufnahme ge- 
macht worden. Die Anlage an dieser Stelle, während man dazu 
gewöhnlich den freien Raum ausserhalb der Mauern benutzte, geschah 
gewiss mit besonderer Absicht und muss mit grofsen Kosten ver- 
bunden gewesen sein. Wenn die pmnpa circensis aus dem grofsen 
Tempel in den tiefer liegenden Circus sich herab bewegte, so muss 
das einen prachtvollen Anblick gewährt haben. Mehrere Inschriften 
von Wagenlenkern bezeugen die Frequenz der Circusspiele von Tarraco. 



TarragOBR 205 

Das Amphitheater lag unten am Meer, bei der alten Kirche 
Nuestra Senora del Milagro; jetzt gehört die Ruine zum Gefäng- 
nissgebäude der Sträflinge. Wo das Theater lag, ist nicht bezeugt; 
dafs es ein eisernes Theater gab, beweisen die Sitzstufen desselben, 
die sich bei einem der Thürme an der südwestlichen Seite der Stadt- 
mauer, dem sogenannten Kastell des Patriarchen, gefunden haben. 
Dort in der Nähe, am Abhang des Burgfelsens, wird es also zu 
suchen sein. Die Vertreter der verschiedenen Gemeinden beim Kult 
der Kaiser hatten darin ihre festen Plätze, wie im Amphitheater 
von Lugudunum die Vertreter der gallischen Stämme. 

Das Forum der Colonie wird in zwei Inschriften erwähnt; wo 
es lag, geht zwar aus ihnen nicht hervor; aber es kann nur in der 
oberen Stadt, unmittelbar unterhalb des Augustustempels gesucht 
werden. Auch an Wasserleitungen fehlte es nicht. Pons beschreibt 
ein verzweigtes System antiker Kanäle; ein grofser Aquaeduct, zwei 
Reihen schlanker Pfeiler und Bogen übereinander, bekannt unter dem 
Namen puente de las Ferreras, ist eine Stunde nördlich von Tarra- 
gona an der Strafse nach Valls erhalten. Der sorgfältige Quaderbau 
weist in die augustische Zeit, in welche ich auch den berühmteren 
und noch weit gewaltigeren römischen Aquaeduct von Segovia setzen 
zu müssen glaube. Städtische Thermen werden in den Inschriften 
ausdrücklich erwähnt. In den Umgebungen der Stadt sind hier und 
da noch die römischen Steinbrüche kenntlich. Jetzt dient der 
mittlere Theil der Stadt, die Hochfläche zwischen Hafen und Burg, wie 
schon gesagt, als Steinbruch für den Molo; dabei kommen zahlreiche 
römische Wohnhäuser und die üblichen kleinen Antiquitäten zu Tage. 

Von der Einwohnerschaft der Stadt geben die Inschriften trotz Bewohner 
ihrer Zahl doch nur ein unvollkommenes Bild. Die Grabschriften 
gehören zum gröfsten Theil dem zweiten und dritten Jahrhundert an; 
der republikanischen oder früheren Kaiserzeit angehörige sind, wie 
oben bemerkt wurde, selten, wenn sie auch nicht ganz fehlen. Spuren 
der iberischen Urbevölkerung finden sich nur in einigen Namen solches 
Ursprungs, die sich im ersten Jahrhundert noch erhielten, während 
sie nachher gänzlich verschwinden, und in den schon (S. 180) er- 
wähnten wenigen iberischen Inschriften. Zwei derselben sind zwei- 
sprachig, geben aber dennoch keinen Auf schluss über die iberischen Worte, 
die sie enthalten. Auf der einen, einer jetzt verlorenen Grabschrift, 
liest mau unter der iberischen Schrift die lateinischen Worte Fulvia 



206 Spanien 

lintearia. Das zweite Wort ist offenbar appellativisch zu verstehn; 
jene Fulna war eine Leinweberin oder Händlerin mit Leinenzeug. 
Der Flachs von Tarraco wird von Plinius nach dem von Saetabis, 
jetzt J4tiva, südlich von Valencia, ausdrücklich hervorgehoben, lieber 
die Schriftformen lässt sich nach den Abbildungen nicht mit Be- 
stimmtheit urtheilen; das der Fulvia, gewiss einer Frau niederen oder 
mittleren Standes, wohl einer Libertina, fehlende Cognomen weist 
mit Sicherheit spätestens auf die frühere augustische Zeit, viel- 
leicht noch auf die voraugustische. Auf dem anderen Stein hat sich 
vom lateinischen Text nur die bekannte Schlussformel heic est sitfusj 
erhalten; darauf folgte der iberische. Auch hier führt der Diphthong 
in dem heic zwar nicht mit Nothwendigkeit in die voraugustische, 
aber sicher in eine nicht sehr viel spätere als die augustische Zeit. 
Zwei Inschriften sind noch vorhanden, die eine, ein iberischer Text von 
zwei Zeilen , befindet sich auf einem kleinen Altar, welcher die Formen 
keineswegs alter römischer Zeit zeigt. Auch unter den zahlreichen 
Töpferstempeln von Tarraco sind einige mit unzweifelhaft iberischer 
Schrift, auf Scherben, welche sich von denen mit römischen Töpfer- 
stempeln durchaus nicht unterscheiden. Ausser der zur militärischen 
und zur Verwaltung gehörigen niederen Beamtenschaft treten in den 
Grabschriften Gewerbe und Handwerke nicht besonders hervor; doch 
fehlen wenigstens nicht die alten Zünfte der Zimmerleute und Tuch- 
macher; auch Aerzte und Kaufleute werden genannt. 

Von der Flachsproduction ist soeben gesprochen worden. Das 
Leinen von Tarraco scheint danach wie die Wollstoffe von Saetabis 
einen Hauptausfuhrgegenstand nach Italien gebildet zu haben. Besonders 
grofs muss der Verbrauch an Töpfergeschirr in Tarraco gewesen sein, 
nach den Massen von rothen Scherben mit Stempeln römischer Töpfer 
zu schliessen, die daselbst zum Vorschein gekommen sind. Ein Theil 
dieses Geschirrs scheint in Tarraco selbst fabriciert worden zu sein; 
darauf deuten jene erwähnten Stempel mit iberischen Buchstaben. 
Viel Geschirr ist aus Italien, z. B. aus Arretium in Eturien, ein- 
geführt worden. Wie sich von diesem Geschirr das berühmtere von 
Sagunt unterschied, ist unbekannt. In der Technik sind die Scherben 
von Tarraco durchaus nicht verschieden von denen, welche man jetzt 
noch in Sagunt findet, so sehr sich auch die Lokalantiquare bemühen 
einen solchen Unterschied herauszufinden; doch ist es leicht möglich, 
dafs ein achtes Specimen von Saguntiner Geschirr bis jetzt überhaupt 



Tarragona 207 

noch nicht zum Vorschein gekommen oder unter den vorhandenen 
Scherben nicht erkannt worden ist. 

Den Weinbau von Tarraco, welchen die römischen Eroberer wie 
überall so auch hier gewiss früh eingeführt haben, preisen Plinius 
und die Dichter. Der Wein von Tarraco wird mit dem von Lauro 
— das ist der Vorgänger des heutigen Malaga — und dem von 
den balearischen Inseln, der ebenfalls jetzt wieder geschätzt wird, 
dem der Umgebungen von Barcellona vorgezogen und fast den besten 
campanischen Weinen gleichgestellt. Noch heute geniesst der sehr 
kräftige Wein der Ebenen und Höhen von Tarragona und Reus, der 
Wein des Priorats, gerechtes Ansehn und wird in Massen ausgeführt, 
besonders nach Frankreich zur Herstellung französischer Weine. 

Auch an Fremden^fehlt es nicht in den Inschriften von Tarraco. 
Ein griechischer Erzieher, . verschiedene Leute aus afrikanischen 
Städten, wie Cirta und Leptis, auch aus anderen spanischen Städten 
Eingewanderte, so wie ein Mann aus Rom sind ausdrücklich als 
Fremde bezeichnet. In den vornehmen Häusern der Stadt muss die 
Aufnahme ^on Fremden häufig gewesen sein. In einem derselben 
fand sich eine Marmortafel mit folgendem zierlichen Spruch in 
Schriftformen etwa hadrianischer Zeit: 

si nitidus vivas eccum domus exornatast; 
si sordeSy paiior; sed pudet hospitium, 
'Wenn du reinlich lebst, siehe, dann ist diefs Haus zu deinem Em- 
pfange gerüstet; wo nicht, dulde ich dich, aber dann reut mich die 
gastliche Aufnahme'. Es klingt darin der Ueberschwang von Höf- 
lichkeit wieder, der noch heute den Spaniern eigen ist und dem 
Gastfreund das Haus zur Verfügung stellt. Doch wird die Freund- 
lichkeit hier sehr scharf auf den an feine Lebensweise Gewöhnten 
beschränkt. 

So erwuchs die Stadt, von dem glücklichsten Klima begün- 
stigt. Martial rühmt mit treflfendem Wort das sonnige Gestade 
von Tarraco; Florus in dem schon erwähnten Fragment meint, in 
Tarraco vermischten sich die Jahreszeiten und das ganze Jahr ahme 
dem Frühling nach. Von ihrem Reichthum zeugen die Häuser, Villen 
und Gräber, besonders ein grofses freistehendes Grabdenkmal wohl 
noch aus augustischer oder wenig späterer Zeit, an der Strafse 
nach Barcino, das vom Volk der Thurm der Scipionen getauft worden 
ist, mit den telamonischen Reliefgestalten zweier gefangener Krieger, 



208 Spanien 

Ferner ein Ehrenbogen ans trajanischer oder hadrianischer Zeit über 
derselben alten Strafse, der nach testamentailscher Bestimmung des Li- 
cinins Sura errichtet worden ist, die torre d' JEn Barrd; Sura ist der 
anch sonst bekannte Legat und Freund des Trajan. Dazu eine Beibe 
von zerstreuten Resten römischer Wohnsitze in der weiteren üm- 
gebnng der Stadt. Auch schmückten an Zahl und Werth mcU 
unbedeutende Kunstwerke das römische Tarraco, die in dem kleinen 
Mnseum im Stadthaus vereint sind. 

So ungefähr gestaltet sich unsere Anschauung von Tarraco nach 
den Zeugnissen der Schriftsteller, den erhaltenen Denkmälern, den 
Münzen und den Inschriften. Allein beleben kann diess Bild nur, 
wer die hochgelegene Stadt kennt, mit ihrem unveränderlich herrlichen 
Klima, mit ihrem unvergleichlichen Blick übers Meer und zu den 
fernen Küsten nach Nord und Süd, mit ihrer lachenden Umgebung 
und deren unerschöpflichem Segen besonders an den köstlichsten 
Weinen. Handel und Verkehr, die lange völlig stille standen, verdanken 
ihnen vor allem fröhlichen Aufschwung. Deutscher Fleifs und deutsche 
Einsicht sind dabei nicht unbetheiligt. Und wenn auch das mächtig auf- 
strebende nahe Barcellona, das schon im Alterthum in mannigfachen 
Beziehungen zu Tarragona stand, als volkreiche Grofsstadt dieses 
verdunkelt, so bleibt ihm doch der unentreifsbare Vortheil der weit 
bevorzugteren Lage in seiner Höhe und der Ruhm uralter geschicht- 
licher Bedeutung. 

n. 
Die Balearen. 

Aus der Deutschen Rundschau Jahrgang XIV 1888 Heft 6 S. 362—377 
mit einigen Erweiterungen wiederholt. 

Ueber die Balearen ist mancherlei geschrieben worden. Dennoch 
gehören sie zu den am wenigsten bekannten Örtlichkeiten des süd- 
lichen Europa' s. Es gibt noch keinen Bädeker für Spanien; selbst 
in Richard Fords in seiner Art trefflichem englischen Reisehandbuch 
fehlen die Balearen, wenigstens in den älteren, unverkürzten Aus- 
gaben. Die französischen Reisehandbücher sind sehr unzulänglich. 
Seit George Saud Mallorca und seinen Bewohnern ein keineswegs 
schmeichelhaftes Erinnerungsdenkmal gesetzt hat, ist ein halbes Jahr- 



Die Balearen 209 

hundert verflossen. Yieles hat sich seitdem, sehr zum Vortheil, ver- 
ändert. Die Insehi sind jetzt leicht zu erreichen und im Frühling 
ein entzückender Aufenthalt. Es kann freilich noch lange dauern, 
bis man auf ihnen auch nur einen bescheidenen Theil derjenigen 
Bequemlichkeiten finden wird, an die der europäische Keisende ge- 
wöhnt ist. Nur zu naturwissenschaftlichen Zwecken sind sie genauer 
durchforscht worden. Die merkwürdigen Denkmäler der Urbevölkerung, 
die besonders zahlreich auf Menorca erhalten sind, haben wiederholt 
die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich gezogen. In dem Urtheil 
über ihr Alter und ihre Bedeutung ist jedoch noch keine Ueberein- 
stimmung erreicht. Ich habe die Inseln zum Zweck archäologischer 
und epigraphischer Untersuchungen zwei Mal besucht, in den Jahren 
1860 und 1886, und das Meiste von dem gelesen, was über sie 
geschrieben worden ist. Vielleicht dürfen die so gewonnenen Ein- 
drücke auch in weiteren Kreisen auf einiges Interesse rechnen. 

I. Menorca. 
Zur Sommerszeit fährt jeden Mittwoch Nachmittag der gute, in 
England gebaute Post- und Personen dampfer, genannt „Der neue 
Mahoneser", von Barcellona nach Mahon. Um die Mitte des August 
steht dann die Sonne bald so tief, dafs das Meer, wenn ihre Strahlen 
es durchleuchten, in reichster Farbenpracht bald purpurn erscheint, 
bald grünlich glänzend, im Schatten dunkelblau. Ein leichter Süd- 
wind weht von Afrika her, der Libecho, oder libysche Wind, und 
macht die Hitze erträglich. Sobald man die Molen der weiten 
Hafeneinfahrt hinter sich hat, schiefsen Delphine in hohem Bogen 
aus dem Wasser und begleiten das Schiff weithin. Während die 
Sonne in Hildebrand' scher Farbengluth hinter goldenen Wolken unter- 
geht, ballt sich über der Küste Cataloniens leichtes Gewölk zu- 
sammen, von dem sich die scharf beleuchteten Gebirge um so heller 
abheben. Es ist ein grofsartiges Küstenbilü. das die catalanischen 
Gebirge, von hoher See aus gesehen, darbieten; je weiter man sich 
entfernt, desto mächtiger aufsteigend. Prachtvoll erhebt sich rechts 
im Norden von Barcellona der gewaltige Mont Seny, links die hohe 
Säge des Monserrat, die uns aus Wilhelm von Humboldts 
berühmter Schilderung bekannt ist. Nach Süden hin weit gestreckt 
eine Gebirgslinie hinter der anderen, zuletzt im goldenen Abendduft 
verschwindend. Nach Sonnenuntergang, wenn die letzten Segel ein- 

Hübner, Westeuropa. 14 



210 Spanien 

zelner Fischerboote, denen man allein begegnet, aufser Sicht sind, 
streichen etwas höhere Wellen von weitem her und machen das 
Schiff ein wenig „tanzen'*, wie es die Spanier nennen. Die Reisen- 
den sind meist aus Cuba oder anderen Colonien heimkehrende Familien, 
mit Frauen, Kindern und Negerinnen, die der alten Heimat einen 
Besuch abstatten. Sie verschwinden bei höherem Seegang in die 
Cabinen, obgleich in diesen eine Luft herrscht wie in einer warmen 
Badezelle. Bald stört nichts mehr den Genuss der erhabensten 
Stille: „der Tag wie herrlich und die Nacht wie grofs". Das 
Funkeln der Sterne und der Glanz der Milchstrasse, die sich leuchtend 
im Wasser spiegelt, erinnern an die südliche Breite. 

Nach einer zwölfstündigen Fahrt legt das Schiff auf der weiten 
einsamen Rhede von Alcudia, der Nordwestecke von Mallorca, an, 
um die von dort nach Menorca Reisenden und die Post aufzunehmen. 
Im Morgensonnenschein zeigen sich ringsum die sonderbar geschwun- 
genen kahlen Felsprofile der Küsten von Mallorca. Wenn das Schiff 
nach kurzem Aufenhalt die Rhede verlässt, schieben sich die Küsten 
in wechselnden Bildern hinter- und nebeneinander und verschwinden 
zuletzt. Man fährt in dem wegen seiner kurzen Wellen gefürchteten 
Kanal zwischen den beiden Inseln hin. Keine der breiten violett- 
blauen Wogen überschlägt sich zwar, aber das Schiff schaukelt doch 
merklich, Tische und Stühle umwerfend und das Gehen auf Deck 
erschwerend. Bald taucht das flache und scheinbar völlig reizlose 
Felsplateau von Menorca aus dem Nebel auf. Nur der stumpfe 
Kegel des Monte Toro, ziemlich in der Mitte der langgestreckten 
Insel, gibt ihr eine Art von Profil. 

Wenn das Schiff, das flache Felsenriff der „Insel der Luft" mit 
ihrem Leuchthurm zur Rechten lassend, nahe der steilen Küst« links 
wendet und in den berühmten Hafen von Mahon einbiegt, so sieht 
man gleich, dafs hier die Natur in fast vollkommener Weise Schutz 
gegen Stürme aus allen Himmelsrichtungen geschaffen hat. Denn in 
der Bucht weht fast kein Luftzug; erst wer die Leuchtthurminsel 
passiert hat, kommt in „die Luft". Geöffnet ist die sechs Kilometer 
lange Bucht gegen Südost, die ungefährlichste Windseite in jenen 
Gewässern. Nach allen anderen Richtungen hin schützen sie niedrige, 
fast ganz kahle Höhenzüge. Einen solchen Hafen haben sich schon 
die phönikischen Seefahrer der ältesten Zeit sicher nicht entgehen 
lassen. Auf der Südseite zeigen sich bald der neu und regelmäfsig 



Die Balearen 211 

angelegte Fischerort Villa Carlos und die verfallenen Bastionen des 
Forts San Felipe, im Norden die ausgedehnten neuen Befestigungen 
der „Mola'' mit ihren Krupp' sehen Geschützen. Mola (castilianisch 
Muela, Backzahn) ist ein in jenem Sprachgebiet überall üblicher 
Name für die eine Bergkuppe kranzartig krönenden Festungsanlagen; 
er passt hier besonders gut. An der Mola vorüber gleitet das Schiff 
v^ie auf einem breiten Fluss, der stellenweis an den Khein erinnert; 
nur dafs unleidliche weifse Windmühlen den landschaftlichen Eindruck 
stören. Endlich, etwa um zwei Uhr, landet es vor der kleinen 
Rhede von Mahon, fast im äufsersten südwestlichen Winkel der Bucht. 
Mahon macht trotz seines hohen Alterthums — es ist das 
phönikische Mago, später ein römisches Kastell — den Eindruck 
einer völlig modernen Stadt. , Es verdankt dies in erster Linie der 
langen englischen Herrschaft. Im spanischen Erbfolgekrieg, zuerst 
im Jahre 1708, wurde die Insel von den Engländern besetzt, und 
blieb dann fast ein Jahrhundert (1713 bis 1782 und dann wieder 
1798 bis 1802) in ihrem Besitz. Von dem Wohlstand und dem 
lebhaften Verkehr, dessen sich die Stadt damals erfreute, ist so gut 
wie nichts übrig. Wer möchte nicht dem kleinen Inselvolk die 
Wiedervereinigung mit der Krone seines Stammes herzlich gönnen? 
Es gibt keinen Spanier, der nicht bei dem Gedanken an diese Wieder- 
vereinigung und die Abtretung der ebenso willkürlich besetzt ge- 
haltenen jonischen Inseln die stille aber feste Hoffnung hegte, dafs 
es dereinst auch noch einmal mit Gibraltar ebenso gehen werde. 
Damals und auch später noch ankerte hier den Winter über die 
englische Mittelmeerflotte, zuweilen auch die niederländische auf ihren 
Fahrten nach Batavia. In dem weiten Hafen liegen jetzt, aufser dem 
spanischen Postdampfer aus Barcellona und hin und wieder dem fran- 
zösischen, der auf der Fahrt von Toulon nach Algier hier . anzulegen 
pflegt, nur ein paar kleine Küstenfahrer und einige Fischerboote. 
Auch die durch den Einfluss der englischen Sitte bedingte Aehnlich- 
keit mit Gibraltar und Porto, die man früher bemerkt hat, ist fast 
ganz verschwunden. Nur in der Bauart der Häuser, in der Arbeit 
ihrer Thüren und Fenster, zeigt sie sich noch. Eine gewisse mili- 
tärische Bedeutung wird den Befestigungen von Mahon noch jetzt 
beigelegt. Es gibt einen kommandierenden General mit zahlreichem 
Stabe, eine hauptsächlich aus Artillerie bestehende Besatzung und 
einen nicht unbedeutenden Geschützpark. Ihm steht zur Zeit ein 

14* 



212 Spanien 

liebenswürdiger junger Capitain vor, der die deutschen Manöver im 
Herbst 1884 mitgemacht hat und deutsch spricht. Ein gröfseres 
Kriegsfahrzeug scheint nicht regelmäfsig in Mahon stationiert zu sein; 
aber man sprach von einem Torpedoboot. Ich sah nur einen winzigen 
Zollkutter. Die weifsgetünchte Stadt, bergauf gelegen, hoch oben 
das verfallene Kastell und die Kathedrale, bietet auch nicht das ge- 
ringste architektonische Profil von einiger Schönheit, wie man es 
selbst an den kleinsten italienischen Küstenorten gewohnt ist. Mahons 
alter Handel, der vor der Entdeckung Amerika' s die uralte Verbin- 
dung mit Italien, Griechenland und dem Orient aufrecht hielt, ist 
seitdem tief gesunken. Die Einwohnerzahl beträgt nur noch 12 000 
Seelen und ist, wie es scheint, in steter Abnahme begriffen. Kirchen 
und Schulen, die stillen Strafsen und Plätze machen den dürftigsten 
Eindruck. Aufgehobene und verfallende Klöster mit weiten geweifsten 
Höfen, in denen das Unkraut wuchert; ein paar öffentliche Promenaden, 
die eine ganz hübsch gelegen mit dem Blick über den Hafen, ge- 
nannt la Miranda, die andere, vornehmere, vor den Kasernen, in 
ödester Umgebung. Das kleine Stadthaus mit offener Halle davor 
ist völlig stillofs; die Kathedrale innen und aufsen elend geweifst und 
schmucklofs, obgleich von guten Verhältnissen. Nur die Provinzial- 
bibliothek, in einem früheren Kloster untergebracht, in welchem sich 
auch das Instituto, die höhere Schule, befindet, ist wohlgehalten, und, 
Dank mancher Zuwendung von Privaten, verhältnissmälsig reichhaltig. 
Denn es fehlt nicht an Wohlhabenden; Handel, Landbesitz, in den 
Colonien erworbener Reichtum gewähren der nüchternen Genügsam- 
keit den Luxus wohleingerichteter Stadt- und Landhäuser. Der 
ärmere Theil der Bevölkerung, soweit sie nicht auch aus kleinen 
Landbesitzern besteht, befleissigt sich seit neuerer Zeit in ausge- 
dehntem Maafse des edlen Schusterhandwerks. Mahon ist eine wahre 
Schusterstadt; massenhaft wird billiges Schuhzeug von hier besonders 
nach Südamerika ausgeführt. Das Leder dazu liefern reiche Kauf- 
herren aus Barcellona; einer der hochangesehnsten darunter ist ein 
Landsmann von uns. Daneben bieten Schifffahrt und Fischfang, die 
uralten Haupterwerbszweige, nur noch kümmerlichen Ertrag. Ge- 
sprochen wird in Menorca eine besondere Abart des Limousin, der 
dem Provenzalischen bekanntlich weit näher als dem Castilianischen 
stehenden Sprache der Catalanen und Valencianer. Das Landvolk 
spricht nur das Menorcanische und versteht kaum das Castilianische, 



Die ßalearen 2l3 

trotz der jahrhundertelangen Zugehörigkeit zur aragonisch-castilischen 
Krone. 

Auf Grund der insularen Selbstgenügsamkeit haben leider in der 
jtlngsten Zeit republikanisch - föderalistische Gesinnungen und der so- 
genannte „Catalanismus", die neueste Blüthe unsinniger staatsfeind- 
licher Bestrebungen, auch auf der Insel einige Verbreitung gefunden. 
Aber die politischen Wogen schlagen trotz der jetzt regelraäfsigen 
und das ganze Jahr hindurch kaum unterbrochenen Verbindung mit 
Barcellona ziemlich kraftlofs an das friedliche Eiland. Es hat allen 
Grund, der Monarchie für viele Wohlthaten dankbar zu sein; z. B. 
für die trefflichen Leuchthürme, die hier wie für die anderen bale- 
arischen Inseln aus der Kriegskontribution Marocco's vom Jahr 1861 
durch O'Donnells Regiment beschafft worden sind. Die vorzügliche 
Fahrstrafse von Mahon nach Ciudadela stammt noch aus der eng- 
lischen Zeit. 

In Bustamante's Gasthaus findet der Fremde von bescheidenen 
Ansprüchen gute Unterkunft und überall auf der Insel freundliches 
Entgegenkommen; denn er ist ein seltener und darum gern ge- 
sehener Gast. 

Die Insel ist acht bis neun spanische Leguen lang und drei bis 
vier breit. An ihrer Mahon entgegengesetzten flachen westlichen 
Spitze ist eine ähnliche, nur weit kleinere und^ schmalere Bucht, wie 
die von Mahon. An dieser liegt „Ciudadela'', die Citadelle der 
Insel, eine kleine Stadt mit altem Castell ujid einer Kathedrale, der 
Sitz des Bischofs und des Adels von Menorca. Sie ist die zweite 
phönikische Gründung auf der Insel, einst lamo^ genannt, und später 
wie Mago von den Römern besetzt. Doch hat die Stadt jetzt nur 
7300 Einwohner und ist noch weit stiller als Mahon. 

Zwischen Mahon und Ciudadela, auf der südlichen Seite der 
Insel, liegen die wenigen gröfseren Ortschaften des Binnenlandes, 
Alayör, San Cristöbal, Mercadal und Ferrerias; alle dürftig und ver- 
kommen. In den fruchtbaren nach Süden geöffneten Thalschluchten, 
den Barrancos, wie z. B. in der von Alpendrdl, werden Orangen 
und Gartenfrüchte aller Art gezogen. Auf der steinigen Höhe wird 
zwar Weizen gebaut, und es gedeihen Feigen und Oliven; aber mit 
Mallorca kann sich die Insel an Fruchtbarkeit nicht messen. So- 
bald man die Mauern Mahons hinter sich hat, etwa auf der Strafse 
nach San Cristöbal, oder in den engen Fahrwegen zwischen den von 



214 Spanien 

gewaltigen Steinmauern eingeschlossenen Feldern, tritt der gleich- 
mäfsige Charakter der Landschaft von Menorca hervor. Spärliches 
Grün, einzelne Feigen-, Lorbeer- und Johannisbrodbäume, Hecken 
indischer Feigen und Buchsbaumbüsche, hier und da eine Dattel- 
palme, geben mit den weiss getünchten Gehöften dem einförmig 
grauen Felsboden einige Abwechselung. Alles aber beherrscht als 
Hintergrund die überall blaue Fläche des Meeres. Einen Ueberblick 
über die ganze Insel gewährt die Aussicht von dem früheren Kloster 
auf dem Monte Toro, der 1344 Meter hoch ist, östlich von Mer- 
cadal. Von Norden her wehen das ganze Jahr hindurch oft scharfe 
und kalte Winde über den Golf von Lyon. Das Klima gilt desshalb 
für ungesund. Die Nordküste zeigt nur eine tiefe Bucht, die Ria 
von Fomells. Die Scheerenbildung der überall steil abfallenden 
Küste (nur die westliche Spitze bei Ciudadela läuft flach und sandig 
aus) und in ihr das alte und immer neue Spiel der Wogen, ihr 
friedliches Rauschen und Glänzen, aber auch ihr von den Nord- und 
Nordweststürmen gepeitschtes Tosen, das zu tiefen Aushöhlungen der 
Felsen und Riffe geführt hat, verleiht der Landschaft ihren beson- 
deren Reiz. Es ist ein stilles und ernstes Bild, hier und da wohl 
an manche andere Insel des Südens erinnernd, aber doch von allen 
verschieden. 

Für den Alterthumsforscher hat das Innere der Insel einen be- 
sonderen Reiz. Noch sind nahe an zweihundert uralte, aus trocken 
übereinander geschichteten Steinen erbaute Denkmäler der Urbewohner 
auf der Insel erhalten, hauptsächlich auf ihrer fruchtbaren und besser 
angebauten Südhälfte. Es sind zum gröfseren Theil thurmähnliche 
Bauten, theilweis noch bis zu 15 Meter hoch, mit nur einem, meist 
hoch gelegenen und durch äufsere Rampen oder innere Treppen zu- 
gänglichen Thor oder Fenster. Sie haben früher wegen der freien 
Aussicht, die sie bieten, als Seewarten gedient und führen davon 
ihren Namen: Talayots, d. i. grofse Atalayas oder Warten. Da- 
neben finden sich kleinere hüttenähnliche Bauten aus gewaltigen rohen 
Blöcken, theilweis einem mit dem Kiel nach oben liegenden Boot 
ähnlich und daher vom Volk Navetas, Schiffchen, genannt. Endlich 
gibt es auch einzelne aufrecht strebende Steine oder aus zwei über- 
einandergelegten Blöcken bestehende Altäre oder Tische, Taulas 
(d. i. Tavolas) genannt, und Steinkreise. Die Thürme erinnern am 
meisten an die sardinischen Nurhagen. Wie diese jetzt von den 



Die Balearen 215 

einsichtigsten Kennern mit Recht für kostbare Grabmäler der Vor- 
nehmen angesehen werden, trotzdem sie zuweilen mehrere Stockwerke 
übereinander zeigen und im Grundriss von complicierter Anlage sind, 
so sind auch die Talayots unzweifelhaft Grabbauten, nicht Wohnungen 
oder Festungen. In Sardinien gibt es neben den Nurhagen die so- 
genannten Riesengräber; auch die Hütten und Schiffchen auf Menorca 
sind Gräber. Im Interesse des Landbaues werden nach und nach 
immer mehr dieser zuweilen selbst durch äussere Schönheit und 
Sorgfalt der Ausführung hervorragenden Denkmäler zerstört und ab- 
getragen. Vergebens haben patriotische Verehrer der heimischen 
Alterthüraer ihre Stimme erhoben, um für ihren Schutz und ihre 
Wiederherstellung einzutreten. Es fehlt am nöthigsten, um sie zu 
schützen und zu erhalten, am Gelde. Wenigstens sollten, da man 
ihren allmäligen Untergang nicht zu hindern vermag, photographische 
Aufnahmen und genaue architektonische Zeichnungen von ihnen her- 
gestellt und so wenigstens ihr Bild der Nachwelt erhalten werden. 
Die einzigen brauchbaren Aufnahmen haben einige Liebhaber gemacht, 
der italienische General Alberto della Marmor a, der sie in den 
dreifsiger Jahren um des Vergleiches mit den sardinischen Nurhagen 
willen besuchte, und ein reicher, für das Alterthum begeisterter 
Bürger von Barcellona, Don Juan Martorell, der seiner Vaterstadt 
ein naturwissenschaftliches Museum gegründet hat. Neuerdings hat 
Herr E. Cartailhac in Toulouse, der den vorgeschichtlichen Alter- 
thümern Spaniens ein schönes Buch gewidmet hat, die Talayots 
studiert und bereitet dem Vernehmen nach ein Werk über sie vor. 
Das Volk, das diese Denkmäler, vielleicht im Laufe von Jahr- 
hunderten, schuf (denn sie zeigen mancherlei Verschiedenheiten unter- 
einander), war sicher das den Iberern nächst verwandte, seit uralter 
Zeit auf den Inseln ansässige. Phönikische Ansiedler, wie man früher 
meist annahm, haben solche Bauten nicht ausgeführt. Von den 
phönikischen Ansiedlungen und der karthagischen Herrschaft sind 
hier ebenso wie in den alten Phönikierstädten Spaniens, Cadiz und 
Malaga, aufser den Namen und Münzen keine Spuren nachweisbar. 
Deutlich aber lässt sich die römische Herrschaft erkennen, besonders 
aus inschriftlichen Denkmälern, die sich gefunden haben. 

Die zwei Städte der Insel, Mago und lamo, Mahon und Ciuda- 
dela, gelten wohl mit Recht für phönikische Gründungen oder wenigstens 
für Plätze phönikischer Niederlassungen; denn schon die einheimische, 



216 Spanien 

vorphönikische Bevölkerung mag dort befestigte Wohnsitze gehabt 
haben. Aber schon der Eroberer der Inseln, Quintus Caecilius 
Metellus, der später von seinem Triumph über die Inseln den Sieges- 
beinamen Balearicus führte, der Zeitgenosse der Gracchen, hat sich 
im Jahre 122 v. Chr. der beiden Städte der kleinen Insel be- 
mächtigt und römische Besatzungen in ihnen zurückgelassen. Beide 
sind nach und nach zu nicht unansehnlichen römischen Municipien 
herausgewachsen, die unter Vespasian latiiiisches Stadtrecht erhielten 
und sich demnach amtlich municipium Flavium Magontanum und 
lamoniunum nannten. Die wenigen römischen Inschriften, die sich 
dort erhalten haben, gehören in das Ende des ersten und das zweite 
Jahrhundert; sie zeigen die üblichen Formen der städtischen Ver- 
fassung. In lamo scheint auch in der Eaiserzeit eine kleine Be- 
satzung gelegen zu haben; der heutige Name der Stadt, Ciudadela, 
bewahrt die Erinnerung daran, dafs sie von jeher die befestigte 
Citadelle der Insel war. Eine von Trajan angelegte Strafse ver- 
band beide Städte. In den kleineren Orten haben sich nur gering- 
fügige Spuren des römischen Lebens erhalten. An der Südküste, 
im Bezirk von Alayör, etwas westlich von San demente, sind an 
einer der kleinen Buchten zahlreiche Höhlen, in deren Felswände 
Weihungen römischer Schiffer, wie es scheint, an eine lokale Gott- 
heit, aus dem zweiten Jahrhundert, eingehauen sind. 

n. Palma. 
Völlig verschieden von dem Anblick der kleineren Insel ist der 
Mallorca' s. Schon von fern zeigen sich dem von Barcellona oder 
Valencia Kommenden die zackigen Felsen der Nordküste. Hinter 
den schroffen Klippen der Dracheninsel (Dragonera) thürmen sich in 
wunderbaren Formen kahle Kalksteingebirge auf. Man sieht, an den 
Küsten hinfahrend, zunächst nur einzelne Wachtthürme, keine mensch- 
lichen Wohnungen; die Ortschaften liegen in tiefen Buchten versteckt. 
Sobald man das Gap von Gala Figuera (die Feigenbucht) umschifft 
hat, öffnet sich die weite Bai von Palma. Bald erscheinen statt der 
schroffen Klippen bewachsene Höhen und weifse Ortschaften. Links 
der alte Hafen von Porto PI, von zwei Thürmen flankiert, und das 
Kastell von Bellv^r; dann Palma selbst mit belebtem Hafen, über- 
ragt von der alten Königsburg mit der Kathedrale; rechts die flache 
Ostküste der Bai, die sich bis zum weifsen Vorgebirge (dem Gap 



Die Balearen 217 

Blanco) dehnt; dahinter die fernen Höhenzüge des südöstlichen Theils 
der Insel. Manchem ist bei diesem Anblick die Erinnerung an den 
Golf von Neapel aufgestiegen. Die Bai von Palma hat in ihrer Ge- 
staltung trotz wesentlicher Verschiedenheiten allerdings Vieles mit 
jenem gemein. Nur ist sie viel kleiner; sie misst vom Cap Gala 
Figuera bis zum Cap Blanco etwa 20 Kilometer, und etwa 25 von 
dieser Linie bis zur Rhede von Palma. 

Von Porto Pi oder dem Kastell von Bellv^r (der schönen Aus- 
sicht) hat man einen Blick, der dem vom Posilipp im Kleinen gleich- 
kommt. Man überschaut von da aus das reiche Hügelland, das sich 
von Palma nördlich landeinwärts erstreckt. Das Gartenland um die 
Stadt ist so reich angebaut wie die Terra di Lavoro. In der Ebene, 
die durch sonnige Hügel und schroffe Höhenzüge gegen Norden ge- 
schützt ist, dichte Orangengärten, Lorbeerhaine, Feigen-, Oliven- und 
Mandelbäume in üppigster Fülle; weiter hinauf Lorbeer, Myrthen 
und Buchsbaum. Alle Mannigfaltigkeit eines gröfseren Festlandes 
ist hier vereint, mit einziger Ausnahme eines schiffbaren Flusses. 
Ein Inselkönigreich nach dem Herzen der romantischen Poesie, das 
wahre Urbild zu Shakespeare' s am Meer gelegenem Böhmen und allen 
ähnlichen glücklichen Eilanden. 

Palma selbst, die Hauptstadt — bis zur Mitte des siebzehnten 
Jahrhunderts hiefs sie officiell „die Stadt von Mallorca ^ — , macht 
den freundlichsten Eindruck. Zwar mag es noch lange dauern, bis 
sie den Glanz wieder erreicht haben wird, den sie im vierzehnten 
und fünfzehnten Jahrhundert besafs, als sie ein Hauptstapelplatz des 
orientalischen Handels nach dem Westen war. Schon vor und noch 
unter der arabischen Herrschaft haben Juden, wie es scheint aus 
Nordafrika, dann, nach der Eroberung, griechische und italienische 
Kaufherren hier wie auf Menorca sich niedergelassen. Die Erobe- 
rung, oder wie man lieber sagt, die Wiedereroberung, durch König 
Jaime I. von Aragon (im Jahre 1229), war für die Insel der Beginn 
ihres höchsten Aufschwungs. Nach langem Daniederliegen beginnt 
sich jetzt der Handel wieder zu heben. Die Ausfuhr der reichen 
Erzeugnisse des Landes — Südfrüchte aller Art, dazu Marmor, Kalk 
und vor allem Salz — befrachtet manches Segelschiff und manchen 
Dampfer. Auch der Wein der Insel, besonders der aus den Um- 
gebungen von Manacör, wird jetzt in grofsen Mengen ausgeführt, 
hauptsächlich nach Frankreich. Wie den catalanischen und aragoni- 



218 Spanien 

sehen Winzern und den Häfen Cataloniens und Valencia' s kam 
auch Mallorca die Reblauskrankheit im südlichen Frankreich und die 
dadurch herbeigeführte ungeheure Verminderung der Weinproduction 
daselbst zu Gute. Die süfsen Weine der Insel, ihrer alten Verbin- 
dung mit Griechenland entsprechend überall unter dem Namen Mal- 
vasla bekannt, nehmen es mit den besten spanischen der Art auf. 
Reger Gewerbfleifs hat sich entwickelt und nimmt die alten Erwerbs- 
zweige von Neuem auf; so werden z. B. in Felanitx leichte Töpfer- 
waaren mit und ohne Glasur wieder in eigenthtimlichen Formen 
hergestellt. Berühmt ist die Zucht der vortrefflichsten, grofsen Maul- 
thiere; auch Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine gedeihen. Schiff- 
fahrt und Fischfang erwachen langsam aus Jahrhunderte langem 
Schlaf. Am Hafen sind die alten Bastionen und Thore, wie in 
Barcellona, beseitigt worden; nur nach der Landseite hin umgeben 
sie noch die Stadt. Früher war die Rhede offen und daher die 
Aus- und Einschiffung oft recht unbequem. Der neu ausgebaute Molo 
und mehrere Leuchtthürme haben viel zur Hebung des Seeverkehrs 
beigetragen. Auch Mallorca' s Küsten sind jetzt abermals, Dank der 
maroccanischen Kriegscontribution von 1861, mit zahlreichen Leuchten 
versehen. Im Hafen liegt stets eine nicht unerhebliche Zahl gröfserer 
Dampfer; spanische, die den Verkehr mit Barcellona, Valencia, Ali- 
cante und den spanischen Colonien vermitteln, einzelne englische und 
französische, dazu auch hin und wieder ein deutscher; sowie nicht 
wenige gröfsere und kleinere Segelschiffe. Die uralten Hülfsquellen 
des Landes sind noch keineswegs versiegt. Es wird Geld verdient; 
die Versicherung der mit den Verhältnissen vertrauten Einheimischen, 
dafs es überall, wenn auch langsam, vorwärts geht, bestätigt der 
Augenschein; nur muss man den in Spanien übüchen, nicht unerheb- 
lichen Procentsatz übertreibenden Selbstlobes abziehen. Auch die 
Einwohnerzahl der Stadt steigt, sie beträgt jetzt über 50 000 Seelen. 
Auf den Strafsen und Plätzen, die durch das Niederreifsen alter 
Häuser und Gassen erweitert werden, macht sich der zunehmende 
Wohlstand bemerklich. Mancher neue Prunkbau, für Banken und 
Clubs, ist jüngst entstanden. 

Palma ist eine römische Gründung; der Eroberer der Inseln 
Metellus Balearicus wollte wohl damit an die Siegespalme erinnern, 
die ihm den Triumph und seinem Hause einen neuen Siegesbeinamen 
eingebracht hat. Die Inseln, obgleich zur diesseitigen spanischen 



Die Balearen 219 

Provinz und zu dem Gerichtsbezirk von Tarragona gehörig, scheinen 
doch von jeher eine gewisse Selbständigkeit in ihrer Verwaltung ge- 
nossen zu haben. Noch unter Nero wird ein besonderer militärischer 
Befehlshaber der Inseln erwähnt, der als Vicestatthalter fungierte. 
Und ebenso erscheinen auch in der nachdiocletianischen Zeit die 
Balearen als eine besondere Provinz mit eigenem Statthalter. Plinius 
erzählt, die Kaninchen, (iberall auf dem spanischen Festland häufig, 
aber auf die Inseln erst von dorther verpflanzt, hätten sich unter 
Augustus Regierung so vermehrt, dafs die Bewohner um die Hülfe 
der Besatzung zu ihrer Vertilgung gebeten und sie auch erhalten 
hätten. Diefs könnte durch eine dorthin gesendete Mannschaft ge- 
schehen sein. Die militärische Besatzung der Inseln auch in Frie- 
denszeiten erklärt sich daraus, dafs sie im Laufe des ersten Jahr- 
hunderts, wie andere Inseln des Mittelmeeres, nicht selten als Ver- 
bannungsort gedient haben. Wir kennen eine Reihe von hervorragenden 
Männern senatorischen Standes, welche aus politischen Gründen auf 
die Inseln verbannt worden sind; sie scheinen es verstanden zu haben, 
sich die Last der Verbannung dort möglichst leicht zu machen. Die 
Austern von den Inseln wurden von Kennern besonders geschätzt. 
Späterhin ist vielleicht nur zufällig von den Balearen als Verban- 
nungsort nicht mehr die Rede. Palma war seit dem ersten Jahr- 
hundert ein Municipium römischer Bürger; römische Inschriften sind 
in Palma zufällig nur in geringer Zahl zum Vorschein gekommen, 
eine Weihinschrift für den Augustus, die Aufschriften auf den Basen 
von Statuen von Gemeindebeamten und Priestern, von denen einige 
den Flaminat der Provinz in Tarraco bekleidet haben, und einige 
Grabschriften. An die Zeiten der arabischen Herrschaft erinnert fast 
nur noch ein leidlich erhaltenes maurisches Bad in Palma. Sie hat 
auch sonst hier, wie im Osten der Halbinsel überhaupt, kaum merkliche 
Spuren hinterlassen. Man pflegte sie bisher in übertreibender Weise 
hervorzuheben. Es stellt sich immer deutlicher heraus, dafs die 
muselmanische Herrschaft die breiten Schichten der niederen Be- 
völkerung und ihr Thun und Treiben ziemlich unberührt gelassen hat. 
Die Könige von Aragon und der Adel ihres Gefolges haben der Stadt 
ihr architektonisches Gepräge gegeben. Die schöne, hoch über dem 
Meere gelegene Kathedrale wird nach langer Vernachlässigung leid- 
lich stilgemäfs wieder hergestellt, Sie ist das Werk des Eroberers; 
in der königlichen Kapelle ist das Grabmal des zweiten Jaime. Die 



220 Spanien 

noch erhaltenen Theile der nahegelegenen alten Königsburg, früher 
arabisch La Zuda genannt, in welcher der Generalkapitän der Inseln 
seinen Sitz hat, harren noch einer angemessenen Umgestaltung und 
Erneuerung. In Hof und Hallen ist nur wenig von der alten Pracht 
noch übrig. Der hinter der Kathedrale gelegene moderne Palast des 
Bischofs dagegen ist stattlich und wohl gehalten. Eines der an- 
muthigsten Bauwerke aus der grofsen Zeit des Inselreiches ist die 
unmittelbar am Hafen gelegene, im Jahre 1426 erbaute Kaufhalle, 
die Lonja; ähnlich, aber schöner als die von Valencia. Sie soll, 
nachdem sie lange unbenutzt gestanden, jetzt unter der Fürsorge der 
königlichen Commission für die Erhaltung der Denkmäler zu einem 
Provinzialmuseum eingerichtet werden. Von dem alten Reichthum der 
Grundbesitzer Mallorca* s zeugen die vielen Häuser des Adels in 
Palma, „die Grundstücke" (casas solariegas); es werden noch etwa 
sechzig Familien des alten Adels gezählt. Breite Thorwege und 
luftige Höfe, die Treppen frei im Hof heraufgeführt, ein Entresol 
mit zierlichen Fenstereinfassungen, dann ein sehr hohes Stockwerk 
mit reichgeschnitzten Holzdecken, endlich oben ein offener Söller von 
leichten Säulen oder Pfeilern getragen; weit vorspringender Dachsims, 
der in den engen Gassen Schatten spendet; der Stil spätgothisch 
oder Renaissance, den italienischen Einfluss verrathend. In allen 
diesen Dingen ist Palma dem alten Valencia, wie es einst war, aber 
nicht mehr ist, am ähnlichsten. Aber es ist weit schöner; denn es 
hat seine bauliche Eigenthümlichkeit in der insularen Abgeschlossen- 
heit besser bewahrt gegenüber dem von Barcellona her eingeführten 
französischen Miethskasernenstil, der freilich jetzt auch in Palma um 
sich greift. Ein Muster der vornehmen alten Bauart ist das erst 
im siebzehnten Jahrhundert vollendete Stadthaus mit der grofsen Uhr, 
die noch bis vor Kurzem die Stunden nach altrömischer Weise von 
Sonnenauf- bis Sonnenuntergang und ebenso die nächtlichen besonders 
zählte, wie es auf der ganzen Insel üblich war. Im Stadthaus ist 
das trotz langer Vernachlässigung immer noch reiche, seit langen 
Jahren von Jose Maria Quadrado mit liebevollem Verständniss 
verwaltete Archiv der Krone von Mallorca untergebracht. Darin be- 
findet sich die alte Sammlung der von den Königen der Stadt er- 
theilten Privilegien, eine Prachthandschrift, der Codex der Könige 
und der König der Codices, wie ihn Quadrado zu nennen liebt. Die 
Bibliothek befindet sich mit dem Institute, der gelehrten Schule, in 



Die Balearen 221 

dem früheren Kloster von Monte Sion. Ebendaselbst ist von einer 
privaten archäologischen Gesellschaft eine Art Museum zusammen- 
gebracht worden: meist mittelalterliche, aus zerstörten Kirchen und 
Klöstern vor dem Untergang gerettete Kunstwerke, Altarstücke, Ge- 
mälde, Sculpturen, allerlei Kunstgewerbliches. Bis jetzt noch mehr 
ein Raritätenkabinet als ein Museum, aber doch ein Anfang dazu. 
Unglaublich viel von Kunstwerken aller Art hat hier, wie in ganz 
Spanien, die rohe Barbarei vernichtet, die in der Aufhebung der 
Klöster im Jahre 1835 sich gezeigt hat. Kein auswärtiger Feind, 
weder Gothen noch Mauren und später weder Franzosen noch Eng- 
länder haben auch nur annähernd so viel verdorben oder gestohlen, 
als erst die brutale Leidenschaft und dann die stumpfsinnige Gleich- 
gültigkeit der Nation selbst von herrlichen Schätzen ihrer älteren 
Kultur muthwillig zu Grunde gerichtet hat. 

Es fehlt nicht ganz an Privatsammlungen. Den ersten Platz 
unter ihnen, und einen hervorragenden auch unter den Sammlungen 
des spanischen Festlandes, nimmt die im vorigen Jahrhundert ge- 
schaffene des Kardinals Don Antonio Despuig (sprich Desputsch) ein, 
der einer der getreuen Begleiter Pius VII. im Exil war. In dem 
Palast in der Stadt, den jetzt die Nachkommen eines Bruders des 
Kardinals, die Grafen von Montenegro und Montoro, bewohnen, ist 
die nicht unbedeutende Gemäldesammlung aufgestellt, noch genau so, 
wie sie der Kardinal hinterliefs. Dazu in einigen anderen grofsen 
Sälen die Bibliothek, Waffen und Geräthe. Auf dem hübschen, in 
italienischem Stil erbauten Landsitz der Familie zu Raxa (sprich 
Rascha), zwei und eine halbe Stunde von der Stadt an der Strafse 
nach Söller gelegen, befindet sich die Sammlung der antiken Bild- 
werke, welche durch Ausgrabungen gewonnen worden sind, die der 
Kardinal, ein Freund des Kardinal Albani und Winkelmanns, in den 
Jahren 1787 bis 1796 in Ariccia im Albanergebirge veranstaltet hat. 
Es sind darunter einige alterthümliche Werke von hoher Bedeutung. 
Das meiste freilich ist das Mittelgut römischer Sculpturen, wie sie 
die vornehmen Villen Roms in Menge aufweisen. Um so mehr glaubt 
man sich nach Italien versetzt. In den Zimmern des Kardinals 
hängen römische Ansichten; in einem kleinen Gartenhaus in dem 
oberen Theile des Gartens mit seinen Orangen-, Lorbeer- und Buchs- 
baumhecken ist die Sammlung von Abdrücken antiker Gemmen und 
Glaspasten aufgestellt. Einige gute alte Bilder besitzt der Maler 



222 Spanien 

Don Juan O'Neille, der aus einer alten irischen Emigrantenfamilie 
stammt. Vereinzelte Stücke, Alterthümer, Inschriftsteine und der- 
gleichen sind in verschiedenem Besitz in Palma zerstreut. Hoffent- 
lich werden sie einst in der Lonja oder im Museum der archäologi- 
schen Gesellschaft zusammengebracht. 

Die Schulen und Wohlthätigkeitsanstalten Palma*s stehen unter 
guter Verwaltung. Ein deutscher Arzt aus Trier, Ferdinand 
Weyler, hat sich grofse Verdienste um die Hospitäler, besonders 
für die Truppen, erworben; sein Sohn nimmt jetzt eine hohe Stellung 
im spanischen Heere ein. Weyler hat bei den Rekruten von Mallorca 
als charakteristische Erscheinung ein fast krankhaftes Heimweh be- 
merkt. Es ist kein Wunder, dafs die Bewohner fest an der schönen 
Insel hängen. Trotz der modernen gleichmachenden Kultur wird die 
heimische Sitte hoch gehalten. Noch bis vor zwanzig Jahren hatte 
die Insel ihr eigenes Kupfergeld. Zur üblichen Frühchocolade giebt 
es ein besonderes Buttergebäck, Ensaymada genannt, das sonst nir- 
gends in Spanien bereitet und von den Einheimischen anderswo 
schmerzlich entbehrt wii'd. 

Die Abgeschlossenheit der Insel hat freilich auch manche nicht 
günstige Folgen. Carlistische Verschwörungen und militärische Auf- 
standsversuche sind von ihr aus wiederholt, wenn auch ohne Erfolg, 
ins Werk gesetzt worden. Noch jüngst haben politische Gefangene 
von hoher gesellschaftlicher Stellung, wie der Herzog von Sevilla, 
von dort die Flucht in das Ausland ohne Mühe bewerkstelligt. Die 
politischen Parteien stehen sich fast so schroff gegenüber wie auf 
dem Festland. Doch überwiegt noch die conservative Gesinnung. 
Die leidenschaftliche Liebe zur engeren Heimat, die Alle umschlingt, 
mildert ein wenig die Gegensätze. 

An den schönen Sonntagsabenden bewegt sich eine dichtgedrängte 
Menge wohlgekleideter und gemessen einherschreitender Herren und 
schöner Frauen bei den rauschenden Klängen der Militärkapelle auf 
dem „Borne", dem vom Hafen unten am Schloss vorbeiführenden 
platanenbeschatteten Spaziergang. Im Winter wird die geschütztere 
Fortsetzung desselben im Inneren der Stadt, der Mercado und die 
Rambla, bevorzugt. Leider verschwindet aus der Stadt mehr und 
mehr die kleidsame Tracht der Frauen und Mädchen, das unter dem 
Kinn geschlossene Kopftuch aus weissem Tüll, der Rebosillo. Nur 
auf dem Lande herrscht er noch; während die Tracht der Männer, 



Die Balearen 223 

die weiten Hosen und eigen geformten Htite und Mäntel, auch dort 
in raschem Schwinden begriffen ist. Der Menschenschlag ist schön, 
die Frauen von zarter, oft anmuthiger Bildung. Allein es scheint 
die rechte Kraft zu fehlen, die auf dem engen Gebiet sich nicht 
recht regenerirt. Gäbe es in Palma ein vernünftiges Gasthaus, so 
wäre es ein Vergnügen, die gute Jahreszeit, den Frühling oder den 
Spätherbst dort zuzubringen. Es soll damit der Fonda des Herrn 
Barnils, in der Strafse de la Conquista, nichts besonderes Uebles 
nachgesagt werden. Sie ist nicht schlechter, aber auch um nichts 
besser als die meisten spanischen. Und die Mehrzahl derselben ist 
bekanntlich sehr schlecht. 

HI. Miramar. 

Durch eine der nach Süden geöffneten Schluchten in dem hohen 
nördlichen Gebirgszug gelangt man, auf neuer Fahrstrafse unter ur- 
alten Oliven- und Johannisbrodbäumen im Zickzack aufsteigend, nach 
Valldemosa. Der kleine Ort mit seiner alten Karthause und den 
Resten eines Castells, in der höchsten Einsattelung des Thaies, er- 
innerte mich an Gragnano bei Castellamare. Hier hat George Sand 
1838 mit ihren Kindern gelebt und den „Winter in Mallorca" sowie 
„Spiridion" geschrieben. Die düsteren Eindrücke, welche die geist- 
reiche Frau mit wegnahm aus dem „Land der Schweine und Affen", 
wie sie es nicht eben höflich nennt, erklären sich aus dem ihr 
gänzlich mangelnden Verständniss für fremde Art. Die Bauern sind 
hier natürlich, wie überall, abergläubisch und auf ihren Vortheil be- 
dacht. Aber die oft geschilderten, seit ältester Zeit unveränderten 
Grundzüge der iberischen Volksart, versteckte List und jäh auf- 
lodernde Leidenschaft, erscheinen bei den Inselbewohnern sehr ge- 
mildert. Von Räubern und Guerilla* s hat man auf den Inseln nie 
gehört. Die heisse Gluth der Catalanen und die kalte Tücke der 
Valencianer, die man aus Victor Amadeus Hubers im Grunde noch 
immer zutreffenden Schilderungen kennt, machen sich bei den Mallor- 
kinern nur in vereinzelten Fällen bemerklich. 

Hinter den letzten Häusern von Valldemosa, deren eines dem 
trefflichen Numismatiker der Inseln, HeiTu Alvaro Campan^r, gehört, 
hoch oben auf der Strafse, die nach Söller führt (sie erinnert an 
die von Castellamare nach Sorrent), gewinnt man zuerst den „Blick 
auf das Meer". Rechts über sich hat man den bis zu 900 Meter 



224 Spaoien 

steil aufsteigenden Gebirgskamm, mit wilden Oelbäumen, Steineichen 
und Strandkiefern bis zu beträchtlicher Höhe bestanden; vor sich den 
fast senkrechten, noch über 500 Meter betragenden Abstieg zum 
Meer. Das ist der Punkt, aus dessen erhabener Wildniss sich ein 
deutscher Fürst, der Erzherzog Ludwig Salvator von Oester- 
reich-Toscana, des letzten hochgebildeten Grofsherzogs von Toscana 
zweiter Sohn, einen der schönsten Landsitze Hesperiens geschaffen hat. 
Eigenthümliche Umstände haben ihn vor etwa zwanzig Jahren zuerst 
auf die Inseln geführt. Seitdem hat er weder Mühe noch Kosten 
gescheut, sein grofses beschreibendes Werk, „Die Balearen in Wort 
und Bild", so vollständig und anschaulich wie möglich zu machen. 
Fünf Theile in sieben splendid gedruckten grofsen Foliobänden liegen 
bis jetzt vor (Leipzig, Commissionsverlag von F. A. Brockhaus); die 
letzten, Menorca betreffenden, sind fertig, aber noch nicht gedruckt. 
Inzwischen hat der Verfasser, der auch Korinth und Paxos beschrieb, 
auf seiner Dampfyacht „Nixe" Tasmanien besucht und bereitet darüber 
ein Buch vor. Das Werk über die Balearen ist nicht käuflich; der 
Verfasser hat es nur an Souveräne und Bibliotheken verschenkt. 
In Berlin ist ein Exemplar in der Bibliothek der geographischen Ge- 
sellschaft und eins in der königlichen Bibliothek. Zahlreiche grofse 
farbige Landschaftsbilder und viele gröfsere und kleinere Holzschnitte 
im Text, alle recht hübsch nach den Skizzen des Verfassers von ge- 
schickten Künstlern ausgeführt und in den besten Kunstanstalten in 
Wien und Berlin vervielfältigt, zieren dasselbe. Schon seines Um- 
fangs und Formates wegen wird es nie zu den vielgelesenen Büchern 
gehören. Um es den Bewohnera der Inseln und ihren Landsleuten 
zugänglich zu machen, ist jetzt eine spanische üebersetzung in An- 
griff genommen worden. Sie wird in Berlin ausgeführt, aber unter 
der Leitung von Herrn Francisco Manuel de los Herreros, dem ver- 
dienten langjährigen Vorsteher des Instituto Balear, der gelehrten 
Schule in Palma, eines Neffen des Dichters Breton de los Herreros; 
von mütterlicher Seite rühmt er sich deutscher Herkunft. Die üeber- 
setzung wird mit den sämmtlichen Holzschnitten der Originalausgabe, 
aber ohne die farbigen Ansichten, die nicht noch einmal reproduciert 
werden können, und in kleinerem Format erscheinen. Wer die Inseln 
nie gesehen, dem werden diese Bilder nnd Beschreibungen eine 
lebendige Vorstellung geben von Form und Farbe, Gebirg und Thal 
derselben, von ihrem Pflanzenwuchs und ihrer Thierwelt, von den 



•H 



Die Balearen 225 

Trachten und Sitten, Hausgeräth, Werkzeugen für Ackerbau, Fisch- 
fang und Jagd der Bewohner, von den lachenden Fernsichten mit 
dem blauen Horizont des Meeres, den einsamen Gebirgsschluchten 
und den wundersamen Tropfsteinhöhlen; nichts ist darin vergessen. 
Wer die Inseln kennt, der kann mit etwas Phantasie in die Bilder 
hineinlegen, was sie nothwendiger Weise nur unvollkommen wiederzu- 
geben vermögen: den Glanz und Duft des südlichen Himmels, das 
Rauschen und Branden des Meeres an den Klippen und in den Höhlen; 
kurz, das Leben. 

Ehe man zu dem Landhaus von Miramar selbst gelangt, trifft 
man an der Strafse von Valldemosa nach Söller unter anderen kleinen 
Landhäusern, wie dem Son Galcerän (Son ist die mallorkinische 
Bezeichnung für Landhaus) und dem Son Marroig, auf ein kaum 
sichtbar, unter immer grünen Eichen versteckt liegendes Haus. Es 
ist die von dem fürstlichen Besitzer hergestellte Pflegstätte, die 
Hospedaria, für die Wallfahrer zu dem wunderthätigen Marienbild 
der Kapelle von Miramar. Hier findet der Fremde, wie es an den 
Wallfahrtsorten in Catalonien und auf den Inseln üblich ist, Bett, 
Licht und Herdfeuer, auf dem er sich von der würdigen Verwalterin, 
der Madona, wie sie hier genannt wird, mit Hülfe eines Knechts, des 
Payös, die mitgebrachte Zehrung bereiten lassen kann; Alles unent- 
geltlich, ausgenommen den nie geforderten, aber auch nicht hart- 
näckig zurückgewiesenen Bakschsch. Wobei freilich vorausgesetzt ist, 
dafs der Fremde sich mit den trefflichen und gefälligen Leuten auch 
ohne Kenntniss des Mallorqui verständigt, was nicht ganz leicht ist. 

Das Landhaus von Miramar selbst ist der Rest eines seit dem 
dreizehnten Jahrhundert hier nachgewiesenen Klosters. Der selige 
Ramon Llull, der berühmte Dichter und Mystiker des dreizehnten 
Jahrhunderts (1235 bis 1315), hat hier einige Jahre in weltabge- 
schlossener Einsamkeit verbracht. Das Haus liegt auf ringsum freier 
Terrasse mit weitestem Ausblick, umgeben von sorgfältig gepflegten 
Gartenanlagen, aus denen unter Orangen, Granaten und Myrten hier 
und da schlanke Dattelpalmen hervorragen. Der weite Blick über 
die unendliche Meeresfläche aus solcher Höhe, dafs die Fischerboote 
tief unten kaum Nufsschalengröfse zu haben scheinen, erinnert in 
der That an alles Schönste, was Natur und Kunst an den Küsten 
und auf den Inseln Italiens und Griechenlands, an der Riviera, in 
Sorrent und auf Capri, in Amalfi und Palermo geschaffen haben. 

Hüb n er, Westeuropa. ,x^^ U^^A'^K ^^ 



226 Spanien 

Einzelne Klippen, ähnlich den Faraglioni von Capri, ragen weit in 
das Meer; eine von ihnen zeigt ein natürliches Felsloch und heifst 
danach die Roca foradada, der Lochfels. In den einfachen, aber 
zahlreichen und luftigen Räumen des äufserlich ganz schlichten Hauses 
bringt der Erzherzog alljährlich die Frühjahrs- und Sommermonate 
zu, nur begleitet (denn er war nie vermählt) von seinem liebens- 
würdigen toscanischen Kammerhern, aber in urdeutscher Einfachheit. 
Das Haus birgt manch altes Kunstwerk von insularer Herkunft; zum 
Beispiel eine ganze Anzahl schön gearbeiteter Holztruhen aus dem 
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, mit reicher, arabischen 
Mustern entstammender Intarsiaverzierung in Perlmutter und Elfen- 
bein. Ein grofses Marmorwerk des Mailänders Tantardini schmückt 
in Erinnerung an einen jung gestorbenen italienischen Secretär des 
Fürsten einen der Säle des Erdgeschosses. In einem der oberen ist 
eine reiche Sammlung goldglasierter Majolicaschüsseln aufgestellt, vne 
sie auf der Insel schon zu den Seltenheiten gehören. An das dem 
Fürsten ebenfalls gehörige Haus Son Marroig soll ein eigener Flügel 
fdr die Kunstsammlungen angebaut werden. Die kleine gothische 
Kapelle neben der Palmenterrasse vereint in einem grofsen Altarwerk 
ein Hauptbild des fünfzehnten Jahrhunderts von mallorkinischer Her- 
kunft, und zwei neue Seitenflügel, deren einer den seligen Ranion 
Llull, der andere eine heilige Nonne darstellt. Sie sind von der 
Hand Meister Ittenbachs in Düsseldorf mit seiner bekannten miniatur- 
artigen Sorgfalt und Anmuth ausgeführt. Ein zierliches Sacraments- 
häuschen ist dem der Lorenzkirche in Nürnberg nachgebildet. In 
den Gartenanlagen, in denen bei richtiger Pflege und Bewässerung, 
wie überall auf den Inseln, alle südlichen und selbst tropische Ge- 
wächse gedeihen, sind Aussichtspunkte, Felsenhöhlen, Brücken zu 
schroffen Klippen mit immer wechselnder Aussicht, auf einer der 
Klippen eine besondere Rundkapelle aus weifsem italienischen Marmor 
für den seligen Ramon Llull angelegt und auf bequemen Wegen zu 
erreichen. Eine Fahrstrafse führt auf mehr als einstündigem Weg 
hinab zum Meer. Dort liegt, unweit des alten Wachtthurms La Estaca, 
eine zweite Villa des Fürsten, der bequemen Nähe wegen für Bad, 
Bootfahrt und Fischfang neu angelegt. So ist aus der früheren 
Wildniss ein Gartenparadies im Stil der grofsen italienischen Villen 
erschaffen worden. 

Viel rühmliche Züge von der Leutseligkeit des allbeliebten Be- 



Die Haiearen 227 

sitzers, der das Mallorqui vollendet spricht, werden dem Fremden in 
Palilia mit Befriedigung mitgetheilt. Wie der Fürst einem Bäuerlein, 
dem sein Maulthierkarren umgefallen, auf die Bitte, ihn wieder auf- 
richten zu helfen, unbekannter Weise zusammen mit seinem Begleiter 
thatkräftigen und erfolgreichen Beistand leistet und den dafür dankend 
gebotenen Lohn, vier Cuartos (etwa 16 Pfennige), ebenso dankend 
annimmt und zum Gedächtniss noch heute aufhebt, als erstes selbst- 
verdientes Geld; und Aehnliches. Dafs er ein Wohlthäter der Armen 
ist, soweit es dort solche gibt, und durch seine Unternehmungen dem 
Landvolke von Valldemosa und Deyd reichlichen Verdienst verschafft, 
kann man sich denken. 

Nach diesem älteren Miramar von Mallorca hat, so wurde mir 
gesagt, das ebenso benannte Schloss bei Triest, an dessen früheren 
Besitzer sich so tragische Erinnerungen knüpfen, seinen Namen er- 
halten. 

IV. Das Innere. 
Ich will die Schilderung der Nordküste nicht weiter fortsetzen. 
Für Söller, die Perle derselben, mit seiner Thalschlucht, die ein 
grofser Orangengarten ist, genügt es, auf des Botanikers Moritz 
Willkomm Darstellungen zu verweisen. Mich interessierte aus 
mancherlei Gründen der nordwestliche Theil der Insel, die Bai von 
Alcudia, besonders. Kommt man von Barcellona oder Menorca her, 
so steigt man dort an das Land, um zunächst im primitivsten 
Maulthiereinspänner, den man hier Berloche nennt, mit Bauern und 
Bäuerinnen und allem Gepäck zusammengesperrt, in zwei- bis drei- 
stündiger Fahrt La Puebla und von da mit der Eisenbahn über Inca 
Palma zu erreichen. Alcudia, ein trauriges Nest mit noch ziemlich 
wohlerhaltenen Befestigungen aus dem vierzehnten Jahrhundert, liegt 
auf dem Rücken der flachen Landzunge, die in das hohe „Vorge- 
birge des Fichtenwaldes", das Cap del Pinar, ausläuft. Nördlich 
davon liegt der sogenannte kleine, aber tiefe und wohlgeschützte 
Hafen von Alcudia. Gegen Norden deckt ihn fast vollkommen das 
hohe Cap Formentor, der letzte Ausläufer der nördlichen Gebirgs- 
kette. Südlich vom Cap del Pinar liegt der „grofse Hafen" von 
Alcudia, eine weitgestreckte Bucht mit flacher Rhede, die sich bis 
zum Südostcap der Insel, dem Cap Ferrutx, ausdehnt: ein weites 
Aestuarium mit alten Salinen und virüstem Salzsumpf. Dieser, die 

15* 



228 Spanien 

Albufera, ist seit 1863 durch eine englische Gesellschaft mit unge- 
heuren Kosten trocken gelegt und angebaut worden, bringt aber noch 
keinen erheblichen Ertrag. Denn der reiche Boden der Insel bietet 
tiberall sonst den gleichen Ertrag, ohne vorher ein solches Anlage- 
kapital verschlungen zu haben. In der von der Natur gesegneten Nie- 
derung des kleinen Hafens, auf den sanft gegen den nördlichen Ge- 
birgsstock ansteigenden Höhen haben schon die Phönikier eine Stadt 
gegründet. Bocchori genannt, deren schwache Spur in einer Feldflur 
mit Namen Bocar fortlebt. Dort ist eine Erztafel gefunden worden 
und wird jetzt in Palma in Privatbesitz aufbewahrt, die eines der, 
auch anderswo zahlreich gefundenen Patronatsdecrete enthält; es 
ist vom Jahre 6 nach Chr. Die Gemeinde in Bocchori wählt darin, 
durch eigene Abgesandte, einen angesehenen römischen Senator, der 
uns jedoch sonst nicht bekannt ist, zu ihrem Patron und überreicht 
ihm das Decret durch ein Paar vornehme Abgesandte, die obersten 
Gemeindebeamten. Der Gewählte nimmt die Gemeinde in seinen 
Schutz und seine Clientel auf und damit die Verpflichtung ihi*e 
Rechte vorkommenden Falls im Senat zu vertreten; solche Schutz- 
verhältnisse wurden auf die Nachkommen des Patrons vererbt. Später 
hat nicht weit von Bocchori Metellus, der Eroberer der Balearen, die 
zweite römische Festung auf der Insel, PoUentia, die Machtvolle, 
angelegt. Von ihr zeugen noch die erhaltenen Reste einer Wasser- 
leitung und eines Theaters, dessen Sitzreihen wie gewöhnlich aus dem 
gewachsenen Felsen herausgearbeitet waren. Die in Pollentia zufällig 
zum Vorschein gekommenen Inschriften liaben in dem nahen Alcudia 
an mittelalterlichen Bauten Verwendung gefunden und sind dadurch 
erhalten worden; es sind Ehrendenkmäler verdienter Gemeindebeamten. 
Sie bezeugen, dafs auch in Pollentia ein Kultus der Göttin Roma 
und des Kaisers bestand. Ein kleines Fragment einer Weihung an 
einen Kaiser des ersten Jahrhunderts enthält den alten Namen der 
Stadt. Auch Gräber der Urbevölkerung sind in diesen Umgebungen 
gefunden worden. 

Am reichsten an Resten solcher Grabbauten, wie sie auf Me- 
norca in so grofser Zahl sich finden, ist die nördliche Seite der 
Insel. Mitten in dem Gebirgsstock, der die Nordostspitze der Inseln 
bildet und in das Cap de Pera ausläuft, liegt Artä, das durch die 
nahe Tropfsteinhöhle berühmt ist. In seiner Umgebung und weiter- 
hin in den Weingeländen von Manacör sind ziemlich zahlreiche TaJayots 



Die Balearen 229 

vorhanden. Doch erreicht ihre Zahl — es sind im Ganzen etwa 
fünfundzwanzig auf Mallorca beobachtet worden — nur etwa den 
achten Theil der auf Menorca vorhandenen. Wahrscheinlich hat die 
intensivere Kultur sie auf Mallorca früh zum gröfsten Theil beseitigt. 

Die meist ziemlich wohlhabenden Ortschaften im flachen oder 
hügeligen Binnenland, Inca, Manacör, die Stadt der Sommerfrische 
für die Bewohner von Palma, mit dem es durch die Eisenbahn ver- 
bunden ist, Porreras, Felanitx, Llummayor, bieten nur geringes anti- 
quarisches und künstlerisches Interesse. Einige römische Grabschriften 
sind auch in ihnen gefunden worden. Merkwürdig ist an der nie- 
drigen, aber felsigen und schroffen Südküste der einzige geschützte 
Hafen daselbst, der Porto Colom. In seinem Namen steckt vielleicht 
eine Erinnerung an den ältesten Individualnamen der gröfsten unter 
den balearischen Inseln, die einen solchen schwerlich entbehrt hat: 
sie hiefs, wie es scheint, Columba, Menorca vielleicht Nura. Die 
modernen Namen Majorica und Minorica sind erst seit dem sechsten 
Jahrhundert unserer Zeitrechnung aufgekommen. 

Von hervorragender geschichtlicher Bedeutung ist dagegen wie- 
derum die südöstliche Ecke der Insel. Dort dehnt sich vom Cap 
Blanco, bis wohin sich die Bai von Palnia erstreckt, wie wir sahen, 
wiederum eine weite nach Süden geöffnete Bucht aus, mit flacher 
Rhede und zahlreichen Salinen, von denen die Südostspitze der Insel, 
das Cap Salinas, benannt ist. In der fruchtbaren Niederung, die 
sich an die Bucht anschliefst, liegen mineralische Quellen, die Thermen 
von Fontsanta, der heiligen Quelle, alte Steinbrüche, zahlreiche Talayots 
und Felsengräber und zwei gröfsere Ortschaften, Campos (die Felder, 
offenbar von den reichen Aeckern so genannt) und Santagny. Diese 
modernen Ortschaften sind die Frben einer uralten phönikischen 
Niederlassung, vielleicht der ersten karthagischen Gründung auf der 
Insel. An ihrer Stelle stand, ähnlich wie bei Bocchori im Norden 
der Insel, noch in römischer Zeit eine Stadt. Aber des Metellus 
nahe Gründung Palma scheint das alte Guiuntum (diefs war wohl 
ihr Name) in den Schatten gestellt zu haben. So ist es oft mit 
den Städten des Alterthums gegangen. Die Stadt war ursprünglich 
wohl eine verbündete Gemeinde, nachher ein Municipium lati- 
nischen Rechtes. Aus ihr stammen eine Anzahl römischer Grabsteine 
mit alterthümlichen Inschriften und Formeln, die noch in die vor- 
augustische oder die frühaugustische Zeit gehören. Die Verstorbenen 



230 Spanien 

führen einheimische, fremdklingende Namen und haben zum Theil 
ihr Bürgerrecht von dem Eroberer der Inseln Caecilius Metellus er- 
halten. Auf einigen von ihnen ist ein Schlüssel abgebildet, wohl das 
Symbol des frischen, unbenutzten Grabes. 

An das Cap Salinas reihen sich als natürliche Fortsetzungen 
des unterseeischen Gebirgszugs zwei kleine Inseln, die Eanincheninsel 
Conejera und die Ziegeninsel Caprera. Diese hat mehrere treffliche 
Häfen sowie eine Festung mit kleiner Besatzung, auch als Depor- 
tationsort benutzt. Hier wurde das französische Corps, das in der 
Schlacht bei Ballon (1808) capituliert hatte, gefangen gehalten. Ein 
Denkmal erinnert an die zahlreichen Opfer von Krankheit und schlechter 
Verpflegung, die hier ihr Grab gefunden haben. 

V. Ibiza. 
Als eine fernere Fortsetzung endlich der mit Caprera ab- 
schliessenden Gruppe der Balearen erscheint die südlich in weitem 
Zwischenraum sich anschliessende Gruppe der Fichteninseln. So, 
Pityusen, nannten sie griechische Seefahrer. Einen einheimischen 
Namen, den die Phönikier schon vorfanden, führte nur die gröfsere 
der beiden Hauptinseln, Ebusus, im Spätlatein Ebussa, jetzt Ibiza 
(sprich Ivfsa). Ich habe die Insel von der Rhede aus gesehen, aber 
nicht betreten. Acht Tage an ihren Besuch zu wenden wird nur der 
sich entschliessen, der Ueberfluss an Zeit und Geduld hat. Der Erz- 
herzog Ludwig Salvator hat sehr anschaulich den tiefen Schlaf ge- 
schildert, in dem das Leben dieser Inselstadt verläuft. Nur einmal 
in der Woche wird er auf einige Stunden unterbrochen durch den 
Dampfer, der, von Valencia kommend, die Verbindung der Insel mit 
dem Festlande und Mallorca unterhält. Die Insel zählt etwa 5500 
Einwohner, von denen der gröfsere Theil in der Stadt Ibiza wohnt. 
Aber von geistigem Leben ist in der Stadt keine Spur. Es gibt 
keinen Lokalgelehrten, keinen Sammler auf Ibiza. Vor dreifsig Jahren 
begann ein Geistlicher eine Geschichte der Insel zu schreiben; sie 
ist nie vollendet worden. "Wegen politischer Vergehen Verurtheilte 
verbüfsen hier am unmuthigsten ihre Strafe. Aber die Insel tritt 
an landwirthschaftlicher Schönheit und an Fruchtbarkeit kaum hinter 
Mallorca zurück. Die steilabfallenden Felsen der Nordküste erinnern 
wieder an Capri. In dem hohen Gebirgszug der Nordküste finden 
sich auch noch in manchen Schluchten Reste der Strandkiefemwälder, 




Die Balearen 

die der Gruppe den Namen verschafft haben. In den Thälem und 
den nach Südosten sich abdachenden Niederungen gedeihen Oliven 
und Weinstöcke, Feigen und Orangen. Die Ibizaner tragen eine 
eigene kleidsame Tracht; auch ihr Dialekt unterscheidet sich von dem 
der Balearen. Die Stadt Ibiza liegt wieder in der für die ältesten 
Niederlassungen bezeichnenden Weise auf einem Felsenvorsprung 
zwischen zwei Buchten. Die westliche, kleinere, nach Norden hin 
vom Cap Martinet begrenzt, ist der eigentliche Hafen. Nach Süd- 
osten hin dehnt sich auch hier ein weitgestreckte Bucht aus, in 
deren Niederungen die berühmten Salinen liegen. Hier wird das wegen 
seiner Weifse und Feinheit geschätzte Salz von Ibiza seit alter 
Zeit gewonnen. An die Südspitze der Bai, die Spitze der Pforten 
(Punta das Portas), durch die man zwischen den 'zwei gröfseren Inseln 
hindurch muss, reiht sich eine Anzahl von kleinen Klippeninseln, die 
ihren Abschluss in der zweiten Hauptinsel der Gruppe, Formentera, 
finden. Auf Formentera ernähren sich noch über 1600 Einwohner 
durch Viehzucht und Ackerbau. Vom Cap Martinet bis zur Südost- 
spitze von Formentera, der „Mola", ist eigentlich nur eine grofse 
nach Nord und West geschützte Meeresbucht. 

Auf Ibiza hat die karthagische Herrschaft zuerst festen Fufs 
gefasst und sich von hier aus nach Mallorca und Menorca ausge- 
dehnt. Ibiza liegt der alten Hauptstadt des Reiches der Barkiden 
in Spanien, dem „neuen Karthago'', am nächsten. In Ebusus sind, 
wie in Gades, zu Anfang des vierten Jahrhunderts vor Chr. punische 
Silber- und Kupfermünzen geschlagen worden nach dem Fufse der 
griechischen Münzen, welche gleichzeitig von den massaliotischen 
Colonien an der Ostküste Hispaniens, Emporiae und Rhode, geschlagen 
wurden; also offenbar zunächst für den Handelsverkehr mit diesen 
bestimmt. Dieses karthagische Geld scheint für die Inseln überhaupt 
geschlagen worden zu sein. Sein Gepräge zeigt die Gestalt des punischen 
Gottes Eschmun und in punischer Schrift den Namen der Insel. 
Ihm folgen im Gebrauche die ältesten römischen Kupfermünzen von 
Ebusus mit der Aufschrift „Erz von Ebusus", deren Gepräge griechisch- 
sicilischen Mustern folgt. Sie sind lange vor der römischen Eroberung 
geprägt und scheinen ein Schutzverhältniss der Inseln zu Rom, wie 
früher zu Karthago, zu bezeugen, das der Besetzung voranging. Die 
Erben der karthagischen Macht, die Römer, haben die Freiheit der 



^^ , Spanien 

y ' 

.-^ men Inselstadt geachtet; ohne Schwertstreich hat sie sich darein 

geben, das Schicksal der gröfseren Inseln zu theilen. 
/ Denkmäler der Urbevölkerung, Talayots oder Felsengräber, siad 
-auf Ibiza nicht bemerkt worden. Die römische Herrschaft bezeugen 
einige Statuen mit ihren alten Pedestalen, deren Inschriften lehren, 
dafs sie im ersten und zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechaung 
der Gröttin luno und verdienten Bürgern der Inselstadt errichtet 
worden sind. 

In den Zeiten des ausgehenden Alterthums haben sich die Inseln 
ohne erhebliche Kämpfe dem Joch der vandalischen Herrschaft, nach- 
her dem Islam gefügt. Schwer hat die Hand des Eroberers niemals 
auf ihnen gelastet. Selbst aus dem tiefen Verfall, in welchen sie 
der Niedergang der spanischen Monarchie mit hineingerissen hat, er- 
heben sie sich nach und nach zu verjüngtem Leben, Dank der un- 
vergleichlichen Gunst des Klimas und des Bodens, deren sie sich 
heute wie vor Jahrtausenden erfreuen. 



m. 
C i t a n i a. 

Den ursprünglichen Text der folgenden Abhandlung hat mein Freund 
Herr Joaquim de Yasconcellos in Porto in der von ihm begründeten, 
mit den gröfsten Opfern herausgegebenen und auch von ihm fast allein 
geschriebenen Zeitschrift Archedogia artistica, welche seinem Vaterland 
wie ihm zu grofser Ehre gereicht, in das Portugiesische übersetzt und mit 
einer Einleitung versehen, in welcher er seine Landsleute zu eifriger Ver- 
folgung archäologischer Studien auflfordert; das 5. Heft der nur in 150 Exem- 
plaren gedruckten Zeitschrift wird dadurch gefüllt (Porto 1879, 25 S. 8.). 
Erweitert durch die Mittheilungen Sarmento's (über den nachher zu 
reden ist) erschien sie sodann im Hermes Bd. Xy 1880 S. 49 — 91 mit 
einem Nachtrag ebendaselbst S. 597 — 604. Im September des Jahres 1881 
habe ich den Ort besucht und unter der Führung Sarmento's genau be- 
trachtet. Hiernach ist diese Mittheilung hier und da verbessert und ver- 
vollständigt worden. 

Die Litteratumachweisungen sind vollständig gegeben in dem Supple- 
ment zum Corpus inscriptionum Latinarum Bd. II (Berlin 1890 fol.). Die 
Pedra fermosa ist von dem Architekten J. P. N. da Silva in Caumonts 
Bulletin monwmentäl XXXIX 1873 S. 436 in einer Skizze mitgetheilt worden. 

Meine Abhandlung über die Statuen galläkischer Krieger in Portugal 
und Galicien in der archäologischen Zeitung XIX 1861 S. 185 ff. Taf. 






Citania 233 

CLIV 1—3 ist zehn Jahr nachher in das Portugiesische übersetzt er- 
schienen in den von der Akademie zu Lissabon herausgegebenen No- 
Udos archeoHogicas de Portugal (Lissabon 1871 4., S. 103 ff.), welche die 
von mir in den Monatsheften der Berliner Akademie von 1860 und 1861 
gegebenen epigraphischen Reiseberichte enthalten, soweit sie sich auf 
Portugal beziehen. Die Abhandlung über die Statuen galläkischer Krieger 
ist in das Spanische übersetzt worden von Murguia in seiner historia de 
Galida, Bd. II 1868; vgl. auch das Museo espahd de antiguedades Bd. III 
(Madrid 1876 fol.) S. 66. 



Je seltener aus Portugal Berichte über die dort vorhandenen 
oder neu gefundenen Alterthümer zu uns gelangen, desto eher werden 
die folgenden Bemerkungen auf einiges Interesse rechnen dürfen. 
Der Gegenstand der gegenwärtigen Darlegung darf ausserdem den 
Reiz der Neuheit für sich beanspruchen; wenigstens nimmt er unter 
der grofsen Zahl von uns erhaltenen Resten der verschiedensten an- 
tiken Kulturzustände eine eigenartige Stellung ein. Zu anschaulichem 
Verständniss der besprochenen Dinge gehören eigentlich Pläne und 
Abbildungen, die nach den mir vorliegenden Skizzen und den sehr 
guten, aber doch lange nicht genügenden photographischen Aufnahmen 
wohl hergestellt werden könnten. Doch ist vor der Hand wenig x\us- 
sicht dafür vorhanden, dafs von zuständiger Seite eine würdige Yer- 
öffentlichung dieser Denkmäler unternommen wird, welche den Einblick 
in eine sehr alte Kulturstufe unseres Welttheils gewähren. 

In dem landschaftlich schönsten Theile des nördlichen Portugal, Di© Lage 
der heutigen Provinz des Minho, den fruchtbaren und waldreichen 
Thälem und Hügeln zwischen dem Dom'O und Minho, scheinen die ' 
ältesten Einwanderer oder Einwohner der iberischen Halbinsel sich 
besonders festgesetzt und ausgebreitet und einen vergleichsweise hohen 
Grad behäbigen Wohlstandes erlangt zu haben. Es ist nur ein kleines 
Gebiet: südlich davon scheint nur der Küstenstrich des Landes bis 
gegen Lissabon hinunter in römischer Zeit wohl angebaut gewesen 
zu sein; westlich setzte hier das rauhe Estrellagebirge der CiviUsa- 
tion feste Schranken. Im Norden nimmt das Land schon jenseit 
Vigo den Charakter der sturmumwehten steinigen Hochebene an, den 
die Umgebungen von Santiago, dem grofsen W allfah rtsort, und la ^ 
Coruna zeigen. Wo die freilich erst im dreizehnten Jahrhundert zu- 
erst gepflanzte Rebe und der um dieselbe Zeit für die Zucht der 
Seidenwürmer eingeführte Maulbeerbaum von den Höhen am Douro 



234 Spanien 

verschwinden, jenseit der Berge, in der Provinz tras os Montes, da 

verschwand von jeher auch Reichthum und Volkszahl; nur einzelne 

geschützte Thäler, zum Theil mit Heilquellen und alteinheimischen 

Stätten der Götterverehrung, haben hier noch spärliche Kunde aus 

römischer und vorrömischer Zeit bewahrt. Um so dichter gedrängt 

lagen Städte und Weiler, Thermen und Villen in dem oben bezeich- 

^ neten engen Terrainabschnitt südlich von der alten Hauptstadt der 

r^ j gallaekischen Provinz Bracara, dem heutigen Braga, dessen Erz- 

^<ly^^ bischöfe sich noch heute neben denen von Tarragona und Toledo den 

Primat von Hispanien beilegen. 

Gute Karten dieser Gegenden giebt es überhaupt nicht; zur 
Orientierung reicht die von H. Kiepert der Sammlung der spanischen 
Inschriften beigegebene aus. 

Eine besondere Nebenkarte des Gerichtsbezirkes von Braga ver- 
zeichnet die zahlreichen Namen der Ortschaften, in welchen die in 
dem Bande mitgetheilten lateinischen Inschriften gefunden worden 
I sind. Aber weit gröfser ist die Zahl der Plätze , an welchen die 
VSpuren römischer und vorrömischer Niederlassungen deutlich sind, 
'ohne dafs inschriftliche Denkmäler bis jetzt daselbst zum Vorschein 
kamen; daher sie auf jener Karte fehlen. 
arbeSen ^^^ ihnen gehört eine Örtlichkeit, welche seit dem sechzehnten 

Jahrhundert wegen ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit und ihrer 
Denkmäler die Aufmerksamkeit der wenigen Bewohner des Landes auf 
sich gezogen hat, welche sich überhaupt mit den Alterthümern ihrer 
Heimat zu beschäftigen für der Mühe werth gehalten haben. In des 
Frei Bemardo de Britto wort- und lügenreichem "Werk, der Monar- 
I chia Lusytana (1597 — 1609), in Gaspar Estago's varias antigtii- 
' dades de PorlMgal (1625) ist schon davon die Rede. Die erste ge- 
nauere Beschreibung aber wird auch hier, wie für alle ähnlichen 
Dinge, den zur Zeit des zweiten Höhepunkts der portugiesisch-brasi- 
lischen Macht, zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, auf des be- 
rühmten Marques de Pombal Veranlassung gemachten topograpliischen 
Aufzeichnungen verdankt. Sie rühren von verschiedenen Verfassern her 
und haben sich theilweis noch in den handschriftlichen Originalen er- 
halten: die hier in Betracht kommende findet sich in den Notizen 
über das Erzbisthum Braga, welche Luis Alvarez de Figueiredo, 
Bischof von Uranopolis i p, und später (1725) Erzbischof von Bahia 
in Brasilien, verfasst hat. Sie befinden sich in der öffentlichen Bi- 



Citania 235 

bliothek zu Lissabon. Sicher ist, dafs der Lissaboner Akademiker 
P, Jeronymo Contador de Argote, welcher aus diesen und vielen 
anderen Relationen seine wortreichen und unkritischen, aber bei gänz- 
lichem Matigel an besseren unschätzbaren Bücher zusammengeschrie- 
ben hat, aus ihnen (denn er sagt es ausdrücklich) seinen Bericht 
geschöpft hat. Er bringt ihn nach seiner Gewohnheit in zwei ver- 
schiedenen "Werken, einmal nur portugiesich, das andere Mal portu- 
giesich und lateinisch, aber im Thatsächlichen übereinstimmend, vor. 
Vorzuziehen ist die ältere und etwas genauere Fassung in den me- 
morias eclesiasticas de Braga (1724); die jüngere findet sich in den 
anttquitates conventus Bracaraugustani (1728). Auf der Bibliothek 
zu Evora findet sich, wie mir Gabriel Pereira in Lissabon mittheilt, ein 
fliegendes gedrucktes Blatt (wie sie der Verfasser zu schleunigem Ver- 
gessensein vielfach publiciert hat) mit dem Titel 'Specimen antiquitatis 
a losepho Laurentio do YalUy Genuae 1791'. Es enthält eine ganz 
kurze Notiz über Citania und eine handschriftlich beigefügte Skizze 
des Hügels von S. Romao, aus welcher sich ergiebt, dafs Plan und 
Anlage des Kastells damals noch im Wesentlichen den gleichen An- 
blick boten, wie im sechzehnten Jahrhundert. 

Seitdem hat sich Niemand wieder genauer um diese Örtlichkeit 
gekümmert. Vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren aber ist sie ihrem 
jetzigen begüterten Besitzer von Neuem aufgefallen; er hat Ausgra- 
bungen und Aufräumungen vorgenommen und seitdem hallten für einige 
Zeit die portugiesischen Journale von dem Namen dieser sonst ganz ver- 
gessenen Ruinenstätte wieder und brachten antiquarisch-praehistorische 
und linguistisch-ethnologische Studien über dieselben, auf welche mich 
meine dortigen Freunde nicht unterlassen haben aufmerksam zu 
machen. Von diesen Erzeugnissen der Tagespresse liegt mir nur 
weniges vor und ich glaube sie entbehren zu können. Nur den Artikel 
des inzwischen verstorbenen Marques de Sousa-Holstein, welcher 
in dem diario da manhä vom Jahre 1877 erschien, und die des 
Herrn Pereira Caldas in der * Borholeta' bedauere ich nicht vor 
mir zu haben. Aber in dem Besitzer der Örtlichkeit, Herrn Fran- 
cisco Martins Sarmento in Guimaraens, ist diesen Alterthümem 
ein ebenso eifriger wie einsichtiger Erforscher und Erhalter zu Theil 
geworden. Es ist ein wahres Vergnügen, nach all den unklaren und 
fehlerhaften Notizen, aus denen bisher allein Kenntniss von den merk- 
würdigen Funden von Citania zu gewinnen war, endlich einmal ge- 



^3^ Spanien 

nau und sachlich gehaltene Informationen zu erhalten von einem 
Mann, der sich sogleich als ein scharfer Beobachter und praktischer 
Kopf zu erkennen giebt. Seine in verschiedenen portugiesischen Zeit- 
schriften gedruckten Bemerkungen, die leider dem wissenschaftlichen 
Publicum ganz unzugänglich bleiben, hat er durch zahlreiche, oft 
humorvolle briefliche Mittheilungen bis auf den letzten Stand der 
.Untersuchung ergänzt. Der im Jahr 1880 in Lissabon gehaltene 
ICongress der Anthropologen hat Citania besucht und Rudolf Virchow 
hat über den Besuch eingehend berichtet. Herr Sarmento bereitet ein 
Denkmälerwerk vor, welches unter dem Titel Materiaes para a archeo- 
logia d'Entre Bouro e Minho eine Sammlung von Photographien mit 
genauen Beschreibungen enthalten soll; da hierzu die Ausgrabungen noch 
fortgesetzt werden sollen, so wird der hier gegebene zusammenfassende 
Bericht über das bisher zu Tage Gebrachte wohl noch für längere 
Zeit die Bekanntschaft mit diesem besonderen Blatt aus der alten 
Geschichte der iberischen Halbinsel allein weiteren Kreisen vermitteln. 
Höchst werthvoU sind femer die mir vorliegenden vortrefflichen 
photographischen Aufnahmen, welche Herr Sarmento in dankens- 
werthester Weise hat herstellen lassen; sie liegen den gelegentlich 
in der spanischen Zeitschrift Academia und der portugiesischen Re- 
nascen^a gegebenen Holzschnitten zu Grunde. Angesichts dieser Pho- 
tographien kann vor Allem constatiert werden, was sich übrigens 
bereits aus der ganzen Berichterstattung zweifellofs ergab, dafs wir 
es hier mit vollkommen glaubwürdigen, jeden Verdacht an Fälschung 
ausschliefsenden Thatsachen zu thun haben. Diess festzustellen ist 
gegenüber so manchen Vorgängen aus neuester Zeit von Wichtigkeit; 
noch vor wenigen Jahren hat sich der merkwürdigen spanischen Funde 
vom Cerro de los Santos bei Yecla im Königreich Murcia die be- 
trügerische Industrie bemächtigt und neben den ächten Stücken eine 
Reihe von Fälschungen auf den Markt gebracht. 
Der Name Zwischen Braga und dem anmuthig gelegenen Gmniaraens zieht 

•sich in der Richtung von West nach Ost hin ein Gebirgszug, die 
Serra de Falperra, eingeschlossen von den Thälern der Flüsse Este 
im Norden und Ave im Süden; an des letzteren oberem Lauf liegt 
der kleine Badeort Caldas das Taipas. Das Gebirg ist rauh und 
steinig; nur im Norden von Citania bilden zwei Dörfer, die Parochien 
von Spbreporta und Pedralva, eine Art von fruchtbaren Oasen. Drei 
Kilometer von Caldas, links von der Strafse nach Pövoa de Lanhoso^ 



ra-vv^«u 



^ Citania 2S7 

bildet die Falperra drei ziemlich gleichmäfsig nach Süden in das 
Thal des Ave vortretende Vorsprünge, deren mittlerer der Berg des 
S. jjoma.o de Brit^lros genannt wird. Heut gilt es zwar den An- BtRui^^j 
wohnern vielfach für sicher, dafs dieser Hgjlige mit den Röggm zu- 
sammenhängt, welche die Mohren aus Citania vertrieben hätten; das 
ist die bekannte auf der iberischen Halbinsel allgemeine Bezeich- 
nung aller alten nichtchristlichen Völkerschaften. Aber der Name 
des Heiligen, S. Romäo, steht mit der Vorstellung vo m römis chen V 
Alterthum der Stätte in durchaus kei ner Verbindu ng. Im Monde des | / 
Volkes gilt sie von Alters her als der Platz einer untergegangenen 
Stadt. Die Höhe des auf der einen Seite sanft ansteigenden, auf 
der anderen steil abfallenden Granitfelsens wird auf 336 Meter an- 
gegeben. Man hat von ihm einen weiten Blick in das anmuthige 
Thal auf- und abwärts. Je IY2 Kilometer entfernt sind die beiden 
anderen Vorsprünge, Sabroso und Santa Ina, auf welchen ebenfalls 2^[>ou-), 
Reste antiker Niederlassungen zum Vorschein gekommen sind. Als t^jK 
Name derjenigen des Berges von S. Romäo erscheint schon bei Britto " 

der in der Überschrift genannte, Citan ia. Ob er auf wirklich un- Cj^töcyno 
befangener volksmäfsiger Überlieferung beruht oder auf irgend einer 
gelehrten Reminiscenz, dürfte sich schwer entscheiden lassen. Sarmento 
hält ihn für alt und volksmäfssig. Es wäre Sache der einheimischen 
Forscher zu ermitteln, ob sich das Vorhandensein desselben etwa 
aus Urkunden, Flurbüchern oder dgl., noch über das sechzehnte 
Jahrhundert hinaus feststellen lässt. Erst mit der Mitte dieses Jahr- 
hunderts beginnt in Portugal das antiquarische Interesse zu erwachen. 
Gelingt es, den Namen Citania aus Urkunden oder historischen Auf- 
zeichnungen aus dem fünfzehnten oder noch früheren Jahrhunderten 
nachzuweisen, so ist damit für die Richtigkeit der Überlieferung viel 
gewonnen. Wie aus dem alten Namen des Volkes der Igaedif nni ein '' 
mittelalterliches Igeditania und Epitan ia und das moderne Idanha ent- l(j\<fpf^i^r * 
stand, so könnte vielleicht auch Citania ein antiker Name in leicht ver- ^ »//* ^ '^^ 

änderter Gestalt sein. Plinius führt unter den lusitanischen Völkerschaften ^'^'^ '^^ 

Cibilitani an; man könnte an sie denken, wenn nicht Citania viel- 
mehr zu GaUaecien gehörte, nicht zu Lusitanien. Von den vierund- 
zwanzig Gemeinden des Gerichtsbezirks von Braga führt das Ver- 
zeichniss des Plinius nur sieben namentlich auf; der übrigen bar- 
barische Namen zu nennen unterlässt er, wie so häufig. Also ist 
zur Wiedergewinnung des alten Namens von Citania nur wenig Aus- 



238 Spanien 

sieht vorhanden. Allein der Name kommt, wie es scheint, nicht hlofs 
hier vor: es gieht noch einige Örtlichkeiten im nördlichen Portugal, 
an welchen ähnliche Ruinen den gleichen Namen führen, so die Qjtania 
"* de Baiao und die nachher zu erwähnende Citania menor. Auch 
wird es vom Volke zuweilen Citaina gesprochen. Diess ist für die 
Erklärung des Wortes jedenfalls beachtenswerth. Eine sprachliche 
Verbindung desselben mit ciintas und seinen romanischen Derivaten, 
woran man gedacht hat, ist grammatisch nicht möglich. Aus dvitania, 
wenn eine solche spätlateinische Form nachweislich wäre, was sie nicht 
ist, hätte ciuäanha oder cidanha entstehen mtlssen. In den ür- 
1 kimden der Dioecese Braga soll ein monte Cttanio, in dem Codex 
y \ von Lugo des Königs Tieodemy: (dessen Autorität ich nicht kenne) 
ein Gitam g. vorkommen. Sicliere etymologische Erklärungen sind auf 
diese Daten so wenig zu grtlnden wie auf angebliche keltische Ana- 
logien; das öftere Vorkommen gleicher oder sehr ähnlicher geogra- 
phischer Namen ist überall, auf der iberischen Halbinsel in Folge 
der mannigfachen Völkerwanderungen besonders häufig. 

An der Richtigkeit und dem Alter jedoch des mehrfach be- 
zeugten Namens der fraglichen Örtlichkeit wird füglich nicht ge- 
zweifelt werden können. Desto weniger scheint sich die von den 
portugiesischen Gelehrten begreiflicher Weise gern geglaubte Meinung 
als richtig erweisen zu lassen, nach welcher der Ort in den antiken 
Quellen vorkommen und sogar eine hervorragende Bedeutung in der 
Geschichte des alten Lusitaniens gehabt haben soll. 

In der historischen Beispielsammlung des Valerius Maximus 
nämlich, des Zeitgenossen des Tiberius, wird, wohl nach Livius, ein Zug 
/ ungebrochenen Muthes von einer lusitanischen Gemeinde Cinginnia be- 
richtet, die dem Decimus lunius Brutus, dem Besieger von Gallaecien, 
als schon ganz Lusitanien unterworfen war, das Gold mit stolzer 
Rede zurückgab, das er ihr für die Unterwerfung bot. So, Cin- 
ginnia, steht in den ältesten und besten Handschriften des Valerius 
Maximus und ebenso las schon der alte Epitomator desselben lulius 
Paris. Man las früher Cinnania; die geringeren Handschriften haben 
cinrania cirania dnninia; eine, eine Wolffenbütteler, zu Ende des 
J fünfzehnten Jahrhunderts in Italien geschrieben, hat cytania. Diesen 
Namen haben die portugiesischen Gelehrten des sechzehnten Jahr- 
hunderts bereits mit dem des Ruinenfeldes bei Caldas das Taipas zu- 
sammengebracht, Vielleicht verdankt schon die Schreibung Cytania 



Citania 239 

ihren Ursprung einer gelehrten Interpolation: es verkehrten damals 
genug gelehrte Portugiesen, wie z. B. Achilles Statins und Damian 
de Goes, mit den Humanisten in Rom und in den anderen Haupt- 
städten Europa s. Der Name der lusitanischen Stadt, welche im 
Jahr 618 der Stadt, 136 v. Chr., den Gesandten des Decimus Brutus, 
des Besiegers der Gallaeker, so kühn entgegentrat, ist mit Sicherheit 
nicht herzustellen: C ingin nia ist schwerlich richtig, obgleich an 
iberische Namen vielleicht gleiches Stammes, wie den Fluss Cinga ^ 
in der Tarraconensis, und an den keltischen Cingetorix erinnert wer- -' 
den kann. Nicht unmöglich wäre Cingitania; das Suffix -it-anus ist in i i "1 
den Namen iberischer (nicht keltischer) Völker in Hispanien sehr \^ y \ 
häufig. Wie dem auch sei, der Zusammenhang jener lusitanischen 
Stadt mit dem Namen Citania hat keine Wahrscheinlichkeit. In 
Citania steckt der Rest eines der vielen Namen von Sitzen der Ur- 
bevölkerung, die sonst nicht bezeugt sind. Von noch mehr solchen 
Orten sind die Namen gänzlich untergegangen. Doch der Name bleibt 
ohne Einfluss auf die Beurtheilung der daselbst vorhandenen Ueber- 
reste. Was von diesen im sechzehnten Jahrhundert vorhanden war 
und im Wesentlichen unverändert noch jetzt vorhanden ist, aber durch 
die neuen Ausgrabungen deutlicher und vollständiger zu Tage tritt, 
ist etwa Folgendes. 

Ich schicke voraus, dafs das allererste Erfordemiss, um sich Die Stadt 
über den Thatbestand und über die gemachten Funde zu orientieren, 
nämlich ein Situationsplan, noch nicht hergestellt worden ist; Hr. S ar- 
men to macht wenig Hoffnung darauf, dafs ein solcher bald geliefert 
werden wird, da die Aufnahme grofse Schwierigkeiten bietet und 
es an zu ihrer Ausführung geeigneten Kräften zu mangeln scheint. 
Man hätte sich daher ausschliefslich an die Beschreibungen zu halten, 
wenn nicht durch die von Sarmento für meinen Gebrauch skizzierten 
Pläne diesem Mangel theilweis abgeholfen worden wäre. 

Der Berg Von Citania bildet, wie gesagt, eine Art von Halb- 
insel, welche durch eine Landzunge von dem nördlich gegenüber- 
liegenden Gebirge, der Falperra, getrennt wird. Diese Landzunge 
schliefst zunächst nach Norden eine dem Gebirgszug parallele in 
gerader Richtung von West nach Ost geführte Mauer ab. Südlich 
davon durchschneidet sie, ebenfalls in der Richtung von West nach 
Ost, ein künstlich in den Felsboden gehauener Graben, welcher nur 
in seinem mittleren Theil in der flachen Thalsohle liegt, während er 



240 Spanien 

zu beiden Seiten die in Schluchten abfallenden Abhänge der nächsten 
Höhen kreuzt. Genau in der Mitte desselben ist, senkrecht zu ihm, 
ein kurzer Mauerzug errichtet, welcher die Thalsohle bis zu dem 
ersten der drei den Berg von Citania selbst umschliefsenden Mauer- 
ringe abschliefst. Zweck und Anlage dieses merkwürdigen Stückes 
der alten Befestigung bedürfen noch der Aufklärung. Westlich von 
dieser Mauer laufen noch zwei andere, kürzere Gräben am Fufs des 
Hügels hin, der nördliche von dem ersten grofsen Graben sich ab- 
zweigend, der südliche kurze innerhalb des ersten und zweiten 
Mauerrings. 

Der erste, äufserste Mauerring liegt etwas höher als die Thal- 
sohle; er umschliefst in weitem, unregelmäfsigem Bogen den ganzen 
Berg von Citania. Der zweite, mittelste Mauerring ist enger und 
liegt tiefer als der erste, etwa auf derselben Höhe wie der grofse 
Graben. Der dritte, innerste, fast genau concentrisch mit dem zweften, 
liegt höher als der zweite. An der Nordseite ist der Zwischenraum 
zwischen den drei Maueningen fast gleich. Die Maueni, deren Dicke 
etwa 2 m beträgt, sind natürlich nur in unzusammenhängenden Resten 
erhalten, aber theilweis noch in Reihen gewaltiger Blöcke überein- 
ander geschichtet, von megalithischem Aussehn, wie Sarmento sich 
ausdrückt. Von der sogenannten kyklopischen Art sind besonders 
einige Strecken des zweiten Mauerrings auf der Westseite. 

Eine ganze Anzahl von gepflasterten Strafsen führte aus ver- 
schiedenen Himmelsgegenden zum Theil weit her auf den Berg hin- 
auf; ihre Richtungen und Verzweigungen sind, wie Hr. Sarmento 
bemerkt, noch nicht abschliefsend festgestellt. Seine Skizze lässt 
deren acht oder neun unterscheiden. Der Hauptweg auf die Höhe 
ist die „der Weg des S. Romäo" genannte Strafse. Das Pflaster 
derselben besteht aus Steinfliesen von ungleicher, zuweilen auch, 
aber nur zufällig, quadratischer Form. Öffnungen der äufseren 
Mauerringe, durch welche die Strafsen führen, vielleicht die Stellen, 
wo einst die Thore lagen, sind erkennbar. An einer der Strafsen, 
aufserhalb des Mauerrings, liegen drei Felsblöcke, nach Art der so- 
genannten Dolßien künstlich aufgerichtet. Ein vierter, gröfser als 
die übrigen, liegt an einer anderen Stelle der Strafse innerhalb der 
äufsersten Mauer; er wird vom Volk der Fels der Mohrin genannt 
, und trägt einen Felsblok von 5,29 zu 3,64 m Umfang. Es ist be- 
kannt, dafs in Spanien und Portugal, wie anderswo, Römer und 



Citania 241 

Maaren, zuweilen auch Juden, im Munde des Volkes sich in den 
Ruhm, alte Niederlassungen gegründet zu haben, theilen müssen. 
Spuren menschlicher Bearbeitung oder früherer Untersuchung zeigt 
keiner dieser Dolmen; nur findet sich auf dem „Fels der Mohrin" 
eine kleine länglich-viereckige Vertiefung wie eine Tränke, sicherlich 
von Menschenhand gemacht (aber wann?). Die Untersuchung des 
hohlen Raums unter dem Felsblock ergab nichts. 

Spuren menschlicher Bearbeitung aber zeigen sich an verschie- 
denen Stellen der Felsabhänge. Es sind in den Fels gehauene Zeichen, 
wie sie zahlreich auch in anderen Ländern, z. B. in Schottland, ge- 
fanden worden sind. Diese Zeichen sind meist rund, aus einem 
Piinlj^t ^md vjQ^ f.Q^p.ftDt.r|fi^ji en Kreisen bestehend^ ., von verschiedener 
Gröfse und in scheinbar ganz willkürlicher Weise nebeneinander ge- 
stellt, oder labyrinthisch verschlungene krumme Linien, oder endlich 
Verbindungen gerader Linien, welche an Steinmetzzeichen oder auch, 
in sehr entfernter Weise, an Buchstaben erinnern. Eines dieser 
Zeichen ist fälschlich von Einigen für das Bild eines vierfüfsigen 
Thieres mit langen Ohren gehalten worden. 

Auf der runden, nicht völlig ebenen Hügelfläche sind zwei un- 
gefähr in der Mitte sich kreuzende Hauptstrafsen und verschiedene 
Plätze und kleinere Wege deutlich zu erkennen; sie scheinen mit 
den auf den Berg führenden Strafsen in Verbindung zu stehen. S ar- 
men to meint, dafs mindestens sieben Thore in den verschiedenen 
Mauerringen einst gewesen seien. Das bisher gefundene Thor, an 
der nordwestlichen Seite des mittleren Mauerrings, ist aber das ein- 
zige, dessen Pfosten theilweis noch stehen; seine Weite beträgt 2,20 m. 
Die Strafsen oben sind ebenfalls sämmtlich gepflastert; einer der 
Plätze mit so regehnäfsig viereckigen Fliesen, dafs sie ein voll- 
kommenes Schachbrett bilden. Die Haaptstrafse ist an manchen 
Stellen 2, an anderen 4 m breit; die kleinen Gassen nur 1 m. An 
diesen Strafsen, Gassen und Plätzen liegen in scheinbar labyrinthi- 
scher Unordnung die Bauwerke und anderen Denkmäler, welche durch 
die neuesten Ausgrabungen zum Vorschein gekommen sind; nur wenige 
runde Hütten waren bis dahin sichtbar. Jetzt sind die Fundamente 
und zum Theil beträchtliche Reste von dreifsig bis vierzig Hütten, 
runden und viereckigen, zu Tage gefördert worden. Dazu kommt 
eine Anzahl anderer Denkmäler oder Überreste in Stein, .Erz 
und Thon. 

Hübner, Westeuropa. 16 



242 Spanien 

Es sind danach überhaupt sechs Klassen von Denkmälern und 
üeberresten zu unterscheiden: 

I. Htltten, d. h. runde und viereckige Bauten, vollständig oder 

in ihren Fundamenten erhalten. 
n. Tektonische Fragmente — wenn man den Namen gelten lassen 
will — mit Ornamenten, welche zum Theil zu Hütten, zum 
Theil zu anderen Bauwerken gehört zu haben scheinen, 
m. Figürliche Darstellungen in Stein; auch hier kann man von 
Sculpturen kaum reden, um durch den Namen nicht auch nur 
die bescheidensten Vorstellungen von Kunst zu erwecken. 
rV. Inschriften oder mit Schrift versehene tektonische Fragmente. 
V. Ziegel und Thonscherben mit und ohne Schrift, Thonscherben 

mit Stempeln und Ornamenten. 
VI. Münzen, Fragmente von Erz und Glas, und allerlei kleinere 
Alterthümer. 
Hütten Gewisser Maafsen das Wahrzeichen der Ruinenstätte von Citania 

sind zwei kreisrunde Hüttenbauten, ursprünglich oben offen und ohne 
jede Art von Thüren oder Fenstern, neuerdings durch Sarmento's 
Fürsorge mit Eingaugsthüren und Strohdächern versehen. Die vor- 
trefflichen photographischen Aufuahmen, nach welchen die Abbildungen 
in der Academia (Fig. 1 und 2) und in der Itenascenga gemacht 
sind, geben eine ziemlich deutliche Vorstellung von diesen Bauten. 
Leider ist auf der Abbildung der ersten Hütte die Linie weggelassen 
worden, welche auf der Photographie den antiken Theil von der 
Restauration trennte; der antike Theil ist weniger als einen Meter 
hoch. Auf der Photographie der zweiten Hütte erscheint diese zu 
klein im Verhältniss zu dem Unterbau, auf welchem sie zu ruhen 
scheint. Derselbe ist in Wahrheit etwa sieben Meter von der Hütte 
entfernt und hat nichts mit ihr zu thun. Beide Hütten sind rund 
und ohne quadratische Substruction, wie sie überhaupt in Citania nicht 
vorkommt. Doch ist im Übrigen die Zahl der quadratischen und 
oblongen Hütten gröfser als die der runden; von elliptischem Grund- 
riss sind nur zwei. 

Die Höhe der ausgegrabenen Reste beträgt in der Regel weniger 
als einen Meter; auf der Höbe der Bergfläche sind Mauern von 0,80 m 
schon selten. Wenn die Hütten sich gegen eine der Stützmauern 
des Felsens lehnen, durch welche die höheren Lagen desselben von 
den tieferen getrennt werden, so schützten diese, von denen die Hütten 



Citania 248 

oft kaum 0,5 m entfernt sind, die ihnen nächsten Umfassungsmauern, 
sodafs sich dieselben nicht selten in der Höhe von 1,80, zuweilen 
von mehr als zwei Metern erhalten haben. Doch sind diefs meist 
die Seitenwände; die Vorderseiten, so zerstört wie der ganze obere 
Theil der Bauten, sind rasiert bis auf die Linie, auf der die 
Thüren sich befinden konnten. Danach ist es bis heute nicht mög- 
lich gewesen festzustellen, ob die Mehrzahl der Hütten von Citania 
auf dem Boden aufstehende Thüren hatte oder nicht. Kleine hier und 
da in der untersten Schicht der Mauern vorhandene Schwellen, welche 
aber kaum die einer Eingangsthür gewesen zu sein scheinen, sind 
das einzige dafür sprechende Anzeichen; die meisten anderen sprechen 
dagegen. Nur die durch Sarmento reconstruierte gröfsere Hütte 
macht eine Ausnahme: hier sind die untere und ein Theil der oberen 
Schwelle nach ausdrücklicher Angabe zu der ursprtlnglichen Anlage 
gehörig. Die Eingänge können sonst jedoch sehr wohl etwa vier bis 
fünf Palm über dem Boden angebracht gewesen sein, und in der That 
sind solche Eingänge bei einer Anzahl von runden und viereckigen 
Hütten blofsgelegt worden. Wahrscheinlich waren sie sehr niedrig; 
in Sabroso wenigstens sind die Theile eines Eingangs gefunden worden, 
welcher nur 1,22 m hoch war. Fenster scheinen durchaus zu fehlen. 
Sarmento hat beobachtet, dafs diese sämmtlichen bisher gefundenen 
Thüröffnungen in der Richtung von Nordost bis Südost liegen und 
nicht an den Strafsen oder Gassen, sondern an der hinteren Seite 
der Hütten (von der Straf se aus). Eine Ausnahme macht bisher nur 
eine einzige viereckige Hütte, deren Eingang nach Nordwest liegt. 

Runde und oblonge oder quadratische Hütten liegen unmittelbar 
nebeneinander: zuweilen sind die runden von oblongen gradlinigen 
Mauern umschlossen. Es kommt einmal vor, dafs ein viereckiges ^n > 
Haus an Stelle eines zerstörten runden errichtet worden ist. Allein 
an entscheidenden Anzeichen dafür, dafs die gradlinigen Hütten für 
jünger, die runden für älter zu halten seien, wie man leicht ver- 
muthen könnte, scheint es bisher noch zu fehlen. Immerhin machen 
die in Sabroso (s, unten) vorherrschenden runden Hütten den Ein- 
druck höheren Alterthums als die von Citania. Zwei unregelmäfsig 
ovale und eine oblonge Hütte mit einer Art halbrunder Absis an der 
schmalen Seite, also eine Verbindung des gradlinigen mit dem Rund- 
bau, sind gefunden worden. 

Die Fläche des Felsens selbst ist, wie bemerkt, uneben. Hier- 

16* 



244 Spanien 

aas ergeben sich zusammenhängende Gruppen von Hütten und ver- 
schiedenartige Abgrenztmgen durch Stützmauern und Umfassungen. 
Die runden Hütten haben zuweilen vorspringende Vorbauten mit Ein- 
gang in der Mitte, wodurch kleine Vorhöfe entstehen. 

Zuweilen stehen die runden Hütten in einem quadratischen Bau, 
sodafs an der Stelle des einen der rechten Winkel, welcher fehlt, 
der Eingang in die Hütte war. Die Thür scheint in diesem Fall 
durch ein oder zwei verschiebbare Steinplatten gebildet worden zu 
sein, welche vertical in die Nuten zweier Blöcke eingreifen. Solche 
Blöcke haben sich hier und da noch erhalten. In der quadratischen 
Umgebung der Hütten finden sich häufig rohgeformte Tränksteine und 
in der Wand befestigte steinerne Ringe; sodafs es scheint als hätten 
jene Umzäuntmgen zu Ställen für das Vieh gedient. 

Die runden Hütten haben fast sämmtlich den gleichen Umfang 
von 4,77 m; in Sabroso kommen auch solche von 3,50 m Umfang 
vor. In einem der Stadtviertel von Citania findet sich jedoch eine 
ovale Hütte von 7,93 und 5,95 m Durchmesser. Die viereckigen 
sind von sehr verschiedenem Umfang; meist sind sie an Areal nicht 
viel gröfser, in seltenen Fällen noch einmal so grofs als die runden. 

Die Mauern der Hütten bestehen aus zwei Lagen, einer äufseren 
und einer inneren; ihre Dicke beträgt durchschnittlich 0,57 m. Die 
äufsere Lage besteht aus tmgleichen Steinen, wie sie gerade zur 
Hand waren, in fast durchgehends unregelmäfsigen Reihen überein- 
andergelegt. Nur die unterste äufsere Reihe enthält zuweilen grofse, 
mehr als einen Meter hohe Steine, auf die scharfe Kante gelegt, wo- 
gegen die innere Lage durchgehends aus ganz kleinen Steinen zu- 
sammengesetzt ist. Zwei runde und eine viereckige Hütte zeigen 
eine sorgfältigere Bauart: ähnlich wie bei dem Pflaster des oben er- 
wähnten Platzes sind die sämmtlich etwas über einen Palm hohen, 
aber ungleich langen Steine schräg aneinander gefügt, sodafs sie sich 
spiralförmig in die Höhe ziehen. Kegelförmige Hütten gab es nicht 
(wie man wohl gemeint hat) : dafs die Wände zuweilen nach aufsen, 
zuweilen nach innen aus dem Loth gehen, ist nur auf den Druck der 
Schuttmassen, nicht auf Absicht der Erbauer zurückzuführen. 

Im Innern der Häuser finden sich Ziegelscherben, aller Wahr- 
scheinlichkeit nach zu den Dächern gehörig. Spuren oder Reste von 
Holzconstructionen sind dagegen nirgends zum Vorschein gekommen; 
die grofsen Schuttmassen, welche aus jedem Haus gefördert werden, 



Citania 245 

machen es wahrscheinlich, dafs wenig oder gar kein Holz in den- 
selben Verwendung gefunden hat. Eine sichere Entscheidung dieser 
nicht unwichtigen Frage lässt sich jedoch nicht geben. Die nahe 
liegende Vermuthung, dafs auf den steinernen Substructionen sich ein 
Aufsatz von Holz befunden habe, welcher möglicher Weise Thüren 
und Fenster enthielt, muss daher vorläufig auf sich beruhen bleiben. 
Auch die nachher anzuführenden Analogien gallischer Hütten sprechen 
nicht dafür. 

Dagegen finden sich im Innern der Hütten einzelne Spuren von 
Bew urf mit Kalk . In einer der Hütten läuft eine Bank aus Stein- 
platten, auf niedrige Blöcke gelegt, rund um die Wand innen. In 
der Mitte aller runden^Jütten scheint ursprünglich ein aufrecht- 
stehender S teinpfeil er vorhanden gewesen zu sein, wie er in einer v&{\ 
derselben noch steht. Einige dieser Steine haben oben eine Vertiefung, 
vielleicht für eine hölzerne Stütze, welche das Dach trug. In einem 
Fall ist die obere Fläche, auf welcher die Stütze aufliegen musste, 
abgeschrägt, „wie ein Spülbrett^; doch widerspricht das nicht der 
vermuthlichen Bestimmung der Stütze. Das Vorhandensein solcher 
Stützen des Daches ist eine für das Wesen des Wohnhauses in diesen 
Städten lehrreiche Thatsache. 

Zuweilen führt ein gassenähnlicher Zugang mit Steinpfeilern, in 
deren senkrechten Rillen Latten von Holz hätten gelegt werden 
können, zu der Aufsenwand; dergleichen Steinpfeiler werden nachher 
noch zu erwähnen sein. Schmale Gassen und Plätze zwischen den 
einzelnen Hütten bleiben frei. 

Unter den ziemlich zahlreichen Resten von Werken der Archi-TektoniBche 

Fragmente 

tectur und der Sculptur, welche durchweg eine sorgfältige und über- 
legte, wenn auch halbbarbarische und mit offenbar unzulänglichen 
Werkzeugen ausgeführte Bearbeittmg zeigen, nimmt ein Stück einen 
besonders hervorragenden Platz ein und kann in seinen Ornamenten 
als gewissermafsen typisch für eine Reihe von ähnlichen gelten. Es 
ist dies der unter dem Namen des schönen Steines, a pedra fermosa, 
bekannte Steinblock, welcher bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts 
auf der Hochfläche von Citania lag. Um jene Zeit ist er durch den 
Abt Ignacio von S. Esteväo de Briteiros zuerst auf dessen Privat- 
besitzung Po^o d'Ola, dann in die Vorhalle der genannten Kirche 
gebracht worden. Neuerdings hat ihn S armen to von dort auf seinen 
ursprünglichen Platz zurückschaffen lassen. Vierundzwanzig Gespanne 



246 Spanien 

Ochsen waren nöthig, am die Last fortzuschaffen: der Stein ist 
^ 2,90 m hoch, 2,28 m breit und 0,24 m dick. Von den Ornamenten 
lässt sich schwer eine Beschreibung in Worte fassen. Das Ganze 
bildet ein nur roh ausgeführtes Halbrund, dessen Bogen den archi- 
tektonischen Abschluss über dem Eingang eines Gebäudes oder sonst- 
wie den Schmuck desselben gebildet haben könnte. Auf der Mitte 
der unteren Fläche ist eine kleine halbrunde Öffnung; in der Mitte 
darüber eine halbmondförmige und noch höher eine dreieckige; rechts 
und links von der halbrunden Öffnung sind aus kreuzweis verschlun- 
genen Doppelbändem gebildete Rosetten angebracht. In der ganzen 
Breite des Steins schliefst über dem kleinen Halbrund ein dreifacher 
erhaben gearbeiteter Streif den oberen Theil des Steins ab, gleichsam 
wie die Basis eines Giebelfeldes, das in der Mitte durch zwei senk- 
rechte Streifen getheilt und oben mit in stumpfem Winkel gegenein- 
ander geneigten Doppelstreifen abgeschlossen wird. Diese enden in 
einen einfachen, in der Mitte ausgehöhlten Knoten; er ist 0,05 m 
tief und hat 0,14 m Umfang. Im Felde des Giebels — wenn man 
den Ausdruck gestatten will — ist ein schachbrettartiges Ornament 
von Quadraten und Punkten durchgeführt, rechts und links von 
Rosetten aus stemähnlich gekreuzten und kreisförmigen Linien be- 
grenzt. Ähnliche Ornamente aus geschwungenen Linien oder Bändern, 
wie zwei nach verschiedenen Seiten gekehrte S sich gegenübergestellt, 
sind über den oberen Giebellinien, gleichsam wie Akroterien, wieder- 
holt. Solche wenig sorgfältig durchgeführte Linienomamente sind 
bekanntlich sehr häufig in gering entwickelten Kulturstufen ange- 
wendet worden, in der ältesten Vasenmalerei, in der Textilindustrie 
der verschiedensten Völker, auf Metallgeräthen und Waffen. Auch 
auf römischen Mosaikfufsböden der ersten Jahrhunderte unserer Zeit- 
rechnung und in den spärlichen Resten der westgothischen und frühesten 
fränkischen Kunst finden sie sich. Selbst bei den fast kulturlosen 
Völkern der neuen Welt sind diese oder ähnliche, circulare oder 
lineare Ornamente in der mannigfachsten Verwendung in Felswänden 
eingehauen, auf Gefäfsen eingeritzt, in Geräthe und Waffen einge- 
graben gefunden worden. Ein sicherer Schluss auf die Zeit der 
Entstehung so allgemein verbreiteter und so leicht sich bietender 
Ornamente ist daher nicht möglich; nur die Zeit ihres Ver Schwindens 
und ihre Ersetzung durch der Natumachahmung verdankte Motive lässt 
sich in den verschiedenen Kulturgebieten annähernd ermitteln. Im 



Gitania 247 

vorliegenden Fall könnte man in der Yertheilong der Ornamente zu 
einer Art von Giebelfeld vielleicht den beginnenden Einflnss griechisch- 
römischer Architectnr und Ornamentik erkennen. 

Eingehend ist die ursprüngliche Bestimmung der peära fermosa 
erörtert worden. Man scheint fast allgemein dahin übereingekommen 
zu sein, sie für einen Opferaltar zu halten, sodafs die ornamentierte 
Fläche horizontal gelegen, die halbrunde Einbiegung an der einen 
Seite aber den Platz für den Opfernden abgegeben habe. So auch 
hat sie Sarmento an Ort und Stelle aufstellen lassen; allerdings 
zunächst nur, um, wie er angiebt, sie so besser zu conservieren. 
Dem ihm bekannten Vandalismus vieler der Besucher wollte er den 
schon in der Mitte gerissenen Block, der noch dazu eine sehr un- 
gleiche Grundfläche hat, nicht aussetzen. Mir sind Analogien aus 
der antiken Welt, auch aus der keltischen, für solche mit Ornamenten 
in ziemlich hohem Relief versehene Platten von Opferaltären gänzlich 
unbekannt; es will mir nicht in den Sinn, dafs eine einfache, wenn 
auch noch unentwickelte Kultur Schmuck angebracht haben sollte auf 
Flächen, wo man ihn gar nicht sieht und wo er gänzlich unnütz ist. 
Und wenn auch der Architekt da Silva dann irren mag, dafs er 
die ganze zierliche und doch rohe Ornamentik des Steins für römisch 
erklärt, so hat er doch, wie ich glaube, mit richtigem Instinct die 
Haupteintheilung derselben erkannt als dem griechisch-römischen 
Giebelfeld entlehnt. Ein Giebelfeld aber legt man nicht flach hin 
als Tisch- oder Altarplatte, sondern man stellt es senkrecht auf, wenn 
auch nur auf aus rohen Blöcken gebildete Pfeiler. Die für die ur- 
sprünglich horizontale Lage des Steins vorgebrachten Gründe über- 
zeugen mich nicht. Die von mir angeregte Vergleichung der Fels- 
altäre von Panoyas, welche nacher erwähnt werden sollen, lehrt 
gerade die Verschiedenheit wirklicher Altäre zur Evidenz. Sie zeigen 
auf ihren horizontalen Flächen nur Vertiefungen, wie sie auch griechich- 
römische Altäre zu haben pflegen, für Brand- und Trankopfer, nicht 
aber jenes ganz überflüssige Netz von Ornamenten, welches wie ge- 
sagt, nur auf verticalen Flächen zur Geltung kommen kann. 

Gegen die Annahme, dafs der Stein ein aufrechtstehender Giebel 
oder eine Grabstele gewesen sei, macht Sarmento folgendes geltend. 
Nach den Angaben der Gewährsmänner Argote's muss der Stein an 
derselben Stelle von Citania gefunden worden sein, auf welcher später 
die unten zu beschreibenden Sculpturen, die Steine mit Inschrifteu 



248 Spanien 

und die Ziegelscherben mit Schrift, zum Vorschein kamen. Dort liegt 
eine der gröfsten ovalen Hütten, von 7,93 zu 5,95 m Durchmesser, 
nahe bei anderen kleineren, und so, dafs, der Natur der Sache nach, 
nur an einer Stelle ihr Eingang sein konnte; dort sind der Inschrift- 
stein mit dem Namen Camalus und die übrigen hervorragenden 
Sculpturen gefunden worden. Argot e 's Beschreibung des Fundortes 
der pedra fermosa passt, wie Sarmento meint, nur auf diese Ört- 
lichkeit; was man dem genauen Kenner Citania's gern zugeben wird. 
Die auf solche Weise mit annähernder Sicherheit ermittelte Fund- 
notiz soll zugleich die sepulcrale Bestimmung ausschliefsen. Als 
Giebel aber kann der Stein an der einzigen Thür jenes Hauses schon 
seines Gewichtes wegen unmöglich angebracht gewesen sein; folglich, 
so meint Sarmento, muss er für sich im Freien aufgestellt gewesen 
sein. Daraus, dafs der Abt von S. Esteväo de Briteiros, als er die 
pedra fermosa aus Citania fortschaffen liefs, auch eine Anzahl anderer, 
als Bogen eines Kellergeschosses bezeichneter Steine mit fortnahm, schliefst 
er femer, dafs dieses die ursprünglich dem ganzem Denkmal gehörigen 
Stützen gewesen seien, auf welchen es in der That in der Vorhalle 
jener Kirche zufgestellt war. Und wenn diese rohen Stützen auch 
nicht mit Nothwendigkeit als die ursprünglichen festgestellt werden 
könnten, so sei es doch wahrscheinlich, dafs der Stein in derselben 
Weise, wie ursprünglich in Citania, dort aufgestellt worden sei. Dafs 
diess ein unsicherer Anhalt ist, fühlt jeder; andere Gründe aber 
sollen hinzukommen. Die halbmondförmige etwa IY2 ZoU tiefe Ver- 
tiefung über dem halbrunden Ausschnitt unten und die über der 
ersten befindliche, noch kleinere und ebenso tiefe dreieckige stehen 
durch ein Loch unterhalb des sie trennenden Randes in Verbindung; 
ein zweites Loch, ebenfalls unter dem Rande angebracht, mündet in 
den Ausschnitt. Giefst man also Wasser in die dreieckige Vertiefung, 
so fliefst dasselbe erst in die halbmondförmige und dann in den Aus- 
schnitt ab. Die runde Vertiefung in dem Knoten der Giebelspitze 
zeigt kein solches Ablaufsloch. Daraus ergiebt sich für Sarmento 
die Nothwendigkeit der ursprünglich horizontalen Aufstellung des 
Steins; bei einer vertikalen müsste die Flüssigkeit in den drei Ver- 
tiefungen herauslaufen. Also ein Opferaltar und, weil innerhalb der 
Niederlassung gefunden, kein Grabstein: das ist nach Sarmento* s 
Meinung das Wahrscheinlichste. 

Für Kenner des Alterthums bedarf es des Beweises dafür nicht, 



Gitania 249 

dafs überall der Anlage von Nekropolen ausserhalb von Dörfern oder 
städtischen Niederlassungen auf primitiven Kulturstufen das Begraben 
oder Verbrennen der Todten in der nächsten Nähe der Wohnungen 
vorangegangen sein muss, da es erst durch gesetzliche Bestimmungen 
in historischer Zeit verboten wurde. Bei dem skeptischen Verhalten 
der portugiesischen Entdecker gegenüber dieser Thatsache mag es 
genügen für Griechenland auf das bekannte Zeugniss in dem pseudo- 
platonischen Dialog Minos und die Bestätigung desselben durch Gräber- 
funde im ältesten Athen, für Rom auf Dionysios von Halikamass und 
des Servius Aeneiscommentai* zu verweisen. Freilich enthalten diese 
Zeugnisse für die Stadt Kom nur eine Bestätigung dafür, dafs man, 
wie wir es thun, schon im Alterthum auf eine der historischen vorauf- 
gehenden Sitte städtischer Begräbnisse schloss. Denn an thatsäch- 
licher Bezeugung von Grabstätten innerhalb des ältesten Roms fehlt 
es durchaus, wie von den Kennern der Topographie der Stadt ver- 
sichert wird. Derjenige Grad der Entwickelung städtischen Lebens, 
welchen Rom längst erreicht hatte, bevor die uns erhaltenen Zeug- 
nisse und Denkmäler einsetzen, schliefst die urälteste Sitte städti- 
scher Begräbnisse schon aus. Desshalb aber können sie in den 
ältesten italischen Niederlassungen überhaupt sehr wohl üblich und 
der Tradition nicht unbekannt gewesen sein. Dafs es, gegenüber der 
stadtrömischen und italischen Sitte, in den Provinzen, bei den fremden 
Völkern, noch lange Zeit üblich war, die Todten innerhalb des 
Mauerrings zu bestatten, geht zum Ueberfluss aus den ausdrücklichen 
Zeugnissen hervor, nach welchen erst die Kaiser Pius und Marcus 
durch strenge Verbote. den Missbrauch ausrotten konnten. Besonders 
bevorzugte Personen, Priester bestimmter Heiligthümer konnten auch 
nach italischem Brauch eine Ausnahme machen; so vielleicht die Ge- 
meindepriesterinnen in Pompeji. Auch in Faesulae fand man Gräber 
innerhalb der Stadtmauern. Dafs es bei den übrigen ältesten Völker- 
schaften Italiens, bei Ligurem Etruskem Kelten nicht anders ge- 
wesen sein wird, muss ohne Weiteres vorausgesetzt werden. In dem 
nachher zu erwähnenden gallischen Oppidum von Murcens (Lot) sind 
zahlreiche Fragmente von Aschenurnen gefunden worden; die Be- 
gräbnissplätze lagen dort unzweifelhaft innerhalb des Mauerrings. 
Die italischen, ligurischen und keltischen Nekropolen sind überall 
erst die Folge einer vorgeschrittenen Kultur, und selbst wenn sich 
bei Gitania einst, was ja keineswegs unmöglich ist, ein Begräbniss- 



250 Spamen 

platz finden sollte, so wäre damit das vereinzelte Vorkommen von 
Grabstätten vornehmer Personen innerhalb des Oppidmns dorchaos 
nicht ausgeschlossen. Von dieser Seite also steht der Annahme, dafs 
die pedra fermosa einen sepolcralen Zweck gehabt habe, sicherlich 
nichts im Wege. Ob die übrigen ornamentierten Inschriftsteine ans 
Gitania für sepulcral gelten dürfen, soll nachher erörtert werden. 

Dagegen wäre erst zu beweisen, dafs Altäre von der Form der 
pedra fermosa bei irgend einem der europäischen Kulturvölker in 
Gebrauch gewesen, wenn man meint, dafs die künstlich abgestuften 
Abflusslöcher als charakteristisch für einen Opferaltar anzusehen seien. 
Das Schlachten des Opferthieres fand nach allgemein antikem und 
natürlichem Brauch vor dem Altar statt, welcher niemals als Schlacht- 
bank gedient hat; auf denselben legt man, und in der Regel keines- 
wegs unmittelbar nach dem Schlachten, das getödtete Thier oder die 
kunstreich zugerichteten Theile desselben, welche dem Gotte darge- 
bracht werden sollen. Die Vorstellung, dafs der Opfernde in dem 
halbrunden Ausschnitt des Steines gestanden und von da aus mit 
dem blutigen Fleisch hantiert habe, sodafs das frische Blut sich in 
den Vertiefungen der Ornamente gesammelt und durch die kleinen 
Löcher abgeflossen sei, schwebt gänzlich in der Luft. Von dem kelti- 
schen oder iberischen Opferbrauch wissen wir freilich gar nichts: aber 
ich möchte den Verfechtern jener Ansicht rathen einmal den prakti- 
schen Versuch zu machen und ein junges Lamm auf den Ornamenten 
der pedra fermosa zu schlachten. Bewährt sich dabei die Form und 
Ausschmückung derselben als zweckentsprechend, so bin ich bereit 
wenigstens die Möglichkeit einer solchen Bestimmung zuzugeben; mehr 
aber auch nicht. 

Wenn der Stein in horizontaler Lage noch in S. Esteväo de 
Briteiros auf rohe Stützen gestellt war, so ist auch eine Aufstellung 
denkbar, vermöge welcher er aufrechtstehend auf ausreichender Un- 
terlage entweder fest im Mauerwerk oder auch als eine Art Giebel 
frei auf Stützen geruht hat; man kann sich ja nach Analogie der 
Thüren der übrigen Bauten die darunter etwa frei bleibende Öf&iung 
so niedrig vorstellen, als es die Last des Steines bedingt. Die zahl- 
losen Dolmen und Menhirs aller Art beweisen doch zur Genüge, dafs 
alle die verschiedenen Völker, welche sie in primitiven Kulturepochen 
errichtet haben, die Gesetze der Statik soweit beherrschten, um vor 
gleichen und gröfseren Aufgaben nicht zurückzuschrecken. Die untere 



Citania 251 

Fliehe des Steins, auf welcher er mhen muss, wenn yertical aufge- 
stellt, ist theilweis nur 40 cm breit. Er müsste also, wie auch S ar- 
men to yermuthet, in diesem Fall gegen eine starke Futtermauer 
gelehnt gewesen sein; wogegen ich nichts einzuwenden habe. Mit 
Sicherheit also lässt sich Zweck und Verwendung des Steines bis 
jetzt allerdings nicht angeben, aber vorsichtige Termuthungen werden 
sich nur innerhalb des soeben umschriebenen Kreises zu bewegen 
haben. Gegen meine Annahme, dafs er aufrecht zu stehen bestimmt 
gewesen sei, sind entscheidende Gründe bisher nicht vorgebracht 
worden. S armen to verwahrt sich ausdrücklich dagegen, die falschen 
Muthmaafsungen Anderer über Aufstellung und Bestimmung des merk- 
¥rttrdigen Denkmals zu theilen; denn er habe selber nicht einmal eine 
Vermuthung darüber. 

Die pedra fermosa, jener vielbesprochene am reichsten orna- 
mentierte Stein, trägt auf seiner Rückseite, wie schon erwähnt, ein 
offenbar absichtlich eingegrabenes Zeichen; S armen to theilt mir eine 
genaue Abbildung desselben mit, welche hier nicht wiedergegeben 
werden kann. Mit lateinischen Schriftzeichen zeigt es keine Art 
von Verwandtschaft, wohl aber mit den kreisrunden und spiralförmi- 
gen Zeichen, welche nicht selten in den natürlichen Fels geritzt vor- 
kommen und hier und da neben lateinischen Inschriften. Das Zeichen 
wird also wohl irgend eine Bedeutung gehabt haben und nicht ein 
blofses Ornament gewesen sein. Ähnlich sind zwei Zeichen, welche 
sich auf einem unförmlichen Stein befinden, der, wie Sarmento 
meint, zu einem baulichen Zweck nicht verwendet worden ist. End- 
lich macht Sarmento noch auf eine auffällige Ungleichheit in der 
ornamentierten Oberfläche des Steins und den dadurch bedingten 
Mangel an Symmetrie in der ganzen Anlage der tektonischen Ver- 
zierungen aufmerksam; ein neues Zeichen für die primitive Bohheit 
der Arbeit. 

Dafs dieses einzelne Stück eine unverhältnissmäfsig lange Er- 
örterung in Anspruch genommen hat, mag durch seine Singularität 
Entschuldigung finden, lieber die übrigen tektonischen Fragmente 
kann desto kürzer gehandelt werden. Unter ihnen sind zu unter- 
scheiden: 

1. Aufrecht stehend gefundene oder augenscheinlich zum Stehen 
bestimmte Steinpfeiler, wie der mit einer tiefen Rille versehene schon 
erwähnte, in einem der gassenartigen Zugänge zu der Hütte, und der 



252 Spanien 

mit Löchern zum Einsetzen von Balken, wie es scheint, versehene 
und an der einen Seite mit einem Ornament wie aus gewundenen 
Tauen gezierte. Sie scheinen Theile von Einzäunungen gebildet 
zu haben. 

2. Liegende Steinschwellen mit wulstartigem Rande, stufen- 
artigen Einschnitten und viereckigen und runden Löchern zur Auf- 
nahme von aufrechtstehenden Balken oder Angeln von Thoren. Das 
runde Loch ist für den Zapfen der Angel bestimmt. Sarmento 
macht darauf aufmerksam, dafs Thüren in dergleichen Angeln noch 
jetzt in der Provinz Minho üblich sind. Verwandt ist auch vielleicht 
ein Felsblock mit Z förmigem tiefem Einschnitt. Von einigen runden 
durchlöcherten Steinen oder Steinringen (vielleicht zum Anbinden des 
Viehs), welche aufserdem gefunden worden sind, liegen noch keine 
Abbildungen vor. 

3. In der Gliederung und Verzierung der unter 1 und 2 zu- 
sammengefassten Stücke ist von Stil oder Anlehnung an bestimmte 
Muster kaum etwas zu merken. Entschieden griechisch-römische For- 
men aber zeigen zwei Pilaster- oder Säulenbasen. Sie sind in einer 
der Hütten mit Bänken im Inneren, und zwar in die innem Wände 
eingelassen gefunden worden. Ihre Oberfläche ist poliert aber un- 
eben, sodafs man es für unwahrscheinlich hält, dafs Pfeiler auf ihnen 
geruht hätten. Wozu sie auch gedient haben mögen, der Uebergang 
zu den Formen der römischen Kunst ist durch sie jedenfalls bezeugt; 
diefs fällt für die oben aufgestellte Ansicht über die Ornamente der 
pedra fermosa ins Gewicht. 

4. Die primitivste Art der Ornamentik, wenn man sie über- 
haupt als solche anerkennen will, zeigen einige nur mit rechtwinkelig 
gestellten graden Linien verzierte Steine von ungewisser Bestimmung. 
Drei andere Steine zeigen rein gradlinige Ornamente, in spitzen Win- 
keln zusammengestellt oder an einen graden Mittelstrich palmzweig- 
ähnlich angelehnt. 

5. Kreisförmige Ornamente, wie die in den oben erwähnten Fels- 
blöcken, sind vom einfachen Kreis, der durch kreuzweis gestellte 
grade Linien getheilt ist, bis zu in verschiedener Weise rad- oder 
sternförmig eingetheilten Kreisen vorhanden, welche theils einzeln an 
einer graden Linie, theils zu zweien von gleicher oder verschiedener 
Art zusammengestellt, die Fläche der Steine verzieren, oder in be- 
sonders deutlicher Radform einen Cylinder abschliefsen. Aller dieser 



Citania 253 

Stücke ursprüngliche Verwendung ist ungewiss. Aus Kreisausschnitten 
gebildete Rosetten kommen in der Architectur der asturischen Kirchen 
des siebenten und achten Jahrhunderts und nachher wiederum in der 
französischen und deutschen Gothik des dreizehnten Jahrhunderts vor. 
Aber radförmige Ornamente primitivster Art bilden bekanntlich einen 
häufig wiederkehrenden Bestandtheil der in den Pfahlbauten verschie- 
dener Gegenden gemachten Funde; an dem (relativen) Alter der in 
Citania vorkommenden ist nicht zu zweifeln. 

6. Auf anderen Steinen findet sich eine Verbindung von grad- 
linigen und kreisförmigen Ornamenten, durchaus verwandt denen der 
pedra fermosa und der nachher zu betrachtenden mit Inschriften ver- 
sehenen Steine, in mannigfacher Abstufung von dem einfach geschlun- 
genen Wulst und der Verbindung zweier Parallelen mit concentrischen 
Kreisen bis zu reicheren Verbindungen. In dieser Art von Ver- 
zierungen ist vielleicht das für die Kunst von Citania am meisten 
Charakteristische zu erkennen. Mit unzweifelhaftem Rechte ist von 
verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, dafs die linearen, 
spiralförmigen und geometrischen Verzierungen der ,pedra fermosa wie 
der übrigen Stücke, dazu der ähnliche Schmuck des Töpfergeschirrs 
von Citania an spätkeltische Denkmäler erinnern. Die Steinkreuze 
der Betragne, von Wales und von Schottland, die irischen Miniaturen 
bieten in der That viele auffällige Analogien zu denselben. 

Auch zur Darstellung von Thieren und menschlichen Gestalten J^^^^Jiche 

° Scnlptnren 

hat sich die dortige Kunst erhoben. Rohe Thierfiguren, meist Stiere 
und Schweine, wahrscheinlich als Grabdenkmäler verwendet, sind in 
Spanien nicht selten; bekannt sind besonders die sogenannten Stiere 
von Guisando bei Avila. Die lateinische Inschrift einiger derselben 
(C. I. L. n 3051. 3052) lässt an der sepulcralen Bestimmung wenig- 
stens in diesem Falle keinen Zweifel. In Citania sind keine Thier- 
figuren gefunden worden (ob zufällig ?); zwei Fragmente von deutlich 
erkennbaren Schweinsköpfen, von einem nur der charakteristisch ge- 
arbeitete Rüssel, stammen aus Sabroso. Aus Citania ist eine mensch- 
liche Gestalt, 0,46 m hoch, roher noch als die Statuen gallaekischer 
Krieger, über welche ich an anderem Orte gehandelt habe; sie lässt 
den Kopf und einige Andeutungen der Beine erkennen; aber Bewe- 
gung und Tracht sind an ihr so gut wie völlig unkenntlich. Der 
Kopf ist unförmlich grofs und sieht wie ein Todtenschädel aus, 
welchem der Unterkiefer fehlt. Er war abgebrochen und ist mit 



254 Spanien 

einer Stfltze befestigt worden. Die Figur soll weiblich sein; Sparen 
der Brüste seien erkennbar. Man hat darin ein 'keltisches Idol' 
erkennen wollen. Unverkennbar ist eine gewisse Verwandtschaft dieser 
Bildwerke mit jenen rohen Gestalten gallaekischer Krieger, die sich 
an verschiedenen Orten des nördlichen Portugal gefunden haben. Die 
auf einigen von ihnen noch erhaltenen lateinischen Inschriften lassen 
keinen Zweifel daran, dafs sie Grabdenkmäler hervorragender Personen 
waren. Ein äusserst roher Kopf ist erhalten, welcher möglicher 
Weise zu einer ähnlichen Statue gehört hat. Derselbe stammt jedoch 
nicht aus Citania, sondern aus Santa Ina. Besonders beachtenswerth 
ist eine Reliefdarstellung von unregelmäfsiger Form mit zwei Figuren. 
Die erste Figur ist 0,22 m hoch. Die Arbeit ist äufserst roh; in 
dem grobkörnigen Material, welches aufserdem durch Feuchtigkeit 
ausgewittert zu sein scheint, bilden kaum die Umrisse der Figuren 
zusammenhängende Linien. Man erkennt zwei menschliche Gestalten, 
im Profil nach rechtshin schreitend. Ob sie bekleidet oder unbe- 
kleidet, ob männlich oder weiblich, ist nicht zu unterscheiden; auch 
nicht die Gesichtszüge sind kenntlich. Die erste, rechts, kleiner wie 
die andere, vornüber gebeugt, scheint in beiden vorgestreckten Armen 
ein keulenähnliches Instrument zu halten. Die andere, gröfsere, scheint 
die erste siegreich zu verfolgen und mit den ausgestreckten Armen 
oder einer damit hoch gehaltenen Waffe Haupt und Rücken der ersten 
zu berühren. Vielleicht also Kampf und Verfolgung des Feindes; 
mehr lässt sich nicht sagen. Doch hat es nicht an Versuchen zu 
bestimmter Erklärung und Deutung gefehlt. Die älteren Erklärer 
blieben im Kreis antiker Vorstellungen und dachten z. B. an einen 
Satyr, der einen anderen Satyr oder fackelhaltenden Amor vor sich 
her treibt. So wird das Relief schon von Argote beschrieben. Ein 
neuerer portugiesischer Gelehrter sucht den Gegenstand unter arischen 
Mythologemen und schlägt vor, den Sonnengott zu sehen, der die 
Mondgöttin verfolgt. Andere sehen darin mit mehr Wahrscheinlich- 
keit eine menschliche Kampfesscene. An dem Verfolgten bemerkt 
man den keltischen Haarschopf und erklärt das, was derselbe trägt, 
für irgend eine Waffe. 
Inschriften Inschriftliche Denkmäler in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, 

Altäre, Grabsteine von den üblichen griechisch-römischen Formen, 
oder einfache Schriftplatten und dergleichen, sind in Citania bisher 
nicht gefunden worden. Die wenigen bisher gefundenen inschnft- 



Citania 255 

liehen Denkmäler sind von durchaas eigenartigem Charakter. Zwei 
gröfsere Steine mit Inschriften zeigen zunächst in der ganzen An- 
ordnung der Ornamentik die nächste Verwandtschaft mit der pedra 
fermosa. Von dem einen fehlt an der linken Seite mehr als der 
dritte Theil; das Mittelstück ist offenbar beinahe ganz, die rechte 
Seite vollständig erhalten. Von dem anderen ist umgekehrt die linke 
Seite vollständig, von der Mitte nur ein Theil erhalten, während die 
rechte Seite fehlt. Die linearen Ornamente daran bilden gewisser- 
mafsen den Abschluss der Schrifttafel, ähnlich wie die Henkel an 
den römischen tragbaren oder an der Wand befestigten Inschriften- 
tafeln. Das erste gröfsere Stück zeigt unter der Schrift der Mitte 
eine concentrische Spirale und ein an das ä la grecque erinnerndes 
lineares Ornament; das zweite kleinere ein noch einfacheres, aus 
Halbkreisen und im spitzen Winkel zu einander gestellten Linien 
bestehendes über der Schrift. Auf der gröfseren steht in tiefen, aber 
im Ganzen schlanken Schriftzügen, die Inschrift (N. 1) Coronen 
Camall domus, *Haus des Coronerus [des Sohnes] des Gamalus'. 
Aehnlich klingende Namen wie Coruäbe, Coronwum kommen in ganz 
vereinzelten Beispielen hier vor. Bei Ptolemaeos wird im Lande der 
Gallaeker ein Vorgebirge des Corus erwähnt. Auf dem kleinereu 
Stein steht nur (N. 2) Camali. Es liegt an sich am nächsten, die 
in der Inschrift genannte domus als die domus aeterna, das Grab- 
mal, des Coronet-US zu fassen, und demgemäfs auch den in der In- 
schrift N. 2 genannten Camalus als den Verstorbenen. Aber dem wider- 
spricht der Fundort: die Steine sind in und an den Häusern ange- 
bracht gewesen, die sicher keine Gräber waren. Sichere Spuren alter 
Gräber scheinen überhaupt bisher in Citania nicht gefunden worden 
zu sein; die siebzehn Gräber, welche man in der Nähe der Capelle 
des S. Eomao aufdeckte, sind spätchristliche. 

S armen to hat mit grofser Wahrscheinlichkeit gezeigt, dafs die 
ursprüngliche Bestimmung des Steins Nr. 1 mit der Inschrift des Coro- 
nerus war als obere Schwelle eines Thorwegs, etwa des Vorhofs 
einer runden Hütte, zu dienen. Zwei gleichartig ornamentierte Pfosten 
von der Art der oben (S. 251) beschriebenen, welche sich an das 
horizontale Basament einer Umfassungsmauer unmittelbar anschliefsen, 
würden danach den länglichen Block mit der Inschrift so getragen 
haben, dafs darunter ein offenes Eingangsthor von etwa 1,30 m Höhe 
frei blieb. Ähnlich denkt er sich den Stein mit der Inschrift Nr. 2, 



256 Spanien » 

sowie einige der ornamentierten Steinschwellen verwendet. Eine 
solche Aufstellung jener Steine stimmt mit meiner oben entwickelten 
Ansicht von der ursprünglichen Verwendung und Aufstellung der 
pedra fermosa durchaus überein. Lässt sich jedoch der Nachweis 
führen, dafs die Umfassungsmauern und Vorhöfe der Hütten in der 
That mit solchen oder ähnlichen Eingangsthüren versehen waren, so 
lernen wir damit als einheimischen Brauch der Bewohner von Citania 
die von der griechischen und italischen abweichende Sitte kennen, 
die Häuser einzelner Bürger durch Inschriften als Eigenthum ihrer 
Besitzer zu bezeichnen. 

Von anderer Form aber ebenso unbekannter Bestimmung ist die 
dritte Inschrift von Citania, ein flacher Felsblock, welcher vor der 
Hütte oder dem Hüttencomplex liegt, in welchem die Inschrift Nr. 2 
gefunden worden ist. Auf dem Block steht wiederum der Name 
Camalus (N. 3) neben einem concentrischen Ornament eingegraben. 

Von gleicher Art ist die nächste Inschrift, ein unregelmäfsiger 
Granitblock, 1 m hoch und 0,45 breit, auf welchem in schräger 
Linie zwei Zeilen stehen, welche Cron(i) Camali (ßii) (N. 4) zu 
lesen sind. Namen auf -onus, wie Ad/ronus Veroti f(üius) und ähn- 
liche konmaen in jenen Gegenden nicht selten vor. Ist Cronm 
identisch mit dem Coronerus der Inschrift Nr. 1? Sarmento hält 
es für sehr wahrscheinlich, dafs der Stein zu dem Hause gehört 
habe, an welchem seiner Annahme nach der Stein des Coronerus an- 
gebracht war. Eine epichorische Verktlrzung des Namens wäre nicht 
unmöglich. 

Eine weitere Inschrift von derselben Art, auch auf einem flachen 
Felsblock nicht weit von dem vorhergehenden, lautet Coruabe 
Medamus Camali (N. 5). Der Name Medamus konmat in jenen 
Gegenden ebenfalls nicht selten vor. 

Auf einer Steinplatte, die zu einem Haus gehört zu haben 
scheint, steht Lari (N. 6), Genetiv eines Namens Larius oder Larus. 
Das I ist durch einen Strich über dem E bezeichnet; horizontal 
liegende I sind auf den frühchristlichen Inschriften von Wales häufig. 

Auf einem roh behauenen Stein mit schlecht eingegrabenen 
Schriftzügen steht J.^wro Vinati(filius) (N. 7); Sarmento macht darauf 
aufmerksam, dafs das A der ersten Zeile oben offen sei und den 
schrägen gelösten Mittelstrich habe (an sich eine sehr alte Form), 
das der zweiten Zeile dagegen den gewöhnlichen horizontalen und 



* Citania 257 

fest verbundenen Mittelstrich zeige, aber ebenfalls oben offen sei. 
lieber die augustische Zeit hinaus zu gehen nöthigen solche barbarische 
Schriftformen nicht. Viriatus ist als nicht seltener Personenname in 
jenen Gegenden bekannt. Neben dem häufigen Caturo kommen noch 
Atto, Attua, Adronus vor, Aturo wie es scheint hier zuerst. 

Aus Citania stammt, befindet sich aber jetzt in Sobreporta beim 
Geistlichen, ein vollständig erhaltener Stein mit der Inschrift; Canici 
(N. 8). So, Caniciy nicht Cavtci, auch nicht Civiciy ist zu lesen. 
Also wiederum der Genetiv eines Eigennamens. 

Nicht unmittelbar auf Citania, aber in der nächsten Nähe da- 
von, in der Ebene zwischen Sabroso und dem Fluss Ave, nah dem 
Bach, der an Citania vorbeifliefst, liegt ein Steinblock mit der In- 
schrift Culcei F . . ., oder Cukeiu . . (N. 9), in tief eingegrabenen 
und, wie Sarmento versichert, in der Lesung völlig zweifellosen 
Schriftzügen; E und I sind darin in eigenthümlicher Weise verbun- 
den, einem umgekehrten Dreizack |-|^ ähnlich. Die Inschrift steht, 
wie ich hier nach Sarmento' s Mittheilung berichtige, nicht auf einem 
Ziegel, sondern auf einem Stein. Dasselbe Zeichen zeigt die Inschrift 
aus Citania Äurei (N. 10); an Aureli wird nicht zu denken sein. 

Zehn Inschriften also in lateinischer Sprache, offenbar von den 
Angesehensten unter den einheimischen Bewohnern gesetzt. Auffallend 
ist vor Allem das häufige Vorkommen des Namens Camalus, Ca- 
malus ist einer der gewöhnlichsten Namen in keltischen Gegenden. 
In der spanischen Inschriftensammlung sind über zwanzig Beispiele 
verzeichnet. Der Mars Camalus und das brittische Camalodtmum (oder 
Camulodunum, beide Formen sind bezeugt) sind bekannt (oben S. 21). 
Über die Zeit der Inschriften wage ich nach dem Charakter der Schrift 
allein kein ürtheil. Die Buchstabenformen, besonders das M in 
DOMVS, zeigen eine gewisse autochthone Roheit; auch das Verbinden 
des A M und L, welches in dem Namen Camalus regelmäfsig wieder- 
kehrt (wir werden es nachher auch auf den Ziegeln finden), könnte 
auf alteinheimischem Brauch beruhen. Die grofse, alle Alphabet- 
ziffem weit überschreitende Zahl der auf den iberischen Münzen vor- 
kommenden Schriftzeichen hat die Annahme eines ausgedehnten Ge- 
brauches von Buchstabenverbindungen in den iberischen Münzauf- 
schriften den bisherigen Erklärem als unausweislich erscheinen lassen. 
Doch wird man in jenen spätromanisierten Gegenden immerhin noch 
zwischen dem ganzen ersten und der ersten Hälfte des zweiten Jahr- 

Hübner, Westeuropa. 17 



258 Spanien 

handerts schwanken können. In Frankreich sind, soweit meine fre| 
nur unvollständige Kenntniss reicht, ähnliche Steine mit oder 4 
Schrift bisher nicht gefunden worden. Auch in diesem Falle fei 
also bis jetzt alle Analogien für die Funde von Gitania mid ^ 
darf sich daher über ihre Bedeutung nur mit Vorsicht äufsem. i 
soviel scheint sicher, dafs sie weder Grabschriften noch Wfl 
Inschriften sind; am meisten Wahrscheinlickheit hat, dafs sie privai 
Charakters sind. 

Ehe 0. Hirschfelds Bearbeitung der gallischen Inschriften i 
das Corpus vorliegt, ist es nicht möglich, das reiche aber w^ 
zerstreute und hierorts schwer zu erreichende Material für die Bi 
Stimmung der einheimischen, d. h. vorrömischen und älteren römischoi 
Gräber- und Grabinschriftenformen Galliens zu übersehen. Die Zil 
sammenstellung von einer Anzahl altkeltischer Nekropolen mit zv 
sammen über 3500 Gräbern nur in dem einen Departement der Marne! 
welche A. Bertrand gegeben hat (Archäologie celtique et gauloist, 
Paris 1876 8., S. 338 ff.), zeigt welchen Reichthum an derartigen Denk- 
mälern Frankreich besitzt. Die Funde in den keltischen Gebieten 
Deutschlands, im Trierischen besonders, und in der Schweiz kommen 
hinzu. Für die feineren lokalen Unterschiede bieten sich die mannig- 
fachsten Anhaltspunkte. 

Ich verbinde hiermit die Mittheilung einiger anderer, aus den 
nächsten Umgebungen stammender Inschriften, welche die gleiche 
Kürze und zum Theil Un Verständlichkeit, auch die gleichen Buch- 
stabenverbindungen zeigen, wie die von Citania. 

An der Stelle des sogenannten kleineren Citania, einer der 
gröfseren ganz ähnlichen Euinenstätte südlich vom Thal des Ancora, 
befindet sich ein offenbar künstlich hergerichteter Felsblock in Form 
einer aufrecht stehenden Kreishälfte von grofsen Dimensionen; er er- 
hebt sich etwas mehr als einen Meter über den Boden und ist an 
der Basis etwas über zwei Meter breit Auf der vorderen Fläche 
steht in Buchstaben von sehr ungleicher Gröfse (von 12 bis 25 cm 
Höhe) und mit ebenfalls sehr ungleichen Abständen von einander 
(von einem bis 15 cm) eine Inschrift (N. 11), welche nimidi (oder 
niminid) fiduenearum hie zu lesen ist. Auf der Rückseite des Blockes 
steht in ganz ähnlichen Schriftzügen cosimeaehs. 

Dieses Denkmals und der Örtlichkeit, an welcher es sich be- 
findet, geschieht schon bei Argote Erwähnung. Sarmento, der es 



Citania 259 

*-- t.» i wieder aufgefunden, bestätigt die Lesung. Ob dies überhaupt lateinische 
' ^'iM* Wörter sind (Felsinschriften in einheimischer Sprache sind auch 
: ':i >:.. sonst in jenen Gegenden vorgekommen), ist sehr zweifelhaft. Die In- 
i- -c r*: Schrift der Vorderseite zeigt grofse Verwandtschaft in der Fassung 
: '»Aji mit einer schon länger bekannten Inschrift jener Gegend, welche 
..•.iri? tunomeirurnariim \ Qintülo et Frisco cos gelesen wird. Das Con- 
.:/ i-. sulat des Jahres 159 hier zu finden ist an sich nicht befremdlich; 
allein es ist fraglich, ob desshalb auch auf der Rflckseite jener 
-^.-.kisc anderen in dem c'os ein Consulat steckt. 

'^ ^ V. Nahe bei Vizella (also auch nicht weit von Citania), in dem 

yj:a: ^^ Bocas (Kirchspiel von S. Martinho do Campo), liegen zwei Stein- 
..^vv-: blocke mit den folgenden, wahrscheinlich zusammengehörigen Auf- 
..; ,.^i^ Schriften in kleiner Schrift: tud • t • rufxmd avici rufiud ^ (N. 12). 
V ,.- Das Zeichen, welches ruf zu bedeuten scheint, ist auf dem ersten 
^^^^,,. Block in später Zeit noch einmal wiederholt worden. Eine sichere Lesung 
V,,. und Deutung ist auch hier nicht möglich. Alle diese Inschriften 
;\^^ scheinen, wie die bisher bekannten, einer Art kurzer, alterthümlicher 
Aufschriften anzugehören, denen man, da sie nur Namen enthalten, 
nicht ansehen kann, ob sie sepulcralen ohne anderen Zwecken dienten. 



yM'* 



, , Aufser einer ziemlich grofsen Anzahl von Ziegeln und Scherben ziegei und 

j i; ° ° Thon- 

grofser Gefäfse von grobkörnigem Thon ohne Schrift sind sechs ver- scherben 
schiedene Fragmente aus flachem Thon mit Inschriften in Citania 
bisher gefunden worden. Zwei zeigen eingestempelt in erhabener 
Schrift die Aufschrift ^r^; eines dieselbe, aber aus freier Hand ver- 
tieft eingeritzt. Der dritte Buchstabe könnte hier und da für C ge- 
lesen werden. Ftlr G aber spricht auch der andere, an der Innen- 
^ wand der Oeffnung grofser Thongefäfse vollständig vorkommende 
■ , Stempel Arg oder Äirg Camali Also wieder der Name Camalus; 
ob in Arg oder Äirg ein anderer Lidividual- oder Ortsname, oder 
aber ein Appellativum steckt, ist vorläufig nicht zu entscheiden. 
Dazu fand sich auf zwei Ziegeln eingeritzt die Inschrift Äur(ei), 

Es ist wahrscheinlich, dafs diese bisher nur an dem einen Orte 
gefundenen Thongefäfse in Citania selbst verfertigt worden sind. Doch 
zeigen sie im Ganzen den Charakter der Stempel grofser römischer 
Amphoren und Dolia. Sarmento sucht die Vermuthung zu begrün- 
den, dafs in dem häufig wiederkehrenden arg Camal(us) der Name 
eines keltischen Fürsten (daher der Genetiv? airg Camali), nicht der 
des Verfertigers der Gefäfse oder besser des Besitzers der Fabrik 

17* 



260 Spanien 

zu suchen sei. Angesichts der steten Wiederkehr des Namens Ca- 
malus in Inschriften und Stempeln wird zwar die Yermuthung nahe 
gelegt, dafs er möglicher Weise ein Appellativum , etwa eine Amts- 
oder Standesbezeichnung gewesen sei; allein bei dem auch anderwärts 
häufigen Vorkommen des Wortes als Eigennamen entbehrt dieselbe 
durchaus der Wahrscheinlichkeit. Die schwierige Frage der Deutung 
und Herkunft solcher Gefäfsaufschriften kann nicht an einem einzelnen, 
zufällig herausgegriffenen Exemplar, sondern nur an den Tausenden 
von Beispielen der verschiedenen Arten von Geschirr aus allen Pro- 
vinzen des weiten römischen Reiches gelöst werden; hier ist nicht 
der Ort dafür. Fröhners und Schuermans Zusammenstellungen 
sind dafür so gut wie unbrauchbar, da sie die Gattungen der Ge- 
fäfse nicht unterscheiden. Die betreffenden Abschnitte der Samm- 
lungen lateinischer Inschriften bieten vor der Hand den einzigen 
Anhalt. Dresseis Arbeiten über die stadtrömischen Töpferstempel 
werden dereinst eine Grundlage schaffen, auf welcher das in den 
Provinzen Vorkommende sicherer als bisher classificiert werden kann. 
In und bei den Hütten fanden sich Thonscherben, meist von 
grobem kömigem Thon, hier und da mit alterthümlichen linearen 
Ornamenten, wahrscheinlich von einheimischer Arbeit. Daneben aber 
fehlt es nicht an feinerem, offenbar importiertem Geschirr. Diefs unter- 
scheidet sich in ganz unverkennbarer Weise von dem oben beschrie- 
benen. Einige Fragmente zeigen Reste der an dem römischen rothen 
Geschirr üblichen Ornamente. Auf einem solchen Fragment von hell- 
gelblichem Thon findet sich ein kleiner menschlicher Kopf, dessen 
Ausführung von der Roheit der in Citania gefundenen Steinsculpturen 
daher sehr merklich absticht. Er ist ganz klein, bartlofs, mit diadem- 
artigem Schmuck und Schleier, also vielleicht weiblich. 
Münzen Eine keltiberische Silbermünze, wahrscheinlich eine der zahl- 

Aiter- reichen barbarischen Nachahmungen von Münzen von Emporiae, ferner 

thümer 

vier Asse von Calagurris lulia, Celsa, Emerita und Turiaso, alle 
unter Augustus oder Tiberjus geschlagen, endlich drei kleine kaum kennt- 
liche Erzmünzen, auf deren einer jedoch der Kopf des Hadrian wahr- 
scheinlich sein soll, sind bisher in Citania gefunden worden. Ein 
Stück der emporitanischen Reihe ist bisher noch nie in dem äufser- 
sten Nordwesten der Halbinsel vorgekommen. 

Aus diesen Münzfunden ergiebt sich mit einiger Wahrschein- 
lichkeit nur, dafs noch im ersten Jahrhundert, vielleicht bis auf 



Citania 261 

Hadrian, in Citania einiger Verkehr mit den römischen Eroberern 
stattfand, wie ihn ja auch die durch die Inschriften bezeugte Kennt- 
niss des Lateinischen voraussetzen lässt. Aber um die Dauer der 
selbständigen Existenz des Ortes selbst und seiner Bewohner dar- 
aus zu bestimmen, dazu reichen solche vereinzelte Funde nattlrlich 
nicht aus. 

Von Erz fanden sich unter Anderem einige Stifte und Nadeln, 
sowie ein Paar aneinander zu reihende kleine Kugeln, wohl von 
einem Halsband, mit theils in Silber eingelegten, theils aus schwarzem 
Schmelz bestehenden linearen Ornamenten. 

Ein genaues Verzeichniss, wenn auch ohne Abbildungen, dieser 
filr die Beurtheilung des Kulturzustandes der Bevölkerung von Citania 
keineswegs unwichtigen kleinen Denkmäler fehlt noch. 

Diefs sind die Ergebnisse der Ausgrabungen von Citania. Sie Hrgebnisae 
sind, wenigstens vorläufig, als abgeschlossen anzusehen; Sar- 
mento hat, nach seinen neuesten Mittheilungen, Neues von Erheb- 
lichkeit nicht mehr gefunden und seine Thätigkeit inzwischen bereits 
auf andere nahegelegene Denkmälerstätten gerichtet. 

Der Gedanke zunächst, welcher in den bisherigen Behandlungen 
des Gegenstandes ausnahmslofs festgehalten wird, dafs wir es mit 
einer ausschliefslich barbarischen, vorrömischen oder keltischen Nie- 
derlassung zu thun hätten, wird aufzugeben sein, angesichts der 
Gesammtheit aller bisherigen Funde, so eigenartig auch der gröfsere 
Theil von ihnen ist. Nach den ersten Berichten schien es aller- 
dings, dafs sich aus der alten einheimischen Gemeinde nach ihrer 
Unterwerfung durch die Römer eine neue römische nicht entwickelt 
habe. Dieses scheint nur auf die Reste von Sabroso zuzutreffen. 
In ihnen ist nach Sarmento's Versicherung nichts Römisches 
aufser einer kleinen Silbermünze der Republik gefunden worden. 
Die Inschriften, die steinernen Basen, das gestempelte wie das un- 
gestempelte Geschirr zeigen jedoch, ebenso wie die Münzen und die 
wenigen Gegenstände von Erz und Glas, welche auf der Ruinenstätte von 
Citania gefunden worden sind, dafs, was an sich nattlrlich ist, die Be- 
wohner des alten Oppidum nach der römischen Eroberung, so lange 
dasselbe noch fortbestand, sich auch den Sitten und der Kultur der 
Eroberer mehr oder weniger anbequemt haben. Und damit bestätigen 
die einzelnen Funde in erwünschter Weise das Ergebniss, welches 
sich auch aus der Betrachtung dieser merkwürdigen Reste in ihrer 



262 Spanien 

Gesammtheit ergiebt. Wir haben hier in der That, auf der iberischen 
Halbinsel wohl zum ersten Mal, ein Oppidum der Urbevölkerung vor 
uns, den dürftigen Wohnplatz eines höchst einfachen Menschen- 
stanunes, mit seinen natürlichen und künstlichen Schutzwehren, mit 
den gleichförmigen, ganz primitiven Wohnungen — Häuser kann man 
sie kaum nennen — und den spärlichen Resten des Eindringens 
römischer Kultur etwa in augustischer Zeit, welche wahrscheinlich 
zugleich den Moment des Untergangs dieser wie so mancher anderen 
kleinen alten Niederlassungen bezeichnet. Während die gröfseren 
Orte, zu römischen Festungen oder Handelsplätzen umgeschaffen, wie 
Bracara Augusta (Braga) und Tude am Minius (Tuy), und die zahl- 
reichen Heilquellen, wie Aquae Flaviae (Chaves), Aquae Originae 
Querquemae Celenae und wie sie sonst hiefsen, mit dem überlegenen 
Yerständniss der italischen. Ansiedler angelegt, schnell aufblühten, 
erhielt sich in jenen kleineren Ortschaften aller Wahrscheinlichkeit 
nach zwar nicht mehr ein völlig unberührtes Dasein, wie es etwa, in 
anderen Gegenden und unter verschiedenen Kulturbedingungen, keltische 
Niederlassungen zeigen, wohl aber eine noch halbbarbarische Lebens- 
weise, welche der fortschreitenden Romanisierung nicht lange zu wider- 
stehen vermochte. Wahrscheinlich führten solche Niederlassungen in 
römischer Zeit den Namen casteUum, welcher sich auf Inschriften aus 
dem spanischen Galicien findet; Juvenal bezeichnet damit die muth- 
maafslich ähnlichen Wohnsitze der Briganten in Britannien. Es würde 
verwegen sein auf die zufällige Beobachtung eines solchen vereinzelten 
Fundes allein die Vorstellung von dieser eigenthümlichen Kultur zu 
gründen.' Aber sie liegt noch jetzt in einer ganzen Reihe von Bei- 
spielen aus jenen Gegenden vor. 

Schon seit langer Zeit ist wenigstens eine Örtlichkeit bekannt, 
welche eine gewisse Verwandtschaft mit den in Citania gemachten 
Funden zeigt. Es ist die Hochfläche von Panoyas bei Aldea de 
Assento und Honra de Gallegos im Kirchspiel von S. Pedro de Val- 
nogueiras und Bezirk von Villareal, in der Provinz Tras os Montes, 
deren Inschriften in der spanischen Inschriftensammlung zusammen- 
gestellt sind. Seit dem ausführlichen Bericht über diese alte Kultur- 
stätte, welcher im Jahre 1721 von dem Pfarrer von Valnogueiras auf- 
gesetzt worden ist, hat kein genauer und glaubwürdiger Beobachter 
den Ort von Neuen besucht; der Engländer Kingston, welcher im 
Jahre 1845 dort gewesen sein will, war nur ein oberflächlicher 



Citania 263 

Tourist, welcher die älteren Berichte ausschreibt. Es lohnte wohl der 
Mühe, dafs eine von den in Portugal bestehenden archaeologischen 
Gesellschaften dorthin eine wissenschaftliche Expedition unternähme 
und das Resultat derselben in angemessener Weise publicierte. 

Hier aber handelt es sich um ein abgelegenes Heiligthum. Bei 
genauer Durchforschung des Landes fand Sarmento, dafs Hügel 
von ämlicher Lage wie der von Citania in grofser Zahl mit den 
Resten ähnlicher Oppida bedeckt sind. 'Es fehlt in der Provinz 
Minho nicht an Ruinen', schreibt er mir, 'sondern an solchen die 
sie erforschen . Im Thale des Ancora, nördlich von Vianna, zählt 
er nicht weniger als fünf, zum Thuil Citania ganz ähnliche alte 
Niederlassungen und eine beträchtliche Anzahl von Dolmen, Grab- 
hügeln u. 8. w. Südlich davon sind weitere drei Plätze ähnlicher 
Art. Der eine derselben wird, was bemerkenswerth ist, vom Volke 
'das kleine Citania' (a Citania menor) genannt. Zu näherer Ver- 
gleichung bieten sich zunächst die schon erwähnten in der Nähe 
von Citania gelegenen Örtlichkeiten, Sabroso und Santa Iria. 
Sie scheinen ganz ähnliche lusitanische Castella, mit denselben 
Mauern und Hütten wie Citania, nur in kleinerem Maafsstab, gewesen 
zu sein. Die genauere Durchforschung der Überreste von Sabroso 
hat bestätigt, dafs hier, wie oben bei der Form der Hütten von 
Citania bemerkt wurde, eine entschieden ältere, oder wenigstens von 
römischen Einflüssen weit weniger berührte Kulturstufe vorliegt. Das 
Thongeschirr mit seinen primitiven linearen Verzierungen, die Erz- 
fibulae mit spiralförmigen und kreisrunden Ornamenten, die steinernen 
Waffen und Geräthe sind häufig; römisches Geschirr, Ziegel, In- 
schriften, tektonische Reste und Sculpturen fehlen gänzlich. Doch 
ist, wie gesagt, ein römischer (subärater) Silberdenar vom alten 
Typus (Frauenkopf mit Flügelhelm, Rev. Biga mit Victoria und ROMA) 
daselbst gefunden worden. Noch fortwährend mehrt sich, Dank der 
sorgfältigen Durchforschung des ganzen nordwestlichen Portugal, vom 
Douro bis zur nördlichen spanischen Grenze, und besonders des 
ganzen Küstengebietes, durch Sarmento, die Zahl der Ruinenstätten, 
welche mit der von Citania eine gröfsere oder geringere Ähnlichkeit 
zeigen. Zu den von ihm, wie bemerkt, schon früher im Thal des An- 
cora beobachteten fünf Ruinenstätten ist noch eine sechste hinzuge- 
kommen; an der Meeresküste, zwischen Lima und Ancora, zählt er 
ebenfalls fünf; zwei erhebliche, zwischen Refoios de Basto und Pe- 



264 Spanien 

draga, die eine a Cividade de Basto, die andere o Monte das campas 
dos Mouros, der Berg mit den Mauergräbem genannt, beschreibt er 
genauer; an der vorletzten Stelle ist eine jener gallaekischen Krieger 
Statuen gefunden worden, wie sie aus Vianna und mehreren anderen 
Orten der Umgegend schon bekannt sind (S. 254). Hervorgehoben zu Ver- 
den verdient aber die auf verhältnissmäfsig geringem Räume grofse 
Häufigkeit solcher förmlich ummauerter Niederlassungen, Oppids, mit 
runden, quadratischen und oblongen Hütten, welche sonst ja in den 
gröfsten Seltenheiten gehören, im Vergleich besonders zu den überall 
so ungemein häufigen Gräberanlagen aller Art, an denen es übrigens 
auch im nördlichen Portugal nicht fehlt. Yiele dieser Nieder- 
lassungen führen die volksthtimliche Bezeichnung o crasU, das ist 
castrum, oder ähnliche, o castetto, o monte castello, auch a cidade 
oder a cidadelha, oder o monte da cividade. Der alte Name der 
Kastelle, den diese Orte führten, hat sich darin erhalten. Häufig ist 
auf der Höhe dieser Orte noch eine alte christliche Kapelle erhalten 
oder wenigstens die Erinnerung an einen Wallfahrtsort; wie denn 
das Christenthum auch hier überall an die Stelle der heidnischen 
Kulte getreten ist. Sarmento hat das an einer Anzahl schlagen- 
der Beispiele erläutert. So in S. Adriäo de Vizella, einem alten 
Oppidum mit der Kapelle unserer lieben Frau von Töcha (oder Dä- 
tocha), die wie eine Inno Lucina angerufen werde, in Cerzedello, wo 
das Oppidum beim Volke die Stadt von Pedräuca heifse, in S. Verissimo 
mit der cidade de Pögas, in Lujö und an manchen anderen Orten. 
Auch im südlichen Portugal, im Campo de Ourique und in den an 
Andalusien grenzenden Theilen von Alemtejo, scheinen die Oppida nicht 
zu fehlen. CoUa südlich von Evora und Castro verde sind Beispiele davon. 
Im spanischen Galicien haben Murguia und Jos6 Villaamil y Castro ähn- 
liche Niederlassungen nachgewiesen. In Asturien, besonders am Süd- 
abhang der asturischen Berge im heutigen Leon, in Villamoros de 
Mancilla, drei Leguen von Leon, ist eine Citania vergleichbare alte 
Stadt mit Lehmhütten entdeckt worden, deren genauere Beschreibung 
noch fehlt. Eigenthümliche lateinische Grabschriften der alten Asturer 
sind aus jener Gegend, dem Bezirk von Riano, bekannt geworden. 
Ich zweifle nicht, dafs im ganzen Norden der Halbinsel Ähnliches 
sich finden wird, sobald man einmal aufmerksam darauf achtet. In 
jene Gegenden ist römische Kultur erst spät und spärlich einge- 
drungen. Aber auch in dem hoch angebauten und früh römisch ge- 



Citania 265 

wordenen Süden, in Andalusien, weisen die vom Thal des Baetis 
entfernteren Gebiete in den Gebirgen, z. B. in denen von Granada 
und Jaen, ebenfalls Städteanlagen auf, die in die vorrömische Zeit 
gehören und nur geringe Spuren römischen Einflusses zeigen. G6n- 
gora hat einige derselben genauer beschrieben; aber vieles bleibt 
auch hier noch zu erforschen. Erst wenn ein gröfserer Kreis von 
solchen Analogien genauer bekannt geworden ist, wird man ein be- 
stimmtes ürtheil fällen können über den Platz, welchen Citania mit 
seinen Ueberresten in der geschichtlichen Entwickelung der iberischen 
Halbinsel einnimmt. Einstweilen ergiebt sich jedoch zweierlei bereits 
mit ziemlicher Sicherheit: einmal, dafs diese Niederlassungen, bis in 
wie späte Zeit herab sie auch noch in einem gewissen Grade be- 
wohnt geblieben sind, ihren Ursprung der ersten Bevölkerungsschicht 
der Halbinsel von einiger Kulturentwickelung verdanken, und femer, 
dafs sie in der That mit den andersher bekannten und mit Wahr- 
scheinlichkeit für keltisch angesehenen Dörfern und Städten die 
nächsten Berührungspunkte haben. 

Pfeil- und Lanzenspitzen aus Silex, steinerne Beile und Hänamer, 
die üblichen Anzeichen der sogenannten Steinzeit und die Utensilien 
der Renthie^periode fehlen durchaus. Aber auch die charakteristischen 
JCiödöiScke der sogenannten Bronzezeit oder die in der Epoche der 
italischen, germanischen und keltischen Pfahlbauten vorkommenden 
Gegenstände, die Knochenreste, die Spuren der Nahrungsmittel und 
Bekleidungsgegenstände, die Waffen und Geräthe aus Erz, die Thon- 
gefäfse und so weiter, scheinen nach den bisherigen Berichten durch- 
aus zu fehlen. Entferntere Analogien dagegen bieten (soweit sie 
bekannt) die ältesten für ligurisch und etruskisch gehaltenen Nieder- 
lassungen in Italien, nähere die keltischen in Frankreich. 

Es fehlt zwar meines Wissens noch an einer übersichtlichen 
Zusammenstellung der Ergebnisse der in den letzten Jahrzehnten in 
Frankreich mit steigendem Erfolg betriebenen Erforschung keltischer 
Oppida; allein die charakteristischen Eigenthümlichkeiten derselben 
sind hinlänglich erkennbar. Eine lehrreiche Übersicht über gallische 
Oppida in einem Theil des südlichen Frankreichs — die ähnlichen 
Anlagen in Burgund und im Elsass lasse ich hier bei Seite — wird 
Castagnie verdankt; Murcens und der Puy dlssolud (Uxellodu- 
num) und ähnliche im Departement du Lot sind von ihm (1874) 
genau beschrieben worden. Yon älteren Arbeiten ist Baraillons 



266 Spanien 

Abhandlung über Tonil im Departement de la Crense (1801) inmier 
noch lesenswerth. Eine Übersicht über die vier gallischen Oppida 
Morant, Puy de Gaudy, Toulx S*® Croix, Thanron in demselben De- 
partement de la Creuse gab (1871) de Cessac. Aus anderen Theilen 
des südlichen Frankreichs (Puy-de-Döme, Lozöre, Ardöche, Gard) sind 
Oppida mit zehn bis zwölf, aber auch gröfsere mit über sechzig 
Hütten (bei denen auch eine besondere Art des Verschlusses der 
Thtlren erwähnt wird) bekannt geworden. Neuere Arbeiten liegen 
vor von Tholin, Maxe-Werle, du Chatellier für ein Oppidum 
am Cap Finisterre. Lage, Zugänge durch verschiedene Strafsen und 
Befestigung jener gallischen Oppida scheint der von Citania durchaus 
analog zu sein; nur dafs die in den gallischen Mauern durch Caesar 
bezeugten und auch wirklich in ihrer einstigen Lage und in Kohlen- 
resten nachgewiesenen hölzernen Balken und die dazugehörigen grofsen 
eisernen Nägel in Citania fehlen. In Uxellodunum findet sich z. B. 
auch ein dreifacher Mauerring, wie in Citania, nur natürlich von 
weit gröfseren Abmessungen. Wie weit das in zahlreichen Scherben 
in jenen Oppida gefundene Töpfergeschirr ohne römische Stempel 
Analogien zu dem lusitanischen zeigt, entzieht sich vor der Hand 
noch der Beurtheilung. Aber evident ist die Analogie der Hütten. 
Sie sind in Murcens z. B. sämmtlich meist rund und elliptisch, selten 
viereckig; sie entsprechen durchaus, wie die französischen Forscher 
längst bemerken mussten, der berühmten Schilderung Strabo's von 
den runden tholosähnlichen Hütten der Kelten. In der Bauart ihrer 
Mauern glaubt zwar Castagni^ ebenfalls, wie in den Befestigungs- 
mauem des Oppidum selbst, auf verschiedene Anzeichen gestützt, 
hölzerne Balken annehmen zu müssen. Doch gab es wohl auch ganz 
aus Steinen erbaute Hütten; und, was das MerkwtLrdigste ist, nach 
der Versicherung des genannten Gelehrten sind noch jetzt im Quercy 
dergleichen steinerne Hütten mit konischen Dächern ebenfalls aus 
Stein für die ärmste Klasse der Bevölkerung üblich. 

In den übrigen alten Keltenländem, in Wales und Schottland, 
hat sich neuerdings diesen Anlagen allgemeinere Aufmerksamkeit zu- 
gewendet. Seit längerer Zeit schon bekannt ist eine derartige Nie- 
derlassung, Hütten und Gräber umfassend, auf Holyhead bei Porth 
Dafarch; ähnliche sind neuerdings mehrfach an verschiedenen Stellen 
der Küste von Wales beobachtet worden, wie auf dem Gipfel des Felsens 
Penmaenmawr, dem Braich (oder Craig)-y-Ddinas. Auch sind 



Citania 267 

ähnliche Felsenreste an der Küste von Anglesey, an der Malldraeth 
Bay, femer in Montgomeryshire , auf dem Craig-Riwarth und in 
Cynwil-Gaio vorhanden. 

Die Frage, ob auch andere als keltische Stämme runde steinerne 
Hütten gebaut haben, wie die in Frankreich und England gefundenen 
und die von Citania sind, ist vor der Hand, wie so viele Fragen 
der ältesten, der sogenannten vorhistorischen Kulturgeschichte, noch 
nicht mit Sicherheit zu beantworten. Wenn die hinlänglich begrün- 
dete Beobachtung, dafs bei den indogermanischen Völkern im Haus 
und im häuslichen Leben sowie in allem, was damit im engsten Zu- 
sammenhang steht, auch die Sprache den Grad der ursprünglichen 
Einheit und der nach und nach eintretenden Sonderung wiederspiegelt, 
auf die runden steinernen Hütten Anwendung findet, so wird man in 
den Bewohnern von Citania einen keltischen oder den keltischen nahe 
verwandten Volksstamm erkennen dürfen. Citania liegt nach den Angaben 
des Ptolemaeos in dem Gebiet der Nemetaten und Koelemer, deren 
Namen wohl für keltisch gelten dürfen und deren Städte Volobriga 
und Koiliobriga zu den unzweifelhaft keltischen Namenbildungen ge- 
hören, welche die Eroberung des Landes durch keltische, vielleicht 
über See gekommene Einwanderer bezeugen. Allein es kann be- 
zweifelt werden, * ob die offenbar uralte Niederlassung von Citania 
jenen in nicht allzu früher Zeit, etwa im sechsten Jahrhundert vor Chr., 
angelegten Keltenstädten mit der charakteristischen Endung -briga 
zugezählt werden darf. Das älteste historische Zeugniss über die 
Urbewohner Hispaniens und des europäischen Westens überhaupt, das 
in seinem Kern unzweifelhaft auf phönikische Schiffernachrichten zu- 
rückgehende Gedicht des Avienus, setzt aber in den Nordwesten der 
Halbinsel, in das Schlangenland Ophiussa, die Völkerschaften der 
Kempser und Saefen oder vielleicht Saeten. Kelten, in dem späteren 
Sinne des Namens, d. h. aus Gallien und Iberien eingewanderte 
Stämme, waren sie nicht; vielmehr sind sie als zu den ürbewohnem 
Iberiens gehörig anzusehn. In welchem Verhältniss die späteren 
Gallaeker zu den ürbewohnem stehen ist völlig ungewiss; dafs sie 
Kelten gewesen seien, wie man besonders aus dem Namen geschlossen 
hat, ist durchaus unerweislich. Darf jenen ürbewohnem mit einiger 
Wahrscheinlichkeit die Anlage der Mauem und Hütten von Citania 
zugeschrieben werden, so gewinnen diese damit ein weit über den 
blofsen Werth des Alterthümlichen hinausgehendes Interesse. Auch 



268 Spanien 

die oben angestellten Erörterungen über den Namen Citania erhalten 
dadurch eine gröfsere Bedeutung. Sollte sich durch weitere und um- 
fassende Beobachtung der Denkmäler ein Verhältniss naher Verwandt- 
schaft zwischen der ältesten Bevölkerung Galliens und derjenigen Hi- 
spaniens, zwischen Kelten und Iberern, ähnlich etwa dem zwischen 
den ältesten griechischen und italischen Stämmen, herausstellen, so 
würde damit ein Einblick mehr in das Dunkel der ältesten Geschichte 
des europäischen Westens gewonnen sein. Es ist noch zu früh diesen 
Einblick, für welchen es auch andere, hier nicht zu erörternde An- 
haltspunkte giebt, weiter zu verfolgen; allein das Verdienst Sar- 
mento's, durch seine Ausgrabungen uns die unmittelbare Anschauimg 
einer fast vergessenen Vorstufe der Kultur seines . Heimatlandes md 
damit des äufsersten Westens von Europa überhaupt geboten zu 
haben, ist sicherlich kein geringes. 



IV. 
Römische Bergwerksverwaitung. 

Die hier besprochene Urkunde, 1876 gefunden, ist in der 'Ephemeris 
epigraphica von 1877 und zuletzt im Supplement zu der spanischen In- 
schriftensammlung (1890) gedruckt; dort ist über die ziemlich Ausgedehnte 
Litteratur berichtet, die sich an sie geknüpft hat. Die Besprechung, wie sie 
hier vorliegt, ist der archäologischen Gesellschaft zu Berlin zum Winckel- 
mannsfest am 9. December 1876 vorgetragen und danach in der Deutschen 
Rundschau Jahrgang III 1877 Heft 11 S. 196—213 veröffentlicht worden. 
Eine deutsche üebersetzung des Textes der Urkunde gab G. Wilmannsin 
der Zeitschrift für Bergrecht XIX 1878 S. 217 ff., eine französische 
J. Flach in der Nouvelle Revue de droit fran^ais et ^tranger II 1878. 
Zwar bestehen in Betreff einiger der rechtlichen Fragen, die sich an die 
Bestimmungen der Urkunde knüpfen, noch mancherlei Zweifel, auch ist 
die Deutung einzelner Bestimmungen in Bezug auf die Bäder noch nicht 
mit allseitiger Uebereinstimmung gelungen; allein alle Hauptsachen sind 
klar und können zu allgemeinem Yerständniss gebracht werden. 

„^^^ Die iberische Halbinsel virar für das Alterthum, was die neue 

Urkunde 

Welt seit dem fünfzehnten Jahrhundert für Europa geworden ist, die 
Hauptfundstätte der edlen und unedlen Metalle. Durch eine wunder- 
bare Fügung ist dasselbe Spanien, dessen penianische Silberflottefl 
den wirthschaftlichen Umschwung der neuen Zeit bewirken halfen, in 
der alten Zeit für die phöniki sehen, karthagischen und griechischen 



Römische Bergwerksverwaltung 269 

Handelsflotten, zuletzt für die römischen Eroberer das Potosi ge- 
wesen, aus dessen unerschöpflich scheinenden Minen und Flüssen 
fremde und einheimische Bergleute, zuerst die phönikischen, vor Allem 
die edlen Metalle, Gold und Silber, unablässig gefördert haben. So 
bekannt und so vielfältig bezeugt die Thatsache auch ist, von der 
Fahrt des Herakles zu den goldenen Äpfeln der Hesperiden an, worin 
uralte Sage sie gekleidet hat, bis herab zu den noch erhaltenen 
Stücken des Silbergeldes, welches Hamilkar Barkas und seine Nach- 
folger in dem neuen Karthago in Spanien prägen Hessen, und endlich 
bis zu den ebenfalls erhaltenen, mit römischen Stempeln versehenen 
Bleibarren der zuletzt nur auf diefs gemeinere Metall hin bebauten 
Silberminen von Castulo und Neukarthago herab (oben S. 194): in 
seiner ganzen Ausdehnung und Bedeutung tritt der spanische Bergbau 
uns erst seit Kurzem wieder vor Augen, seit die nie rastende Begier 
nach neuem Erwerb fremdes, meist englisches Kapital und fremde, 
meist deutsche Technik an vielen Punkten der Halbinsel zur erneuten 
Bewirthschaftung der alten, Jahrhunderte lang verlassenen Bergwerke 
geführt hat. 

In der öden und menschenarmen Hochebene des südlichen Por- 
tugal, in der Provinz Alemtejo, etwa in der Mitte zvnschen dem Lauf 
des Guadiana und der westlichen Meeresküste, liegt mitten in einem 
Minenbezirk das kleine Kastell Aljustrel. Spuren antiker Kultur sind 
an dem Orte selbst meines Wissens bisher nicht gefunden worden. 
Aber etwas weiter südlich, in dem sogenannten Feld von Ourique, 
sind unzweifelhafte Zeugnisse alter, vorrömischer Kultur vorhanden: 
eine ziemliche Anzahl von Grabsteinen, wie es scheint, von roher 
Arbeit, mit Aufschriften in einer Schriftart, welche zwar noch räthsel- 
haft ist, aber sicher zu den aus der phönikischen abgeleiteten iberi- 
schen Schriftarten gehört. Der nächste Hafenplatz ist Santiago de 
Cacem, wahrscheinlich das alte Merobrig a der Plumbari i, wie Plinius 
die Bewohner nennt; eine keltische Gründung und ein Ausfuhrplatz 
für Blei, wie der Name zeigt. Etwas weiter nördlich, nach Olisipo 
(Lissabon) zu, lag das römische Municipium Salacia, jetzt Alcacer 
do Sal, wohl ursprünglich an der Flussmündung des Sadäo, die durch 
ein tief einspringendes Aestuarium mit dem Meer eng verbunden war. 
Der Name deutet auf die mit den phönikischen Niederlassungen oft 
verbundenen Salinen und Pökelanstalten. Dort, wie in dem an der 
anderen jiördlichen Seite desselben Aestuariums gelegenen Caetobriga, 



270 Spanien 

dem heutigen Setübal, sind zwei Münzen geschlagen worden nach 
römischem Fufs, aber mit Aufschriften in demselben iberischen Al- 
phabet, welches die noch unentzifferten Grabsteine von Ourique zeigen. 
Landeinwärts sind die nächsten römischen Orte die Colonie Pax Julia, 
das heutige Beja, und am Anasfluss das altphönikische Myrtilis, 
jetzt Mertola. Auch ein römischer Strafsenzug hat höchst wahr- 
scheinlich den südlichen Hafen Ossongba (Faro in Algarve) mit Olisipo 
verbunden, unmittelbar vorübergehend an den Orten Oimque und 
Aljustrel. Die weiteren Umgebungen von Aljustrel lassen also nicht 
verkennen, dafs hier uralter Verkehr eingewanderter und einheimischer 
Bewohner stattfand. Zwei Bergwerke sind neuerdings durch eine 
Actiengesellschaft, die Compagnie de min^ration transtagane, wie- 
derum in Betrieb gesetzt worden, hauptsächlich auf Kupfer; in dem 
einen derselben ist im Frühling des Jahres 1876 auf einer grofsen 
Erztafel von etwa 72 cm Höhe und 53 cm Breite die römische Ur- 
kunde gefimden worden, deren Inhalt den Gegenstand der folgenden 
Bemerkungen bilden soll. 

Leider ist die Erzplatte an der rechten Seite verstümmelt: ein 
schmaler Streifen von etwa 15 cm Breite ist mit Gewalt abgehauen 
worden, wahrscheinlich als sie von später Barbarei zu irgend welchen 
praktischen Zwecken zurechtgemacht wurde. Durch einen eigenthüm- 
lichen Umstand aber kann der so entstandene Verlust bis auf einen 
nicht allzu bedeutenden Rest ersetzt werden. Die Tafel ist nämlich 
auch auf der Rückseite beschrieben, und zwar der Hauptsache nach 
mit demselben Text wie auf der Vorderseite, nur in etwas anderer 
Raumeintheilung. Die Rückseite ist, wie die stehen gelassenen Lücken 
zeigen, ein vom Graveur verworfenes Exemplar; er hat wahrschein- 
lich seine Vorlage nicht gut lesen können und, um die Platte nicht 
ganz zu verlieren, dieselbe umgekehrt und noch einmal benutzt. Doch 
decken sich der Inhalt der Vorderseite und der der Rückseite nicht 
ganz : die Vorderseite hat oben elf Zeilen Schrift mehr als die Rück- 
seite, und diese unten sieben Zeilen mehr als die Vorderseite. Der 
Graveur hat also mehr als eine der ursprünglichen Tafeln ver- 
werfen müssen. 

So ergiebt sich ein Text von gerade sechzig langen Zeilen, 
welcher bis auf die Lücken am rechten Rande der meisten Zeüen 
vollständig ist; nur der letzte Satz bricht in der Mitte ab. Aber 
diese Erztafel ist nur eine von mehreren, welche ursprünglich den 



Römische Bergwerksverwaltung 271 

ganzen Text der Urkunde enthielten. Links unten, unmittelbar unter 
der letzten Zeile der Vorderseite, steht die Zahl HI. Diefs ist also 
die dritte Tafel; es fehlen mithin die erste, zweite und vierte sicher, 
und vielleicht noch eine Anzahl mehr. Auch das lässt sich bei dem 
Zustand der Tafel nicht entscheiden, ob dieselbe in der Breite rechts 
vielleicht ursprünglich noch einmal so grofs war und daher, wie es 
in den gleichartigen Urkunden zu sein pflegt, mehrere Columnen 
Schrift nebeneinander enthielt. Eine auch nur annähernde Vermuthung 
über den Umfang des Verlorenen ist daher nicht möglich. 

Diefs klingt für die Deutung und Verwerthung nicht ermuthigend. Der Inhalt 
Aber die Alterthumsforschung ist es gewohnt, aus Trümmern sich 
ihre Welt zu schaffen; die hier vorliegenden sind ansehnlich genug, 
um eine lohnende Ausbeute zu versprechen. 

Es ergibt sich zunächst schon bei flüchtiger Durchsicht des 
Textes, dafs die Urkunde eine Zusammenfassung gesetzlicher Vor- 
schriften für die Verwaltung eines Bergwerks enthielt. Darin liegt 
ihr grofser Werth; denn unter den zahlreichen römischen Urkunden, 
die wir kennen, befindet sich von solcher Art keine. Das Bergwerk, 
auf welches die Bestimmungen sich beziehen, führte den hier zum 
ersten Mal erscheinenden Namen Metallum Vi pascen se; Vipasca oder ^ 
Vipascum wird also der einheimische Name des an der Stelle des 
heutigen Aljustrel oder in seiner Nähe gelegenen antiken Ortes ge- 
wesen sein. Da der Anfang der Urkunde mit den zu ihr gehörigen 
Eingangsformeln fehlt, so sind wir in Bezug auf ihre staatsrechtliche 
Bedeutung auf Vermuthungen angewiesen. Die Bergwerke gehörten 
in Griechenland wie in Rom von jeher zu den hauptsächlichsten Ein- 
nahmequellen aus der Bodennutzung des Gemeindeeigenthums. In 
der republikanischen Zeit Roms verpachteten die Censoren ihre Be- 
wirthschaftung; in der Kaiserzeit gehörten sie, gleichviel ob in den 
Provinzen des Kaisers oder in denen des Senates gelegen, zum weit- 
aus gröfsten Theil dem kaiserlichen Fiscus oder dem kaiserlichen 
Privatvermögen. Wiederholt erscheint nun in der uns beschäftigen- 
den Urkunde der kaiserliche Fiscus als die Kasse, an welche Con- 
ventionalstrafen und dergleichen zu entrichten sind, und aufserdem 
der Procurator des Kaisers als der höchste Verwaltungsbeamte. Da- 
nach lässt sich mit gröfster Wahrscheinlichkeit feststellen, dafs die 
Urkunde ein vom Kaiser vermuthlich nach herkömmlichem Formular 
erlassenes Gesetz für die Verwaltung und Bewirthschaftung dieses 



272 Spanien 

Bergwerksbezirks ist, yon dem kaiserlichen Procurator, als dem 
obersten Beamten desselben, an Ort und Stelle zur Nachachtang in 
der allgemein und von Alters her üblichen Ausfertigungsform auf 
Erztafeln öffentlich aufgestellt. 
^**' wS**^ Damit ist zunächst die sonst aus keiner bestimmten Angabe des 

Textes zu entnehmende Abfassungszeit der Urkunde wenigstens an- 
nähernd bestimmt. Sie gehört in das erste Jahrhundert unserer Zeit- 
rechnung, in die grofse organisatorische Epoche der Kaiserherrschaft, 
welche auf aUen Gebieten des öffentlichen Lebens in Rom und Italien 
wie in den Provinzen, in mehr oder weniger verständnissvollem An- 
schluss an die Gedanken des Caesar und des Augustus, die Formen 
geschaffen oder wenigstens dauernd festgestellt hat, in denen das 
römische Gemeinwesen bis auf die Zeit Diocletians und Constantins 
sich bewegen sollte. Diefs bestätigen die Sprache und Schreibung 
der Urkunde, welche theilweise noch den alterthümlichen Curialstil 
in Formulierung und Orthographie bewahrt haben, sowie die Schrift- 
formen. Man darf den Erlass dieser Bergwerksordnung mit grofser 
Wahrscheinlichkeit einem der Kaiser aus dem flavischen Hause, dem 
Yespasian, Titus oder Domitian, zuschreiben. Gerade sie haben in 
den spanischen Provinzen eine umfassende Yerwaltungsthätigkeit 
entwickelt, in welche solch ein Erlass sich passend einfügt. Aus 
derselben Zeit sind die drei ebenfalls auf Erztafeln erhaltenen grofsen 
Urkunden, welche die Stadtrechte dreier südspanischer Gemeinden 
enthalten. Aus dem Ende des zweiten Jahrhundert dagegen ist eine 
neuerdings gefundene Erztafel, welche das Bruchstück eines Gesetzes 
über die Gladiatorenspiele enthält. Es ist schwerlich ein Zufall, dafs 
alle diese Urkunden aus Spanien stammen und bis jetzt wenigstens 
aus keiner anderen der römischen Provinzen ähnliche Denkmäler zum 
Vorschein gekommen sind. 
Der Ort Weiter ergiebt sich aus der allgemeinen Formulierung der Be- 

stimmungen unserer Urkunde ein neues und wichtiges Factum in Be- 
zug auf die Einrichtung und Verwaltung der Bergwerksbezirke. Es 
liegt in der Natur derselben, dafs sie mit städtischen Ansiedelungen 
nicht ursprünglich und nicht nothwendig verbunden waren. An den 
Orten, an oder bei welchen Stollen und Schachte vielleicht schon 
seit unvordenklicher Zeit befahren wurden, müssen sich aber früh 
Ansiedelungen der Bergarbeiter gebildet haben, denen zu der völligen 
Ähnlichkeit mit städtischen Gemeinden nur die auf Selbstverwaltung 



Römische BergM^crksverwaltung 273 

beruhende Fonn des politischen Gemeinwesens fehlte. Vielleicht be- 
zeichnete man sie nach der Analogie älterer, den städtischen Anlagen 
vorangehender Ansiedelungen in Italien, denen auch die politische 
Form der städtischen Gemeinde fehlte, als vid, vielleicht auch als 
pagi oder saltus; in unserem Sinne also höchstens als Dörfer. An 
einer einzigen, nicht mit völliger Sicherheit zu ergänzenden Stelle 
unserer Urkunde scheint wirklich das Wort vicus von dem Berg- 
mannsdorf gebraur.ht worden zu sein. Ein solches Dorf nun hatte 
keine selbstgewählten Gemeindevorsteher und keinen sie berathenden 
Bürgerausschuss, wie er sonst in Stadtgemeinden üblich war. Son- 
dern die Befugnisse beider übt, wie sonst wohl in besonderen Fällen 
hier und da ein vom Kaiser ernannter Gemeindebeamter, so hier der 
kaiserliche Procurator des Bergwerks. Möglich ist, dafs sich seine 
Amtsgewalt nicht auf ein einziges Bergmannsdorf allein, sondern auf 
einen ganzen Bergwerksdistrikt erstreckt hat. Auf diese Weise allein 
erklärt es sich, dafs in der Urkunde Bestimmungen über bürgerliche 
Geschäfte und die dafür zu zahlenden Gebühren, über Bäder und 
Babierstuben, über die Abgabenfreiheit einzelner Gemeindemitglieder, 
wie des Schulmeisters, und endlich über den Bergbau selbst in regel- 
loser Folge nebeneinander stehen. Hierbei war gewiss die Erwägung 
maafsgebend, dafs es auf zweierlei ankomme : einmal dem kaiserlichen 
Fiscus die gröfstmöglichen Erträge zu sichern, und femer, der Arbeiter- 
bevölkerung eine einigermafsen menschenwürdige Existenz zu schaffen, 
ohne welche sie ja auch nicht leistungsfähig gewesen wäre. 

Seit uralter Zeit befand sich im Alterthum die Bewirthschaftung „ ^*« ^ 

" Bergwerk 

der Bergwerke wie andere öffentliche und private Unternehmungen, 
z. B. Hafen- und StrafsenzöUe, in den Händen von Kaufmannsgesell- 
schaften; wir würden sagen von Actien- oder vielleicht richtiger von 
Commanditgesellschaften. Die Einrichtung geht in ihren Anfängen 
höchst wahrscheinlich zurück auf die älteste aller handeltreibenden 
Nationen, auf die Phönikier. Phönikische Handelsgesellschaften hatten 
an allen Küsten des mittelländischen Meeres die Salinen und Fisch- 
pökeleien in den Händen. Von der in diesen Stockfischfabriken ge- 
wonnenen beliebten Fischsauce, dem Garum, welches so verbreitet 
war wie jetzt der Caviar, war das „Actiengarum" das feinste; die 
Thongefäfse, in denen es aufbewahrt wurde, wie die darauf erhal- 
tenen Aufschriften zeigen, haben sich z. B. in den Kellern der reichen 
Kaufherrn von Pompeji gefunden. Solche Gesellschaften pachteten 

Hübner, Westeuropa. ^^,^^-- -^^ 

ÜNIVERSITY 

■^'1/-/F0RNIA. 



274 Spanien 

vom Staat die Bewirthschaftung der Bergwerke. Auch der Bergbau 
wird in Hispanien, wie anderswo, den Phönikiem zugeschrieben, oder 
wenigstens die Verwertbung und Ausfuhr seiner Producte. Aber 
nicht blofs die Bergwerke, sondern auch die Herstellung und Be- 
schaffung aller für die Bedürfnisse der Bergarbeiter nöthigen Dinge 
in ihrer ganzen schon angedeuteten Mannigfaltigkeit, von der für das 
Leben des späteren Alterthums wie des Mittelalters unentbehrlichen 
öffentlichen Badeanstalt an herab bis zur Lieferung von Schuhzwecken, 
wurde ebenfalls an Pächtergesellschaften verpachtet, und es machte 
sich wohl von selbst, dafs an kleinen und entlegenen Ort^n eine 
einzige Gesellschaft von Kapitalisten die sämmtlichen verschieden- 
artigen Lieferungen und Leistungen zusammen übernahm. Um nun 
aber die bei der Abgelegenheit der Bergmannsdörfer fast unvermeid- 
liche Concurrenz und die Übervortheilung der Consumenten durch 
die Lieferanten abzuhalten, und um die Leistungen und Lieferangen 
der Pächter möglichst controlieren zu können, wird diesen der Zu- 
schlag zur Pacht ertheilt unter Bedingungen, welche einer voll- 
ständigen Monopolisierung unter den allerschärfsten Prohibitivmaafs- 
regeln gleichkommen. Der Pächtergesellschaft und ihren Beamten 
wird nicht blofs das ausschliessliche Privilegium für alle die von ihr 
übernommenen Leistungen zugesprochen unter Androhung von Geld- 
bufsen gegen jeden Anderen, der versuchen sollte sich einzudrängen, 
sondern die Pächter werden auch ermächtigt, jeden Unberechtigten 
in Strafe zu nehmen oder auf sein Handwerkszeug Beschlag zu legen; 
sogar das Pfändungsrecht gegen Säumige oder Widersetzliche er- 
halten sie. 

Diefs wird den Geist jener Verordnungen hinlänglich bezeichnen. 
Sie erinnern in der That lebhaft an das ältere englisch-amerikanische 
System der Arbeitgeber bei Eisenbahnbauten und anderen grofsen 
Unternehmungen in wüsten Gegenden, nämlich die Arbeiter nicht 
durch baares Geld, sondern durch Naturallieferungen zu festgesetzten 
Preisen zu bezahlen, das sogenannte Tausch- oder Trucksystem. Viel 
wirksamer noch, als dies System dem californischen oder australischen 
Goldgräber gegenüber zur Anwendung gebracht wird, hat sicherlich 
das römische Bergwerksgesetz die Arbeiter der Minen von Vipasca 
vor Übervortheilung geschützt, freilich aber zugleich ihre wirthschaft- 
liche Freiheit in einer Weise beschränkt, gegen welche moderne 
Schutzzölle und Tarife ein Kinderspiel sind. 



Kömische Bergwerksverwaltung 275 

Die neun erhaltenen Kapitel des Gesetzes sind von sehr ungleicher ^^^^^^ 
Länge. In ihrer Reihenfolge ist durchaus kein hestimmtes Princip ^'k^^^e 
der Anordnung zu erkennen; auch in der Fomulierung im Einzelnen 
zeigen sie nicht unerhebliche üngleichmäfsigkeiten. Eine gewisse 
grofsartige Sorglosigkeit in der Form ist als eine bezeichnende Eigen- 
thümlichkeit der römischen Gesetzgebungspraxis auch aus den übrigen 
uns erhaltenen urkundlichen Aufzeichnungen des römischen Rechtes 
bekannt. Der Schärfe der Begriffe und der praktischen Verwend- 
barkeit der Bestimmungen geschieht dadurch kein Eintrag. 

Die beiden ersten Kapitel sind die einzigen, welche in einem 
nahen sachlichen Zusammenhang stehen. Sie betreffen beide die frei- 
willige Veräufserung von Eigenthum durch Auction und das damit 
verbundene Geschäft des Ankündigens und Ausrufens solcher Ver- 
käufe. Welchen hervorragenden Platz im römischen Geschäftsleben 
die Auctionen einnahmen, konnte man bisher nur unvollständig be- 
urtheilen. Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen ist gerade um 
dieselbe Zeit, im Mai des Jahres 1876, als die portugiesiche Erz- 
tafel zum Vorschein kam, in Pompeji, der unerschöpflichen Quelle 
für die lebendigste Anschauung des römischen Privatlebens, ein Fund 
gemacht worden, welcher den Inhalt der ersten Kapitel des lusita- 
nischen Bergwerksgesetzes in erwünschter Weise erläutert und wiederum 
auch durch diese Licht erhält. In dem Hause nämlich, wie sich her- 
ausgestellt hat, eines reichen Banquiers ist unter der schützenden 
Aschendecke in einem besonderen Kasten wohl Verwahrt ein Theil 
seiner Geschäftspapiere erhalten geblieben. Es sind etwa 130 kleine 
beschriebene Holztäfelchen, Diptychen und Triptychen, sämmtlich 
Quittungen enthaltend von Personen, für deren Rechnung der Banquier 
Auctionen angestellt hat, über die aus denselben ihnen zukommenden 
Summen, oder Quittungen der Gemeinde^ompeji über die Pacht- 
gelder ihrer von dem Banquier gepachteten Grundstücke. Aus der 
ersten Art dieser Documente besonders erkennt man, in wie ausge- 
dehntem Maafse Auctionen veranstaltet zu werden pflegten, bei aufser- 
ordentlichem Geldbedarf, oder um sich überflüssiger Dinge, z. B. bei 
einer Erbschaft, zu entledigen, und wie einträglich die mit unserer 
Stempelsteuer vergleichbare römische Auctionssteuer von einem Procent 
gewesen sein muss. Die Übernahme der Auctionen, welche ja ohne 
ein festes Lokal und Personal nicht wohl zu denken ist, bildete eine 
hervorragende Seite des römischen Banquiergeschäfts, etwa wie das 

18* 



276 Spanien 

heutige Makler- und CJominissionsgeschäft. Der Banqnier fongiert als 
der eigentliche Verkäufer; er trägt die Unkosten des Geschäfts, ent- 
richtet die Tom Käufer zu zahlende Steuer f&r den Erlös und be- 
dingt sich daf&r eine Provision aus, welche nicht unter einem Procent, 
wahrscheinlich nicht selten mehr betrug. Das Yerhältniss des die 
Auction ttbemehmenden Banquiers zum Verkäufer wird in der alt- 
römischen Form eines gegenseitigen Versprechens geregelt: der Banquier 
verpflichtet sich, dem Verkäufer den Ertrag der Auction nach Ab- 
zug der Steuer sowie der Unkosten zu zahlen; tlber den Empfang 
dieser Summen stellt der Verkäufer eine Quittung aus. 
Auctionen Diefs auf allbekannter Praxis beruhende und als unentbehrlich 

vorausgesetzte Greschäft des Auctionierens oder vielmehr der Ertrag 
desselben von einem Procent wird nun in dem ersten erhaltenen 
Kapitel des Bergwerksgesetzes an die Pächtergesellschaft verpachtet; 
denn auch diefs Geschäft wie alle übrigen wird in dem Bergwerks- 
bezirk als von Rechtswegen dem Fiscns zustehend angesehen. Welche 
Pachtsumme der Pächter hierfM- wie für die übrigen Geschäfte zu 
zahlen hatte, steht nicht in dem erhaltenen Stück des Gesetzes; viel- 
leicht befand sich eine allgemeine Bestimmung darüber in den zu 
Anfang der Urkunde gegebenen generellen Vorschriften. Für diese 
Pachtsumme wird ihm der Ertrag sämmtlicher in dem Gebiet des 
Bergwerks veranstalteten Auctionen überwiesen, mit Ausnahme der 
Auctionen und Verkäufe, welche der kaiserliche Verwalter des Berg- 
werksbezirks selbst veranstaltet. Diefs ist zwar selbstverständlich, 
da der kaiserliche Verwalter ja der Vertreter des eigentlichen Be- 
sitzers ist, wird aber, um jede Irrung zu vermeiden, hier und bei 
den späteren analogen Bestimmungen des Gesetzes ausdrücklich ge- 
sagt. Das Verhältniss zwischen dem Verkäufer und dem Pächter des 
Auctionsgeschäftes wird genau nach dem Vorbild des sonst üblichen 
Verfahrens eines gegenseitigen Versprechens zwischen dem Verkäufer 
und dem die Auction übernehmenden Banquier geregelt; der Ver- 
käufer darf das Eingehen eines solchen Vertrages nicht verweigern. 
Weiter wird bestimmt, dafs auch wenn der Verkäufer seine ganze 
Habe in der Auction veräufsert hat (was bei den armen Bergleuten 
wohl nicht gar so selten vorgekommen sein mag), er nichtsdesto- 
weniger dem Pächter die Gebühr von einem Procent zu entrichten 
gehalten sei. Femer, dafs auch von solchen Summen, welche bei 
der Auction nicht mit veräufsert werden sollten, z. B. wenn Grund- 



Römische Bergwerksverwaltung 27? 

stücke mit Vorbehalt des Niefsbrauchs versteigert worden, dennoch 
dem Pächter die Gebühr zu entrichten sei. Dafs, wenn Jemand 
Gegenstände zur Versteigerung dem Pächter übergeben hat und inner- 
halb zehn Tagen, nachdem er sie übergeben, gemäfs den für die 
Auction gestellten Verkaufsbedingungen aus freier Hand verkauft, 
dem Pächter dennoch die Gebühr zu entrichten sei. Dafs endlich, 
wenn Jemand dem Pächter die diesem zukommenden Gebühren nicht 
innerhalb zweier Tage vom Tage des Beginns der Schuld an ent- 
richtet hat, die Gebühren doppelt gezahlt werden müssen. Deutlich hebt 
sich aus diesen Bestimmungen das Bild der Zustände ab, welchen 
sie angepasst sind: die Noth des armen Mannes, die ihn zwingt, sich 
aller Habe zu entäufsern oder, wie wir sagen würden, Alles zu ver- 
setzen, die Sorge des Auctionspächters , unter allen Umständen zu 
seinen Gebühren zu kommen, das oft vergebliche Ausbieten von zu 
versteigernden Gegenständen, und Ähnliches. 

Auctionen müssen, wie alle anderen Mittheilungen an das Publi- Ausrufen 
cum, durch den Ausrufer bekannt gemacht werden. Statt unserer 
gedruckten Plakate gab es zwar die auf die weifsen Wandflächen der 
Häuser gemalten Ankündigungen, wie sie sich in Massen in Pompeji, 
aber auch in Rom selbst erhalten haben. Aber die Regel scheint, 
wie noch heutigen Tages in Dörfern und kleinen Städten, auch im 
Alterthum das Ausrufen gewesen zu sein. Das Geschäft des Aus- 
rufens wird im zweiten Kapitel des Bergwerksgesetzes ebenfalls an 
die Pächtergesellschaft verpachtet. Sie verpflichtet sich, für die auch 
hier nicht genannte Pachtsumme den nöthigen öffentlichen Ausrufer 
zu stellen. Als Gebühr erhält sie von Verkäufen im Werth von 
weniger als hundert Denaren zwei, von mehr als hundert Denaren 
ein Procent des Erlöses. Dieses eine Procent — oder bei Baga- 
tellen zwei — tritt also z. B. bei Auctionen zu der Auctionsgebühr 
noch hinzu. Beim Verkauf von Sklaven wird ein Kopfgeld gezahlt, 
das bei fünf oder weniger Köpfen höher, bei mehr geringer normiert 
ist; bei Maulthieren, Eseln, Pferden gilt ein festes Kopfgeld für das 
. Stück. Wer nicht ausrufen, sondern ein schriftliches Inventar von 
zu verkaufenden Gegenständen aushängen lässt — also kamen auch 
in Vipasca gemalte Plakate vor — zahlt dem Pächter des Ausrufe- 
geschäfts nichtsdestoweniger die Gebühr; ebenso wer hat ausrufen 
lassen und dann innerhalb von dreifsig Tagen unter der Hand ver- 
kauft. Bei Verkäufen, welche der kaiserliche Procurator veranstaltet, 



278 Spanien 

zahlt die Gebühr der Käufer. So sind die einzelnen Bestimmungen 
an einander gereiht. Man sieht, den Beruf zur Gesetzgebung be- 
zeugen die Verfasser dieses Gesetzes keineswegs durch eine wohl- 
durchdachte Anordnung und völlig erschöpfende Formulierung seiner 
Bestimmungen; aber das praktische Bedürfniss muss doch wohl auch 
durch solche Gesetze ausreichend befriedigt worden sein. 
BadeMstait ^^^ folgende Kapitel handelt von der öffentlichen Badeanstalt 
des Bergwerksbezirks. Wie ausgedehnt und bis ins Einzelne tech- 
nisch durchgebildet die öffentlichen und privaten Badeeinrichtungen 
des griechischen und römischen Alterthums, besonders in der Zeit 
von Augustus abwärts, in grofsen und kleinen Städten, in den Häu- 
sern und auf den Landsitzen der Reicheren gewesen sind, lehren 
uns, neben der darüber vorhandenen ziemlich ausführlichen Über- 
lieferung, vor Allem die Reste von unglaublich zahlreichen und mannig- 
faltigen Anlagen dafür, welche sich überall vorfinden, wo antikes 
Leben überhaupt gewesen ist. Nicht in Italien blofs und den ihm 
klimatisch gleich oder nahestehenden südeuropäischen Ländern, Spa- 
nien und Portugal, dem südlichen Frankreich, Dalmatien und Istrien, 
im ganzen Orient, sondern ebenso in allen nördlichen und östlichen 
Provinzen des Reichs bis hinauf an den deutschen und den schottischen 
Grenzwall und bis zu den südlichen Abhängen der Karpathen, wo 
nur immer durch Zufall oder planmäfsige Nachgrabung eine antike 
Niederlassung, Stadt, Dorf oder Landhaus, zum Vorschein kommt, 
pflegt fast ausnahmslofs die Bäderanlage den hervorragendsten und 
ausgedehntesten Ruinencomplex zu bilden. Alle anderen baulichen 
Anlagen pflegen an Umfang und Solidität dagegen zurückzutreten; es 
scheint, dafs sich in späterer Zeit besonders das architektonische 
Luxusbedürfniss vorherrschend auf solche Bauten geworfen hat. Nicht 
selten sind die Bäder von reichen Bürgern aus Privatmitteln ihren 
Gemeinden gestiftet worden, so wie jetzt in England und Amerika 
reiche Bürger Museen und Bibliotheken, Krystallpaläste und Univer- 
sitäten gründen. Der jüngere Plinius hat seinem heimatlichen Como 
eine solche Stiftung für sehr beträchtliche Summen gemacht : Thermen, 
eine Bibliothek, auch dabei einen Unterstützungsfonds für Waisen- 
kinder, wozu der Kaiser Trajan Beispiel und Veranlassung gegeben 
hatte. Man hat sich diese Thermenanlagen, wie bekannt, nicht als 
auf die Badeanstalt allein beschränkt vorzustellen : was dem heutigen 
Südländer das Caf6, das Casino, in den kleinen Orten die Apotheke 



Römische Bergwerksverwaltung 279 

ist, das Stelldichein der Flaneurs, die Börse der Neuigkeiten, der 
Corso — , alles das vereint leisteten sie. Der Roman des Petronius, 
die Gedichte des Martial und Juvenal besonders lehren das auf jeder 
Seite. Wie weit sind wir mit unserer vielgepriesenen modernen 
Kultur, trotz aller Reichs- und städtischen Gesundheitsämter, noch 
entfernt von solchen gesundheitsfördernden Einrichtungen, deren letzte 
Reste sich, wie bekannt, noch fast bis auf den dreifsigjährigen Krieg 
herab erhalten hatten. 

Solche unentbehrliche Wohlthat des Lebens sollte auch den 
armen Bergleuten von Vipasca nicht fehlen. Zwar wird man sich 
die Einrichtungen der Badeanstalt daselbst so bescheiden wie mög- 
lich vorzustellen haben; aber sie fehlten doch nicht, und deutlich 
erkennt man noch aus den über die Pacht derselben erlassenen Be- 
stimmungen unseres Gesetzes, welche den Inhalt des dritten Kapitels 
bilden, dafs man in allem Wesentlichen more urbicOy das heifst so 
wie in Rom, oder cHV uso dt Parigi, wie es jetzt in Italien zu heifsen 
pflegt, auch in Yipasca badete. Die Pacht läuft vom 1. Juli jedes 
Kalenderjahres bis zu dem gleichen Datum des folgenden. Der 
Pächter hat dafür zu sorgen, dafs das Bad täglich von der ersten 
bis zur siebenten Tagesstunde (also von Sonnenaufgang bis um die 
Mittagszeit, wie nach der alten italienischen Uhr) für Frauen, von 
der achten Tagesstunde bis zur zweiten nach Sonnenuntergang, aMe 
due della notte, für Männer geöffnet ist, falls nicht der kaiserliche 
Procurator, als der Vertreter des eigentlichen Eigenthümers auch dieser 
Einrichtung, anders bestimmt. Frisches fliessendes Wasser muss in 
den warmen und kalten Bassins Vor- wie Nachmittags vorhanden sein 
(könnte man doch diese heilsame Verpflichtung unseren Privatbade- 
anstalten gesetzlieh auferlegen!), und damit der Pächter nicht etwa 
einen zu niedrigen Wasserstand unterhält, sind in jedem Bassin be- 
stimmte Höhenmarken für den Wasserstand angebracht (in Vipasca 
in der neckischen und dem Zweck angemessenen Form eherner 
Frösche), bis zu welchen hinauf der Wasserstand reichen muss. Die 
kupfernen Kessel, welche gebraucht werden, sollen jeden Monat ge- 
reinigt und frisch mit Fett eingerieben werden. Die Männer zahlen 
für die Benutzung einen halben As, die Frauen einen As für die 
Person; also eine kleine Summe, aber doch noch einmal so viel, als 
in Rom üblich war, wo man für einen viertel As badete. Die 
schwierige Beschaffung des Wassers und der Nutzen des Pächters 



280 Spanien 

bedingen den höheren Preis. Umsonst baden aber die kaiserlichen 
Sklaven und Freigelassenen, das Personal der Bergwerksverwaltung 
und von ihr Unterstützte, Kinder, wie es bei uns etwa heifsen würde 
unter zwölf Jahren und in Begleitung Erwachsener, und Soldaten: auch 
diefs alles ähnlich wie jetzt. Soldaten gab es wohl nur in Vipasca, 
wenn der kaiserliche Procurator deren in seiner Begleitung mitbrachte, 
etwa aus den Truppen der nächsten militärisch besetzten Colonien; 
denn in Vipasca selbst war keine stehende Besatzung. Nach Ablauf 
der Pacht hat der Pächter des Bades alle ihm überwiesenen Uten- 
silien in unbeschädigtem Zustand wieder abzuliefern, aufser durch 
Alter abgenutzte — : es fehlt blofs , dafs auch noch der Procentsatz 
normiert ist, der für Abnutzung abgeschrieben wird. Ist, nicht durch 
Schuld des Pächters, die Benutzung des Bades aus irgend welchen 
Gründen nicht möglich gewesen, so soll demselben für die Zeit der 
Behinderung ein entsprechender Abzug von der zu zahlenden Pacht 
gemacht werden. Für alle anderen Aufwendungen dagegen, welche 
der Pächter für die Badeanstalt macht, darf nichts in Abzug ge- 
bracht werden. Von dem Holz zur Heizung der warmen Bäder, 
welches der Pächter stets in ausreichender Menge für mindestens 
einen Monat in Vorrath zu halten hat, darf er nicht zu seinem Privat- 
vortheil verkaufen, mit Ausnahme der zum Heizen untauglichen Spähne; 
im Uebertretungsfall wird er für jede Last Holz mit einer entsprechen- 
den Bufse an den Fiscus, von hundert As, in Strafe genommen. Ist 
die Lieferung der Bäder sonst in irgend welcher Weise nicht vor- 
schriftsmäfsig, so kann der kaiserliche Prokurator den Pächter jedes 
Mal in eine Geldstrafe bis zur Höhe von zweihundert Sesterz nehmen. 
Das sind die Bestimmungen über die Pacht der Badeanstalt. 
Die Mit dem Kapitel des Gesetzes über die Badeanstalt verbindet 

Barbiere 

sich naturgemäfs, obgleich es in dem Gesetz durch ein dazwischen- 
liegendes davon getrennt ist, das Kapitel über die Barbierstuben, 
wegen der engen Zusammengehörigkeit des Badens mit dem Bar- 
bieren und Frisieren. Diefs ist der Inhalt des fünften der erhaltenen 
Kapitel. Auch hier bedarf es für Denjenigen, der den Süden Eu- 
ropa' s oder den Orient kennt, wie er heute noch ist, kaum eines 
Hinweises auf die Wichtigkeit und die Ausdehnung des Barbier- 
geschäfts. Der Pächter hat das ausschliefsliche Recht, im Bezirk 
des Bergwerks für Geld Haare und Bart zu scheeren; nur er darf 
zu diesem Zweck seine Gehilfen umherschicken. Wer ihm unbefugter 



Römische Bergwerksverwaltung 281 

Weise iii*s Handwerk pfuscht, zahlt für jede Schur dem Pächter eine 
Strafsumme und mufs diesem sein Handwerkszeug ausliefern, eventuell 
kann der Pächter ihn pfilnden. Wer die Pfändung hindert, zahlt für 
jede einzelne Behinderung dem Pächter wiederum eine Straf summe. 
Ausgenommen davon sind nur, die sich selbst, ihre Herren oder Mit- 
sklaven scheeren. Ausdrücklich wird bestimmt, dafs der Pächter des 
Geschäfts sich mit einem oder mehreren geübten Haarkünstlern zu 
verbinden habe, damit die Bewohner von Vipasca sich nicht über 
ungeübte Behandlung zu beklagen haben. 

Auffällig in diesem Kapitel ist, dafs die genauen Bestimmungen 
über das Pfändungsrecht sich hier gerade angegeben finden, während 
sie doch unzweifelhaft in gleicher Weise auch bei den Pachtbe- 
stimmungen anderer Geschäfte und Leistungen galten, also nach 
unserer Auffassung nicht unter den Regeln für eine einzige Pachtung, 
sondern unter den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes aufzu- 
führen waren. Diefs gehört zu den redactionellen Freiheiten in der 
Abfassung des Gesetzes, auf welche ich schon hinwies. 

Das vierte und sechste Kapitel handelt von der Herstellung und ^^^^^^^'^ 
Liefening von Schuhwerk und Kleidern. Wer, aufser dem Pächter, ^^^^^^ 
Schuhwerk oder Lederzeug aller Art, wie es die Schuster liefern, 
verkauft oder Schuhnägel festmacht oder verkauft, oder überführt 
wird, irgend welche anderen Schusterwaaren verkauft zu haben, soll 
dem Pächter das Doppelte des dafür erlösten Preises zahlen; im 
Weigerungsfalle steht dem Pächter Pfändungsrecht zu. Auch Schuhe 
flicken darf Niemand, aufser wer etwa für seinen Herrn oder für sich 
selbst arbeitet. Der Pächter hat die Schuhnägel zu dem für Eisen- 
waaren überhaupt festgesetzten Preise zu liefern; diese Preisbestim- 
mung fand sich entweder in einem der nicht erhaltenen Kapitel des 
Gesetzes, oder sie bildete den Bestandtheil eines besonderen Gesetzes. 
Überhaupt soll der Pächter alle Art Schusterwaaren vorräthig halten. 
Thut er das nicht, dann darf Jeder seinen Bedarf, woher er will, 
beziehen. 

Ähnlicher Art sind die im folgenden Kapitel enthaltenen Be- 
stimmungen über die Buden der Tuchwalker, welche möglicher Weise 
den ganzen Bedarf an Bekleidungsgegenständen zu liefern hatten. 
Wenigstens geschieht keiner anderen Verkaufsstelle dafür in dem er- 
haltenen Stück des Gesetzes Erwähnung. Die Tuchwalker gehören 
in allen Städten des Alterthums zu den ältesten und bekanntesten 



282 Spanien 

Zünften; auch im Repertoir des antiken Volkslastspiels werden sie 
so häufig verwendet, wie bei uns Gevatter Schneider und Handschuh- 
macher. Das Gesetz berührt nur die häuptsächlichsten in diefs Ge- 
biet fallenden Leistungen: alter Brauch und allgemeines Herkommen 
machte, so scheint es, das nähere Eingehen auf alle den Betheiligten 
bekannten Einzelnheiten des Geschäfts entbehrlich. Rohe oder be- 
arbeitete Kleiderstoffe — unter der Bearbeitung scheint das Walken, 
Färben und Nähen gemeint zu sein, das letzte tritt im antiken Hand- 
werk überhaupt zurück, da man meist ungenähte Mäntel und Tücher 
trug und die Näharbeit in der Regel von den Frauen im Hause ge- 
macht wurde — , jede Art Kleiderstoffe also soll nur der Pächter 
dieses Geschäftes liefern dürfen, oder wem er es weiter verpachtet 
oder auszuüben gestattet hat. Wer überführt wird, dawider gehandelt 
zu haben, zahlt dem Pächter für jedes Stück Zeug eine Strafsumme; 
und der Pächter darf ihn für ihre Erlegung pfänden. 

Weiter sagen die Bestimmungen des Gesetzes nichts; aber auch 
sie, so kurz sie sind, eröffnen wiederum einen neuen Ausblick in 
die verschiedenen Arten des Geschäftsbetriebes: der Pächter der ein- 
zelnen Leistungen oder die Pächtergesellschaft verpachtete ihrerseits 
ihr Privilegium weiter. Dafs diefs blofs bei dem Walkergeschäft 
stattgefunden habe, ist nicht glaublich; auch hier ist also wohl eine 
der als selbstverständlich vorausgesetzten allgemeinen Bestimmungen 
in Folge einer gewissen Lässigkeit in der Abfassung des Gesetzes nur 
an dieser Stelle nebenher erwähnt worden. 
Die Schul- Aufscr den beiden auf die Bergmannsarbeit selbst beztiglichen 

Kapiteln des Gesetzes, dem siebenten und neunten, ist nur noch eines 
übrig, das, wie schon erwähnt, an ganz unerwarteter Stelle zwischen 
jene beiden eingeschobene achte, welches die Üeberschrift führt „die 
Schulmeister" und nichts enthält, wie folgende kurze Bestimmung: 
die Schulmeister sollen dem kaiserlichen Procurator gegenüber von 
der Pflichtigkeit zu den gemeinen Lasten befreit sein. 

Diese kurze Bestimmung ist vielleicht die wichtigste des ganzen 
Gesetzes. Es steht durch eine grofse Anzahl von Zeugnissen fest, 
dafs nach dem Vorbild griechischer Gesetzgebungen in Rom, mindestens 
von Caesar und Augustus abwärts, das Gewerbe der von Gemeinde- 
wegen zugelassenen, also öffentlichen Ärzte und Lehrer der gesetz- 
lichen Befreiung genoss von der Verpflichtung zur Übernahme öflFent- 
ücher Ämter, zur Tragung von Lasten der Person oder des Ver- 



Römische Bergwerksverwaltung 283 

mögens, zu welchen alle übrigen Geraeindeglieder herangezogen werden. 
Das Vorhandensein einer darauf bezüglichen Bestimmung in dem 
vorliegenden Bergwerksgesetz setzt also mit zwingender Nothwendig- 
keit voraus, dafs der Bergwerksbezirk in den Formen einer römischen 
Gemeinde eingerichtet war: sonst kann selbstverständlich nicht von 
Befreiung von den Gemeindelasten geredet werden. Das Haupt- 
criterium aber einer wirklichen Gemeinde, aus der Wahl der Ge- 
meindeglieder hervorgegangene Verwaltungsbeamte, fehlt in Vipasca. 
Au ihre Stelle tritt daselbst, wie schon bemerkt wurde, der kaiserliche 
Procurator des Bergwerks, der desshalb in der Bestimmung über die 
Immunität der Schulmeister ausdrücklich genannt wird. So enthält 
diese Bestimmung in sich das zwiefach wichtige Zeugniss einmal von 
der eigenthümlichen staatsrechtlichen Eigenschaft des Bergmannsdorfs 
und ferner von der quasimagistratischen Stellung des kaiserlichen 
Procurators in oder über demselben. 

Übrig bleiben noch die in dem siebenten und neunten Kapitel g^j.^J'j.j^, 
enthaltenen Bestimmungen. Sie allein beziehen sich ausdrücklich auf ^®*^®^ 
den Betrieb des Bergwerks, von welchem in den sänuntlichen übrigen 
nicht oder nur ganz nebenher die Rede ist. So wenn es im ersten 
Kapitel heifst, der Pächter von Auctionen dürfe von einem Schacht, 
welchen der kaiserliche Procurator verkaufe, die ihm sonst zuständige 
Gebühr von einem Procent nicht erheben; und ähnlich im zweiten, 
bei dem Verkauf eines Schachtes durch den kaiserlichen Procurator 
habe nicht dieser, sondern der Käufer die Ausrufegebühr von einem 
Procent zu zahlen. Man erfährt hieraus also nur, dafs Schachte des 
Bergwerks vom kaiserlichen Procurator an Private verkauft wurden. 
Wie diefs zu verstehen, lässt sich mit Hülfe einiger schon bekannter 
Daten über den Bergwerksbetrieb, welche sich hauptsächlich bei Strabo 
nach den Angaben des Posidonios und dem älteren Plinius nach 
einem Werke des aus Lusitanien gebürtigen Conielius Bocchus finden, 
wenigstens bis zu einem gewissen Grade aus den beiden uns hier be- 
schäftigenden Kapiteln des Gesetzes erläutern. Gröfsere Klarheit über 
die hier in Betracht kommenden Einzelnheiten wird vielleicht durch 
sorgfältige Verwerthung aller bekannten Daten über die Geschichte 
der Technik des Bergbaues erzielt werden können. Es fehlt nicht 
an gelehrten Werken, welche die Nachrichten über den antiken 
Bergbau bei Phönikiern, Griechen und Römern und besonders die über 
den Betrieb der spanischen Bergwerke im Alterthum zusammenstellen 



284 Spanien 

und im Vergleich mit der modernen Technik zu erläutern suchen. 
Aber kein Schriftsteller des Alterthums hat begreiflicher Weise die 
Einzebheiten des Betriebes so eingehend geschildert, wie man sie 
kennen roüsste, um die Bestimmungen des Bergwerksgesetzes völlig 
zu verstehen. Wir stehen hier vor einem Problem, das sich ähnlich 
auf fast allen Gebieten der antiken Technik wiederholt. Nur wer 
die gesammte historische Entwickelung der Hüttenkunde kennt, wird 
die lückenhaften Nachrichten über die Anfänge derselben einiger- 
maafsen richtig verstehen und deuten können. Die hier vorhegenden 
Bestimmungen über den Bergwerksbetrieb enthalten aufserdem eifle 
ganze Anzahl zum ersten Male begegnender Ausdrücke, welche znm 
Theil nicht einmal lateinischen, sondern offenbar fremden, vielleicht 
hispanischen Ursprungs sind. Ihre Bedeutung muss also zunächst 
ermittelt werden, und dazu ist wiederum eine gewisse Anschauung 
des technischen Betriebes nothwendig. Der Versuch, angesichts solcher 
Schwierigkeiten ein Bild von dem Bergwerksbetrieb der Minen von 
Yipasca zu geben, muss also mit grofser Vorsicht angestellt werden. 
Die Minen von Aljustrel werden jetzt hauptsächlich auf Kupfer 
bebaut; nebenher finden sich daselbst Schiefersteinbrüche. Silber- 
haltige Kupfererze werden also, nach dem Urtheil Ton Kennern wie 
Professor Rammeisberg, den mineralischen Gehalt jener Grebirge 
hauptsächlich ausgemacht haben. In welcher Reichhaltigkeit das 
Kupfer daselbst vorkommt, habe ich nicht genau in Erfahrung bringen 
können. Im Alterthum nahm den ersten Platz unter den gewonnenen 
Metallen das Silber ein, welches jetzt ganz zu fehlen scheint; ein 
Vorgang, dem es an zahlreichen Analogien in anderen früheren Silber- 
minen nicht fehlt. Daneben erscheint das Kupfer; von Gold ist 
nirgends ausdrücklich die Rede. Doch muss eingeräumt werden, dafs 
in verlorenen Kapiteln des Gesetzes, vielleicht sogar in den Lücken 
der beiden vorliegenden, möglicher Weise auch seiner Erwähnung 
gethan war. Vielleicht wurden auch vor Alters schon neben der 
Metallgewinnung die Steinbrüche von Vipasca ausgebeutet; Marmor- 
brüche, aber auch Steinbrüche weniger edler Art, erscheinen im 
Alterthum oft, wie begreiflich, mit den eigentlichen Bergwerken ver- 
bunden und unterliegen derselben rechtlichen Behandlung. Das Roh- 
material nun, welches aus den Schachten zu Tage gefördert wurde, 
scheint auf dreifache Weise bearbeitet worden zu sein, im Schmelz- 
ofen, mit der Hacke und durch Verwaschung. Was in den Schmelz- 



Kömische Bergwerksverwaltung 285 

ofen kam, scheint mit dem sonst unseres Wissens nur für schon 
ausgeschmolzene Metallreste bekannten Worte der Schlacken, scawiriae 
oder scoriae, bezeichnet zu werden. Da Silber- und Kupferschmelzer 
ausdrilcklich genannt werden, so erstreckte sich der Process des 
Schmelzens auf beide Metalle. Andere, wohl weniger erzhaltige Bruch- 
stücke, Brocken oder Splitter testae und rutramina^ wie sie genannt 
werden, wurden mit der Spitzhacke bearbeitet. Der kleine Abfall, 
das Erzklein endlich, der Staub von den zum Schmelzen bestimmten 
Bruchsteinen, pulvis genannt, wurde verwaschen. Auch heute noch 
gelangen die pulvrigen Erze, welche als Pochgänge oder Schlieche 
bezeichnet werden, entweder zur Verschmelzung oder zur Verwaschung. 
Auf diese verschiedenen Gewinnungsarten bezieht sich die Unterschei- 
dung von Maafs und Gewicht, welche in dem Bergwerksgesetz in 
Bezug auf das gewonnene Metall gemacht wird. Es ist heute noch 
üblich, Schmelzbeschickungen dem Volumen nach, also nach dem 
Maafse, zu normieren, während das Erzklein dem Gewicht nach ver- 
wendet wird. 

Aus den Steinbrüchen endlich scheinen Steinplatten zum Bau, 
vielleicht auch Schieferplatten, gewonnen worden zu sein. Daneben 
mögen auch, nach den sehr allgemeinen Bezeichnungen zu schlief sen, 
welche für den Betrieb der Steinbrüche angewendet werden, Materialien 
zu anderem Zweck, etwa zum Strafsenbau, füi» die Estriche der 
Häuser und dergleichen, aus diesen Brüchen gewonnen worden sein. 
Die Schieferplatten werden mit einem hier zuerst erscheinenden Worte 
lausiae genannt, wahrscheinlich demselben, welches im mittelalter- 
lichen Latein als lausa, im Portugiesischen als lousa, im Spanischen 
als losa oder lojsa erhalten ist. 

Diefs also waren, soweit aus den erhaltenen Theilen des Ge- 
setzes erhellt, die Producte des Bergwerks von Vipasca. 

lieber die rechtliche Form und Art des Betriebes ergiebt sich, 
wenn man dabei die an verschiedenen Stellen der betreffenden Kapitel 
sich findenden Verordnungen ^zusammenfasst, ungefähr Folgendes. Der 
kaiserliche Procurator, als Vertreter des eigentlichen Besitzers, ver- 
pachtet zunächst den Betrieb im Allgemeinen an die Pächtergesell- 
schaft; wahrscheinlich, wie gesagt, wenn auch nicht nothwendig, die- 
selbe, welche auch die übrigen in dem Gesetze aufgeführten Leistungen 
und Lieferungen übernommen hatte. Daneben kann er aber auch 
einzelne Schachte zur Bearbeitung direct an Private aus freier Hand 



286 Spanien 

verkaufen oder auch verauctionieren : die bei Auction oder Verkauf 
von allem Übrigen an die Pächter dieser Gefälle zu zahlenden Ge- 
bühren fallen fttr ihn, wie wir sahen, fort oder werden vom Käufer 
getragen. Die Pächter des Bergwerksbetriebes aber verfuhren nun 
in der Regel auf folgende Weise. Mit dem Pachtzins für den Berg- 
werksbetrieb besafsen sie, neben dem kaiserlichen Procurator, das 
ausschliessliche Recht, Muthungen und bergmännischen Betrieb über- 
haupt zu gestatten. Sie erscheinen also zunächst als berechtigt, für 
die Bodennutzung eine Gebühr zu erheben von denjenigen Privaten, 
welche durch ihre Sklaven oder Lohnarbeiter bergmännische Arbeiten 
dort vornehmen lassen wollen. Den Platz, wo Jemand schürfen 
wollte, durfte er nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen 
für die Bergwerke — auf diese uns unbekannten Bestimmungen wird 
hier ausdrücklich Bezug genommen — sich auswählen (wohl also 
mit Rücksicht auf schon in Bebauung begriffene Felder mit Beob- 
achtung gewisser Raumabstände), und sein Anrecht durch Befestigung 
einer Tafel auf der betreffenden Stelle wahren. Diefs musste dem 
Pächter innerhalb zweier Tage angezeigt werden; wahrscheinlich führte 
der Pächter eine Liste solcher Vormerkungen und erhob für ihre Ein- 
tragung eine besondere Gebühr. Handelte es sich dabei um schon 
einmal befahrene oder noch im Betrieb begriffene Schachte, so konnte 
man das füglich als ein Kaufen der Schachte bezeichnen; wovon, wie 
wir sahen, in anderen Kapiteln des Gesetzes die Rede ist. Wer 
dann an solchen vorher occupierten Stellen die bergmännischen Ar- 
beiten vornehmen lassen wollte, hatte dem Pächter die Zahl der 
Arbeiter, die er schickte, binnen dreien Tagen anzuzeigen und für 
jeden von ihnen monatlich eine bestimmte Summe - — die Zahl ist 
nicht erhalten — zu entrichten. Es ist keineswegs ausgeschlossen, 
obgleich in den Bestimmungen des Gesetzes nicht ausdrücklich vor- 
gesehen, dafs die Pächtergellschaft selbst durch eigene Arbeiter den 
Bergbau ausführt; allein die Regel scheint diefs nicht gewesen zu 
sein. Ob die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen für die Berg- 
werke, von denen hier die Rede ist, ein allgemeines Bergwerksgesetz 
waren oder nur die den Pachtbestimmungen des vorliegenden mög- 
licher Weise vorangestellten, aber nicht erhaltenen Normen, lässt 
sich nicht ermitteln und ist ftlr die Sache ziemlich gleichgültig. 

Eine Reihe von Warnungen werden hinzugefügt. Wer kupfer- 
oder silberhaltiges Erzklein aus anderen an Erzen reichen Revieren 



Römische Bergwerksverwaltung 287 

in das Gebiet von Vipasca einführt (wahrscheinlich geschah dies, 
um von den dort vorauszusetzenden techiiischen Einrichtungen für 
das Schmelzen und Verwaschen Gebrauch zu machen), entrichtet für 
jede hundert Centner davon dem Pächter einen Denar. Man ist 
versucht, aus der Geringfügigkeit dieser Gebühr auf sehr geringen 
Gehalt des Erzes an Metall zu schliessen. Die Nachbarschaft des 
eigentlichen Bergwerks stand mithin offenbar unter dem Einfluss des 
nahen Beispiels; auch da muthete und schürfte man, wie natür- 
lich, wie in dem benachbarten Bezirk der kaiserlichen Minen. Wer 
dem Pächter die Gebühr für solches eingeführte Rohmaterial nicht 
gleich am ersten Tage ihrer Fälligkeit bezahlt, hat das Doppelte 
zu entrichten; auch hier steht dem Pächter das Pfändungsrecht zu. 
Was ohne vorherige Erfüllung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten, 
also ohne dafs der Ort und die Arbeiterzahl vorher angegeben und 
dafür die gesetzlichen Gebühren entrichtet worden, an Erzen oder 
Steinen im Bergwerksbezirk gefördert v?orden, soll dem Pächter über- 
antwortet werden. Nur die Personen der Sklaven oder Lohnarbeiter, 
welche von Privaten zur Ausführung von Bergwerksarbeiten in den 
Bezirk gesendet worden, werden von der Pfändung und Überantwor- 
tung ausgeschlossen. 

Mit den Bestimmungen über die Beschlagnahme von Schachten 
oder Plätzen für anzulegende Schachte durch Private und die Be- 
zeichnung dieser Schachte durch dabei angebrachte Tafeln bricht der 
Text der Urkunde leider ab. 

So sehr man es beklagen muss, dafs hier, wie in so vielen ähn- 
lichen Fällen, das neidische Ungefähr nicht wenigstens noch etwas 
mehr erhalten hat, so hat man doch allen Grund, sich des Gebotenen 
dankbar zu freuen. Sehr selten nur gelingt es so wie hier, völlig 
neue Seiten des antiken Lebens aufzudecken. Der Reiz der Un- 
mittelbarkeit, welchen die Beschäftigung mit den im Original erhal- 
tenen Denkmälern des Alterthums, den Kunstwerken, Münzen und 
Inschriften, gewährt, wirkt hier in vollstem Maafse. Es ist dafür ge- 
sorgt, dafs noch viele Geschlechter der Menschen an der erfrischen- 
den geschichtlichen Arbeit, welche die grofse Epoche des klassischen 
Alterthums zum Gegenstand hat, sich abmühen werden. Ein Fund 
wie der vorliegende fördert die Erkenntniss um ein merkliches Stück; 
er wird in der Geschichte unserer Studien unvergessen bleiben. Aber 
auch für den weiteren Kreis der Gebildeten gewinnt durch die eigen- 



288 Spanien 

thümliche Beschaffenheit gerade dieses Fundes das oft vermisste Ge- 
fühl für den Zusammenhang auch unserer Kultur mit jener fernen 
Vergangenheit eine neue Stütze: der reale Hintergrund der römischen 
Berggesetzgebung des erst-en Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, welche 
noch dazu höchst wahrscheinlich in vielen Punkten auf viel älteren 
Brauch zurückgeht, muthet uns fast wie ein Stück modernes Leben 
an. Wir fühlen dabei für das Menschengewühl, das damals wie 
heute den Kampf um's Dasein führte, für seine Wünsche und Be- 
dürMsse, seine Freuden und Leiden eine Art mitleidsvollen Ver- 
ständnisses. 



V. 

Die Heilquelle von Umeri. 

Vortrag gehalten am Winckelmannsfest der archäologischen Gesell- 
schaft zu Berlin 1873; aus der archäologischen Zeitung, neue Folge 
Band VI 1874, S. 115 ff. mit Tafel 11. 

Die Heilkunde der Alten hat schon manche gelegentliche Er- 
läuterung aus Werken der antiken Kunst erhalten, besonders durch 
die feinsinnigen und anregenden Arbeiten Welckers. Ich bin in der 
Lage, einen kleinen Beitrag zur Aufhellung dieses im ganzen dunkelen 
und wenig betretenen Gebietes des antiken Lebens zu geben. 

Der Gebrauch mineralischer, besonders heisser Quellen zu the- 
rapeutischen Zwecken ist uralt. Ich beabsichtige jedoch keineswegs 
eine Aufzählung zu geben von allen im Alterthum berühmten Heil- 
quellen, die wir in Griechenland und in Asien, in Italien und in den 
nördlichen und westlichen Provinzen des römischen Reiches kennen, 
noch auch eine Beschreibung der Kuren, welche vermittelst ihrer 
vorgenommen wurden, oder des Lebens an den antiken Badeorten 
und so weiter; obgleich dieses Kapitel der antiken Sittengeschichte 
noch nicht ausführlich behandelt worden ist. Die Funde antiker 
Inschriften, zumal in den nördlichen nnd westlichen, den lateinisch 
redenden Provinzen liefern uns noch fortgesetzt neue Beiträge zur 
Statistik der Heilquellen; sie stellen uns auch den Ruhm noch heute 
berühmter Badeorte, wie z. B. von Wiesbaden, von Baden-Baden und 
Badenweiler, von Bath in England und vielen anderen am deutlich- 
sten vor Augen. Doch lehrt im Grofsen und Ganzen das durch 



Die Heilquelle von Umeri 289 

mühselige Gelehrsamkeit zu gewinnende Material des Neuen nicht 
viel: es war eben auch in diesen Dingen im Alterthum nicht viel 
anders wie bei uns noch jetzt. Neu aber, wenigstens für mich, und 
überraschend ist, dafs es im Alterthum auch schon eine Versendung 
künstlicher Mineralwässer gegeben hat. 

Es lehrt uns diefs ein kleines Denkmal, das jetzt leider ver- 
loren oder wenigstens nicht erreichtbar ist. Es ist eine flache silberne 
Trinkschale, 33 spanische Unzen wiegend, von etwa 0,22 m im Durch- 
messer. Sie ist bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts an der 
Nordküste von Spanien, in den baskischen Provinzen, gefunden wor- 
den. Der Fundort, ein von der Meeresküste nicht weit entferntes, 
aber abgelegenes Thal, das Thal von Otanez genannt, unweit des 
kleinen befestigten Hafenplatzes Castro ürdiales, der einige Meilen 
östlich von Santand^r liegt, ist anderweitig nicht als Stätte antiken 
Lebens bezeugt. Wo die Heilquelle sich befindet oder befand, auf 
welche sich die Reliefdarstellungen der Schale deutlich beziehen, 
werden uns die Lokalforscher vielleicht künftig einmal sagen können. 
Für die iberischen Heilquellen genüge es auf die freilich sehr un- 
vollständige Zusammenstellung bei ükert (s. oben S. 262) zu ver- 
weisen. Von Augustus, wie es scheint, besuchte Quellen in den 
Pyrenäen besingt ein Epigramm des Krinagoras; Plinius beschreibt 
die cantabrischen fontes Tamarwi Doch kann die Schale, als ein 
leicht transportabler Gegenstand von Werth, auch anderswoher dort- 
hin gekommen sein. Man fand sie in einem Steinbruch, am süd- 
lichen Abhang einer Höhe, welche Vico del Castülo genannt wird. 
Diese Notizen und eine offenbar sorgfältige Abbildung sind im 7. Band 
der Abhandlungen der Madrider Akademie der Geschichte enthalten, 
welche erst etwa dreifsig Jahre später, im J. 1826, Nachricht von 
dem Funde erhielt; der Band ist 1832 erschienen. Seitdem war 
keine Nachricht über den Verbleib der Schale zu erlangen. Der 
Holzschnitt der archäologischen Zeitung schliefst sich ihr an, lässt 
aber den überflüssigen dunklen Ton, in welchem die Lithographie 
gegeben ist, fort. Man sieht aus der mit augenscheinlicher Treue 
gemachten Abbildung, dafs die Arbeit der flachen Reliefs keine 
hervorragende war; mit der Schönheit z. B. der Ausführung unseres 
Hildesheimer Fundes kann sie sich nicht im Entferntesten messen. 
Aber sie kommt doch der einer Reihe von ähnlichen Silberarbeiten, 
die wir noch haben, nahe oder übertrifft sie. So übertrifft sie z. B. 

Hübner, Westeuropa. 19 



290 Spanien 

die grofse Schüssel mit Götterfigaren aus Corbridge im Besitz des 
Herzogs von Northumberland. Diese zeigt unter Anderem dieselbe 
sehr naive Behandlung des Baumschlags. Aehnlich sind auch die 
silberne Schale aus Carri<;a bei Oporto mit dem Bild eines lusita- 
nischen Gottes, die Schale mit Thieren und Frtlchten aus Troia bei 
Setubal und manches der Art aus anderen Gegenden des römischen 
Reiches. Eine provinziale Technik .lässt sich nicht darin erkennen: 
es ist die durchschnittliche Fertigkeit, welche wir bei allen tüchtigen 
römischen Goldschmieden voraussetzen dürfen und welcher ideale 
Darstellungen meist weniger zu gelingen pflegten als aus dem Leben 
gegriffene. 

Die Erklärung, über welche kein Zweifel sein kann und welche 
die spanischen Herausgeber schon richtig getroffen haben, wird unter- 
stützt durch die beigefügte, ursprünglich in Gold eingelegte Um- 
schrift: Salus ümeritana. Der Name der Quelle und des Ortes, auf 
welche die Darstellung sich bezieht, muss danach etwa ümeri ge- 
lautet haben; er erscheint hier zum ersten Male. Auf die Genauig- 
keit der Schriftformen in der Abbildung ist leider nicht viel zu geben; 
wir hätten sonst damit die Möglichkeit wenigstens annähernd die Zeit 
der Entstehung des kleinen Werkes zu bestimmen. Es ist sicher 
nicht älter als die Zeit des Augustus, der jene cantabrischen Land- 
schaften überhaupt erst unterwarf, und wird nicht jünger sein als die 
Zeit des beginnenden Verfalls unter Septimius Severus; man wird 
vielleicht nicht erheblich irren, wenn man es etwa in die Mitte des 
zweiten Jahrhunderts, in die Zeit des Hadrian oder Marc Aurel, 
setzt. Auf der Rückseite ist in fein punktierter Schrift, gerade wie 
auf den einzelnen Stücken des Hildesheimer Fundes und überhaupt 
regelmäfsig auf römischem Silbergeräth, der Name des Besitzers ein- 
gegraben und danach, in freilich nicht mehr ganz deutlich erkenn- 
barer Weise, das Gewicht des Stückes, wie es sich in dem Haus- 
inventar des Besitzers verzeichnet vorfand: L. F((mpeü) Coi'neUani, 
(pondo) III (also trium lihrm^m) (scripulorum) II (duorum). Das 
möchte dem überlieferten Gewicht von 33 spanischen Unzen etwa 
gleichkommen. 

Es war nichts ungewöhnliches, dafs in Badeorten Geföfse mit 
auf die Kur bezüglichen Abbildungen oder Aufschriften fabriciert und 
von den Kurgästen als Weihgeschenke dargebracht oder auch zur 
Erinnerung mitgenommen wurden. So sind in den (xqutie ApdUnares 



Die Heilquelle von Umeri 291 

bei Vicarello im südlichen Toscana vier silberne Becher gefanden 
worden, auf denen die aus dem fernen Cadiz in Spanien dorthin ge- 
kommenen Kurgäste das Itinerar ihrer Reise haben eingraben lassen. 
Am Wall des Hadrian in England sind thönerne Becher von sehr 
einfacher Art als Weihgeschenke in die Quelle der Coventina geworfen 
worden (oben S. 58). In Puteoli sind Gläser verfertigt worden, 
auf denen Ansichten der an der Küste liegenden Bauten eingraviert sind. 
Auf der Schale von Castro Urdiales ist offenbar die Nymphe 
der Heilquelle selbst dargestellt, in der bekaimten ruhenden Stellung 
der Flussgottheiten, in der Rechten einen Zweig von Schilfrohr, wie 
es scheint, in der Linken den Krug haltend, aus welchem das heil- 
wirkende Wasser in vollem Strahle hervorsprudelt, um sich schäumend 
in ein von Felssteinen gemauertes Bassin zu ergiessen. Zwei Bäume, 
vielleicht Buchen oder edle Kastanien, deuten das schattige Wald- 
gebirge an, welches noch jetzt die augenfälligste Eigenthümlichkeit 
der Nordküste Spaniens, besonders Asturiens, bildet. Rechts oben 
streut ein bärtiger Mann, durch den Krummstab und die Sklaven- 
tracht, Tunica und Stiefel, wahrscheinlich als Hirt charakterisiert, 
ein Kömeropfer auf einen kleinen viereckigen Altar. Links weiter 
unten libiert ein Mann, den die Toga als dem Stande der Freien 
angehörig kennzeichnet, aus einer Schale eine Flüssigkeit, etwa Wein 
oder Milch, auf einem runden brennenden Altar. Also zuoberst zwei 
Kultushandlungen, welche das hohe Ansehen der Heilquelle darlegen 
sollen. In der Mitte füllt ein Knabe — als Sklaven bezeichnet ihn 
wieder die kurze Tunica — mit einer Schale aus dem schäumenden 
Bassin das Quellwasser in ein feststehendes Fass. Vielleicht sprudelte 
auch diese Quelle nicht immer in gleichmäfsiger Fülle und wurde 
daher abgeschöpft. Rechts davon sitzt ein Greis, in häuslicher Tracht, 
die über den Stand keinen Aufschluss giebt, im Krankenstuhl, und 
empfängt aus der Hand eines zweiten Knaben mit sichtlicher Be- 
friedigung den Trunk der Quelle in einem Becher; in der Rechten 
scheint er ein Stück Brod zu halten, vielleicht die Zukost zu dem 
Getränk. Das Merkwürdigste aber ist, wie schon gesagt, die unterste 
Gruppe: auf einem vierrädrigen Karren, einfachster Art, einem pe- 
torritum, vor welchen zwei Maulthiere in's Joch gespannt sind, liegt 
ein mächtiges Fass, und in dieses füllt ein dritter Sklav das Quell- 
wasser ein vermittelst einer grofsen zweihenkligen und unten spitzen 
Amphora, wie sie in vielen Exemplaren uns erhalten sind. Offenbar 

19* 



292 Spanien 

also wurde das Wasser auf diese Weise fortgeschafft, um seine heil^ 
kräftige Wirkung auch fern von seinem Ursprung äufsern zu können. 
In der Hauptquelle für unsere Eenntniss des medicinischen Ge< 
brauchs der Mineralquellen im Alterthum, dem aus zahlreichen Schrift- 
stellern zusammengetragenen Buch XXXI der Naturgeschichte des 
Plinius, wird unter anderem berichtet, dafs Meer- und Regenwasser 
zur Bereitung eines Medicaments verwendet und in zugepichten Thon- 
gefäfsen aufbewahrt wurde. Salzlake (muria) zur Bereitung des 
Garum (s. oben S. 273) wurde bekanntlich vielfach aus Spanien aus- 
geführt; auch ägyptisches Natron wurde in Thongefäfsen versandt. 
Wie mannigfache Dinge, flüssige oder trockene, in Thongefäfsen auf- 
bewahrt wurden und also meistens auch versendet werden konnten, 
lehren die Aufschriften der zahkeichen Amphoren aus Pompeji. Ein 
bestimmtes Zeugniss für die Versendung des Wassers einer Heilquelle 
lag meines Wissens bisher nicht vor; doch machen es, wie die 
Schriften der alten Ärzte lehren, ihre sehr genauen Vorschiiften für 
die Benutzung bestimmter Heilquellen gegen gewisse Krankheiten 
wahrscheinlich, dafs Mineralwässer nicht ganz selten versendet wor- 
den sind. 



Nachträge und Berichtigungen. 

S. 96. Die Reste einer Brücke über den Main bei Seligenstadt sind, wie 
W. Conrady mittheilt, nicht römischen Ursprungs. Sie würden ja 
auch in Feindesland geführt haben. 

S. 108 Zeile 4 von unten schreibe Konrad statt Karl Miller. 

S. 129, Frankfurt ist, wie in allemeuester Zeit in der Nähe des Doms 
gemachte Funde von römischen Bauten und Ziegeln der vierzehnten 
Legion beweisen, entgegen der früheren Annahme als auf dem Platz 
einer römischen Militärstation liegend anzusehen. 

S. 160. Das letzte Wort auf der Seite 'sich' ist zu streichen und S. 161 
Zeile 2 für 'sie' zu schreiben 'man'. 

S. 205. Was Fr. Kluge in seiner soeben erschienenen Vorgeschichte der 
altgermanischen Dialekte (Grundriss der germanischen Philologie 
Bd. I 1889 S. 305) über den Namen des Arminius sagt, ist durchaus 
irreführend; er scheint weder Göttlings noch Schmidts und meine Ab- 
handlung gekannt zu haben. 



REGISTEB 

Die Zahlen bedeuten Seitenzahlen 



Aachen 


146 


Artemidor 173 


Aalen 


87 


Aschaffenburg 96 


Aeranes 


168 


AsciburgiuniAsberg 112 


Agricola 6 26 32 


Asklepiades von 


Agrippa 


139 


Myrlea 173 


Agustm, Antonio 


169 


Asturien 264 


Aistomodius, Septi- 




Atanagrum 184 


mius 


158 


Athanarich 80 


Alaesiagae 


62 


Auctionen 276 


AU?acer do Sal 


268 


Avectius 166 


Alcudia 


227 


Avenches 126 


Alißo 


114 


Augsburg 123 


Aljustrel 


269 


Äugst, auf der, bei 


Alteburg bei Ams- 




Arzbach 104 


burg 


102 


bei Basel 126 


Heftrich 


103 


Augustus 10 119, 


Holzhausen 


104 


Altar und Tempel 


Köln 


112 


in Tarraco 196 203 


Miltenberg 


92 


Avienus 267 


Rückingen 


101 


Ausetaner 184 


Walldürn 


92 


Ausrufen 277 


Altenburg bei Cann- 




Baetis, Thal des 265 


Stadt 


98 


Badeanstalten 278 


Altenstadt 


102 


Baden 126 


Alterthümer, kleine, 




Balearen, die 208 


in Citania 


260 


Balearicus, Caecilius 


Altmühl 


84 


Metellus 218 


Ammianus Marcel- 




Barbiere 280 


linus 80 85 


Becheln 104 


Amphitheater in 




Beda 62 


Tarraco 


205 


Beetgum 146 


Andernach 111 


188 


Beja 270 


Arae Flaviae 


93 


Befestigungslinien, 


Arbalo 


93 


rechtsrheinische 113 


Arenatium 


118 


Benningen 93 


Argentorate 


126 


Bergwerke, römische 


Argentovaria 


126 


in Spanien 194 


Annenios 


156 


Bergwerksbetrieb 283 


Arminius 158, Bei- 




Bergwerksverwal- 


name 


160 


tung, römische 268 


Amsburg 


102 


Besatzung^römische, 


Artaunum 99 


128 


vou Tarraco 189 200 



Bewohner, die, von 

Tarraco 206 

Billig 114 

Bingen 111 137 

Bittburg 144 

Bleibarren, span. 194 
Bleiminen in Eng- 
land 22 
Bierich 144 
Bocchori 228 
Böckingen bei Heil- 
bronn 98 
Bohlwege 116 
Bonn 111 142 
Bopfingen 86 
Boppard 111 137 
Born 103 
Bracara Augusta 262 
Bregenz 125 
Britannien, Theilung 

der Provinz 55 

Brücke,römische, bei 
Köln 112 148 

Mainz 129 

Merida 188 

Xanten 118 

über die Donau 133 
den Tyne 45 

Brücken, römi- 
sche, über den 
Rhein 109 

Brumat 111 

Burg bei Neckar- 
burken 98 
Burg,auf der, bei ün- 
terwiddersheim 102 
bei Langenhain 102 
Burginatium 118 
Burgmauer, di«! bei 

Oberscheidenthal 93 
Burgus 94 

Buruncum (Bürgel) 112 



294 



Register 



Butzbach 96 102 

GMBar 9 119 187 191 
Galignla 188 

Camalodunoin 21 

CamaluB 255 257 

Cannstadt 98 

Capellatiam 85 

Capenbnrg 102 

Caracalla 188 

Caratacus 29 

CastellnmMattiacuin 129 
Castro ürdiales 289 
Castulo 192 Minen 

Ton 269 

Cato 191 

Cattwijk aan Zee 145 
GensorinuB 185 

Cinginnia 288 

Circus, in Tarraco 204 
Citania 282 

Giudadela 218 

Givilis, der Bataver 157 
Ghaijaman, Chario- 

mannus 160 

Ghariovalda 156 161 
Ghatten 100 

Ghester 29 55 

Ghichester 17 

Ghieming 125 

Ghumstinctus 156 

GlaudiuB 10 28 189 
Glausentnm 18 

Cleve 118 

Glyde 84 

Goblenz 111 187 

Cogidumnus 18 157 
Colchester 21 

Colom, Porto 229 

Colonie, römische, 

in Tarraco 186 

Gordoba 195 

Cornelius Bocchus 288 
Cottius, Marcus lu- 

lius 157 160 168 

Coventina, Quelle 

der 68 291 

Cuneus Frisionum 65 
Cunobellinus 19 169 
Dakien,Grenzwälle 78 81 
Darmstadt 127 

Decumatenland 91 127 
Deutz (Divitia) 112 144 
Deva (ehester) 29 55 
Dip, Cassius 7 

Diocletian 184 

Dionysius, Marcus 

PomponiuB 160 



Domitian 88 97 100 
119 182 
Donnas, der Gottier 157 
Doomburg 145 

Dormagen 1 12 

Drusns 99 HO 128 189 
Drusnsmal in Mainz 137 
Düren 144 

Eburacum 85, 56 

Ebnsus 281 

EchzeU 102 

Eichelgarten 108 

Eigelstein in Mainz 186 
Eining 86 

Emporiae 188 

Epfach 125 

Eppillus 159 

Eratosthenes 178 

Eschenz 125 126 

Eulbach 98 127 

Faimingen 87 

Faro 270 

Fectio 145 

Feldberg 108 

Festung, römische, 

in Tarraco 182 

Fimmilena 62 

Flachs von Tarraco 206 
Flamines 197 198 

Flavus, Bruder des 

Arminius 156 162 
Florus, der Rhetor 

187 207 
Forth 84 

Forum, in Tarraco 205 
Frankfurt 129 292 

Frisier 65 

Frontinus 32 97 100 
Friedberg 96 99 

Gaesoriacum 17 111 
Gaimersheim 87 

Gallaeker 267 

Garum 273 29 

Gellep 112 

Gelnhausen 95 

Germanen in der 

römischen Kunst 154 
Germanicus 100 

Grenzwall des 114 
Germanien, obere u. 

untere Provinz 98188 
Gerona 184 

Gesellschaften von 

Pächtern 278 

Giri-Baile 178 

Glevum (Gloucester) 

20 27 



Glasgeföfse aus Pu- 

teoli 291 

Gmünd 89 

Gnotzheim 86 

Goethe 141 

Gracchus, Tiberius, 

der Altere 191 

Graupius, die Schlacht 

vom 37 

Grenzwälle, römische 78 

dakische 78 

Grofskrotzenburg 95 101 

Gründungssagen, 

griechische 173 

Grüningen 102 

Guisando, Stiere von 253 
Guiuntum 229 

Haaghof 89 

Hadrian 48 98 119 

Hainhaus 98 

Hainstadt 95 

Hanau 96 

Hasdrubal 183 

Hasselburg 92 

Heddemburg 99 

Heddemheim 129 137 
Heer, römisches, in 
Britannien 18 

in Deutschland 138 
Heidelberg 127 

Heidenmauer, auf 

der, b. Kreuznach Hl 
Heiligthum von Pa- 

noyas 262 

Heilquellen in Spa- 
nien 262 288 
Hekataeos 173 
Herakles, der phö- 

nikische 168 

Hesselbach 93 

Hesseiberg 89 

Hildesheim, Silber- 
fund von 115 29 
Hludana 146 
Höchst 96 
Hofheim 103 
Horburg 126 
Hütten 242 
Humboldt, W. von 209 
Hunenburg 102 
Hunnenkirchhof 102 
Jagsthausen 90 91 
lamo 218 
Ibiza 280 
Ibros 178 
Idisiaviso, Schlacht 
von 116 



Register 



295 



Igel , Grabdenkmal 

zu 141 

llergeten, llerda 184 

Innsbruck 125 

Inschriften, römische, 

in Citania 254 

in Palma 219 

in Tarraco 205 

iberische 194 

Irland 86 

Imsing 86 

Italica 195 

Italiens 158 168 

Jülich 144 

Jupiter, Tempel des, 

in Tarraco 204 

Juvenal 88 156 

Kaisergrube 102 

Kaninchen, auf den 

Balearen 219 

Karl der Grofse 184 
Kartendes römischen 

Deustchlands 118 
Kastei 129 187 

Kastelle, die des 

Drusus 110 

Kehlheim an der 

Donau 84 

Kemel 108 

Kempten 125 

Kessetaner, Kissa 174 
Kleider 281 

Koelemer, Koilio- 

briga 267 

Köhi 112 189 142 

Köngen 89 93 

Kösching 86 

Kotys 157 

Krieger, gallaeki- 

sche 253 

Kritasirus 159 

Künzing 84 

Kultus des Augustus 197 
Ladenburg 127 137 
Landshut 125 

Laubach 95 

Lausiae 285 

Legionen in Spanien 189 
Leon 264 

Lindum (Lincoln) 81 
Llull, Ramon 225 

London 26 56 

Lorch 87 

Lützelbach 98 

Mahon 210 

Mainhardt 91 

Mainlinie 94 



Mainz 99 129 

Centralmuseum 135 
Maisei, am 103 

Mallorca 216 

Marköbel 102 

Marmagen 144 

Martial 207 

Matüaker 99 

Mattium 100 

Matronenkultus 145 
Mauer, auf der, bei 

Inheiden 102 

Mauern im Orient 
und in Griechen- 
land 72 
in Tarraco 175 
Maximian , der 

Kaiser 134 

Maximin, der Kaiser 134 
Mela 195 

Menorca 209 

Merida 195 

Mertola 270 

MetallumYipascense 271 
Jdetz 140 

Militärdiplome 14 

Miltenberg 90 92 

Mineralwasser, Ver- 
sandt von 289 
Miramar, auf Mal- 
lorca 223 
München 125 
Münzen, in Citania 
gefunden 260 263 
iberische 174 270 
phönikische 172 
römische , von 
Tarraco 188 
Mütterkultus 145 
Mugdonius 160 163 
Murrhardt 91 
Museen, lokale 149 
Nassenfeis 87 
Neckarelz 89 
Neckarlinie 92 
Neckarmühlbach 93 v 
Neckar-Mümlinglinie 98 
Nemetaten 267 
Nero 25 132 
Neukarthago 186 192 
Minen von 269 
Neuss 1 12 
Niedergermanien, 

Grenze von 107 

Niederlande 145 

Niedemberg 95 

Notitia dignitatum 46 



Noviomagus (Nym- 

wegen) 118 145 

Oberflorstadt 102 

Obemburg 96 

Oberrhein 126 

Oberscheidenthal 98 
Ockstadt 102 

Odenathus 158 

Oehringen 91 127 

Offiziere des Clau- 
dius in Britannien 11 
Olisipo 195 

Oppida, keltische in 
Frankreich 265 
in Wales und 
Schottland 266 
Ortsnamen, römische 

in Deutschland 128 
Ostendorffer 124 

Osterburken 90 91 

Ostorius Scapula 28 
Ourique, das Feld 

von 264 269 

Pächter 278 

Palma 216 

Panoyas 262 

Passau 88 122 

Pedrafermosa 245 256 
Petillius Cerialis 30 
Pfahlbronn 89 

Pfahlgraben 86 

Pföring 86 

Pfünz 86 

Philopappus 157 

Pieporus 159 

Pilatus, Haus des 201 
Pius 48 

Plakate 277 

Platorius Nepos 47 

Plautius, Aulus 11 

Plinius, der ältere 283 
der jüngere 278 

Pohl 104 

Pohlgöns 102 

PolybioB 173 

Pompeji, Quittungen 

aus 276 

Pompeius, Sieges- 
denkmal des 195 201 
Pontes longi 115 

Posidonios 173 

Procurator, der kai- 
serliche des Berg- 
werks 273 
Provinzen,Verzeich- 

niss der römischen 114 
Pytheas 178 



296 



Register 



Quadribnrgium 118 

Quirinius, Publius 

Snlpiciua 160 

Raetien 121 

Rasparaganus 157 

Rathsyersammlung 

der Provinz His- 

panien 198 

Rayenna, der Eos- 

mograph von 51 

Raxa, Museum in 221 
Regensburg 84 122 

Regni 17 

Reichenhall 125 

Remagen 111 

Remsthal 89 188 

R6ua 172 207 

Rheinbrohl 104 

Rheskuporis 167 

Rhoemetalkes 157 

Roomburg 145 

Rosenheim 125 

Rottenburg 98 

Rottweil 92 

Rumänien 79 

Saalburg 102 

Sabroso 261 263 

Sammlungen von 

Alterthümem 149 
Santiago de Cacem 269 
Schirenhof 87 

Schlossau 98 

Schuhwerk 281 

Schulmeister 282 

Schwan des Mars 

Thingsus ' 63 

Scipionen, die, in 
Spanien 188 

Thurm der 207 

Segestes 168 161 

Seligenstadt 95 

Seneca ^6 

Septimius Severus 53 
Seraspadanes 159 

Sertorius 191 

Setübal 270 

Severus Alexander 134 
Shrewsbury 27 

Sixenhof 89 

Sitalkes 159 

Söller, auf Mallorca 227 
Southampton 21 

Speier 111 



Sprache, einheimische 
auf Inschriften 259 269 
Städte, römische in 
Deutschland 116 
in England 26 52 
Statuen galläkischer 

Krieger 264 

Staufen 89 

Steinmetzzeichen, 

iberische 179 

Stockstadt 95 

Strabo 173191195 283 
Strafsburg 111 126 

Strafsen, römische 
in Deutchland 121 
in England 18 

Straubing 84 125 

Stuttgart 127 

Subi, Fluss 172 

Suetonins Paullinus 29 
Sumelocennae 98 

Sura, Bogen des 208 
Tacitus 6 87 90 

97 144 156 
Talayots 214 228 

Tanaum aestuavium 34 
Tarragona 167 

Taunus 99 

Theater in Tarraco 205 
Theilenhofen 86 

Thermen 278 

in Tarraco 205 

Thonscherben, aus 

Citania 259 

Thumelicus 154 163 
Thusnelda 154 

Tiberius 99 

Grenzwall des 114 
Töpfergeschirr, von 

Tarraco u. Sagunt 206 
Trajan 89 98 119 138 
Trennfurt 95 

Trier 140 

Triumph d. Claudius 23 
Triumphbogen des 
Augustusi.Tarraco 203 
Trojan 79 

Tuchwalker 281 

Tude 262 

Tuihanten 65 

Tulcis, Fluss 172 

Valerius Maximus 238 
Varusschlacht 114 



Vechten 145 

Velleius 155 

Venta 19 

Verbannung auf die 

Balearen 219 

Verica 169 

Verzeichniss der 
römischen Pro- 
vinzen 114 
Vespasian 90 119 
Vi carello, Becher von 29 
Villanueva, Jayme 170 
Vindonissa 92 
Vinxtbach 111 138 
Vipasca 271 
Viroconium 27 
ümeri , die Heil- 
quelle von 288 
ünterböbingen 87 
Voccio 159 
Vogelsberg 95 
Volobriga 267 
Usipier 38 
Voorburg 145 
Utrecht 145 
Walheim 93 
Walldürn 90 92 
Wasserleitung, rö- 
mische, b. Tarraco 205 
Weiherhof bei 

Rockenfeld 104 
Weiltingen 86 

Wein, der Balearen 217 
Weinbau von Tar- 
raco 207 
Weissenburg 86 
Welzheim 89 91 
Wiesbaden 137 
Wight 21 
Winchester 19 
Windisch 92 126 
Winterthur 126 
Wörth am Main 89 93 
Worms 111 
Würzberg 93 
Xanten 112 145 
York 35 56 
Zehentland 91 
Zenobia 158 
Ziegel, aus Citania 259 
Zieverich 144 
Zülpich 144 
Zugmantel 108 



J. P. Starcke, Berlin W, 

UHIVEESITT 



THIS BOOK 18 DUE ON THE JsABT DATE 
8TAMPED BELOW 



AN INITIAL FINE OF 25 GENTS 

WIU. BE ASSESSED POR FAILURE TO RETURN 
THIS BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY 
WILL INCREASE TO SO CENTS ON THE FOURTH 
DAY AND TO $1.00 ON THE SEVENTH DAY 
OVERDÖK 







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