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Full text of "Römisches Wasserrecht"

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l^aräarti College üiiirars 

PROM THE 

CONSTANTIUS FUND 



Established by Professor £. A. Sofhocles of Harvard 

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books, (the ancient classics) or of Arabic 

books, or of books illustrating or ex« 

plaining such Greek, Latin, or 

Arabic books.»» Will, 

dated iSSo.) 



Received 



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KÖMISCHES 

WASSERRECHT. 



RÖMISCHES 



WASSERRECHT. 



VON 



DR. JUR. ALFRED OSSIG. 



n?Mr,,,_ 




LEIPZIG, 

VEELAG VON DUNCKER & HÜMBLOT. 

1898. 









^ cnyuiXa-A^Cu-Lu) 




Alle Eechte vorbehalten. 



DEM GEHEIMEN JUSTIZRAT 

HERRN 

Professor D^ PERNICE 

zu BERLIN 
IN VEREHRUNG . 

ZUGEEIGNET 

VON DEM VERFASSER. 



7«^ i 



Vorwort. 



Das römische Wasserrecht hat in der Gegenwart nich;t 
nur die Bedeutung, dafs es in einem Teile von Deutschland 
geltendes Recht bildet, Recht, welches mit dem Inkraft- 
treten des Bürgerlichen Gesetzbuches seine Geltung nicht 
verlieren wird, da das Bürgerliche Gesetzbuch das Wasser- 
recht nicht in seinen Bereich gezogen hat. Seine Be- 
deutung liegt vornehmlich auch darin, dafs es ein Vorbild 
ist für neu zu schaffendes Recht, dafs es um seiner ent- 
wickelteren Normen willen bei einer neuen gesetzlichen 
Regelung des Wasserrechts — wie sie in einem grofsen Teile 
von Deutschland erstrebt wird und wie sie in Preufsen seit 
mehreren Jahren im Werke ist — einer sorgsamen Prüfung und 
Beachtung nicht ermangeln kann. Trotz der zahlreichen 
Bearbeitungen, welche das römische Wasserrecht gefunden 
hat, bestehen gerade in seinen wichtigsten Grundsätzen er- 
hebliche noch nicht beseitigte Kontroversen. Einer neuen 
Abhandlung über diese Materie ist daher die Daseins- 
berechtigung nicht von vornherein abzusprechen, die sie 
freilich nur dann behaupten kann, wenn sie zur Aufhellung 
dös herrschenden Dunkels dienlich ist. 

Den Angelpunkt der Abhandlung bildet vornehmlich die 
neue Auffassung des Wortes fons als „Bach", welche not- 
wendig zu umstürzlerischen Ergebnissen führt. Bei der her- 
vorragenden Wichtigkeit dieser dem Worte untergelegten 
Bedeutung für die gesamte Materie des Wasserrechts war es 
unabweislich , die auf juristischen Gründen fufsende Beweis- 
führung durch eine allgemeine sprachwissenschaftliche Aus- 
einandersetzung über jenes Wort zu verstärken, die nach ihrer 



VIII Vorwort. 

sekundären Bestimmung allerdings keine umfassende zu sein 
brauchte. Die Überzeugung, dafs die für die Bachbedeutung 
von fons gewonnenen Beweisgründe auch einer scharfen 
Kritik standzuhalten vermögen und dafs mit dieser Bedeutung 
das römische Wasserrecht ein klares harmonisches Bild ge- 
währt, hat den Verfasser zur Veröffentlichung seiner Unter- 
suchungen bestimmt. Indem der Verfasser vermeint, in der 
Hauptsache das Richtige getroffen zu haben, nimmt er Nach- 
sicht wegen der .der Schrift in Einzelheiten anhaftenden 
Mängel in Anspruch. 

Die Besonderheit der Abhandlung, dafs sie sich mit einer 
kurzen Hervorhebung des wesentlichen Inhalts der Haupt- 
kontroversen begnügt und es grundsätzlich vermeidet, auf die 
in der Litteratur geltend gemachten Ansichten des näheren 
einzugehen, rechtfertigt sich durch den Inhalt der Abhand- 
lung von selbst. Da der Verfasser von Anfang an von neuen 
Voraussetzungen ausgeht, so war von einer ausführlichen 
Kritik fremder Ansichten wenig förderliches zu erwarten. 
Die neuen Sätze der Abhandlung mufsten ihrer Natur nach 
durch eine selbständige Beweisführung erhärtet werden, 
welche mit den in der Litteratur sich findenden Darlegungen 
nur wenige und meist oberflächliche Berührungspunkte haben 
konnte. Bei dieser Sachlage war eine ausführliche Erörte- 
rung fremder Ansichten als unzweckmäfsig zu unterlassen, 
um so mehr als dabei eine lästige Weitschweifigkeit in der 
Darstellung kaum zu vermeiden gewesen wäre. Die ein- 
schlägige Litteratur ist darum nicht weniger sorgsam ge- 
würdigt worden. 

Breslau, im März 1898. 

Der Verfasser. 



/ 



Inhalt. 



Seite 

Vorwort . VII 

Erstes Kapitel. 

Öffentliche und nichtöffentliche Gewässer 

im allgemeinen. 

§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer 1 

§ 2. Die fontes 17 

Zweites Kapitel. 
Das Eigentum an den Wasserläufen. 

§ 3. Die aqua profluens 47 

§ 4. Scheidung der Wasserläufe nach dem Gesichtspunkt des 

Eigentums. Das flumen publicum 75 

Drittes Kapitel. 
Die Rechtsverhältnisse der Wasserläufe. 

§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse^ 98 

§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe .... 120 

§ 7. Schlufs : Blick auf das gemeine Recht 141 

Anhang: Die Wasserläufe in der lateinischen und griechischen 

Sprache 150 



Erstes Kapitel. 

OfTentliche und nichtöffentliche Gewässer im 
allgemeinen. 



§ 1. Der Bereich der Sffentlieheii OewSsser^ 

Der Begriff des flumen publicum wird in den Rechts- 
quellen nur an einer Stelle erörtert und zwar von Ulpian 
im Digestentitel de fluminibus ne quid in flumine publice 
ripave ejus fiat quo pejus navigetur 43, 12. Nachdem Ulpian 
in 1. 1 pr. 1. c. den Wortlaut des Interdiktes, durch welches 
der Prätor die Schiffahrt beeinträchtigende Vorrichtungen in 
einem öffentlichen Flusse oder auf dem Ufer eines solchen ver- 
bietet, angeführt hat, erläutert er dasselbe an der Hand der 
einzelnen Worte, wobei er mit der Besprechung des Begriffes 
flumen publicum beginnt. 

Ulpianus libro LXVIII ad Edictum: 

§ 1. Flumen a rivo magnitudine discemendum est 
aut existimatione circumcolentium. § 2. Item fluminum 
quaedam sunt perennia, quaedam torrentia; perenne est, 
quod semper fluat, aewaog, torrens, 6 xufid^^ovg. Si tamen 

— 'S 

^ Litteratur des römischen Wasserrechtes ist insbesondere nach- 
gewiesen bei: Windscheid, Pandekten Bd. 1 § 146 Anm. 5; Arndts, 
Pandekten § 49 Anm. 4; Ubbclohde zu Glück, AusfuhrUche Erläute- 
rung der Pandekten, Serie der Bücher 43. 44 Teil 4. 

Ossig, Wasserreoht. 1 



2 Erstes Kapitel. 

aliqua aestate exaruerit, quod alioquin perenne fluebat, 
non ideo minus perenne est. § 3. Fluminum quaedam 
publica sunt, quaedam non ; j)ublicum flumen esse Cassius 
definit, quod perenne sit; haec sententia Cassii, quam et 
Celsus probat, videtur esse pi-obabilis. § 4. Hoc inter- 
dictum ad flumina publica pertinet ; si autem flumen pri- 
vatum sit, cessabit interdictum, nihil enim diflfert a ceteris 
locis privatis flumen privatum. 
Die scharfe Kontroverse, welche auf dem Gebiet des 
römischen und gemeinen Rechts über den Umfang des Be- 
griffes flumen publicum besteht, dreht sich im wesentlichen 
um die Auslegung und den Inhalt dieser Erörterung von 
Ulpian. Die einen messen der sprachlichen Unterscheidung 
von flumen und rivus auch rechtliche Bedeutung bei und 
kommen zu dem Ergebnis, dafs nach römischem Recht nur 
die grofsen beständigen Wasserläufe öffentlich waren. Die 
anderen sprechen der Unterscheidung von flumen und rivus, 
welche Ulpian in 1. 1 § 1 cit. macht, eine rechtliche Be- 
deutung ab, indem sie unter flumen im rechtlichen Sinne 
schlechthin den Wasserlauf verstehen, und finden das Merk- 
mal des öffentlichen Flusses nach römischem Recht nur in 
der Beständigkeit des Fliefsens ohne Rücksicht auf die Gröfse 
des Wasserlaufs. Sie machen für diese Ansicht insbesondere 
geltend, dafs die Begriffe magnitudo und existimatio circum- 
colentium, welche Ulpian als Unterscheidungsmerkmale des 
flumen und rivus bezeichne, viel zu unbestimmt seien, als 
dafs auf ihnen von den Römern ein tiefgreifender recht- 
licher Unterschied gegründet worden sein könnte, und weisen 
weiter darauf hin, dafs rivus in den Quellen die technische 
Bedeutung von Wasserleitungskanal habe und im Sinne von 
Bach sonst nirgends angewendet werde, wie sich auch keine 
besonderen Rechtsgrundsätze für die Bäche (rivi) im römischen 
Recht vorfänden. 

Gegen die Ansicht, dafs die beständigen Wasserläufe 
schlechthin die flumina publica bilden, lassen sich zunächst, 
insoweit sie auf die Ausführungen von Ulpian gestützt wird, 
eine Reihe schwerer exegetischer Bedenken geltend machen. 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Grewässer. 3 

Der Annahme, dafs die Unterscheidung des gewöhnlichen 
Sprachgebrauchs zwischen flumen und rivus einer rechtlichen 
Bedeutung ermangele , steht vor allem die Thatsache ent- 
gegen, dafs Ulpian keineswegs nebenbei andeutet, wie sich 
der Flufs vom Bache unterscheidet, sondern erklärt, der Flufs 
müsse vom Bache nach der Gröfse oder nach der Anschau- 
ung der Umwohner unterschieden werden (discernendum est). 
Sodann erscheint es auch willkürlich, da die weitere Unter- 
scheidung zwischen flumina perennia und torrentia mit item 
an die in Rede stehende zwischen flumen und rivus anknüpft, 
nur der ersteren rechtliche Bedeutung beizumessen. Femer 
aber müfste dem Worte flumen bei Ulpian kurz hinterein- 
ander eine verschiedene Bedeutung beikommen, nämlich zu- 
nächst die eines gröfseren und in der weiteren Auseinander- 
setzung die eines jeden natürlichen Wasserlaufes. Endlich 
bleibt der unanfechtbare Einwand bestehen , dafs die Schei- 
dung der flumina in perennia und torrentia keine erschöpfende 
ist und dafs sie einen einheitlichen Gesichtspunkt vermissen 
läfst, wenn man unter flumen den natürlichen Wasserlauf 
schlechthin versteht. Denn ein kleiner ruhig dahinfliefsender 
Wasserlauf, der alljährlich zur Sommerszeit austrocknet, 
kann einerseits nicht zu den torrentia, andererseits aber 
auch nicht zu den flumina perennia gerechnet werden, da 
nur ein ausnahmsweises Austrocknen dem flumen die Eigen- 
schaft der Beständigkeit nicht nehmen soll. Die torrentes 
sind keineswegs mit den nichtbeständigen Wasserläufen iden- 
tisch und bilden daher auch nicht das Korrelat zu den be- 
ständigen; der torrens bezeichnet nur den grofsen nicht be- 
ständigen Wasserlauf ^ Die Scheidung der flumina in perennia 
und torrentia müfste also, wenn flumen schlechthin die Be- 
deutung von Wasserlauf hat, ebenso sehr vom natürlichen 
wie vom rechtlichen Standpunkt beanstandet werden. 



* Seneca, naturales quaestiones 3, 11: Pluvia potest facere tor- 
rentem: non potest autem aequali inter ripas suas tenore labentem. 
Aquam non faciunt imbres sed excitant. 12. Flumen nempe faeit 
copia cursusque aquae perennia. Vgl. Ovid, amores 3, 6, 85 ff.; rem. 
am. V. 651 f. Siehe Anhang. 

1* 



4 Erstes Kapitel. 

Weiterhin ist es aber auch in Ansehung der Sache selbst 
in hohem Mafse unwahrscheinlich, dafs das römische Recht 
auch die kleinen beständigen Wasserläufe als flumina publica 
sollte betrachtet haben. Welches Interesse hätte wohl die 
Allgemeinheit daran nehmen können, dafs der Lauf eines 
kleinen Baches in ganz eben derselben Weise erhalten werde, 
wie er im Sommer des vergangenen Jahres gewesen war? 
Und zumal in einem solchen Falle, wo der Wasserlauf von 
der Quelle bis zur Mündung nur den Grund und Boden 
einer einzigen Person berührte? Es wäre doch kaum ver- 
ständlich, wenn jeder beliebige Dritte den Uferanlieger eines 
Baches hätte zwingen können, eine Veränderung des Flufs- 
bettes, mit welcher etwa noch alle Interessenten einverstanden 
waren, rückgängig zu machen. Hierzu wäre er aber nach 
1. un. D. ne quid in flum. publ. fiat quo aliter aqua fluat 
43, 13 unzweifelhaft berechtigt gewesen, wenn anders die 
flumina publica alle beständigen Wasserläufe umfassen. Dafs 
die kleinen Wasserläufe thatsächlich gewöhnlich nicht im 
Gemeingebrauch stehen, weil sie der Allgemeinheit nicht zu- 
gänglich sind, sondern der Machtsphäre nur der Uferanlieger 
unterliegen, kann nicht zweifelhaft sein. Fehlt aber der All- 
gemeinheit ein Interesse daran, dafs ein Bach in seinem ur- 
sprünglichen Bett dahinfliefst, so fehlt es auch an jedem 
Grunde, warum die Allgemeinheit die Uferanlieger, welche 
allein den Bach auszunutzen vermögen, an einer Veränderung 
des Flufsbettes zu verhindern berechtigt sein müfste. Es 
würde sonach die bei dem Geiste des römischen Rechts äufserst 
befremdliche Thatsache bestehen, dafs das Edikt einen für 
viele Wasserläufe zuweit reichenden und ungeeigneten Schutz 
gewährt. 

Andererseits sind die Bedenken hinfällig, welche man 
gegen die Ansicht geltend gemacht hat, dafs nur die grösseren 
beständigen Wasserläufe flumina publica waren. Allerdings 
ist die Behauptung der Gegner unanfechtbar, dafs die von 
Ulpian angegebenen Merkmale magnitudo und existimatio 
circumcolentium viel zu unsicher sind, als dafs nach ihnen 
die Flufs- oder Bacheigenschaft eines Wasserlaufes bestimmt 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer. 5 

werden könnte. „Grofs** ist ein relativer Begriff, welcher nur 
ein subjektives Urteil zuläfst, und die Meinung der Anwohner 
eines Wasserlaufes mufs mangels sicherer zu Grunde zu legen- 
der Merkmale naturgemäfs häufig eine geteilte sein. Auch 
bleibt es unaufgeklärt, in welchem Verhältnis zu einander 
die beiden scharf getrennten Merkmale stehen könnten, zu- 
mal die Anschauung der Umwohner nur von der Betrachtung 
der verschiedenen Gröfse der Wasserläufe ausgehen kann. 
Femer ist wohl zu beachten, dafs Ulpian die Identität der 
flumina publica mit den flumina perennia nicht als unanfechtbar 
und unangefochten hinstellt, dafs er damit vielmehr nur eine 
Ansicht des Gassius und Celsus wiedergiebt, welche er selbst 
nur probabilis findet. 

Eine Definition, die sich auf derartig unsicheren Merk- 
malen aufbaut, wäre unleugbar eine fehlerhafte. Allein es 
mufs gerade entschieden bestritten werden, dafs es der Theorie 
obliegt und dafs es die Absicht von Ulpian bei seiner Er- 
örterung ist, eine scharfe, für die Bestimmung des rechtlichen 
Charakters jedes einzelnen Wasserlaufes mafsgebende Definition 
.des öffentlichen Flusses zu geben. Anhänger wie Gegner der 
Ansicht, dafs nur die grofsen beständigen Wasserläufe öffent- 
lich waren, scheinen dies allerdings allgemein anzunehmen. 
Jene hätten den Vorwurf, dafs die Merkmale des flumen 
publicum zu unbestimmt und schwankend wären, nicht er- 
heben können; diese hätten den Einwand, als von einer un- 
richtigen Voraussetzung ausgehend, ohne weiteres mit Be- 
stimmtheit zurückweisen müssen. 

Die Anschauung, dafs bei den Römern die Scheidung der 
Wasserläufe in öffentliche und nichtöffentliche durch Gesetz 
oder Theorie unter Festlegung bestimmter Merkmale ein- 
geführt worden ist, entbehrt der thatsächlichen Unterlage. 
Allerdings kann sich in dieser Weise die Öffentlichkeit der 
Wasserläufe festgestellt haben. Es liefse sich denken, dafs 
zu irgend einer Zeit durch Rechtssatz der Begriff des öffent- 
lichen Wasserlaufes und seine Merkmale so normiert worden 
wären, dafs die rechtliche Natur aller einzelnen Wasserläufe 
sich mit Sicherheit bestimmen liefs. Auch wäre es möglich, 



Q Erstes Kapitel. 

dafs bei den Römern eine feste und allgemeine Rechts- 
überzeugung sich gebildet hätte ^ nach welcher alle Wasser- 
läufe von bestimmten natürlichen Eigenschaften als der All- 
gemeinheit vorbehalten galten und dafs schon nach dieser 
Rechtsüberzeugung die Öffentlichkeit oder NichtÖffentlichkeit 
jedes einzelnen Wasserlaufes unanfechtbar feststand. Indessen 
ist es nicht wahrscheinlich, dafs sich die Rechtsverhältnisse 
der Wasserläufe in dieser Weise festgestellt haben, da nach 
dem natürlichen Gange der volkswirtschaftlichen und der 
Rechtsentwickelung gewöhnlich die thatsächlichen Zustände 
die Rechtsnormen erzeugen und die Lebensverhältnisse sich 
nicht umgekehrt nach abstrakten, von der Theorie willkürlich 
erfundenen Rechtssätzen gestalten. Von solchen Rechtssätzen 
und Rechtsüberzeugungen ist femer — von der dahin ge- 
deuteten Ausführung von Ulpian abgesehen — keine Spur 
überliefert; in dem Prätorischen Edikt wird nur der Begriff 
des flumen publicum, nicht aber sein Inhalt genannt. Kann 
hiernach mit Fug und Recht die Anschauung beanstandet 
werden, dafs die Scheidung der Wasserläufe in öffentliche und 
nichtöffentliche ein Erzeugnis von Gesetz oder Theorie ist, 
so läfst sich selbstverständlich durch den Hinweis auf die 
Unsicherheit vermeintlicher theoretischer Merkmale des 
öffentlichen Flusses die Ansicht nicht erschüttern, dafs nur 
die grofsen beständigen Wasserläufe öffentlich waren. 

Bezeichnete flumen — und dies wird später nachgewiesen 
werden — nur den grofsen Wasserlauf, so würde man mit 
einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der 
Entwickelung der Rechtsverhältnisse der Wasserläufe ent- 
gegengesetzte Schlüsse ziehen dürfen. Es würde hieraus ge- 
rade hervorgehen, dafs die Scheidung der Wasserläufe in 
öffentliche und nichtöffentliche nicht eine Schöpfung von 
Gesetz oder Theorie sein kann, weil wohl der Begriff des 
Wasserlaufes ein feststehender ist, der Begriff des flumen bei 
seiner Subjektivität dagegen keine feste Begrenzung zuläfst. 
Dann aber bliebe nur für die Annahme Raum , dafs sich 
die Scheidung unter den Wasserläufen- in der Wirklichkeit 
vollzogen und dafs die Verschiedenheit der thatsächlichen 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer. ^ 

Schicksale der Wasserläufe zur Schaffung verschiedener 
Rechtssätze für die einzelnen Arten derselben geführt hat. 
Bei der Erörterung in 1. 1 §§1 ff. cit. könnte daher XJlpian 
auch nicht die Absicht innewohnen, den Begriff des flumen 
publicum scharf zu umgrenzen. 

Für die Entwickelung der Rechtsverhältnisse der Wasser- 
läufe dürften sich hiemach folgende Sätze aufstellen lassen, für 
deren Richtigkeit die innere Wahrscheinlichkeit spricht. Der 
Gedanke, dafs die bedeutenderen Wasserläufe wie die gröfseren 
Gewässer überhaupt nach ihren natürlichen Eigenschaften der 
Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind, liegt offenbar sehr 
nahe und hat sich den Römern wie allen civilisierten Völkern 
des Altertums sicher von selbst aufgedrängt, als es galt, den 
Grund und Boden unter die Volksgenossen zu verteilen. Er 
fand jedenfalls seine Verwirklichung in der Weise, dafs die 
Allgemeinheit alle diejenigen einzelnen Wasserläufe, welchen 
sie eine solche natürliche Bestimmung zuschrieb, für sich in 
Anspruch nahm. Flumina torrentia der Öffentlichkeit vorzu- 
behalten, lag keine Veranlassung vor, da diese nach ihren 
natürlichen Eigenschaften nicht der Allgemeinheit zu dienen 
vermögen, sondern einen gemeinschädlichen Charakter an 
sich tragen. Bei den verschiedenen klimatischen Verhältnissen 
mufs natürlich der Kreis der öffentlichen Wasserläufe in den 
einzelnen Ländern des römischen Reiches verschieden grofs 
gewesen sein. In wasserarmen Ländern werden zahlreiche 
Wasserläufe der Allgemeinheit zugehört haben, welche in 
wasserreichen dem Privateigentum überlassen gewesen wären. 

Haben sich in der That die Rechtsverhältnisse der Wasser- 
läufe in dieser Weise festgestellt, so bedarf es der Erklärung, 
welche Bedeutung der in Rede stehenden Erörterung von 
Ulpian über das flumen publicum beizulegen ist. Bei der 
hohen Wertschätzung, welche dem Wasser bei den Alten zu- 
teilwurde, mufs man vermuten, dafs die rechtliche Natur 
der meisten Wasserläufe zur Zeit von Ulpian aufser An- 
fechtung gestanden hat. War nun aber im Einzelfall die 
Öffentlichkeit eines Wasserlaufes streitig, so mufste es, was 
sich nach dem Gesagten von selbst versteht, zunächst Sache 



8 Erstes Kapitel. 

der Parteien sein, die öffentliche oder nichtöffentliche Natur 
des Wasserlaufes zu erweisen. Wurde z. B. der Nachweis 
erbracht, dafs der Wasserlauf von der Allgemeinheit aus 
eigenem Recht zur Schiffahrt benutzt wurde, so hatte er als 
öffentlich zu gelten. Wurde dagegen dargethan, dafs er bei 
der Aufteilung von Staatsländereien zum Privateigentum ge- 
schlagen war, so war er als privat anzusehen, selbst wenn 
er unter den Anwohnern als flumen galt und beständig 
Wasser führte. Mit dem Nachweis der Öffentlichkeit eines 
Wasserlaufes war auch der Nachweis seiner Eigenschaft als 
flumen geführt, da die Rechtssprache, wie später dargelegt 
werden wird, jedem öffentlichen Wasserlauf den Namen flumen 
beilegte. Nur dann, wenn sich die rechtliche Natur eines 
Wasserlaufes nach den Anführungen der Parteien nicht er- 
mitteln liefs, war es Sache des Richters, nach eigenem Er- 
messen hierüber zu entscheiden. Zur Richtschnur mufsten 
ihm dabei die Merkmale dienen, welche die Theorie nach 
sorgfältiger Vergleichung der thatsächlichen Verhältnisse für 
den öffentlichen Flufs ermittelt hatte. Er mufste zuvörderst 
prüfen, ob der Wasserlauf nach seinen natürlichen Eigen- 
schaften sich als flumen oder als rivus darstellt. Hierbei 
hatte er zunächst seine Gröfse in Betracht zu ziehen, er 
mufste ihn mit solchen, den gleichen klimatischen Verhält- 
nissen angehörenden vergleichen, welche unbestritten flumina 
sind. Konnte er auf Grund eines solchen Vergleichs zu 
keinem sicheren Ergebnis kommen, so hatte er die Anschauung 
der Umwohner des Wasserlaufes über dessen Flufs- oder Bach- 
eigenschaft zu Rate zu ziehen, und diese Auffassung üiufste 
dann für ihn mafsgebend sein. Sahen die Anwohner in dem 
Wasserlauf einen Bach , so hatte der Richter dessen öffent- 
liche Natur zu verneinen. Erblickten sie in ihm einen Flufs, 
so mufste er weiterhin noch prüfen , ob der Wasserlauf be- 
ständig oder ob er nur ein torrens ist, und je nach Befund 
die öffentliche oder nichtöffentliche Natur des flumen aus- 
sprechen. 

Hiermit ist die Bedeutung der Erörterung von Ulpian 
über das flumen publicum im wesentlichen dargethan. Da 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer. 9 

eine scharfe Definttion des Begriffes flumen publicum nicht 
angängig ist \ befafst sich Ulpian mit einer anderen Aufgabe 
des Kommentators, nämlich mit der Erörterung des Falles, 
in welchem der rechtliche Charakter- eines Wasserlaufes zweifel- 
haft ist. Es sei nur folgendes noch hervorgehoben. Die 
Worte discemendum est des § 1 weisen darauf hin, nach 
welchen Gesichtspunkten jemand , welcher die Flufs- oder 
Bacheigenschaft eines Wasserlaufes feststellen will, prüfend 
vorzugehen hat. Die Gesichtspunkte der magnitudo und 
existimatio circumcolentium sind dabei nicht nebeneinander 
oder einer von beiden nach Belieben zu erforschen, wie das 
scharf trennende Wort aut beweist. Es ist vielmehr zuerst 
die magnitudo des Wasserlaufes zu prüfen oder, d. h. falls 
dies zu keinem sicheren Ergebnis führt, die Anschauung der 
Anwohner zu erkunden. Das eigene Ermessen des zur Prüfung 
der rechtlichen Natur des Wasserlaufes berufenen Faktors geht 
dem Ermessen Dritter vor. Ulpian untersucht sodann, unter 
welcher Voraussetzung ein Wasserlauf, der sich als flumen 
darstellt, als publicum anzusehen ist. Von den Wasserläufen, 
meint Ulpian, welche im gewöhnlichen Lehen als flumina 
gelten , sind, vom natürlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, 
die einen perennia, die anderen torrentia, vom juristischen 
Standpunkt aus die einen publica, die anderen non publica. 
Ulpian erwägt, ob diese beiden Einteilungsarten sich in 
der Weise decken, dafs alle flumina perennia publica und die 
flumina torrentia non publica sind. Zu dem Behufe mufs er 
prüfen, ob sich beständige flumina finden, welche nicht öffent- 
lich sind, und ob es andererseits nichtbeständige öffentliche 
flumina giebt. Er entscheidet sich nun dafür, dafs als öffent- 
lich^ ein flumen zu gelten habe, welches beständig Wasser führt®. 



^ Es ist sehr bemerkenswert, dafs die Auslassung von Labeo über 
den Begriff der loca publica in 1. 2 § 4 D. ne quid in loco publ. 43, 8 
keineswegs eine Definition enthält, aus welcher der öffentliche Cha- 
rakter der einzelnen loca entnommen werden könnte. 

2 Die Stellung des Wortes publicum vor flumen ist wohl be- 
, absichtigt; auch hier ist flumen nur im natürlichen Sinne gebraucht. 

' Bezweckte die Erörterung von Ulpian, eine scharfe Definition 



10 Erstes Kapitel. 

Aus der Thatsache, dafs Ulpian die Meinung des Cassius 
und Celsus nur probabilis findet, wird man schliefsen müssen, 
dafs ihm deren Ansicht über die Identität der flumina pe- 
rennia mit den flumina publica keineswegs zutreffend erschien. 
Dafs er in der Wirklichkeit auch torrentes gefunden hätte, 
welche öffentlich waren, wird man schwerlich annehmen 
können, weil torrentes der Allgemeinheit nach ihrer natür- 
lichen Beschaffenheit keinen Nutzen zu gewähren vermögen. 
Wohl aber wird er die Beobachtung gemacht haben, dafs 
einzelne beständige Wasserläufe, welche allgemein als flumina 
galten und nach ihren natürlichen Eigenschaften dem usus 
publicus zu dienen vermochten, dem Privateigentum verfallen 
waren. In der That berichtet Frontinus, dafs viele flumina 
und keineswegs blofs solche von mäfsiger Gröfse zur Assignation 
gelangt sind*. In dieser Thatsache, dafs zum usus publicus 
wohl geeignete flumina perennia hin und wieder nicht öffent^ 
lieh waren, erblickte Ulpian aber eine Unregelmäfsigkeit, 
welche er bei der Feststellung der Merkmale des flumen 
publicum für den Zweifelsfall mit Cassius und Celsus aufser 
Betracht lassen zu müssen glaubte. 

Die sich aus der Erörterung von Ulpian ergebende An- 
nahme, dafs die flumina perennia fast durchgängig öffentlich 
waren, dürfte durch die Bemerkung von Marcian in 1. 4 § 1 
D. de div. rer. 1, 8 bestätigt werden*. Marcian sagt: 

Sed flumina paene omnia et portus publica sunt. 
Überwiegen auch die flumina perennia die torrentia bei weitem, 
so treten diese jenen gegenüber doch nicht so aufser- 
ordentlich in den Hintergrund, dafs man die Äufserung von 
Marcian in Ansehung der flumina im weiteren Sinne als 



des Begriffes flumen publicum zu geben, so wäre der Satz: Fluminum 
quaedam publica sunt quaedam non offenbar gänzlich überflüssig. 

1 Vgl. Frontinus, de controv. agr. lib. IL Lachmannsche Ausgabe 
p. 51 V. 3 ff. 

3 In § 2 I. de rer. diy. 2, 1 heifst es, dafs alle flumina öffentlich 
waren. Es liegt offenbar eine versehentliche Auslassung des Institutionen- 
Verfassers vor, weil die Institutionen hier auf der in den Digesten 
enthaltenen Darstellung von Marcian fnfsen. 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer. H 

richtig ansehen könnte. Nun bemerkt aber Aelius Gallus im 
zweiten Buch seiner Schrift.de significatione verborum quae 
ad jus civile pertinent, flumen sei eigentlich nur etwas, was 
beständig fliesse, nach der consuetudo volgi würde aber sowohl 
der fluvius perennis als der torrens flumen genannt*. Es ist 
daher sehr wohl möglich, dafs Marcian im Gegensatz zu 
Ulpian nur die flumina im engeren Sinne, die flumina perennia, 
im Auge hat. 

Andererseits ist es nicht unmöglich, dafs ebenso wie 
beständige Wasserläufe, welche nach der allgemeinen Volks- 
anschauung als flumina gelten, hin und wieder dem Privat- 
eigentum verfallen sind, umgekehrt solche beständige Wasser- 
läufe, welche die existimatio circumcolentium nicht als flumina, 
sondern nur als rivi anerkannte, vereinzelt veröffentlicht wor- 
den sind. Aus der Erörterung von Ulpian läfst sich nicht 
entnehmen, ob der Rechtsbegriflf des flumen publicum alle 
Wasserläufe, gleichviel von welcher Gröfse, umfafst, welche 
im usus publicus standen, oder ob das römische Recht neben 
den flumina publica noch rivi publici, d. h. in usu publice, 
kannte. 

Auch die Öffentlichkeit der stehenden natürlichen Ge- 
wässer, welche in den Quellen als publica erwähnt werden, 
kann sich nur in der Wirklichkeit festgestellt haben. Es 
lassen sich irgendwelche feste theoretische Merkmale, welche 
für die Öffentlichkeit bestimmend gewesen wären, nicht auf- 
finden. In 1. un. pr. D. ut in flum. publ. navig. lic. 43, 14 
werden an natürlichen Gewässern, welche öffentlichen Cha- 
rakter an sich tragen konnten, aufser den flumina noch die 
lacus und stagna erwähnt. In welcher Weise sich diese 
beiden Arten von stehenden Gewässern voneinander unter- 
scheiden, geht aus den Quellen nicht hervor. In 1. un. § 3 
1. c sagt zwar Ulpian von dem lacus: 

Lacus est, quod perpetuam habet aquam, 

und in § 4 ej. fr. von dem stagnum: 



1 Festus, de verb. sign. v. torrens. 



12 Erstes Kapitel. 

Stagnum est, quod temporalem contineat aquam ibi 
stagnantem. 
Allein eine Definition dieser Gewässer kann hierin schon 
deswegen nicht erblickt werden, weil offenbar aufser den lacus 
und stagna auch die fliefsenden Gewässer perpetuam oder 
temporalem aquam enthalten. Die Definition des lacus wäre 
zudem zweifellos unrichtig, weil zu den lacus keineswegs blofs 
beständige Gewässer zählen, wie aus 1. 28 D. de serv. pr. urb. 
8, 2 und 1. un. § 4 D. de fönte 43, 22 klar hervorgeht. Nach 
dem gewöhnlichen Sprachgebrauch wird man wohl unter den 
lacus die Binnenlandseeen, sowie die im Bereich von Wasser- 
. laufen befindlichen stehenden Gewässer, deren Dasein von der 
Existenz des Wasserlaufes unabhängig ist, unter den stagna 
dagegen die dem regelmäfsigen Austrocknen unterliegenden 
Strandseeen\ sowie die stehenden Gewässer, welche lediglich 
von den Wasserläufen durch deren regelmäfsiges Übertreten 
bei mittlerem Wasserstande erzeugt werden, verstehen müssen^. 
Jedenfalls wurden von den Römern im juristischen Sinne nur 
unbeständige stehende Gewässer stagna genannt®. Denn in 
dem Interdikt von 1. un. pr. D. de fönte 43, 22, welches nur 
zu Gunsten beständiger Gewässer gegeben ist, wird nur der 
lacus, nicht aber der stagna gedacht, die unzweifelhaft auch 
privat sein konnten. Wollte man aber annehmen, dafs es 
auch beständige stagna gab, dafs diese jedoch sämtlich 
öffentlich waren, so wäre die Bemerkung von Ulpian in 



* Diese Strandseeen sind Damentlich an der Süd- und Westküste 
von Frankreich sehr zahlreich; sie finden sich aber auch an der Küste 
von Italien und Spanien, Sardinien und Korsika (^tang, stagno). 

* Von den Überschwemmungen (inundationes) unterscheiden sich 
die stagna dadurch, dafs sie zum Flufsgebiet gehören und bei nor- 
malem Wasserstande des Wasserlaufes bestehen, während jene nicht 
zum Flufsgebiet gehöriges Land treffen und aufserdem nur bei unge- 
wöhnlich hohem Wasserstande eintreten. 

» Vgl. 1. 10 §§ 2, 3 D. quib. mod. usufr. 7, 4; dagegen Seneca, 
naturales quaestiones 3, 19; epistolae 4, 12, 3. Vgl. auch Festus, de 
verb. signif. v. stagnum: stagnum quidam dici putant, quod in eo aqua 
perpetuo stet, wobei offenbar nicht der Nachdruck auf dem Worte 
perpetuo, sondern auf dem Worte stet liegt. 



§ 1. Der Bereich der offen tlichen Gewässer. 13 

1. un. § 4, namentlich bei dem Zusammenhange, in welchem 
sie steht, geradezu unbegreiflich. 

Nun macht allerdings der ganze Inhalt von 1. un. D. ut 
in flum. publ. nav. lic. 43, 14 den Eindruck, dafs die Aus- 
führungen von Ulpian nur stark verstümmelt wiedergegeben 
sind. Will man aber den Inhalt von 1. un. § 3 D. 1. c. nicht 
einfach für unrichtig erklären, so wird sich kaum eine andere 
Annahme finden lassen, als dafs Ulpian hier und mit seiner 
Äufserung im § 4 den thatsächlichen Unterschied des lacus 
publicus vom stagnum publicum wiedergegeben hat. Ulpian 
würde also sagen, dafs ein lacus publicus ein stehendes Ge- 
wässer ist, welches beständig Wasser enthält, ein stagnum 
publicum dagegen ein stehendes Gewässer, welches nur zeit- 
weise Wasser führt. 

Wenn nun auch nur lacus perennes öffentlich waren, so 
wird doch die Öffentlichkeit der lacus nicht dadurch allein 
bestimmt, dafs sie beständig Wasser enthalten. Eine Wasser- 
servitut kann nämlich einerseits nur an einer aqua perennis 
begründet werden *. Andererseits ist eine servitus aquaehaustus 
und pecoris ad aquam appellendi an öffentlichen Flüssen (flum. 
publica) nicht möglich 2, und, da den Grund hierfür der an 
den öffentlichen Flüssen bestehende Gemeingebrauch bildet, 
so mufs dasselbe auch für die öffentlichen stehenden Gewässer, 
die lacus, gelten. Nun beziehen sich aber die Interdikte, welche 
dem Schutz der servitus aquaehaustus und pecoris ad aquam 
appellendi dienen, auch auf die lacus, woraus sich der not- 
wendige Schlufs ergiebt, dafs die lacus beständig (perennes) 
sein und der Öffentlichkeit doch dabei entraten können. 
Bedenkt man, dafs die lacus regelmäfsig mit beständigen 
Wasserläufen in Verbindung stehen, so ergiebt sich übrigens 
hieraus die Unhaltbarkeit einer Ansicht, welche alle be- 
ständigen Wasserläufe als öffentlich angesehen wissen will. 
Es würde ja sonst die unbegreifliche Thatsache bestehen, dafs 



M. 1 §§ 5 ff. D. de aqu. quot. et aest. 43, 20; 1. un. pr. § 4 D. 
de fönte 43, 22. 

2 1. 3 § 3 D. de serv. t)r.i rust. 8, 3; 1. 17 § 4 D. de aqua et aqu. 
pl. arc. 39, 3. 



14 Erstes Kapitel. 

öffentliche Wasserläufe ihr Wasser in private lacus ergiefsen 
oder sie durchfliefsen oder aus ihnen ihren Ursprung nehmen. 

Weiterhin wird aber die Öffentlichkeit der lacus und 
stagna audi nicht durch den Gesichtspunkt der Schiffbarkeit 
bestimmt. Nach 1. un. § 2 D. ut in flum. publ. nav. lic. 
43, 14 greift das dem Schutz der freien Schiffahrt dienende 
Interdikt nicht Platz, wenn die in dem Interdikt bezeichneten 
Gewässer, zu welchen auch die lacus und stagna gehören, 
privater Natur sind. Diese Bemerkung von Ulpian würde 
offenbar keinen Sinn haben, wenn alle schiffbaren lacus und 
stagna öffentlich wären und eine Schiffahrt auf privaten lacus 
sich schon der Natur der Sache nach verbieten würde. Aus 1. 23 
§ 1 D. de serv. pr. rust. 8, 3, wonach eine servitus navigandi 
an einem privaten lacus bestellt werden kann, geht fernerhin 
unzweifelhaft hervor, dafs zu den privaten lacus auch schiff- 
bare gehört haben. 

Fehlt es sonach an jeglichen festen theoretischen Merk- 
malen, nach welchen die Öffentlichkeit der stehenden Gewässer 
bestimmbar wäre, so kann sich ihre Öffentlichkeit wie die der 
Wasserläufe nur in der Wirklichkeit festgestellt haben. Auch 
von den lacus und stagna werden grundsätzlich die bedeuten- 
deren der Allgemeinheit vorbehalten worden sein, während 
die kleineren dem Privateigentum überlassen wurden*. Eine 
Ausnahme von diesem allgemeinen Satz mufs aber insofern 
bestanden haben, als diejenigen lacus und stagna, welche mit 
flumina publica in Berührung stehen, ohne Rücksicht auf 
ihren Umfang für öffentlich werden erachtet worden sein. 
Es liegt in der natürlichen Konsequenz begründet, dafs der 
öffentliche Flufs allen Gewässern, welche in seinen Bereich 
fallen, das eigene rechtliche Gepräge aufdrückt. Es sei noch 
hervorgehoben, dafs die Unterscheidung zwischen lacus und 
stagna einer rechtlichen Bedeutung sicher ermangelt. Ein 



* Von privaten lacus ist die Rede in tit. Dig. de fönte 43, 22; 
femer in 1. 23 § 1 D. de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 69 D. de contr. emt. 
18, 1; 1. un. §^2 D. ut in flum. publ. nav. lic. 43, 14; 1. 13 § 7 D. de 
injur. 47, 10; 1. 4 § 6 D. de censib. 50, 15;. 1. 112 D. de verb. signif. 
50, 16. 



§ 1. Der Bereich der öffentlichen Gewässer. 15 

lacus Würde, wenn er als stagnnm, und ein stagnum, wenn 
es als lacus bezeichnet würde, um dessentwillen keine andere 
rechtliche Behandlung erfahren. Von rechtlicher Erheblich- 
keit ist nur die Öffentlichkeit oder NichtÖffentlichkeit, sowie 
die Beständigkeit oder Nichtbeständigkeit des Gewässers^ wdl 
sich hiernach deren rechtliche Behandlung, insbesondere die 
Anwendbarkeit der Interdikte, bestimmt. 

Dafs sich die Öffentlichkeit der stehenden Gewässer 
lediglich nach ihrer Gröfse bestimmt, dürfte sich aus folgender 
Schilderung in den Metamorphosen des Ovid entnehmen 
lassen. Es verdient diese Stelle auch deswegen nähere Er- 
läuterung, weil sich in ihr anscheinend allgemeine Sätze des 
römischen Wasserrechts wiedergegeben finden*: 

forte lacum mediocris aquae prospexit in imis 

vallibus; agrestes illic fruticosa legebant 

vimina cum juncis gratamque paludibus ulvam. 

accessit positoque genu Titania terram 

pressit, ut hauriret gelidos potura liquores. 

rustica turba vetat. dea sie adfata vetantes: 

,quid prohibetis aquis? usus communis aquarum est. 

nee solem proprium natura nee aöra fecit 

nee tenues undas: ad publica munera veni. 

quae tamen ut detis supplex peto. non ego nostros 

abluere hie artus lassataque membra parabam, 

sed relevare sitim ' 

Latona gelangt auf der Flucht vor dem Zorn der Juno 
mit ihren Kindern Apollo und Diana in Lycien an einen 
Teich ^ von mittelmäfsigem Umfang. Ermattet und durstig 
von den Anstrengungen eines langen Weges bückt sie sich, 
um aus dem Gewässer ihren Durst zu löschen ; dies wird ihr 
aber von in der Nähe arbeitenden Landleuten untersagt. Ovid 
läfst hierauf Latona die Lage des streitigen Rechtsverhältnisses 
beleuchten, indem er ihr folgende Worte in den Mund legt: 



» Ovid, Metamorph. 6, 343 ff. 

* Das stehende Gewässer wird von Ovid teils lacus (v. 825, 343, 
864, 874), teUs stagnum (v. 320, 369, 373), teils palus (v. 345, 371) ge- 
nannt. 



16 Erstes Kapitel. 

„Warum hindert ihr mich am Trinken? Die Nutzung dieses 
Gewässers steht jedermann zu ; wie das Sonnenlicht und die 
Luft hat die Natur auch dieses klare Wasser euch nicht zum 
Privateigentum gegeben ; zu einem jedermann zur Benutzung 
freistehenden Geschenk der Natur bin ich gekommen. Trotz- 
dem ich hiemach ein Recht auf das Wasser habe , bitte ich 
euch doch flehentlich, mir die Benutzung zu gestatten; ich 
beabsichtigte ja nicht, hier ein Bad zu nehmen, sondern nur 
meinen Durst zu löschen." Die Landleute wehren ihr trotz 
ihrer Bitten den Trunk, überschütten sie mit Drohungen und 
Scheltworten und machen ihr den Wassergenufs unmöglich, 
indem sie durch Aufrühren des Grundes das Gewässer trüben, 
worauf sie zur Strafe in Frösche verwandelt werden. 

Man wird die Äufserungen der Latona über den Gemein- 
gebrauch am Wasser nur auf das konkrete Gewässer beziehen 
dürfen. Der römischen Anschauung würde es sicher absurd 
klingen, wenn Latona die Behauptung aufstellen würde, dafs 
alle Gewässer dem Privateigentum von Natur verschlossen 
seien ; es ist daher auch nicht anzunehmen, dafs die in Rede 
stehenden Worte von Ovid in diesem allgemeinen Sinne ge- 
meint sind. Es ist wohl zu berücksichtigen, dafs es sich hier 
nicht einmal um fliefsendes, sondern um stehendes Wasser 
handelt. Unter dem Gesichtspunkt der an gewissen Gewässern 
bestehenden Öffentlichkeit gewährt die Stelle in ihrer Ge- 
samtheit einen vortrefflichen Sinn. Ovid läfst Latona zu 
einem stehenden Gewässer von mittelmäfsiger Gröfse (mediocris 
aquae) gelangen, bei welchem es, falls für die Öffentlichkeit 
die Gröfse des Gewässers mafsgebend war, für einen Fremden 
deshalb zweifelhaft sein mufste, ob das Gewässer ein öffent- 
liches war oder ob es im Privateigentum stand. Latona hält 
das Gewässer für ein öffentliches, während es in Wirklichkeit 
ein privates ist\ und vertritt diesen Standpunkt gegenüber 
den Landleuten, welche ihr auf Grund des Privateigentums 
das Trinken verbieten. Der Übermacht gegenüber und bei 



* Dafs das Grewässer privat war, mufs man annehmen, weil es 
sonst unverständlich wäre, warum Ovid von einem mittelgrofsen Ge- 
wässer und nicht vielmehr von einem grofsen See spricht. 



§ 2. Die fontes. 17 

ihrer Notlage läfst sie sich aber herbei , die Landleute um 
die Erlaubnis zur Benutzung des Wassers zu bitten, worin 
eine Anerkennung des Privateigentums an dem Gewässer 
liegen würde, wenn sie nicht gleichzeitig gegen eine derartige 
Auslegung ihrer Bitte protestieren würde (quae tamen ut 
detis supplex peto). Wenn sie ihre Bitte durch den Hinweis 
darauf unterstützt, dafs sie nicht baden, sondern nur trinken 
wolle, so hat dies folgende Bedeutung. Das Eigentum gewährt 
dem Eigentümer das Recht, einem Fremden jegliche Benutzung 
eines Gewässers und daher auch das Trinken zu versagen. 
Eine allgemeine Menschenpflicht, auf welche Latona mit ihren 
Worten hinweist, gebietet aber, dem durstigen Wanderer die 
Befriedigung des Durstes nicht zu verweigern^. Eine solche 
Pflicht läge, wie Latona selbst zugiebt, hinsichtlich des Badens 
nicht vor. Die Verletzung dieser Pflicht enthält ein schweres 
Vergehen, welches die gedachte Strafe nach sich zieht. 



§ 2. Die fontes. 

Gegen die Ansicht, dafs nach römischem Recht nur die 
gröfseren beständigen Wasserläufe öfientlich waren, hat man 
weiterhin eingewendet, dafs der kleinen natürlichen Wasser- 
läufe, der Bäche (rivi), nirgends in den Quellen gedacht werde. 
Genossen die Bäche eine besondere rechtliche Behandlung, so 
müfsten sich, meint man, bei dem bedeutenden Wert, welcher 
den Gewässern von den Römern beigemessen wurde, besondere 
auf sie bezügliche Rechtssätze in den Quellen finden, oder ihre 
Besonderheit müfste doch wenigstens an einzelnen Stellen 
zum Ausdruck gelangen. Es läfst sich in der That nicht 
leugnen, dafs der Einwand völlig begründet ist und schwer 
ins Gewicht fallen mufs, wenn seine Voraussetzung Stich hält. 
Sind auch die Bäche nach ihren natürlichen Eigenschaften 
nicht geeignet, der Allgemeinheit zu dienen, so müssen sie 
doch erheblichen Wert für diejenigen gehabt haben, welche 
als Eigentümer über sie zu gebieten hatten. Hierbei kann 



^ Vgl. Cicero, de officiis 1, 51, 52 ; Seneca, de beneficiis 4, 29, 1 ff. 
Ob Big, Wasserrecht. 2 



18 Erstes Kapitel. 

es dahingestellt bleiben, ob sie nur in Ansehung ihres alveus 
oder auch in Ansehung ihres Wassers im Privateigentum 
standen. Die Bacheigentümer werden das Wasser häufig nicht 
in vollem Umfange zu eigenen Zwecken benötigt, es werden 
sich um das Recht der Wasserbenutzung bei ihnen zweifellos 
solche Personen beworben haben, welche des Vorteils eines 
fliefsenden Gewässers auf ihren Landbesitzungen nicht teil- 
haftig waren. Stand nicht dem Bacheigentümer, sondern der 
Allgemeinheit die Benutzung des Wassers zu nach dem Satz, 
dafs aqua profluens omnium communis ist, so war es doch 
thatsächlich von seinem Belieben regelmäfsig abhängig. Dritten 
den Zugang zum Bach und damit die Möglichkeit der Wasser- 
benutzung zu eröffnea, weil die Bäche einen allgemein be- 
nutzbaren Zugang häufig nicht haben. Erstreckte sich aber 
das Eigentum am Bach auch auf sein Wasser, so war es ohne 
Genehmigung des Bacheigentümers überhaupt jedem Dritten 
versagt, das Wasser des Baches zu benutzen. In beiden Fällen 
müssen auf die Wasserbenutzung der Bäche abzielende Servi- 
tuten an der Tagesordnung gewesen sein. Bedenkt man, dafs 
das römische Recht beispielsweise der servitus aquaehaustus 
an lacus privati den Schutz von Interdikten gewährte^, so 
kann es auch der auf Servituten beruhenden Wasserbenutzung 
der Bäche an einem ähnlichen Schutz nicht gefehlt haben, 
und es müfste dies aus den Quellen mit völliger Klarheit 
hervorgehen, wenn anders die Bäche unter den Wasserläufen 
eine rechtliche Sonderstellimg einnahmen. 

Ebensowenig ist es weiterhin zu bestreiten, dafs das Wort 
rivus der juristisch - technische Ausdruck für den Wasser- 
leitungskanal war^. Es steht dies aufser jeder Anfechtung. 
In den zahlreichen Stellen, in welchen rivus im Rechtssinn 
angewendet wird, hat es überall diese Bedeutung; es sei nur 
beispielsweise auf den Digestentitel hingewiesen, in welchem 



1 L. un. D. de fönte 43, 22. 

. 2 Im vulgären Sprachgebrauch wird rivus zur Bezeichnung eines 
kleinen natürlichen Wasserlaufs verwendet; ursprünglich bedeutet es 
den kleinen künstlichen Wasserlauf. Festus de verb. signif. v. rivus. 



§ 2. Die fontes. 19 

Über das zu Gunsten der refectio und purgatio rivorum ge- 
gebene Interdikt gehandelt wird ^ Die Bedeutung von Bach 
ist dagegen dem Worte in den Quellen nirgends eigen. In 
1. 7 § 4 D. de acqu. rer. dorn. 41, 1 werden die Arme eines 
öffentlichen Flusses, welcher sich geteilt und ein Grundstück 
gewissermafsen als Insel eingeschlossen hat, von Gaius rivi 
genannt; rivus dient also hier zur Bezeichnung eines kleineren 
Wasserlaufs in natürlichem Sinne. In 1. 6 D. fin. reg. 10, 1 
wird rivus in folgendem Zusammenhange gebraucht: 

1. 4 § 11 D- 1. c. Paulus libro XXIII ad Edictum. — 

Si via publica intervenit, confinium non intellegitur, et 

ideo finium regundorum agi non potest, 

1. 5. Idem libro XV ad Sabinum. — quia magis in 

confinio meo via publica vel flumen sit, quam ager vicini. 
1. 6. Idem libro XXIII ad Edictum. — Sed si rivus 

privatus intervenit, finium regundorum agi potest. 
Hier könnte allerdings das Wort die Bedeutung von Bach 
haben; allein es ist ebensowohl auch möglich, dafs Paulus 
unter dem rivus privatus einen privaten Wasserleitungskanal 
verstanden hat. Es kann nur anerkannt werden, dafs öffent- 
liche Bestandteile der Erdoberfläche zu privaten in Gegen- 
satz gebracht werden; eine Gegenüberstellung des flumen 
(Flusses) und des rivus (Baches) findet nach dem Zusammen- 
hang, in welchem fr. 6 in der Kompilation steht, nicht statt. 
Ob fr. 6 bei Paulus die unmittelbare Fortsetzung des aus 
demselben Buch des Ediktskommentars stammenden fr. 4 § 11 
war*, läfst sich nicht sicher bestimmen. War dies aber auch 
der Fall, so würde ein Gegensatz von flumen und rivus hier 
ebensowenig vorhanden sein, weil in fr. 4 § 11 nach der oben 
wiedergegebenen Lesart von einem flumen überhaupt nicht 
die Rede ist. Ein solcher Gegensatz aber würde offenbar aus 
dem anfangs erwähnten Grunde auch dann nicht bestehen, 
wenn die anderweitige Lesart des fr. 4 § 11 : sive flumen sive 



1 Tit. Dig. 43, 21 de rivis. 

* Dies ist keineswegs wahrscheinlich, weil man eine Begründung 
des in fr. 4 § 11 enthaltenen Satzes erwartet. 

2* 



20 Erstes Kapitel. 

via publica intervenit richtig wäre. Erwägt man bei dieser 
zweifelhaften Sachlage, dafs in den Quellen sonst nirgends 
rivus im Sinne von Bach erwähnt wird, so wird man sich 
unbedenklich dahin entscheiden, dafs auch in der in Rede 
stehenden Stelle rivus den Wasserleitungskanal bedeutet. 

Gerade die Thatsache aber, dafs rivus den kleinen künst- 
lichen Wasserlauf bezeichnete, mufs den Gedanken nahelegen, 
dafs die Rechtssprache zur Bezeichnung des kleinen natür- 
lichen Wasserlaufs, des Baches, einen anderen Ausdruck ver- 
wandte. Die Rechtsverhältnisse der Wasserleitungskanäle und 
der Bäche sind von einander so verschieden und stehen 
andererseits in so naher Wechselbeziehung zu einander, dafs 
zur Bezeichnung beider Arten von Wasserläufen die Rechts- 
sprache, ohne schwere Irrtümer hervorzurufen, kaum denselben 
Ausdruck anwenden konnte. In vielen Fällen würde wohl 
der Zusammenhang, in welchem rivus gebraucht wird, Klar- 
heit über die Bedeutung des Wortes geben können, wie z. B. 
dann, wenn von Wasserservituten an rivi die Rede wäre. In 
zahlreichen Fällen wäre aber, was keiner ausführlichen Dar- 
legung bedarf, ebenso sicher die Bedeutung von rivus un- 
erkennbar ; es sei nur an die soeben besprochene 1. 6 D. fin. 
reg. erinnert. Sollte bei irgend einem Rechtsfall, welcher 
eine Wasserleitung aus einem Bache zum Gegenstand hatte, 
von den Leitungskanälen gesprochen werden, so müfste not- 
wendigerweise, wenn man sich überhaupt verständlich machen 
wollte, entweder zur Bezeichnung des Baches oder zu der des 
Kanals ein anderer Ausdruck gewählt oder es müfste in 
jedem einzelnen Falle die Bedeutung des Wortes rivus näher 
erläutert werden. Die Vermutung entbehrt daher keineswegs 
der Unterlage, dafs die römische Rechtssprache, wenn anders 
die Bäche eine besondere rechtliche Behandlung erfuhren, zu 
ihrer Bezeichnung ein anderes Wort als rivus anwandte. 

1. Als Gewässer, an welchen den Schutz der Interdikte 
geniefsende Wasserleitungsservituten begründet werden konn- 
ten, nennt Ulpian in 1. 1 § 8 D. de aqu. quot. et aest. 43, 20 
das flumen, den lacus und den fons. Das dem Schutz der 
servitus aquaehaustus und pecoris ad aquam appellendi dienende 



§ 2. Die fontes. 21 

Interdikt bezog sich, wie aus seinem in 1. un. pr. D. de fönte 
43, 22 wiedergegebenen Wortlaut erhellt, in erster Linie auf 
den fons und galt femer für den lacus, die piscina und den 
puteus. Betrachtet man die genannten Gewässer auf die 
rechtlichen Beziehungen hin, in welchen sie stehen, so wird 
man hinsichtlich der lacus und piscinae und hinsichtlich der 
putei keinen Anlafs finden, an ihrer allgemein angenommenen, 
altüberlieferten Bedeutung von „See, Teich" und von „Brunnen" 
zu rütteln. Seeen und Teiche sind ja unleugbar wohlgeeignete 
Gegenstände für eine servitus aquaeductus sowohl wie für 
eine servitus aquaehaustus. Die Brunnen dienen nach ihrer 
natürlichen Beschaffenheit und ihrer Zweckbestimmung nur 
zum Wasserschöpfen; sie können zu Wasserleitungen nicht 
benutzt werden, wie Ulpian in 1. 1 § 6 D. de aqu. quot. 43, 20 
ausdrücklich bemerkt. 

Anders verhält es sich mit der Bedeutung von fons. Unter 
fons hat man bisher allgemein eine „Quelle" verstanden. Die 
^Quellen" bezeichnen einmal die unter der Erde verborgenen 
Gewässer, denen die meisten auf der Erdoberfläche befind- 
lichen Gewässer ihr Dasein zu verdanken haben. Die Quelle 
bezeichnet ferner den Ort, wo solche unterirdische Gewässer 
ans Tageslicht treten, und endlich ein ans Tageslicht treten- 
des Gewässer selbst während seines Hervortretens. Die Natur- 
anschauung lehrt ijiiun aber, dafs die aus der Erde her- 
vortretenden Quellen regelmäfsig entweder ein gröfseres 
Wasserbecken (Teich, See) bilden, oder dafs sie nach irgend 
einer Richtung hin ihren Abflufs nehmen, um, sei es für 
sich allein oder in Verbindung mit anderen, einen Bach oder 
Flufs zu bilden. Nur schwach und unbeständig hervorquellen- 
des Wasser verliert sich dagegen erfahrungsgemäfs im um- 
liegenden Erdreich. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird 
endlich die Bezeichnung „Quelle" auch auf das Rinnsal, in 
welchem das aus der Erde kommende Wasser herabrinnt, 
so weit angewendet, bis es einen bachartigen Charakter an- 
genommen hat. 

Es liegt auf der Hand, dafs fons im Rechtssinn nicht 
alle genannten Bedeutungen von „Quelle" gehabt haben kann. 



22 Erstes Kapitel. 

Der Ort, wo Wasser aus der Erde dringt (Quelle), kommt 
überhaupt nicht in Frage, da es sich hier nur um Gewässer 
handelt. 

Mit den unterirdischen Quellen können die fontes jeden- 
falls nicht identisch sein, wenn sie diese Art von Quellen auch 
bedeuten können. Die fontes werden in den Digesten vornehm- 
lich wegen der an ihnen geübten Wassemutzungen durch Leiten 
und Schöpfen erwähnt \ An solche unterirdische Quellen, welche 
von Natur aus an die Erdoberfläche treten, ist von vornherein 
nicht zu denken, weil man vernünftigerweise nicht das unter« 
irdische Gewässer zum Gegenstand der Benutzung gemacht 
haben kann, wenn es sich selbst an der Erdoberfläche zeigt. 
Es können also überhaupt nur unter der Erdoberfläche ver- 
borgene, nicht ans Tageslicht tretende Gewässer (Quellen) in 
Betracht kommen. Sollen diese Quellen benützt werden, so 
müssen sie entweder als Brunnen erschlossen, oder es mufs 
ihnen ein Weg an die Erdoberfläche gebahnt werden. Im 
ersteren Falle spricht man dann aber nicht mehr von einer 
unterirdischen Quelle, sondern von einem Brunnen, wie auch 
das römische Recht für derartige Gewässer den Ausdruck 
puteus verwendet. Wird aber die unterirdische Quelle ans 
Tageslicht gezogen, so kann dies — und dies wird aus tech- 
nisch-praktischen Gründen die Regel sein — einmal in der 
Weise geschehen , dafs die Quelle die » gleichen Gewässer 
(Teiche, Wasserläufe) hervorbringt, wie das von Natur an die 
Erdoberfläche tretende Wasser. Dann findet die Benutzung 
nicht mehr an der unterirdischen Quelle, sondern an den 
oberirdischen Gewässern statt. Oder aber die unterirdische 
Quelle wird unmittelbar durch Ableiten benutzt, ohne dafs 
sie durch besondere künstliche Vorrichtungen im Innern der 
Erde gefafst wird. Läfst sich sonach allenfalls eine Leitung, 
nicht aber ein Schöpfen unmittelbar aus einer unterirdischen 
Quelle denken, so können doch diese Art von Quellen allein 
unter den fontes nicht verstanden sein, weil an den fontes 



1 Vgl. 1. 1 §§ 7 ff. D. de aqu. quot. 43, 20; 1. un. D. de fönte 
43, 22. 



§ 2. Die fontes. 23 

auch Schöpfgerechtigkeiten gang und gäbe waren. Wollte 
man indessen auch annehmen, dafs auch die als Brunnen ge- 
fafsten Quellen von den Römern fontes genannt wurden, wobei 
es der Aufklärung bedürfte, welcher Unterschied dann 
zwischen den fontes und putei bestand, so steht doch that- 
sächlich fest, dafs der fons an einzelnen Stellen unzweifelhaft 
ein an der Erdoberfläche befindliches Gewässer bezeichnet^. 

Weiterhin kommt die Quelle in dem Sinn von Wasser, 
welches an die Erdoberfläche tritt, für das Recht in Frage. 
Für diese Art von Quellen liegt aber zunächst keine Veran- 
lassung vor, ihnen durch besondere Unterscheidung unter den 
Gewässern eine rechtliche Berücksichtigung zuteilwerden 
zu lassen, da sie nicht ein selbständiges Gewässer für sich 
bedeuten, sondern nur ein Gewässer im Augenblick seines 
Heraustretens ans Tageslicht bezeichnen, welcher Moment jeder 
rechtlichen Erheblichkeit enträt. Von den Quellen in diesem 
Sinn kann solches Quellwasser, welches nicht imstande ist, 
einen Wasserlauf oder ein stehendes Gewässer zu bilden, bei 
seiner Unsicherheit und Unbeständigkeit eine besondere Be- 
achtung als fons nicht gefunden haben. Es erscheint nicht 
als eine selbständige Sache, sondern lediglich als Bestandteil 
des Grundes und Bodens, auf welchem es sich aufhält. Jeden- 
falls kann der fons der Interdikte diese Art von Quellwasser 
nicht bedeuten, weil die Interdikte ein beständiges Gewässer 
zur Voraussetzung haben. Solche Quellen aber, welche stehende 
Gewässer (Seeen, Teiche) bilden, sind vom rechtlichen Stand- 
punkt überhaupt nicht zu beachten, weil sie vollständig in 
jenen aufgehen. Nicht anders ist dies aber mit den Quellen, 
welche den Anfang von Wasserläufen bilden. Die Quellen 
sind gerade so Bestandteile der Wasserläufe wie die Mün- 
dungen. Ebensowenig wie bei den anderen Teilen der Wasser- 
läufe liegt bei den Quellen irgend ein stichhaltiger Grund 
vor, warum sie durch namentliche Unterscheidung eine be- 
sondere Beachtung im Recht finden müfsten, da ja notwendig 



1 Vgl. 1. 20 §§ 1, 2 D. de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 3 pr. D. de aqu. 
et aqu. pl. arc. act. 39, 3. 



24 Erstes Kapitel. 

die für die Wasserläufe selbst gegebenen Rechtsnormen für 
sie selbst gelten. 

War aus diesen allgenaeinen Gründen eine rechtliche 
Beachtung dieser Art von Quellen nicht erforderlich, so steht 
andererseits auch fest, dafs der fons der Interdikte die Quelle 
in dem zuletzt gedachten Sinne nicht bedeuten kann. Vertritt 
man die Ansicht, dafs die flumina publica alle beständigen 
Wasserläufe umfafsten, so müssen folgerichtig auch die Quellen 
aller beständigen Wasserläufe öffentlich gewesen sein, und es 
bleibt dann für eine servitus aquaehaustus an einer Quelle 
kein Raum, da nach 1. 3 § 3 D. de serv. pr. rust. 8, 8 an 
flumina publica eine servitus aquaehaustus nicht begründet 
werden kann, und die flumina privata und mithin auch ihre 
Quellen des wesentlichen Erfordernisses der Wasserservituten, 
der aqua perennis, ermangeln. Nun geht aber aus dem ge- 
nannten Fragment gerade das Bestehen einer Wasserschöpf- 
gerechtigkeit an einem fons privatus mit Sicherheit hervor. 
Es müfste mithin irgend ein Vordersatz falsch sein. Bleibt 
man bei der Öffentlichkeit aller beständigen Wasserläufe stehen, 
so würde sich die Existenz eines fons privatus offenbar nur 
durch zwei in gleicher Weise widersinnige Annahmen er- 
klären lassen, nämlich entweder dadurch, dafs die öffentlichen 
Flüsse private Quellen hatten, oder dafs es beständige Quellen 
gab, welche nicht abflössen und auch keinen See oder Teich 
bildeten. 

Nimmt man aber an, dafs nicht alle beständigen Wasser- 
läufe öffentlich waren, so läfst sich das Bestehen einer servitus 
aquaehaustus an einer Privatquelle wohl denken. Es bleibt 
dann aber im höchsten Grade befremdlich, warum in dem 
dem Schutze des aquaehaustus dienenden Interdikt nicht die 
kleinen privaten Wasserläufe selbst, sondern nur ihre Quellen 
Erwähnung gefunden haben. Geht aus 1. 3 § 3 D. 1. c. die 
Möglichkeit einer servitus aquaehaustus an Privatquellen deut- 
lich hervor, so mufs man diese Möglichkeit auch für die 
privaten Wasserläufe selbst annehmen. Denn es liegt nicht 
der geringste Grund dafür vor, einem etwa bestehenden Satz, 
welcher alles fliefsende Wasser für Gemeingut erklärt, gerade 



§ 2. Die fontes. 25 

die Gültigkeit für die Quellen der privaten Wasserläufe, nicht 
aber für die Wasserläufe selbst abzusprechen. Setzt man nun 
aber auch den Fall, dafs nur an den privaten Quellen, nicht 
aber an den privaten Bächen eine servitus aquaehaustus be- 
gründet werden konnte, so bliebe es immerhin im höchsten 
Grade auffallend, dafs das Interdikt von 1. 1 pr. D. de fönte 
43, 22 in erster Linie die Wasserbenutzung durch haustus 
und pecoris appulsus am fons schützt. Der appulsus 
pecoris bezweckt, dem Vieh selbst das Wasser zum Trinken 
oder Baden zugänglich zu machen und die Beschaffung des 
Wassers durch menschliche Thätigkeit zu ersparen^. Ein 
appulsus ist aber wirtschaftlich offenbar nur dann zweckmäfsig 
und eine servitus appulsus daher nur dann schätzbar, wenn 
es sich um ganze Viehherden handelt. Kommen nur wenige 
Stück Vieh in Betracht, so ist unter gewöhnlichen Verhält- 
nissen die Mühe der Wasserbeschaflfung geringer als die Mühe 
und der Schaden, welche ein appulsus nach einem entfernt 
gelegenen Orte mit sich bringt. Die Servitut enthält femer 
nicht blofs das Recht, Vieh aus dem Gewässer zu tränken, 
sondern, es sich dort selbst tränken und baden zu lassen. 
Oestattet das Gewässer keine unmittelbare und selbständige 
Benutzung durch das Vieh wie der puteus, so konnte eine 
servitus pecoris ad aquam appellendi im technischen Sinne 
nach römischem Recht wahrscheinlich nicht begründet werden, 
■weil nur ein appulsus pecoris (actus) möglich war und die 
Tränkung des Viehes durch haustus bewirkt werden mufste. 
Es liegt hiemach auf der Hand, dafs Quellen sich zu einer 
servitus pecoris appellendi entweder überhaupt nicht oder nur 
in sehr beschränktem Mafse eignen. Man könnte nun hier- 
gegen vielleicht einwenden, dafs bei dem fons (Quelle) wie bei 
dem gleichfalls in dem Interdikt erwähnten puteus (Brunnen) 
natürlich nur von einer Benutzung durch Wasserschöpfen, 



^ Dem gleichen Zweck wie die servitus pecoris appellendi diente 
die servitus aquaeductus, wenn die Leitung des Viehes wegen geschah. 
Vgl. L 3 pr. D. de aqu. quot. 43, 20. — fr. 1 § 18 D. eod. ist völlig 
äu Unrecht an dieser Stelle eingeschoben; es gehört vielmehr in den 
tit. Dig. de fönte 43, 22, wie der Wortlaut der Stelle deutlich zeigt. 



26 Erstes Kapitel. 

von einer Benutzung durch appulsus pecoris dagegen nur bei 
den lacus und piscinae die Rede sein könne. Dann bleibt es 
aber unaufgeklärt, warum der Prätor das Interdikt an erster 
Stelle zu Gunsten des fons und nicht zu Gunsten jener Ge- 
wässer, welche eine viel weitgehendere Wasserbenutzung ge- 
statten, aufgestellt hat. 

Auch in 1. 1 §§ 7 ff. D. de aqu. quot. 43, 20 kann fons 
nicht die Bedeutung von Quelle haben. Ulpian läfst sich hier 
bei der Erörterung des dem Schutze der Wasserleitungs- 
servitut dienenden prohibitorischen Interdiktes folgender- 
mafsen aus : 

§ 7. Haec interdicta de aqua, item de fönte, ad eam 
aquam pertinere videntur, quae a capite ducitur, non ali- 
unde; harum enim aquarum etiam servitus jure civili 
constitui potest. § 8. Caput aquae illud est, unde aqua 
nascitur ; si ex fönte nascatur, ipse fons, si ex flumine vel 
lacu prima incilia, vel principia fossarum, quibus aquae 
ex flumine vel ex lacu in primum rivum communem pelli 
solent. 
Da nach 1. 1 § 5 D. 1. c. nur Wasserleitungen aus einer aqua 
perennis den Schutz des Interdiktes geniefsen, so könnte 
fons bei der Äufserung von Ulpian nur die Quelle des be- 
ständigen Wasserlaufs bedeuten. Waren nur die gröfseren 
beständigen Wasserläufe die flumina im rechtlichen Sinne, 
so ist es offenbar befremdlich, dafs Ulpian neben den Flüssen 
(flumina) und Quellen (fontes) nicht auch der Bäche Erwäh- 
nung thut. Andererseits klingt es keineswegs wahrscheinlich, 
dafs die Römer gerade die Quellen der Wasserläufe zu Wasser- 
leitungen in umfassender Weise sollten benutzt haben, da hier- 
mit eine Schädigung des Wasserlaufes selbst mit Notwendig- 
keit verbunden ist. Die Vorzüge des Quell wassers vor anderem 
Wasser, wie seine Klarheit und seine Kühle, machen die Ab- 
leitungen aus Quellen von Wasserläufen auch nicht erklärlich, 
da die Aquädukte vornehmlich dem Zwecke der Bewässerung 
der Äcker galten^ und jene Vorzüge dabei überhaupt nicht 

M. 1 § 11 D. 1. c. 



§ 2. Die fontes. 27 

in Betracht kommen. Eine Ableitung aus einer Quelle läfst 
sich femer immer nur mittelbar in der Weise, denken, dafs 
das Wasser in einem künstlichen Wasserbecken gesammelt 
wird, aus dem dann erst die Ableitung stattfindet. Während 
man sich nun sehr wohl eine unmittelbare Ableitung aus 
einem Wasserlauf, nicht aber aus einer Quelle praktisch vor- 
stellen kann, erklärt in schroffem Gegensatz zu dieser That- 
sache Ulpian in 1. 1 § 8 D. cit., dafs die Wasserleitungen bei 
den flumina und lacus gerade mittelbar aus besonderen Ab- 
zugsgräben (incilia, fossae), bei den fontes dagegen unmittelbar 
aus ihnen selbst stattfanden. Wollte man sich auch über'die 
angeführten Bedenken hinwegsetzen, so mufs doch behauptet 
werden, dafs sich eine annehmbare Erklärung der Ausführung 
von Ulpian nicht finden läfst, wenn fons die Quelle in dem 
in Rede stehenden Sinn bezeichnet. 

Endlich läfst sich aber unter fons auch eine Quelle in 
dem Sinne eines winzigen Wasserlaufes nicht verstehen, 
welcher noch keinen bachartigen Charakter angenommen hat. 
Diese Auffassung würde gleich unhaltbar erscheinen vom 
Standpunkt derjenigen, welche alle beständigen, wie vom 
Standpunkte derjenigen, welche nur die gröfseren beständigen 
Wasserläufe für öffentlich erachten. Von beiden Gesichts- 
punkten aus wäre es unerfindlich, in welcher Weise solche 
Quellen von den weiteren Teilen der Wasserläufe sich ab- 
grenzen lassen, und welche einigermafsen sicheren Merkmale 
über die Eigenschaft eines Wasserlaufes als Quelle entschei- 
den könnten. Die Anhänger der ersteren Ansicht würden 
eine solche Auffassung der Quellen überhaupt als ihrem 
Grundsatz widersprechend, dafs alle beständigen Wasserläufe 
öffentlich sind, zurückweisen müssen. Die Anhänger der 
letzteren Ansicht aber würden diese Auffassung beanstanden 
müssen, da die völlige Übergehung der Bäche bei dieser Be- 
deutung der fontes unerklärlich wäre. 

2. Nach den vorstehenden Ausführungen kann fons in der 
Anwendung der Rechtssprache wohl eine unterirdische Quelle, 
nicht aber die Quelle in dem Sinne von Wasser, welches an 
die Erdoberfläche tritt, bezeichnen, es erschöpft sich aber die 



28 Erstes Kapitel. 

Anwendung von fons keineswegs in der Bezeichnung der 
unterirdischen Quelle. Andererseits fehlt es für die Rechts- 
sprache an einem Wort zur Bezeichnung des Baches; dem 
Worte rivus wohnt die technische Bedeutung des kleinen 
künstlichen Wasserlaufes inne. Bei dieser Sachlage liegt die 
Annahme offenbar nicht fem, dafs fons in der Rechtssprache 
zur Bezeichnung des Baches diente. Für diese Bedeutung des 
Wortes fons kann allerdings aus den Rechtsquellen bei deren 
Dürftigkeit der volle direkte Beweis nicht erbracht werden. 
Es läfst sich nur nachweisen, dafs nach der Anwendung des 
Wortes in der Rechtssprache fons den Bach bezeichnen kann, 
und dafs in einzelnen Stellen mancherlei Umstände für diese 
Bedeutung besonders sprechen. Durch die folgende Gesamt- 
erklärung der Wasserservituten wird die Bedeutung von Bach 
hochwahrscheinlich gemacht. Im Anhange zu dieser Abhand- 
lung wird gezeigt werden, dafs in der lateinischen Sprache 
überhaupt fons vornehmlich den Bach bedeutete, und es wird 
hierdurch jeder Zweifel behoben werden, dafs dem Worte auch 
in der Rechtssprache dieser Sinn beikam. Im folgenden sollen 
die einzelnen in den Rechtsquellen vorhandenen Belagstellen 
für fons einer Prüfung unterworfen werden. 

Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, schützt das 
Interdikt von 1. un. pr. D. de fönte 43, 20 in erster Reihe 
den servitutenmäfsigen aquaehaustus und pecoris appulsus an 
dem fons, und ein weiteres Interdikt gewährleistet dem 
Nutzungsberechtigten die purgatio und refectio dieses Ge- 
wässers^. Versteht man unter fons den Bach, so erscheint 
es ganz natürlich, dafs die Interdikte in erster Reihe zu 
Gunsten des fons gegeben sind, da ja die Wasserläufe unter 
den Gewässern die hervorragendste Stelle einnehmen. Die 
Bäche gestatten ferner regelmäfsig sowohl eine umfassende 
Benutzung durch haustus wie auch durch pecoris appulsus. 
Die fortgesetzte Benutzung des Baches, insbesondere die Be- 
nutzung durch das Herantreiben und Hineintreiben des Viehs 
mufs eine zeitweise Reinigung und Wiederherstellung des 



1 1 un. §§ 6 ff. h. t. 



§ 2. Die fontes. 29 

Bachbettes notwendig machen. Zu diesem Zwecke ist das 
Interdikt von 1. un. § 6 D. h. t. gegeben. 

In 1. 3 § 3 D. de serv. pr. rust. 8, 3 läfst sich XJlpian 
weiterhin folgendermafsen aus: 

XJlpianus libro XVII ad Edictum. — Qui habet haus- 
tum, iter quoque habere videtur ad hauriendum, et ut 
ait Keratins libro tertio Membranarum, sive ei jus hauriendi 
et adeundi cessum sit, utrumque habebit; sive tantum 
hauriendi, inesse et aditum ; sive tantum adeundi ad fon- 
tem, inesse et haustum. Haec de haustu ex fönte private ; 
ad flumen autem publicum, idem Neratius eodem libro 
scribit, iter debere cedi, haustum non oportere; et si quis 
tantum haustum cesserit, nihil eum agere. 
Nach Neratius kann der Eigentümer eines Baches seinem 
Grundnachbam , welcher nicht an den Bach grenzt ^ eine 
Wasserschöpfgerechtigkeit nicht blofs in der Weise bestellen, 
dafs er ihm das Recht, zum Bach zu gehen und Wasser aus 
ihm zu schöpfen (iter et haustus), einräumt, sondern auch 
dadurch, dafs er entweder den haustus oder das iter gewährt. 
Räumt der Eigentümer eines Baches seinem Nachbarn das 
Recht des Wasserschöpfens ein, so liegt darin, meint Neratius 
und Ulpian offenbar, selbstverständlich auch das Recht ein- 
begriffen, über den Acker des Bacheigenttimers zum Bach zu 
gehen, weil sonst das bestellte Recht illusorisch wäre*. In 
der Bestellung eines iter zu dem fons sieht Neratius auch 
die Einräumung des Wasserschöpfrechtes durch den Eigen- 
tümer wahrscheinlich deswegen, weil bei den Römern er- 
fahrungsgemäfs Servitutes eundi ad fontem zu keinem anderen 
Zweck begründet wurden. Das Wasserschöpfen aus einem 
flumen publicum kann dagegen, sagt Neratius, der Uferanlieger 
seinem Grundnachbarn nur dadurch ermöglichen, dafs er ihm 



1 Grenzt der Nachbar an den Bach, so kann natürlich nur ein 
haustus eingeräumt werden. 

« Vgl 1. 10 D. de serv. pr. urb. 8, 2. — Dies kann schlechthin 
nur dann gelten, wenn kein allgemein benutzbarer aditus zum fons 
dem zum Schöpfen Berechtigten zu Gebote steht. 



30 Erstes Kapitel. 

eine servitus itineris zum Flusse bestellt; die Einräumung 
eines haustus sei bedeutungslos. 

Die scharfe Gegenüberstellung des fons privatus und 
des flumen publicum zeigt deutlich, worin die verschiedene 
Behandlung der beiden Arten von Wasserläufen begründet 
liegt. Der Eigentümer eines Privatbaches kann das Wasser 
desselben auf Grund seines Eigentums zum Gegenstand einer 
servitus aquaehaustus machen. Dem Uferanlieger eines öffent- 
lichen Flusses steht die Nutzung des Wassers nicht aus eigenem 
Rechte, sondern auf Grund des usus publicus zu, er kann 
anderen, die dasselbe Nutzungsrecht am Wasser des flumen 
publicum haben, nur durch Einräumung eines Weges zum 
Wasser die Benutzung desselben ermöglichen. Ein gleiches 
mufs natürlich auch für die Benutzung des Wassers der 
Wasserläufe durch ductus gelten. Der Eigentümer eines 
Baches kann daher einem Grundnachbar eine servitus aquae- 
ductus einräumen, welche mit dem Recht der Wasserbenutzung 
das Recht der Leitung über den Grund und Boden des Bach- 
eigentümers in sich schliefst ^ Der Uferanlieger eines öffent- 
lichen Flusses kann dagegen einem Grundnachbarn nur an 
seinem Grundstück eine servitus itineris aquae bestellen, 
nicht aber eine servitus aquaeductus am flumen publicum 
gewähren. Er nimmt in Ansehung der Benutzung des öffent- 
lichen Flusses, wenn auch eine thatsächlich , so doch keine 
rechtlich bevorzugte Stellung ein; er befindet sich in der- 
selben rechtlichen Lage wie jeder andere Grundeigentümer, 
der um Einräumung eines Durchgangs durch sein Grundstück 
behufs Benutzung eines Gewässers gebeten wird, dessen 
Eigentümer er nicht ist. Ist das Grundstück desjenigen, 
welcher an dem Bach eines Anderen eine servitus aquae- 
haustus oder aquaeductus gewinnen will, von dem den Bach 
enthaltenden Grundstück durch das Grundstück eines Dritten 
getrennt, so mufs sich der Bewerber von dem Dritten eine 



^ Die servitus aquaeductus kann auch blofs das Recht in sich 
bergen, einem Privatgewässer durch ductus Wasser zu entnehmen. Es 
ist dies dann der Fall, wenn das Grundstück des Servitutberechtigten 
dem Gewässer benachbart ist. 



§ 2. Die fontes. 31 

servitus itineris, bezw. itineris aquae einräumen lassen ^. Eine 
servitus aquaehaustus oder aquaeductus kann der Dritte offen- 
bar nicht bestellen, weil er an dem Wasser kein Recht hat ; 
die Befugnis, mit Wasser über ein Grundstück zu gehen 
oder Wasser über ein Grundstück zu leiten, bildet für sich 
allein keine servitus aquaehaustus oder aquaeductus. In 
gleicher Weise kann auch der Uferanlieger eines öffentlichen 
Flusses und jeder entferntere Grundeigentümer nur den Weg 
über sein Grundstück behufs Benutzung des Flusses zum 
Gegenstand von Servituten machen. 

Nach dem Inhalt der Interdikte von 1. 1 pr. und 1. 1 
§ 29 D. de aqu. quot. 43, 20 und 1. un. pr. D. de fönte 43, 22 
und der sich an sie knüpfenden Erläuterung von Ulpian kann 
es keinem Zweifel unterliegen, dafs die Interdikte nur zum 
Schutze der servitus aquaeductus und aquaehaustus, nicht 
aber zum Schutze der servitus itineris und itineris aquae 
dienen. Zu den Voraussetzungen der Interdikte von 1. 1 pr. 
und § 29 D. 1. c. insbesondere gehört es, dafs das Wasser 
zum Zwecke der Benutzung aus einem Gewässer abgeleitet, 
und dafs es nee vi nee clam nee precario gegenüber dem- 
jenigen geleitet wird, dessen rechtlicher Herrschaft das Ge- 
wässer untersteht. Von dem Vorhandensein dieser Voraus- 
setzungen kann der Schutz des iter aquae dann offenbar 
nicht abhängig gemacht sein, wenn die Leitung dem Zwecke 
der Fortschaffung (Beseitigung) des Wassers dient. Ein 
gleiches mufs aber auch gelten, wenn durch das iter aquae 
eine Benutzung des Wassers bezweckt wird. Es kann der- 
jenige, welcher sich von dem Uferanlieger eines öffentlichen 
Flusses eine servitus itineris aquae hat bestellen lassen, den 
Nachweis, dafs er das Wasser nee vi nee clam nee precario 
leite, schlechterdings nicht erbringen, weil er das Wasser auf 
Grund des usus publicus und nicht auf Grund eines von einem 
anderen gewährten Rechtes leitet. Umgekehrt kann selbst 
der Nachweis der Voraussetzungen der Interdikte dann nicht 
ausreichen, um die Störung oder Behinderung der Wasser- 



1 Vgl. 1. 17 § 4 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3. 



32 Erstes Kapitel. 

leitung durch einen Dritten zu beseitigen, wenn z. B. das 
Wasser eines Privatbaches, an welchem dem Leitungsberech- 
tigten eine servitus aquaeductus zusteht, über das Grundstück 
eines Dritten geführt wird und dieser die Wasserleitungs- 
veranstaltungen auf seinem Grundstück als unzulässig an- 
greift. Nun heifst es allerdings in 1. un. § 5 D. de fönte 
43, 22, dafsdaszum Schutze der servitus aquaehaustus dienende 
Interdikt auch dann ausreichen wird (sufficiet), wenn der 
Berechtigte zum Schöpfen zu gehen behindert wird. Allein 
gerade aus dieser Bemerkung von Ulpian ergiebt sich, dafs 
das Interdikt an sich das iter zum fons nicht zu schützen 
bestimmt ist. Das Interdikt kann zudem nach seinem Inhalt 
offenbar nur dann genügen, die Behinderung des iter ad 
haustum zu beseitigen, wenn die Behinderung von dem Grund- 
stückseigentümer geschieht, welcher den haustus selbst ein- 
geräumt hat. Gegenüber Behinderungen des iter ad fontem 
auf Grundstücken Dritter kann nur das interdictum de itinere 
actuque private helfen. Ganz dasselbe wird auch von den 
zum Schutze der servitus aquaeductus gegebenen Interdikten 
gelten müssen. Auch sie können grundsätzlich nur solche 
Behinderungen des aquaeductus aus dem Felde schlagen, 
welche sich gegen das Recht der Wasserbenutzung wenden. 
Dagegen werden die Interdikte bei solchen Behinderungen 
der Wasserleitung, welche sich gegen die Zulässigkeit der 
Leitungsveranstaltungen richten, nur dann platzgreifen können, 
wenn die Behinderung von demjenigen ausgeht, von welchem 
der Leitende das Recht der Wasserleitung erworben hat. 

Der Unterschied der servitus aquaeductus von der ser- 
vitus itineris aquae ^ besteht also darin, dafs den Gegenstand 
dieser das Recht zur Veranstaltung einer Leitung auf fremdem 
Grund und Boden, den Gegenstand jener dagegen das Recht, 



1 Vgl. über die servitus itineris aquae namentlich 1. 16 D. quera- 
adm. serv. amitt. 8, 6, wo sie von der servitus aquaeductus unterschieden 
wird, und 1. 3 § 2 D. de aqu. quot. 43, 20. Vgl. femer 1. 15, 1. 21 D. 
de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 21 D. si serv. vind. 8, 5; 1. 19 pr. D. quem- 
adm. serv. amitt. 8,6; 1. 19 § 4 D. comm. divid. 10, 3; 1. 40 § ID. 
de contr. emt. 18, 1; 1. 8 D. de aqu. quot. et aest. 43, 20. 



§ 2. Die fontes. 33 

Wasser aus einem fremden Gewässer durch Leitung sich an- 
zueignen, bildet, dafs die eine eine specifische Wegeservitut, 
die andere eine specifische Wasserservitut ist. Der Zweck 
des iter aquae kann wie der der anderen Wegegerechtig- 
keiten ein sehr verschiedener sein. Die servitus itineris aquae 
kann namentlich nicht blofs den Zwecken des aquaeductus, 
d. h. der Beförderung von Wasser behufs Benützung und ins- 
besondere der Bewässerung, sie kann auch namentlich den 
Zwecken der Entwässerung dienen. Bei der erheblichen Be- 
deutung, welche nach dem. Gesagten der servitus itineris aquae 
beikommen mufste, läfst sich nicht daran zweifeln, dafs auch 
sie unter dem Schutze von Interdikten stand. Ob aber das 
iter aquae in dem Rahmen der allgemeinen Interdikte de 
itinere actuque private berücksichtigt oder ob besondere 
Interdikte für diese Servitut aufgestellt waren, wird sich 
schwer bestimmen lassen. Die Kompilatoren haben die 
servitus itineris aquae keiner besonderen Beachtung für wert 
gehalten, die diesbezüglichen Interdikte ausgemerzt und den 
plumpen Versuch einer Verschmelzung der Servitut mit der 
völlig anders gearteten servitus aquaeductus gemacht, wie die 
in den Digestentitel de aqua quot. et aest. 43, 20 aufge- 
nommenen 1. 3 § 2 und 1. 8 beweisen. 

Bei der Erörterung des dem Schutz des servitutenmäfsigen 
aquaeductus dienenden Interdiktes gedenkt Ulpian weiterhin 
in der bereits citierten 1. 1 § 8 D. de aqu. quot. 43, 20 auch 
des aquaeductus aus dem fons. Ulpian sagt, das Interdikt 
gelte nur für solches Wasser, welches a capite^ geleitet 
werde, wie auch nur an solchem Wasser nach jus civile 
Wasserleitungsservituten begründet werden könnten. Unter 
Caput sei die Stelle zu verstehen, wo das Wasser zur Ent- 
stehung gelangt. Die Bedeutung dieses Satzes steht aufser 
jedem Zweifel. Könnte an jeder aqua perennis, welche nach 



* Vgl. über caput 1. 9 D. de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 16 D. quem- 
adm. serv. amitt 8, 6; 1. 1 § 39 D. de aqu. quot. 43, 20; femer Pron- 
tinus, de aquaeduct. art. 5, 7, 64—70, 72, 73, 75, 89; Vitruvius, de 
architectura 8, 6, 1 ff. 

Ossig, Wasserrecht. 3 



34 Erstes Kapitel. 

ihrer natürlichen Beschaffenheit eine Leitung gestattet, eine 
servitus aquaeductus bestellt werden, so würde dies auch an 
künstlichen Wasserbehältern, wie den castella, geschehen 
können, welche durch künstliche Leitung mit von Natur be- 
ständigen Gewässern fest verbunden sind^. Die Unmöglich- 
keit einer servitus aquaeductus an einer aqua ducta wird nun 
gerade durch den oben genannten Satz ausgesprochen, wie aus 
1. 1 § 39 D. 1. c. deutlich erhellt*. Nun sagt aber Ulpian 
weiterhin, wenn das Wasser in einem fons entstehe, sei das 
Caput der fons selbst , wenn dagegen in einem flumen oder 
lacus, so sei es der Anfang der Abzugsgräben (incilia, fossae), 
durch welche das Wasser in den ersten gemeinschaftlichen 
rivus getrieben zu werden pflegt. Einen Rechtssatz kann 
Ulpian mit dieser Bemerkung unmöglich aussprechen wollen. 
Allerdings kann ja eine servitus aquaeductus — und von 
diesen Wasserleitungsservituten spricht Ulpian — an einem 
öffentlichen Gewässer, an einem flumen publicum und lacus 
publicus, nicht begründet werden, und es wäre der Satz wohl 
verständlich, dafs das caput einer servitus aquaeductus bei den 
flumina publica und lacus publici nicht diese Gewässer un- 
mittelbar, sondern die Abzugsgräben aus ihnen sind. Allein 
nach dem Wortlaut der Stelle, wie sie überliefert ist, spricht 
Ulpian nur von dem flumen und lacus schlechthin, und es ist 
nicht ersichtlich, aus welchem Grunde an einem privaten lacus 
eine servitus aquaeductus nicht hätte bestellt werden können. 
Selbst wenn aber Ulpian in der That nur vom öffentlichen 



* Aus den öffentlichen Wasserleitungen wurde Privatpersonen 
eine Wasserableitung ursprünglich nur aus den castella gewährt; nur 
solche Leitungen waren durch das Interdikt von 1. 1 § 38 D. 1. c. ge- 
schützt. Ein Senatuskonsult unter der Regierung des Augustus wäh- 
rend des Konsulats des Aelius Tubero und Fabius Maximus verbot 
Wasserableitungen aus den rivi publici der öffentlichen Aquädukte 
gänzlich. Vgl. Frontinus, de aquaeduct. art. 106. Zur Zeit des Ulpian 
waren aber Ableitungen auch aus den rivi und jeglichen sonstigen 
öffentlichen Wasserbehältern zulässig (1. 1 § 41 D. 1. c). Über die 
Benützung der öffentlichen Wasserleitungen durch Private vgl. über- 
haupt Frontinus, 1. c. art. 105 ff.; 1. 41 D. de A. E. V. 19, 1. 

» Vgl. 1. 2 D. comm. praed. 8, 4. 



§ 2. Die fontes. 35 

Flufs und See gesprochen hätte, so ist doch, wenn anders 
das Recht überhaupt eine Servitut aus fossae und incilia an- 
erkannte, keinerlei rechtlicher Grund dafür zu erkennen, 
gerade an den fontes eine Servitut aus einem incile aus- 
zuschliefsen und nur eine unmittelbare Servitut am fons zu- 
zulassen. Auch in diesem Falle würde man also einen Rechts- 
satz in dem Fragme'nt nicht sehen können. 

Unbeschadet des Satzes , dafs an öffentlichen Gewässern 
unmittelbar eine servitus aquaeductus nicht begründet werden 
konnte, kann die Äufserung von Ulpian hiemach nur eine 
in der Wirklichkeit bestehende Thatsache aussprechen. Aus 
der Bemerkung, dafs aus den fossae und incilia das Wasser 
in den ersten communis rivus getrieben zu werden pflegte, 
geht klar hervor, dafs es sich bei den Ableitungen vermittelst 
dieser Abzugsgräben um gemeinschaftliche Ableitungen einer 
Vielheit von Personen , um ein ganzes Wasserleitungssystem 
handelte und die Abzugsgräben dieserhalb angelegt waren. 
Es liegt auf der Hand, dafs sich zu solchen umfassenden 
Wasserableitungen einer gröfseren Vielheit von Personen nur 
die bedeutenderen beständigen Gewässer eignen; sie bieten 
eine solche Wassermenge dar, dafs damit die gemeinsame 
Bewässerung eines gröfseren Gebietes erfolgen kann. Aus 
diesem Grunde mufs es für wahrscheinlich gehalten werden, 
dafs Ulpian nicht von den grofsen Wasserläufen und von den 
Seeen schlechthin, welch letztere ja eine sehr verschiedene 
Gröfse haben können, sondern von dem flumen und lacus 
publicum gesprochen hat. Ulpian würde dann aber haben 
sagen wollen, dafs bei den Bächen nur vereinzelte Ableitungen, 
sei es einer Person allein, sei es von einzelnen gemeinschaft- 
lich, stattfanden und der rivus (proprius oder communis) un- 
mittelbar in den Bach gelegt wurde, während die flumina 
und lacus publica zu systematischen Ableitungen einer grofsen 
Mehrzahl von Personen benutzt wurden und der erste com- 
munis rivus daher nicht in das Gewässer selbst, sondern in 
den Abzugsgraben (incile, fossa) gelegt war. Wie der aquae- 
ductus im technischen Sinne im ersteren Falle aus dem fons, 
im letzteren erst aus dem incile oder der fossa begann, so 

3* 



36 Ersteh Kapitel. 

galt auch die servitus aquaeductus dort am fons, hier an den 
prima incilia vel principia fossarum als begründet. 

Hiemach lassen sich die Rechtsverhältnisse der Wasser- 
leitungen im allgemeinen in folgender Weise feststellen. 
Privatgewässer konnten von Dritten zu Wasserableitungen 
nur auf Grund einer servitus aquaeductus benützt werden ^ 
Diese Servituten waren grundsätzlich sowohl an den Gewässern 
selbst, wie an Abzugsgräben aus denselben zulässig. Die 
Servituten aus Abzugsgräben werden aber wenig praktisch 
gewesen sein, weil sie eine gemeinschaftliche Ableitung vieler 
zur Voraussetzung haben und private Gewässer wegen ihres 
unbedeutenderen Umfanges sich gewöhnlich hierzu nicht eignen. 
Die öffentlichen Gewässer zu Ableitungen zu benutzen, stand 
einem jeden Grundeigentümer auf Grund des an ihnen be- 
stehenden usus publicus frei. Diejenigen Grundeigentümer, 
welche nicht an das öffentliche Gewässer grenzten, brauchten 
sich zu dem Zwecke nur eine Wegegerechtigkeit (servitus 
itineris aquae) von dem Uferanlieger bestellen zu lassen. 
Häufig werden die öffentlichen Gewässer von den Römern zu 
umfassenden gemeinschaftlichen Ableitungen behufs Bewässe- 
rung ganzer Landschaften benützt worden sein. Hierfür lassen 
sich nach römischem Recht zwei Rechtsformen denken. 
Entweder es übernahm jemand, sei es auf Grund einer 
obrigkeitlichen Generalkonzession, sei es auf Grund eines 
Übereinkommens aller Interessenten, die systematische Be- 
wässerung der umliegenden Landschaft. Dann gründete sich 
die Wasserleitungsberechtigung des einzelnen auf die ihm 
von dem Generaluntemehmer aus den incilia oder fossae be- 
stellte servitus aquaeductus. Oder aber die systematische 
gemeinschaftliche Bewässerung erfolgte auf Grund eines 
Societätsvertrages aller Interessenten; dann wurde die 
Wasserberechtigung des einzelnen durch den Inhalt des 
Societätsvertrages bestimmt. Zur dinglichen Festlegung der 
Wasserleitungen mufste sich zudem in beiden Fällen jeder 



' In der Einräumung eines iter aquae an einem fons wird man 
schwerlich die Einräumung eines aquaeductus erblickt haben, weil das 
iter aquae sehr verschiedenen Zwecken dienen konnte. 



§ 2. Die fontes. 37 

Grundeigentümer von allen denjenigen, über deren Grund 
und Boden das Wasser geleitet wurde, Servitutes itineris aquae 
einräumen lassen. Die praktische Ausführung der Wasser- 
leitungen war in beiden Fällen dieselbe, indem dem Gewässer 
durch Abzugsgräben Wasser entnommen und zunächst in 
grofsen gemeinschaftlichen und dann in immer kleiner wer- 
denden rivi weiterverzweigt wurde ^. 

Nun fährt Ulpian in 1. 1 § 8 D. 1. c. weiter fort: 

Plane si aqua sudoribus manando in aliquem primum 

locum effluere et ibi apparere incipit, ejus hoc caput di- 

cemus, ubi primum emergit. 
Die Bedeutung dieses an sich völlig unverständlichen Satzes 
wird aufgehellt durch folgende Stelle aus den naturales 
quaestiones des Seneca (III, 15) ^i 

Saepe coUigitur roris modo tenuis et dispersus liquor 

qui ex multis in unum locum confluit. Sudorem aquileges 

vocant, quia guttae quaedam vel pressura loci eliduntur 

vel aestu evocantur. Hie tenuis unda vix fonti sufficit. 

At ex magnis causis magnisque conceptibus excidunt 

amnes 

Die Entstehungsursache des sudor, wie sie Seneca giebt, 
braucht keiner Erörterung unterzogen zu werden. Jedenfalls 
steht fest, dafs ein durch sudores unter der Erdoberfläche 
gebildetes Gewässer, wenn auch einen beständigen, so doch 
nur einen winzigen Wasserlauf ans Tageslicht zu befördern 
vermag, was besonders scharf durch die Gegenüberstellung zum 



^ Bei den Flüssen (flumina) war ein Aufstau des Wassers durch 
sogenannte septa üblich. Vgl. 1. 1 § 4 D. de rivis 43, 21. Die Ab- 
zugsgräben scheinen bei den flumina gewöhnlich incilia, bei den 
lacus dagegen fössae genannt worden zu sein. Vgl. LI § 8 D. de 
aqu. quot. 43, 20; 1. 1 § 5 D. de rivis 43, 21. Über die rivi communes 
vgl. 1. 1 §§ 8, 26, 1. 3 § 5 D. de aqu. quot. 43, 20; 1. 16 D. quemadm. 
serv. amitt. 8, 6; Paul. sent. 5, 6, 9. Das durch, die Abzugsgraben 
entzogene Wasser wurde öfters auch in künstliche Becken geleitet, 
aus welchen dann verschiedene selbständige Leitungen stattfanden 
(1. 3 § 3 D. de rivis 43, 21). 

« Vgl. auch Vitruvius, de architectura 8, 1, 2 und 8, 1, 4. 



38 Erstes Kapitel. 

amnis hervortritt. Auch diese Wasserläufe sind fontes (fonti- 
culi), sie sind nur die kleinsten ihrer Art; dies will Seneca 
durch die Worte vix fonti sufficit ausdrücken. Wenn nun 
Ulpian sagt, dafs bei einem durch solche sudores gebildeten 
winzigen Bach die Quelle (ubi primum emergit) das caput 
sei, so kann dies bei Berücksichtigung der vorhergehenden 
Ausführungen nur folgende Bedeutung haben. Die in Rede 
stehenden Wasserläufe sind so klein, dafs zu einer einiger- 
mafsen umfassenden Wasserleitung regelmäfsig die gesamte 
Wassermasse herangezogen, der natürliche Wasserlauf sonach 
vernichtet werden mufs. Aus praktischen Rücksichten wird 
es sich nun empfohlen haben, die Ableitung dieser Gewässer 
nicht erst von irgend einem Teile des Laufes, sondern sofort 
an der Quelle vorzunehmen. Die Entfernung konnte bei der 
naturgemäfs geringen Länge dieser Wasserläufe nicht mit- 
sprechen, eine Vermehrung des Wassers tritt vielleicht er- 
fahrungsmäfsig während des Laufes zumal in heifsen Gegen- 
den nicht ein, sondern eher eine Verminderung durch Ein- 
sickern in den Erdboden und Verdunstung, die Bette sehr 
kleiner Wasserläufe sind leichter dem Wechsel unterworfen 
und geben daher keine Gewähr für die Erhaltung des Ge- 
wässers. Wie Ulpian vorher hinsichtlich des caput bei den 
Wasserleitungen aus den flumina, lacus und fontes nur that- 
sächlich bestehende Verhältnisse festlegt, so spricht er auch 
damit, dafs bei den durch sudores gebildeten Wasserläufen 
die Quelle das caput war, nur eine Thatsache aus. Auch bei 
diesen kleinsten fontes geschieht die Leitung aus dem fons, 
da ja die Quelle einen Teil des Wasserlaufes bildet. Es wird 
wohl bei diesen fontes an der Quelle stets ein künstliches 
Wasserbecken geschaffen worden sein, in welches der Leitungs- 
kanal gelegt wurde. 

Es erscheint angemessen, bei dieser Gelegenheit einen 
kurzen Blick auf die Wasserleitungen zu werfen, welche von 
Gewässern stattfanden, die durch Menschen werk (quaerere 
und aperire, invenire) erst ans Tageslicht gezogen waren. 
Auch bei diesen Gewässern wird die Leitung in technischer 
Beziehung nicht anders geschehen sein als bei den von Natur 



§ 2. Die fontes. 39 

herausfliefsenden Gewässern. Sollte das Wasser völlig in die 
Leitung aufgenommen werden und unaufhörlich in ihr fliefsen, 
so bedurfte es naturgemäfs der Anlegung eines künstlichen 
Beckens (lacus) nur zu dem Zwecke, um die Wasserleitung 
praktisch zu erleichtem. Sollte dagegen nicht das ganze ge- 
fundene Wasser oder aber zwar das ganze, aber nicht un- 
aufhörlich geleitet werden, so bedurfte es solcher künstlicher 
Veranstaltungen, welche das überflüssige Wasser aufzunehmen 
geeignet waren. Es mufste dann entweder ein gröfseres 
künstliches Wasserbecken (lacus) zur Aufnahme angelegt 
oder es mufste durch Herstellung eines künstlichen Flufsbettes, 
welches mit natürlichen Wasserläufen oder stehenden Ge- 
wässern in Verbindung stand, ein Weg eröffnet, mit anderen 
Worten ein neuer Wasserlauf (fons) geschaffen werdend 

Unvereinbar mit der Erörterung von Ulpian in 1. 1 
§§ 5 ff. D. 1. c. und mit den bisherigen Ausführungen ist die 
dem Paulus zugeschriebene Äufserung in 1. 9 D. de serv. pr. 
rust. 8, 3: 

Paulus libro I Sententiarum. — Servitus aquae 

ducendae vel hauriendae nisi ex capite vel ex fönte con- 

stitui non potest ; hodie tamen ex quocunque loco constitui 

solet. 

Nach XJlpian konnte eine servitus aquae ducendae nur an einem 

Caput bestellt werden. Dieser Satz galt auch, wie aus 1. 1 § 7 

D. de aqu. quot. 43, 20 zu entnehmen sein dürfte, für die 



1 Vgl. über aquam quaerere und invenire: 1. 15 pr. D. de servit. 
8, 1; 1. 10 D. de servit. pr. rust. 8, 3; 1. 21 D. si servit. vindic. 8, 5; 
1. 24 § 12, 1. 26 D. de damn. inf. 39, 2; 1. 1 § 12, 1. 21 D. de aqu. et 
aqu. pl. arc. act. 39, 3; 1. 1 § 28 D. de aqu. quot. et aest. 43, 20; femer 
Vitruvius, de architectura 8, 1, 1 flF.; 8, 4, 1 flF.; Frontinus, de aquae- 
duct. art. 5, 7, 9, 10, 12. Von den zur Zeit des Frontinus bestehenden 
öffentlichen Wasserleitungen der Stadt Born fanden die beiden Anio 
genannten aus dem gleichnamigen flumen (art. 6, 13, 15, 90, 93), die 
Alsietina aus dem lacus gleichen Namens (art. 11) und die Claudia aus 
den Bächen (fontes) Caerulus, Curtius und Albudinus statt. Zu den 
übrigen Wasserleitungen scheinen künstlich ans Tageslicht gezogene 
Grewässer benutzt worden zu sein, was insbesondere für die aqua Appia 
und aqua Virgo feststeht (art. 5, 10). 



40 Erstes Kapitel. 

servitus aquaehaustus und pecoris appulsus. Das caput aber 
schlofs den fons in sich, der fons war gleich wie andere Gewässer 
ein Caput; die anderen Gewässer, zu denen die lacus, putei, 
Piscinae gehören, lassen sich nicht als ein caput im engeren 
Sinne zusammenfassen und in einen Gegensatz zum fons stellen. 
Die Äufserung von Paulus, dafs eine servitus aquaeductus und 
aquaehaustus nur aus dem caput oder aus dem fons bestellt 
werden kann, mufs daher.in Ansehung der Worte vel ex fönte 
als mit den Ausführungen von Ulpian im Widerspruch stehend 
beanstandet werden. Auch die weitere Bemerkung von Paulus, 
dafs zu seiner Zeit an jedem beliebigen Ort Wasserservituten 
begründet zu werden pflegen, könnte nur dann als zutreifend 
anerkannt werden, wenn Paulus sich den geistigen Vorbehalt 
macht, dafs sie als Servituten nicht rechtsgültig sind. Aus 
1. 1 § 39 D. de aqu. quot. et aest. 43, 20 und 1. 2 D. comm. 
praed. 8, 4 geht unzweideutig hervor, dafs selbst die Aquä- 
dukte aus dem castellum publicum nicht als Servituten an- 
erkannt wurden. Wären solche Servituten aus beliebigen 
Wasser enthaltenden Orten zulässig gewesen, so wäre es zu- 
dem unerfindlich, wie Ulpian den Satz noch hätte aufrecht 
erhalten können, dafs nur Wasserleitungen a capite den Schutz 
der Interdikte genossen^ . Das ganze dem Paulus zugeschriebene 
Fragment macht offen den Eindruck der Entstellung und 
Verstümmelung, wie der Widerspruch, den das Fragment 
streng genommen enthält, und die lästige Wiederholung von 
constitui beweist. 



* 1. 33 § 1 D. de serv. pr. rust. 8, 3 von Africanus dürfte folgen- 
den Inhalt haben : Der Wasserleitungsberechtigte, welcher das Wasser 
durch die Grundstücke mehrerer Dritter leitet, ist nicht befugt, diesen 
oder sonstigen Nachbarn den haustus aus seinem Leitungskanal (rivus) 
einzuräumen. Diese Befugnis mufs ihm von dem Eigentümer des Gre- 
wässers, aus welchem er Wasser leitet, bei Bestellung der Servitut 
besonders gewährt sein. Ist dies der Fall, so kann er den Eigen- 
tümern der Grundstücke , auf welchen der rivus sich befindet, den 
haustus aus demselben gestatten. Um eine Servitut handelt es sich 
dabei nicht, wie die Schlufsworte des Fragments besagen. — Vgl. 1. 2 
D. de rivis 43, 21; 1. 24 D. de serv. pr. rust. 8, 3. 



§ 2. Die fontes. 41 

In einer ganzen Reihe weiterer Stellen ist die Bedeu- 
tung von fons mehr oder weniger für den Inhalt indifferent. 
In 1. 20 § 1 D. de serv. pr. rust. 8, 3 läfst sich Pomponius 
folgendermafsen aus: 

Pomponius libro XXXIII ad Sabinum. — Servitus 
naturaliter, non manufacto laedere potest fundum servien- 
tem, quemadmodum si imbri crescaf^aqua in rivo, aut ex 
agris in eum confluat, aut aquae fons secundum rivum 
vel in eo ipso inventus postea fuerit. 
Der Bach, aus welchem durch den Kanal (rivus) Wasser 
geleitet wird , hat sich neben dem rivus oder in dem rivus 
selbst ein neues Bett geschaffen und überschwemmt infolge- 
dessen die umliegenden Fluren ^ 

In § 2 desselben Fragments heifst es weiterhin: 

Si fundo Sejano confinis fons fuerit, ex quo fönte per 
fundum Sejanum aquam jure ducebam, meo facto fundo 
Sejano manet servitus. 
Dem fundus Sejanus ist ein einem Anderen gehöriger Bach 
benachbart, aus welchem ein Dritter über den fundus Sejanus 
das Wasser leitet. Ein Bach kann offenbar weit eher die 
Grenze bilden als eine Quelle. 

In 1. 34 § 1 D. eod. wirft Papinian die Frage auf, ob 
die servitus aquaeductus durch Nichtgebrauch innerhalb der 
gesetzlichen Frist verloren gegangen ist, wenn die Ausübung 
der Servitut deswegen nicht erfolgte, weil der Bach, aus 
welchem die Wasserleitung stattfindet, ausgetrocknet war 
und erst nach Ablauf jener Frist wieder zu fliefsen begann. 
Die Beantwortung dieser Frage wird in dem folgenden von 
Paulus stammenden fr. 35 durch ein Reskript des Augustus 
an den Statilius Taurus gegeben, welches von Atilicinus über- 
liefert worden ist. Danach soll die Servitut zwar unter- 
gegangen sein, aber restitutio in integrum gewährt werden. 



1 Bei den Worten inventus fuerit wird man an ein invenire nach 
Yoraufgegangenem quaerere nicht denken dürfen; hierin würde ein 
manufactum Uegen. 



42 Erstes Kapitel. 

In 1. 17 D. quemadm. serv. amitt. 8, 6 sagt Pomponius, 
Labeo habe den Satz aufgestellt, dafs die Wasserschöpf- 
gerechtigkeit durch Nichtgebrauch untergehe, wenn der 
Berechtigte innerhalb der gesetzlichen Frist wohl zum Bach 
(fons) gehe, aber nicht aus ihm schöpfe. 

In 1. 1 § 12 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3 sagt 
XJlpian, nach MarceHus habe der Eigentümer eines Baches 
gegen den Nachbarn, welcher durch Graben auf seinem Grund 
und Boden den Bach abwendig gemacht habe, dieserhalb 
keine Klage, auch nicht die actio doli. XJlpian tritt dieser 
Ansicht des Marcellus bei unter der Voraussetzung, dafs die 
Ableitung nicht in der Absicht zu schaden, sondern das 
eigene Grundstück zu verbessern erfolgt sei. 

In 1. 3 pr. D. eod. giebt XJlpian die von Trebatius er- 
örterte Rechtsfrage wieder, ob die actio aquae pluviae ar- 
cendae am Platze ist, wenn jemand an einem Bach Walke- 
reien eingerichtet hat und aus diesen das Wasser nach dem 
Grundstück des Nachbarn laufen läfst. 

In 1. 4 D. de aqu. quot. 43, 20 bespricht Julian die 
Rechtsfrage, ob der Eigentümer eines Baches, der an dem 
Bache bereits eine Wasserleitungsservitut bestellt habe, einem 
Dritten durch Servitut das Recht einräumen dürfe, dieselbe 
Wasserleitung zu benutzen, und im Bejahungsfalle, in welcher 
Weise die beiden Wasserleitungsberechtigten die Servitut 
dann auszuüben haben. 

In 1. 6 C. de Servitut, et aqua 3, 34 heifst es folgender- 
mafsen : 

Imp. Claudius A. Prisco. — Praeses provinciae usu 
aquae, quam ex fönte juris tui profluere allegas, contra 

statutam consuetudinis formam carere te non permittet, 

cum Sit durum et crudelitati proximum, ex tuis praediis 

aquae agmen ortum, sitientibus agris tuis, ad aliorum 

usum vicinorum injuria propagari. 

Die Worte aquae agmen beweisen deutlich, dafs es sich 

hier um einen Wasserlauf handelt. Der Umstand, dafs eine 

Quelle der rechtlichen Gewalt jemandes unterliegt, kann 

dafür nicht mafsgebend sein, in wessen Eigentum der 



§ 2. Die fontes. 43 

Wasserlauf steht. Die Berufung eines Petenten darauf, dafs 
das Wasser aus seiner Quelle fliefst, würde der rechtlichen 
Erheblichkeit ermangeln. 

Die Konstitutionen von 1. 9, 1. 10 und 1. 11 C. de aquae- 
duct. 11, 42 von Zeno und Anastasius bezwecken unter 
anderem, die zur Speisung der öffentlichen Wasserleitungen 
bestimmten Wasserläufe, welche sich Privatpersonen, sei es 
gänzlich oder teilweise, durch Benützung des Wassers an- 
geeignet haben, ihrer rechtmäfsigen Bestimmung zuzuführen 
und zu erhalten. Es soll die Benutzung dieser fontes publici 
den Privatpersonen entzogen werden, soweit sie eine unrecht- 
mäfsige ist, und niemandem gestattet sein, ohne die vor- 
schriftsmäfsige Erlaubnis Wasser aus ihnen abzuleiten. 

In 1. 1 C. de mancip. et colon. 11, 62 ist davon die Rede, 
dafs die coloni von emphyteutischen Grundstücken die Be- 
nützung der auf denselben befindlichen irriguae fontium aquae 
nur insoweit haben sollen, als dies die Bebauung dieser 
Grundstücke erfordert, während im übrigen der fructus, der 
Ertrag dieser fontes, den Emphyteuten zustehen soll. 

Durch die vorstehenden Ausführungen sollte dargethan 
werden, dafs die römische Rechtssprache den grofsen natür- 
lichen Wasserlauf als flumen und den kleinen als fons be- 
zeichnete. Es bedürfen nur noch folgende Punkte einer kurzen 
Berührung, welche mit diesem Satze in einem Zusammenhange 
stehen. Bei der Erläuterung der Erörterung von Ulpian 
wurde darauf hingewiesen, dafs wahrscheinlich nicht alle be- 
ständigen Wasserläufe, welche nach der Volksanschauung als 
flumina galten, veröffentlicht und dafs umgekehrt vielleicht 
auch hin und wieder Wasserläufe publiziert worden sind, 
welche allgemein als Bäche angesehen wurden. Hiemach 
kann es sich nun fragen, ob das römische Recht aufser den 
flumina publica auch fontes publici (in publice usu) kannte 
und ob andererseits es neben den privaten torrentia auch be- 
ständige flumina privata gab. Diese Fragen sind zu verneinen. 
Das römische Recht hat einmal nur besondere Interdikte für 
die flumina publica aufgestellt; es kennt dagegen keinen 
besonderen Rechtsschutz zu Gunsten von fontes publici. 



44 Erstes Kapitel. 

Es müfsten sonst namentlich die Interdikte von tit. Dig. 43, 13, 
welche den Lauf der flumina publica zu erhalten bezwecken, 
auch zu Gunsten der fontes publici gegeben sein. Anderer- 
seits findet sich in den Quellen nicht der geringste Anhalt 
dafür, dafs das römische Recht beständige flumina privata 
gekannt hat. Die Interdikte von tit. Dig. 43, 22 de fönte 
hätten sonst nicht blofs den fons, sondern auch das flumen 
umschliefsen müssen. Hiernach wird man aber annehmen 
dürfen, dafs den Römern alle Wasserläufe, welche öffentlich 
waren, als flumina galten und mithin das flumen publicum 
den öffentlichen Wasserlauf schlechthin bezeichnete, während 
alle beständigen Wasserläufe, welche nicht öffentlich waren, 
in der Rechtssprache fpntes hiefsen. 

Sodann bedarf der Begriff des fons noch in folgender 
Beziehung der genaueren Feststellung. Der fons bezeichnet 
weder in der Rechtssprache, noch in der Schrift-, Volks-* und 
Verkehrssprache den kleinen natürlichen Wasserlauf schlecht- 
hin, sondern nur denjenigen, welcher seine Quellen unter der 
Erde hat, welcher der aqua viva, nicht der aqua pluvia sein 
Dasein zu verdanken hat. Ähnlich wie flumen im eigent- 
lichen Sinn nur den aus Quellwasser entstandenen grofsen 
Wasserlauf bedeutet, so hat fons begrifflich und stets nur die 
Bedeutung des durch Quellwasser gebildeten kleinen Wasser- 
laufes. Der oberirdische Bach erscheint aber mit der unter- 
irdischen Quelle als ein Ganzes, so dafs auch diese fons ge- 
nannt wird und im Rechtssinne als fons gilt^ Auch dieser 
Satz wird durch die Ausführungen im Anhange zu dieser 
Abhandlung näher dargethan werden. Die vom fons handeln- 
den Quellenstellen lassen nirgends erkennen, dafs es un- 
beständige, durch aqua pluvia gebildete fontes gab. Vielmehr 
bezeichnet fons in den meisten der angeführten Stellen mit 
Notwendigkeit ein beständiges Gewässer, weil in ihnen von 
Wasserservituten die Rede ist, welche ein solches zur Vor- 
aussetzung haben. Es ist femer kein Zufall, wenn Ulpian 

^ Vgl. 1. 35 D. de serv. pr. rust. 8, 3 : et postea ex eo fönte aquam 
fluere coepisse. 



§ 2. Die fontes. 45 

in 1. un. § 4 D. de fönte 43, 22 als Gewässer, welche aqua 
Viva nicht notwendig zu haben brauchen, nur den lacus, die 
Piscina und den puteus, nicht aber den fons erwähnt. Wenn 
nun von Ulpian in 1. 1 §§1 ff. D. de flumin. 43, 12 die 
flumina in perennia und torrentia geschieden werden, und 
wenn die torrentes (xeifAcc^^oi) die durch Regenwasser ge- 
bildeten Flüsse bedeuteten, so würde daraus hervorgehen, 
dafs die durch aqua viva gebildeten flumina stets als perennia 
galten. Dann aber wird man in gleicher Weise in dem fons, 
der notwendig aus aqua viva stammte, den beständigen kleinen 
Wasserlauf erblicken müssen. Der kleine, durch aqua pluvia 
gebildete Wasserlauf wird wohl auch in der Rechtssprache 
mit dem indifferenten Ausdruck rivus bezeichnet worden sein. 
Der Umstand, dafs rivus in den Quellen vorzugsweise für 
den kleinen künstlichen Wasserlauf verwendet wird, dürfte 
dieser Annahme nicht entgegenstehen. Die Gründe, welche 
sich gegen die Anwendung eines und desselben Wortes auf 
den Bach und den Leitungskanal geltend machen lassen, 
sind in diesem Fall nur in weit schwächerem Grade vor- 
handen, da einmal die aus Regenwasser entstandenen Wasser- 
läufe gegenüber den Bächen und überhaupt eine unter- 
geordnete Bedeutung haben und wegen der Unmöglichkeit 
von Wasserleitungsservituten an jenen auch die Leitungskanäle 
aus ihnen notwendig in den Hintergrund treten. 

Wenn nun fons nur den kleinen, aus aqua viva her- 
rührenden Wasserlauf bezeichnete, so enthält diese Thatsache 
den Grund dafür, warum Ulpian in 1. 1 § 1 D. de flumin. 
43, 12 den rivus und nicht den fons dem flumen gegenüber- 
stellt. Unter flumen versteht Ulpian, wie sich aus der weiteren 
Scheidung in perennia und torrentia mit Sicherheit ergiebt, 
an dieser Stelle den grofsen natürlichen Wasserlauf schlecht- 
hin einschliefslich des torrens. Das Korrelat zu dem flumen 
in diesem Sinne bildet nicht der fons, sondern nur der 
rivus, da rivus den kleinen natürlichen Wasserlauf ein- 
schliefslich des fons bezeichnen kann ; der fo^s würde nur das 
Korrelat zum flumen im eigentlichen Sinne, zum flumen 
perenne sein. 



46 Erstes Kapitel. § 2. Die fontes. 

Endlich stimmt bei der Unterscheidung der beständigen 
Wasserläufe in flumina und fontes die Volksanschauung noch 
in folgendem Punkte mit der Rechtsanschauung nicht überein. 
Die Volksanschauung ist geneigt, einem Wasserlaufe nach der 
jeweiligen Gröfse die Eigenschaft eines Baches oder Flusses 
zuzuerkennen, so dafs ein und derselbe Wasserlauf in seinem 
Oberlauf Bach und weiterhin allmählich Flufs genannt wird. 
Demgemäfs wird in der lateinischen Sprache auf den Ober- 
lauf oder die Quellbäche eines flumen häufig das Wort fons 
angewendet. Vom rechtlichen Standpunkt erscheint der Flufs 
(flumen) als ein Ganzes, so dafs das beständige flumen auch 
in seinem oberen Teile mit seinen Quellbächen und Quellen 
nur den einen rechtlichen Charakter des flumen publicum 
an sich trägt. 



Zweites Kapiteh 

Das Eigentum an den Wasserläufen. 



§ 3. Die aqua profluens. 

Mit der Thatsache, dafs das römische Recht nicht nur 
öffentliche, sondern auch private Wasserläufe kannte, würde 
sich nur schwer ein Satz vereinigen lassen, welcher alles 
fliefsende Wasser als Gemeingut aller, als dem Gemeingebrauch 
freigegeben bezeichnet. Denn es liegt doch mehr wie nahe, 
dem Wasserlauf in seiner Gesamtheit, d. h. nicht blofs dem 
Grunde und Boden, welchen er einnimmt, sondern auch dem 
fliefsenden Wasser selbst den öffentlichen oder privaten 
Charakter zuzuschreiben, da man nach allgemeinen Grund- 
sätzen wohl annehmen könnte, dafs das Wasser die rechtliche 
Natur des Grundes und Bodens teile. Man würde, wenn 
anders jener Satz richtig ist, zu der Erklärung greifen müssen» 
dafs das römische Recht von öffentlichen und privaten Wasser- 
lä.ufen nur wegen des öffentlichen oder privaten Charakters 
des Flufsbettes spricht und die rechtliche Natur des Wassers 
damit unberührt gelassen ist, trotzdem das Gegenteil der Fall 
zu sein scheint. Im folgenden wird zu prüfen sein , ob der 
Satz, welcher zu dieser Aufstellung Veranlassung geben würde, 
überhaupt in den Quellen begründet ist. 



48 Zweites Kapitel. 

In 1. 2 pr. D. de div. rer. et quäl. 1,8 ist folgende, aus 
dem dritten Buch der Institutionen des Marcian stammende 
Einteilung der Sachen enthalten: 

Quaedam naturali jure communia sunt omnium, quae- 

dam universitatis, quaedam nullius, pleraque singulorum, 

quae variis ex causis cuique acquiruntur. 
Marcian knüpft hieran eine Erörterung der in dieser 
Einteilung genannten allgemeinen Arten von Sachen und 
nennt zunächst in § 1 desselben Fragments folgende Sachen 
als res omnium communes: 

Et quidem naturali jure omnium communia sunt illa : 

aer, aqua profluens et mare et per hoc litora maris. 
Diese Ausführungen von Marcian sind in die Institutionen 
von Justinian übernommen worden ^ wie diese auch auf der 
weiteren in den Digesten enthaltenen Abhandlung jenes 
Juristen über die Einteilung der Sachen fufsen. Nur er- 
wähnen die Justinianeischen Institutionen aufser den von 
Marcian in 1. 2 pr. D. 1. c. genannten Arten von Sachen 
noch die res publicae, welche sie zwischen die res omnium 
communes und die res universitatis einfügen. 

Der Begriff der aqua profluens, wie er in den genannten 
beiden Stellen gegeben wird, ist im übrigen den Quellen 
gänzlich unbekannt. Wohl wird hier und da von aqua fluens 
oder aqua profluens gesprochen, allein eine rechtliche Be- 
deutung knüpft sich nirgends an die in rein natürlichem 
Sinne gebrauchten Worte. Des weiteren erhellt die Bedeu- 
tung der der aqua profluens beigelegten Eigenschaft (omnium 
communis) keineswegs mit zweifelsfreier Deutlichkeit. Es 
kann zweifelhaft sein, ob mit dieser Eigenschaft die Un- 
möglichkeit eines Eigentums an fliefsendem Wasser oder ob 
damit auch der an ihm bestehende Gemeingebrauch kund- 
gegeben werden soll. Die genannte Einteilung der Sachen, 
welche Marcian und die Institutionen geben, leidet an dem 
wesentlichen Fehler, dafs ihr nur ein Gesichtspunkt von 
untergeordneter Bedeutung zu Grunde liegt. Es werden 



» Pr. § 1 I. de rer. div. 2, 1. 



§ 3. Die aqua profluens. 49 

nämlich die Sachen nicht danach geschieden, ob sie im Eigen- 
tum stehen oder ob sie eigentumsfähig sind, sondern ob sie 
im Eigentum eines Einzelnen stehen oder nicht. Den einer 
physischen Person gehörigen Sachen werden andere Arten 
gegenübergestellt, welche einem Einzelnen nicht gehören. 
Auch die weiteren Ausführungen , welche sich bei Marcian 
und in den Institutionen an diese allgemeine Einteilung 
knüpfen, sind bei ihrer Kürze, welcher der Vorzug der 
Deutlichkeit nicht entspricht, nicht geeignet, die Natur der 
einzelnen Arten von Sachen in völlig klarem Lichte er- 
scheinen zu lassen. Hierzu kommt noch, dafs die Aus- 
führungen von Marcian und der Institutionen sich nicht 
decken. Soll unter diesen Umständen die Bedeutung des 
Satzes, dafs die aqua profluens eine res omnium communis 
ist, klargestellt werden, so kann von einer kurzen, auf dem 
allgemeinen Gesichtspunkt des Eigentums fufsenden Er- 
örterung der einzelnen Arten von Sachen, welche die Quellen 
umfassend zu Rate zieht, nicht Abgang genommen werden. 
Diese Erörterung ist im Rahmen dieser Abhandlung umso- 
weniger entbehrlich, als wegen der an einem Teile der Ge- 
wässer bestehenden Öffentlichkeit auch der Begriff der res 
publicae einer genaueren Feststellung bedarf und diese Fest- 
stellung naturgemäfs nur durch Abgrenzung gegenüber den 
anderen Arten von Sachen erfolgen kann. 

I. 1. Legt man den blofsen Gesichtspunkt des Eigen- 
tums bei einer Einteilung der Sachen an, so ergiebt sich mit 
Notwendigkeit eine Scheidung in solche Sachen, die im Eigen- 
tum stehen, und in solche, die in niemandes Eigentum sich 
befinden. Die ersteren können wieder einzelnen oder mehreren 
physischen Personen oder sie können einer Gesamtheit, einer 
universitas, zugehören, welcher das objektive Recht die Rechts- 
stellung einer Person zuerkennt. Das Eigentumsrecht an einer 
Sache schliefst das Recht der Nutzung derselben grundsätz- 
lich in sich; es kann aber das Eigentumsrecht und das 
Nutzungsrecht auch auseinanderfallen, verschiedenen Rechts- 
subjekten zustehen. Das einem Dritten zukommende Nutzungs- 
recht kann einen sehr mannigfachen Inhalt haben; es kann 

Ossig, Wasserrecht. 4 



50 Zweites Kapitel. 

eiü vollständiges Niefsbrauchsrecht (ususfructus) oder Ge- 
brauchsrecht (usus) sein, der ususfructus oder usus kann 
aber auch auf bestimmte Nutzungsarten beschränkt sein. Die 
Nutzung des Nichteigentümers kann einmal auf einem Rechts- 
verhältnis beruhen, und zwar kann ihr sowohl ein dingliches 
Recht als ein Forderungsrecht zu Grunde liegen. Die Nut- 
zung einer Sache kann aber der Nichteigentümer auch nur 
thatsächlich ausüben, ohne dafs er ein Recht auf sie hat. 
Einer solchen der rechtlichen Grundlage ermangelnden Nut- 
zung legt das Recht unter besonderen Voraussetzungen Rechts- 
wirkungen bei, indem es aus ihr dingliche Rechte ent- 
stehen läfst. 

Die Nutzungsberechtigten können einmal individuell 
bestimmte Rechtssubjekte (physische Personen oder univem- 
tates), einzelne oder eine Vielheit von ihnen sein. Die Nut- 
zung einer Sache kann aber auch einer generell bestimmten 
Vielheit von Personen in der Weise zukommen , dafs jeder 
Angehörige derselben die Sache unabhängig von dem Rechte 
der Übrigen zu nutzen berechtigt ist^ Ein solches selb- 
ständiges Nutzungsrecht vieler liegt dann nicht vor, wenn 
eine Sache von ihrem Eigentümer der Allgemeinheit behufs 
Benutzung gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wird ^. Hier 
gelangt das Nutzungsrecht eines Dritten erst auf Grund einer 
Vereinbarung mit dem Eigentümer, auf dessen an eine Viel- 
heit gerichtetes Anerbieten er eingeht, zur Entstehung. Es 
gilt dies auch dann, wenn der Eigentümer einem Personen- 
kreise gegenüber die Verpflichtung hat, den Angehörigen 
desselben die Nutzung an seinen Sachen gegen Entgelt zu 
gestatten. Ein selbständiges Nutzungsrecht einer generell 
bestimmten Vielheit von Personen an einer Sache ist also 



^ Vgl. 1. 5 § 15 D. commodati 13, 6: Usum autem balnei quidem 
vel porticus vel campi uniuscujusque in solidum esse 

2 Solche Sachen sind nicht res publico usui destinatae im recht- 
lichen Sinn. Die Eisenbahnen sind z. B. , mögen sie dem Staat ge- 
hören oder nicht, ebensowenig wie andere dem Transport dienende 
Sachen res in publico usu im ßechtssinn, wenngleich sie in Wirklich- 
keit in der Benutzung der Allgemeinheit sich befinden. 



§ 3. Die aqua profluens. 51 

zunächst nur denkbar, wenn die Sache zur unentgeltlichen 
Nutzung freisteht. Sodann kann immer nur eine Mehrheit 
von selbständigen Benutzungsrechten (usus) bestehen, da das 
Niefsbrauchsrecht, der ususfructus, begrifflich den Charakter 
des Ausschliefslichen in sich trägt. Endlich kann ein usus 
^iner generell bestimmten Vielheit von Personen nur dann 
zukommen, wenn sie ihre Vertretung und ihren Zusammen- 
schlufs in einer vom Recht anerkannten universitas haben. 
Eine nur der Gattung nach bezeichnete Vielheit von Per- 
sonen erscheint juristisch nur dann als eine bestimmte, wenn 
«ie zu einer universitas zusammengeschlossen ist, und kann, 
<la grundsätzlich nur bestimmte Personen Rechte erwerben 
können, nur durch Vermittelung der universitas einen usus 
gewinnen ^ 

Hiernach ergeben sich naturgemäfs für die Sachen nach 
-der Verschiedenheit des Eigentümers und des Nutzungs- 
berechtigten die verschiedensten Kombinationen. Diese Kom- 
binationen sind nicht blofs möglich, sondern bestehen auch 
zumeist in der Wirklichkeit, und es liegt jedenfalls kein 
Orund vor, ihnen die rechtliche Anerkennung zu versagen. 
So kann beispielsweise an den dem Staat gehörigen Sachen * 



^ Dem usus publicus liegt nicht ein gemeinsames Eigentum oder 
Nutzungsrecht aller zu Grunde, er gründet sich vielmehr auf das der 
Allgemeinheit (civitas) zustehende Nutzungsrecht, mag dieses nun in 
einem Eigentum der civitas seine Grundlage haben oder in einem 
anderen Recht. Das Nutzungsrecht des Einzelnen ist ein gleiches; 
niemand darf die Nutzung unter Beeinträchtigung der that- 
sächlichen Nutzung eines Anderen ausüben. Vgl. 1. 2 § 2 D. ne quid 
in loco publ. 43, 8 : loca enim publica utique privatorum usibus deser- 
viunt 

2 Wie das Eigentum überhaupt, so läfst auch das Staatseigentum 
nur eine Auffassung zu ; es besteht in dieser Hinsicht unter den einzel- 
nen im Eigentum des Staates stehenden Sachen kein Unterschied. Zu 
einer verschiedenen civilrechtlichen Behandlung führt die Verschieden- 
heit der Person der Nutzungsberechtigten. Die Rechtsverhältnisse der 
Sachen, welche der Staat selbst nutzt, sind notwendig anders ge- 
staltet als derjenigen, welche der Benutzung der Staatsangehörigen 
freistehen. 

4* 



52 Zweites Kapitel. 

die Nutzung nicht nur dem Staat * und dessen Angehörigen^ 
sondern auch einer anderen universitas oder deren Ange- 
hörigen oder physischen Personen zustehen^. Andererseits 
können die im usus der Allgemeinheit (res in publice usu) 
stehenden Sachen nicht blofs dem Staat und den Gemeinden, 
sondern auch anderen universitates oder einzelnen oder 
mehreren physischen Personen eigentümlich sein. 

In den Quellen findet sich keine Stelle, in welcher eine 
Scheidung der dem Staat gehörigen Sachen nach der Ver- 
schiedenheit der Nutzungsberechtigten oder eine Scheidung 
der im Gemeingebrauch stehenden Sachen nach der Ver- 
schiedenheit des Eigentümers ausdrücklich erfolgte. Indessen 
beruht diese Scheidung auf ebenso natürlichen wie unan- 
fechtbaren Principien. Dagegen kennen die Quellen eine 
andere Gegenüberstellung, und zwar werden an einigen 
Stellen unter dem Begriff der res publicae die res in patri- 
monio fisci (pecunia populi, bona civitatis) und die res quae 
usui publico (usibus publicis) destinatae sunt voneinander 
unterschieden. Diese Gegenüberstellung geschieht aber nir- 
gends zum Selbstzwecke der Scheidung der res publicae, 
sondern nur zur Feststellung, dafs nicht alle Sachen, welche 
publicae heifsen, einzelnen auf die res publicae bezüglichen 
Rechtssätzen unterliegen. Nach dem ganzen Inhalt der 
Quellenstellen, in welchen diese Unterscheidung unter den 
res publicae stattfindet, mufs man annehmen, dafs unter den 
res in patrimonio fisci diejenigen Sachen verstanden sind, 
welche das Privatvermögen des Staates sind, die der Staat, 
gleich einem Privatmann nutzt und die daher dem Handels- 
verkehr freistehen. Einen Gegensatz zu diesen Sachen 
würden offenbar diejenigen bilden, welche dauernd dem 
allgemeinen Nutzen , der utilitas publica, zu dienen bestimmt 
sind, sei es indem sie im Gemeingebrauch der Staatsangehörigen 



^ Z. ß. ßegierungsgebäude, Gefangenenhäuser, Kasernen; Staats- 
eisenbahnen, Bergwerke, landwirtschaftliche Grundstücke. 

2 Vgl. z. B. 1. 5 § 1 D. de oper. publ. 50, 10; 1. 9 C. de aquaed. 
11, 42. 



§ 3. Die aqua profluens. 58 

stehen, sei es indem sie der Staat selbst zu Staatszwecken 
benutzt. Die beiden letztgedachten Arten von Sachen dürften 
aber unter der Bezeichnung res usui publice destinatae 
schwerlich zusammengefafst werden können, weil wohl den 
Worten utilitas publica, nicht aber den Worten usus publicus 
eine auf beide Arten von Sachen passende Bedeutung unter- 
gelegt werden kann. Zudem ist unter usus publicus in den 
Quellen fast durchweg nur der Gemeingebrauch gemeint, und 
als res in usu publice werden immer nur dem Gemein- 
gebrauch dienende Sachen erwähnt, wie forum, basilica, 
theatrum, Stadium, campus Martins. Auch Vitruv benennt 
als zum usus publicus bestimmte loca communia gleichfalls 
nur solche Sachen, welche im Gemeingebrauch stehen, näm- 
lich : portus, fora, porticus, balineae, theatra, inambulationes 
ceteraque, quae isdem rationibus in publicis locis designantur *. 
Vor allem aber können in 1. 2 § 5 D. ne quid in loco publ. 
43, 8 unter den res publice usui destinatae nur die dem 
Gemeingebrauch gewidmeten Sachen verstanden sein. Denn 
in § 4 desselben Fragments wird die Unanwendbarkeit des 
Interdiktes auf die in patrimonio fisci stehenden loca damit 
begründet, dafs auf diesen ein Privatmann weder berechtigt 
sei etwas zu ihun noch etwas zu verbieten. Dieser Grund 
trifft in gleichem Mafse auch auf diejenigen Sachen zu, 
welche der Staat selbst dauernd zu Staatszwecken nutzt; 
auch sie sind jedem Eingriff von Privatpersonen grundsätz- 
lich entzogen. Was 1. 6 pr. und 1. 72 § 1 D. de contr. emt. 
18, 1 anlangt, so mufs freilich nicht blofs ein zwischen Privat- 
personen abgeschlossener Kaufvertrag, welcher eine im Ge- 
meingebrauch stehende Sache zum Gegenstande hat, sondern 
auch ein solcher, welcher eine dauernd vom Staat zu 
Staatszwecken benutzte Sache betrifft, für unverbindlich er- 
achtet werden. Auch dürfte kein Bedenken obwalten, falls 
in 1. 17 pr. D. de verb. signif. 50, 16 thatsächlich von dem 
dem Zugriff der Gläubiger unterliegenden Gemeindevermögen 
die Rede ist, nicht blofs den im Gemeingebrauch stehenden 



1 Vitruvius, de architectura 1, 8, 1. 



54 Zweites Kapitel. ^ 

Sachen, sondern auch den dauernd zu Gemeindezwecken 
benutzten die Immunität gegenüber der Exekution zuzuer- 
kennen. Indessen wird man aus den vorher angegebenen 
Gründen in beiden Fällen unter den res in publice usu nur 
die im Gemeingebrauch stehenden Sachen verstehen können. 

Damit wird nun allerdings behauptet, dafs die Scheidung 
der res publicae in res in patrimonio populi und usui publico 
destinatae keine erschöpfende ist und eines einheitlichen Ge- 
sichtspunktes ermangelt. Die Richtigkeit dieser Behauptung^ 
läfst sich aber leicht erweisen. Wenn man auch unter den 
res usui publico destinatae die dem gemeinen Nutzen dienen- 
den Sachen verstände, so kann man sich doch Sachen denken,, 
welche vom Staat nach der Art eines Privatmannes genutzt 
werden und zugleich dem gemeinen Nutzen dienen, wie z. B. 
ein Bad, welches vom Staat verpachtet ist und in der that« 
sächlichen Benutzung der Allgemeinheit steht. Alle Stellen,, 
in denen die in Rede stehende Unterscheidung sich findet, 
müssen nach dem Gesagten nicht unter dem Gesichtspunkt 
betrachtet werden, dafs damit eine scharfe Scheidung der res 
publicae gegeben werden soll, sondern dafs einzelne Rechts- 
sätze auf gewisse Arten von res publicae für unanwendbar 
erklärt werden sollen. 

Im übrigen ist es richtig, dafs die vom Staat dauernd 
zu Staatszwecken benutzten Sachen sich durch diesen Zweck 
von den übrigen im usus des Staates stehenden Sachen unter- 
scheiden. Indessen konnte dieser Unterschied sich in recht- 
licher Hinsicht wohl nur in einem erhöhten Schutz der 
ersteren äufsem, da sie den anderen vom Staat benutzten 
Sachen in den Hauptpunkten des Eigentums und der Nutzung 
gleichen. Von den im Gemeingebrauch stehenden Sachen 
trennt dagegen die vom Staat zu Staatszwecken benutzten 
Sachen die Verschiedenheit der Person des Nutzungsberech- 
tigten, und aus diesem Grunde wird das römische Recht wohl 
nur wenige Rechtssätze gekannt haben, welche gerade diesen 
beiden Arten gemeinsam waren. Die Unfähigkeit der res in 
publico usu, Gegenstand eines Kaufgeschäftes unter Privaten 
zu sein, welche Celsus, Pomponius und Papinian in 1. 6 pr. 



§ 3. Die aqua profluens. 55 

und 1. 72 § 1 D. 1. c. aussprechen, wird von Ulpian für das 
Rechtsgeschäft des Vermächtnisses auch auf res in patrimonio 
fisci, wie insbesondere die praedia Caesaris erstreckt ^ Auch 
die Unfähigkeit, usukapiert zu werden, kommt nicht blofs 
einzelnen Arten von Staatssachen, sondern den dem Staat 
gehörigen Sachen schlechthin zu^. 

Res publicae werden in den Quellen die Sachen teils 
deswegen genannt, weil sie dem Staat zu Eigentum gehören, 
teils deswegen, weil sie im Gemeingebrauch stehen, teils aus 
beiden Gründen®. Die dem Staat gehörigen Sachen sind res 
publicae, gleichviel in wessen usus sie stehen, wie umgekehrt 
die dem usus publicus bestimmten Sachen res publicae heifsen, 
mögen sie im Eigentum des Staates stehen oder nicht*. Als 
res publicae in publice usu sind danach die dem Staat ge- 
hörigen, dem usus der Allgemeinheit bestimmten Sachen zu 
bezeichnen. Die Bezeichnung res publicae findet sich in den 
Quellen aber auch häufig für solche Sachen, welche den Ge- 
meinden zugehören *, und an einzelnen Stellen auch für solche, 
welche sich in niemandes Eigentum befinden^. 

2. Sodann giebt es aber auch Sachen, welche nieman- 
dem zu Eigentum gehören (res nullius). Die Eigentumslosigkeit 



1 L. 39 § 10 D. de legat. I. 

« L. 9, 1. 18, 1. 24 § 1 D. de usurp. 41, 3. 

8 Vgl. § 4 I. de legat. 2, 20; § 2 I. de inutil. stipul. 3, 19; 1. 8 
§ 2 D. de relig. 11, 7; 1. 6 pr. 1. 72 § 1 D. de contr. emt 18, 1; 1. 14 
pr. D. de A. R. D. 41, 1; 1. 2 §§ 4, 5 D. ne quid in loco publ. 43, 8 
1. 83 § 5, 1. 137 § 6 D. de verb. obl. 45, 1; 1. 15, 1. 17 pr. D. de verb 
signif. 50, 16. 

* Vgl. L 65 § 1 D. de A. R. D. 41, 1; 1. 45 pr. D. de usurp. 41, 3. 
1. 2 §§ 21, 22 D. ne quid in loco publ. 43, 8; 1. 112 D. de verb 
signif. 50, 16. 

» Vgl. 1. 17 pr. D. de verb. signif. 50, 16; 1. 9 D. de usurp. 41, 3 
1. 3 § 4, 1. 5 § 4 D. quod vi aut clam 43, 24; 1. 4 § 7 D. ad leg. Jul. 
pecul. 48, 13; 1. 16 D. de verb. signif. 50, 16. Vgl. dagegen aufser 
der letztgenannten Stelle 1. 15, 1. 17 § 1 D. de verb. signif. 50, 16 
1. 81 D. de fürt. 47, 2. 

« Vgl. 1. 14 pr. § 1 D. de A. E. D. 41, 1; 1. 10 D. de div 
rer. 1, 8. 



56 Zweites Kapitel. 

kann einmal eine zufällige sein und daher rühren, dafs 
sich noch niemand die Sache angeeignet oder dafs die Sache 
ihren Eigentümer verloren hat, ahne einen neuen zu erhalten. 
Es gehören hierher einerseits z. B. die wilden Tiere, anderer- 
seits der Schatz und die preisgegebenen Sachen (res derelictae). 
Die Sachen können aber auch deswegen eines Eigentümers 
ermangeln, weil sie nach ihrem Wesen in niemandes Eigen- 
tum stehen können ; die Eigentumslosigkeit ist hier also eine 
notwendige. Die Unfähigkeit, jemandem zu gehören, kann 
nun wiederum entweder in der rechtlichen Natur oder in der 
natürlichen Beschaffenheit der Sachen begründet sein. Nach 
römischem Recht bestand diese rechtliche Unfähigkeit für die 
res sacrae, religiosae und sanctae, welche dem jus humanum 
nicht unterworfen waren (res nullius * jure civili). Anderer- 
seits giebt es aber auch Sachen, an denen ein Eigentum aus 
Gründen unmöglich ist, welche in der natürlichen Beschaffen- 
heit der Sache liegen (res nullius^ jure naturali). Zu diesen 
des Eigentums unfähigen Sachen gehören nach römischem 
Recht die Luft (aör), das Meer (mare) und die Meeresgestade 
(litora). Die Luft entzieht sich wegen ihrer allgemeinen Ver- 
breitung und ihres natürlichen Zustandes, das Meer nach 
römischer Auffassung wegen seiner ungeheueren Gröfse und 
die litora als Zubehör des Meeres dem Eigentum. Eine An- 
eignung von Luft bedeutet zugleich ihre Vernichtung, eine 
Occupation eines Teiles des Meeres ist nur durch thatsäch- 
liche Abgrenzung möglich, indem das dem Meer Abgewonnene 
zum Land, Hafen oder Binnengewässer gemacht wird. 

Was die hier besonders in Betracht kommende letzt- 
genannte Art von res nullius anbelangt, so waren sie, wie 
aus zahlreichen Quellenstellen erhellt, dem Gemeingebrauch 
freigegeben^. In 1. 3 § 1 D. ne quid in loco publ. 43, 8 
sagt Celsus, dafs das Meer und die Luft im usus communis 



^ § 7 L de rer. div. 2, 1; 1. 1 pr. 1. 6 § 2 D. de div. rer. 1, 8. 
2 L. 51 D. de contr. emt. 18, 1. Vgl. 1. 14 pr. 1. 30 § 4 D. de 
A. R. D. 41, 1. 

8 Über Sonderrechte am Meer vgl. 1. 14 D. de injur. 47, 10. 



§ 8. Die aqua profluens. 57 

aller Menschen stehen. In 1. 13 § 7 D. de injur. 47, 10 
nennt Ulpian das Meer, die litora und die Luft wegen des 
an ihnen bestehenden Gemeingebrauchs res omnium communes ^. 
In 1. 24 pr. D. de damn. inf. 39, 2 bemerkt Ulpian, dafs die 
Mentlichen Flüsse sich in gleicher Weise im usus communis 
befänden wie die öffentlichen Wege und die litora. Wegen 
dieses Gemeingebrauches, für welchen sich auch die Bezeich- 
nung usus publicus findet^, werden das Meer und die litora 
in einigen Stellen auch publica genannt®. 

Andererseits geht hinsichtlich des Meeres und der litora 
aus einer Reihe von Stellen hervor, dafs sie in niemandes 
Eigentum standen. Für das Meer wird dies in 1. 30 § 4 D. 
de A. R. D. 41, 1 von Pomponius, für die litora in 1. 51 D. 
de contr. emt. 18, 1 von Paulus und in 1. 14 pr. D. de A. R. D. 
41 , 1 von Neratius ausdrücklich ausgesprochen ; auch wird 
dies für das Meer und die litora in § 5 I. de div. rer. 2, 1 
hervorgehoben. In 1. 14 pr. D. 1. c. wendet Neratius auf die 
litora den Ausdruck publica im Sinne von „niemandem ge- 
hörig" (res nullius) nach dem Gedanken an, dafs alle von der 
Natur geschaffenen Güter, welche nicht dem Eigentum des 
Einzelnen verfallen sind, der Allgemeinheit zugehören. Dieser 
Sinn wohnt dem Worte publicus auch in der weiteren Aus- 
führung von Neratius in 1. 14 § 1 D. 1. c. bei und kann ihm 
auch nur in 1. 10 D. de div. rer. 1, 8 von Aristo und Pom- 
ponius zukommen*. In 1. 3 pr. D. ne quid in loco publ. 43, 8 
erklärt allerdings Celsus im Gegensatz hierzu die litora, welche 
der Herrschaft des römischen Volkes unterständen, für Eigen- 
tum des römischen Volkes. Indessen kann Celsus hiermit 
nur eine Sonderansicht vertreten haben, welche nicht zur 



1 Vgl. 1. 13 D. comm. praed. 8, 4; 1. 51 D. de contr. emt. 18, 1. 

8 Vgl. § 5 I. de rer. div. 2, 1; 1. 4 D. ne quid in loco publ. 
43, 8. 

» Vgl. 1. 65 § 1 D. de A. R. D. 41, 1; 1. 45 pr. D. de usurp. 41, 3; 
1. 112 D. de verb. signif. 50, 16. 

* In 1. 50 D. de A. R. D. 41, 1 von Pomponius ist es zweifelhaft, 
ob der usus publicus oder das Nichtbestehen des Eigentums am litus 
mit der Bezeichnung publicum ausgedrückt werden soll. 



58 Zweites Kapitel. 

Anerkennung gelangt ist ^. Es zeigt sich dies einmal in dem 
Widerspruch mit den erwähnten Quellenstellen ; es geht aber 
auch mit Sicherheit daraus hervor, dafs das auf die loca 
publica bezügliche Interdikt von 1. 2 pr. D. ne quid in loco 
publ. 43, 8 hinsichtlich des mare und der litora nur utiliter 
gegeben wird 2. Wäre das Interdikt schlechthin für solche 
Sachen am Platze, welche im usus publicus stehen, so könnte 
seine unmittelbare Anwendbarkeit auf das Meer und die litora 
nicht zweifelhaft sein. 

Über das Eigentum an der Luft ist in den Quellen nichts 
enthalten, wenn man von den Bemerkungen von Marcian und 
den Institutionen absieht, welche nach dieser Richtung hin 
gedeutet werden können. Es kann aber keinem Bedenken 
unterliegen, dafs die Luft nach römischer Rechtsanschauung 
nicht blofs niemandem gehörte, sondern auch niemandem zu 
gehören vermochte, weil sie sich bei ihrem natürlichen Zu- 
stande der Beherrschung entzieht. Hinsichtlich des Meeres 
und der litora läfst sich dagegen aus den Quellen auch der 
weitere Nachweis erbringen, dafs sie nach römischem Recht 
auch als unfähig galten, im Eigentum irgend einer Person zu 
stehen. Es ist nämlich ein jeder befugt , vorausgesetzt dafs 
dies nicht zum Schaden anderer geschieht oder eine Behinde- 
rung des Gemeingebrauchs mit sich bringt®, auf dem Gestade 
Gebäude zu errichten oder in das Meer hineinzubauen. Die 
litora und die Bauwerke fallen damit in das Eigentum des 



1 In 1. 50 D. de A. R. D. 41, 1 und 1. 3 § 1 D. ne quid in loco 
publ. 43, 8 ist von einer obrigkeitlichen Erlaubnis zum Bauen im 
Meer und auf den litora die Rede. Das Bauen ohne diese Erlaubnis 
ist aber an sich nicht unzulässig; die Erlaubnis verhindert nur die 
Anfechtung der Bauten wegen Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs 
oder einzelner. Vgl. insbesondere 1. 1 § 18 D. de op. n. n. 39, 1 ; femer 
1. 2 § 8 D. ne quid in loco publ. 43, 8; 1. 1 § 17 D. de flumin. 43, 12. 

Mit der Annahme des Staatseigentums an den litora vertritt 
Celsus in derselben Weise eine Sonderansicht, wie er eine solche hin- 
sichtlich des Eigentums an den Ufern der öflfentlichen Flüsse hat (vgl. 
1. 30 § 1 D. de A. R. D. 41, 1). 

2 L. 2 § 8 D. 1. c. 

8 L. 4 D. ne quid in loco publ. 43, 8; 1. 1 § 17 de flumin. 43, 12. 



§ 8. Die aqua profluens. 5& 

Erbauers, allein nicht aus dem einzigen Grunde, weil in dem 
Bauen selbst eine Occupation liegt, sondern weil die Ufer und 
das im Meer Gebaute nicht mehr zum Meere gehören. Damit 
Eigentum des Bauenden begründet wird, mufs den litora 
dieser Charakter genommen werden und das Bauwerk, das 
jemand ins Meer errichtet hat, von Grund auf eine dauernde 
Verdrängung des Meeres bewirken. Errichtet jemand blofs 
eine Hütte auf dem Meeresufer, so kann er damit Eigentum 
an diesem nicht gewinnen, selbst wenn ihm dabei die Absicht 
innewohnt, Besitz von demselben zu ergreifen ; es liegt hierin 
lediglich eine Benutzung des Gestades, die jedermann frei- 
steht*. Überall bildet daher in den Quellen das Bauen in 
dem Meere oder auf dem Ufer desselben die Voraussetzung 
für die Gewinnung von Eigentum ^. Wird das Bauwerk vom 
Meer verschlungen oder verfällt das auf dem Ufer errichtete 
Gebäude in der Weise, dafs das Ufer sein früheres Aussehen 
wiedergewinnt, so geht das Eigentum von selbst wieder ver- 
loren^. Es geht daraus unzweideutig hervor, dafs nach 
römischem Recht ein Eigentum am Meer und an den litora 
als solchen nicht bestehen kann. 

II. Wendet man die Ergebnisse der bisherigen Aus- 
führungen auf die von Marcian und in den Institutionen ge- 
gebene Einteilung der Sachen an, so dürfte nur hinsichtlich 
der res nullius feststehen, dals unter ihnen die res sacrae, 
religiosae und sanctae gemeint sind*. Dagegen bedarf auch 
hiernach die Bedeutung der res omnium communes, der res 
publicae und der res universitatis und der zwischen ihnen 
bestehende Unterschied der näheren Feststellung. Was die 



1 §§ 1, 5 1. 1. c; 1. 4 pr., 1. 5 § 1 D. de div. rer. 1, 8. Vgl. 1. 45 
pr. D. de usurp. 41, 3. 

« Vgl. 1. 6 pr., 1. 10 D. de div. rer. 1, 8; 1. 14 pr., 1. 30 § 4, 1. 50 
D. de A. R. D. 41, 1; 1. 2 § 8, 1. 3 § 1 D. ne quid in loco publ. 43, 8. 
Die Anknüpfung von fr. 6 an fr. 5 § 1 D. de div. rer. 1, 8 ist ver- 
kehrt 

» L. 14 § 1 D. de A. R. D. 41, 1; 1. 6 pr. D. de div. rer, 1, 8. 
Auch 1. 10 D. eod. 

* Vgl. § 7 I. de rer. div. 2, 1; 1. 1 pr., 1. 6 § 2 D. de div. rer. 1, 8. 



60 Zweites Kapitel. 

res omnium communes anbelangt, so kann diese Bezeichnung 
an sich für die Luft, das Meer und die litora in dem 
Sinne gebraucht sein, dafs damit der an ihnen bestehende 
usus communis kundgegeben werden soll, wird doch jener 
Ausdruck in 1. 13 § 7 D. de injur. 47, 10 von Ulpian in 
diesem Sinne angewendet. Indessen stehen dieser Auffassung 
folgende Gründe entgegen. Es würde einmal die von Marcian 
und in den Institutionen gegebene Einteilung der Sachen eines 
einheitlichen Gesichtspunktes ermangeln, da dieser Einteilung 
dann teils der Gesichtspunkt zu Grunde liegen würde, in 
wessen Nutzung, teils in wessen Eigentum oder Vermögen die 
Sachen stehen. Sodann liefse sich der Gegensatz, in welchen 
an den gedachten Orten die flumina als res publicae zu den 
res communes gestellt sind, schlechterdings nicht ermitteln. 
Denn da die flumina und ripae in gleicher Weise wie das 
mare und die litora im usus publicus jure gentium stehen \ 
so müfsten sie, falls die res omnium communes die dem Ge- 
meingebrauch dienenden Sachen bedeuten, in gleicher Weise 
unter diesen Sachen genannt werden, selbst wenn sie nach 
einer anderen Kichtung ein unterscheidendes Merkmal trügen. 
Nun haben allerdings die Institutionen, wenn sie in § 2 1. 1. c. 
die flumina und portus als res publicae in Gegensatz zu den 
res omnium communes stellen, den an den Flüsäen und Häfen 
bestehenden Gemeingebrauch im Auge, da sie aus der Öffent- 
lichkeit ein allgemeines Fischereirecht (jus piscandi omnibus 
commune) herleiten. Allein gerade die Thatsache, dafs der 
Gemeingebrauch nicht blofs den flumina und portus, sondern 
auch der Luft, dem Meer und den litora eigen ist, zeigt un- 
verkennbar, in welch verkehrter Weise der Institutionen- 
verfasser bei der Abfassimg dieses Abschnittes zu Werke 
gegangen ist. Es ist aufserordentlich bemerkenswert, dafs 
Marcian an der dem § 2 1. 1. c. entsprechenden Digestenstelle 
unter Hervorhebung des Gegensatzes nur von der Öffentlich- 
keit der flumina und portus spricht, dagegen den Zusatz der 
Institutionen nicht kennt, welcher von dem sich hieraus 



1 §§ 4, 5 I. de rer. div. 2, 1 ; 1. 45 D. de usurp. 41, 3. 



§ 3. Die aqua profluens. 61 

ergebenden allgemeinen Fischereirecht handelt. Nimmt man 
an, dafs bei Marcian die flumina als res publicae den res 
communes gegenübergestellt werden, so ergiebt sich hieraus 
mit zwingender Notwendigkeit der Schlufs, dafs weder die 
Luft, das fliefsende Wasser, das Meer und das Meeresgestade 
als res omnium communes, noch die Flüsse und die Häfen als 
res publicae nach dem Gesichtspunkte eines an ihnen be- 
stehenden Gemeingebrauches bezeichnet sein können, dafs 
vielmehr diesem Gegensatz ein anderer Gesichtspunkt — als 
welcher sich nur derjenige des Eigentums darstellen kann — 
zu Grunde liegen mufs. 

Sieht man aber auch von diesen Gründen ab, so können 
doch die Institutionen und Marcian den Ausdruck omnium 
communes zur Bezeichnung des an gewissen Sachen bestehen- 
den Gemeingebrauches aus dem einfachen Grunde nicht an- 
gewendet haben , weil die aqua profluens keineswegs grund- 
sätzlich dem Gemeingebrauch zu dienen bestimmt ist. Es 
mufs entschieden das Vorhandensein einer allgemeinen natür- 
lichen Rechtsanschauung verneint werden, welche sich dahin 
äufsert, dafs alles fliefsende Wasser als Gemeingut aller 
Menschen der allgemeinen Benutzung freigegeben und dem 
Privateigentum grundsätzlich verschlossen ist. Weit eher 
würde noch der natürlichen Anschauung ein Satz entsprechen, 
welcher das Wasser schlechthin für ein allen Menschen ge- 
meinsames Gut im Hinblick darauf erklärt, dafs das Wasser, 
wie die Luft und das Licht, ein Geschenk der Natur ist. 
Allein jus naturale liegt in dieser Anschauung nur hinsichtlich 
der Luft und des Lichts, welche als unermefsliche, unfafsliche 
und unteilbare Güter in gleicher Weise allen Menschen zu gute 
kommen und zu gute kommen müssen (freie Güter) ^ Ist das 
Wasser auch wie die Erde und ihre Güter überhaupt nach 
natürlicher Anschauung zum Genufs aller Menschen in 
gleicher Weise bestimmt, so führt doch das gesellige (wirtschaft- 
liche) Leben der Menschen regelmäfsig zu einer Verteilung 



1 Ovid Metamorph. 1, 135; 2, 35; 6, 350; 7, 127. Cicero, pro Sex. 
Roscio Amerino 52, 150. 



62 Zweites Kapitel. 

"der Erdengüter, welcher auch das Wasser als greifbare 
Sache unterworfen ist^ Der natürliche Rechtsgedanke, 
welcher jedem Menschen ein Recht auf Wasser wie auf Nah- 
rung überhaupt zuspricht, schliefst keineswegs den Rechts- 
«atz in sich, dafs jeder Mensch an allen Gewässern wie an 
allen Nahrungsmitteln der Erde ein gleiches Recht habe; er 
«etzt sich in der Wirklichkeit dahin um, dafs jedem Menschen 
nach Mafsgabe der Rechtsordnung die Erlangung von Wasser 
und Nahrung eröffnet ist. Selbst ein Recht auf freie An- 
eignung von Trinkwasser, sei es aus natürlichen oder künst- 
lich geschaffenen Gewässern, besteht immer nur nach dem 
Inhalt der für sie geltenden Rechtsordnung. In wasserarmen 
Ländern existiert ein Recht auf unentgeltliche Benutzung von 
Oewässern, welche zum menschlichen Trunk geeignetes Wasser 
"enthalten, entweder überhaupt nicht oder doch nur in be- 
schränkter Weise; das Wasser bildet dort eine Ware 2. 

Ein Satz, welcher alles fliefsende Wasser für Gemeingut 
erklärt, würde aber weiterhin nicht nur nicht der natürlichen 
Rechtsanschauung entsprechen, er würde vielmehr zu ihr in 
scharfem Widerspruch stehen. Er hat nicht einmal darin 
eine Grundlage, dafs Wasser, welches im Fliefsen begriffen 
ist, sich der Beherrschung und damit dem Eigentum entzieht. 
Es kann im Gegenteil fliefsendes Wasser ebenso wie stehen- 
des im Eigentum stehen, und aus den Quellen geht dies auch 
mit unanfechtbarer Deutlichkeit hervor. 

Dafs ein solcher Rechtssatz sich mit der natürlichen 
Rechtsanschauung nicht im Einklang befindet, läfst sich an 
einfachen Beispielen leicht darthun. Entspringt z. B. ein 
Bach auf dem Grundstück eines Privatmannes und mündet, 
ohne dasselbe verlassen zu haben, in einen ebendemselben 
gehörigen Teich, so wäre ein Rechtssatz geradezu unverständ- 
lich, welcher das Wasser erst, nachdem es im Teich zum 



1 Ovid, Metamorph. 1, 136; ex Ponto 1, 3, 55 f. Vergil, Georg. 
1, 125 ff. 

2 L. 1, 1. 14 § 3 D. de alim. 34, 1; 1. 21 § 5 D. de furtis 47, 2; 
Seneca, natural, quaest. 4, 13. 



§ 3. Die aqua profluens. 63 

Stillstand gekommen, in das Eigentum des Teicheigenttimers 
gelangen läfst. Denn dafs Teiche wie überhaupt stehende 
Gewässer hinsichtlich des Wassers im Eigentum stehen können, 
dürfte nicht anzuzweifeln sein. Es wäre nicht zu begreifen, 
dafs das Wasser des Teiches in diesem Falle den Schutz des 
Eigentums geniefsen sollte, während das Wasser des Baches, 
welcher den Teich speist, der freien Benutzung aller hin- 
gegeben wäre. Auch sonst würden sich aus der rechtlich 
verschiedenen Behandlung des fliefsenden und des stehenden 
Wassers die gröfsten Unzuträglichkeiten ergeben. Wird ein 
privater See von einem Wasserlauf durchflössen, so würde 
das Wasser des Sees teils im Eigentum stehen, teils von 
jedermann benutzt werden können. Ein See, welcher etwa 
nach irgend einer Richtung hin einen schwachen Abflufs hat, 
würde grundsätzlich dem Gemeingebrauch freigegeben sein. 
Nur eine verknöcherte Rechtswissenschaft könnte auf das rein 
äufserliche Moment des Fliefsens eine rechtlich verschiedene 
Behandlung der natürlichen Gewässer gründen, selbst wenn 
es sich d^rum handeln sollte, einen Rechtsgedanken in konse- 
quenter Weise durchzuführen. 

Allein es ist ja keineswegs richtig, dafs das Wasser, 
welches im Fliefsen begriffen ist, sich der Möglichkeit der 
Beherrschung und damit dem Eigentum entzieht. Die that- 
sächliche Herrschaft über den Grund und Boden, auf welchem 
von Natur fliefsendes Wasser sich aufhält, gewährt von selbst 
die Möglichkeit der Beherrschung des Wassers selbst. Dies 
bedarf bei solchem Wasser, welches in keinem bestimmten 
Lauf auf der Erdoberfläche hinfliefst oder hinsickert, keiner 
weiteren Hervorhebung. Es wird diesem Wasser weder vom 
natürlichen, noch vom rechtlichen Standpunkt eine besondere 
Beachtung geschenkt; es erscheint lediglich als ein Bestand- 
teil des Bodens, auf welchem es sich befindet. Nicht anders 
ist dies aber bei solchem Wasser, welches in festem Lauf auf 
der Erdoberfläche dahinströmt. Indem es dem Grund und 
Boden seinen eigenen .Charakter aufdrückt , bildet es nach 
natürlicher Anschauung mit ihm ein Ganzes. Man spricht 
nicht von Grund und Boden, welcher beständig von Wasser 



54 Zweites Kapitel. 

Überflossen wird, sondern von einem Flufs, einem Bach, eben- 
sowenig wie der Sprachgebrauch ein mit einer grofsen Menge 
von Bäumen bestandenes oder mit zahlreichen Reben be- 
pflanztes Grundstück, sondern immer nur einen Wald, einen 
Weinberg kennt. Auch die Rechtswissenschaft trägt nicht 
das mindeste Bedenken, mit diesen Begriffen zu operieren. 
Sie anerkennt ein Eigentum an einem Wald, einem Weinberge 
einem Garten und denkt nicht im entferntesten daran, den 
Grund und Boden und das, was ihm sein besonderes Gepräge 
verleiht, zu trennen. Der Eigentümer des Waldes hat an 
allen in diesem befindlichen Bäumen von selbst Eigentum, ohne 
dafs er überhaupt von ihrem Dasein specielle Kenntnis und 
ohne dafs er den Willen hat, gerade sie zu beherrschen. Das 
Eigentum am Walde giebt das vollständige Eigentums- und 
Nutzungsrecht an allen Erzeugnissen desselben. Nicht anders 
ist dies aber auch beim See und beim Flufs. Das Eigentum 
am See und am Flufs bedeutet zugleich das Recht der aus- 
schliefslichen Beherrschung des Grundes und Bodens und des 
Wassers, welches sich auf ihm aufhält. Es ist keineswegs 
richtig, zu behaupten, dafs ein Eigentum am Flusse nicht be- 
stehen kann', weil sich das Wasser desselben durch sein 
Schwinden der Beherrschung entziehe. Der Begriff des Eigen- 
tums setzt nicht voraus, dafs alle Bestandteile der Sache, an 
welcher es bestehen soll, ständig beherrscht werden, sondern 
dafs nur jeweilig die Möglichkeit der Beherrschung vorhanden 
sei. Das Wasser des Flusses ist wohl einem beständigen 
Wechsel unterworfen, allein der Wasserlauf enthält keine 
Lücke, und es kann jederzeit das Eigentumsrecht am Flufs 
durch Benutzung seines Wassers ausgeübt werden. Auch das 
Wasser des Sees ist ja in einer beständigen Veränderung be- 
griffen, er empfängt beständig neues Wasser durch seine Zu- 
flüsse und giebt keineswegs blofs das empfangene ^n den 
Erdboden , an die Luft durch Verdunstung oder durch einen 
Abflufs wieder ab, und doch kann der See und sein Wasser 
im Eigentum stehen. Nicht minder ist der Wald einer be- 
ständigen Erneuerung unterworfen, auch hier besteht ein be- 
ständiges Werden und Vergehen ; das Eigentum am Wald und 



§ 3. Die aqua profluens. 65 

seinen Erzeugnissen wird aber dadurch nicht im mindesten 
in Frage gestellt. Wie die Bäume nicht erst durch ihr Fällen 
ins Eigentum des Waldeigenttimers übergehen, ebensowenig 
gewinnt der Flufseigenttimer das Eigentum am Flufswasser 
erst durch dessen Entnahme. Das Wasser, welches der Flufs 
oder See enthält, und die Erzeugnisse, die der Wald hervor- 
bringt, befinden sich ipso jure im Eigentum des Flufs-, See- 
oder Waldeigenttimers. 

In 1. 76 D. de judiciis 5 , 1 wird des Näheren erörtert, 
ob die Identität eines Gesamtbegriffs durch die Veränderung 
seiner Teile getroffen wird: 

Alfenus libro VI Digestorum. -— Proponebatur ex his 
judicibus, qui in eandem rem dati essent, nonnuUos causa 
audita excusatos esse inque eorum locum alios esse sumtos, 
et quaerebatur, singulorum judicum mutatio eandem rem 
an aliud Judicium fecisset. Respondi, non modo, si unus 
aut alter, sed etsi omnes judices mutati essent, tamen et 
rem eandem et Judicium idem, quod antea fuisset, per- 
manere ; neque in hoc solum evenire, ut partibus commu- 
tatis eadem res esse existimaretur, sed et in multis cete- 
ris rebus. Nam et legionem eandem haberi, ex qua multi 
decessissent, quorum in locum alii sub^cti essent, et po- 
pulum eundem hoc tempore putari, qui abhinc centum 
annis fuissent, cum ex illis nemo nunc viveret. Itemque 
navem, si adeo saepe refecta esset, ut nulla tabula eadem 
permaneret, quae non nova fuisset, nihilominus eandem 
navem esse existimari. Quodsi quis putaret, partibus 
commutatis aliam rem fieri, fore, ut ex ejus ratione nos 
ipsi non iidem essemus, qui abhinc anno fuissemus, propter- 
ea quod, ut philosophi dicerent, ex quibus particulis 
minimis consisteremus , hae cotidie ex nostro corpore de- 
cederent aliaeque extrinsecus in earum locum accederent. 
Quapropter cujus rei species eadem consisteret, rem quo- 
que eandem existimari. 
Nach römischer Rechtsanschauung werden also Gesamtbegriffe, 
wie Volk, Legion, Schiff, menschlicher Körper, durch den natur- 
gemäfsen Wechsel ihrer Bestandteile unberührt gelassen. 

Ossig, Wassarreoht. 5 



66 Zweites Kapitel. 

Wie der menschliche Körper, so sind aber auch alle anderen 
Erzeugnisse der Natur einer beständigen Änderung ihrer 
Teilchen unterworfen. Dann aber kann man annehmen, dafs 
das römische Recht auch die Gewässer als GesamtbegrifFe 
auffafst, bei denen der natürliche Wechsel der Bestandteile 
eine rechtliche Beachtung nicht findet, und dafs die Ge- 
wässer daher wegen dieser ihrer rechtlich anerkannten Un- 
veränderlichkeit wohl geeigneter Gegenstand für das Eigen- 
tum sind^ 

Einige wollen in dieser Frage den Wasserlauf als Ge- 
samtheit zu der einzelnen fliefsenden Wasserwelle in einen 
Gegensatz stellen und den Satz, dafs die aqua profluens eine 
res omnium communis ist, auf die fliefsende Wasserwelle be- 
ziehen. Es mufs einmal bestritten werden, dafs aqua profluens 
gerade die fliefsende Wasser welle bedeuten kann, und es 
liegt auch kein triftiger Grund vor, gerade ein völlig un- 
sicheres und schwankendes Teilchen von fliefsendem Wasser 
unter aqua profluens zu verstehen. Unterliegen die Wasser- 
läufe dem Eigentum, so mufs ferner nach allgemeinen Grund- 
sätzen das Eigentum notwendig auf alle ihre Bestandteile 
sich erstrecken. Allerdings ist es richtig, dafs auf eine einzelne 
fliefsende Welle der Beherrschungswille sich nicht richten 
kann, weil die Welle keinen Bestand hat und sich im Augen- 
blick verändert. Diese Eigenschaft wohnt aber keineswegs 
blofs der fliefsenden Welle inne, sie ist in gleicher Weise den 
Wasserteilchen von stehenden Gewässern wie den Teilchen 
jeder Flüssigkeit und jeder festen Masse eigen, welche sich 
sinnlich nicht festhalten lassen. Liegt hierin also keine Be- 
sonderheit der fliefsenden Wasserwelle, so ist auch kein Grund 
vorhanden, gerade für diese die Eigentumsunfähigkeit hervor- 
zuheben , und es fällt damit die hierauf fufsende Erklärung 
des Institutionensatzes von der aqua profluens in sich zu- 
sammen. 



1 Aristoteles, Polit. 3, 1, 13: marnq xaX nora^ovg (flumina) cf- 
(od-a/Lt€v Ifyeiv jovg avTovg xal XQrjvas (Pontes) rag avtds, xatneg del tov 
fihv iniyevofiivov ^dfiajog tod ^vm^iovrog 



§ 3. Die aqua profluens. 67 

Übrigens entzieht sich auch solches Wasser, welches erst 
durch künstliche Vorrichtungen oder durch menschliche 
Thätigkeit zum Fliefsen gebracht wird, keineswegs dem Eigen- 
tum. Es entscheiden vielmehr die allgemeinen Grundsätze 
über das Eigentum und den Erwerb und Verlust desselben 
darüber, ob und welche Wirkung das Fliefsenlassen auf die 
rechtliche Lage des Wassers selbst ausübt. Das Fliefsenlassen 
kann einer rechtlichen Bedeutung überhaupt ermangeln, so 
z. B. wenn jemand durch feste Leitungen Wasser fliefsen läfst, 
um es an anderer Stelle wieder aufzufangen, wenn also das 
Fliefsenlassen lediglich der Beförderung des Wassers dient. 
Das Fliefsenlassen kann andererseits als eine Art der Tra- 
dition den Zweck haben, das Eigentum am Wasser auf einen 
Anderen zu übertragen. Es kann aber auch mit der Absicht 
geschehen, das Eigentum am Wasser aufzugeben. Der Eigen- 
tumserwerb mittels Fliefsenlassens mufs nach allgemeinen 
Grundsätzen dann für erfolgt gelten, wenn das Wasser dem 
Herrschaftsbereich des Erwerbers verfallen ist. Leitet also 
jemand auf Grund eines ihm zustehenden Rechtes Wasser 
aus einem fremden Wasserlaufe ab, so fällt dieses Wasser, 
falls keine Vorrichtungen getroffen sind, durch welche das 
Wasser von dem Erdreich abgesondert wird, erst dann in das 
Eigentum des Ableitenden, wenn es den ihm gehörigen Grund 
und Boden berührt. Wird das Wasser dagegen von dem 
Berechtigten durch Röhren oder in undurchlässigen Kanälen 
geleitet, so gelangt es bereits mit dem Eintreten in sie in 
das Eigentum des Berechtigten ^ 

In den Quellen wird weiterhin von einem communis usus 
nur hinsichtlich des Meeres, der Meeresufer und der Luft 
gesprochen 2, während eines communis usus an der aqua pro- 
fluens nirgends Erwähnung gethan wird. Wäre femer alles 



^ Vgl. über das Eigentum an Wasserleitungsröhren L 27 § 32 D. 
ad leg. Aquil. 9, 2; 1. 47, 1. 48, 1. 49, 1. 78 pr. D. de contr. emt. 18, 1; 
1. 15 D. de act. emti et vend. 19, 1; 1. 30 § 1 D. de damn. inf. 39, 2. 

2 L. 3 § 1 D. ne quid in loco publ. 43, 8; 1. 13 § 7 D. de injur, 
47, 10. 

5* 



68 Zweites Kapitel. 

fliefsende Wasser grundsätzlich dem Gemeingebrauch frei- 
gegeben, so würde hierin offenbar der Satz eingeschlossen 
liegen, dafs die rechtlichen Schicksale des Grundes und Bodens, 
auf welchem das Wasser sich aufhält, für diejenigen des 
Wassers selbst nicht bestimmend sind und sich vielmehr ge- 
sondert von ihnen gestalten. Allein hiermit steht 1. 11 pr. 
D. quod vi aut clam 43, 24, wo sich Ulpian folgendermafsen 
ausläfst, in offenem Widerspruch: 

Ulpianus libro LXXI ad Edictum. — Is, qui in pu- 

teum vicini aliquid effuderit, ut hoc facto aquam corrum- 

• peret, ait Labeo, interdicto Quod vi aut clam eum teneri ; 

portio enim agri videtur aqua viva, quemadmodum si quid 

operis in aqua fecisset. 

Das interdictum quod vi aut clam, welches ein opus solo 
factum voraussetzt, wird hier, insoweit es sich um das Er- 
fordernis des solum handelt, unter der allgemeinen Begrün- 
dung für anwendbar erklärt, dafs die aqua viva als ein Be- 
standteil des Grundes und Bodens erscheine. Nun kann es 
keinem Zweifel unterliegen, dafs die aqua viva den Gegensatz 
zur aqua coelestis bildet und alles Wasser, welches aus der 
Erde stammt, und somit nicht blofs das Brunnenwasser, sondern 
auch das Wasser von oberirdischen stehenden und fliefsenden 
Gewässern umfafst ^ Wenn nun alles fliefsende Wasser nach 
seiner natürlichen Beschaffenheit grundsätzlich dem Gemein^ 
gebrauch freigegeben wäre, so wäre der Satz von Ulpian^ 
dafs die aqua viva als portio agri gelte, in dieser Allgemein- 
heit offenbar unrichtig, da er nur für nichtfliefsendes Wasser 
Gültigkeit beanspruchen könnte. 

Ein triftiger Grund liegt nicht vor, dem Ausspruch von 
Ulpian eine allgemeine Tragweite abzusprechen und ihm nur 
Beziehung auf das Brunnenwasser zu geben. Ein solcher 
Grund liefse sich namentlich darin nicht finden, dafs nach 
dem neueren klassischen römischen Recht die öffentlichen 
Flüsse den Grund und Boden publizieren, welchen sie jeweilig' 



1 Vgl. 1. un. § 4 D. de fönte 43, 22; Seneca, natural, quaest. 3, 7.' 



§ 3. Die aqua profluens. 69 

bedecken \ also umgekehrt der rechtliche Charakter des al- 
yeus durch denjenigen des Gewässers bestimmt werde. Auch 
die Öffentlichkeit der Flüsse erstreckt sich grundsätzlich so- 
wohl auf ihr Wasser, wie auf den von diesem bedeckten 
Orund und Boden. Die Publizität der einzelnen Flüsse ist 
aber nicht durch den Zufall, sondern durch die besonderen 
natürlichen Eigenschaften des Wasserlaufes bestimmt; sie 
kann dadurch nicht verloren gehen, dafs der Flufs sein ur- 
«prtlngliches Bett verläfst und seinen Lauf über privaten 
Grund und Boden nimmt. Gerade daraus, dafs man in diesem 
Falle den privaten Grund und Boden öffentlich werden läfst, 
ist klar zu entnehmen, dafs das entwickelte römische Recht 
hinsichtlich des rechtlichen Charakters den alveus und den 
Wasserlauf nicht voneinander zu trennen vermag. 

Endlich aber geht aus den Quellen im Gegenteil mit 
völliger Sicherheit hervor, dafs ein Eigentum an fliefsendem 
Wasser sehr wohl möglich war. Das Privateigentum an den 
fontes privati erstreckt sich nämlich keineswegs blofs auf den 
alveus, sondern gewährt vor allem auch das Recht der aus- 
schliefslichen Benutzung des Wassers. Befände sich das 
Wasser der fontes nicht im Privateigentum, so könnten 
offenbar Servituten, durch welche vom Bacheigenttimer die 
Nutzung des Wassers Dritten eingeräumt wird, wie die ser- 
vitus aquaehaustus , an den fontes nicht begründet werden; 
die Einräumung solcher Servituten müfste, wie beim flumen 
publicum, bedeutungslos sein. Es würde immer nur, wenn 
das fliefsende Wasser allen Menschen gemein wäre, zum 
Zwecke der Ermöglichung der Wasserbenutzung eine Wege- 
gereehtigkeit zum Bach bestellt werden können, oder es würde 
überhaupt keiner Erlaubnis zur Benutzung des Bachwassers 
bedürfen, wenn Dritte thatsächlich freien Zugang zu ihm 
haben. Das Gegenteil von diesem allen geht aber aus den 
Quellen hervor. Die Zulässigkeit der Bestellung von Wasser- 
servituten am fons lehren die zum Schutze derselben, ins- 
besondere der servitus aquaehaustus, bestehenden Interdikte. 



1 L. 30 § 3 D. de A. R. D. 41 1; 1. 1 § 7 D. de flumin. 43, 12. 



70 Zweites Kapitel. 

Aus 1. 3 § 3 D. de serv. pr. rust. 8, 3 ergiebt sich klar, dafö 
an einem fons privatus eine servitus aquaehaustus bestellt 
werden kann, und aus 1. 20 § 2 D. eod. ist zu entnehmen^ 
dafs eine servitus aquaeductus an einem fons confinis auch 
für das dem fons unmittelbar benachbarte Grundstück mög- 
lich ist. Ist sonach die Benutzung des Bachwassers von einer 
gerade auf sie lautenden Erlaubnis des Bacheigentümers ab- 
hängig, so geht daraus unanfechtbar hervor, dafs das fliefsende 
Wasser der rechtlichen Machtsphäre des Bacheigentümers 
untersteht. 

Für die flumina privata ergiebt sich ein gleiches aus^ 
den Quellen nicht. Ulpian sagt allerdings in 1. 1 D. de flumin. 
43, 12, dafs sie sich in nichts von den sonstigen privaten 
Orten unterscheiden: 

§ 4. Hoc interdictum ad flumina publica pertinet; 
si ai^tem flumen privatum sit, cessabit interdictum, nihil 
enim differt a ceteris locis privatis flumen privatum. 

§ 10. Nee pertinet ad hoc interdictum, si quid in 
private factum sit, ne quidem si in private flumine fiat; 
nam quod fit in private flumine, perinde est atque si in 
alio private loco fiat. 

Allein nach dem ganzen Zusammenhang dieser Äufserungen 
will Ulpian offenbar nicht den Satz aufstellen, dafs der Privat- 
flufs hinsichtlich des Eigentums völlig den sonstigen privaten 
Sachen gleichstehe, sondern nur, dafs er hinsichtlich der Frage 
der Anwendbarkeit des Interdiktes von den übrigen Privat- 
orten sich nicht unterscheide und daher das Interdikt auch 
für ihn nicht platzgreife. Nichtsdestoweniger liegt angesichts 
der Thatsache, dafs das Eigentum der fontes sich auch auf 
das Wasser erstreckte, kein Grund vor, nicht anzunehmen, 
dafs auch das Eigentum an den flumina privata das Recht 
der ausschliefslichen Benutzung des Wassers gewährte ^ Ein 



1 Eine andere Frage ist es, ob der Eigentümer des torrens davon 
Gebrauch machte; bei der gemeinschädlichen Natur der torrentia wird 
dies} regelmäfsig nicht der Fall gewesen sein. 



§ 3. Die aqua profluens. 71 

gleiches wird naturgemäfs für die kleinen aus aqua pluvia 
gebildeten Wasserläufe, die rivi privati, gelten müssen. 

Aus folgender Äufserung des Cicero in seiner Schrift de 
officiis* ergiebt sich mit gleicher Beweiskraft, dafs das 
fliefsende Wasser sich keineswegs dem Eigentum entzog, dafs 
es vielmehr im Privateigentum zu stehen vermochte: 

una ex re satis praecipitur, ut quidquid sine detri- 
mento possit commodari, id tribuatur vel ignoto. Ex quo 
illa communia: non prohibere aqua profluente, pati ab 
igne ignem capere, si qui velit, consilium fidele deli- 
beranti dare, quae sunt iis utilia, qui accipiunt, danti non 
molesta. 
Es gehört, sagt Cicero, zu den auf der menschlichen Gesell- 
schaft beruhenden Pflichten, auch dem Unbekannten die un- 
entgeltliche Benutzung von Sachen nicht zu versagen, welche 
ohne Schaden gewährt werden können, wie der Trunk aus 
fliefsendem Wasser, die Gewinnung von Feuer durch Über- 
tragung aus einem fremden Feuerbrand. Von einem Recht 
auf Entnahme des Feuers und des Wassers spricht Cicero 
nicht im entferntesten; eine Prohibition an dem Genufs des 
fliefsenden Wassers oder das Nichtdulden der Entnahme von 
Feuer wäre sonst ein Unrecht (injuria) gegenüber dem Be- 
hinderten. In der Nichtausübung eines Unrechts aber liegt 
nicht die Erfüllung eines officium. Die Worte commodare, 
tribuere, dare und accipere zeigen offen, dafs es sich um die 
Gewährung einer Vergünstigung seitens des Berechtigten an 
den Nichtberechtigten handelt; die Bezugnahme auf den 
ignotus wäre bei einem Recht auf das fliefsende Wasser oder 
auf das Feuer unverständlich^. 

Hiemach steht fest, dafs im Sinne der Institutionen und 
von Marcian unter den res omnium communes solche Sachen 
nicht verstanden sein können, welche nach natürlichem Recht 
dem Gemeingebrauch aller Menschen freistehen. Nun ist 
bereits des näheren ausgeführt worden, dafs die Luft, das 



1 De officiis 1, 51, 52. Vgl. Seneca, de beneficiis 4, 29, 1 flF. 

2 Ovid, Metamorph. 6, 352 ff. 



72 Zweites Kapitel. 

Meer und die litora als res nullius galten, dafs sie nicht nur 
nicht im Eigentum standen, sondern auch nicht im Eigentum 
zu stehen vermochten. Von solchen Sachen, die nieman- 
dem zugehören, kann man aber, da Gegensätze sich berühren, 
sehr wohl auch sagen, sie gehören der Allgemeinheit zu, 
wenn man damit nur nicht ein gemeinschaftliches Eigentum 
aller feststellen will. Für die Luft, das Meer und die litora 
wäre die Bezeichnung als allen Menschen gemeinsam 
(omnium communes) umsomehr zutreffend, als diese nach 
ihrer Natur in niemandes Eigentum zu stehen vermögen, also 
nicht blofs ein Gut der Allgemeinheit sind, sondern es auch 
notwendig verbleiben müssen. Für solche res nullius, die des 
Eigentums nicht unfähig sind, würde man weit weniger zu- 
treffend den Ausdruck res omnium communes gebrauchen 
können. 

Es kann sich sonach nur fragen, ob der Ausdruck omnium 
communis in diesem Sinne auch auf die aqua profluens an- 
gewendet werden kann. Nun ist aber soeben dargethan wor- 
den, dafs das Wasser, welches im Fliefsen begriffen ist, nicht 
Wofs nicht grundsätzlich im Gemeingebrauch steht, sondern 
dafs es auch tauglicher Gegenstand des Eigentums ist. Die 
Frage ist damit schlechthin zu verneinen, und der Satz, dafs 
die aqua profluens eine res omnium communis ist, müfste 
daher als unrichtig angesehen werden. Will man indessen 
den Satz nicht schlechthin verwerfen, so dürfte sich eine 
Erklärung nur dann finden lassen, wenn man aqua prc^uens 
enger fafst und nur auf eine bestimmte Art von fliefsendem 
Wasser bezieht. Mit Recht hat man den Begriff der aqua 
profluens allgemein schon dahin einschränkend aufgefafst, 
dafs Marcian nur solches Wasser darunter versteht, welches 
von Natur fliefst, nicht dagegen auch solches, welches erst 
durch den menschlichen Willen zum Fliefsen gebracht wird. 
Die Zusammenstellung mit den von der Natur geschaffenen 
Sachen, der Luft, dem Meer und dem Meeresgestade, und 
die Bezugnahme auf das jus naturale scheinen zwingend auf 
eine solche Einschränkung hinzudeuten. Indessen ist wohl 
zu beachten, dafs diese Beschränkung in den Worten aqua 



§ 3. Die aqua profluens. 73 

profluens an sich nicht liegt. Die Annahme ist daher nicht 
leichthin von der Hand zu weisen, dafs bei Marcian der Be- 
griff der aqua profluens durch ein Beiwort eingeschränkt 
war, welches die Kompilatoren unverständigerweise gestrichen 
haben. Wie dieses Beiwort aber lautete, darüber lassen sieh 
verschiedene Mutmafsungen aufstellen. 

Da das von Natur auf der Erdoberfläche fliefsende Wasser 
nicht notwendig omnium communis ist, so dürfte zunächst 
feststehen, dafs Marcian nicht von aqua natura oder natura- 
liter profluens gesprochen haben kann. Nun giebt es aber 
«ine besondere Art von natürlich fliefsendem Wasser, welches 
sich grundsätzlich während des Fliefsens dem Eigentum ent- 
zieht; es ist dies das vom Himmel, aus den Wolken herab- 
fliefsende Regenwasser, welches den Gegensatz zu dem auf 
der Erdoberfläche fliefsenden, dem Eigentum freistehenden 
Wasser bildet. Es ist daher sehr wohl möglich und mangels 
jeder anderen Erklärung sogar wahrscheinlich, dafs Marcian 
als omnium communis nur die aqua de coelo oder nubibus 
profluens bezeichnet hat. Das aus den Wolken herunter- 
strömende Wasser läfst eine Oecupation erst dann zu, wenn 
es in eine solche Nähe zur Erdoberfläche gekommen ist, dafs 
es für Menschen erreichbar wird. Die thatsächliche Herr- 
schaft über dieses Regenwasser erlangt man erst dann, wenn 
man es aufgefangen hat, oder wenn es sieh mit dem Erdboden 
vermischt hat, Bestandteil desselben geworden ist. Vorher 
besteht nur eine mehr oder weniger sichere Aussicht, dafs 
die herabfliefsenden Regentropfen in unser Eigentum fallen; 
die Möglichkeit einer Beherrschung, die Voraussetzung des 
Eigentums, ist vorher nicht gegeben. Mag sich auch unser 
Wille schon während des Herabfallens des Regenwassers auf 
dessen Beherrschung richten, so entsteht doch Eigentum erst 
dann, wenn es in unsere thatsächliche Gewalt gefallen ist. 
Weil das vom Himmel herabfallende Wasser sonach dem 
Eigentum sich verschliefst, ist es eine res nullius. Es ist 
eine res omnium communis, weil es als ein allen Menschen 
gemeinsames Gut während des Herabfallens von jedermann 
zu Eigentum oecupiert werden kann. 



74 Zweites K^iteL 

Bei dieser Aoffassimg der res omnium commimes als 
Gemeingut aller Menschen, welches sidi jeglichem Eigentum 
begrifflich entzieht, wird die Bedeutung der res publicae und 
res uniTersitatis in der Erörterung der Institutionen und 
von Marcian erst voll verständlich. Über das unterscheidende 
Merkmal zwischen den res publicae und den res universitatis 
sind die verschiedensten MutmaCsungen aufgestellt worden, 
ohne dafs eine Einigung erzielt worden ist. Es kann diese 
Teilung einmal nicht mit der Scheidung der öffentlichen 
Sachen in solche, welche im usus des Staates, und in solche, 
welche im usus der Allgemeinheit stehen, zusammenfallen; 
denn sowohl die flumina als auch die stadia theatra, welche 
als res publicae, bezw. universitatis erwähnt werden, gehören 
zu den Sachen, welche dem usus publicus zu dienen bestimmt 
sind *. Ebensowenig kann aber auch der Unterschied zwischen 
res publicae und res universitatis mit der Scheidung in Sachen 
des Staates und in Sachen der Gemeinden oder sonstigen 
Gesamtheiten identisch sein. Denn in 1. 1 pr. D. de div. rer. 
1,8* wird von den res publicae, welche hier zu den res 
privatae im Gegensatz stehen, gesagt: ipsius enim universi- 
tatis esse creduntur. Die Lösung des Rätsels ergiebt sich 
in folgendem. In der Einteilung der Sachen in den Institutionen 
des Marcian , auf welcher die Justinianeischen Institutionen 
fufsen, finden sich die res publicae überhaupt nicht erwähnt^- 
Marcian stellt die allgemeine Einteilung der Sachen voran 
und erörtert dann die einzelnen Arten derselben , indem er 
mit den res omnium communes beginnt. Hierbei kommt er 
vornehmlich auf das mare imd die litora und den an ihnen 
bestehenden usus publicus zu sprechen*. Die Erwägung, 
dafs auch andere Gewässer, die flumina und die portus, im 
usus publicus jure naturali stehen, führt ihn dazu, ihrer 



1 §§ 2, 6 I. 1. c. Vgl. § 2 I. de inutil. stipul. 3, 19; 1. 83 § 5, 
1. 137 § 6 de verb. obl. 45, 1. 

* Gaius, institut 11 § 11. 

» L. 2 pr. D. de div. rer. 1, 8. 

* L. 4 pr. D. eod. 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 75 

nebenbei zu gedenken und das Merkmal hervorzuheben, 
welches sie von dem Meer unterscheidet. Er sagt daher ^: 

sed flumina paene omnia et portus publica sunt, 
d. h. die Flüsse und Häfen stehen im Eigentum des Staates, 
während am Meer ein Eigentum ausgeschlossen ist. Marcian 
erwähnt die flumina nicht als Beispiele einer besonderen 
Gattung von Sachen, sondern legt die Eigenschaft der flumina 
im Gegensatz zu der des Meeres fest. Es besteht also über- 
haupt nur ein Gegensatz zu dem Vorhergehenden, während 
ein Gegensatz zwischen res publicae und universitatis nicht 
im geringsten statuiert wird. Unter den res universitatis 
versteht Marcian, wie aus der Erwähnung des servus com- 
munis civitatis in 1. 6 § 1 D. de div. rer. 1, 8 deutlich er- 
hellt, solche Sachen, welche im Eigentum der universitas 
stehen, gleichviel wessen usus sie dienen, und in dem Sinne, 
wie Marcian kurz vorher das Wort publicus in Beziehung 
auf die Flüsse versteht, erscheinen die res publicae als eine 
Unterart der res universitatis. Die Aufnahme der res publicae 
in die allgemeine Einteilung der Sachen beruht also darauf, 
dafs dem Institutionenverfasser der Gedankengang in der 
Erörterung von Marcian nicht zum Verständnis gelangt ist. 



§ 4. Scheidung der WasserlSnfe nach dem Gesichts- 
punkt des Eigentums. Das flumen publicum. 

Wie sehr auch die Ansichten über den Begriff des öffent- 
lichen Flusses, des flumen publicum, in der Litteratur 
auseinandergehen, so herrscht doch darüber allgemeines 
Einverständnis, dafs sich die Wasserläufe in öffentliche und 
private scheiden. Je nach dem Ergebnis, zu welchem man 
nach der Erörterung von Ulpian in Ansehung des Begriffes 
flumen publicum gelangt, bestimmt man den Begriff des 
privaten Wasserlaufes als Korrelat des ersteren. Diese 
Auffassung findet in den Quellen nicht die geringste Stütze. 

1 L. 4 § 1 D. eod. 



76 Zweites Kapitel. 

Ulpian teilt in 1. 1 §§3 flf. D. de flumin. 43, 12 die flumina 
nur in öffentliche und nichtöffentliche und spricht nur von 
der Möglichkeit der privaten Natur eines flumen. Auch diese 
unrichtige Anschauung hat ihren Grund in der Verkennung 
der Thatsache, dafs sich die Scheidung der Wasserläufe in 
öffentliche und nichtöffentliche in der Wirklichkeit festgestellt 
hat. Die bedeutenderen beständigen Wasserläufe, welche nach 
ihren natürlichen Eigenschaften dem Gemeingebrauch zu 
dienen bestimmt sind, waren von der Allgemeinheit für diesen 
Zweck dauernd in Anspruch genommen. Die Eigentums- 
verhältnisse der übrigen Wasserläufe waren dagegen in völlig 
gleicher Weise wie diejenigen der sonstigen Bestandteile der 
Erdoberfläche sehr verschieden und durch den Zufall bestimmt. 
Sie waren keineswegs stets dem Privateigentum verfallen. 
Das Privateigentum trägt den Charakter des Zufälligen an 
sich, es knüpft sich an das zufällige Dasein eines Menschen 
an. Ein Rechtssatz, welcher ganze Gattungen von Sachen 
grundsätzlich für Privateigentum erklärt, ist juristisch un- 
möglich. Die Wasserläufe, welche nicht für den Gemein- 
gebrauch in Anspruch genommen waren, werden in Wirklichkeit 
allerdings regelmäfsig wie der Grund und Boden überhaupt 
im Privateigentum gestanden haben. Sie konnten aber auch 
herrenlos seih oder politischen Gesamtheiten, dem Staat oder 
Gemeinden, zugehören*. 

Neben diesen dem jus humanum unterliegenden Wasser- 
läufen aber gab es nach römischem Recht anscheinend auch 



^ Dem Staat oder den Gemeinden gehörten die Wasserläufe auf 
Staats- oder Gemeindeländereien zu vollem Eigentum, sofern sie nicht 
flumina publica waren, die wohl, wie weiter unten gezeigt werden 
wird, im Eigentum des Staates, aber im Gemeingebrauch standen. 

Auch kleinere Wasserläufe (fontes) waren hin und wieder für sich 
allein, insbesondere zum Zwecke städtischer Wasserleitungen, von der 
AUgemeinheit in Anspruch genommen. Diese Wasserläufe standen 
nichts weniger als im Gemeingebrauch, sondern vielmehr im usus des 
Staates oder der Gemeinden (usus publicus in diesem Sinn) und auch 
in deren Eigentum, sofern sie nicht konsekriert waren. Vgl. 1. 9, 1. 10 
pr. 1. 11 C. de aquaeduct. 11, 42; Frontinus, de aquaeduct. art. 129 
(lex Quinctia de aquaeduetibus). 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 77 

solche, welche dem jus divinum als res sacrae unterworfen 
waren ^. Es waren aufser religiösen Gründen ^ gewichtige 
Volksinteressen, weiche zur Konsekration einzelner Wasser- 
läufe führten. Ein solches schwerwiegendes Völksinteresse, 
welches den starken sakralen Schutz erheischte, lag wohl 
hauptsächlich dann vor, wenn ein Wasserlauf der allgemeinen 
Versorgung einer Stadt oder Gemeinde mit Trinkwasser zu 
dienen bestimmt war. Durch die Konsekration wurde der 
Wasserlauf, dessen Unversehrtheit in diesem Falle zu den 
allgemeinen Lebensinteressen gehörte, unter den Schutz der 
Götter gestellt ; jede Verletzung des Wasserlaufes und seines 
Wassers galt als Sakrileg. Die Sakralnatur scheint aber 
gewöhnlich nur fontes eigen gewesen zu sein, wohl deswegen, 
weil die gröfseren Wasserläufe, die flumina, regelmäfsig nicht 
solche natürlichen Eigenschaften an sich tragen, welche zu 
einer Konsekration Anlafs geben könnten. Wegen der durch 
die Konsekration gewährleisteten natürlichen Unversehrtheit 
des Gewässers versinnbildlicht der fons sacer den klaren, 
durch Menschenhand nicht befleckten Wasserlauf. Die Konser 
kration schliefst nicht etwa die Benutzung des Wassers des 
fons sacer aus, sondern gewährleistet sie im Gegenteil^. 

1 Livius, ab urbe condita lib. 1, 21, 3; Tacitus, Ann. 14,. 22; 
Juvenal, Sat. 3, 12 ff.; Ovid, Metam. 5, 469. 573. Vgl. auch Ovid, 
Metam. 2, 464; Amor. 3, 1, 3 ff.; Heroid. 15, 158; Ars amat. 3, 688 ff.; 
Vergil Ecl. 1, 52; Aeneis 7, 83. 84. 242. 797; Georg. 2, 175; Priscian, 
perieg. v. 390 ff.; Pomponius Mela, de situ orbis 2, 3; Solinus, Poly- 
histor 7,2; 21, 1; 27, 45; 32, 18. Flumen sacrum: Vergil, Georg. 
2, 147 ; lacus sacer : Ovid, Fast. 3, 264. Über Trijyjf, xQrivrj Ugd vgl. u. a. 
Pausanias, negiriyriais r^s 'EkXai^og 3, 26, 1; 7, 22, 4; 8, 16, 1; 8, 32, 3; 
9, 10, 5. 

« Vgl. Vitruvius, de architect. 1, 2, 7. 

^ Der fons konnte von der Allgemeinheit unmittelbar durch Ent- 
nahme von Wasser benutzt werden (Frontinus, de aquaeduct. art. 4; 
Livius, 1, 21, 3; Vitruv., de architect. 8, 3, 1), er konnte ihr aber auch 
blofs mittelbar durch Versorgung von Wasserleitungen zu diesem 
Zwecke dienen. Auch in dem ersteren Falle kann aber niemals der 
Wasserlauf selbst in vollem Umfange im Gemeingebrauch gestanden 
haben; vielmehr kann die Entnahme von Wasser naturgemäls immer 
^ur an einzelnen, künstlich hierfür hergerichtet en Stellen zulässig ge- 
wesen sein. 



78 Zweites Kapitel. 

1. Durch die Ausführungen in den ersten Paragraphen 
dieser Abhandlung wurde der Begriff des öffentlichen Flusses, 
des flumen publicum, einmal dahin festgestellt, dafs die römische 
Rechtssprache unter dem flumen nur den grofsen Wasserlauf 
versteht. Es wurde femer die Ansicht vertreten, dafs nur 
die gröfseren beständigen Wasserläufe öffentlich waren, und 
dafs alle öffentlichen Wasserläufe in der Rechtssprache flumina 
hiefsen. Da hiemach die Eigenschaft eines Wasserlaufes als 
flumen publicum sich nur darnach bestimmt, ob er im recht- 
lichen Sinne öffentlich ist, so bedarf zur Begrenzung des 
flumen publicum lediglich der Begriff der Öffentlichkeit einer 
sorgfältigen Prüfung. 

Bei den bisherigen Darlegungen wurde davon ausgegangen, 
dafs die flumina publica deswegen öffentlich heifsen, weil sie 
dem Gemeingebrauch zu dienen bestimmt sind. Es ist dies 
eine in dieser allgemeinen Form unbestrittene Thatsache, die 
keines weiteren Beweises bedarf. Allein der Begriff des 
öffentlichen Flusses schliefst keineswegs alle Wasserläufe in 
sich, welche in irgend einer Weise dem Gemeingebrauch 
dienen. Nur diejenigen Flüsse können vielmehr nach der 
Natur der Sache als „öffentlich" angesehen und bezeichnet 
werden, welche nicht blofs an einem Teil, sondern in ihrem 
ganzen Umfang dem Gemeingebrauch freistehen, wenn auch 
der Gemeingebrauch sich nicht notwendig auf alle Benutzungs- 
arten zu erstrecken braucht. Ein Wasserlauf ist daher z. B. 
dann und deswegen nicht notwendig öffentlich, weil er von 
den Angehörigen einer benachbarten Gemeinde aus eigenem 
Recht zum Wasserschöpfen benutzt wird. Eine Öffentlichkeit 
könnte vielmehr nur dann angenommen werden, wenn der 
Wasserlauf in seiner ganzen Ausdehnung der Allgemeinheit 
zu diesem Zwecke dient. Steht der Allgemeinheit nur an 
einzelnen Teilen des Wasserlaufes das Benutzungsrecht zu, 
wie dies bei den der unmittelbaren Benutzung durch Wasser- 
schöpfen dienenden fontes der Fall war, so erscheint er nicht 
als öffentlich, und die für die flumina publica geltenden be- 
sonderen Grundsätze können daher nicht zur Anwendung 
kommen. Vielmehr hönnen diese Teile dann in Ansehung 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 79 

des Gemeingebrauches nur den allgemeinen Grundsätzen über 
die loca publica unterliegen. 

Dagegen ist es aufserordentlich bestritten, ob die flumina 
publica auch wegen des an ihnen bestehenden Eigentums des 
Staates öffentlich hiefsen, ob sie also nach römischem Recht 
res publicae in publice usu waren, oder ob sie niemandem 
zugehörten und nur dem Hoheitsrechte des Staates unter- 
lagen. Unter denjenigen, welche das erstere annehmen, be- 
steht wiederum eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob 
dieses Eigentum sich nur auf das Flufsbett oder auch auf 
das Wasser bezieht, wie dies auch in Ansehung der privaten 
Wasserläufe allgemein in Frage steht. Es sei die Erledigung 
dieser letzteren Unterfrage vorweggenommen. Im vorigen 
Paragraphen ist dargethan worden, dafs das Eigentum am 
fons privatus den Wasserlauf in seiner Gesamtheit und 
namentlich sein Wasser umfafste. Dann aber wird man ein 
gleiches auch hinsichtlich aller Wasserläufe annehmen müssen, 
an welchen ein Eigentum besteht, und daher auch hinsicht- 
lich des Staatseigentums an den flumina publica, wenn anders 
ein solches begründet war. 

Die Frage nun, ob die flumina publica dem Staate zu 
Eigentum zugehörten, bildet einen Teil der allgemeinen 
Streitfrage, ob die dem Gemeingebrauch dienenden Sachen 
im Staats- oder Gemeindeeigentum standen, oder ob sie res 
nullius waren ^. So wenig es auch die Aufgabe dieser Ab- 
handlung sein kann, diese allgemeine Frage einer ausführ- 
lichen Erörterung zu unterwerfen, so kann doch bei ihrer 
Bedeutung für die flumina publica von einem kurzen Eingehen 
auf sie nicht abgesehen werden. Durch die Ausführungen 



^ Vielfach hat man unter den res usui publico destinatae nicht 
blofs die im Gemeingebrauch stehenden, sondern auch die vom Staat 
zu Staatszwecken benutzten Sachen verstanden, und bei dieser Ver- 
quickung verschiedenartiger Sachen die obige Frage auf diesen gröfse- 
ren Kreis von Sachen bezogen. Die Frage interessiert hier nur 
hinsichtlich der im Gremeingebrauch stehenden Sachen; für die zu 
Staatszwecken dienenden Sachen wird aber ein gleiches wie für diese 
zu gelten haben. 



80 Zweites Kapitel. 

im vorigen Paragraphen ist zu dieser Frage bereits Stellung 
genommen. Der usus publicus an einer Sache macht als 
solcher keineswegs ein Staats- oder Gemeindeeigentum an 
ihr erforderlich noch schliefst er die Möglichkeit eines Eigen- 
tums aus. Es liegt einerseits keinerlei Grund vor, warum 
> Privatpersonen nicht Sachen sollten dem usus publicus be- 
stimmen können, ohne das Eigentum an ihnen auf den Staat 
oder eine Gemeinde zu übertragen. Die Sachen brauchen ja 
nicht in perpetuum dem usus publicus destiniert zu werden \ 
Andererseits ist es ebensowenig erfindlich, warum der Staat» 
eine Gemeinde oder ein Privatmann an den ihnen gehörigen 
Sachen das Eigentum aufgeben mtifsten, wenn sie dieselben 
dem Gemeingebrauch widmen wollten. Hierzu kommt noch» 
dafs durch die Bestimmung einer Sache zum usus publicus 
dem bisherigen Eigentum keineswegs notwendig sein Inhalt 
geraubt wird. Denn in dem usus publicus ist zunächst nie- 
mals der ususfructus enthalten; der usus selbst aber kann 
nach der Benutzungsart oder in sonst irgend einer Weise bei 
der destinatio eingeschränkt werden. 

In Übereinstimmung hiermit ergiebt sich aus den Quellen, 
dafs das Eigentum mit dem Gemeingebrauch wohl verträglich 
ist. Zunächst dürften die Quellenstellen, welche man für das 
Bestehen des Staats- oder Gemeindeeigentums an den res in 
publico usu ins Feld geführt hat 2, in der That für ein solches 
Eigentum sprechen. Ein näheres Eingehen auf diese Stellen 
erübrigt sich, da im wesentlichen nur die Anführungen anderer 
wiederholt werden könnten. Das Bestehen des Staatseigen- 
tums an res in publico usu dürfte aber namentlich auch daraus 
hervorgehen, dafs das auf die loca publica bezügliche Inter- 
dikt von 1. 2 pr. D. ne quid in loco publ. * 43 , 8 für das 
Meer und das Meeresgestade nur utiliter gegeben wird. Unter- 
lägen dem Interdikt die im Gemeingebrauch stehenden Sachen 



1 L. 83 § 5, 1. 137 § 6 D. de verb. obl. 45, 1; § 2 I. de inutii. 
stipul. 3, 19. Vgl. I. 30 § 1 D. locati 19, 2. 

a §§ 6, 39 I. de rer. div. 2, 1; 1. 6 § 1 D. de div. rer. 1, 8; 1. 1 
pr. D. öe interdict. 43, 1 ; 1. 2 §§ 17, 21 D. ne quid in loco pubL 43, 8. 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 81 

schlechthin oder, soweit sie nicht Privatpersonen gehören, so 
mtifste das Interdikt für das Meer und dessen Gestade 
principiell am Platze sein. Es müssen mithin diese Sachen 
in irgend einem Punkte den Erfordernissen des Interdiktes 
nicht genügen. Dieser Punkt dürfte aber nur darin liegen 
können, dafs das Interdikt nur für solche im Gemeingebrauch 
stehende loca gegeben ist, welche dem Staate zugehören, 
gleich wie das Interdikt von 1. 2 § 20 D. eod. nur für die 
im Eigentum des Staates stehenden viae publicae platzgreift. 
Ein anderes Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Meer und 
dessen Gestade und zwischen den anderen im usus publicus 
stehenden loca dürfte sich nicht finden lassen. 

Aus allen diesen Quellenstellen kann aber nur entnommen 
werden, dafs die dem Gemeingebrauch dienenden Sachen dem 
Staat oder den Gemeinden zu Eigentum zugehören konnten. 
Dafs sie im Eigentum dieser juristischen Personen hätten 
stehen müssen, ist aus keiner Stelle zu schliefsen. Im Gegen- 
teil geht mit nicht anfechtbarer Beweiskraft aus 1. 2 §§ 21 ff. 
D. ne quid in loco publ. 43, 8 hervor, dafs das römische Recht 
auch im usus publicus stehende Sachen kannte, welche Privat- 
personen zu Eigentum zugehörten, da hier von viae in publice 
usu die Rede ist, deren Grund und Boden Privateigentum 
bildet. Regelmäfsig werden freilich die dem Gemeingebrauch 
dienenden Sachen Staats- oder Gemeindeeigentum gewesen 
sein, und zwar vornehmlich aus dem Grunde, weil es zu den 
Obliegenheiten dieser juristischen Personen gehört, solche 
Sachen zu schaffen. Endlich aber ist aus den Quellen auch 
nicht zu erweisen, dafs der usus publicus an einer Sache ein 
Eigentum daran erforderlich machte oder voraussetzte. Die 
Thatsache, dafs die Luft, das Meer imd dessen Gestade, welche 
im Gemeingebrauch stehen, eigentumsunfähig sind, zeigt ge- 
rade im Gegenteil, dafs der usus publicus an einer Sache ein 
Eigentum daran nicht bedingte 



1 Das römische Kecht kannte sicher auch res divini juris, welche 
im Gemeingebrauch standen. 

Ossig, WMserrecht. 6 



82 Zweites Kapitel. 

Wenn das Privateigentum mit dem usus publicus verein- 
bar war, so liegt kein Grund vor anzunehmen, dafs der usus 
publicus gerade das Staatseigentum erschöpft. Man wird 
nicht den geringsten Zweifel hegen, dafs eine private Korpo- 
ration das Eigentum an Sachen behält, welche sie zur Be- 
nutzung ihrer Mitglieder stellt, und man würde sich, giebt 
man dies zu , geradezu widersprechen , wollte man in völlig 
gleichem Falle nicht ein gleiches für den Staat annehmen. 
Steht das Eigentum an einer dem usus publicus freigegebenen 
Sache derjenigen universitas zu, welche die zur Nutzung Be- 
rechtigten in sich schliefst, so erscheint der Inhalt des Eigen- 
tums zudem wertvoller, weil dem Eigentümer dann nicht 
blofs die durch den usus publicus freigelassene Nutzung, 
sondern auch das Recht zusteht, den usus publicus nach 
freiem Ermessen zu regeln, zu beschränken oder sogar auf- 
zuheben. Stellt der Staat eine Sache in den Gebrauch der 
Staatsangehörigen, so steht ihm in diesen eine neue Persön- 
lichkeit nicht gegenüber, die Staatsangehörigen bilden den 
Staat. Hat dagegen nicht der Staat, sondern eine andere 
Person an einer ihr gehörigen Sache einen usus publicus in 
rechtsverbindlicher Weise begründet, so vermag der Eigen- 
tümer den usus publicus nicht einseitig aufzuheben; es ist 
vielmehr hierzu die Zustimmung der die Nutzungsberechtigten 
umschliefsenden universitas erforderlich. Wenn nach römi- 
schem Recht also ein Privateigentum an res in publice usu 
existierte, so erscheint es nicht begreiflich, warum es ein 
Staatseigentum an dem Gemeingebrauch dienenden Sachen 
nicht hätte anerkennen sollen, zumal diesem Eigentum ein 
weit höherer Wert innewohnte. 

Einige haben ein Staatseigentum an den res in publico 
usu wegen der diesen Sachen vermeintlich beikommenden 
Eigenschaft der Extrakommerzialität leugnen zu müssen ge- 
glaubt. Indessen ist die sogenannte Extrakommerzialität 
keineswegs eine die rechtliche Lage dieser Sachen irgendwie 
bezeichnende oder bestimmende Eigenschaft. Sie bezeichnet 
nur die aus der rechtlichen Lage sehr verschiedenartiger 
Sachen sich ergebende Thatsache, dafs eine Sache nicht 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. '83 

Gegenstand des Güterverkehrs, nicht merx ist. Die That- 
sache der Extrakommerzialität ist mit anderen Worten die 
Wirkung des rechtlichen Zustandes einer Sache; nicht 
dagegen knüpfen sich an sie rechtliche Wirkungen. Das 
extra commercium esse einer Sache hat nach den Quellen 
nur die Bedeutung, dafs die Sache nicht zwischen Privat- 
personen zum Gegenstand gültiger Rechtsgeschäfte gemacht 
werden kann ^ Dagegen läfst sich nicht eine einzige Quellen- 
stelle nachweisen, in welcher aus der Extrakommerzialität 
eine Rechtswirkung für die Sache selbst hergeleitet würde. 
Alle Ritechtssätze , in denen man Wirkungen der Extra- 
kommerzialität gesehen hat, sind der Ausflufs der den be- 
treffenden Sachen wie den res sacrae, religiosae und in usu 
publico anhaftenden besonderen rechtlichen Natur. 

Was nun die flumina publica anlangt, so geht hinsicht- 
lich dieser gerade aus den Quellen mit hoher Wahrschein- 
lichkeit hervor, dafs sie im Eigentum de^ Staates standen. 
Es erhellt dies zunächst aus einer Bemerkung von Frontinus 
in seiner Schrift de controversiis agrorum. Frontinus spricht 
hier von solchen Fällen, in denen loca publica sive populi 
Romani sive coloniarum municipiorumve , welche niemals 
assigniert oder verkauft worden wären, von Privatpersonen 
besessen würden, und erwähnt als Beispiel den alveus fluminis 
vetus populi Romani ^. Aus 1. un. § 7 D. ut in flum. publ. 
nav. lic. 43, 14 ist weiterhin zu entnehmen, dafs der Staat 
an den lacus und stagna publica den ususfructus hin und 
wieder selbst ausübte, indem er die Fischerei verpachtete^. 
Dieser ususfructus aber kann kaum für etwas anderes an- 
gesehen werden als für den Ausflufs des Eigentums, welches 
dem Staat an diesen öffentlichen Gewässern zukam. Konnten 
aber die lacus und stagna publica im Eigentum des Staates 



1 Vgl. § 4 I. de legat. 2, 20; § 2 I. de^ inutil. stipul. 3, 19; 1. 6 
pr., 1. 34 § 1 D. de contr. emt. 18, 1; 1. 1 § 2 D. quae res pign. 20, 3; 
L 39 § 10 D. de legat. I; 1. 83 § 5, L 137 § 6 D. de verb. obl. 45, 1. 

2 Frontinus, de contr. agr. (Lachmannsche Ausgabe p. 20 v. 7 ff.). 
» Vgl. Juvenal, Sat. 3, 31. 

6* 



84 Zweites Kapitel. 

steheo, so mufs dies auch für die ihoen völlig gleichstehen- 
den flnmina publica angenommen werden. Ist endlich die 
Auslegung richtig, welche der Bemerkung von Marcian in 
1. 4 § 1 D. de div. rer. 1, 8 (§ 2 I. de rer. div. 2, 1): 
Sed flumina paene omnia et portus publica sunt, 
im vorigen Paragraphen zuteilgeworden ist, so wäre damit 
ausgesprochen, dafs die flumina publica nicht blofs wegen des 
usus publicus, sondern auch wegen des an ihnen bestehenden 
Staatseigentums publica hiefsen. 

Die innere Wahrscheinlichkeit spricht überzeugend dafür, 
dafs die Öffentlichkeit der natürlichen Gewässer überall und 
regelmäfsig ihren Ausgang von der Allgemeinheit genommen 
hat. Die öffentlichen Gewässer zeichnen sich vor den sonstigen 
dem Gemeingebrauch dienenden Sachen dadurch aus, dafs 
ihnen die Eigenschaften, die sie zum usus publicus geeignet 
machen, von der Natur gegeben sind und dafs ihre Öffent- 
lichkeit daher nur ausgesprochen zu werden braucht. Es 
erscheint geradezu als ausgeschlossen, dafs die Allgemeinheit 
es den Einzelnen, zumal bei deren widerstreitenden Interessen 
irgendwo und irgendwann tiberlassen ihaben könnte, die- 
jenigen Gewässer zu bestimmen, welche dem Gemeingehrauch 
dienen sollen, und über das Vorhandensein von Interessen 
der Allgemeinheit zu entscheiden. Die Allgemeinheit ist 
stets selbst zunächst dazu berufen, ihre Interessen wahrzu- 
nehmen. Sie vermag über das Vorhandensein von allgemeinen 
Interessen an den einzelnen Gewässern und darüber, welche 
Gewässer zum Gemeingebrauch geeignet sind, das berufenste 
Urteil abzugeben. Sie vermag aber auch ihre Interessen am 
besten und leichtesten selbst zu verwirklichen, da es für die 
Allgemeinheit nur gilt, die Gewässer ftir sich in Anspruch 
zu nehmen ; sie braucht sich ja blofs bei der Verteilung des 
Grundes und Bodens die zum Gemeingebrauch tauglichen 
Gewässer vorzubehalten oder sie später dem Privateigentum 
zu entreifsen. 

Wann und in welcher Weise der Gemeingebrauch an 
den einzelnen öffentlichen Gewässern entstanden ist, entzieht 
sich der Feststellung und wird wahrscheinlich schon zur Zeit 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das, flumen publicum. 85 

des klassischen römischen Rechtes hinsichtlich der meisten 
Gewässer nicht feststellbar gewesen sein. Man wird wohl nicht 
fehlgehen mit der Behauptung, dafs die natürliche Bestim- 
mung der bedeutenderen Gewässer zum Gemeingebrauch nicht 
blofs von den Römern, sondern von allen civilisierten Völkern 
des Altertums, namentlich von denjenigen des Orients, prak- 
tisch gewürdigt war und dafs die Römer in den meisten 
Ländern, welche ihrer Herrschaft unterworfen wurden, nur 
notwendig gehabt haben werden, die bestehende Öffentlichkeit 
der einzelnen Gewässer anzuerkennen. Im allgemeinen wird 
man bei der natürlichen Fähigkeit der bedeutenderen Ge- 
wässer zum Gemeingebrauch behaupten dürfen, dafs in Zeiten 
beginnender Kultur gewöhnlich die thatsächliche Benutzung 
der einzelnen Gewässer durch die Allgemeinheit zur Aner- 
kennung des Rechtes des Gemeingebrauches an ihnen geführt 
haben wird. Häufig aber wird die thatsächliche Benutzung 
der Gewässer der Feststellung ihrer Öffentlichkeit erst nach- 
gefolgt, und dies wird namentlich dann der Fall gewesen sein, 
nachdem die Erkenntnis des Wertes der Gewässer sich in- 
tensiver gestaltet hatte. 

Auf welche Weise sich nun auch der usus publicus der Ge- 
wässer festgestellt haben mag, so hat diese von der Allgemeinheit 
ausgehende Feststellung doch jedenfalls ihren Ausdruck stets 
daliin gefunden, dafs die Gewässer als dem Privateigentum 
verschlossen und der allgemeinen Benutzung freistehend 
galten. Dagegen kann es zweifelhaft sein, ob das römische 
Recht grundsätzlich der Allgemeinheit an den im Gemein- 
gebrauch stehenden Gewässern auch das Eigentum zuerkannte. 
Die Annahme ist nicht von vornherein von der Hand zu 
weisen, dafs bei solchen Gewässeni, bei denen sich der usus 
publicus durch thatsächliche allgemeine Benutzung von alters- 
her festgestellt hatte, der Gedanke des Staatseigentums nicht 
zur Anerkennung gelangt sein könnte. Für die Zeit des 
klassischen römischen Rechtes steht aber nach den oben 
angeführten Quellenzeugnissen zum mindesten sicher fest, dafs 
an einem Teil der öffentlichen Gewässer das Staatseigentum 
begründet war. Da aber kein stichhaltiger Grund dafür 



86 Zweites Kapitel. 

ersichtlich ist, warum das römische Recht nur an einem 
Teile der öffentlichen Gewässer ein Eigentum der Allgemein- 
heit hätte annehmen können, und es völlig inkonsequent ge- 
wesen wäre, an den einen Gewässern ein Eigentum anzu- 
erkennen, an den anderen es zu verneinen, so wird man sich 
unbedenklich dahin entscheiden müssen, dafs die öflfentlichen 
Gewässer nach klassischem römischen Recht als im Eigentuni 
der Allgemeinheit stehend galten. Dieses Eigentum war bei 
den Öfifentlichen Wasserläufen wahrscheinlich immer ein Eigen- 
tum des Staates, da diese wohl stets nicht dem usus der 
Angehörigen nur einer Gemeinde dienten. An den stehenden 
Gewässern war dagegen auch ein Eigentum einer Gemeinde 
möglich, wie aus 1. un. § 7 D. ut in flumin. publ. nav. lic. 
43, 14 erhellt. 

Es bleibt nur noch die Frage zu erörtern, ob es nach 
römischem Recht im Gemeingebrauch stehende Privatfltisse 
geben konnte. Der Kreis der öflfentlichen Flüsse ist sicher 
nicht so scharf gezogen gewesen, dafs nicht Wasserläufe dem 
Privateigentum verfallen wären, welche nach ihren natürlichen 
Eigenschaften dem Gemeingebrauch zu dienen vermocht 
hätten. Ein Gemeingebrauch an einem Privatflufs dürfte 
sich aber nur dann denken lassen, wenn der Gemeingebrauch 
entweder auf bestimmte Gebrauchsarten oder auf bestimmte 
Zeit beschränkt ist, so dafs das Privateigentum nicht de& 
Inhalts gänzlich ermangelt. Würde ein Privatmann einen 
ihm gehörigen Flufs für immer dem unbeschränkten Gemein- 
gebrauch freistellen, so würde hierin wohl ein Aufgeben des 
Eigentums zu Gunsten der Allgemeinheit zu erblicken sein- 
Dafs es solche Privatflüsse im Gemeingebrauch in der 
Wirklichkeit häufig gegeben hat, ist zu bezweifeln. Jeden- 
falls aber stellten sich solche privaten Wasserläufe in usu 
publice niemals als flumina publica dar; sie konnten vielmehr 
immer nur als fontes privati in usu publice gelten oder wegen 
des Gemeingebrauches allenfalls als fontes publici bezeichnet 
werden. Denn bei ihrem privaten Charakter konnten solche 
Wasserläufe niemals in Popularinterdikten , sondern immer 
nur in den gewöhnlichen, zum Schutz privater Sachen 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 87 

gegebenen Rechtsmitteln ihren Schutz finden; die Populär- 
interdikte beziehen sich aber auf die flumina publica schlecht- 
hin, von einer Beschränkung der Interdikte auf die im Eigen- 
tum des Staates befindlichen flumina oder von einer Scheidung 
der im Gemeingebrauch stehenden flumina in Staats- und 
Privatfltisse ist nirgends die Rede, Die für die flumina 
publica geltenden besonderen Rechtssätze können für private 
Wasserläufe in publice usu höchstens utiliter und nur inso- 
weit zur Anwendung kommen, als es sich um das subjektive 
Recht des Einzelnen zum Gemeingebrauch handelt. 

Fafst man die Ergebnisse der bisherigen Ausführungen 
zusammen, so stellen sich die Rechtsverhältnisse der Wasser- 
läufe in folgender Weise dar. Von denjenigen Wasserläufen, 
welche nach allgemeiner Anschauung als Flüsse (flumina) 
galten, waren die beständigen (perennia) regelmäfsig öffent- 
lich, die nichtbeständigen (torrentia) in gleicher Weise wie 
die kleinen nichtbeständigen (rivi in diesem Sinne) nicht- 
öffentlich. Ebenso waren regelmäfsig nichtöffentlich die 
Wasserläufe, welche allgemein als Bäche (fontes) angesehen 
wurden. Die Rechtssprache bezeichnete aber jeden öffent- 
lichen Wasserlauf als flumen und jeden beständigen nicht- 
öffentlichen Wasserlauf als fons. Öffentliche Wasserläufe 
(flumina publica) waren solche, welche im Eigentum des 
Staates standen und dem Gemeingebrauch freigegeben waren. 
Die nichtöffentlichen Wasserläufe (flumina torrentia, fontes 
und rivi) konnten jedem Rechtssubjekt zugehören ; regelmäfsig 
standen sie im Privateigentum. Wie bei allen Sachen und 
wie dies bei den flumina publica grundsätzlich der Fall ist, 
so brauchten auch bei den nichtöffentlichen Wasserläufen 
Eigentum und Nutzung nicht zusammenzufallen. Das Nutzungs- 
recht des Nichteigentümers konnte den ganzen Wasserlauf 
oder nur einen Teil desselben zum Gegenstand haben; es 
konnte die gesamte Nutzung umfassen oder sich nur auf eine 
bestimmte Nutzungsart beschränken. 

2. So zahlreiche Vertreter nun auch die — soeben be- 
richtigte — Ansicht gefunden hat, dafs die dem Gemein- 
gebrauch dienenden Sachen im Eigentum des Staates stehen, 



88 Zweites Kapitel. 

SO haben doch viele Anhänger dieser Ansicht sich gerade der 
Annahme eines Staatseigentums an den öffentlichen Flüssen 
gegenüber ungläubig verhalten, weil dasselbe in wichtigen 
Konsequenzen nicht anerkannt würde. Die Sätze, wonach 
der alveus derelictus und die insula in flumine nata entweder 
den Uferanliegem anheimfallen oder herrenlos werden, liefsen 
sich, so meinte man, mit einem Eigentum des Staates am 
öffentlichen Flufs nicht in Einklang bringen. Allein dieses 
Argument hält bei näherer Betrachtung nicht im geringsten 
Stich. 

Das Eigentum des Staates an den öffentlichen Flüssen 
wurde von den Römern nicht stets unter demselben Gesichts- 
punkte betrachtet. Ursprünglich waren jedenfalls die all- 
gemeinen Grundsätze des Eigentums schlechthin und stets 
mafsgebend. Man liefs daher eine Änderung in den Eigen- 
tumsverhältnissen am Grund und Boden nicht eintreten, wenn 
der Flufs neues Gebiet einnahm oder altes verliefs. Erst 
später brach sich die Erkenntnis allgemein Bahn, dafs die 
Öffentlichkeit der einzelnen Flüsse nur wegen des gemeinen 
Nutzens, welchen das Gewässer zu gewähren vermag, an- 
genommen ist. Die rechtliche Folge hiervon war, dafs man 
ein Eigentum des Staates nur, aber auch stets an demjenigen 
Grund und Boden anerkannte, welcher das Flufsbett bildete. 
Bei diesem Wechsel in der Betrachtung und Behandlung des 
Staatseigentums an den öffentlichen Flüssen ging man wahr- 
scheinlich von Erwägungen folgender Art aus. Nicht mensch- 
liche Willkür, sondern die Natur hat die bedeutenderen 
Wasserläufe zum Gemeingebrauch bestimmt. Indem die All- 
gemeinheit sie dem Zugriff der Einzelnen entzieht und sich 
vorbehält, begreift sie nur ihre natürliche Bestimmung und 
erkennt sie als verbindlich an. Werden die natürlichen 
Eigenschaften, welche den Flufs zum Gemeingebrauch be- 
stimmen, dem Flufs oder einzelnen seiner Teile von der Natur 
entzogen, so fällt mit dem Verlust seiner natürlichen Zweck- 
bestimmung, welche zur Annahme seiner Öffentlichkeit führte, 
für die Allgemeinheit der Grund hinweg, an der rechtlich 
anerkannten Öffentlichkeit des Flusses weiter festzuhalten. 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 89 

Anderen Sachen, wie z. B. den öffentlichen Wegen, ist da- 
gegen ihre Zweckbestimmung durch den menschlichen Willen 
und menschliche Thätigkeit gegeben. Vermag daher ein im 
Eigentum des Staates stehender öffentlicher Weg seinem 
Zweck nicht mehr zu dienen, so geht damit das Eigentum 
<ies Staates an dem Orte, welchen der Weg einnimmt und 
•die rechtliche Zweckbestimmung desselben nicht von selbst 
Terloren, sondern nur auf Grund eines dahin gehenden Willens- 
aktes*. Die besondere neue Auffassung des Staatseigentums 
an den öffentlichen Flüssen stellte sich in ihren rechtlichen 
Konsequenzen schon frühzeitig bei denjenigen Flüssen fest, 
welchen agri arcifinii benachbart waren. Bezüglich derjenigen 
Flüsse dagegen, welche durch limitierte Grenzen von den 
anliegenden Grundstücken getrennt waren, hielt man bis in 
die Zeit der klassischen Juristen an der alten Anschauung 
fest ^ 

Dafs über den Charakter des Eigentums an den öffent- 
lichen Flüssen im römischen Recht nicht immer eine gleiche 



1 Vgl. 1. 2 D. de via publ. 43, 11; 1. 14 § 1 D. quemadm. serv. 
amitt. 8, 6; l. 38 D. de A. R. D. 41, 1 (1. 6 § 3 D. de div. rer. 1, 8; 
1. 73 pr. D. de contr. emt. 18, 1). Selbst wenn die via pi^blica von 
einem Flufs occupiert war, liefs man die Ofltentlichkeit der via nicht 
T'on selbst untergehen (1. 38 D. 1. c). War eine via publica von einem 
Flufs eingenommen oder unter Trümmern begraben und war eine 
Wiedergewinnung der alten via nicht thunlich oder angemessen, so 
gewährte das römische Recht ein Expropriationsrecht gegenüber dem 
l^achbarn auf Hergabe des zur Anlegung einer neuen via erforderlichen 
Orundes und Bodens (1. 14 § 1 D. 1. c). In der Ausübung dieses 
Expropriationsrechtes wird regelmäfsig die Dereliktion der alten via 
liegen. 

* Hin und wieder war mit dem Flusse auf beiden Uferseiten 
«in Landstrich von bestimmter Breite der Öffentlichkeit vorbehalten. 
Solange das Staatseigentum an diesen Ländereien bestand, konnte 
sich bei diesen Flüssen die Anpassung des Staatseigentums nicht 
ändern. Vgl. Frontinus, de controv. agr. lib. II (Lachm. Ausg. p. 51 
V. 18 ff.); Aggenus Urbicus, comment. ad Front, lib. I de controv. 
(a. a. O. p. 17 V. 16 ff.); Hyginus, de condic. agr. (a. a. O. p. 120 v. 7 ff.) 
de gener. controv. (a. a. 0. p. 125 v. 5 ff.); Siculus Flaccus, de condic. 
agr. (a. a. 0. p. 157 v. 18 ff.). 



90 Zweites Kapitel. 

Ansicht bestand, dies dürfte sich aus den Quellen noch nach- 
weisen lassen. Das AUuvionsrecht war nach dem Bericht 
von Florentinus in 1. 16 D. de A. R. D. 41, 1 schon zur Zeit 
des Trebatius für die nichtlimitierten an öffentlichen Flüssen 
liegenden Äcker anerkannt *. Nicht minder waren Labeo die 
Grundsätze über die Accession der insula in flumine nata 
bereits gang und gäbe, wie sich aus 1. 65 § 2 D. de A. R. D. 
41, 1 ergiebt. Wenn Labeo hier sagt: 

si qua insula in flumine publice proxima tuo fundo 
nata est, ea tua est, 
so kann sich auch dies nur auf solche Flüsse beziehen, die 
von agri arcifinii begrenzt waren *, da nach Ulpian zu Gunsten 
von agri limitati ein Anwachsen nicht stattfindet^. Anderer- 
seits aber war Labeo, wie Javolen in 1. 24 pr. D. quib. mod. 
ususfr. 7, 4 berichtet, der Ansicht, dafs ein von einem öffent- 
lichen Flufs occupierter Garten nicht öffentlich, also ein Be- 
standteil des Flusses werde, sondern dafs er dem bisherigen 
Eigentümer verbleibe *. Labeo kann hier wohl nur den Fall 
im Auge gehabt haben, wo agri limitati an den Flufs grenz- 
ten*. Denn wenn er die insula bei agri arcifinii den anliegen- 
den Grundstücken anwachsen liefs, so mufste er folgerichtig 
das Privateigentum an solchen Grundstücken untergehen 
lassen, welche vom Flusse eingenommen wurden*. Der An- 
sicht von Labeo, dafs bei einem limitierten Flufsgebiet ein 



1 Vgl. Cicero, de orator. 1, 173. 

^ Vgl. Frontinus, lib. 11 de controv. agr. (Lachm. Ausgabe p. 55 
V. 19 ff.). 

8 L. 1 § 6 D. de flum. 43, 12. 

* Dagegen ging nach der Ansicht von Labeo durch die Occu- 
pation der Besitz verloren (1. 3 § 17 D. de acqu. v. amitt poss. 41, 2). 

^ In der That wurde bei der abluvio (occupatio) ein solcher Unter- 
schied zwischen agri arcifinii und limitati im älteren Becht gemacht 
Vgl. Hyginus, de gener. controv. (Lachm. Ausg. p. 124 v. 3 ff.; p. 125 
V. 19 ff.); Aggenus Urbicus, comment. ad Front, lib. I de controv. 
(a. a. 0. p. 16 V. 25 ff.). 

ö Sucht sich ein öffentlicher Flufs ein neues Bett, sei es indem 
er das alte veriäfst und nur in dem neuen dahinströmt, sei es indem er 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe eta Das flumen publicum. 91 

privater Garten, der vom Flufs occupiert wird, privat bleibt, 
tritt Javolen entgegen. Er verficht die neuere Ansicht \ dafs 
nur bei einer Überschwemmung das bisherige Eigentum am 
tiberschwemmten Lande erhalten bleibe ^, während es bei einer 
dauernden Occupation durch den Flufs verloren gehe^. 



in beiden Plufsarmen dahinfliefst, so bleibt in beiden Fällen an dem 
zwischen den beiden Flufsbetten liegenden Grund und Boden das alte 
Eigentum bestehen (circumluvio). L. 7 § 4 D. de A. K. D. 41, 1; 1. 1 
C. de alluv. 7, 41. Vgl. 1. 56 § 1 D. de A. R. D. 41, 1; Frontinus, de 
contr. agr. lib. II (a. a. 0. v. 50 v. 8 ff.); Siculus Flaccus, de condic. 
agr. (a. a. 0. p. 150 v. 24 ff.). 

Nun wird das Recht der Alluvion nur bei allmählicher, kaum 
merklicher Anschwemmung anerkannt (vgl. § 20 I. de div. rer. 2, 1; 
1. 7 § 1 D. de A. R. D. 41, 1; 1. 1 C. 1. c. 7, 41). Es kann aber der 
Fall eintreten, dafs ein Flufs durch einen plötzlichen Impetus nur teil- 
weise den alveus verändert, indem er auf der einen Seite Land occu- 
piert, auf der anderen einen Teil des alveus verläfst, oder indem er 
auf beiden Seiten Land wegreifst und aus dem alten alveus eine insula 
bildet. Für diesen Fall gewährte Cassius Longinus den durch die 
Occupation Geschädigten Ersatz in dem vom Flufs freigelassenen 
Grund und Boden. Vgl. Hyginus, de gener. controv. (a. a. O. p. 124 
V. 11 ff.); Boethius, demonstr. art. geometr. (a. a. 0. p. 399 v. 16 ff.). 

Die von den Gromatici gebrauchten Worte flumen, torrens und 
rivus stehen nicht mit Rücksicht auf ihre juristische Bedeutung, wird 
doch selbst der Padus ein torrens genannt; sie bedeuten den öffent- 
lichen Flufs. 

1 L. 1 § 7 D. de flumin. 43, 12. 

2 Vgl. § 24 I. de rer. div. 2, 1; 1. 7 § 6 D. de A. R. D. 41, 1; 
1. 1 § 9 D. de flumin. 43, 12. 

» Durch plötzlichen recessus fluminis wird das bisherige Privat- 
eigentum wiederhergestellt (vgl. 1. 23 D. quib. mod. ususfr. 7, 4 und 
1. 30 § 3 D. de A. R. D. 41, 1), welche nicht eine blofse Überschwem- 
mung zum Gegenstande haben. Was vom Eigentum an occupierten 
Grundstücken gilt, gilt auch von den Servituten (1. 23 D. 1. c). Ja- 
volen vertritt dagegen in 1. 24 pr. § 1 D. 1. c die Ansicht, dafs durch 
recessus keine Restitution des Eigentums oder der Servituten statt- 
finde. Der Fall, den Javolen in 1. 14 pr. D. quemadm. serv. amitt. 
8, 6 berührt, liegt anders. Hier ist nur der Teil eines Grundstückes 
occupiert, durch welchen gerade die Servitut geschuldet wird; wird 
dieser Teil innerhalb der Verjährungszeit angespült (alluvio), so erhält 
sich die Servitut. 



92 Zweites Kapitel. 

War Labeo nun wirklich der von Javolen ihm bei- 
gelegten Ansicht, so mufs man auch annehmen, dafs er bei 
agri limitati umgekehrt den alveus derelictus nicht in das 
Eigentum der Anlieger treten oder herrenlos werden, sondern 
öffentlich bleiben liefs. Dafs an dem alveus derelictus sich 
das Staatseigentum nach älterer Auffassung erhielt, ergiebt 
sich mit Sicherheit aus einer Äufserung von Frontinus in 
seiner Schrift de controversiis agrorum^. Frontinus bemerkt, 
wie bereits erwähnt, es bestehe eine controversia in dem Falle, 
wenn jemand loca publica sive populi Romani sive coloniarum 
municipiorumve , welche weder jemals assigniert noch ver- 
kauft worden wären, im Besitz habe, und führt als Beispiel 
hierfür zunächst den Fall an, dafs der Ufernachbar den 
alveus flüminis vetus populi Romani (derelictus) in Besitz 
genommen habe. 

Dann aber ist es wiederum wahrscheinlich, dafs auch 
die insula in flumine nata und das vom Flufs angespülte 
Land, wenn der Flufs von agri limitati begrenzt war, im 
Eigentum des Staates verblieb. Hierauf könnte sich sehr 
wohl die sonst unerklärliche 1. 65 § 4 D. de A. R. D. 41, 1 
von Labeo beziehen, welche nicht nur mit den sonstigen 
Quellenzeugnissen, sondern auch mit der Äufserung des ge- 
nannten Juristen im § 2 desselben Fragments in einem un- 
lösbaren Widerspruch stehen würde. Es heifst hier folgender- 
mafsen : 

Labeo libro eodem (libro VI Pithanon a Paulo epito- 
matorum) : si id, quod in publice innatum aut aedificatum 
est, publicum est, insula quoque, quae in flumine publice 
nata est, publica esse debet. 

Labeo würde dann erklärt haben, dafs in solchen Fällen, wo 
das Anwachsungsrecht nicht platzgreife, also wenn der Flufs 
von agri limitati begrenzt wird, eine insula in flumine publico 
nata gerade so öffentlich werden müsse, wie es an sonstigen 



1 Frontinus, lib. I de contr. agr. (Lachm. Ausg. p. 20 v. 7 ff.). 
Vgl. derselbe 1. c. lib. II (a. a. 0. p. 50 v. 8 ff.). 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 98 

öffentlichen Orten Bauwerke oder natürliche Erzeugnisse 
würden. Auf diese mögliche Öffentlichkeit der Inseln würde 
vielleicht auch die Bemerkung von Labeo im § 1 des Frag- 
ments deuten: 

si qua insula in flumine propria tua est, nihil in ea 
publici est. 

In späterer Zeit machte sich dagegen eine andere An- 
schauung geltend. Man ging davon aus, dafs der Grund und 
Boden nur so weit öffentlich bleibe und öffentlich werde, als 
er vom Flufs bedeckt ist. Man erkannte, dafs der öffentliche 
Charakter des Flusses nur wegen des Gewässers angenommen 
sei. Diese Anschauung findet in mehreren Quellenstellen 
offenen Ausdruck und namentlich in ihrer strengen that- 
sächlichen Durchführung ihre volle Bestätigung. So erklärt 
Pomponius in 1. 30 § 3 D. de A. R. D. 41, 1 \ dafs der Flufs 
in derselben Weise, wie er Grund und Boden veröffentliche, 
wenn er denselben als Flufsbett einnehme, auch das Privat- 
eigentum wiederherstelle, wenn er sein neues Bett wieder 
verlasse : 

Pomponius libro XXXIV ad Sabinum. — Alluvio 
agrum restituit eum, quem Impetus fluminis totum abstulit. 
Itaque si ager, qui inter viam publicam et flumen fuit, 
inundatione fluminis occupatus esset, sive paulatim occu- 
patus est, sive non paulatim, sed eodem impetu recessu 
fluminis restitutus ad pristinum dominum pertinet; flumina 
enim censitorum vice funguntur, ut ex private in publicum 
addicant et ex publice in privatum. Itaque sicuti hie 
fundus, cum alveus fluminis factus esset, fuisset publicus, 
ita nunc privatus ejus esse debet, cujus antea fuit. 
Auch von Ulpian wird in 1. 1 § 7 D. de flumin. 43, 12 dieser 
Satz in allen seinen Konsequenzen anerkannt: 

TJlpianus libro LXVIII ad Edictum. — Simili modo 
et si flumen alveum suum reliquit et alio fluere coeperit, 



^ Vgl. 1. 30 § 1 D. eod.: ... et ideo cum exsiccatus esset alyeus, 
proximoram fit, quia jam populus eo non utitur. 



94 Zweites Kapitel. 

quidquid in veteri alveo factum est, ad hoc interdictum 
non pertinet; non enim in flumine publico factum erit, 
quod est utriusque vicini ; aut si limitatus est ager, occu- 
pantis alveus fiet, certe desinit esse publicus. lUe autem 
alveus, quem sibi flumen fecit, etsi privatus ante fuit, in- 
cipit tamen esse publicus, quia impossibile est, ut alveus 
fluminis publici non sit publicus. 

Die Rechtsverhältnisse gestalteten sich nunmehr folgen der- 
mafsen. Waren dem Flufs agri arcifinii benachbart, so fand 
ebenso wie früher AUuvion und Anwachsen der insula und 
des alveus derelictus zu Gunsten der angrenzenden Grund- 
stücke statt, während private Grundstücke durch Occupation 
öffentlich wurden. War dagegen der Flufs durch agri limi- 
tati begrenzt, so wurden nunmehr das angespülte Land, die 
insula und der alveus derelictus res nullius, während sie 
früher öffentlich blieben, vom Flufs occupierte private Grund- 
stücke dagegen öffentlich, während sich früher das Privat- 
eigentum an ihnen erhielt. 

Es dürfte sich aus diesen Ausführungen ergeben, dafs 
die Grundsätze über den alveus derelictus und die insula in 
flumine nata mit der Annahme eines Eigentums am Flufs 
keineswegs unverträglich sind. 

3. Das Staatseigentum an den öffentlichen Flüssen er- 
streckt sich, wie nachgewiesen wurde, nicht blofs auf den 
Grund und Boden, welcher vom Wasser bedeckt ist, sondern 
auch auf das Wasser selbst. Die Öffentlichkeit besteht von 
der Quelle bis zur Mündung iind keineswegs etwa blofs von 
dem Punkte an, wo der Flufs einen gröfseren Umfang an- 
nimmt. Sehr zweifelhaft ist das Rechtsverhältnis der Ufer, 
welche als Bestandteil des Flusses in derselben Weise an- 
gesehen werden müssen, wie es die litora für das Meer sind. 
Gaius erklärt in 1. 5 pr. D. de div. rer. 1, 8, dafs die Flufs- 
ufer wohl dem usus publicus dienten, aber im Eigentum der 
Uferanlieger stünden, und diese Ansicht von Gaius hat auch 
in die Justinianeischen Institutionen Aufnahme gefunden ^ 



1 § 4 I. h. t. 2, 1. 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 95 

Ebenso vertrat der jüngere Celsus, wie uns Pomponius in 
1. 30 § 1 D. de A. R. D. 41, 1 berichtet , die Ansicht, dafs 
ein Baum, welcher auf dem Ufer eines öffentlichen Flusses 
wachse, dem Eigentümer des dem Flusse benachbarten Grund- 
stückes gehöre, weil auch der Grund und Boden des Ufers 
sein eigen sei. 

Celsus filius, si in ripa fluminis, quae secundum agrum 
meum sit, arbor nata sit, meam esse ait, quia solum 
ipsum meum privatum est, usus autem ejus publicus in- 
tellegitur ; et ideo cum exsiccatus esset alveus, proximorum 
fit, quia jam populus eo non utitur. 

Man ersieht freilich daraus zugleich^ dafs das Eigentum der 
Flufsanlieger an den Ufern eines öffentlichen Flusses keines- 
wegs aufser allem Zweifel stand; denn dafs ein Baum dem 
Eigentümer des Grundes und Bodens gehört, auf dem er 
gewachsen ist, dies hätte wohl Celsus schwerlich hervorzu- 
heben brauchen. Im übrigen steht die Bemerkung von Celsus 
oder Pomponius, dafs der alveus derelictus den Uferanliegem 
anheimfalle, da er dem Gemeingebrauch nicht mehr diene, 
zu dem vorher Gesagten streng genommen im Widerspruch. 
Wenn Paulus in 1. 65 § 1 D. de A. R. D. 41 , 1 die 
Flufs- und Meeresufer und in 1. 3 pr. D. de flumin. 43, 12 
die Flüsse und deren Ufer öffentlich nennt, so mag er dabei 
nur den usus publicus im Sinne gehabt haben. Für die erstere 
Stelle, in der Paulus zugleich die litora erwähnt, ist dies sogar 
sehr wahrscheinlich ^ Bedenklicher erscheint dagegen die 
Sprache von 1. 3 § 2 D. 1. c, wo derselbe Jurist sagt (libro XVI 
ad Sabinum): 

Secundum ripas fluminum loca non omnia publica 

sunt, cum ripae cedant, ex quo primum a piano vergere 

incipit usque ad aquam. 
Anstatt secundum ripas fluminum wird man wohl secundum 



1 Tgl. 1. 112 D. de verb. signif. 50, 16 von Javolen über die Ufer 
des lacus publicus ; auch diese sind öflPentlich. Vgl. 1. 12 D. de A. R. D. 
41, 1 von Callistratus. 



96 Zweites Kapitel. 

flumina lesen müssen, da sonst die Stelle unverständlich wäre. 
Es wird hier anscheinend gesagt, dafs die loca an den Flüssen 
nicht immer öffentlich zu sein brauchen, dafs sie es nämlich 
dann nicht sind, wenn die Ufer steil abfallen. Die Ufer 
würden sonach loca publica bilden, was mehr auf ein Eigen- 
tum des Staates hindeutet. 

Aus demselben Buche zu Sabinus stammt ein anderes. 
Fragment von Paulus, welches indirekt entnehmen läfst, dafs 
es neben den Flüssen öffentlichen und privaten Grund und 
Boden giebt. Paulus erklärt nämlich, dafs die Errichtung 
von Dämmen neben dem Flusse in private die actio aquae 
pluviae arcendae begründet: 

L. 23 § 2 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3: 
Aggeres juxta flumina in private facti in arbitrium aquae 
pluviae arcendae veniunt, etiamsi trans flumen noceant; 
ita si memoria eorum extet et si fieri non debuerunt. 

Auf die volle Öifentlichkeit der Flufsufer , d. h. auf" ein 
Staatseigentum daran, weist ferner auch hin 1. 4 D. de flumin. 
43, 12, in welcher Scaevola folgendermafsen respondiert: 

Scaevola libro V Responsorum. — Quaesitum est, 
an is, qui in utraque ripa fluminis publici domus habeat, 
pontem privati juris facere potest? Respondit, non posse. 

Es liegt in dieser Entscheidung die strenge Anerkennung 
des Satzes, dafs der Flufs publiziert. Die Örfentlichkeit der 
Ufer, auf welchen die Brücke fufst, und die Öffentlichkeit 
des Flusses, über welchen sie führt, mufs auch die Brücke 
naturgemäfs öffentlich machen. Aber, so entscheidet Scae- 
vola, die Brücke kann auch dann nicht privati juris werden, 
wenn der Erbauer auf beiden Flufsufern Häuser errichtet 
hat und sonach die Ufer zu seinen Privatzwecken benutzt. 
Denn Eigentum kann der Erbauer eines Gebäudes auf dem 
Flufsufer an diesem nicht dadurch erwerben, da die Flufs- 
ufer im Gegensatz zu den litora maris im Eigentum des 
Staates stehen. 

Diesen letzteren Satz hat Keratins wahrscheinlich aus- 
drücken wollen, wenn er in 1. 15 D. de A. R. D. 41, 1 



§ 4. Scheidung der Wasserläufe etc. Das flumen publicum. 97 

Neratius libro V Regularum. — Qui autem in ripa 
fluminis aedificat, non suum faeit. 
Stände das Flufsufer im Eigentum des Uferanliegers, so würde 
Neratius dies wohl schwerlich hervorgehoben haben. Auch 
mufs man wohl bedenken, dafs es doch gewöhnlich der Ufer- 
anlieger sein wird, der auf dem Flufs- oder Meeresufer Ge- 
bäude errichtet. Ob freilich die angenommene Bedeutung 
dem Fragment auch im Sinne der Kompilation zukommt, 
mag im Hinblick auf 1. 14 D. eod. dahingestellt bleiben. 

Weiterhin mufs nach 1. 15 § 2 D. de damn. inf. 39, 2 für 
ein auf dem Ufer eines öifentlichen Flusses vorzunehmendes 
opus, aus dem Schaden zu befürchten ist, Satisdation geleistet 
werden, weil es in alieno stattfindet. Diese Begründung 
würde für den Fall offenbar nicht zutreffen, wenn der Ufer- 
anlieger selbst etwas auf dem Ufer vornehmen will. 

Vor allem aber erscheint das Bestehen eines Eigentums 
der Flufsanlieger an den Ufern der öffentlichen Flüsse durch- 
aus nicht konsequent, weil sie einen Bestandteil des Flusses 
bilden. Dazu kommt, dafs jenem Eigentum der Uferanlieger 
ein gröfserer Wert wegen des unabänderlich an dem Ufer 
bestehenden allgemeinen Gtebrauchsrechtes mangeln würde- 
Aus allen diesen Gründen mufs man annehmen, dafs nach 
der in der klassischen Zeit herrschenden Rechtsanschauung 
auch die Ufer des öffentlichen Flusses im Staatseigentum 
standen. Dafs dies für das Justinianeische Recht nicht gilt, 
ergiebt sich aus der in den Institutionen enthaltenen Be- 
merkung und aus der Thatsache, dafs alle das Gegenteil 
besagenden Stellen in möglichst indifferenter Form in die 
Digesten Aufnahme gefunden haben. 



Ossig, Wasserrecht. 



Drittes Kapitel. 

Die Rechtsverhältnisse der Wasserläufe. 



§ 5. Die KechtsTerhaitnisse der Sffentliehen Flflsse. 

Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse bedürfen 
nach drei Richtungen einer näheren Erörterung. Es ist zu- 
nächst zu prüfen, welcher Rechtsschutz den öffentlichen 
Flüssen selbst zuteilwird. Es ist ferner der usus publicus 
auf seinen Umfang und den ihm gewährten Schutz zu unter- 
suchen, und endlich ist festzustellen, welchen Rechtsmitteln 
die Schädigung eines Dritten in der Nutzung eines Flusses 
oder durch den Flufs unterliegt., 

1. Die dem Rechtsschutz der öffentlichen Flüsse dienen- 
den Rechtsmittel bestehen in den Interdikten von tit. Dig. 
43, 12 und 13 und in der operis novi nuntiatio, welche 
sämtlich populären Charakter an sich tragen, jedem Bürger 
grundsätzlich zustehen. Das römische Recht hat zunächst 
dafür Sorge getragen, dafs der Lauf des Flusses keine Ver- 
änderung erfahre. Es verbietet jede Veranstaltung in dem 
Flusse oder auf dem Ufer desselben, infolge deren das Wasser 
anders fiiefst, als es im vergangenen Sommer geflossen ist, 
und gewährt zufolgedessen ein prohibitorisches und ein re- 
stitutorisches Interdikte Ulpian erklärt in 1. 1 § 3 ne quid 

1 Tit. Dig. ne quid in flum. publ. fiat, quo aliter aqua fluat 43, 13. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. 99. 

in flum. publ. fiat 43, 13 ausdrücklich, dafs das Interdikt 
dann nicht platzgreift, wenn lediglich eine Veränderung in 
der Quantität des fliefsenden Wassers erfolgt. Wasser- 
ableitungen würden daher dem Interdikt nicht unterliegen, 
Wasserzuleitungen dagegen nur dann, wenn sie einen solchen 
Umfang haben, dafs die Flüsse infolgedessen anschwellen, 
also ihre Ufer verändern. Auf die Zuleitungen wird man 
die Bemerkung von Ulpian in 1. un. § 1 D. 1. c. beziehen 
müssen^. 

Äufserst befremden mufs es, dafs in 1. un. §§ 1, 3, 4 
und 5 D. 1. c. wiederholt auf die Benachteiligung der An- 
wohner durch die Veranstaltung Bezug genommen, und dafs 
diese Schädigung sogar als Bedingung für das Interdikt hin- 
gestellt wird. Mit dem populären Charakter des Interdiktes^ 
scheint dies kaum verträglich zu sein, in dem Wortlaut des- 
selben ist davon nicht im geringsten die Rede, und für die 
etwa benachteiligten Anwohner hat diese Bedingung keine er- 
hebliche Bedeutung, da sie mit dem Popularinterdikt jeden- 
falls nicht Schadensersatz verlangen können^. Nicht recht 



1 Derivare hat auch die Bedeutung von Wegleiten von Wasser, 
um es los zu werden. Vgl. 1. 1 § 10 D. de aqu. et aqu. pl. arc. 39, 3 
und namentlich 1. 29 D. de serv. pr. rust. 8, 3. 

« L. un. § 9 D. 1. c. . 

* Von einer Verpflichtung zum Ersatz des dem Kläger persönlich 
entstandenen Schadens ist bei den Popularinterdikt en nirgends die 
Rede. Eine derartige Verquickung der öffentlichen Interessen und 
derjenigen eines Einzelnen ist keineswegs wahrscheinlich. Die Wahr- 
nehmung des öffentlichen Interesses durch Popularklagen kann that- 
sächlich den Privatinteressen zu gute kommen und ebenso umgekehrt. 
Wenn in 1. 2 §§ 34 und 44 D. ne quid in loco publ. 43, 8 von 
einer condemnatio auf das Interesse des Klägers die Rede ist, so 
kann darunter das Privatinteresse des Popularklägers nicht ver- 
standen werden, weil es an diesem auch fehlen kann. Es ist nicht 
unwahrscheinlich, dafs mit der Durchführung der Klage der Popular- 
kläger selbst zur Verwirklichung des Interesses verbunden wurde, 
welches er wahrgenommen hatte, d. h. er mufste z. B. den Weg wieder- 
herstellen, falls es der Beklagte nicht that (vgl. 1. 2 § 43 D. eod.). Der 
durch die Veranstaltung eines Anderen in loco pubiico Geschädigte 
hat sichere Rechtsmittel bereits in dem privaten Interdikt von 1. 2 pr. 

7* 



100 Drittes Kapitel. 

begreiflich ist es weiterhin, inwiefern die Umänderung eines 
bedeckten Wasserleitungskanals in einen offenen oder um- 
gekehrt die eines offenen in einen bedeckten eine Veränderung 
des öffentlichen Wasserlaufes mit sich bringen könnte*, und 
ebensowenig ist dies hinsichtlich der Einrichtung oder Ver- 
änderung eines incile zu ersehen *. An Ableitungsgräben oder 
Kanäle kann wegen der oben erwähnten Äufserung von Ulpian 
in 1. un. § 3 D. 1. c. von vornherein nicht gedacht werden, 
bei Zuleitungsgräben aber kann, so will es scheinen, höchstens 
die Neueinrichtung, nicht aber eine Umgestaltung derselben 
eine Veränderung des Wasserlaufes zur Folge haben. Wohl 
aber können derartige Veranstaltungen den Anwohnern Schaden 
bringen, worauf in den in Rede stehenden Stellen auch Bezug 
genommen wird. Wenn Ulpian endlich in 1. un. §§ 6, 7 1. c. 
untersucht, ob bei einer zum Schutz der Ufer untemonmienen 
Veranstaltung, welche eine Veränderung des Wasserlaufes 
zur Folge hat, gegenüber dem Interdikt eine exceptio zu ge- 
währen ist, so kommt er allerdings zu einem bejahenden 
Ergebnis für den Fall, wenn die Veranstaltung den Anwohnern 
keinen Schaden bringt. Allein gerade daraus, dafs es bei 
NichtSchädigung der Anwohner einer exceptio bedarf, um das 
Interdikt unwirksam zu machen, geht ja mit völliger Sicher- 
heit hervor, dafs die Benachteiligung der Anwohner nicht zu 
den Voraussetzungen des Interdiktes gehört. Wenn Ulpian 
auf die Benachteiligung der Anwohner Rücksicht nimmt, so 
will er damit nur dem Gedanken Ausdruck geben, dafs nie- 
mand in einer an sich unrechtmäfsigen Handlung geschützt 
werden dürfe, wenn diese Anderen zum Nachteil gereicht. 

Hieraus ergiebt sich also, dafs 1. un. §§4 und 5 D. 1. c. 
gänzlich von den Kompilatoren eingeschoben sind und dafs 
die §§ 1 und 3 des Fragments auf Interpolation beruhen, 



D. 1. c. und anderen Klagen; es wäre wunderbar, wenn daneben noch 
Popularinterdikte bestanden hätten, welche zwar zur Erreichung des 
nämlichen Zweckes dienten, die aber dem Geschädigten keineswegs 
notwendig gegeben zu werden brauchten. 

1 L. un. § 4 D. 1. c. 

^ L. un. § 5 D. 1. c. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öfiPentlichen Flüsse. 101 

soweit sie von einer Benachteiligung der Nachbarn oder An- 
wohner sprechen. Es geht diese Fälschung Hand in Hand 
mit einer anderen. Das Interdikt von 1. 2 pr. D. ne quid in 
loco publ. 43, 8 bezieht sich nämlich auf alle loca publica, 
welche dem usus publicus bestimmt sind ^ In der Definition 
der loca publica durch Labeo , welche Ulpian in 1. 2 § 3 D. 
1. c. wiedergiebt, und in der weiteren Erörterung dieses Inter- 
diktes durch Ulpian werden aber die flumina publica nirgends 
erwähnt, und es hat sich daher allgemein die Annahme ge. 
bildet, dafs das Interdikt sich nicht auf sie beziehe. Nun 
gehören die flumina publica einmal unstreitig zu den loca 
publica^. Ein besonderes Interdikt zu Gunsten desjenigen, 
welcher durch eine Veranstaltung in einem öffentlichen Fliifs 
oder auf dem Ufer desselben Schaden leidet, ist fernerhin 
nicht aufgestellt, und für eine ungleichartige Behandlung der 
flumina publica gegenüber den anderen loca publica fehlt es 
an jedem stichhaltigen Grunde. Mufs aus diesen allgemeinen 
Gründen schon angenommen werden, dafs das Interdikt auch 
in Ansehung der flumina publica platzgreift, so geht die ur- 
sprüngliche Anwendbarkeit des Interdiktes auf dieselben aus 
der Thatsache sicher hervor, dafs das Interdikt nach 1. 2 § 8 
D. 1. c. sogar als utile gegeben wird, wenn jemand durch 
Anlagen im Meer oder auf dem Meeresufer geschädigt wird. 
Der Nichterwähnung der flumina publica liegt also eine syste- 
matische Interpolation zu Grunde. In der Definition des locus 
publicus durch Labeo haben sicher auch die flumina publica 
Ihre Stelle gefunden; sie sind nur in dem Fragment ebenso 
wie alle Stellen, welche auf sie Bezug hatten und zu denen 
1. un. §§ 4 und 5 D. ne quid in loco publ. 43, 8 jedenfalls 
gehörten, von den Kompilatoren aus der Ausführung von 
Ulpian ausgelassen worden. Zu diesen Interpolationen mögen 
aber die Kompilatoren durch die Meinung veranlafst worden 
sein, dafs dem durch eine Veranstaltung in flumine publice 



1 Vgl. 1. 2 § 5 D. eod. 

» Vgl. 1. 15 §§ 2 ff., 1. 24 pr. D. de damn. infecto 39, 3; 1. 45 pr. 
D. de usurp. 41, 3. 



102 Drittes Kapitel. 

Geschädigten in den Interdikten von tit. Dig. 43, 13 bereits 
ein hinreichender Schutz zur Seite stehe. Diese völlig irrige 
Meinung ist aber wahrscheinlich wieder dadurch hervorgerufen 
worden, dafs Ulpian in 1. un. §§ 6 ff. 1. c. auf die Schädi- 
gung Anderer Rücksicht nimmt. 

Die Interdikte von tit. Dig. 43, 13 bezwecken nun aber 
lediglich die Erhaltung des Wasserlaufes in seiner bisherigen 
Gestalt. Es ist also namentlich jede Veränderung des Flufs- 
bettes unstatthaft; es darf weder dem Flusse ein neues Bett 
geschaffen noch darf das alte durch Abgrenzungen geschmälert 
werden. Allein auch Erweiterungen des Flufabettes müssen, 
falls sie nicht den Lauf des Flusses bessern sollen, unter das 
Interdikt fallen. Es müssen weiterhin als unzulässig be- 
trachtet werden alle Abflachungen des Ufers, welche dem 
Wasser eine andere Richtung geben, und alle Erhöhungen 
und Befestigungen desselben, welche das Wasser von Orten, 
welche es regelmäfsig einzunehmen pflegte, abhalten sollen, 
falls sie eine Schädigung Anderer zur Folge haben. Es unter- 
liegen dem Interdikt aber auch solche Veranstaltungen, welche 
durch eine starke Zufühmng von Wasser das Flufsbett er- 
weitem. 

Das römische Recht kennt femer zwei Popularinterdikte, 
ein prohibitorisches und ein restitutorisches, welche die Schiff- 
barkeit der Flüsse zu erhalten bestimmt sind. Es verbietet 
jede Veranstaltung in einem öffentlichen Flusse oder auf dem 
Ufer eines solchen, welche die Ankerplätze und den Schiff- 
fahrtsweg verschlechtem ^ Den gleichen Schutz wie die 
Schiffahrt geniefst die Flöfserei*. Zu den hiemach unzu- 
lässigen Veranstaltungen gehören alle diejenigen, welche die 
Schiffahrt erschweren oder verhindern oder den Schiffahrts- 
verkehr vermindern oder für kürzere Zeit wie früher zu- 
lassen®. Unstatthaft ist insbesondere die Ableitung von 



1 L. 1 pr. § 19 D. de flumin. 43, 12. Das Interdikt wird zu 
Gunsten der Schiffahrt im Meer utiliter gegeben. Vgl. 1 § 17 D. eod. 

2 L. 1 § 14 D. eod. 

» L. 1 §§ 14, 15 D. eod. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öfiPentlichen Flüsse. 103 

Wasser, welche ein bemerkliches Herabsinken des Wasser- 
standes bewirkt und dadurch die Schiffahrt verschlechtert^. 
Selbst eine zum Zwecke des Uferschutzes vorgenommene Ver- 
anstaltung fällt in den Bereich der Interdikte, falls sie die 
Schiffahrt beeinträchtigt; eine exceptio will Labeo in diesem 
Falle nur dann gewähren, wenn der Unternehmer der Ver- 
anstaltung sich innerhalb der Grenzen der ihm gegebenen 
Erlaubnis bewegt hat^. 

Die die Schiffahrt beeinträchtigende Veranstaltung mufs 
fernerhin in einem öffentlichen Flusse oder auf dem Ufer 
eines solchen erfolgen. Es unterliegt daher den Interdikten 
von tit. Dig. 43, 12 nicht eine solche Mafsnahme, welche in 
einem flumen privatum^ oder welche auf privatem Grund 
und Boden am Ufer eines öffentlichen Flusses stattfindet*. 
Die Interdikte treffen weiterhin nur solche Veranstaltungen 
in einem öffentlichen Flusse oder auf dem Ufer eines solchen, 
welche die Schiffahrt oder Flöfserei in diesem selben Flusse 
schädigen; sie zielen also nur auf opera in schiffbaren oder 
fiöfsbaren öffentlichen Flüssen ab^. Unter dieser Mafsgabe 
beziehen sie sich aber auf den Flufs in seiner Gesamtheit, 
mag er auch nur zum kleineren Teile schiffbar sein, mag 
das opus an der Quelle oder an der Mündung , in einem 
schiffbaren oder einem nichtschiffbaren Teile geschehen. Die 
Interdikte greifen also an sich nicht platz, wenn die Ver- 
anstaltung in einem nichtschiffbaren flumen publicum statt- 
findet und die Schiffahrt in einem anderen schiffbaren flumen 
publicum beeinträchtigt, in welches jener Flufs einmündet. 

Nicht klar ersichtlich ist es auf den ersten Blick, auf 
welche Fälle sich ein von Labeo zu den in Rede stehenden 
Interdikten utiliter gegebenes Interdikt bezieht: 

L. 1 § 12 D. 1. c. : Non autem omne, quod in flumine 
publico ripave fit, coercet Praetor, sed si quid fiat, quo 



1 L. 1 §§ 15, 22 D. eod. 

2 L. 1 § 16 D. eod. 

8 L. 1 §§ 4, 10 D. eod. 
* L. 1 § 10 D. eod. 
ß L. 1 § 12 D. eod. 



104 Drittes Kapitel. 

deterior statio et navigatio fiat Ergo hoc interdictum 
ad ea tantum flumina publica pertinet, quae sunt naviga- 
bilia, ad cetera non pertinet. Sed Labeo scribit, non esse 
iniquum, etiam, si quid in eo flumine, quod navigabile 
non Sit, fiat, ut exareseat vel aquae cursus impediatur, 
utile interdictum competere, ne vis ei fiat, quominus id 
opus, quod in alveo fluminis ripave ita factum sit, ut iter 
cursus fluminis deterior sit fiat, tollere demoliri purgare 
restituere viri boni arbitratu possit. 

L. 1 § 17 D. eod. : Si in mari aliquid fiat, Labeo 
ait, competere tale interdictum: ne quid in mari inve 
litore, quo portus statio iterve navigio deterius fiat. § 18. 
Sed et si in flumine publice, non tamen navigabili fiat, 
idem putat. 
Die gewöhnliche Ansicht geht dahin, Labeo habe auch die 
nichtschiffbaren Flüsse durch dieses Interdikt gegen solche 
Veranstaltungen schützen wollen, welche den Lauf des Flusses, 
insbesondere durch Stauwerke oder starke Wasserableitungen, 
beeinträchtigen. Gegen diese Auffassung spricht zunächst der 
gewichtige Grund, dafs sich dann für das Interdikt eine 
einigermafsen sichere Grenze des Anwendungsgebietes nicht 
finden läfst. Die Wasserleitungen, wie sie in umfassender 
Weise von den Alten zum Zwecke der Bewässerung geübt 
wurden, müssen ja notwendig häufig den Lauf der kleineren 
nichtschiffbaren Flüsse geschädigt, wenn nicht sogar vernichtet 
habend Auch läfst sich mit Recht geltend machen, dafs 
Labeo mit dem Interdikt eine Bevorzugung der nichtschiff- 
baren Flüsse vor den schiffbaren geschaffen hätte, indem bei 
den letzteren nur eine die Schiffahrt beeinträchtigende Ver- 
anstaltung, bei den ersteren dagegen schon eine den Lauf des 
Flusses störende ein Interdikt wachriefe. Femer würde die 
analoge Anwendung des eigentlichen Interdiktes durch Labeo 
eine sehr weitgehende sein, weil das interdictum utile sich 
einmal nicht auf Veranstaltungen in schiffbaren öffentlichen 
Flüssen, sondern in nichtschiffbaren bezöge und weil es 

* Ovid, Remed. Amor. v. 445: 

grandia per multos tenuantur flumina rivos. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öfiPentlichen Flüsse. 105 

aufserdem nicht die Schädigung der Schiffahrt, sondern schon 
die Schädigung des Wasserlaufes träfe. 

Nun findet sich eigentümlicherweise der dem Labeo in 
1. 1 § 12 D. cit. zugeschriebene Abschnitt, welcher von einem 
analogen restitutorischen Interdikt handelt, in der Erörte- 
rung von Ulpian über das prohibitorische Interdikt. Wird 
man hiemach annehmen können, dafs die Äufserung von 
Labeo erst von den Kompilatoren an dieser Stelle ein- 
gefügt worden ist, so ist auch die Vermutung nicht unbe- 
gründet, dafs sie nicht in unveränderter Weise wiedergegeben 
ist. Fafst man dem gegenüber 1. 1 § 18 D. cit. unter Be- 
rücksichtigung des Inhalts des vorhergehenden Paragraphen 
ins Auge, so würde danach Labeo ein prohibitorisches Inter- 
dikt in dem Falle gewähren, wenn durch eine Veranstaltung 
in einem öffentlichen nichtschiffbaren Flufs die Schiffahrt 
beeinträchtigt wird. Damit dürfte die Bedeutung des von 
Labeo gegebenen interdictüm utile aufgeklärt sein. Es liegt 
auf der Hand, dafs viele öffentliche Flüsse ihre Schiffbarkeit 
dem Einströmen von öffentlichen Flüssen verdanken, welche 
«elbst nicht schiffbar sind, und dafs Veranstaltungen in diesen 
letzteren Flüssen der Schiffahrt ebenfalls schädlich sein 
können. Die in dieser Weise erfolgenden Beeinträchtigungen 
der Schiffahrt, welche den durch das Prätorische Edikt ge- 
gebenen Interdikten nicht unterliegen, wenn auch nach ihrem 
Wortlaut unterliegen könnten, sollen durch das prohibitorische 
interdictüm utile des Labeo getroffen werden. Dann aber 
wird man auch dem restitutorischen Interdikt von 1. 1 § 12 
D. cit. eine gleiche Bedeutung beimessen müssen, und dies 
erscheint nach dem Zusammenhang, in welchem es erwähnt 
wird, auch sehr wohl möglich. Ulpian hebt zunächst hervor, 
dafs nach dem Interdikt nur solche Veranstaltungen in einem 
öffentlichen Flusse unzulässig sind, welche die Schiffahrt 
schädigen, und dafs sich das Interdikt demzufolge nur auf 
schiffbare öffentliche Flüsse, nicht dagegen auf nichtschiffbare 
beziehe. Mit dieser Folgerung kann nun Ulpian offenbar 
nicht sagen wollen, dafs das Interdikt nur dann platzgreife, 
wenn die Schädigung der Schiffahrt in einem schiffbaren 



106 Drittes Kapitel. 

Flusse erfolgt, weil dies ja selbstverständlich ist, und die 
Äufserung daher im höchsten Grade banal wäre. Er kann 
vielmehr nur meinen, dafs nur Veranstaltungen in schüf- 
baren Flüssen, welche die Schiffahrt gefährden, dem Inter- 
dikt unterliegen, nicht dagegen Veranstaltungen in nicht- 
schilfbaren öffentlichen Flüssen, welche die Schiffahrt in 
schiffbaren öffentlichen Flüssen bedrohen. Wenn nun nach 
dem sich an diese Bemerkung von Ulpian anschliefsenden 
Satz Labeo ein interdictum utile bei Veranstaltungen in nicht- 
schiffbaren Flüssen gewähren will, so mufs man als erste 
Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Interdiktes 
unterstellen, dafs durch die Veranstaltung die Schiffahrt in 
einem anderen öffentlichen Flusse beeinträchtigt wird. Der 
Wortlaut des von Labeo gewährten restitutorischen Interdiktes 
kann freilich mit dem in den Digesten überlieferten nicht 
übereingestimmt haben. Dafs das Interdikt von den Kompi- 
latoren nur verstümmelt wiedergegeben ist, ergiebt sich 
schon daraus, dafs in ihm die nach dem Vorhergehenden 
unabweisliche Bezugnahme auf ein flumen non navigabile 
fehlt. Das restitutorische Interdikt des Labeo war sicher 
das Gegenstück zu dem in 1. 1 § 18 D. cit. erwähnten pro- 
hibitorischen. Dafs das erstere nicht auf Restitution des die 
Schiffahrt schädigenden Werkes, sondern nur auf Duldung 
der Restitution abzielt, ist leicht erklärlich. Labeo hielt es 
nicht für angemessen, ein Interdikt aufzustellen, welches 
durch die Verpflichtung der Restitution jemanden absolut 
schädigte, der eine nach dem Prätorischen Edikt nicht ver- 
botene Veranstaltung getroffen hatte ; in der Prohibition und 
der Duldung der Restitution ist ja eine direkte Schädigung 
nicht enthalten. Zu beachten ist bei der ganzen Frage, dafs 
nach Pomponius und Ulpian ^ Ableitungen aus einem flumen, 
durch dessen Einfliefsen ein anderes flumen schiffbar wird, 
überhaupt nicht gestattet sein sollen^. 

i L. 2 D. de flumin. 43, 12; 1. 10 § 2 D. de aqu. et aqu. pl. arc. 
39, 3. In der letzteren Stelle spricht Ulpian für sich den obigen Satz 
aus ; er giebt dagegen nicht eine Ansicht des Labeo wieder. 

2 Die angegebene Bedeutung von 1. 1 §§12, 18 D. cit. hat 



§ 5. Die Kechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. 107 

Gegenüber jeder Veranstaltung in einem öffentlichen 
Flusse oder auf dem Ufer eines solchen, welche an sich 
Gegenstand einer operis novi nuntiatio sein kann, ist aufser- 
dem dieses Rechtsmittel am Platze, falls die Veranstaltung 
gegen die auf die öffentlichen Flüsse bezüglichen leges, 
senatusconsulta oder edieta principum verstöfst^ Die operis 
novi nuntiatio trägt hier einen populären Charakter wie die 
Interdikte, sie steht jedem Bürger zu^. Zu den Werken, 
welche sowohl den Interdikten wie auch der populären operis 
novi nuntiatio unterliegen können, gehört wahrscheinlioh 
auch das Bauen auf dem Ufer des Flusses. Bauten im Meer 
oder auf dem Meeresufer unterliegen dagegen der operis 
novi nuntiatio ex causa publica nicht, sondern nur wegen zu 
befürchtenden Schadens für einen Einzelnen^. 

2. Dem an den öffentlichen Flüssen grundsätzlich be- 
stehenden Gemeingebrauch sind einmal nach der objektiven 
Seite hin Schranken gezogen, insofern als entweder rechtlich 
einzelne Benutzungsarten unzulässig oder thatsächlich nur 
einem beschränkten Personenkreise möglich sind, sodann aber 
auch nach der subjektiven Seite hin, indem ein objektiv zu- 
lässiger usus dem Einzelnen versagt ist. Es sei zunächst 
der usus publicus nach seiner objektiven Seite hin einer 
kurzen Prüfung unterworfen. 

a) Von den Benutzungsarten der öffentlichen Flüsse, 
welche die Substanz des Gewässers unberührt lassen, war die 
wichtigste und bei den Römern am meisten geübte die Schiff- 
fahrt und Flölserei. Sie war durch die Popularinterdikte 
von tit. Dig. 43, 12 gewährleistet, sie ging allen anderen 



zuerst Ubbelohde vertreten (bei Glück Serie der Bücher 43. 44 TL 
4 S. 495 ff.). 

1 Vgl. 1. 1 § 17, 1. 5 § 9, 1. 8 § 3 D. de op. n. n. 39, 1. 

3 Vgl. 1. 3 § 4 D. eod. 

8 Vgl. 1. 1 § 18 D. eod. Das Bauen auf dem Ufer des Flusses 
wird wohl nicht schlechthin verboten gewesen sein ; dann wäre freilich 
auch die operis novi nuntiatio immer am Platze gewesen. Anders 
war dies beim Bauen an öffentlichen Orten in der Stadt (vgl. 1. 2 § 17, 
1. 7 D. ne quid in loco publ. 43, 8). 



108 Drittes Kapitel. 

Arten des Gemeingebrauches vor und war wohl unbeschränkt 
zulässig. Die Benutzung zum Baden und Waschen war wahr- 
scheinlich stets gestattet, es müfste denn das Wasser des 
Flusses für den menschlichen Genufs in Anspruch genommen 
gewesen sein. 

Was die Benutzung der Erzeugnisse eines Flusses an- 
langt, so haben hinsichtlich der Fischerei in öffentlichen 
Flüssen im römischen Recht verschiedenartige Rechts- 
verhältnisse bestanden. Die Fischerei in den lacus und 
stagna war mitunter vom Staat oder von den Gemeinden 
verpachtet, wie aus 1. un. § 7 D. ut in flumin. publ. navig. 
lic. 43, 14 hervorgeht, und es liegt kein Grund vor, für die 
öffentlichen Flüsse nicht ein gleiches anzunehmen. Ver- 
pachtete der Staat die Fischerei in einem Flusse, so hob er 
damit den Gemeingebrauch nach dieser Richtung hin auf; die 
Fischerei stand nur dem Pächter zu. Der Pächter hatte zum 
Schutze seiner Nutzniefsung (fructus) das allgemeine Inter- 
dikt der 1. 1 pr. D. de loco publ. fruendo 43, 9 ^ Aufserdem 
wurde ihm zum Schutze der Ausübung der Fischerei von 
der Rechtswissenschaft auf Grund der Autorität von Labeo 
das Interdikt von 1. un. pr. D. ut in fium. publ. navig. lic. 
43, 14 als utile gegeben. Der Unterschied zwischen beiden 
Interdikten besteht darin, dafs das erstere dem Schutz des 
Fischerei rechtes diente und mit ihm jeder Eingriff in das- 
selbe seitens eines Dritten, z. B. durch Ausübung der Fischerei, 
abgewehrt werden konnte, während das letztere Interdikt 
bezweckte, jede thatsächliche Behinderung der Fischerei durch 
einen Dritten zu beseitigen. 

Machte der Staat von dem ihm zustehenden Verpachtungs- 
recht keinen Gebrauch, so stand das Recht zu fischen grund- 
sätzlich jedermann zu. Häufig werden sich aber einzelne 
Privatpersonen in der Weise der Fischerei bemächtigt haben, 
dafs sie dieselbe nicht blofs zur Deckung des persönlichen oder 
eigenen wirtschaftlichen Bedarfs, sondern des ususfructus halber 
ausübten. Bei dieser gewerbsmäfsigen Ausübung waren 



1 Vgl. 1. 13 § 7 D. de injur. 47, 10. 



§ 5. Die Kechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. 109 

Streitigkeiten unausbleiblich, zu deren Ausgleichung es an 
Rechtsvorschriften fehlte, sofern der ususfructus des Einzelnen 
auf einem Rechte nicht beruhte. Freilich vermochte der 
Staat als Eigentümer jederzeit über das Recht der Fischerei 
in einem Flusse oder in einzelnen Teilen desselben beliebig 
zu verfügen. Enthielt er sich aber in der Wirklichkeit dieses 
Rechtes, so mufsten Rechtssätze gefunden werden, welche bei 
Fehlen eines Rechtes seitens der Prätendenten einen billigen 
Ausgleich der Interessen gewährleisteten. Diese Rechtssätze 
konnten naturgemäfs nur auf den thatsächlich bestehenden 
Verhältnissen fufsen. Die Rechtswissenschaft schützte nun 
jeden, der während mehrerer Jahre die Fischerei an einer be- 
stimmten Stelle eines Flusses allein ausgeübt hatte, und gab 
ihm das Recht, jedem Anderen die Fischerei zu untersagen. 
Dies geht aus 1. 7 D. de divers, temp. praescr. 44, 3 von 
Marcian klar hervor: 

Marcianus libro III Institutionum. — Si quisquam 
in fluminis publici deverticulo solus pluribus annis pis- 
catus Sit, alterum eodem jure uti probibet. 

Hiermit steht 1. 45 pr. D. de usurp. et usucap. 41, 3 keines- 
wegs im Widerspruch, wie allgemein behauptet worden ist: 
Papinianus libro XResponsorum. — Praescriptio longae 
possessionis ad obtinenda loca juris gentium publica con- 
cedi non solet ; quod ita procedit, si quis aedificio funditus 
diruto, quod in litore posuerat, aut dereliquerat aedificium, 
alterius postea eodem loco exstructo occupantis datam ex- 
ceptionem opponat, vel si quis, quod in fluminis publici 
deverticulo solus pluribus annis piscatus sit, alterum eodem 
jure prohibeat. 

Es wurde an anderer Stelle ausgeführt, dafs an dem Meeres- 
ufer nur dann Eigentum zur Entstehung gelangt, wenn ihm 
dieser Charakter durch Aufführung von Bauwerken genommen 
wird, und dafs das Eigentum nur so lange erhalten bleibt, 
als das Bauwerk besteht, oder als der Eigentümer den Willen 
hat, dasselbe zu beherrschen. Stürzt daher das Gebäude 
zusammen und errichtet er kein neues, oder überläfst er. es 



110 Drittes Kapitel. 

dem Einfall, so geht sein Eigentum verloren und auf Grund 
des innegehabten Besitzes steht ihm eine praescriptio longae 
possessionis gegen denjenigen, welcher an derselben Stelle 
ein Gebäude neu aufrichtet, nicht zur Seite. Diesem Fall 
wird von Papinian der Fall verglichen, wenn jemand mehrere 
Jahre in dem Seitenarm eines Flusses gefischt hat; auch er 
soll einem Anderen die Fischerei an demselben Ort nicht 
untersagen dürfen. Allein wie dort das Aufgeben des Ge- 
bäudes die Voraussetzung bildet, mufs hier selbstverständlich 
vorausgesetzt werden, dafs derjenige, der ursprünglich die 
Fischerei mehrere Jahre in dem Seitenarm des Flusses 
ausgeübt hatte, sie dann aufgegeben hat. Dann kann er, 
meint Papinian, auf Grund der Thatsache, dafs er die 
Fischerei früher innehatte, einen Anderen an ihr nicht mehr 
hindern. 

/ Auch das Wasser der öffentlichen Flüsse stand grund- 
sätzlich im usus publicus. Es durfte also jedermann soviel 
Wasser aus dem Flusse entnehmen und verwenden, als zu 
seinem eigenen sei es persönlichen oder wirtschaftlichen Be- 
darf erforderlich war. Manche Arten der Wasserbenutzung, 
wie das Schöpfen mittels Gefäfsen und die Viehtränke, wer- 
den stets und unbeschränkt zulässig gewesen sein, weil der 
Wasserverbrauch hierbei nur geringfügig ist. Anders lag 
dies dagegen bei solchen Anstalten, welche dem Flufs dauernd 
Wasser in gröfseren Quantitäten zu entziehen geeignet sind, 
wie bei der Wasserableitung mittels Kanälen oder Wasser- 
hebewerken (rotae)^. Sie waren unzulässig und unterlagen 
der Anfechtung durch die Popularinterdikte von tit. Dig. 
43, 12, sofern durch die Entziehung des Wassers die Schiff- 
fahrt beeinträchtigt wurde. Indessen ist es bei diesem be- 
dingten Rechtssatz der Interdikte nicht geblieben, welcher 
noch die Möglichkeit einer Wasserableitung offen liefs. Es 
ist vielmehr durch direkte Vorschriften die Frage geregelt 
worden, aus welchen Flüssen eine Wasserableitung stattfinden 



1 L. 2 D. comm. praed. 8, 4; 1. 40 § 6 D. de contr. emt. 18, 1. 
Vgl. Vitruvius, de architectura 10, 9 ff. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. Hl 

darf, wobei nicht blofs der Gesichtspunkt der SchiflFbarkeit 
eines Flusses bestimmend gewesen istTI In 1. 2 D. de flumin. 
43, 12 heifst es: 

Pomponius libro XXXIV ad Sabinum. — Quominus 
ex publice flumine ducatur aqua, nihil impedit, nisi Im- 
perator aut Senatus vetet, si modo ea aqua in usu publice 
non erit; sed si aut navigabile est aut ex eo aliud na- 
vigabile fit, non permittitur id facere. 
fPomponius erklärt also hier die Ableitung von Wasser aus 
schiffbaren Flüssen schlechthin für unzulässig und erstreckt 
dies auch auf solche Flüsse (flumina), durch deren Ein- 
strömen andere schiffbar werden. Einen gleichen Inhalt hat 
die Bemerkung von Ulpian in 1. 10 § 2 D. de aqu. et aqu. 
pl. arc. act. 39, 3, welche sich teilweise auf eine Äufserung 
von Labeo stützt. Pomponius bezeichnet weiterhin die Ab- 
leitung von Wasser dann als unstatthaft, wenn das Wasser 
im usus publicus steht, d. h. wenn der Staat selbst auf das- 
selbe z. B. wegen öffentlicher Wasserleitungen Beschlag ge- 
legt hat^ Endlich sind nach ihm Wasserableitungen dann 
ausgeschlossen, wenn der Kaiser oder der Senat sie verbieten. 
Man wird hier weniger an eine specielle Untersagung als 
an ein Greneralverbot für einen ganzen Flufs zu denken 
habenj 

! Selbst wenn nun hiernach eine Wasserableitung aus 
einem öffentlichen Flusse gestattet war, so war es doch in 
hohem Grade empfehlenswert, die Genehmigung der zu- 
ständigen Obrigkeit zu derselben einzuholen. Durch die 
staatliche Konzession wurde die private Anfechtung der Lei- 
tung durch das Interdikt der 1. 2 pr. D. ne quid in loco 
publ. 43, 8 unmöglich gemacht. Die Grundsätze aber, nach 
welchen bei Erteilung von Konzessionen durch die Obrigkeit 
verfahren werden sollte, sind in einem Reskript von Antoninus 
und Verüs enthalten, welches sich in der Konstitutionen- 
sammlung des Papirius Justus findet: 



^ Usus publicus dürfte hier eine andere Bedeutung nicht haben 
können. 



112 Drittes Kapitel. 

[ L. 17 D. de serv. pr. rust. 8, 3: Imperatores Antoninus 
et Verus Augusti rescripserunt, aquam de flumine publico 
pro modo possessionum ad irrigandos agros dividi opor- 
tere, nisi proprio jure quis plus sibi datum ostenderit. 
Item rescripserunt, aquam ita demum permitti duci, si 
sine injuria alterius id fiat."! 

Es soll demnach das Wasser aus einem öffentlichen Flusse 
zu Bewässerungszwecken nach Verhältnis der Gröfse der Be- 
sitzungen geteilt werden , wenn nicht jemandem durch ein 
Sonderrecht eine Bevorzugung zuteilgeworden ist. Das Ke- 
Skript hat dabei offenbar den Fall im Sinn, wo sich alle 
Interessenten gleichzeitig um Erteilung des Wasserleitungs- 
rechtes bewerben. Die Erlaubnis soll fernerhin nur dann 
gewährt werden, wenn keine Benachteiligung eines Dritten 
daraus entsteht. Die Erteilung der Erlaubnis ist also 
namentlich dann unzulässig, wenn ein Anderer in recht- 
mäfsiger Weise bereits Wasser aus dem Flusse leitet und mit 
der Anlegung der begehrten Wasserleitung der durch die 
bestehende erreichte Zweck nicht mehr oder nur unvollkommen 
erreicht werden würde. 

Auf Grund seines Eigentums an den öffentlichen Flüssen 
konnte der Staat sich auch selbst die Benutzung des Wassers,, 
z. B. zum Zwecke öffentlicher Wasserleitungen ^, vorbehalten 
und es auch zum Gegenstande des eigenen fructus machen, 
indem er dasselbe an Private nur gegen Entgelt abliefs, wie 
er überhaupt die einzelnen Wasserläufe dem usus publicus 
entziehen durfte^. Auch konnte der Staat Privatpersonen 
durch Einräumung von Sonderrechten auf Benutzung des 
Wassers vor Anderen begünstigen. Er konnte Privatpersonen 
auch ein über die Grenze des usus hinausreichendes Ablei- 
tungsrecht zum Zwecke des fructus einräumen und den fructus 



1 So fanden z. B. aus dem flumen Anio öflPentliche Wasser- 
leitungen statt. Vgl. Frontinus, de aquaeduct. art. 6, 15. 

^ Vgl. Juvenal, sat. 3, 31 ; quis facile est aedem conducere flumina 
portus; 1. 17 § 1 D. de verb. signif. 50, 16. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. 113 

selbst von einmaliger oder regelmäfsig wiederkehrender Gregen- 
leistung abhängig machen. 

In thatsächlicher Hinsicht sind aber dem Gemein- 
gebrauch Schranken gesetzt, soweit die Benutzung des 
Flusses zugleich eine solche des angrenzenden Grundes und 
Bodens verlangt. Die Schiffahrt erfordert nur einen Aufent- 
halt auf dem Flusse, und, um in ihn zu gelangen, dazu 
bedarf es wohl nie eines Betretens von privaten Grundstücken. 
Anders ist dies bei Benutzung des Wassers selbst. Die 
Möglichkeit, Wasser aus dem Flufs zu schöpfen und Vieh 
aus ihm zu tränken, ist vorzugsweise, die Möglichkeit, Wasser 
aus ihm abzuleiten oder in ihn zuzuleiten, ist nur den Ufer- 
anliegern geboten^. Eine Wasserentnahme durch Schöpfen 
oder Viehtränken ist für andere nur angängig, sobald ein 
allgemein benutzbarer Weg zum Flusse führt ^ oder soweit die 
Benutzung vom Flusse aus erfolgen kann. Diejenigen, deren 
Grundstücke nicht am Flusse liegen, müssen sonst eine Wege- 
gerechtigkeit haben, um Wasser aus dem Flusse schöpfen oder 
Vieh aus ihm tränken zu können^, sie müssen eine servitus 
itineris aquae oder eine Wasserleitungsservitut a capite er- 
werben, wenn sie Wasser aus dem öffentlichen Flufs ihren 
Grundstücken zuführen wollen. Eine Verpflichtung zur Ein- 
räumung von solchen Servituten hat nach römischem Recht 
wohl nicht schlechthin bestanden. Es ist aber nicht un- 
wahrscheinlich, dafs bei einer Generalkonzession der Wasser- 
leitung aus einem öffentlichen Flusse an einen Einzelnen durch 
die Obrigkeit die Bedingung auferlegt wurde, gegen Entgelt 
Wasser an alle Interessenten abzulassen. 



^ Wasserleitungen sind unmöglich; schon Wasserleitungen durch 
eine via publica sind nur sehr ausnahmsweise zulässig. Vgl. 1. 18 § 1 
D. de aqu. et aqu. pl. arc. 39, 3; 1. 2 § 83, 1. 5 D. ne quid in loco 
publ. 48, 8; 1. 14 § 2 D. de serv. 8, 1. Vgl. übrigens 1. 18 D. si serv. 
vind. 8, 5. 

« Vgl. 1. 8 § 1 D. de loc. et itin. publ. 48, 7. 

« L. 3 § 8 D. de ?erv. pr. rust. 8, 3; 1. 17 § 4 D. de aqu. et aqu. 
pl. arc. 89, 8. 

Ossig, Wasserrecht. 8 



114 Drittes Kapitel. 

b) Was nun den Gemeingebrauch nach seiner subjektiven 
Seite anlangt, so gilt nach römischem Recht der allgemeine 
Grundsatz, dafs die öffentlichen Flüsse nur insoweit und in- 
sofern in Benutzung genommen werden dürfen, als dadurch 
nicht eine zu Recht bestehende Nutzung beeinträchtigt wird. 
Es geht dieser Satz mit Sicherheit aus dem Umfang des 
Interdiktes von 1. 2 pr. D. ne quid in loco publ. 43, 8 her- 
vor, welches weiter unten eine nähere Erläuterung finden 
^ird. Hiernach durften wohl alle diejenigen Benutzungsarten, 
welche keine ständige Anlage im öffentlichen Flusse oder auf 
seinem Ufer voraussetzen, gewöhnlich von jedermann aus- 
geübt werden , weil bei ihnen eine Kollision der Interessen 
nicht zu befürchten war\ Dagegen wird die Zulässigkeit 
solcher Benutzungsarten, welche eine Veranstaltung im Flufs 
oder auf seinem Ufer bedingen, regelmäfsig Frage des einzelnen 
Falles gewesen sein. 

Das römische Recht kennt kein allgemeines Rechtsmittel, 
durch welches der Gemeingebrauch an den öffentlichen Ge- 
wässern gegen Störungen oder Behinderungen geschützt wird. 
Nur die Freiheit einer Benutzungsart hat es durch ein be- 
sonderes privates Interdikt gesichert, nämlich die Freiheit 
der Schiffahrt 2. Die Rechtswissenschaft war bestrebt, diesem 
Interdikt auch für andere Benutzungsarten, bei welchen nach 
ihrer Natur eine Interessenkollision zwischen den einzelnen 
Benutzenden nicht leicht entstehen kann, Geltung zu ver- 
schaffen. Labeo und Sabinus gaben ein interdictum utile dem 
Pächter eines lacus oder stagnum, der am Fischen gehindert 
wird, und Ulpian wollte dies auch gelten lassen, wenn er von 
einer Gemeinde gepachtet hatte ^. Mela gewährte ein ana- 
loges Interdikt auch demjenigen, welcher Vieh an den öffent- 
lichen Flufs oder sein Ufer zur Tränkung herantreiben wollte, 
versagte dagegen de^ Interdiktenschutz für eine Abflachung 



1 Vgl. das oben über die Fischerei Bemerkte. 

2 L. un. D. ut in flum. publ. navig. lic. 43, 14. 

8 L. un. § 7 D. ut in flum. publ. navig. 43, 14; 1. 13 § 7 D. de 
njur. 47, 10. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. HS 

des Ufers zu Zwecken der Viehtränke ^ Im übrigen steht 
demjenigen, welcher in der rechtmäfsigen Benutzung eines 
öffentlichen Flusses gehindert wird, die actio injuriarum zu ^. 
Sie ist aber nicht wie das Interdikt unbedingt am Platze, 
sie setzt vielmehr voraus, dafs die Benutzung nicht blofs 
objektiv zulässig, sondern auch subjektiv gegenüber dem 
Störenden eine rechtmäfsige ist. 

3. Endlich bleibt noch die Frage zu erörtern, welche 
rechtlichen Folgen die Schädigung eines Einzelnen durch die 
Veranstaltung eines Anderen in einem öffentlichen Flusse 
oder auf dem Ufer eines solchen hat und welche Kechtsmittel 
dem Geschädigten zu Gebote stehen. Als oberster Grundsatz 
gilt, dafs niemand zum Nachteil eines Anderen in oder mit 
dem öffentlichen Flusse eine Änderung vornehmen darf. Hier- 
bei ist von vornherein zu bemerken, dafs die Kechtsmittel 
dieselben sind, mag nun die Schädigung durch das opus in 
einer Beeinträchtigung der Benutzung des Flusses liegen oder 
mag die Veranstaltung eine Schädigung durch den Flufs zur 
Folge haben. 

Das römische Recht gewährt einem jeden, welcher durch 
eine Veranstaltung in loco publico Schaden leidet, ein pro- 
hibitorisches Interdikt, das sich, wie an anderer Stelle be- 
reits hervorgehoben wurde, auch auf die flumina publica 
bezieht^. Das Interdikt greift aber dann nicht platz, wenn 
die schadenbringende Veranstaltung durch Gesetz, Senats- 
schlufs oder Edikt oder Dekret des Princeps gestattet war. 
Es zeigt insofern, wie Ulpian mit Recht bemerkt, ein doppeltes 
Gesicht*. Es will zwar grundsätzlich die Interessen der 
Privatpersonen an den loca publica und insbesondere den 
Gemeingebrauch an ihnen vor Schaden schützen. Allein durch 
die erwähnte Schlufsklausel wird umgekehrt dafür Sorge 
getragen, dafs die allgemeinen Interessen gegenüber denjenigen 



1 L. un. §'8 D. eod. 

« L. 2 § 9 D. ne quid in loco publ. 43, 8; 1. 13 § 7 D. 1. c 

' L. 2 pr. ff. D. ne quid in loco publ. 43, 8. 

^ L. 2 § 2 D. eod. 

8* 



116 Drittes Kapitel. 

einzelner Privatpersonen nicht zurückzutreten brauchen, da 
jede obrigkeitliche Verordnung, welche die Privatpersonen 
schadenbringende Neuanlage zuläfst, das Interdikt unwirksam 
macht. Umgekehrt aber war für die Konzessionierung von 
Anlagen an öffentlichen Orten der Grundsatz mafsgebend, dafs 
diese ohne schwerwiegende Gründe nicht erfolgen sollte, wenn 
mit der Anlage eine Schädigung von Privatpersonen ver- 
bunden war ^ Die Erteilung einer Erlaubnis zur Errichtung 
einer Anlage, welche einen Anderen benachteiligt, war aber 
wahrscheinlich nur imstande, das Interdikt und die Ver- 
hinderung der Veranstaltung auszuschliefsen und die Vorteile 
zu entziehen oder zu schmälern, welche jemandem aus der 
Benutzung des locus publicus bisher zuflössen. Dagegen 
konnte der Geltendmachung wenigstens des positiven Schadens, 
welcher auf eigenem Grund und Boden jemandem durch die 
Veranstaltung erwächst, wohl nichts entgegenstehen. 

Unter Schaden im Sinne des Interdikts ist, was von der 
hervorragendsten Wichtigkeit ist, auch der Vorteil jeglicher 
Art zu verstehen, welcher jemandem ex publico zu erwachsen 
pflegte. In 1. 2 § 11 D. 1. c sagt Ulpian: 

Damnum autem pati videtur, qui commodum amittit, 
quod ex publico oonsequebatur, qualequale sit. 
Es könnte also beispielsweise eine neue Ableitung von Wasser 
aus dem öfl'entlichen Flufs mit dem Interdikt angefochten 
werden, wenn sie eine andere zu Recht bestehende beeinträch- 
tigen würde. Es köniite eine Zuleitung von Schmutzwässem 
in den Flufs verhindert werden, wenn sie voraussichtlich die 
Benutzung des Flusses zur Viehtränke unmöglich machen 
oder der von jemandem betriebenen Fischerei schaden würde. 
Es kann aber auch jedenfalls mit dem Interdikt eine Anlage 
bekämpft werden, welche die Überschwemmung der Grund- 
stücke eines Anderen durch den Flufs zur Folge hätte. Das 
Interdikt ist nur prohibitorisch und zielt auf Unterlassung 
der Veranstaltung, Restitution der bereits begonnenen und 
Ersatz des durch sie etwa schon entstandenen Schadens ab. 



1 L. 2 §§ 10, 16 D. eod.; 1. 17 D. de serv. pr. rust. 8, 3. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Flüsse. 117 

Der durch eine bevorstehende Veranstaltung in flumine 
publice Bedrohte kann auch Sicherheitsleistung wegen des 
zu befürchtenden Schadens verlangen^. Dann giebt er zu 
erkennen, dafs er gegen die Veranstaltung selbst nichts ein- 
wenden wolle, und kann das Interdikt nicht mehr bewegen, 
wenn er die Kaution angenommen hat. Er kann auch, falls 
die Voraussetzungen dafür vorliegen, demjenigen, der in einem 
Mentlichen Flusse oder auf dem Ufer eines solchen eine neue 
Anlage treffen will, opus novum nuntiieren, um von ihm Sicher- 
heitsleistung wegen zu befürchtenden Schadens zu erlangen ^. 
Auch dann legt er der Veranstaltung ein principielles Hindernis 
nicht in den Weg; die Anlage kann aber hier so lange 
gehindert werden, bis Sicherheitsleistung erfolgt ist. Eine 
absolute Verhinderung der Veranstaltung kann dagegen durch 
die operis novi nuntiatio anscheinend nicht herbeigeführt 
werden. Gegen eine Anlage, welche in einem öffentlichen 
Flusse erfolgt ist, steht demjenigen, welcher ein Interesse an 
ihrem Nichtstattfinden hat, auch das interdictum quod vi aut 
clam zu, wenn sie ihm gegenüber vi oder clam geschehen ist^. 
Die Verurteilung aus diesem Interdikt geht gegen den Unter- 
nehmer auf Restitution der bereits ausgeführten Veranstaltung 
und vollen Ersatz des dadurch entstandenen Schadens, gegen 
dritte Besitzer nur auf Gestattung der Wiederherstellung des 
früheren Zustandes auf eigene Kosten *. Auch die actio legis 



1 L. 7 pr. 1. 15 §§ 2 ff., 1. 24 pr. D. de damn. int. 39, 2; 1. 3 § 3 
D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3; 1. un. D. de ripa mun. 43, 15. 

a L. 1 § 17 D. de op. n. n. 39, 1. 

8 Vgl. 1. 20 § 5 D. quod vi aut clam 43, 24. — Wegen öffentlicher 
Interessen ist das Interdikt wahrscheinlich nicht begründet gewesen. 
Es setzt immer ein Individualinteresse voraus (vgl. 1. 11 §§ 1, 2 D. eod.), 
welches verletzt ist. Ein Verbieten einer Handlung im Staatsinteresse 
läfst sich, wie eine operis novi nuntiatio, wohl denken, nicht aber ein 
heimliches Handeln gegenüber der Allgemeinheit. 

* Das Interdikt ist nicht blofs innerhalb eines Jahres tauglicher 
Zeit, sondern länger zulässig, wenn das Werk sub aqua geschehen 
ist. Dabei mufs natürlich vorausgesetzt werden, dafs das opus des- 
wegen nicht früher entdeckt werden konnte. Vgl. 1. 15 § 5 D. quod 
vi aut clam 43, 24. 



118 Drittes Kapitel. 

Aquiliae kann der durch eine Veranstaltung in flumine publica 
Geschädigte anstellen, falls die sonstigen Voraussetzungen 
dieser Klage vorliegen, mag die Schädigung durch den Flufs 
oder in der Nutzung des Flusses geschehen ^ Endlich kann 
dem durch eine Anlage in flumine publice Geschädigten mög- 
licherweise ein Popularinterdikt thatsächlich zu statten 
kommen, mit welchem er freilich nur Verhinderung der 
schädigenden Anlage, Wiederherstellung oder Duldung der 
Wiederherstellung des früheren Zustandes, nicht aber Ersatz 
des ihm persönlich entstandenen Schadens verlangen kann. 

Hervorgehoben verdient zu werden, dafs die actio aquae 
pluviae arcendae nicht zulässig ist, wenn jemand eine Ver- 
anstaltung in einem öffentlichen Flusse oder auf dem Ufer 
eines solchen getroffen hat, welche einem Anderen durch das 
Wasser des Flusses Schaden zu bringen geeignet ist; denn 
diese Klage greift nur bei opera auf eigenem Grund und Boden 
platz ^. Errichtet jemand dagegen Dämme auf eigenem Ge- 
biet längs des Flusses, um Überschwemmungen durch den- 
selben abzuwehren, so fällt diese Handlung auch dann, wenn 
sie auf der anderen Seite des Flusses Schaden verursacht, in 
den Bereich der actio aquae pluviae arcendae ®. Den Ersatz 
für diese Klage bildet bei Veranstaltungen im öffentlichen 
Flusse oder auf dessen Ufer das Interdikt von 1. 2 pr. D. ne 
quid in loco publ. 43, 8, welches umgekehrt nur bei opera 
in flumine publice ripave ejus platzgreift. Die gewöhnlichen 
Kechtsmittel der operis novi nuntiatio, des interdictum quod 
vi aut clam und der actio legis Aquiliae müssen naturgemäß 
auch dann zulässig sein, wenn eine Veranstaltung auf privatem 
Grund und Boden die Schädigung eines Anderen durch einen 
öffentlichen Flufs zur Folge hat. 

Von den Veranstaltungen von Privatpersonen, welche in 
einem öffentlichen Flusse oder auf dem Ufer eines solchen 
erfolgen, erfahren eine bevorzugte rechtliche Behandlung die 



1 L. un. § 5 D. de rip. mun. 43, 15; 1. 2 C. de leg. Aqu. 3, 35. 
« Vgl. 1. 3 § 3, 1. 18 pr. D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3. 
' L. 23 § 2 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3. 



§ 5. Die Rechtsverhältnisse der öflFentlichen Flüsse. 119 

Vorrichtungen, welche jemand zum Zwecke des Uferschutzes 
vornimmt. Es stehen nämlich alle Veranstaltungen in flumine 
publice ripave ejus, welche das Ufer oder den umliegenden 
Acker zu sichern bezwecken, dann unter dem Schutze eines 
besonderen Interdiktes, wenn die Schiffahrt dadurch nicht 
beeinträchtigt und demjenigen, dem aus diesen Veranstaltungen 
Schaden droht , für zehn Jahre Sicherheit geleistet wird ^ ^. 
Selbst die Beeinträchtigung der Schiffahrt hat in diesem 
Falle die Anfechtung der Veranstaltung durch die Interdikte 
von tit. Dig. 43, 12 dann nicht zur Folge, wenn dtr Unter- 
nehmer hierzu die obrigkeitliche Erlaubnis eingeholt hatte 
und sich innerhalb der Grenzen derselben bewegt hat^. Die 
durch den Uferschutz bewirkte Veränderung des Flufslaufes 
kann dagegen die Popularinterdikte von tit. Dig. 43, 13 nie- 
mals nach sich ziehen, wenn der Unternehmer den Anwohnern 
für etwaigen Schaden Sicherheit geleistet hat. Denn die 
exceptio ripae muniendae wird nur dann nicht gegeben, wenn 
die Anwohner durch den Uferschutz Schaden leiden*; diese 
Rücksichtnahme auf die Anwohner wird aber dann hinfällig, 
wenn ihnen für den Schaden Sicherheit geleistet ist. Es er- 
gießt sich dies auch schon aus dem Wortlaut des Interdiktes 
von 1. un. D. de rip. mun. , welches eine Veränderung des 
Flufslaufes nicht in Betracht zieht. Solche Veranstaltungen, 
welche von Staats wegen unternommen werden, können da- 
gegen den Beschränkungen der Interdikte und ihnen selbst 
nicht unterliegen^. 

Dagegen mufs es jedem unter allen Umständen gestattet 
sein, solche bestehende Dämme und Vorrichtungen, welche 



^ Vgl. Frontinus, de controv. agr. lib. II (Lachmannsche Ausg. 
p. 51 V. 1, 2); Aggenus Urbicus, comment. ad Frontin. lib. I de controv. 
(a. a. 0. p. 16 V. 27 ff.; p. 17 v. 11 ff.); Hyginus, de gener. controv. 
(a. a. 0. p. 124 v. 5 ff., v. 16 ff.); ßoethius, demonstr. art. geometr 
(a. a. 0. p. 399 v. 18 ff.). 

« L. un. D. de rip. mun. 43, 15; 1. 1 C. de alluv. 7, 41. Vgl. 1. 7 
pr. 1. 15 §§ 2 ff., 1. 24 pr. D. de damn. inf. 39, 2. 

« L. 1 § 16 D. de flumin. 43, 12. . 

* L. un. § 6, 7 D. ne quid in flumin. publ. fiat quo alit. 43, 13. 

ß Vgl. 1. 15 § 10, 1. 24 pr. D. de damn. inf. 39, 2. 



120 Drittes Kapitel. 

das Übertreten der Flüsse auf die benachbarten Äcker ver- 
hindern sollen, in ihrem alten Zustand zu erhalten oder, falls 
sie vom Flufs zeitweise weggerissen werden, sie wieder her- 
zustellen. Auch mufs es jedermann unbenommen sein , das 
Ufer selbst in Zeiten der Gefahr zu festigen, wenn hiermit 
nur eine Erhaltung, nicht aber eine Veränderung des Ufers 
verbunden ist. Will der Uferanlieger oder Eigentümer der 
Dämme nicht selbst im eigenen Interesse die hiernach zu- 
lässigen Mafsnahmen treffen, so mufs er dies den vom Flufs 
bedrohten Interessenten wenigstens gestatten, und er kann 
hierzu nötigenfalls durch Klage veranlafst werden^. Auch 
wird der Uferanlieger, welcher selbst unter solchen Umständen 
den Uferschutz nicht wahrnehmen will, für verpflichtet an- 
gesehen werden müssen, von einer durch den Flufs drohen- 
den Gefahr dem Bedrohten rechtzeitig Nachricht zu geben. 
Diese Grundsätze müssen bei ihrer indifferenten Natur in 
vollem Umfange auch bei privaten Wasserläufen Anwendung 
haben. 



§ 6. Die RechtsrerhSltnisse der privaten WasserlSnfe. 

In den Quellen des römischen Rechts ist über die privaten 
Wasserläufe nur verhältnismäfsig sehr weniges enthalten, 
und auch dieses wenige hat meistens die servitutenmäfsige 
Benutzung derselben zum Gegenstand, während der Inhalt 
des Privateigentums an den Wasserläufen fast unberührt 
bleibt. Indessen steht der aufserordentlich wichtige und wohl 
der wichtigste Punkt fest, dafs das Privateigentum an den 
Wasserläufen nicht blofs das Recht der ausschliefslichen Be- 
nutzung des vom Wasser bedeckten Grundes und Bodens, 



1 Vgl. 1. 2 § 5 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3. Ulpian 
verneint die Anwendbarkeit der actio aquae pluviae arcendae gegen 
denjenigen, welcher sich der Sicherung der Dämme nicht unterzieht, 
im Gegensatz zu den — von einander abweichenden — Ansichten des 
Varus und Labeo. 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 121 

sondern auch des Wassers selbst umfafst. Wie bereits her- 
vorgehoben wurde, geht dies für die fontes privati aus dem 
Bestehen der Wasserservituten an ihnen unzweideutig hervor. 
Aber auch in dem Eigentum an den flumina privata und rivi 
privati ist das Kecht der ausschliefslichen Benutzung des 
Wassers begrifflich enthalten. Wenn auch bei diesen un- 
beständigen Wasserläufen im Gegensatz zu den segenspenden- 
den fontes der Beherrschungswille sich gewöhnlich nicht auf 
Benutzung des Wassers gerichtet haben wird, so ist doch 
das bezeichnende Merkmal für das Eigentum nicht, dafs 
jemand einen Gegenstand thatsächlich nutzt, sondern dafs er 
das Recht hat, über den Gegenstand allein zu verfügen und 
einem Anderen die Verfügung darüber zu untersagen. Dieses 
Recht ist aber auch bei den unbeständigen torrentia und rivi 
von erheblicher Bedeutung. Hinsichtlich des Eigentums an 
den privaten Wasserläufen lassen sich, wenn man einige 
auf die lacus bezügliche und einige indifferente Quellenstellen 
heranzieht, folgende Sätze aufstellen. 

Die privaten Wasserläufe geniefsen denselben rechtlichen 
Schutz wie alle sonstigen im Privateigentum stehenden Sachen. 
Es stehen dem Eigentümer alle petitorischen und possesso- 
rischen Rechtsmittel in gleicher Weise zu Gebote. Er hat 
vor allem das Recht darauf, dafs das Wasser in den ihm 
von der Natur gewiesenen Bahnen in gleicher Weise wie 
früher dahinfliefst , und er kann jede Störung in diesem 
Recht auf Grund seines Eigentums verfolgen. Er hat femer 
das ausschliefsliche Recht auf die Nutzung des Wasserlaufes 
und ist befugt, jeden Eingriff in dieses sein Recht zu ahnden. 
Es darf kein Fremder den Wasserlauf mit einem Fahrzeug 
befahren, es müfste ihm denn eine besondere Servitut (ser- 
vitus navigandi) zur Seite stehen^. Es ist niemand ohne 
Genehmigung des Eigentümers berechtigt, in dem Wasserlaufe 



^ L. 23 § 1 D. de serv. pr. rust. 8,3, wo von der Begründung 
einer servitus navigandi für einen lacus privatus die Rede ist. Was 
für den Privatsee gilt, trifft auch für den privaten Wasserlauf zu. 



122 Drittes Kapitel. 

ZU fischend Auch die Benutzung des Wassers ist nicht blofs 
dann und deswegen anderen verwehrt, wenn und weil sie 
den Grund und Boden des Eigentümers des Wasserlaufes be- 
nutzen müfsten; sie ist auch demjenigen verboten, dessen 
Grundstück an den Wasserlauf heranreicht, ohne dafs dieser 
die gemeinschaftliche Grenze bildet, und sie ist nicht minder 
unzulässig, wenn ein öffentlicher Weg an dem privaten Wasser- 
lauf entlang oder über denselben führt 2. Jede unrechtmäfsige 
Benutzung des Wasserlaufes hat die actio injuriarum zur 
Folge; auch kann mit der actio negatoria namentlich dann 
geklagt werden, wenn eine Servitut von dem das Eigentum 
Störenden in Anspruch genommen wird. Die unberechtigte 
Entnahme von Wasser begründet auch die actio furti, wenn 
sie in der Absicht der Bereicherung geschehen ist^. Nach 
1. 2 C. de leg. Aquil. 3, 35 von Gordian ist ferner die actio 
legis Aquiliae am Platze, wenn Wasser zu unrecht abgeleitet 
wird. 

Jede Handlung eines Dritten, welche darauf abzielt, einen 
privaten Wasserlauf dem Eigentümer abwendig zu machen, 
unterliegt natürlich den allgemeinen, dem Schutze des Eigen- 
tums dienenden Kechtsmitteln. Der Besitz des Wasserlaufes 
ist aber dem Eigentümer nicht unbedingt gewährleistet, er 
ist vielmehr bedroht durch das jedem Grundeigentümer als 
Ausflufs des Eigentums grundsätzlich zustehende Wasser- 



1 L. 13 § 7 D. de injur. 47, 10, wo die Fischerei im lacus privatum 
für unzulässig erklärt wird. 

2 L. a § 3 D. de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 17 § 4 D. de aqu. et aqu- 
pl. arc. 39, 3. 

'^ 1. 35 § 1 D. de furtis 47, 2. — Die Entnahme von Wasser aus 
einem fremden Gewässer ist keineswegs stets ein furtum oder eine in- 
juria. Es gehört sogar im Gegenteil zu den allgemeinen Menschen- 
pflichten, zur Befriedigung eines vorübergehenden dringenden Bedürf- 
nisses, z. B. dem durstigen Wanderer, die Benutzung des Wassers zu 
gestatten, falls diese einen schätzbaren Nachteil nicht in sich schliefst. 
Vgl. Cicero, de offic. 1, 16; Ovid, Metamorph. 6, 352 ff. Dieser Satz 
äufsert seine rechtliche Wirkung dahin, dafs dem Bacheigentümer 
eine Klage gegen den Benutzenden versagt ist, nicht dagegen, dafs 
er eine injuria begeht, wenn er den Wanderer am Trinken hindert. 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 123 

schürf recht. Das Bestehen dieses Rechtes erhellt deutlich 
aus den Servituten , welche teils das Recht ^ , auf fremdem 
Gebiet nach Wasser zu suchen, teils die Verpflichtung^, auf 
eigenem Grund und Boden nicht nach Wasser forschen zu 
dtlrfen, zum Inhalt haben. Dieses auf dem Eigentum be- 
ruhende Wasserschtirfrecht darf indessen niemals ausgeübt 
werden in der blofsen Absicht, dem Nachbarn durch Ent- 
ziehung des Wassers Schaden zuzufügen^. Auch darf das 
Graben nach Wasser nicht unter solchen Umständen erfolgen, 
dafs dabei die Ablenkung eines fremden Wasserlaufes mit 
Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht. Dagegen darf jeder 
Grundeigentümer durch Graben auf eigenem Grund und 
Boden einem fremden Wasserlauf die Adern abschneiden*. 
Wird durch ein rechtmäfsiges Wasserschürfen ein Wasserlauf 
seinem Eigentümer abwendig gemacht oder werden seine 
unterirdischen Quellen abgelenkt, so steht dem Eigentümer 
gegen den Schürfenden eine Klage nicht zu. 

Wie bei den öffentlichen Flüssen, so ist auch bei den 
privaten Wasserläufen jede künstliche Veranstaltung (opus 
manu factum) unzulässig, welche die Schädigung eines Dritten 
durch einen Wasserlauf zur Folge hat. Es darf also jeder- 
mann und selbst der Eigentümer Anlagen, infolge deren das 
.Wasser des Wasserlaufes in anderer Weise fliefst, als es von 
Natur zu fliefsen pflegte, nur insoweit treffen, als dadurch für 
einen Anderen und insbesondere für fremde Grundstücke 
kein Schaden entsteht^. Die Verlegung eines privaten 
Wasserlaufes auf eigenem Grund und Boden und der Schutz 
der Ufer gegen Überschwemmung ist daher nur unter dieser 
Voraussetzung statthaft. Nur gegenüber einem torrens darf 



1 L. 10 D. de serv. pr. rust. 8, 3; 1. 21 D. si serv. vind. 8, 5. 

* L. 15 pr. D. de serv. 8, 1 ; 1. 21 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 
39, 3; 1. 1 § 28 D. de aqu. quot. et aest 43, ,20. 

8 L. 1 § 12 D. de aqu. et aqu. pl. arc. aet. 39, 3. 

* L. 21 D. eod.; vgl. 1. 24 § 12, 1. 26 D. de damn. inf. 39, 2. 

•^ L. 1 § 1 D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3. Unter aqua pluvia 
ist auch das Wasser zu verstehen, quae imbre excrescit; es gehören 
also insbesondere die Wasserläufe dazu. Vgl. 1. 1 pr. § 16 D. eod. 



124 Drittes Kapitel. 

jeder Schutzmafsregeln treflFen, selbst wenn er hierdurch 
einem Anderen Schaden zufügt), wenn er dabei nur die Ab- 
sicht verfolgt, Schaden von sich abzuwehren K Dagegen darf 
niemand durch eine künstliche Anlage Wasser in den Wasser- 
lauf hineinfliefsen lassen, wenn er dadurch zum Schaden 
eines anderen Grundstückes nicht unbedeutend zunehmen oder 
reifsender werden würde. Es darf niemand den Wasserlauf 
so verengern, dafs er ein fremdes Grundstück überschwemmt*. 
Es ist niemand befugt, den Flufs abzulenken und sein Wasser 
nach einem fremden Grundstück laufen zu lassen. Anderer- 
seits darf aber auch niemand durch Stauvorrichtungen oder 
Schutzdämme die Aufnahme des Flusses verweigern^. 

Gegenüber derartigen einem anderen Grundstücke schaden- 
bringenden Abänderungen des bestehenden Zustandes steht 
dem Bedrohten zunächst das Kechtsmittel der operis novi 
nuntiatio zu. Auch kann der Bedrohte cautio damni infecti 
verlangen. Ist die Anlage, aus welcher Schaden befürchtet 
wird, bereits vollendet, so greift die actio aquae pluviae 
arcendae platz. Diese Klage ist aber zunächst nur dann be- 
gründet, wenn der Schaden einem ländlichen Grundstücke 
droht. Steht die Schädigung dagegen für ein städtisches 
Grundstück zu erwarten, so ist nur für die negatorische actio 
jus illi non esse flumina immittere Kaum, welche eine gene- 
rellen Charakter an sich trägt und daher auch in den Fällen 
der actio aquae pluviae arcendae zulässig ist*. Femer ist 
die letztere Klage nur dann am Platze, wenn die Schädigung 
durch die in dem privaten Wasserlauf enthaltene aqua pluvia, 
nicht aber, wenn sie durch die aqua viva, das aus der Erde 
stammende Wasser, zu befürchten ist. Endlich steht die 



^ L. 2 § 9 D. eod. Der Grund liegt darin, dafs der torrens sein 
Bett häufig zu wechseln geneigt ist. Es mufs ein jeder Grundeigen- 
tümer sich davor schützen dürfen, dafs der torrens auf seinem Gebiet 
den alveus nimmt. Vgl. Vergil, Eclog. 7, 51: 

hie tantum Boreae curamus frigora quantum 
aut numerum lupus aut torrentia flumina ripas. 
2 L. 1 § 1 D. eod. 
. » L. 1 § 13 D. eod. 

* L. 1 § 17 D. eod. Vgl. 1. 1 § 19 D. eod. 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserl&ufe. 125 

Klage nur dem Eigentümer des Grundstückes, dessen Schädi- 
gung befürchtet wird, oder dem sonstigen dinglich Berech- 
tigten zu, wie sie sich umgekehrt nur gegen den Eigentümer 
oder dinglich Berechtigten richtet, auf dessen Grund und 
Boden die Veränderung vorgenommen wurde. Sie geht gegen 
den Eigentümer, falls er die Anlage selbst gemacht hat, auf 
Wiederherstellung des früheren Zustandes und auf Ersatz 
des nach der Litiskontestation entstandenen Schadens \ wenn 
er sie nicht gemacht hat, nur auf Duldung der Wiederher- 
stellung^. Mit dem interdictum quod vi aut clam kann da- 
gegen der Eigentümer, der die Änderung vorgenommen hat, 
wegen des vorher verursachten Schadens*^ und der Thäter, 
welcher nicht mehr Eigentümer ist*, sowie jeder dritte 
Thäter^ auf vollen Schadenersatz und wegen der Kosten der 
Kestitution in Anspruch genommen werden. Es ist keines- 
wegs richtig zu behaupten, dafs das Interdikt gegenüber der 
actio aquae pluviae arcendae besondere Voraussetzungen habe ; 
in den Quellen wird schlechthin auf das Interdikt verwiesen, 
und dieses der actio aquae pluviae arcendae ohne Unter- 
scheidung an die Seite gestellt. In Wirklichkeit setzt auch 
die actio aquae pluviae arcendae voraus, dafs die Anlage vi 
oder clam geschehen ist. Hat derjenige, welcher Schaden 
aus der Anlage fürchtet, derselben nicht widersprochen, trotz- 
dem sie vor seinen Augen vor sich ging oder er sonst Kenntnis 
von ihr hatte, so wird vermutet, dafs er gegen dieselbe 
nichts einzuwenden habe*. Bei seiner allgemeinen Natur 
mufs das Interdikt also auch dann Anwendung finden, wenn 
die actio aquae pluviae arcendae gegeben ist. Abgesehen 
von diesen Rechtsmitteln kann natürlich auch die actio legis 
Aquiliae begründet sein, wenn eine Anlage geschaffen wird, 
welche die Schädigung eines Anderen durch einen privaten 
Wasserlauf bewirkt. 



1 L. 6 § 6, 1. 14 § 3 D. eod. 

« L. 4 §§ 2, 8, 1. 5, 1. 6 § 7, 1. 7 § 1, 1. 11 § 2, 1. 12 D. eod. 

8 L. 14 § 3 D. eod. 

* L. 13, 1. 14 pr. D. eod. 

» L. 4 §§ 2, 3, 1. 5 D. eod. 

• L. 19 D. eod. Vgl. 1. 2 § 10 D. eod. 



126 Drittes Kapitel. 

Eine systematische Erörterung der Grundsätze, welche 
zur Anwendung gelangen, wenn der Eigentümer in der 
Nutzung des Wasserlaufes gestört oder beeinträchtigt wird, 
erübrigt sich, weil für diesen Fall lediglich die allgemeinen 
Kechtsgrundsätze über das Eigentum und die Nutzung von 
Privatsachen in Betracht kommen. Die für die Benutzung 
der privaten Wasserläufe durch Dritte und insbesondere die 
hinsichtlich der Wasserservituten geltenden Kechtssätze dar- 
zustellen , liegt nicht im Rahmen dieser Abhandlung. Sorg- 
fältige Prüfung bedarf dagegen folgender Punkt, welcher 
eine für die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe 
entscheidende Grundfrage in sich schliefst. 

Bei den bisherigen Ausführungen war immer nur von 
dem Privateigentum an den Wasserläufen schlechthin die 
Rede. Nun kann aber feein Zweifel darüber aufkommen, 
dafs die privaten Wasserläufe häufig nicht im Eigentum einer 
einzigen Person standen, sondern der rechtlichen Macht meh- 
rerer Personen unterlagen. Es mufs sich nun fragen, welchen 
Inhalt das römische Recht diesem Eigentum mehrerer an 
einem privaten Wasserlaufe zuwies und in welcher Weise die 
Rechtsverhältnisse zwischen diesen mehreren Eigentümern 
gestaltet waren. 

Die flumina publica tragen begrifflich den Charakter von 
selbständigen Sachen an sich. Der öffentliche Flufs bildet 
einen besonderen Bestandteil der Erdoberfläche und ist daher 
nicht die Grenze der beiderseitig anliegenden Grundstücke; 
er hat vielmehr selbst gegenüber diesen Grundstücken seine 
Grenzen \ Der private Wasserlauf kann allerdings in gleicher 
Weise als selbständige Sache der rechtlichen Herrschaft einer 
einzelnen Person unterstehen, und die Annahme, dafs dies 
im Bereich des römischen Rechts öfters der Wirklichkeit 
entsprochen hat, entbehrt nicht der Begründung^. Manche 



1 L. 4 § 10, 1. 5, 1. 6 D. fin. reg. 10, 1. 

2 Vgl. 1. 1 C. de mancip. et colon. U, 62, wonach der Ertrag der 
irriguae fontium aquae, welche auf von Kolonen bewirtschafteten 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 127 

fontes waren zum Zwecke öffentlicher Wasserleitungen für 
sich vom Staate oder von Gemeinden in Anspruch genommen, 
wie bereits gelegentlich erwähnt wurde. In 1. 69 D. de 
€ontr. emt. 18, 1 wird erwähnt, dafs eine gewisse Rutilia 
Polla den lacus Sabatenis mit einem Uferrand von zehn Füfs 
gekauft hatte. In 1. 30 D. de serv. pr. rust. 8, 3 wird ein 
Rechtsfall behandelt, nach welchem der Eigentümer von zwei 
Grundstücken bei dem Verkauf des einen das auf diesem be- 
findliche Gewässer sich vorbehalten hatte. In 1. 4 § 1 D. 
comm. divid. 10, 3 wird die Frage aufgeworfen, ob ein Brunnen 
geeigneter Gegenstand der Teilungsklage ist, und von Mela 
für den Fall bejaht, wenn der von ihm eingenommene Grund 
und Boden gemeinsam ist. Es kann dahingestellt bleiben, 
ob hier an den nicht gerade naheliegenden Fall gedacht ist, 
dafs zwei Grundnachbarn auf der Grenze einen Brunnen an- 
gelegt und ihn dabei kommuniziert haben. In wasserarmen 
Ländern, in denen das Trinkwasser käuflich war, wird es 
gawifs Brunnen gegeben haben, welche Handelsobjekt waren 
und bei denen ein gemeinschaftliches Eigentum z. B. durch 
gemeinsamen Kauf daher leicht entstehen konnte. Jedenfalls 
bildet aber auch in dem ersteren Falle der Brunnen, was 
wohl zu beachten ist, einen selbständigen Gegenstand des 
Eigentums. 

Indessen wird es schwerlich die Regel gewesen sein, dafs 
die privaten Wasserläufe als besondere Bestandteile der Erd- 
oberfläche für sich den Gegenstand des Privateigentums 
bildeten. Vielmehr werden sie gewöhnlich mit dem an- 
liegenden Grund und Boden die rechtlichen Schicksale geteilt 
haben. Der private Wasserlauf konnte einmal nur das Ge- 
biet einer einzigen Person als dessen Bestandteil berühren. 
Die Privatgrundstücke konnten aber auch so abgegrenzt sein, 
dafs die Grenzen den Wasserlauf durchschnitten und er somit 
in seinen einzelnen Teilen im Herrschaftsbereich verschiedener 



emphyteuticarischen Grundstücken sich befinden, insoweit den Emphj- 
teuten zustehen soll, als sie nicht zur Bewässerung dieser Grundstücke 
dienen. 



128 Drittes Kapitel. 

Personen lag. Bei dem unter den Wasserläufen bestehenden 
Netz mufs dies letztere häufig der Fall gewesen sein. Es 
konnte femer die Eigenschaft der Wasserläufe als nattlrlicher 
Grenzen bei der Aufteilung der Ländereien in der Weise 
Berücksichtigung gefunden haben, dafs der private Wasser- 
lauf die Grenze von Grundstücken bildete, welche verschiedenen 
Personen zugehörten. Er konnte dabei entweder in der Art 
die Grundstücke begrenzen, dafs er dem einen Uferanlieger 
allein zum Eigentum gehörte* oder dafs er der rechtlichen 
Herrschaft beider Uferanlieger unterstand. Bei der folgenden 
Erörterung kommen nur in Betracht die Fälle, in welchen 
ein Wasserlauf als Zubehör der angrenzenden Grundstücke 
entweder nach seinen einzelnen Teilen im Herrschaftsbereich 
verschiedener Personen oder im Herrschaftsbereich beider 
Uferanlieger liegt. 

Insoweit man überhaupt ein volles Eigentum an den 
privaten Wasserläufen anerkennt, hat man allgemein in dem 
einen Falle ein Eigentum der Uferanlieger an den einzelnen 
Teilen, im anderen Falle ein Eigentum jedes Uferanliegers 
bis zur Mittellinie des Wasserlaufes angenommen. Diese 
völlig willkürliche Auffassung rechnet nicht mit der That- 
Sache, dafs sich die Kechtsverhältnisse des Grundes und 
Bodens und damit auch der Wasserläufe nicht nach starren 
Kegeln zu gestalten pflegen, sondern von der Wirklichkeit in 
sehr mannigfacher Weise bestimmt werden. Bei dieser An- 
schauung ergaben sich mit Notwendigkeit erhebliche recht- 
liche Schwierigkeiten, die in gleicher Weise aber auch bei 
der Ansicht hervortreten mufsten, nach welcher das fliefsende 
Wasser nicht Gegenstand des Eigentums zu sein vermag. 
Billigte man den Uferanliegern an den einzelnen Teilen des 
Wasserlaufes das volle Eigentum zu, so ergab sich als recht- 
liche Konsequenz davon, dafs ein jeder das Wasser auf dem 
ihm gehörigen Gebiete sich nach freiem Belieben aneignen 
durfte. Mit dieser Folgerung aber hätte man sich ebensosehr 



1 L. 20 § 2 D. de serv. pr. rust. 8, 3. Für die Iftcus vgl. 1. 23 
1 D. eod. 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 129 

ZU den Verhältnissen und Bedürfnissen des praktischen Lebens 
und zu der natürlichen Rechtsanschauung wie zu der An- 
nahme des Eigentums an jedem einzelnen Teile des Wasser- 
laufes in Widerspruch gesetzt. Es müfste den Eindruck eines 
rechtlosen Zustandes machen, wenn der Oberlieger dem Unter- 
lieger eines Wasserlaufes, welcher sich der Nutzung desselben 
seit alters her erfreut, nach Willkür das Wasser abwendig 
machen könnte. Andererseits müfste ein Eigentum an einem 
Wasserlauf, welchem durch Entziehung des Wassers jederzeit 
sein wesentlicher Gegenstand genommen werden kann, starke 
Bedenken an seinem Bestehen erregen. Diese gewichtigen 
Bedenken führten zwingend dazu, dafs man einem jeden Ober- 
lieger nur ein durch das Nutzungsrecht der Unterlieger be- 
schränktes Nutzungsrecht am Wasser des privaten Wasser- 
laufes zuerkannte, ohne dafs man damit an dem Eigentum 
der Uferanlieger an den einzelnen Teilen des Wasserlaufes 
rütteln wollte. In gleicher Weise nahm man ein gegenseitig 
beschränktes Eigentumsrecht an, wenn der private Wasser- 
lauf der Herrschaft beider Uferanlieger unterstand und damit 
vermeintlich einem jeden von beiden bis zur Mittellinie 
gehörte. 

Die in diesen Fällen hervortretenden rechtlichen Schwierig- 
keiten haben ihre Ursache in der irrtümlichen Annahme, dafs 
Teile von Gewässern, sei es von Seeen oder von Flüssen, in 
gleicher Weise wie Teile des Grundes und Bodens, Grund- 
stücke, Gegenstand des Eigentums sein können. Die Ge- 
wässer sind von Natur unteilbare Sachen und können daher 
nur als Ganze dem Eigentum unterliegen. Es ist dies in der 
beweglichen Natur des Wassers begründet. Eine Entnahme 
von Wasser aus irgend einem Teile des Sees oder Flusses 
bringt nicht allein eine Verminderung des Wassers in diesem 
bestimmten Teile mit sich, sondern triift den ganzen See, 
bezw. den abwärts liegenden Teil des Flusses. Ein Eigentum 
an reellen Teilen von Gewässeni läfst sich wohl insoweit 
denken, als dabei lediglich eine Benutzung des von dem 
reellen Flufsteil eingenommenen Raumes in Frage kommt. 
Dagegen kann sich der Eigentumswille auf das Wasser eines 

Ossig, Waaserrecht. 9 



180 Drittes Kapitel. 

reellen Teiles eines Grewässers nicht richten, weil er hierin 
mit dem Eigentumswillen aller anderen Teilinhaber konkur- 
rieren würde. Ein Eigentum an einem reellen Teile eines 
Gewässers, dessen Ausflufs das unbeschränkte Recht auf Be- 
nutzung des sich in ihm aufhaltenden Wassers wäre, verneint 
notwendig ein gleiches Eigentumsrecht an den übrigen reellen 
Teilen des Gewässers nach dem Satze: duorum in solidum 
dominium esse non potest. Eine Mehrheit von Eigentums- 
rechten an reellen Teilen einer Sache, von denen jedes einzelne 
durch die übrigen beschränkt ist, ist aber dem Geiste des 
römischen Rechtes fremd. Sobald der Wille mehrerer sich 
auf die Beherrschung eines Gewässers richtet, vermag das 
römische Recht nicht mehrere selbständige Eigentumsrechte 
an den einzelnen Teilen des Gewässers, sondern nur ein nach 
Quoten geteiltes Eigentum aller an dem ganzen Gewässer 
anzunehmen. Das Miteigentum an den Gewässern konnte 
sich dann naturgemäfs nicht einseitig auf das Wasser , son- 
dern mufste sich auch auf den von ihm eingenommenen 
Grund und Boden erstrecken. 

Es wird nicht behauptet werden können, dafs dem römi- 
schen Recht der Gedanke des Miteigentums an den Ge- 
wässern zu jeder Zeit eigen gewesen ist, Zu einer Zeit, in 
welcher die Gewässer in umfassender Weise, insbesondere zu 
Zwecken der Landwirtschaft, noch nicht benutzt wurden und 
demgemäfs der Beherrschungswille sich weniger intensiv auf 
das Wasser selbst richtete, kann dieser Gedanke dem römi- 
schen Rechte fremd gewesen sein. Jedenfalls aber mufste er 
zum Durchbruch gelangen, als der Wert de^ Wassers in 
höherem Mafse gewürdigt und seine Benutzung vornehmlich 
zu Zwecken der Bewässerung in ausgedehnter Weise geübt 
wurde, was zur Zeit des klassischen römischen Rechtes längst 
der Fall war. Mit Notwendigkeit mufste ja eine Kollision 
unter den Uferanliegem eines privaten Wasserlaufes ein- 
treten, sobald einer von ihnen eine Wasserableitung in Angriff 
nahm. Die Kollision mufste zum wenigsten zu einer Tei- 
lung der Wasserschätze, welche ein Miteigentum an ihnen 
bedingte, wenn nicht sogar zu einer Genossenschaft der 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 131 

Miteigentümer des Gewässers behufs gemeinschaftlicher Be- 
wässerung führen. 

Indessen ist die Annahme eines Miteigentums an privaten 
Gewässern nur insoweit eine zwingende, als der Beherrschungs- 
wille der einzelnen Berechtigten sich auf das Wasser und 
dessen Aneignung konzentriert und dadurch konkurriert oder 
als wenigstens das Gewässer nach seiner natürlichen Be- 
schaffenheit eine solche Benutzung zuläfst, dafs eine Kollision 
der Interessen entstehen kann. Dies ist bei den beständigen 
privaten Gewässern, insbesondere den fontes, schlechthin der 
Fall, und man wird daher mit der Annahme nicht fehlgehen, 
dafs das römische Kecht bei ihnen grundsätzlich ein Mit- 
eigentum am gesamten Gewässer annahm. Anders liegt die 
Sache bei den nichtbeständigen natürlichen Gewässern, zu 
welchen insbesondere die flumina torrentia gehörten. Nicht 
nur in den wasserreichen Ländern, wie es z. B. Germanien, 
Gallien und Italien waren ^, sondern auch in den wasserarmen 
Ländern können die flumina torrentia im allgemeinen nicht 
als ein Geschenk der Natur, sondern nur als ein unvermeid- 
liches Übel gegolten haben. Bei einem Grundstückseigen- 
tümer, dessen Gebiet von einem torrens durchflössen wurde, 
wird regelmäfsig der Beherrschungswille sich nur auf den 
alveus, nicht aber auf das Wasser des torrens gerichtet haben ; 
er wird gewöhnlich nicht den Wunsch gehabt haben, das 
Wasser des torrens für sich zu haben, sondern es möglichst 
bald schwinden zu sehen. Der Nutzen, den torrentes zu ge- 
währen vermögen, kann nur ein sehr beschränkter sein. Das 
Auftreten der torrentes fällt in eine Zeit, in welcher das 
Wasser im Überflufs vorhanden ist und daher ein Bedürfnis 
für die Benutzung desselben nicht besteht. Als Benutzungs- 
art für die torrentes kann wohl nur die Schiffahrt und vor- 
nehmlich die Flöfserei in Betracht kommen, worauf 1. 1 §§ 4, 
10 D. de flumin. 43, 12 und 1. un. § 2 D. ut in flum. publ. 
nav. lic. 43, 14 hinzudeuten scheinen. Bei dieser Benutzung 



^ Seneca, natural, quaest. 3, 6: At contra constat, Grermaniam 
Galliamque et proxime ab his Italiam abundare rivis et fluminibus. 

9* 



132 Drittes Kapitel. 

liegt aber ein gemeinsames Interesse der üferanlieger nicht 
vor, welches zur Annahme eines gemeinsamen Eigentums 
hätte führen müssen. Dem Interesse der Oberlieger, auf dem 
torrens im Bereich der Unterlieger zu flöfsen, entspricht ein 
gleiches der Unterlieger nicht. Hiernach wird man nicht 
annehmen können, dafs nach römischem Recht an den tor- 
rentes und sonstigen nichtbeständigen Gewässern, falls sie im 
Herrschaftsbereich verschiedener Personen lagen, grundsätz- 
lich ein Miteigentum bestand, wenngleich im einzelnen Fall 
natürlich ein solches begründet sein konnte. 

Der Gedanke des Miteigentums liegt bei den beständigen 
stehenden Gewässern auch der heutigen Rechtsanschauung 
äufserst nahe. Ein Eigentum an reellen Teilen läfst sich bei 
diesen Gewässern, falls sie der rechtlichen Herrschaft einer 
gröfseren Mehrheit von benachbarten Grundstücksbesitzern 
unterliegen, schon aus dem Grunde schlechterdings nicht an- 
nehmen, weil sich die Grenzen der verschiedenen Herrschafts- 
bereiche auch nicht einigermafsen sicher denken und fest- 
stellen lassen. Dagegen hat die Annahme eines Miteigentums 
aller Uferanlieger an einem Wasserlauf für die deutsche 
Rechtsanschauung etwas befremdendes an sich^ Zwar hat die 
allgemein vertretene Ansicht, dafs ein Wasserlauf, welcher 
die Grenze zwischen zwei Grundstücken bildet und der recht- 
lichen Herrschaft beider Uferanlieger untersteht, einem jeden 
von beiden bis zur Mittellinie gehöre , in der natürlichen 
Rechtsanschauung keinen Boden. Die Wasserläufe haben die 
Eigenschaft von natürlichen Grenzen an sich und es heifst 
nichts anderes, als den Wasserläufen diese Eigenschaft ab- 
zusprechen und an die Stelle der Flufsgrenze eine völlig 
unsichere und erkünstelte zu setzen, wenn man die Mittel- 
linie des Wasserlaufes als Grenze auffafst. Wohl aber klingt 
der deutschen Rechtsanschauung der Satz befremdlich, dafs 



^ Die Möglichkeit eines Miteigentums steht aufser jedem Zweifel, 
wie auch der Gedanke des Miteigentums an einem Wasserlauf an 
sich auch der deutschen Rechtsanschauung nicht fremd ist. Man 
denke an den Fall, wenn ein Wasserlauf durch Erbfall oder Kauf 
mehrere Eigentümer erhält. 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 133 

ein Grundstückseigentümer an einem entfernt gelegenen Teile 
eines Wasserlaufes durch Miteigentum mitberechtigt sein 
soll. Der Grund dafür, dafs im deutschen Recht und in der 
deutschen Volksanschauung die Annahme des Miteigentums 
an den Wasserläufen sich nicht sicher festgestellt hat, ist 
darin zu suchen, dafs der Wert der Wasserläufe bis zur 
Neuzeit in weit geringerem Mafse geschätzt wird als in der 
antiken Welt. 

In der in Rede stehenden Frage versagen die Quellen 
nahezu gänzlich. Für die Ansicht, welche ein Eigentum an 
reellen Teilen von Gewässern grundsätzlich annimmt, ist 
nicht das geringste Quellenzeugnis vorhanden, während um- 
gekehrt für die Annahme eines Miteigentums an den ge- 
samten Gewässern sich wenigstens einiges vorbringen läfst. 
In 1. 4 § 1 D. comm. divid. 10, 3 ist von einem Brunnen 
die Rede, der im Miteigentum pro indiviso stand. In 1. 10 
pr. D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 3 läfst sich Ulpian 
folgendermafsen aus: 

Ulpianus libro LIII ad Edictum. — Si autem plures 
sint ejusdem loci domini, unde aqua ducitur, omnium 
volimtatem esse sequendam, non ambigitur ; iniquum enim 
Visum est, voluntatem unius ex modica forte portiuncula 
dominii praejudicium sociis facere. 
Unter dem locus, unde aqua ducitur, kann nur ein caput 
verstanden sein, da nur aus diesen Wasserleitungsservituten 
begründet werden konnten. Zu den capita aber gehören von 
privaten Gewässern unter anderen die fontes und die lacus. 
Wenn Ulpian nun sagt, es bedürfe zur Bestellung der Wasser- 
leitungsservitut der Genehmigung aller Eigentümer des locus, 
aus welchem sie beginnen soll, so kann damit wohl nur ein 
Miteigentum Mehrerer an dem Gewässer gemeint sein ^ , zu- 
mal er weiterhin von einem Teilchen des Eigentums spricht. 
Dafs bei dem locus unde aqua ducitur nicht an ein Grundstück, 



^ Dafs die Gewässer als loca bezeichnet wurden, ergiebt z. B. 
1. 15 §§ 2 bis 10, L 24 pr. D. de damn. inf. 39, 2; 1. 45 pr. D. d,e usurp. 
et usucap. 41, 8. 



134 . Drittes Kapitel. 

sondern an ein Gewässer zu denken ist, bedarf nach den 
früheren Ausführungen über das Wesen der Wasserleitungs.- 
servitut keiner weiteren Erörterung. Nun könnte man an 
den Fall denken, dafs das Gewässer nur ein einziges Grund- 
stück berührte, welches im Miteigentum mehrerer Personen 
stand, oder dafs der Teil des Gewässers, von welchem die 
Wasserleitungsservitut beginnen sollte, als Zubehör eines 
Grundstücks Mehreren zum Miteigentum zugehörte. Gegen 
die letztere Annahme spricht der Umstand, dafs durch 
die blofse Genehmigung eines Teileigentümers nicht blofs 
den Miteigentümern an dem Teile des Gewässers, sondern 
auch den übrigen Eigentümern des Gewässers Eintrag ge- 
schehen würde, was Ulpian merkwürdigerweise unberührt 
liefse. Beiden Annahmen steht entgegen, dafs das Eigentum 
des Gewässers mit dem des anliegenden Grundes und Bodens 
verquickt >ird , während Ulpian nur das Eigentum an den 
Gewässern im Auge hat, und dafs die Erwähnung von modicae 
portiunculae des Eigentums an Grundstücken etwas auffälliges 
an sich trägt. Nimmt man dagegen ein Miteigentum an 
den Gewässern für sich an , so erscheint das Bestehen einer 
Menge und selbst von kleinen Eigentumsteilchen sehr be- 
greiflich. 

In art. 9 seiner Schrift über die Wasserleitungen der 
Stadt Rom erzählt Frontinus, dafs er den Bach Crabra, 
welcher zwar von Agrippa bei der Anlegung der Julischen 
Wasserleitung unheachtet geblieben, aber später zu seinem 
besseren Teile in diese Wasserleitung aufgenommen worden 
sei, den tuskulanischen Grundbesitzern auf Anordnung des 
Kaisers zurückgegeben habe. Hierbei bemerkt er, dafs das 
Wasser dieses Wasserlaufes unter die Besitzer der an ihm 
liegenden Grundstücke zur abwechselnden Benutzung nach 
bestimmten Tagen und Mafsen geteilt war. Diese Teilung 
hat offenbar das Wasser in seiner Gesamtheit zum Gegen- 
stand. Eine Teilung in die Benutzung eines Gewässers hat 
aber bei den Teilenden zur Voraussetzung, dafs das Nutzungs- 
recht ein gemeinsames ist. Ein solches gemeinsames Nutzungs- 
recht aber kann wohl kaum in etwas anderem als in dem 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 135 

gemeinsamen Eigentum an dem Wasserlauf seine Grundlage 
haben. Dafs es sich bei der Crabra um keinen öffentlichen 
Wasserlauf handelt, bei welchem die Teilung von der Obrig- 
keit hätte ausgehen können, ergiebt mit Sicherheit der 
Umstand, dafs dieser Bach in die aqua Julia nicht auf- 
genommen und später völlig zu Unrecht den Uferanliegem 
entfremdet war. 

Zieht man unter Berücksichtigung dieser Quellenzeugnisse 
in Betracht, dafs das Eigentum an den fontes privati sich 
auch auf das Wasser erstreckte und dafs ein Eigentum an 
reellen Teilen eines Gewässers mit dem Geiste des römischen 
Rechtes unverträglich ist, so wird jeder Zweifel daran 
schwinden, dafs das römische Recht an den natürlichen 
Wasserläufen ein Miteigentum annahm, sobald der Wille der 
Berechtigten sich auf eine Beherrschung des Wassers richtete. 
Der Einfachheit wegen wird im folgenden nur von dem Mit- 
eigentum am fons, dem wichtigsten privaten Gewässer die 
Rede sein. Was über ihn gesagt wird , mufs auch für alle 
anderen im Miteigentum stehenden Gewässer gelten, soweit 
sich nicht nach ihrer natürlichen Beschaffenheit von selbst 
Ausnahmen ergeben. 

In welcher Weise sich die Eigentumsquoten an einem 
gemeinschaftlichen Wasserlauf bestimmten, wenn der Wasser- 
lauf Zubehör der angrenzenden Grundstücke war, darüber 
ist man bei dem Schweigen der Quellen nur auf Vermutungen 
angewiesen. Indessen wird sich kaum eine andere der Billig- 
keit entsprechende Quotenverteilung denken lassen als eine 
solche, welche von dem Verhältnis der Eigentumsanteile am 
Ufer ausgeht, wobei naturgemäfs ein Eigentum an beider- 
seitigen Grundstücken ein doppeltes Anrecht am Wasserlauf 
geben mufs. Können danach die Eigentumsquoten an einem 
Wasserlauf in Ermangelung eines Übereinkommens durch 
Abmessung bestimmt werden, so kann eine Entscheidung hier- 
über durch den Richter nur dann erforderlich werden, wenn 
die Bemessung als unrichtig angefochten wird. 

Im übrigen müssen auf das Miteigentum an den 
Wasserläufen die allgemeinen für das Miteigentum geltenden 



136 Drittes Kapitel. 

Grundsätze zur Anwendung kommen. Jeder Miteigentümer 
darf die ihm gebührende Quote frei veräufsem, sei es an 
einen anderen Miteigentümer, sei es an einen Fremden. Die 
Benutzung der Gewässer kann im Falle des Miteigentums 
naturgemäls ebenso mannigfach und verschieden sein, wie 
beim Bestehen eines Alleineigentums. Die Miteigentümer 
können den Wasserlauf einmal gänzlich zu eigenen Zwecken 
benutzen, indem sie das Wasser des Wasserlaufes, sei es zu 
hauswirtschaftlichen, sei es zu landwirtschaftlichen oder in- 
dustriellen Zwecken verwenden und die Fischerei am Wasser- 
lauf zu Zwecken des eigenen Lebensunterhaltes ausüben. Sie 
können den Wasserlauf aber auch , sei es gänzlich oder nur 
teilweise oder nur nach einzelnen Richtungen hin, in der 
Weise zum Gegenstand ihres fructus machen, dafs sie die 
Fischerei verpachten oder das Wasser an Dritte unter Be- 
stellung von Servituten gegen Entgelt ablassen. Diese mittel- 
bare Nutzung mufs namentlich dann vorherrschend gewesen 
sein, wenn die Miteigentümer des Wasserlaufes an dem an- 
grenzenden Grund und Boden keinen Anteil hatten. 

Einzelne Benutzungsarten sind wahrscheinlich unter den 
Miteigentümern eines Wasserlaufes namentlich dann, wenn 
sie ihn vorwiegend selbst benutzten, regelmäfsig frei gewesen, 
und zwar werden dies solche Benutzungsarten gewesen sein, 
bei denen eine Kollision der gegenseitigen Interessen nicht 
eintreten konnte, wie beim Wasserschöpfen und Viehtränken 
oder auch beim Befahren des Wasserlaufes. Auch die Fischerei 
war jedenfalls der Gegenstand einer gemeinsamen Nutzniefsung 
nur dann, wenn sie einen wesentlichen Ertrag des Wasser- 
laufes bildetet Im anderen Falle wird nach stillschweigen- 
der oder ausdrücklicher Vereinbarung das Fischereirecht als 
jedem im Bereich seines Grundstückes zustehend gegolten 
haben. Soweit es sich dagegen um Benutzungsarten, welche 
ein facere in re communi, eine künstliche Veranstaltung zur 
Voraussetzung haben , oder um Einräumung der Nutzung an 
Dritte handelt, mufste die Gemeinsamkeit des Eigentums- und 



1 Vgl. 1. 25 pr. 1. 26 D. de usuris 22, 1. 



§ 6. Die Kechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 137 

Nutzungsrechtes am Wasserlaufe hervortreten. So bedurfte 
die Bestellung einer Wasserservitut der Einwilligung sämt- 
licher Miteigentümer ^ Gegen jedes facere in re communi 
seitens eines Miteigentümers hatte jeder andere ein Einspruchs- 
recht, welches die Ausführung der beabsichtigten Veranstal- 
tung hinderte. Selbst wenn die Miteigentümer die Ausübung 
des Einspruchsrechtes unterlassen haben, obwohl sie es füg- 
lich hätten ausüben können, bleibt ihnen ihr Genosse, welcher 
die Veranstaltung getroffen hat, zum Ersatz des hierdurch 
verursachten Schadens verbunden. Nur die ausdrückliche 
Einwilligung aller Miteigentümer macht die Veranstaltung 
unanfechtbar ^.- 

Läfst sich über die Benutzung eines Wasserlaufes unter 
den Miteigentümern eine Vereinbarung nicht erzielen, so steht 
einem jeden die actio communi dividundo auf Auseinander- 
setzung offen. Der Erfolg dieser Klage kann, wie er es bei 
jedem ihr zu Grunde liegenden Gegenstande ist, so auch beim 
Wasserlauf ein sehr verschiedener sein. Haben die Miteigen- 
tümer oder einzelne von ihnen an der eigenen Benutzung des 
Wasserlaufes kein Interesse, so wird häufig die Klage zu 
einer Veräufserung des Wasserlaufes oder zu einer Adjudi- 
kation an einen Miteigentümer oder zu einer Enteignung 
einzelner Miteigentümer zu Gunsten der Anderen gegen Ent- 
schädigung geführt haben. War es dagegen den Interessenten 
um eine Verteilung der Nutzung unter sich selbst, z. B. um 
eine Teilung des Wassers zu Zwecken der Bewässerung, zu 
thun, so wird es die Aufgabe des arbiter gewesen sein, die 
Nutzung des Wasserlaufes in einer solchen Weise zu teilen, 
dafs damit den Wünschen und thatsächlichen Interessen der 
Beteiligten am besten Rechnung getragen wurde. Dabei 
mufste der arbiter natürlich, wenn er einem Miteigentümer 
z. B. ein seine Anteilsquote überschreitendes Nutzungsrecht am 
Wasser zu Zwecken der Bewässerung zuspricht, weil dieser 



1 Vgl. 1. 10 pr. D. de aqu. et aqu. pl. arc. act. 39, 8; 1. 11, 1. 34 
pr. D. de serv. pr. rust. 8, 3; .1. 18 D. comm. praed. 8, 4. 
» Vgl. 1. 28 D. comm. divid. 10, 3. 



138 Drittes Kapitel. 

gegenüber Anderen das Wasser dringender bedarf, die 
dadurch Benachteiligten durch Zuerkennung einer Ent- 
schädigung schadlos halten. Die actio eommuni dividundo 
kann, falls sie unter Miteigentümern stattfindet, nicht 
immer eine Auseinandersetzung in betreff des Eigentums 
zum Ziele gehabt haben, sie mufs sich auch auf die Aus- 
einandersetzung der streitigen Nutzung haben richten können, 
weil gewichtige Interessen öfters für eine Aufrechterhaltung 
des Miteigentums sprechend Denn ob die Auseinandersetzung 
stets durch Adjudikation des Wasserlaufes an einen Mit- 
eigentümer unter Bestellung von Wässerservituten für die 
übrigen zu erfolgen pflegte, ist sehr zweifelhaft. Naturgemäfs 
findet die actio eommuni dividundo beim Miteigentum am 
Wasserlauf auch in allen Fällen Anwendung, in denen sie 
sonst allgemein zulässig ist, also z. B. auf Teilung des ge- 
meinschaftlichen Gewinnes, Erstattung verursachten Schadens, 
Ersatz notwendiger Aufwendungen u. s. w. 

Es verdient endlich noch die Frage eine kurze Erörte- 
rung, welche rechtlichen Folgen sich an die Veränderungen 
knüpfen, welche ein privater Wasserlauf auf natürlichem 
Wege erfährt. Dafs die für die öffentlichen Flüsse in dieser 
Beziehung geltenden Rechtssätze hier nicht in gleicher Weise 
zur Anwendung kommen können, bedarf keines Beweises. 
Auch in diesem Punkte schweigen die Quellen nahezu gänz- 
lich. Es kommt hier offenbar nur der Fall in Betracht, dafs 
ein Wasserlauf zwischen Grundstücken fliefst, welche, sei es 
überhaupt, sei es zum Teil, nicht im Eigentum des Eigentümers 
des Wasserlaufes stehen. Es dürften sich für den Fall der 
Nachbarschaft von agri arcifinii vielleicht folgende Grundsätze 
aufstellen lassen. Eine Veränderung in den Eigentumsverhält- 
nissen tritt nicht ein, wenn sich im Bereich des ursprünglichen 



^ Wenn die actio eommuni dividundo auch bei einem gemein- 
samen ususfructus gegeben wurde und hierbei zu einer Teilung des 
ususfructus führte, so wird dieses Ziel ai;ich bei einem gemeinsamen 
Eigentum mit der Klage verfolgt werden können. Vgl. 1. 6 § 10 D. 
comm. div. 10, 3, ferner 1. 1 § 26, 1. 4 D. de aqu. quot. et aest. 43, 20- 



§ 6. Die Rechtsverhältnisse der privaten Wasserläufe. 139 

alveus eine Insel bildet oder wenn der alveus vom Wasser- 
lauf verlassen wird, insoweit der Grund und Boden in Be- 
tracht kommt. Hat der Wasserlauf auf fremdem Gebiet einen 
neuen alveus sich geschaffen, so verfällt er dem Eigentum 
des Eigentümers dieses Grundes und Bodens. Das einem 
fremden Grundstück angeschwemmte Land (alluvio) wächst 
diesem Grundstück zu, während umgekehrt das abgeschwemmte 
oder vom Wasserlauf occupierte Land in das Eigentum des 
Eigentümers des Wasserlaufes fällt. 

Bei den fontes und wohl auch bei den rivi werden diese 
durch das Wasser herbeigeführten Veränderungen des Flufs- 
bettes wegen der geringen Gröfse dieser Wasserläufe nur von 
untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Für sie läfst sich 
in dieser Beziehung irgend ein Quellenzeugnis nicht bei- 
bringen^. Auf die durch das Wasser eines torrens herbei- 
geführten Veränderungen des Flufsbettes scheint sich dagegen 
das vielumstrittene fr. 38 D. de A. R. D. 41, 1 zu beziehen, 
welches sich von einem fiumen publicum nach seinem ganzen 
Inhalt nicht verstehen läfst. 

Alfenus Varus libro IV Digestorum a Paulo epito- 
matorum. — Attius fundum habebat secundum viam publi- 
cam, ultra viam flumen erat et ager Lucii Titii; fluit 
tiumen paulatim, primum omnium agrum, qui inter viam 
et flumen esset, ambedit et viam sustulit, postea rursus 
minutatim recessit et alluvione in antiquum locum rediit; 
respondit, cum flumen agrum et viam publicam sustulisset, 
eum agrum ejus factum esse, qui trans flumen fundum 
habuisset; postea cum paulatim retro rediisset, ademisse 
ei, cujus factus esset, et addidisse ei, cujus trans viam 
esset, quoniam ejus fundus proximus flumini esset; id 



* Wenn Siculus Flaccus in seiner Schrift de condicionibus agro- 
rum (Gromatici, Lachm. Ausg. p. 150 v. 24 ff.) von der alluvio und 
abluvio bei rivi spricht, so dürften nach dem ganzen Inhalt dieser 
Auslassung darunter nicht kleine beständige oder unbeständige Wasser- 
läufe, sondern flumina publica verstanden sein. Vgl. auch das Vorher- 
gehende p. 150 V. 7 ff. 



140 Drittes Kapitel. 

autem, quod publicum fuisset, nemini accessisse; nee tarnen 
impedimento viam esse ait, quominus ager, qui trans viam 
alluvione relictus est, Attii fieret; nam ipsa quoque via 
fundi esset. 
An einem öffentlichen Wege liegt auf der einen Seite das 
Grundstück des Attius, auf der anderen Seite des Weges be- 
finden sich die Äcker Anderer, an welche sich ein dem Lucius 
Titius gehöriger Flufs und an den Flufs grenzend auf der 
anderen Seite sein Grundstück anschliefsen. Der Flufs reifst 
allmählich den zwischen ihm und dem Wege befindlichen Acker 
und darauf den Weg selbst los, kehrt aber durch Anschwem- 
mung nach und nach in sein ursprüngliches Bett zurück. 
Die occupierten Äcker werden, so entscheidet Alfenus, Eigen- 
tum des Titius, welchem das auf dem anderen Ufer liegende 
Grundstück und als Zubehör desselben der Flufs gehört. 
Mit dem allmählichen Zurückweichen des Flusses wächst 
dann das durch Anschwemmung wiederentstehende Land dem 
zunächstliegenden Grundstück, also dem des Attius an. Das 
durch die Occupation untergegangene Eigentum an dem 
zwischen dem Wege und dem Flusse liegenden Grund und 
Boden lebt nicht wieder auf, da das Zurückweichen (recessus) 
des Flusses nicht plötzlich , sondern nur allmählich erfolgt ^ 
Kur der via publica ist ihr Charakter weder bei der Occu- 
pation noch beim Zurücktreten des Flusses verloren ge- 
gangen ; sie ist — und dies beruht auf einem der Konsequenz 
nicht entsprechenden Rechtssatz — immer öffentlich ge- 
blieben. Der dazwischen liegende öffentliche Weg ist nämlich, 
meint Alfenus, nicht hinderlich, dafs das angeschwemmte 
Land dem Grundstück des Attius zuwächst, da der Weg 
selbst, streng genommen, dem Grundstück des Attius ac- 
crescieren müfste. 



1 Vgl. 1. 23 D. quib. mod. ususfr. 7, 4; 1. 30 § 3 D. de A. R. D. 
41, 1. 



Schlufs. § 7. Blick auf das gemeine Kecht. 141 



§ 7. Schlafs: Blick auf das gemeine Kecht. 

Auf dem Gebiete des gemeinen Rechtes besteht hinsicht- 
lich der Frage, welche Wasserläufe öffentlich sind, die gröfste 
Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsunsicherheit leuchtet auf 
das grellste aus der Thatsache hervor, dafs in der Theorie 
die verschiedensten Ansichten über den Umfang des Begriffes 
des öffentlichen Flusses für das gemeine Recht geltend ge- 
macht werden. Diese verschiedenen Ansichten aber sind dßr 
Ausflufs des Wahnes, dafs. der öffentliche Charakter eines 
Wasserlaufes sich nach Merkmalen bestimme, welche das 
Recht schaffe und zu schaffen berufen sei, und dafs das 
römische Recht in Erfüllung dieser Aufgabe den Begriff des 
öffentlichen Flusses durch bestimmte Merkmale begrenzt habe. 
Indem man die Thatsache völlig verkannte, dafs sich die 
Öffentlichkeit der Flüsse bei den Römern in der Wirklichkeit 
festgestellt hat, gelangte man zu der fälschlichen Ansicht, 
dafs die Grundsätze, durch welche man im römischen Recht 
den Umfang des Begriffes tiumen publicum begrenzt glaubte, 
auch für das gemeine Recht mafsgebend seien. So erklärten 
denn, indem sie das römische Recht anzuwenden und an- 
wenden zu müssen glaubten, für das gemeine Recht die Einen 
alle beständigen Wasserläufe, die Anderen nur die gröfseren 
von ihnen , die beständigen Flüsse , für öffentlich. Andere 
sahen bei den von den südlichen Ländern verschiedenen 
klimatischen Verhältnissen Deutschlands die Vorschriften des 
römischen Rechts über den Umfang des Begriffes flumen 
publicum für unanwendbar an, indem sie die Grenzen des 
öffentlichen Flusses für die deutschen Verhältnisse als zuweit 
gezogen erachteten, und bezeichneten als das Merkmal des 
öffentlichen Flusses nach deutschem Recht die Schiffbarkeit 
und Flöfsbarkeit. Nicht wenig wurde endlich die Rechts- 
unsicherheit auf dem Gebiete des gemeinen Wasserrechts 
durch die fälschliche weitverbreitete Annahme begünstigt, 
dafs sich alles fliefsende Wasser dem Eigentum entziehe und 
dem Gemeingebrauch freigegeben sei. 



142 Schlufs. 

Da die Scheidung der Wasserläufe in öffentliche und 
nichtöffentliche, wie sie im Bereiche des römischen Rechts 
besteht, keine Schöpfung dieses Rechts, sondern aus der 
natürlichen Entwickelung der Dinge hervorgegangen ist, 
welche das Recht nur anerkannt hat, so kann von einer An- 
wendung von römischem Recht für das Gebiet des gemeinen 
Rechts, sofern es sich um die Feststellung handelt, welche 
Wasserläufe nach gemeinem Recht öffentlich sind, überhaupt 
von vornherein nicht die Rede sein. Selbst wenn aber auch 
das römische Recht thatsächlich den Begriff des öffentlichen 
Flusses nach festen Merkmalen begrenzt hätte — was nicht 
der Fall ist — , so würden diese Sätze doch nur dann als 
recipiert gelten können, sofern sie nicht eine Umwälzung der 
in Deutschland bislang bestehenden thatsächlichen Verhält- 
nisse mit sich bringen. Sobald die Aufnahme von Grund- 
sätzen des römischen Rechts einen Umsturz in der bestehen- 
den Güterverteilung zur Folge hätte, kann eine Anwendung 
dieses Rechtes nicht stattfinden. Es ist also bei der Frage 
nach dem rechtlichen Charakter der Wasserläufe für das 
gemeine Recht nur darauf zu sehen, in welcher Weise sich 
die rechtlichen Schicksale der Wasserläufe in Deutschland 
festgestellt haben. 

Die Behauptung, dafs nach deutschem Recht nur die 
schiffbaren und flöfsbaren Wasserläufe als öffentlich gelten, 
ist nicht zutreffend. Allerdings liegt dieser Auffassung in- 
sofern ein richtiger Gedanke zu Grunde, als die Allgemein- 
heit in Deutschland bis auf den heutigen Tag ein erheblich 
geringeres Interesse an den rechtlichen Schicksalen der 
Wasserläufe hat, als dies in der antiken Welt der Fall war. 
Die Blüte der alten Bodenkultur beruhte vornehmlich auf 
der sorgfältigen und weisen Benutzung der befruchtenden 
Kraft der aus der Erde stammenden Gewässer. Die einzelnen 
perennierenden Gewässer wurden als wertvolle Güter be- 
trachtet, deren Rechtsverhältnisse eine sorgsame Regelung 
erforderten und erfuhren. Die Thatsache, dafs schon Ge- 
wässer von geringer Gröfse eine umfassende, ausgedehnte 
Bewässerung gestatten, forderte zumal in wasserarmen Ländern 



§ 7. Blick auf das gemeine Recht. 143 

ZU einer weitgehenden Veröffentlichung der einzelnen Ge- 
wässer heraus. Ganz anders war dies in Deutschland. Eine 
Benutzung der Wasserläufe zu Zwecken der Bodenkultur war 
und ist so gut wie gar nicht üblich, und damit war in 
Deutschland bei zahlreichen Wasserläufen, welche bei den 
Römern wegen des gemeinen Nutzens, den sie zu gewähren 
vermögen, als öffentlich gegolten hätten, ein Interesse an 
ihrer Veröffentlichung nicht vorhanden. Allein die Behaup- 
tung, dafs nach deutschem Recht nur die schiffbaren und die 
flöfsbaren Flüsse öffentlich waren, findet im übrigen in nichts 
ihre Stütze. Ein Rechtssatz, welcher dies in verbindlicher 
Form ausgesprochen hätte, ist nicht vorhanden, was gegen- 
wärtig aufser Anfechtung stehen dürfte. Eine allgemeine 
Rechtsüberzeugung, welche sich nach diesem Grundsatze hin 
äufserte , bestand und besteht ebensowenig. Es geht dies ja 
mit unumstöfslicher Sicherheit daraus hervor, dafs über den 
Umfang des Begriffes des öffentlichen Flusses nach gemeinem 
Recht völlig abweichende Anschauungen, die auf dem 
römischen Recht fufsten, mit Erfolg sich geltend machen 
konnten. 

Die Rechtsunsicherheit, welche auf dem Gebiete des 
gemeinen Rechts in Ansehung des rechtlichen Charakters der 
Wasserläufe besteht, ist durch den Streit der Theorie in 
ihrem Fortbestehen begünstigt worden; sie kann aber nicht 
durch ihn hervorgerufen worden sein. Hätten auf dem Ge- 
biete des Wasserrechts zur Zeit der Rezeption in Deutsch- 
land völlig geordnete und gesicherte Rechtszustände bestanden, 
so hätte die Theorie den Versuch überhaupt nicht machen 
können, den Begriff des öffentlichen Flusses ihrerseits durch 
Merkmale festzulegen. Nur auf einem Felde, dessen Rechts- 
verhältnisse nur verschwommen und unsicher vorgezeichnet 
waren, konnte der Streit der Theorie in dem gedachten Um- 
fange sich entspinnen. Der Grund für die Rechtsunsicherheit 
auf dem Gebiet des. gemeinen Wasserrechts dürfte darin zu 
suchen sein, dafs die Benutzung der Wasserläufe längst nicht 
so intensiv in Deutschland war wie unter der Herrschaft des 
römischen Rechtes und dafs demzufolge auch nur ein geringes 



144 Schlufs. 

Interesse an der sicheren Feststellung des rechtlichen Cha* 
rakters der einzelnen Wasserläufe bestand. Nur aus diesem 
mangelnden Verständnis für die wirtschaftliche Bedeutung 
der Gewässer, welches noch bis in die Neuzeit besteht, dürfte 
sich die auffällige Erscheinung erklären lassen, dafs die 
Rechtsverhältnisse der Gewässer in Deutschland allgemein in 
hohem Grade unsicher sind. 

Für das Gebiet des gemeinen Rechts läfst sich die Frage, 
welche Wasserläufe öffentlich sind, vom Standpunkt der 
Theorie aus ebensowenig beantworten, wie dies für das 
römische Recht der Fall ist. Auch in Deutschland hat sich 
die Öffentlichkeit der Wasserläufe in der Wirklichkeit fest- 
gestellt und auch hier nur für Wasserläufe von bedeutenderem 
Umfang, welche nach ihren natürlichen Eigenschaften der 
Benutzung der Allgemeinheit zu dienen vermögen. Die 
Öffentlichkeit der einzelnen Tlüsse thut sich regelmäfsig darin 
kund, dafs sie in der thatsächlichen einwandfreien aus eigenem 
Recht geübten Benutzung der Allgemeinheit stehen. Sie 
kann aber auch in einer ausdrücklichen Willenskundgebung 
der Allgemeinheit oder in der von altersher bestehenden 
communis opinio ihre Grundlage haben, ohne dafs thatsächlich 
ein usus publicus an dem Wasserlauf besteht. Läfst sich im 
Streitfalle der rechtliche Charakter eines Wasserlaufes nicht 
ermitteln, so wird der Wasserlauf auf seine natürlichen 
Eigenschaften hin mit solchen, welche unbestritten öffentlich 
sind , zu vergleichen , und je nach dem Ergebnis dieses Ver- 
gleichs sein rechtlicher Charakter zu bestimmen sein. Bleiben 
auch hiernach noch Zweifel übrig, so wird die Entscheidung 
zu Gunsten des Privateigentums fallen müssen, da es an 
einem allgemeinen intensiven Interesse an der Veröffentlichung 
von Wasserläufen gegenwärtig noch fehlte Die von Ulpian 
angegebenen Merkmale, nach denen im Zweifelsfall der 



1 Eine Frage der Rechtspolitik ist es, ob, inwieweit und unter 
welchen Voraussetzungen vom objektiven Recht eine Veröflfentlichung 
von bisher privaten Gewässern zuzulassen ist oder private Gewässer 
dem Gemeingebrauch zu erschliefsen sind. 



§ 7. Blick auf das gemeine Becht. 145 

rechtliche Charakter der Wasserläufe zu bestimmen ist, 
können für das Gebiet des gemeinen Rechts nicht Anwendung 
finden. Der Kreis der öffentlichen Flüsse war unter der 
Herrschaft des römischen Rechts ein viel weiterer, als er auf 
dem Gebiete des gemeinen Rechts ist. Der Unterschied 
zwischen öffentlichen und privaten Wasserläufen deckte sich 
dort im wesentlichen, die Beständigkeit der Wasserläufe 
vorausgesetzt, mit dem sprachlichen Unterschiede von Flufs 
und Bach, was für das gemeine Recht keineswegs zutrifft, da 
hier auch zahlreiche Flüsse nicht öffentlich sein dürften. 

Es bleibt noch die Frage zu erörtern, ob und inwieweit 
die Vorschriften des römischen Wasserrechts für das gemeine 
Recht anwendbar sind. Aus der Thatsache, dafs unter der 
Herrschaft des römischen Rechts der Kreis der öffentlichen 
Flüsse thatsächlich einen gröfseren Umfang hatte, kann zu- 
nächst ein Bedenken darüber nicht entnommen werden, ob 
die Grundsätze des römischen Rechts über die öffentlichen 
Flüsse nur auf die im Gebiete des gemeinen Rechts öffent- 
lichen Wasserläufe oder auch auf einen Teil der privaten 
anzuwenden sind. Das römische Recht hat die besonderen 
Grundsätze für die öffentlichen Flüsse nicht wegen besonderer 
natürlicher Eigenschaften derselben, sondern wegen des an 
ihnen begründeten Gemeingebrauchs geschaffen, welcher eine 
besondere rechtliche Regelung erforderlich machte. Es kann 
also keinem Zweifel unterliegen, dafs nur für die öffentlichen 
Wasserläufe auf dem Gebiete des gemeinen Rechts die Vor- 
schriften des römischen Rechts über die flumina publica in 
Frage kommen können. 

Wie die Ausführungen dieser Abhandlung darthun dürften, 
gehört es zu den Hauptgrundzügen, welche das römische 
Wasserrecht beherrschen, dafs dem Rechtszustande, wie er 
sich in der Wirklichkeit an den einzelnen Wasserläufen fest- 
gestellt hat, in weitgehendem Umfange Rechnung getragen 
wird. Die offensichtliche Tendenz des römischen Wasserrechts 
geht dahin, grundsätzlich die an einem Wasserlauf that- 
sächlich bestehende Nutzung, welche der rechtlichen Grund- 
lage teilhaftig ist, nicht blofs gegen willkürliche Schädigungen, 

Ossig, Wasserrecht. 10 



146 Schlufs. 

sondern auch gegen solche Schädigungen zu schützen, welche 
ihr durch neu ausgeübte Nutzungen, namentlich durch opera 
nova, sei es auf Grund des Gemeingebrauchs, sei es auf 
Grund des Eigentums am Wasserlauf entstehen. Sind aber 
die unter aufserordentlich entwickelten Verhältnissen ent- 
standenen Normen des römischen Wasserrechts bei ihrer 
feinen Durchbildung so geartet, dafs sie den jeweilig bestehen- 
den Verhältnissen gerecht zu werden vermögen, so wird man 
nicht Bedenken tragen dürfen, ihre volle gemeinrechtliche 
Gültigkeit zu behaupten. Mögen auch auf dem Gebiete des 
gemeinen Rechts Sondemutzungen und Sonderrechte an den 
einzelnen Wasserläufen in üppiger Weise aufgewuchert sein, 
so ist doch das römische Wasserrecht dazu angethan, diesen 
Verhältnissen in einer der heutigen Rechtsanschauung ent- 
sprechenden Weise zu genügen. 

Einer näheren Besprechung bedarf an dieser Stelle nur 
noch ein Punkt, über welchen die Ansichten gleichfalls sehr 
auseinandergehen, nämlich die Frage, ob und inwieweit die 
auf die öffentlichen Flüsse bezüglichen populären Rechtsmittel 
des römischen Rechts für das gemeine Recht noch anwendbar 
sind. In Betracht kommen dabei die Popularinterdikte von 
tit. Dig. 43, 12 und 13 und die populäre operis novi nuntiatio. 
In der neueren Zeit hat die Ansicht zahlreiche Anhänger 
und in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden, welche 
die populären Rechtsmittel des römischen Rechts insoweit als 
gültig anerkennt, als mit denselben private Vermögens- 
interessen verfolgt werden sollen. Es dürfte feststehen, dafs 
es sich dabei nicht um eine Anwendung der römischrechtlichen 
Popularklagen, sondern um eine Neuanwendung derselben 
handeln würde. Denn die Popularklagen sind nicht zur Ver- 
wirklichung von Privatinteressen, sondern von Interessen der 
Allgemeinheit bestimmt. Für eine Neuanwendung der popu- 
lären Rechtsmittel in dem gedachten Sinne liegt aber für 
das gemeine Recht nicht die geringste Veranlassung vor, 
weil die Interessen der Einzelnen an den öffentlichen Flüssen 
durch private Rechtsmittel in ausreichender Weise gewahrt 
sind. 



§ 7. Blick auf das gemeine Recht. 147 

Mufs sonach diese Neuanwendung der auf die Flüsse 
bezüglichen populären Kechtsmittel als unangemessen und 
überflüssig bezeichnet werden, so fragt es sich, inwieweit diese 
Kechtsmittel in ihrem römisch -rechtlichen Umfange noch 
gültig sind. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen ihrem 
materiellen und zwischen ihrem formellen Inhalt. Die popu- 
läre operis novi nuntiatio enträt eines besonderen materiellen 
Inhalts, da sie eine Zuwiderhandlung gegen die auf die öffent- 
lichen Flüsse bezüglichen leges, senatusconsulta oder edicta 
principum zur Voraussetzung hat. Was die Popularinterdikte 
von tit. Dig. 43, 12 und 13 anlangt, so ist ihr materieller 
Inhalt für das gemeine Recht als in vollem Umfange gültig 
anzusehen, natürlich sofern sich nicht andere Rechtssätze 
gebildet haben. Durch den Inhalt der Popularinterdikte 
werden dem Thun des Einzelnen an den öffentlichen Flüssen 
gegenüber den Interessen der Allgemeinheit Grenzen gezogen ; 
es werden im allgemeinen Interesse ohne Rücksicht auf ein 
widerstreitendes eines Einzelnen alle Mafsnahmen für un- 
zulässig erklärt, welche die Schiffahrt oder den Lauf des 
öffentlichen Flusses beeinträchtigen. Wollte man die Popular- 
interdikte nach dieser Richtung für unanwendbar erklären, 
so würde man damit eine empfindliche Lücke im gemeinen 
Wasserrecht schaffen, ohne einen Ersatz an der Hand zu 
haben. Es würden dann entweder die Mafsnahmen des 
Einzelnen an öffentlichen Flüssen nur wegen Beeinträchtigung 
wohlbegründeter Rechte anderer Personen beanstandet wer- 
den können, oder aber sie würden der willkürlichen An- 
fechtung der Allgemeinheit und der zu ihrer Vertretung 
berufenen Organe unterliegen. 

Hinsichtlich des formellen Inhalts der populären Rechts- 
mittel dürfte für das gemeine Recht feststehen, dafs die 
Wahrnehmung der Interessen der Allgemeinheit nicht mehr 
wie im römischen Recht dem einzelnen Bürger grundsätzlich 
obliegt. Es sind vielmehr hierzu die Organe der Staats- 
verwaltung gemäfs der Verfassung der einzelnen Staaten be- 
rufen. Nach der Staatsverfassung der einzelnen Länder des 
gemeinen Rechts und nach den in ihnen für die Verwaltung 

10* 



148 Schlafs. 

mafsgebenden Hauptgrundsätzen bemifst es sich auch, ob die 
berufenen Organe der Staatsverwaltung die Interessen der 
Allgemeinheit lediglich auf dem Kechtswege oder ob sie die- 
selben — was wohl überall der Fall ist — auf dem Ver- 
waltungswege durch Verfügung wahrzunehmen haben. Nun 
bedürfen aber folgende zwei Punkte der Beachtung. Es ist 
einmal zu berücksichtigen, dafs durch den Inhalt der Popular- 
interdikte und der auf die Flüsse bezüglichen leges senatus- 
consulta und edicta principum die Interessen der Allgemeinheit 
gegenüber den Rechten des Einzelnen ihre objektiv-rechtliche 
Abgrenzung finden. Es ist femer wohl zu beachten, dafs die 
Organe der Staatsverwaltung bei Gewässern, welche dem 
Gemeingebrauch freigegeben sind, nicht Interessen des Staats, 
sondern vermögensrechtliche Interessen der Staatsangehörigen 
zu schützen berufen sind, dafs sie in dieser Hinsicht als Ver- 
treter aller Staatsangehörigen erscheinen. Falls nun nicht 
partikularrechtlich anderweitige Grundsätze bestehen, so er- 
giebt sich hieraus einmal, dafs dem Einzelnen gegen eine 
Verfügung des Staatsorgans, durch welche die Interessen der 
Allgemeinheit an einem öffentlichen Flufs wahrgenommen 
werden, der Rechtsweg nicht verschlossen sein kann. Denn 
die Staatsbehörde ist als Vertreterin der Allgemeinheit gegen- 
über dem Einzelnen Partei. Die rechtliche Zulässigkeit oder 
Unzulässigkeit des Thuns des Einzelnen kann daher nicht 
durch sie, sondern nur im Rechtswege festgestellt werden. 
-Andererseits kann es im Verhältnis zur Allgemeinheit nicht 
dem subjektiven Ermessen der Staatsbehörde anheimgegeben 
sein, ausschliefslich darüber zu befinden, ob das Thun des 
Einzelnen die Interessen der Allgemeinheit in einer nach dem 
objektiven Recht unstatthaften Weise verletzt, und der Schutz 
der allgemeinen Interessen in ihr der Anfechtung entzogenes 
Gutdünken gestellt sein. Denn der Beruf oder die Befugnis 
der Staatsorgane, die Interessen der Allgemeinheit wahr- 
zunehmen, beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zum Staat, 
sondern gewissermafsen auf einem Auftragsverhältnis zur All- 
gemeinheit, zur Gesamtheit der Staatsangehörigen. Der 
Staatsbehörde ist damit nicht das Recht gegeben, mit Ausschlufs 



§ 7. Blick auf das gemeine Recht. 149 

jedes Anderen über die allgemeinen Interessen zu wachen, 
sie ist vielmehr nur besonders zum Schutz dieser Interessen 
bestellt. Allgemeine Interessen wahrzunehmen, ist jeder 
Staatsbürger nicht blofs berechtigt, sondern sogar verpflichtet. 
Hält ein Staatsbürger die Vorschriften des materiellen Rechts, 
welche sich auf den Schutz der öffentlichen Flüsse beziehen, 
für verletzt, so mufs ihm daher das Recht zustehen, wenig- 
stens subsidiär, wenn das berufene Staatsorgan es ablehnt 
einzugreifen, im Rechtswege die vermeintlich verletzten 
Interessen der Allgemeinheit zu wahren. 



Anhang. 

Die Wasserläufe in der lateinischen und 
griechischen Sprache. 

Bei der umsttirzlerischen Natur der Behauptung, dafs 
fons in der Rechtssprache den beständigen kleinen natür- 
lichen Wasserlauf, den Bach, bezeichnete, ist eine Erörterung 
der Frage unabweislich , welcher Sinn diesem Worte im 
sonstigen Sprachgebrauch beikam. Es ist offenbar nicht 
wahrscheinlich, dafs die Rechtssprache einem Worte willkür- 
lich eine Bedeutung untergelegt haben sollte, welche ihm 
sonst grundsätzlich nicht eigen war, und es liegt daher nahe 
zu vermuten, dafs fons überhaupt den Bach bezeichnete oder 
wenigstens bezeichnen konnte. Beruhte aber auch die Be- 
deutung von Bach auf einer Erfindung der Rechtssprache, so 
sollte man doch meinen, dafs diese Neuanwendung des Wortes 
die Rückwirkung auf den sonstigen Sprachgebrauch nicht 
hätte verfehlen können. Würde eine Prüfung der lateini- 
schen Litteratur zu dem negativen Ergebnis führen, dafs fons 
den Bach nicht bedeutet, so würde man hierin nicht mit 
Unrecht einen schwerwiegenden Gegengrund gegen die Richtig- 
keit der für die Rechtssprache vertretenen Ansicht erblicken. 
Da man den Worten nniyii und x^'vij ebenfalls allgemein die 
Bedeutung von Quelle beilegt und diese Worte mit fons 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 151 

synonym sind, wie aus der gleichmäfsigen Anwendung für 
bestimmte konkrete Gewässer mit Sicherheit erhellt, so wird 
sich die folgende Erörterung auch auf Prüfung der Bedeutung 
dieser Worte zu richten haben. Die Durchforschung dieser 
Frage , welche nicht blofs für die juristische , sondern auch 
für die geographische. Sprach- und Altertumswissenschaft von 
erheblichem Interesse ist, kann naturgemäfs bei dem Gegen- 
stande dieser Abhandlung keine umfassende sein. Sie wird 
sich nur soweit erstrecken^ als die Erweisung der für das 
Wort fons behaupteten Bedeutung dies erfordert. 

In seinem Buch de verborum significatione erklärt Festus 
das Wort rivus folgendermafsen : 

rivus vulgo appellatur tenuis aquae fluor non specu 
incilive factus, verum naturali suo impetu; sed ii rivi 
dicuntur, qui manu facti sunt, sive super terram fossa 
sive super specu, cujus vocabuli origo ex Graeco (^elv) 
pendet. 

Nach Festus bezeichnet also rivus in der Vulgärsprache den 
kleinen natürlichen, in seiner ursprünglichen Bedeutung da- 
gegen den kleinen durch Menschenwei^k geschaffenen Wasser- 
lauf. Die soeben wiedergegebene Stelle steht allerdings in 
ihrem Wortlaut insofern nicht ganz fest, als nach einer 
anderen Lesart zwischen den Worten sed und rivi dicuntur 
ein et sich eingeschoben findet und damit beide Bedeutungen 
von rivus nebeneinander gestellt werden. Indessen wider- 
spricht der Gleichstellung der beiden Bedeutungen das Wort 
vulgo so offenbar, dafs damit die Lesart in sich selbst zu- 
sammenfällt. Vor allem aber findet die erstere Lesart in 
den Thatsachen selbst die beste Bestätigung. 

Dafs rivus der technische und allgemein übliche Aus- 
druck für den kleinen künstlichen Wasserlauf war, ist nach 
den Zeugnissen der Litteratur über jeden Zweifel erhaben. 
In den Rechtsquellen wird rivus, wie in dieser Abhandlung 
erwähnt wurde, zur speciellen Bezeichnung des kleinen der 
Wasserleitung dienenden Kanals verwendet; auch in der 
sonstigen Litteratur kommt rivus vielfach in dieser Bedeutung 



152 Anhang. 

vor*. Andererseits aber lassen sich auch mehrfach Stellen 
nachweisen, in denen rivus zur Bezeichnung des kleinen 
natürlichen Wasserlaufes angewendet wird^. Indessen be- 
steht in dieser letzteren Hinsicht eine äufserst befremdliche 
Thatsache. Gerade in denjenigen Schriften, in denen man 
das Wort am häufigsten zu finden erwarten mufs, nämlich 
in den Schriften geographischen und naturwissenschaftlichen 
Inhalts, trifft man rivus in der Bedeutung von Bach so gut 
wie gar nicht an. Im achten Buche der Architektur des 
Vitruvius, welches nur das Wasser zum Gegenstande hat und 
in welchem zahlreiche konkrete Gewässer erwähnt werden, 
wird rivus im Sinne von Bach nur ein einziges Mal ge- 
braucht^. Ein gleiches negatives Ergebnis zeitigt eine Durch- 
forschung der naturalis historia des Plinius; auch hier ver- 
mifst man in den Teilen, welche der Geographie gewidmet 
sind oder aus anderen Gründen von Gewässern handeln, den 
rivus gänzlich, während alle anderen natürlichen Gewässer 
häufig erwähnt werden*, Auch in dem geographischen Ab- 
rifs des Pomponius Mela de situ orbis kommt das Wort rivus 
nur an zwei Stellen vor, und nur in der einen* von ihnen 
dürfte es die Bedeutung von Bach haben, wärend es in der 
anderen* nur einen kleinen Wasserlauf bezeichnen soll. 
Ebensowenig ist in dem späten Werke Polyhistor des Solinus 
von rivus im Sinne von Bach die Rede. Eine Ausnahme 
machen die naturales quaestiones des Seneca, in welchen das 



1 Vgl. z. B. Frontinus, de aquaeduct. an zahlreichen Stellen; 
Vitruvius, de architectura 8, 6, 1 ff.; Ovid, Amor. 2, 16, 9. 35; Rem. 
Am. V. 177. 194. 445; Horaz, Carm. 1, 7, 14; 2, 3, 11 f.; Epist. 1, 10, 
21 f.; Vergil, Ecl. 3, 111; 5, 47; Georg., 1, 269; Lucrez, de rer. nat. 
2, 29 ff. 5, 1372. 1392 ff. 

2 Vgl. z. B. Seneca, natur. quaest. 3, 4. 6. 9. 12. 13. 15. 28. 
Vitruvius, de architect. 8, 3, 16; Ovid, Metam. 2, 456; 5, 435; 8, 334; 
11, 602; Amor. 3, 6, 91 ; ex Ponto 2, 5, 19; Caesar, de bell. Gall. 5, 49; 
de bell. civ. 3, 37. 49. 88. 

^ Vitruvius, de architect. 8, 3, 16. 

* Plinius, natur. hist. lib. II, 103 ff., lib. III bis VI, lib. XXXI. 

6 Pomp. Mela, 1, 13. 

« Pomp. Mela, 3, 8. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 153 

Wort an einigen Stellen zur Bezeichnung kleiner natürlicher 
Wasserläufe im allgemeinen, nicht aber auf bestimmte Ge- 
wässer angewendet wird. 

Für diese höchst auffällige Thatsache giebt die Definition 
des Wortes rivus durch Festus die Erklärung von selbst an 
die Hand. Festus sagt ja ausdrücklich, dafs rivus nur in 
der Vulgärsprache zur Bezeichnung des kleinen natürlichen 
Wasserlaufes verwendet werde. Es ist daher ganz natürlich, 
dafs sich in der Schriftsprache rivus im Sinne von Bach nur 
selten findet und dafs dieser Ausdruck in der Sprache der 
Wissenschaft und daher in den genannten Werken zur Be- 
zeichnung des Baches sorgfältig und grundsätzlich vermieden 
wird. Damit steht man aber vor einem neuen Rätsel. Die 
vulgäre Anwendung des Wortes rivus im Sinne von Bach 
zeigt deutlich, dafs der Volksanschauung die Unterscheidung 
zwischen grofsen und kleinen natürlichen Wasserläufen nicht 
fremd war. Allein sollte in der That erst der Anblick des 
kleinen künstlichen Wasserlaufes und der Vergleich mit ihm 
dazu geführt haben, dafs man den kleinen natürlichen Wasser- 
lauf von dem grofsen unterschied? Sollte diese unwahr- 
scheinliche mittelbare Erkenntnis dieses Unterschiedes zu 
dem Ergebnis geführt haben, dafs nur die Vulgärsprache 
durch ein entlehntes Wort den Unterschied anerkannte, 
während er in der Verkehrssprache der Gebildeten und in 
der Schriftsprache verpönt blieb? Ist die Unterscheidung 
zwischen Flüssen und Bächen durch die natürliche Anschau- 
ung keineswegs so zwingend gegeben, dafs sie ein ursprüng- 
liches Gut auch der lateinischen Sprache gewesen sein mufs? 
Sollte die lateinische Sprache zur Bezeichnung des grofsen 
Flusses wie des kleinsten Baches das Wort flumen verwandt 
haben? Alle diese Fragen scheinen ohne jegliches Bedenken 
verneint werden zu müssen. Nach dem gegenwärtigen Stande 
der Sprachwissenschaft aber müfsten sie wunderbarerweise 
bejaht werden, da nur dem Worte rivus die Bedeutung von 
Bach beigelegt wird. In der Thatsache, dafs die lateinische 
Sprache einen allgemeingültigen Ausdruck für den kleinen 
natürlichen Wasserlauf nicht kennt, würde sich eine erstaunliche 



154 Anhang. 

Wortarmut dieser Sprache kundgeben, die um so auffälliger 
wäre, als die Wasserläufe und die Gewässer überhaupt in 
der antiken Welt bei der hohen Wertschätzung, welche sie 
erfuhren, einer eindringenden Intuition unterlagen. 

In schroffem Gegensatze dazu, dafs die rivi in den oben 
gedachten Werken so gut wie unerwähnt bleiben, steht die 
Thatsache, dafs die fontes in ihnen in geradezu hervorragen- 
der Weise berücksichtigt werden. Es wird der fontes sei 
es zur allgemeinen Bezeichnung des Gewässers, sei es zu 
derjenigen einzelner konkreter Gewässer so häufig gedacht, 
dafs selbst die flumina öfters ihnen gegenüber in den Hinter- 
grund treten. Hierzu kommt, dafs die fontes keineswegs 
blofs als Bestandteile von flumina erscheinen, dafs sie viel- 
mehr vielfach den flumina als gleichwertige Gewässer an die 
Seite j gestellt werdend Auch diese Thatsachen müssen auf 
jeden Unbefangenen äufserst befremdlich wirken, wenn fons» 
wie allgemein angenommen wird, die Bedeutung von „Quelle" 
hat. Man mufs sich staunend fragen, welche Umstände wohl 
den Alten die Quellen gerade als so bedeutsam erscheinen 
liefsen, dafs ihnen die sorgsamste Beachtung geschenkt wurde, 
zumal wenn man bedenkt, dafs sie es nicht für notwendig 
fanden, unter den weitaus wichtigeren Wasserläufen den 
Unterschied von Flufs und Bach zu machen. Auch mufs es 
auffallen, wenn die Quellen mit den Wasserläufen, den flumina 
so zusammengestellt werden, dafs die Quellen als selbständige 
Gewässer erscheinen, da die Quelle regelmäfsig den Anfang 
eines Wasserlaufes bezeichnet. 

Zu einem gleichen Ergebnis führt eine Prüfung der 
griechischen Sprache. Hier verweist das Lexikon, wenn man 
den Ausdruck für „Bach" sucht, auf das Wort ^eld^Qov. Allein 
in der Wirklichkeit bezeichnet ^el^gov nur das fliefsende 



1 Vgl. z. B. Vitruv., de architect. 8, 2, 2. 8; 3, 2. 7. 8. 11. 14; 
Seneca, natur. quaest. 3, 4. 9. 11. 13. 16. 19; 6, 7; Plinius, nat. bist. 
2, 103; 31, 5. 7. 9. 10; Solinus, Polyhistor 21, 1; 23, 17; Ovid, Meta- 
morph. 1, 38 ff.; 2, 235 ff. 405 ff.; 7, 567 ff.; 15, 270 ff. 308 ff.; Lucr., 
de rer. nat. 1, 230 f.; 4, 1024 f.; 5, 261 ff. 945 ff. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 155 

Gewässer schlechthin; dagegen hat es keineswegs die eigen- 
tümliche Bedeutung von Bach. In den beiden Werken, in 
welchen diese Bedeutung von ^ei&Qov unzweifelhaft sich 
kundgeben müfste, in der Geographie des Strabo und in der 
Beschreibung Griechenlands des Pausanias lassen sich irgend- 
welche Stellen nicht finden, welche diese Bedeutung zu er- 
härten geeignet wären. Damit stünde man auch hinsichtlich 
der griechischen Sprache vor der wunderbaren Thatsache, 
dafs sie die Wasserläufe nach ihrer Gröfse nicht unterscheidet 
und zur Bezeichnung eines jeden Wasserlaufes, des kleinsten 
wie des gröfsten, nur einen Ausdruck (norajLiog) anwendet. 
Die Wortarmut der griechischen Sprache wäre gegenüber der 
lateinischen noch erheblicher, da die erstere unter den 
Wasserläufen nur den TtorafÄog (aewaog) vom XBmd^^ovg 
scheidet, während die letztere abgesehen von der gleich- 
bedeutenden Teilung der flumina in perennia und torrentia 
noch zur Bezeichnung des Stroms das Wort amnis kennt und 
wenigstens in der Vulgärsprache rivus zur Bezeichnung des 
Baches verwendet. Auch hier besteht völlig analog die auf- 
fällige Thatsache, dafs bei Strabo und besonders bei Pau- 
sanias der nriyai und x^^vat, in welchen man bisher all- 
gemein Quellen gesehen hat, an unzähligen Stellen gedacht 
wird. 

Alle diese bei dem gegenwärtigen Stande der Wissen- 
schaft hervortretenden Mifslichkeiten werden behoben, wenn 
die Behauptung richtig ist, dafs fons, sowie Trijyi} und x^iji^ 
wenn auch nicht ausschliefslich so doch vornehmlich den 
kleinen natürlichen Wasserlauf, den Bach bedeuten. Es 
würde damit die auffallend häufige Erwähnung dieser Ge- 
wässer ihre Erklärung finden, es wäre damit auch die den 
fontes, nriyai und -^qf^vai neben den grofsen Wasserläufen 
(Flüssen), den flumina und noxafjioi, zugewiesene selbständige 
Stellung in klares Licht gestellt. Es wird sich nunmehr 
darum handeln, diese für die fontes, nriyai und x^^at an- 
genommene Bedeutung aus der Litteratur zu erweisen. 

1. Mehrfach wird erwähnt, dafs der Flufs (flumen, 
noTafÄog) Hypanis durch einen in ihn fliefsenden fons (fonticulus. 



156 Anhang. 

fcrjyijj x^vjj) den süfsen Geschmack des Wassers, welcher 
ihm bis dahin eigen war , verliert und einen bitteren Ge- 
schmack annimmt ^ 

Vitruvius, de architectura 8, 3, 11 : 

item sunt ex amaro suco terrae fontes exeuntes 
vehementer amari, ut in Ponte et flumen Hypanis. 
is a capite profluit circiter milia XL sapore dulcissimo, 
deinde cum pervenit ad locum, qui est ab ostio ad milia 
CLX, admiscetur ei fonticulus oppido quam parvulus. is 
cum in eum influit, tunc tantam magnitudinem fluminis 
facit amaram, ideo quod per id genus terrae et venas, 
unde sandaracam fodiunt, ea aqua manando perficitur 
amara. 
Pomponius Mela, de situ orbis 2, 1: 

Callipidas Hypanis includit. Ex grandi paludi oritur, 
quam Matrem ejus accolae appellant: et diu qualis natus 
est defluit. Tandem non longe a man ex parvo fönte, 
cui Exampeo cognomen est, adeo amaras aquas accipit, 
ut ipse quoque jam sui dissimilis et non dulcis hine 
defluat. 
Solinus, Polyhistor 14, 1: 

Hypanis oritur inter Anchetas Scythicorum amnium 
princeps, purus et haustu saluberrimus , usque dum Cal- 
lipidum terminis inferatur, ubi fons Exampaeus infamis 
est amara scaturrigine : qui Exampaeus liquido admixtus 
fluori amnem vitio suo vertit, adeo ut dissimilis sibi in 
maria condatur. 
Pausanias, Tte^n^yi^aig 4, 85, 12: 

Tov de ^HqÖöotov olda eiTiovca c5g ig tov notaf^ov xbv 
^'YTtaviv i'/.didcoaiv vdazog niHQOv Ttrjyij. 

Bei einer unbefangenen Betrachtung wird man darüber nicht 
zweifelhaft sein können, dafs unter dem fons, der ^rijyij, 
welche das Wasser des Hypanis bitter macht, ein kleiner 



1 Vgl. Ovid, Metamorph. 15, 285 f. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 157 

Wasserlauf zu verstehen ist. Hierauf dürfte namentlich die 
Darstellung des Vitruvius und des Tansanias hinweisen; die 
Ausdrücke influere und ixdidovai setzen notwendig einen 
Wasserlauf voraus. Indessen könnte man vielleicht, um die 
allgemein angenommene Bedeutung von fons zu retten, für 
die Stellen die an sich unwahrscheinliche Erklärung geben, 
dafs es sich um eine kleine Quelle handele, welche aus dem 
Uferrand des Hypanis hervorbreche und sofort in den Flufs 
hinunterstürze. Allein diese Erklärung wird an der genauen 
Schilderung des Herodot selbst zunichte ^ 

€X tavcrig dv avariXlwv 6 ^'Ynavig Ttoraf^dg ^iei hni 

fiiv Ttavte ^fÄBQ^ojv TtXoov ßqaxvg %al yXimvg m, and de 

Tovzov TtQog d'akdaarig xeaaiqiov ^fiegiiov tvXoov TtiTCQog 

aivwg. hLÖidoi yaQ ig avrbv hqijvtj tt^x^, ovto) di^ tl 

iovaa tcvkqij , ^ fzeydd'ei Of^r/^ iova'a tclqv^ töv "^'Ynavvv 

iovra narafiöv iv oUyoiav piiyav. sotl di iy HQi^r] avrrj 

kv ovQOiai X^Q^S '^^S ^* dqonfiqwv S'Avd'iwv xat IdXal^iovwv. 

ovvo(ia di Tfj TiQi^vt] xai od'ev ^iev %(^ X^QV ^^vd'iaxl (liv 

^E^af^Ttalog, Tcarä di tip^ ^ElXi^cov yXwaaav ^Iqai odoL 

Die in den Hypanis fliefsende xpijvij befindet sich also in 

den Bergen des Landes der ackerl3auenden Scythen und 

Alazonen ; die yi^vr} und die Gegend, aus welcher sie fliefst, 

heifst auf scythisch Exampaios, auf griechisch „Heilige 

Wege". Hiernach steht fest, dafs x^viy nicht eine Quelle, 

sondern einen kleinen Wasserlauf bezeichnet, und die gleiche 

Bedeutung mufs man dann dem fons, fonticulus und der 

TTiyyjj der oben gedachten Stellen unterlegen. 

2. Bleibt man bei dieser Gelegenheit bei Herodot 
stehen, so ergiebt sich auch aus weiteren Äufserungen dieses 
Schriftstellers, dessen Genauigkeit und Sorgfalt in der Dar- 
stellung allgemein anerkannt ist, dafs xpijvi; den kleinen 
Wasserlauf bezeichnet. 

4, 50: Ig yäq di) tovtov (röv NeiXov) ovre norafiög 
ovre ycQi^rj ovöef^ia iaöiöovaa ig nkfj&og ol avf^ßdXXeTai, 



1 Herodot, latoqlai 4, 52. 



158 Anhang. 

Wenn hier Herodot vom Nil im Gegensatz zum Ister sagt, 
dafs sich in ihn weder ein Ttoraf^og noch ein x^ijvij ergiefse, 
so wird man unter Berücksichtigung der vorhergedachten 
Stelle über die Bedeutung von xQi^vrj nicht zweifelhaft sein 
können. 

3. Sehr bemerkenswert sind femer die von Herodot 
berichteten Vorgänge vor der Schlacht von Plataeae^. Die 
vereinigten Griechen beschlossen, so erzählt Herodot, ihre 
Stellung bei Erythrae aufzugeben und in die Gegend von 
Plataeae zu rücken, weil diese Gegend ihnen viel günstiger 
erschien und namentlich den Vorzug besserer Wasserverhält- 
nisse hatte, und zwar beabsichtigten sie, an der in der Gegend 
von Plataeae befindlichen ngi^vt] raQYaq>irj ^ Stellung zu nehmen 
und dort das Lager aufzuschlagen. Diesen Plan führten sie 
auch aus; die Lacedämonier besetzten die Gegend an der 
genannten x^^vij, während die übrigen Hellenen zwar auch 
in der Nähe dieser x^ijviy, aber näher am Feinde nicht weit 
vom TtoTaf^og IdacDJiog lagerten. Indessen entnahm das ganze 
Heer das Trinkwasser aus der t^q^ti, weil der Zugang zum 
Asopus durch die persischen Reiter und Bogenschützen be- 
droht war. Die Griechen wurden aber bald gezwungen, 
diese Stellung zu verlassen und sich näher nach Plataeae 
nach der sogenannten vi^aog, einer zwischen den Quellbächen 
des Flusses Oeroe liegenden Gegend zurückzuziehen, weil die 
persische Reiterei die x^ijviy Gargaphia verschüttet und ver- 
dorben hatte. 

Diese Darstellung des Herodot grenzt geradezu ans 
Wunderbare, wenn die x^iJvj; Gargaphia eine Quelle war. 
Zunächst ist es rätselhaft, wie die Griechen im Besitz einer 
Quelle günstigere Wasserverhältnisse erblicken konnten, zu- 
mal es in der Nähe von Plataeae an Wasserläufen nicht ge- 
brach, deren Wasser sich zum Trinken eignete. Wie konnte 
fernerhin das ganze Heer der Griechen, das Herodot selbst 



1 Herodot, 9, 25. 49. 51. 52. 

2 Pausanias, nsQu^yriacg 9, 4, 3; Plinius, natur. bist. 4, 7: fons 
Gargaphia. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 159 

auf Über 100000 Mann beziffert ^ das zum Lebensunterhalt 
erforderliche Wasser aus der einzigen Quelle entnehmen? 
Da eine Quelle zu gleicher Zeit immer nur für wenige einen 
Zugang bietet, so mufs die Befriedigung des Bedürfnisses 
eines so starken Heeres aus der einzigen Quelle' selbst bei 
ununterbrochener Wasserentnahme geradezu als unmöglich 
bezeichnet werden. Noch wunderbarer aber ist es, wie 
die persische Reiterei die Quelle zu Grunde richten konnte, 
wenn die Lacedämonier , der Kern des griechischen Heeres, 
an ihr lagerten. Dann hätte es doch zu einem ernsten 
Kampfe kommen müssen, oder die Lacedämonier müfsten sich 
einer geradezu frevelhaften Sorglosigkeit und Nachlässigkeit 
schuldig gemacht haben, wovon Herodot nicht das geringste 
erwähnt. Ist es hiernach sicher, dafs die kqijvtj Gargaphia 
keine Quelle sein kann, so wird die ganze Sachlage klar, 
wenn man unter x^ijyiy einen Bach versteht. Ein Bach dürfte 
selbst für ein so grofses Heer wie das griechische das er- 
forderliche Trinkwasser darbieten; ein Bach gestattet auch 
eine bequeme und leichte Wasserversorgung, da er einer 
grofsen Mehrheit von Personen zu gleicher Zeit zugänglich 
ist. Die Vernichtung des Baches durch die persische Reiterei 
wird durch die naheliegende Annahme verständlich, dafs er 
im Kithärongebirge seine Quellen hatte. Die Quelle war 
von den Griechen nicht besetzt, die persische Reiterei um- 
schwärmte sie auch im Rücken, nahm sie doch bei Dryos- 
kephalae einen für das griechische Heer bestimmten Lebens- 
mitteltransport weg ^ ; es war den Persem daher auch möglich, 
den Griechen den Wasserlauf abzuschneiden, aus dem sie ihr 
Trinkwasser entnahmen. 

4. In seiner Naturgeschichte läfst sich Plinius folgender- 
mafsen aus: 

2, 103 : in Tenedo insula fons semper a tertia noctis 
hora in sextam ab aestivo solstitio exundat, et in Delo 
insula Inopus fons eodem quo Nilus modo ac pariter cum 
eo decrescit augeturve. 

1 Herodot, 9, 30. 

2 Herodot, 9, 39. 



160 Anhang. 

Kann man schon bei dem exundare des fons auf Tenedos 
an eine Quelle kaum denken, so erscheint dies für das de- 
crescere und augeri des fons Inopus als ausgeschlossen. Da 
Plinius sagt, dafs der Inopus in derselben Weise und zu 
derselben Zeit wie der Nil abnehme und wachse, so kann 
man unter dem fons wohl nur einen Wasserlauf verstehen. 
In der That war der Inopus keine Quelle, sondern ein 
Wasserlauf von mäfsiger Gröfse, wie Strabo in seiner Geo- 
graphie (10, 485) ausdrücklich erklärt: 

TioxafjLog de diaggei tijv v^aov ^IviOTtog ov fÄeyag, 
5. Es liegt auf der Hand , dafs bei manchen Wasser- 
läufen nicht immer Übereinstimmung darüber geherrscht 
haben wird, ob sie nach ihrer Gröfse die Bezeichnung flumen, 
notafiog oder fons, Ttrjyi^, xqi^vtj verdienen. Dies läfst sich 
auch für andere Wasserläufe nachweisen. So bezeichnet 
Pausanias^ die Amymone in Argolis als norcaiioq^ während 
Strabo ihr nur die Bedeutung eines Baches (x^vi^) zuer- 
kennt^. Plinius nennt sie einen fons*, in den Fabeln des 
Hyginus tritt sie unter verschiedenen Bezeichnungen auf, 
was selir bemerkenswert ist. Es heifst hier einmal*: 

id in quo loco factum est Neptunius dicitur fuscina 
percussisse terram et inde aquam profluxisse, qui Lernaeus 
fons dictus est et Amymonium flumen. 
ferner : 

pro quo beneficium (Neptunius) ei tribuit jussitque 
ejus fuscinam de petra educere.* quae cum eduxisset, 
tres silani sunt secuti. qui ex Amymones nomine Amy- 
monius fons appellatus est. hie autem fons Lernaeus est 
postea appellatus. 
Es werden also zur Bezeichnung desselben Gewässers gleich- 
mäfsig verwendet flumen Amymonium, fons Amymonius und 



1 2, 37, 1. Bald nachher (2, 37, 4) spricht Pausanias von der 
nriyri Trjg ^Anvfitovrig, d. h. dem QueUbach des Amymoneflusses. 

2 Strabo, 8, 371. 

' Plinius, nat. hist. 4, 5. 
* Hyginus, fabulae 169. 



Die Wasserläufe in der lateio. und griechischen Sprache. \Q\ 

fons Leraaeus. Ganz ähnlich nennt Pausanias die Dirce in 
Böotien einen Ttorafiog^, während Strabo* sie als x^i^ und 
Plinius^ und Hyginus* als fons bezeichnen. So spricht 
Plutarch* von einer ngijvrj "^Egnvvf] in Böotien, Pausanias* 
dagegen von einem Ttozafiog gleichen Namens. Ja bei 
Plutarch "^ findet sich sogar die hochinteressante Bemerkung, 
dafs der TtorafÄog Magavag früher nrjyii Mida genannt wor- 
den sei. Dafs man eine Quelle zu anderer Zeit einmal einen 
Flufs nennt, klingt geradezu widersinnig. Dagegen ist es 
begreiflich, dafs der Marsyasflufs einmal Midasbach ge- 
heifsen hat. 

6. Die Thatsache, dafs manche Wasserläufe unter der 
Erde verschwinden, um erst in gröfserer Entfernung wieder 
aufzutauchen, ist von den Alten wohl beachtet worden und 
findet sich häufig erwähnt. Die Erkenntnis des unterirdischen 
Fortfliefsens einzelner Wasserläufe führte aber dazu, dafs 
man vielfach einen Zusammenhang zwischen Wasserläufen 
annahm, der nach den natürlichen Verhältnissen nicht be- 
stehen konnte, und dafs in dieser Hinsicht auf alter Über- 
lieferung fufsende Sagen entstanden. So hat die oben er- 
wähnte , von Plinius angegebene Ähnlichkeit des Inopus mit 
dem Nil jedenfalls dazu geführt, dafs man beide miteinander 
in Verbindung brachte, was Pausanias berichtet®. Diese 
Verhältnisse interessieren hier nur insoweit, als dabei fontes 
(/rijya/, yLQijvai) in Betracht kommen. Bei Plinius heifst es: 
2, 103: Quidam vero odio maris ipsa subeunt vada 
sicut Arethusa fons Syracusanus, in quo redduntur jacta 
in Alpheum, qui per Olympiam fluens Peloponnesiaco 
litori infunditur. Subeunt terras rursusque redduntur 



1 Pausanias, 9, 25, 3. 

2 Strabo, 8, 388. 9, 408. 
" Plinius, nat. hist. 4, 7. 
* flyginus, fabulae 7. 

^ Plutarch, Ethica: (ganixal diriytiaHg 1. 
« Pausanias, 9, 39, 3. 
' Plutarch, nsQl norafidiv 10, 1. 
® Pausanias, 2, 5, 3. 
s s i g , Wasaerrecht. 1 1 



162 Anhang. 

Lycus in Asia, Erasinus in Argolica, Tigris in Meso- 
potamia, et quae in Aesculapi fönte Athenis mersa sunt, 
in Phalerico redduntur. Et in Atinate campo fluvius 
mersus post XX milia passuum exit et in Aquilejensi 
Timavus. 
Unter dem bekannten fons Arethusa könnte hier wohl die 
Arethusaquelle gemeint sein, da auch in einer Quelle sehr 
wohl das in den Alpheus Geworfene zum Vorschein kommen 
kann. Dagegen kann in einer Quelle schlechterdings nichts 
unter der Erdoberfläche verschwinden, weil der Quelle be- 
grifflich das Heraustreten an die Erdoberfläche eigen ist. 
Nur das in einen Wasserlauf Geworfene kann mit diesem 
unter die Erde untertauchen. Überall spricht Plinius von 
verschwindenden Flüssen, dem Alpheus, dem Lycus, Erasinus, 
Tigris, dem fluvius der Atinatischen Feldflur und dem Timavus. 
Wenn er daher sagt, dafs das in den fons des Äskulap bei 
Athen Geworfene in dem fons von Phaleron wieder auftauche, 
so kann auch der fons des Äskulap nur einen Wasserlauf 
bedeuten, was dann natürlich auch für den fons Phalericus 
und den fons Arethusa wird angenommen werden müssen. 

7. Ein gleiches lehrt folgende Mitteilung des Pau- 
sanias ^ : 

3, 21, 2: d^eag öi a^ia avrd&i Idwv L^a'ÄXrjniov %e 
olöa legov xal t^v nrjyijv TleXhxvLda. ig Tavrr^v Xiyovaiv 
vdqevofiivrjv luneaelv TtagS^ivov^ aq)aviad^eia7^g de to xa- 
XvfXfÄO dvaqfav^vai tc erci Trjg iiBq)aX^g ev iriqq, nriyfj 

Eine Jungfrau soll beim Wasserholen in die Tirjyiq Pellanis 
gestürzt und der Schleier der Verschwundenen in der rtriyri 
Lankeia wieder zum Vorschein gekommen sein. Auch hier 
kann man aus den gleichen Gründen bei der nrjyifi Pellanis 
nur an einen Wasserlauf denken. Dasselbe mufs gelten, wenn 
Pausanias erzählt*, dafs das von den Bewohnern von Lilaea 
in die nrffri des Ttorafidg Ktjcpiaog Greworfene angeblich in 



' Vgl. Pausanias, 5, 7, 5: ^ri^yi} auf Mycale. 
2 Pausanias, 10, 8, 9. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. Ißg 

der Ttriy^ Kaazalla wieder auftauche. Die nrjyi^ des Kephissos 
kann nur sein Quellbach sein, und auch unter der Ttijyi^ 
Castalia wird man sich dann einen kleinen Wasserlauf vor- 
stellen müssen. 

8. Dafs fons einen Wasserlauf bezeichnete oder wenig- 
stens bezeichnen konnte, geht ferner mit grofser Klarheit aus 
folgenden Äufserungen des Pomponius Mela hervor: 

de situ orbis 3, 9: Tunc rursus Aethiopes nee tam 

dites, quam quos diximus, nee ita corporibus similes, sed 

minores incultique sunt et nomine '^EoTtegicov. In herum 

finibus fons est, quem Nili esse aliqua credibile est. 

Nuchul ab incolis dicitur : et videri potest non alio nomine 

appellari, sed a barbaro ore corruptus. Alit papyrum et 

minora quidem, ejusdem tamen generis animalia. Aliis 

amnibus in Oeeanum vergentibus solus in mediam regionem 

et ad orientem abit: et quonam exeat, incertum est. 

Inde colligitur, Nilum hoc fönte conceptum actumque ali- 

quamdiu per invia et ideo ignotum iterum se, ubi ad 

Eoa possit, ostendere: ceterum spatio quo absconditur, 

effici ut hie alio cedere ille aliunde videatur exsurgere. 

Der fons Nuchul im Lande der Äthiopen wird also deswegen 

für den fons des Nil gehalten, weil er wie der Nil Papyrus 

hervorbringt und ähnliche wenn auch kleinere Tiere, also 

jedenfalls z. B. Krokodile, Nilpferde, enthält wie dieser und 

weil er im Gegensatz zu anderen Flüssen ins Binnenland 

fliefst. Es liegt auf der Hand, dafs der Nuchul keine Quelle, 

sondern ein gröfserer Wasserlauf ist, der nur wegen seiner 

im Verhältnis zum Nil geringen Gröfse fons genannt wird, 

für sich allein aber als flumen bezeichnet werden würde. 

Pomponius Mela, 3, 5: Jaxartes et Oxos per deserta 
Scythiae ex Sugdianorum regionibus in Scythicum exeunt, 
ille suo fönte grandis, hie incursu aliorum grandior .... 
Der Jaxartes ist also vermöge seines eigenen fons ein starker 
Flufs, der Oxus ist bedeutender infolge des Einfliefsens noch 
anderer fontes. Die in den Oxus fliefsenden fontes sind 
offenbar Nebenflüsse; der Jaxartes wird aus seinem eigenen 
Quellbach heraus ein bedeutender Strom. 

11* 



164 Anhang. 

9. Sehr bemerkenswert sind ferner folgende Äufserungen 
des Strabo und Pausanias, welche denjenigen des Mela über 
den fons Nuchul gleichen. 

Strabo, 15, 696: like^avÖQOv d'ev f^iv %(^ ^YddoTtr^ 
TLQoycodeilovg Idovra^ iv de t^ Idneaivrj ycvdfiovg ^lyvmiovgy 
BVQrjTtivai öo^ai rag %ov NeiXov Ttrjydgy xal TtagaOTcev-^ 
dtead'aL azolov elg %ov ^Xyvmov c5g t<^ noTapii^ tovt(ip 

(jiexQL ixeiae TiXevaofxevov 

Alexander soll also geglaubt haben, als er im Hydaspes 
Krokodile und im Acesines die Lotosfrueht sah, dafs er die 
Ttriyai des Nil gefunden habe. Auch hier kann nriyri offen- 
bar nicht die Quelle, sondern nur den Quellflufs bedeuten. 

Pausanias , 1 , 33 , 5 : ovttDg Aid^ioneg Ttoraf^i^ ys 
ovöevi nQoaoiiiovaiv ^i2Keav(^' x6 de vdfaq t6 ex tov ^'Ax- 
XavTog d^oXegov re kaxi nai ngög xfj ^r]yfj nQOnodeiXoL 
diTtfjX^wv Tjoav om eXdoaovg, nQoaiovcwv de xciv dv&Qci- 
Tviov ycateövovTO kg Ttjv Ttrjyijv. Ttaqiaxato de owl oXiyoig 
t6 vdioQ xovto dvaq)aiv6fievov avd'cg i% %ijg xpdfAfxov noielv 
xbv NeiXov Alyvmioig. 
Pausanias berichtet also von einer im Atlasgebirge befind- 
lichen Tiriyri, an welcher mehr als zwei Ellen lange Krokodile 
lebten, die bei der Annäherung von Menschen in die TtriyiQ 
untertauchten. Die Erzählung, dafs Krokodile an einer Quelle 
sich befinden und noch dazu in die Quelle springen, klänge 
geradezu unverständlich. Die Tiriyri ist ein vom Atlas kom- 
mender Wasserlauf, der später im Wüstensand verschwindet, 
und den man für den Quellflufs des Nil hielt. 

10. So wenig man sich Krokodile in Quellen vorstellen 
kann, ebensowenig kann man sich Fische in solchen denken. 
Ein Vorkommen von Fischen in fontes wird aber häufig er- 
wähnt. So nennt Cicero^ den fons Arethusa bei Syracus 
plenissimus piscium und ein gleiches versichert auch Silius 
Italiens^ von ihm. Auch Plinius^ berichtet mehrfach von 



^ Cicero, oratio in Verrem 4, 118. 

* Silius Italiens, Punica 14, 53. 

« Plinius, nat. bist. 2, 103 (231). 32, 2. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 165 

Fischen und Aalen in fontes, und Pausanias^ erzählt von 
einer dem Hermes heiligen fischhaltigen TrijyiJ bei Pharae 
in Achaja, aus welcher keine Fische gefangen werden durften, 
weil sie als dem Gott geweiht galten. Auch hier kann nach 
der Natur der Sache mit dem fons und der TrryyiJ eine Quelle 
nicht gemeint sein. 

11. Sehr häufig ist in der Litteratur von dem fons, der 
^Vn^ gewöhnlich aber von den fontes, nrjyai von flumina, 
Ttoxaiiol die Rede. In dieser Beziehung haben die Worte 
fons und TnjyiJ häufig die Bedeutung von Quellbach oder 
Quellflufs. Wenn davon gesprochen wird, dafs ein Flufs aus 
mehreren fontes entsteht, so liegt es offenbar erheblich 
näher, an Wasserläufe zu denken, durch deren Vereinigung 
der Flufs entsteht. Bereits aus einigen der angeführten 
Stellen geht diese Bedeutung von fons und Triyyi} hervor; es 
lassen sich aber auch zahlreiche andere Belagstellen hierfür 
beibringen. Wenn Plinius^ sagt, dafs die Völkerschaft der 
Lepontier an dem fons Rhodani wohne, so kann damit nicht 
die Gegend an der Quelle der Rhone gemeint sein, weil 
diese schwerlich jemals bewohnbar gewesen sein wird, son- 
dern nur der Quellflufs der Rhone. Ein gleiches wird man 
gelten lassen, wenn er als Wohnsitz der Völkerschaften der 
Imityer und Apartaeer den fons Imityis bezeichnet^, oder 
wenn Strabo* ein Geschlecht von mißgestalteten Wunder- 
menschen an den Triyya^ des Ganges wohnen läfst. Eine 
deutliche Sprache führen weiterhin auch folgende Äufserungen 
von Strabo: 

12, 577: vniQxeiTav öi aal lifivr] (pvovaa naXaiiov 

xbv elg rag yXioxxag twv aikaiv sncTTJöeiov , i^ ^g cctvo- 

XeißeaS^ai q)aav tag Ttrjyag afiqxyciqag tijv te zov MaQüvov 

aal xTjv Tov Maidvdgov, 

Unter den beiden Ttr/yal des Marsyas und Mäander, welche 



1 Pausanias, 8, 16, 1. 

* Plinius, nat. hist. 3, 20. 
' Plinius, nat. hist. 6, 7. 

* Strabo, 15, 711. 



166 Anhang. 

aus dem See abfliefsen sollen, hat man sich schwerlich 
unterirdische Quellen vorzustellen. An ein unterirdisches 
Abfliefsen und späteres Hervorbrechen von nrjyai läfst sich 
bei dem Ausdruck anoXeißead'aL Ix Xiiivrjs wohl nicht denken. 
Es werden die beiden Quellbäche des Marsyas und Mäander 
gemeint sein, welche aus dem See abfliefsen. 

13, 602 : eari yaq X6q)og zig Ttjg ^'ldr]g KorvXog' vnsQ- 
neiTat d^ovTog enatöv tzov 7(,al u%oov OTadioig SK^ipeiog^ 
i^ ov Te 2yidfiavdQ0g ^el xat o rgdvinog xai AXatircogy 
Ol (liv TtQog aQYXov xal %^v IlQOTtovTida Ix TtXeiovwv 
TtTjycSv avXXeißof^evoi, 6 de ^yLdfxavÖQog etzI dvaiv in fiiag 
Ttriy^. 

Nach dieser von Strabo wiedergegebenen Schilderung des 
Skepsiers Dcmetrius strömen vom Berge Cotylus der 
Granicus und Äsepus, aus mehreren 7tr]yai zusammenfliefsend, 
nach Norden, der Scamander aus einer Ttrjyij nach Westen. 
Bei einem Zusammenfliefsen aus mehreren Tttjyal dürfte man 
an Quellen nicht gut denken können. 

13, 616: ^el d'^x tov Trjf^vov noTccfiög Mvaiog ifx- 

ßaXXiov eig tov Kdiycov vnb taig nrjyalg avrov 

Der Flufs Mysius fliefst also in den Caicus unterhalb dessen 
nrjyai. Quellen lassen sich unter den ntjyai hier nicht ver- 
stehen, weil dann der Mysius nicht in den Caicus, sondern nur 
in einen Quellbach desselben münden könnte. Strabo will 
offenbar sagen , dafs der, Mysius in den Caicus kurz unter- 
halb der Vereinigung von dessen Quellbächen einfliefse. 

12. Auch folgende Stellen machen bei vorurteilsfreier 
Betrachtung weit eher den Eindruck, dafs fons einen Wasser- 
lauf, als dafs er eine Quelle, d. h. ein aus der Erde her- 
austretendes Gewässer während des Heraustretens, bedeutet. 
Vitruvius, de architectura 8, 3, 2: 

sunt etiam odore et sapore non bono frigidi fontes, 
qui ab inferioribus locis penitus orti per loca ardentia 
transeunt et ab eo per longum spatium terrae percur- 
rentes refrigerati perveniunt supra terram sapore odore 
coloreque corrupto, uti in Tiburtina via flumen Albula et 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 167 

in Ardeatino fontes frigidi eodem odore, qui sulphurati 
dicuntur, et reliquis locis similibus. 
Vitruvius, 8, 3, 8: 

alii autem per pingues terrae venas profluentes uncti 
oleo fontes erumpunt, uti Solis, quod oppidum est Ciliciae, 
flumen nomine Liparis, in quo natantes aut lavantes ab 
ipsa aqua unguuntur. 
Seneca, natur. quaest. 3, 16: • 

Sed quare quidam fontes senis horis pleni senisque 

sicci sunt? Supervacuum est, nominare singula flumina, 

quae certis mensibus magna, certis angusta sunt, et oc- 

casionem singulis quaerere, cum possim eandem causam 

Omnibus reddere. 

Die Beziehung der fontes zu den flumina ist in allen diesen 

Stellen eine so nahe , dafs beide oflen als Arten einer und 

derselben Gattung erscheinen. Die fontes stellen sich wie die 

flumina als Wasserläufe dar, und zwar bezeichnet fons hier 

den beständigen Wasserlauf schlechthin. 

13. Plinius, nat. bist. 2, 103 (231): 

In Carrinensi Hispaniae agro duo fontes juxta fluunt, 
alter omnia respuens alter absorbens. 
Von den beiden neben einander fliefsenden fontes soll also 
der eine alles, was in ihn hineingeworfen wird, wieder von 
sich geben, der andere in sich verschwinden lassen. An 
Quellen läfst sich dabei schlechterdings nicht denken. 

14. Auf ähnliches bezieht sich auch folgende Darstellung 
von Seneca in den naturales quaestiones (3, 26): 

quidam fontes certo tempore purgamenta ejectant, 
ut Arethusa in Sicilia, quinta quaque aestate per Olym- 
piam. Inde opinio est, Alpheon ex Achaja eo usque pe- 
netrare et agere sub mare cursum nee ante quam in 
Syracusano littore emergere. Ideoque iis diebus, quibus 
Olympia sunt, victimarum stercus secundo traditum 

flumini illic redundare Est in Chersoneso Rho- 

diorum fons, qui post magnum intervallum temporis foeda 
quaedam turbidus ex intimo /undat, donec liberatus eli- 
quatusque est. Hoc quibusdam locis fontes faciunt, ut 



168 Anhang. 

non tantum lutum sed folia testasque et, quicquid putre 

jacuit, expellant. 
Der Umstand, dafs in jedem fünften Sommer zur Zeit der 
olympischen Spiele von dem fons Arethusa Unrat ausge- 
worfen wurde, von dem man sich nicht erklären konnte, wie 
er in den fons hineingekommen war, führte zu dem Glauben, 
dafs der fons die Fortsetzung des durch Olympia fliefsenden 
Alpheios sei. Man hielt den Unrat für den Mist der zu 
Olympia geschlachteten Opfertiere. Hier könnte man also, 
da ja der Unrat aus dem Alpheios stammen soll, bei dem 
fons Arethusa an eine Quelle denken. Anders ist dies bei 
den folgenden fontes, von denen Seneca einen unterirdischen 
Zusammenhang mit anderen Gewässern nicht erwähnt. Wenn 
er von dem fons auf dem Chersones erzählt, dafs er in 
stürmischer Weise schlechte Stoffe aus seinem Innern heraus- 
werfe, bis er geläutert und geklärt sei, und von anderen 
fontes, dafs sie nicht blofs Erdstoffe, sondern Muscheln, 
Blätter und faulige Stoffe auswerfen, so kann man bei 
diesen fontes an Quellen sicher nicht denken. Es wäre ja 
unerklärlich, wie diese Dinge in den fons hineingekommen 
sind. Die Sachlage wird sofort verständlich, wenn man unter 
fontes Wasserläufe versteht ^ 

15. Solinus, Polyhistor 5, 20: 

In Haiesina regione fons alias quietus et tranquillus 

cum siletur, si insonent tibiae exultabundus ad cantus 

elevatur et quasi miretur vocis dulcedinem ultra margines 

intumescit. 
Priscianus, periegesis v. 499: 

Hie et Haiesinus fons est, mitissimus undis, 

tibia quem extollit. Cantu saltare putatur 

musicus et ripis laetans excurrere plenis. 

Auf der Feldflur von Haiesa in Sicilien befand sich also ein 

fons, welcher gewöhnlich einen ruhigen Charakter an sich trug, 

bei Flötenspiel aber ausgelassen vor Freude sich zu erheben 



1 Bald darauf spricht Seneca von dem Auswurf des Meeres. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 169 

und zu steigen pflegte. Um eine Quelle kann es sich dabei 
nicht handeln, dagegen trifft die Schilderung auf einen Wasser- 
lauf zu. 

16. Vitruvius, de architectura 8, 3, 8: 

item Carthagini fons, in quo natat insuper oleum 
odore uti scobis citreae, quo bleo etiam pecora solent 
ungui. 
Bei Karthago befindet sich ein fons, auf dessen Oberfläche 
Öl vom Geruch geriebener Citronenschale schwimmt. Dies 
pafst auf eine Quelle schlechterdings nicht ; nach dem gegen- 
wärtigen Stande der Wissenschaft mag man hier wohl an 
eine Art Wasserbecken denken , das mit einer Quelle jeden- 
falls nichts zu thun hat. 

17. Plinius, nat. bist. 31, 9: 

at in Lusis Arcadiae quodani fönte mures terrestres 
vivere et conversari. 
Auch hier ist es selbstverständlich ausgeschlossen , dafs fons 
eine Quelle ist, in der die Landmäuse leben. Wollte man 
auch hier zu dem Auskunftsmittel des durch eine Quelle 
gebildeten Wasserbeckens greifen, so bleibt es doch unauf- 
geklärt, warum die alten Schriftsteller vorzugsweise gerade 
Quellen Eigenschaften zuschreiben, welche den ganzen Wasser- 
läufen ebenso gut eigen sein können. Warum sollten sich 
die Landmäuse gerade in der Quelle eines Wasserlaufes 
finden ? 

18. Strabo, 5, 239. 240: 

zag (Liiv ovv Tttjyüg oqov eariVj €§ (ov r^ XlfÄVt] TtXrjQOv- 

zar tovzcjv d^saziv ^ ^Hyegia TLaXovfxivr] j daifiovog zivog 

€7iajwfÄog' ai S'anoQQvaeig evzav&a fiiv adrjXol elaiVy e^o) 

de deUwvzai tioqqu) nqbg zijv emqxiveiav dvexovaai. 

Es sind also die rtfjyai zu sehen, aus welchen der See bei 

Aricia im Albanergebirge sich füllt; zu diesen Ttrjyal gehört 

die Egeria. Dagegen sind die Abflüsse des Seees am See 

selbst unsichtbar; sie treten erst entfernt von ihm an die 

Erdoberfläche. Der Gegensatz der aTvoQQvaevg nimmt jeden 

Zweifel, dafs die Ttrjyai keine Quellen, sondern die Zuflüsse 



170 Anhang. 

des Seees sind. Seinen Abliuls nimmt der See nicht durch 
einen aus ihm tretenden Wasserlauf, sondern unterirdisch. 

19. Strabo, 9, 411: 

nivdagog de %ai Ktjq}i(jaida naXti tavvrjv (lacus Copais)* 

Tragarid^rjat yovv Tfjv Tthfüaoav ngijvrjv vtvo %(y TiXq)wa- 

aL(i) oQBt ^iovaav TtXrjaiov ^AXiagfcov Kai läkaXxofievfjiv, kqi^i^ 

%6 TetQeaiov fiv^fxa. 

Die TCQTJvTj Tilphossa soll also nahe bei Haliartus und Alal- 

comenae fliefsen. Da beide Städte keineswegs nahe aneinander 

lagen, so kann die TLg^vrj unmöglich eine Quelle, sondern nur 

einen Wasserlauf bezeichnen. 

20. Tansanias, 6, 22, 7: 

ajiexEi di ibg Tramjxorra ^OXvfXTtiag atadlovg najinrj 

TB ^HXeiiov 'HQccxkeia -/.ai nqbg avrfj Kv&rjQog Ttora/iog' 

Ttrjy^ di ixdidovaa ig xbv norafibv aal wfiq^uiv iaxiv Xbqov 

int tfi TtTjyi,, ovofiata di Idicjt fjiiv hudatr] ttov wfiq)wv 

KaXXiqxxBia -Kai 2vvdlXa^ig %ai Ilrjyaia ze aal ^'laaig^ iv 

%OLV(^ de aq)taiv iTtixXrjOig ^Icjvideg. Xovopiivoig di iv rg 

nrjyfi naficncov xi satt ycai dXyrjfidtojv Ttavroiwv Idfiata, 

In den Ttotafiog Kvx^rjgog ergiefst sich also eine TvrjyTJ, an 

welcher sich ein Tempel der Nymphen befindet; das 

Baden in der m]y}j bringt Heilung von allerlei Übeln und 

Schmerzen. Es handelt sich hier unzweifelhaft um einen 

Wasserlauf, der in den Flufs mündet. Alle angegebenen auf 

die Ttrjyt^ bezüglichen Thatsachen lassen sich mit einer Quelle 

nicht vereinigen. 

21. Die in der alten Litteratur und namentlich bei 
Dichtern sich häufig findenden Erzählungen vom Baden in 
fontes, Ttrjyai oder aq^voi lassen sich wie in dem eben er- 
wähnten Falle auf Quellen nicht beziehen, weil eine Quelle 
nach der Natur der Sache ein Baden nicht gestattet. In 
allen diesen Fällen sieht man sich daher veranlafst, eine Art 
Weiher oder ein ähnliches von einer Quelle gebildetes Ge- 
wässer anzunehmen, wobei man sich unbedingt wundem mufs, 
warum es nicht vielmehr Teich genannt wird. So erwähnt 
z. B. Tansanias eine ferjyT] Kanathos bei Nauplia, in welcher 



Die Wasserlänfe in der latein. und griechischen Sprache. 171 

nach der Sage Hera alljährlich durch Baden ihre Jungfrau- 
schaft wiedergewonnen haben soll, und eine nriyri in Böotien^ 
in der Aktäon die Artemis, während sie dort badete, gesehen 
haben solP. ' 

22. Pausanias, 8, 38, 3: 

Y.al CLTcb (lev T^g &Bia6ag noXig (^xelzo iv t^ üagga- 
ai(ji {xa de ejt^ ifiov ftoiQag tfjg MeyaXoTtoliTcdog kativ fj 
Oeiaoa yLti^rj)^ xr^g Niöag de 6 TtOTafiog %6 ovofia eaxrjue, 
x^ de ^Ayvovg r^ iv x(y oqei x(^ Avyai(j} ftrjyi] ^ xorrä xa 
avxä TtoxafÄi^ x(^ ^'laxQip 7teq)vyLev laov Ttagexeo^ai xb vdwq 
iv xfit^cüvt bfioitog Kai iv Sq(jc x^egovg. 

Die nrjy^ Hagno soll also dem Ister gleichen, weil sie wie 

dieser im Sommer und Winter gleichmäfsig Wasser führt. 

Dieser Vergleich weist bei der TtrjyTJ nicht auf eine Quelle, 

sondern auf einen Wasserlauf hin. 

23. Pausanias, 7, 21, 5: 

KaXXiQorj xe* wg KoQeaov xe&veaixa elöev, ^exineae r^ 

naidi fj yvoifirj, yial a7tiaq>a^iv xe avxf]v ig xijv 

nriYqv 

Es kann dahingestellt bleiben, ob dies heifsen soll, Callirrhoe 
habe sich aus Liebe. zu Koresos getötet, so dafs sie in die 
nrifri stürzte oder indem sie sich in die Ttriyri stürzte. In 
beiden Fällen erscheint es unmöglich, an eine Quelle zu 
denken. 

24. Pausanias, 9, 29, 5: 

^Ev "^EXiy^wvi de jcqbg x6 aXaog lovxi xwv Movaiov iv 
agtaxeg^ fiiv tj l^yaviTtTtr] TtrjyTJ (dvyaxeQa de eivai x^v 
jiyavinTtriv xov TeQfxrjaov Xeyovar ^el de nat ovxog b TsQfirj- 
abg neql xbv ^ElmcSva), 
Unter dem Termesus wird man sich wohl einen noxafiog vor- 
stellen müssen, weil die Aganippe nach der Sage als Tochter 
des Termesus galt, und Termesus dann füglich nicht eine 
(weibliche) 7ri?yif, sondern nur ein (männlicher) naxafAog sein 
konnte. Dann aber würden die Worte ^el de Kai ovxog 



1 Pausanias, 2, 38, 2; 9, 2, 3. 



172 Anhang 

schliefsen lassen, dafs auch die Aganippe ein vom Helikon 
fliefsender Wasserlauf war. 

25. Pausanias, 4, 31, 6: 

Meaarjviotg di ev ttj ayoqq Jiog eativ ayaXfxa aamj- 
Qog aal l^gaivorj xQTJvrj' xb fiiv dtj ovofia cltzo T§g ^ev- 
yLVTiTtov dvyaTQog €l'Xr]q}€Vy vnoQqei di ig avrijv vöwq in 
Ttrjyijg TcaXovfiivrjg KXeipvdgag. 

4 , 33 , 1 : ig di x^v KOQV(pr]v iQxofisvip rijg ^l&cifirjg, 
ov di] Meaarjvioig iavlv axQOTtoXig, Tvrjyij KXeipvdga yivevai. 
Es läfst sich nicht leugnen, dafs die TtrjyT] Clepsydra, aus 
welcher die Wasserleitung Arsinoe ihr Wasser empföngt, eine 
Quelle bedeuten könnte, so dafs die Leitung aus der auf dem 
Berge Ithome befindlichen Quelle begann. Klingt es aber bei 
vorurteilsloser Betrachtung der Schilderung von Pausanias 
nicht wahrscheinlicher, dafs die ^rjyij Clepsydra ein vom 
Berge Ithome herabkommender Bach war, aus dem an irgend 
einer Stelle Wasser abgeleitet wurde? 

26. Frontinus, de aquaeduct. art. 4: 

Ab urbe condita per annos CCCCXLI contenti fue- 

runt Romani usu aquarum, quas aut ex Tiberi aut ex 

puteis aut ex fontibus hauriebant. Fontium memoria cum 

sanctitate adhuc exstat et colitur : salubritatem enim aegris 

corporibus afierre creduntur, sicut Camoenarum et Apol- 

linis et Jutumae. 

Nach Frontinus begnügten sich also die Römer 441 Jahre 

lang von Gründung der Stadt an mit der Benutzung des 

Wassers, welches sie aus dem Tiber, aus Brunnen oder aus 

fontes schöpften. Als fontes erwähnt er den der Camönen, 

den des Apollo und den der Juturna. Nun hat es aber im 

Weichbilde der Stadt Rom jedenfalls auch kleine Wasserläufe 

gegeben, welche in den Tiber mündeten; so flofs z. B. an 

der Porta Capena ein aus dem Thal der Egeria kommender 

Wasserlauf vorüber in den Tiberflufs. Waren nun die fontes 

Quellen, so ist es offenbar auffällig, warum Frontinus nicht 

erwähnt, dafs die Römer auch das Wasser jener kleinen 

Wasserläufe benutzten. Sollte das Wasser derselben nicht 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 173 

verwendbar gewesen sein, während sogar das Wasser des 
Tiber benützt wurde ? Oder sollten nicht vielmehr die fontes 
jene kleinen Wasserläufe bezeichnen? War etwa der an der 
porta Capena vorbeiflief sende Bach der fons der Camönen? 

27. Cicero, topica 8: 

partium distributio est saepe infinitior tanquam rivo- 
rum a fönte deductio. 
Eine grofse Anzahl von Wasserleitungskanälen aus einer 
Quelle kann man sich schlechterdings nicht vorstellen. 

28. In den Zeichnungen zu den Schriflen der Gromatici 
findet sich der fons mehrfach als kleiner Wasserlauf abge- 
bildet. Die Abbildung des fons hat das nämliche Aussehen 
wie die des flumen (fluvius); das flumen erscheint nur er- 
heblich gröfser als der fons , was . gerade damit tiberein- 
stimmt, dafs der fons nur den kleinen natürlichen Wasserlauf 
bedeutet. In dem auf die Abbildungen bezüglichen Text 
wird zwar nicht von fontes, sondern immer nur von aqua viva 
gesprochen. Die kleinen natürlichen Wasserläufe, welche in 
der Erde selbst ihre beständigen Adern haben, sind aber von 
den Gewässern die hervorragendste Art der aqua viva. Man 
wird auch nicht einwenden dürfen, dafs in den Zeichnungen 
das Wort fons die Quelle des abgebildeten kleinen Wasser- 
laufes bezeichnen soll. Es dürfte sich ein triftiger Grund nicht 
finden lassen, waiiim gerade die Quelle des Wasserlaufes gekenn- 
zeichnet werden sollte. Es liefse sich ferner nicht erklären, 
warum dann nicht auch die Quelle des flumen in derselben Weise 
kenntlich gemacht ist, und warum ein ganzer Wasserlauf ab- 
gebildet wird, wenn es sich lediglich um Vorführung einer 
Quelle handelt \ 

Die angeführten Stellen dürften in ausreichendem Mafse 
darthun, dafs die Worte fons, Triyyi} und x^Vij zur Bezeich- 
nung des kleinen natürlichen Wasserlaufes verwendet wurden. 
Diese Bedeutung war aber keineswegs die ausschliefsliche der 
Worte, Vielmehr steht ebenso fest, dafs fons, Trijyif und 
ytQ^vT] auch die in der Erde verborgenenen Wasseradern und 

^ Zeichnungen zu den Schriften der Gromatici veteres (Lach- 
mannsche Ausgabe) Fig. 254 bis 269. Fig. 345. 



174 ' Anhang. 

Gewässer, die Quellen in diesem Sinne, bezeichneten , denen 
die oberirdischen Gewässer ihr Dasein zu verdanken haben*. 
Es geht dies für den fons besonders klar aus folgenden 
Äufserungen von Vitruvius (de architectura) hervor: 

8, 1, 1: ea autem erit facilior, si erunt fönt es 
aperti et fluentes. sin autem non profluent, quae- 
renda sub terra sunt capita et colligenda. 

8, 4, 1: Expertiones autem et probationes eorum 
(fontium) sie erunt providendae. si erunt pro fluentes 
et aperti, antequam duci incipiantur, aspiciantur ani- 
moque advertantur, qua membratura sint, qui circa eos 
fontes habitant homines, et si erunt corporibus valentibus, 
coloribus nitidis, crucibus non vitiosis, non lippis oculis, 
erunt probatissimi. item si fons novus fossus fuerit 
et in vas Corinthium sive alterius generis quod erit 
ex aere bono ea aqua sparsa maculam non fecerit, optima 

est 

Vitruvius unterscheidet hiernach von Natur an die Erdober- 
fläche tretende fontes (fontes aperti et profluentes, Bäche) und 
Solche fontes, welche im Innern der Erde verborgen sind 
(fontes non aperti, unterirdische Quellen). Er erörtert des 
näheren, in welcher Weise diese letzteren fontes zu finden 
und ans Tageslicht zu fördern sind. Die Erschliefsung 
(aperire) dieser fontes kann einmal in der Weise geschehen, 
dafs ihnen ein Ausflufs aus der Erde geschaffen wird (pro- 
fluentes) oder dafs durch Bohrung von Brunnen (putei) ihre 
Benutzung ermöglicht wird (non profluentes)^. Die von Natur 
aus der Erde hervorfliefsenden fontes können entweder 
stehende Gewässer (lacus) oder fliefsende Gewässer bilden. 
Wenn nun fons das im Innern der Erde befindliche Gewässer 
bezeichnete, so mufs es sich fragen, warum dieses Wort von 
den aus der Erde stammenden Gewässern nur auf die kleinen 



* Vgl. Pausanias, 10, 36, 10: iv ifgian v^atog ntjyrjj Strabo, 

8,379: rtjV UeiQi^vriv XQTiVTjVf exgvaiv fikv ovx ^x^vactv /neaTfjv <f'afl ^lav 

yovs xttl noT(fjtov vSmog'^ Strabo, 5, 240; Aristoteles, niQi (pvxdiv 2,2; 
TTiQi x6a/uov 4. 

2 Vitruvius, de architectura 8, 6, 12. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 175 

Wasserläufe angewendet worden ist. Die Antwort auf diese 
Frage liegt sehr nahe. Bei den stehenden Gewässern, den 
lacus, tritt nach ihrer natürlichen Beschaffenheit ihr Zu- 
sammenhang mit unterirdischen Gewässern nicht offen vor 
das Auge; der Anschauung unterliegt weit eher die Form 
des Gewässers als eines mit Wasser gefüllten Beckens, einer 
Vertiefung. Diese Betrachtung der Form des Gewässers hat 
zu dem Namen lacus geführt, ähnlich wie die Bezeichnung 
des Brunnens mit puteus sich von dem bei ihm erfolgenden 
Menschenwerk des Grabens, Bohrens herleitet. Bei den 
grofsen Wasserläufen, die regelmäfsig aus einer Mehrheit von 
kleinen Wasserläufen entstehen, liegt der Gedanke an die 
Entstehung aus diesen erheblich näher als der Gedanke an 
die Herkunft aus unterirdischen Gewässern, während bei 
kleineren Wasserläufen der Zusammenhang und die Einheit 
des oberirdischen Wasserlaufes mit dem unterirdischen Gre- 
wässer, aus welchem er stammt, mehr unmittelbar vor die 
Anschauung tritt. 

Weiterhin hat aber sowohl in der lateinischen Sprache 
wie in der griechischen nicht blofs der Gesichtspunkt der 
vei-schiedenen Gröfse, sondern auch der Gesichtspunkt der 
verschiedenen Herkunft der Wasserläufe zu besonderen Be- 
zeichnungen Anlafs gegeben. Es wird nämlich bei den Ge- 
wässern sorgfältig zwischen solchen, welche aus Quellwasser 
(aqua viva oder fontana), und solchen, welche aus Regen- 
wasser (aqua pluvia oder coelestis) entstanden sind, unter- 
schieden. Für die lateinische Sprache dürfte sich danach 
die Bedeutung der zur Bezeichnung von Wasserläufen ver- 
wendeten Worte in folgender Weise feststellen lassen. Das 
Wort amnis ist in seiner eigentlichen Bedeutung nur auf ein 
grofses flumen anwendbar, welches der aqua viva sein Be- 
stehen zu verdanken hat; indessen wird es auch, insbesondere 
in der Sprache der Dichter, von kleineren flumina, häufig 
zur besonderen Hervorhebung der Gröfse eines Wasserlaufes 
und ohne Rücksicht auf die Entstehung aus aqua viva ge- 
braucht. Flumen (fluvius) hat gegenüber amnis eine erheb- 
lich weitere Bedeutung, indem es den gröfseren Wasserlauf 



176 Anhang. 

schlechthin gegenüber dem kleineren bezeichnet und daher 
den amnis in sich begreift. Im eigentlichen Sinne bedeutet 
aber flumen nur den beständigen (perenne), aus aqua viva 
stammenden grofsen Wasserlauf, nicht dagegen den grofsen 
durch aqua pluvia entstandenen, welcher torrens genannt 
wird. Festus^ sagt ausdrücklich, dafs der torrens nur nach 
der consuetudo volgi als flumen bezeichnet werde. Auch 
Seneca läfst dies durchblicken, indem er in den naturales 
quaestiones sagt: 

3, 11: Non enim esse pluvialem hanc aquam, quae 
vastissima f lumin a a fönte statim magnis apta navi- 
giis defert, ex hoc intellegas licet, quod per hiemem 
aestatemque par est a capite dejectus. Pluvia potest 
facere torrentem: non potest autem aequali inter 
ripas suas tenore labentem. Aquam non faciunt imbres 
sed excitant. 

12: Flumen nempe facit copia cursusque aquae 
perennis. 
Nach Seneca vermag also das Regenwasser nur einen torrens 
zu erzeugen, welcher nur von kurzem Bestände ist, nicht 
aber einen gleichmäfsig in seinem Bett dahinfliefsenden Flufs. 
Das flumen charakterisiere sich als ein grofser (copia) be- 
ständiger Wasserlauf 2. Die Ähnlichkeit zwischen dem 



1 Festus, de verb. signif. v. torrens. 

2 Dafs flumen und torrens nur grofse Wasserläufe bezeichnen, 
«rgiebt zunächst das Wort copia; dieses wäre mindestens überflüssig, 
wenn flumen den Wasserlauf schlechthin bedeutete. Es geht die» 
femer aus den Worten : pluvia potest facere torrentem hervor. Wäre 
torrens schlechthin ein unbeständiger Wasserlauf, so könnte Seneca 
nur sagen: pluvia facit torrentem. So will er ausdrücken, dafe das 
Regenwasser wohl einen grofsen Wasserlauf, aber nur eine jVer- 
gänglichen hervorbringen kann. Auch stimmen die Worte: non 
autem aequali inter ripas suas labentem schlecht auf einen kleinen 
Wasserlauf. — Dafs flumen nur den grofsen Wasserlauf bezeichnet, 
ergiebt sich femer aus der oben citierten Stelle von Ovid, Rem. Am. 
V. 97, da wohl der Fall, dafs grofse Wasserläufe, keineswegs aber der 
Fall, dafs Wasserläufe aus einer starken Quelle entstehen, zu den 
Seltenheiten gehört. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 177 

fliimen und dem torrens besteht also in der gleichen Gröfse, 
der Unterschied darin, dafs der torrens durch aqua pluvia 
gebildet und unbeständig, das flumen aus aqua viva herrührt 
und beständig ist. In treffender Weise wird dies von Ovid 
in den Remedia Amoris ausgedrückt (v. 651): 
flumine perpetuo torrens solet acrior ire; 

sed tarnen haec brevis est, illa perenhis aqua. 
Ein fiumen erlangt seine Gröfse gewöhnlich nicht kraft seiner 
Quelle oder seines Quellbaches, sondern regelmäfsig durch 
die Vereinigung einer grofsen Mehrheit von Gewässern. 
Ovid, remed. am. v. 97: 
flumina pauca vides de magnis fontibus orta: 
plurima coUectis multiplicantur aquis. 
Der eigentliche Ausdruck für den kleinen natürlichen, 
durch aqua viva gebildeten Wasserlauf ist fons. Aus den 
fontes und der Vereinigung von solchen entstehen die flumina 
im engeren Sinne. Der torrens entsteht nicht aus fontes, 
sondern nur aus aqua pluvia, während das flumen diesen 
Charakter behält, wenn es durch Regenwasser §ich mehrt. 
In hohem Grade belehrend ist in dieser Beziehung eine 
Schilderung des torrens, welche Ovid in den Amores giebt: 
3, 6, 85 ff.: 
dum loquor, increscis latis spatiosior undis, 

nee capit admissas alveus altus aquas: 
quid mecum, furiose, tibi? Quid mutua differs 

gaudia? Quid coeptum, rustice, rumpis iterV 
Quid, si legi timum flueres,si nobile flumen, 

si tibi per terras maxima fama foret? 
Nomen habes nullum, rivis collecte caducis, 

nee tibi sunt fontes nee tibi certa domus; 
fontis habes instar pluviamque nivesque 

feolutas, 
quas tibi divitias pigra ministrat hiemps; 
aut lutulentus agis brumali tempore cursus, 
aut premis arentem pulverulentus hu- 
mum: 

Os sig, Wasserrecht. 12 



178 Anhang. 

quis te tum potuit sitiens haurire viator? 
Quis dixit grata voce ,perennis eas?' 

damnosus pecori curris, damnosior agris; 
forsitan haec alios, me mea damna movent. 

Huic ego vae! demens narrabam fluminum amores! 
Jactasse indigne nomina tanta pudet; 

nescio quem hunc spectans Acheloon et Inachon 

amnem, 
et potui nomen, Nile, referre tuum! 

At tibi pro merito, opto, non candide torrens, 
sint rapidi soles siccaque semper hiemps. 
Während also das flumen (nobile, legitimum) aus fontes ent- 
steht, d. h. aus beständigen unter der Erdoberfläche befind- 
lichen Gewässern, sammelt sich der torrens aus vergänglichen 
rivi, d. h. aus kleinen Wasserläufen, welche sich auf der 
Erdoberfläche durch das Zusammenfliefsen des Regen- und 
Schneewassers bilden. Der torrens hat als Abbild eines fons 
zum Entstehungselement nur Regen und geschmolzenen 
Schnee. Das Verhältnis des rivus zum torrens ist ein gleiches 
wie das des fons zum flumen. Das Wort rivus wird hier 
zur Bezeichnung von kleinen unbeständigen Wasserläufen 
verwendet, aus welchen der grofse unbeständige Wasserlauf, 
der torrens, sich bildet, während die flumina und fontes die 
beständigen grofsen und kleinen Wasserläufe bezeichnen. 

Nach der Definition des Festus hat rivus die eigentliche 
Bedeutung des kleinen künstlichen Wasserlaufes, bei dem 
der Ursprung und das Ziel des Wassers belanglos ist. Wegen 
dieser weitgehenden indifferenten Bedeutung wird das Wort 
rivus, wenn es auf den kleinen natürlichen Wasserlauf über- 
tragen wird, sowohl auf den aus aqua viva bestehenden Bach 
wie auf den durch aqua pluvia gebildeten kleinen natürlichen 
Wasserlauf angewendet. Aus demselben Grunde wird das 
Wort aber auch zur Bezeichnung eines kleinen Wasserlaufes 
ohne Hinblick auf seine Entstehung und sogar zur Bezeich- 
nung eines kleinen Rinnsals ohne Rücksicht auf seinen In- 
halt gebraucht. Dafs rivus gleich fons den aus aqua viva 
stammenden Bach bezeichnen kann, wurde bereits angeführt. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 179 

Von rivi pluvialis aquae spricht z. B. Ovid in den Meta- 
morphosen (8, 334 f.) von einem rivus lacrimarum daselbst 
(9, 656); Vergil spricht in der Aeneis (5, 200), von sudor 
fluit rivis, an anderer Stelle (8, 445) von fluit aes rivis auri- 
que metallum, ferner (11, 668) von sanguinis ille vomens 
rivos, in den Georgica (1, 132) von rivis currentia vina, femer 
(2, 165) von argenti rivos, Lucretius Carus (de rerum natura 
5, 1256) von einem argenti rivus et auri. Pomponius Mela 
(de situ orbis 3, 8) sagt vom Euphrat, dafs er in seinem 
unteren Teile nur noch ein tenuis rivus sei. Während hier- 
nach rivus eine aufserordentlich umfassende Bedeutung hat, 
ist die Bedeutung des Wortes fons anscheinend auf den aus 
aqua viva stammenden Bach beschränkt geblieben. Es läfst 
sich keine Stelle finden, in welcher fons zur Bezeichnung 
eines anderen Rinnsals verwendet würde. 

Hochinteressant ist es, nachzuforschen, welche Bilder der 
tropischen Anwendung des Wortes fons zu Grunde liegen. 
Dem Kenner des römischen Rechts bietet sich hierbei 
ein Spiegelbild der vomehmlichsten Benutzungsarten eines 
fons, und zwar derjenigen Benutzungsarten, welche den 
Gegenstand von Servituten bilden konnten. Auch diese bild- 
liche Anwendung des Wortes fons enthält einen gewichtigen 
Beweis dafür, dafs das Wort nicht die Quelle in dem Sinne 
von Wasser, welches aus der Erde hervortritt, bezeichnen 
kann. Es liegt nämlich den Bildern, zu welchen fons ge- 
braucht wird, keineswegs die einer Quelle in diesem Sinne 
specifisch anhaftende Eigenschaft des Heraustretens an die 
Erdoberfläche zu Grunde , so dafs mit der Anwendung jedes 
anderen Wortes das Bild zusammenbrechen würde. Vielmehr 
wird fons in den Bildern zur Bezeichnung eines beständigen 
Gewässers angewendet. Wenn nun den lateinischen Schrift- 
stellern die Nutzung von beständigen Gewässern als will- 
kommener Stoff zur bildlichen Wiedergabe von Gedanken er- 
schien, so müfste es in höchstem Grade auffallen, wenn sie diesen 
Bildern gerade Beziehung auf eine Quelle gegeben hätten, 
die nicht einmal ein Gewässer schlechthin, sondern nur 
während eines Augenblicks verdeutlicht. Namentlich den 

12* 



180 Anhang. 

Wasserläufen gegenüber treten die Quellen doch derartig in den 
Hintergrund, dafs es im höchsten Grade befremden mtifste, 
wenn die Bilder nicht auf die Flüsse oder Bäche bezogen 
würden. Auch dieses Mifsliche findet in der Bedeutung von 
fons als Bach und unterirdische Quelle seine Aufklärung. 

Die Hauptfundgrube für den tropischen Sprachgebrauch 
des Wortes fons sind die Schriften des Cicero. Zunächst 
bilden die Wasserableitungen aus dem fons nach den ver- 
schiedensten Gesichtspunkten den Gegenstand für die bildliche 
Anwendung. Von Leitungen aus fontes ist schlechthin in 
folgenden Stellen die Rede: 

de officiis 3, 96: Sed quoniam a quattuor fontibus 
honestatis primo libro officia duximus, in eisdem ver- 
semur. 

Tusculan. disput. 4, 34: pleraeque enim quaestiones, 
quae ad vitam moresque pertinent, a virtutis fönte du- 

cuntur 

Häufig gehen die Vergleiche von dem Zweck und Erfolg der 
Wasserleitungen aus dem Bach, der Bewässerung, aus: 

de natur. deor. 1, 120: mihi quidem etiam Demo- 
critus, vir magnus in primis, cujus fontibus Epicurus 

hortulos suos irrigavit 

Ovid, Amor. 3, 9, 25: 
adice Maeoniden, a quo ceu fönte perenni 
vatum Pieriis ora rigantur aquis. 
Lucretius nennt die Sonne einen die Welt bewässernden fons : 
de rerum natura 5, 281 (vgl. 5, 590 fF.): 
largus item liquidi fons luminis, aetherius sol, 
irrigat adsidue caelum candore recenti. 
Horaz hat das Bild der Wasserleitung aus dem Bach (fons) 
an folgender Stelle: 

Carm. 3, 6, 19: 

hoc fönte derivata clades 
in patriam populumque fluxit. 
Auf die Gewährung oder Nichtgewährung von Wasserleitungs- 
servituten aus fontes dürfte folgende Stelle abzielen: 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 181 

pro Murena 9^: noli tarn esse injustus, ut, cum tui 
fontes vel inimicis tuis pateant, nostros etiam amicis putes 
clausos esse oportere. 
Die Einrichtung einer Leitung aus fontes durch Anlegung 
von Kanälen wird Cicero im Auge haben, wenn er sagt: 

Tuscul. disput. 1,6: multo studiosius philosophiae 
fontis aperiemus, e quibus etiam illa manabant. 
Wegen des 'Wortes manabant kann man die Stelle nur von 
oberirdisch fliefsenden fontes verstehen 2, 

In folgender Äufserung von Cicero wird man dagegen 
bei den Worten fontem in venire, aperire vielleicht an die Er- 
schliefsung von unterirdischen fontes durch Bohrungen (quae- 
rere) denken müssen: 

de fin. bon. et mal. 5, 17^: totius enim quaestioni^ 
ejus, quae habetur de finibus bonorum et malorum, cum 
quaeritur in his, quid sit extremum, quid ultimum, fons 
reperiendus est, in quo sint prima invitamenta naturae; 
quo invento omnis ab eo quasi capite de summo bono et 
malo disputatio ducitur. 
Hier spricht also Cicero davon, dafs nach einem fons ge- 
forscht wird und nach dessen Auffindung aus ihm eine Ab- 
leitung stattfindet. Wenn er den fons ein Caput nennt, so 
zielt dies darauf, dafs nur a capite, d. h. an einem Grewässer, 
wo das Wasser beständig zur Entstehung kommt, eine Lei- 
tungsservitut begründet werden konnte. 

Die rivi als künstliche Wasserläufe, welche kein eigenes 
Wasser führen, werden den Bächen, den fontes (capita), 
welche beständig Wasser enthalten, und aus denen die rivi 
abgeleitet sind, an folgenden Stellen besonders scharf gegen- 
übergestellt : 

pro Caelio 19^: si mihi ad haec acute arguteque 



1 Vgl. Veygil, Ecl. 3, 111: 

claudite jam rivos, pueri, sat prata biberunt. 
a Vgl. Cicero, de legibus 1, 16. 20. 

* Vgl. Cicero, orat. Philipp. 14, 15. 

* Vgl. Cicero^ de orat. 3, 69: Vergleich der Philosophen und 



182 Auhäng. 

responderit , tum quaeram denique, ex quo iste fönte 
Senator emanet. nam si ipse orietur et nascetur ex sese, 
fortasse, ut soleo, commovebor; sin autem est rivolus ar- 
cessitus et ductus ab ipso capite accusationis vestrae, lae- 

tabor 

de oratore 2, 117: quod etiamsi ad instituendos 
adulescentulos magis aptum est, ut, simulac posita causa 
Sit, habeant quo se referant, unde statim expadita possint 
argumenta depromere, tamen et tardi ingenii est rivulos 
consectari, fontis rerum non videre, et jam aetatis est 
ususque nostri a capite quod velimus arcessere et unde 
omnia manent videre. 
Wenn Cicero (de oratore 3, 23) sagt: 

rivis est diducta oratio, non fontibus, 
so dürfte er hiermit wohl den beständigen dem unbeständigen 
kleinen natürlichen Wasserlauf entgegenstellen wollen ähnlich 
wie bei der Äufserung (de re publica 2, 34): 

influxit non tennis quidam e Graecia rivulus in hanc 
urbem, sed abundantissimus amnis illarum disciplinarum 
et artium, 
in der er den Gegensatz zwischen einem winzigen unbeständigen 
Wasserlauf und dem mächtigen beständigen Strom kennzeich- 
nen wilP. 

Der aus dem Recht der Wasserservituten entnommene 
Ausdruck fons et caput, mit welchem ein beständiges Ge- 
wässer gekennzeichnet werden soll, wird von Cicero häufig 
gebraucht. So spricht er z. B. (de oratore 1, 195) von legum 
fontes et capita und (Tuscul: disput. 4, 83) von einem fona 
miseriarum et caput. Der Ausdruck wird femer auf Sokrates 
in folgender Stelle angewendet, welche überdies deswegen be- 
achtenswert ist, weil möglicherweise in ihr das Bild von dem 
appulsus pecoris an einem Bach ausgeht: 

de orat. 1, 42: urgerent praeterea philosophorum 
greges jam ab illo fönte et Capite Socrate, nihil te de 



Redner mit den flumina des Apennin, die teils ins Jonische, teils in» 
Tuskische Meer fliefsen. 

1 Vgl. Ovid, ex Ponto 2, 5, 22: e rivo flumina magna facis. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 183 

bonis rebus in vita, nihil de malis, nihil de animi per- 
motionibus, nihil de hominum moribus, nihil de ratione 
vitae didicisse, nihil omnino quaesisse, nihil scire con- 
vincerent. 
Cicero meint vielleicht, die Herden der Philosophen, die aus 
dem Bache Sokrates getrunken hätten, würden auf dem Rück- 
wege vom Bache voll von Sokratischem Geiste den Crassus 
bedrängen. 

In zahlreichen Stellen beruht die bildliche Anwendung 
des Wortes fons auf dem Wasserschöpfen, dem haurire, aus 
dem Bache. 

de orat. 1 , 12 : quia ceterarum artium studia fere 
reconditis atque abditis fontibus hauriuntur, dicendi 
autem omnis ratio in medio posita communi quodam in 

usu atque in hominum more et Sermone versatur 

Bei dem communis usus hat Cicero jedenfalls die flumina 
publica, die grofsen beständigen Wasserläufe, im Auge, die 
im Gegensatz zu den Bächen, den fontes, im Gemeingebrauch 
standen. 

de orat. 1 , 203 : equidem vobis , quoniam ita volu- 

istis, fontis, unde hauriatis, atque itinera ipsa ita putavi 

esse demonstranda , non ut ipse dux essem, quod et in- 

finitum est et non necessarium, sed ut commonstrarem 

tantum viam et, ut fieri solet, digitum ad fontis inten- 

derem. 

Die Stelle weist auf das bei der Bestellung einer servitus 

aquaehaustus an einem Bach stattfindende Verfahren hin. 

Grenzte das Grundstück des Erwerbers der Servitut nicht an 

den Bach, so mufste ihm naturgemäfs nicht blofs das Recht, 

aus dem Bach zu schöpfen |(haustus), sondern auch ein 

Weg zum Bach (iter) gewährt werden. 

de orat. 2, 45: ex eis enim fontibus, unde omnia 
omamenta dicendi sumuntur, licebit etiam laudationem 

Omare 

de orat. 3, 123: sed cum fontis viderimus, quos nisi 
qui celeriter cognovit, nunquam cognoscet omnino, tum. 



184 Anhang. 

quotienscumque opus erit, ex eis tantum, quantum res 
petet, hauriemus. 

pro Archia J3 : illa quidem certe, quae summa sunt, 
ex quo fönte hauriam sentio. 

de offic. 1,6: sed , ut solemus , e fontibus eorum 
(Stoicorum) judicio arbitrioque nostro, quantum quoque 
modo videbitur, hauriemus. 

de offic. 2, 52: largitioque, quae fit ex re familiari, 
fontem ipsum benignitatis exhaurit. 

de fin. bon. et mal. 1, 71 : si omnia hausta e fönte 
naturae 

Academ. 1, 8: ut ea e fontibus potius hauriant quam 
rivulos consectentur. 

Tuscul. disput. 3, 31: nos, e quorum fontibus id 
haustum est 

Horat., Sat. 1, 1, 55: 

magno de flumine malim 
quam ex hoc fonticulo tantundem sumere. 

In zahlreichen Stellen, in welchen das Wort fons im 
tropischen Sinne gebraucht wird, ist das der Anwendung zu 
Grunde liegende Bild nicht erkennbar. Nach dem in den 
angegebenen Stellen sich kundgebenden weitreichenden Sprach- 
gebrauch wird man aber nicht Bedenken tragen dürfen an- 
zunehmen, dafs auch jene indifferente tropische Anwendung 
des Wortes fons auf den gleichen oder ähnlichen Anschau- 
ungen beruht, dafs die Bilder namentlich häufig von dem 
Schöpfen oder Leiten aus dem Bach ausgehen. Es soll 
dahingestellt bleiben, ob sich aus der klassischen lateinischen 
Litteratur ein tropischer Gebrauch von fons nachweisen läfst, 
welcher den fons als unterirdische beständige Quelle in dem Sinne 
von Ursprung eines Baches oder Flusses dem Bilde zu Grunde 
legt. Gegen die Möglichkeit eines solchen Bildes läfst sich 
selbstverständlich nichts einwenden ; eine andere Frage ist es 
aber, ob es der antiken Anschauung nahe lag und eigen war ^. 



^ Vgl. Cicero, pro Caelio 6. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 185 

Macrobius (comm. in somn. Scip. 2, 16, 22 ff.) nimmt ein der- 
artiges Bild bei folgender Äufserung des Cicero an: 
de republ. 6, 27; Tuscul. disput. 1, 53: 

quod semper movetur, aetemum est; quod autem 
motum affert alicui quodque ipsum movetur aliunde, 
quando finem habet motus, vivendi finem habeat necesse 
est, Solum igitur quod se ipsum movet, quia nunquam 
deseritur a se, nunquam ne moveri quidem desinit; quin 
etiam ceteris quae moventur hie fons, hoc principium est 
movendi. 
Allerdings läfst sich die unterirdische Quelle als perpetuum 
mobile auffassen, dem die Flüsse ihr Dasein zu verdanken 
haben; mit dem Versiegen seiner Quelle verschwindet der 
Flufs selbst notwendig. Allein zwingend ist jene Annahme 
des Macrobius keineswegs. Nicht blofs der unterirdische fons, 
sondern auch der auf der Erdoberfläche fliefsende Bach (fons) 
ist perennis, beständig und aus sich selbst geschaffen, ohne 
Abkunft von einem anderen Gewässer. Ihm gegenüber er- 
scheinen die Leitungskanäle, die zwar ebenfalls Wasser füh- 
ren, aber nur dem fons die Entstehung und das Bestehen 
zu verdanken haben, als vergänglich. Bedenkt man, dafs 
die Flüsse und Seeen mit ihren unterirdischen Quellen ein 
einheitliches Ganzes bilden und gleichfalls als perennia gelten, 
so dürfte die Annahme nicht zu weichen brauchen, dafs die 
Urheberschaft des beständigen und sich selbst bewegenden 
Baches gegenüber den Leitungskanälen der bildlichen An- 
wendung bei Cicero zu Grunde liegt ^. Immerhin aber er- 
giebt sich jedenfalls für die Zeit des Macrobius, dafs fons 
damals zur Bezeichnung des von ihm bei Cicero angenomme- 
nen Bildes diente. 



1 Nach römischer Anschauung müfste man sonach nicht von 
Quellen, sondern von Bächen des Rechts sprechen. Es steht aber fest 
dafs zur bildlichen Bezeichnung des Ursprunges die deutsche Sprache 
nicht das Wort Bach, sondern das Wort Quelle verwendet, und zwar 
regelmäfsig im Hinblick darauf, dafs die Quelle den Ursprung eines 
Wasserlaufes bezeichnet. Die von der Benutzung des Wassers aus- 
gehenden Bilder der lateinischen Sprache sind der deutschen Sprache 
für kein Gewässer sonderlich eigen. 



186 Anhang. 

Im Vorhergehenden ist dargethan worden, dafs fons 
insofern die Quelle bezeichnete, als damit die unterirdischen 
Wasseradern gemeint sind, denen die meisten die Erdober- 
fläche bedeckenden Gewässer ihr Dasein zu verdanken haben. 
Indessen wird fons namentlich im Pluralis auch zur allge- 
meinen Bezeichnung des Ursprunges, des Anfanges, der Quelle 
(in diesem Sinne) eines Flusses verwendet. Diese Bedeu- 
tung ist aber dem Worte nicht eigentümlich, sie hat sich 
vielmehr deshalb auf dasselbe übertragen, weil der Quellbach 
oder die Quellbäche eines Flusses naturgemäfs seinen An- 
fang kennzeichnen. Wenn man sagt, ein Flufs habe seine 
Quellbäche in einem bestimmten Gebirge, so legt man damit 
den Ort im allgemeinen fest, wo der Flufs seine Anfänge 
nimmt ; man verdeutlicht dagegen damit weder den speciellen 
Ort, wo das Wasser aus der Erde tritt, noch das Wasser selbst 
während des Heraustretens. überhaupt mufs es sehr be- 
zweifelt werden, dafs fons die Quelle in den beiden letzt- 
genannten Bedeutungen als Quellort und hervorquellendes 
Wasser bezeichnete. Der unterirdische fons bildet mit dem 
oberirdischen Wasserlauf, welcher aus ihm entsteht, ein ein- 
heitliches Ganzes ; jeder Teil dieses Gewässers und daher auch 
das Wasser während seines Heraustretens aus der Erde ist 
fons. Allein bei seiner umfassenden Bedeutung als unter- 
irdisches Gewässer und oberirdischer Wasserlauf kann schwer- 
lich durch das blofse Wort fons gerade die Stelle, wo ein 
Wasserlauf aus der Erde tritt, oder das heraustretende Wasser 
selbst gekennzeichnet werden. Zur Verdeutlichung gerade 
dieser Stelle eines Wasserlaufes mufs, so will es scheinen, 
wie zu derjenigen der Mündung, sei es mit oder ohne An- 
wendung des Wortes fons eine nähere Bezeichnung gewählt 
werden, wie z. B. ubi primum fons emergit, aqua profluit 
ex terra oder ähnliche^. Auch kann die Quelle in dem in 
Rede stehenden Sinn mit den Worten os^ und caput ge- 



1 Vgl. 1. 1 § 7 D. de aqu. quot. 43, 20; Ovid, Metamorph, 
11, 140. 

2 Vgl. z. B. Ovid, Metamorph. 1, 281; Vergil, Aeneis 1, 245; 
8, 696. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 187 

kennzeichnet werden; freilich kann caput an vielen Stellen 
auch die unterirdische Quelle bedeuten ^. 

Was die griechische Sprache anlangt, so steht nach den 
vorhergehenden Ausführungen fest, dafs nriyri und x^iyVj; gleich 
fons sowohl den oberirdischen kleinen Wasserlauf als auch 
das unterirdische Gewässer bezeichnet, aus welchem ein 
solcher herrührt^. Auch wird in gleicher Weise für beide 
Wörter nicht behauptet werden können, dafs sie den Ort, wo 
das Wasser an die Erdoberfläche tritt, sowie dieses Wasser 
während des Heraustretens bedeuteten. Die Ttriyri wird femer 
zur Bezeichnung des Quellbachs eines Flusses verwendet, 
während der t^qt^vyi diese Bedeutung grundsätzlich nicht inne- 
zuwohnen scheint. Im übrigen mufs der Unterschied zwischen 
beiden Worten bis auf folgendes dahingestellt bleiben. Es 
macht den Eindruck, als ob in der älteren griechischen 
Sprache das Wort x^i^Vij zur Bezeichnung des kleinen natür- 
lichen Wasserlaufes mehr bevorzugt worden wäre wie ^rjyTJ^y 
während in der späteren Sprache das Gegenteil vorzuwalten 
scheint. Das Wort nQijvr] diente femer zu jeder Zeit zur 
Bezeichnung der Wasserleitung; der ntjyTJ kommt dagegen 
diese Bedeutung niemals zu. 

Bereits bei Homer ist von künstlichen nQf/vac die Rede*» 



1 Vgl. z. B. Hirtius, de bell. Gall. 8, 41; Vitruv., de architect. 

8, 2, 6. 7. 8; 8, 3, 11; Seneca, natur. quaest. 3, 11; 4, 1; epist. 4, 12, 3; 
Pomponius Mela, de situ orb. 2, 4; Solinus, Polyhistor 37, 5; Ovid, 
Metamorph. 2, 255; 15, 277; Vergil, Aeneis 12, 816; Georg., 4, 368. 
Vgl. auch Horaz, carm. 4, 14, 45. 

« Vgl. Strabo, 3, 172. 173 über die x^^>«» in Gadira. Die Worte 
(öv <f^ T« OTOfittTa nriyäg xal x^rivag xaXovfjiiv sind verschiedendeutig, . 
weil axofjitt in übertragenem Sinne steht. Es ist aber wohl zu be- 
rücksichtigen, dafs die (7to^«t« bekanntlich die Mündungsarme eines 
Flusses, also Wasserläufe, bezeichnen, und man wird daher dem Worte* 
in der Anwendung von Strabo diese Bedeutung mindestens unterlegen 
dürfen. 

8 Dies ist z. ß. bei Homer der Fall. x^iyVi?: Od. 5, 70 ff.; 6, 292; 

9, 140 ff.; 10, 107 ff. 348 ff.; 13, 407 ff'.; 15, 440 ff.; 20, 153 bis 162; 
nias, 2, 734; 9, 13 ff.; 21, 193 ff. 257 ff. nriyri' Od. 6, 123 ff.; Ilias, 
20, 8 ff.; 21, 311 ff.; 22, 145 ff. 

* Auch die künstliche Bewässerung des Grundes und Bodens war 



188 Anhang. 

So werden zwei ycQfjvac beim Hause des Alkinoos erwähnt, 
von denen die eine zum Hause führte, um Trinkwasser zu 
gewähren, während die andere durch den Garten flofs, um 
offenbar den Zwecken der Bewässerung zu dienen^. Auch 
wird eine xqt^vt] auf Ithaca genannt, die Ithacos, Neritos und 
Polyctor geschaffen haben sollen 2. Thucydides erzählt, dafs 
die TCQijvT] KaXXiQQOTj bei Athen, deren ntjyai früher sichtbar 
waren, von den Tyrannen in eine xQ'^vrj iweay^Qowog umge- 
wandelt und hiemach benannt worden sei^. Auch bei Strabo 
findet sich x^r^y?; in der Bedeutung von Wasserleitung, wenn 
auch weit häufiger in der von „Bach". So berichtet Strabo 
von einem Erdbeben, infolge dessen die Ttrjyai der x^ijvij Are- 
thusa bei Chalcis auf Euboea versiegt wären*. Namentlich 
aber wird nQTJvr] zur Bezeichnung der Wasserleitung von 
Pausanias an zahlreichen Stellen gebraucht, während er den 
Wasserlauf, welcher die tcqt^vt] mit Wasser versieht, stets 
TtriYT] nennt. Als TtQ^vai, bei denen es sich sicher um künst- 
liche abgeleitete Gewässer handelt, werden von Pausanias 
unter anderem erwähnt die Enneacrunos in Athen, die 
Wasserleitung des Theagenes in Megara, zahlreiche künstliche 
icQ^vac in Korinth, unter anderen die Wasserleitung des 
Hadrian aus dem Bache Stymphelos und eine xqijvt] aus der 
7tr]y7J Pirene, die ycQTJvtj Perseia in den Trümmern von Mycenä, 
die Wasserleitung des Antoninus in Epidaurus, zwei Wasser- 
leitungen in Methana, die Tcgrivt] Arsinoe aus der TtrjyTj Clep- 
sydra bei Messene, eine Wasserleitung bei Pellana u. s. w.^ 
Von der Stadt Panopeum in Phocis sagt, Pausanias, dafs sie 
den Namen einer nolig nicht verdiene, weil sie kein Rathaus, 
kein Gymnasium, kein Theater, keine Agora und auch kein 



zur Zeit der Abfassung der Homerischen Gedichte allgemein üblich. 
Vgl. Hom. II. 21, 257 ff. 21, 346 ff. 

1 Hom., Od. 7, 129 ff. 

2 Hom., Od. 17, 204 ff. 

* Thucydides, avyyQatpri 2, 15, 5. 

* Strabo, 1, 58. Vgl. 9, 397. 

6 Pausanias, 1, 14, 1; 1, 40, 1; 2, 2, 8; 2, 3, 2; 2, 3, 5; 2, 16, 6; 
2, 27, 5. 7; 2, 35, 3-, 4, 31, 6; 7, 27, 4. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 189 

vdwQ %ai;eQ%6(XBvov ig nQijvrjv habe ^. Geht hieraus unzweideutig 
hervor, dafs die Wasserleitungen zur Beschaffung von Trink- 
wasser zur Zeit des Pausanias keine Besonderheit, sondern 
allgemein verbreitet und sogar ein Erfordernis einer städti- 
schen Ansiedelung waren, so ist die Annahme nicht von der 
Hand zu weisen, dafs auch an solchen Stellen bei Pausanias, 
welche einen indifferenten Charakter an sich tragen, xgi]vrj 
nicht einen natürlichen Wasserlauf, sondern eine Wasser- 
leitung bezeichne. Dieser Gedanke liegt um so näher, als 
Pausanias an mehreren Stellen der x^ifyij, dem künstlichen 
Gewässer, die TtrjyTJ, den natürlichen Wasserlauf, gegenüber- 
stellt. Dies ist offensichtlich der Fall in den oben erwähnten 
Stellen, welche von der y^gr^vr] aus der Tttjyr Pirene, der yiQTJvr] 
aus der Ttrjyij Glepsydra und der yiQTJvr] bei Methana handeln. 
Wenn Pausanias ferner in Athen die xq^vt] Enneacrunos er- 
wähnt und dabei sagt, dies sei die einzige Tirjyij neben vielen 
q>Q€axa in der Stadt, so wird man x^'i'ij mit TtrjyTJ nicht als 
gleichbedeutend auffassen dürfen, weil es in Athen gewifs 
noch viele yiQijvai gab, deren Wasser von Gewässern aufser- 
halb der Stadt hineingeleitet wurde ^; vielmehr wird man 
unter 7tr]y^ den Quellbach oder die unterirdische Quelle ver- 
stehen müssen, aus welcher die AQT^vt] gespeist wurde ^. Auch 
macht die Erwähnung der x^iyVi; Piera neben der ntjyi^ Piera 
nicht den Eindruck, als ob Pausanias damit ein gleiches Ge- 
wässer bezeichnen wollte, und dasselbe wird man bei einigen 
anderen Stellen anzunehmen geneigt sein*. Andererseits 
steht aber auch fest, dafs Pausanias das Wort xq^vi] auch 
zur Bezeichnung eines natürlichen Wasserlaufes verwandte*. 
Bei den angegebenen Bedeutungen von Tttjyr^ haben Äufse- 
rungen von folgender Art, welche sich bei Pausanias finden, 
etwas Befremdliches an sich: 



1 Pausanias, 10, 4, 1. 

2 Vgl. Vitruvius, de architect. 8, 3, 6. 

* Pausanias, 1, 14, 1. 

* Pausanias, 5, 6, 18; 9, 10, 5; 9, 18, 5; dagegen wird die Cas- 
sotis anscheinend unterschiedslos nrjyij und xqi^vti genannt; 10, 24, 7. 

5 Pausanias, 2, 31, 9; 8, 16, 1; 9, 4, 3; ,9, 31, 3. 



190 Anhang. 

3, 26, 1 : gel öi ycal vöcog ex Tcrjyijg iegag nieiv (xiv 
lydt', Selijvrjg de STzUlrjaw, 

4, 33, 4: vö(OQ di aveiaiv i% TtrjyJjg na^ airto xo 
ayalf^a. 

7, 27, 9: eoTc öi xoi alaog h t(^ Movaaltifj devdqa 
bfxoUog T« Ttccwa, nat vdcoQ aq)d'Ovov aveiaiv h, Ttrjyäv, 

8, 13, 6: xara fiearjv äi tzov ßd'kiO'ca xijv q>aQayya 
vd(OQ aveiaiv ^x Ttrjyrjg, xat B7ti t(^ neQcmi xTjg cpdqayyog 
KaQvai xiaqiov, 

9, 34, 4: xat Tirjyal (t^v fAev ^ißtjd^Qidda ovofid' 
KovacVj ri di eziga TleTQa) yvvai^ög fiacTolg eiaiv eluaaiASvai, 
xai Ofiocov ydlaycTC vdiOQ dit' avcaiv dveiaiv. 

In allen diesen Stellen kann bei den Worten vöwq avecoiv 
{^et) €x Tttjyijg unter der Ttrjyij eine Quelle in dem Sinn von 
aus der Erde tretendem Wasser nicht gemeint sein, weil 
gerade eine solche Quelle ans Tageslicht tritt und das Wasser 
aus ihr daher nicht noch herauszutreten vermag. Hält man 
daran fest, dafs mit den Worten vdwg dveiacv in ftrjyfig die 
Quelle, der Ursprung eines natürlichen Wasserlaufes be- 
zeichnet werden soll, so läfst sich die Ausdrucksweise nur 
in annehmbarer Weise erklären, wenn n:ian imter firjyiq die 
unterirdische Wasserquelle versteht. In der That ergiebt 
sich namentlich aus folgender Bemerkung von Pausanias, der 
sich ähnliche anfügen lassen, dafs die Worte die unterirdische 
Quelle eines Wasserlaufes mitunter kennzeichnen^. 

10, 32, 7: Te OQoq>og ig airragyceg dnb tov iddcpovg 

dveaxrjKB nal vöcoq xb fiiv dveQXOfievov ix Ttrjywv, Tikiov di 

€xi aTto xov OQOipov axdCev 

Indessen ist es auch nicht ausgeschlossen, dafs Pausanias mit 
den in Rede stehenden Worten an einzelnen Stellen eine 
aus einem Bach kommende, an irgend einem Orte sich zeigende 
Wasserleitung bezeichnen will. Es sprechen hierfür folgende 
Äufserungen von ihm. Von einer städtischen Wasserleitung 
gebraucht er, wie schon erwähnt, die Worte: vöcjg xorc^xo- 



' Vgl. 2, 7, 4; 8, 20, 1; 8, 42, 12; 9, 24, 4^ 10, 33, 5. 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 191 

fievov ig xq^vtjv^. Von der bereits genannten Wasserleitung 
Arsinoe sagt er ^: 

VTtoggei Ö€ ig avrijv vdtoQ ex urjy^ xalovfdevtjg KXe- 

xpvdqag. 
Würde er dieses Verhältnis nicht von der x^i^Vij, sondern von 
der Ttriyr^ aus betrachten, so würde er unzweifelhaft das Wort 
yuxxeLöiv gebrauchen. 

4, 34, 4: xoft ItkaTaviotüvog de ij Trrjyfj OTccdca fiev 

ei%oöiv iaxiv ancJTeQio Tfjg odov' ^el de «t Ttlatdvov to 

vdioQ Ttlareiag nai xa ivcbg yLoilrig' i^ccta aTtijlaiov fxähatä 

Ttov fxinQOv TO evQog ioTi xov devÖQOv nai to vöcjq avro' 

d-ev eg Koqojvtjv to rtoTCfiov ycdTecai. 
Nach der ganzen Sprach weise wird man nicht darüber im 
Zweifel sein, dafs nicht die nrjyij nach Corone hinunterflofs, 
sondern dafs das Trinkwasser in einer Leitung nach Corone 
geführt wurde. 

8, 6, 4: v7teQßal6vTO)v de tt^v Klifiana xiaqiov IötIv 

6vofj,a^6fj,€vov Melayyeia, xai to vdcog avTod^ev to tioti^ov 

MavTLvevGL xccTeiacv ig Trjv tcoXlv, 
Auch hier ist nicht daran zu zweifeln, dafs eine Leitung den 
Bewohnern von Mantinea das Trinkwasser zuführte. Mufs 
man hiemach für feststehend ansehen, dafs die Worte vöcjq 
xaTeiaiv 6x Tir^y^g die Wasserleitung bezeichnen konnten, so 
könnte man doch versucht sein, bei den Worten vöcjq aveiovv 
Jx 7tr]yf]g ein gleiches wegen des Wortes aveiaiv zu verneinen. 
Nun kann man aber zunächst bei den letztgedachten Worten 
an eine unterirdische Wasserleitung denken, welche an irgend 
einer Stelle in einer Art Brunnen das Wasser herausfliefsen 
läfst, und zugleich annehmen, dafs durch die Worte ex ntjy^g 
die Herkunft des Wassers und die Leitung bezeichnet werden 
soll. Vor allem aber erscheint der Ausdruck avevacv bei 
Wasserleitungen aus folgendem Grunde wohl angebracht. 
Selbstverständlich kann Wasser aus einem Bach in einer 
Leitung immer nur hinabfliefsen (ycareQxeiJ&ai). Nun kann 

1 10, 4, 1. 

2 4, 31, 6. 



192 Anhang. 

aber offenbar das Wasser eines tief im Thal fliefsenden Baches 
einer am Abhang eines Berges hoch über dem Bach befind- 
lichen menschlichen Niederlassung dadurch zugeführt werden, 
dafs bachaufwärts eine Leitung in den Bach gelegt und der 
Leitung ein geringeres Gefälle gegeben wird wie es der Bach 
hat. Im Hinblick auf den bedeutend tiefer fliefsenden Bach 
erscheint es nicht unangemessen, von der aus ihm stammen- 
den Wasserleitung zu sagen, das Wasser fliefse aus dem Bache 
herauf. Jedenfalls kann man in einem solchen Falle nicht 
gut sagen, dafs das Wasser aus dem Bache herabfliefse. In 
der That dürfte folgende Stelle aus Pausanias mit dem Ge- 
brauch des Wortes aviQxea&ac eine Wasserleitung bezeichnen- 

4, 35, 10 : vöwQ öi anb nrjyvjv aveqxofxevov fxikav idtjv 
olda SV IdaxvQOig; xd di ^!AaxvQa aTiavTixQv uieaßov Xovtqcc 
ioTL S^eQfiiu iv Ttp lixagvei 'Act'kovfiivii}, to de xwqiov iatcv 

6 l/itaQvevg b Xicov fiiad'og 

Man wird hieraus wohl herauslesen müssen, dafs Pausanias 
das aus den Ttrjyai herrührende Wasser in den Thermen selbst, 
wahrscheinlich beim Baden, gesehen hat. Hätte er die Ttrjyai 
selbst gesehen, so wäre die Ausdrucksweise nicht recht zu 
begreifen. 

Ein Gegenstück zu der eben berührten Spraehweise 
bilden folgende Äufserungen des Pausanias, welche sich auf 
die Gegend von Megalopolis beziehen: 

8 , 30 , 7 : fi€T6xofi/(7^ij de ctrcb l6(pov %ov ^%olj^ixa' 
xal 6 'koifog ovTog tov xelxovg iarlv ivrog^ artb de avrov 
KaTBioiv vdioQ ig rbv ^Eliaadwa «x Tcrjyijg. 

8 , 31 , 9 : vTtb tovz(^ xty koqx^ Bdd^vllog Aalovi^evrj 
ntjyij' avvrelel aal avrt] xi^ norapii^ "^EliGOovti eg fieyeS-og, 
8, 32, 5: Tovcov de eatc Ttrjyi} tov ieqov nlrjoiov xai 
a/r' avTfjg 6 '^Eliaacov zb ido)Q dexenac ^ioreQxof^^ov, 
Wenn Ttrjy^ den kleinen natürlichen Wasserlauf bezeichnet, 
so ist es offenbar auffällig, warum Pausanias nicht bestimmt 
sagt, dafs die nrjyai in den Helisson fliefsen. Diese Ausdrucks- 
weise erklärt sich daraus, dafs Pausanias nach den Eindrücken 
auf seiner Wanderung durch Griechenland die Verhältnisse des 



Die Wasserläufe in der latein. und griechischen Sprache. 193 

Landes schildert. Da die Bäche fast durchgehend zu Ab- 
leitungen benutzt wurden, so war es für Pausanias, wenn er 
auf einen Bach traf, keineswegs sicher, dafs dessen Wasser 
wirklich in den gröfseren Wasserlauf gelangte, welchem es 
zustrebte und in den es nach natürlichen Verhältnissen ge- 
langen würde. Aus den beiden erstgenannten Stellen wird 
man unter Berücksichtigung dessen herauslesen müssen, dafs 
das Wasser der Bäche nicht unverkürzt in den Helisson flofs ; 
denn in der ersten Stelle sagt Pausanias nur , dafs Wasser 
von dem Hügel aus einem Bache in den Helisson fliefse, in 
der zweiten bemerkt er vorsichtig, dafs der Bathyllosbach zur 
Gröfse des Helisson beitrage. Nur von der dritten Ttrjyri sagt 
er deutlich , dafs der Helisson von dem Bache das herab- 
rinnende Wasser empfange. 

Zum Schlufs bedarf noch folgendes der Hervorhebung. 
In der grofsen Mehrheit der Stellen der lateinischen Litte- 
ratur, in denen fons vorkommt, läfst sich nach dem Zu- 
sammenhange eine bestimmte Bedeutung des Wortes nicht 
unanfechtbar feststellen. Sind nun einmal im allgemeinen 
für fons die beiden Bedeutungen von Bach oder unterirdischer 
Quelle erwiesen, so wäre es offenbar verfehlt, wenn man in 
an sich indifferenten Stellen eine dieser Bedeutungen dem 
Worte lediglich deswegen nicht unterlegen wollte, weil sie 
mit zwingender Notwendigkeit sich nicht ergeben. Es hiefse 
die Beweislast verkehren, wollte man sich, auf dem Alt- 
überlieferten fufsend, damit begnügen, ohne sachliche Gründe 
in allen indifferenten Stellen für fons die Bedeutung von aus 
der Erde quellendem Wasser in Anspruch zu nehmen. Es 
mufs vielmehr Sache derjenigen sein, welche diese ver- 
schwommene Bedeutung von fons nicht über Bord werfen 
wollen, vorerst ihre Existenz aus einer gröfseren Mehrheit 
von Stellen in einwandfreier Weise darzuthun^^. 



^ Es seien einige Stellen aus bekannteren Schriftstellern angeführt: 
Caesar, de bell. Gall. 8, 41. 43 (Belagerung von Uxellodunum); 
de hello civ. 2, 24; 3, 49. • 

Livius, ab urb. cond. 1, 21, 3; 25, 30, 6. 7; 38, 13. 
Sallust, de bell. Jugurth. 55, 8; 89, 6; 92, 7. 
Ossig, Wasserreoht. 13 



194 Anhang. 



Tacitus, Annal. 4, 49; 11, 13; 14, 22; 15, 3; Germ. 16. 
Horatius, carm. 1, 26, 6 ff.; 2, 19, 10. 11; 3, 4, 25; 3, 6, 19. 20; 
3, 13 (fons Bandusiae); 4, 14, 46 ff.; epod. 2, 27; sat. 1, 1, 55 ff.; 

2, 6, 1 ff.; epist. 16, 12 ff. 

Vergil, Ed. 1, 39. 52; 2, 59; 3, 97; 5, 40; 6, 43; 7, 45; 9, 20; 
10, 42; Georg., 2, 175. 200. 243; 3, 131. 427. 499. 529; 4, 18. 32. 376; 
Aeneis, 1, 244; 2, 686; 4, 512; 7, 84. 150. 242. 489. 517; 8, 75; 12, 816. 

Ovid, Fast. 1, 511; 2, 166. 264; 3, 300. 303; 4, 469. 759; 5, 7. 210; 
Amor., 2, 1, 26; 3, 1, 5; 3, 6, 92; 3, 9, 25; Heroides, 5, 30; 14, 97; 
15, 158; 20, 177; Ars amat., 3, 689; medic. fac. fem. 40; remed. amor., 
97; ex Ponto, 3, 1, 17; 3, 5, 18; 4, 2, 18; 4, 2, 47; 4, 5, 43; Trist., 

3, 14, 34; 4, 8, 26; 5, 1, 37; Metamorph., 1, 38; 2, 218. 238. 273. 281. 
406. 464; 3, 27. 161. 177. 407. 414. 427. 545; 4, 90. 98. 287. 310. 385. 
388; 5, 256. 263. 312. 425. 447. 573. 575; 7, 200. 533. 568; 8, 165; 
9, 664; 10, 122; 11, 140; 12, 413; 14, 786. 788. 791. 793. 798; 15, 270. 
280. 322. 550. 713. 

^ Zu vergleichen sind namentlich aher die zahlreichen Belag- 
stellen für fons in den angeführten Schriften des Plinius, Vitruvius 
und Seneca. Wenn fons in einigen dieser Stellen nachgewiesener, 
mafsen den Bach bedeutet, so kann man schlechterdings — bei einer 
unbefangenen Prüfung — nicht umhin, diese Bedeutung dem Worte 
auch in vielen anderen Stellen beizulegen. 



Pierer' sehe Hof buchdruckerei Stephan Qeibel & Co. in Altenburg. 





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