Lautlehre
0.1. Konsonanten
0.1.1. Inventar. Das Turoyo verfugt Uber ein System von 35 konso-
nantischen Phonemen:
labial dental palatal velar uvular pharyn glottal
gal
VerschiuBlaute p b t d ^ g Q ^
t d
X g h 9 h
Affrikaten
eg
Frikative
/v
t d d
s Z
Si
s
Nasale
m
n n
Lateral
11
Vibrant
r r
Halbvokale
w
y
Die Emphatischen d und d kommen nur in Lehnwbrtem vor und
vy^erden nicht von alien Sprechem unterschieden. Auch der Glottalstop
2 sow^ie die sekundaren Emphatischen n, / und r haben nur einen
eingeschrankten Phonemstatus. wie im folgenden naher erlautert wird.
0.1.2, Der Glottalstop 2 tritt wortanlautend vor Vokalen auf , ist jedoch
im Wortinnern auf wenige arabische Entlehnungen beschrankt, z.B.
m2amarle "er befahl". Insofern ahnelt er dem deutschen Stimmabsatz
nicht nur phonetisch, sondem auch in der Funktion als Wortgrenz-
sigiial. In der engen Junktur zwischen vokalisch anlautendem Nomen
und dem vorangestellten bestimmten Artikel tritt 2 in der Regeln nicht
10 Lautlehre
auf (1.2.), z.B. abro ['Pabro] "Sohn", aber u=abro [•?u:Wabro] "der
Sohn". Ebenso verliert auch der bestimmte Artikel das anlautende
[?3 beim Antritt von Prapositionen und der Genetivpartikel d-, z.B.
mu^abro "von dem Sohn", du=abro "des Sohnes". Bei d- in der
Funktion einer Konjunktion ist dagegen haufig eine offene Junktur
zu beobachten, die auch in der Umschrift zum Ausdruck gebracht
wird, z.B. d-Pu-abro "dafi der Sohn ..." Auch in der Verbindung von
Verbform und Tempusprafix fallt das anlautende [?] in der Kegel
weg, z.B. ote ['?o:te] "er kommt" (ohne Prafix), aber kofe "er kommt"
(Prasens), gdote "er wird kommen" (Futur) etc. Entgegen LuF wird
deshalb in diesem Lehrbuch [?] im Wortanlaut unbezeichnet gelassen
und nur im Wortinlaut geschrieben.
0.1.3. Emphatisches n, / und r entstehen vor allem bei der Flexion
der Verba tert. r, und zwar werden die Lautfolgen ^m, *rl und ^rK
(7.1. a)) zu nn, 11 und rr assimiliert, z.B. *komar-no -» komanno "ich
(m) sage" (aber *koxal-no -» koxanno "ich (m) esse"), *dw3r-le ->
dwdlje "er pflugte" (aber ^koban-le -» kobdlle "sie geben ihm"),
*dwar-Ke -* dwarre "sie pflUgten". Vereinzelt kommen n, 1 und r
auch in Lehnwortern vor, z.B. lappat "Hande" (kurd.).
0.1.4. Assimilation von f, n, /. Treffen bei der Verbalflexion die
Konsonanten f, n und / aufeinander, so treten folgende Assimilationen
auf:
tn -^ nn latno -* lanno ich bin nicht
mahatno -* mahanno ich (m) lege
In -* nn nofalno -* nofanno ich (m) falle
nafalno - nafanno ich (m) fiel
*nl -» 7/ ^koban-le -» koballe sie geben ihm
^hzon-le -» hzcdle er sah sie (pi)
Bei tn und nn ist die Assimilation fakultativ, wehngleich haufig; bei
*nl dagegen sind nur die assimilierten Formen iiblich.
0.1.5. Anlautendes h bei Pronomina und Adverbien fallt beim Antritt
von Prapositionen aus, z.B. harke "hier", aber m~arke "von hier",
1-arke "hierher".
Lautlehre 11
0.1.6. Zur Aussprache der Konsonanten. Eine genaue phonetische
Beschreibung der Konsonanten findet sich in LuF S. 3 ff. Im folgen-
den werden nur einige Hinweise zur Aussprache gegeben; die Kon-
sonanten, die nicht erwahnt sind, werden annahernd wie im Deutschen
gesprochen.
q sehr weit hinten, am Halszapfchen artikulierter /c-Laut
? KehlkopfverschluBlaut, wie er im Deutschen vor wort-
anlautendem Vokal und in der Wortfuge gesprochen
wird, z.B. vereist = [verPeist]
f, d velarisertes (mit Anheben der Hinterzunge gesprochenes)
t und d
c wie deutsch tsch in Tscheche, ital. c in cinque
g wie deutsch dsch in Dschungel, ital. g in giro
V wie deutsch w in wiegen
f, d stimmloser und stimmhafter interdental, wie 1h in engl.
thousand (stimmlos) bzw. this (stimmhaft)
d veiarisiertes d
X wie deutsch ch in Bach, Buch (nicht in: Bache, BUcher!)
g stimmhafte Entsprechung von x, in manchen deutschen
Aussprachestilen wie g in Wagen bzw. r in Waren
h pharyngaler (im Rachen erzeugter) /i-Laut (klingt wie
Hecheln)
S die stimmhafte Entsprechung von h
s immer stimmlos wie ss in deutsch Bass
Z immer stimmhaft wie s in deutsch Base
s wie deutsch sch in schief
Z stimmhafte Entsprechung von s, wie j in Journal
s veiarisiertes (mit Anheben der Hinterzunge gesprochenes)
s
1 veiarisiertes ("dunkles") /, ahnlich wie engl. // in well
n veiarisiertes n
r geroUtes Zungenspitzen-r
r velarisertes r
w wie engl. w in well
y wie engl. y in yes, deutsch j in Jagd
12 Lautlehre
0.1.7. Lange Konsonanten. Durch Doppeltschreibung werden iange
Konsonanten bezeichnet, z.B, grasse "sie zogen".^ Lange Konsonan-
ten unterscheiden sich durch eine etwas langere Artikulationsdauer
von den entsprechenden einfachen Konsonanten.
0.2. Vokale
0.2.1. Inventar. Das Turoyo verfugt liber acht Vokale, fiinf Langvo-
kale und drei Kurzvokale, sowie Uber zwei Diphthonge:
a a aw ay
0.2.2. Der phonemische Status von w bedarf einer naheren Erorterung.
Ursprunglich existierten zwei Kurzvokale, *i und *u, die jedoch im
ailgemeinen in a zusammengefallen sind, also z.B. ^simso "Sonne",
^susyo "Pferd" > samso, sdsyo. In bestimmten konsonantischen Urn-
gebungen, insbesondere in Silben, die auf k, g, x, g, q an- und auf
/, r auslauten, sowie in Silben, die auf x, g, q oder S", h auslauten,
hat sich jedoch u (kurzes, offenes u) als residualer Lautwert erhalten.
Dies ist bereits in LuF S, 13 registriert. Es ist nun keineswegs so,
da6 d in dieser Position generell als u erscheint, vieimehr tritt u nur
dort auf, wo es auf alteres ^u zuriickgeht; wo alteres *i zugrundeliegt,
tritt in der gleichen Position a auf. In den erwahnten Positionen
kontrastieren also a und u, was sich durch seltene Minimalpaare und
eine ganze Anzahl von kontrastiven Paaren beiegen laBt:
har^ frei
Mr schau!
1 Die langen Konsonanten des alteren Aramaischen wurden im Turoyo zu
einfachen Konsonanten reduziert und als Ersatz wurde der vorherge-
hende Vokal gelangt, z.B. *^ezza > ^ezo ['Se:zo] "Ziege", ^samma >
samo ['sa:mo] "Gift". Lange Konsonanten der heutigen Sprache kom-
men entweder in Lehnwbrtern vor oder aber entstehen durch morpho-
logische Prozesse neu, z.B. *^aK=^eze -> a2=S:eze "die Ziegen" (2.6.),
^gras-Ke -^ grasse "sie zogen (ihn)" (7.1. a)).
2 har "frei" < arab. hurr iiber die qsltu-arabische Zwischenstufe harr.
Lautlehre
katle
er hat
kutle
gefiillte KloBe aus Weizengriitze
kosogdl
er arbeitet
lawgul
drinnen
komhaldx
er geht (zu Fu6)
kohozelux
er sieht dich (m)
makdlle
sie maBen
kulle
alle
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In den femininen Prasensformen des Grundstamms, deren Basis
KdKKo' auf alteres ^KuKKo (< ^KoKKo < *KaKKa) zurUckgeht,
erhalt sich u in den oben beschriebenen konsonantischen Umgebun-
gen; daraus ergeben sich morphologische Dubletten wie z.B.:
kulyo
sie bleibt stehen
sdlqo
sie steigt hinauf
gurso
sie zieht
farso
sie trennt
qulSo
sie treibt an
balSo
sie verschlingt
Aufgrund dieses verfeinerten Befundes scheint es korrekter, u als
marginales Phanomen und nicht als AUophon von a zu betrachten.
Infolgedessen wird es in diesem Buch, anders als in LuF, konse-
quent mit dem Symbol u notiert.
0.2.3. Distribution der Vokale. \m ererbten Wortschatz stehen die
Langvokale in offenen, die Kurzvokale in geschlossenen Silben. Dies
fuhrt in der Morphologie zu einem regelmaBigen Wechsel zwischen
Kurz- und Langvokalen, z.B. qayimi "sie standen auf, aber qayamno
"ich stand auf (vgl. 0.2.6.) Demnach konnte man die Kurzvokale als
stellungsbedingte Varianten der Langvokale in geschlossener Silbe
auffassen. Es gibt jedoch nicht wenige Ausnahmen von dieser Distribu-
tionsregel, und zwar einmal im Lehnwortschatz, zum andern aber
auch in der Verbalmorphologie.
Jastrow, Otto. 1992. Lehrbuch der Turoyo-Sprache.
Wiesbaden: Otto Harrassowitz.