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Full text of "Die Russen in Centralasien. Eine Studie uber die neueste Geographie und Geschichte Centralasiens"

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RUSSEN  IN  CENTRALASIEN 


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tlNE     pTUDIE 


Obku  niF. 


NEUESTE  GEOGRAPHIE  UND  GESCHICHTE 
CENTRALASIENS 


FRIEDRICH  voll  HELLWALD, 

MITGLlia)  DER  GEOGRAPHISCHEN  GESELLSCHAFTEN  ZU  WIEN, 
MEXICO,  PARIS,  GENF,  NEW-YORK  &c.  &c. 


»•i.ö^'^^©^^?^« 

AUGSBURG. 

A.    F.    BUTSGH'S    VERLAG. 

1873. 


A.  VOLKHAHrsCIIK  BUCHDUUCKEKEI  IN  AUGSBURG. 


VORREDE. 


Interessen  der  mannichfaltigsten  Art  haften  an  den  weiten 
noch  wenig  bekannten  Gebietsstrecken  welche  man  gemeinig- 
lich unter  der  Benennung  „Centralasien"  zusammenfasst.  Der 
Historiker  weiss  dass  hier  einst  der  Tummelplatz  zahlreicher 
mächtiger  Völkerhorden  gewesen,  die  verderbenbringend  das 
Herz  Europa's  überflutheten ;  der  Geograph  kennt  diese  Region 
als  eine  derjenigen  welche  auf  den  Karten  noch  am  mangel- 
haftesten dargestellt  ist,  wo  Flüsse,  Gebirge  und  Städte  nur 
in  unsicheren  Umrissen  verzeichnet  werden  können;  der  Eth- 
nologe erinnert  sich  der  turänischen  Völkergruppe  und  der 
damit  verknüpften  schwankenden  Begriffe,  und  der  Politiker 
endlich  erwartet  hier  vielleicht  den  Zusammenstoss  zwischen 
der  grössten  See-  und  der  grössten  Landmacht  der  Erde.  Aber 
dies  ist  es  nicht  allein  welches  unwillkürlich  unsere  Blicke 
auf  Centralasien  lenkt.  In  einem  Zeitalter  wo  Meer  und  Land 
vom  Dampfe  durchpflügt  werden,  verschwinden  die  Entfernungen, 
und  nahe  gerückt  erscheint  was  einstens  unerreichbar  weit. 
Schon  hat  die  Eröffnung  des  Suez-Canals  die  Handelswege  nach 
Ostasien  gekürzt;  früher  oder  später  wird  die  Euphratbahn 
eine  Wirklichkeit  geworden  und  Indiens  Goldland  der  europäi- 
schen Culturwelt  durch  Schienenstränge  verbunden  sein.  Von 
Jahr  zu  Jahr  schreitet  der  Ausbau  des  gewaltigen  russischen 
Eisenbahnnetzes  vor,  und  ist  einmal  die  in  Angriff  genommene 


II 

Linie  von  Ssamara  nach  Orenburg  vollendet,  so  stehen  wir 
auch  schon  am  Beginne  der  kirghisischen  Steppe,  durch  welche 
in  rascher  Frist  russische  Heerstrassen  uns  nach  den  islamiti- 
schen Wunderstädten  Bochara  und  Samarkand,  d.  h.  in  das 
Herz  des  asiatischen  Festlandes,  führen  werden.  Dies  ist  in 
keiner  Weise  etwa  das  Bild  einer  aufgeregten  Phantasie,  viel- 
mehr geht  diese  Heranziehung  des  entfernten  (Ostens  schon 
theihveise  unter  unseren  Augen  vor  sich,  und  was  ich  so  eben 
angedeutet,  wird  vielleicht  in  zwei  Decennien  buchstäblich  in 
Erfüllung  gegangen  sein.  Es  begreift  sich  daher  dass  die 
Wissenschaft  in  den  letzten  Jahren  auf  jene  noch  so  wenig 
durchforschten  Gebiete  ihre  Aufmerksamkeit  concentrirt  hat, 
und  sich  bemüht  den  Schleier  zu  lüften  der  seit  Marco  Polo's 
Zeiten  auf  denselben  ruht. 

Die  Erforschungen  in  Centralasien  gehen  von  den  Russen 
und  den  Engländern,  den  beiden  Rivalen  in  der  asiatischen  Welt, 
gleichzeitig  aus.  Erstere  drängen  unablässig  und  seit  langen 
Jahren  nach  Süden  und  Osten,  und  haben  in  der  That  in  der 
jüngsten  Vergangenheit  ihre  Herrschaft  über  jene  Gegenden  be- 
deutend erweitert;  die  wissenschaftliche  Forschung  folgt  dort, 
so  zu  sagen,  der  militärischen  Action  auf  dem  Fusse,  und  der 
Geograph  kann  daher  nicht  umhin  den  Gang  der  Ereignisse 
selbst  mit  in  Betracht  zu  ziehen.  Gleichwie  aber  an  die  russi- 
schen Fahnen  die  Erforschung  der  Wissenschaft  sich  heftet, 
und  wir  heute  die  eroberten  Landschaften  im  centralen  Asien 
—  bisher  von  der  Nacht  der  Jahrhunderte  bedeckt  —  genauer 
kennen  als  manche  Theile  der  europäischen  Türkei,  so  folgt 
auch  unausweichlich  die  Cultur  dem  Siegeszug  des  schwarzen 
Aars.  Russland  erfüllt,  daran  kann  der  Ethnograph  nicht 
zweifeln,  eine  wahre  Culturmission,  indem  es  auf  seine  Weise 
den  orientalischen  Völkern  den  europäischen  Ideenkreis  ver- 
mittelt; mit  einem  Worte:  für  Asien  ist  Russland  die  Cultur, 
die  Civilisation.  Der  Unbetheiligte  aber  muss  erkennen  dass 
die   Erweiterung    der   menschlichen    Kenntnisse,    dieses   Auf- 


III 

schliessen  neuer  Kreise  für  das  Cultiirlebeii  der  civilisirten 
Yölkerfamilien  der  beste  Gewinn  sei  den  die  Menschheit  von 
jeher  seit  den  Zügen  des  Sesostris  und  des  makedonischen 
Alexanders  aus  derartigen  Kriegsunternehmungen  gezogen  hat. 

Diesem  vor  wenigen  Jahren  so  zu  sagen  noch  völlig  un- 
beachteten Vordringen  der  Russen  in  das  innere  Asien  widmete 
ich  seinerzeit  eine  Reihe  eingehender  Aufsätze,  welche  in 
Streffleur's  „österreichischer  Militärischer  Zeitschrift"  erschienen 
und  auch  in  nicht  militärischen  Kreisen  Beachtung  fanden.  Der 
ehrenwerthe  Unterstaatssecretär  Sir  Grant  Duft"  hielt  im  Jahre 
18(39  vor  seinen  Wählern  in  Elgin  eine  Rede,  die  sich  mit 
Indien  und  den  Fortschritten  der  dortigen  Civilisation  befasste. 
Er  nahm  dabei  die  Gelegenheit  wahr,  die  von  einem  öster- 
reichischen Militär-Schriftsteller  aufgestellte  Ansicht  dass  Russ- 
land in  Mittelasien  vordringe  um  europäische  Gesittung  zu 
verbreiten,  als  durchaus  verfehlt  darzustellen.  Da  ich  die  Ehre 
habe  jener  von  Sir  Duff  erwähnte  Schriftsteller  zu  sein,  so 
kann  ich  nicht  umhin  hier  darauf  hinzuweisen  wie  derselbe 
meine  eben  damals  erschienene  Schrift  keinesfalls  der  wünschens- 
werthen  genauen  Durchsicht  gewürdigt  haben  könne,  weil  er 
mir  sonst  schwerlich  eine  Meinung  unterschoben  hätte,  die 
irgendwie  auch  nur  angedeutet  zu  haben  ich  mir  durchaus  nicht 
bcwusst  bin.  In  meiner  Arbeit,  welche,  wie  wohl  voraussicht- 
lich, die  officiellen  Kreise  Grossbritanniens  unangenehm  be- 
rühren musste,  habe  ich  gesagt  dass  mit  dem  Fortschreiten 
der  Russen  auch  europäische  Cultur  in  das  Innere  von  Asien 
dringe,  keineswegs  aber  fiel  mir  bei,  die  Verbreitung  euro- 
päischer Gesittung  als  Motiv  oder  Zweck  der  russischen  Politik 
darzustellen.  Als  solche  habe  ich  ganz  andere  Dinge  bezeichnet. 
Da  dies  aber  sehr  zweierlei  ist,  so  muss  ich  bedauern  dass 
Sir  Grant  Duff  über  meine  Anschauungen  nicht  besser  unter- 
richtet gewesen  ist. 

In  veränderter,  grossen  Tlieils  umgearbeiteter  und  er- 
weiterter Gestalt  bilden  diese  Aufsätze  die  Grundlage  des  vor- 


IV 

liegenden  Buches.  Es  haben  sich  seit  drei  bis  vier  Jahren  die 
Verhältnisse  sehr  wesentlich  geändert.  Damals  fand  der  Stoll" 
keinesfalls  die  verdiente  Beachtung;  selbst  in  England,  dem 
Lande  dessen  Handelsinteressen  zunächst  davon  berührt  werden, 
hatte  man  erst  begonnen  sich  mit  dem  hochwichtigen  Gegen- 
stande ernstlich  zu  befassen.  Lord  John  Lawrence,  der  ehe- 
malige Vicekönig  von  Indien  und  Edward  B.  Eastwick,  der  tiefe 
Kenner  asiatischer  Verhältnisse  haben  sich  über  die  mittel- 
asiatische Erage  vernehmen  lassen,  man  kann  aber  nicht  be- 
hau])ten,  dass  dieselben  sich  stets  einer  besonderen  Ciründlich- 
keit  beflissen  hätten.  In  der  englischen  Presse  wurde  die 
asiatische  Erage  von  Zeit  zu  Zeit  ventilirt,  leider  kaum  mit 
besserem  Verständniss  als  in  den  leitenden  Kreisen.  Was  die 
„Times"  über  den  Gegenstand  mitunter  veröftentlicht,  ist  oft 
das  Papier  nicht  werth  worauf  es  gedruckt  ist.  Das  tonan- 
gebende Blatt  ist  eben  häufig  genöthigt  Ansichten  Raum  zu 
geben  welche  gewissen  politischen  Parteiriclitungcn  entsprechen. 
Im  ül)rigcn  trachtet  es  zumeist  die  englischen  Gemüther  zu 
beruhigen.  Gediegeneren  Anschauungen  begegnen  wir  in  William 
Howard  BusselFs  trefl'lich  redigirten  „Army  and  Navy  Gazette," 
welche  mehr  denn  einmal  an  den  Times-Artikeln  eine  scharfe 
Kritik  geübt  hat.  Unter  den  österreichischen  Blättern  ver- 
dient lediglich  der  trefflich  redigirte  „Wanderer"  wegen  des 
Augenmerkes  erwähnt  zu  werden,  welches  er  der  Erage  zu- 
wendet und  der  Sachkenntniss  womit  er  sie  behandelt.  Sein 
Redacteur,  der  geistvolle  C.  von  Vincenti,  ein  Schriftsteller 
von  seltener  Begabung,  ist  durch  längeren  Aufenthalt  in  den 
ferneren  Gebieten  des  Orientes  ein  treti'licher  Kenner  desselben 
und  mit  gründlicher  wissenschaftlicher  Sprachkenntniss  ausge- 
rüstet. In  Deutschland  hat  die  Erage  sich  ebenfalls  noch  keiner 
eingehenden  Würdigung  zu  erfreuen,  so  weit  wenigstens  vom 
grossen  gebildeten  Publicum  die  Rede  ist.  Sorgsam  verfolgt 
und  studirt  wird  dieselbe  nur  vom  königlich  preussischen 
grossen  Generalstabe,  der  freilich  kaum   irgend  ein  Eeld  des 


Wissens  seiner  bc^Yun(ie^ns^ve^tllen  Thätigkeit  entgehen  lässt. 
In  der  deutschen  Presse  sind  es  zunächst  die  „Allgemeine 
Zeitung"  und  die  „Kölnische  Zeitung,"  welche  zeitweise  Auf- 
sätze von  kundiger  Feder  über  die  russischen  Bestrebungen  in 
Innerasien  publicircn ;  in  diesem  Falle  rühren  solche  Artikel 
mit  geringer  Ausnahme  von  einem  Manne  her,  der  vielleicht 
mehr  denn  irgend  jemand  thätig  ist  die  Aufmerksamkeit  Europa's 
auf  die  Vorgänge  in  Asien  hinzulenken.  Es  ist  Professor  Her- 
mann Vämbery  in  Pest,  der  gelehrte  ungarische  Reisende  in 
Iran  und  Turkestän.  Seit  seiner  Rückkehr  aus  jenen  Regionen, 
die  er  als  muselmännischer  Derwisch  bereist  hat,  war  es  seine 
unablässige  Sorge  die  Kenntuiss  von  den  Dingen  in  der  cen- 
tralasiatischen  Tiefebene  nach  Möglichkeit  zu  verbreiten.  Will 
man  auch  nicht  in  allen  Punkten  seine  Anschauungen  theilen, 
so  wird  doch  kein  billig  Denkender  —  gleichviel  welcher  Meinung 
er  sonst  huldigen  mag  —  ihm  die  Anerkennung  versagen  dürfen 
dass  es  lediglich  seinem  rastlosen  Bemühen  zu  verdanken  ist, 
wenn  es  heute  überhaupt  Leute  gibt  die  anscheinend  so  fern 
liegende  Fragen  in  den  Kreis  ihrer  Forschungen  gezogen  haben. 
Hätte  Vämbery  auch  nichts  anderes  geleistet  als  dieses  eine, 
wahrlich  er  hätte  genug  gethan! 

In  den  letzten  Wochen  ist  die  centralasiatische  Frage 
plötzlich  eine  brennende  geworden,  die  für  einen  Augenblick 
sogar  Kriegsbesorgnisse  hervorrief.  Alle  Zeitungen  beschäftigten 
sich  mit  derselben.  Niemand  hegt  mehr  einen  Zweifel,  dass 
früher  oder  später  dieselbe  zum  Austrage  kommen  müsse. 
Dies  ist  begründet  in  der  Natur  der  Dinge  selbst  so  wie  in 
dem  Entwicklungsprocess  den  bisher  das  russische  Reich  durch- 
gemacht hat.  Wir  überzeugen  uns  davon  am  besten  wenn 
wir  einen  Blick  auf  das  stetige  Wachsen  des  russischen 
Reiches  werfen. 

Wenn  ein  englischer  Staatsmann  nicht  mit  Unrecht  be- 
hauptete, Britannien  sei  weit  eher  eine  asiatische  denn  eine 
europäische  Grossmacht,  so  kann  man  dasselbe  mit  Fug  und 


VI 

Recht  von  Russland  sagen,  dem  Staatencoloss,  den  man  abusiv 
den  nordischen  zu  nennen  pflegt,  dessen  Gebiet  sich  aber  bald 
nahezu  über  alle  Zonen  der  Erde  erstreckt  und  an  Ausdehnung 
der  halben  Mondoberfläche  gleichkommt.  Seit  wenigen  Jahr- 
hunderten hat  sich  das  ungeheure  Reich  aufgebaut,  und  seit- 
dem ist  kein  Decennium  verstrichen,  in  welchem  es  nicht  un- 
auflialtsam,  wenn  oft  auch  unbeachtet,  an  seiner  Erweiterung 
mit  Erfolg  gearbeitet  hätte.  Unter  Iwan  IV.,  der  von  loo3 
bis  1584,  also  länger  denn  ein  halbes  Jahrhundert  herrschte, 
unterwarf  es  sich  die  tatarischen  Chanate  des  Südens,  mit 
Ausnahme  der  Krim;  Kasan,  das  schon  früher  (1487)  den 
Czaren  zeitweise  unterthan  ward,  erobert  er  1552  nach  langem 
blutigem  Kampfe,  Astrachan  im  Norden  fällt  1554,  und  155G 
werden  die  Baschkiren  unterworfen,  gleichzeitig  aber  fester 
Fuss  in  der  Kabarda  am  Kuban  gefasst.  Die  Kosaken  Yer- 
niak  und  Timosejew  endlich  erschliessen  durch  die  Ent- 
deckung Ssibiriens  in  Iwan's  letzten  Regierungsjahren  ihrem 
Vaterlande  einen  neuen  Continent  und  legen  den  Grund  zu 
Russlands  asiatischer  Macht;  1587  wird  Tobolsk  gegründet. 
Im  achtzehnten  Jahrhundert,  1727,  gewinnt  Russland  durch 
einen  Vertrag  mit  Persien  die  schon  vier  Jahre  früher  unter 
Peter  dem  Grossen  eroberten  Provinzen  Daghestän,  Schirwan, 
Ghilän  und  Mazenderän,  das  heisst  die  ganze  Westküste  der 
Kaspi-See,  muss  sie  aber  1734  wieder  zurückgel)en ;  es  sind 
die  beiden  letzteren  die  einzigen  Landschaften,  welche  dieses 
Reich  einmal  besessen,  verloren  und  nicht  wieder  gewonnen; 
1813  nuissten  die  Perser  Daghestän  und  Schirwan  wieder 
herausgeben,  nachdem  bereits  seit  1806  das  wichtige  Derbend 
in  den  Händen  der  Russen  war.  Ein  erneuerter  Krieg  mit 
Persien  endlich  dehnte  das  Gebiet  des  Riesenstaates  über 
den  Araxes  und  bis  an  den  Ararat  aus  und  erwarb  ihm  im 
Frieden  von  Turkmantschay  1828  die  Provinz  Arran.  Und 
auch  heute  noch  hat  Russland  sein  Streben  nicht  aufge- 
geben,   und   jeder    Tag    sieht   es    fortschreiten    mit    Riesen- 


VII 

schritten  im  Herzen  der  alten  Welt.  Russland  steht  nunmehr  in 
Centralasien. 

Denkende  Politiker  können,  seitdem  der  Weltverkehr  nie 
geahnte  Proportionen  angenommen,  seitdem  der  Dampf  die  ge- 
salzene See  durchpflügt,  seitdem  Schienenstränge  die  Ferne 
nahegerückt,  und  die  Distanzen  zusehend  verschNvinden,  nicht 
mehr  übersehen,  von  welch'  unberechenbarer  Tragweite  die 
Machtentwicklung  eines  Staates  sein  muss,  der  nunmehr  der 
uralten,  nach  Jahrtausenden  zählenden  Cultur  China's  eben  so 
wohl  die  Hand  reicht,  wie  des  abendländischen  Europa's  mo- 
derner Civilisation.  Kein  nutzloses  Beginnen  ist's  daher,  wenn 
wir  die  Ereignisse  der  jüngsten  Jahre  in's  Auge  fassen,  wie  nicht 
minder,  welcher  Beschaftenheit  die  neuerworbenen  Gebiete 
sind,  welchen  Nutzen  sie  dem  russischen  Reiche  gewähren 
können,  und  welchen  Einfluss  diese  Waffenthaten  auf  die  Staaten 
des  uns  näher  gelegenen  Europa's  voraussichtlich  üben  können  '). 

Gannstatt  im  März   1873. 


Der  Verfasser. 


1)  Zwei  Bücher,  die  ich  gerne  zu  dieser  Arbeit  benutzt  hätte,  sind  mir  leider 
nicht  zu  Gesichte  gekommen;  es  sind  dies:  J.  &  R.  Michail.  The  Russians  in  Ooiitral- 
Rsia.  London  1865.  8.  und  J.  Mac  Neil.  The  progress  and  present  position  of  Rusaia  in 
the  East, 


¥ 


i.   Capitel. 

Die  russischen  Forschungen  in  Mittelasien. 

^fohr  (loiin  oimnal  sclion  wir  in  der  Woltgeschiphtc  die 
Triuinplio  dor  AVissenschaft  don  Triiimphoa  dor  Waffen  folgen; 
Avonu  al)or  je  eine  Disciplin  sich  an  das  Banner  siegreielier  Tleeres- 
ziige  heftet,  so  ist  es  die  Länder-  nnd  Völkerknnde,  jene  Wissen- 
schaft, welche  dem  hentigen  Verkehre,  unserer  jetzigen  Ilandels- 
entwicklung  zu  Grunde  liegt.  In  der  Natur  wie  im  Leben  der 
Völker  steht  ^Vlles  in  steter  Wechselwirkung,  ist  Alles  Ursache 
und  Wirkung  zugleich;  aus  dem  Tode  spriesst  das  Leben,  wie 
dem  Tode  nur  anheimfällt,  was  da  lebt.  Der  Krieg ,  jenes  trau- 
rige Übel,  das  über  Handel  und  Wandel  den  Bann  ausspricht, 
den  Verkehr  vernichtet,  und  welches  daher  die  heutige  Erkenntniss 
als  Quelle  des  Ruins  meidet  mid  verabscheut,  er  hat  mehr  denn 
einmal  nicht  nur  geistig,  sondern  materiell  dem  ^lenschen  sonst 
uneindringliche  Gebiete  erschlossen  und  den  Nationen  den  Weg  zu 
neuem  Wohlstand,  zu  neuem  Reichthum  gewiesen.  ')  Was  jetzt, 
von  Europa's  .Vlltagsmenschen  wenig  beachtet,  sich  im  fernen  Asien 
zuträgt,  es  ist  nichts  Anderes.  Im  Gefolge  der  russischen  Streiter 
schreitet  die  Wissenschaft,  spähend,  betrachtend,  prüfend,  aber 
rastlos  vorwärts  eilend.  Was  vor  vier  I^ustren  noch  ein  dunkel 
Geheimniss,  von  dem  nur  ahnungsvoll  der  Gebildete  und  in  vor- 
sichtiger Scheu  der  Gelehrte  sprachen,  es  liegt  heute  vor  Aller 
Blicken  offen;  der  Schleier  ist  zerrissen,  die  Schranken  sind  ge- 
fallen, und  was  noch  etwa  unerforscht,  in  wenig  Jahren  wird  es 
sein  Geheimniss  den  russischen  Kriegern  überliefern  müssen.  Central- 
asien  mit  seineu  Steppen  und  Wüsten,  mit  seinen  schnee-  und 
eisstarrenden,  himmelanragenden  Gebirgsrändern,  von  dem,  noch 
ist's  nicht  lange  her,  nur  dunkle  Sagen  gingen,  wird  nicht  nur 
der  Wissenschaft,  auch  dem  lebendigen  Verkehre,  der  Civilisation, 
der  europäischen  Menschheit   erschlossen. 


1)    Siehe    über    den    mnteriellen    Nutzen    des    Krieges:      ,,Die    wissenschaftliehen 
Enningensehafteii   des  Krieges"  (Ausland   1873  Nrn.  4  und  5). 

1 


2  Die  russifsolion  Forsclningon  in  Mittnlnsion. 

Ehe  wir  daran  gehen,  eine  Skizze  der  Gegenden  zu  ent- 
^verfen,  welche  den  Schauplatz  zu  den  russischen  Kriegsoperationen 
ahgehen,  und  dann  letztere  seihst  zu  heleuchten,  dürfte  es  dem- 
nach nicht  ohne  Interesse  sein,  flüchtigen  Ulicks  die  friedlichen 
ITnternchinungen  der  letzten  Jahre  zu  hetrachten,  durch  welche 
Russland  die  wissenschaftliche  Kenntniss  der  mittelasiatischen 
Landschaften  anbahnte,  gleichzeitig  damit  den  Sieg  seiner  ^Vatt'en 
vorbereitend. 

Eine  unermessliche  Region  erstreckt  sich  jenseits  des  Kaspi- 
und  Aralsees  bis  zur  chinesischen  Grenze,  allgemein  als  INIittel- 
oder  Centralasien,  Tatarei,  Turkestun,  Türkisttui,  Turau'),  Turk- 
menien  bekannt.  Über  die  Geographie  dieser  Länder  gebrach  es 
lange  an  anderen  Nachrichten  als  jene  der  chinesischen  Quellen 
inid  der  spärlichen  Berichte,  welche  uns  die  \vcnigen  Besucher 
dieser  entfernten   Regionen   hinterliessen. 

Der  erste  europäische  Besucher  dieser  Theile  Asiens  war 
der  Minoritenmünch  Giovanni  de  l'lano  Carpini,  der  1245  auszog 
und  sechszehn  Monate  auf  der  Reise  blieb.  Er  zuerst  hat  in 
Europa  bestimmte  Nachrichten  über  die  ^longolen  veröffentlicht, 
und  auch  über  China  und  den  Priester  Johannes,  freilich  nur  vom 
Hörensagen,  berichtet.^)  Ihm  folgte  im  Jahre  1249  Andreas  de 
Lonjumel.  Positivere  Daten  gelangten  nach  Europa  aber  erst  durch 
Willem  van  Ruj'sbrocck  oder  de  Rubruquis,  gleichfalls  ein  Mino- 
ritenniönch,  der,  in  Begleitung  des  Fra  Bartolomeo  di  Crcmona, 
1252  — 1253,  von  Acre  quer  durch  Centralasien  zog,  und  bis  nach 
Karakorum,  der  damaligen  Residenz  des  Grosschans,  gelangic. 
Ihm  verdankt  man  die  ersten  Nachrichten  über  den  Kumys,  das 
aus  Stutenmilch  gegohrene  Lieblingsgetränk  der  Mongolen,  über 
den  aus  Reis  bereiteten  Arak  und  eine  genaue  Beschreibung  des 
Yak.  Nach  Aimnian  ^larcellin  ist  Ruysbroeck  auch  der  erste 
Europäer,  welcher  von  Rhabarber  als  einem  oflicinellen  INIittel 
gesprochen.  Aber  auch  in  die  geographischen  Kenntnisse  der  da- 
maligen Zeit  braclite  der  niederländische  Mönch  manche  werthvollc 
Berichtigung.  Sänuntliche  Geographen  und  Geschichtschreiber  zwi- 
schen Aristoteles  und  Ptolemäus  haben  dem  Kaspischen  Äleer  einen 
Ausgang  in    das   Eismeer    gcgihint.      Selbst    der    umsichtige    Strabo 

1)  Tiiri'iii  im  Zciid  Ti'iirja.  Ks  sind  dioa  K('Hoiiiniii<;pn  iinpiitdccktcr  llorlcitiuig, 
dooli  Imt  nuriiouf  (Ya^iin  T.  1.  S.  427—43(1)  admrfsiniiig  im  die  liei  Strabo  (lili.  XI. 
j).  517  cd.  Oasaub-)  genannte  baktrisclin  Hatrapip  Tiiriiui  oder  Tio-ivii  orlnnprt.  Du  Tlipil 
iindOroakurd  (Lot/.tcror:  Th.  II.  S.  410)  wollen  aber  Tupi/rid  lesen.  Siehe  llum- 
))oldt'a  Kosmos  II.  S.  ll'J.  Ableitung  von  Tiiirjd  im  Zend  {Tunisctikn  im  Sanskrit)  d.  i. 
sobnell,  eilend,  als  Be/.eiclinung  der  lleitorvölker  der  nönllielien  .Steppen.  Ferner  über 
die  Bezeioliniing    Tiiraiiixrh  siehe:  Olobus  V.  Rd.  S.  MI   -  .s:i. 

2)  i':ber  Carpini  sielic  Pesehel,  Oeseli.  d.  Krdk.  S.  \M,  2(fl  und  207.  Ferner 
die  interessante  Studie  von  Dora  d' Istria:  Kusses  et  Mongols,  Les  Iluricovitseha  et 
Jean  du  Plan  de  Carpin  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  vom  15.  Februar  1872  S.  800 — 832. 


Dio  ruRsisolicn  Forseluingpii  in  Miftolasion.  3 

war  diesem  Trugbild  erlegen,  verführt  von  einer  Küstenbcsclirei- 
bung  des  Patrocles ,  der  im  Dienste  des  Seleiicns  Nicator  mid 
Antiocbus  eine  Flotte  im  Kaspisehen  Meer  befehligte,  und  zu  ver- 
sicliern  wagte,  dass  von  Indien  ans  um  den  Ostrand  Asiens  herum, 
der  freilich  nach  den  damaligen  Vorstellungen  schon  bei  den  Ganges- 
Mündungen  begann,  Schifte  aus  dem  Eismeer  in  das  Kaspische 
INIeer  eingelaufen  seien.  ')  Derselben  irrigen  Anscliaumig  begegnet 
man  im  Mittelalter.  -)  AVahrend  noch  Andreas  de  Lonjumel  die 
Kaspisce  mit  dem  Pontus  vei'wechselt  hatte,  gebührt  Iluysbroeck 
das  Verdienst,  das  Kaspische  Meer  von  neuem  wieder  als  ein  ge- 
schlossenes Becken  erklärt  zu  haben,  nachdem  er  selbst  die  west- 
lichen und  nördlichen  Ufer,  die  südlichen  und  östlichen  aber  kurz 
vor  ilnn,  wie  er  wusste ,  Lonjumel  bereist  hatte.  3)  Auch  Ruys- 
broocks  Bemerkungen  über  die  nestorianischen  Christen  sind  voll 
Interesse;  er  berichtet,  dass  sie  fünfzehn  Ötildte  in  Cathai  bewoh- 
nen, und  ihr  Bischof  seinen  Sitz  zu  Singan,  einer  Stadt  im  west- 
lichen China  habe,  wo  1(525  wirklich  ein  Monument  aufgefunden 
wurde,  welches  von  dem  Alter  dieser  christlichen  Niederlassung 
Zeugniss  gab. 

Der  wichtigste  Reisende  des  ganzen  Mittelalters  war  aber 
unstreitig  INIarco  Polo,  von  dessen  merkwürdiger  Heisebeschreibung 
Oberst  Yulc  im  Auftrage  der  Hakluyt  Society  zu  London  eine 
neue,  treftliche  ^Vusgabe  veranstaltet  hat.  '^)  INIchr  denn  dreihundert 
Jahre  verstrichen,  ehe  nach  dem  grossen  venezianischen  Reisenden 
ein  Europäer  die  Landschaften  Centralasiens  betrat.  Es  war  diess 
Benedict  Goes,  ein  Portugiese,  aus  ^'illa  Franca  auf  der  Azoren- 
Insel  San  INIichael  gebürtig,  der  als  Jesuiten-Coadjntor  im  Jahre 
1504  sich  in  Begleitung  von  Ilieronymus  Xavier,  Neft'en  des  be- 
i'ühmten  St.  Franciscus,  imd  eines  andern  portugiesischen  Priesters, 
Emanuel  Pinner,  nach  dem  Hofe  von  Labore  begab,  wo  er  mehrere 
Jahre  verweilte  und  Erkundigungen  über  die  nöi-dlichen  (iebiete 
Asiens  einzog;  er  ging  dann  nach  Agra,  inul  von  dort  Ende  lf5 02 
oder  Anfangs  1G03  nach  Kabid,  Yärkand,  und  erreichte  die  chine- 
sische Gränzstadt   Su-tschcu,   wo  er  siebzehn  Monate  lano;  gefangen 


1)  Strabo.  lib.  11.   XI.  Tom.  I.  p.  74,  T.  II.  S.  442. 

2)  Sielic  Paul  Oinsius.  Ilistor.  lib.  I.  cap.  2.  Colon.  153G.  p.  15.  Dann  Kavon- 
niilis  Anonymi  Geogr.  lib.  II.  cap.  8.  eJ.  Pindar  &  Parthoy,  Berlin  1860,  S.  62;  Beda 
Vencrabilis.  Po  muiidi  coeli  terrestrisque  constit.  Colon.  1688.  T.  I.  fol.  316.  Dieser 
srlicint  die  Kaspisee  als  einen  Tlicil  des  indischen  Oceans  betrachtet  zu  haben.  Siehe 
Icrnor  die  Angclsächs.  Karte  dos  britt.  Museums  aus  dem  10.  Jahrhundert  und  Orbis  o 
cod.  Bruxell.  de  anno  1119  in  Lelewel's  Atlas.  PL  VII  und  VIII.  Siehe  endlich  über 
die  Kaspisee:  Peschel,  Gesch.  d.  Krdk.  S.  156,  292,  und  über  die  Entdeckung  der  De- 
pression  dei'selben  a.  a.  O.  S-  41?,  549,  557,  558. 

3)  Ruysbroeck,  ed.  d'Avozac.    S.  264. 

4)  The  book  of  Ser  Marco  Polo,  tho  Venoiian.  Ncwly  translated  and  edited,  with 
noies,  by  Colonel  Henry  Yule  C.  B.  London  1871.  8.  2  Udo.  Siehe  über  dieses  wich- 
tige Werk:  Edinburgh  Review  1872.  No.  275  S.  1—36. 

1* 


4  Dip  russischen  Forschungon  in  Mittelasien. 

gehalten  wurde  und  endlich  starh  wenige  Tage  nach  Ankunft 
eines  christlichen  Sendboten  des  berühmten  S.  Ricci  zu  Peking. 
4U  Leider  ist  jener  Theil  von  Goes'  Reise ,  welcher  die  Strecke  von 
Kabid  nach  Yärkand  betrifft ,  noch  sehr  in  Dunkel  gehüllt.  Als 
Nachfolger  Goes'  in  späterer  Zeit  begnügen  wir  uns  zu  erwähnen 
Floris  Beneveni  1725,  Cladyschcw  1740,  ^leycndorü'  uiul  Negri 
1820,  Berg  1820,  Alexander  Burnes  1832,  Lieutenant  John  Wood 
1838,  Abbot  1839,  Shakespeare  und  Aitow  1840,  Nikiforow  1841, 
Nicolaus  V.  Chanikow  und  Alexander  Lehmann  1841  — 1842,  Oberst 
Stoddart  und  Capitän  Conolly  1842  und  Danilewsky  1842— 1843  ; 
in   neuester  Zeit  endlich    18(53   Hermann   Vämbery. 

Bis  vor  Kurzem  waren  die  Arbeiten  der  Deutschen  A.  v.  Hum- 
boldt und  Carl  Ritter,  die  doch  eigentlich  mehr  oder  weniger,  wie 
diese  beiden  Gelehrten  selbst  g^rne  einräumten ,  dem  Gebiete  der 
Conject Uralgeographie ')  angehörten,  das  Vollständigste,  was  wir 
über  jene  Länder  wussten,  besonders  über  die  Gegend  zwischen 
dem  Balchasch-See  luid  dem  Tian- Schau.  Den  Russen  erst  hat 
die  geographische  Wissenschaft  eine  genauere  Kenntniss  Central- 
asiens  zu  verdanken,  denn  ihnen  gebührt  die  Ehre,  jene  Gebiete, 
zum  Theile  schwierige  Gebirgsgegenden  und  Hochebenen,  theils 
eintönige  Sandwüsten,  zum  Zwecke  wissenschaftlicher  Durchfor- 
schung durchwandert  zu  haben.  In  Russland  war  man  seit  .lahr- 
hunderten  von  dieser  Nothwendigkeit  durchdrungen,  von  der  Über- 
zeugung geleitet,  dass  die  asiatischen  Gebiete  früher  oder  später 
ein  Entwicklungsfeld  russischer  Thätigkeit  w^erden  würden,  worauf 
der  Besitz  Ssibirien's  augenscheinlich  hinwies.  Von  jeher  war 
demnach  das  Augenmerk  Russlands  auf  die  Durchforschung  des 
wenig  betretenen  Centralasiens  gerichtet,  und  was  Humboldt  auch 
auf  jenem  Gebiete  Ausserordentliches  geleistet,  es  geschah  auf 
Befehl  und  mit  Unterstützung  des  russischen  Kaisers.  Humboldt 
hat  indess  auf  seiner  Reise  nach  Hochasien,  1829,  den  Tarbagatai 
nicht  ü])erschritten '^)  ;  schon  1834  gelang  es  dem  Astronomen 
W^assili  Fedorow  (Fjodorow),  die  Mündung  der  liCpsa  in  den 
Balchasch-See  zu  erreichen  und  zu  bestimmen;  1840 — 1842  ver- 
vollständigten   die    Reisenden  Karelin    und    A.   Schrenk  •')    die   Er- 

1)  Sie  stützton  sich  beinahe  ausschliesslich  auf  die  chinesischen  Quellen,  welche 
Klaproth,  Abel  Keinusat,  Stanislas  Julien,  P.  Hyacinth  und  Andere  erschlossen. 
Die  wichtigsten  dieser  Quellen  sind  das  Sl-i/it-tliiiiif/-wen-fnrhi ,  Peking,  1772,  das  Si-i/ii- 
weii-kkin-li)  (dessen  zweite  und  dritte  Auflage,  1777  und  1814,  den  Titel  Sin-l-iatig-wai-fn'i- 
ki-lio  und  Si-ifi(-ki  führte),  das  Plng-tseK-hii-pleii ,  1726,  und  das  'Fliai-thsliin-i-tong-tfrhi, 
1774.  —  Ferner  des  buddhistischen  Pilgers  Hiuen-thsaiig  Reisebeschreibung  I'ieii-i-tieii, 
die  Memoiren  des  Sse-mn-tlisle»  und  des  Ma-tiian-Uii  Encyclopedie. 

2)  Sein  weitester  Punkt  war  der  chinesische  Pfwten  Bity  am  Irtysch   (!".)"  n.  Hr.) 
;i)  Leider  ist  von  Schrcnk's  Reisewerk  bis  jetzt  nur  ein  Bruchstück  veröffent- 
licht  unter   dem   Titel:    „Berieht  über   eine   im  Jahre  KS40  in    die   östliche    dsungarische 
Kirgisensteppe  unternommene  Reise."     (Beiträge    zur   Kenntniss    des    russischen  Reiches, 
herausgeg.   von  Baer  und  Helmersen.     Vll.  Bändchen,  St.  Petersburg,   1847.) 


Die  russischeu  Forachungen  in  Mittelasien.  5 

forschuiig  der  Gegend   zwischen    dem   Balchasch   im  Norden,     dem 
Ilistrom  im   Süden  und  dem  sogenannten  ds ungarischen  Ala-Tau. 

Immer  mehr  mid  mehr  machten  diese  Reisenden  den  Sinn 
für  die  geographischen  Expeditionen  in  die  NachharUinder  Asiens 
rege,  so  dass  das  Jahr  1845  die  Gründung  eines  Institutes  hrachte, 
welches  auf  den  künftigen  Gang  der  Wissenschaft  in  Russland 
von  unherechenharem  Einflüsse  sein  sollte.  Es  traten  hervor- 
ragende Männer  zu  einer  Gesellschaft  zusammen,  welche  sich  als 
kaiserlich  russische  geographische  Gesellschaft  zu  St.  Petersburg 
constituirte  und  heute  an  der  Spitze  eines  Capitales  von  88.000 
Thaler  und  27.970  Thaler  Einnahmen  steht,  zu  denen  der  Staat 
eine  jährliche  Subvention  von  Ki.löO  Thaler  zuschiesst.  ')  Hand 
in  Hand  mit  dem  tüchtigen  russischen  Generalstabe,  dessen  Arbeiten 
sie  theils  unterstützte,  theils  ergänzte,  und  mit  dem  sie  in  steter 
regster  Verbindung  steht,  nahm  die  geographische  Gesellschaft  die 
Durchforschung  der  Heimat,  die  früher  ganz  in  den  Händen  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  geruht,  in  Angriff,  ihre 
Thätigkeit  —  im  Gegensatze  zu  anderen  ähnlichen  Körperschaften  — 
nur  auf  die  Gebiete  des  russischen  Scepters  und  die  Nachbar- 
länder Asiens  beschränkend,  welche  für  Russland  von  Wichtigkeit 
sein  können.  In  dem  colossalcn  Reiche  ist  Alles  colossal,  und  so 
stellte  sich  bald  die  Nothwendigkeit  heraus ,  an  den  Extremitäten 
des  Staates,  gleichsam  als  vorgeschobene  Posten,  Zweigvereine  zu 
begründen ,  die  mit  dem  Centrum  zwar  in  ununterbrochener  Ver- 
bindung, doch  ihr  eigenes,  enger  begrenztes  Forschungsgebiet  sich 
zu  ziehen  hätten.  So  erfolgte  schon  1850  die  Gründung  der 
,, kaukasischen  Section  der  kaiserlich  russischen  geographischen 
Gesellschaft'''  zu  Tiflis ,  und  1851  die  der  ssibirischen  Section  zu 
Irkutzk;  in  jüngster  Zeit  fügte  sie  diesen  beiden  zwei  neue  Zweige 
auf  europäischem  Boden  zu:  es  sind  dies  die  18(i7  gegründete 
,,Noi-dwestliche  Section'''  zu  Wilna  und  die  ,,Orenburg'sche  Section" 
zu  Orenburg.  Was  und  wer  seitdem  in  Russland  Ansehnliches 
für  die  Geographie  geleistet  hat,  ist  entweder  aus  der  geographi- 
schen Gesellschaft  oder  aus  dem  Generalstabe,  oft  aus  beiden  zu- 
gleich hervorgegangen. 

Zu  weit  wnirde  es  uns  führen,  wollten  wir  hier,  wenn  auch 
noch  so  cursorisch  in's  Auge  fassen,  was  für  die  Erweiterung  der 
(Jeographie  und  Topographie  Russlands  geschehen  ist;  wir  müssen 
uns  vielmehr  auf  die  centralasiatischen  Gebiete  beschränken,  erst 
allein  für  uns  von  Interesse  sind.  Im  Jahre  1851  erreichte  Ob  die 
Kowalewski  an  der  äussersten  Gi'enze  der  chinesischen  Dsungarei 
den  Ort  Kuldscha,   von  welcher  Reise  er  höchst  werthvoUc  Nach- 


1)  Nach  Bchm's  neuestem  „Geogriiphischcn  Jahrbuch"  IV.  Bd.  1872  S-  445. 


ß  Die  russisclicii  Forscluiiigcn  in  Mittclaaii'ii. 

richten  mitbrachte^).  Erst  nach  der  1854  erfolgten  Errichtuno- 
lies  Fort  Wiernojc  an  der  Ahiiaty,  gehing  es  1855  —  1858  den 
riissisclien  Forschern,  in  die  sogenannten  transilischen  Kegionen 
vorzudringen;  ilirc  Forschungszüge  führten  sie  bis  an  das  südliche 
Ufer  des  Sees  Issi-Knl,  uml  Einer  von  ihnen,  der  Astronom,  Herr 
jSIagister  P.  Ssemenow,  der  den  Obersten  Chomentowsld  auf  einer 
niilitiirischeu  Expedition  begleitet,  bestieg  im  Juni  LS -2  7  zum  ersten 
ISIale  die  Gipfel  des  Tian  iSchan,  die  vor  ihm  noch  kein  Europäer 
betreten  hatte,  während  nahezu  gleichzeitig  der  Capitän  vom  Berg-" 
Ingenieur-Corps  ^Nleglitzky  (auch  bekannt  durch  seine  interessanten 
Untersuchungen  am  Baikal-Öce  in  Ösibirien)  und  der  Stabscapitän 
Autipow,  1854 — 1855,  den  südöstlichen  Theil  des  Gouvernements 
Orenburg  mit  den  südlichen  Ausläufern  des  Uralgebirges  geogno- 
stisch  aufnalmien  und  die  gewonnenen  Resultate  in  Hchrift  und 
Karte  verijft'entlichtcn ;  E.  Borszcow  bereiste  in  derselben  Epoche, 
1857  —  1858,  mit  Ssäwerzow,  im  Auftrage  der  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  St.  Petersburg,  das  (^renburg'sche  Land  zwischen 
dem  Ural ,  dem  Irgis ,  dem  Aralsee  und  dem  Kaspischen  Meere 
und  entwarf  ein  gelungenes  Bild  von  der  geologischen  Beschatfen- 
heit  der  ganzen  Aralo-Kaspisclien  Niederung,  so  wie  der  INIucha- 
dscharischen  Gebirge  und  des  Ust-Urt.  1858  entsendete  die  geo- 
graphische Gesellschaft  eine  Expedition  nach  Persien,  besonders 
zur  Erforschung  der  an  die  centralasiatischen  Gebiete  im  Süd-\Vesten 
grenzenden  persischen  Provinz  Chorassan.  An  der  Spitze  dieser 
Expedition  stand  der  rühmlichst  bekannte  Reisende  Xicolaus  von 
Chanykow,  der  schon  1841  — 1842  die  centralasiatischen  Steppen 
bereist  und  ein  werthvolles  Buch  über  Bochara  in  russischer  Sprache 
verfasst  hatte-);  die  übrigen  Mitglieder  der  Expedition  waren  die  Herren 
Goebel,  v.  Lentze  (Astronom),  Staatsrath  Prof.  Dr.  A.  v.  Bunge  3) 
(Botaniker),  Binnert,  Petrow  und  Graf  Keyserlingk.  Die  Exjic- 
dition  ging  im  März  1858  ab  und  begab  sich  über  Asterabäd, 
Nischabur,  Meschhed  (Tüs)  nach  Hei-at  ^)  und  zurück  üljcr  den 
Ilamün-See,  Kermän,   Yezd,   Ispaluui,  Teheriin  an  den  Urmia-Sec  •^). 


1)  Ausserdom  war  ihm  idcr  Zweck  seiner  Rciae  vollstüiulig  gelungen,  dabin 
gellend,  die  Bande  des  guten  Einvcrnclimens  zwischen  Russland  und  Cliiiia  enger  zu 
knüpfen,  welche  beide  Reiche  hier  so  wie  im  Norden  und  Nord-Ost  eine  gemeinschaftliche 
üronze  haben  sollten,  und  russische  Faktoreien  iu  Kulilscha  und  Tschugutschak  zu  grün- 
den. Der  hierüber  am  25.  Juli  und  6-  August  1851  abgeschlossene  Yertrag  ward  ersl  am 
28.  Februar  und  11.  März  1861  bekannt  gemacht. 

2)  Ks  erschien  in  englischer  Ucbcrsctzung  unter  dem  Titel:  nokhnra,  ils  Aniir 
and  its  Pcople.  Translated  irom  thc  Russian  of  KhaiiiUnlV  by  the  Bnron  Clement  A.  de 
Rode.     London  1845.     S. 

3)  Über  Bunge  siehe  Pcschel  Gesch.  d.  Erdk.  S.  556. 
■l)  retermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1850,  S.  206. 

5)  Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1860,  S.  43.  Den  ausführlichen  Berieht 
über  die  ganze  Expedition  gab  Chanykow  iti  seinom:  Memoire  sur  la  parlic  meridionalo 
de  l'Asie  centrale-     Paris,  1861.    1.     234  S-  niit  3  Karten.    Uebcr  Chorassan  siehe  ferner; 


Die  russisclioii  Forschungen  in  Mittelasien.  7 

Kurz  darauf  ward  auf  Anregung  Sseinenow's  beschlossen,  eine 
Expedition  in  das  I^and  jenseits  des  Balchasch-See's  und  des  Ili 
al)golieu  zu  lassen,  um  dem  INIangel  an  astronomisch  genau  be- 
stimmten geographischen  Punkten  abzuhelfen ,  \velclie  die  schon 
damals  als  durchaus  notliNvendig  erkannte  Ilerstcllnng  einer  Karte 
dieses  Theiles  von  Centralasien  möglich  machen  konnten.  Unter 
Mitwirkung  des  kaiserlichen  Generalstabes  ging  denn  auch  schon 
am  12.  Februar  1859-  der  kaiserliche  Gencralstabshauptmanu 
A.  Golubew  ')  in  IJeglcitnng  des  Topographen  ^latkow  daliin  ab. 
Er  mass  in  der  That  IG  Punkte^)  und  drang  bis  zu  dem  See 
Issi-Kul,  dessen  bei Uiufig  richtige  Form  zuerst  1847  vom  russi- 
schen Topographen  Nifantiew  gezeichnet,  endgültig  aber  erst  durch 
im  Jahre  185!)  und  181)0  untcnionmicne  Arbeiten  festgestellt  wurde. 
Letztere  wurden  unter  der  Leitung  des  Herrn  ^Veniukow ,  eines 
der  hervorragendsten  ISlitgliedcr  der  kaiserlichen  geographischen 
Gesellschaft,  von  einer  Connnission  von  Ofticieren  der  ssibirischen 
Abtheilung  des  russischen  Generalstabs  ausgeführt.  Auf  diese 
Weise  wurden  blos  in  der  Umgebung  des  Issi-Kul  und  längs  des 
Flusses  Tschui  im  Laufe  des  Jahres  1859  an  53.000  G^Verst -J) 
aufgenommen.  Auch  am  östlichen  Ufer  des  Kaspischen  Meeres, 
auf  dem  Ust-Urt,  rund  um  den  Kara-Boghaz  herum  bis  zum  Bal- 
kanischen iNlcerbusen  wurden  an  88.000  OWei'st  aufgenommen, 
wodurch  die  Figur  des  Kara-Boghaz  ganz  genau  bestimmt  ward. 
Im  Laufe  des  Jahres  18(50  erlitt  indess  die  Figur  des  Kas])i- 
schen  jNIceres  neue  Veränderungen  durch  die  vom  Hydrographischen 
Departement  veranlassten ,  chronometrischen ,  astronomischen  und 
topographischen  Vermessungen  Seitens  des  Seecapitäns  Iwaschiu- 
tzow  von  1858  bis  1860,  während  gleichzeitig  der  Generalstabs- 
offizier Dandcvillc  1858  auf  seiuer  Karte  des  T"st-Urt  die  erste 
richtige  DarsteUung  der  ]Mangyschlak-llalInnsel  lieferte^);  auch  im 
Orenburg'schen  Ländergebiete,  sowohl  bei  den  Urarschen  Kosaken 
als  in  der  Kirghisensteppe,  wurden  Katasteraufnahmen  über  5320 
!_1  Werst  (=  110  DM.)  vom  Generalstabe  ausgeführt;  ferner 
Nivellements  zwischen  dem  Fort  Perow.ski  und  dem  Jany-Darjä 
auf  einer  Länge  von  575  AVerst,  xmd  endlich  eine  Recognoscirung 
in    dem    Osten    des   Aralsee's    über    27.905    GWerst    (576    QM.). 

Production    und    Handel    von    Cliorassäu    (P  e  t  er  m  au  n' s     Geogr.    Mlttheihuigcn,     1864, 
S.   7  —  9). 

1)  Capitän  Golubew  starb  leider  für  die  Wissenschaft  viel  zu  früh  im  Jahre  1866. 

2)  Siehe  dieselben  in  Petermann's  üeogr.  Mitthoilungen,  1861,  S.  198- 

3)  Eine  russische  QW erst  i:  0.0206677,  deutscho  QMeile  :;  1.138021  □Kilometer. 
Als  Längcnmass  gehen  104.3387  Werst  auf  einen  Äquatorgrad,  6.955916  (also  rund  7) 
Werst  auf  1  deutsche  Meile  und  0.9373998  (also  rund  1)  Werst  auf  1  Kilometer. 

4)  Notiz  über  die  Berge  AX--tau  und  Kara-tau  auf  der  Halbinsel  Mangyschlak 
am  Ostufer  des  Kaspischen  Meeres,  von  G-  v.  Helmersen.  (Bulletin  de  rAcademio 
Imp.  des  scicnces  de  St.  Petersbourg.     T.  XIV.  No.  6,  Mars  1870.) 


8  Die  ruBsisclicii  Forschuiigon  in  Mittciasirn. 

Im  iiäch.strolgciiden  Jahre  wurilen  unter  Leitung  des  Obei'sten 
Dandeville  vom  Generalstabc  die  Aufnahmsarbeiten  zwischen  den 
P^lüsscn  Ilek  und  Utwa,  am  kSsyr-Darja  hinauf  vom  Fort  Tsehuhik 
bis  zur  ehokanzischen  Festung  Jany-Knrgaii  mit  Einsclduss  der 
südwestlichen  Aushlufer  des  Kara-Tau  mid  am  Flusse  Jfuiy-I)ar)ii 
fortgesetzt.  Sodann  fanden  Recognoscirungen  durch  5  Oflicierc 
des  Topographen-Cori)s  im  Gouvernement  Orenburg  und  im  nord- 
östlichen Theile  der  8teppe  jenseits  des  Tohol  zur  Untersuchung 
ihres  gegenwärtigen  Zustande«  »Statt,  so  dass  auch  in  diesem  Jahre 
in  Allem  7670  GAVerst  (IöIlM.)  aufgenonnnen  und  1 53.870  PAV. 
(3180  CINI.)  recognoscirt  wurden.  Im  Jahre  18()"2,  wo  Oberst 
Ssalessow  die  Katasteraufnahmen  leitete,  wurden  weitere  599ß  C7)W. 
(1 24  GM.)  aufgenommen  und  von  der  S])ecialkartc  des  I^änder- 
gebietes  sechs  neue  Blätter  im  ISlassstah  von  1  :  120.000  vollendet. 
Oberst  Tschernajew  leitete  1863  eine  Kecognoscirung  in  der  (iebirgs- 
kette  Kara-Tau,  und  zwar  zwischen  dem  Berge  Daud-Chodscha, 
den  Forts  Ösusak  und  Tschulak-Kurgan,  der  Stadt  Turkestän,  dem 
Orte  Utsch-Kajuk  und  den  Ruinen  von  Jany-Kurgan.  Eine  zweite 
Recognoscirung  untersuchte  das  Terrain  zwischen  den  westlichen 
.\usläufern  des  Kara-Tau,  dem  Daud -Chodscha  und  den  Seen 
Telekul  und  Telekultata ;  die  Karten  heider  Recognoscirungen  haben 
den  ]\Iassstab  von  1:210.000.  Flotten-Capitän  und  Flügel-Adjutant 
Butakow  dampfte  1863  den  Ssyr-Darja  aufwärts  bis  zum  Orte 
Bayldyr-Tugai,  bestimmte  die  Position  mehrerer  Punkte,  unter- 
suchte die  Tiefen  und  das  Fahrwasser  imd  Hess  durch  einen 
Offizier  imd  zwei  Topographen  das  Flussufer  aufnehmen ;  im  Jahre 
1864  erstreckten  sich  die  Katasterarbeiten  auf  3933  HWcrst 
(81  CM.)  im  INIst.  von  1:21.000,  die  geometrische  Netzlegung 
über  ein  Areal  von  5)500  GW.  (11)6  G^I-)  und  die  Berichtigung 
älterer  Arbeiten  im  Steppengebiete  der  inneren  Horde  zwischen 
Fral  und  AVolga.  Neue  Aufnahmen  erstreckten  sich  ferner  über 
970  GW.  (20  G  AI.)  in  den  Transuralischen  Steppen,  an  der 
End)a,  am  Ssyr-Darja,  im  Bergreviere  Kara-Tau  uml  in  der  neuen 
Provinz  Turkestän,  desgleichen  über  102  GAV.  (4^',^  GlM-)  der 
Stadtpläne  mit  Umgebung  von  Turkestän  und  Tschemkend  im  Alst. 
von  1:8400.  Im  Jahre  1865  Hess  Oberst  Ssalessow  Wegrecog- * 
noscirungen  im  Mst.  von  1:84.000  über  20.600  ["AV.  (425  GAI.) 
zwischen  dem  Fort  Oren])urg  am  Turgai,  Turkestän  und  Fort 
Perowski  am  Ssyr,  dann  über  20.000  T  AV.  (413  ^]M.)  der  Pro- 
vinz Turkestän  von  Merke  an  westlich  bis  zum  Ssyr  und  diesen 
aufwärts  bis  zur  Tschirtschik-AIündung  vornehmen,  so  wie  den 
Entwurf  einer  Karte   des   Chaiiates   C'hokan   vorbereiten. 

Nicht  minder  thätig  waren  die  Russen  im  westssil)irischen 
Alilitärbezirkc ;  1860  wurden  im  Siebenstrom-  und  transiliscben 
Gebiete,    im    nordwestlichen    Thcilc    des    Kreises  Ala-Tau   und   im 


Die  ruBsiBchou  Forscbuugcii  iu  3Iittclasicn.  9 

Südwesten  des  Lssi-Kul  im  Masstabe  1:420.000  an  45.000  DW. 
(930  HM.),  im  Jahre  1861  unter  Leitung  des  Obersten  Babkow 
vom  Generalstabe  durch  zwei  Ofticiere  und  vier  Topojjrapheu  im 
Thale  des  Tschui  und  Umgebung  gegen  14.500  D^V.  (:500  CM.) 
aufgenommen;  1862  wandte  sich  Oberst  Babkow  nach  der  chine- 
sischen Grenze,  und  zwar  von  den  nördlichen  Gebirgszweigen  des 
Ala-Tau  bis  zum  See  Dsaissang-Noor  und  vom  Flusse  Tokta  bis 
zu  den  chinesischen  Grenzposten  jenseits  des  Engpasses  Chabar- 
Assu  im  Tarbagata'i.  Von  der  Gegend  der  Flüsse  Basara,  Kor- 
bugi,  Tebezge  und  Tamirsik  am  Xord-Fusse  des  Tarbagatai  wairde 
die  Aufnahme  auf  die  Südufer  des  Dsaissang-See's  und  das  Thal 
des  schwarzen  Irtisch  —  120  Werst  aufwärts  —  übertragen.  ]Man 
ging  längs  der  Grenze  bis  zum  Piquet  Koss-Agatsch  vor,  bestinmite 
auch  die  Ijage  der  Berge  Ssary-Tsoheku  und  ^lankrak  mid  nahm 
im  Laufe  des  Sommers  im  Ganzen  etwa  l'.).i)72  LJW-  (412  HINI.) 
auf.  Eine  Recognoscirung,  1863  uuternonnucn,  südlich  des  Flusses 
Tschui,  bewegte  sich  am  oberen  Ssyr-Dai"ja  und  im  Himmelsgebirgc 
in  der  Richtung  auf  Kaschgar  und  lieferte  das  Kartenmaterial  über 
28.140  ,C;AV.  (581  C^I.);  c^ii*^  J»l""  l-'^'^i  brachte,  stets  unter  Leitung 
des  Obersten  Babko\v  und  durch  9  Offlciorc  und  32  Topographen, 
die  x\ufnahme  von  8766  GW.  (181  iZ^I.)  längs  der  chinesischen 
Grenze  am  Nordabhange  des  Tarbagatai  imd  im  Flussthale  des 
Borochudsir ;  ferner  Aufnahmen  am  oberen  Tschui  zwischen  Fort 
Kastek  und  der  ]Mündung  der  grossen  Kebin  und  im  Süden  des 
Tschui  vom  Flusse  Talass  über  die  Berge  Karabura  bis  zum  Flusse 
Tschoktal,  ein  Itinerar  durch  die  Flussthäler  Aryss  imd  Bugun, 
und  von  Tschulak-Kurgän  bis  Auliett  (Aulie-ata) ,  Alles  im  Mst. 
1:210.000  —  und  endlich  die  Pläne  der  Forts  Tokmak,  Merke 
und   Auliett   im   Mst.   von    1:21.000. 

Ausser  diesen  ihren  regelmässigen  Gang  nehmenden  Arbeiten 
Hess  sich  aber  die  russische  Regierung  es  angelegen  sein ,  die 
Durchforschung  dieser  Landschaften  durch  speciellc  Expeditionen 
zu  betreiben,  die  zwar  nicht  stets  rein  wissenschaftlichen  Älotiven 
entsprungen ,  immer  aber  der  geographischen  P^rkenntniss  frucht- 
bringend waren,  llieher  gehören  die  commissionelle  Bereisung  der 
Kirghisensteppe  unter  I^eitimg  des  wirklichen  Staatsrathes  Girs; 
die  Commission  unter  Führung  des  General-Lieutenants  Dlotowski 
zur  Feststellung  der  Grenze  zwischen  den  Ländern  der  Urarschcn 
Kosaken  und  der  Kirghisen  am  linken  Ufer  des  Ural;  dann  die 
Reise  des  Bergingenieurs  Oberstlieutenant  Tatarinow"  am  Süd- 
Abhange  des  Kara-Tau ,  wo  er  in  einer  Entfernung  von  90  \V. 
von  Turkestän,  Tschemkend  und  der  Mündung  des  Arj^ss  Stein- 
kohlen von  bester  Qualität  fand  ').   Die  Bearbeitung  dieser  so  wie 


1)  P  et  erni  aiiii'a  Geogr.  Mittlieiluiigcn,  lö67,  S-  118. 


10  Die  russischen  Forsfluiiigoii  in  Mittelasien. 

der  aiif'gofiiiideiicn  Goldwcrkc  ward  sogloich  in  Angriff  genonnnon  '). 
Von  ^Vest-8si])iricll  aus  wurde  ein  niilitärisclies  Coinniando  unter 
dem  Capitjln  Ilolmstrom  abgeselnckt,  um  die  kürze.sten  Karawanen- 
Avegc  festzustellen,  die  von  Ssemipolatinsk  und  Petropawlowsk 
westlich  vom  Balchascli-Sec  durch  die  Hunger-Steppe  bis  zu  den 
russischen  Forts  am  Süd-Ufer  des  Tschui  und  nach  Taschkend 
mid  Turkestan  führen.  Gleichzeitig  nahm  Oberst  Babkow,  dessen 
Leitung  auch  die  Holmstrom'sche  P^xpedition  unterstand,  die  Topo- 
graphie des  so  wichtigen  Balchasch-Sce's  auf.  An  diese  Arbeiten 
lehnen  sich  die  statistischen  Untersuchungen  A.  J.  Makschejew's, 
die  archäologischen  Forschinigen  H.  Fawizki's,  die  ethnographischen 
und  linguistischen  Radloffs,  endlich  die  meteorologischen  Beob- 
achtungen, die  General  von  Kaufmann  an  15  Stationen  Turkestans 
eingerichtet  hat. 

Die  in  vieler  IJezieluuig  so  interessante  Begion  des  Tarba- 
gata'f  ward  1864  von  C.  Struve  und  dessen  Begleiter  Botanin 
genauer  erforscht.  Struve's  Ex])e(lili()n  verfolgte  dabei  astrono- 
mische und  topographische  Zwecke.  Frühere  Arbeiten  s(dlten  ver- 
vollständigt und  das  vollständige  topographische  INIaterial  auf- 
genonmien  werden,  um  eine  Karte  der  ganzen  Provinz  Turkestan 
licrzustellen.  Die  Arbeiten  nmfassen  das  ganze  Gebiet  von  Merke 
bis  zum  Ssyr,  am  Ssyr  den  Strich  vom  Parallel  von  Turkestan 
im  Westen  l)is  zur  ]NBindimg  des  T.schirtschik  und  weiter  östlich 
bis  zu  den  Bergen  Aon  Sussamir  und  den  Quellen  des  Tschirtschik. 
>s'eben  den  topographischen  Arbeiten  liefen  astronomische  Orts- 
bestinmiungen,  die  eine  Reihe  von  Punktei^  von  der  Festung 
AVicrnoje  an  bis  Taschkend  und  Tschinaz  betreffen  mid  am 
Ssyr-Darja,  bis  zu  den  von  Contreadmiral  Butakow  bestinnnten 
Puidvten  reichen.  Das  Kesultat  dieser  Arbeiten  Struve's,  die  Karte 
Turkestan's,  ward  schon  im  September  18()5  begoimen  und  er- 
schien 1868  als  ,, Karte  des  General-(Jouvernements  Turkestan, 
ausgeführt  in  der  asiatischen  Abtheilung  des  Generalstabs  unter 
Leitung  des  Capitän  Narbut"  im  Massstab  von    1  :  2.000.000. 

Die  andere  Expedition  des  Natui'foi^schers  Ssäwerzow  hatte 
geologische  und  zoologische  Forschungen  im  Auge.  Zu  derselben 
gehörten  ein  Officier  von  den  Bergingenieuren  sowie  mehrere  Berg- 
beamte und  Arbeiter.  Schon  18(51  machte  Ssäwerzow  im  Auf- 
trage des  russischen  Kriegsmiidsteriums  und  versehen  mit  Instruc- 
tionen der  k.  russischen  geographischen  Gesellschaft  in  St.  Peters- 
burg eine  Heise  in  die  centralasiatischen  Gebiete.     Die  Ergebnisse 


1)  Tatarinow.  Über  die  gegenwärtige  Vorbereitung  der  Kohlen-  und  Gold- 
btM'gworkc  in  der  Provinz  Turkcstäa  (lawästija  der  kaiserlich  russ.  gcogr.  Gesellschaft 
öt.   Petersburg,  B.  111,   1867,  Nr.  2). 


Die  nissisclicn  ForscUmigcii  in  Mittelasien.  1  1 

dci'öolbou  isiud  in  einem  Bericht ')  niitgcthcilt,  der  viel  des  Inter- 
essanten entUiilt  und  namentlich  Klarheit  über  die  «feognostischcn 
VerhältiHssc  jener  Gegenden  verhreitet -).  Seine  seitherigen  For- 
schungen, so  wie  jene  Nikolski's  sind  in  den  Is^Yilstija  (Mittheilnngen) 
der  kaiserlieh  russischen  geographischen  Gesellschaft  niedergelegt  •'). 
SsJiwerzow  dehnte  seine  Forschungen  sodann  auf  den  westlichen 
Theil  des  Tian  Schau,  auf  den  Naryn,  d.  h.  den  ()])erlauf  des 
Ssyr-Darjä  und  sogar  jenseits  des  Tian  Schau  bis  ziun  .Vksai,  dem 
nördlichen  Quellflussc  des  Kaschgar-Darja  aus.  Er  bestiUigte  die 
Abwesenheit  vulkanischer  Gebilde  im  Tian  Schau,  glaubt  in  jenen 
Centralregionen  den  Ausgangspunkt  der  grossen  zoologischen  Keichc 
des  Mittelnieeres  des  Ilinu'ilaya  uml  Ostssibiriens  nachweisen  zu 
können  so  wie  dass  seine  Untersuchungen  über  die  geographische 
Verbreitung  der  Fische  die  Annahme  einer  vormaligen  Verbindung 
der  centralasiaiischen  Binnensee  mit  dem  Eismeere  bekräftigen 
und  eine  frühere  .Vbtrennung  des  Kaspischen  vom  Schwarzen  Meere 
als   dieses   letzteren   vom   Mittelländischen  INIeere   darthun  '). 

Aus  diesem  skizzenhaften  Abrisse  ist  deutlich  zu  ersehen, 
wie  Russland  Schritt  für  Schritt  die  "Wege  zu  seinem  Fortschreiten 
in  Innerasien  mit  Hilfe  der  Wissenschaft  sich  ebnet  und  vorbereitet. 
Aber  auch  nach  errungenem  militärischen  Erfolge  wird  die  AVissen- 
schaft  nicht  in  die  Küstkammer  verwiesen,  vielmehr  sehen  wir 
hier  eines  der  schönen  Beispiele,  wo  Wissenschaft  und  Kriegs- 
handwerk Hand  in  Hand  gehen,  und  wo  erstere  durch  Vermehrung 
und  Erweiterung  der  menschlichen  Keimtniss  zu  sühnen  sucht, 
was  allenfalls  das  letztere  an  dem  sogenannten  humanitären  Ziele 
der   Menschheit   verbrechen   könnte. 


1)  Iswästijn  ilor  k.  rnss.  gco';!-.  Gcsclls,-liaft  zu  St.  Petersburg,  1S65,  Nr.  7,   S.  127  ff. 

2)  Hr.   MartUe.    Kussischc  wissenscli.Tftliclio  Kxppflitionon  im  Jsiliro  1861  und  löOD 
in  Turlv'stan.     (_Zei(selirift  i'iir  allgemeine  Erdkunde-     Berlin,   1867,  II.  S-  79-81.) 

3)  Ssäwcruow  ira  Bilo-  II,  1866,   llft.  Nr.  7.     Nikolski's    geologische  Unter- 
suehungen  im  Bande  III,   1867,  lieft  Nr.  3.     Der  „Iswästija." 

4)  Maunoir-    Kapport   sur   les   Travaux    de   la   Soeicle   de   geographic   de  I'aris, 
1868.     S.  l'JO. 


II.   Capitel. 

Die  Landschaften  Centralasiens '). 


Die  Region,  mit  wckher  wii-  uns  beschäftigen,  wird  im  Westen 
vom  Caspisehen  ]\Ieere  und  dem  sowohl  Asien  als  Europa  gemein- 
schaftlich angehörenden  Jaik  oder  Ural  (dem  Daix  der  Alten),  im 
Norden  von  dcmsellien  »Strome  bis  Orsk,  dann  von  einer  Linie 
abgeschlossen,  die  etwa  von  letzterem  Punkte  bis  zu  der  ssibiri- 
schen  Htadt  Ssemipolatinsk  ^)  reicht;  den  Osten  begrenzen  die  hohen, 
meist  granitischen  Gebirge  des  imposanten  Tarliagatai  3),  des  Ala- 
Tau  und  Altai ')- Stockes,    der  Tian- Schau   oder  Ilimmelsberg  an 

1)  Wir  lofjon  iHrsfr  grograplnscluMi  SUizzo  die  betreffenden  Absdinitle  atis 
Kliideii's  UaiHllnich  di^r  Erdkunde,  III.  Band  (1862),  zu  Grunde,  dieselben  auf  den 
lieutigen  Standpunkt  unscrs  geographischen  Wissens  ergänzend.  Als  hervorragejidste  Karten 
wurden  zu  dieser  Darstellung  benützt:  der  immer  noch,  trotz  der  zahlreichen  neueren 
lOrforsehungen  brauchbare  Atlas  von  Lieut.  Carl  Zimmermann  zu  Ritter's  Asien 
(nebst  dessen  geogr.  Analyse  der  Karte  von  Inner-Asieii,  Berlin  1841),  dann  II.  Kiepert' 
Turin  oder  Türkistan,  Berlin,  1864,  das  worthvoUe  tjbersichtskürtchen  der  russiseb- 
turaniseh-chinesisehen  Grenzgebiete  in  Inner-.\sien  im  III.  Hefte  von  Petcrniann's 
Geogr.  Mittbeilungen  1868  und  schliesslich  die  noch  wenig  bekannte,  aber,  weil  die  neu- 
eren russischen  Erforschungen  verzeichnend,  höchst  wichtige,  im  August  1868  als  Beilage 
zum  „Kussischen  Invaliden"  erschienene  Karte  von  Ccntralasion  im  Masstab  1  :  4,2(H).(H)0. 
Hecht  brauchbar  ist  ferner  <lie  1863  erschienene  russische  Karte  von  Russ'Sch-.\8icn  und 
das  kleine  aber  werthvolle,   1867   ebenfalls  russisch  publicirtc  Kärtchen  KUdturkestäns. 

2)  Am  Irtisch  gelegen,  im  Gouvernement  Tomsk-  Siehe  darüber  die  ,\bhandlung 
von  Abramow  in  i'en  „Süpiski"  der  kais.  russischen  geogr.  Gesellschaft,   1861,   1-   B  I. 

3)  Der  Tarbagntai'  oder  das  Murmelthiergebirge  (von  turhnrja ,  Murmelthier)  er- 
hebt sich  im  Norden  des  Ala-kul  und  im  Süden  des  l)saissang-Sees,  weit  über  50  M. 
von  ^Vcsten  nach  Osten  reichend,  und  ist  wälirend  des  ganzen  Sommers  mit  Schnee  bc- 
deekf.  Ssemenow  gibt  dem  Tar1)agata'i  eine  mittlere  Kammhöhe  von  4300  P.  F.  Diese 
in  vieler  Beziehung  interessante  Kegion  ist  1864  von  C  Struve  und  dessen  Begleiter 
I'otanin  genaticr,  als  seither  der  Fall  gewesen,  erforscht  worden.  Die  Kirghiseu  haben 
in  der  jüngsten  Zeit  Versuche  gemacht,  feste  Wohnsitze  daselbst  zu  grümlen,  und  würde 
die  Ansässigkeit  gewiss  in  grösserem  Unifange  stattfinden,  wenn  es  nicht  im  Gebirge  an 
Holz  mangelte. 

4)  Altai  ist  eine  Verschmelzung,  richtiger  Abkürzung  von  Al-Taig»  und  bedeutet: 
erhabenes  Felsongebirgo.  Einige  leiten  den  Namen  von  dem  türkischen  "Worte  alti/n, 
Gold,  her,  wonach  Altai  Goldgebirge  heisst.  Der  Altai  ist  ein  alttürkisches  Land.  (Hum- 
boldt. Kosmos  II.  S.  43.)     Neue   und  in  anziehender  W'ciac  dargestellte  Aufschlüsse  über 


Die  Landschaften  ContralaRiens.  1  o 

China's  Grenze  und  der  Belut-Tagli,  an  welchen  sicli  im  Süden 
die  Riesenformen  des  Hindu-Kusch  anschliessen.  Der  Paropanisus  ') 
bis  in  die  Gegend  von  Herat  und  dann  die  Höhenzüge  im  Norden 
der  persischen  Provinz  Kohistitn  (d.  i.  Berghand)  bis  znm  Kaspi- 
See  bilden  den  südlichen  Abschluss  dieses  Gebietes,  welches  sich 
demnach  etwa  zwischen  34 — 50^  n.  Br.  und  48 — 78^  ö.  L.  von 
Paris  erstreckt.  Wie  ein  Blick  auf  die  Karte  lehrt,  fallen  in  diese 
Eegion  die  südwestlichen  Tlioile  Ssibiriens  2),  das  ehemalige  un- 
abhängige Turkestrm  mit  den  Chanaten  Chiwa,  Bochitra  und  Chokan, 
einst  unter  dem  Namen  der  grossen  Bucharei  zusammengefasst,  das 
bis  vor  Kurzem  nominell  zu  China  gehörige  Ost-Turkestän  ^)  oder 
die  Provinzen  Tian-Schan-Nan-Lu  mid  Tian-Schan-Pe-Lu  ^),  end- 
lich die  zu  Afghanistan  gezählten  Königreiche  Kabid  und  Herät, 
so   wie   ein  kleiner  Tlioil   des   nördlichen  Pcrsiens. 

Den  weitaus  grössern,  das  heisst  den  westlichen  inul  nörd- 
lichen Theil  dieses  Gebietes,  nimmt  das  turanische  Tiefland  ein, 
das  grösste  der  Erde,  wenn  man  die  durch  den  Ural  davon  ge- 
schiedene sarmatische  Ebene  in  Ost-Europa  hinzurechnet.  Es  wächst 
in  diesem  Bereiche  die  Neigung  des  Bodens  nach  Süden  hin,  öst- 
licher aber  findet  ein  alhnäliges  Ansteigen  gegen  Südost  statt.  Tm 
südwestlichen  Theil  ist  die  grosse  Depression  der  Erdrinde,  deren 
tiefste   Stelle  der  Kaspi-See  ^)  ausfüllt,   dessen   Spiegel   82,8   P.   E. 


denselben  brachte  Bernhard  von  Cotta's  Reise  vom  Jahre,  186S  (siehe  „Ausland"  18C9 
Nro.  10,  11,  13,  16,  18,  50,  51  und  sein  werthvoUes  Buch:  „Der  Altai,  sein  geologischer 
Bau  und  seine  Erzlagerstätten.  Leipzig  1871.  8.)  —  Dann  die  im  August  1869  abgeschlosse- 
nen Arbeiten  der  russich  -  chinesischen  Grenz  -  Commission  unter  BabUow,  welche  die 
Grundlage  zu  einer  speeiellou  Kenntniss  des  die  wildesten  Partien  des  Alta'i  cinschliessen- 
den  Grenzstreifens  vom  Dsaissang-See  bis  zur  Grenze  des  Gouvernements  Jenissei  gelegt 
haben.     (Petermann's  Geogr.  Mitth.  1870  S.  77.) 

1)  In  Abweichung  von  der  allgemeinen  Schreibweise  Paropamisus  schrei  t  A.  v. 
Humboldt  Paropanisus.  CAnsichten  der  Natur,   1859,  Bd.  I.  S-  82.) 

2)  Geographisch  ist  Ssibirien  von  dem  turanischen  Tieflande  nicht  zu  unterscheiden. 

3)  Das  Tafelland  zwischen  dem  Tian  Schan  und  dem  Kuen-Luen,  auch  die  hohe 
Tatarei  oder  kleine  Bucharei  genannt;  letztere  Benennung  bezeichnet  indess  und  mit 
Hecht  der  grosse  Kenner  des  russischen  Reiches,  Adolf  Erman,  als  sinnlos  und  absurd, 
denn  das  chinesische  Turkestän  ist  weder  kloin,  noch  steht  es  zu  dem  Chanate  Bochära 
in  anderer  Beziehung,  als  dass  es  von  Karawanen  aus  jener  Stadt  besucht  wird. 

4)  Nan  lu  heisst  „Südstrassc",  Pe  Lu  „Nordstrasse" ;  also  die  Lande  im  Süden  und 
Norden  des  Tian  Schau,  Tiaa  Schan  Pe  Lu  (die  Dsungarei)  ist  heute  schon  mehr  als 
zur  Hälfte  russisch. 

5)  Das  Kaspische  Meer  ist  erst  in  den  Jahren  1858  bis  1862  durch  die  Aufnahmen 
unter  Leitung  des  Capitäns  ersten  Ranges  N.  Ivvaschintzow  genauer  erforscht  worden. 
Er  bestimmte  an  40  llauptuferpunkte  astronomisch  und  verband  dieselben  in  Bezug  auf 
ilirc  Länge  durch  LIbertragung  der  Chronometer  auf  Dampfschifle  unter  sich.  (Peter- 
mann's Geogr.  Mittheilungen,  1863,  S.  53— 62.)  Das  Kaspische  Meer  {kük- küz  (\ev  Turko- 
mannen,  Kuzyhttit  Uenizi  d.  h.  Rabenmeer  der  Türken,  Darjä-i-Chyzi/r,  d.  h.  Cliazarisches 
Meer  der  Perser)  hat  einen  Flächeninhalt  von  407.075  ^W.  (8413,25  QM.).  zufolge  der 
Annahme  des  statistischen  Centralcomite's.  (Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1862, 
S.  391.)     An  seinem  südlichen  Ufer  lieim  Städtchen  Sari  (36'  50'  n.  Br.,    53'  15,    ö.  L-   v. 


14  Difi  Landschafton  Contralasiens. 

unter  dem  des  Asow'schen  Meeres  liegt;  dieselbe  flaelie  INIulden- 
aiisliöhlung  setzt  sieh  auf  dem  jetzt  trockenen  (Jebicte  fort,  \Yelelies 
sich  gegen  Bsaratow  an  der  Wolga  und  den  Olischtschij-Ssyrt ') 
ausdehnt,  insgesammt  eine  Fläche  von  etwa  fiOOÜ  [JM.  Auf  der 
Ost -Seite  des  Sec's  befinden  sich  dagegen  nicht  unbedeutende 
Erhiduingen :  die  Halbinsel  IManghyschlak  namentlich  durclizieht 
ein  oben  flaches,  gegen  die  Küste  terrassirtes  Gel)irge,  und  der 
östlich  daran  stossendc  Ak-Tau  besteht  aus  niedrigen,  schroffen 
Kreidefelsen;  südlich  von  der  INIeercnge  Kara-Boghuz  (schwarze 
Meerenge)  ziehen  die  10  INI.  langen,  3 — 3'/-'  M.  breiten  Balkan -)- 
Berge,  welche  sich  bis  über  5000'  erheben;  ihr  höchster  Punkt 
heisst  Dirhem-Tagh.  INIit  ihren  ^'orbergen  stösst  die  lange  Kette 
Kuron  zusammen,  welche  aus  Granit  und  Porphyr  besteht.  Im 
Osten  des  Kuli -Darja- Golfes  endlich  liegt  die  Kette  Ssary-Baba 
und  auf  der  Insel  Tscheieken  befindet  sich  der  Felsenrücken 
Tschochrak. 

Das  zwischen  dem  Kaspischen  und  Aral-See  gelegene,  33  INI. 
breite  Plateau  führt  den  Namen  Usturt  (Ust-Uert)  ,, Hohes  Land'' 
und  erhebt  sich  gegen  OOO'  über  das  Niveau  beider  Seen,  durch 
ziendich  steile  und  hohe  Känder  begrenzt,  welche  dasselbe  scharf 
umziehen.  Der  Rand  berührt  im  Osten  den  Aral-See  und  zielit 
sich  noch  15  Meilen  weiter  nach  Süden,  wendet  sich  daiui  nach 
Westen,  darauf  nach  Nordost  bis  zum  Kaidak- Golfe  am  Rande 
des  Kaspischen  ]\Ieeres,  dessen  Ost -Seite  er  bildet,  geht  bei  der 
Süd-Seite  des  Busens  IVIertwii-Kultuk  (Todter  Meerbusen  der  Russen) 
vorbei  und  schliesst  sich  hier  nach  Nordost  hin  an  die  ■Nluchadscha 
(Mughadjar-)Berge  an.  In  dieser  Gegend  ist  der  Rand  niedrig 
und  versclnvindet  nach  Osten  in  der  Sandwüstc  Bolschie-Barsuki 
gänzlich.  Nach  Einigen  verdankt  der  Usturt  seine  Entstehung 
mögbclierweisc  einem  Erdl)eben,  das  vor  500  Jahren  durch  eine 
geringe  Erhebung  auch  den  Lauf  des  Oxus  abgelenkt  haben  soll; 
der  gelehrte  Ssäwerzow  hingegen  betrachtet,  in  Folge  der  oro- 
graphischen  xmd  geognostischen  Beschaft'enheit  der  muchadscharischen 


0  rr?  r  n  \vi  eil)  stohon  voroiiizoliito  Daitolpalinrn  (C.  v.  Barr:  l")att(>lpalmfn  an  ilon  irfoni 
lies  kasi)isclioii  Moores,  oinst  um]  jotzt.  Aus  ilcn  Mf-Ia>ige.fi  b!n!of/iiiue>i,  T-  111),  also  in 
oinor  Broitn,  wo  man  sie  bislior  nicht  vcviimthot  hatte.  (Vorgl.  Kittor's  Erilkunde,  IX, 
S.  2äl.)  Über  ilio  höchst  interessanten  Siidufer  siehe  ilas  wichtige  Werk  ti.  Molgunow's: 
Bas  süllliche  Ufer  des  kaspischen  Meeres  oder  die  Nord])rovinzen  l'ersiens.  Leiiizig  186S, 
8.,  334  S.   mit  Karte. 

1)  Das  tiirkisehc  Wort  S's:/ii  lieileutet  einfach  „Uoelilniid",  ursprünglich  aber 
Rückgrat.  Der  Ohsclischlij  Ssi/rl  ist  ein  llöheni-ücken ,  der  sieh  längs  des  Uralflussos, 
vom  Südende  des  TIralgchirgos  bis  zur  Wolga    in    etwa   ost-westlicher  Uichtung  hiimiebt. 

2)  Man  unterscheidet  den  (7h  Jidlkaii  (das  grosso  Oebirge)  und  den  Kilfsrlii'd- 
Balldii  (das  kleine  (ieliirge). 


Dip  Lanilscliaflpn  CentrnlnBions.  15 

Berge  und  ilcs  Ustuvt,  letzteren  als  eine  Fortsetzung  des  üi-al- 
Gebirges  und  bejaht  somit  eine  von  Humboldt  scbon  lange  auf- 
geworfene Frage  ') 

Im  Norden  des  Aral,  wo  die  Wüste  Barsuki  zwischen  ihm 
und  dem  südlichen  Ausläufer  der  Muchadscha-Berge  sich  ausdehnt, 
findet  sich  eine  Strecke,  welche  tiefer  liegt  als  der  Spiegel  des 
Mittelmeeres,  und  die  ganze  Gegend  bietet  zugleich,  namentlich  im 
Nordosten  des  See's,  eine  vollständige  [Meeresflora,  indem  dort  nur 
Pflanzenarten,  ja  ganze  Geschlechter  wachsen,  welche  ausscl^iess- 
lich  dem  Meeresboden  eigen  und  weder  in  Salz-  noch  in  Süss- 
wasser-Binnen  seen  gefunden^Avorden  sind.  INIan  ist  daher  jetzt 
nicht  mehr  im  Zweifel,  dass  diese  ganze  aralo-kaspische  Senkung, 
so  wie  das  Tiefland  des  westlichen  Ssibirien  mit  seinen  zwischen 
die  dsungarisclien  Gebirge  hinein  reichenden,  sumpfigen  und  mit 
Salzseen  bedeckten  Landstrecken  ein  grosser  ehemaliger  INIeerlmsen 
des  nördlichen  Eismeeres  sei.  Die  überall  innerhalb  dieses  Bereiches 
auftretenden  Salzseen,  die  Halophyten,  welche  fast  die  einzige 
Vegetation  auf  weiten  Gebieten  abgeben,  leiteten  zuerst  auf  solche 
Vermuthimg,  für  Avelchc  neben  anderen  Gründen  auch  die  geolo- 
gischen und  paläontologischen  Befunde  sprechen-).  Die  zahlreichen 
Seen,  welche  sich  im  Westen  von  Aksakal-Barbi  l)is  zum  Ssary- 
Kupa  wie  in  einer  Furche  hinziehen,  deuten  die  (legend  an,  in 
welcher  der  aralo-kaspische  ]Meerbusen  mit  dem  nch-dlicheren,  ssibi- 
rischen  Golfe  im  Zusammenhange  gestanden,  als  die  Meerestiefe 
in  dem  ganzen  grossen  Busen  des  Eismeeres  schon  gering  gewor- 
den war. 

Unter  den  Seen,  welche  das  Interesse  der  Geographen  in 
hohem  Grade  in  Anspruch  nehmen,  befindet  sich  obenan  der  Aral- 
Sce,  theils  \vegen  der  bisher  einander  widersprechenden  Nachrichten 
über  iim,  theils  weil  sich  einige  interessante  Probleme  der  physi- 
schen  Geographie   daran   knüpfen. 

Der  Aral- See  (d.  h.  der  Insel -See,  See  von  Charesin  der 
Araber,  Oxiana  jialus  der  Alten)  ^hat  einen  Flächenraum  von 
01,322  DWerst  (1267  UMeilen),  3)  ist  57  Meilen  lang  und  40 
Meilen  breit.  Die  Angabe  dieser  seiner  Dimensionen  i.st  indess 
eine  überaus  schwankende.  So  finden  wir  in  Klödens  Handbuch 
der  Erdkunde -i)  1240  geographische  iJMeilen  als  Flächeniidialt, 
23   Meilen  für  die  Länge    und    nur    18    für    die  Breite    angegeben. 


1)  Ist    der   Usturt    eine   Fortsetzung   des   Uralgebirges?     (Bulletin    de    l'acailöniie 
Inipi^rialp  dos  Sciences  de  St.  Pctersbourg.  T.  IV.  Nr.  8,  S.  4S3 — 487.) 

2)  E.  Borszczow.    Mittlipilungen  über  die  Natur  des  Aralo-kaspisehen  Flacli- 
liuidos.  (Würzburger  naturwissonschaftlicho  Zeitschrift,  Bd.  I,  S-  106—143,  254—205.) 

.3)  Nach  der  Annahme  des  statistisclion   (Ipnti-al-Comiic's  (1' c  t  c  r  in  a  n  n's  Gcogr. 
Mittli.   lSC-2.  S.  iVyj). 

4)  Bd.  I.  S.  421  (erste  Auflage). 


10  Difi  Laiulschafton  Cfntralasiens. 

An  audercu  Orten  worden  2100  1  ^iMoilcn,  03  INIeilen  und  54 — 25 
Meilen  für  Flächenraum,  Länge  und  Breite  berechnet.  Noch  grössere 
Unsicherheit  herrscht  in  den  Angaben  über  das  Niveau  des  Aral-See's. 
Allgemein  wird  derselbe  als  unter  dem  Niveau  des  Schwarzen 
und  über  jenem  des  Kaspischen  Meeres  gelegen  betrachtet.  Das 
Kaspische  Meer  liegt  aber,  nach  Einigen  78,8,  nach  Anderen 
82,8  P.  F.  unter  dem  Spiegel  des  Asovv'schen  Meeres.  Während 
nun  Klöden  in  seinem  obenerwähnten  Ilandbuche ')  das  Niveau  des 
Aral-See's  mit  —  34  P.  F.  angibt,  bezeichnet  er  in  seinein  ,,Ver- 
zeichniss  von  Landseen  mit  Angabe  ihrer  Höhenlage,  Ausdehnung 
und  Tiefe*'  m  Behm''s  Geographischem  Jahrbuche  -)  das  Niveau 
desselben  als  4,15  Toisen  z=  24,9  P.  F.  über  dem  Meeresspiegel 
gelegen,  auf  Grund  des  im  Jahre  1858  durch  den  Astronomen 
C.  Strnve  junior  ausgeführten  Nivellemonts  und  der  sehr  verdienst- 
vollen Forschungen  des  russischen  Adniirals  Alexis  Butakow. 
Struve  fand  jedoch  132',  nicht,  wie  scinei-zeit  irrtliümlich  ange- 
geben wurde,  106  Engl.  F.  In  diesem  Falle  läge  also  der  Aral- 
See  23,9  P.  F.  über  dem  Spiegel  des  Kaspi-See  und  41  P.  F. 
über  jenem  des  Schwarzen  ]Meeres.  Da  sich  zwischen  beiden 
Wasserj)famien  die  33  Meilen  breite  Hochebene  des  Usturt  zu 
etwa  000'  über  dem  Niveau  des  Kaspischen  ^leeres  erhebt,  so  ist 
die  geringere   Tiefe   der   Araleinbettung  durchaus  nicht   auffallend. 

Klöden,  der  im  Widerspruch  zu  seiner  Angabe,  auf  S.  423 
des  Handbuchs  der  Erdkunde,  von  34  P.  F.  unter  dem  Meeres- 
spiegel, auf  S.  415  den  „Aral-See  34  P.  F.  höher  als  das  Schwarze 
]\Ieer  und  110  F.  höher  als  das  Kaspische'-  gelegen  sein  lässt, 
spricht  die  Meinung  aus,  fernere  Messungen  werden  vielleicht  er- 
geben, dass  der  letztere  Niveauunterschied  auf  einem  Irrthume 
beruht,  da  beide  Meere  unzweifelhaft  einst  zusammengehangen  haben 
und  auch  noch  jetzt  von  denselben  Thiorarten  belebt  sind.  Gleich- 
zeitig wird  uns  an  derselben  Stelle  mitgetheilt ,  ,,der  ganze  unter 
dem  ^leeresspiegel  gelegene  Bereich  umfasst  4500  oder  gar  gegen 
10,000  [  'jNleilen."  Liegt  nun,  wie  das  Klödens  Hoffnung  nicht 
bestätigende  Nivellement  Struve's  ergab,  der  Aral-See  41  Fuss 
ülier  dem  Schwarzen  ]Mcere,  so  kaim  sich  derselbe  keinesfalls  in 
jener  grossen  unter  dem  Meeressj)iegel  gelegenen  Dejjression  l)etin- 
(h'ii.  Letztere  darf  dann,  wenn  ül)erhaupt  vorhanden,  mit  weit 
weniger  Glück  zur  Begründung  der  Hypothese  eines  einstigen 
Zusammenhanges  zwischen  Kaspi  -  und  Aral-See  herangezogen 
werden.  Auch  Professor  O.  Pescliel ,  welcher  das  Niveau  des 
Aval-See''s  unter  dem  Schwarzen  Äleere  stehend  aimimmt,  tluit 
dieser  Hypothese   Erwälmung-').      Ohne    sie    zu   bestreiten,    sclieint 


1)  Bd.  I.  S.  423. 

2)  Brl.  I.  S.  283. 

3)  Neue  Problenip  ilpr  vorglpirlicndi-n    Krilkuiido.     Lr-iiizig  1870.     S.  5. 


Öie  Lnndsfthnften  Centralasienäi  17 

Sie  ihm  docli  noch  einer  strengen  Begründung  zu  bedürfen,  wäh- 
rend er  nur  die  Möglichkeit  zugibt,  dass  sich  früher  der  Aralsee 
über  eine  viel  grössere  Oberfläche  ausbreiten  durfte,  als  es  jetzt  der 
Fall  ist.  Die  kleinen  Seen  in  der  Wüste  Karakum,  sowie  viel- 
leicht auch  die  in  der  Wüste  Barzuki,  dürfen  wir  als  die 
Reste  einer  ehemaligen  See-Erweiterung  und  eben  desswegen  als 
deutliche  ISIerkmale  der  Abzehrung  des  Arals  betrachten,  i)  Wäre 
diese  ganze  Fläche,  nämlich  jene  angebliche  grosse  Depression, 
dereinst  ein  See  gewesen,  so  würde,  nach  Arago's  Meinung,  bei 
einer  die  Zuflussmenge  weit  übertreffenden  Verdunstungsmenge  der 
Spiegel  des  Wassers  eine  beständige  Abnahme  erfahren  haben,  und 
es  bedarf  demnach  keiner  Annahme  von  Senkung  des  Terrains  zur 
Erklärung  der  örtlichen  Verhältnisse,  zu  der  man  geglaubt  hat  ge- 
nöthigt  zu  sein.  Dessglcichen  meint  Professor  Peschel,  dass  zur 
Erklärung  des  Zusammenschrumpfens  des  Aral  man  sagen  könnte: 
dass  die  aralischc  Niederung  just  im  Bette  der  austrocknenden 
nordöstlichen  Luftsrömungen  oder  Passate  liege.  Zu  einer  Zeit,  wo 
das  Eismeer  noch  bis  zum  Oron-  und  Baikal-See  reichte,  mussten 
die  Nordostwinde,  noch  stark  mit  Feuchtigkeit  gesättigt,  den  Aral- 
see erreichen,  und  konnten  ihm  noch  nicht  durch  Verdampfung  so 
grosse  Mengen  Wasser  entziehen  als  gegenwärtig.  Befriedigender 
indess  erachtet  Professor  Peschel  eine  andere ,  näher  liegende  Er- 
klärung. Am  INIündungsgebiet  des  Oxus  (Amu-Darjä)  in  den  Aral 
zweigen  sich  eine  grosse  Anzahl  schwacher  Querarme  von  dem 
Hauptstrome  ab.  Wir  wissen,  dass  sie  das  W'erk  der  Chiwaner 
sind,  welche  tiefe  Gräben  gezogen  haben,  wodurch  das  W'asser 
des  Amu-Darjä  zur  Benetzung  über  die  Fluren  ausgebreitet  und  in 
innner  düimere  Adern  zerlegt  wird.  Besonders  der  letzte  chares- 
misclie  Sultan,  Seid  INIehemed  Chan,  Padischah  i  Charesm,  der  zu 
Kunja  Urgendsch  residirte,  durch  welchen  Ort  der  Amu  floss,  war 
bestrebt,  den  Theil  der  Wüste^  welcher  zwischen  dem  Aralsee  und 
dem  Amu  liegt,  fruchtbar  zu  machen,  indem  er  dort  Canäle  graben 
Hess,  die  mit  zunehmender  Ansiedlung  an  Zahl  und  Umfang  gleich- 
falls zunahmen.  Die  nothwendige  Folge  eines  solchen  Verfahrens 
lässt  sich  aber  leicht  voraussehen,  denn  durch  die  Ableitung  der 
W^ässer  über  Felder  wird  die  Verdampfungsfläche  so  stark  ver- 
grössert ,  dass  der  Strom  den  See  nur  im  Zustande  tiefer  Ent- 
kräftung zu  erreichen  vermag.  Da  nun  die  Oberfläche  eines  Sees 
der  mathematische  Ausdruck  für  das  Gleichgewicht  zwischen  Ver- 
damjifungsverlust  und  Zufluss  ist,  so  muss,  wenn  das  zuströmende 
Wasser  vermindert  wird,  die  Oberfläche  des  Sees,  an  welcher  die 
Verdampfung  stattfindet,    sich   verringern. 

In    den    Gegenden    der    aralo-kaspischen    Niederung    herrscht 
übrigens    seit  Jahrhunderten    die    Ansicht:    dass    die  Wassei'spiegel 

1)  Ibid.  s-  7. 


13  Die  Landfichafton  Ccntralasicns. 

sowohl  des  Aral  als  der  Kaspisee  perindiscli  Avachscn  iiiid  fallen, 
lind  zwar  rechnet  man  für  das  Kaspische  'Moor  eine  Periode  von 
25 — 34,  für  den  Aralsee  eine  von  4 — 5  Jahren;  nach  den  ange- 
stellten Beohachtunfi'en  ist  der  Spiegel  des  Aial  im  Lanfe  von  82 
Jahren  um  11,3  englische  Fuss  gesunken,  und  kann  die"  Breite 
des  flachen  Küstenstriches,  der  Avälirend  der  zehnjährigen  Periode 
von  1847  — 1858  vom  AA'asser  A-erlassen  woi-dcn  ist,  auf  etwa 
0,3 — 06  geographische  INIeilen  geschätzt  worden,  i)  Mit  dieser  mi- 
läugbaren  gegenwärtigen  Abnahme  der  Aralwasser  hängt  eine  der 
interessantesten  Fragen  der  physischen  Geographie,  jene  des  gänz- 
lichen zeitweisen  Verschwinden  des  Aralsees  zusammen. 

Nach  der  Ansicht  Henry  Rawlinsons  darf  man  den  Aralsee  in 
der  physischen  Geographie  mit  einem  der  veränderlichen  Sterne  in 
der  Astronomie  vergleichen.  Zu  Zeiten  3 — 400  englische  INIeilen 
lang,  schrumpfte  er  mitunter  zu  einem  Sumpfe  zusaunnen  oder 
trocknete  er  gar  zu  festem  Marschboden  aus.  In  seinem  berühm- 
ten AVerk  über  Centralasien  hat  A.  v.  lIuinl)oldt  mehr  denn  200 
Seiten  der  geographischen  Erörterung  des  Aral-  und  Kaspisee  ge- 
widmet, und  dabei  den  schwankenden  Lauf  des  Oxus  (Amn-Darja), 
der  einmal  in  den  einen  ^  das  andcremal  in  den  andern  See  sich 
ergoss,  ausser  allen  Zweifel  gestellt;  aber  dass  der  Aralsee  selbst 
jemals  ganz  verschwunden  sei,  hat  er  nirgends  auszusprechen  ge- 
Avagt.  In  der  That  wird  dieses  Phänomen  auch  von  vielen  ge- 
wiegten Gelehrten  vollständig  bestritten.  Oberst  Yule  und  Sir  Ro- 
derich jMurchison  -)  sind  der  ^Meinung  —  ungeachtet  der  zugestan- 
denen temporären  Schwankungen  des  üxuslaufes  und  der  in  der 
dortigen  Nomenclatur  und  Topographie  herrschenden  Unklarheit, 
die  sie  der  Naclüässigkeit  und  Unwissenheit  der  alten  Geographen 
zuschreiben  —  dass  die  relativen  Verhältnisse  des  Aral  und  der 
Kas])isee  in  historischen  E^iochen  niemals  geändert  worden  sind. 
Noch  weiter  gehen  eine  Reihe  von  anderen  Gelehrten,  wie  Vivien 
de  Saint  IMartin,  Malte  Brun,  llugh  JNIuri-ay,  Baillic  Fräser  und 
Burnes,  a\ eiche  behaupten,  dass  jede  solche  Veränderung  einfach 
unmöglich  ge\\-esen  sei,  da  der  Oxus  und  Jaxartes  (Syr-I)arjä) 
niemals  ihren  Lauf  geändert  haben,  und  seit  unAordenklichen  Zeiten 
gerade  so  wie   heute  in   den  Aralsee  eimniindeten. 

Die  Fluctuationen  des  Aralsee  hingegen  finden  ihre  Verthei- 
diger  in  einer  Reihe  von  nicht  minder  gewichtigen  Namen,  an  deren 
Spitze  der  gründHche  Kenner  Asiens,  Herr  Henry  Rawlinson  steht. 
Ehe  demnach  diese  interessante  Frage  ihre  definitive  wissenschaftliche 
Lösimg  erhält,  wollen  Avir  auf  die  angeblichen  Veränderungen  des 
Aralsec's  in  historischer  Zeit  einen  flüchtiti-en  Blick  werfen. 


1)  Petermann's  Qcogr.  Mittli.  1861  S.  197. 

2)  Journal  oftheR.gcograph.  Society.  Vol.  XXX  VII  (1867)  S.  CXXXIV— CXLVI. 


DiT  Landscliafton  Ccntralasiens.  19 

Im  classischon  Altortluim,  von  den  frühesten  Zeiten  an  —  sagen 
^vil•  vom  Jalire  BOG  v.  Clir.  bis  znm  Jahre  500 — GOO  n.  Chr.  — 
war  der  Aralsee  völlig  nnbekannt ;  kein  einziger  geographischer 
Schriftsteller  —  weder  griechischer,  noch  lateinischer,  noch  per- 
sischer —  tluit  seiner  die  geringste  Erwähnung.  Herodot  und 
Ötraho  sind  die  einzigen  Autoren  des  Alterthums,  ^^■e]chen  eine 
Kenntniss  vom  Bestehen  des  Aralsee's  zugennithet  werdeji  könnte, 
allein  ihre  Schilderungen  l)eziehen  sich  nicht  auf  einen  grossen 
isolirten  See,  sondern  auf  eine  Reihe  von  Sümpfen,  gespeist  durch 
Wasserüberschuss  des  Jaxartcs,  dessen  Hauptarm  jedoch  seinen 
Weg  in  das  Kaspische  ]\Ieer  nahm.  Alle  übrigen  Schriftsteller 
lassen  den  O.kus  sowohl  als  den  Jaxartcs  dircct  in  die  Kaspisec 
einmünden,  schätzen  die  Entfernung  dieser  zwei  Stronnnündungcu 
auf  etwa  80  Parasang,  und  cjwähnen  nicht  eine  Sylbc  von  einer 
Abbiegung  oder  Bifurcation  des  einen  oder  des  aiulern  Stromes. 
Dazu  kommt,  dass  Alexander  der  Grosse  ein  Heer  in  jene  Theilc 
Asiens  führte ,  und  speciell  Officiere  behufs  Recognoscirung  der 
dortigen  Gegenden  absandte;  er  liess  sie  die  Ufer  des  Kaspischen 
INIeeres  verfolgeii,  während  er  selbst  den  Oxus,  allerdings  etwa 
400  engl.  Meilen  oberhalb  seiner  Mündung,  überschritt,  und  an  das 
Ufer  des  Jaxartcs  gelangte.  Das  Resultat  dieser  Forschungen  war 
indess,  dass  beide  Ströme  sich  in  das  Kaspische  INleer  crgiessen, 
eine  Ansicht,  die  im  ganzen  .\Hertluim  Geltung  hatte  und  mit  der 
Beschreibung  des  Ilandelsweges,  auf  dem  die  ostasiatischen  Pi'o- 
ducte  nach  Europa  gelangten,  völlig  übereinstimmt.  Diese  Handels- 
strasse ging  vom  (indischen)  Kaukasus  aus,  benützte  den  Oxus 
bis  zur  Kaspisec,  welche  überschifft  ward,  zog  dann  den  Kur-  oder 
Cyrusfluss  hinauf,  luid  ging  den  Phasis  (Rion)  wieder  hinab  zum 
Schwarzen  INleer.  In  den  Zeiten ,  wo  ein  solcher  Ilandelsweg 
möglich  war,  musstc  denniach  der  Oxus  in  die  Kaspisec,  und  nicht 
in  den  Aral  gemündet  haben.  ^^'enn  ^vir  ferner  die  Summe  von 
gcograiihischen  Nachrichten  betrachten,  welche  den  griechischen 
und  römischen  Autoren  zu  Gebote  standen,  wenn  wir  er^vägen, 
dass  die  in  Rede  stehenden  Gebiete  zwischen  Persien  und  dem 
indischen  Kaukasus  Jahrhunderte  lang  durch  griechische  Fürsten 
regiert  wurden,  dass  griechische  Admirale  das  Kaspische  Meer 
beschifften,  w  ährend  die  Handelsleute  von  Indien  nach  dem  Mittel- 
meer ihre  Reisetage-  und  Routenbücher  zu  Hause  nach  Rom  brach- 
ten, so  scheint  der  Zweifel  ausgeschlossen,  als  ob  wir  in  so  her- 
vorragenden Werken  wie  in  jenen  Strabo's,  Plinius''  luid  Ptolemäus' 
nicht  eine  richtige  Darstelhmg  der  centralasiatischen  Geographie  in 
der  Zeit  von  500  v.  bis  500  n.  Chr.  vor  uns  hätten.  Nach 
INIurchisons  Ansicht  freilich  wäre  das  geographische  Wissen  der 
Alten  nicht  sehr  hoch  anzuschlagen,  imd  —  was  mehr  in's  Gewicht 
fällt  —  IIund)oldt  meint,   dass  Alexanders  Expedition  nur  zur  "S'er- 


20  Die  Landschaften  Centrnl.'.sicnB. 

Avirrung  der  apiatischen  Geographie  beigetragen  habe,  denn  von 
diesem  Zuge  sehreibt  sich  die  Verwechshnig  des  Jaxartes  mit  dem 
Tanais  und  des  Kaukasus  mit  dem  Hindu  Kusch  her.')  Auch  ist 
nicht  zu  vergessen,  dass  die  Alten  den  Aral  mit  der  Kasj)isee  in 
Verbindung  gebracht  haben  mochten,  ihn  etwa  als  einen  Theil  des 
Kaspischen  Meeres  betrachteten,  in  -\\  elchem  Falle  die  Einmündung 
der  beiden  Ströme  in  dasselbe  ihre  natürliche  Pürklärung  fände.  '^) 
Wenn  aber  Oberst  Yule  aus  der  vom  byzantinischen  Geschichts- 
schreiber MenanderS)  beschriebenen  Gesandtschaft  des  Zemarchus 
zu  dem  türkischen  Kaghan  im  Jahre  570  n.  Chr.  den  Schhiss 
zieht,  dass  den  Griechen  doch  die  Existenz  des  Aral  bekannt  ge- 
wesen, so  werden  wir  durch  eine  sehr  fachkundige  Besprechung 
von  Yule's  „Marco  Polo"  in  der  „Edinburgh  Review"^)  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  Yule  die  Geographie  der  Expedition 
des  Zemarchus  •"')  ganzlich  missverstanden  habe.  Als  Zemarchus, 
von  seiner  INIission  zurückkehrend,  am  Ak-Tagh^)  lagerte,  und 
den  Oetsch,  Oich  (oder  A'akh,  wahrscheinlich  der  rechte  Oxusarm) 
nahe  bei  der  Stadt  Urgendsch  überschritt,  fand  er  nämlich  den 
Aral  noch  nicht  zu  einem  förmlichen  Binnensee  entwickelt,  son- 
dern noch  im  Zustand  eines  ausgedehnten  ^Morastes,  dessen  Ufer 
er  eine  Zeitlang  verfolgte.  Vermuthlich  fand  erst  dreissig  bis 
vierzig  Jahre  später,  unter  der  Regierung  des  Khosru  Parviz,  die 
grosse  Veränderung  statt,  welche  die  Wasser  des  Oxus  von  der 
Kaspisce  ablenkte  und  dem  Aral  zuwandte.  Vm  jene  Zeit  war 
der  Kardt,r-See,  gegenwärtig  der  südwestliche  Theil  des  Abugliir- 
Sees,  der  bis  dahin  wahrscheinlich  durch  den  Oxusarm  von  Urgendsch 
gespeist  worden  war,  völlig  ausgetrocknet  imd  hatte  eine  in  frühe- 
stem Alterthume  überfluthete   Stadt  (vielleicht  das  heutige  Berrasin 


1)  Humboldt.     Asic  centrale.     Vol.  II.  S.  14,  153,  156. 

2)  So  meint  Rennel  in  seinem  „Geograpliicnl  systeni  of  llorodotns" ;  auf  der  seinem 
^^'c^kp  beipegelienen  Karte  der  zwanzig  Satrapien  des  Dareios  Ilystaspes  lässt  er  den  Oxus 
in  den  Knspi,  den  Jaxartes  in  den  Arnl  münden,  die  er  als  zwei  getrennte  Wasserbecken 
darstellt.  Deasglcichen  Williams  in  seinem  Essay  über  das  „Leben  Alexanders  des  Grossen." 
In  II.  Kieperts  „Atlas  Antiquus"  (zwölf  Karten  zur  alten  Gesrbiebte.  Fünfte  neu  bear- 
beitete und  vermehrte  Auflage)  ist  auf  Tab.  II  der  Aral  vom  Kaspisee  getrennt;  während 
der  Jaxartes  sich  in  den  Aral  ergiesst,  mündet  hier  der  Oxus  in  den  Arnl  und  in  das 
Kaspischc  Meer.  Dieselbe  Zeichnung  findet  man  auf  Tab.  XII,  das  römische  \\  eltreich 
darstellend.  In  seinem  „Historisch  geographischen  Atlas  der  alten  AVclt"  (elfte  Auflage) 
Blatt  II  führen  nur  todte  Oxusarmc  zum  Aral,  während  der  Strom  in  grossem  Bogen  zur 
Kaspisee  flicsst.  Der  nämlichen  Darstellung  begegnet  man  in  Mcnkc's  ,,OrI)is  nntiqui 
dcscriptio«  (zweite  Auflage)  auf  Blatt  2,  3,  7,  S. 

3)  Januarheft  1872.  S.  7. 

4)  In  „Cathay  aud  the  Way  Tbither«  Vol.  I.  S.  CLXIII. 

5)  Menandri  excerpta  dclegnt.  Corpus  Script,  llist.  Byzant.  ed.  Niebuhr.  Bonnaoi 
1839.     P.  I. 

6)  Niebuhr  sieht  im  Al-Tagli  den  Asferah-Tagh  bei  Samarkaiid,  Humboldt  den 
Alla'i.     Gewisses  lässt  sich  darüber  nichts  aussprechen. 


Die  Landschsften  Centralasicns.  21 

Gelniaz?)  blossgelegt,  die  so  viele  Schätze  barg,  dass  nach  jjer^i- 
scher  Tradition  zu  ihrer  Hebung  zwölf  Jahre  beständiger  Arl  eit 
erforderlich  waren.  •) 

^Venn  nun  im  Alterthume  alle  Quellen  übereinstimmend  be- 
richten, dass  Oxus  und  Jaxartes  in  das  Kaspische  Meer  fielen,  so 
herrscht  nicht  weniger  Uebereinstimmung  bei  den  arabischen  Autoren 
des  INIittelalters  in  Bezug  auf  die  Einmündung  dieser  beiden  Ströme 
in  den  Aralsee.  El-Istachri  und  nach  ihm  Ibn-Ilauqal  sind  die 
ersten  Schriftsteller,  welche  von  dem  Aralsee  verlässliche  Kunde 
geben.  Dieser  nahm  bis  zur  Zeit  des  Entstehen.s  des  grossen 
Mongolenreiches  das  gesammtc  ^Vasser  beider  Flüsse  in  sich  auf, 
und  nach  dem  Zeugnisse  der  Araber  muss  in  dem  Zeiträume  von 
etwa  GOO  bis  1300  n.  Chr.  die  dortige  Gegend  so  ziemlich  die- 
selbe Physiognomie  besessen  haben,  wie  heutzutage.  Sicherlich 
gingen  dabei  wohl  grosse  Veränderungen  im  Oxusdelta  vor  sich. 
Die  Hauptstädte  Fil  Mansurch  und  Kat,  welche  alle  in  dem  süd- 
lichen Scheitel  des  Dcltawinkels  lagen,  wurden  nach  einander 
zwischen  dem  neunten  und  zwölften  Jahrhundert  durch  Ueber- 
schwemmungen  des  Oxus  zerstört,  während  andererseits  ein  Theil 
des  Stromwassers  in  Irrigationscanäle  geleitet  ward,  die  sich  wohl 
hundert  englische  INIiles  in  die  Wüste  gegen  Westen  hinein  er- 
streckten. Nichtsdestoweniger  scheint  in  jenem  Zeiträume  auch 
nicht  ein  Tropfen  weder  vom  Oxus  noch  vom  Jaxai-tes  in  das 
Kaspische  Meer  gelangt  zu  sein.  Im  Jahre  1221  geschah  es,  dass 
Oktai  Chan,  Sohn  des  Dschingiz-Chan ,  bei  der  Belagerung  von 
Urgendsch  zum  erstenmale  den  Oxusdamm  durchbrach,  welcher  das 
Einströmen  der  Irrigationsgewässer  in  den  alten  Canal  regulirte, 
und  indem  er  auf  solche  "Weise  die  ganze  Gewalt  der  Strömung 
gegen  die  Stadtwälle  wirken  Hess ,  dieselben  unterwusch  und  zer- 
störte. Wir  wissen  nicht,  was  eigentlich  auf  die  Zerstörung  dieses 
Dammes  erfolgte,  und  ob  mit  dieser  Operation  etwa  eine  Absper- 
rung des  zum  Aral  führenden  Armes  unterhalb  der  Ableitungsstelle 
Hand  in  Hand  ging;  aber  nur  wenige  Jahre  später,  1224,  finden 
wir  in  Yaqufs  Beschreibung  der  Halbinsel  INIangyschlak  die  erste 
Notiz  davon,  dass  der  Oxus  neuerdings  seinen  Weg  zur  Kaspisee 
genommen.  Wir  dürfen  demnach  in  diesem  Falle  diese  grosse 
Veränderung  der  physischen  Geographie  jener  Eegion,  die  mit  der 
Austrocknung  des  Aral  endete,  um  so  mehr  und  um  so  sicherer 
Oktai's    künstlicher    Zerstörung    des    Dammes    von    Urgendsch    zu- 


1)  Dieser  Sage  erwähnt  Yaqut  in  seinem  grossen  Wörterbuclie  beim  Artikel 
Kardar.  Die  Ruinen  des  verzauberten  Schlosses  von  Berrasin -Gelmaz  sind  beschrieben 
bei  Abbott.  Travels  Bd.  I.  S-  211,  welcher  sie  auf  ein  Eiland  des  Aralsee  verlegt, 
auf  Butakows  Karte  des  Aralsee  (Journal  of  thc  R-  Geogr.  Soe.  Vol.  XXIII.  S-  94) 
aber  liegt  der  Ort,  unter  dem  Namen  Barsa  -  Kilmesh ,  in  der  Salzmarsch  westlich  vom 
Abughir  -  Sumpfe. 


22  Die  Landscliafton  Ccntrnlasicns. 

f^clivpiboii,  als  Ilamdullali  Mustowfi,  wolchor  im  folgenden  Jahr- 
liuiulerte,  etwa  \\m  1330  n.  Chr.,  die  Aendenino-  des  Oxuslaufes 
vom  Aral  zur  Kaspisee  beschreibt,  dabei  ausdrücklich  sap;t,  dass 
dieses  Ereignis«  um  die  Zeit  des  Entstehens  des  grossen  INIongolen- 
reichcs  sich  zutrug.  Gleichzeitig  mit  der  Zerstörung  von  Urgendsch 
muss  jedoch  am  Oxus  eine  zweite  Krisis  eingetreten  sein,  welche 
den  oberen  oder  südlichen  Arm  dieses  Stromes  öffnete,  denn  der 
durch  Ilamdullah  beschriebene  Canal  ist  nicht  der  nördliche  Arm 
von  Urgendsch,  sondern  jener,  der  von  Ilezarasp  durch  den  Pass 
von  jMuslim  und  Kurlawa  nach  Akritscheh  am  Kaspischen  ]Meerc 
floss  und  seine  INIündung  ^vahrscheinlich  bei  dem  heutigen  Orte 
Aktübbe,   ein  wenig  nördlich  von  der  Atrek-lNIündung,  hatte. 

Die  Ueberliel'erungen  der  Anwohner  stimmen  alle  darin  iiber-- 
ein,  dass  der  Oxus  sich  ehemals  in  das  Kaspische  'Moor  ergossen 
habe.  In  der  That  lässt  sich  von  seinem  Unterlaufe  nach  Süd- 
west —  hart  an  dem  steilen  Rande  des  Usturt  entlang  —  bis 
zum  Balkanbusen  an  der  Ostseite  des  Kaspisees  ein  trockenes 
Flussbett,  Oghüz  genannt,  verfolgen.  Für  das  Entstehen  solch 
trockener  Flussbette  am  Oxus  haben  wir  übrigens  hinreichende 
Belege  aus  der  allerneuestcn  Zeit.  Einer  der  Ilaujjtarme  des  un- 
teren Oxus,  der  am  weitesten  gegen  West  gelegene  Laudan,  welcher 
jet-ct  an  seiner  INIündung  in  den  Sumjifsee  von  Abughir  eine  Barre 
von  nur  1'2  Fuss  Tiefe  besitzt,  ist  vor  etwa  fünfzig  Jahren  erst 
abgediinunt  und  in  ein  anderes  Bett  geleitet  Avorden,  aber  er  zeigt 
beständig  die  Neigung,  sich  wieder  der  früheren  Gegend  zuzuwen- 
den, und  der  Andrang  des  Wassers  wächst  mit  jedem  Jahr.  Dess- 
gleichen  wissen  wir,  dass  der  Amu  sich  ganz  allmälig  nach  der 
Seite  hingewendet,  wo  die  zahlreichen  Irriga(ion!>gräben  der  Chi 
waner  angelegt  sind,  und  die  nach  Westen  führenden  Ai-mc  ver- 
lassen hat.  Jetzt  sind  im  Gegentheil  alle  llauptcanälc  auf  der 
liid<en  Seite  angelegt,  und  in  -Folge  dessen  geschieht  es,  dass  der 
Ilaujjtandrang  des  AVassers  wieder  nach  der  Westseite  gerichtet  ist. 

Während  Alexander  Burnes  ^)  überhaupt  bezweifelt,  dass  der 
Oxus  früher  einen  andern  Weg  gegangen,  haben  die  meisten  neueren 
Beisenden    das    verlassene    Bett    des    Oxus    genau    an    den    Stellen 


1)  BurncR.  Travels  into  Bokliara,  boing  tlic  nccoiint  of  a  jouriioy  froiu  Iiidia 
to  Cabool,  Tnrtary  otc.  London  1834.  8.  Bd.  II.  S.  187  —  188:  I  havo  only  to  State, 
«fter  an  invcstigation  of  tlie  suijoct,  and  the  traditions  related  to  mc,  as  well  as 
niuch  inqniry  among  tlic  people  thcmsclvcs,  thnt  I  doubt  tlie  Oxus  having  evcr  liad 
aiiy  odier  than  it«  prescnt  coiiisc.  Tliorc  arc  physical  obstaclcs  to  its  cntcriiig  the 
t'aspinii,  soutb  of  Balkbnn,  niid  iiorlli  iif  tliat  point;  its  more  natural  recoptarlc-  is  llic 
lake  of  Aral.  I  coiicludo  tbat  tbc  dry  rivcr  bcds  betwcon  Astrabad  and  Cliiwa  uro  tbc 
reninins  of  sonie  of  the  Canals  of  tbc  kiiigdom  of  Kharasm,  and  I  am  eupported  in  tbis 
belief  by  the  ruins  near  theni,  whicb  liave  becn  desertcd  as  tbe  prospcrity  of  tbat  cmpire 
tlcclincd.  Dieser  Ruinen  thut  aucb  Vanibery  Erwäbnung,  liält  sicjedocb  für  griccbi- 
fichcn  Ursprungs.    (Travels  in  Centralasia-    S-  99.) 


Die  Landschaften  CentralasienS.  23 

gefunden,  welche  in  den  früheren  Beschreibungen  bezeichnet  wor- 
den sind.  Die  erste  Nachricht  darüber  gab  N.  Murawiew, ')  der 
1819  von  der  Ball<anbai  am  Kaspisee  nach  Chiwa  ging;  die  Spuren 
des  oberwälmten  südlichen  Annes  von  Hezarasp  wurden  darauf, 
von  Abbott  ganz  nahe  am  Ablenkungspunkte  beobachtet.  -)  Dann 
imtersuchte  Arthur  Conolly  sehr  sorgsam  den  untern  Theil  dessel- 
ben Armes  bei  den  Kuran-IIügchi,  durch  welche  zweifelsohne  das 
INIuslim-Defile  führte,  3)  und  fand,  als  er  von  Astrachan  nach  Chiwa 
reiste,  das  Oghüz;  in  jüngster  Zeit  hat  es  Vämbciy  beschrieben, 
der  die  einstige  Mündung  des  Oxus  in  das  Kaspische  Meer  für 
imzweifelhaft  hält  und  geneigt  ist,  den  schon  besprochenen  Irri- 
gationscanälen  zum  grossen  Tlieile  die  Ursachen  der  Stromableidvung 
zuzuschreiben.  "S'änibery,  von  Süden  konnnend,  schildert  das  jen- 
seitige Ufer  des  bei  den  Turkomanen  allgemein  mit  dem  Namen 
Döden  bezeichneten  Flussbettes  als  ziemlich  steil,  ')  und  sagt  an 
einer  andern  Stelle,  dass  das  Plateau  von  Kaflankir  gleich  einer 
Insel  aus  dem  Sandmeer  aufrage;  wenn  man  den  A'ersicherungen 
der  Turkomanen  Cilauben  schenken  dürfte,  so  sei  dasselbe  von 
zwei  ehemaligen  Annen  des  -  Oxus  innflossen  gewesen.  ^)  Für  die 
Existenz  des  südlichen  Armes  von  Hezarasp  findet  man  übrigens 
genügende  Bestätigung  in  den  localen  Traditionen,  und  thatsächlich 
repräsentirt  derselbe  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  den  ursprüng- 
lichen Oxuslauf  der  gi-iechischen  (leographcn,  der  in  der  Nähe  von 
Barcani  (Verkän  oder  Gurgan)  vorbeifloss,  und  nördlich  von  Socanda 
(oder  Atrek)  mündete;  eine  Spur  dieses  Namens  ist  noch  in  der 
Ab-oskun  der  Araber  zu  finden.  Der  nördliche  Arm  aber,  näm- 
lich das  Oghüz,  war  vcrmuthlich  das  ursprüngliche  Bett  des  Ja- 
xartes,  nachdem  dieser  einen  Theil  seines  Wassers  in  die  ^Marschen 
des  Aral  ergossen  hatte.  In  Ilamdullah  Mustowfl's  Beschreibung 
des  Kaspisees  kommt  auch  eine  sehr  merkwüz-dige  Stelle  vor,  worin 
er  sagt,  dass  in  Folge  des  Einströmens  des  Oxuswassers  im  ver- 
flossenen Jahrhundert  der  Spiegel  des  Sees  sich  bis  zu  seiner  Zeit, 
das  ist  1330,  so  sehr  erhöht  habe,  vun  den  berühmten  Hafen  von 
Ab-oskun  und  die  anliegenden  Gebiete  zu  überfluthen.  Sehr  richtig 
combinirt  er  dann  weiter,  dass  dieses  Wachsen  so  lange  andauern 
werde,  bis  der  Zufluss  und  der  Abgang  sich  in's  Gleichgewicht 
gesetzt  haben  werden,  nämlich  bis  die  Absorption  des  Wassers 
durch  Verdampfung  genau  dem  Wasservolumen  entsprechen  werde, 
welches  der  See  durch  seine  verschiedenen  Zuflüsse  erhält. 


1)  Reise  des  Capitäns  N.  Murawiew   in  Turknionicn  und  Chiwa  1819  Ijis  1820, 
Paris  1823. 

2)  Abbott.  Travels.     Vol.  I.  S.  60. 

3)  Conolly.  Travels.     Vol.  I.  S.  51  u.  ff. 

4)  Vambery.     Travels  in  Ccntralasia.     S.  lOG- 

5)  Ibid.    S.  115. 


24  Die  Landschahcn  Öcntralft3ien&k 

Aus  dem  bisher  Mitgetheilten  geht  demnach  hervor,  dass  zu 
Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  der  Oxus  sich  nicht  mehr  in 
den  Aralsee,  sondern  in  das  Kaspische  JNIeer  crgoss.  Es  sind  für 
diese  Ansicht  indess  noch  mehrere  interessante  Thatsachen  in's 
Feld  zu  fuhren.  In  dem  Zeiträume  vom  Jahre  1300  bis  löOO 
besassen  die  Europäer,  um  sich  mit  der  physischen  Geographie 
Centralasiens  vertraut  zu  machen,  verschiedene  Mittel,  die  erst 
durch  die  grossen  Forschungsreisen  unseres  gegenwärtigen  Jahr- 
hunderts übertroften  wurden.  Häufige  ]\Iissionen  wurden  damals 
von  europäischen  Höfen  zu  den  centralasiatischen  Mongolen  ent- 
sendet, und  die  Gesandten  haben  meist  ihi-e  Reiseerinnerungon 
niedergeschrieben.  Colonel  Yule  hat  diese  Berichte  sehr  vieler' 
Reisender  aus  dem  13.  und  14.  Jahrhundert  in  einem  werthvollen 
Buche  ')  gesammelt,  und  es  ist  eigeuthümlich,  zu  beobachten,  dass 
auch  nicht  ein  einziger  dieser  Reiseberichte  des  Aralsees  gedenkt, 
obwohl  in  den  meisten  Fällen  die  Route  der  Reisenden  an  den- 
selben oder  über  denselben  führte.  Her  Mönch  Willem  de  Ruys- 
broek,  der  1253  den  unteren  Jaxartes  hinabfuhr,  erzählt,  dass 
dieser  Strom  nicht  etwa  in  einen  See  fliesse,  sondern  in  der  Wüste 
verrinne,  wo  er  ausgedehnte  Moräste  bilde.  Die  älteren  Poli,  die 
in  ihrer  ersten  Orientreise  1260  direct  von  der  Wolga  nach  Boclnlra 
gegangen  sein  sollen,  müssten  nach  der  heutigen  Configuration  des 
Bodens  an  dem  nördlichen  oder  südlichen  Ufer  des  Aral  hingezogen 
sein;  jedoch  weder  in  Marco  Polo's  kurzer  Notiz  über  diese  Reise 
noch  an  irgend  einer  andern  Stelle  seines  \\'erkes  ist  die  leiseste 
Andeutung  über  den  Aralsee  zu  finden;  2)  es  ist  also  kaxun  anzu- 
nehmen, dass  zu  jener  Zeit  der  Aral  ein  imposantes  Wasserbecken 
gebildet  habe.  Mehr  noch.  Ein  anderer  Schriftsteller,  der  Floren- 
tiner Balducci  Pegoletto ,  gab  genaue  Details  über  die  damals 
übliche  Handelsroute  vom  Schwarzen  IVIecrc  nach  China  an,  auf 
welcher  die  Kauflcute  die  euro])äischen  Luxusgegenstände  dahin 
brachten  und  mit  Seide  beladen  zurückkehrten.  Ja,  Pegoletto,  der 
um  1340  —  also  fast  gleichzeitig  mit  Hamdullah  Mustowfi  schrieb  — 
crtheilt  den  Handelsreisenden  nach  der  Tartarei  den  Rath:  sie  könn- 
ten allenfalls  den  Umweg  über  Urgeiulsch  machen ,  sonst  aber 
\\ür(len  sie  5  — 10  Tage  ei'sjtaren,  wcini  sie  direct  von  Saraichik 
am  Yaik  (der  heutige  Uralfluss,  der  Daix  der  Alten)  nach  Otrar 
am  Jaxartes  gingen,  also  eine  Linie  einschlügen,  die  genau  quer 
durch  das  gegenwärtige  Bett  des  Aral  führen  müsste.  Dieser  von 
Pegoletto    empfohlene    Weg    wm-dc    auch    durch    Fra    Pascal    aus 


1)  Cathay  and  thc  Way  Tliiter. 

2)  In  der  neuen  trefflichen  englischen  Ausgabe  der  Heise  Marco  Polo's  durch 
Oberst  Yule  vcrmisaen  wir  zu  unserem  grossen  Leidwesen  die  Behandlung  der  Aralsee- 
Frage  gänzlich. 


Die  Lnndschnften  Centralasicns.  25 

Vittorla  ')  im  Jahre  1337,  und  bis  Uvgondsch  einige  Jaliro  frülier 
durch  Ihn  Batuta  eingeschlagen.  Wir  haben  sorgsam  die  betref- 
fenden Capitel  dieses  Reisenden  durchgelesen,  allein  auch  bei  die- 
sem, obwohl  er  vom  Oxus,  von  Charesm,  sowie  von  mehreren 
Orten  am  Jaxartes,  darunter  Otrar,  sjiricht,  vom  See  von  Charesm 
keine  Erwähnung  gefunden.  -)  Ganz  ähnlich  wie  mit  den  Reise- 
berichten verhält  es  sich  mit  den  Landkai'ten  aus  jener  Zeit.  Eine 
dieser  letzteren,  die  sogenannte  Catalanische  Karte  ist  eigens  zu 
dem  Zwecke  gezeichnet  worden,  um  die  Karawanenwege  von 
Sarai  an  der  Wolga  über  Urgendsch  nach  China  zu  illnstriren; 
eine  andere  Karte  wird  in  der  palatinisehen  Bibliothek  zu  Florenz 
aufbewahrt;  eine  dritte  ist  die  Borgianische  Karte,  und  die  be- 
rühmteste von  allen  endlich  die  venetianische  Karte  von  Fra  Älauro ; 
auf  keiner  von  diesen  allen  ist  der  Aralsee  verzeichnet.  Die  Cata- 
lanische Karte  enthält  allerdings  auch  den  Jaxartes  nicht  mehr, 
und  iiuf  jener  des  Fra  ]\Iauro  ergiesst  sich  dieser  Strom  in  den 
Issi-kul-See ,  was  Oberst  Yule  geneigt  ist  für  die  aufdämmernde 
Kenntniss  einer  anderen  Mündung  als  der  in  die  Kaspisee  zu  halten. 
Wir  möchten  dagegen  mir  einwenden,  dass  es  kaum  wahrschein- 
lich ist,  der  Fra  Mauro'schen  Karte  die  Kenntniss  eines  so  viel 
kleineren,  unzugänglicheren  und  entlegeneren  Sees,  Avie  des  Issi- 
kul,  dagegen  jene  des  grossen  Aral  nicht,  zuzumuthen.  Man  kann 
schwerlich  annehmen,  dass  eine  solche  Wasseransammlung,  Aväre 
sie  vorhanden  gewesen,  diesen  Kartenzeichnern  entgangen  oder  zu 
unwichtig  erschienen  wäre.  Auf  die  Karte  Marino  Sanudo's,-') 
wo  sich  Andeutungen  des  Aralsees  finden  sollen ,  legt  Yule  selbst 
keinen   grossen   Werth. 

Setzen  wir  über  den  Zeitraum  eines  weiteren  Jahrhunderts 
hinweg,  in  dem  der  Oxus  fortfuhr  in  das  Kaspische  INIeer  zu 
fliessen,  während  der  Jaxartes  entweder  sich  in  der  A\'üste  ver- 
lor, oder  mühsam  darnach  rang,  sich  mit  dem  Oxus  zu  vereinigen, 
so  gelangen  wir  von  den  bisher  angetührten  negativen  zu  einem 
positiven  Beweise  von  dem  Verschwinden  des  Aralsees  im  15. 
Jahrhundert.  Sir  H.  Rawlinson  gelangte  in  den  Besitz  eines  ])er- 
sischen  Manuscripts '')  aus  dem  Jahre  1417  ,  dessen  anonymer  Autor 
ein  INIinister  des  berühmten  Herrschers  von  Herät,  Schah  Rukh 
Sultan ,  gewesen  zu  sein  scheint ,  und  eine  Beschreibung  der  Pro- 
vinz Khorassan  lieferte,  von  der  er  offenbar  jedes  Dorf  selbst  kannte. 


1)  Cathay  and  thc  Way  Tliither.     S-  233. 

2)  Voyages  d'Ibn  Batoutah.  Texte  arabe  accompagnö  d'une  traductioti  p.ar  C. 
DeWmery  et  le  Dr.  B-  R.  Sanguinetti.  Paria  1858.  8.  4  Bde.  Die  betreffenden  Capitel 
finden  sich  zu  Anfang  des  dritten  Bandes. 

3)  In  Bongarsius,  Gosta  Doi  per  francos.     Vol.  II. 

4)  Siehe  hierüber:  Procccdings  of  the  II.  Gcograpliical  Soeiety.  Vol.  XI.  (1S67) 
Nr.  3.  S.  116. 

3 


26  Die  Landschaften  Centralasiens. 

Nachdem  Sir  Roderich  Murchisou  es  seinerzeit  versucht  hat,  an 
dem  Werthe  des  persischen  Anonymus  zu  mäkehi,  ^)  so  empfiehlt 
sicli  hier,  daran  zu  erinnern,  dass  ein  grosser  Theil  des  berühmten 
Werkes  von  Abdurrhazak  (übersetzt  und  connnentirt  durch  Qua- 
tremcire)  Wort  für  Wort  aus  dem  obenerwähnten  Heräter  Manus- 
cript  abgeschrieben  ist.  Quatremöre,  der  treffliche  Kenner,  macht 
dazu  die  Bemerkung:  dieses  Buch  ist  zweifelsohne  eines  der  merk- 
würdigsten (curieux)  und  wahrhaftigsten  {oeridiques).,  die  in  einer 
orientalischen  Si^rache  geschrieben  worden  sind.  Bei  Beschreibung 
der  asiatischen  Seen  sagt  aber  der  Anonymus  vom  Aral,  den  er 
See  von  Charesm  nennt:  „in  allen  alten  Büchern  wird  der  See 
von  Charesm  als  Aufnahmsbecken  des  Oxus  geschildert,  aber  jetzt, 
d.  i.  im  Jahre  820  der  Hedschra  (1417  n.  Chr.)  besteht  der  See 
nicht  mehr,  denn  der  Dscheihün  (arabischer  Name  des  Oxuh)  hat 
sich  einen  eigenen  Weg  in  die  Kaspisee  gebahnt,  worin  er  bei 
einem  Orte  Karlawn  einmündet,  wie  weiter  unten  beschrieben  wer- 
den wird."  Bei  Beschreibung  der  asiatischen  Flüsse  sagt  das 
!Manuscript  ferner:  „es  wird  in  allen  alten  Büchern  erwähnt,  dass 
von  diesem  Punkte  aus  der  Dscheihünfluss  nach  dem  Charesmischen 
See  abzweigt  und  in  denselben  mündet,  heute  aber  existirt  der 
See  nicht  mehr,  da  sich  der  Strom  ein  neues  Bett  gemacht  hat, 
das  zum  Kaspisee  führt;  die  Mündungsstelle  heisst  Karlawn  oder 
Akritscheh.  Von  Charesm  bis  zum  Punkte  wo  der  Strom  in  das 
Kaspische  Meer  fällt,   ist  der  grösste  Theil  des  Landes  Wüste." 

So  viel  für  den  Oxus.  2)  Es  handelt  sich  aber  auch  noch 
darum,  den  Lauf  des  Jaxartes  zu  prüfen;  denn  obwohl  der  Aral- 
See  kein  Quellwasser  besitzt,  zu  seiner  Speisung  daher  auf  die 
Gewässer  des  Oxus  und  Jaxartes  angewiesen  ist,  so  hätte  er  doch, 
selbst  wenn  ihm  der  Zufluss  des  Oxus  entgieng,  als  See  bestehen 
können,  wenn  ihm  }uir  der  Jaxartes  treu  blieb.  Nun  haben  wir 
freilich  geh(3rt,  dass  dieser  um  jene  Zeit  im  Wüstensande  verrann, 
allein  das  obenerwähnte  persische  Manuscript  sagt  noch  mehr: 
,,l)er  Fluss  von  Khodschend  im  unteren  Theile  seines  I-iaufes  die 
Wüste  von  Charesm  durchziehend,  vereinigt  sich  mit  dem  Oxus 
und  erreicht  auf  diese  Weise  endlich  das  Kaspische  Meer."  Raw- 
linson  zieht  hieraus  den  Schluss,  dass  um  1417  der  Jaxaiies  un- 
terhalb Otrar  von  seinem  gegenwärtigen  Bette  nach  links  abbog 
und  den  Oxus  zwischen  Kungrad  und  Chiwa  erreichte.  So  ge- 
wichtig dieses  Zeugniss  des  persischen  Autors  ist,  als  von  einem 
Manne  luu'rührend  der   mit  der  Gegend  gründlich  vertraut  war,   so 


1)  In  seiner  „Address"  (Journal  of  the  R.  Geogrnpliical  Society.    Vol.  XXXVII. 
(1867)  S.  CXXXV.) 

2)  Vgl.  K.  Lenz.     Unsere   Kenntnisse   über   den    früheren  Lauf  des  Amii-Darjti. 
Mit  2  Kurten.  St.  Petersburg  1870.  Eine  sehr  eingehende,  kritische  Behandlung  dieser  Frage 


Die  Landschaften  Centralasiens.  27 

hat  doch  eben  jene  Stelle  Murchisons  gewaltigste  Bedenken  wach- 
gerufen, da  er  eine  solche  Verbindung  des  Jaxartcs  niit  dem  Oxus 
aus  geologischen  Gründen  für  unmöglich  hält.  In  der  That  ge- 
schieht dieses  seltsamen  Umstandes  in  keiner  andern  sonst  bekannt 
gewordenen  Quelle,  auch  nicht  des  Alterthums,  Erwähnung;  wenn 
aber  der  englische  Geologe  eben  diesen  Umstand  hervorhebt  und 
betont,  dass  falls  eine  solche  Vereinigung  der  beiden  Ströme  schon 
im  Alterthum  stattgefunden  hätte,  dicss  den  Alten  genau  bekannt 
gewesen  sein  muss  (it  viust  have  been  perfectly  loeU  knoum  to 
the  anctents),  so  scheint  er  sich  uns  in  einem  seltsamen  Wider- 
spruche mit  seinen  eigenen  früheren  Ausfürungen  zu  befinden,  wo 
er  dem  Zeugnisse  der  alten  Geographen  wegen  ihrer  Unwissenheit 
möglichst  wenig  Gültigkeit  beigelegt  wissen  wollte;  endlich  ver- 
dient beachtet  zu  werden,  dass  auf  H.  Kieperts  Karte  von  Turän 
(Berlin  1864)  ein  beim  Fort  Perowski  unterhalb  Otrar  abbiegen- 
der Flusslauf  des  Jany  Darjä  (pers.  neuer  Fluss)  verzeichnet  ist, 
dessen  Bett  mit  theilweiser  Benützung  des  Kyzyl-Darja,  (pers. 
rother  Fluss)  eine  Verbindung  mit  dem  Oxus  herstellt,  den  er  bei 
Chodjeili  erreicht.  Die  russische  Karte  der  Kirghisen-Steppe  lässt 
indess  den  Jany  Darjä  auf  halbem  Wege  zum  Oxus  in  einem 
kleinen  See  der  Wüste  Kyzyl-Kum  verschwinden.  Ohne  in  der 
heiklen  Frage  der  Vereinigung  beider  Ströme  ein  Urtheil  fällen  zu 
wollen,  müssen  wir  indess  darauf  hinweisen,  dass  —  die  Ablenkung 
des  Oxus  zugestanden  —  die  Trockenlegung  des  Aral  schon  durch 
den  einfachen  Umstand  denkbar  wird,  dass  der  Jaxartes  im  Sande 
verrinnend  das  Seebett  nicht  mehr  erreicht.  Diess  wird  aber  nebst 
den  obenerwähnten  Quellen  auch  noch  durch  den  grossen  Sultan 
Baber  bestätigt,  der  die  Topographie  seines  Landes  genau  kannte 
und  ganz  ausdrücklicli  sagt:  .,Der  Seihün  (Jaxartes)  fliesst  nörd- 
lich vom  Chodschend  und  südlich  von  Finäkat,  welches  jetzt 
besser  bekannt  ist  als  Schahrokhia;  dann  nach  Norden  wendend, 
fliesst  er  hinab  nach  Turkestän  und  ohne  einen  anderen  Fluss  zu 
begegnen,  wird  er  in  den  sandigen  Wüsten  tief  unten  in  Turkestän 
gänzlich  aufgesaugt  und  verschwindet.  ^)  Damit  wäre  wohl  die 
Frage  bezülich  des  Jaxarteslaufes  bis  zu  Anfang  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  entschieden,  und  wir  wollen  nur  noch  hervorheben, 
dass  Baber's  Zeugniss  das  einzige  ist,  welches  von  Murchison  und 
Yule  nicht  angefochten  wird. 

Um  das  Jahr  1500  trat  eine  neue  Phase  im  Laufe  der  beiden 
Ströme  ein,  welche  nunmehr  in  den  Aral  zurückzufliessen  begannen; 
1550  wurden  diese  Regionen  von  einem  englischen  Handelsagenten, 
Anthony  Jenkinson  bereist,  welcher  auf  der  kaspischen  Halbinsel 
Manghyschlak  landete  und  zu  der  einstigen  Oxus-Mündung  herab- 


1)  Leyden's  Baber.  S.  1. 


28  Die  Lnndschnften  CentralasienB. 

zog;  liier  aber  vernahm  er,  dass  der  Strom  seinen  Lauf  verändert  habe 
und  in  die  Aralsee  fliesse.  Der  dortige  Herrscher  Abul-Ghazi  Chan, 
der  eine  sehr  detaillirte  Geschiehte  seiner  Lande  hinterlassen  hat, 
gibt  genaue  Details  über  dieses  Ereigniss  und  erwähnt  auch  das 
Jahr,  wo  der  Oxus  zum  Aral  zurückkehrte;  er  erzählt  wie  der 
alte  Strom  allmälich  eintrocknete  und  den  gegenwärtig  bestehenden 
See  bildete.  Seit  jener  Zeit  auf  heute  besitzen  wir  beinahe  für 
jedes   Jahr  Kunde  von   dem   Zustande   des   Stromes. 

Durch  die  vorstehend  mitgetheilten  Ansichten  über  das  an- 
geblich periodische  Verschwinden  des  Aralsees  —  "svofür  wir 
übrigens  im  Kleinen  ein  analoges  und  näher  gelegenes  Beisjoiel  in 
dem  Austrocknen  und  ^^'iederanwachsen  des  ungarischen  Neusied- 
lersees ')  besitzen  —  beabsichtigen  wir  unserentheils  keineswegs 
Stellung  in  dieser  noch  einer  endgültigen  Lösung  harrenden  Streit- 
frage zu  nehmen,  es  lag  uns  nur  daran  das  vorhandene  Material 
und  die  sich  daran  knüpfenden  Anschauungen  in  möglichst  über- 
sichtlicher Weise  dem  Leser  vor  Augen  zu  bringen,  damit  er  sich 
hierüber   eine   ^Meinung  selbst  zu  bilden   im   Stande  sei. 


1)  Ucbcr  das  periodische  Austrocknen  des  Neusiedler  Soc's  (Ausland  1872  Nr.  24 
S.  575-576). 


III.    Lapitel. 

Wüsten  und  Steppenbilder. 


Im  Nordosten  und  Osten  des  Aralsees  dehnt  sich  zunächst 
zwischen  den  Flüssen  Irgis  und  Ssyr-Darjä  ')  eine  AMiste  von 
schwarzem  Fhigsand  aus,  der  sich  zu  zahllosen  kleinen  Hügeln 
emporthürmt  und  mit  dürrem  Lehmhoden  und  salzigen  Morästen 
ahwechselt.  Aber  selbst  ersterer  hat  seine  besondere  Vegetation, 
worunter  namentlich  zwei  Ijeguminosenstriiucher  bemerkenswerth.  Auf 
der  ganzen  unabsehbaren  »steppe,  welche  die  Kirghisen  sehr  pas- 
send Kara-Küm  (türkisch:  kdva ,  schwarz,  Lnm,  Sand)  nennen, 
auf  dem  salzigen  Lehmboden  sind  die  Chenopodiaceen  charakte- 
ristische Pflanzenformen,  besonders  der  Saxaul  ^)  (Haloxylon  atti- 
7nod(ndronJ,  der  überall  in  zerstreuten,  holzigen  Gesträuchen  auf- 
tritt, und  fusshohe  Umbelliferen.  Von  einer  eigentlichen  Wüste 
kann  also  nicht  die  Rede  sein;  überhaupt  scheint  man  hier  nach 
dem  Vorhandensein  oder  Fehlen  trinkbaren  Quellwassers  den  Unter- 
schied zwischen  Wüste  und  Stepjie  zu  machen.  Die  Ufer  des  Ssyr 
und  des  Aralsees  bedecken  Dickichte  und  Schilfrohr  (Arundo 
pliragrnites  L.),  wechselnd  mit  einer  hochwächsigen  Stipacee 
(Lasimjrotis  siilendensj,  aus  welcher  die  Kirghisen  ihre  zierlichen 
Strohmatten  flechten.  Im  Ssyr-Delta  erreicht  der  Saxaul  14'  Höhe; 
am  Ufer  wachsen  reichlich  Halophyten,  und  die  Flugsand-Hügel 
bedecken  anmuthige  Wäldchen  von  Tainarix.  In  gewissen  Ent- 
fernungen hat  man ,  da  die  Karawanen  nach  Europa  ihren  Weg 
durch  diese  Wüste  nehmen  müssen ,  Brunnen  gegraben ,  die  ein 
spärliches  Trinkwasser  geben.  Im  iVllgemeinen  aber  fehlt  in  Turan 
die  Waldnatur  und  mit  ihr  das  Einsiedlerleben  des  W^aldes,  welche 
beide  so  mächtig  auf  die  Einbildungskraft  der  indischen  Dichter 
gewirkt  haben  ^). 


1)  Dafjä,  auf  persisch :    Meer,  grossei'  Fluss. 

2)  Eine  ausführliche  Beschreibung  der  Eigonschafteii   des  Saxaul   findet   man    in: 
Basincr,  Reise  durch  die  Kirgisen-Steppe  nach  Chiwa.     St.  Petersburg,   1848,  S.  93. 

3)  Humboldt.    Kosmos  II.  S.  42. 


30  Wüsten  und  Steppcnbilder. 

Zwischen  dem  Ssjt  und  dem  Amu-Darja  treffen  wir  die 
"Wüste  Kyzyl-Küm  (türkisch:  rother  Sand),  ein  braunrothes, 
mehr  denn  40  Meilen  weites  Sandnieer,  dessen  Sand  gleichfalls 
von  Stüi-men  zu  Hügeln  aufgethürmt  ist.  Diese  bedeckt  leichtes 
Gesträuch,  zuweilen  10 — 12'  hoch;  eine  einzige  Grasart  tritt  auf, 
die  aber  sehr  häufig  ist  und  in  ausgedehnten  Rasen  den  Pferden 
zum  Futter  dient.  Der  "Wüstenrand  des  Kyzyl-Küm,  Ak- 
Kamisch  geheissen,  hat  noch  gute  Triften,  die  von  den  Kirghisen 
abgeweidet  werden. 

Diese  Steppe  grenzt  im  Süden  an  die  noch  ödere  Lehm- 
steppe  von  Bochiira,  welche  durch  einzelne  Bergzüge  von 
Thonschiefer  und  jihitonischen  Gesteinen  durchbrochen  wird:  Aus- 
läufer des  Gebirges,  welche  als  kahle,  schroft'e  Granitfelsen  sich 
wohl  kaum  1000'  erheben.  Vambery  beschreibt  sie  als  ein  unab- 
sehbares Sandmeer,  das  bald,  gleich  dem  vom  Sturme  gepeitschten 
Ocean,  hohe  Sandwogen,  bald  wieder,  gleich  dem  vom  Zephyr 
bewegten  stillen  Spiegel  eines  Sees,  sanfte  Wellen  bildet.  Kein 
Vogel  in  der  Luft,  kein  Wurm  oder  Käfer  auf  der  Erde  ist  zu 
sehen;  es  gibt  nur  Spuren  erloschenen  Lebens,  die  Gebeine  umge- 
kommener Menschen  und  Thiere,  die  jeder  Vorüberziehende  zu 
einem  Haufen  sammelt,  damit  sie  zum  Wegweiser  dienen.  Diese 
Wüste  ist  breit,  hat  kein  Wasser,  und  jeder  Reisende  hält  selbst 
beim  Schlafen  seine  Schläuche  fest  umarmt.  Durch  die  Qualen 
des  Sandes  und  der  Hitze  erkranken  und  sterben  oft  Kameele  und 
Menschen  ^).  Am  schrecklichsten  sind  aber  die  Verheerungen  des 
Tehhädj  das  Wort  ist  persich  und  bedeutet  Fieberwind.  Bei 
seinem  Herrannahen  legen  sich  die  Kameele  iinter  lautem  Brüllen 
nieder,  streken  den  langen  Hals  auf  den  Boden  imd  .suchen  den 
Kopf  im  Sande  zu  verbergen.  Die  Reisenden  kauern  sich  hinter 
ihnen  auf  die  Erde ;  der  W^ind  fährt  mit  dinupfen  Getöse  über  sie 
hin  und  bewirft  sie  mit  einer  Sandschicht,  deren  erste  Körner  wie 
Funkenregen  brennen.  Von  der  Fieber  und  Erbrechen  verursachen- 
den AVirkung  des  Windes  hatte  A'ambery  nur  wenig  zu  spüren. 
Südlich  von  dieser  schaurigen  lichmsteppe  folgt  dann  etwa  in  40^ 
n.  Br.  die  schöne  Culturfläche  des  Zerafschän,  welche  durch  den 
Einfluss  künstlicher  Bewässerung  aus  der  Steppe  selbst  geschaffen 
worden  ist.  Die  übrigen  Steppen  am  Amu-Darja  sind  grösstentheils 
gänzlich  unfruchtbare  Sandwüsten ;  nur  die  blätterlose ,  sogenannte 
Goldruthe  findet  sich  häufig,  und  es  zeigen  sich  Spuren  ganzer 
Wälder;  man  brennt  ihre  bis  1'  dicken  Stämme  zu  Kohlen,  Hier 
enthalten  selbst  die  Brunnen  nur  salziges  und  bitteres  Wasser,  das 
nur  für  das   Vieh  gcniessbar  ist.     Sandstürme  sind  in  diesen  Step- 


1)  H.  Vämbery.    Travels  in  Ccntral-Asia.     London  1864.    8.    S.  158. 


Wüsten  und  Stepponbilder.  31 

pen  eine  nicht  seltene  Erscheinung.  In  der  turko manischen 
oder  char  es  mischen  Wüste,  wenn  die  sengende  Sonne  der 
heisen  Jahreszeit  das  Gras  und  die  Stauden  gleichsam  zu  Zunder 
gedörrt  hat,  ereignet  es  sich,  dass  dass  ein  unvorsichtigerweise 
geworfener  Prunke,  vom  Winde  angefacht,  die  Steppen  in  Brand 
steckt.  Die  ohne  Unterbrechung  genährte  Flanune  greift  n^it  einer 
derartigen  Schnelligkeit  um  sich,  dass  man  selbst  zu  Pferde  sich 
nur  schwer  retten  kann ;  über  das  dürre  Gras  rollt  sie  gleich  einer 
ausströmenden  Fluth  hin,  bei  dichteren  Gebüschen  fährt  sie  mit 
wild  lodernder  Wuth  emjjor,  und  wie  sie  gi'osse  Strecken  in  kurzer 
Zeit  durcheilt,  kann  nur  ein  Fluss  oder  See  ihren  ungestümen 
Lauf  hemmen  '). 

Der  tiefen  aralo-kaspischen  Senkung  gehört  die  Ki rghi son- 
st eppe  an,  welche,  im  Mittel  etwa  300'  hoch,  aus  grossen 
Flächen  oder  vielmehr  aus  wellenförmiger  Terrainbildung  besteht, 
deren  Abhänge  nicht  ausserordentlich  lang  und  .sanft  sind.  Doch 
stösst  man  auch  unverhofft  auf  tiefe  und  breite  Einschnitte,  welche 
sich  auf  lange  Strecken  durch  die  Steppe  hinziehen.  Kein  Baum, 
kein  Strauch  ^)  ist  zu  erblicken,  auf  ^velchen  das  Auge  ausruhen 
könnte;  die  ganze  Steppe  gleicht  einem  unabsehbaren  Meere,  dessen 
langgestreckte  Wellen  auf  einmal  unbeweglich  geworden  sind.  Nur 
die  muchadscharischen  Berge,  eine  Verlängerung  des  Ural,  welche 
die  Steppe  von  Nord  nach  Süd  durchschneiden,  machen  eine  Aus- 
nahme; indess  ist  die  höchste  Spitze  derselben,  der  Airuk,  kaum 
1000'  hoch.  Der  bergige  Theil  der  Steppe  besteht  überall  aus 
Feldspath  und  Porphyr,  in  deren  Begleitung  oft  Blei,  Kupfer, 
Silber  und  bisweilen  Gold  vorkommen;  längs  des  Irtysch  und  in 
dem  ebenen  Theil  der  Steppe  findet  man  nur  Kohlenkalkstein  und 
eine  fast  horizontale  Kohlenschicht  3). 

Von  der  asiatischen  Steppe  im  Allgemeinen  entwirft  Thomas 
Witlam  Atkinson  4)  ein  anschauliches  Bild:  ,,Man  sagt  wohl,  dass 
es  in  den  Wäldern  einsam  sei,  und  ich  bin  oft  tagelang  ununter- 
brochen durch  Wälder  gekommen.  Aber  ich  hörte  doch  den  Wind 
pfeifen,   Blätter  rauschen  und  Zweige    knarren,    auch    stürzte    dann 


1)  H-  Vamböry.    In  der  turkoraanischen  Wüste.    (Globus,  1867,  Bd.  XI,  S.  46.) 

2)  A.  Becker.  Reise  in  die  Kirghiacn- Steppe,  nach  Astrachan  und  an  das 
kaspisehe  Meer.  (Bulletin  de  la  Sociöte  Imp.  des  Naturalistes  de  Moscou,  1866-  Nr.  3, 
S.  163 — 207.)  Als  Karte  mag  die  in  russischer  Sprache  von  Oberstl.  Ilj'ie  verfasste  „Karte 
von  der  Kirghisen-Steppe  und  den  benachbarten  mittelasiatischen  Gebieten."  Mst.  1:4,200.000, 
St.  Petersb.,  1865,  dienen,  die  dem  Titel  und  Masatab  nach  zu  schliessen,  mit  jener  des 
Russ.  Invaliden  identisch  ist. 

3)  Anatole  Jaunez  Sponvillc.  Chez  les  Kirghis.  (Bulletin  de  la  Society 
de  geographie.     Paris  1865,  T-  1,  S-  448.) 

4)  Oriental  und  Western  Sibiria.  London,  1858.  In  Bezug  auf  geographische  An- 
gaben ist  übrigens  Atkinson  sehr  unzuverlässig,  wie  denn  auch  seine  Reise  durch  die 
nördliche  Mongolei  nur  fingirt  sein  soll.  Das  Buch  „RecoUections  of  the  Tartar  Steppes 
and  their  inhabitauts."  London  1863.  8-  hat  Mrs.  Atkinson  zur  Verfasserin. 


32  Wüsten  und  StepponbiUer. 

und  wann  ein  gewaltiger  Baumriese  krachend  zu  Boden ;  ich  ver- 
nahm ein  Echo,  sah  einen  V'ogel  oder  irgend  ein  anderes  leben- 
diges Wesen;  ich  war  also  nicht  in  einer  völligen  Einöde,  denn 
jnit  dem  Baume  kann  der  empfindsame  Mensch  gleichsam  reden. 
Aber  in  dieser  dürren  Wüstenei  wird  die  Todtenstille  durch  Nichts 
unterbrochen."  Bei  einem  Wüstensee  beobachtete  ^Vtkinson,  wie 
über  ihm  ein  Orka)i  sich  l)ildete.  Die  Windsbraut  stürmte  mit 
migeheurer  Schnelligkeit  heran,  wühlte  gewaltige  Wogen  auf  und 
zog  eine  lange,  tiefe  Furche  über  den  See.  Der  Orkan  brüllte 
mächtig.  Vom  Wasser  ging  er  auf  die  Stepjie  über;  hier  begann 
er  zu  wiiboln ,  hob  ganze  Terrassenhügel  in  die  Höhe  und  bildete 
an  anderen  Stellen  miichtige  Haufen.  Aber  nach  einer  Viertel- 
stunde war  Alles  vorüber.  Wehe  dem ,  der  von  einem  solchen 
Wirbelsturm  auf  ganz   offener  Ebene   überrascht  wird  '). 

Nicht  alle  Stejipen  tragen  indcss  einen  so  traurigen  Charakter; 
in  der  weiten  Ste])pe ,  die  zwischen  dem  Don,  der  Wolga,  dem 
Kaspischen  ^leere  und  dem  chinesischen  Dsaissang  -)-See,  also  in 
einer  Erstreckung  von  fast  700  geogra^jlnschen  ^Meilen  sich  aus- 
breitet, ist  die  Vegetation  dieser  bisweilen  hügeligen  und  durch 
Fichtenwälder  unterbrochenen  Steppen  gruppenweise  viel  mannig- 
faltiger als  die  der  Llanos  und  Pampas  von  Caracas  und  Buenos- 
Ayres.  Der  schönere  Theil  der  Ebenen,  von  asiatischen  Hirten- 
völkern bewohnt,  ist  mit  niedrigen  Sträuchern  üppig  weissblühen- 
der  Rosaceen,  mit  Kaiserkronen,  Tulpen  und  Cypripedien  geschmückt  •^). 


1)  Streifzüge  in  den  Gebirgen  und  Steppen  der  Ulmlcbiis-Mongolcn  und  Kirghisen . 
(Globus,  1863,  Bd.  IV,  S.  259.) 

2)  A.  Abramow.  The  Inkc  Nor-Zaisan  and  its  neigbourbood.  Trnnslatod  froin 
thc  Kussian  by  John  MiehcU.  (Journ.  of  tbe  K.  Geogr.  Society.  1865,  Vol.  XXX V^. 
S.  58—59.) 

3)  Merkwürdig  und  rätbselhaft  sind  die  in  den  südrussischen  Steppen  künstlich 
aufgeworfenen  Erdbügcl,  Kurgane  oder  MogPs,  über  deren  Zweck,  E  jtstehung  und  Grün- 
der man  noch  nicht  im  Klaren  ist.  Man  findet  sie  vom  europäischen  Russland  durch  das 
ganze  südliche  Ssibirien  hindurcli  bis  in's  Anmr-Gebict  und  iinterscbeidet  Grabknrgane, 
Erdaut'würfc  und  Gräber,  und  einfache  Kurganc,  welche  dazu  beitragen,  der  Steppe  ein 
eigenthüinlichcs  Gepräge  zu  verleihen.  Alexander  Pctzholdt,  der  in  jüngster  Zeit  (in 
seiner  „Keiae  im  westlichen  und  südlichen  Uussland,"  Leipzig,  1864)  den  Kurganen  be- 
sondere Aufmerksamkeit  geschenkt  liat,  fand  die  grösste  Unregelmässigkeit  in  Bezug  auf 
Grösse  und  Vertheilung  über  die  Steppe,  und  selbst  auf  Gestalt  dcrselbi'n;  es  gibt  kleine 
und  grosse,  einfache  und  doppelte,  durchschnittlich  siml  sie  15 — 20'  hoch  und  haben  an 
ihrer  Basia  einen  entsprechenden  Umfang.  (Globus,  1866,  Bd.  X,  8.  64.)  Siehe  ferner: 
Atkinson.  Travels  in  thc  vegions  of  tlie  Upper  ond  Lower  Amoor.  London  1860.  8. 
S.  184.  Nach  B.  v.  Cotta  entsprechen  die  Kurgane,  wenigstens  äuaserlich ,  ganz  den 
sogenannter  Hünen-  oder  Wendengräbern  in  Deutschland,  den  Kumaniorbügoln  in  Ungarn, 
den  Dolmen  in  Südfrankreich  und  Nordafrika,  den  Antas  in  Spanien  uml  Portugal.  „Ich 
erinnere  mich,  ganz  ähnliche  in  Sibirien  bia  zum  Altai  gesehen  zu  haben,  wo  man  sie  den 
Tschuden  zuschreibt."  (B.  v.  Cotta.  Heise  in  Südrussland.  „Ausland"  1869  Nr.  51  S-  1206.) 
Vgl-  auch  über  die  Kurgane  der  russischen  Steppen:  Ilaxt  hausen.  Studien  über  Russ- 
land. Hannover  1847.  8.  IL  Bd.  S.  337,  dann:  Globus.  V.  S.  217  und  VI.  S    320. 


Wüsten  und  Steppenbilder.  33 

"Wie  die  heisso  Zone  sich  im  Ganzen  daclureli  auszeichnet,  da?s 
alles  ^'egctatiYe  baumartig  zu  werden  strebt ,  so  charakterisirt 
einige  Stepjjen  der  asiatischen  gemässigten  Zone  die  ^vundcrsamc 
Höhe,  zu  der  sich  blühende  Kräuter  erheben:  Saussureen  und 
andere  Synanthereen ;  Schotengewächse,  besonders  ein  Heer  von 
Astragalus-Arten.  "SVenn  man  in  den  niedrigen,  tatarischen  Fulir- 
\verken  sich  durch  weglose  Tlieile  dieser  Krautsteppen  bcAvegt, 
kann  man  nur  aufrecht  stehend  sich  orientiren  und  sieht  die  wahl- 
artig dichtgedrängten  Pflanzeii  sich  vor  den  Rädern  niederbeugen. 
Einige  dieser  asiatischen  Stejjpen  sind  Grasebenen;  andere  mit 
saftigen,  inunergrünen.  gegliederten  Kalipflanzen  bedeckt;  viele  fern- 
leuchtend von  flechtenartig  aufspriessendem  Salze,  das  ungleich,  wie 
frischgefallener  Schnee,   den  lettigen  Boden  verhüllt  '). 

In  der  Gegend  des  49*^  n.  Br.  scheint  in  dieser  grossen 
Tiefebene  sich  eine  Schwelle  zu  erheben,  von  welcher  der  Ischini 
sich  nach  Norden  wendet  und  zahlreiche  Steppenstrüme  irrend  nach 
Süd^vest  sich  im  Sande  verlaufen.  In  diesem  Bereiche  treten  nie- 
drige Höhenzüge  auf,  wie  der  Arkat,  Aidschan,  der  Tschingiz-Tau  -), 
dessen  ansehnlicher,  sich  zu  4000'  Höhe  erhebender  waUI-  und 
quellenreicher  Kanun  die  durchaus  sterile  Irtysch-Steppe  von  der 
Balchasch-Xiederung  scheidet,  Karkaraly,  Kent-Kaslyk,  meist 
Granit-  und  Porphyrhügel,  welche  aber  nur  300 — 1000'  absoluter 
Höhe  haben.  Ferner  der  Ak-Tau  (türkisch:  weisses  Gebirge),  der 
Kurgentasch  und  die  lange  Kette  der  Ildighis,  welche  wahrschein- 
lich mit  dem  bleireichen  Ulu-Tagh  ^)  zusanunenhängen  und  dann 
eine  Höhenreiho  von  25  INIeilen  Länge  bilden  würden,  die  man 
ehemals  als  ein  verbindendes  Glied  zwischen  Ural  und  Altai  dar- 
stellte. 

Im  Süden  dieser  Schwelle  führt  vom  Balchasch  zum  Aral- 
See  eine  ganze  Reihe  vereinzelter  Seen  hin ;  und  im  \Vesten  findet 
sich,  nordöstlich  vom  Aral,  ebenfalls  ein  merkwürdiges  Gebiet  von 
Seen,  viele  der  kleinen  oft  rosenkranzartig  unter  einander  vei'bunden. 
All  all  diesen  Seen  zeigi  sich  ein  fortwährendes  Austrocknen  bis 
zum  Verschwinden  derselben,   ganz  wie  beim  Aral. 

Nebst  dem  Kaspi-  und  dem  Aralsee  ist  der  Balchasch- 
See  9^  —  or  bedeckt  einen  Flächenraum  von  circa  400  '  Pfeilen.  — 
die  grösste  Wasseransammlung  in  der  Kirghisensteppe,    welche    in 


1)  A.  V.  Humboldt.  Ansichten  der  Natur.  1859,  Bd.  I.  Über  Steppei  und  Wüsten. 
S.  6—7. 

2)  Tau,  türkisch:  Gchirg. 

3)  l'lu,  türkisch :  gross,    Tac/h,  Berg. 

4)  J.  Spörer.  Die  Soe'nzono  des  B.ilrhasch-Ala-kul  und  dasSiehcistnmlan  1  mit 
dem  Ilibecken.  Nach  russischen  Quellen.  (Pe  t  rrma  u  i.'s  Oongi-.  Mittlicihingen,  IhCS, 
S.  73—85,  193—200  und  393—406.) 

4 


34  Wüsten  und  Stcppcnbilder. 

cliinosischen  Annalen  *)  oft  St  Jiai,  das  Meei'  des  Westens  genannt, 
also  mit  dem  Kaspisee  venvcchsclt  wird ;  er  und  die  tiefe  Depres- 
sion, welche  denselben  mit  dem  See  Ala-kul  verbindet,  trennen 
das  Gebirgssystem  Ilochasiens  von  der  Kirgliisensteppc,  eine  weite 
Ebene,  deren  Eintönigkeit  nur  hie  und  da  durch  vereinzeinte  Hügel 
unterbrochen  \vird.  Vielleicht  in  ÖOO'  (nach  ösemenow's  Annahme 
(iOO — 700  englische  Fuss)  Meereshöhe  gelegen,  misst  der  Balchasch 
,  von  Nordwest  nach  Südost  8(i  geographische  Meilen,  von  Nord 
nach  Süd  1  —  11  Meilen;  seine  grösste  Tiefe  beträgt  70  englische 
P^uss  und  nimmt  nordwärts  zu,  südwärts  ab.  Das  nördliche  und 
nordwestliche  Seeufer  erhebt  sich  stufenförmig  über  den  Wasser- 
spiegel, gleich  dem  Usturt  am  westliehen  Rande  des  Aral.  Die 
schilfige  Südküste  hingegen,  welche  kaum  gestattet,  eine  Uferlinic 
zu  unterscheiden ,  ist  abschüssig ,  und  von  da  aus  zieht  sich  bis 
zu  den  Vorbergen  des  Ala-Tau  (buntes  Gebirg)  eine  aus  Sand- 
hügeln bestehende  Steppe,  Ad  s  cli  ab  ai  n  ym- Ak- K  d  m,  eine 
Fortsetzung  der  Ilungerstejjpe  Bed-Pak-Dala  oder  Golodua jn 
Stei)  der  Russen,  ^velche  Ssibirien  von  der  turänischen  Landschaft 
Chokan  scheidet.  Das  Wasser  des  iuselreichen  Sees  ist  klar, 
meist  frisch  imd  trinkbar:  mir  an  den  Rändern  und  Buchteji  ist 
es  salzig-bitter  und  ungenicssbar.  Oestlich  vom  15alchasch  liegen 
in  sandiger  Stei^pe,  welche  in  ihrer  Dürre  den  Eindruck  eines  aus- 
getrockneten alten  Meerbodens  macht,  die  Reste  seiner  ehemaligen 
{Fortsetzung,  der  Ssassyk-Kul  2),  (stinkender  See)  und  der  Ala-kul  3), 
letzterer  mit  der  kleinen,  niclit  vulcanischen  Insel  .Vral-Tube  ^).  Älit 
dem  Ala-kul  hat  der  Balchaseh  noch  in  historischer  Zeit 
Ein   Becken  gebildet. 

Jenseits  der  in  den  Balchaseh  mündenden  Lojisa  beginnt 
das  eigentlich  der  ehemaligen  Dsungarei  aiigehörige,  erst  1849  von 
den  Russen  definitv  in  Besitz  genommene  Siebenstromland,  S  s  c- 
m  i  r  ets  ch  enski  j-Krai ,  das  einerseits  von  der  Hochgebirgs- 
kette des   dsungarischen  Ala-tau  mit  dem   ihr  vorgelagerten  Stiifen- 

1)  ^arh  (loni  Dafürlinlten  A.  v.  H  \i  in  li  ol  il  t '  h.  Thatsache  ist,  ilass  wir  die  erste 
Kunde  vom  Bik'luiseli  in  den  Schriften  der  Cliinesen  finden.  Der  Name  Balehasch-Noor 
(dessen  Bedeutun«;:  weiter  See)  ist  dsungarisch  und  erst  von  Klaprotli  in  die  geogra- 
pliiselie  Nomfiieliitur  eingefülirt  worden.  Die  Kirgliisen  nennen  den  See  Tenyhiz, 
d.  i.  Meer. 

2)  40  Werst  lang,  15  Werst  hreit,  mit  niedrigen,  verscliilften  Ufern,  .sonst  aber 
ein  sehöner  klarer  AVassorspiegel. 

.3)  Türkisch:  bunter  See.  Die  Kalmyken  nennen  ihn  auch  Alul-tiif/til-Noor,  See 
des  buntscheckigen  äti(ires(tufful,  Stier,  Kalli).  In  früheren  Zeiten  war  er  unter  der  charak- 
teristischen Bezeichnung  (turijhe  Noor,  d.  i.  Biückensee,  bekannt.  Nach  Gohiliew  liegt 
der  Ala-Kul  in  421)0  engl-  Fuss  Sechöhe  und  bedeckt  einen  Flächenrnnm  von  31.1!  QM. 
(l.'jU  (JWersf),  er  ist  ."lö   Werst  lang,  40  Werst  breit  und  14    tief. 

4)  Sie  bestellt  aus  llornstcinporiibyr,  Ilornstein  und  Tbonschicfer.  Der  Name  Aral 
liihr  bedeutet:  Inselbügel,  Hügel,  auf  türkisch  fe/w,  liiha,  persisch  tiihf,  tapp,  Ariil  auf 
kirgliisisch  Insel. 


Wüsten  und  Stcppcnbilder.  35 

1111(1  Gebirgslaiide,  anderorseit's  von  der  zum  IJalcliasch  allmälilig 
al)sinkcndeii  1500  —  500'  hohen  Steppe  gel)ildet  wird.  Die  Kamm- 
liiiie  des  Ala-Tau  im  Südost,  der  Balchasch-Spiegel  im  Nordwest, 
die  Stromlinie  des  Ili  im  Süden ,  die  der  Lepsa  im  Nouden  be- 
zeichnen die  natürlichen  Grenzen  dieses  Landstriches,  der  durch 
die  Schneeregion  des  dsungarischen  Ala-Tau  vom  hinterasiatischen 
Hochlande  geschieden  wird,  durch  das  tief  eingesenkte  Strombett 
des  Ili  aber  mit  ihm  in  natürlichem  und  geschichtlichem  Zusam- 
menhange  steht. 

Die  sieben  Flüsse,  welchen  das  I^and  den  Namen  verdankt, 
sind  die  Ij e p  s  a  )  mit  dem  Baksan,  der  Ak-Ssu-)  (weisses 
A\'asscr)  mit  dem  S  s  a  r  k  a  n  ,  der  B  i  e  n  •^)  und  der  K  a  r  a  t  a  1  •*) 
mit  dem  Kok-ssu'')  (blaues  Wasser).  Nur  die  Lepsa,  der  süd- 
liche CTrenzfhiss,  der  Ili  und  allenfalls  der  Karatal  erreichen  dauernd 
den  See  wirklich ,  während  alle  Anderen ,  obwohl  gleichfalls  der 
Süiiküste  des  Balchasch  zueilend,  früher  im  Sande  verrinnen  oder 
nur  bei  Hochwasser  dahin  gelangen.  Sie  entquellen  sämmtlich 
der  Schneeregion  des  x\la-tau  imd  durchziehen  zuerst  fruchtbare 
Tliäler,  später  die  weiten  Ebenen  um  den  Balchasch.  Sie  sind  in 
ihrem  oberen  Laufe  echte  Gebirgswässer ,  in  Steinbetten,  raschen 
I.,aufcs  die  malerischen  Schluchten  und  Thäler  des  Hochlandes 
durchströmend.  So.  wie  sie  die  Steppe  erreicht  haben,  verwandeln 
sie  sich  in  träge  dahinschleichende ,  trübe  Steppenflüsse.  Diese 
eigentliche  Steppenregion  des  Balchasch  (500 — 1500  P.  F.) — die 
Winterstationen  der  Nomaden  enthaltend  —  mit  sterilen,  sandigen, 
dünnen  und  salzigen  Lagunen  bedeckt,  ist  baumlos,  trägt  eine  der 
Natur  der  (lewässer  entsprechende  ^'egetation,  also  das  Charakter- 
gepräge der  aralo-kaspischen  Niederung,  namentlich  den  typischen 
Saxaul.  In  den  an  den  Stromufern  und  Balchaschküsten  ge- 
deihenden Schilf-  und  Eohrdickichten  hausen  Kulan ,  Stachel- 
schweine und  Schildkröten.   Die  Culturrcffion,  von  1500  —  4000  P.  F. 


1)  Auch  sie  verliert  sicli,  2  Werst  vom  See  ohne  eigentliche  Mündung;  in  ihreni 
Bette  sind  zahlreiche  Sandlänke,  welche  die  SchifFfahrt  nahezu  unmöglich  machen.  Sic 
entspringt  auf  den  Vorbergen  dos  Ala-Tau  aus  den  beiden  Terekty-Bächen,  ist  Anfangs 
rcisscnd,  wird  dann  immer  ruhiger,  ihr  Wasser  ist  trinkbar,  gesund,  nur  im  Sommer  klar; 
Breite  zwischen  2—25  Faden.  Die  Lepsa  friert  im  October  zu,  geht  Anfangs  April  auf 
und  nimmt  von  links  her  den  Baksan  auf. 

2)  Entspringt  dort,  wo  die  Kopalkette  vom  Alatau  sich  ablöst,  in  der  Schnee- 
region. Gesammtläuge  des  Laufes  etwa  240  Werst.  Die  Mündung  hat  der  Akssu  mit 
der  Lepsa  gemeinsam. 

3)  Entspringt  am  Nord-Abhange  der  Kopalkette,  etwa  100  Werst  lang. 

4)  W'ird  aus  den  drei  Quellbächen  Kora,  Tschadscha  und  Tekli-Airyk  gebildet, 
die  aus  der  Schneeregion  des  Ala-Tau  herabkommen.  Er  nimmt  das  Flüsschen  Kussak, 
später  den  Kokssu  auf  und  hat  eine  Länge  von  300  W^erst;  er  ergiesst  sich  in  3  (nach 
Abramow  in  5)  Armen  in  den  Balchasch  und  ist  in  seinem  oberen  Laufe  sehr  reissend. 

5)  Vom  türkischen  f/öl-,  Himmel,  blau  und  ssu  Wasser;  er  ist  200  Werst  lang, 
entspringt  im  Quellbezirke  des  Akssu,  aus  den  beiden  Bächen  Korun  und  Kutal. 


36  AVüstcn  und  Stoppcnbildcr. 

mit  guicm  Ackerboden  und  roiclilicher  Bewässerung  hat  in  ihren 
krautartigon  Gewächsen  mehr  Aehnlichkeit  mit  der  Pflanzenphy- 
sidgiioiuic  dos  westssihirischen  und  osteuropäischen  Tietlandes. 
Die  russische  Colonisation  hreitet  sich  über  diese  Eegion  aus  und 
concentrirt  sich  an  den  Stellen,  wo  die  von  4000 — 7600  P.  F. 
rcicheride  Waldregion  vorhanden  ist ,  was  jedoch  nicht  überall 
der  Fall;  diese  enthält  nämlich  ausreichende  Yorräthe  an  Bau- 
holz für  die  Ansiedlungen  unter  ihr.  So  entstanden  allmälich 
zahlreiche,  heute  schon  blühende  und  stattliche  Niederlassungen, 
als:  ([\c  Stadt  Kopalsk  oder  Kopal,  1846  vom  damaligen  Gou- 
verneuer  West-Ssibirien's,  Fürsten  Gortschakow,  zum  Schutze 
der  Kirghisen  der  grossen  Horde  gegen  die  Einfälle  der  Diko- 
kamanny-Kirghisen  gegründet,  und  am  Kopal  ^)  (oder  Kyzyl- 
Agatsch-Ssu?)  gelegen,  dann  die  Forts  und  ]\Iilitärstationen 
Akssuisk  am  Akssu,  Arassan  (kalmykisch:  warme  Quellen)-), 
Karatal  und  Kokssuisk  (in  3350  P.  F.  Seehöhe),  beide  an  den 
gleichnamigen  Flüssen,  Altyn-Imel  (dsungarisch :  goldener  Sattel) 
111  d    Kaltschyk. 

So  bilden  hier  Stej)pc  und  Gebirgsknd  den  fundamentalen 
Gegensatz,  der  alle  Natur  und  Culturverhältnisse  durchzieht.  Das 
emporragende  Gebirge  mit  seiner  AVasserfülle  wirkt  nährend ,  be- 
lebend,  culturfördernd ,  —  die  platte,  niedrige  Stepjjc  mit  ihrer 
Dürre  abzehrend,  deprimirend,  culturhemmend.  AVo  die  Wüsten- 
«te])pc  sich  Wasser-  und  baumlos  ausstreckt,  da  ist  specifisches 
Nomadenland,  der  Tummelplatz  des  Nomadenthums,  dessen  Natur- 
zwang kein  Wille,  keine  Culturmacht  zu  brechen  vermag.  In  den 
höher  gelegenen  Geländen  und  Yoi'bergen  findet  aber  die  Cultur 
eine  Stätte,  wo   sie  mit  Nutzen  gedeihen  und  sich  entwickeln  kann. 

Bedeutender  als  irgend  einer  der  sieben  Ströme  und  zugleich 
eines  der  mächtigsten  Gewässer  Centralasiens,  ist  der  Ili,  der  als 
'l'ak-Ssu  aus  zahlreichen  Schnee-  und  (ilebirgsbäcben  am  Nordwest- 
Abhänge  im  höchsten  Theile  des  Tian-Schan,  am  Bogdo-Oola  ent- 
sj)ringt.  Er  durchfliesst  130  INIeilen  weit  ein  langgestrecktes,  vom 
Nan-Schan  und  Iren-Chabirgan  (dsungarisch :  buntes  Gebirge,  also 
gleichbedeutend  nüt  Ala-Tau  der  Kirghisen)  ein  geschlossenes,  von 
West  nach  Ost  laufendes,  breites  llial,  dessen  Höhe  über  der 
Meeeesfläche  1300  P.  F.  übersteigt,  und  ninnnt  den  Namen  Bi 
von  der  Einmündung  des  rothen  Nebenflusses  Schungis  oder  Chasch  3) 


1)  über  diesen  Fluss  ist  man  noch  sehr  im  Unklaren;  ist.  der  Kyzyl-Agatscli- 
Ssu  A.  Schrcnk's  der  Kopal  P-  Sscmcnow's?  Siehe  hierüber  Pctcrmnnn'a  Gcogr. 
Miltheilungen,   1SG8,  H.  199. 

2)  In  der  That  entspringen  hier,  etwa  7ÖU  über  dem  Wasserspiegel  des  Alakul, 
licisse  Schwefelquellen  von  350  R. 

3)  Er  entspringt  auf  den  südöstlichen  Ausläufern  des  Tarbngatai-Gebirgcs  und 
strömt  in  seiner  Hauptricbtung  nach  Südwest.  Seine  bedeutendsten  Nebenflüsse  sind  der 
Nilka  und  der  Olotai. 


Wüsten  und  Steppenbilder.  37 

abwärts  an ;  er  trennt  die  Sseniiretschensk-Region  von  jener  süd- 
licheren Gegend,  welche  seit  1854  die  russischen  Ansiedler  die 
transilischen  Ländereien  nnnnten.  Seit  1755  gehört  sein  ganzes 
Becken  zum  chinesischen  Keiche.  Seine  Ufer  sind  niedrig  und  hie 
und  da  mit  grossen  Bäumen  und  Gebüsch  bestanden;  die  Breite 
des  Stromes  beträgt  etwa  eine  Mertelmeile ;  sein  Lauf  ist  rasch, 
sogar  reissend.  An  einem  Punkte  besteht  eine  Furt  und  unter- 
halb derselben  drängt  er  sich  durch  poriDhyrische  Felsen,  die  sein 
Bett  verengen;  dort  ist  er  sodann  sehr  tief;  sein  Lauf  wird  stark 
gewmiden,  aber  nach  jener  Schlucht,  Avelche  er  schäumend  durch- 
tost, erweitern  sich  wieder  seine  Ufer,  die  fischreichen  AVasser 
werden  ruhig,  und  der  Lauf  verliert  im  unteren  Theile  an  Kraft; 
die  Ufer  werden  innner  flacher  und  sind  von  einer  maimigfaltigen 
Baum-  und  Strauch  Vegetation  bedeckt;  endhcli  3(5  INTeilen  von 
seinem  Durchbruchc  durch  die  Po  rpliyrf eisen,  also  nach  einem 
Laufe  von  16(5  Meilen,  und  nachdem  er  die  Sandsteppe  des  Sieben- 
stromlandes durclnuessen,  mündet  er  mit  einem  niedrigen,  von 
einem  hohen  Schilfwahl  üppig  bewachsenen,  7  Meilen  breiten  Delta 
in   den   Balchasch-See. 

Einige  Stellen  der  Ili-Ufer  besitzen  die  nöthigen.  Eigenschaften 
zu  Ansiedlungen ,  ja  gestatten  sogar  feste  Niederlassimgen ;  dies 
bestätigen  die  zahlreichen  ^lilitär-  und  Strafposten  der  Chinesen 
im  oberen  Theile  des  Ili-Bassins  zwischen  dem  Iren-Chabirgan  und 
Tian-Schan.  Hier  sind  die  Wässer  seiner  zahlreichen  Zuflüsse, 
wie  der  Chasch  (Kasch),  der  Pilitschi  *),  der  Yklyk  -),  der  Kor- 
gas ^),  der  LTesük  ')  am  rechten,  der  Tarksyl,  Koguschi,  Jagustai. 
Kainak  und  Bugra  ■')  am  linken  Ufer,  überall  geschickt  zur  Be- 
wässerung des  fetten,  trockenen  I^ehmbodens  der  Felder  benützt, 
W'elche  hiedurch  einen  reichen  Ernteerti-ag  liefern ,  die  Wälder 
werden  künstlich  erneuert,  und  der  Anblick  der  mit  lebenden 
Zäunen  mnfangenen,  von  grossen  Bäumen  beschatteten  Dörfer  er- 
freut das  Auge  des  Reisenden ,  welcher  soeben  die  ernsten  und 
düstern  Berg-  und  Steppengegenden  durchzog.  Li  dem  gestreckten 
Kessel  des  Stromthaies ,  der  nur  nach  Westen  hin  für  die  im 
Sommer  heissen  Westwinde  offen  ist,  gedeiht  unter  dieser  Breite 
und    trotz    des    trockenen  Klima's,   ^velches    so  wie  jenes   der  süd- 


1)  Mündet  in  den  Ili  unweit  von  Kuldscha. 

2)  Mündet  in  den  Ili  dicht  bei  Kuldscha. 

3)  Ergicsst  sich  20 — 30  Werst  westlicher  in  den  Ili  und  tlioilt  sicli  in  mehrere 
Anne;  ?cin  Flusabett,  das  viel  Geröll  führt,  ist  etwa   '  ,_,   Werst  breit. 

■l)  Kann  bis  vor  Kurzem  gleichsam  als  Grenze  zwischen  China  und  Kussland 
gelten,  ist  einer  der  bedeutendsten  Zuflüsse  des  Ili;  sein  Bett  ist  2 — 3  Werst  breit,  in 
dicht  bewaldetem  Thalo.  Der  Fluss  selbst  ist  etwa  50  Faden  breit,  sehr  tief  und  hat 
ein   sehr  starkes  Gefall. 

5)  Über  diese  Zuflüsse  fehlen  noch  die  näheren  Nachrichten. 


38  Wüsten  und  Stcppenbildcv. 

liehen  dsungarischoii  Kirghisenstcppe  eine  Uebergangsstiife  zwischen 
dem  rauhen  Klima  iS.'^ibirien's  und  dem  troiiischcn  Klima  jenseits 
des  Tian-Schan  bildet,  Wein,  Reis,  Mais,  Sorghum,  Weizen,  Arbusc 
und  Melone,  von  europäischen  Obstbäumen  vorzüglich  die  Pfirsiche 
und  Apricosen,  Birnen  und  Pflaumen,  also  Früchte,  wie  in  dem  in 
derselben  Breite  gelegenen  Istrien  in  Süd-Euroi)a.  Der  Winter 
dauert  hier  nur  drei  Monate,  und  die  allerdings  sehr  hohe  Kälte 
hält  meist  nur  drei  Wochen  an.  Dagegen  ist  der  Sommer  furcht- 
bar heiss,  die  Hitze  erreicht  mitunter  im  August  36 — 38"  R.  im 
Schatten.  Für  die  Bewohner  ist  indess  das  Klima  sehr  gesund, 
und  gehören  Epidemien  zu  den  Seltenheiten  i).  Einer  solch'  günsti- 
gen Lage,  wenngleich  südlich  vom  eigentlichen  Ili-Thale  und  der 
oberwähnten  P^'urt,  am  Fussc  des  Ala-Tau,  in  '2533,4  P.  F.  See- 
liöhe '''),  dort  wo  die  wilden  Gebirgswässcr  der  Almaty  aus  den 
Bergschluchten  hervortreten  j  erfreut  sich  die  Avichtige  russische 
Niederlassung  Fort  Wiernoje  ^),  heute  eine  kleine  Stadt  von  4  bis 
5000  Seelen,  1854  von  Kosaken  und  ausgewanderten  russischen 
Colonisten  gegründet.  Die  Gehänge  des  nahen  transilischen  Ala- 
Tau,  reichlich  mit  ssibirischen  Tannen  bestanden,  haben  das  nöthigc 
Älaterial  zum  Baue  von  Wohnungen  geschaffen ;  die  Flüsse  Aksay 
und  Almaty,  deren  Thal  mit  Obstbäumen  bedeckt,  nnissten  zur 
Bewässerung  der  Felder  und  Anpflanzungen  dienen  und  der  Acker- 
bau  Idüht   an  diesem  wenig  gekannten   Punkte  Asiens. 


1)  W.  Rnilloff.  Das  Ili-Thnl  in  Iloclinsicn  und  seine  Bewolmrr.  (Peter- 
m  a  n  n's  Gcogr.  Mittlicilungm  ,  1866,  ir-  88 — 97  und  250 — 264),  eine  nanientlicli  in  cttino- 
rgnphischor  Hinsicht  sehr  eingehende,  lesensvverthe  Arbeit 

2)  3130  Fusä  nach  dem  russischen  Gcncrnlsta  shanptraann  Obulth,  der  auch 
vährend  eines  gansien  Jalires  in  Wiernoje  meteorologische  Brobaclitungen  anstellte. 
^C  de  Sahir.  Aper(;\i  des  r(5cen(es  explorations  des  Kusses  dans  l'Asie  centrale.  Lc  pays 
des  scpt  rivicrca  et  la  contree  transilicnne,  im  Bulletin  de  la  Socicic  de  geograidiie 
Paris,  1861,  T.  II.  S-  335—364.) 

3)  Üeber  die  Wichtigkeit  (Hesca  Ortes,  siehe:  Michel  W' o  1  k  o  w ,  Noticc  sur 
le  pays  transilicn.    (Bulletin  de  la  Societe  de  Geographie,  Paris  1861,  T.  II,  S.  113 — 119.) 


IV.   Capitel. 

Die  Landschaften  am  Ssyr  und  Amu-Darjä. 


Während  dem  kaspisclien  ^leere  ausser  dorn  Aral  von  be- 
deutenderen Gewässern  nur  die  End)a  (^Jasfiis  der  Alten)  aus  den 
von  uns  betrachteten  Gegenden  zufliesst,  nimmt  der  Aral  die  beiden 
wicbtigsten  Ströme  Gentralasiens,  den  Jaxartes  und  den  Oxus  der 
Alten,   auf. 

Der  Jaxartes')  der  jetzige  Ssyr-Darjä  fDarja,  auf  per- 
sisch :  Meer,  Strom;  die  Araber  nennen  den  Fluss  Sihün,  Sei- 
hün)  ist  luis,  was  seinen  Lauf  anbelangt,  noch  theilweise  unbe- 
kannt, daher  auf  allen  Karten  unrichtig  eingezeichnet.  Seine  Länge 
beträgt  im  Ganzen  etwa  400  INIeilen,  wovon  200  schiftbar  sind. 
Erst  in  jünster  Zeit,  1863,  durch  die  Entdeckungsfahrt  des  russi- 
schen Contreadmii-als  Alexis  Butakow  -),  welcher  den  Strom  zwischen 
dem  Fort  Perowski  und  dem  Orte  Bayldyr-Tugai  erfoi'schte,  ist 
einiges  Licht  auf  die  Toi)ograf:e  des  Ssyr  geworfen  worden.  Seine 
Quellen  wurden  aber  erst  1869  durch  Baron  Kaulbars  entdeckt, 
dessen  Aufnahmen  die  verschiedenen  Ketten  des  Tian-Schan  Systems 
von  der  Grenze  des  Chanats-Chokan  und  dem  Thale  des  Aksai  im 
Südwesten  bis  zum  Tengri-Chan  und  ]SIusart-Clian  im  Nordosten 
umfassten  und  die  Quelle  des  Naryn  —  seines  östlicheren  und 
längeren  Quellstromes  —  in  einem  Gletscher  der  Ak-Schirak-Bergc, 
nahezu  im  Meridian  des  Ostendes  vom  Iss*ikul-See  nachgewiesen 
haben.  Der  Ssyr  entspringt  also  im  Tian-Schan,  ist  aber  in 
seinem    oberen    Laufe,   oberhalb    Chokand's,    wo    er    aus    der  Ver- 


1)  Der  Jaxartes  oder  Orxanthes  wird  bei  einigen  alten  Schriftstellern  auch  Ara.ves 
genannt.  Die  Geschichtsschreiber  Alexanders  des  Grossen  heissen  ihn  (fälschlich) 
Tanclis,  die  Massageten  Silis. 

2)  Notiz  über  den  oberen  Lanf  des  Ssyr-Darjä  (Jaxartes)  zwischen  dem  Port 
Peroffski  und  Bayldyr-Tuga'i  (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin,  1866, 
Nr.  2,  S.  114 — 128),  ne'ost  wichtiger  Übersichtskarte  des  Ssyr  mit  den  durch  die  neue 
Recognoscirung  veränderten  Positionen  und  einem  Vorzcichniss  der  in  jenen  Gegenden 
astronomisch  bestimmten  Punkte. 


40  Die  Landschaften  am  Ssyr  und  Amu-Darjä. 

einigung  des  Naryn  ')  und  dos  Gutitschan  entsteht,  bis  Bayldyr- 
Tugai,  807  Werst  von  Ak-]Mesdsched  (Port  Perowski)  wenig  be- 
kannt; auf  letzterer  Strecke  fliesst  er  breit  und  tief  als  inijiosante 
Masse  nur  in  Einem  Bette  zwischen  niedrigen,  theils  thonigen  und 
salzhaltigen,  theils  sandigen  Ufern,  über  welche  er  bei  Hochwasser 
weit  hinaustritt,  und  nimmt  mehrere  nicht  unbedeutende  Neben- 
flüsse auf,  ein  Land  bewässernd,  dessen  üjjpige  Vegetation  nur  in 
den  fruchtbaren  Thälern  Indiens  ihres  Gleichen  sucht.  Von  Chod- 
schand  bis  Ilazret-i-Turkestan  strömt  er  nach  Norden  imd  fliesst 
der  Sandwüste  Kyzyl-Küm  entlang.  Hier  gewinnt  dann  Alles  ein 
anderes  Aussehen;  seine  Ufer  werden  nackt  und  unfruchtbar;  bald 
tief  eingebettet,  ist  er  von  der  Steppe  nur  durch  einen  schmalen 
Streif  von  Dschungeln  getrennt ,  bald  hingegen  sein  niedriges  Bett 
verlassend,  überfluthet  er  die  Umgebung,  Schilflagunen  und  unpas- 
sirbare  Sümpfe  bildend,  die  sich  weithin,  oft  mehrere  hundert 
INIeilen  weit  in  die  Ebene  erstrecken.  Nur  an  den  Orten,  wo  das 
steile  Ufer  dem  Fluss  höchstens  bei  Hochwasser  auszutreten  ge- 
stattet, treibt  der  Kirghise  Ackerbau  und  soll,  wie  man  sagt,  der 
durch  die  P^'lussalhnionen  gedüngte  Boden  reichliche  Ernten  ge- 
^^•illlren. 

Gewiss  ist,  dass  dort,  wo  die  Hochwasser  abgelaufen,  das 
überschwemmte  Land  prächtigen  Graswuchs  darbietet,  ^veshalb  die 
Kirghieen  sich  in  den  Wintermonaten  dort  einfinden.  Inmitten 
dieser  W^icsen  erheben  sich  da  und  dort  Sandhügel  von  30 — 40' 
Höhe;  sie  sind  meist  mit  Tamarix,  Turanga  und  Dsclüda,  die 
7  —  8'  hohen  Ufergegenden  mit  Tamarix,  Disteln  und  Saxaul  be- 
wachsen. Die  vielen  Inseln,  manche  3  Werst  lang,  sind  gewöhn- 
lich mit  undurchdringlichem  Gebüsch  bedeckt,  worin  Tiger  hausen. 
Die  Breite  dos  Stromes  beträgt  von  150—400^',  die  Tiefe  3—6", 
die  Schnelligkeit  des  Laufes  bis  zu  7  Werst  in  der  Stunde,  die 
mittlere  Geschwindigkeit  4 '/g  —  6  Werst.  Das  W^asser  ist  trübe 
und  gelblich,  schmeckt  aber  süss  und  angenehm,  sobald  es  sich 
gesetzt  hat,   und  ist  gesund. 

Nirgends  fand  Butakow  eine  menschliche  Wohmmg  am  Ufer 
dos  Jaxartes,  selten  nur  bebaute  Felder.  Gegenwärtig  ist  dieser 
majestätische  Strom  bis  zum  Fort  Tschulak,  der  am  weitesten 
gegen  Osten  vorgescliobcnen  unter  den  russischen  Jaxartes-Festun- 
gen,  eine  totale  Einöde.  In  alten  Zeiten  war  er  eine  von  Schiffen 
belebte  Handelsstrasse;  Butakow  fand  an  seinen  Ufern   die  Ruinen 


1)  Schon  Adricn  Bnlbi,  auf  Klaproth's  Mitteilungen  gestützt,  hielt  den  Naryn 
für  den  oberen  Lauf  des  Ssyr  selbst  (Abrege  de  göographie-  Paris,  1S33,  S-  685),  und  die 
neueren,  russischen  Forschungen  bestätigen  diese  Ansicht  vollkommen.  Der  Naryn  oder 
Ta  aUhai  bewegt  sich  in  dem  schmalen  Thale  zwischen  den  beiden  fast  parallel  ziehen- 
den Ketten  des  Tian-Schan  nach  West-Süd-West  hinab;  1SG7  drang  der  Chef  der  furke- 
stänischon  wissenschaftlichen  Expedition,  Herr  Ss  äw  erzow  sehr  nahe  zu  seinen  Quellen. 


l)ic  tjanclschaftoii  am  Ssyr  und  Amu-iD.arjn.  41 

von  Städten,  wio  z.  B.  Otrar,  wo  Tamerlan  starb,  und  von  Tun- 
kat,  das  dieser  gewaltige  Herrsclier  zerstört.  Die  Uferregionen  des 
Ssyr  ober-  und  unterhalb  des  Fort  Tschulak  bilden  einen  schrofl'en 
Gegensatz.  15is  uacli  Tschulak  herrscht  die  Wüste,  unterhalb  da- 
gegen findet  man  Leben  und  Thiitigkeit,  denn  hier  sind  Personen 
und  Eigentlunn  unter  dem  Schutze  der  Russen  gesichert.  AVeit 
und  breit  sind  die  Felder  gut  bestellt  und  liefern  reichen  Ertrag, 
die  Aule  der  Kirghisen  haben  zahlreiche  Bewohner,  viele  Ilecrden 
und  gute  Kibitka's;  bei  Fort  Nr.  1  (Kazaly),  wo  sich  eine  Ko- 
saken-Colonie  befindet,  wächst  vortrefflicher  AVein,  und  die  A'er- 
suche  mit   dem   Aidiau   der  Baumwolle   sind  gelungen. 

Von  den  Zuttüssen  des  Ssyr-Darja  hat  Butakow  nur  zwei 
gesehen,  die  beide  am  rechten  Ufer  münden,  nämlich  den  Aryss 
und  den  Sauran-Ssu.  Von  der  ^lündung  des  Aryss,  in  der  Nähe 
der  Ruinen  von  Otrar,  bis  zum  Fort  Utsch-Kajuk  (d.  i.  drei 
Boote)  das  auf  sumpfigen  Boden  steht,  beträgt  die  Entfernung  127 
Werst.  Dieser  Fluss  hat  denselben  Charakter  wie  der  Ssyr,  ähn- 
liche Krümmimgen  und  Inseln,  niedrige,  der  Ueberschwemmung 
ausgesetzte  Ufer  und  dieselbe  Vegetation.  Der  Sauran-Ssu  fällt 
in  den  Hauptstrom  bei  Au-Dschar,  38  Werst  unterhalb  Utsch- 
Knjuk;  die  anderen  Flüsse,  welche  vom  Kara-Tau  herab  kommen, 
sind:  der  Initschke,  an  die  dem  Stadt  Turkestän  liegt,  der  Kara'it- 
schik,  9  Werst  weiter  abwärts,  und  der  Sart-Ssu:  sie  alle  ge- 
langen aber  eigentlich  nicht  bis  zmn  Hauptsrom,  sondern  verlieren 
sich   in   Morästen  ^). 

Bei  Ak-Mesdsched  (Ah-Meschlied,  weisses  Märtyrergrab,  weisse 
Moschee)  tlieilt  sich  der  Ssyr  in  drei  Arme;  der  nördliche  behält 
den  Namen  Ssyr,  der  mittlere  heisst  Kuwän-Darjä,  der  südliche 
.Tany-Darja.  Von  der  Theilung  an  erstreckt  sich  die  Wüste  Kai-a- 
Küm  nach  Nordwest.  Der  Kuwän  wendet  sich  nach  W^esten  und 
theilt  sich  in  fünf  Arnie,  die  sich  wieder  vereinigen  und  dann  im 
Sande  verlieren.  Der  Unterlauf  bis  zum  Aral,  in  neuerer  Zeit  ge- 
nauer erforscht,  theilt  sich  auch  in  mehrere  Arme,  grosse  Inseln 
umschliessend ;  er  ist  übrigens  beständig  neuen  Veränderungen 
unterworfen ,  wie  sich  dies  aus  der  lockeren  Beschaftenheit  -'der 
Stronuifer  und  der  Abwesenheit  jeder  vSteinart  im  Bette  erklärt. 
Trotz  der  Krümmungen  und  Untiefen  —  an  manclien  Stellen  hat 
er  nur  31/2'  Wasser  —  ist  er  doch  schon  seit  1845  von  den 
Russen  auch  mit  Dampfschiffen  befahren.  Er  friert  im  December  zu 
und  geht  im  März  auf.  Das  ganze  Land  ringsumher  trägt  den 
Charakter  eines  ehemaligen  INIeeresbodens.  Der  salzreiche,  thonige 
Thalgrund    ist    in    seinem    unteren    Theile    bei    der  künstlichen  und 


1)  Ailmival   Butakow'ä    Fahrten   auf   dem  Jaxartes.     (Globus,    1865,    Bil.    YIII, 
S.  113—114.) 

5 


43  t>ic  Landschaftpn  am  Ssyr  und  Amu-t)arjä. 

Überaus  kunstvollen  Bewässening  für  den  Ackerbau  geeignet;  im 
Sommer  felüt  es  ganz  an  Regen,  und  avo  kein  Wasser  hingelangt, 
erscheint  der  Boden  als  Wüste,  bedeckt  sich  mit  Salz  und  trägt 
nur  Avenige  stachelichtc  I'flanzen.  Alle  Gemüse  gedeihen  in  Fülle, 
treffliche  Früchte  und  selbst  der  "Wein.  In  den  schiltigen  INloriisten 
des  Älündungsgcbietes  hausen  Wolken  von  Älücken  und  Heu- 
schrecken und  wilde  Schweine. 

Der  Ssyr  ist  der  eigentliche  llauptstroin  der  Landschaft  Cho- 
kan,  deren  grosserer  Theil,  östlich  vom  Ssyr  gelegen,  gebirgig,  der 
westlich  vom  Fluss  gelegene  Theil  dagegen  Sandwüste  ist.  Da 
die  Ufer  des  Ssyr  im  Allgemeinen  auch  sandig  sind,  so  liegen  die 
bedeutenderen  Städte  alle  ziemlich  fern  davon;  alle  übrigen 
Flüsse  des  Landes  fliessen  ihm  zu;  sie  sind  alle  zu  durchwaten, 
ausgenommen  im  Frühling.  Die  Hochthäler  der  Gebirge,  welche 
Chokan  im  Süden  und  Südosten  abschliessen,  sind  mit  ewigem 
Schnee  bedeckt,  haben  aber  im  Sommer  ein  sehr  mildes,  der  Vieh- 
zucht höchst  günstiges  Klima.  In  der  Ebene  fällt  selten  Schnee, 
wenngleich  es  Nächte  gibt,  in  denen  das  Thermometer  auf  —  10" 
fällt,  und  in  den  Bergen  um  Taschkend  (türkisch:  Steinstadt) 
stellen  sich  heftige  Winterstürme  ein.  Die  Steppen  dagegen  leiden 
an  übermässiger  Sonmierhitze.  Im  INIärz  bekleidet  sich  der  Boden 
mit  reichem  Grün  und  duftigen  Blumen,  xmd  vor  Anfang  Mai 
blüht  und  duftet  Alles.  Die  Hitze  steigt  endlich  bis  auf  40",  und 
somit  vergeht  jede  Spur  der  Vegetation;  man  gewahrt  alsdann  nur 
den  nackten  Sand  und  Lehm,  der  von  der  Hitze  geborsten  ist. 
Einige  Ivi-äuter  finden  sich  nur  noch  an  den  Quellen,  Bächen  und 
in  Bei'g Schluchten.  Obwohl  der  Regen  im  Sonnner  fast  ganz  fehlt, 
so  gedeihen  bei  künstlicher  Bewässerung  doch  fast  alle  Getreide- 
arten reichlich,  und  das  künstlich  erzeugte  Gras  wird  bis  viermal 
gemäht.  Im  September  und  October  lässt  die  Hitze  nach,  und 
noch  im  November  haben  die  Tage  stets  15"  Wärme.  Als  Nord- 
grenze des  Landes  gilt  der  Tschui,  ein  echter  Stcppenfluss  mit 
brackigem  Wasser,  70  Meilen  lang.  Er  entspringt  auf  der  Höhe 
des  Muz-Tagh  und  tritt  in  das  Thal  des  Bergsees  Issi-Kul ,  5 
Werst  vom  westlichen  Ufer  dieses  Sees  ein.  Zwischen  dem 
Tschui  und  dem  salzigen,  hellblauen  stürmischen  See  liegt  eine  nur 
wenig  nach   Osten    geneigte    Ebene.      Der    Issi-KuP)    selbst,    über 


1)  Issi-Kul  der  Türken  und  Iii-llai  der  Chüicscii  bedeuten  beide:  warmer  Soo; 
die  Kalmyken  nennen  ihn  Tetnmtu-Xoor.  Xoor  (Xor) ,  eine  Contraction  von  naghoi; 
hoisst  im  Mongolischen,  Kul  im  'IMirkischen  See;  die  Russen  haben  für  den  Namen  des 
Sees  die  Schreibweise  Jssyk-Kul  festgesetzt,  72  Flüsse  und  Bäche  münden  in  ihn;  er 
friert  nie  zu;  doch  sind  seine  Zuflüsse  wäbrend  dreier  Monate  im  Jahr  mit  Eis  bedeckt, 
obwohl  im  Sommer  kein  Unterschied  zwischen  der  Temperatur  des  Seewassers  und  der 
der  Zuflüsse  ist.  Das  Seewasser,  obwohl  salzig,  ist  doch  trinkbar.  Schon  1858  und  1859 
\\urden  unter  Golubew  und  dann  unter  Weniukow  die  Umgebungen  des  Issi-kul  und  die 
Tbäler  des  Tschui  und  Kotsohgar  topographisch  aufgenommen. 


Die  Laiidscliafteu  am  Ssyr  uud  Amu-Darja.  43 

21  ISIeilcn  (161  ^Vcrst)  lang,  bis  7  INIeilen  (50  Werst)  breit, 
335,1  C  Meilen  gross  in  4691,5  P.  F.  Meercsliölie  liegt  in  tiefem 
Kessel  auf  einem  10 — 15  Meilen  breiten  Plateau  zwischen  dem 
]Muzart  im  Süden  und  dem  Kungi-  oder  Ala-Tau  im  Norden  und 
galt  lange  für  den  Quellsee  des  Tschui ;  indess  fliesst  nur  eine 
schmale  Wasserader,  Kutemaldy,  vom  Tschui  in  den  mit  flachen 
grasreichen  Ufern  ausgestatteten  Bergsee.  Der  X^'^chui  fliesst 
zwischen  massigen  Höhen,  dann  zwischen  ganz  flachen  Steppen- 
ufern nach  Nordwest  und  West  und  ergiesst  sich  in  den  Steppen- 
see Telc-Kul.  Hier  begegnet  er  dem  aus  den  Ildighis-Ciebirgen 
herabkonniienden  Ssyri-Ssu  oder  Ssary-Ssu ,  (türkisch :  gelbes 
Wasser),  der  in  nordost-südwcstlichcr  Richtung  die  Kirghisen- 
stei)pe  durchschneiclet  und  gleichfalls  im  Tele-Kul  sein  Ende  findet. 
Der  zweitwichtigste  Strom  des  Landes  ist  der  Amu-Darjä 
oder  Dscheihün,  (Dschihün  der  Araber),  der  Oxus  der  Alten,  der 
in  Betreff  seines  befruchtenden  Einflusses  mit  dem  Nil  vcrglicheu 
werden  kann;  sein  gelbes  A\'asscr,  obwohl  im  eigentlichen  Fluss- 
bett nicht  so  gut  trinkbar  wie  in  den  Canälen  und  Gräben ,  wo 
sich  der  Sand  schon  gesetzt  hat,  knirscht  unter  den  Zähnen,  als 
ob  man  in  einen  Sandkuchen  beisst;  was  aber  den  süssen  und 
guten  (Icschmack  anbelangt,  so  behaupten  die  Chiwaner  imd  Väm- 
bery  mit  ihnen,  dass  darin  kein  Fluss  auf  Erden,  selbst  nicht  der 
Nil,  ,,der  gesegnete"  (Mubarek)  dem  Amu  gleichkomme  ^).  Er 
entquillt  dem  kleinen  Alpensee  Ssary-Kul  (türkisch:  gelber  See; 
Humboldt    schreibt:     Sir-i-kol  ^)    oder    Yictoria-Lake ,    der    in    den 


1)  Väiiibery.  tjber  die  Produktionsfähigkeit  der  drei  turkestänischen  Stcppeu- 
ländcr.     („Unsere  Zeit.«  1866,  II,  S-  295.) 

2)  Die  Quollen  des  Oxus  wurden  183S  von  Lieutenant  John  Wood  (Journcy 
to  tlie  sources  of  the  river  Oxus)  in  diesem  See  entdeckt.  Au  die  Oxusquellcn  knüpft 
sich  eine  wissenschaftliche  Discussion,  die  vor  einigen  Jahren  grosses  Aufsehen  in  ge- 
lehrten Kreisen  hervorrief.  Der  sehr  verdienstvolle  russische  Reisende  Weniukow 
hatte  nünilich  1861  im  „Journal  of  de  R.  geographical  Society"  zu  London  die  Denkschrift 
eines  Ungenannten:  „Ü'ber  das  Hochplateau  von  Pamir  tind  die  Quellen  des  Oxus  in 
Ccntralasicn"  verötfentlicht.  Dieses  Memoire  gibt  eine  Beschreibung  jenes  Districtcs,  und 
zwar  nach  dem  Berichte  eines  im  russischen  Kriegsdepot  zu  St.  Petersburg  im  Maniis- 
crijit  aufgefundenen  Rcisejournals.   Der  Verfasser  des  mit  der  Jahreszalil  1806  versehenen 

Manuscriptcs    gibt  vor,    ein  Deutscher,    Georg    Ludwig    v zu  sein,    der    von    der 

ostindischen  Compagnie  mit  dem  Ankaufe  von  Pferden  in  jenen  von  ihm  beschriebenen 
Gegenden  betraut  gewesen.  (Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1861,  S.  274.  —  Sa- 
piski  der  kais.  russischen  geographischen  Gesellschaft,  1861.)  Dieses  Schriftstück  nun  , 
dessen  Angaben  als  durchaus  zuverlässig  betrachtet  und  von  den  besten  Kartographen 
benützt  worden  sind,  ist  nach  der  auf  weitschiehtigen  und  gründlichen  Nachforschungen 
beruhenden  Üebcrzeugung  von  Sir  II.  E.  Rawlinson  —  wie  in  der  Sitzung  der  Londoner 
geographischen  Gesellschaft  vom  26.  März  1866  mitgetheilt  —  weiter  Nichts,  als  eine 
ausgearbeitete  Erdichtung.  Die  Ilauptarguniente,  die  derselbe  für  seine  Ansicht  aufführt, 
sind  folgende:  Im  Manuscript  wird  von  einem  noch  thätigen  Vulkan  im  Norden  von 
Srinaggar  erzählt,  während  in  jener  gegenwärtig  kaum  weniger  denn  England  durch- 
forschten  Gegend  nie    etwas   von   einem   Vulkan  bekannt  geworden   sei.    Der  Verfasser 


44  Die  Lniulscliaftcii  am  Ssyr  und  Anni-Darja. 

Gebirgen  liegt,  welche  das  Plateau  von  Pamir  begrenzen,  in  15.230 
P.  F.  Sechühe,  strömt  nach  Süihvest  und  \Yendet  srcli  dann  nach 
Nordwest  um  sich  in  das  südliche  Ende  des  Aralsees  zu  ergiessen. 
Nach  den  vorhandenen  ^Messungen  führt  er  in  seinem  untersten 
Laufe  3000  Kubikmeter  ^Yasscr  per  Sekunde  (der  Khein  2500, 
die  Rhone  2000)  ).  Ueber  seine  Schifi'barkeit  liegen  abweichende 
Nachrichten  .vor;  nach  Einigen  soll  er  in  einem  grossen  Theilc 
seines  Laufes,  nach  Lenz  für  Boote,  und  nach  Vämbcry  ^)  überhaupt 
schwer  schiffbar  sein;  der  ganze  Obci-lauf  l)leibt  im  Winter  ge- 
froren, und  im  strengen  "\^'inter  sogar  der  L^nterlauf.  Er  durch- 
fliesst  zunächst  das  kalte  Bergland  Wochän,  wo  er  fünf  Zuflüsse 
aufnimmt;  berührt  rechts  das  bergige  Badachschan,  ein  malerisches 
Land,  berühmt  durch  sein  schönes  Klima  und  seine  Eubingruben; 
hier  nimmt  er  namentlich  den  Badachschiln  auf  und  heisst  von  da 
an  Amu.  Rechts  von  ihm  liegt  das  schwach  bevölkerte,  gebirgige 
Kluitel,  weiterhin  südlich  vom  Flusse  das  Thal  von  Kundüz,  nörd- 
lich die  Oase  Hissar  (arabisch :  Fort),  berühmt  durch  ihre  Messer- 
fabrication;  im  Westen  des  ersteren  liegt  das  Thal  Hulum  und 
weiterhin  das  Land  Balch,  durch  einen  dürren  Landstrich  von  .Vnui 
getrennt.  Noch  weiter  links  von  ihm  dehnt  sich  die  turkomanischc 
oder  charesmische  Wüste,  rechts  jene  von  Kyzyl-Küm  aus.  Seinen 
bedeutendsten  Nebenfluss,  den  Ak-Serai,  empfangt  er  aus  Kundüz, 
und  von  dessen  Mündung  an  ist  er  schiffbar.  }ioi  dem  etwa  150 
Häuser  zählenden,  von  ackerbautreibenden  Turkomanen  und  Us- 
beken bewohnten  Städtchen  Kerki  (Kirki)  —  einer  Grenzfestung 
auf  der  Strasse  nach  Herat  und  Schlüssel,  zu  Bochära  — -  ist  der 
Oxus  800  Schritte  breit,  fliesst  stark,  hat  aber  viele  Sandbänke 
und  seichte  Stellen.  Im  mittleren  Laufe  hat  er  2100 — 2400  P. 
F.  Breite  und  6  —  24  F.  Tiefe;  ehe  er  mündet,  bildet  er  ein 
sumpfiges,  ganz  mit  Schilf  bedecktes  Delta,  dessen  centraler  Theil 
eine  Art  von   Depression   bildet,   und   dessen   2 — 3'  tiefe  Flussarme 


will  ferner  Strecken  in  ZcitiUunicn  xiirückgclcgt  halten,  in  denen  sie  sieli  nninöglidi  zu- 
rücklegen licssen,  wie  z.  B.  die  120  engl.  Meilen  zwisclicu  Si'iiiiiggar  uinl  dem  Indus  in 
dem  gcLirgigen,  unwegsamen  Lande,  in  zwei,  und  die  SIrccke  zwischen  d  in  Indus  und 
Kaschgar  in  'Jö  Tagen.  Nachforschungen,  die  Sir  II.  E.  I{  a  w  1  i  n  s  o  n  in  den  Arcliivcn 
des  indischen  Anitos  in  England  sowohl  als  in  Indien  angestellt,  ergehen,  dass  Kicmand 
in  jonoi-  Zeit  von  der  ostindisclion  Compagnie  mit  Pferd eaikäufen  heauftragt  gewesen 
war,  und  dass  kein  Lieutenant  llnrvcy,  den  der  Verfasser  als  seinen  Begleiter  angiht, 
sieh  damals  auf  der  indischen  Arnicclistc  hefainl.  Ausser  diesen  führt  Oherst  Uawlin- 
son  noch  eine  ganze  lleiho  von  tlieils  nachweislich  falschen,  theils  höchst  verdächtigen 
Angaben  jener  Schrift  an,  die  sie  als  rälschung  erscheinen  lassen;  trotzdem  hat  bis 
jetzt  keine  der  entgegenstehenden  Ansichten  entschieden  gesiegt. 

1)  R.  Lenz.  Unsere  Kenntnisse  über  den  früheren  Lauf  des  Amu-Dnrjü.  öt.  Peters- 
burg 1S70.  4°  (Mcm.  de  l'Acad.  Imp.  d.  Sciences  d.  St.  Pctcrsbourg.) 

2)  Kusslaud  und  das  Chanat  Chiwa.  (Allg.  Ztg.  1870  Nr.  38.) 


Die  Landschaften  am  Ssyr  und  Amu-Daijä.  45 

beständigen  Veränderungen  unterwoi'fen  sin  d,  wie  sclion  Humboldt 
in   seinem  grossen   Werke   über   Centralasien ')  nachgewiesen  hcat. 

Der  östliche  Arm  des  Amu-Deltas  heisst  Kuwän-Darja,  oder 
Kuk  {gök,  türkisch :  blau)  und  in  der  Nähe  des  Sees  Jany-Ssu, 
der  neue  Fluss ;  1849  mündete  der  grössere  Theil  der  Wassermasse 
des  Amu  durch  diesen  Arm,  und  Butakow  konnte  9  '/a  ]\Iiles  von 
der  Mündung  entfernt,  im  Aral  süsses  Wasser  schöpfen;  223/4 
Miles  aufwärts  von  der  Mündung  zieht  eine  Felsenleiste,  die  nur 
1'2 — 23/4'  Tiefe  zeigt,  gerade  durch  das  Bett  des  Jany-Ssu, 
welcher  oberhalb  50 — 80  Faden  breit  und  5  —  8  Fuss  tief  ist. 
Nachdem  dieser  östliche  Arm  vom  Amu  sich  abgesondert  hat, 
flicsst  dieser  gegen  Nordwest  und  Nord;  er  sendet  viele  kleine 
Zw^eige  aus  und  einen  grösseren  Canal,  den  Karabaili,  welcher  sich 
über  die  Deltadepressionen  verbreitet;  aus  diesem  fliesst  dann  das 
Wasser  in  den  Ulu-Darjä  (^uhi.,  türkisch:  gross,  darjd,  persisch: 
Fluss,  Meer)  zusammen  und  findet  in  grösster  INIengc  seinen  AVeg 
in  den  Aral.  Westlich  vom  Uhi-Dai-jä,  liegt  die  Taldyk-]Mündung, 
die  1849  eine  rasche  Strömung,  3'  Wasser  auf  der  Barre,  1858 
aber  nur  mehr   I1/2'  hatte. 

Der  Amu  ist  der  Ilauptstroin  von  Bochara  und  Chiwa.  ly 
der  ersteren  dieser  beiden  Jjandschaften  troffen  ^vir  noch  den  Zeraf- 
schän  (Zaräfscluui)  und  Sogd,  den  Kaschka  und  Balch  als  wich- 
tigste Wasseradern.  Der  87  Meilen  lange  Kohik  oder  Zeraf- 
schän  (persisch  von  zer,  Gold:  Goldspender,  Goldstreuer),  der 
Polymetos  der  Griechen  entspringt  wie  die  1870  ausgeführte,  halb  mili- 
tärische, halb  wissenschaftliche  Expedition  des  General  Abramow 
gezeigt,  etwa  20  Meilen  östlicher  als  man  bisher  glavibte  j  aus 
einem  7  ^^2  deutsche  Meilen  langen  Gletscher  etwa  unter  dem 
Meridian  von  Chokand  an  der  Schneegrenze  der  Kette  des  Fou- 
Tagh  und  der  üstgrenze  Bochära's  und  behält  auf  einer  Länge 
von  mehr  denn  5*'  (zwischen  Usruschnah  und  Bochara)  sehr  regel- 
mässig die  Richtung  einer  Parallele  zum  Aequator  bei  -).  Jenseits 
Pendschakend  (persisch :  Fünfd orfschaften),  tritt  er  in  ein  breites 
Thal ,  das  hinter  Samarkand  eine  offene  Ebene  wird  und  jenseits 
Bochara  eine  Sandsteppe.  Im  Westen  von  Bochara  wendet  er 
sich  plötzlich  nach  Süden  und  ergicsst  sich  in  den  kleinen  See 
Karakul  (türkisch :  schwarzer  See).  Die  Pässe  über  das  Scheide- 
gebirge  zwischen  Zerafschän  und  Ssyr-Darjä  wurden  15 — 16000' 
hoch  gefunden.  Zahlreiche  Canälc  sind  vom  Zerafschän  abge- 
leitet ;  er  bewässert  die  unfern  von  seinenx  linken  Ufer  gelegene 
Stadt    Bochara  •*),    ,,dic    edle,''    die   jetzige    Hauptstadt    des    gleich- 

1)  Asie  centrale.  Paris,  1843  Vol.  II,  p.  US-lGl. 

2)  Humboldt.     Asie  centrale.  II,  p.  55. 

3)  Büchära  selbst  liegt  streng  genommen  am  Khoirabad,   einem  Zuflüsse  des  Zeraf- 
schän.    (Ibid.  II,  p.  17.) 


46  Die  Landscliaftcn  am  Ssyr  und  Amu-Durjä. 

iiaiiiigou  Reiches,  und  das  dcavoii  2403/4  Werst,  oder  34 — 35 
deutsche  Meilen,  also  fünf  Tagereisen  stromaufwärts  entfernte 
Öaniarkand ,  Tanierlan's  alte  Residenz  ^).  Das  Terrain  zwischen 
heiden  Städten  ist  thcilweise  vortrefflich  angehaut.  Wo  das  hreitc 
Thal  beginnt,  da  liegt  bis  nahe  an  Bochara  eine  fast  luiunter- 
brochene  Kette  von  Ortschaften  auf  dem  ebenen  fruchtbaren  Ter- 
rain, das  der  Zerafschän  zurückgelassen,  der  ehedem  viel  wasser- 
reicher gewesen  sein  muss.  Ebenda  liegen  auch  die  dazu  ge- 
hörenden Dörfer,  sowie  die  Gärten  zur  Obst-  und  Seidenzucht, 
und  die  mit  Baumwolle,  Kürbis,  Arbusen,  Weizen,  Gerste  und 
jMais  bestellten  Felder.  Andrerseits  zeigt  sich  aber  auch  ein 
schrofter  Gegensatz  von  Unfruchtoarkeit,  z.  B.  in  der  nahen 
INIälik-Wüste.  AVciter  östlich  aber  ist  wieder  üppiger  Bodan. 
Ein  weiter  Landstrich  am  Zerafschän  bis  in  die  Gegend  von 
Samarkand  ist  von  Feldern  mit  Reis,  ,, dieser  unersättlichen  Cere- 
alie"^  bedeckt  -).  Zwischen  Samarkand  und  dem  18  deutsche 
]Meilen  entfernten  Karschi  3)  am  Flusse  Ab-i-Scher-i-Ssebz,  welcher 
aus  dem  kleinen  gleichnamigen  Chanate  *)  hervorströmt,  liegt  aber- 
mals eine  ^^'üstc,  die  jedoch  bei  weitem  nicht  so  gefährlich  ist 
wie  die  übrigen.  Sie  wird  nach  allen  Richtungen  durchzogen  und 
besitzt  tiefe  Brunnen   mit  ziemlich  gutem  Trinkwasser. 

Das  ganze  weite  Gebiet,  dessen  Schilderung  Avir  im  Vor- 
strheuden  versucht ,  zerfällt  heutzutage  in  mehrere  unabhängige, 
doch  ihrem  Ende   sichtbar  entgegenschreitende  Staaten,    deren    be- 


1)  Ül)cr Samarkand  berichtet  Marco  Polo,  der  schwerlich  selbst  dort  gewesen, 
nur  wenig  (Le  livre  de  Marc  Pol.  Ed.  Pauthier.  I.  Vol.  Chapitrc  I.  C);  genauere  Kunde 
erhielt  mau  erst  durch  den  spanischen  Ritter  Don  Ruiz  Gonzalez  de  CUivijo,  der 
1104  in  Samarkand  verweilte-  Seitdem  verstrichen  vier  Jahrhunderte,  in  denen  kein 
gebildeter  Europäer  dahin  gckonimen ,  wenn  man  von  dem  russischen  Edelmann 
Chochlnw,  1625,  und  dem  russischen  Unterofficicr  Jefrcmow  abschen  will,  der  1774 
dorthin  als  Sclave  verkauft  wurde.  Lehmann  und  Chanykow  besuchten  die  seither 
gänzlich  verfallene  Stadt  im  September  1841. 

2)  Dieses  Gebiet  war  vor  Alexander  Lehmann  noch  niemals  wissenschaftlich 
diirchfoischt  worden. 

3)  Karschi,  das  alte  Xachscheb ,  ist  durch  Grosse  und  llandclsbedcutnng  die 
zweitwichtigstc  Stadt  Bochär.i's  ,  hat  10  Karavansercion  ,  einen  gut  versorgten  Bazar,  in 
ruhigen  Zeiten  viel  Transithandcl  zwischen  Bochära,  Kabul  und  Indien,  und  25,000  meist 
usbekische  Einwohner,  welche  den  Kern  der  bocharischen  Truppen  bilden. 

4)  Nach  den  Berichten  des  russischen  Reisendon  Galkin  liegt  Schohr-i-Ssebz 
(persisch:  Grünstadt),  das  alte  Naiicata,  die  Geburtsstätte  des  gewaltigen  Tamcrlan,  im 
Sinlüsten  von  Bochära,  das  Land  besitzt  vortreffliches  Klima,  sehr  fruchtbaren  Boden, 
'1  Festungen,  70,000  sehr  kriegerische,  tatarisch  redende,  sininitischo  Einwohner  und  ist, 
die  westliche  Seite  ausgenommen,  mit  Gebirgen  umgeben.  (Globus,  XIII.  Bd.,  1868,  S. 
63;  Annalcs  des  Voynges  1867,  III.  Bd-,  S.  240—244,  dann  „Der  Schehri-Ssebszische 
District"  in:  Jswästija  der  kais.  russ.  gcogr.  Gesellschaft  zu  St.  Petersburg,  Bd.  I.  1865, 
Nr.  7  in  rusaischcr  Sprache.) 


Die  Landschaften  am  Ssyr  und  Amu-Dnrjä.  47 

deutendste  die  Chanate  von  Cliiwa  i),  Bochrira  und  Chokan  2)  sind ; 
von  ihnen  allein  haben  wir  positivere  Nachrichten ;  über  die  übrigen 
Staaten  Turans,  worunter  Knndüz,  welches  das  Badachschan  er- 
obert hat,  das  wichtigste  ist,  besitzen  Avir  niu'  imbestinnnte  und 
nnzurcichende  Andeutungen.  Ein  Theil  des  südlichen  Turhestan 
ist  heute  eine  afghanische  Provinz,  als  deren  Hauptstadt  das  in 
einer  Steppenoase,  wo  die  vom  Gebirge  konunenden  Flüsse  ver- 
siegen und  versumpfen,  liegende  Balch  (Beleb,  Balkh)  gilt,  wo  der 
Serdar  mit  einer  Garnison  von  10.000  jMann  residirt.  Von  den 
alten  Orientalen  Um-e^-Bildd ,  Mutter  der  Stildte  genannt,  bietet 
Balch  nunmehr  nur  die  Erinnerung  seiner  einstigen  Grösse  in  den 
gewaltigen  Trünunern,  die  einen  Umkreis  von  4  deutschen  ^Meilen 
bedecken.  Balch,  im  frühen  Älittelalter  ein  Hauptsitz  islamitischer 
Cilvilisation,  steht  nahezu  auf  den  Ruinen  des  antiken  Baltrn  ^'), 
von  dem  nur  mehr  einzelne  Erdhaufen  zeigen ,  wo  es  gestanden. 
Der  Ort  ist  nur  im  AVinter  bewohnt ,  denn  schon  im  Frühjahre 
zieht  Alles  nach  d«m  höher  gelegenen  Mesar  (Muzar),  wo  die 
Hitze  nicht  so  drückend  und  die  Luft  nicht  so  schlecht  ist,  wie 
zwischen  den  Trümmern  des  alten  Baktra.  Andchuj,  westlich  von 
Balch,  das  noch  vor  mehr  als  einem  ]\Ienschenalter  50.000  Ein- 
wohner hatte,  zählt  heute  noch  2000  Häuser  und  3000  Zelte  mit 
15.000  Einwohner,  Turkomanen,  Usbeken  und  Tadschiks,  und  liegt 
am  Saume  der  Wüste  oder  in  den  Oasen  derselben.  Obwohl  von 
jeher  ein  besonderes  Chanat,  crkeimt  es  doch  seit  1840  die  Ober- 
herrschaft der  Afghanen  an  und  gehört  zur  afghanischen  Provinz 
Turkestun.  Das  Chanat  INIeymene  allein,  von  tapfem  Usbeken 
vertheidigt,  widerstand  den  afghanischen  Siegern  und  bewahrte  bis 
heute  seine  Unabhängigkeit.  Es  hat,  so  weit  es  bewohnt  ist,  20 
IMeilen  Länge,  18  Meilen  Breite  mid  besteht,  ausser  der  etwa 
1500  Lehmhütten  zählenden  IIau])tstadt,  aus  10  Dörfern  und  Ort- 
schaften, zusammen  100.000  Seelen,  zumeist  L'sbeken ,  welche 
8000   gutbewaffnete  Reiter  in's  Feld  stellen. 

Schon  der  Name  ,, Steppenländer,"  sagt  Yämbery,  der  diese 
selten  besuchten  Gegenden  bereiste,  trägt  viel  dazu  bei,  dass  der 
bewohnte   Theil  Turkestän's  in  Bezug    auf   seine    productive    Kraft 


1)  Kühl  GW  ein.  Abriss  einer  Reise  nach  Chiwa  und  einige  Einzelnheitcn  über 
das  Reich  des  Chans  Said-Muhammcd ,  1856—1860  (Sapislti  der  Itais.  russ.  geogr.  Gesell- 
sellschaft 1861-)  Grigoriew.  Beschreibung  des  Chanats  Chiwa  und  des  von  der  Festung 
Saraitschikow  dahin  führenden  Weges.    (Sapiski  der  kais.  russ.  geogr.  Gesellschaft,  1S61.) 

2)  Karte  des  Chanats  Chokan  (1:  4,200,0(0) mit  Krläuterungen  von  Weniukow 
(Sapiski,   1862,  Bd.  1.) 

3)  Die  Stadt  hioss  Zariaspa  und  war  die  Hauptstadt  der  Landschaft  Baktrin 
Ikcy.initiVrj,  altpersirch  Jiakhtri  im  Zend  Bochdlii,  woraus  im  Mittelalter  Bach!,  neu- 
persisch  Balch),  welche  die  mittlere  fruchtbare  Thalebene  des  Oxus  (persisch  WaVxcha) 
tirafasste.  Später  ward  die  Stadt  gewöhnlich  nur  nach  dem  Landesnamen  Baktra  ge- 
nannt.    Hier  starb  1152  der  berühmte  persische  Lyriker  Enweri. 


48  Die  Lftiidscliafton  am  Ssyi-  und  Amu-Darja 

für  iinl)P(loiiteiul  gehalten  wird.  Die  Einhoimisclion  hingegen  und 
auch  die  orientalischen  Reisenden  und  Geographen ,  wie  P^drisi, 
Il)n-Hanqal ,  Ahulfeda  und  der  gelelirte  Fürst  Baher  gerathen  in 
das  entgegengesetzte  Extrem,  indem  sie  Turkestan  als  eines  der 
reichsten  Länder  der  ganzen  Erde  darstellen  und  nur  Indien  einen 
Vorzug  vor  demselben  zugestehen ;  und  Vambery  selbst  steht  nicht 
an  zu  behaupten,  dass  Turkestan  den  inis  bekannten  Tbeil  der 
europäischen  und  asiatischen  Türkei ,  Afghanistan  und  Pcrsien, 
sowohl  an  Reichthum  als  auch  an  Mannigfaltigkeit  der  Producte 
weit  übertreffe,  ja,  dass  es  sogar  schwer  wäre,  in  dem  sonst  so 
segensreichen  und  blühenden  Europa  ein  Gebiet  zu  finden,  das 
dem  turkestanischen  Steppenlande  gleichgestellt  werden  könnte  '). 
Die  ^Mannigfaltigkeit  der  p]rzeugnisse  ist  ^vesentlicll  durch  die 
klimatischen  Verhältnisse  bedingt,  deren  sich  die  Uferländer  des 
Oxus  und  Jaxai'tes  erfreuen.  Das  Klima  ist  nicht  rauh ,  doch 
kann  man  es  auch  nicht  mild  nennen,  und  obwohl  es  durch- 
schnittlich jenem  von  Mitteleuropa  entspricht,  so  muss  doch  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden,  dass  der  Winter  am  Aralsee  und  in 
dem  gebirgigen  Theil  Chokan's  weit  strenger,  der  Sommer  hin- 
gegen in  südlicher  gelegenen  Gebieten,  besonders  aber  in  Gegen- 
den, welche  in  unmittelbarer  Nähe  der  grossen  Sandwüsten  liegen, 
oft  ein  beinahe  trojnscher,  jedenfalls  aber  viel  wärmer  ist  als  in 
jMittcleuropa.  In  Kun-Chodscha-Ili  und  am  rechten  Ufer  des 
Oxus,  wo  die  Karakalpaken  hausen,  herrscht  gewöhnlich  ein  sehr 
strenger  Winter,  der  Schnee  bleibt  oft  wochenlang  liegen,  xuid 
stürmische  Nordwinde  (Ajamudschiz)  gehören  nicht  zu  den  Selten- 
heiten. Unter  solchen  Verhältnissen  kann  von  einem  milden  Klima 
nicht  die  Rede  sein;  doch  ist  die  Hitze  Anfangs  Jvxni  in  Cliiwa 
schon  unerträglich,  und  im  August  ist  es  mitunter  um  Karschi 
luid  lialch  herum  selbst  im  Schatten  so  drückend  und  schwül,  wie 
es  kaum  in  wirklich  troi)ischen  Gegenden  der  Fall  ist.  Diese 
Differenzen  zeigen  sich  übrigens  im  Pflanzenreiche  schon  auf 
kleineren  Strecken;  so  ist  z.  B.  the  Baumwolle  von  Jany-Urghendsch 
weit  besser  als  die  von  nördlicheren  Districten,  und  die  Seide  von 
Ilezarasp  wird  im  Chanat  von  Cliiwa  für  ein  Product  erster 
Qualität  gehalten.  Den  besten  Reis  liefert  Gürlen ,  und  die  vor- 
züglichsten Früchte  sind  in  der  Umgegend  des  südlicher  gelegenen 
Cliiwa  zu  Hause.  Dieselben  A'erhältnisse  finden  wir  auch  in 
Buchara  und  Chokan,  und  nur  durch  Berücksichtigung  derselben 
wird  es  erklärlich,  warum  jedes  der  drei  Chanate  auf  verhältniss- 
mässig  kleinem  Flächenraum  so  verschiedenartige  Producte  hervor- 
bringt,  wie  man  sie  sonst  nur  in   grösseren  Ländern,   die    mehrere 


1)  II.  Väniböry.  Üeber  die  Produktionsfahigkcit  der  droi  turkestanischen  Steppen- 
lilndrr.     (Unsere  Zeit,  1S66,  II.  S.  291.) 


Die  Landschaften  am  Ssyr  und  Amu-ßarjii.  40 

Zonen  bci-üliren,  antrifft.  Der  Älaulbccrbaum  \Yird  überall  gepflegt, 
und  die  Seidcnzuclit  bildet  den  wicbtigstcn  Gewerbzweig.  Alle 
Getreidearten ,  Krapp ,  Flacbs  und  Hanf  gedeihen  vortrefflich ,  wie 
nicht  minder  Pferde,  Hornvieh,  Esel,  Kanieele  und  alles  Hausge- 
flügel  nebst   Trappen   luid   Fasanen. 

Was  die  in  der  That  aufteilende  Ergiebigkeit  des  Bodens 
anbelangt,  so  ist  diese  einestheils  den  segensreichen  Flüssen,  welche 
die  Oasenländer  durchschneiden,  andererseits  aber  der  Qualität  des 
Bodens  zuzuschreiben;  dazu  kommt  noch,  dass  die  Bewässerung 
der  Felder  mit  genug  Sorgfalt  und  mit  grösserer  Leichtigkeit  ge- 
schieht als  in  anderen  Theilen  AVestasien's,  ^vogegen  nicht  zu  über- 
sehen ist,  dass,  so  vortheilhaft  die  zahlreichen  Canalgräben  für  den 
Ackerbau  auch  sein  mögen,  sie  für  den  allgemeinen  Verkehr  von 
grossem  Nachtheile   sind. 

Welches  von  den  drei  Chanateu  das  fruchtbarste  sein  mag, 
ist  in  der  That  schwer  zu  entscheiden;  was  die  Vegetation  anbe- 
trifft, gibt  Vämbery  Chiwa  den  Vorzug,  welches  zwar  weniger 
bebautes  Land  besitzt  als  die  beiden  übrigen  Cbanate,  dieselben 
aber  an  Fülle  und  (Qualität  der  Erzeugnisse  weit  überragt;  nur  in 
der  Mannigfaltigkeit  und  Vorzüglichkeit  der  Obstgattungen  mag 
es  von  Bochära  übertroffen  werden.  In  Betreff  des  Mineralreiches 
verdient  ohne  Zweifel  Bochära  den  Preis,  während  die  vorzüg- 
lichste Thierzucht  auschliessliches  Eigenthum  der  Nomaden  ist. 
Wie  viel  Quadratmoilcn  bebauten  oder  culturfähigen  Landes  die 
drei  Chanate  besitzen,  ist  eine  Frage,  deren  Beantwortung  vor- 
läufig noch  ganz  unmöglich  ist.  Uic  häufigen  Kriege  und  Wirren 
erklären  zur  CJenüge ,  dass  man  so  zahlreiche  Ruinen  ')  einst 
blühender  Colonien  antrifft,  und  in  Bezug  auf  Chiwa  wenigsten 
könnte  man  leicht  annehmen,  dass  der  Flächcnraum  dieser  ver- 
heerten und  verwüsteten  Gebiete  grösser  ist  als  das  gegenwärtig 
bebaute  Land.  Mit  Ausnahme  einiger  weniger  Producte,  mit 
welchen  die  Chanate  unter  einander  und  mit  Russland  Export- 
handel treiben,  wird  in  allem  Uebrigen  nur  so  viel  erzeugt,  als 
der  Hausbedarf  verzehrt,  und  es  leidet  doch  gewiss  keinen  Zweifel, 
dass  die  Qualität  der  heutigen  Erzeugnisse  nicht  nur  wesentlich 
verbessert ,   sondern  auch    bedeutend   vervielfältigt    werden    kann  -). 

Der  östliche  Theil  Turkestän's  ist  sehr  metallreich.  In  der 
Quellgegend  des  Jaxartes,  überhaupt  am  oberen  Laufe  und  dessen 
Nebenflüssen    wird    Gold    eewaschcn.      Silber  und   Blei  kommen   in 


1)  Wie  z.B.  Otrar  nebst  den  benachbarten  Ruinen  von  Dschankenk  (Yanguiken), 
Tunkat,  Kosch-Kurgun ,  Dschan-Kala,  Kyzyl-Kala  und  ganz  im  Süden  Faizabad. 

2)  n.  Vamböry,     Über  die  Productionsfähigkeit  der  drei  turkestäniachen  Stop- 
penländer. (Unsere  Zeit,  1S66,  II,  S.  294—297.) 

6 


50  Die  Lanilsplmfton  ftm  Ssyr  und  Anni-HarjA. 

(Ion  Gebirgen  Kaschgar-DawAn,  Belut-Tagh ,  Eolordai,  im  Ala- 
inul  Kara-Tan  vor;  auch  Kupfer  ist  nicht  selten,  vortreffliches 
Eisenerz  sehr  häufig;  an  »Scliwefel,  Salpeter  mid  Salz  ist  kein 
^Nfangel.  Steinkohlen  ')  sind  an  den  Abhängen  des  Kaschgar- 
Dawän  und  Kara-Tan  gefunden  worden,  Jaspis  und  Türkise  in 
^leuffc   vohanden. 


1)  Si(>hp  hiorübor:  Journal  iIp  St.  Potorsbourg,  7  Februar  ISCG. 


Y.   Lapitel. 

Das  centralasiatische  Hochland. 

Wir  Ycriuögcu  nicht,  diese  g-engrapliische  RuiRlschau  zu 
vollenden,  ohne  noch  zuvor  einen  Blick  auf  die  Gehirgserhebungeu 
zu  werfen,  welche  die  turuuischen  Tieflande  gegen  Ost  und  Süd 
hin   umziehen. 

^'on  den  Hochebenen,  welche  zwischen  der  Mündung  des 
Kahidflusses  in  den  Indus  und  deui  obersten  Amu-Laufe  liegen, 
erstreckt  sich  Westsüdwest  als  Wasserscheide  zwischen  Amu  und 
Kabul  der  Hindu-Kusch,  vielleicht  theilweise  der  Para^janisi'S  oder 
Caucasuf!  indicvft  der  Alten.  Eine  andere  Kette  läuft  nach  Nord- 
west neben  der  Stadt  Kundüz  bis  zum  Aniu-I)arj;i;  eine  dritte 
endlich  ist  der  IJelut  odei-  Bolut  -  Tagh ,  gewöhnlich,  wenn 
auch  unrichtig,  Bolor  genannt  (im  uigurischen  Dialect  so  viel  als 
Wolkcngebirge)  —  der  Imavs  der  Alten  —  mit  dem  Hochplateau 
von  Pamir  (Pamer),  dem  Povn-Io  des  chinesischen  Geographen 
Hiaoi-Thsniig  (im  Ficn-i-tiev),  welches  die  Kirghisen  sehr  be- 
zeichnend ob  seiner  Höhe  (14.000  P.  F.  über  dem  Meere)  Bavi-i- 
Dunfah,  das  „Dach  der  Welt"  nennen  ').  In  diesem  Gebiete  ist 
A.  Fedschenko's  Keise -)  durch  Chokan  1871  und  über  das  süd- 
lich anstossende  Alai-Plateau  bis  zu  einer  neu  entdeckten  riesigen 
Geliirgskette,  die  das  Alai-Plateau  im  Süden  begrenzt  und  wahr- 
scheinlich von  Pamir  scheidet ,  als  der  grösste  Erfolg  in  Bezug 
auf  das  Pamir-System  seit  Lieutenant  Wood  1838  zu  betrachten. 
Durch  die  Forschungen  der  P^ngländer  im  Süden  und  der  Küssen 
im  Norden,  wurde  der  Bolut-Tagh  oder  das  Pamir-System,  welches 
nach  A.  v.  Ilumboldt's  A'orstellungen  eine  nieridionalc  Richtung 
hatte  und  einen  Querriegel  zwischen  dem  Tian-Schan  und  Hiinü- 
laya  bildete ,  als  nordwestliche  Fortsetzung  des  letzteren  erkannt. 
Der  Hindu-Kusch,  richtiger  Hindu-Kuh  3),  d.  h.  das  indische  Ge- 
birge (im  Sanscrit;   GravaJiasas,   d.   i.   glänzendes  Felsgcbirge,   da- 


1)  über  Pamir  vgl.  Pcschel  Gesch.  der  Erdk.  S-  159. 

2)  Petcrraann's  Geogr.  Mitth.  1872,  Heft  V  S-  161. 

3)  Kuh,  auf  persisch,  Berg. 


52  Das  ccntralasiatischc  Hochlnnd. 

hör  Graucasus  bei  Plinius  i),  kann  ebenfalls  als  Fortsetzung  des 
IlinuUaya  nach  Westen  gelten  und  zieht  von  dem  Gebirgsknoten 
im  Norden  des  Kabülflusses  nach  Westsüdwest  bis  zu  den  Quellen 
des  Ileri-Küd  (^Jotiog,  Arhis  2)  der  Alten),  Tocharistan  von*Ka- 
bulistän  scheidend.  Er  ist  ein  noch  wenig  bekanntes  Gebirge, 
das  Westende  ausgenonnnen,  welclies  der  mit  Schnee  bedeckte 
Kuhi-Baba  (Vater  der  Ciebirge)  IG. 870'  hoch  bildet.  Nach  Westen 
(Herät)  und  Norden  (Balch)  hin  verliert  sich  die  Kette  in  einem 
Gewirre  niedriger  Berge.  Der  nördlich  Aon  Dschelälabäd  (Dje- 
ITalabäd  am  Kabiiltluhse,  dem  Euasples  der  Alten)  gelegene  Thcil 
des  Gebirges,  wo  der  Gliond  18.984  P.  V.  sich  erhebt,  führt  in 
engerem  Sinne  den  Namen  llindu-Kidi  und  bildet  das  jetzt  theil- 
weise  von  den  heidnischen  Käfirs  oder  Sijapösch  bewohnte  Ge- 
birg.sland.  Die  höchsten  Spitzen  steigen  bis  über  die  in  12.979 
P.  F.  Scehöhe  gelegene  Schneegrenze  und  sind  noch  im  Juni  in 
Schnee  gehüllt.  Die  Thiilcr,  terrassenförmig  nach  dem  Indus  und 
Kabul  abfallend,  haben  die  Natur  Kaschmirs;  die  Vorberge  sind 
lieblich  und  frHchtreich;  trefflicher,  weitberühmter  Wein,  Apricosen, 
^landein  und  Aepfel  u.  s.  w.  wach.'^cn  wild  in  den  Thälern,  und 
die  Dörfer  hängen  als  Häuserterrassen  an  den  Seiten  der  Gebirge. 
Von  Balch  aus  kommend,  steigt  man  südwärts  hinauf  zwischen  den 
Bergen  der  mongolischen  Ilesarch  durch  dunkle  Schluchten  und 
über  hohe  Pässe  in's  Thal  von  Bamijan,  wo  die  colossalcn  ),  aus 
der  Bergwand  gehauenen  Figuren  für  den  einstigen  Buddha-Ciiltus 
in  diesem  an  in  Felsen  gehauenen  Wohnräumen  überreichen  Thale 
sprechen.  Abermals  über  drei,  und  zwar  immer  höhere  Pässe  (bis 
zu  12.400  P.  F.)  —  zur  Seite  der  ewigen  Schneegipfel  des  Hindu- 
Kuh  —  geht  es  ostwärts  hinab  in  den  Gentralkessel  Afgluuiistdn's, 
den  Thalgrinid  von  Kabul  ').  Man  sieht  auf  den  Felsenhöhen  die 
Burgen  der  Afghanenhäuptlinge,  deren  Pferde  wie  die  Ziegen 
klettern.  Obgleich  diese  Thalebene  noch  GOOO'  hoch  liegt,  so  i.st 
sie  doch,  Dank  dem  schützenden  Schneegebirge,  gegen  Westen  und 
Norden  eine  Wiesen-  und  Gartenlandschaft,  deren  Blütenschnee  im 
Frühling,    deren    Fruchtreichthum    im    Sommer    und    Herbst    (man 


1)  Historin  naturalis  VI,  17. 

2)  Dieser  Jsame,  wie  auch  jener  von  llcrat,  stniniiit  von  der  altpcrsisclicn  Form 
Haraiiva,  d.  i.  wasserreich  ab.  llild  bedeutet  im  Neupersischen  Buch,  Fluss.  llcrät, 
einzige  Hauptstadt  von  Aria,  von  Alexander  dem  Grossen  gegründet,  führte  im  Al- 
terlhum  den  Niimen  Alexandrion,  '--tkt'iuV^QiUt   '.4()illOV 

3)  nie  grössere  12),  hoch.  Sie  zeugen  zugleich  für  niubaninicdaiiiscbeii  Olaubi'iis- 
cil'er  und  Bilderhass,  denn  der  Grossniogul  Orangaib  (nach  nndereu  der  persische  Nadir 
öchah)  Hess  sie  durch  Kanonenkugeln  verstümniehi. 

4)  Kabul,  das  J%.icßovQU  des  Ptolemaeus,  auch  OrtOKpdiie  genannt,  hiess  früher 
noch  KtlG/mnvQOi:  Kasjapamra.  Siehe  über  die  Stadt  und  die  Landschaft:  Alexander 
Burnes.  Cabool :  Being  a  personal  narrntive  of  a  journey  to,  and  residence  in  that 
City,  in  the  ycars  1836,  1837,  1838,  London  1812,  8  • 


Das  oentralasiatische  Hochland.  53 

füttert  3  Monate  lang  das  Vieh  mit  Trauben)  von  altersher  mit 
Begeisterung  gepriesen  wurde.  Auch  der  wackere  Sultan  Baber, 
der  Tinuiride,  der  in  Indien  das  Reich  der  Grossmogule  gegründet, 
fand  das  Ivlima  von  Kabiü  entzückend  und  ohne  Gleichen  in  der 
Welt.  , ^Trinke  Wein  auf  dorn  Schlosse  von  Kabul,"  ruft  er, 
,,und  lass'  den  Becher  kreisen  ohne  Unterlass."  Von  Kabul,  im 
üebicte  der  Ghildschi-Afghanen,  führt  das  Thal  des  cascadcnreichen 
Kabülflusses  grossentheils  in  engeren  Ivlüften  nach  der  Tiefebene 
von  Indien  hinab  —  der  einzige  von  der  Natur  angezeigte  Weg 
und  darum,  so  schwierig  er  ist,  zu  allen  Zeiten  von  den  Heeres- 
zügen benützt.  Südwärts  voji  Kabul,  über  hohe  Pässe  und  tiefe 
Schluchten  trifft  man  die  Stadt  Ghazna  auf  einer  Hochebene,  wo 
der  Schnee  bis  in  den  März  liegen  bleibt.  Die  Stadt  selber  ist 
jetzt  wohl  wenig  mehr  als  ein  Ruinenhügcl,  bestehend  aus  dem 
Schutt  verschiedener  Zeiten  i). 

Ueber  das  Land  der  Sijapösch,  Kafiristan,  das,  einer  verein- 
samten Insel  gleich ,  mitten  innen  zwischen  Muhammcdanern  liegt 
und  nur  wenig  bekannt  ist,  hat  der  englische  Capitän  H.  G. 
Raverty  -)  schätzcnswerthe  INIittheilungen  gemacht.  Der  Käme  des 
Landes  kommt  von  dem  arabischen  Worte  Knfir,  Ungläubiger, 
und  dem  persischen  Partikel  istän,  ein  Platz  oder  Aufenthaltsort. 
An  der  Nordgrenze  dieses  Staates  dehnen  sich  die  usbekischen 
Länder  Badachschän  mid  Kundüz  aus;  im  Süden  läuft  der  Kabul 
Kafiristan  von  Afghanistan  trennend.  Mele  Ströme  durchziehen 
das  Land,  gleich  dem  Adersysteme  eines  Blattes  nach  Ost  und 
West  fliessend  und  in  fünf  bedeutende  Flüsse  sich  ergiessend,  die 
dann  das  Land  durchschneiden.  Der  bedeutendste  und  östlichste 
dieser  Flüsse  trennt  Kafiristan  von  der  Landschaft  Kaschgar,  hcisst 
bei  seinem  Einflüsse  in  den  Kabul  Kama,  weiter  aufwärts  Kumar 
und  an  seinen  Quellen  Kaschgar  oder  Tschiträl  (Chitral).  Westlich 
von  der  Kama  vereinigen  zwei  Flüsse  ihre  parallelen  Läufe  unter 
dem  Namen  Alingar  und  ergiessen  sich  westlich  von  Dschelälabäd 
in  den  Kabul,  während  noch  weiter  westlich  ein  dritter  Fluss, 
der  Tagat  oder  Tagao,  nachdem  er  mehrere  Nebenflüsse  aus  den 
Thälern  Kohistäns  aufgenommen ,  40  englische  Miles  östlich  von 
der  Stadt  Kabul  in  den  gleichnamigen  Fluss  fällt.  Ein  Fluss  ent- 
springt am  Nordabhange  des  Hindu-Kuh  und  vereinigt  sich  mit 
dem  Paudsch,  einem  Zweige  des  Oxus.  Viele  kleine  Ströme,  aus 
den  tiefen  Schluchten  und  gähnenden  Abgründen  der  Scitenthälcr 
als  reissende  Bergwasser  hervorbrechend  und  vom  Gipfclschnee  der 
Berge  gespeist,  schwellen  die  grösseren  Flüsse,  welche  zur  Zeit 
der    Schneeschmelze    nur    auf  Flössen    passirbar    sind.       Zu    beiden 


1)  Julius  Braun.  Afghanistan.  Neue  freie  Presse  vom  19.  November  1868. 

2)  Im  Journal  of  the  Asiatic  Society  of  Bcngal.  Calcutta,  1859,  Nr.  IV. 


54  Dos  ccntralasiatischc  Hochland. 

Seiten  der  Flüsse  dehnen  sich  reiche  Alhivialahlageriuigen  aus. 
Temperatur  und  Klima  "wechseln  sehr,  da  die  Höhenunterschiede 
bedeutend  sind.  In  den  höheren  Gegenden  fällt  die  Sommerhitze 
selten  beschwerlich,  und  in  den  "Winternionaten  Hegt  der  Schnee 
mehrere  "Wochen  lang.  Die  tiefer  gelegenen  Thäler  bleiben  vor 
den  scharfen  Winterstürmen  geschützt,  und  obgleich  von  hohen, 
ewig  schneebedeckten  Bergen  umrahmt,  wird  doch  die  Hitze  vom 
Juni  bis  in  den  August  sehr  drückend,  \^^ahrend  des  Frühlings 
und  gegen  Ende  August  bis  in  den  September  fallen  starke  Regen- 
schauer. Heftige  Schneestürme  sind  im  A\'inter  häufig;  dann  werden 
die  Pässe  ungangbar,  und  aller  Verkehr  zwischen  den  einzelnen 
Thälern  ist  auf  Wochen  abgeschnitten  '). 

Das  Xordcnde  des  Belut  berührt  den  westlichen  Theil  eines 
anderen  mächtigen  Alpengebirges,  das  zwischen  dem  TarAnnflusse 
und  dem  Dsaissang-Sec  gelagert  ist  und  aus  mehreren  Grujjpen  im 
Allgemeinen  von  "NVest  nach  Ost  parallel  streichender  Gebirgsketten 
gebildet  wird,  zwischen  welche  das  westliche  Tiefland  in  langge- 
streckten Zungen  nach  Osten  hinein  greift.  Es  ist  dies  das  System 
des  Tlan-Schan,  oder  Ki-Iiev-Schan  (Ki-lo-man-sclian)  der  chinesi- 
schen Schriftsteller'''),  des  Tcn<jri-Ta(i]i  der  Türken  früherer  Zeit 
oder  des  !Muz-Tagh.  Der  Tian-Scban  (Himmelsgebirge)  erstreckt 
sich  von  Samarkand  bis  Chamil,  330  geographische  Meilen  weit 
inid  beginnt  im  Osten  von  Samarkand  als  Suzängirän-Tagh ,  an 
den  sich  der  fast  immer  mit  Schnee  bedeckte  metallreiche  Ak-Tagh 
oder  Asferah-Tagh  im  Süden  von  Chokand  anschliesst,  wo  er  die 
Wasserscheide  zwischen  Ssyr-Darjä  und  Zerafschjin  bildet;  an 
diesen  wiederum  schliesst  sich  östlich  der  Terek-Tagh  (oder  Kasch- 
gar-dawän  ),  der  zwischen  dem  obersten  Ssyr  und  dem  Sengir- 
Kul-See  den  Xamen  ]\Iuz-Tagh  (im  Türkischen:  Eisgebirge)  oder 
Musart  annimmt.  INlit  ihm  vereinigt  sich  in  75*^  östl.  L.  von 
l'iiris  nördlich  der  am  Ssyr  und  Naryn  ziehende  lange  Taben- 
Tau,  und  südlich  ein  dritter  Zug,  der  Gatschkal-Tagh  (westlicher 
Tschebcrna-Tagh  geheissen);  endlich  die  mächtige,  Schnee  tragende 
Alpenkette  des  Fon-Tagb,  welche  auf  der  Südseite  den  Zerafschan 
bis  Samarkand  begleitet.  Die  vereinigte  Kette  nach  Nordost 
streicliend,  trägt  den  Xamen  Temurtu-Tagh.  Im  Westen  des  Issi- 
Kul-Sees  beginnt  eine  zweite  ebenso  mächtige  Schneekette,  der 
eigentliche  Tian-Schan,  welcher  die  Südseite  des  Sees  umschreibt 
und  sich  mit  der  obbenannten  Südkettc  zum  Tengri-Schan  zu- 
sanmienschaart,     wo     der     unii-eheure     Gletcher-Riese     Tengri-Chan 


1)  ;Mitthcilungcn   über   die   Sijiiliposcli    im    asiatischen   Kafiristän-     (Globus,    18C5 
VIII.  lid.,  8.  341)  und  Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1860,  S-  276. 

2)  Humboldt.  Asic  centrale.  II.  p.  7. 

3)  Vuivftn,  türkisch  I'assago. 


Das  centralasiatische  Hochland.  55 

(d.  h.  Geisterfürst)  20.000'  hoch  emporsteigt;  Jiier  auf  dieser 
liohen  Zinne  durfte  sich  Hr.  Paul  von  Sscmenow,  als  er  hinab 
schaute  in  das  Thal  des  Naryn  oder  oberen  Ssyr-Darjä,  ^^•ohl  im 
oigcntlichen  Herzen  Asiens  vcrmuthen,  da  man  sich  an  jenem 
Punkte  ebenso  weit  vom  Schwarzen  vsie  vom  Gelben  INIeere,  vom 
Cap  Sewcrowostotschnoi,  wie  vom  Ca})  Gomorin  befindet.  Südlich 
vom  Issi-Kul  gelangt  man  über  den  10.400  P.  F.  hohen  Sauku- 
Pass  zu  den  chinesischen  Städten  Usch-Turfan  und  Akssu  ).  Im 
Osten  des  Sees  steigt  man  über  den  im  Westen  der  Tengri-Chan- 
Gletscher  gelegenen  10.800  hohen  Kok-Dschar-Pass  in  das  die 
Schneekette  tief  durchschneidende  Thal  des  oberen  Akssu-Stromes. 
Hr.  Paul  Ssäwerzow  unternahm  es  im  Herbste  1867  das  geo- 
gnostische  Profil  des  Tian-Schan  in  der  Nähe  des  Tengri-Chan 
unter  dem  Meridian,  wo  sich  das  Thal  des  Naryn  und  seines 
Nebenflusses  Apatschi  dem  Akssu-Thale  nähern ,  zu  untersuchen 
und  fand  zwischen  Issi-Kul  und  Naryn  drei  Gebirgsrücken,  die 
jedoch  nicht  scharf  durch  Längsthäler  geschieden  werden  ^).  Im 
Jahre  1868  nahmen  die  Herren  A.  \V.  Buniakowski  3)  und  Capitän 
Reinthal  zahlreiche  Barometermessungen  vor  und  lieferten  dadurch 
einen  wichtigen  Beitrag  zu  unserer  Kenntniss  der  Höhen  dieser 
Gebirgsgenden.  Im  Sonnner  1867  waren  General  (damals  Oberst) 
W,  A.  Poltaratzki  und  Freiherr  Friedrich  von  Osten-Sacken,  der 
hochverdiente  Secretär  der  Petersburger  geographischen  Gesellschaft 
mit  der  geographischen,  der  Akademiker  F.  J.  Ruprecht  aber 
mit  der  botanischen  Durchforschung  des  Tian-Schan  beschäftigt. 
Diese  Expedition,  welche  gleichfalls  in  das  Naryn-Thal  drang, 
gieng  von  Fort  Wiernoje  aus,  der  Poststrasse  folgend,  welche  nach 
Kastok  führt.  Die  Schlucht  des  in  3768'  Seehöhe  liegenden  Kastek- 
Passes  lührt  aus  der  Ili-Ebene  in  das  Tchui-Thal  und  durch- 
schneidet einen  westlichen  Ausläufer  des  sogenannnten  Ala-Tau  ') 
Nach  diesen  Forschungen  senkt  sich  das  Gebirge  vom  Tengri-Chan 
gegen  Südwesten  beträchtlich ;  in  den  westlicheren  Theilen,  zwischen 
Kaschgar  und  dem  Westende  des  Issi-Kul  steigen  nur  selten  Gii^fel 
bis  zu  16.000  Fuss  hinan,  die  durchschnittliche  Höhe  des  Haupt- 
kammes  am    südlichen   Ufer    des  Naryn  beträgt    12  — 12,500'  und 


1)  Türkisch:  ah,  weiss,  ssii,  Weisser. 

2)  Poteritiann's  Geogr.  Mittli.   1868,  S.  265. 

8)  In  den  „Iswästija"  der  riiss.  geogr.  Gesellschaft.  1SG8-  Heft  7  und  8,  S. 
875  und  401. 

4)  Petermann's  Geogr.  Mitth.  1868,  8-  380—381.  Ausführlicheres  über  diese 
hochinteressante  Expedition  Sack  en's  und  Poltaratzki's  siehe  in-:  Sertum  Tian- 
schanicuin.  Botanische  Ergehnisse  einer  Reise  im  mittleren  Thian-Schan,  von  13r.  Fr. 
von  der  Osten-Sacken  und  F.  J.  Ruprecht.  St.  Peterburg,  1849.  4".  Diesem  werthvollen 
Berichte  ist  eine  sehr  übersichtliche  von  Dr.  Petermann  zusammengestellte  Karte  bei- 
gegeben, welche  die  russischen  Forschungen  im  Tian-Schan-Systenie  veranschaulicht. 


56  Dn^  ccntralnsiatisclic  Hochland. 

orroicht  nicht  mehr  die  Schneelinie  (12.670'),  Die  Gebirgsketten 
bilden  im  westlichen  Tiau-Schan  überhaupt  ein  durchaus  unterge- 
ordnetes Element,  das  dominirende  sind  die  Ilochplateaux  von 
5 — 10.000'  senkrechter  Erhebung;  das  Ganze  ist  eine  gewaltige 
Erhobungsmasse,  deren  einzelne  aufgesetzte  Kücken  in  den  beiden 
Ilauptrichtungen  von  Westsüdwest  nach  Os^tnordost  und  von  Nord- 
west nach  Südost  streichen.  Höchst  auffallend  ist  die  Trockenheit 
der  Luft,  welche  die  Schnee-  Tind  Gletscherlosigkeit  bedingt  und 
die  Steppenflora  begünstigt.  Bis  zur  Höhe  von  7000'  besteht  die 
Vegetation  fast  nur  aus  Ste])penpflanzen  der  Aralo-Kaspischen  Flora, 
an  der  Nordseite  der  Gebirgskette  beginnt  jedoch  in  5000'  Höhe 
ein  Waldgürtel  und  über  diesem  zeigen  die  Hochplateaux,  Pässe 
und  Gipfel  eine  ärmüche  Aliienvegetation,  während  einzelne  Pflanzen 
bereits  auf  die  Nähe  des  Himälaya  hinweisen.  ') 

Die  nördlichen  Ufer  des  Issi-Kul  begleitet  ebenfalls  eine 
Gletscher  tragende  Doppelkctte:  der  trän  sili  sehe  Ala-Tau 
(türkisch:  buntes  Gebirge)  so  genannt,  um  ihn  von  dem  gleichnamigen 
nördlicheren  Gebirgsstockc  Centralasiens  zu  unterscheiden ,  ganz 
dem  Tian-Schan  im  Süden  des  Sees  entsprechend;  zwischen  den 
beiden  Meridianen,  die  durch  das  West-  und  Ostende  des  Issi- 
Kul-Sees  gehen,  ziehen  zwei  parallele,  schneebedeckte  Granitketten,  die 
durch  ein  tiefes,  an  metamorphischen  Gesteinen  reiches  Thal  von 
einander  geschieden,  aber  in  der  INIitte  durch  ein  ebenfalls  mit 
ewigem  Schnee  bedecktes  Querjoch  mit  einander  verknüpft  sind, 
so  dass  diese  Depression  eigentlich  zwei  tiefe  Thäler  bildet;  in 
dem  einen  fliesst  von  Ost  nach  West  die  grosse  Kebin,  ein  Zufluss 
des  Tschui,  im  anderen,  in  der  Richtung  von  West  nach  Ost  die 
Chilik,  ein  Zufluss  des  Ili.  Am  Nordfusse  liegt  die  neue  russische 
Festung  Wiernoje,  da  wo  die  Almaty  aus  dem  Gebirge  tritt.  Dort 
erhebt  sich  plötzlich  aus  der  Ebene,  parallel  dem  Iliflusse,  der 
Ala-Tau  steil  und  kühn  wie  eine  Riesenmauer ,  auf  der  vom  West- 
ende des  Issi-Kul  bis  zum  Ende  des  CJebirges,  also  in  einer  Ijängo 
von  35  —  45  Meilen,  ewiger  Schnee  lagert,  und  die  den  Reisenden 
überrascht  durch  ihren  starken  Contrast  mit  dem  Tli-Thale  und 
seiner  milden  gemässigten  Temperatur.  In  ihrer  INIitte  steigt  der 
breiköpfige  Riese  Talgaryn-Tal-Tschoku  von  der  Höhe  des  Mont- 
dlanc  auf.  Alle  Pässe,  auf  welchen  es  möglich  wäre,  die  Kette 
des  transilischen  Ala-Tau  zwischen  den  zwei  oberwähnten  Meri- 
dianen zu  übersetzen,  liegen  in  einer  Höhe  von  8 — 10.000'  und 
wären  daher  für  grössere  Truppenmassen  kaum  passirbar.  Die 
4 — 7000'  hohen  Querthäler  des  Gebirges  sind  mit  Tannenwäldern 
erfüllt.  Im  Westen  des  Sees,  zwischen  Tschui  und  Naryn,  lösen 
sich  drei  Ketten  vom  Ala-Tau  los,   deren  mittlere  als  Ketmentubja, 


1)  Behm'a  „Geographisches  Jahrbuch.«  III.  Bd.  1870  S.  520—521. 


Das  centralasiatisclie  Hochland-  57 

Karabura-Berge,  Ivivgisyn- Alatau  nach  Westen  hinzieht.  Dieser 
Kette  gehören  alle  S^itenäste  im  Norden  Chokans  an,  welche  von 
Westen  zum  Ssyr-Darja  laufen,  und  zwischen  denen  die  frucht- 
baren Tliäler  Forghana''s  liegen.  Nördlicher  und  am  rechten  Vfer 
des  Tschui  läuft  ein  Anfangs  gewundener,  gipfelreicher  Höhenzug, 
weiterhin  die  mehr  gestreckte  INluzbel-Anhöhe  und  dann  die  Ar- 
garly-Berge,   die  sich  in  die  iSteppe  Bed-Pak  Dala  verlaufen. 

Ein  neuer  Anblick  erwartet  aber  den  Wanderer,  der  von 
Norden,  aus  den  Ebenen  des  Tscliingiz-Tau  und  von  den  Tarba- 
gatai-Gebirgcn  konunenil ,  zwischen  dem  Balchasch-  und  Ala-Kul- 
See  vordi-ingt  und  die  ersten  Stufen  der  inselartig  zwischen  den 
Miiiulungen  des  Ayagyz  und  der  Lepsa,  die  traurigen ,  nur  spär- 
lich mit  Saxaul  bestandenen  Sandflächen  der  Balchasch  -  Steppe 
überragenden  Hügel  von  Arganantinsk  im  Norden  der  Le2)sa-]Mün- 
dung  hinansteigt.  Während  im  Westen  dieser  Höhenzüge  die 
Landschaft  in  dem  weiten  Silbcrspiegel  des  Balchasch  verschwin- 
det, und  der  Blick  über  die  unabsehbare,  monotone,  in  grauer 
Ferne  verdämmernde  Steppe  hinschweift ,  im  Süden,  so  weit  das 
Auge  reicht ,  grünende  Weideflächen  sich  ausdehnen ,  blenden  im 
Südosten  die  scharf  umrissenen,  wie  ein  Wolkengcbilde  hingelager- 
ten glänzenden  Schneegefilde  an  den  Gipfeln  des  in  ununterbrochener 
Kette  am  östlichen  Horizonte  sich  erstreckenden  dsungarischen 
Ala-Tau. 

Ueber  diese  Gebiete  schwebte  lange  ein  geheimnissvolles  Dunkel; 
was  die  Asiareisenden  früherer  Jahrhunderte  wie  Carpini,  Lonjumel, 
Rubruquis,  dann  im  dreizehnten  Jahrhunderte  die  Fürsten  Jaroslaw 
und  Alexander  Newsky  und  Baikow  (IC) 5 4  von  Alexis  Michailo- 
witsch  nach  Peking  gesendet)  davon  berichtet,  war  gänzlich  un- 
genügend; erst  1798  erhielt  man  eingehendere  Nachrichten  über  die 
Dsungarei,  durch  den  russischen  Naturforscher  Sievers ,  welcher 
bald  mehrere  Nachfolger  fand ;  wir  köimen  darunter  nennen :  Ende 
des  18.  Jahrhunderts  den  Bergmann  Snegirew,  der  nach  Tschu- 
gutschak,  Anfangs  des  19.  Jahrhunderts  den  Edelmann  Madatow, 
der  von  Semipolatinsk  nach  Indien  ^og,  1811  Putimtschew,  der 
Kuldscha  und  Tschugutschak  besuchte,  1821  den  Kaufmann 
Bubeninow,  der  nach  Kaschgar  drang,  1826  Hrn.  INIeyer,  der 
die  Arkas- Berge  und  den  Tschingiz-Tau  erreichte;  1831  ward 
endlich  im  Norden  des  Balchasch  die  Stadt  Ayagyz  (Ajaguz), 
das  heutige  Ssergiupoly  ')  am  Ayagyz  Flusse  ^)  gegründet,  und  seit- 
her hat  die  Erforschung;  dieser  Districte  rasche  Fortschritte  gemacht. 


1)  Diesen  Nnmen  führt  die  Stadt  erst  seit  186Ü.  Ohne  Ackerbau,  ohne  Ge- 
werbe, ohne  Handel,  ohne  jegliche  lebenskräftige  Naturl.asis,  hat  Ssergiupoly  nicht  die 
geringste  Zukunft. 

2)  Bildet  die  Südgrenze  der  privaten  Goldwäschereieu  in  der  Kirghisensteppo, 
entspringt  am  Nord-Abhange  des  Tarbagatai,  fliesst  anfänglich  nach  Nordwest,  dann  nach 

7 


58  Das  cenlralasiatische  Hochland. 

Von  den  südliclicn  Zuflüssen  des  Ala-Kul  dehnt  sich  zwischen 
46'^  und  440  nördlicher  Breite  in  südwestHcher  Richtung  zum  Ili- 
Becken  hin  der  dsungarische  Ala-Tau  aus.  Seine  Länge  beträgt 
300  Werst,  seine  Kanimhöhc  erreicht  6000,  seine  Giiifelhöhe  über 
12.000  P.  F.  Südwärts  hängt  er  mit  dem  Iren-Chabirgan-Ge- 
birge  zusammen,  das  sich  ostwärts,  dem  colossalen  Gebirgsknoten 
Bogdo-oola  1),  dem  höchsten  Massiv  des  Tian-Schan  anschliesst. 
Nach  Westen  sinkt  der  Ala-Tau  in  Stufen  allmähg  zur  Balchasch- 
Niederung  ab.  Seine  wichtigste  Seitenkette  ist  die  von  Osten 
nach  Westen  streichende  Kopal-Kette,  die  mit  den  Burakoi-Bergen 
sich  in  die  Steppe  hinaus  verflacht.  Als  westsüdwestliche  Ver- 
längerung des  Ala-Tau  muss  die  Alaman-  und  Altyn-janel-Kette 
betrachtet  werden,  welche  der  4370  P.  F.  hohe  Altyn-ymel-Pass 
scheidet^  die  aber  die  Schneelinie  nicht  erreichen.  Der  Haupt- 
kamm des  dsungarischen  oder  ssemiretschenskischen  Ala-Tau  be- 
steht, wie  auch  die  Kopal-Kette,  aus  Granit  und  Syenit;  der 
Nordwestabhang  des  Ala-Tau  und  der  Nordabliang  der  Kopal-Kette 
sind  aus  Thonschiefer  und  anderen  Schieferarten  zusammengesetzt. 
Die  Altyn-jinel-  und  Alaman-Berge  sind  an  Porphyrarten  reich; 
hier  lagern  die  Mineralschätze,   silberhaltige  Blei-  und  Kupfererze.  ^) 

Wenn  auch,  streng  genommen,  nicht  hinher  gehörig,  müssen 
wir  dennoch,  ihrer  nachbarlichen  Wichtigkeit  halber,  der  Lande 
egdenken,  welche  die  nominell  dem  chinesischen  Reiche  unter- 
worfenen Provinzen  Tian-Schan-Pe-Lu  oder  chinesische  Dsungarei-^) 
und  Tian-Schan-Nan-Lu  oder  Ost-Turkestän  bilden,  auf  welch 
letzteres  sich  auch  die  Namen,  lli,  d.  h.  Westland,  und  Sin-Kiang, 
d.  h.  Land  der  neuen  Grenze  beziehen.'*)  Beide  Provinzen  haben 
die  chinesische  Oberherrschaft  abgeworfen.  •'')  Rauhe  Berge  und 
imfruchtbare  Wüsten,  welche  höchstens  Viehheerden  und  Ziegen 
Unterhalt    gewähren,     bilden     den    grössten    Theil    Ost-Turkstan's, 


Südwest  und  müiulpt  nach  einem  Gcsammtlaufe  von   31)0   Wevst   in    die   Nordostspifze  des 
Balchasch-Sccs.     Seine  Breite  beträgt  10  Faden,  seine  Tiefe  durchschnittlich  4  Fuss. 

1)  Oola,  mongolisch,  eine  Contraction  von  aghola,  Berg. 

2)  Spörer.  Die  See'nzone  des  Balchasch-Ala-Kul  und  das  Siebenstromhind  mit 
dem  Ili-Bccken.     (Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1868,  S-   194—197). 

3)  Tsch.  Walichanow.  Skizzen  aus  der  Dschungarei.  (Sapiski  der  k.  russ. 
geogr.  Gesellscli.,  1861,  Bd.  I  und  II).  Höchst  werthvolle  Arbeit.  W  ali  ehanow  selbst 
ist  von  Geburt  ein  Kirghisensultan  und  Abkömmling  von  D  seh  i  ngis  -  Chan. 

4)  Ein  gelehrter  Sinologe,  Heer  Zakharow,  Consul  in  Kuldscha,  stellte  1858 
eine  höchst  interessante  Karte  jener  Gegenden  nach  den  chinesischen  Quellen  zusammen, 
deren  er  in  Peking  habhaft  werden  konnte.  Indess  hatte  schon  im  vorigen  Jahrhundert, 
gleich  nach  Eroberung  der  Dsungarei,  der  chinesische  Kaiser  Kliianlutiff  europäische 
Missionäre  unter  der  Leitung  der  Jesuiten  P.  Felix  d'Arocha,  Espinhaund  llaller- 
stein  dahin  entsendet,  um  die  Karte  seiner  neuen  Provinzen  aufnehmen  zu  lassen. 

5)  Eine  Monge  Bewohner  dieser  Länder  zogen,  der  herrschenden  Unruhen  wegen, 
auf  russisches  Gebiet;  ihre  Anzahl  betrug  1863  10163,  1866  aber  4128.  (Petermann's 
Geogr.  Mittheilungen,  1863,  S-  345). 


Das  centralaaiatische  Hochland.  59 

welches  wir  erst  durch  die  Arbeiten  der  Gebrüder  Schlagintweit 
besser  kennen  gelernt  hcaben.  Rings  auf  den  Abfällen  und  Ver- 
bergen der  drei  mächtigen  Gebirgsketten ,  mit  denen  diese  zur 
wüsten,  wohl  200  Meilen  langen  und  50  Meilen  breiten  Ebene 
des  Tarym  übergehen,  und  aus  denen  sich  die  Zuflüsse  des  Tarym 
entwickeln ,  liegen  Culturlandschaften  und  Städte ,  natürlich  und 
künstlich  auf  das  Trefflichste  bewässert,  wo  Baumwolle,  Seide 
und  Wein ,  "Weizen  und  Reis  in  reichen  Ernten ,  auch  Gerste  und 
Hirse  gewonnen  werden ,  die  also  eine  Sommerwärme  besitzen 
müssen,  welche  nicht  auf  eine  bedeutende  Höhe  der  Plateauland- 
schaft schliessen  lässt.  In  neuerer  Zeit  haben  der  russisch-kir- 
ghisische  Stabscapitän  Tsch.  Walichanow  ^^  und  Hauptmann  A.  Golu- 
bew^)  des  Generalstabs  diese  Gebiete  näher  durchforscht.  Die 
turkestänischen  Dörfer  bestehen  aus  zerstreuten,  von  einander  ge- 
trennt liegenden  Häusern,  wovon  jedes  mit  einer  !Mauer  einge- 
schlossen und  von  Gärten  und  Feldern  umgeben  ist.  Mehrere 
solche  Meierhöfe,  durch  Alleen  von  INIaulbeer-  und  Elaeagnusbäumen 
verbunden ,  bilden  ein  Dorf.  In  den  bevölkerteren  Ortschaften 
stehen  die  Häuser  dichter  zusammen  und  haben  keine  Ringmauern. 
Die  Chinesen  nennen  solche  grössere  Orte  Städte,  bei  den  Einge- 
bornen  heissen  sie  alle  „Jasy",  Dorf.  Die  sechs  westlichen  Städte 
Ost-Turkestäns  („Altyschar" ,  „Altüschar"  oder  „Alty  schähär", 
d.  i.  Geliet  der  sechs  Städte)  wovon  einige  ihres  ausgedehnten 
Handels  wegen  wichtig,  sind:  Kaschgar^),  früher  China's  west- 
lichste Stadt,  mit  50 — 80.000  meist  usbekischen  Einwohnern, 
500  Mann  Garnison  und  1 6.000  (?)  Häusern,  in  einer  körn-  vmd 
fruchtreichen  Gegend  gelegen,  von  einer  Lehmmauer,  welche  12 
Werst  im  Umfang  hat,  umgeben;  Janysar  mit  8000  Häusern  und 
2000  Mann  Garnison;  Yärkand  ^)  (Järkiang,  Jerkend),  die  grösste 
aller  Städte  Ost-Turkestäns,  mit  32.000  Häusern  und  etwa  200.000 
Einwohnern,   nebst  einer  Besatzung  von   2200  Mann,   Hauptsitz  des 


1)  über  die  Zustände  von  Altyscliar  oder  in  den  sechs  westlichen  Städten  der 
chinesischen  Provinz  Nan  lü  (kleine  Bucharei)  in  den  Jahren  1858—1859.     (Sapiski,  1861). 

2)  Marschroute  von  Turfän  bis  Kaschgar  in  der  kleinen  Bucharei.  (Sapiski, 
1862,  Bd.  II). 

3)  Hier  soll  Adolf  v.  Schlagintweit  auf  Befehl  eines  türkischen  Häuptlings 
enthauptet  worden  sein.  (Petermann's  Qeogr.  Mittheilungen,  1859,  S.  352).  Die  Lage 
von  Kaschgar  ist  nach  Poltaratzki  76'  22'  ö.  L.  von  Greenwich  und  39  35'  n.  Br. 
Hayward   fand    nahezu   übereinstimmend:  76»  10'  ö.  L.  von  Greenwich  und  39    23'  n.  Br. 

4)  Die  Lage  Yärkand's  wurde  nach  Uapitän  T.  G.  Montgommcrie  auf  38  19' 
46"  n.  Br.  und  77"  30  ö.  L.  von  Greenwich,  die  Höhenlage  zu  1200  Meter,  also  etwa  4000 
englische  Fuss  über  dem  Meere  bestimmt.  (Petermann's  Geogr.  Mittheilungen,  1866, 
S.  276  und  Globus,  1866,  Bd.  X.  S.  251).  Montgommerie's  eigene  Abhandlung  ist  zu 
finden  unter  dem  Titel:  „On  the  geographical  position  of  Yärkand  and  some  other  places 
in  Central  Asia."  Im  „Journal  of  the  Roy.  geographical  Society".  (Vol.  XXXVI,  1866, 
S.  157—172). 


60  Dä^s  Ccntralaaiatische  Hochland. 

Handels ,  wesshalb  die  Russen  hier  zur  Errichtung  eines  Consulates 
die  Concession  erhielten;  Chotan  (Ili-tschi,  Iltschi,  P^ltschi),  mit 
1<S.()00  Häusern  und  1400  INIann  Garnison;  Akssu  mit  12.000  und 
Usch-Turfän  mit  4 — 6000  Häusern.  Die  Bewohner  sind  in  ganz 
Ost-Turkestän  Muhämedaner.  ') 


1)  Rob.  V.  S  chlagin  t  \v  ci  t.  Die  Bewohner  Titrkistan's  (Internationale  Revue, 
1868,  2.  Heft,  S.  141— U9).  Ferner:  Dr.  F.  Spiegel.  Das  östliche  Turkestan.  (Aus- 
land, 1867,  Nr.  42  und  ff.),  dann  H.  C-  Rawlinson.  On  the  recent  journcy  of  Mr.  W. 
H.  Johnson  from  Leh,  in  Ladakh,  to  Ilchi  in  Chinese  Turkistan.  (Proceeding  of  thc 
Roy.  geographical  Society.  Vol.  XI,  1,  S-  6—14).  Die  bcdcutondsten  Erweiterungen 
unserer  Kcnntniss  dieser  asiatischen  Centralrcgion  erfuhren  wir  in  jüngster  Zeit  durch  die 
gleichzeitigen  Reisen  G.  W.  Ha y ward's  und  Rob.  ShaWs  1868— 69. 


9 


VI.  Lapitel. 

Die  Völker  Tur  än's. 

Z\Yei  grosse  Völkergruppen,  sehr  verschieden  an  Raceaulagen, 
Energie  und  Geschick,  theilen  sich  heute  wie  vor  viertausend 
Jahren  in  den  Besitz  von  CentraLisien :  die  Tränier  und  die  hoch- 
asiatischen Turktatarcn.  Seitdem  die  ethnographischen  Studien  zur 
Lösung  so  vieler  historischer  Probleme  beigetragen  haben,  ist.  es 
allgemein  bekannt,  dass  Iranier  und  Hindu  die  ältestsn  Zweige 
jenes  arischen  Stammes  sind ,  dem  nahezu  alle  Völker  Europas  an- 
gehören. Die  iranische  oder  persische  Gruppe  (nach  Latham)  er- 
streckt sich,  weit  über  die  Grenzen  des  heutigen  Persiens  hinaus 
bis  an  die  Steppen  des^  westlichen  China's,  Afghanistan,  Bilud- 
schistän,  Theile  von  Bochilra,  das  Kohistän  von  KabCd  und  Kafi- 
ristän  umfassend.  Die  Stämme  dieser  Gruppe  sprechen  alle  mehr 
oder  minder  veraltete  persische  Dialecte,  mehr  oder  minder  mit 
türkischen  oder  thibetanischcn  AVörtern  vermengt.  Die  Türken, 
ihre  Nachbarn,  bezeichnen  mit  dem  ihnen  eigenthümlichen  gene- 
ralisirenden  Beobachtungsgeiste,  alle  Iranier  vom  Tigris  bis  zum 
Amu-Darjä,  mit  dem  CoUectivnamen  Tadschik.  Der  Grundzug  im 
Charakter  aller  dieser  Tadschik-Völker  ist  die  Neigung  zu  ruhiger 
Beschäftigung  und  zum  Ackerbau;  ein  Zug  der  sie  scharf  von 
dem  abenteuernden,  nomadisisenden  Semiten  des  Westens  unter- 
scheidet. ^)  Die  scharfe  Ausprägung  der  Züge  und  die  Schmalheit 
der  Jochbeingegend  findet  sich  durch  ganz  Persien  und  bildet  den 
physischen  Unterschied  von  den  nördlicheren  Völkern;  die  Farbe 
der  Haut  ist  dunkel.  Alle  diese  Stämme  sind  zu  gleicher  Zeit  in 
der  nächsten  Berührung  mit  der  Bevölkerung  des  Euphrat,  des  Nil 
und  des  Mittelmeeres ,  so  wie  mit  der  Indiens  gewesen ;  nur  in 
dem  fernen  District,  in  dem  unzugänglichen  Berglande  auf  der 
Wasserscheide  zwischen  Oxus  und  Indus   sind  sie  unverändert  und 


1)  Guillaumc  Lcjean.     La  Riissio  et  TAngletcrre   dans   l'Asic   centrale.     (Rev. 
des  deux  Mondes,  1867.    Tome  65,  S.  680—681). 


62  Die  Völker  TurSn's. 

unvcnnischt  geblieben,  daher  die  Muhamniedaner  die  doitigen  Be- 
wohner Kafirs,  d.  i.  Ungläubige  nennen.  Jedes  Thal  hat  dort  eine 
eigene  Bevölkerung,  ein  Gesammtnamc  fehlt.  Alles  ist  absonder- 
lich lind  specifisch;   die  ganze  Bevölkerung  ist  hellfarbig. 

Die  Ureinwohner  des  Landes,  die  Tadschik  Mittelasiens, 
häufig  und  eifrig  dem  Handel  ergeben,  haben  sich  weit  über  die 
Nachbarlande  von  der  chinesischen  Grenze  bis  zum  kaspischen  und 
persischen  Meere  verbreitet  und  finden  sich  in  der  ganzen  chine- 
sischen Bocharei,  wo  sie  von  den  urs2)rünglichen  Uiguren  wohl 
zu  unterscheiden  sind.  Ein  neuer  Reisender,  Hr.  Robert  Shaw, 
welcher  vor  kurzem  das  östliche  Turkestän ,  also  den  früheren 
chinesischen  Theil  des  Landes,  besucht  hat,  spricht  die  schon  1857 
von  den  Herren  Schlagintweit  unmittelbar  nach  ihrer  Rückkehr, 
zu  Dublin  erläuterte  und  erwiesene  Ueberzcugung  aus,  dass  die 
dortige  Bevölkerung  tatarisirte  Aryer  seien;  ')  es  verdient  diess  um 
so  mehr  hervorgehoben  zu  werden,  als  noch  vor  sechs  Jahren  ein 
guter  Kenner  turänischer  Ethnographie ,  Prof.  Spiegel,  ausdrücklich 
gesagt  hat:  dass  von  einer  indogermanischen  Urbevölkerung,  welche 
man  früher  in  diesen  Gegenden  mit  Sicherheit  zu  finden  vermeinte, 
nirgends  eine  Spur  zu  entdecken  sei.  -)  Nun  berichtet  aber  Herr 
Rob.  Shaw  nicht  weniger  bestimmt:  Die  Leute  in  Yärkand  haben 
ein  ganz  entschieden  arisches  Aussehen.  Sie  sind  gross,  haben 
längliche  Gesichter,  gutgeformte  Nasen  und  volle  Barte.  Zudem 
wissen  wir,  dass  seit  der  Tataren-Invasion  keine  Einwandenmg 
arischen  Blutes  in  jenen  Gegenden  stattgefunden  hat.  Die  That- 
sache,  dass  der  Name  der  Stadt  Clioten  von  gewiegten  Kennern 
für  arischen  Ursprungs  erklärt  w'ird,  spricht  gleichfalls  für  diese 
Annahme.  Aus  den  chinesischen  Annalen  erfahren  wir,  dass  bei- 
läufig um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  ein  Tataren- 
stamm, die  Yuc-tschi,  nach  Yärkand  und  Kaschgar  vordrangen 
und  die  dortige  Bevölkerung  aus  ibron  Sitzen  vertrieben.  ^)  Diese 
Vertreibung  kann  jedoch  nicht  vollständig  gelungen  sein,  nach  der 
heute  noch  vorhandenen  starken  Mischmig  mit  arischem  Blute  zu 
urtheilen.  Der  wirklich  vertriebene  Theil  der  arischen  LTrbevölkerung 
wanderte  gegen  die  Hochlande  von  Pamir  und  ergoss  sich  von 
dort  in  die  Tliäler  die  sich  zum  Oxus  und  in  die  bochärischen 
Ebenen  hinabsenken ,  wo  sie  blutsverwandte  Stämme  antrafen. 
Ein  kleiner  Bruchthcil    blieb  jedoch    im  Osten   des  Pamir,   im  Di- 


1)  Robert  Khaw.  Visits  to  high  Tartan-,  Yärkand  and  Käshghar  (formeily 
Chinese  Tartary)  and  rcturn  journey  ovor  the  Karakoram  Pass.  London  1871.  8  S.  22. 
Das  interessante  Buch  erschien  auch  in  deutscher  Übersetzung:  Reise  der  hohen  Tartarei, 
Yärkand  und  Knshghar  und  Rückreise  über  den  Karakoram-Pass.  Aus  dem  Englischen 
von  J.  E.  A.  Martin.  Jona  1812,  8  . 

2)  Das  östliche  Turkestän.     (Ausland  1867,  S.  1U22). 

3)  A.  a.  0. 


'  Die  Völker  TurSn's.  63 

strict  Ssari-kul,  und  in  dem  Winkel  zwischen  diesem  und  dem 
Muz-Tagh  zurück.  Dieser  letzte  Rest  transpamir  scher  Aryer  hat 
vor  einigen  Jahren  seinen  alten  Wohnsitz  verlassen  müssen,  da 
Muhammed  Yakub  Chan,  dem  sie  zu  viel  zn  schaffen  machten,  den 
ganzen  Stamm,  etwa  1000 — 1500  Individuen  stark,  nach  orien- 
talischer Sitte  in  andere  ^Vohn]J]ätze  führen  liess.  Diese  Leute 
sprechen  einen  mit  sehr  wenigen  türkischen  Wörtern  gemischten 
persischen  Dialekt,  und  ohne  irgend  eine  Beimengung  der  südlich 
von  ihnen  gesprochenen  Dardu-Idiome.  Auch  im  Wakhan-Thal, 
an  den  Quellen  des  Oxus ,  lebt  noch  ein  solch  versprengter  arischer 
Stanun,  von  dem  man  behauptet,  dass  seine  Sprache  abweicht  von 
jener  in  Badachschän  und  der  bochärischen  Tadschik,  und  sich 
von  letzterer,  die  fast  reines  Persisch  ist,  durch  das  Vorhanden- 
sein vieler  dem  Sanskrit  oder  dem  Täkri  ähnlichen  Wörter  unter- 
scheidet. Ist  diese  Angabe  wahr,  dann  dürfte  man  das  Wakhan- 
Idiom  als  ein  Ueberbleibsel  eines  ganz  bestimmten  und  sehr  alten 
indogermanischen  Spruchzweiges  betrachten,  aus  der  Zeit  wo  die 
Aryer  sich  noch  nicht  in  die  zwei  grossen  Stämme  der  Veda-  und 
der  Zend spräche  getheilt  hatten. 

Die  in  Ostturkestäu  zurückgebliebene  arische  Bevölkerung  muss 
sich  im  Laufe  der  Zeit  mit  den  tatarischen  Erobern  vermischt 
haben,  wobei  sie  diesen  ihre  Gesichtszüge  gab,  und  dafür  ihre 
Sprache  annahm.  Derartiges  geschieht  häuhg  im  Orient;  ein  her- 
vorragendes Beispiel  hiefür  sind  die  Huzäras  im  Norden  Afghani- 
stans. Man  könnte  sie  ihrem  Aeusseren  nach  als  vollendete  Typen 
der  tatarischen  Race  betrachten ;  ihre  Sprache  aber  ist  die  persische. 
Die  Tatareninvasion,  welcher  es  gelang  im  Osten  des  Pamir  die 
arischen  LTreinwohner  mit  sich  zu  verschmelzen,  hat  im  Westen 
dieses  Gebirges  sich  mit  der  einfachen  Eroberung  derselben  be- 
gnügen müssen.  Nicht  wie  in  Kaschgar  und  Yärkand  begegnet 
man  hier  einer  dem  äussern  Anschein  nach  homogenen  Race,  son- 
dern in  Bochära  und  Chokan  unterscheidet  man  scharf  die  unter- 
jochten Tadschik  und  die  herrschenden  Tataren.  Während  in  Ost- 
Turkestdn  es  einfach  Yarkander,  Kaschgarer  u.  s.  w".  gibt,  ist  ein 
Mann  im  westlichen  Turkestan  nicht  nur  ein  Bochäre  oder  Cho- 
kanze,  sondern  überdiess  auch  noch  entweder  ein  Tadschik  oder 
ein  Uzbeke,  Kyptschake,   Turkomane. 

Man  hat  also  vor  allem  die  Unterscheidung  zwischen  Tad- 
schik (arisches  Blut)  und  Tatar  (Türke,  turänisches  Blut)  wohl 
festzuhalten.  Man  begegnet  indcss  noch  zwei  weiteren  Bezeich- 
nungen ,  Kirghiscn  und  Sarten ,  die  sich  auf  die  Lebensweise  be- 
ziehen. Kirghisen  sind  Nomaden,  Sarten  Bodensässige.  Allein 
während  die  Kirghiscn  zugleich  eine  ethnische  Gruppe  bilden  — 
sie  gehören  alle  dem    türk-tatarischen    Stamm  an  —  gilt    die  Be- 


64  Die  Völker  Turän's. 

Zeichnung  Sart  (oder  Sogdager)  d.  i.  Handelsleute,  für  alle  Nicht- 
nomadeii,  gleichgültig  ob  dieselbe  arischen  oder  tatarischen  Stammes 
sind.  Es  findet  sich  hier  also  Gelegenlieit  die  irrige  Anschauung 
der  Russen  zu  berichtigen,  welcke  Sart  und  Tadscliik  für  iden- 
tisch hielten,  wohl  nur  aus  dem  Grunde,  weil  die  ersten  Sarten, 
welche  sie  zu  Gesichte  bekamen,  Tadschik  waren.  R.  Shaw  in- 
dess  sagt  ausdrücklich,  dass  alle  Chokanzen ,  welche  er  im  öst- 
lichen Turkestan  antraf,  darin  übercinstinunten,  dass  Sart  ein  von 
den  Khirgisen  gebrauchtes  Wort  sei,  um  alle  jene  damit  zu  be- 
zeichnen ,  die  nicht  nomadisiren  wie  sie  selbst.  Die  Sarten  in 
West-Turkestan  umfasscii  denniach  sowohl  die  arischen  Tadschik 
als  die  tatarischen  Uzbcken  und  andere.  Es  ist  allerdings  anzu- 
nehmen ,  dass  die  INlehrzahl  der  Sarten  —  nach  welchen  die  Mon- 
golen die  Bochärei  mit  dem  Namen  Sartenland,  Sartohl,  belegten  — 
Tadschik  sind.  Diese  letzteren  sind  die  Bochären  im  engern  Sinn, 
und  bilden  den  Hauptstock  der  Bevölkerung  bis  zum  Ssyr-Darjä 
(Jaxartcs);  in  Chokan  hingegen  kommen  sie  schon  mehr  verein- 
zelt vor;  als  Kauflcute,  Schreiber,  und  selbst  in  höheren  Aemtern, 
aber  nicht  mehr  als  Handwerker  und  Bauern.  Die  Tadschik  sind 
ein  schöner  Menschenschlag  mit  europäischen  Gesichtszügen,  hoher 
Stirne,  ausdrucksvollen,  von  dunkeln  Brauen  überschatteten  Augen, 
dünnen  feingeschnittenen  Nasen,  kurzen  rothen  Oberlippen,  schwarzen 
Haaren  und  viel  weniger  braunen  Farbe  als  die  heutigen  Perser.  Der 
Körperbau  ist  im  allgemeinen  untersetzt,  der  Bart  gross  und  voll,  und 
mitunter  ins  Braune,  ja  sogar  ins  Röthlich  spielend.  Die  Tadschik 
sind  falsch,  betrügerisch,  habgierig  aber  auch  gutmüthig,  dienstfertig, 
unterwürfig ,  und  dabei  unerbittliche  (iebicter  ihrer  Sclaven;  sehr 
fleissig  und  geschickt  als  Kaufleute,  Handwerker,  Landbauern  und 
Bewässerer.  Die  meisten  können  lesen  und  schreiben ,  und  sie 
bilden  den  civilisirtesten  Theil,  nämlich  vorzugsweise  die  städtische 
und  industrielle  Classe  der  Bevölkerung,  doch  verstehen  sie  nicht 
zu  herrschen,  nur  zu  gehorchen.  Im  Belut-Tagh  bilden  sie  \aele 
unabhängige  Gemeinden,  und  w^crden  dort  von  den  Turkestanern 
Goltschah  genannt ;  sie  sind  Muhammedaner,  theils  Sunniten,  theils 
Schiiten.  Mehr  oder  minder  richten  sie  ihre  Blicke  mit  heiliger 
Verehrung  nach  dem  Hofe  vonBochara,  nächst  dem  Sultan-i-Rum 
oder  türkischen  Sultan,  welcher  das  geistliche  Oberhaupt  ist,  dem 
Horte  gnisster  Frömmigkeit.  Die  den  Tadschik  sehr  nahe  stehen- 
den Bewohner  von  Badachschän  besitzen  sehr  grosse  Aehnliclil\eit 
mit  den  Stämmen  des  nördlichen  Indien.  R.  Shaw  sah  einen  sol- 
chen zu  Yarkand,  den  er  sofort  für  einen  Kaschmircsen  hielt,  bis 
sich  herausstellte,  dass  der  Mann  aus  Badachschän  sei.  Diese  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Kaschmiresen  spricht  gleichfalls  sehr  für  die  arische 
Abkunft,  denn  der  Kaschmirese  bildet  einen  ebenso  deutlich  aus- 
geprägten Typus  wie  der  Jude. 


Die  Völker  Turun's.  n5 

Ein  niprkwiircliges  Volk  sind  die  Kafirs  oder  Sijaposch 
(^—i;ja.E.  hol  Ölrabo ,  — //?;ri  bei  Diodorus  Siculus  XVII.  96)  im 
Ilindu-Tvuh,  iiI)CI•^vf'k■hp  der  anglikanische  Missionar  W.  Hancock  i) 
in  Pischawcr-)  (persisch:  biischtragond ,  von  hischehj  (Jobüscli), 
Nachricliton  einzog  und  deren  UnterAverfung  zu  allen  Zeiten  oft, 
aber  stets  erfolglos  versucht  worden;  sie  blieben  unabhängig  bis 
auf  den  heutigen  Tag  und  wahrten  ihren  alten  heidnischen 
Glauben.  Die  Gesichtszüge  der  Katir  sind  ganz  europäisch  und 
sehr  intelligent;  sowohl  blaue  als  schwarze  Augen  kommen  vor, 
die  Augenbrauen  sind  gewölbt,  die  Lider  lang,  die  Stirn  ist 
offen  und  breit;  die  Farbe  des  Haares  wechselt  von  Schwarz  bis 
Hellbraun.  Die  Gestalt  beider  Geschlechter  ist  hübsch  und  recht 
scMank.  Die  Sijaposch  thcilen  sich  in  18  Stämme,  die  übrigens 
durch  die  Ivleidnng  sich  nicht  unterscheiden;  ihre  Städte  und 
Dörfer  —  denn  die  Kafir  wohnen  niemals  in  Zelten  —  liegen 
meist  am  Bergeshang  und  zählen  mitunter  400 — 500  Häuser.  Die 
Sijaposch  sind  gute  Viehzüchter  und  besitzen  bedeutende  Heerden 
von  Rindvieh ,  Schafen  und  namentlich  Ziegen ;  alle  lieben  den 
Wein;  sie  sind  gegenwärtig  mit  Feuersteinflinten  versehen,  die 
\vahrscheinlich  aus  russischen  Fabriken  stammen ;  ihre  Kaubzüge 
sind  aber  meist  nur  Kepressalien  gegen  die  Einfälle  der  Muhammedaner. 
Die  Religion  i.st  sehr  einfach  mid  reiner  Götzendienst ,  und  hat , 
beim  Mangel  einer  Schriftsprache,  auch  kein  strenge  ausgearbeitetes 
System.  Viele  Gebräuche  erinnern  an  jene  der  Parsis,  zu  denen 
die  Sijaposch  wohl  in  verwandtschaftlicher  Beziehung  stehen.  Sie 
reden,  obwohl  in  verschiedenen  Dialccten ,  eine  dem  Sanscrit  sehr 
nahe  verwandte  Sprache  und  scheinen  daher  Ueberreste  der  Ur- 
einwohner der  I^änder  am  Kabid  und  im  heutigen  Afghanistan  zu 
sein,  was  auch  durch  historische  Schriften  in  afghanischer 
Sprache  und  von  anderen  muhammedanischen  Schriftstellern  be- 
stätigt wird.  ^) 

Der  hochasiatischen  \'ölkergrupj3e ,  und  zwar  sowohl  der  mon- 
golischen oder  tatarischen  als  der  türkischen  Familie,  gehören  die 
übrigen  Bewohner  Centralasiens  an.  Zu  ersterer,  die  aus  einer 
Menge  nomadischer  Stämme  besteht  und  nebst  der  Mongolei  auch 
die  Dsungarei  sowie  einen  Theil  der  angrenzenden  Tiefländer  bewohnt, 
sind  die  nur  in  geringer  Zahl  vorhandenen  Buräten  oder  Burjäten 
zu  rechnen,  während  die  westlichen  Tataren,  den  Kalmykischen 
Zweig  bildend ,    als  Dsungaren    in    der  Dsmigarei ,    als    Torgot    im 


1)  Sein  Bericht  ist  im  „Church  Missionary  Intelligencer"  vom  März  1865 
enthalten.  Si j ali-pösch,  porsich:  Schwarzbcinler,  wegen  der  Beinbekleidung  au3 
Zipgenfellen. 

2)  Im  Merässid-ul-ittih'i:   Ferschaur,  Ferschabur,  vulgär  Berssavur- 

3)  Mitthcilungcn  ü'er  die  SiahpOsch  im  Asiatischen  Kafiristiin.  (Globus,  1865, 
Bd.   YIII,  S.  342-343). 

8 


66  Die  Völker  Turän'S. 

Süden  des  Ili,  als  Oelöten  des  Altai  und  als  russische  Kalmyken 
am  unteren  Don,  an  der  unteren  Wolga  am  Ural  und  im  Altai') 
vorkommen.  Das  mächtigste  der  mongolischen  Völker  ist  indess 
jenes  der  Khalkas,  westlick  vom  mandschurischen  Alpenlande  und 
nördlich  von  der  Wüste  Gobi.  Diese  Völker  des  nördlichen  Theiles 
von  "NVestasicn  —  besonders  des  eigentlichen  Ssibirieus  —  sind 
für  die  europäische  Civilisation  durchaus  unzugänglich.  ^Zwar  sind 
die  ssibirischen  Völkerschaften"  —  so  schreibt  einer  der  vorzüg- 
lichsten Kenner"^) — ^  „mit  Ausnahme  der  Samojeden ,  Ostjak  en  und 
Tungusen  weit  leichter  ansässig  zumachen  als  die  Indianer  Amcrika's, 
aber  die  Lebenskraft  dieser  Völkchen  und  Stämmchen  ist  geschwunden 
und  sie  sterben  jetzt  nach  und,  nach  aus.  Das  konnte  ich  im 
Jahr  1867  auf  meiner  Reise  am  mittleren  Irtysch  d.  h.  zwischen 
Tara,  Tobol.sk  und  Tümen  so  recht  deutlich  beobachten.  Die  hier 
eigentlich  ansässigen  Tataren,  die  einst  hier  die  reichen  AVald- 
strecken  bewohnt,  haben  sich  jetzt  zu  den  Ufern  der  grossen 
Flüsse  hinabgezogen,  bewohnen  hier  kleine  Dörfchen,  Krankheiten 
und  Hunger  decimiren  sie  alljährlich ,  während  die  umwohnenden 
Dörfer  der  Russen  trotz  Viehseuchen  und  Misswachs  der  letzten 
Jahre ,  sehr  reich  sind.  Dabei  muss  bemerkt  werden ,  dass  die 
russischen  Dörfer  viel  weniger  Land  besitzen  und  meist  das  Acker- 
land den  Tataren  pachten.  Dasselbe  kann  ich  von  den  Tataren, 
welche  die  Barabinskischen  Stejjpe  und  die  Steppen  nördhch  vom 
Altai"  bewohnen  und  von  den  Tscholyni-Tataren  sagen.  Alle  diese 
Stäimne  sind  zer.sprengt  zwischen  den  Russen.  Sie  haben  sich 
zwar  zum  Theil  mit  den  Russen  vermischt  und  bilden  dann  einen 
sehr  strebsamen  Theil  der  russischen  Bevölkerung  in  den  soge- 
nannten „eingebornen  Verwaltungsämtern."  Die  der  Vermischung 
sich  widersetzenden  Theile  dieser  Eingebornen  steroen  aber  zusehends 
aus  in  ihren  schmutzigen,  theils  aus  Erdhütten  gebildeten  Dörfchen. 
Die  eigentlichen  altaischen  Bergkalmyken  sind  meiner  Meinung  nach 
ganz  unzugänglich  für  Civilisation,  sie  ziehen  sich  je  mehr  die  Russen 
in  die  Thälcr  des  Altai  eindringen,  desto  mehr  in  die  waldigen 
und  steinigen  Berge  zurück  und  verwildern  eher  durch  Berührung 
mit  der  Civilisation  als  dass  sie  von  derselben  ergriti'en  werden.'' 
Dem  reinen  türkischen  Stamme  gehören  die  Usbeken ,  das 
herrschende  Volk  Turkcstän's  an ;  sie  bilden  die  militärische 
herrschende  Classe  in  den  drei  Chanaten  Chiwa,  Bochära  und 
Chokan,  werden  von  Meyendorft"  auf  etwa  1  \2  Millionen  ]\Iensclien 
geschätzt  und  haben   die  Tadschik-Völker  gänzlich    unterjocht.      In 


1)  Diese    letzteren   sprechen   einen    sehr  reinen    türkischen   Dialoct,   in    den   aber 
viele  mongolische  Klemonto  sich  eingemischt   haben. 

2)  W.  Radioff  in  einer  brieflichen  Mifthcihiiig  an  den  Verfasser  ddo.   Baniaul 
26^0ctober    ^^^^ 

7.  November 


Die  Völker  Turän's-  67 

Chokan,  wo  sie  entschieden  sich  reiner  erhalten  als  in  Bochära, 
Avo  sie  mit  den  Tadsclük  vermischt  leben,  haben  sie  eine  von  den 
Kirgliisen  etwas  abweichende  Körperform,  nämlich  grössere  Statur, 
ein  bischen  mehr  und  längeres  Haar  im  Gesichte  mid  ein  weniger 
hässliches  Aussehen.  Sie  sind  eher  braun  als  gelb;  die  Xase  ist 
breit,  zuweilen  am  hervortretenden  Ende  ganz  flach;  die  Augen 
sind  langgezogen  und  bedeckt,  die  Stirne  unten  sehr  hervortretend, 
oben  zurückweichend,  der  Bart  spärlich,  der  Körper  muskulös, 
der  Wuchs  meist  sehr  schön  mid  gross.  R.  Shaw  betont,  dass 
sie  weniger  tatarenartig  aussehen  als  die  Kirgliisen  und  schreibt 
diess  wohl  kaum  mit  Unrecht  der  Beimischung  von  Tadschikblut 
zu.  Ein  Beis})iel  solcher  offenbaren  Blutmischung  sei  der  der- 
malen  so  mächtige   „Atalik   Ghazi"   Yakub   Beg.  ) 

Zur  weiteren  ^'erwirrung  der  ethnologischen  Verhältnisse  in 
Centralasien  trägt  endlich  auch  noch  der  Umstand  bei,  dass  wenn 
einmal  ein  Stamm  eine  solche  ^Nlachtstufe  erreicht  hat .  wie  die 
Uzbeken,  Leute  ganz  verschiedener  Abkunft  sich  ohne  Zaiuleru 
den  Namen  dieses  angesehenen  Stammes  beilegen.  So  beginnen 
dermalen  schon  einige  hervorragende  Familien  in  Kaschgar  sich 
selbst  als  Uzbeken  zu  bezeichen ,  obwohl  letztere  ihnen  nicht  die 
geringste  Verwandtschaft  zugestehen.  Die  Uzbeken  leben  theils  in 
Ansiedelungen,  theils  als  stets  kriegsbereite  Xomaden  in  Kibitken. 
imd  zerfallen  in  eine  Monge  von  Stämmen;  hievon  sind  die  wichtig- 
sten :  Ming,  aus  welchen  die  jetzigen  Chane  von  Chokan  stammen: 
Tschagatai,  in  Xamagän  sesshaft ;  Kurimia .  am  Ssyr  zwischen 
Taschkend  und  Chokand .  Ackerbau  treibend ;  endlich  Kyptschak, 
1853  fast  gänzlich  ausgerottet,  aber  bis  dahin  zehn  Jahi-e  lang 
herrschend.  Sie  bildeu  ein  Verbindungsglied  zwischen  den  sess- 
haften  und  den  nomadisirenden  Turk-Stämmen ,  indem  sie  Acker- 
grund im  Chanate  Chokan  besitzen,  aber  doch  mit  ihren  Kameel- 
uud  Schafheerden  eine  Zeit  lang  im  Jahr  umherwandcru.  Sie 
stehen  in  hohem  Ausehen  ob  ihres  Muthes.  und  gelten  für  tüchtige 
Krieger.  Ihr  Acusseres  mahnt  sehr  stark  an  die  Kirgliisen .  ihre 
Sprache  ist  aber  sowohl  von  der  kirghisischen  als  von  jener  der 
nicht  nomadisirenden  Turkstämmen  verschieden. 

Nahe  mit  den  Usbeken  verwandt  sind  die  räuberischen  und 
nomadischen  Turkomanen  oder  Turkmenen .  welche  grösstentheils 
jene  Strecken  wüsten  Landes  bewohnen,  die  jenseits  des  Oxus 
vom  kaspischen  Meere  bis  nach  Balch  und  vom  genannten  Flusse 
südwärts  bis  Herät  und  Asterabäd  (letzteres  in  Persien)  sich  aus- 
dehnen. Im  Laufe  des  jüngsten  Decenniums  hat  H.  A'^üubeiy  diese 
Völkerstämme  besucht  und  iliiii  verdanken  wir  viele  neue  Mit- 
theilungen über  dieselben.    So   weit  historische  Xachrichten  reichen. 


1)  Shaw.    Visits  to  high  Tartary.    S.  29. 


68  Die  Völker  Turün's. 

scheinen  die  Turkamiancn  nie  in  eine  cinzifi;e  Körperschaft  ver- 
einigt gewesen  zn  sein.  Sie  zerfallen  in  Klialks  oder  Stämme, 
deren  jeder  wieder  in  verscliiedenc  Horden ,  Tajfe,  zerfallt ,  die 
nochmals  in  Unterabtheilnngen,  7Yre,  eingcthcilt  sind.  Vand)cry 
nennt  als  die  bedeutendsten:  die  Tschaudor  mit  1  "2.000  Zelten 
(Tschatna),  vom  kaspischen  INIeere  bis  nach  Alt-Urghendsch,  Bul- 
dumsaz  und  Kötschege  in  Chiwa;  die  Erszari  mit  50.000  Zelten 
am  linken  Üxus-I"fcr  von  Tscliehrirdschiij  bis  nach  Balch;  die 
vMieli  mit  oOOO  Zelten,  deren  Hanptsitz  Andchui;  die  Kara  mit 
1500  Zelten  in  der  grossen  Sandwüste  zwischen  Andchui  und 
Merw;')  die  Salor,  mit  8000  Zelten,  in  und  um  INIartschag  (^lerut- 
schag);  die  Sarik  mit  10.000  Zelten  in  der  Umgebung  von  Pendsch- 
dch  am  Ufer  des  Murgh-ab -');  die  Teke  mit  G 0.000  Zelten  in 
zwei  Ilauptlagern  (Aclial  und  ^lerw),  die  Göklen  mit  1  2.000  Zelten, 
die  friedlichsten  und  civilisirtesten  Turkomanen,  meist  dem  Schah 
von  Persien  unterworfen,  in  der  Gegend  von  üurgan,  und  die 
Yonuilt  mit  40.000  Zelten  am  östlichen  Ufer  und  auf  chiigen  Inseln 
des  kas])ischen  ISIert'cs;  zusammen  196.500  Zelte.  Rechnet  man 
auf  Jedes  derselben  durchschnittlich  fünf  Personen  ,  so  erhält  man 
die  Summe  von  982.000  Seelen.  Eigenthümlich  ist,  dass  unter 
diesen  Turkomanen  sich  kein  Führet  findet  und  Niemand  an  Ge- 
horsam gewöhnt  ist.  Trotzdem  herrscht  keineswegs  Anarchie  und 
Vergehen  gegen  Justiz  oder  jMoralität  sind  unter  ihnen  seltener  als 
unter  anderen  muhannnedanischen  Nationen  Asiens.  Alles  wird 
bei  ihnen  von  dem  mächtigen  „l)eb"*  ^),  nämlich  der  Sitte,  dem 
Gebrauch  regiert,  und  die  Keligion  hat  nur  geringen  Eintluss.  Die 
verschiedenen  Stämme  leben  in  grosser  gegenseitiger  Feindschaft, 
fürchten  sich  vor  dem  benachbarten  Persien  gar  nicht,  während 
ihnen  die  russische  INIacht  Res])ect  einflösst.  An  ihrem  Stamme 
halten  sie  treu  und  fest,  und  selbst  vierjährige  Kinder  kennen  ge- 
nau Täjfe  und  Tire ,  zu  denen  sie  gehören  und  sind  stolz  auf  die 
Macht  und  die  Grösse  ihrer  Horde. 

Der  Turkomane  zeichnet  sich  durch  seinen  kühnen,  durch- 
bohrenden Blick  aus,  der  ihn  von  allen  anderen  Nomaden  und 
Städtebewohnern  Centralasiens  unter«cheidet.  Die  Raubzüge  (Ala- 
nnine)  sind  ihm  Hauptsache,  und  die  Einladung  hiezu  iindet  Jeden 
zur    sofortigen    Theilnahme    bereit.       Der    I{;ntsclduss    wird    geheim 


1)  Einst  rinc  blühende  Stiidt,  Atc.riDub-hi  mlor  Aiiti'orliiti  Marr/idiid  ilcr  Alten, 
war  die  llauptatadt  der  Landschaft  Margiana  (ultpevsisch  Muri/ii,  in  Zcinl  Möitrn,  neu- 
persisch   Marn  oder  Merw). 

2)  Dieser  Fliiss,  der  alte  Mciii/hk,  entspringt  dem  öslllclieii  Ilocligoliirgr ,  dem 
ühur  und  fliesst  nach  Nordwest  bei  Martschag  und  l'ondschdeh  vorbei;  dann  verliert 
er  sich  in  den  Sandebenen  von  Merw.  Die  Angabe,  daa  dieser  reisscndc  klare  Gebirgs- 
strom  ehemals  in  den  Aniu-Darja  eingemündet,  Ist  unrichtig. 

3)  Veb  (bei  den  Kirgliisen  Tore)  ist  ein  Wort  arabischen  Ursprungs  und  stammt 
von  £i>eh,  Sitte,  Uoriichkcit,  ab- 


Die  Völker  Turän's-  69 

gehalten,  und  wenn  der  erwählte  Anführer  voni  Mollah  gesegnet 
worden  ist,  springt  Jedermann  in  den  Sattel  und  eilt  zum  Stell- 
dichein. Der  Angriff'  erfolgt  um  Mitternacht  oder  um  Sonnenauf- 
gang und  ist  gewöhnlich  erfolgreich.  Die  persischen  Karawanen 
werden  meist  überriunpelt ;  wer  Widerstand  versucht  wird  nieder- 
gemacht, der  Rest  in  die  Sclaverei  geführt.  In  seinem  häuslichen 
Leben  is^  der  Turkomane  sehr  indolent.  In  den  Abendstunden 
horcht  er  auf  die  Märchen  und  Gesänge  der  Bahltsclii  oder  Minne- 
sänger, die  ihre  Weisen  mit  der  Diifara  oder  zweisträngigen 
Guitarre  begleiten.  Die  Gesänge  sind  meistens  Lieder  des  vor 
mehr  denn  80  Jahren  verstorbenen  Xationalpoeten  ]\Iachdunikuli. 
Einige  ihrer  Gebräuche  sind  um  desswillen  bemerkens\verth ,  weil 
sie  bei   den   übrigen   Xomaden  Centralasiens  kaum  gefunden  werden. 

Die  Zeit,  Avann  die  Turkomanen  ihr  ursprüngliches  Land  ver- 
liessen,  kann  mit  Sicherheit  nicht  bestimmt  werden.  Einige  waren 
bereits  in  den  östlichen  Theilen  der  Wüste  diesseits  des  Amu  zur 
Zeit  der  araljischcn  Occu2)ation  angesiedelt.  Andere  nahmen  ihr 
jetziges  Land  zur  Zeit  des  Tschingis-Chan  und  Timur  in  Besitz. 
Die  letzte  Erhebung  der  Turkomanen  geschah  unter  Nadir  Schah 
und  Aga  Mehemed  Chan,  die  mit  Hilfe  der  Afghanen  im  Beginn 
des  letzten  Jahrhunderts  Asien  aus  seinem  Schlummer  aufrüttelten. 
Sie  sind  nächst  den  Kyptschak-Li^sbeken  das  kriegerischeste  Volk 
Asiens  und  vermöge  ihrer  Lage  die  Wächter  der  Südgrenzen  der 
Hochlande  von   Turkestän  i). 

Ein  Mischvolk  der  eigentlichen  Mongolen  und  Türken  scheinen 
die  türk-tatarischen  Völker  zu  sein,  die  gemeiniglich  Kirghisen  ^) 
genannt  werden.  ]Man  inuss  aber  in  dieser  generellen  Bezeichnung 
zwei  verschiedene  Stännne  scharf  unterscheiden,  nämlich  die  irrig 
als  Kirghisen  geltenden  Kaizaken  oder  (?hazaken,  und  die  eigent- 
lichen Kirghisen,  richtiger  K  a  r  a  -  K  i  r  g  h  i  s  e  u  3)  (schwarze  Kir- 
ghisen). Das  zahlreichste  dieser  Völker  hat  sich  nämlich  nie  anders 
als   Chazak  (woher  die  Benennung  Ivirghiz-Kaizaken)  genannt    und 


1)  Vdinbery.  Die  Turkomanen  in  ihren  politisch-socialcn  Vcrliältnisscn. 
(l'c  tc  rniann's  Geogr.  Mittheilungen,  1864,  S.  401 — iU8)  und  in:  Travels  in  Ccntral-Asia. 
London  1864,  S.  301—328;  endlich  auszugsweise  im  Globus.  1865,  VII.  Bd.,  S.  190. 
Ferner  der  Artikel:  „Unter  den  Turkomanen.«  (Globus  1867,  XI.  B.,  S-  353 — 36-2)  und 
das  lehrreiche  Capitel  „A-sehurade  und  die  Turkomanen:"  in:  Mcigunow,  daa  südliche 
Ufer  dos  kaspischcn  Meeres.    S-  72  —  101. 

2)  Die  Kirghisen  bewohnten  im  5.  Jalirhundert  n.  Chr.  die  Ufer  des  Jcnissei  und 
die  Sajanischcn  Gebirge;  chinesische  Schriftsteller  jener  Zeit  nennen  sie  Kian-Kucn, 
später  llakas:  seit  Ende  des  v;)rigen  Jahrhunderts  sind  sie  auch  aus  dem  Altai  ver- 
schwunden und  bewohnen  nur  mehr  den  Tian-Schan;  andererseits  wissen  wir  aus  chinesi- 
schen Schriftstellern  des  13.  Jahrliunderts,  dass  schon  damals  der  Tian-Schan  von 
Kirghisen  bewohnt  war  (Ritter.  Erdkunde,  II.  S.  1120),  wahrscheinlich  Voreltern  der 
heutigen  Karakirghisen. 

3)  Es  sind  dies  die  Dikokanianuy-  oder  Dikokonianuoi-Kirghiscn  der  Russei». 


70  Die  Völker  Turan's. 

erhielt  erst  den  Namen  Kirghiscn  ^)  von  den  russischen  Kosaken, 
nachdem  diese  das  echte  Kirghisenvolk  gesehen''^).  Dieses,  die 
K  ar  a-Kirghis  en,  ursprünglich  zur  kaukasischen  Gruppe  gehörig, 
von  den  Chinesen  und  Kalmyken  Buruk  (daher  Burjaten)  genannt, 
liausen  zum  Theile  in  der  Dsungarei  und  in  Turkcstan,  im  öst- 
lichen Altai,  in  den  Berggegenden  der  Ssyrquellen  und  an  seinen 
bedeutenden  Nebenflüssen  Tschui  und  Talass,  im  Alatau,  in  den 
Höhenzügen  in  der  Umgegend  des  Sees  Issi-Kul  und  im  Süden  bis 
zu  den  Quellen  des  Anui-Darja  im  Belut-Tagh.  Sie  sprechen 
einen  rein  türkischen  Dialect  ^),  und  theilcn  sich  in  zwei  Yöll>cr- 
schaften,  die  Rechten  (On)  und  die  Linken  (Sol),  welche  wieder 
in  Stämme  und  Familien  zerfallen.  INIan  kann  sie  auch  in  nörd- 
liche und  südliche  Kara-Kirghisen  unterscheiden.  Im  Norden  vom  Ssyr 
haben  ihre  Weidelandcreien  die  grösste  Ausdehnung  von  Ost  nach 
West,  indem  sie  im  Norden  an  die  Chazaken,  im  Süden  an  die 
ansässige  Bevölkerung  Chokans  und  des  chinesischen  Turkestäns 
stossen.  Im  Süden  des  Ssyrs  dehnen  sich  alle  Ländereien,  die  von 
diesen  nomadisironden  Stämmen  besetzt  werden ,  vorzugsweise  von 
Nord  nach  Süd  aus,  indem  sie  sich  mit  ihrer  östlichen  Seite  an 
die  ansässige  Bevölkerung  Ost-Turkestäns,  UTit  ihrer  westlichen  an 
jene  von  Chokan  und  Bochära  anlehnen.  Ihre  Weideländer  im 
Tian-Schan,  südlich  vom  Ssyr,  sind  strichweise  von  den  Wohn- 
plätzen der  kriegerischen  und  fanatischen  Berg-Sartcu  durchsetzt. 
Die  nördlichen  Kara-Kirghisen  haben  unter  sich  nicht  den 
geringsten  Verband,  noch  irgend  \Yelche  gesammtstaatliche  Ein- 
richtungen ;  ihre  zahlreichen  Stämme  sind  unter  sich  gänzlich  ge- 
schieden und  bekriegen  einander;  sogar  jeder  einzelne  Stamm  zweigt 
sich  wieder  in  Abtheilungen  ab,  die  sich  gleichfalls  befehden.  Alle 
ihre  kriegerischen  Kräfte  werden  durch  endlose  innere  Kämpfe 
absorliirt,  zu  denen  noch  die  Streitigkeiten  mit  den  Chazaken  hin- 
zukommen, so  dass  trotz  ihrer  Wildheit,  sie  ohne  Mühe  von  den 
Chinesen  und  Chokanzen  unterjocht  wurden,  worauf  in  jüngster 
Zeit  ein  Stamm  nach  dem  andern,  einige  wenige  ausgcnonunen, 
freiwillig  die  russische  OberhezTschaft  annahm.  Die  Wohnjdätze 
der  nördlichen  Kara-Kirghisen  sind  von  den  südlichen  durch  einen 
wilden,  kaum  zugänglichen  Ciebirgsknoten  an  den  Quellen  des  Tschui 
und  des  Naryn  geschieden,  wo  der  wenig  zahlreiche  Stamm  der 
Tschiriken  sitzt,  der  die  russische  Oberherrschaft  ebenfalls  anerkennt. 


1)  W.  Schott.     Über  die  echten  Kirghiscn,  Berlin,   1865,  4  . 

2)  W.  Radioff.  Beo!  achtungpn  über  die  Kirghisen-  (P  c  tcrni  an  n's  Gcngr. 
Milthcilungen.  18C4,  S-  163-168). 

>!)  W .  Radioff.  Die  S|irachen  der  (ihkiselioii  Stänunc  f^üd-Sibiricns  und  der 
dsungarischon  Stcrpc.  St.  Petersburg,  1866.  D-  und  W^  Schott.  Altajische  Studien 
oder  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Tatarischen  (Turäuischeu)  Sprachen, 
Berlin  1867,  4  . 


bie  Vmker  Turän's.  7i 

Tue  südlichen  Kara-Kirghisen  stehen  hn  engsten  Verbände 
mit  Chokan,  dessen  Tributpflichtige  sie  aber  keineswegs  sind,  bilden 
hingegen  im  ^'ercin  mit  den  Kyptschaken  und  Berg--Sarten  die 
herrschende  Race  und  don  kriegerischen  Kern.  Sie  haben  sich 
die  chokanzische  Ilalbcivilisation  angeeignet  und  sind  durch  ihre 
Energie  unabhängig  und  einflussreich  in  Chokan  geworden  ^).  Sic 
sind  auch  als  Alai-Kirgliisen  bekannt  2).  Zu  diesem  grossen 
Stannne  gehören  die  Horden,  welche  auf  beiden  Seiten  des  Pamir- 
Gcbii'ges  auf  den  Bcrgeshiingen  wie  in  den  Step2ien  nomadisiren. 
Sie  haben  das  Gebiet  des  Ssarykul  inne  und  ein  kleiner  Theil  ist 
vor  mehreren  Jahren  bis  zu  den  \Veidc2ilätzen  von  Sarikia  am 
Karakasch-Flusse  bei  Sendschu  gelangt;  es  ist  dies  der  südlichste 
Punkt  den   diese  Nomaden  jemals  erreich    haben. 

Die  stammverwandten  Karakalpaken,  welche  vortreffi iche 
Teppiche  verfertigen,  leben  in  grosser  Zahl  in  Filzjurten  an  den 
Ufern   des   Ssyr-Darjä. 

Die  Chazaken^)  kann  man  als  ein  Uebergangsvolk  ansehen, 
denn  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  haben  sehr  viele  von  ihnen 
mongolische  Züge,  aber  durch  ihre  Sprache  reihen  sie  sich  den 
Turkvölkern  an.  Sie  sind  jetzt  ebenfalls  grösstentheils  Russland 
unterworfen  und  theilen  sich  in  drei  Horden:  die  grosse  Horde 
(ulu-dsclmsj,  im  Süden  des  Balchasch  bis  zum  Issi-Kul;  die 
mittlere  [orta-dfichus  ■ ,  zwischen  dem  Balchasch  und  der  ssibiri- 
schon  Stadt  Omsk,  und  die  kleine  Horde  (kütt>chü]:-dsduis' ,  im 
westlichen  Theile  der  Steppe,  zahlreich  bis  um  Taschkend  •*)  und 
zum  Tschui.  Man  kann  also  sehen,  dass  die  ausgedehnte  Land- 
strecke, welche  von  den  Mündungen  der  Wolga  und  des  Ural- 
stromes im  Westen  sich  gegen  Osten  bis  in  die  Dsungarei  hin- 
einstreckt, im  Norden  von  Ssibirien,  im  Süden  von  Turkestän 
begrenzt,  den  Kirghis-Kaisaken  gehört.  Sie  wird  allezeit  eine 
Region  nomadischer  Völker  bleiben  und  ist  recht  eigentlich  für 
Wanderhirten  geschaffen.  Ackerbau  könnte  auch  unter  sebr 
günstigen  Bedingungen  inuner  nur  in  beschränktem  Umfange  ge- 
trieben werden.  Allerdings  fehlt  es  nicht  an  Punkten,  an  denen 
die  Bestellung  der  Felder  lohnen  würde,  aber  ein  sesshaftes  Lel)en 
ist  dem   Kirghisen   vom   Cirund   der  Seele  zuwider;    er    ist    von    der 


1)  Globus,  XII,  1867,  S-  145  —  146  und  Zeitschrift  für  allgemeine  Erdkumlc. 
Berlin,  lf'67,  II,  S.  84. 

2)  Shaw.     Visits  to  high  Tartary.     S.  31. 

3)  Alexis  de  Levschine.  Description  des  hordcs  et  dea  stoppcs  des  kirghij;- 
kazaks  ou  kirghiz-kaissaks.  Trad.  du  russn  par  Ferry  de  Pigny.  Paris,  8'.  — Fuhrmann. 
Die  Kirghisen  und  ihr  Leiien.     (Globus  XV,  S.  180—183). 

4)  Das  alte  AvuOjKjAi^  der  Grieehen,  kiinikschaetlird  (?),  die  äussersto  Franz- 
feste  ^es  alten  Pcrs  erreich  es,  von  Cyrus  gegründet,  327  v.  Clir.  von  Alexander  dem 
Grossen  zerstört. 


72  T)io  VolkoT  TurAn's. 

Natur  selbst  zum  Violihirten  angolo^t  uiul  durchstreift  ein  Land, 
dessen  ganze  Ueschafteiilieit  seiner  Neigung  zusagt.  '  Nur  in  der 
Steppe,  üljer  die  er  in  leichten  Tarantassen,  Stepiienfuhrwerken, 
mit  Windshrauteile  dahinjagt,  ist  ihm  wohl,  und  während  einiger 
Monate  im  Jahre  auch  im  Hochgebirge,  weil  dasselbe  seinen 
Ileerden  üppige  Weiden  darbietet.  Aber  gegen  den  Herbst  treibt 
er  das  \ioh  wieder  zu  Thal  und  nimmt  seine  Filzhütten  mit  sicli. 
Sobald  aber  im  Frühling  die  weite  Fläche  sich  mit  Kräutern  über- 
zieht, und  die  Kaiserkronen  und  Tulpen  ')  ihre  Millionen  und  al)er 
]\Iillionen  Blumen  zeigen,  dann  werden  die  AVintcrjurten  abge- 
schlagen, luid  unzählige  Ileerden  sind  in  unablässiger  Bewegung. 
Während  aber  die  Chazaken  ihre  Jurten  auf  der  ganzen  nner- 
messlichen  Ausdehnung  der  Steppe  zerstreuen,  \md  selten  mehr  denn 
20  derselben  auf  einem  Platze  anzutreffen  sind,  errichten  die  Kara- 
Kirghisen  die  ihrigen  in  ein  und  demselben  Thale,  wo  sie  Linien 
von  mehreren  W^erst  einnehmen.  Der  Kirghise  ist  mürrisch,  rauh 
und  heftig,  aber  er  hat  mehr  Aufrichtigkeit  und  natürliche  Gut- 
herzigkeit als  der  Chazak.  Er  führt  Krieg,  aber  er  stiehlt  nicht; 
beide  sind  aber  nur  äusserlich  INIuliamedaner ;  ohne  Priester,  ohne 
Moschee,  ohne  Fanatismus  beschränkt  sich  auf  wenige  Ceremonien 
ihre  ganze  Religion.  Beide  sind  vorwiegend  Viehzüchter,  jedoch 
meist  nur  von  Milchnahrung  lebend;  den  Ackerbau  lietreiben  die 
Kirghisen  mehr  als  ihre  Nachbarn,   die   Chazaken  ^). 

Im  allgemeinen  erscheint  uns  das  Leben  der  Nomaden  auf 
der  Steppe  einförmig  3);  es  bewegt  sich  lediglich  um  zweierlei  Dinge  : 
mu  die  Heerden  imd  mn  den  Krieg.  Denn  der  Wanderhirt  ist 
allemal  auch  ein  wehrhafter  INIann,  imd  der  Chazake  zumal  auch 
gern  ein  Räuber.  Die  Raubzüge,  Barantas  unternehmen  die  Kir- 
ghisen gegen  die  Heerden  gewöhnlich  in  den  heissesten  Tages- 
stunden; einen  Aul  (sprich  A-i'il,  ein  Lager  von  Zelten,  hier 
Jurten  oder  Kibitken  genannt)  überfallen  sie  am  liebsten,  wenn  die 
Nacht  zu  Ende  geht,  und  Hunde  mid  Hirten,  durch  die  Nacht- 
wache ermüdet  und  im  Schlummer  liegend .  nicht  mehr  sorgfältig 
autpassen.  Am  Kampfe  liegt  ihnen  Nichts,  sie  wollen  nur  Beute 
machen  und  deshalb  trachten  sie  ganz  besonders  darnach,  Ver- 
wirrung in  die  Ileerden  zu  bringen  und  so  viel  Vieh  als  irgend 
möglich  fortzutreiben.  Aber  dabei  kommt  es  denn  manclnnal  zu 
äussert  blutigen  Handgemengen.  Aller  Hader  zwischen  den  ver- 
schiedenen Stämmen  höii  jedoch  auf,  wenn  ein  Häuptling  gestorben 


1)  Sie  sind  aus  dorn  8teppeiilanilc  zu  uns  nach  Kuropa  gcbraclit  worden. 

2)  Radioff.  Beobachtungen  über  die  Kirghisen.  (P  et  crin  a  n  n's  Gcogr.  Mit- 
theilungon,   1864,  S.  63—68). 

3)  B.  Zalcski.  La  vio  dos  stoppos  kirghizes,  doscriptions,  röcita  et  contoa, 
Paria,  1865,  fol.  und  Herrn.  Wagner,  Ilcisen  in  den  Steppen  und  Hochgebirgen  Sibirien'B 
und  der  angrenzenden  Central-Asiens.     Leipzig,  1864,  8  . 


bio  Völker  Turan's.  'tri 

ist.  Dann  ist  \voit  und  broit  in  der  Steppe  Waff'enruhe,  Raubzüge 
finden  nicht  »Statt,  und  Feind  und  Freund  kommen  von  Nah  und 
Fern  zum  Bogrilbnisso  herbei.  Die  Gesammtzahl  der  Kirghis- 
Chazaken  wird  höchstens  etwa  700.000  betra<>'on,  die  jetzt  fast  alle 
in  Abhängigkeit  vom  Kaiser  von  Ilussland  stehen,  der  im  Fort- 
gange der  Zeit  die  einzelnen  Horden  durch  Waffengewalt  oder 
Geschenke  mehr  oder  weniger  unterworfen  hat.  Daran  musste  der 
russischen  Politik  lun  so  mehr  liegen,  als  auf  der  ganzen  Strecke 
vom  kaspischen  INIeere  bis  zum  Altaigebirgo  alle  Karawanenwege 
von  Süd  nach  Nord  durch  das  Gebiet  der  Kirghisen  laufen.  Im 
*  Südosten  jenseits  des  Balchasch-  und  Dsaissang-Sees  ziehen  ein- 
zelne Sultane  noch  auf  chinesischem  Gebiete  umher  i).  Uebrigens 
bemerkt  man  seit  einiger  Zeit  in  der  Ebene  am  Dsaissang,  im 
sülllichen  Altai  und  im  Tarbagatai  ein  entschiedenes  Vordringen 
der  Kirghisen   nach  Westen. 

Wie  die  Prairie  und  Suvane  in  Amerika,  so  liefert  auch  die 
asiatische  Steppe  einen  überaus  reichen  und  üppigen  (iraswuchs, 
für  die  Viehheerden  der  Steppenbewohner  eine  ergiebige  Weide, 
und  selbst  im  Winter  hinreichend  Futter,  aber  auch,  wenn  man 
sie  bebauen  will,  schöne  Früchte  tragende  Aecker  von  vorzüglicher 
luid  unerschöpflicher  Ergiebigkeit.  Es  ist  sehr  erklärlich ,  dass 
nur  ein  kaum  nejuienswerther  Theil  der  grossen  ungeheuren  Fläche 
überhaupt  benutzt  wird ,  und  ein  noch  viel  kleinerer  Theil  ab- 
gemäht werden  kann,  um  den  geringen  Ueubedarf  für  den  ^Vinter 
im  Ueberfiuss  zu  decken;  die  Gräser  gehen  in  Samen  über,  werden 
hart,  rauh,  unbrauchbar.  Herbst  und  AVintcr  schütten  über  die 
dürren  Fluren  noch  eine  Schneelast  von  5 — 10'  Höhe,  unter  der 
die  trockene  Grasfläche  im  Frühjahre  nach  der  verschwundenen 
Schneelage,  wie  von  einer  Filzdecke  überzogen  erscheint,  die  dicht 
lind  fest  genug  ist,  um  die  Entwicklung  der  neuen  Vegetation  in; 
höchsten  Grade  zu  erschweren.  Grosse  fruchtbare  A\^eidestrecken 
werden  ferner  der  Benutzung  durch  Gestrüpp  stark  gestielter  Blatt- 
pflanzen und  perennirender  Blumen-  und  Staudengewächse  entzogen, 
oder  doch  in  ihrem  Ertragsw'erthe  wesentlich  herabgesetzt. 

Sobald  der  Frühling  heimgekehrt,  Luft  und  Sonne  zu  wirken 
beginnen,  und  der  Sturmwind  wieder  über  die  dürren  Fluren  da- 
hinfegt,  die  von  Schneewasser  vollgesogenen  Halme  aussaugt,  die 
letzten  Reste  der  auf  dem  Boden  liegenden  Eisbrocken  aufgezehrt 
hat,  und  die  Gräser  trocken  .sind,  zündet  man  in  jedem  Jahre 
grosse  Strecken  an,  um  zu  düngen,  mehr  aber  noch,  um  die  dem 
Graswuchs  schädlichen  Pflanzen  zu  zerstören.  Die  das  Wachs- 
tluini  hindernde   filzartige    Decke    wird    von    dem    F'euer    vernichtet 


1)  Streifzüge  in  den  G«birgen  und  Steppen  der  Clialchas-Mongolen  und  Kirghisen. 
(Globus,  1863,  IV.  Bd.,  S.  257—258). 

9 


74  Bie  Völker  Turän's. 

lind  vorschwiiulet ,  und  kaum  2 — 3  Tage  sjiäter  zeigt  sich  die 
zauberhafte  Wirkung  des  Brandes.  Kräftig  und  frisch  sprosst  der 
junge  Hahn  hervor,  und  eine  lachend  grüne  Fläche,  anmuthig  und 
duftend,   liegt   da  wie   ein   aufgerollter,   grosser,   lebendiger   Tepj)ich. 

Ist  fih'  den  Kirghisen  diese  Zeit  angebrochen,  nach  der  er 
mit  Sehnsucht  verlangt,  so  ist  der  Winter  mit  seinem  Elende  und 
seinen  Entbehrungen  vergessen.  Es  beginnt  für  ihn  die  goldene 
Zeit  des  Sommerlel)ens,  der  Ruhe  und  Freude.  Die  Steppe  ge- 
wiimt  dann  von  Tag  zu  Tag  an  Lebendigkeit,  während  das  lieben 
in  den  Aulen  in  eben  demselben  Grade  erstickt.  Mit  Wohlgefallen 
blickt  der  Kirghise  noch  bei  dunkler  Nacht  hinaus  auf  die  erhellten 
Berge,  und  sclion  der  nächste  ^Morgen  findet  den  unruhig  ge- 
wordenen Steppenkönig  wieder  auf  dem  W^ege  zu  dem  Paradiese 
seines  Stammes.  Die  Pforten  zu  den  von  Weidengeflechten  um- 
zogenen  Höfen  werden  geöffnet,  und  die  darauf  sich  umher- 
tummelnden Pferde,  die  bei  dem  spärlichen  Winterfutter ,  das  sie 
aus  dem  tiefen  Schnee  hervorscharren  müssen,  abgemagert  sind, 
ziehen  spielend  hinaus,  um  sich  an  den  einzeln  hervorsprossenden 
jungen  Grashalmen  gütlich  zu  thun.  Bald  folgen  auch  die  wenigen 
Külie  dorthin,  zu  bestinnnten  Zeiten  jedoch  mit  den  Pferden  zu- 
rückkehrend ,  um  wie  diese ,  wenn  es  Stuten  sind ,  gemolken  zu 
werden  und  dann  nach  Lust  und  Gefallen  abermals  auszugehen, 
bis  gegen  Mitte  INIai  die  Aule  gänzlich  verlasseu  werden,  luid  die 
Viehheerden  die  Steppe  beziehen,  wo  die  Kirghisen  miwcit  eines 
Flusses  einen  ihnen  zusagenden  Ort  finden  und  ihre  Kibitkea  auf- 
schlagen. Selten  nur  geschieht  es,  dass  einzelne  Zelte  in  der 
Steppe  auftauchen:  fast  immer  ist  es  die  ganze  oder  doch  die 
bemittelte  Einwohnerschaft  eines  Auls ,  welche  auf  diese  Weise 
den  Sommer  in  der  Steppe  geniesst,  die  nuiunehr  das  Bild  des 
regsten  Lebens  bietet  '). 

Die  Bevölkerung  des  östlichen  Turkestän  lässt  sich  nicht  wie 
jene  der  turänischen  Tieflande  in  verschiedene  Stämme  zergliedern. 
Jedoch  sind  fast  alle  so  eben  erwähnten  Kacen  und  Stännne  des 
westlichen  auch  im  östlichen  Turkestän  repräsentirt,  besonders  in 
Yarkand  luid  Kaschgar,  wohin  sie  als  Kaufleute  oder  als  Soldaten 
im  Kriegsdienste  des  Atalik-Gliazi  gelangen.  Auch  viele  Baltis, 
das  sind  luusclmännischc  Tibetaner,  haben  sich  um  Yarkand  nieder- 
gelassen, wie  sie  sich  hauptsächlich  mit  dem  Tabakbau  und  der 
Älelonenzucht  befassen.  Vergessen  wir  auch  nicht  die  Leute  aus 
Badachschän, 


])  AuslanJ,  1868,  S.  619.  Kino,  gut  ptlmognipliischp  Scliililcniiig  di'i-  Kirghisen 
gilit  Sponvillo.  Clicz  los  Kirgliis.  (Hüll,  ilp  la  Snc.  de  göographiedo  Paris.  ISO.i,  !•  8. 
438—475).  SieliR  aucli  da»  Capitcl:  Kirgliis  eniigrn'iou  to  tlioir  sumincr  pnsturps  in  T. 
W.  Atkinson's  „Travels  in  tho  regio ns  of  tho  upper  and  lowcr  Amoor  and  thp  rnssian 
acquisitions  on  thc  confincs  of  India  and  China."     London  1860,  8',  8.  24-1 — 273. 


Die  Völker  Turan's.  75 

Unsere  Ueberscliau  zu  vervollständigen,  müssen  wir  noch  auf 
die  östlichen  Völker  einen  flüchti<^cn  Blick  werfen.  Die  nördlichen 
Provinzen  am  Tian-Öchan  und  Muz-Tagh,  nämlich  Akssu,  Kutsche, 
Karaschahr,  aa erden  theihvcit^c  von  Kirghisen  bewohnt,  welchen 
weiter  gegen  Osten  Völker  ziemlich  ähnlichen  Aussehens,  jedoch 
buddhistischen  Glaubens  folgen;  sie  werden  von  ihren  muhammedani- 
schen  Nachbarn  Kalmyken  genannt.  Nach  R.  Sha^vs  Forschungen 
beginnen  die  Kalmyken  in  der  Umgebung  von  Karaschahr;  in  den 
gebirgigen  Landstrichen  sind  sie  Nomaden  wie  die  Kirghisen,  doch 
bilden  sie  auch  einen  Tlicil  der  slädtischen  Bevölkerung.  Die 
Wüstenränder  werden  von  den  Dulanen  bewohnt,  einer  musel- 
männischen halbnomadischen  Horde  mit  räuberischen  Gewohnheiten; 
sie  sollen  in  Erdlöchern  oder  Lehmhütten  wohnen.  Auch  geht 
die  Sage  von  einem  völlig  wilden  ichtyophagen  und  in  Baumrinde 
gekleideten  Volke,  welches  in  der  Gegend  des  grossen  Sees  Lop- 
Noor,  mitten  in  der  Wüste,  im  District  Kurdam-Käk,  wo  die  ver- 
einigten Gewässer  Turkestäns  im  Sande  verrinnen,  hausen  soll.  Doch 
ist  noch  kein  Angehöriger  dieser  mythischen  Wilden  gesehen  worden. 

Jenseits  des  Tian-Schan  oder  Ilimmelsgebirges  erstreckt  sich 
ein  weites  Gebiet,  die  Dsungarei.  Ihre  Bewohner  sollen  kalmyki- 
schen Ursprunges  sein;  doch  sind  dermalen  zwei  andere  herrschende 
Stämme  verschiedenen  Blutes  vorhanden :  die  Dunganis  und  die 
Tarantschis.  Der  Ueberlieferung  zufolge  sind  die  Dunganis  ein 
iSIischvolk  von  tatarischen  Eindringlingen  und  chinesischen  Weibern. 
Sie  sind  strenge  IMusehnänncr,  sprechen  aber  chinesisch.  Shaw 
versichert:  dass  jene,  die  er  selbst  gesehen,  grosse,  kräftig  gebaute 
^länner  waren  mit  stark  mongolischen  Gesichtszügen.  Die  Tarant- 
schis sind  gleichfalls  sesshafte  Leute,  jedoch  aus  neuerer  Zeit;  wahr- 
scheinlich hatten  sie  ihre  ursprüngliche  Heimath  mehr  im  ^^'esten, 
in  Turkestun.  Es  gibt  in  der  Dsungarei  auch  eine  starke  ^lischung 
mit  chinesischem  Blute,  weil  diese  Provinz  den  chinesischen  Herr- 
schern als  Verbannungsort  sowohl  für  gemeine  als  für  politische 
Verbrecher  diente.  Weiter  östlich  von  der  Dsungarei  gelangt  man 
in  die  chinesische  Provinz  Kansu,  deren  Bevölkerung  sehr  zahl- 
reiche muhammedanischc  Elemente  enthält;  im  Norden  endlich 
schliesst  sich  hieran  das  wenig  bekannte  Innere  der  ^Mongolei. 

Sind  unsere  Kenntnisse  über  die  Gebiete  im  Norden  der 
Gobi-Wüste  schon  düster  genug,  so  befinden  wir  uns  völlig  im 
Dunkeln  in  Bezug  auf  den  südlichen  Gürtel  dieser  weitern  Region. 
Nur    zwei    Punkte    leuchten    darin    in  zweifelhaftem  Dänunerlicbte. 

Tschartschand  liegt  —  so  hcisst  es  - —  einen  INlonat  entfernt 
von  Choten  auf  einer  Strasse,  die  stets  längs  eines  Gebirgszuges 
(den  Küen-lüen)  einerseits  und  der  grossen  Wüste  Takla-lNIakän 
oder  Gobi  dahinführt.  Nun  kennt  man  keine  Strasse ,  welche  über 
jenes   Gebirge  weiter  östlich  als  jene  von  Polu,   die  zu  dem  Pan- 


76  Die  Völker  Turän's. 

f!;ong-See  im  ■westlichen  Tibet  hliüiberführt ;  es  gibt  aber  einen 
AVeg,  der  nach  Osten,  also  nach  China,  geht,  den  aber  die  Chinesen 
selbst,  als  sie  noch  im  Besitz  jenes  Landes  waren,  nicht  benützten. 
Nnn  ist  Tschartschand  unabhängig  sowohl  von  den  Chinesen  als 
auch  von  Yakiib  Chan.  Es  scheint  von  einer  nicht  muselmännischen 
Bevölkerung  bewohnt  zu  sein ,  obgleich  Marco  Polo  ')  das  Gegen- 
thcil  behauptet.  Keine  Karawane  von  Choten  aus  besucht  der- 
malen dieses  Gebiet. 

Ein  anderer  Punkt,  von  dem  E.  Shaw  Kenntniss  erhielt,  ist 
Zilm ,  eine  Gegend  und  eine  Stadt  auf  anderthalb  Monate  Ent- 
fernung von  xVkssu  oder  Choten ,  und  eben  so  weit  entfernt  von 
Lhassa.  Es  liegt  am  Pandc  des  Gebirgslandes,  das  sich  von  Lhassa 
l)is  dahin  erstreckt ;  im  Norden  dehnt  sich  die  grosse  AVüstc 
aus.  Zilm  besitzt  Teppichmanufacttu'en  und  sonstige  Industrien ; 
auch  besieht  ein  Handelsverkehr  zwischen  diesem  Ort  und  Lhassa. 
Nach  dieser  Beschreibung  kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass 
Zilm  die  Stadt  Sining-fu  an  der  Schensi-Grenze  Tibets  ist ,  und 
Shaw  bestimmt  ihre  Lage ,  natürlich  nur  annähernd  und  in  der 
rohesten  Weise,  auf  etwa  88''  n.  Br.  und  90"  ö.  L.,  oder  süd- 
lich vom  Ijop  Noor  und  östlich  von  Tschartschand.  Obwohl 
INIarco  Polo  uns  keine  genaue  Beschreibung  des  Weges  hinter- 
lassen hat,  auf  dem  er  nach  Cliina  eindrang,  so  scheint  es  doch, 
dass  er  von  Kancheu  nach  Sining  gezogen  war,  welches  er  Sinju 
nennt.      »Sinju   wäre   also    identisch  mit  Zilm. 

Auch  diese  Gegenden  werden  von  Kalmyken  bewoluit,  die 
sich  selbst  Sokjio  nennen,  und  in  westliche  und  östliche  zerfallen. 
Die  westlichen  Sokpos,  jene  von  Zilm  mit  inbegriflen,  sind  Bud- 
dhisten, und  werden  von  den  Leuten  zu  Lhassa  ,,7i(nitj-pn/^  d.  h. 
„von  unserem  Glauben,"  genannt;  die  östlichen  hingegen  nennen 
sie  ,,tscJn-j>a"  oder  „Andersgläubige,''  und  verachten  sie  gründ- 
lich. Es  besteht  auch  ein  dialectischer  Unterschied  zwischen  den 
westlichen  und  östlichen  SokjDOS.  ländlich  gibt  es  noch  Kalka- 
Sokpos ,  die  einen  grossen  Lama,  den  „ Yezuu-Dampa,"  verehren, 
der,  sowie  der  Dalai  Lama  zu  Lhassa,  niemals  stirl)t,  sondern 
stets  in  neue  Leiber  übergeht.  Diese  Kalka-Sokjios  sind  wohl 
nichts  anderes,  als  die  Khallias-lNIongolen  der  Russen  und  Chinesen, 
iMid  der  „ Yeznn-Dampa"  ist  ofl'enbar  identisch  mit  dem  „(iuison- 
Tamba"  oder  Lama-König  von  Kuren  oder  Urga '■')  in  der  Nähe 
der  ssibirischen  Grenze.  Man  sagt,  dass  alljährlich  oder  alle  zwei 
Jahre  seine  Seiulboten  zu  Ijhassa  erscheinen,  um  den  Dalai-Lama 
ihre  Huldigungen   darz\d)riiigen. 


1)  Vgl.  liicvniit  Piuitliicr:  Lc  livro  de  Marco  Polo,  T.  I.  p.  UG  — 149,  und  BürcU: 
Die  Reisen  des  Vcnetianers  Marco  Polo,  S-  158—160;  ferner  „Ausland"  187<i,  S-  1056. 

2)  Vrga  lirisst  eigentlich  Lager;  die  Mongolen  nennen  die  Stadt  aber  Kuren  oder 
Ta  l-iireit,  d.  li.  „ciiigefiiedcter  Kaum."  Sie  liegt  etwa  1  Meile  nördlich  von  dem  Flüsschen 
ToUa  und  40  Meilen  südlich  von  der  ssibirischen  Gränze  bei  Kiachta. 


YII.  Uapitel. 

Russlands  erste  Schritte  in  Central-Asien  '). 


DijilomatJsclic  und  IlaiidolsverbiiKlung  beistanden  seit  langer 
Zeit  zwischen  Petersburg  und  Cbiwa ;  schon  Peter  der  Grosse  hatte 
seine  Aufmerksamkeit  diesen  Verhältnis-sen  zugewendet.  ')  Durch 
ibrtwährendc  Feindseligkeiten  aber  unterbrochen  ,  hatten  sie  jedoch 
mehr  Hass  als  Sympathie  beiderseits  hervorgerufen ,  inid  es  war 
vorauszusehen,  däss  Russland  sich  zuvörderst  gegen  Chiwa  wenden 
würde.  In  der  That,  1839,  als  Lord  Auckland  in  Kabul  ein- 
fiel, gab  Kaiser  Xicolaus ,  befürchtend,  dass  etwa  England  nach 
Turkestan  marschire  und  sich  dieses  Gebietes  bemächtige,  seinem 
General  Perowski  den  Befehl,  eine  Expedition  gegen  Chiwa  aus- 
zurüsten. An  triftigen  Gründen  hiezu  fehlte  es  nicht;  der  Chan 
von  Chiwa  (er  nennt  sich  ..Taksir  Chan")  hatte  die  dem  Czar 
tributpflichtigen  Kirghisen  zur  Empörung  aufgestachelt,  er  hatte 
Plündererhorden  auf  die  Karawanen  losgelassen  und  einige  hundert 
russische  Unterthanen  in  die  Sclaverei  geschleppt.  Perowski's  Ex- 
pedition scheiterte  jedoch'^);  ein  Tlieil  seiner  Truppen  ging  in  den 
Steppen  zu  Grunde,  welche  den  Aralsee  umgeben,  der  Rest  er- 
reichte Orenburg  mit  ]Mühe  und  Xoth,  Chiwa  aber  behielt  seine 
Unabhängigkeit  *). 

Durch  diese  Xiederlage  gewitzigt,  beschloss  das  Petersburger 
Cabinet,  einen  ver^vund]^areren  Tlieil  Turän's  als  Angriffsobject  zu 
wählen;  als  solcher  ward  das  Chanat  Chokan  ausersehen,  wel- 
ches 1840  vom  Emir  von  Bochara  Xasr- Allah-Chan  erobert  worden, 


1)  Der  besonderen  Güte  des  Herrn  k.  k.  österr.  Generalmajor,  Pelikan  v. 
l'lau  cnwald,  verdanke  icli  den  grössten  und  werthvollsten  Thcil  des  zur  Ahf:issutig 
der  nachstehenden  Abschnitte  erforderlichen  Materiales. 

2)  17J6 — 1719  ward  die  Irtysch-Linic  gegründet;  ITJG  fand  die  uiifilückliche  Ex- 
pedition des  Fürsten  Beko witsch  statt.  1819  machten  die  lUissen  unter  Ponomaricw 
und  Miirawiew  einen  neuen  Versuch,  sich  am  Ostufer  des  Kaspiseo  festzusetzen. 

3)  Auf  dieser  Expedition  begleitete  den  General  Perowski  der  deutsche  Reisende 
Alexander  Lehmann. 

4)  Emile  ffonveaux.  Les  Kusses  dans  l'Asie  centrale.  (Revue  des  deux  mondcs 
1867.  T.  67.  S-  971—972). 


78  Russlands  erste  Schritte  in  Central-Asicn. 

■wonach  der  Sieger  den  einlieimischen  Herrscher  hinrichten ,  dessen 
»Sohn  aber  als  Geisel  nach  Bochära  schleppen  Hess.  •)  Die  Vettern 
des  Verstorbenen,  die  sich  unterdessen  zu  den  Kirghisen  geflüchtet, 
i'andon  jedoch  bald  Gelegenheit ,  wieder  den  chokanzischen  Thron 
aufzurichten,  wobei  zahlreiche  räuberische  Einfälle  in  das  russische 
Gel)iet  vorkamen.  Russland  hatte  also  auch  hier  Ursache  genug 
zur  Züchtigung  des  feindlichen  Chans.  Früher  sollten  aber  hiezu 
alle  Wege  geebnet  werden;  es  wurden  daher  Reisende  in  die 
öden  Grenzbezirke  entsendet  und  wissenschaftliche  Rccognoscirungen, 
soweit  alsthunlich,  vorgenommen.  Gleichzeitig  begann  Russland  seine 
Grenzen  von  Nord  nach  Süd  in  der  öden  Steppe  allmalig  vorzuschieben, 
welche  Ssibirien  vom  Ssyr-Darja ,  dem  Jaxartes  der  Alten,  trennt; 
dadurch  verleibte  es  sich  drei  Millionen  Kirghisen  ein,  über  die 
es  früher  nur  dem  Namen  nach  herrschte ;  aber  eine  geordnete 
Regierung ,  sagte  Russland  und  mit  Recht ,  könne  nicht  als  Grenze 
eine  von  Nomadenstämmen  bewohnte  "Wüste  dulden ,  und  daher 
musste  es  schon  im  Interesse  der  Ordnung  und  der  Civilisation 
nach  vorwärts  drängen.  Auf  diesen  vorausgegangenen  Feststellungen 
imd  Terrainaufnahmen  basirend ,  folgte  demnach  in  den  Jahren 
1847  — 1849  die  militärische  Expedition  des  russischen  General- 
stabs-Cai)itäns  Leo  von  Schultz,  die  zu  lohnenden  strategi.schen 
Resultaten  führte.  Drei  Festungen  wurden  1848  gegründet:  Kara- 
batalsk  und  Uralsk ,  beide  am  Irghiz  gelegen  ,  dann  Orenburg  am 
Tnrgai.  Diese  Forts  hatten  eine  doiDpelte  Bestimmung:  einmal  ge- 
statteten sie,  die  Nomadenhorden  leichter  zu  überwachen,  dann 
al)or  bildeten  sie  die  Glieder  einer  Kette,  welche  später  die  ehe- 
maligen russischen  Grenzen  mit  der  stets  angestrebten  Linie  des 
Ssyr-Darja  verbinden  sollte.  Noch  im  selben  Jahre  ward  in  der 
That  Fort  Aralsk  am  Ssyr-Daria,  selbst  in  der  Nähe  von 
dessen  Mündung  in  den  Aralsee,  750  Werst  =  110  geogra- 
])hische  INIeilen  von  Orenburg,  in  höchst  günstiger  Lage  ge- 
gründet; doch  mag  bemerkt  werden,  dass  im  Jahre  1849  eine 
Schaar  von  mehreren  tausend  Mann  auf  dem  Marsche  in  das  be- 
nachbarte Chiwa-Gebiet  gäuzlicli  im  Schnee  begraben  wurde,  eine 
Katastrophe,  welche  auf  die  orientalische  Phantasie  tiefen  Eindruck 
machte.  Li  den  auf  1849  folgenden  Jahren  nahm  indess  die  Co- 
lonisation  ihren  Anfang,  so  dass  binnen  Kurzem,  18Ö2,  nach  der 
Erbauung  von  Fort  Koes-Aral,  der  iVralsee  so  zu  sagen  ein 
russisches  Gewässer  ward,  während  schon  1851  ein  erneuter  Ein- 
fall,  wobei  75.000  Stück  A'ieh  weggeschleppt  wurden,  die  Russen 
zwang,   das   chokanzischc  Fort  Kosch-Kurgan  zu   schleifen. 


1 


1)  i'licr  die  frühere  Gcschiclite  dieser  Läiidt-r  siclio  (Ins  gediegene,  ausführliehc 
Hueh  11.  V  ji  iiiliöry's:  Geschichte  Bo  ch  ärft's  oder  T  rnii  so  x  ani  c  ns  von  den  frühesten 
Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart.  Stuttgart  1S72,  8  ,  2  Bde.,  von  dem  soeben  eine  englische 
Übersetzung  in  London  erschjencu  ist.  (Siehe  ;,Atheaaeum''  Nr.  2361  vom  25.  Januar  1873). 


RuBslands  cvsto  Srhrittn  in  Central-Asien.  79 

* 

Endlich  gab  der  Dnick,  welchen  die  Usbeken  in  Chohan  um 
jene  Zeit  auf  die  Ufer-Kirghisen  des  Ssyr-Dai-jit  ausübten,  der 
russischen  Regierung  einen  genügenden  Vorwand  zur  Intervention. 
In  Folge  dieser  Bedrückung  verliessen  viele  Kirghisen  ihre  Felder 
und  kehrten  zum  nomadisirenden  Ötei)pcnlebcn  zurück.  Andere 
suchten  Hilfe  bei  den  Chiwanern ,  die,  auf  die  Macht  Chokan's 
eifersüchtig,  mehrere  Forts  am  linken  Ufer  des  Ivuwun-Darjil, 
einem  der  wichtigsten  südlichen  Zuflüsse  des  Ssyr-DarjA,  errichtet 
hatten;  bald  aber  mussten  sie  erkennen,  dass  sie  in  Cliiwa  statt 
eines  Verbündeten  nur  einen  neuen  Tyrannen  gefunden ;  die  Lage 
des  Volkes  wurde  schlimmer  denn  je,  und  als  Russland  auf  der 
Arena  erschien,  ward  es  von  den  Kirghisen  als  Befreier  jubelnd 
begrüsst.  Die  beiden  Chanate  Chiwa  und  Chokan  konnten  jedoch 
nicht  ohne  tiefes  Misstrauen  eine  INIacht  wie  Russland  sich  an  der 
Ssyr-Mündung  niederlassen  sehen.  Ohne  zum  erklärten  Kriege 
überzugehen ,  neckten  sie  doch  die  russischen  Truppen  durch  be- 
ständige Scharmützel  und  bedrückten  noch  mehr  die  Kirghisen,  um 
sie  dafür  zu  züchtigen,  dass  sie  den  Euro])äern  Hilfe  geleistet. 
Anfänglich  wurden  diese  Einfälle  nur  schwach  zurückgewiesen , 
da  die  russische  Besatzung  von  Aralsk  wenig  zahlreich  und  die 
Verbindung  äusserst  langwierig  und  beschwerlich  war.  Aber  trotz 
ihrer  scheinbaren  Unthätigkeit  trafen  die  Russen  umfassende  Vor- 
bereitungen ;  bedeutende  Vorräthe  wurden^  in  Orenburg  angehäuft, 
und  auf  dem  Aralsee  drei  Segelschiffe  von  Stappel  gelassen,  wel- 
chen in  Bälde  zwei  eiserne  Dampfer  folgten ,  die  mit  unsäglicher 
^lühe  aus  Schweden  über  St.  Petersburg  nach  Ssamara  und  Aralsk 
stückweise  gebracht  werden  mussten.  Endlich  im  jNIai  1852  \varon 
alle  Vorbereitungen  getroffen ,  aUe  Rüstungen  vollendet ,  da  be- 
schloss  General-Lieutenant  Perowski  die  langgehegte  Absicht  aus- 
zuführen ,  längs  des  Ssyr-Darja  eine  Reihe  von  befestigten 
Plätzen  zu  erbauen ;  damit  vermeinte  er  nicht  das  Gebiet  des  Reiches 
zu  erweitern ,  da  die  Kirghisen  des  rechten  Ufers  ohnedies  dem 
Czar  tributpflichtig  waren ;  Chokan  indess  betrachtete  dieses  Be- 
ginnen als  eine  Invasion,  und  selbst  Chiwa,  wenn  gleich  weniger 
bedroht,  sah  die  Gefahr  :  „Verloren  sind  wir, ''  sagten  die  Chiwaner, 
„wenn   die  Russen   die   Wasser  des  Ssyr-Darja  trinken." 

Das  wichtigste  chokanzische  Fort  Ak-Mesdsched  war  etwa 
40  deutsche  Meilen  von  Aralsk ,  oder  ungefähr  800  englische 
Meilen  von  der  Ssyr-Mündung  entfernt  und  dicht  an  der  chokan- 
zischen  Grenze  gelegen;  eine  Abtheilung  von  500  Mann  unter  dem 
Commando  eines  ebenso  geschickten  als  tapferen  Officiers  ward 
entsendet ,  um  den  Platz  zu  recognosciren  und  den  Chokanzen  den 
Befehl  zu  ertheilen,  eine  Position  zu  verlassen,  die  sie  den  Kir- 
ghisen ungerechtfertigter  AVeise  entrissen.  Von  dem  Heraimahon 
des  Feindes  benachrichtigt,    hatten  die  Chokanzen    die  Dänune  dea 


so  llusalands  erste  Sclirittc  in  Central -Asien. 

Flusses  eingerissen,  um  die  Umgebung  unter  Wasser  zu  setzen. 
Diess  Hinderniss  aber  hielt  die  Eussen  nicht  auf;  bis  zum  Gürtel 
ini  Wasser  niarschirten  sie  diroct  auf  j\k-]Mesdsched,  dessen  Vor- 
werke sie,  ohne  ernsten  Widerstand  zu  finden,  zerstörten.  Doch 
mussten  sie  sich  nach  diesem  ersten  Erfolge  zurückziehen ;  die  Cho- 
kanzen,  Verstärkung  erwartend,  weigerten  sich,  sich  zu  ergeben, 
und  man  hatte  weder  schweres  Geschütz ,  noch  Leitern ,  um  einen 
Sturm  zu  wagen.  Nachdem  sie  noch  drei  Forts  von  geringerer 
Bedeutung  am  unteren  Laufe  des  Ssyr  geschleift,  kehrten  die 
Russen ,   in  die  Zukunft  vertrauend ,  nacli  Aralsk  zurück. 

Im  nächstfolgenden  Jahre,  1853,  sandte  General  Perow^ski  in 
succesiven  Abtheilungen  ein  Expeditions-Corps  von  grösserer  Stärke 
mit  12  Kanonen,  2000  Pferden  und  ebenso  viel  Kameelen  und 
Ijastochsen,  zum  Tragen  des  Transportes  durch  die  Wüste  Kara- 
kum, nach  Aralsk,  wohin  die  Russen  trotz  Hitze,  Strapazen  und 
quälendem  Durst  ohne  zu  viele  ^'crluste  gelangten.  Gegen  Ende 
Juni  wurden  sie  auf  Ak-Mesdsched  dirigirt.  Aber  die  Chokanzen 
hatten  ihrerseits  die  Zeit  nicht  unbenutzt  verstreichen  lassen  und 
sich  tüchtig  verschanzt ;  der  äussere  nutzlose  Wall  war  eingerissen, 
und  an  seine  Stelle  ein  breiter,  tiefer  Graben  getreten;  die  rück- 
wärtigen Erdmauern  w-aren  7  INIeter  dick  und  hoch  genug,  um 
die  Ersteigung  erst  durcli  eine  Bresche  zu  gestatten ;  kurz  der 
Platz  musste  ordentlich  belagert  werden.  Perowski  versuchte  zwar, 
die  Usbeken  durch  eine  kräftig  genährte  Kanonade  einzuschüchtern, 
und  forderte  sie  auf,  zu  capituliren ;  allein  seine  Worte,  deren 
Drohung  und  Selbstvertrauen  wohl  auch  nur  eine  gewisse  Un- 
sicherheit bemänteln  konnten,  verhallten  wirkungslos.  Gaben  die 
Chokanzen  Ak-lNIesdsched  Preis,  so  entsagten  sie  der  Herrschaft 
über  den  Ssyr-Darjä  und  öffneten  Centralasien  den  Europäern. 
Sie  antworteten  denuiach ,  dass  sie  kämpfen  würden,  so  lange 
ihnen  noch  eine  Lanze  oder  eine  Flinte  bliebe.  Das  Bombardement 
begann  also  mit  erneuter  Heftigkeit ;  die  Russen  passirten  mittelst 
einer  gedeckten  Sappe  den  Graben ,  welcher  die  Citadelle  umgab, 
und  legten  eine  ISline  unter  dem  wichtigsten  Thurme  an ,  welchen 
sie  am  27.  Juli  1853  in  die  Luft  sprengten.  Bei  seinem  Einstürze 
eröffnete  er  ihnen  zugleich  eine  etwa  (iO  Fuss  breite  Bresche ,  in 
die  sich  jedoch  die  Chokanzen  hastig  geworfen  hatten,  um  dem 
Feinde  den  Uebergang  zu  wehren  ;  die  300  JVIaim  starke  Besatzung  — 
obwohl  sie  ihren  Chef  verloren,  focht  mit  Löwenmuth;  280  blieben 
davon  auf  dem  Kampfplatze,  den  sie  Zoll  für  Zoll  vertheidigtcn, 
allein  vergeblich.  Eine  INIenge  Waffen  und  Munition  fiel  in  die 
Hände  der  russischen  Sieger,  welche  den  l'lutz  von  nun  an  Fort 
Perowski  nannten. 

Die  Einnahme  von  Ak-lSIesdsc'hed  war  ein  harter  Schlag  für 
die  Macht  von   Chokan  und  man  konnte  erwarten ,   dass  der  Chan 


Russlands  erste  Schritte  in  Central-Asien.  8  1 

/ 

Alles  aufbieten  würde,  um  den  Platz  wieder  zu  erobern.  Die 
Russen,  in  kluger  Voraussiclit,  weit  entfernt,  weitere  Siege  anzu- 
streben, begnügten  sieb  in  den  niiebsten  Monaten ,  die  Positionen 
längs  des  Ssyr-Darju  zu  befestigen.  Zwei  Forts ,  eines  auf  dem 
Delta  des  kleinen  Flusses  Kasaly,  das  andere  zu  Kannaktseliy, 
120  englisehe  INIeilen  von  der  Jaxartes-^Iündung,  verbanden  Aralsk 
mit  Fort  Perowski ,  worin  1000  Mann  Garnison  nebst  Lebens- 
mitteln und  Fourage  für  mehr  denn  ein  Jahr  zurückblieben,  und 
bildeten  diese  vier  Forts  zusammen  die  sogenannte  Ssyr-Darja- 
Linie.  Diese  Vorsicht  war  nicht  überflüssig.  Der  Chan  von  Chokan, 
der  die  Festung  Ak-]Mesdsched  zum  Theil  durch  die  Empörung 
eines  Vasallen,  des  Statthalters  von  Taschkend, ')  verloren  hatte, 
den  es  zu  züchtigen  galt,  nahm  eine  ausserordentliche  Aushebung 
vor  und  rückte  am  17.  December  1853  plötzlich  mit  15.000  Cho- 
kanzen  und  etwa  17  Geschützen  gegen  Ak-Mesdsched  und  die 
Russen  an.  Begreifend,  dass  ihr  Prestige  unter  den  tunvnischen 
Völkerschaften  merklich  leiden  würde,  wenn  sie  sich  einer  förm- 
lichen Belagerung  aussetzen  wollten,  leisteten  die  Russen,  obgleich 
auf  ein  einziges  Bataillon  Infanterie  und  500  Kosaken  vermindert, 
unter  ihren  Anführern  mannhaften  "Widerstand  und  wagten  einen 
Ausfall  gegen  den  mehr  denn  zehnfach  überlegenen  Feind,  —  eine 
Kühnheit ,  die  sie  beinahe  theuer  bezahlt  hätten ,  wenn  sie  auch 
schliesslich  die  feindliche  Ueberzahl  zermahnten.  Von  allen  Seiten 
umringt ,  waren  sie  schon  auf  dem  Punkte  zu  unterliegen ,  als  eine 
glückliche  Diversion  Unordnung  in  die  feindlichen  Reihen  warf, 
und  diese  mit  Zurücklassung  von  2000  Todten  und  Verwundeten 
nebst    17    Kanonen   die   Flucht   ergnfl'en. 

Mittlerweile  hatten  die  Kirghisen,  bisher  treue  Verbündete 
der  Russen,  angefangen  zu  bedauern,  ihre  Hilfe  den  Feinden  der 
turkomanischen  Nation  geleistet  zu  haben.  Ein  kühner  Anführer, 
Isched  Kutebar,  verstand  es,  ihren  Patriotismus  zu  wecken:  die 
Kibitken  der  Nomaden  besuchend,  machte  er  die  Ersten  des  Volkes 
erröthen ,  wenn  er  ihr  Benehmen  mit  jenem  der  Voreltern  ver- 
glich, entflammte  er  die  Kriegeslust  der  Jugend.  „Rosse  und 
„Waffen,  rief  er,  haben  sie,  —  wir  etwa  nicht?  Sind  wir  nicht 
„zahlreich  wie   der  Sand   der  Wüste  ?  Gegen   Osten,   Westen,   Xord 


1)  Taselikcad  war  im  Jahre  1800  noch  die  Hauptstadt  eines  besonderen  Chanats, 
welches  ISIO  in  Folge  seiner  inneren  Zerrissenheit  und  Schwäche  von  Chokan  erobert 
und  unterjocht  wurde.  Diese  Schwäche  fand  darin  ihren  Grund,  dass  das  Chanat  von 
TaSi?hkend  aus  drei  gesonderten  Thcilen,  einer  ansässigen  Bevölkerung  in  Taschkend, 
Tachcmkend  uad  Turkestan  bestand,  die  von  noniadisirenden  Kirghisenstämme  durchsetzt 
und  dadurch  getrennt  .varen.  Diese  getrennten  Thcile  mit  ansässiger  Bevölkerung  waren, 
solange  das  Chanat  Taschkend  dauerte  (das  in  früheren  Jahrhunderten  oft  zerfiel  und  von 
Neuem  aufgerichtet  wurde),  den  Einfällen  und  Plünderungen  der  Kirghisen  ausgesetzt. 
Unter  sich  waren  diese  Theile  zerfallen,  und  dies  war  auch  der  Fall,  als  sie  die  Olier- 
hen-sehaft  Chokan's  anerkannnt  hatten.     (Globus.  XII.  Bd.  S.  146.) 

10 


82  RusalanJs  erste  Schritte  in  Central-Asien. 

..lind  Süd  wendet  euch;  überall  ßudet  ihr  Kirghisen;  warum  sollen 
..wir  uns  einer  handvoll  P^renider  unterwerfen?"'  Kutehar'.^  feurige 
Beredsamkeit  fand  lebhaften  Widerhall,  und  eine  iiandiafte  Zahl 
Parteigänger  schaarte  sich  um  ihn.  Bald  sahen  sich  die  Russen 
einem  gefahrlichen  Feinde  gegenüber ;  keine  Karawane  konnte  die 
Wüste  durchziehen,  ohne  angegriffen  zu  werden;  die  Verproviantirung 
der  festen  Plätze  war  in  Präge  gestellt.  Da  beschloss  Perowski, 
nach  dem  Grundsatze  divide  et  wipera,  die  Kirghisen  selbst  zur 
Unterdrückung  dieses  furchtbaren  Aufstandes  zu  gebrauchen. 
Durch  Geschenke  luid  Versprechungen  gewann  er  einen  Nomaden- 
öultan,  Araslan,  welcher  sich  verpflichtete,  mit  den  900  ^lann 
seines  Stammes ,  unterstützt  von  einigen  Kosakenpuls ,  den  Kopf 
Kutebar's  ihm  zu  bringen.  Keine  leichte  Aufgabe  aber  war  es, 
denn  blitzcsschnell  fiel  Kutebar  üoer  Jene  her,  die  seine  Wach- 
samkeit zu  täuschen  wähnten.  Seine  Leute  schlichen  sich  unbe- 
merkt bis  zu  Araslan's  Zelten ,  überfielen  und  tödteten  ihn  nebst 
vielen  seiner  Horde;  die  Kosaken  errreichten  nur  mühsam  das 
russische  Fort. 

Dieser  Erfolg  steigerte  die  Kühnheit  Kutebar's,  so  dass  der 
russische  Feldherr  eine  Armee  gegen  ilm  in's  Feld  stellen  musste. 
Zahlreiche  Detacheraents  von  Kosaken  und  Baschkiren,  Infanterie- 
Bataillons  und  Geschütze  brachen  zu  diesem  Behufe  von  Orsk, 
Orenburg  und  Uralsk  auf;  doch  vergeblich.  Hatten  die  russischen 
Officiere  auch  noch  so  sehr  das  unverbrüchlichste  Stillschweigen 
beobachtet,  es  war,  als  ob  der  Steppenwind  Kutebar  die  Nach- 
richt gebracht  hätte  von  Allem  ,  was  gegen  ihn  beabsichtigt  wurde. 
Kamen  die  Russen  an  die  Stätte,  wo  Tags  zuvor  noch  das  Corps 
der  Rebellen  gestanden,  Nichts  fanden  sie  mehr,  als  die  erloschenen 
Feuer.  Gewohnt  an  Strapazen  und  Entbehrungen,  waren  die 
Kirghisen  in  die  unnahbaren  Ste]i])eii  der  Hochebene  von  Ust-Urt 
geflohen. 

Zu  weit  würde  es  führen,  im  Detail  ül)er  die  Thaten  Kute- 
bar's  zu  berichten:  während  fünf  Jahren  trieb  er  sein  Spiel,  die 
Verbindungen  abschneidend,  die  Europäer  in  ihren  Festungen  iso- 
lirend ,  jedem  Versuche,  seiner  habhaft  zu  werden,  entgehend. 
Ueberzeugt  endlich,  dass  mit  (icwalt  einem  so  unf'assbaren  Feinde 
gegenüber  Nichts  auszurichten  sei ,  schlug  die  russische  Regierung 
einen  anderen  Weg  ein.  Sie  machte  Kutebar  und  seineu  Unter- 
feldherrn  schmeichelhafte  Anträge,  versprach  eine  allgemeine  Am- 
nestie und  erlangte  durch  die  Diplomatie,  was  die  ^^'af['en  nicht 
zu   Stande   gebracht.      Mitte    1858    unterwarf  sich  Kutebar.  ') 


1)  Emile  Joiiveaux.     Los  Kusses  dans  IWaie  ceiitriilc.    (Revue  des  deux  inon- 
des,   K-^dT.     Tome  CT.  1>.  973—080.) 


VIII.  Capitel. 

Der  Krieg   mit  Chokan. 

Mamiigfacho  Umstaiulc  liatton  mitordcssen  den  am  Ssyr-Darja, 
begoiinoucn  Kampf  vorzöifort.  Der  Emir  von  Bochara,  ]S[ozafl'or 
cd-din  Chan  ^)  Angesichts  der  schwierigen  Lage ,  in  welche  die 
europäische  Invasion  Chokan  gehracht,  und  von  den  Russen  in 
seinen  kriegerischen  Absichten  bestärkt,  war  in  das  bedrängte 
Xachbar  -  Chanat  eingefallen  und  hoffte,  die  reichsten  Provinzen 
seines  langjährigen  Rivals  annectiren  zu  können.  Die  Situation 
in  Chokan  war  seinen  Projecten  günstig,  denn  mehrere  Präten- 
denten stritten  sich  um  den  Thron  und  entrissen  nacheinander  die 
Gewalt  der  eidiemeren  Regierungsmacht.  Einer  darunter,  Khu- 
dayar,  fand  bei  seiner  Rückkunft  von  einer  Expedition  gegen  Fort 
Perowski  die  Thore  seiner  Hauptstadt  verschlossen  imd  einen 
seiner  Rivalen  als  Regenten  des  Landes.  Machtlos ,  mir  einem 
schwachen ,  demoralisirten  Heere  gebietend  und  doch  zur  Rache 
entschlossen,  wandte  sich  Khudayar  um  Hilfe  an  Bochara.  Seit 
lange  schon  eines  Yorwandes  zur  Einmischung  in  die  chokanzischen 
Angelegenheiten  harrend ,  sagte  Emir  ]Mozaff'er  sie  ihm  freudig  zu 
und   stellte  sich  selbst  an  die  Spitze  seiner  Armee,   laut  verkündend. 


1)  Mozaffcr  ist  der  Sohn  des  Emirs  Nasr-Ullah  (Sieg  des  Glaubens),  der  in 
seinen  letzten  Lebensjahren  ein  höchst  ausschweifender  und  dabei  grausamer  Tyrann 
war.  Lojcan  nennt  ihn  eine  Art  Ludwig  XL,  gefüttert  mit  einem  Hcliogabal.  (Uev. 
des  dcux  mondes-  1867.  69.  Bd.,  S-  686)-  er  bestrafte  seine  Unterthanen  mit  dem  Tode 
fjr  unsittliche  Handlungen,  die  er  selbst  in  schamlosester  Weise  beging.  Mozaffcr 
Chan  liingegen  ist  nach  dem  Zeugnisse  Vämbery's  ein  wohlgesinnter  Mann,  zwar  sehr 
streng,  aber  für  seine  Person  von  unsträflichem  Wandel.  Von  seinen  Unterthanen  wird 
er  gelobt  und  gepriesen.  Im  Übrigen  hält  er  streng  an  den  politischen  Grundsätzen 
seines  Vaters  und  ist,  als  Mollah  und  strenggläubiger  Muhammedancr,  ein  erklärter,  ja 
wie  Lejean  hervorhebt,  ein  fanatischer  Feind  aller  Ungläubigen,  wie  auch  aller 
Neuerungen,  auch  solcher,  deren  Vortheil  und  Kutzcn  ganz  klar  ist.  P>r  nahm  den 
Wahlspruch:  Regierung  durch  Gerechtigkeit,  und  ist  demselben,  wenigstens  nach  bochä- 
rischon  Begriffen,  bis  jetzt  treu  geblieben.  Gegen  seine  Würdenträger  verfährt  er  un- 
gemein streng  und  bestraft  sie  auch  für  geringere  Vergehen  mit  dem  Tode,  während  er 
gegen  Niedere  nachsichtiger  ist.  Desswrgen  sagt  das  Volk  von  ihm:  er  tödte  die  Ele- 
phauten  und  schütze  die  Mäuse. 


84  Dcv  Krieg  mit  Cliokan. 

tlass  CT  ?ich  alles  Land  bis  zu  China's  Grenzen  untenvcrfen  \vollc. 
Und  er  hielt  Wort.  Trotz  des  heftigsten ,  erbittertsten  Wider- 
standes war  Mozafler's  Zug  eine  Keihc  von  Triumphen.  Cho- 
kand,  das  zauberische,  Taschkend,  Chodschand  fielen  nach  einander 
in  seine  Hände.  Nunmehr  theiltc  er  das  eroberte  Land  in  zwei 
Hälften ,  deren  eine  er  an  Khudayar  abgab ;  in  die  andere  setzte 
er  als  Regenten  ein  Kind  ein,  als  dessen  Vormund  er  sich  er- 
klärte. Durch  diese  INIässiguiig  konnte  er  unangefochten  eine 
Herrschaft  üben,  die  er  offen  kaum  zu  beanspruchen  gewagt  hätte. 
Seine  Rückkehr  feierten  mit  pomphaften  Festen  die  Städte  Bochara 
und  Samarkand,  die  in  Älozafter  mit  Recht  den  eigentlichen  Herrscher 
Centralasien's  erblickten.  Ja  schon  galt  er  ibnen  als  ein  neuer 
Timur,  berufen,  China,  Persien,  Kabul,  Indien  und  Europa  zu 
unterjochen.  Wie  theuer  ihm  seine  Siege  zu  stehen  konnnen 
sollten,  sah  der  Emir  damals  nicht  voraus;  indem  er  Chokan  zum 
Vasallenstaatc  machte,  übernahm  er  gleichzeitig  die  Verpflichtung, 
ihn  gegen  fremde  Eingrifle  zu  schützen,  und  beschleunigte  so  den 
Zeitpunkt ,  der  ihn  mit  den  Russen  in  Conflict  bringen  sollte, 
(ileichzeitig  betheiligten  sich  IMozaflTer's  Bochären ,  die  Chokan 
einstweilen  besetzt  hielten ,  an  den  beständigen  Feindseligkeiten 
der  Chokanzen  gegen  die  Russen.  Für  den  Augenbiick  konnte 
Russlaud  freilich  Nichts  thun ,  da  es  mit  dem  Krimkriege  vollauf 
beschäftigt  war,  und  das  feindliche  England  gewiss  bereitwilligst 
von  Indien  ans  ein  Hilfscorps  nach  Chokan  entsendet  hätte. 
"Während  aber  Russland  in  Turun  eine  strenge  Neutralität  beob- 
achtete, entfaltete  General  Perowski  eine  unermüdliche  Thätigkeit 
und  benutzte  seine  Truppen  so  geschickt,  dass  er  nicht  nur  die 
ganze  Zeit  über  die  Citadelle  von  Ak-jNIesdsched  hielt,  sondern 
auch  sich  des  chiwanischen  Forts  Chodscha  Nischaz  ')  bemächtigte, 
von  wo  aus  die  mit  Chokan  alliirten  Chiwaner  die  Russen  zu 
necken  pflegten.  Ausserdem  trachtete  Perowski,  seine  Positionen 
möglichst  vortheilhaft  zu  echelonnircn ,  um  sich  in  Zukunft  eine 
solide  Operationsbasis  zu  sichern;  denn  was  bisher  errungeii  wor- 
den, hatte  eigentlich  sehr  wenig  wirklichen  Vortheil  gebracht. 
Noch  auf  die  nncultivirten  Regionen  beschränkt,  nuisste  Russlaud 
vor  Allem  die  reichen  und  fruchtbaren  Ijandschaften  zwischen  Fort 
l'erowski  und  der  Colonie  Wienioje  zu  erwerben  bemüht  sein. 
In  der  That,  sobald  die  Nachwehen  des  Krimkrieges  überstanden, 
machten  sich  die  Russen  an's  Werk  und  leiteten  ihre  Operationen 
selir  glücklich  damit  ein ,  dass  sie  zuerst  mit  der  Eroberung  des 
Cbaiuites  Chokan,  wo  immer  verhältnissniässig  die  geringste  sociale 
Ordnung,  die  schwächste  Regierung  und  der  grüsste  Widerwille 
gegen   den   Krieg   geherrscht,    anfingen. 

1)  Am   Kuwäii  Diirja  gvlogcii. 


Der  Krieg  mit  Cliokan.  85 

Vorerst  nahmen  sie,  1859,  die  Festung  Dscluilek  (Tschulak) 
Kurgan  und  zerstörten  sie,  1861  das  feindliche  Fort  Jany-Kurgan 
am  Ssyr;  mit  der  Grundlage  der  Ssyr-Darjä-Linie  wurde  für  1863 
die  Invasion  Chokans  von  zwei  Punkten  aus  angeplant:  aus  dem 
Kirghisen-Gebietc  und  von  Ak-lNIesdsched ;  das  eine  Corps  gegen 
Aulie-ata,  das  andere  Corps  gegen  die  Stadt  Hazret-i-Turkcstan  '), 
welche  Oi'tc  ungefähr  300  englische  Meilen  von  einander  liegen.  Der 
Ausbruch  des  polnischen  Aufstandes  und  die  Besorgniss  eines 
Krieges  mit  Westeuropa  verursachten  die  Verschiebung  des  Planes, 
der  im  nächstfolgenden  Jahre  ausgeführt  wurde;  erst  von  1864 
an  gewannen  die  Operationen  an  grösserer  Ausdehnung;  langsam, 
aber  sicher  rückten  die  Russen  auf  einer  mit  dem  Ssyr-Uarja 
parallel  laufenden  Linie  vor ,  in  steter  ^'erbindung  mit  der  Dampfer- 
flotillc  verbleibend,  die  sie  am  Ssyr  eingerichtet  hatten.  Die  höchst 
günstig  gelegene  Reihe  von  IJefcstigungen ,  welche  Chokan  längs 
den  Bergketten  des  Kara-Tau  und  Boroldai-Tau  aufgeführt,  um 
seine  Grenzen  gegen  fremde  Einfälle  zu  vertheidigen,  fiel  nach 
einander  den  Russen  in  die  Hände ,  konnte  ihnen  jedoch  nicht 
genügen,  da  die  Gegend  noch  nicht  hinreichende  Lebensmittel  und 
Füurage  lieferte,  und  die  Forts  selbst  noch  zu  nahe  am  Wüsten- 
saunie  lagen.  Sic  mussten  weiter.  Im  Monat  Juni  1864  wurden 
die  beiden  Zielpunkte  Turkestän  (Hazret),  das  wichtigste  Bollwerk 
Chokan's  im  Osten,  und  das  auf  der  Strasse  von  Turkestän  nach 
Kuldscha  gelegene  Aulie-ata  erreicht,  und  im  Juli  imd  August 
ward  die  Verbindung  zwischen  ihnen  hergestellt ,  wodurch  Russ- 
land eine  neue  Grenzlinie,  mehrere  hundert  englische  Meilen  süd- 
licher als  früher,  gewann  —  in  der  That  ein  grosses  Stück  des 
chokanzischcn   Gebietes. 

Das  war  ein  grosser  Erfolg  in  Einem  Feldzuge ,  aber  Russ- 
land erreichte  noch  mehr. 

Bald  nach  der  Einnahme  von  Turkestän  und  Aulie-ata  ver- 
loren die  Chokanzcn  den  Muth,  eine  Expedition  gegen  ihren  Feind 
zu  unternehmen ,  und  begannen  gewaltige  Fortificationen  bei 
Tschcmkend  (im  Süden  von  Hazrct-i-Turkestän ,  im  Inneiui  des 
Ijandes ,  etwa  15  deutsche  Meilen  von  der  Grenze  entfernt  und 
auf  der  Flanke  der  Strasse  zwischen  Turkestän  und  Aulie-ata)  um 
sie  zur  Basis  weiterer  Versuche  zu  machen.  Die  Russen  konnten 
auf  ihrer  Flanke  eine  solche  Position  nicht  dulden,  durch  welche 
die  ihnen  unterworfenen  Kirghisen  fortwährenden  Plünderungen 
ausgesetzt  waren.  Demgemäss  beschloss  der  neue  russische  Be- 
fehlshaber, Gencral-]Major  Tschernajew,  nachdem  er  erfahren  hatte, 
dass  die  Chokanzen  in  Tschendvcnd  nur  10.000  Mann  Besatzung 
zurückgelassen,    sich    dieser    Stadt    rasch    zu  bemächtiircn.      In  den 


1)  Stadt  mit  etwa  lÜUO  Häusern. 


86  Der  Krieg  mit  Cliokan. 

zwei  ersten  ^Yochcn  Septembers  1864  rückten  Trupi)cn  von  zwei 
Punkten  her  auf  Tschemkend  und  vereinigten  sich  da  am  19. 
Noch  am  Abend  dieses  Tages  ^vard  eine  Batterie  von  4  Kanonen 
errichtet,  auf  deren  Feuer  die  Chokanzen  mit  7  Kanonen  und  2 
INlörsern  antworteten.  Da  liess  der  russische  Commandant  eine 
zweite  Batterie  von  6  Kanonen  und  4  INlörsern  näherrücken.  Die 
aussergewöhnhche  Harte  des  Bodens  und  ein  Ausfall  des  Feindes 
verhinderte  die  Vollendung  dieser  Batterie  in  der  Nacht  vom  21. 
auf  den  22.  September,  und  die  Chokanzen,  ermuthigt  durch  die 
Verzögerung  der  russischen  Bclagerungswerke,  ergriffen  die  Ofl'en- 
sivG  und  schoben  einige  Trancheen,  Batterien  und  schannutzirendc 
Haufen  vor,  in  einer  Art,  die  schliessen  liess,  dass  sich  ein  er- 
fahrener fremder  Officier  unter  ihnen  befand.  Oberstlieutcnant 
Lerche  benutzte  russischcrseits  die  ^'er\vcgcnheit  der  Chokanzen, 
um  ihr  Fussvolk  mit  4  russischen  Compagnicn ,  zwei  Positions- 
Geschützen  und  sonstiger  Artillerie  anzugreifen.  Trotz  eines  heftigen 
Feuers  aus  der  Stadt  und  der  Citadolle  drängte  er  bald  die  cho- 
kiuizischc  Infanterie  in  die  Stadt  zurück,  deren  Thore  mit  dem 
Bajonnet  vcrthcitigt  wurden.  Während  dieses  Kampfes  näherte 
sich  General  Tschernajew  der  Citadelle  und  überrumpelte  sie,  in- 
dem seine  Soldaten  in  Einzelreihe  in  eine  Wasserleitung  eindrangen. 
In  einer  Stunde  war  man  Meister  der  Stadt  und  der  auf  einer  fast 
unzugänglichen  Höhe  gelegenen  Citadelle,  trotz  der  10.000  ISIann 
Besatzung  und  der  reichlichen  Artillerie  und  Munition,  womit  sie 
versehen  waren.  Unter  den  Trophäen  waren  4  Standarten  und  24 
Feldfahnen,  23  Kanonen,  darunter  eine  gezogene,  8  Mörser  von 
grossem  Kaliber,  eine  Menge  Feldschlangen,  Wallbüchsen  u.  s.  w. 
Wie  stark  die  russische  Streitmacht  bei  dieser  AfFaire  eigentlich 
gewesen,  ist  nicht  bekannt  geworden;  erwähnt  wird  nur,  dass 
sich  unter  der  Artillerie  zwei  leichte  Batterien  befanden,  ähnlich 
denjenigen ,  welche  die  Preussen  im  dänischen  Kriege  gebraucht 
haben.  ') 

Das-  Kesidtat  dieses  glänzenden  Kampfes  war  die  völlige 
Sicherung  der  russischen  Linie  von  Ak-^Iesdsched  bis  Aulie-ata 
und  folglich  di(>  Blos.sstelhnig  der  grossen  Städte  des  Chanats, 
Tascbkend,  Chodschand,  und  endlich  der  Hauptstadt  selbst  für  den 
Angritf.  Älit  eineni  AVorte:  mit  Tschcndvend  besassen  sie  den 
Schlüssel  zu  einem  der  reichsten  Districte  Chokan's.  Es  galt  mui- 
melir  die  Früchte  langjähriger  Bemühungen  einzuernten  und  durch 
Annexion  eines  Tlieiles  der  Usbekenstaaten  die  l)ei(1en  strategischen 
()peratit)nslinien,  rechts  auf  die  Citadellen  am  Ssyr-Darjä,  links 
auf  Wiernoje  an  der  Almaty  sich   stützend,   zu   verbinden. 


1)  „Mcuc  l'reussischc  Zeitung"  vom  29.  Januar  1865. 


Der  Krieg  mit  Chokan.  87 

Die  Nachricht  von  dem  Vordringen  der  Enssen  in  Chokan 
hatte  grosse  Beunruhigung  in  England  wachgerufen,  welches,  wohl 
nicht  ganz  ohne  Grund,  die  Unabhängigkeit  der  mittelasiatischen 
Clianate  als  eine  iinumgiingliche  Garantie  für  die  Sicherheit  seiner 
eigenen  Besitzungen  in  Indien  betrachtete.  FAn  Circular  des 
russischen  Reichskanzlers  Fürsten  Gortschakow  vom  2  1 .  November 
1864  beschwichtigte  indess  die  Aufregung  der  Engländer,  indem 
es  auf  die  gebieterische  Nothwendigkeit  dieser  Gebietserweiterungen 
hinwies  und  zugleich  erklärte,  dass  Russlands  Grenzen  fürderhin 
nicht  weiter  hinausgerückt  werden  sollten. 

Diese  Note  bezeichnet  zugleich  die  Bestrebungen  der  kaiser- 
lichen Politik  in  Asien  so  klar  und  scharf  und  gibt  einen  so 
tiefen  Einblick  in  die  Verhältnisse,  dass  wir  nicht  undiin  können, 
sie  mitzutheilen : 

„Die  Stellung  Russland's  in  Centralasien  ist  die  aller  civili- 
.. sirten  Staaten,  welche  sich  im  Contact  mit  halbwilden,  undier- 
„ streifenden  Völkerschaften  ohne  feste  sociale  Organisation  befinden. 

„In  dergleichen  Fällen  verlangt  das  Interesse  der  Sicherheit 
„der  Grenzen  und  der  Handelsbeziehungen  stets,  dass  der  civili- 
„sirtere  Staat  ein  gewisses  Uebergewicht  über  Nachbarn  übe, 
„deren  unruhige  Nomadensitten  sie  äusserst  unbequem  machen. 

„Zunächst  hat  man  Einfälle  und  Plünderungen  zurückzu- 
„weisen.  Um  denselben  ein  Ende  zu  machen,  ist  man  genöthigt, 
„die  Grenzbevölkerung  zu  einer  mehr  oder  minder  dirccten  Unter- 
„würfigkeit  zu  zwingen. 

„Sobald  dieses  Resultat  erreicht  ist,  nehmen  die  Grcnzbe- 
„wohner  ruhigere  Gewohnheiten  an.  Nun  sind  sie  aber  ihrerseits 
„den  Angrilfen  der  entfernteren  Stämme  ausgesetzt.  Der  Staat  ist 
„verpflichtet,  sie  vor  Plünderung  zu  schützen  und  diejenigen,  die 
„sie  verübt,  zu  züchtigen.  Daher  entspringt  die  Nothwendigkeit 
„entfernter,  kostspieliger,  wiederkehrender  Expeditionen  gegen  einen 
„Feind,  den  seine  Organisation  unangreifbar  macht.  Wenn  man 
„sich  darauf  beschränkt,  die  Pünderer  zu  züchtigen,  und  sich  zu- 
.„ rückzieht,  wird  die  Lection  bald  vergessen  und  der  Rückzug  der 
„Schwäche  zugeschrieben;  die  asiatischen  Völker  besonders  achten 
„nur  auf  die  sieht-  und  fühlbare  Gewalt;  die  moralische  Gewalt 
„des  Rechtes  und  der  Interessen  der  Civilisation  hat  bei  ihnen 
„noch  keiji  Gewicht.  Es  ist  daher  immer  wieder  von  vorne  zu 
„beginnen. 

„Um  diesen  andauernden  Unordnungen  ein  Ende  zu  machen, 
„errichtet  man  einige  befestigte  Punkte  unter  den  feind- 
„lichen  Volksstämmen;  man  übt  über  sie  ein  Ucbergewiclit,  welches 
„sie  zu  einer  mehr  oder  weniger  erzwungenen  Unterwürfigkeit 
„führt.      Aber  gleich  rufen  andere  entferntere  Volksstämme  jenseits 


fi8  Der  Krieg  mit  Chokan. 

„dieser  zweiten  Linie  dieselben  Gefahren  und  dieselben  Sorgen 
„zur  Beseitigung  derselben   hervor. 

„Der  Staat  befindet  sich  in  der  Alternative:  diese  nie  endende 
„Aufgabe  aufzugeben  und  seine  Grenzen  beständigen  Unordnungen, 
„die  daselbst  jedes  Gedeihen,  jede  Sicherheit,  jede  Civilisation 
„unmöglich  machen,  preiszugeben,  oder  mehr  und  mehr  in  das 
„Innere  wilder  Gegenden  vorzudringen,  wo  die  Schwierigkeiten 
„und  die  Lasten,  welche  er  auf  sich  nimmt,  mit  jedem  Sehritte 
„sich  vermehren. 

„Dieses  Loos  hatten  alle  Staaten,  welche  sich  unter  den- 
„ selben  Bedingungen  befinden:  die  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
„amerika,  Frankreich  in  Algier,  Holland  in  seinen  Colonien,  Eng- 
„land  in  Lidien;  sie  alle  haben  unvermeidlich  diesen  fortschreitenden 
„Gang  verfolgen  müssen,  an  welchem  der  Ehrgeiz  weit  weniger 
„Antheil  hat  als  eine  gebieterische  Nothwendigkeit,  und  wo  die 
„grösste  Schwierigkeit  darin  liegt,  im  richtigen  Augenblicke  Halt 
„zu  machen. 

„Dies  ist  auch  der  Grund,  welcher  die  kaiserliche  Regierung 
„veranlasst  hat,  sich  zuerst  einerseits  am  Ssyr-Darjii,  anderer- 
„seits  am  Issi-Kul  festzusetzen  und  diese  beiden  Linien 
„durch  vorgeschobene  Forts  zu  befestigen,  welche  all- 
„mälig  in  das  Herz  dieser  entfernten  Gegenden  gedrungen  sind, 
„ohne  dass  man  dahin  gelangt  wäre,  jenseits  derselben  die  für 
„unsere  Grenzen  vinerlässliche  Ruhe  herzustellen. 

„Die  Ursache  dieser  Erfolglosigkeit  lag  zunächst  in  dem  Um- 
„ stände,  dass  zwischen  den  Endpunkten  dieser  doppelten  Linie 
„ein  imgeheurer  wüster  Raum  unbesetzt  blieb,  wo  die  Einfälle 
„ d e r  räuberischen  St  ä m  m  e  jede  Colonisirung  und  jeden 
„Karawanenhaiulel  unmöglich  machten.  Dann  zeigte  sich  in  den 
„Schwankungen  der  politischen  Lage  dieser  Gegenden,  wo  Turkestan 
„und  C'hokan  sich  bald  im  Kriege  untereinander,  bald  vereinigt 
„im  Ki'iege  gegen  die  Bucharei,  aber  stets  im  Kriege,  bc- 
„fanden,  keine  INIöglichkeit ,  feste  Beziehungen  herzustellen,  oder 
„irgendwelche   regelmässige   Verhandlungen  zu  pflegen. 

„Die  kaiserliche  Regierng  hat  sich  also  wider  ihren  Willen  in 
„die  Alternative  versetzt  gesehen,  w^clche  wir  angedeutet  haben, 
„d.  h.  entweder  einen  Zustand  bleibender  Unordnung,  der  jede 
„Sicherheit  und  jeden  Fortschritt  lähmt,  fortdauern  zu  lassen, 
„oder  sich  zu  kostspieligen  luul  entfernten  Expeditionen  ohne 
„praktisches  Resultat,  die  stets  von  vorne  zu  beginnen  gewesen 
„wären,  zu  verurtheilen,  oder  endlich  den  unbestimmten  Weg  der 
„Eroberungen  und  Annexionen  zu  betreten,  welcher  England 
„zur  Beherrschung  Indien'«  geführt,  indem  es  nach  einander  die 
„kleinen  imabhihigigen  Staaten,  deren  räuberische  Gewohnheiten, 
„unruhige     Sitten     und    beständige.  Revolten     den    Nachbarn     nicht 


Der  Krieg  mit  Chokarn  8^ 

„Ruhe  und  Rast  gaben,  durcli  Gewalt  der  Waffen  zu  unter- 
„  werfen  gesucht. 

„Keine  dieeer  Alternativen  entsprach  dem  Ziel,  welches  sich 
„die  Politik  unseres  erhabenen  Herrn  vorgesteckt,  und  welches 
„nicht  darin  besteht,  die  seinem  Scepter  unterworfenen  I^änder 
„über  jedes  Yerhältniss  hinaus  auzudehnen,  sondern  vielmehr  darin, 
„seine  Herrschaft  darin  auf  dauernde  Grundlagen  zu 
„stellen,  ihnen  Sicherheit  zu  gewähren  und  ihre  sociale  Or- 
„ganisation,  ihren  Handel,  ihren  AVohlstand  und  ihre  Civilisation 
„zu  entwickeln. 

„Unsere  Aufgabe  war  es,  ein  System  aufzufinden,  welches 
„dieses   dreifache  Ziel  erreichen  konnte." 

„Zu  diesem  Zwecke    wurden    folgende  Grundsätze  aufgestellt: 

„1.  Es  wurde  für  unerlässlich  befunden,  vmsere  beiden  Grenz- 
„linien,  von  denen  die  eine  von  der  chinesischen  Grenze  bis  zum 
„Issi-kul,  die  andere  vom  Aralsee  längs  des  Ssyr-Darjä  ging,  in 
„solcher  Weise  durch  befestigte  Punkte  zu  verbinden,  dass  misere 
„Posten  im  Stande  wären,  sich  gegenseitig  zu  unterstützen,  und 
„keinen  Zwischenraum  Hessen,  durch  welchen  die  Xomadenstämme 
„ungestraft  Raubeinfälle   ausführen  könnten. 

„2.  Es  war  wesentlich,  dass  die  auf  diese  Weise  vervoU- 
„ ständigte  Linie  unserer  vorgeschobenen  Forts  sich  in  einer  Gegend 
„befand  die  fruchtbar  genug  war,  um  nicht  nur  ihre  Versorgung 
„mit  Lebensmitteln  sicherzustellen,  soiulern  auch,  um  eine  regel- 
„massige  C  o  1  o  n  i  s  i  r  u  n  g  zu  erleichtern,  welche  allein  dem  be- 
„ setzten  Lande  eine  sichere  und  gedeihliche  Zuktmft  bereitet,  in- 
„dem   sie   die   benachbarten  Stämme  dem  civilisirten  Leben  gewinnt. 

„3.  Endlich  war  es  notbwendig,  diese  Linien  endgültig  fest- 
,, zustellen,  um  der  fast  unvermeidlichen  Gefahr  zti  entgehen,  von 
„Repressalien  zu  Repressalien  zu  schreiten,  die  zu  einer  unabseh- 
„baren  Ausdehmmg  führen  konnten. 

„Zu  diesem  Zwecke  nuisste  man  die  Grundlagen  zu  einem 
„System  legen,  welches  nicht  nur  auf  vernünftiger  Ueberlegung, 
„welche  elastisch  sein  kann,  sondern  auf  geographischen  und 
„politischen  Bedingungen,   die   fest  und  bleibend    sind,   beruhte. 

„Dieses  System  wurde  uns  durch  eine  sehr  einfache  That- 
„ Sache  angedeutet,  die  das  Resultat  einer  langen  Erfahrung  ist: 
„dass  nämlich  die  Xomadenstämme,  welche  man  nicht  greifen, 
„nicht  züchtigen,  nicht  in  wirksamer  Weise  zusammenhalten  kann, 
„für  uns  die  allerunbcquemste  Nachbarschaft  sind,  und  dass  da- 
„ gegen  ackerbauende  und  handeltreibende  Völkerschaften,  welche  am 
„Boden  ihrer  Heimat  haften  und  eines  entwickelten  socialen  Or- 
„ganismus  theilhaftig  sind,  uns  die  Chance  einer  erträglichen 
„Nachbarschaft    und    verbessei'ungsfähiger    Beziehungen    darbieten. 

11 


90  Der  Krieg  mit  Choknn. 

.,Die  Linie  iinserer  Gvonzon  musste  daher  die  ersteren  ein- 
„ sclilicssen ;  sie  niusste  bei  doi*  Bcrülirung  des  letzeren  Haltmachen. 

„Diese  drei  Principien  geben  eine  klare,  natürliche  und  logische 
„Erklärung  der  INIilitäroperationen,  welche  sich  neuerdings  in  Central- 
„asien   vollzogen  haben. 

„In  der  That  bot  die  anfängliche  Linie  unserer  Grenze  längs 
„des  Ssyr-Darjü  bis  zum  Fort  Perowski  auf  der  einen  Seite  und 
,.bis  zum  Issi-kul-See  auf  der  andern  den  Uebelstand  dar,  dass 
„sie  beinahe  an  die  Wüste  stiess.  Sie  war  auf  einer  migeheuren 
„Strecke  zwischen  den  beiden  äusserst en  Punkten  unterbrochen; 
„sie  bot  unseren  Truppen  keine  genügende  Menge  von  Hilfsmitteln 
„dar  und  Hess  Stämme  ausserhalb  der  Grenze,  mit  welchen  ein 
„Zusammenhang  nothwendig  war,  wollte  man  nicht  auf  jede 
„Stetigkeit  verzichten. 

„Trotz  unserer  Abneigung,  unserer  Grenze  eine  weitere  Aus- 
„dehnung  zu  geben,  waren  diese  Beweggründe  doch  mächtig  ge- 
„nug,  um  die  kaiserliche  Regierung  zu  veranlassen,  die  (Kontinuität 
„dieser  Linie  zwischen  dem  Issi-kul-See  und  dem  Ssyr-Darja  herzu- 
„  stellen,  indem  die  kürzlich  von  uns  besetzte  Stadt  Tschemkend 
„befestigt  wurde. 

„Indem  wir  diese  Linie  annehmen,  erhalten  wir  ein  doppeltes 
„Resultat;  einerseits  ist  die  Gegend,  welche  sie  umfasst,  fruchtbar, 
„holzreich,  von  zahlreichen  Gewässern  durchströmt;  sie  ist  theil- 
„ weise  von  kirghisischen  Stämmen  bewohnt,  welche  unsere  Herr- 
,. Schaft  bereits  anerkannt  haben;  sie  bietet  deshalb  günstige 
„Elemente  für  die  Colon  isation  und  die  Yerproviaritirung 
„unserer  Besatzungen.  Andererseits  gibt  sie  uns  zu  unmittelbaren 
„Nachbarn  die  angesiedelte  ackcrbau-  und  handeltreibende  Be- 
„völkerung  von  Chokan. 

„Wir  befinden  uns  einer  socialen  Bevölkerung  gegenüber, 
„welche  solider,  compacter,  weniger  beweglich  und  besser  organisirt 
„ist,  und  diese  Erwägung  bezeicluiet  mit  geographischer  Genauig- 
„keit  die  Linie,  zu  welcher  uns  Interesse  und  Vernunft  vorzugehen 
„rathen  und  hier  still  zu  stehen  heissen ,  weil  einerseits  jede 
„fernere  Ausdehnung  unserer  Herrschaft  weiterhin  nicht  auf  solche 
„uidjeständige  Bevölkerungen,  ^^ie  die  nomadischen  Stänmae,  sondern, 
„auf  regelmässiger  eingerichtete  Staaten  stossen,  beträchtliche 
„Anstrengungen  erfordern  und  uns  von  Aimexion  zu  Annexion  zu 
„unabsehbaren  Verwickelungen  fortreissen  würden,  und  weil  andcrer- 
„seits  bei  der  Nachbarschaft  solcher  Staaten  wir,  trotz  ihrer  zu- 
„rückgebliebencn  Civilisation  und  der  Unbeständigkeit  ihrer  politi- 
„ sehen  Lage,  dennoch  sicher  sein  können,  dass  regelmässige  Be- 
„ Ziehungen  eines  Tages  zu  beiderseitigem  \'ortheile  an  die  Stelle 
„der  beständigen  Unruhen  treten  werden,  welche  bis  jetzt  den 
..  Aufscliwuu";  dieser  Gegenden  niedergehalten  haben. 


Der  Krieg  mit  Chokan.  91 

„Das  sind  die  Interessen,  welche  der  Politik  unseres  erhabenen 
„Herrn  in   Centralasien   als  Beweggrund   dienen. 

„Ich  habe  nicht  nöthig,  auf  das  augenfällige  Interesse  hinzu- 
„  weisen,  welches  Russland  hat,  sein  Gebiet  nicht  weiter  zu  ver- 
„  grössern  und  besonders  sich  an  den  Grenzen  keine  \'erwicklungen 
„zuzuziehen,  Avelche  seine  innere  Entwicklung  nur  zurückhalten 
„und  lähmen   können. 

„Das  Progranun,  das  ich  soeben  gezeichnet,  entspricht  diesem 
„Ideengange. 

„In  den  letzten  Jahren  geiiel  man  sich  nicht  selten  darin, 
„die  Civilisirnng  der  Gegenden,  welche  au'"  dem  asiatischen  Con- 
„iinent  an  Russland  grenzen,   als  seine  Mission  zu  bezeichnen. 

„Die  Fortschritte  der  Civilisation  kennen  keine  erfolgreicheren 
„Agenten  als  die  Handelsbeziehungen.  Diese  verlangen  zu  ihrer 
„Entwickelung  überall  Ordnung  und  Stetigkeit;  in  Asien  verlangci 
„sie  jedoch  eine  gründliche  Umgestaltung  der  Sitten.  Vor  allen 
„Dingen  muss  man  den  asiatischen  Völkern  begreiflich  machen, 
„dass  es  vortheilhafter  für  sie  ist,  den  Handel  der  Karawanen  zu 
„begünstigen   und   sicher  zu   stellen,   als   dieselben  zu  plündern. 

„Diese  Grmid Wahrheiten  können  nur  da  in  das  öfientliche 
„Bewusstsein  eindringen,  wo  ein  Publicum  vorhanden  ist,  d.  h. 
„ein  socialer  Organismus  luid  eine  Regierung,  welche  ihn  leitet 
„und  vertritt. 

„W^ir  erfüllen  den  ersten  Theil  unserer  Aufgabe,  wenn  wir 
„unsere  Grenze  bis  zu  der  Linie  vorschieben,  wo  sich  diese  unab- 
„  weislichen  Bedingungen  vorfinden. 

„Wir  erfüllen  den  zweiten  Theil,  wenn  wir  uns  bemühen, 
„den  benachbarten  Staaten  in  Zukunft  zu  beweisen,  durch  ein 
„System  der  Festigkeit,  was  die  Unterdrückung  ihrer  Uebelthaten 
„betrifft,  gleichzeitig  aber  auch  der  INIässigung  und  der  Gcrechtig- 
„keit  in  der  Anwendung  der  INIacht  und  der  Achtung  für  ihre 
„Unabhängigkeit,  dass  Russland  nicht  ihr  Feind  ist,  dass  es  keine 
„Eroberungsabsichten  ihnen  gegenüber  nährt,  und  dass  friedliche 
„Handelsbeziehungen  mit  ihm  vortheilhafter  sind  als  Unordnung, 
„Plünderung,   P'eindseligkeiten   und   fortdauernder  Krieg. 

„Das  kaiserliche  Cabinet,  indem  es  sich  dieser  Aufgabe 
„widmet,  hat  die  Interessen  Russlands  im  Auge.  Es  glaubt  aber 
„gleichzeitig  den  Interessen  der  Civilisation  und  der  Menschlichkeit 
„zu  dienen.  Es  hat  das  Recht,  auf  eine  gerechte  und  loyale 
„Würdigung  des  Ganges,  den  es  verfolgt,  und  der  Principien,  die 
„es  leiten,  zu  zählen." 

Kaum  war  diese  Circularnotc  an  die  fremden  Höfe  expedirt, 
als  die  Feindseligkeiten  von  Neuem  luul  entschiedener  denn  je  im 
Ssyr-Thale  begannen,  da  die  Chokanzen,  erbittert  durch  den  A''er- 
luöt  von  Turkestän  und  Tschcnüvcnd,   mit  Aufbietung   aller   Kräfte 


92  Der  Kripg  mit  Cliokan. 

die  Russen  angriffen  und  wieder  in  Besitz  dieser  Orte  zu  gelangen 
irachtetcn.  Kin  bedeutender  Sieg,  den  sie  Ende  1864  erfochten, 
gestattete  ihnen  sogar,  für  kurze  Zeit  diese  Hoffnung  wirklich  zu 
nähren;  allein  die  Dinge  nahmen  gar  bald  eine  andere  AVendung.  Der 
Emir  von  Bochära  fiel  nämlich  in  C'hokan  ein  und  bemächtigte 
sich  der  Stadt  Chodschand  und  mehrerer  anderer  Plätze.  Diese 
Diversion  benützten  die  Russen,  um  die  Offensive  zu  ergreifen; 
am  0.  Mai  1865  attakirten  sie  in  der  Nähe  von  Taschkend  die 
chokanzisehe  Armee,  welche  Alim-kul,  der  Regent  des  Landes 
während  der  Minderjährigkeit  des  Sultans,  befehligte;  diesmal  er- 
rangen die  Russen  einen  glänzenden  Sieg;  Alim-kul  fiel,  und  es 
schien  als  ob  General  Tschernajew,  der  Perowski  im  Commando 
ersetzt  hatte,  nur  mehr  auf  die  Stadt  zu  marschiren  hätte.  Doch 
verstrichen  noch  fünf  Wochen,  ehe  dies  geschah,  denn  die  Russen 
hatten  Grund  zu  vermuthen,  dass  die  Bevölkerung  selbst  ihnen 
entgegen  kommen  würde.  Aber  die  Bewohner  Taschkend's  waren 
noch  zu  eifrige  Muselmänner,  als  dass  sie  sich  den  Ungläubigen 
hätten  freiwillig  unterwerfen  sollen.  Sie  zogen  vor,  den  noch  in 
Ghodschand  anwesenden  Elmir  von  Bochära  um  Hilfe  anzuflehen. 
Genral  Tschernajew  aber,  als  er  dies  erfuhr,  kam  dem  P^mir  zuvor, 
cernirte  den  Platz  und  begann  das  Bombardement  in  der  Nacht 
vom    15.   Juni    1865. 

Hiemit  war  das  Schicksal  Chokan's  besiegelt;  war  auch  die 
Besetzung  Taschkend's ,  das  nach  hartnäckigem  Widerstände  ge- 
nommen wurde,  nur  provisorisch  beabsichtig,  höchst  unklug  wäre 
es  seitens  Russlands  gewesen ,  eine  Position  wieder  aufzugeben, 
welche  die  bedeutendsten  Communicationslinien  Centralasien's,  sowie 
den  ganzen  Handel  Chiwa's  und  Bochära's  in  seine  Hand  legte. 
Taschkend  )  mit  vielleicht  300.000  Einwohnern,  der  Knotenpunkt  des 
Handels  und  des  Islam,  bedeckt  einen  Flächenraum  von  nahezu 
zwölf  Werst  und  liegt  buchstäblich  in  einem  Walde  von  Obst- 
bäumen. Die  Stadt  selbst  hat  einen  unregelmässigen  orientalischen 
Charakter.  Die  Einwohner  sind  friedlich  und  speculativ,  das 
Leben  überaus  wohlfeil.  Die  Stadt,  schon  damals  ein  bedeutender 
nandels])latz ,  kann  in  Zidvunft  der  erste  Markt  von  (Vntrala.sicu 
worden,  denn  hier  trotten  sich  die  A'ortreter  der  Handelsinteressen 
von  ganz  Asien,  selbst  die  fernsten  Gegenden  Indien's  nicht  aus- 
genommen; für  die  russischen  Manufacturen  ist  der  Markt  von 
Taschkend    von    nicht    geringerer    Wichtigkeit.       Wenn    auch    eine 

1)  Nach  Klödf-n  (Handimch  der  Erdkunde,  111.  Bd.,  S.  192)  zählt  Taschkend 
(die  Steinstadt)  blos  8H.000  Einwohner;  es  ist  17',,  deutsche  Meilen  von  Chokan  entfernt, 
liat  4  Meilen  im  Umfange,  liegt  in  einer  Schlucht,  hat  einen  Lehmwall,  enge  und  tiefe 
kothige  Strassen,  270  Maale,  310  Moscheen,  zum  Thcil  in  Ruinen,  17  Medresscn,  11 
Bäder,  15  fefearais  mit  Läden  und  11.0  0  Lehmhütten;  zwei  Flüsschen  senden  viele  Canäle 
hinein ,  an  denen  Wasser-  und  Stampfniühlen  angelegt  sind. 


Der  Krieg  mit  Chokan.  93 

Annexion  der  Provinz  nnd  die  Herstellung  einer  russischen  Ver- 
waltung in  einer  über  100.000  Muselmänner  als  Einwohner  zählen- 
den Stadt  für  den  Anfang  keineswegs  nothwendig  erschien ,  so 
war  es  doch  unerlässlich,  Taschkend  gegen  die  Willkür  und 
Plünderungen  chokanzischer  Chane  und  hochärischer  Emire  sicher 
zu  stellen.  Es  verblieben  daher  russische  Truppen  in  Taschkend, 
um  den  asiatischen  Herrschern  zu  beweisen,  dass  der  russische 
Schutz  stark  und  nachhaltig  sei,  zugleich  auch,  um  den  nissischcn 
Einfluss  in  jenen  Gegenden  zu  erhalten  und  zu  kräftigen.  Der 
russische  Gouverneur  garanlirte  den  Einwohnern  ihre  Autonomie 
unter  russischer  Oberhoheit  und  freie  Religionsübung,  womit  sie 
sich  vollkommen  zufrieden  stellten ,  da  die  einflussreichc  Classe 
der  Bürger  doch  immer  zur  Macht  hält.  Nach  der  Besetzung 
Taschkend's  berief  der  im  August  1865  nach  Chokan  gekommene 
(icneral-Adjutant  des  Gouverneurs  von  Orenburg,  Kryschanowsky, 
die  Aeltesten  der  Stadt  und  der  Geistlichkeit  und  forderte  sie  auf, 
eine  einheimische  Verwaltung  einzurichten.  Da  reichten  sie  ihm 
Brod  und  Salz  auf  silberner  Schüssel  und  eine  Adresse ,  worin 
sie  um  die  Erlaubniss  baten,  Unterthanen  des  ,,  weissen  Czaren"  zu 
werden.  „Ein  INIeer  kann  nicht  zwei  ^leere  enthalten;  nicht  zwei 
..Reiche  können  in  Einem  bestehen.  \'erlanget  also  die  Vereinigung 
„unseres  Landes  mit  Russland,  damit  es  ihm  angehöre,  wie  die 
„übrigen  Provinzen  des  Reiches."  Demnach  wurde  Taschkend  in 
den  Unterthanenverband  des  russischen  Kaiserthumes  aufgenommen, 
der  Stadt  der  Schutz  russischer  Truppen ,  sowie  Achtung  vor 
ihren  Sitten  und  Gebräuchen  zugesagt,  die  einheimischen  Würden- 
träger in  ihren  Aemtern  bestätigt. 

Die  Sicherheit  Taschkend's  erheischte  noch  die  Eroberung 
des  Gebietes  am  Tschirtschik,  einem  im  Süden  der  Stadt  dem 
Ssyr-Darjä  zufliessenden  Gewässer,  wie  denn  die  Russen  über- 
haupt mit  der  Anlage  fester  Plätze  im  Lande  fortfuhren.  Kleine 
P'orts,  wie  Utsch-kajuk,  dannDin  Kurgan  ^),  Dschulek,  Ak-Mesdsched 
(Fort  Perowski),  Kumysch-Kurgan,  Tschim-Kurgan  ,  Kosch-Kurgan 
(die  drei  letztgenannten  unterhalb  Fort  Perowski  gelegen),  Jany- 
Kurgan'^),  früher  lediglich  Zwingburgen,  gew-ährten  nunmehr  in 
russischen  Händen  den  nomadischen  Völkerschaften  einen  lang  ent- 
behrten  Schutz.  ■') 

Zwischen  Taschkend,  Turkestän  und  dem  Fort  Perowski  wurde 
eine  regelmässige  Postverbindung  hergestellt,  die  mit  grösster  Sicher- 
heit vor  sich  geht.    Die  im  Lande  wohnenden  Kirghisen  benahmen 


1)  1860  von  den  Chokanzcn  angelegt. 

2)  1857  von    den  Chokanzcn  angelegt;  dieses   sowie   Din  Kurgan   ward   1860  und 
1861  von  den  Russen  erobert. 

3)  Admiral  Butako\\'s  Fahrten  auf  dem  Jaxartes  (Globus  1865.  VIII.  Bd.,  S-  114.) 


94  Der  Krieg  mit  Cbokan. 

sich  (1er  russischen  Regierung  gegenüber  vollkommen  friedlich  xnid 
entrichteten  regelmässig  ihren  Tribut.  Schon  im  nächstfolgenden 
Jahre,  am  30.  August  1866,  legten  die  Russen  in  Taschkend ') 
den  Grundstein  zu  einer  Kirche  und  veranstalteten  bei  dieser  Ge- 
legenheit ein  Volksfest,  welches  in  Gegenwart  des  Generals 
Kryschanowski  und  bei  einer  Menschenmenge  von  über  30.000 
Sarten  und   Kirghisen  abgehalten  ward.  -) 

Die  eroberten  neuen  Gebietstheile  wurden  durch  kaiserliches 
Decret  zu  einer  Provinz  „Turkestan"  constituirt,  eine  Bezeichnung 
deren  Doppelsinn  in  England  zwar  Anstoss  erregte,  da  hieniit 
ebensowohl  ganz  Centralasien  gemeint  sein  konnte,  als  die  Land- 
schaften zwischen  dem  Aral-  imd  Issi-kul-See,  der  Kirghisensteppc 
und  dem  Ssyr-Darja.  Die  Russen  erklärten  indess  diese  Rezeich- 
nung  aus  der  orientalischen  Sitte,  die  Districte  nach  dem  Ilaupt- 
orte  zu  benennen,  welcher  hier  die  Stadt  Turkestan  sei. 


1)  Das  „Journal  de  St.  Pctcrsboiirg"  vom  21.  Nov.  (3.  Doc.)  18C5  bringt  aus 
der  Fcdrr  des  Gcncralgouvcrncurs  von  Oreuburg  belehrende  Nachrichten  über  die  Stadt 
Taschkend,  das  Land,  die  äusserst  verwickelten  politischen  Verhältnisse  in  den  centrnl- 
asiatischen  Chanateu  und  über  die  neuesten  kriegerischen  Vorgänge. 

2)  „Deutsehe  Petersburger  Zeitung"  vom  22.  Octobcr  (3.  Nov.)  1866. 


IX.  Lapitel. 

Die  Ereignisse  bis  zur  Errichtung   des    Generalgouvernements  Turkestän. 

Die  ersten  Siege  der  Russen  in  Chokan  liatten  den  Emir 
Mozaifer  nicht  sonderlich  erschi'eckt,  viehnehr  boten  sie  ihm  eine 
erwünschte  Gelegenheit,  sein  Prestige  in  Turkestun  zu  erhöhen, 
indem  er  sich  als  Verfechter  der  geheiligten  Sache  des  durch  die 
Ungläubigen  bedrohten  Islam  aufwarf.  Nachdem  er  vorsichtiger- 
weise  früher  sich  hatte  den  jungen  Chan  von  Chokan,  seinen 
Mündel,  ausliefern  lassen,  entsendete  er  ein  Hilfscorps  nach  Tasch- 
kend,  welches  jedoch  diese  Stadt  nicht  davor  bewahrte ,  in  die 
Hände  der  Russen  zu  fallen.  Durch  die  Einnahme  Tascld;ends 
wurden  aber  die  Absichten  des  ehrgeizigen  ]Mozaffer  auf  Chokan 
gänzlich  vereitelt,  denn  dieses  bestand  nur  mehr  dem  Namen  nach, 
und  Khudayar  Chan  war  beinahe   auf  seine  Hauptstadt  beschränkt. 

]Mozafter ,  der  mit  der  Vormundschaft  über  den  einen  un- 
mündigen Chan  von  Chokan  zugleich  die  Verpflichtung  übernommen, 
die  Sache  der  usbekischen  Nationalität  zu  führen,  rüstete,  nach- 
dem er  sich  durch  Engländer  trefflich  gezogene  Geschütze  mid 
INIinie-Gewehre  verschaflt,  mit  ^vclch  letzteren  er  seine  regelmässige 
Infanterie  (Sarbasen),  auch  zum  Tlieil  seine  berittenen  Schützen 
bewaffnete ,  ein  starkes  Corps  gegen  die  Russen,  bemächtigte  sich 
Chodschands  '),  sandte  dem  russischen  General  eine  insolente  und 
gebieterische  Aufforderung,  die  eroberten  Gebietstheile  herauszu- 
geben ,  widrigenfalls  er  mit  Entzündung  des  heiligen  Krieges  drohte, 
und  confiscirte  das  Eigenthum  der  russischen  Kaufleute  in  Bochara, 
was  die  Russen  mit  Repressalien  bezüglich  des  pjigenthnms  der 
Kaufleute  von  Bochara  inid  Kabul  vergalten,  eine  ^Massregel,  die 
freilich  eben   so   schnell  aufgehoben ,   als  ergriff'en  wurde. 

Theils  fehlte  indess  INIozaffer  der  ISIuth ,  den  Ssyr-Darjä  zu 
überschreiten,    theils  —   und  mehr  noch,  hinderte  ihn  hieran   eine 


1)  Das  von  AI  ex  an  de  r  gcgT'ündete'_:fi.^l(U'J'l)flc:'F.(Jy('.T>;    dürfte   wahrschpin- 
lich  in  der  Gegend  des  heutigen  Chodacliand  gelegen  haben- 


90  Die  Ereignisse  bis  ziii  Errichtung  des  Generalgouvernements  Turkest&n. 

Iiisurrection ,  die  zu  Schelir-i-Ssebz  im  Südosten  von  Bochära 
ausgebrochen.  Er  verlegte  sich  dalier  auf  den  Weg.  der  diplomatischen 
^'erhandlungen  und  entsandte  den  Khodsclia  Nadschiniit-Din  in 
Älission  nach  St.  Petersburg,  um,  frcililich  etwas  spät,  dem  Czaren 
seine  Besteigung  des  bochärisclicn  Thrones  zu  notificiren  und  bei 
diesem  Anlasse   die  schwebenden  Schwierigkeiten  gütlich  beizulegen. 

Nadschimit  war  nicht  der  erste  bochärische  Diplomat ,  der 
in  St.  Petersburg  erschien  ;  schon  in  früherer  Zeit  hatte  Nasr-Ullah- 
Chan  eine  Mission  nach  Russland  entsendet,  hiemit  aber  —  mit 
jener  Geringschätzung,  welche  orientalischen  Höfen  eigenthümlich 
ist ,  wenn  sie  mit  christlichen  Mächten  verhandeln  —  einen  ganz 
untergeordneten  Beamten  betraut.  Russland,  damals  mit  China  in 
Collision,  schien  diese  Beleidigung  nicht  zu  merken  und  behandelte 
den  bochärischen  Thürhüter  mit  mehr  Höflichkeit,  als  unter  anderen 
Umständen  vorauszusetzen  gewesen  wäre ;  jetzt  aber,  18(55,  standen 
die  Dinge  anders ,  und  als  Nadschimit  in  Orenburg  ankam,  theilte 
ihm  der  dortige  russische  General-Gouverneur  Kryschanowski  mit, 
es  sei  vollständig  überflüssig  weiter  zu  reisen,  da  er,  Kryschanowski, 
von  seinem  Älonarchen  die  nöthigen  Vollmachten  besitze,  um  Alles 
auf  Centralasien  Bezügliche  in   Ordnung  zu  bringen. 

Als  der  Emir  diess  erfuhr,  beklagte  er  sich  bei  General  Tscher- 
najew ,  dem  russischen  Befehlsluiber  in  Turkestän,  dass  seine  Ge- 
saiultschaft  an  den  Czaren  ungebührlich  aufgehalten  worden,  that, 
als  habe  er  alle  Opposition  gegen  die  russische  Politik  in  Bochära 
aufgegeben  imd  sich  nach  Bochära  zurückgezogen,  und  erbot  sich 
nun  seinerseits,  eine  russische  Gesandtschaft  zur  Anbahnung  eines 
lebhafteren  Grenzverkehres  zu  empfangen.  Tschernajew,  im  vollen 
Glauben  an  die  Ehrlichkeit  des  Emirs,  entsendete  einen  der  her- 
vorragendsten ^'^ertreter  der  Wissenschaft,  den  eben  damals  in 
wissenschaftlicher  Mission  in  Turkestän  befindlichen  Astronomen 
Hofrath  v.  Struve  i)  mit  dem  Berg -Ingenieur  Oberstlieutenant 
Tatarinow  und  zwei  Officieren,  nändich  dem  Rittmeister  Gluchowski  -) 
und  dem  Fähnrich  Kolesnikow  vom  Topographen-Corps  an  den 
Emir,  welche  Letzterer  gleich  nach  ihrer  Ankunft,  ohne  sie  auch 
nur  vorzulassen,  in's  Gefängniss  zu  werfen  befahl;  dessgleichen 
alle  russischen  Kaufleute ,   deren   er  habhaft  wurde. 


1)  Nach  einigen  Berichten  wäre  ch  nicht  der  Hofrath  und  Astronom  v-  Struve, 
sondern  ein  Olicrst  Struve  gewesen,  welcher  mit  dieser  Mission  betraut  war- 

2)  Er  veröffentlichte  einen  sehr  worthvoUen  Bericht  über  seine  Heise  nach 
Bochära  und  seine  Oefangcnschaft  daselbst.  Der  für  die  Geographie  ^vichtige  Theil  dieses 
Berichtes  erschien  in  französischer  Übersetzung  unter  dem  Titel :  „Captivitö  en  Boukhorie 
par  M-  Gloukhovsky  (donnees  göographiques),  traduit  du  russe  par  M.  P.  Woelkel, 
Bvec  Notes  par  M.  N.  de  Khanikof  im  Septemberheft  des  Pariser  „Bulletin  de  la 
Societö  de  göographie"  vom  Jahre  1868,  S.  265— 290. 


DiR  Eroignissp  bis  7,iir  Errichtung  des  Gcnoralgoiivcrncmciit»  Tiirkostän.  97 

Solclion  Scliinipf  konnte  und  wollte  General  Tschernajew  sich 
nicht  gefallen  lassen,  sondern  forderte  die  bedingungslose  Freilassung 
der  Gefangenen  und  zog  am  30.  Januar  (11.  Februai-)  ISGf)  mit 
14  Compagnien  Infanterie,  0  Kosaken-Escadrons  und  1(5  Geschützen, 
im  Ganzen  etwa  2000  INIann  über  den  Ssyr-Darjil  '),  mit  der  aus- 
gesprochenen Absicht,  den  Emir  nothigenfalls  zur  Freigebung  seiner 
Gefangenen  zu  zwingen   und  direct  nach  Samarkand  zu  marschiren.  -) 

Nach  sieben  forcirten  Märschen  durch  die  wasserlose  Wüste 
kamen  die  Russen  am  5. '17.  Februar  vor  Dschizzach  an,  über- 
zeugten sich  aber  bald,  dass  ihre  Streitkräfte  zu  gering  seien; 
überdiess  Hess  sich  der  sonst  tüchtige  Tchernajew,  nur  12  — 15 
Äleilen  von  Samarkand  entfernt ,  durch  trügerische  Versi^rechungen 
hinhalten;  so  hiess  es,  eine  Vereinbarung  sei  zwischen  Russland 
und  dem  Emir  getroffen  worden,  wodurch  Russland  700  (?)  Dörfer 
und  Städte  in  Chokan  erhalten  solle.  Russland  wünschte  aber 
ferner  die  Erlaubniss  zu  zwei  militärischen  Cantonnirungen,  worauf 
der  beunruhigte  Emir  sich  an  seinen  Verwandten,  den  König  von 
Kabid  um  Rath  wendete.  Endlich  bat  INlozaffer  den  russischen 
General  um  Einstellung  der  Feindseligkeiten  und  den  Rückzug  der 
Russen ,  die  sofortige  Freilassung  der  gefangenen  russischen  Ge- 
sandten versprechend. 

Nach  einigen  Quellen  schenkte  Tschernajew  diesen  Worten 
vollen  Glauben,  indem  er  den  Emir  benachrichtigte,  er  werde  am 
Ssyr-  Darjä  bis  zur  Einhaltung  des  ^'ers2)rechcns  stehen  bleiben, 
nach  Anderen  nicht;  gewiss  ist  nur,  dass  er  sich  wieder  zurück- 
zog, was  wohl  hauptsächlich  dem  Mangel  an  Lebensmitteln  in  der 
nnpassirbaren  Wüste  zuzuschreiben  ist ;  denn  er  hatte  nur  die 
A\^nh],  Dschizzach  mittelst  Handstreich  zu  nehmen  und  weiter  auf 
Samai-kand  zu  marschiren,  was  bei  den  schwachen  Kräften  ganz 
umnöglich,  oder  aber  den  Rückweg  anzutreten.  Ungern  nur  ent- 
schloss  er  sich  zu  dieser  zweiten  Alternative,  welche  der  ganzen 
Operation  ein  trauriges  Ende  *  gab.  Am  Rückzuge  soll,  einigen 
Berichten  zufolge,  der  Emir  den  Russen  noch  eine  Schlappe  bei- 
gebracht haben. 

Es  wird  allgemein  zugegeben,  dass  der  Rückzug  in  grösster 
Ordnung  geschah,  und  wenn  gleich  unzählige  Massen  von  Bocharcn 
die  Russen  von  allen  Seiten  umschwärmten,  so  war  doch  ihr  Ver- 
lust ein  zu  unbedeutender,  um  mit  den  bombastischen  Siegesnach- 
richten übereinzustinnnen ,    welche    die  Bocharcn    damals   durch  die 


1)  Gerüchten  zufolge  liiess  es  damals  gnr,  eine  russische  Colonne  sei  in  Balch 
eingetroffen,  eine  andere  marschiro  auf  Kandahar,  was  gans;  unmöglich  gewesen  wäre, 
da  hiezu  ganz  Bochära  hätte  schon  unterworfen  sein  müssen. 

2)  0.  Lejean.  La  Russio  et  l'Angleterrc  dans  l'Asie  centrale.  (Revue  des 
deiix  Mondes.     1867.  T.  OJ.  S-  093— 6i)C.) 

12 


nS  Die  Ercigniase  bis  zur  Erriclituug  dos  Gencralgoii vonionuuits  Tiirkostilii. 

ganze  Islamitenwelt  ausposaiinton.  ')  Positiv  ist  mir,  dass,  als  sich 
das  russische  Dctachement  am  27.  April  dorn  Flusse  Tschirtschik 
nähorte,  dasselbe  aus  dem  kleinen  Fort  Niiizbek  mit  Kauonen- 
sehüssen  empfangen  wurde ,  und  —  dass  gleichzeitig  von  Tascli- 
kend  her  ein  zahlreicher  Haufen  anrückte  mid  die  russischen  Truppen 
angriif'.  Trotzdem,  das  diese  Attaque  ganz  unerwartet  kam,  wurden 
die  C'liokanzen  geschlagen  und  zerstreut,  in  Folge  dessen  zog  auch 
die  (iarnison  von  Niazbek  ab,  unter  Zurücklassung  von  870  Ge- 
fangenen ,  (5  Geschützen  grossen  Kalibers  und  vieler  Handwaffen. 
Der  Verlust  der  Küssen  betrug  7  leicht  verwundete  und  3  con- 
tusionirte   Soldaten. 

Tchernajew  ^)  wai'd  indess  hierauf  durch  den  jungen,   genialen 
und    energischen    Generalmajor    Dmitry    Iljitsch  Romanowsky  ^)  im 


1)  Vämbery.  Die  Rivalirdt  Kusslaiils  uiul  Englanls  in  Coiitral-Asicu-  (Uns  >re 
Znit.     18G7.  IL  S.  580.) 

2)  Tschernajew  begann  seinen  Dienst  in  der  Oanlo;  ans  der  Kriegsalcndemie 
entlassen,  kam  er  als  Gcneralstabsoffic.ier  zu  der  activcn  Donan-Arniee.  Dann  befand 
er  sich  in  den  Reihen  der  Vcrtheidiger  Sebästopols,  und  später  jialiin  er  an  dem  Kriege 
Tlieil,  welcher  die  vollständige  Untei-werfung  des  Kaukasus  zur  Folge  hatte;  1862  wurde 
er  zum  Stabschef  des  Orcnbnrg'schcn  Corps  ernannt;  1861  erhielt  er  den  Auftrag,  an  der 
Spitze  einer  kleinen  Abtheilung  die  ssibirische  Grenzlinie  mit  der  Oreuburger  zu  ver- 
einigen; wir  habe.n  gesehen,  dass  er  diesen  schwierigen  Auftrag  gläizond  ausführte. 
Für  seine  Siege  erhielt  er  im  Laul'c  zweier  Jabi-e  einen  Ebrcnsäbel  mit  Brillanten,  das 
Georgskreuz  III.  Classe  und  den  Stanislaus-  und  Annen-Orden  I.  Classe.  Nach  seiner 
Zurüekbcrulung  vom  Ssyr-Darja  vcrlioss  er  den  Milüä  dienst,  wählte  Moskau  zum  'Wohn- 
sitz und  suchte,  da  er  kein  Vermögen  besitzt,  Beschäftigung  im  Notariatafache ;  am 
28.  November  1SG1  legte  der  Sieger  von  Taschkend  im  Moskauer  B  izirkskerirhte  das 
Kxamen  behufs  Erlangung  des  Hechtes  zur  Botreibung  ölVentlicher  Notariatsgcschäfte  ali, 
während  bei  Erlegung  der  hiczu  erforderlichen  Caution  von  10. (,()()  R.  ihm  die  Unter- 
slützung  eines  wohlwollenden  Capitalisten  zugesichert  worden  sein  soll.  Auf  höhere 
.\Tiregnng  stand  indess  Tschernajew  von  seiner  Niederlassung  als  Notar  zu  ]\[oskau 
ab  und  bewarb  sich  im  October  1SG8  um  die  Concession  zu  einer  Dampferlinie  zwischen 
Twer  und  Rybinsk.     So    berichteten   wenigstens   den  Vorgang  die  Journale  in  jener  Zeit. 

'3)  Sohn  eines  twer'scnen  Edelmannes,  wurde  Romanowsky  im  Jahre  1825 
geboren  \ind  erhielt  seine  erste  Erziehung  in  der  Hanpt-Ingenieurschule  zu  St.  Peters- 
burg. Im  Jahre  1812  kam  er  als  Fähnrich  zu  den  Feld-Ingenienren,  wurde  1S43  Untor- 
lieutenant ,  das  Jahr  darauf  Lieutenant,  und  ging  1816  nach  dem  Kaukasus,  wo  wir  ihn 
1817  als  Stabscapilä'i  im  Regimcnte  des  Fürsten  Tschernytschek  wiederfinden.  Nachdem 
er  sich  für  Tapferkeit  im  Jahre  1848  den  St.  Annen-Orden  III.  Classe  und  den  Wladimir- 
Orden  IV.  Classe  erworben  hatte,  trat  Romanowsky  in  die  Gencralstabs-Akademie, 
aus  welcher  er  als  einer  der  Ersten,  mit  einer  Proismedaille  beschenkt,  entlassen  wurde. 
Er  ging  dann  als  Hauptmann  in  den  grossen  Generalstab,  hatte  aber  das  Unglück,  in 
Folge  eines  Duells,  das  in  Rjssland  immer  sehr  strenge  bestraft  wird,  zum  gemeinen 
Soldaten  degradirt  zu  werden-  Er  kam  in  ein  Regiment,  welches  gegen  die  Türken 
focht,  und  zeichnete  sich  durch  Siine  Tapferkeit  so  aus,  dass  er  seinen  alten  Rang  zu- 
rückerhielt und  bald  darauf,  für  seine  Alitwirkung  an  der  Einnahme  von  Kars,  mit 
einem  Ehrensäbel  beschenkt  wurde.  Im  lahre  1856  zum  Olierstlicutenant  avancirt,  wurde 
er  Chef  der  Gencralstabs-Abtheihing  für  die  in  den  asiatischen  Provinzen  aufgestellten 
lleerc;  1851)  wurde  er  Oberst  und  übernahm  im  Jahre  1862  die  Redaction  des  damals  sehr 
vernachlässiglen  Organes  des  KriegsministeriuiiiS,  des  „Russischen  Invaliden",  —  ein 
Blatt,  welches  er  so  zu  heben  versfand,   dass  sich  in  einem  Jahre  die  Zahl  der  Abonnenten 


Die  Ereignisse  bis  zur  Errichtung  des  Gcncralgouvorncmcnts   Turkestän.  99 

Comniando  ersetzt.  Die  irclilappe  der  Russen  hatte  indess  die 
Bocharen  ermiitliigt ;  zalilreiclic  Zusanimcnstösse  kamen  am  rechten 
Ssyr-Ufcr  vor;  am  5.  April  18(56  grifi' Romanowsky  in  der  Rich- 
tung auf  Chodschand  ein  grosses  Corps  bochärischcr  Reiterei  an, 
schlug  und  verfolgte  es  20  Werst  weit,  nahm  den  Bocharen  ihre 
Kanonen,  nebst  der  von  ihnen  fortgeführten  Beute,  etwa  14.000 
llmnmel,  ab  und  zersprengte  sie  nach  allen  Richtungen.  Wie  sehr 
auch  Russland  Milde  und  Friedfertigkeit  gegen  die ,  Turkestän 
benachbarten  ^'ölker  walten  liess,  bei  ihrem  unstäten  und  zügel- 
losen Charakter  war  es  unmöglich,  nicht  zu  den  Wafi'en  seine 
Zuflucht  zu  nehmen ,  um  die  eigenen  Unterthanen  gegen  Ueberfallc 
und  Verluste  zu  schützen.  Romanowsky  liess  daher  zwei  Dampfer, 
den  „Perowski-'  und  den  ,.Ssyr-Darja'',  mit  Lebensmitteln  für 
zehn  Tage  vom  Arrlsee  den  Ssyr  aufwärts  bis  Tschinaz  befahren, 
als  er  am  18.  Mai  die  Nacliricht  bekam,  dass  Mozafier-C'han  im 
.\nzuge  sei,  welcher  unterdessen  die  Zeit  benützt  hatte,  um  sein 
Heer  auf  40.000  Mann  zu  bringeu ;  in  der  That  stand  er  nunmehr 
an  der  Sjjitzc  von  5000  wohlbewaffneten  Bocharen  und  etwa 
;5r).000  Kirghisen  mit  21  Kanonen,  die  feste  Absicht  hegend, 
Taschkend   wieder  zu   erobern. 

Obgleich  Romanowsky  nur  über  14  Compagnien  Infanterie, 
5  Sotnien  Kosaken,  20  Kanonen  und  8  Raketeugestclle  disjioniren 
konnte,  zusammen  etwa  3G00  Älann  ,  beschloss  er  dennoch  dem 
etwa  zwölfmal  stärkeren  Feinde  auf  der  Strasse  nach  Saniarkand 
entgegen  zu  marschiren. 

Am  10.  erreichten  bei  einer  drückenden  Hitze  von  40'\  unter 
fortwährenden  Scharmützeln  mit  der  feindlichen  Cavallerie ,  und 
nachdem  sie  an  einem  Tage  mehr  denn  30  Werst  (4'/-2  deutsche 
Meilen)  zurückgelegt,  die  Russen  das  von  Taschkend  etwa  75 
Äleilen  entfernte  Dorf  Kavat,  während  der  Feind  mit  seiner  Haupt- 
macht 2  ^2  Meilen  weiter  Stellung  genommen  hatte  in  der  Ebene 
von  Yedschar  (Irdschar),  wo  es  am  8.20.  Mai  1866  zur  ent- 
scheidenden Feldschlacht  kam. 

Am  ^Morgen  des  20.  ]Mni  zeigte  sich  die  bochärische  Cavallerie 
in  untergeordneten  Massen  gegenüber  von  den  russischen  Escadronen 
und  begann,  ihrer  Uebermacht  und  den  trefflichen  englischen  Waffen 
vertrauend,  fest  überzeugt,  die  kleine  russische  Armee  gefangen 
zu  nehmen,  den  Kampf  durch  eine  Reihe  unbedeutender  Schar- 
mützel.     Gegen    Mittag    erst    begann     das    Artilleriefeuer ,     welches 


vorzchiifachtc.  Gesuiidlicitsrücksiclitcn  zwangen  ilm  zu  Ende  1864  die  llcdaction  aufzu- 
geben, er  machte  eine  Reise  nacli  Deutschland,  Frankreich  und  Italien,  um  die  fremden 
Armeen  kenneu  zu  lernen,  und  wurde  nach  seiner  Rückkehr  mit  besonderen  InPpectioiieu 
von  Seite  des  Kriegsministeriums  bet  aut.  Im  Jahre  1865  ging  endlich  Romanowsky, 
inzwischen  zum  Generalmajor  ernannt,  nach  Turkestän. 


100       Die  Ereignisse   bis  zur  Errichtung   des  Goncralgouvernomcnts  Turkostftn 

iniiiiiiehr  ohne  Untcrlirerhinip;  bis  zum  Ende  der  Schlacht  fortdauerte, 
und  Ilauptniaiui  Abniniow  niarschirte  mit  (5  romj)afi;nien  Intaiiteric 
und  8  (leschiitzen  geradewegs  auf  das  Dorf  Yedschar,  während 
die  feindliche  Cavallei'ie  sie  vorne  und  in  der  Flanke  mit  grosser 
Heftigkeit  attaquirte.  Am  rechten  Flügel  avancirte  Oberstlicutenant 
V.  Pistolkors  mit  dcji  Kosaken,  den  Eaketengostollen  und  6  Ge- 
schützen. Hinter  ihnen  bildeten  3  Öchützen-Compagnien  und  eine 
Division  Artillerie  unter  ]\Iajor  Pistschemuka  dieKeserve,  ^Yahrend 
die  Bagage  von  4  Compagnien  und  2  Geschützen  unter  Oberst- 
licutenant Foritzky  geschützt  wurde.  Letzterer  hatte  einen  schweren 
Stand;  von  allen  Seiten  angegi-iffen,  wusste  er  sich  mit  der  grössten 
Kaltblütigkeit  zu  vertheidigon,  ohne  seinen  Zug  auch  nur  einen 
Augenblick  aufzuhalten.  Dennoch  war  die  Bewegung  dieser  Colonnc 
durch  die  Nothwendigkeit  gehemmt ,  die  Bagage  zu  vertheidigen, 
sowie  die  unter  fortwahrenden  Kämpfen ,  bei  denen  sich  nament- 
lich die  vom  Oberstlicutenant  v.  Silverswan  connnandirte  Artillerie 
auszeichnete,  stattfindeiule  Vorrückung  der  Russen  so  langsam, 
dass  sie  erst  um  5  Uhr  bei  der  Position  anlangten ,  welche  der 
Emir  mit  seiner  Ai-tilleric  eingenommen. 

Letztere  eröffnete  nunmehr  ein  mörderisches  Feuer,  dem  die 
leichten  Geschütze  der  Russen  mit  Erfolg  erwiderten.  Nach  Ver- 
lauf einer  Stunde,  als  sich  Unentschlossenheit  in  den  feindlichen 
Reihen  zu  zeigen  begann ,  Hess  Romanowsky  seine  gesanunten 
Truppen  gegen  die  Verschanzungen  des  Emirs  vorrücken  mid  be- 
fahl einen  allgemeinen  ^Vngriflf';  Hauptmann  Abramow  erstürmte 
mit  viel  Bravour  die  bocharischen  Verschanzungen,  die  feindlichen 
Artilleristen  wurden  auf  ihren  Stücken  mit  dem  Bajonnet  nieder- 
gemacht, sechs  russische  (ieschütze  dort  aufge})f1anzt  und  gegen 
die   entmuthigten   und   decimirtcn  Bochärcn  gerichtet. 

Pistolkors  warf  sich  mit  den  Kosaken  auf  die  feindliche 
Reiterei ,  in  welcher  die  Raketen  grosse  \'erwirrung  anrichteten ; 
die  Artillerie  ging  im  Galopp  vorwärts  und  schoss  die  feindlichen 
Massen  mit  Kartätschen  zusammen.  Eine  gegen  Ende  der  Schlacht, 
aber  noch  rechtzeitig  eingetroffene  L^ntcrstützung  unter  Oberst 
Krajewski ,  dessen  von  Kirutschi  ausniarschirte  Colomie  auf  dem 
rechten  Ufer  des  Ssyr-Darjä  erschicji ,  sowie  einige  Schüsse  aus 
dessen  gezogenen  Kanonen,  welche  im  Rücken  des  Feindes  wirkten, 
entschied  über  das  Schicksal  des  Tages;  von  Schreck  ergriffen 
über  die  Verheerungen ,  welche  die  russische  Artillciic  in  seinen 
Reihen  angerichtet,  suchte  das  L\sbekenheer,  ]U)cli  vor  zwei  Stun- 
den siegestrunken,  sein  Heil  in  voller  Flucht,  ohne  auch  nur  auf 
die  Vertheidigung  seiner  zwei  auf  der  Strasse  nach  Süden  cche- 
lonnirten   Lager  zu  denken. 

Mozafter  selbst  floh  mit  1000  Sarbasen  und  2  Geschützen 
bis   nach   Dschizzach;   das   Lager  des   Feindes,   in  welchem  noch  die 


Die  Ereignisse  bis  zur  Erriclitiing   des  Goneralgoiiverncments  Turkcstän.       101 

Speisen  iiud  der  Thcc  kochten  und  die  für  die  Begs  bestimmten 
Kaliunc  (Pfeifen)  dampften,  war  im  Nu  erobert,  und  bis  zur  Nacht 
wurden  die  Fliehenden  verfolgt.  Am  folgenden  Tage  erbeutete 
man  des  Emirs  eigenes  I>ager  mit  dessen  prachtvollem  Zelte, 
einem  Artillcrieparke,  grossen  Vorräthen  von  Pulver  und  Lebens- 
mitteln '),  es  blieb  also  ein  reiches  Kriegsmaterial  in  den  Händen 
der  Sieger.  Der  Verlust  des  Feindes  wird  über  1000  Mann  an- 
geschlagen, unvergleichlich  geringer  dagegen  jener  der  Russen; 
man  siorach  von  nur  einigen  Duzenden  Verwundeten.  Dies  war 
die  Schlacht  von  Ycdschar,  welche  so  zu  sagen  über  das  Schicksal 
von  lialb  Turkcstän  entschied  -)  und  dem  Generalmajor  Romanowsky 
das    Georgeidci'cuz  um   den   Hals   eintrug. 

Die  Russen  hätten  nunmehr  direct  auf  Samarkand  und  Bochara 
marschircn  können,  doch  begnügten  sie  sich  mit  der  am  26.  Mai 
erfolgten  Besetzung  von  Nau,  einer  kleinen  Festung  auf  der  Strasse 
von  Bochara  nach  Chokand,  welche  sie  binnen  zwei  Tagen  voll- 
ständig ausrüsteten.  Durch  dieses  geschickte  Manöver  schnitten 
sie  jede  Verbindung  zwischen  den  beiden  Chanaten  ab  und  hinderten 
JMozafler,   den  Plätzen  am  rechten  Ssyr-Ufer  Hilfe  zu  bringen. 

Chodschand,  eine  der  wichtigsten  Städte  Turän's  in  Bezug 
auf  Handel  und  strategischen  Werth,  als  der  Schlüssel  des  grossen 
turkestänischen  Thaies,  war  von  hier  aus  eine  leichte  Beute.  Die 
Stadt,  obgleich  zu  Chokan  gehörig,  war  mit  einer  .starken  bochäri- 
schen  Garnison,  unter  einem  Verwandten  des  Emirs  Mozaffer,  be- 
setzt und  mit  einem  wohlbewehrten  Doppelwalle  umgeben,  der  nur 
an  einer  einzigen  Stelle,  v\0  das  Ssyrbett  die  Stadt  natürlich  ver- 
theidigt,  eine  Unterbrechung  erlitt.  Am  29.  Mai  erschienen  die 
Russen  in  zwei  Corps  vor  der  Stadt,  deren  eines  5  Werst  auf 
der  Strasse  nach  Bochara,  das  andere  am  rechten  Ssyr-Ufer 
Stellung  nahm.  Die  Einwohnerschaft  hatte  indess  gew'altige  Ver- 
theidigungsmassregeln  ergrifi'en,  die  nächste  Umgebung  unter  Wasser 
gesetzt.  Bäume  und  Gesträuche  niedergehauen  und  die  Bevölkerung 
der  Bannmeile  in  die  Stadt  getrieben.  Die  Parlamentäre  Roma- 
nowsky's  wurden  mit  Flintenschüssen  empfangen.  Nach  einer  Re- 
cognoscirung,  welche  den  ganzen  30.  in  Anspruch  nahm,  befahl 
der  General  die  Belagerung  der  Stadt  und  schnitt  die  ^'erbindung 
mit  Chokan  gänzlich  ab.  Am  1.  Juni  eröffneten  die  Russen  aus 
2  Mörsern  und  18  Feldgeschütr.en  ein  heftiges  Feuer,  welches  die 
Stadt  stark  beschädigte,  worauf  am  nächsten  Morgen  eine  Depu- 
tation von  Chodschander  Kaufleuten  die  Unterw^erfung  aid)ot.  Die 
Feindseligkeiten   hörten   daher   auf,   während   die  Deputation    in    die 


1)  Die  Kämpfe  in  Turkcstän.     (Üljcr  Land  und  Moor.     Bd.  XVI.    S-  734—735.) 
'.!)  G.  Lejean.     La  Russio  et  l'Angictcrrc  dans  l'Asie  centrale.   (Revue  des  dcux 
mondcs.     1867.  T.  69.  S-  697—698.) 


102       Die  Ereignisse  bis    zur  Errichtung    de    Gcncralgoiiverncmonta  Turkcstäii. 

Sliult  zurückkohric ;  {illoiii  hier  hatte  die  fanatische  Kriof;  spart  ei 
iiDterdcsscii  wieder  die  überliaiid  gewonnen  nnd  empfing  die 
russischen  Parlamentäre  abermals  mit  Gewehrfeuer,  Da  eröflnetc 
Romano^^■sky  Aom  Neuen  das  Bombardement,  welches,  lebhaft 
unterhalten,  bis  zum  5.  dauerte.  Bei  Tagesanbruch  des  5.  Juni 
bildete  Romanowsky  die  Sturmcolonnen,  \Yelche  er  gegen  die  ob- 
erwähnte ^Valhlnterbrech^ng  dirigirte,  während  hinter  denselben 
ein  Reserve-Corps   unter  Major  Nazarow  1)ercit  stand. 

Die  Russen,  durch  Terrainunebenheiten  wohl  maskirt,  näherten 
sich  bis  etwa  auf  150  Klafter  der  Stadt,  führten  schnell  einige 
Geschütze  auf,  welche  dem  Feuer  der  Belagerten  Schweigen  ge- 
boten, und  beschädigten  ihre  dortige  Barbette-Batterie.  Um  3 
Uhr  war  die  Bresche  gross  genug,  damit  die  Sturmcolonneji  unter 
Ilurrahgcschrei  die  Ijeitern  aidegen  und  die  Infanterie-Compagnic 
des  tajjferen  Hauptmanns  Baranow  den  AVall  erklettern  konnten. 
Auch  der  zweite  iimere  Wall  ward  glücklich  erstiegen;  doch  war 
damit  der  Kampf  noch  nicht  beendet.  ^lit  ausserordentlicher 
Tapferkeit  vertheidigten  sich  die  Einwohner  in  ihren  Häusern,  den 
russischen  Waffen  indess  vermochten  sie  nicht  zu  widerstehen. 
Am  Morgen  des  6.  Juni  ergab  sich  Chodschand  nach  siebentägiger 
Belagerung  nnd  ungeheuren,  auf  etwa  2500  Todte  und  Verwundete 
geschätzten  Verlusten,  auf  Discretion  ').  Hie  Russen  hatten  bei 
dieser  AfFaire  etwa    100 — 130   Todte  und   Verwunde(e. 

Da  mit  Chodschand  die  hervorragendsten  Plätze  Chokan's  in 
den  Händen  der  Russen  waren,  der  Schattenmonarch  Khudayar- 
Chan,  dem  Mozatfer  einen  Theil  Chokan's  überlassen  hatte,  rath- 
und  thatlos,  nachdem  er  vergebens  versucht.  Bochara,  (.'hiwa  und 
die  Afghanen  von  Turkestan  zum  Religionskriege  gegen  Russland 
zu  bewegen,  in  dem  jioch  uneroberten  Chokand  sass,  welches  aber 
voraussichtlich  von  selbst  ihnen  zufallen  musste,  so  wandten  die 
Russen  wieder  den  Krieg  vorzugsweise  gegen  Bochara,  dessen 
Emir  INIozafler-Chan  der  thätigste  Repräsentant  usbekischer  Zähig- 
keit war.  Die  IMisserfolge  hatten  ihn  nicht  gebeugt;  wohl  hatte 
sich  seine  Armee  nach  Samarkand  zurückziehen  müssen,  und  er 
für  gut  befunden,  den  seit  Herbst  l<Sti5  gefangenen  russischen 
Bevollmächtigten  —  angeblich  mit  reichen  (leschenken  —  nach  Tasch- 
kcnd  zurückzuschicken,  die  Freigebung  der  gefangenen  Kaufleute 
zu  versprechen  und  um  die  Einwilligung  zur  Entsendung  eines 
Gesandten  behufs  Herstellung  des  Friedens  zu  bitten,  im  Iiniern 
aber  dachte  er  nicht  daran  zu  unterhandeln,  und  mit  bcmerkens- 
werthem  Starrsinne  beobachtete  er  im  Ganzen  Russland   gegenüber 


1)  G.   Lcjcan.      La    Russic    ot   l'Anglctcrrc    ilaus    l'Asic    ccnfralc.     (Revue    des 
dcux  Mondes.     1S6T.  T.  69.  S-  699—701.) 


Die  Ereignisse  bis  zur  Errichtung    dos  Generalgouvernements  Turkestun.       lOo 

eine  feindselige  Haltung,  die  nur  durch  neue  Schieksalsscliläge  ge- 
brochen werden  konnte.  Wie  alle  Türken  überzeugt,  dass  die 
christlichen  Fürsten  Europas  nur  Vasallen  der  hohen  Pforte  sind, 
wandte  er  sich  im  Octobcr  18(55  an  den  Sultan  Abdul  Aziz  um 
Hilfe,   die   ihm   aber  verweigert  wurde. 

Noch  war  er  unschlüssig,  was  zu  thun  sei,  als  Graf  Dasch- 
kow,  der  Nachfolger  Ronianowsky's,  dessen  Siege  rasch  weiter 
verfolgte.  Neuerdings  rückten  die  Truppen  des  weissen  Czaren  an 
Bochara's  Grenze.  Nach  achttägiger  Belagerung  ward  die  wichtige 
TJocharen-Festung  Uratypa  am  2.  October  J8GG  mit  Sturm  ge- 
nommen, wobei  russischerseits  16  Kanonen,  4  Fahnen  erbeutet 
und  viele  Gefangene  gemacht  wurden.  Der  Feind  erlitt  starken 
Verlust;  die  Russen  hatten  3  Officiere  und  200  Soldaten  an  Todten 
und   Verwundeten. 

Am  18.  October  endlich  wurde  die  von  den  besten  Truppen 
des  Emirs  vcrthcidigte  Festung  Dschizzach,  der  letzte  Anhaltspunkt 
!Mozaftcr's  im  Ssyr-Darjathalc ,  von  den  Russen  gleichfalls  nach 
achttägiger  hartnäckiger  Belagerung  mit  Sturm  eingenommen,  die 
Besatzung  grösstentheils  getödtet  oder  gefangen.  An  Trophäen 
wurden  2(5  Fahnen  und  53  Kanonen  erbeutet.  Nunmehr  erst 
konnten  die  Europäer  längs  des  Amu-Darju,  des  Oxus  der  Alten, 
Posten  errichten  und  diesen  Strom  befahren,  der  mitten  durch  das 
Herz  der  Bucharei  fliesist.  So  schien  für  den  Augenblick  der 
Frieden  hergestellt,  und  eine  Nachricht  aus  Orenburg  vom  26. 
November  1866  konnte  melden:  ,.Tm  Gebiete  von  Turkestun 
,, herrscht  vollkonnnene  Ruhe.  Russischerseits  ist  der  Krieg  gegen 
„Bochära  beendet;  der  Generalgouverneur  hoflt  auf  lange  Ruhe, 
„wenn  nicht  der  Emir  von  Bochära  die  Feindseligkeiten  erneuert. 
„Das  Freundschaftsverhältniss  mit  Chokan  ist  befestigt,  der  Handel 
„überall  hergestellt.  A'iele  Karavanen  kommen  aus  der  Bucharei 
„und  gehen  dahin;  auch  das  nach  dem  Gebiete  von  Turkestäu 
„commandirte  westssibirische  INIilitär  kehrt  zurück." 

Mozafl'cr  indess  fand  die  Situation  keineswegs  behaglich  und 
nur  grollend  duldete  er,  was  er  nicht  hindern  konnte.  Die  Nieder- 
lage des  bochärischen  Heeres  bei  Yedschar  und  die  seitherigen 
Älisserfolge  hatten  eine  grosse  Misstinmunig  unter  INlozaffer's  Uuter- 
thanen  hervorgerufen,  und  auf  Anstiften  der  Ulemas  (Geistlichen) 
verlangte  man  einen  entscheidenden ,  energischen  Krieg  gegen 
Russland. 

Von  tiefem  Russenhass  beseelt,  hoffte  Mozaffer  jetzt  mit  frem- 
der Hilfe  zu  seinem  Ziele  zu  gelangen;  hatte  er  1865  dem  Emir 
von  Kabul  eine  Allianz  gegen  Russland  und  England  angeboten, 
so  verschmähte  er  es  jetzt  nicht,  sich  an  dasselbe  England  mit 
dem  Ruf  nach  Unterstützung    zu    wenden.      Doch    sein    Gesandter, 


104       Die  Ereignisse  bis  zur  Errichtung    des  Gcncralgouverncmonts  Turkostriu- 

Bclisar,  verliess  im  Februar  1867  Calcutta  mit  dorn  Bescheide, 
der  Gouverneur  von  Pundpchub  werde  ihm  die  Beschlüsse  der 
engli.schen  Regierung  mittlieilen.  Allein  England  hatte  schon  1854 
und  1804  die  gleiche  Bitte  des  Clian\s  von  Chokan  nicht  beachtet, 
wie  denn  seit  dem  unglücklichen  Feldzuge  in  Afglulnistau  die  ost- 
indische Regierung  die  Politik  verfolgte,  sich  in  centralasiatische  An- 
gelegenheiten gar  nicht  einzumischen.  So  vergingen  die  ersten  INIonatc 
des  Jahres  1867  in  zienüicher  Spannung,  denn  wie  der  ,,Russische 
Invalide"  vom  22.  März  erklärt,  hat  Russland  seit  der  Eiiuiahme 
des  Defiles  von  Dschizzach  keine  Verhandlungen,  keine  diplomati- 
schen Beziehungen  mit  dem  Emir  ]Mozaftbr  gehabt.  Dass  indess 
das  Petersburger  Cabinet  von  der  bochärischen  Gesandtschaft  nach 
Calcutta  und  deren  Zwecken  genau  unterrichtet  war,  sich  daher 
seitens  des  Emirs  jeder  Perfidie  versah,  ist  augenscheinlich.  Es 
konnte  Russland  daher  nur  angenehm  sein,  als  eine  aus  17  Per- 
sonen bestehende  Deputation  der  Städte  Taschkcnd ,  Chodschand, 
Uratypa,  Dschizzach  und  mehrerer  Kirghisenstämme,  geführt  vom 
Major  Ssjerow  vom  uralischen  Kosakenheere,  nach  Europa  abging 
und  am  17.  März  1867  in  INIoskau  eintraf,  um  dem  Kaiser  von 
Russland  den  Ausdruck  ihrer  Ergebenheit  darzubringen.  Die 
Inscenirung  dieser  Deputation  konnte  der  Emir  um  so  weniger 
hintertreiben,  als  er  mit  einem  neuerlichen  Aufstand  des  kleinen 
Stannnes  der  Schchr-i-Sscbz  vollauf  zu  thun  hatte;  er  erlitt  sogar 
eine  Niederlage  von  denselben  und  ward  gezwungen,  in  die  Consti- 
tuirung  dieser  Provinz  in  ein  unabhängiges  Chanat  einzuwilligen.  Der 
dortige  Beg  gerirte  sich  schon  seit  einiger  Zeit  als  unabhängiger 
Herrscher  und  zog  viele  INIissnuithige  aus  Bochtira  an  sich;  die 
Kitai-Kyptschaken,  eine  halb  nomadische  usbekische  Völkerschaft, 
die  zerstreut  in  dem  Flussbecken  des  Zerafschan  zwischen  Samar- 
kand  und  Kermina  wohnt,  erklärten  sich  fast  ofi'en  gegen  den  Emir. 
Kauui  nach  Bochära  zurückgekehrt,  ging  ]Mozaf['er  dalier,  und 
weil  er  die  Ankunft  der  Russen  befürchtete,  nach  Sarmarkand, 
errichtete  Festungen  und  lud  Engländer  zur  Organisirung  seiner 
Armee  ein;  die  Beziehungen  mit  den  russischen  Autoritäten  brach 
er  ganz  ab;  Russland  nahm  davon  keine  weitere  Notiz,  sondern 
begnügte  sich  mit  dem  guten  Einvernehmen,  in  welchem  es  zu 
dem  allerdings  gänzlich  ungefährlichen  und  bedeutungslosen  Chan 
von  Chokan  im  Augenblicke  stand;  der  Abschluss  von  eigentlichen 
Fricdenstractaten  mit  den  mittelasiatischen  Chanaten  schien  mizii- 
lässig  vor  Ankunft  des  neuen  Gouverneurs  von  Turkestän.  Im 
Juli  1867  nändich  änderte  ein  kaiserlicher  Ukas  die  INIilitär-  und 
Civilverwaltung  der  an  China  luul  Centralasien  grenzenden  russi- 
schen Provinzen  ab:  während  bisher  ein  General-Gouvernement 
und  ein  ISIilitärbezirk  Turkestän  bestand,  ward  die  Militär-  uiul 
Civilverwaltung  für  untheilbar  erklärt,   die   innere    X'erwaltung    den 


Die  Ereignisse  bis  zur  Errichtung  des  Generalgouvernements  TurkestÄn.       105 

aus  der  INIittc  des  Volkes  gewühlten  Eingeboi'iicn  anheiingostellt, 
endlich  General- Adjutant  von  Kaufmann  zum  General-Gouverneur 
Turkestan's   ernannt  '). 


1)  Das  Actenstücli,  auf  wclclicm  die  politisclien  Abgrenzungen  der  neuen  Pro- 
vinz beruhen,  ein  Uljas  vom  11  23.  Juli  1867,  lautot  nach  dem  „Journal  de  St.  Petcrs- 
bourg«  (16/28.  Juli  1867)  folgendormasscn  : 

„Da  Wir  es  für  nützlich  halten,  die  Civil-  und  Militär-Organisation  der  an 
China  und  die  centralasiatischen  Chanato  angi'onzenden,  einen  Theil  der  General-Gou- 
vernements von  Orcnburg  und  West-Ssibirion  ausmachenden  Gebiete  zu  modificiren,  so 
befehlen  Wir:  1.  Es  wird  sofort  ein  General-Gouvernement  in  Turkestän  organisirt,  das 
aus  der  Provinz  Turkestän,  dem  Kreise  Taschkend,  den  jenseits  des  Ssyr-Darjä  gelegenen, 
im  Jahre  1866  occupirten  Landschaften  und  den  südlich  von  der  Bergkette  Tarbagata'i 
gelegenen  Theil  der  Provinz  Ssemipolatinsk  besteht.  —  2.  Die  Grenzen  des  General- 
Gouvernements  Turkestän  sind:  a)  gegen  das  General-Gouvernement  von  West-Ssibirien 
die  Kette  des  Tarbagata'i  und  ihre  Zweige  bis  zu  der  jetzigen,  die  Provinz  Ssemipolatinsk 
von  der  der  Ssibirischen  Kirghiscn  scheidenden  Grenze,  diese  Grenze  bis  zum  Balchasch- 
Sce,  weiterhin  eine  Bogeulinic  durch  die  Mitte  des  Sees,  gleich  weit  von  den  Ufern 
entfernt,  eine  gerade  Linie  bis  zum  Flusse  Tschu,  endlich  der  Lauf  dieses  Flusses  bis  zu 
seiner  Confluenz  mit  dem  Syry-Ssu;  6)  gegen  das  General-Gouvernement  Orcnburg  eine 
Linie,  die  von  der  Mitte  des  Golfs  Perowski  im  Aral-See  über  den  Borg  Termcmbes,  den 
Terekli  genannten  Ort,  den  Berg  Kaimas,  den  Ort  Muzbill,  die  Berge  Akkum  und 
Tschubar-Tubia,  die  Südspitze  der  Sandwüste  Myin-Kum  und  den  Ort  Myin-Bulak  bis 
zur  Conflucnz  der  Flüsse  Sy.y-Ssu  und  Tschu  verläuft.  —  3.  Das  neue  General-Gouvorne- 
ment  wird  in  zwei  Provinzen  gethcilt,  die  des  Ssyr-Darjä  und  die  Provinz  Ssemir- 
jeschinsk  (Ssemiretsehonsk),  und  die  Grenzlinie  zwischen  beiden  bildet  ungefähr  der 
Fluss  Kurogoty.  —  4.  Die  oberste  Verwaltung  des  so  gebildeten  Landes  wird  einem 
General-Gouverneur  anvertraut,  die  Provinzen  Ssyr-Darjä  \ind  Sscmirjeschinsk  Militär- 
gouverneuren; in  Bezug  auT  die  Verwaltung  der  Truppen  und  Militär-Etablissements 
bilden  die  beiden  Provinzen  den  Militärbezirk  Turkestän,  und  das  Conimando  über  die 
daselbst  garnisonirenden  Truppen  haben  der  General-Gouverneur  mit  dem  Titel  Com- 
mandant  der  Truppen  des  Bezirks  und  die  Militär-Gouverneurs  mit  dem  Titel  Comniandant 
der  Truppen  in  den  Provinzen.  —  5.  Bei  der  Errichtung  der  Provinzen  Ssyr-Darjä  und 
Sscmirjeschinsk  bleiben  die  jetzt  daselbst  befindlichen  Civilbehörden  wie  früher  unter  dem 
Befühle  der  rcspectiven  Militär-Gouverneurs,  bis  ein  allgemeines  Reglement  für  die  Ver- 
waltung des  ganzen  Landes  erlassen  wird."  (Pctcrmann's  Geogr.  Mittheil.  1868.  lieft 
III.  S.  85  und  86  und  Behm's  Geographisches  Jahrbuch.   1868.  Bd.  II.  S.  51). 

Kach  dem  Journal  de  St.  Pctersbourg  19  31.  Juli  1867  ward  die  Provinz  Ssyr- 
Darjä  in  8,  Ssemiretschensk  in  5  Districtc  gethcilt;  es  sind  dies  Kazalin,  Perowski, 
Turkestän,  Tschemkend,  Auliet,  Taschkend,  Chodschand  und  Dschizzach  in  der  ersteren, 
und  Sergiuopol,  Kopal,  Wiernojo,  Issi-Kul  und  Tokmak  in  der  letzteren  Provinz. 
(Böhms  Geograph.  Jahrbuch.  1868.  Bd.  II.  S.  51). 


13 


X.  Capitel. 

Der  Kriegszug  nach  Samarkand. 

Naclulom  Mozaffoi-  inne  geworden ,  dass  er  von  Seite  Englands 
keine  dirocte  Hilfe  zn  gewärtigen  habe,  machte  er  einen  neuen 
Allianzversuch  und  entsendete  Muhanniied  Farissa  nacli  Constan- 
tinopel ,  um  vom  Sultan  Schutz  gegen  Russland  zu  erbitten ;  aber 
auch  hier  wieder  vergebens,  denn  der  Sultan  wies,  wie  voraus- 
zusehen ,  dieses  Anshinen  entschieden  zurück.  Angesichts  der  offen- 
kundig feindseligen  Stimmung  des  Emirs  errichteten  daher  die 
Küssen  unfern  von  Samarkand  ein  Standlager,  das  von  einem  mit 
24  Geschützen  armirten  Boote  gedeckt  war,  und  wohin  sie  Truppen 
luid  zahlreiche  Convois  mit  Kriegsmaterial  dirigirten.  In  der  That 
liess  eine  neue  Ursache  zu  Feindseligkeiten  nicht  lange  auf  sich 
warten.  Räuber  in  Bochära  nahmen  einen  russischen  Officier, 
I'uterlieutenant  Sslushenko  ,  iind  drei  Soldaten  gefangen.  Auf  die 
Aufforderung  seitens  der  russischen  Behörde  zur  Ausfolgung  der- 
selben, gab  der  Emir  eine  wenig  zufriedenstellende  ausweichende  Ant- 
wort, und  der  russische  Commandant  ordnete  die  Züchtigung  der  schul- 
digen Cantone  an.  EmirlNIozaffer  hingegen  begann  zahlreiche  Recruten 
auszuheben  und  sich  zum  Kriege  vorzubereiten.  General  Kaufmann 
seinerseits  bcschloss ,  das  Dorf  Ummy,  das  an  dem  Raube  sich 
betheiligt  hatte,  zu  bestrafen  und  dieses  Räubernest,  zur  Strafe 
für  die  ganze  Gegend  zu  zerstören.  Oberst  Abramow,  Befehls- 
haber des  Dschizzach'schen  Detachements,  benützte,  um  seinen 
Plan  auszuführen,  die  Zeit,  wo  der  bochärische  Steuererheber  mit 
1000  Mann  Soldaten  im  Canton  Bagdan-Ata  erschienen  war,  um 
die  Abgaben  einzutreiben.  Am  12.  October  1867  entsandte  er 
den  Major  Baron  v.  Stempel  mit  2  Compagnien  Infanterie,  2  Sotnien 
Kosaken  und  2  Feldgeschützen  zur  Verfolgung  der  Räuber;  10 
AVerst  vor  Ummy  liess  Stempel  seine  Infanterie  und  Kanonen  zu- 
rück und  begab  sich  mit  den  Kosaken  nach  dem  Dorfe.  Bei 
seinem  Nahen  zerstreuten  sich  die  Bewohner  und  flohen  in  die 
Gebirge ;  das  verlassene  Dorf  selbst  wurde  zerstört  und  den  Flannnen 


Der  Kriegszug  nach  Samarkand.  107 

Übergeben.  Bald  darauf  brach  in  Chokan  ein  Aufstand  gegen  die 
Russen  aus ,  der  jetloch  mit  grossem  Verluste  für  die  Insurgenten 
niedergeworfen  wurde.  Auch  Chiwa  schloss  Anfangs  December 
1867  ein  Bündniss  mit  den  Turkomanen  ab,  rüstete  gegen  Russ- 
land und  baute  eine  Festung  an  der  Grenze.  Die  Folge  davon 
war,  dass  die  Russen,  eine  Diversion  machend,  Anfangs  1868 
Tschehardschuj  '),  den  bedeutendsten  Platz  am  unteren  Amu-Darjti, 
besetzten  und  den  Vorsteher  von  Urgendsch,  gleichfalls  am  Anni, 
der  sich  unbotmiissig  zeigte ,  festnahmen  und  nach  Petersburg  als 
Gefangenen  schickten.  Darauf  wandte  sich  der  turkomanische  Chan 
Atanurat,  ein  Vasall  des  Chans  von  Chiwa,  und  zwanzig  benach- 
barte Begs  durch  Vermittlung  des  Commandanten  tles  Forts  Alexander 
an  den  General-Gouverneur  von  Orenburg  mit  der  Bitte,  sie  in 
den  russischen  Unterthanenverband  aufzunehmen,  gleich  wie  alle 
auf  dem  Gebiete  von  Chiwa  befindlichen  Turkomanen ,  und  dass 
zu  ihrem  Schutze  an  der  Grenj^e  des  Balkan,  in  der  Nähe  der 
Küste,  ein  Fort  errichtet  werden  möge.  Während  viele  Turkomanen 
nunmehr  auf  russisches  Gebiet  übertraten,  gestalteten  sich  die  Be- 
ziehungen zu  dem  hiedurch  ausserordentlich  geschmeidig  gewordenen 
Chan  von   Chiwa  ganz  besonders  günstig. 

Anders  verhielt  es  sich  mit  Bochära.  Zwar  kam  x\nfangs 
December  1867  ein  chokanzischer ,  und  bald  nach  ihm  auch  ein 
bochärischer  Gesandter  in  Taschkend  an ;  es  Avurden  Manöver 
mit  Schlagung  einer  Brücke  und  Ausführung  eines  Sturmes 
veranstaltet,  aber  Alles  diess  rief  keinerlei  Erstaunen  auf  den 
kalten  Gesichtern  der  gemessenen  Asiaten  hervor.  Während  der 
chokanzische  Gesandte  bald  in  Begleitung  des  Oberstlieutenants 
V.  Schaufuss  und  des  Dr.  Abijew  abreiste,  und  kurz  darauf  am 
13.   Februar   1868   auch   wirklich  ein  Handelsvertrag -)  mit  Chokan 


1)  Die  Calcuttaer  Depesche  nennt  den  Ort  Ch.arput,  den  bedeutendsten  l'latz 
am  unteren  Oxiis  (Charput  oder  Kharpout  liegt  in  Kloinasien  im  oberen  Euphrat- 
tbale  in  37  Giad  östl.  L.  von  Paris;  dieser  Ort  ist  keinesfalls  gemeint);  es  ist  damit 
oft'cnbar  Tschehardschuj  gemeint;  doch  bleibt  es  sehr  dunkel,  wieso  die  Russen  nach 
diesem  Orte  gelangten,  der  auf  der  Strasse  von  Bochara  nach  Meschhcd  liegt,  wenn  sie 
von  Dschizzacli  früher  nicht  .Samarkand  und  Bochära  selbst  eingenommen.  Wohl 
konnten  sie  von  Chiwa  aus  den  Amu  stromaufwärts  vorgedrungen  sein  und  auf  solche 
Weise  Tschehardschuj  erreicht  haben;  allein  über  die  Stellung  der  Russen  im  Chanate 
Chiwa  sind  wir  einerseits  gänzlich  im  Unklaren,  andererseits  hätten  die  Russen,  wären 
sie  nach  Tschehardschuj  gelangt,  die  Stellung  des  Emirs  von  Bochära  vollständig  um- 
gangen und  konnten  dann  jeden  Augenblick  die  Stadt  Bochära  im  Rücken  fassen.  Aller 
W  ahrscheinlichkeit  nach  hätte  in  solchem  Falle  der  Krieg  eine  andere  AVendung  ge- 
nommen, als  geschah,  es  wäre  denn,  die  Russen  hätten  absichtlich  und  wissentlich  von 
dem  errungenen  Vortheilc  keinen  Gebrauch  gemacht. 

2)  Die  „Rusa.  Corr."  theilt  die  Hauptpunkte  des  mit  dem  Chan  von  Chokan  ab- 
geschlossenen Handelsvertrages  mit;  es  sind  folgende:  Alle  Städte  und  ürter  Chokans 
ohne  Ausnahme  sind  den  russischen  Kaufleuten  geöffnet.  Dasselbe  gilt  von  den  russi- 
schen  Märkten  für  die  Kaufleute   Chokans.    Die  russischen   Kaufleute  können  in  allen 


108  Der  Kricgsziig  nach  Samarkand. 

ZU  Stande  kam,  vei-Avollto  der  bochiirisclie  länger  in  Taschkend. 
Zu  einem  eigentlichen  Arrangement  kam  es  indess  nicht ,  da  der 
Emir  unter  verschiedenen  Ausflüchten  sich  weigerte ,  die  ihm  vom 
General  Kaufmann  vorgeschlagenen  Friedensbedingungen  anzunehmen. 
AVohl  aber  wurde  der  hedauernsAverthe  Lieutenant  yslushenko  ') 
nebst  den  drei  INIitgefangenen  von  ]Mozntt"er  nach  Taschkend  zurück- 
gesandt. 

Doch  Avaren  hiemit  die  Neckereien  der  Bochären  nicht  zu 
Ende ;  vielmehr  wiederholten  sich  dieselben  immer  häufiger  endlich 
täglich.  Gleichzeitig  waren  die  Russen  bei  ihren  Bestrebungen, 
die  zwei  AVege  nach  Indien  durch  den  schwierigen  Karakorumpass 
in  das  Thal  von  Schang-tschen-mu  in  ihre  Gewalt  zu  bringen, 
beziehungsweise  sich  in  den  Besitz  von  Punkten  zu  setzen,  welche 
diese  Strassen  beherrschen,  mit  Yakub-Beg,  dem  Kuschbegi  von 
Yä.rkand  und  Souverän  von  Altyschar  (Dschitischar  oder  Kaschgar) 
in  Conflict  gerathen.  Um  die  dortigen  Zustände  zu  begreifen, 
müssen  wir  jedoch  etwas  weiter  ausholen. 

Im  Jahre  1759  von  Cliiwa  erobert,  schüttelten  die  beiden 
Provinzen  Tian-Schan  Pe-Lu  (oder  die  chinesische  Dsungarei)  und 
Tian-Schan  Nan-Lu  (Ostturkestän ,  oder  Ili  goheissen)  die  chine- 
sische Oberherrschaft  schon  vor  mehreren  Jahren  ganz  oder  zum 
Theile  ab.  Ili  diente  in  der  letzten  Zeit  nur  mehr  als  Strafcolonie, 
in  welchen  Abtheilungen  von  Mandschsu-Soldaten  ihr  Standlager 
hatten ;  der  chinesische  INIilitärgouverneur  hatte  seinen  Sitz  in  der 
Hauptstadt  Kuldscha  (am  Ili  unter  42"  Grad  n.  Br.),  der  „schimmern- 
den" ;  bei  den  Chinesen  heis.st  sie  Iloei  Juan  tsching.  Die  sechs 
westlichen  Städte  Ostturkestäns  (Altyschar)  bildeten  von  einander 
unabhängige  Kreise ,  die  zwar  nominell  zur  chinesischen  Provinz 
!Nan-Lu  gehörten,   auf  deren  innere  Verwaltung  aber  die  Chinesen 


Städten  Chokftns  Niederlagen  für  ilire  "Waarcn  cinriclitiMi  und  künncn  überall  Ilaiidels- 
ngentcii  zur  Überwachung  des  Handels  und  der  Zollerhebung  halten;  dieselben  Rcelitc 
gelten  für  die  Kaufleute  Chokans  in  Bezug  auf  das  russiselic  Gouvernement  Turkestä». 
Küssen  und  Chokanzen  zahlen  für  eingeführte  Waaren  den  gleichen  Zoll,  d.  i.  2'  j  pCt. 
des  Wcrthea  der  Waare.  Russischen  Karawanen  können  ungestört  Chokan  durrhzichoii, 
um  sich  in  die  Naehbarländcr  zu  begeben;  dessglcichen  können  eliokanziselic  Carawancn 
frei  durch  russisches  Gebiet  ziehen.  Siehe  auch:  Uussland  uirl  die  niittcl  isiatischcn 
Chanate.     (AUg-  Zeitg.  1872.  Nr.  :i25). 

1)  Über  das  Schicksal  des  Unterlieutenanfs  Sslushenko  erzählen  die  IJochärcn 
lolgcndcs:  Derselbe  wurde  in  eine  Grube  gesetzt,  neben  welcher  ein  Galgen  errichtet 
war.  Man  Hess  ihm  die  Wahl,  Muselmann  zu  werden  und  zwei  bochärischc  Schönen  zu 
Frauen  zu  erhalten,  oder  Christ  zu  bleiben  und  —  Als  die  Drohungen  eine  sehr  ent- 
schiedene Wendung  nahmen,  gab  der  unglückliche  Sslushenko  nach.  Jetzt  ist  er, 
wenn  dem  bochärischen  Gerüchte  Glauben  geschenkt  werden  darf,  beschnitten,  verheiratet 
und  Commandour  eines  Bataillons  Sarbasen,  welche  er  iu  den  GrilTen  mit  dem  Gewehre 
und  im  langsamen  Schritte  übt  indem  er  versichert,  dass  darin  die  llauptstärke  der 
Truppen  liege.  Er  schlägt,  wie  man  sagt,  unbarmherzig  auf  die  Bochären  los,  wahr- 
scheinlich um  sich  für  die  erlittenen  Kränkungen  zu  rächen.        (Iligaer  Invalide.  Iö68). 


Der  Kriegszug  nach  Samarkand.  109 

keinen  unmittelbaren  Einfluss  hatten.  Auch  in  diesem  Gebiete 
haben  im  verflossenen  Dezennium  gewaltige  Umwälzungen  stattge- 
funden, in  dem  in  der  Person  Muhammed  Yakub  Beg's  ein  neuer 
Herrscher  und  Eroberer   erstand. 

Yakub  Eeg  ist  ein  Chokanze  von  Geburt  und  war  Comman- 
dant  der  Festung  Ak-^fesdsched  am  Ssyr-Darjä,  die  er  erfolgreich 
gegen  die  russische  Belagerung  1863  vertheidigte.  Er  wurde  je- 
doch von  Alimkul ,  bekannt  durch  seine  kühnen  Streifzüge  gegen 
die  Russen  1864  und  1865  und  gefallen  in  der  Schlacht  von 
Taschkend  angegriffen ,  besiegt  und  vertrieben.  In  Folge  der  In- 
triguen  am  Hofe  zu  Chokand  musste  Yakub  Beg,  nach  dem  Tode 
Alimkuls ,  mit  einem  kleinen  Gefolge  seiner  Anhanger  das  Land 
verlassen ,  und  begab  sich  nach  Kaschgar ,  um  hier ,  in  diesem 
herrenlosen  Gebiete,  sein  Glück  zu  versuchen.  ')  Als  er  dort  an- 
kam, fand  er  die  Rebellion  der  Dunganis  eben  im  vollem  Gange. 
Diese  Dunganis  bewohnten  ursprünglich  das  eigentliche  Turkestän, 
und  bildeten  im  sechsten  Jahrhundert  einen  ziemlich  starken  Staat, 
dessen  Hauptstadt  Karaschar  am  Südabhange  des  Tian-Schan  lag; 
sie  bekannten  sich  zum  buddhistischen  Glauben ,  traten  aber  im 
achten  Jahrhundert  zum  Islam  über.  Die  chinesischen  Herrscher 
der  Dynastie  Tan  eroberten  die  Hauptstadt,  und  um  die  Ruhe  der 
Grenzen  zu  sichern ,  versetzten  sie  einen  grossen  Theil  der  Be- 
völkerung in   das  Innere  des  Reiches.    Aber  trotz  der  jahrhundcrtc- 


1)  Ein  ehenialigcr  Diener  YakuLi  Cban's  gibt  folgende  Schilderung  von  seines 
Herrn  früheren  Thun,  (siehe  „AVanderer"  vom  18.  Deceniber  1872):  „Es  sind  jetzt  etwas 
mehr  als  fünf  Jahre,  dass  die  russische  Armee  an  den  Grenzen  von  Yarkand  erschien. 
Yakub  Schah  war  damals  in  Kai  und  war  Gouverneur  dieses  Platzes,  blos  als  Vertreter 
Chudaya;^-Chaii8,  des  Beherrschers  von  Chokand.  Als  sich  die  Russen  Kai  näherten, 
kam  ein  russischer  General,  Namens  Triffel,  zu  Yakub  und  machte  ihm  den  Vorschlag, 
ihm  Kai  abzukaufen,  indem  er  ihm  zugleich  die  Zusicherung  gab,  die  Russen  würden 
ihm  erlauben,  Yarkand  für  sich  selbst  zu  erobern,  wenn  er  ihnen  behilflich  sein  würde, 
Chokand  zu  annexiren.  Das  tJbcreinkommen  wurde  abgeschlossen  und  Yakub  verkaufte 
den  Russen  Kai  für  1. 180.000  Rupien.  Hierauf  floh  er  zum  Schein,  um  beim  Chan  von 
Chokand  eine  Zuflucht  zu  suchen.  Sechs  Monate  später  sandton  die  Russen  um  Yakub 
und  zogen  ihn  wegen  der  Eroberung  von  Chokand  zu  Rathe,  welches  von  KaUschuk 
aus,  wo  drei  Strassen  von  allen  Richtungen  zusammenlaufen,  leicht  angegriffen  werden 
kann.  In  Folge  der  Rathscblägp  Yakub's  haben  die  Russen  eine  Festung  bei  Chokand. 
In  jener  Zeit  hatten  die  Russen  keine  unmittelbaren  Absichten  gegen  Yarkand,  denn 
dieses  war  damals  nur  eine  Dependenz  von  Chokand  und  deshal')  musste  dieses  früher 
geschwächt  werden.  Einstweilen  hatte  Yakub  Yiu-kand  in  Besitz  genommen  und  nannte 
sich  Yakub  Beg.  Nachdem  die  Russen  siih  Chokand's  bemächtigt  und  einen  Lehens- 
fürsten Chudayar  Chan  eingesetzt  hatten,  errichteten  sie  Kantonnirungen  in  Katy-Kurgän 
und  bereiteten  sich  für  den  Angriff  auf  Samarkand  und  Buchara  vor.  Yakub  Beg  leistete 
ihnen  bei  dieser  Gelegenheit  jeden  Beistand,  der  in  seiner  Macht  war.  Er  erhielt  Khillats 
von  den  Russen  und  kehrte  nach  Yarkand  zurück,  wo  er  seine  Armee  verdoppelte,  seine 
kleineren  Nachbarn  und  die  herrenlosen  Länder  in  der  Nähe  bekriegte  und  sie  ohne 
grosse  Mühe  annexirte.  Hierauf  nahm  er  den  Titel  Yakub  Schah  an  und  sammelte  durch 
Bedrückungen  und  Erpressungen  grosse  Schätze  und  eine  Armee  von  ungefähr  TO.OUQ 
Manu  von  allen  drei  Waffengattungen.  1 


1 10  Der  Kriegszug  nach  Samarkand. 

langen  Dauer  dieser  Colonisation  bcAvahrten  die  Dunganis,  obgleich 
sie  die  Sprache  und  das  äussere  Ansehen  der  Chinesen  angenouunen, 
zwei  charakteristische  Züge;  den  muselmännischcn  CJlauhen  und 
strengere,  kräftigere  Sitten  als  die  herrschende  Race.  Ihre  Unter- 
werfung unter  die  chinesische  Behörden  war  immer  eine  zweifel- 
hafte ,  und  es  fanden  stets  häufige  Aufstände  statt.  Es  ist  wahr- 
scheinlich ,  dass  die  beständigen  Kämpfe ,  die  sie  besonders  unter 
der  jetzigen  Dynastie  gefochten,  politischen  und  religiösen  Gründen 
zugleich  entspringen.  Nichtsdestoweniger  haben  die  chinesischen 
Herrscher,  so  lange  sie  ihre  Obergewalt  behaupteten,  diese  Auf- 
stände immer  noch  niedergeschlagen.  Die  Rebellion,  welche  Mu- 
hanmicd  Yakub  Beg  bei  seiner  Ankunft  vorfand,  war  18G2  aus- 
gebrochen, und  entweder  durch  den  den  Dunganis  und  Taipings 
gemeinsamen  Hass  gegen  die  INIandschsu-Dynastie  oder  durch 
andere  Gründe  hervorgerufen  worden.  Jedenfalls  hat  sie  in  den 
inneren  Verlegenheiten  der  chinesischen  Regierung  einen  mächtigen 
Bundesgenossen  gefunden.  Die  ersten  aufständischen  Bewegungen 
brachen  unter  den  in  Urumtsi  angesiedelten  Dunganis  aus.  Die 
Armee  von  20.000  INIann,  welche  diesen  District  besetzt  hielt, 
bestand  aus  eingebornen  INIilizen  und  auch  die  Officiere  gehörten 
beinahe  alle  dem  unterworfenen  Yolksstamme  an ;  daher  erklärt 
sich  die  Schnelligkeit  womit  sich  der  Auf.stand  verbreitete.  ^lan 
schätzte  die  Zahl  der  gefallenen  Opfer  auf  130.000;  die  materiellen 
A'erluste  sind  ungeheuer  gewesen;  mehr  als  31.000  Kisten  Theo 
sind  verbrannt  worden.  ')  Von  Urumtsi  begaben  sich  die  Insur- 
genten einerseits  nach  Kuldscha,  andrerseits  nach  Kutsche  in  Ost- 
Turkestän ,  wo  ihnen  die  Sympathien  der  Einwohner  desselben 
Stammes  und  derselben  Religion  entgegenkamen.  ludess  wurden 
sie  in  Kutsche  und  Aksu  von  den  Chinesen  niedergemacht,  in  Yärkand 
und  Choten  aber  behielten  sie  die  Oberhand;  unter  Anführung 
eines  gewissen  Sadik  griffen  sie  endlich  Kaschgar  an ,  welches 
nach  heldenmüthigem  sechzehiunonatlicliem  ^Viderstand  Seitens  der 
Chinesen  sich  ihnen  ergeben  musste.  ^^'ährend  die  siegreichen 
Dunganis  sich  allen  Gräueln  der  Verwüstung  hingabe]i ,  erschien 
plötzlich  Muhammed  Yakub  Beg  mit  Kriegern  aus  Chokan  und 
Andidschän  auf  dem  Kampfplatze,  mit  ihm  ein  gewisser  Buzurg 
Chan ;  sie  wandten  sich  gegen  die  Dunganis,  schlugen  sie  aufs 
]Iaui)t  und  tödteten  ihren  Anführer  Sadik.  Diess  geschah  im 
Jamiar  1864.  Buzurg  Chan  begann  nun  seinerseits  die  noch  nicht 
gefallene  Festung  von  Kaschgar  (Yangi-Schahr)  zu  belagern ,  und 
der  Kuschbegi,  so  nannte  man  Yakub  Beg,  wandte  sich  darauf 
im  Herbste  desselben  Jahres  gegen  Yärkand,  welches  schon  18(53 
von   den   Duii";anis  ffenonnnen   Avorden   war;    im   Winter    18G4 — 65 


1)  Beilage  zu  Nr.  88  der  „Meucn  Prcusischcn  (Kreuz-)  Zeitung"  18C9. 


i)er  Kriogszug  nach  Samarkand.  111 

gelang  es  ihm  dieselben  bei  Kyzyl  total  zu  sclilagen,  worauf  er 
nach  Kaschgar  zurückkehrte ,  vor  dem  Buzurg  Chan  noch  immer 
lag ,  ohne  wesentliche  Erfolge  zu  erzielen.  Erst  Yakub  Beg  ge- 
lang es ,  auch  diesen  festen  Punkt  zu  Fall  zu  bringen ,  Anfangs 
1865.  Herr  von  Yarkand  und  Kaschgar  geizte  nunmehr  Yakub 
Beg  nach  der  obersten  Staatsgewalt.  Buzurg  Chan ,  dem  er  als 
Lieutenant  diente ,  ergab  sich  ohnehin  der  Trägheit  imd  Aus- 
schweifungen aller  Art ,  so  dass  es  ihm  nicht  sonderlich  schwer 
fiel  denselben  durch  eine  ehrenhafte  Gefangenschaft  zu  beseitigen ; 
Yakub  nahm  sodann  den  Titel  „ Atalik-Ghazi"  an,  unter  welchem 
er  noch  gegenwärtig  herrscht.  Im  Laufe  der  Jahre  erstreckte  er 
seine  Macht  noch  über  die  Orte  Maralbäschi ,  Choten ,  Kutsche, 
Usch-Turfän  und  Sarikul  —  mit  einem  Wort :  er  ward  zum 
mächtigsten ,   alleinigen  Herrscher  in  ganz  Ostturkestän. 

Es  konnte  nicht  fehlen ,  dass  während  dieser  mannichfachen 
Kriegszüge  der  Kuschbegi  auch  mit  den  benachbarten  Russen  in 
Berührung  kam.  Schon  1867  weigerte  er  den  russischen  Agenten 
die  Erlaubniss,  eine  Brücke  über  den  Narj-n  zu  schlagen  imd 
einen  Weg  durch  den  Tian-Schan  zu  bauen ;  jetzt  verbot  er  den 
Eintritt  russischer  Handelskarawanen  in  sein  Land ,  forderte  den 
Chan  von  Chokan  auf,  sich  an  dem  heiligen  Kriege  gegen  Russ- 
land  zu  betheiligen ,  und  schickte  sogar  seinen  Adoptivsohn  mit 
einer  Truppenabtheilung  von  250  Mann  über  den  Tian-Schan  an 
den  Naryn ,  um  zu  erkunden ,  was  bei  den  Russen  vorgehe.  Der 
Sohn  fand  jenseits  der  Berge  eine  russische  Niederlassung ,  die 
verlassen  war;  er  zerstörte  die  Häuser,  brachte  die  Vermessungs- 
instrumente nach  Hause  und  suchte  mit  den  Kirghiscn  des  unter 
russischer  Herrschaft  stehenden  Bezirkes  von  Tokmak  Verbindungen 
anzuknüjifen. 

Unter  solchen  L'mständen  begann  der  Emir  von  Bochära 
neue  P^'eindseligkeiten,  obwohl  er  nicht  offen  den  Krieg  erklärte'. 
Da  ertheilte,  durch  stete  Angriffe  auf  russische  Truppenab- 
theilungen  beunruhigt,  General  Kaufmann  am  1.'13.  Mai  1868 
den  Befehl  zum  Ausrücken  aus  der  Position  von  Tasch-Kuprjuk 
(auf  halbem  Wege  zwischen  Jeni-Kurgun  und  Samarkand).  An 
dem  Flüsschen  wurden  die  Russen  von  einem  lebhaften  Feuer  des 
in  dem  Thale  aufgestellten ,  zum  Theile  in  Gärten  versteckten 
Feindes  empfangen.  Ober.st  Petruschewski  führte  die  aus  einigen 
hundert  Kosaken  bestehende  Avantgarde  und  war  angewiesen,  das 
Feuer  einzustellen ,  sobald  der  Fci^id  das  Vorrücken  der  Russen 
nicht  mehr  hinderte ;  verschiedene  Begs  hatten  dem  General  Kaufmann 
versichert,  dass  Volk  und  Geistlichkeit  den  Krieg  nicht  wünschten. 
Nahe  dem  Flüsschen  traf  Oberst  Petruschewski  mit  dem  bochärischen 
Parlamentär  Nadschimit-Din-Chodscha  (demselben,  der  1859 
bochärischer    Gesandter   gewesen   war)    zusammen;    der  Emir  liesg 


112  Der  Kriegszug  nacli  Samarkand. 

Frieden  anbieten ,  brachte  seine  früheren  Vorschläge  noch  einmal 
vor ,  machte  aber  zur  Bedingung ,  dass  die  russischen  Truppen 
nicht  weiter  vorrückten.  Hierauf  ging  Kaufmann  nicht  ein,  indem 
er  erklärte ,  erst  nach  Beziehung  des  Nachtquartiers  weiter  ver- 
handeln zu  wollen. 

Unterdessen  war  die  INIasse  der  russischen  Trupjien  an  den 
Fluss  Zerafschun  gerückt ;  an  dem  jenseitigen  steilen  Ufer  stand 
eine  beträchtliche  bochurische  Macht  aufgestellt,  welche  Miene 
machte,  die  Ueberschreitung  gewaltsam  zu  hindern.  General  Kauf- 
mann erklärte  dem  Parlamentär,  Angesichts  des  Feindes  könne  er 
sein  Nachtlager  nicht  aufschlagen ;  wenn  der  Emir  Frieden  wolle 
solle  er  seine  Truppen  zurückziehen ,  widrigenfalls  die  Russen  das 
Ufer  mit  Sturm  nehmen  würden.  Unterdessen  vei'trieb  Oberst- 
Lieutenant  Strandtmann  mit  400  Kosaken,  4  Geschützen  und  der 
Eaketendivision  die  bochärische  Abtheilung,  welche  der  russischen 
rechten  Flanke  gegenüberstand. 

Zwei  Stunden  vergingen ,  General  Kaufmann  drohte  endlich 
dem  Parlamentär  mit  weiterem  Vorrücken  und  erklärte  nach  längerem 
Verhandeln ,  wenn  die  bochärischen  Truppen  nicht  bis  3  V4  Uhr 
Früh  zurückgezogen  seien ,  werde  er  das  Zeichen  zum  Angriff' 
geben.  Der  Gesandte  entfernte  sich  mit  dem  ^'ersprechen ,  die 
sofortige  Zurückziehung  der  bochärischen  Abtheilungen  bewirken 
zu  wollen,  und  Hess  die  ihm  vom  Emir  übergebenen  Friedensvor- 
schläge, angeblich  dieselben,  welche  schon  früher  gemacht  worden 
waren,  in  den  Händen  Kaufmannes  zurück ;  dieser  überzeugte  sich 
nach  flüchtiger  Durchsicht  der  Papiere,  dass  es  sich  gar  nicht  um 
die  früheren,  russischerseits  acceptirten  Bedingungen  handle,  son- 
dern dass  der  Emir  dieselben  willkürlich  verändert  und  ein  falsches 
Spiel  getrieben  habe ,  als  er  durch  Nadschimit-din  erklären  liess, 
auf  die  früheren  Stipulationen  zurückgehen  zu  wollen. 

Die  festgesetzte  Frist  verstrich,  die  bochärischen  Truppen 
blieben  auf  den  früher  besetzten  Positionen  und  begannen  zu  feuern. 
Jetzt  wurde  die  aus  21^'2  Compagnien  Infanterie,  16  Geschützen, 
einer  Eaketendivision  imd  450  Kosaken,  im  Ganzen  also  aus  etwa 
8000  Mann  bestehende  russische  Armee  in  Schlachtordnung  auf- 
gestellt. Die  erste  Linie  commandirte  Oberst  Abramow,  General 
Kaufmann  begab  sich  mit  seinem  Stab  auf  die  linke  Flanke,  w-clche 
die  Ueberschreitung  versuchen  und  die  dicht  von  Feinden  besetzten 
Höhen  angreifen  sollte;  den  Befehl  führte  der  Generalmajor  Golo- 
watscbew.  Bis  an  die  Brust  im  Wasser,  wateten  die  Russen 
durch  den  Zerafschän ,  ohne  sich  durch  das  Feuer  der  feindlichen 
Batterie  und  die  ISLasse  der,  beide  Flanken  umschwärmenden  Feinde 
liindern  zu  lassen.  Die  Truppen  des  rechten  Flügels  waren  beim 
Durchwaten  einem  lebhaften  feindlichen  Kreuzfeuer  ausgesetzt  und 
mussten    eine  Werst  weit    auf    einem    von    Gräben    und    Gestrüpp 


l)er  Kriogszug  nacli  Samarkantl.  113 

clurchbroclieiien  Sumpfboden  marschiroii ;  der  linke  Flügel  marscliirto 
zwei  Werst  auf  sumpfigem  Terrain  ,  reinigte  die  umliegenden  Dörfer 
und  (lilrten  von  f'eindliclien  Tirailleurs,  stürzte  sich  dann  in  den 
Fluss  und  griff  nach  Uebersehreitung  desselben  die  rechte  FlaidvC 
des  Feindes  an ,  der  alsbald  in  wilder  Flucht  davoneilte  und  so 
schnell  war,  dass  er  nicht  mehr  erreicht  werden  konnte.  Auf  den 
dem  Feinde  abgenommenen  Höhen  schlugen  die  Küssen  ihre 
liivouacs  auf,  um  daselbst  zu  nächtigen.  Gleichzeitig  hatte  der 
Train  einen  bochurLschen  Angriff'  siegreich  zurückgeschlagen.  Alle 
feindlichen  Geschütze,  welche  auf  der  Höhe  aufgepflanzt  gewesen 
waren,  fielen  in  die  Hände  der  Küssen;  diejenigen,  welche  sich 
ini  Thale  befanden,  waren  von  den  Kochären  gerettet  worden. 
Das  I.,ager  und  21  Geschütze  bildeten  die  ersten  Trophäen  der 
Küssen,  deren  Verluste  bei  diesem  Gefechte  höchst  unbedeutend 
waren:  3  Oberofficiere  und  28  Gemeine  wurden  verwundet,  1  Arzt 
und    (i    Gemeine   contusionirt,    2    Älann  fielen. 

Obgleich  die  Küssen  den  Feind  nicht  weiter  verfolgen  Iconnten, 
schlössen  die  Einwohner  von  Samarkand ,  erbittert-  durch  die  un- 
geheuren Erpressungen  imd  eine  zweijährige  anticipative  Steuer- 
zahlung, dem  Emir  ilire  Tliore  und  wehrten  den  Bochären  den 
Einzug  in  dieselben.  In  der  Frühe  des  andern  INIorgens  erschien 
im  russischen  Lager  eine  Deputation  aus  Samarkand ,  welche 
Sr.  INIajestät  dem  Kaiser  von  Kussland  ihre  Ergebenheit  ausdrücken 
liess.  General  Kaufmann  behielt  einen  Theil  der  Deputirten  bei 
sich ;  den  Einwohnern  Samarkands  liess  er  durch  die  Uebrigen 
sagen,  sie  sollten  die  Tliore  öffnen  vmd  seine  Truppen  empfangen ; 
er  selbst  näherte  sich  mit  einem  Theile  seines  Heeres  der  Stadt. 
An  den  Thoren  ward  er  von  den  P^inwohnern  mit  Freudigkeit 
empfangen ;  General  Kaufmann  erklärte  denselben  im  Namen  des 
Kaisers,  sie  sollten  ihre  (ieschäftc  wieder  aufnehmen,  die  Lädpn 
öffnen  und  die  geflohenen  Familien  in  die  Stadt  zurückrufen.  Die 
Citadelle  w'urde  von  den  Küssen  besetzt,  die  Einwohner  kehrten 
in  Schaaren  in  die  Stadt  zurück  und  zeigten  bald  volles  Vertrauen 
in   die  Kraft  der  Sieger.  ') 


1)  Samarkand,  Jag  alte  ilaralan.Ja  der  Oricolicii,  fülirto  in  ältester  Zeit  und  nach 
Alexander  dem  Grojscn  bei  den  Eingcborncn  den  chincsisclic-.i  Namen  Tschin.  Als  643 
der  Araber  Samar  den  I^lam  dahin  brachte,  wurde  es  als  Samarkand  (Stadt,  Dorf  des 
Saniar)  „ein  Asyl  des  Fiicdens  und  der  Gelehrsamkeit"  und  Residenz  des  Herrscherge- 
schlechtes der  San.aniden  ^on  833  bis  ICCO  n.  Chr.  Der  arabische  Geograph  Ibn  llauqal 
(iJöO)  hat  sie  als  Augenzeuge  geschildert;  1219  von  Dschingis-Ghan  erobert,  fiel  sie  nach 
etwa  z.vei  Jahrhunderten  in  die  Hände  Timur's,  der  sie  zur  Capitale  seines  grossen 
Ilciches  erhob  und  mit  prachtvollen  Bauwerken  schmückte,  die  jetzt  in  Ruinen  liegen. 
Heute  hat  Samarkand  seine  politische  Bedeutung  völlig  verloren,  und  auch  der  Handel 
ist,  jenem  von  Bochära  gegenüber,  nicht  sehr  bedeutend.  Eine  ausführliche  Beschreibung 
von  Samarkand  siehe  in:  Vanib^ry,  Travels  in  Central-Asia.  S.  197  u.  (f.,  dann  (Peter- 
mann's  Geogr.  Mittheil.  1865.  8.  224—229).    Pas  anmuthigc  Thal  von  Sogdh  bei  Samar- 

u 


Il4  Öer  KriegsÄug  nacli  Samarkand. 

In  dieser  denkwürdigen  Schlacht  von  Samarkand  hatte  der 
Emir  von  Bochara  an  die  Sjiitze  seines  aus  400  Afglianen,  welche 
meist  zu  den  Russen  übergingen,  und  8000  ^Mann  Hilfsvölker  be- 
stehenden Heeres  Sikandar-Chan,  den  Sohn  des  Sultans  Jan  von 
Ileriit,  gestellt;  sein  ältester  Sohn  Abdul  Melik  befand  sich  mit 
am  Sehlachtfelde,  floh  aber  nach  Bochara,  wähi-end  der  Euiir  selbst 
in  Kermina  blieb,  wohin  auch  das  geschlagene  Heer  zurückkehrte; 
Sikandar  hingegen  streckte  die  \Yaffcn,  ja  nach  einigen  Berichten 
wäre  er  sogar  zu  den  Russen  übergegangen.  Die  Verluste  be- 
trugen für  die  Bocharen  etwa  3  —  400  Todte  und  200  Verwundete, 
audcrcn   Angaben  zufolge    8000   Mann.  ^) 

Vorlilutig  schien  Russland  hier  einen  Halt  und  Ruhepunkt 
machen  zu  wollen,  um  für  die  Zukunft  Athem  zu  schöpfen,  dess- 
halb  zeigte  es  sich  einem  Friedensschlüsse  mit  dem  Emir  geneigt; 
Letzterer  sollte  eine  Contribution  von  4  ^liHion  Rubeln  an  Russ- 
land zahlen.  Mozafter  fügte  sich  allen  Forderungen  der  Russen 
bis  auf  einen  Punkt,  die  Aiüage  eines  russischen  Forts  bei  seiner 
Hauptstadt  betj-eff'end ;  diess  verzögerte  den  definitiven  Friedens- 
schluss,  bis  zu  welchem  die  Bocharen,  welchen  im  Juni  der  Emir 
von  Schehr-i-Ssebz  zu  Hilfe  eilte,  noch  ein  blutiges  Zwischen- 
spiel auftührten.  Wahrend  das  Haujjtcorps  unter  dem  Befehl  des 
Generals  v.  Kaufmann  vorwärts  zog,  blieben  zur  Vertheidigung 
von  Samarkand  das  Detachement  des  Majors  Baron  v.  Stempel, 
aus  658  Mann  bestehend,  die  Nicht-Combattanten  und  Kranken 
mitinbegriffen,  und  94  Artilleristen  als  Garnison  zurück.  Munition 
und  Lebensmittel  waren  im  Ueberfluss:  24  den  Bocharen  abge- 
nonunene  Kanonen,  90  Pud  Pulver,  220,000  Patronen,  Granaten 
imd  Raketen,  ausserdem  ein  Vorrath  von  INlehl  für  2  .INIonate  und 
Trinkwasser  in  hinreichender  INIenge.  Die  feindliche  Armee  be- 
stand aus  25.000  Schchr-i-Sscbzern  unter  Dschura-Beg  und  Baba- 
Beg,  15.000  Kitai-Kiptschaken  unter  Abdyl-Tadsch  und  15.000 
Samarkandern  unter  Hassan-Beg,  Abdul-Gafda-Beg  und  Oniar- 
Beg.  Durch  den  A'errath  der  Aksakalen  (Stadtältesten)  waren  eine 
Masse  Feinde  in  die   Stadt  eedrungen,   aber  glücklicherweise  hatte 


kand  ist  eines  der  vier  von  den  persischen  Dichtern  gefeierten  Paradiese.  (Journal  of 
the  R.  Goograpli.  See.  of  London.  Vol.  X.  18U.  S.  2—3)  dann:  Rückert  Makanien 
Ilariri'a.  8.  201. 

1)  Die  Daten  über  dio  Sciilaclit  von  Samarkand  sind  nocli  immer  höchst  unsicher  und 
schwankend;  nach  mehreren  Quellen  soll  die  Sehlacht  am  22.,  nach  anderen  am  29.  Mai  18C8 
geschlagen  worden  sein.  Unsere  Angabc  des  1,1.3.  Mai  ist  jene  des  „Russischen  Invaliden" 
vom  17.  Juni  1868,  wie  denn  üborliaupt  der  darin  publicirte  Bericht  der  einzig  glaub- 
würdige erscheint.  Dieselben  Schwankungen  herrschen  bezüglich  der  Verlustangaben;  so 
sollen  die  Russen  Einigen  zufolge  2(X)J  und  dij  Bocharen  gar  10.000  Todte  nebst  einer 
enormen  Zalil  Verwundeter  geliabt  liaben;  wäre  dies  wahr,  so  hätte  die  bocharifiche 
Armee  jedenfalls  starlier  denn  8 — 9C00  Mann  sein  müssen.  Auch  die  Nachricht,  das»  Emir 
MozatTer  in  der  Schlacht  geblieben  sei,  erwies  sich  als  falsch. 


Der  Kripgszug  nach  Samarkand.  115 

Major  V.  Stempel,  der  einen  Ausfall  gemacht  hatte,  um  die 
Schehr-i-Ssebzer  auf  dem  hocharischen  Wege  zurückzudrängen, 
noch  in  die  Citadelle  zurückkehren  und  deren  Thore  schlici^sen 
lassen  können.  Der  INIajor  Albedyl  und  der  Fähnrich  Anitschkow 
schlugen  am  13.  Juni  vier  Angrifl'e  im  Laufe  des  Tages  und  drei 
Angriffe  während  der  Nacht  vom  13.  zum  14.  Juni  zurück.  Als 
der  Feind  das  Thor  anzündete,  stellten  Sappeurs  unter  dem  Be- 
fehl des  Oherstlieutenants  Xazarow  während  des  stärksten  Kugel- 
regens aus  Erdsäcken  ein  Werk  her,  in  dem  eine  Kanone  Platz 
fand,  die  mit  Kartäschen  den  eindringenden  Feind  zurücktrieb.  An 
demselben  Tage  wurden  das  Samarkandor  Thor  und  der  Kirchhof 
durch  dichte  Feindesniassen  angegriffen,  aber  Dank  der  Energie 
des  Lieutenants  Lejjeschhi  wurde  unter  grossem  Verluste  an  Todten 
und  Verwundeten  der  Angriff'  zurückgeschlagen.  Unter  den  erstci'en 
befand  sich  der  brave  Lieutenant  Lepeschin  und  der  Intendantur- 
beamte Iwanow,  und  unter  den  Verwundeten  der  Fähnrich  Adorazki 
und  der  Ilandlungsdiener  Samarin.  Am  folgenden  Tage  begann 
der  Sturm  zu  gleicher  Zeit  auf  allen  Punkten.  Eine  Ti-uppe  Sarten 
warf  sich  auf  die  Bresche  am  bocharischen  Thor,  um  sie  zu  ver- 
grössern.  Da  verliessen  25  Keconvalescenten  ihre  Betten  und 
schlugen  mit  dem  Peloton  des  Lieutenants  Borodajewski  den  Feind 
nieder,  der  bereits  in  die  Citadelle  eingedrungen  war.  Während 
dieser  beiden  Tage  wurden  150  ]Mann  kampfunfähig  gemacht. 
Wären  die  Verluste  so  beträchtlich  geblieben,  so  hätte  man  nicht 
daran  denken  können,  die  ganze  Linie  länger  zu  vertheidigen. 
Desshalb  hatte  auch  schon  der  Commandant  der  Garnison  daran 
gedacht,  im  P^all,  dass  der  Feind  die  Citadelle  erstürmen  sollte, 
alle  Truppen  im  Palais  des  Chans  zu  vereinigen,  um  sich  dort 
aufs  Aeusserste  zu  vertheidigen  und  im  Falle  des  Unterliegens 
in  die  Luft  zu  sprengen.  Die  Tage  des  Iß.,  17.,  18.  und 
19.  Juni  waren  durch  immer  neue  Angritfe  ausgefüllt,  indessen 
wurden  alle  diese  zurückgeschlagen,  ohne  dass  auch  nur  ein  Zoll 
Erde  verloren  gegangen  wäre.  Endlich  am  20.  Juni  kam  General 
Kaufmann,  und  es  war  Zeit,  dass  er  die  Citadelle  entsetzte. 
Diese  heldenmüthige  Vertheidigung  kostete  den  Russen  3  Officiere 
und  46  Unterofficiere  und  Soldaten  an  Todten,  und  5  Officiere 
und  167  Mann  an  Verwundeten.  Aber  sie  bewies  dem  Emir, 
dass  es  unmöglich  sei,  mit  Erfolg  gegen  die  Russen  zu  kämpfen; 
in  der  That,  sobald  er  von  den  Ereignissen  in  Samarkand  Kennt- 
niss  erhielt,  schloss  er  Frieden,  wonach  er  au  Russland  125.000 
TiP)  (ä  4  Thaler  =  500.000  Thaler)  zu  zahlen  hatte.  Davon 
wurden    10.000   Til    an  General    Kaufmann    durch  Mutha-Bcg  als- 


1)  Tille  (Gold)  =  12  Rubel,    82   Kopeken,    nach    Klöilcn,    Handbuch    der   Erd- 
kunde- III.  Tb.  S.  192. 


]  I  ('(  Dnr  KriogP^ng  nach  Samarkand. 

bald  abgetragen.  Die  Kusdcn  ihrerseits  versprachen,  die  Haupt- 
stadt des  Chanats ,  Bochuia,  nnbeljistigt  zu  lassen,  Hessen  sich 
aber  das  Land  am  mittleren  Laufe  des  Zerafschän  mit  Samarkand 
und  Kattykurgan  abtreten  und  erwarben  dafür  das  Recht,  in  Ker- 
juina,  Tschehardschuj  und  Karschi  Cantonnirungen  zu  errichten. 
»Sie  verleibten  diesen  südlichsten  Theil  ihrer  centralasiatischcn  Be- 
sitzungen ■ —  der  vom  40.  lireitegrad  durchschnitten  Avird  —  dem 
ncugebildeten  Generalgouvernement  Turkestan  ein  und  zwar  der 
westlichen  Provinz  desselben,  Ssyr-Darja.  Die  weiteren  Vertrags- 
artikel waren  hauptsächlich  folgende:  1.  Allen  russischen  Unter- 
thanen  ohne  Unterschied  des  Glaubens  wird  das  Recht  des  freien 
Handelsverkehrs  in  der  ganzen  Rucharei  gewährt.  Der  P!)mir  über- 
nimmt die  Verpflichtung,  innerhalb  der  Grenzen  seines  Gebiets  für 
die  Sicherheit  der  russischen  Kaufleute,  ihrer  Karawanen  und  ihres 
Vermögens  zu  sorgen.  2.  Die  russischen  Kaufleute  haben  das 
Recht ,  in  allen  Städten  des  Landes  Handelsagenten  zu  halten. 
o.  ^'on  den  nach  Bochara  eingeführten  russischen  Waaren  wird 
ein  Zoll  von  höchstens  2 '  2  Percent  ihres  Werthes  erhoben.  4.  Den 
russischen  Kaufleuten  ist  die  freie  Durchreise  durch  Bochara  nach 
den  benachbarten  Ländern  gestattet.  ')  Dieser  Vertrag  ward  am 
H.  jNIai  (18.  Juni  1868)  abgeschlossen,  blieb  aber  freilich  noch 
längere  Zeit  hindurch  ein  lodter  Buchstabe.  General  Kaufmann 
selbst  begab  sich  nach  St.  Petersburg,  um  über  die  jüngsten  Er- 
eignisse ijersönlich  Bericht  zu   erstatten. 

Im  Uebrigen  trachteten  die  Russen ,  sich  baldmöglichst  in 
Central-Asien  häuslich  niederzulassen  und  bequem  einzurichten; 
heute  fühlen  sie  sich  in  Turkestan  schon  wie  zu  Hause.  Tasch- 
kcnd  hat  sein  Casino,  seine  Festbälle  luid  seine  Soirees  miisfcales 
so  gut  als  irgend  welche  europäische  Stadt,  wenn  auch  diese  ge- 
sellschaftlichen Ressourcen  noch  nicht  genug  Anziehungskraft  aus- 
üben, um  die  schöne  und  elegante  Damenwelt  aus  den  gewohnten 
(ienüssen  von  Paris  und  den  deutschen  Bädern  an  die  Ufer  des 
kaspischen  jNIeeres  zu  verlocken.  Vielversi;rechende  Kohlenberg- 
werke haben  sich  dort  aufgethan,  ein  Eisenbabnproject  wetteifert 
mit  dem  andern ,  und  neue  AVasserstrassen  und  \'erkehrsmittcl 
durch  diese  weiten  Gebiete  sind  in  Aussicht  genommen.  Anfangs 
October  ]8(i8  wurden  die  Landstrassen  zwischen  Bochara  und 
Samarkand  von  den  Lisurgentenbanden  gesäubert,  so  dass  der 
ilandelsverkehr  seinen  , ungestörten  Anfang  nehmen  konnte.  Der 
Hau  einer  Strasse  im  oberen  Oxusthale  nach  Balcli  und  Iiadach- 
schän  wird  eifrig  betrieben.  Zmn  Bau  einer  Eisenbahn  von  Samara 
in   Russland   nach   ürenburg  -)    und    von    hier  nach   Taschkcnd   und 


1)  „Vugsburgcr  Allgemeine  Zeitung«  1860,  Nr.  26  und  1872,  Kr.  323. 

2)  Man  bealsiclitigte  Anfangs  1871  mit  dem  Bau   dieser  Eisenbahn   zu   beginnen. 


Der  Kriegszug  nacli  Samnrkand.  117 

Chokand  treffen  die  Russen  energische  Anstalten ,  während  die 
Anlafi;c  eines  Telegraphen  durch  die  Steppe  schon  zu  den  wirk- 
lichen Dingen  gehört.  Jaxartes  und  Aralsee  hahen  schon  längst 
ihre  Flotillen  von  Danipfkanonenbooten ,  Oxus  und  kaspisches 
Meer  sind  im  Begriffe,  solche  zu  erhalten.  Schon  im  letzten  Tri- 
mester 1867  passirten  nicht  weniger  als  250  Beamte  durch  Oren- 
burg,  die  alle  nach  TurkestJin  gingen,  um  Hand  in  Hand  mit  den 
schon  von  früher  dort  sich  aufhaltenden  Functionären  das  I^and 
zu  regieren.  Leider  waien  dieselben  noch  der  in  Turkestan  üb- 
lichen Sprachen,  des  Bocharischen  und  Persischen,  mcistentheils 
unkundig.  ')  Trotzdem  können  die  Russen  in  ihrer  Art  als  vor- 
treffliche Colonisatoren  gelten  und  bleiben  auf  dem  asiatischen 
Boden  selbst  den  Angelsachsen  überlegen.  Diese  sind  unübertreff- 
lich, wo  es  sich  darum  handelt,  jungfräuliches  Land  zu  colonlsiren 
und  im  Wege  freier  Vergesellschaftung  neue  Städte  und  Staaten 
zu  schaffen;  jene  Kunst  aber,  barbarische  und  halbbarbarische 
Völker  sich  vollständig  dienstbar  zu  machen  und  durch  einen  streng 
durchgeführten  Amalgamirungsprocess  sich  zu  verschm.elzcn,  den 
die  Russen  längs  dem  ganzen  Südrandc  ihrer  asiatischen  Besitzungen 
mit  so  viel  Erfolg  durchführen ,  ist  dem  Engländer  fremd.  Der 
Angelsachse  colonisirt  wie  der  Hellene ,  der  Russe  aber  wie  der 
Römer.  Seine  Pionnicre  sind  nicht  jene  Squatters,  die  im  Voll- 
gefühl einer  schrankenlosen ,  freien  Lidividualität  sich  nur  ausser- 
halb der  Heimstätten  der  Civilisation  wohl  fühlen,  dieser  um  hundert 
Meilen  voraneilen  und  den  Pfad  brechen ,  sondern  die  INIilitär- 
Colonisten.  Mit  dem  System  der  INIilitär-Colonien  wurden  die 
nomadisirenden  Tataren,  Kalmyken  und  Kirghisen  in  den  Organis- 
mus des  russischen  Staatsverbandes  eingezw'ängt ,  zur  Heerfolge 
und  zum  Steuerzahlen  gewöhnt  und  allmälig  auch  für  die  voll- 
ständige Russificirung  vorbereitet.  Binnen  25  Jahren  gehören  die 
iV\nchkommcn  jener  wilden  Sultane,  welche  an  den  chincsisch- 
ssibirischen  Grenzen  vor  einem  halben  Menschenalter  noch  an  der 
Spitze  ilirer  Horden  ein  wildes  Räuberleben  geführt,  eben  so  zu 
dem  gefügigen  Militär-  und  Hofadel  des  Czaren ,  wie  heute  die 
Fürstensöhne  aus  Transkaukasien.  -)  Die  Watten  mussten  frei- 
lich   den    Weg  bahnen,   aber  Handel    und    Verkehr,    die  seit    1850, 


1)  überhaupt  ist  der  Mangel  an  Personen,  die  mit  diesen  Sprachen  zurecht- 
kommcr!)  ein  sehr  empfindlicher,  und  langt  ein  Schreiben  vom  Emir  an,  das  natürlich 
persisch  (die  diplomatische  Sprache  des  Landes)  abgefasst  ist,  so  muss  man  einen  Sartcn 
(so  hcisscn  die  Stadtbewolincr,  die  alle  lochärisch  und  persisch  sprechen),  kommen  lassen, 
der  das  Original  in's  Tatarische  übertiägt,  aus  welcher  Sprache  es  dann  der  officiclle 
Translateur  in's  Russische  übersetzt.  Eben  so  werden  die  Verordnungen,  welche  die 
Administration  auf  den  Bazarcn  zum  Anschlage  bringt,  von  Sarten  in's  Persische  und 
Tatarische  übersetzt. 

2)  Die  Russen  in  liajtra.     („Presse,"  2i.  Januar  1869). 


118  Der  Kriogszug  nacli  Samarkand. 

wiewohl  mit  einigen  Unterbrechungen,  auch  im  russischen  Reiche 
fortwährend  im  Wachsen  sich  befinden ,  haben  in  Central-Asien 
gewaltigen  Aufschwung  genommen,  und  sogar  viele  preussische 
^^'a^ren  fiiulen  dort  guten  Absatz.  Auch  haben  sich  bereits  manche 
Deutsche  dort  niedergelassen.  In  Taschkend  gehört  der  vornehmste 
Gasthof  und  Restaurant  einem  Deutschen ,  der  sehr  gute  Geschäfte 
macht.  1)  Alle  diese  Fortschritte  wandeln  die  kriegerischen  Er- 
folge der  Russen  in  dauernde  Eroberungen  um.  ^)  So  hatte  Russ- 
land den  Ort  Akmolinsk  (Akmolly)  im  Gebiete  der  ssibirischen 
Kirghisen  und  Centralpunkt  der  taschkendischen  und  bochtirischen 
Karawanen  1862  zur  Stadt  erhoben;  die  ungünstigen  Verhältnisse 
gestatteten  aber  noch  kein  regeres  Leben;  schon  1866  aber  kamen 
im  Laufe  des  Septembers  allein  1500  Kameele  an,  und  im  Mai, 
Juni  und  Juli  desselben  Jahres  sind  am  INIarkte  von  Akmolinsk 
AVaaren  im  Betrage  von  ITO.ijOO  Silberrubel  abgesetzt  worden.  3) 
Laut  den  einander  sehr  ähnlichen  Verträgen  mit  Chokan  und 
Buchara  finden  die  Waaren  der  russischen  Kaufleute  zu  einem 
eben  so  geringen  Werthzoll  Eingang  wie  die  der  Moslims,  luid 
dieselben  scheinen  sich  ihre  neuen  Vergihistigungen  Aveislich  zu 
Nutze  machen  zu  wollen.  L'^eberall  durch  die  ganze  Tatarei  folgt 
die  Civilisation  den  Trupi)en  des  Czaren  auf  der  Ferse  nach,  und 
selbst  offene  Gegner  müssen  anerkennen ,  dass  dem  Vordringen  der 
russischen  Macht  in  jenen  Gegenden  Central-Asiens  wirklich  eine 
civilisatorische  INIission   inne  wohnt.  ^) 

iSIit  dem  Chane  von  Chokan,  Khudayar,  nahmen  die  Be- 
ziehungen seit  dem  mit  ihm  abgeschlossenen  Handelsvertrage  einen 
friedliclien  Charakter  an,  obwohl  der  grösste  Theil  seines  Gebietes 
in  dem  russischen  Reiche  aufgegangen;  er  sendete  sogar  einen 
Gesandten  ■'')  nach  St.  Petersburg,  den  der  Kaiser  IMitte  November 
1868  empfing,  um  aus  dessen  Händen  ein  Schreiben  Khndayar's 
entgegenzunehmen.  Der  Gesandte  gab  die  P^rklärung  der  vollsten 
Ergebenheit  gegen  den  russischen  Monarchen  und  der  Bereitschaft, 
die  russischen  Interessen  zu  fördern,  ab  und  protestirte  energisch 
gegen  das  Gerücht,  als  wolle  Khudayar-Chan  dem  Emir  von 
Bochara  in  seinem  Streite  mit  den  Russen  Beistand  leisten. 
AVährend  sich  übrigens  die  Handelsbeziehungen  mit  Russland  von 
Tag  zu  Tag  mehrten,  sah  sich  indess  der  Chan  genöthigt,  einen 
Feldzug   zur    Züchtigung    Kaschgar's,     Kuldscha's    und     Yärkand's 


1)  „Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung"  vom  9.  Deccmbcr  1868. 

2)  Die  russischen  Eroberungen    in    Mittelasien.     (Beilage   zur  Augsburger   Allge- 
meinen Zeitung"  vom  23.  Januar  1869). 

,3)  Globus.  1867.  Bd.  XI.  S.  128. 

4)  „Augsburger  Allgemeine  Zeitung"  vom  1.  Januar  1869. 

5)  Er  traf  am  29.  October  1868  in  Moskau  ein. 


Der  Kriegszug  nach  Samarkand.  119 

vorzubereiten,  deren  tributpflichtige  Souveräne  Chokan  den  Ge- 
borsani gekündet  batten. 

Die  Niederlage  von  Bocbära  diente  aucb  dem  übermütbigen 
Ilerrscber  von  Karicligar  zur  AVarnung,  den  die  Russen  übrigens 
für  die  Zerstüruiig  ibrer  Niederlassung  am  Naryn  obnedies  scbon 
gezüchtigt  batten.  Sie  waren  nämlich  neuerdings  mit  bewaffneter 
INIacbt  vorgedrinigen  und  hatten  die  Truppen  des  Kuscbbegi,  welche 
die  Grenze  des  Naryn  vertbeidigten ,  in  die  P^lucbt  gejagt.  Im 
Jahre  1868  kam  indess  ein  russischer  Officier,  Cajjitän  Reintbal, 
auf  Besuch  zu  Yakub  Chan,  w^elcher  sich  nunmehr  eiitscbloss  ein 
Gesuch  um  Frieden  nach  St.  Petersburg  zu  richten;  er  entsendete 
zu  diesem  Bohufe  seinen  NefTen  (oder  Adoptivsohn)  Scliadi  Mirza 
nach  dem  Falle  von  Samarkand  an  den  General-Gouverneur  von 
Turkestän,  welcher  beim  Eintreffen  des  Gesandten  eben  im  Begriife 
stand  nach  St.  Petersburg  abzureisen,  so  dass  Schadi  Mirza  sich 
entschloss,  den  General  von  Kaufmann  dahin  zu  begleiten  i).  Um 
dieselbe  Zeit  ward  die  erste  russische  Karawane  unter  Fübrung 
des  Kaufmanns  Perwuscbin  von  Taschkend  aus  über  Chokand 
nach  Kaschgar  entsendet.  Die  ganze  Ladung  dieser  Karawane, 
ebenso  wie  der  Cbludow'scbe  über  Ssemiretschensk  eiugetroliene 
Waarentransport  wurden  von  Yakub  Beg  zu  sehr  vortheilbaften 
Preisen   erworben  ''^). 

In  Voraussicht  freundlicher  Beziehungen  mit  dem  Kuscbbegi 
beschlossen  ihrerseits  nunmehr  die  Russen  den  Karawanenweg  von 
Tokmak  bis  an  die  Grenze  von  Kaschgarien  auszubessern,  sowie 
eine  Brücke  über  den  Naryn  an  der  Stelle  zu  bauen,  wo  die  alte 
jetzt  verfallene  chinesische  Brücke  stand.  Natürlich  sahen  sie  sich 
vor  und  errichteten  zugleich  ein  kleines  Fort  bei  der  Brücke  zur 
Bescbützung  der  Strasse  sowie  der  Bevölkerung  im  Süden  des 
Issi-Kul  gegen  die  Einfälle  der  Bewohner  von  Kaschgar.  Im 
Herbste  1868  waren  diese  Arbeiten  beendet,  so  dass  eine  Com- 
pagnie  Infanterie  und  ein  Sotnia  Kosaken  im  Fort  garnisoniren 
konnten  ^). 

Während  verlautbarte ,  der  von  General  Kaufmann  mit  dem 
Emir  von  Bochara  abgeschlossene  Frieden  sei  vom  Kaiser  von 
Russland  nicht  bestätigt  worden ,  und  die  Zeitungen  verkündeten, 
dass  mit  Ende  October  die  Feindseligkeiten  gegen  Bocbära  wieder 
begnmen  würden,   welche  beide  Angaben  der   „Russische  Invalide" 


1)  Einer  Nacluiclit  aus  Calcutta,  26.  October  1868,  zufolge,  sollte  indess  ein 
russisches  Corps  Kaschgar,  die  Hauptstadt  des  Yakub  Kusch-Begi  bedrohen,  und  der 
russische  Befehlshaber  von  Letzerem  die  Erlaubniss  zu  Cantonnirungcn  an  verschiedenen 
Punkten,  namentlich  in  Gumah  zwischen  Chotan  und  Yärkand,  verlangt  haben. 

2)  Globus.  XIV.  Bd.  S.  380. 

3)  Ausführliches  über  diese  Vorgänge  siehe  in\  „Journal  de  St.  Pctersbourg"  vom 
56.  Mai  bis  7.  Juni  und  31.  Mai  bis  12.  Juni  1868. 


12Ö  Ttov  Ivriogszug  nach  Samarkand. 

alsbald  als  völlig  grundlos  bezeichnete,  scheint  Mozaffer-Chan  in 
seinem  eigenen  Reiche  am  meisten  bedroht  worden  zu  sein.  Die 
Xachrichton  über  diese  Ereignisse  in  Bochara  sind  noch  sehr  vcr- 
Avorren  und  gestatten  keinen  klaren  Einblick  in  die  Verhältnisse; 
dass  eine  starke  russenfeindliche  Partei  im  Lande  vorhanden,  und 
zu  dieser  vorzüglich  die  fanatische  Geistlichkeit  gehörte,  ist  gewiss; 
allem  Anscheine  nach  verübelte  sie  dem  Emir-el-Muminin ,  dem 
Oberhaupt  der  Gläubigen,  den  Friedensschluss  mit  den  verhassten 
Russen,  denn  der  Emir  soll  von  dieser  Partei  in's  Gefängniss  ge- 
worfen worden  sein,  was  die  Russen,  die  im  September  1808 
ohnehin  militärische  Verstärkungen  ^)  nach  Turkestän  gesendet 
hatten,  um  den  Bestand  der  dortigen  russischen  Armee  zu  erhöhen, 
veranlasste,  zu  seiner  Befreiung  auf  Bochara  zu  marschiren.  Pa 
trat  mit  grosser  Bestimmheit  das  Gerücht  auf,  dass  Mozaffer-Chan 
um  die  Mitte  August  1868  plötzlich  einer  Krankheit,  wenn 
nicht  Schlinmierem,  erlegen  und  sein  Sohn,  ein  Knabe,  der  bei 
einem  Verwandten  in  Schehr-i-Ssebz  erzogen  wurde ,  ihm  in  der 
Regierung  gefolgt  sei.  Während  schon  alle  Blätter  Eurojjas  die 
weitsichtigsten  Combinationen  an  dieses  Ereigniss  knüpften,  stellte 
es  sich  heraus,  dass  Mozaffer-Emir  keineswegs  gestorben,  vielmehr 
in  neue  innere  Kämpfe  vorwickelt  sei.  Nach  der  Niederlage 
von  Samarkand  hatte  nämlich,  wie  wir  gesehen,  INlozaflFer-Eddin- 
Chan  sich  zur  Zahlung  einer  Kriegscontribution  und  zum  Schutze 
des  russischen  Handels  verpflichtet.  Gleich  nach  Abschluss  dieses 
Friedens  erhob  sich  aber  gegen  ihn  sein  ältester  Sohn  Abdul- 
]\Iolik,  dessen  Titel  Kette-Töre  (grosser  Prinz)  ist,  unterstützt  von 
den  Schehr-i-ssebzer  Begs ;  auch  die  Steppenbewohner  unter  ihrem 
Bundesgenossen  Sadik  standen  auf.  Südlich  von  Samarkand,  etwa 
21  Meilen  von  dieser  Stadt,  dehnt  sich  jenseits  des  die  Grenze 
bildenden  Altyn-Dagh  der  erwähnte  Staat  Schehr-i-ssebs  aus.  Er 
hatte  zu  Bochara  gehört,  aber  von  diesem  sich  unabhängig  zu 
machen  gewusst ;  die  Bewohner  sind  äusserst  tapfer,  kriegerisch 
mul  zu  Raub-  und  Beutezügen  geneigt;  mit  den  Waffen  wissen 
sie  vortrefflich  umzugehen ,  namentlich  sind  sie  gute  Schützen. 
Alle  Bemühungen  des  Emirs  voil  Bochara  Schehr-i-ssebs  wieder  unter 
seine  Botmässigkeit  zu  zwingen,  waren  vergeblich  gewesen;  der 
kleine  Staat,  an  dessen  Spitze  zwei  Begs,  Baba-Beg  und  Dscliura- 
Beg  standen,  wusste  seine  Unabhängigkeit  zu  behaupten,  ja  er 
ging  sogar  in  die  Oflensive  über,  und  setzte  den  Bocharen  hart  zu. 
Von  Schehrisebs  erhielt  Abdul-Melik  die  nöthige  Unterstüzung  und 
beinahe  wäre  es  ihm  gelungen  seinen  Vater  vom  Throne  zu 
stossen  -).      Abdul-]\Ielik  begab  sich   nunmehr    nach    Karschi,    liess 


1)  Angeblich  10  Regimenter. 

2)  Der  Folzug  der  llusacn  gegen  Schehrisebs.     („Allg.  Zeitg.«  1870,  Nr.  200). 


Öcr  Kriegszüg  nach  Siininrkaiut.  121 

sicli  dort  zum  Emir  von  Boclulra  ausrufoii  und  begann  energisch 
den  Krieg  gegen  seinen  Vater  INIozaffer-Clian  zu  führen.  Schon 
galt  dieser  für  verloren ,  als  Generalmajor  Ahramow ,  Chef  des 
zerafschän'schen  Bezirkes,  vom  General  Kaufmann  Ordre  erhielt, 
dem  Emir  Mozafter-Chan  Hilfe  zu  leisten,  falls  er  darum  bitte. 
Die  Russen  besorgten  nämlich,  dass  der  Emir  unterliegen  und  der 
Friedensvertrag,  der  nach  asiatischer  Sitte  den  Nachfolger  nicht 
bindet,  ausser  Kraft  treten  könnte.  In  der  That  sah  sich  der 
Emir,  von  allen  Seiten  verlassen,  gezwungen,  die  russische  Hilfe 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Die  russische  Intervention  erfolgte,  in- 
dem 7  Compagnien  Infanterie,  2  Sotnien  Kosaken,  6  Raketen 
und  6  Rohrgeschütze  bei  Dzanm  )  (wahrscheinlich  Djam ,  auf 
Kiepert's  Karte  von  Turan  etwa  halben  Wegs  zwischen  Samarkand 
und  Karschi)  concentrirt  wurden;  im  INIonate  October  1868  rückten 
die  Russen  gegen  Karschi  vor,  schlugen  daselbst  am  21.  den 
Prätendenten  und  zersprengten  seine  etwa  8000  Mann  starke 
Armee;  dann  ward  am  23.  October  die  Stadt  selbst  erobert  und 
den  Trujjpen  des  Emirs  zurückgegeben,  während  die  Russen  schon 
am   30.   October  um  Dzamu  ihre  Winterquartiere  bezogen  2). 

Abdul-lNIelik,  der  Kette-Töre  (Katty-Tura  auch  Katty-Türja 
geschrieben),  flüchtete  Anfangs  zu  den  Begs  von  Schehr-i-ssebs, 
die  ihm  jedoch  ein  Asyl  verweigerten,  und  weiter  nach  Hissar, 
wo  er  ebenfalls  keine  Aufnahme  fand.  Nach  den  Bei-ichten  des 
Generalmajors  Abramow  vom  18.,  23.,  26.  December  1868  hatte 
Abdul-jMelik  den  General  nm  ein  Asyl  und  die  Vermittlung 
zwischen  ihm  und  seinem  Vater  gebeten.  Da  ihm  Verzeihung  zu- 
gesagt wurde,  beschloss  er,  sich  mit  seinem  300  Mann  zählenden 
Gefolge  nach  Samarkand  zu  begeben.  Unterwegs  reizte  jedoch 
Nasar-Beg  die  Leute  gegen  Abdul-Melik  auf  und  verlangte  von 
diesem,  dass  er  in  das  Innere  Bochara's  eindringen  und,  die  Ab- 
wesenheit des  Emirs  benutzend,  die  Städte  Karschi  und  Karmina 
einnehmen  solle.  Er  Acrliess  also  die  Strasse  von  Dzamu  und  begab 
sich  im  forcirten  Marsche  durch  die  Steppe  nach  Karschi,  wo  er 
am  14.  December  eintraf  und  den  dortigen  Beg,  Rachmet-Bey,  der 
ihm  entgegengekommen ,  tüdteu  Hess.  Nach  kurzem  Aufenthalte 
in  Karschi,  welches  er  der  01)hut  der  Aksakalen  anvertraute,  brach 
Abdul-jNIelik  nach  Karmina  auf  und  liess  auf  dem  Marsche  dahin 
viele  dem  Emir  ergebene  Leute  hinrichten.  Als  General  Abramow 
Alles  dieses  erfuhr,  meldete  er  es  sofort  dem  Emir  und  bat  ihn, 
schleunigst  mit  Truppen  in  Bochära  einzurücken;  er  selbst  brach 
am  19.  December  nach  Katty-Kurgan  auf,  wo  man  auf  seinen 
Befehl   die  Trup^ien  zusanmiengezogen  hatte.      Der  Emir  rückte  mit 


1)  Die  „Köln.  Zeitung"  schreibt  Dschuiiia. 

2)  Siehe  „Köln.  Zeitung"  Nr.  7  vom  7.  Januar  1S63. 


iQ 


122  Der  Kriegszug  nach  Samarkaiul. 

allen  seinen  Truppen,  die,  wie  man  sagt,  15.000  Mann  stark 
waren  und  18  Geschütze  mit  sich  führten,  aus  Karschi  gegen 
Karinina  vor.  Um  dieselbe  Zeit  hatte  sich  auch  Abdul-Melik 
dieser  Stadt  genaht  und  den  Beg  aufgefordert,  sich  zu  ergeben. 
Als  er  aber  von  dem  Anmärsche  des  Emirs  Kunde  erhielt,  floh  er 
nach  Nür-Atta,  wohin  der  Emir  nach  seinem  Einzüge  in  Karmina 
ein  leichtes  Detachement  entsendete,  welches  den  Flüchtling  ver- 
trieb, der  den  Weg  nach  Cliiwa  eingeschlagen  haben  soll,  sich 
aber  in  Begleitung  Chodscha-Seid-Ahmeds,  seines  ehemaligen  Hof- 
meisters luid  Ilauptrathgebers,  an  den  Hof  von  Kabul  Hilfe  suchend 
begab  ').  Der  Emir  schrieb  dem  General,  dass  er  die  Begs  von 
Schehr-i-ssebs  in  Verdacht  habe,  an  dieser  AfFaire  Theil  genommen 
zu  haben.  So  lange  dies  noch  nicht  erwiesen,  beschloss  General 
Abramow,  Nichts  gegen  diese  Begs,  die  sich  jetzt  sehr  gut  gegen 
ihn  verhielten,  zu  vuiternchmen,  sie  aber  scharf  zu  beobachten. 
Nachdem  er  den  Emir  noch  gebeten,  den  Sohn  bis  auf's  äusserste 
zu  verfolgen  und  in  die  Städte  Nür-Atta,  Karmina  und  Karschi 
eine  stärkere  Garnison  zu  legen,  entliess  er  die  zusammengezogenen 
Truppen  und  kehrte  am  22.  December  nach  Samarkand  zurück. 
Dieses  Zusammenziehen  der  Truppen  hat  das  Kesultat  gehabt,  dass 
die  Bewohner  der  vorzüglichsten  Städte  Bochära's  erklärten,  es  sei 
ihnen  uimiöglich,  Abdul-Melik  zu  unterstützen,  da,  sobald  er  eine 
Stadt  besetze,  dies  auch  sogleich  die  Ankunft  der  Russen  in  der- 
selben zur  Folge  habe.  Darauf  herrschte  sowohl  in  Turkestan 
wie  auch  in  Bochära  vollständige  Ruhe.  Seitdem  ist  auch  Emir 
Mozatter  der  ^Mann  der  Russen,  und  fliesst  über  von  Dankbarkeit 
und  Geschenken  an  seine  Beschüizer;  Ende  1869  sendete  auch 
er  seinen  vierten  und  jünsten  Lieblingssohn  Abdul-Fettah-Mirza, 
einen  zwölfjährigen  Knaben  mit  einer  Gesandtschaft  nach  St.  Peters- 
burg, theiis  um  den  Schutz  Knsslands  für  die  Zukunft  anzurufen,  theils 
um  den  laut  Friedensvertrag  an  die  russische  Regierung  schuldigen 
Tribut  zu  zahlen;  dagegen  soll  Russland  übernommen  haben  dem 
Prinzen  die  Thronfolge  in  Bochära  zu  sichern.  Der  Czar  empfing 
den  Sohn  und  die  Gesandtschaft  des  Emir  am  3.  November  1869, 
und  sprach  dabei  den  Wunsch  aus,  dass  die  freundschaftlichen 
Beziehungen  zwischen  Russland  uiul  Bochära,  ohne  Verschulden 
Russlands  unterbrochen ,  sich  wieder  befestigen  und  entwickeln 
möchten  ;  er  sehe  darin  dass  der  Emir  seinen  Sohn  gesendet  habe, 
einen  Beweis  für  die  Aufrichtigkeit  seiner  Versicherungen.  Hierauf 
überreichte  die  Ciesandtschaft  dem  russischen  Herrscherpaare  folgende 
Geschenke  des  Emirs  in  der  bei  den  turko-tatarischen  Völkern 
üblichen  Neunerzalil:    1)  Einen  Ring  mit  einem    Diamant    von    be- 


1)  Eine  nouo  Wendung  in  der  ccntralasiatischen  Frage,  von  H.  Viinr,6ry  (Allg. 
Zeitg.  1S69,  Nr.  3U8> 


Der  Kriegszug  nnch  Ramnrknnd.  123 

merken swerther  Grösse ;  2)  einen  Damenkopfputz,  mit  kostbaren 
Steinen  verziert;  3)  ein  silbernes,  mit  Türkisen  verziertes  Gescbirr  für 
die  binnen  kurzem  zu  erwartenden  vier  turkestäniseben  Hengste;  4)  drei 
Pelze  von  scbwarzem  Pfcrdefell ,  mit  dem  feinsten  Kasclimirstoft' 
überzogen ;  5)  drei  Pelze  von  grauen  Lämmerfellchen ,  mit  dem 
bocbäriscben  Stoffe   „Scbali"    überzogen;   6)  zwei   Kaschmirkleider; 

7)  ein    Stück    ungewöhnlich    feinen    und    vorzüglichen    Kaschmirs ; 

8)  achtzehn  Stück  dortigen  Seidenstoffes ;  9)  achtzehn  Stück  des 
„Attres"  genannten  Ilalbseidonstoffes.  Am  18.  December  verliess  die 
Gesandtschaft  die  Hauptstadt,  nicht  ohne  dass  vorher  der  Kaiser  die 
ihm  gemachten  Geschenke  in  entspechender  Weise  erwiedert  hätte.  Er 
übersendete:  für  den  Emir:  eine  Brillantfeder  zum  Turban,  ein  sil- 
bernes Thee-Service,  ein  Gewehr^  eine  bronzerne  Tischuhr,  und  einige 
Stücke  Seidenstoff;  dem  Sohn  des  Emirs,  Tura-Dshan:  einen 
orientalischen  Rock  von  SilberstoflP,  einen  mit  kleinen  Brillanten 
und  anderen  Steinen  verzierten  Gürtel;  ein  silbernes  Reisenecessaire; 
dem  Oheim  des  Emirs:  eine  mit  Brillanten  besetzte  goldene  Tabaks- 
dose mit  einer  Uhr,  einen  orientalischen  Rock  von  Sammet,  einen 
Revolver  und  einige  Stücke  Seidenstoff;  dem  Mirza-Mirarchur : 
einen  silbernen  Becher,  einen  orientalischen  Rock  von  Sammet, 
einen  Revolver  und  einige  Stücke  Seidenzeug;  dem  Secretär  der 
Gesandtschaft:  eine  goldene  Uhr  mit  Kette,  ein  Portefeuille,  einen 
Compass  und  einen  Rock.  Jeder  der  Diener  erhielt  einen  Rock 
und  eine   silberne  Uhr. 

Durch  den  Austausch  dieser  Geschenke  war  die  Freundschaft 
zwischen  Russen  und  Bochären  befestigt  imd  ist  dieselbe  seit- 
dem wenigstens  äusserlich  auch  nicht  gestört  worden.  Die  Russen 
trachteten  demnach  sich  in  Bochära  so  gut  als  möglich  häuslich 
einzurichten;  die  russischen  Soldaten  wanderten  in  den  Strassen 
von  Bochära  umher  ohne  von  der  Bevölkerung  belästiget  zu  werden; 
in  Samarkand  leben  sie  in  der  Citadelle,  nur  der  Befehlshaber 
wohnt  in  der  Stadt  selbst,  jedoch  so  dass  er  sich  imter  dem 
Schutz  der  Festung  befindet  imd  jeden  Augenblick  dahin  zu- 
rückziehen kann.  In  der  Stadt  selbst  ist  das  Leben  still  und  ge- 
fahrlos, und  die  Citadelle  in  einer  Weise  befestigt  dass  keine 
bochärische  Armee  sie  in  Gefahr  zu  bringen  vermöchte.  So  ver- 
hält es  sich  auch  mit  den  übrigen  Befestigungen  des  Landes.  Die 
Citadelle  in  Samarkand,  die  Paläste  des  Emirs  und  des  Beg  haben 
ihren  asiatischen  Charakter  nahezu  vollständig  verloron.  Der 
Palast  des  Emirs  ist  in  ein  Lazareth  und  Proviantmagazin  umge- 
wandelt worden,  während  im  Palaste  des  Beg  die  verschiedenen 
Verwaltungen  untergebracht  sind.  Die  Absicht,  die  Moscheen  in 
griechisch-orthodoxe  Kirchen  umzugestalten,  wurde  an  einer  Moschee 
wirklich  vollzogen.  Die  Officiere  der  Garnison  errichteten  sich 
einen   Club.      Dagegen  herrschte  besonders  anfänglich  ein   empfind- 


1'2-i  !*<"''  Kriogsziig  iincli  SnmnrkniiJ. 

lieber  ^Mangel  an  Kaufleutoii,  und  die  wenigen  vorhandenen  waren 
mit  allem  unnützen  Kram,  mit  Toilettegegenstiinden,  Kinderspicl- 
sachen,  buntem  Frauenflitter  u.  dgl.  m.,  nur  nicbt  mit  Dingen  ver- 
sehen, die  zum  täglichen  Verkehr  und  zum  Leben  gehören.  Was 
noch  an  ^laterial-  und  ^Manufactur-Waarcn  nach  langem  Warten 
erlangt  werden  konnte,  war  theils  halb  unbrauchbar,  theils  uner- 
schwinglich theuer,  oder  gar  beides  zusanmien.  Endlich  waren 
eine  Art  Restaurant  vorhanden  und  zwei  Bäcker,  ein  Tartar  und 
ein  Deutscher.  Später  verirrte  sich  sogar  ein  Taschenspieler,  und 
einige  Monate  darnach  ein  Italiener  mit  einem  liCierkasten  und 
einem  Aften  bis  in  das  Herz  von  Asien.  Anfangs  1870  begann 
eine  russische  Zeitung,  die  ,,Turkestanskija  Wicdomosti-',  für 
Turkestan  in   Taschkend  zu   erscheinen  ^). 

Während  die  Russen  sich  bemühton  die  Mängel  der  ersten 
Situation  in  den  neu  erworbenen  Ländern  nach  Kräften  zu  be- 
seitigen, war  ihr  Hauptaugenmerk  zugleich  auf  die  Ausbeute  ihrer 
natürlichen  Schätze  gelenkt.  Eine  zu  diesem  Rehufe  gegründete 
„Gesellschaft  zur  Belebung  von  Handel  und  Industrie''  verfolgte 
die  Idee  in  den  mittelasiatischen  Provinzen  Baum^\olle  zu  ziehen, 
um  sich  von  Amerika  unabhängig  zu  machen,  und  schickte  eine 
Deputation  an  den  Grossfürsten  Constantin  Nikolajewitsch  sowie 
an  den  Fürsten  Gortschakow,  damit  sie  sich  für  das  Baumwollen- 
jDroject  interessiren.  Beide  sagten  auch  ihre  Sympathien  zu.  Es 
liegt  im  Plane  der  weitausschauenden  Baumwoll-Enthusiasten,  dass 
der  Amu-Darjä  vom  Aralsee  ab-,  und  in  das  Kaspische  ISIcer,  bei- 
läufig seinem  alten  Bette  folgend,  hincingeleitet  werde.  Gleichzeitig 
ward  die  Herstellung  einer  stehenden  Verbindung  zwischen  Russ- 
land und  Turkestan  in's  Auge  gefasst,  und  zu  diesem  Zwecke  die 
]5enützung  von  drei  Strassen  A-orgeschlagen.  Die  erste,  eine  Eisen- 
bahn zur  Verbindung  Orenburgs  mit  Taschkend ,  erregte  wegen 
ihrer  schweren  Ausführbarkeit  unter  den  herrschenden  Verhält- 
nissen Bedenken,  und  es  ward  daher  einstweilen  von  dem  Projcct 
abgesehen.  Die  beiden  andern  Verkehrsstrassen  sind  Wasser- 
strassen, die  sich  auf  die  Schiff'barkeit  der  Flüsse  Ssyr-  und  Amu- 
Darjä  gründen.  Der  Wasserstrasse  des  Amu-Darjä,  die  von  der 
Wolga  durch  das  Kasjuschc  Meer,  die  turkestänische  oder  hyr- 
kanische  Stejjpe,  das  Chanat  Chiwa,  und  auf  dem  Amu-Darjä 
durch  Bochära  nach  Taschkend  uiul  Cliokan  führt,  wurde  als  der 
bequemsten  (?)   und    kürzesten  (V)   der    \'orzug  gegeben  -).      In    Ver- 


1)  Ausland  1870.  S-   114. 

2)  Vgl.  liicinit  den  Aufsatz  II.  Viinibery's:  Russlands  Plane  auf  die  Oälküste 
des  KnspiscUpn  Mccrc8  in  der  „Beil.  zur  Allg.  Zeitung"  186),  Nr.  36t,  dann:  Kückijlick 
auf  dir  Politik  der  auawär'.igen  Grossniilchtc  im  „Ausland"  1870,  S.  67—68,  und  abermals 
H.  Vambery:  die  russische  Handclsstrasse  auf  der  Ostküste  des  Kaspischen  Meeres  in 
der  -Beil.  zur  Allg.  Zeitung«  1870,  Mr.  3-1. 


Der  Krirgszug  nnch  Snmarkand.  125 

biiiduiig  damit  cutschied  man  sich  für  eine  Strasse  von  dem  öst- 
lichen Ufer  des  Kaspischen  INIceres,  und  zwar  von  der  Krasnowodsk- 
Ikicht  nach  dem  Amu-Darja,  imd  empfahl  deren  möglichst  schnelle 
Verwirklichung  auf  das  angelegentlichste.  Die  auf  dem  Kaspischen 
Meer  und  auf  der  Wolga  verkehrenden  Dampschiffe  würden  die 
Verbindung  mit  ^loskau  herstellen  ').  Freilich  gehört  zur  praktischen 
Nützlichkeit  dieser  Amu-Route  noch  ein  Umstand,  nämlich  der 
vollständige  Besitz  dieses  Stromes,  der  gegenwärtig  noch  zum 
grossen  Theile  das  Gebiet  des  von  Russlaud  nicht  unterworfenen 
Chanats   Chiwa  bewässert. 


1)  Siehe  über  dieses  Strassciipi-ojcet :  „Kusslands  Plane  auf  die  Ostküstc  des 
Kaspischen  SIccres"  von  II.  Yanibery.  (Beil.  der  Allg.  Zeitg.  186\  Nr.  3G4),  dann: 
desselben:  „Kussische  Ilnndelsslrasscn  auf  der  Ostküste  des  Kaspischen  Meeres."  (Beil. 
der  AIl^    Zeitg.  1870,  Nr.  31),  wo  die  Mängel  und  Nachtlieilc  dieser  Uoutc  erörtert  werden. 


XI.  Capitel. 

Die  Operationen  gegen  Cliiwa. 

Da  wohl  kaum  darüber  ein  Zweifel  bestehen  konnte ,  dass 
Russland  früher  oder  später  auch  jene  Strecken  des  Amu-I)arjä 
erwerben  müsse,  in  deren  Besitz  es  sich  noch  nicht  befindet,  so 
verfehlte  man  nicht,  die  Regierung  ziemlich  energisch  zur  Action 
zu  drängen;  Krasnowodsk  ward  wirklich  in  aller  Eile  zu  einem 
festen  Waifenplatze  eingerichtet  ^) ,  starke  Truppenabtheilungen  wur- 
den daselbst  zusammengezogen,  der  Generalgouverneur  von  Turkestän, 
General  v.  Kaufmann,  inspicirte  die  übrigen  befestigten  Plätze  und 
Hess  sie  angemessen  verstärken,  kurz  alles  deutete  auf  einen  bevor- 
stehenden Krieg  mit  Chiwa  hin,  und  dieser  würde  wohl  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  damals  zum  Ausbruch  gelangt  sein ,  wenn 
nicht  um  jene  Zeit  eine  Erhebung  der  nördlichen  Kirghisen  statt- 
gefunden hätte.  Diese  Bewegung  soll  von  den  donischen  Kosaken 
ausgegangen  sein ,  welche  der  neuen  Organisation  des  Kosaken- 
Heeres,  die  vom  Kriegsministerium  in  St.  Petersburg  beschlossen 
ward,  .sich  nicht  unterwerfen  wollten.  Die  Kalmyken  und  Kir- 
ghisen schlössen  sich  —  wie  sie  es  schon  in  früherer  Zeit  wieder- 
holt gethan  —  den  Kosaken  an.  ''^)  Nur  die  Kirghisen  im  Gebiete 
Turgai  blieben  ruhig ;  General  Leon  von  Ballusek  ^)  bewog  den 
Tschiklinskischen  Stamm,  die  neuen  A'erordnungcn  anzunehmen 
und  aus  Barsuki  nach  dem  Xomaden-Sommerterrain  aufzubrechen; 
dagegen     erstreckte     sich     die     aufständische     Bewegung     von    den 


1)  Am  10.  November  1869  ging  Gmoralstalsoborst  Stoljetow  mit  1  Bataillon  des 
88.  Daghcstän'schen  Regiments,  1  Sappeur-Commnndo  von  30  Mann,  70  Kosaken,  1  Zug 
Gebirgsartillerie  und  1  unbespannte  Division  Fcldartillerie  auf  2  Dampfschiffen  von 
Petrowak  am  Westufer  des  Kaspisees  ab  und  landete  am  17.  und  19.  November  an  der 
llucht  von  Krasnowodsk,  bei  dem  Thale  von  Kumodag,  wo  sich  die  Brunnen  Schagadam, 
Suidschekui  und  Balkui  befinden. 

2)  Hierbei  niuss  bemerkt  werden  dnss  die  (Ionischen  Kosaken  wie  die  Kalmyken 
und  Kirghisen  niemals  übermässig  treue  Untrrtbanen  Kusslands  gewesen  sind,  und  schon 
wiederholt  —  zumal  unter  Pugatschew  —  blutige  Aufstände  und  Kriege  hervorge- 
rufen  haben. 

3)  Präsident  der  Section   der  kais.  russ.  geographischen  Gesellschaft  zu  Orcnburg. 


Die  Oporationcn  gegen  Chiwa.  127 

donischen  Kosaken  auf  die  übrigen  kalmykischen  und  kirghisischen 
Steppenvülker  am  Don,  an  der  Wolga  und  längs  der  uralischen 
Grenze.  Die  Hauptmaclit  der  Rebellen  bewegte  sich  am  rechten 
Ufer  des  Uralflusses,  aufwärts  der  Stadt  Uralsk  zu,  die  in  Yer- 
theidigungszustand  gesetzt  worden  war.  Die  russischen  Ansied- 
lungen  in  jenem  europäisch-asiatischen  Grenzstrich  geriethen  natür- 
lich in  grosse  Aufregung,  und  viele  auf  dem  Fhichlande  und  in 
den  Stejjpen  zerstreute  russische  Familien  flüchteten  mit  ihrer  Habe 
nach  den  befestigten  Plätzen.  Die  16S  Mann  zählende  Besatzung 
von  Uralsk  erlag  einem  Ueberfall  von  etw-a  12.000  Mann  und  der 
Handel  lag  alsbald  gänzlich  darnieder,  die  Karawanen  vom  Ssyr- 
Darjä  hörten  auf  zu  verkehren.  Eigentliche  Befürchtungen  er- 
weckte indessen  die  Bewegung  nicht,  da  Russland  schon  so 
manchen  Aufstand  unterdrückt  hatte ,  und  der  Mangel  an  einheit- 
lichem Handeln  der  gegen  einander  feindselig  gesinnten  asiatischen 
Stämme  hoffen  Hess,  dass  der  Widerstand  ohne  grosse  Schwierig- 
keiten zu  überwinden   sein  werde. 

Allein  die  Rebellion,  welche  die  Russen  endlich  1869  für 
immer  niedergeworfen  zu  haben  glaubten ,  brach  mit  Eintritt  der 
wärmeren  Jahreszeit  1870  wieder  mit  aller  Heftigkeit  aus,  haupt- 
sächlich von  den  Chiwensern  unterstützt  und  genährt,  die  als  un- 
erbittliche F'einde  Russlands  beständig  bestrebt  sind,  den  russischen 
Interessen  den  grösstmöglichen  Schaden  zuzufügen.  So  hatte  denn 
Russland  fast  den  ganzen  Sommer  1870  zu  thun,  ehe  es  in  den 
weiten  Steppengebieten  die  Ruhe  wieder  völlig  herstellen  konnte. 
Das  Fort  Nowo-Alexandrowsk  am  Mertwyi-Kultuk-Busen  des 
kaspischen  Meeres  ward  zuvor  noch  von  den  Kirghisen  genommen 
und  verbrannt,  die  Garnison  aber  niedergemacht.  Diese  Nachricht 
spornte  natürlich  die  russischen  Befehlshaber  zu  erneuerter  Thätig- 
keit  an  und  es  gelang  ihnen  endlich  des  Aufstandes  Herr  zu 
werden;  der  eigentliche  Kriegszug  gegen  Chiwa  ward  aber  durch 
diese  langwierigen  Operationen  bis  auf  die  Gegenwart  verschoben. 
In  diesem  Augenblicke  rüsten  sich  die  Russen,  so  scheint  es,  das 
letzte  Bollwerk  der  mittelasiatischen  Völker  turkomannisch-tatarischer 
Race,   das   Chanat   von   Chiwa,   zu   bewältigen. 

Während  dieser  Vorgänge  in  der  Kirghisensteppe  hatten  sich 
in  den  Chanaten  die  Dinge  anscheinend  wenig  geändert.  Bochara 
hatte  sich  seit  zwei  Jahren  mit  merklicher  Ruhe  in  sein  unab- 
wendbares Geschick  gefügt,  während  der  frühzeitige  und  wahr- 
scheinlich gewaltsame  Tod  des  Kette  Tore  eine  grosse  Fraction 
der  unzufriedenen  Mollahs  hatte  verstummen  lassen.  MozafFer  Eddin 
indess ,  trotz  seiner  ostentativen  Freundschaft  für  die  Russen 
und  besonders  für  den  Generalgouverneur  v.  Kaufmann  hoffte  im 
Stillen  immer  noch  auf  Rückerlangung  seiner  früheren  Macht,  wie 
aus  den  Missionen  hervorgeht,    welche  er  an  die  Höfe  von  Kabul 


1^8  i3it  Operationen  gpgftn  Cliiwa. 

niul  Constantinopol  absandte.  Antlors  lagen  die  Dinge  in  Chokan. 
Clnidayar-Chan  war  von  Jugend  her  als  Tölpel  und  Wüstling  be- 
kannt und  Hess  es  sich  in  seinen  alten  Tagen  im  Schatten  der 
russischen  Suzeränität  recht  wohl  ergehen;  an  seinem  Hofe  wurde 
sogar  ein  recht  munteres,  sorgenloses  Leben  geführt.  Chiwa  allein 
verhielt  sich  wie  von  jeher  feindselig  gegen  Russland.  Diesen 
Staat,  räumlich  den  ausgedehntesten  der  drei  Chanate,  denn  seine 
Südgrenze  wird  durch  den  Nordrand  der  iranischen  Gebirgskette 
bis  Herat  gebildet,  hatten  stets  die  Engländer  für  ihre  Interessen 
zu  gewinnen  getrachtet,  da  er  so  zu  sagen  der  Schlüssel  ist  zu 
der  für  sie  hochwichtigen  Position  von  Herät.  Die  Missionen 
Conolly's,  Abbott's  und  Shakesiiears  in  früheren  Jahren  hatten 
keinen  anderen  Zweck  gehabt.  Auch  in  Chiwa  herrscht  ein  blöder 
Fürst,  Feld  INIuhammed  Chan,  dessen  Bruder  stets  von  Ojiium 
betäubt  ist.  Die  inneren  Zustände  des  Chanats  sind  arg  zerrüttet; 
die  Centralgewalt  der  Regierung  ist  viel  schwächer  als  in  Bochrira, 
die  Beamten-Aristokratie,  die  sogenannten  Sipahis ,  gänzlich  ver- 
armt und  dadurch  machtlos.  Im  grossen  Ganzen  scheinen  die 
Russen  von  den  Usbekenstaaten  wenig  zu  besorgen  zu  haben ,  ja 
sie  fanden  sich  sogar  veranlasst  für  den  Emir  Mozaffer  Eddin  eine 
kleine  Eroberung  zu  machen. 

Seitdem  sie  dem  Emir  von  Bochilra  wider  seinen  Sohn  und 
die  mit  diesem  verbündeten  Beg's  von  Schehr-i-ssebs  beigestanden, 
war  das  Verhältniss  zwischen  Russland  und  diesem  kleinen  aber 
unruhigen  Staate  ein  feindliches  geblieben.  Im  Laufe  des  Sommers 
1870  unternahm  nun  der  in  Samarkand  stationirte  russische  General 
Abramow  eine  wissenschaftliche  Expedition  nach  Westen  hin,  um 
das  Quellgebiet  des  Zerafschan  zu  durchforschen;  er  musste  hiezu 
eine  grössere  Anzahl  Kosaken  mitnehmen,  und  Samarkand  dadurch 
etwas  entblössen.  Der  Zweck  der  Expedition  wurde  auch  erreicht; 
am  25.  Mai  war  die  Quelle  des  Zerafschan  aufgefunden.  Während 
Abramow"  auf  dieser  Expedition  abwesend  war,  glaubten  die  Begs 
von  Scher-i-ssebs  den  Augenblick  gekommen,  um  ohne  Gefahr  i)lün- 
dernd  in  das  Gebiet  von  Samarkand  eindringen  zu  können.  Unter 
einem  gew-issen  Aidar-Chodschi  überfielen  sie  die  Kosakenstationen 
im  Altyn-Dagh ,  plünderten  die  Grenzdörfer  und  vertrieben  deren 
Bewohner.      Jetzt  musste  energisch  vorgegangen   werden. 

Im  Anfang  August  1870  wurde  ein  Theil  der  Besatzung 
Samarkands  zum  Kriegszug  aufgeboten.  General  Abramow  erhielt 
den  Autrag,  mit  1  Bataillon  Infanterie,  2  Sotnien  Kosaken  und 
8  Geschützen  die  ILauptstadt  von  Scher-i-ssebs,  Kitab  zu  erobern. 
Gleichzeitig  wurde  eine  kleinere  Truppenabtheilung  unter  Oberst- 
lientenant  Sokawnin  nach  der  Schlucht  von  Kara-Tjabe  abge- 
sandt. Der  Feldzug  glückte  über  Erwarten.  Kitab,  welches  für 
Uneinnehmbar  galt,   ward   am   14.  Aug.   erstürmt,   wobei   die  Russen 


bic  Operationeir  gogeii  Chiwa.  12') 

1  todten  und  8  verwundete  Ofliciere,  18  todte  und  100  verwundete 
Soldaten  verloren.  Die  andern  Orte  von  Sclier-i-s?<ebs  ergaben  sieh 
nun   ohne  Schv^-ertstreich. 

Es  war  nicht  die  Absicht  der  Russen ,  den  kleinen  Staat 
einzuverleiben,  aber  selbständig  sollte  er  auch  nicht  bleiben.  Sie 
übergaben  ihn  daher  seinem  frühern  Herrn,  dem  Emir  von  Bochära, 
der  die  festen  Plätze  auch  nach  dem  Abzüge  der  Russen  besetzte. 
Scher-i-ssebs,  das  von  der  Karte  jetzt  zu  streichen  ist,  steht  damit 
aber  völlig  unter  russischem  Eintluss,  und  der  Emir  muss  es  sich 
gefallen  lassen,  dass  gelegentlich  seine  Bochärcn  durch  die  Kosaken 
wieder  abgelöst  werden.  ') 

Wichtiger  aber  als  die  drei  Chanate  war  der  im  benachbarten 
Ostturkestan  erstandene  Staat  des  Atalik  Gliazi  geworden.  Yakub 
Beg  hatte  längst  seine  Herrschaft  über  das  CJebiet  von  Altyschar. 
der  ehemaligen  „sechs  Städte''  ausgedehnt  und  sich  allmälilig  zum 
Herrn  des  grössten  Tlieiles  von  Tian-Schan  Nan-Jju  gemacht. 
Neben  dem  Reiche  des  Atalik  ühazi  bestand  in  der  Dsungarei  nur 
noch  das  Chanat  von  Kuldscha,  welches  gleich  jenem  des  Kuschbegi 
dergros.sen  muhammedanischen  Erhebung  der  Dunganis  im  Jahre  lS(i4 
seinen  Ur.sprung  rerdankte.  Die  chinesische  Regierung,  mit  der 
Bekämpfung  der  Taiping  vollauf  beschäftigt,  überlies  die  Dsungarei 
den  Rebellen,  welche  wie  wir  oben  erzählt,  einestheils  unter  dem 
Chokanzen  Yakub  Beg  den  Staat  von  Kaschgar  errichteten,  anderer- 
seits in  den  hauptsächlich  von  Mongolen  bewohnten  Laiulestheilen 
ein  Oberhaupt  ihrer  eigenen  Nation  wählten,  Namens  Abal  OghlAn, 
der  seine  Residenz  in  Kuldscha  aufschlug.  )  Der  Ijcdeutendere 
der  zwei  Staaten  blieb  aber  zweifelsohne  Kaschgar,  dessen  Nähe 
zu  den  neuen  russischen  Erw  erbungen  in  Mittelasien  leicht  zu  un- 
liebsamen Einmischungen  Anlass  geben  konnte.  Zudem  ist  die 
Rolle  des  Atalik  Ghazi  den  Russen  gegenüber  bis  zur  heutigen 
Stunde  eine  im  höchsten  CJrade  zweideutige  gewesen.  Wie  er- 
wähnt, hatten  die  Russen  nach  dem  Besuche  des  Capitän  Reinthal 
in  Kaschgar  ein  Fort  am  Naryn  errichtet,  das  nur  8  ^Meilen  von 
der  Hauptstadt  des  Kuschbegi  entfernt,  von  diesem  natürlich  nicht 
mit  freundlichen  Blicken  betrachtet  wurde.  Er  begaim  daher  nüt 
den  Engländern  zu  liebäugeln  und  empfing  einige  brittische  Privat- 
reisende, wie  Hayward  und  Shaw  mit  ausnehmender  Zuvorkommen- 
heit; ja  er  äusserte  sich  diesen  gegenüber  ganz  unumwunden, 
nichts  wäre  ihm  erwünschter  mid  sehnlicher  als  eine  Connexion 
mit  der  englischen  Regierung  in  Indien.  Da  einerseits  englische 
Waarenballen  in  den  Bazaren  von  Yärkand  und  Kaschgar  noch 
immer   zu    den    grössten     Seltenheiten    gehören,    anderentheils    die 


1)  Dor  Feldr.ug  der  Russen  gegen  Scheriaeljs.     („Allg.  Ztg."  1870  Nr.  2;)G.) 

2)  Die  Rusaen  in  Centralasien.    („Allg.  Ztg.«  1873  Nr.  29.) 

16 


130  Öie  Öpcraliönen  gegen  Clnwfl. 

politische  Wichtigkeit  eines  guten  Einvernehmens  mit  dem  in  der 
russischen  Flanke  herrschenden  Atalik  Cihazi  zu  sehr  in  die  Augen 
sprang,  entschloss  sich  die  brittische  Kegierung  in  Calcutta  zu 
einer  Mission  an  den  Hof  von  Kaschgar.  Herr  T.  Douglas  Forsyth, 
politischer  Commissär  zu  Dschelender,  begleitet  von  dem  Reisen- 
den R.  Shaw  und  dem  indischen  Kaufmann  Tara  Singli  wurde  mit 
dieser  wichtigen  Sendung  betraut,  bei  welcher  indess  die  Engländer 
Fehler  auf  Fehler  häuften.  Nicht  nur  in  der  Zeit  beschränkt,  ward  die 
Mission  auch  noch  mit  kärglichen  Geldmitteln  ausgestattet.  Als 
sie  dann  vollends  durch  den  ^'errath  der  Kaschmirer  Beamten, 
wobei  der  Maharadscha  selbst  nicht  ganz  rein  gewaschen  werden 
kann,  in  den  unwirthbaren  Gegenden  des  Tschaiig-Tschenmo-Passes 
bald  ausgehungert  wurde  und  nur  bis  Yarkand  vorgedrungen  das 
Missgeschick  hatte,  dort  eben  während  der  Abwesenheit  des  Kusch- 
bcgi  einzutreflen,  musst^  dieselbe  nach  einem  höchstens  vierwüchenl- 
lichen  Aufenthalte,  den  sie  ühcrdiess  in  einer  ehrenhaften  Gefangen- 
schaft zubrachte ,  ohne  den  Atalik  Ghazi  auch  nur  gesehen  und 
die  nüthigen  Stipulationen  mit  ihm  vereinbart  zu  haben,  völlig  un- 
verrichteter  Dinge  wieder  heimkehren.  Die  brittische  Mission  war 
also  total  gescheitert,  wohl  zunächst  in  Folge  der  Kurzsichtigkeit 
der  englischen  Diplomatie.  Ob  Yakub  Chan  seinerseits  dabei  einem 
russischen  Winke  gehorcht  habe,  müssen  wir  dahingestellt  lassen. 
Diess  geschah    1870. 

Mochte  dem  nun  sein  wie  inuuer,  keinesfalls  war  Yakub 
Chan's  Gehorsam  gegen  die  Russen  autrichtig,  wie  die  späteren 
Ereignisse  lehren.  Er  versöhnte  sich  nämlich  mit  dem  Fürsten 
von  Bochära ,  dem  er  seit  mehreren  Jahren  feindlich  gesinnt  ge- 
wesen,  und  wusste  dessen  geheime  Wünsche  so  rege  zu  machen, 
dass  beide  gemeinschaftlich  gegen  Russland  Stellung  nahmen,  indem 
sie  eine  Armee  von  29.000  ^lann  an  die  russische  Grenze  vorrücken 
Hessen.  Diesem  Bunde  sollten  noch  die  Chane  von  Chokau  und 
Chiwa  beitreten,  mit  Einem  Worte  die  islamitischen  Fürsten  der 
russisch-centralasiatischen  (irenzgebiete  in  gewaltiger  Liga  zum 
„heiligen  Kriege"  gegen  die  Christeufeinde  sich  verbinden.  Lange 
Unterhandlungen  erfolgten  daher  am  Hofe  zu  Kaschgar,  denv 
Mittelpunkte  der  Coalition,  deren  Absichten  indessen  den  Russen 
nicht  verborgen  blieben.  Diese  führten  denn  zunächst  einen  Schlag 
aus,  der  den  Atalik  (Jhazi  stutzig  zu  machen  geeignet  war.  Sie 
besetzten  nämlich  das   ihm   benachbarte   Chanat  Kuldscha. 

Die  Russen  hatten  schon  seit  lange  ihre  Augen  auf  dieses 
Land  geworfen.  Schon  in  dem  am  G.  August  1851  in  Kuldscha 
abgeschlossenen  Vertrage  hatte  die  chinesische  Regierung  den 
russischen  Karawanen  den  Verkehr  in  dieser  westlichen  l'rovinz 
gesfiitlet  und  bald  wurden  die  Städte  Tschugutschak  luid  Urumtsi 
die   Knoteupuidcte    eines    ausgedehnten    Verkehrs.      Im  Jahre    1854 


Die  Operationen  gegen  Cliiwa.  131 

schon  führte  Riissland  aus  dem  ersteren  Orte  Thee  im  Werthe 
von  1.600.000  Rubel  ein  und  setzte  daselbst  Mannfakturen  für 
500.000  Rubel  ab.  Allein  1855  fielen  Mongolenhorden  in  diese 
Gegend  ein  mid  zerstörten  diese  ^viehtige  Faktorei.  Später  wur- 
den die  früheren  Handelsverbindungen  wieder  aufgenommen,  er- 
reichten aber  die  vormalige  Entwicklung  nicht  und  der  Pungani- 
Aufstand  1864  unterbrach  sie  gänzlich.  Der  neue  Herrscher  Abal 
Oghlän  zeigte  sich  den  Russen  auch  nicht  freundlich ,  er  duldete 
die  Einfälle  seiner  Unterthanen  in  die  benachbarten  russischen 
Provinzen ,  hetzte  die  Kirghisen  zur  Empörung  auf  und  brach  alle 
Beziehungen  zu  den  russischen  Handelsleuten  ab.  Die  Regierung 
von  St.  Petersburg  beschloss  daher,  auf  den  oben  erwähnten  \er- 
Irag  sich  stützend,  energische  INIassregeln  gegen  den  widerhaarigen 
Nachbar  zu  ergreifen.  Anfangs  INlai  1871  überschritt  der  ^lajor 
Balitzki  mit  einer  kleinen  Triippenabtheilung  den  Fluss  Borodschudsir, 
der  die  Grenze  zwischen  beiden  Gebieten  bildete,  um  das  feind- 
liche Gebiet  zu  recognosciren.  Gegen  Ende  Juni  begannen  die 
grösseren  Operationen  unter  dem  Befehl  des  General  Kolpakowski 
mit  einem  Corps,  welches  jedoch  nicht  mehr  als  1785  Mann 
und  63  Ofticierc  zählte.  Aber  die  russischen  Präcisionswafl'en  er- 
rangen überall  den  Sieg.  Am  4.  Juli  1871  schon  verliess  Abal 
üghliin  seine  Hauptstadt  und  begab  sich  in's  Hauptquartier  des 
russischen  Generals.  „Ich  vertraute"  sprach  er  zu  diesem,  ,, auf 
„die  Gerechtgkeit  meiner  Sache  und  auf  den  Beistand  (Jottes. 
,.Besiegt  —  unterwerfe  ich  mich  dem  Willen  des  Allmächtigen. 
„Ist  irgend  ein  Verbrechen  begangen  worden  ,  so  strafe  den  Souverän, 
„verzeihe  aber  seinen  unschuldigen  Unterthanen.''  Am  folgenden 
Tage  hielt  der  siegreiche  General  seinen  Einzug  in  Kuldscha  nach 
einem  Feldziige  der  nur  acht  Tage  gedauert  hatte.  Er  versprach 
allen  jenen  Schutz ,  welch*»  die  Waffen  niederlegen  würden.  Die 
200  INIann,  welche  von  der  Armee  .'\bal  Oghhln's  übrig  geblieben 
waren ,  wurden  von  diesem  unverzüglich  entlassen  und  eilte  jeder 
in  seine  Heimath.  Zwei  Stunden  darauf  herrschte  vollkommene 
Ordnung  in  der  Stadt  und  die  Kaufläden  wurden  wieder  geöffnet. 
Die  Dsungarei  war  eine  russische  Provinz,  ')  für  „ewige  Zeiten" 
mit  dem  INIutterlande  vereinigt,  indem  Russland  die  Herrschaft 
des  einheimischen  P^'ürsten  für  erloschen  erklärte ,  dem  Chan  Abal 
Oghlän  für  seinen  künftigen  Wohnsitz  die  russische  Stadt  Orel 
anwies  und  sein  Land  mit  dem  Namen  „Priilinsker  Generalgouver- 
nement" beschenkte.  Auch  hier  lässt  sich  nicht  läugnen ,  dass 
die  Eroberer  die  Segnungen  der  Civilisation  in  die  barbarischen 
Länder  bringen.  So  hat  General  Kolpakowski  gleich  nach  der 
Besetzung    Kuldscha's   die    Sklaverei    daselbst    für    aufgehoben    imd 

1)  Die  Russen  in  Co.itmlasicn.     („Allg.  Ztg."  1873  Nr.  29-) 


132  r)ic  Opcrntioncn  gogon  Cliiwa. 

jeden  bisherigen  Sklaven  —  es  ^varen  iln-er  etwa  75.000  —  für 
frei  orklärf. 

Mnssten  zwar  diese  Ereignisse  im  l)enachl)arten  Kaschgarien 
die  Kriegsgelüste  wesentlich  herahstininien ,  so  blieb  doch  General 
V.  Kanfniann  in  Tnrkestan  desshalb  nicht  nnthätig,  sondern  rüstete 
mit  allen  Kräften ,  besonders  gegen  Chiwa ,  welches  schon  im 
November  1871  die  Feindseligkeiten  am  kaspischen  Meere  eröifnetc. 
Die  Russen  besetzten  einen  Punkt  (die  Insel  Kalaly?)  und  woll- 
ten eben  ein  Fort  anle  :en ,  als  der  chiwanische  Feldherr  Ali 
ArasJan  mit  bedeutenden  Streitkräften  erschien  und  sie  vertrieb. 
Damit  nicht  zufriechMi,  sendete  Chiwa  zu  den  Ötcpponstämmen  der 
Usturt-IIochebene  mehrere  Truppenabtheilungen  mit  dem  Auftrage, 
dort  im  Xamen  des  Chans  von  Chiwa  die  Steuern  zu  erheben, 
und  alles  Land  südlich  vom  Emba-Flussc  als  zum  Chanate  Chiwa 
gehörig,  zu  erkläi'en;  es  schien  demnach  kaum  zweifelhaft,  dass 
Chiwa  schon  im  Frühjahre  1(S72  den  Kampf  beginnen  werde,  zu 
welchem  seine  fanatischen  INIollahs  treiben ,  während  ein  ganzes 
Heer  von  Flüchtlingen  aus  dem  von  den  Russen  besetzten  Theilc 
Turkestans   das  Volk   für  den  heiligen   Kampf  entflammte. 

Da  gelang  es  den  Anstrengungen  v.  Kaufmannes  nochmals 
die  drohende  Coaliton  der  centralasiatischen  Fürsten  durch  seinen 
Einfluss  auf  den  Chan  von  Chokan  zu  zersprengen.  (ileichzeitig 
ward  Chiwa  dadurch  unschädlich  gemacht,  dass  die  russische 
Politik  T.^nruhen  im  Gebiete  des  Chanates  hervorrief.  Durch 
russischen  Einfluss  erhoben  sich  die  Turkomanen,  worunter  einige 
Stämme,  wie  beispielsweise  jener  der  Ogurdschali  auf  der  Insel 
Tschüleken.  für  die  Russen  viele  Sympathien  besilzen,  unter  Führung 
des  Manuiral  Beg  gegen  den  Chan,  bedrohten  die  Hauptstadt  und 
machten  so  jede  Action  nach  Aussen  unmöglich.  Der  Grund  ihres 
Aufstandes  war  Steuerverweigerung.  Chiwa  nunmehr  im  eigenen 
Lande  beschäftigt,  konnte  sich  der  Coalition  gegen  Russland  nicht 
mehr  anschliossen ,  ja  es  war  momentan  sogar  genöthigt,  die 
Freundschaft  der  Russen  nachzusuchen ,  um  deren  Angrifl"  auszu- 
weiciicn.  Desshalb  sandte  der  Chan  rasch  eine  Deputation  an  den 
Czar  um  freundschaftliche  Verbindungen  anzuknüpfen.  Nachdem 
jiun  die  Coalition  nicht  zu  Stande  gekommen  hielten  es  Bochära 
und  Kaschgar  selbstverständlich  fth*  klug  nicht  allein  gegen  Russ- 
land vorzugehen  und  ihre  kriegerischen  Gelüste  auf  gelegenere  Zeit 
/A\   verschieben. 

Indessen  waren  die  Russen  durch  die  Eroberung  Kuldscha's 
in  noch  grössere  Nachbarschaft  zu  Yakub  I?eg  gekommen  und  Ije- 
schlossen  vorläufig,  den  renitenten  Kuschbegi  auf  gütlichem  \Vegc 
zum  (tehorsam  zu  bringen.  So  Überschrift  denn  eine  russische 
Gesandtschaft  unter  Leitung  des  Baron  Kauli)ars ,  eines  in  den 
ccntralai-iatischon   Angelegenheiten  sehr  erfahrenen  Diplomaten,   be- 


Die  OpcraHoncn  gogcn  Cliiwa.  133 

stehend  aus  mehreren  ^litgliedeni,  welche  wissenschaftliche  und 
commercielle  Zwecke  verfolgten,  gegen  Mitte  Mai  1872  den  Naryn, 
um  mit  dem  Atalik  Ghazi  einen  Handelsvertrag  abzuschliessen  und 
feste  F'reundschaftsvcrhältnisse  anzuknüpfen.  Dieser  Gesandtschaft 
wurde  nun  von  Seite  des  eben  so  schlauen  als  gleissnerischen 
Kuschbegi  der  allerwärmste  Empfang  zu  Theil.  Von  der  Grenze 
bis  Kaschgar  schlössen  sich  derselben  mehrere  vorausgeschickte 
Ehrenwachen  an  und  der  Herrscher  Ostturkestäns  sprach  in  der  er- 
sten Audienz  zu  Baron  Kaulbars  :  „Setzet  euch  wohin  Ihr  nur  wollt, 
auf  meine  Knie,  auf  meinen  Busen  ,  denn  Ihr  seid  Gäste  die  mir 
der  Himmel  geschickt.';  So  wie  die  ^Vorte  war  auch  die  Be- 
handlung, Avelche  der  Gesnndtschaft  zu  Theil  wurde,  eine  überaus 
freundliche.  Die  Russen  durften  sich  im  Gegensatze  zu  den  Eng- 
liindern  frank  und  frei  bewegen;  ja  zwei  Kaufleute  erhielten  Er- 
laubniss  und  Schutz  zu  einer  Keise  nach  Yärkand  und  Chotcn. 
Selbst  eine  militärische  Revue,  welche  Baron  Kaulbars  sich  aus- 
bat, wurde  bewilligt  und  äusserte  sich  Yakub  Beg  dabei:  „er  be- 
trachte die  Russen  als  intime  Freunde,  sonst  hätte  er  ihnen  nicht 
seine  Streitkräfte  gezeigt.  Feinden ,  so  meinte  er ,  pflege  man 
seine  Verhältnisse  nie  kund  zu  geben. "  So  konnte  denn  auch 
leicht  ein  Handelsvertrag  abgeschlossen  werden,  worin  sich  der 
Atalik  Ghazi  verpflichtete,  den  handelspolitischen  Interessen  Russ- 
lands nicht  hindernd  in  den  Weg  zu  treten.  Mit  einer  Höflich- 
keit sondergleichen  bestand  Yakub  Chan  darauf,  dieses  Aktenstück 
am  21.  Mai  (alten  Styls)  als  am  Namenstage  des  Grossfürsten 
Constantins  zu  unterfertigen.  Als  die  Russen  sich  verabschiedeten, 
zerfloss  er  in  Zärtlichkeit  und  gestand  ganz  off'en,  dass  er  von  Seite 
Englands  schon  früher  um  Freundschaft  angesucht  worden  sei, 
doch  fühle  er  sich  mehr  zu  seinem  guten  und  mächtigen  Nachbarn, 
dem  Czar  gezogen  und  nur  mit  diesem  wünsche  er  in  Frieden  zu 
leben.  Bald  hierauf  erschien  auch  in  Taschkend  der  Abgesandte 
Yakub  Chan's ,  Namens  ]\Iirza  ]Mulii-ed-din-]Maasum ,  als  Ueber- 
bringer  der  unterzeichneten  Stipulationen  und  war  vom  General 
v.  Kaufmann  mit  gebührender  Feierlichkeit  empfangen.  Diess 
alles  hinderte  nicht,  dass  kaum  ein  halbes  Jahr  später  der  ver- 
logene Asiate  ^vieder  eine  Russland  feindliche  Haltung  annahm. 

Die  Chiwaner  hatten  unterdessen  fortgefahren ,  russische 
Karawanen  zu  berauben  und  in  die  Kirghisensteppe  plündernd  ein- 
zufallen ;  zudem  verweigerten  sie  die  Freilassung  von  etwa  vierzig 
gefangenen  Russen ,  welche  schon  vor  etwa  einem  Jahre  von  den 
Grenzstämmen  gefangen  genommen  und  dem  Chan  von  Chiwa  aus- 
geliefert worden  waren.  Nach  chiwanischer  Darstellung  hätte  der 
Chan  an  die  russische  Regierung  das  Verlangen  gestellt,  ein  Ueber- 
einkommen  mit  ihm  zu  schliessen,  in  welchem  sich  beide  Theile 
verpflichten  sollten,   sich  gegenseitig  nicht  zu   beunruhigen  und  ihre 


134  Die  Operationen  gegen  Cliiwa. 

rcsppctiven  Gebiete  nicht  zu  verletzen.  Bald  darauf  langte  eine 
Älission  (lus  Eussland  in  Chiwa  an  und  forderte  die  Freigebung 
der  Gefangeiieu.  Einige  derselben  Avurden  eiitlusscn  inid  die 
russische  Mission  verständigt,  der  Rest  Avürde  nach  Abschluss 
des  erwähnten  Uebereinkonunens  ebenfalls  in  Freiheit  gesetzt 
werden.  Pie  russischen  Autoritäten  waren  jedoch  mit  diesem 
Vorgehen  nicht  einverstanden  und  erklärten  sich  für  nicht  befriedigt. 
Die  Gerüchte  von  militärischen  Bewegungen  von  Seite  Russlands 
beunruhigten  aber  den  Chan  und  veranlassten  ihn  bei  der  brittischen 
Regierung  in  Indien  Rath  zu  erbitten.  Der  Vicekönig  empfing  zwar 
den  usbekischen  Diplomaten,  der  nebst  dem  Rathe  wohl  auch  that- 
sächliche  Hilfe  nachgesucht  haben  mochte,  erthoilte  ihm  aber  den 
einzigen  unter  solchen  Umständen  möglichen  Rath,  der  gerechten 
Forderung  des  Czaren  zu  willfahren.  "Wie  es  scheint ,  faiul  aber 
dieser  Wink  keine  Beachtung.  Jedenfalls  trug  auch  diese  Angelegen- 
heit bei,  dass  Russland  sich  endlich  entschloss  Ernst  zu  machen  und 
zur  Sicherinig  seines  Handels  das  Chanat  Chiwa  mit  Gewalt  zu 
unterwerfen.  Im  Herbste  1S72  ging  eine  grössere  Expedition, 
aus  14  Compagnien  Infanterie,  3  Öotnien  Kosaken  und  "20  Feld- 
geschützen zu  diesem  Behüte  ab.  Unter  der  Führung  des  tapfern 
und  unisichtigen  Obersten  INIarkosow  führte  dieses  Detachement  von 
Krasnowodsk  behufs  Recognoscirung  eine  Bewegung  in  die  trans- 
kaspische Steppe  aus,  drang  bis  zum  Brunnen  Ortaku  (Urtalajn) 
vor,  der  etwa  300  Werst  östlich  vom  Balkangobirge  liegt,  wandte 
sich  dann  südlich  imd  begab  sich,  nachdem  es  die  Turkmenen  für 
ihre  frühere  feindselige  Haltung  durch  Zerstörung  einiger  Aule  im 
District  Ushamala  bestraft  hatte,  nach  dem  Fort  Kyzyl  Arwat  das 
1870  zerstört  worden  ist.  Dort  traf  es  am  30.  October  1872  ein. 
Dieser  Recognoscirungszug  gab  Veranlassung  zu  den  abenteuer- 
lichsten Gerüchton;  sei  es  nun,  dass,  wie  Einige  wollen,  diese 
kleine  Expedition  mis.sglückte ,  sicher  ist,  dass  die  Chiwaner  die 
Ofl'ensive  ergriffen  und  die  ganze  Steppe  bis  Orenburg  in  Bewegung 
setzten.  Der  23jährigc  Chan,  ein  verwegener  Hordenhäuptling 
brach  sogar  mit  8000  seiner  Steppenpiraten  über  die  russischen 
(irenzen.  Erst  bei  dieser  Nachricht  entschied  man  sich  in  St. 
Petersburg  zu  ernsterem  Handeln;  mit  Beginn  des  Jahres  1873, 
nach  Rückkehr  des  mittlenveile  nach  St.  Petersburg  verreisten 
(iencral  v.  Kaufmann  sollte  unter  der  I>eitung  dieses  erprobten 
Führers  wirklich  der  Anfang  mit  den  Kriegsojjorationen  gemacht 
werden*  ')   Der   Angriff  wird    im    Osten  Chiwa's    erfolgen,    inid   zwar 


1)  Wir  lassen  hier  vergleichsweise  die  englische  Darstellung  des  „Diily  Telegraph" 
folgen,  die  wir  dem  „Wanderer"  vom  16.  Januar  1873  entnehmen:  „Die  rnssischc  Re- 
gierung hat  ein  doppeltes  Motiv  für  ihre  neno  Invasion  von  Chiwa:  Die  politischen  Be- 
schwerden, welche  die  scheinbare  Rechtfertigung  des  ersten  Angriffes  bildeten,  und  der 
Wunsch,    oder   richtiger  die  Nothwendigkcit,    den  Vorwurf   eines    militärischen  Fiasko's 


Die  Öpprationcn  gegen  Chiwn.  135 

zugleich  mit  einer  Maclitentfaltuiig,  die  keinen  Zweifel  am  Erfolg 
gestattet.  Vor  April  oder  Mai  d.  J.  wird  man  sonach  wohl 
kaum  von  wirklichen  Resultaten  der  chiwanischen  Expedition 
zu  hören  bekommen. 


auszuwischen.  Sich  weigernd,  die  vom  Chan  von  Chiwa  übersandten  Versöhnungsbot- 
Bchaften  anzunehmen,  und  entschlossen,  den  grössten  Yortheil  aus  dem  Unrecht ,  das  sie 
dessen  Regierung  aufbürden  konnte,  zu  ziehen,  sandte  Russland  eine  Truppencolonne 
als  Recognoscirungscorps  in  das  zwischen  dem  kaspischen  Meere  einerseits  und  dem 
Aralsee  und  dem  Flusse  Amu-Darja.  andererseits  gelegenen  Territorium.  Diese  unter 
dem  Commando  des  Obersten  Markosoff  stehende  Streitmacht  hatte  Instructionen  ,  so 
nahe  wie  möglich  bis  zur  Stadt  Chiwa  vorzudringen  und  sogar,  wenn  Glück  das  Unter- 
nehmen begünstigte,  den  Platz  selber  zu  occupiren.  Die  Wichtigkeit  einer  solchen  Ex- 
pedition konnte  kaum  überschätzt  werden,  denn  die  chiwanische  Hauptstadt  beherrscht 
den  unteren  Lauf  des  Amu-Darja  bis  zum  Aralsee  hin  und  bildet  einen  höchst  wichtigon 
Punkt  für  die  Leitung  m  litärischcr  Operationen  gegen  die  afghanische  oder  persische 
Grenze  zu.  Während  Oberst  Markosoff  s  Colonne  über  die  zwischen  der  russischen  Grenze 
und  der  Stadt  Chiwa  liegenden  Steppen  marschirte,  wurde  ihr  Vonücken  durch  die 
Truppen  des  Chan's  in  der  unstetigen  Kriegführung,  an  die  sie  am  besten  gewöhnt  sind, 
gehindert  und  beunruhigt,  indess  nur  mit  geringer  Wirkung;  aber  schliesslich  nahm  der 
Angriff  der  Eindringlinge  die  Gestalt  einer  Ueberrumpelung  an,  die  in  der  Wegnahme 
der  russischen  Kameele  und  Bagage  resultirte.  Ihrer  wesentlichen  Mittel  zur  Führung 
der  Campagne  somit  beraubt,  blieb  dem  Recognoscirungscorps  somit  nichts  anderes  übrig, 
als  den  Rückzug  anzutreten,  und  obwohl  die  russische  Regierung  es  gern  glauben 
machen  möchte,  dass  die  Truppen  zurückkehrten,  nchdem  sie  ihren  Zweck  erreicht 
hatten,  bleibt  die  peinliche  Tliatsache,  dass  sie  eine  Niederlage  erlitten  haben.  Kaiser 
Alexander  berief  einen  Ministcrrath  ,  dem  er  selber  präsidirte  und  in  welchem  trotz  der 
stark  urgirtcn  Opposition  des  Fürsten  Gortscliakoft'  mit  grosser  Majorität  beschlossen 
wurde,  mit  einer  hinreichend  starken  Streitmacht  nicht  nur  an  dem  Chan  und  seinen 
Unterthanen  den  russischen  Waffen  durch  die  Niederlage  des  Obersten  MarkosolV  und 
den  Ein  all  in  das  kirgnisische  Gebiet  angethaucn  Schimpf  zu  rächen,  sondern  auch  von 
der  Stadt  Chiwa  selber  Besitz  zu  nehmen  und  das  ganze  Chanat  thatsächlich  unter 
russische  Herrschaft  zu  bringen.  Das  Invasionscorps  soll  In  drei  Colonnen  oporircn,  von 
denen  jede  von  einem  mit  der  Natur  des  Landes  und  dem  eigenthümlichen  Charakter 
der  Kriegführung  von  dessen  Einwohnern  gründlich  vertrauten  General  befehligt  wird. 
Bis  jetzt  ist  die  genaue  Richtung,  von  der  aus  sich  die  verschiedenen  Colonnen  ihrem 
Oegenstandspunkt  nähern  werden,  nur  wenig  Auserkorenen  bekannt,  wenn  man  sich 
über  dieselbe  überhaupt  schon  völlig  entschlossen  hat;  eine  Division  -wird  indess  ohne 
Zweifel  sich  westwärts  von  Taschkend  bewegen.  Im  Ganzen  wird  das  Corps  12.0U0.Mann 
mit  circa  50  Geschützen  stark  sein.  Die  Leitung  der  verabredeten  Bewegungen  und  das 
Obercommando  über  die  drei  Divisionen  wird  dem  General  Kaufmann  anvertraut  werden. 
Man  erwartet,  dass  die  Operationen  der  verschiedenen  Colonnen  gegen  Ende  dieses 
Monats  beginnen  werden." 


XII.  Lapitel. 

Die  Ereignisse  in  Afghanistan. 

Schon  aiissorlialb  Tuvkestän  gelogen  und  dem  südlichen  Go- 
birgsgebiete  Centralasiens  angehörig,  hat  doch  Kabul,  wie  nicht 
minder  Herät,  schon  seit  mehreren  Decennien  auf  die  mittel- 
asiatischen Step25en-Chanate  einen  wichtigen  politischen  Einfluss 
goiiljt.  (Jleichzeitig  geschah  es  hier,  dass  zuerst  das  Ringen  um 
die  Oberhand,  verbunden  mit  lebhaftem  Intriguenspiel,  zwischen 
England  luul  Russland  seinen  Anfang  nahm,  —  dass  beide  Staaten 
sich  zum  ersten  Male  auf  asiatischem  Gebiete,  wenn  auch  nur 
diplomatisch,   gegenüberstanden. 

AVeniger  aber  wegen  dessen,  was  in  jenen  Ländern  schon 
vorgefallen  ist,  als  wegen  der  Ereignisse,  die  dort  erst  eintreten 
können,  glauben  wir  unseren  Lesern  einen  kurzen  historischen 
Rückblick  auf  die  jüngste  Vergangenheit  des  nördlichen  Afghanistan 
schuldig  zu  sein,  eines  Landes,  das,  vor  bald  dreissig  Jahren  zu- 
mal in  England  nur  allzu  oft  und  mit  Entsetzen  genannt,  in  jüng- 
ster Zeit  wieder  sorgenvolle  Blicke  aus  Lidien  und  dem  Abend- 
landc   auf  sich    zu  ziehen  begann. 

Die  Afghanen,  die  Inhaber  des  grössten  Theiles  der  vielge- 
staltigen Gebirgswelt  zwischen  dem  Industhale  und  der  persischen 
Hochebene,  sind  ein  Volk  von  arischer  Herkunft  (also  in  der 
grossen  Kette  des  indogermanischen  Zusammenhanges  stehend)  und 
reden  ,,1'uschtu''  (Paxto),  eine  zu  allernächst  auf  den  erunischen  i) 
Stamm  zurückweisende  Sprache.  Wenn  ii-gend  ein  \o\k  in  Asien, 
sind  die  Afghanen  als  „Nation"  zu  bezeichnen;  vermöge  einer 
kriegerischen  Kraft  und  Ausdauer,  womit  sie  weitaus  all'  ihre 
Nachbarn  überragen,   wären   sie   auch  berufen,   Zucht   und   Ordnung 


1)  Der  treffliclie  Wiener  Professor  und  Linguist,  Dr.  Friedrich  Müller,  zählt 
das  Paxto  bestimmt  der  crünischcn  Sprachgruppo  bei ,  u.  z.  vor  allem  Andern  wegen 
Jener  Lauteigonthünilichkeiten,  die  cS  als  eine  ontsohieden  eränische  Spraeho  charak- 
tcrisiren.  (Siehe  dessen  Abhandlung:  Über  die  Sprache  der  Afghanen  (Paxto),  im  Juni- 
hefte 18C2  der  Sitzungsberichte  der  phil.-hist.  Cl.  der  kaia-  .\kndcmie  der  Wissenschaften. 
^XL.  Bd.  ö.  3.) 


Die  fircignisSo  in  Afglianisfuu.  1'37 

im  weiteren  Umkreis  aufreclitzuerlialten,  —  falls  sie  nur  die 
Fähigkeit  hätten,  solche  unter  sich  selbst  zu  wahren.  Kur  in 
Theilung  und  dem  allzugrossen  Sinne  für  Unabhängigkeit  von  Ort 
zu  Ort  beruht  die  Schwäche  des  Ganzen.  .  Statt  ini  Kainjjfe  gegen 
Aussen,  befriedigt  die  nationale  Ucberkraft  sich  in  inneren  Fehden 
und  der  landesüblichen  Anarchie.  Allerdings  ist  die  Scheidung  in 
unabhängige  Stämme  durch  die  Landesnatur  selbst  schon  bedingt,  — 
eine  Landesnatur,  welche  alle  Klimastufen  umfasst:  Eisgebirge  und 
tropisch  schwüle  Ebenen,  blühende  ITochthäler  luid  brennende 
Sandflächen,  also  die  verschiedenartigste  Lebensweise  erfordert. 
Nach  allen  Seiten  öffnen  sich  die  Thäler  Afghänistan's  wie  Aus- 
fallpforten, aber  gerade  im  Innersten  sind  die  afghanischen  Stämme 
durch  fast  unübersteigliche  Klüfte  und  Kämme  getrennt.  Immerhin 
vermochten  sie  als  Gebieter  auch  ausserhalb  aufzutreten,  so  oft  es 
einem  Häuptling  gelang,  die  viclgctheilten  Stänune  zu  gemeinsamer 
That  zu  leiten,  oder  wenigstens  einen  dieser  Stännnc  zu  hervor- 
i'agender   Haltung  zu  bringen  ^). 

Von  zwei  Brüdern  aus  dem  Sidu,  einem  sehr  angesehenen 
Afghänengeschlechtc  der  Abdallihs,  welche  dem  Schah  Nadir  von 
Persien  bis  zu  seiner  Ermordung  (1747)  mit  Auszeichnung  dienten, 
emjDörte  sich  der  Eine,  Ahuaed-Chan,  als  Haupt  der  Siduschis 
(Söhne  der  Sidu),  gegen  die  persische  Oberherrschaft ,  riss  die 
höchste  Gewalt  in  seinem  Vaterlande  an  sich  und  liess  sich  zu 
Kandahar  zum  Könige  der  Afghanen  krönen.  Zugleich  nahm  er 
den  Titel  l)uri-i-Durän  (Perle  des  Zeitalters  oder  Zeitalter  des 
Glücks)  an  und  verwandelte  den  Namen  der  Abdallihs  in  Duräni. 
Wer  unter  den  Afghanen  einen  Staat  gründen  will,  darf  die  Un- 
abhängigkeit der  Stännne  so  wenig  als  möglich  beschränken  und 
muss  gleich  unter  Gleichen  bleiben.  So  that  Ahmed.  Glänzende 
Waffenthaten  führten  die  Eroberung  des  grösseren  Theiles  des 
Chorassängebietes  herbei ;  das  eigentliche  Land  der  Beute  war 
aber  Indien,  welches  Ahmed  schon  früher  kennen  gelernt  hatte. 
Schon  war  Delhi  von  Ahmed  zweimal  besetzt  worden,  als  sich  ihm  auf 
der  Entscheidungsebene  von  Panipat  ein  neues  Maharattenheer,  1760, 
entgegenstellte,  welches  er  nahezu  gänzlich  vernichtete.  Dass  er 
aber  in  Delhi  bleibe,  duldeten  die  Maharatten  doch  nicht;  er 
musste  sich  mit  dem  Pendschab,  Hauptstadt  I^ahorc,  begnügen  und 
starb  zu  früh,  1773,  ohne  ausreichend  starke  Söhne  zu  hinterlassen. 
Thronfolgestreitigkeiten  unter  seineu  Nachkommen  erschütterten  und 
schwächten  das  Reich,  welches  an  Rundschit  Singh,  den  Beherr- 
scher der  ungläubigen  Sikhs ,  grosse  Gebiete  verlor;  1823  brach 
endlich  die  Durani-Monarchic  zusammen.  Nur  Herät  blieb  den 
Nachkommen  Ahmeds.      Alle  übrigen  Provinzen  kamen  in  die   Ge- 


1)  Julius  Braun.  Afgliäuislün.     („Neue    Freie   l'rcsae"    vom  19.  Novcnibrr  1868.) 

17 


138  Dio  Ereignisse  in  Afghanistan. 

\valt  clor  Banikscliis  (Baraksis),  eines  Ciaiies  der  Dunlnis.  Aus 
diesen  Wirren  und  unter  den  letzteren  IMachthabern  erhob  sich 
Dost  Muhammed-Chan  mit  seinen  jüngeren  Brüdern,  die  an  Ahnied's 
Familie  Blut  und  Schmach  imd  Undank  zu  rächen  hatten,  alsbald 
aber,  bei  der  Theilung  des  Reiches  selber  zu  Todfeinden  wurden. 
Dost  Äluhammod  beliauptete  Kabid.  Wie  Schamyl  und  Abd-el- 
Kader  ist  er  einer  der  Glaubenshelden  des  Islam  geworden,  aber 
nicht  aus  eigenem  AntriebOj  sondern  dazu  genöthigt  von  England 
und  dessen  gleissnerisch  initerwürfigem  Verbündeten ,  Rundschit 
Singh,  dem  eigentlichen  Gründer  des  Sikh's-Reiches  und  Unter- 
drücker der  Muselmanen  im  Pendschab. 

Als  dieser  in  Laster  und  Verbrechen  ergraute  ]Machthaber 
seine  Grenze  in's  Thal  des  Kabülflusses  hinein  erweitern  wollte, 
kam  es  zum  Zusammenstosse  mit  der  afghanischen  Bevölkerung 
dieses  Thaies  und  Dost  Muhammed.  Von  der  Geistlichkeit  gegen 
die  ungläubigen  Sikhs  aufgestachelt,  kämpften  die  Afghanen  mit 
Erbitterung,  unterlagen  aber  der  Uebermacht  und  wurden  1823 
von  Rundschit  Singh  unter  furchtbarem  Gemetzel  bis  zu  den 
Cheiberpässen  verfolgt.  Doch  sollte  das  glaubenswüthende  Land 
dem  Maharadscha  und  seinen  Freunden,  den  Engländern,  noch 
schwere  Stunden  bereiten.  Aufstand  folgte  auf  Aufstand,  und  die 
muhammcdanischen  Glaubenskampf-Fanatiker  weihten  sich  gerne 
dem  Tode,  um  nur  einen  Ungläubigen  mitzuvertilgen.  Ln  Kampfe 
bei  Dschamrut,  am  Eingange  der  Cheiberpässe,  soUen  12.000 
Sikhs  und  nicht  viel  weniger  Afghanen  geblieben  sein.   (1836). 

Vom  benachbarten  Indien  aus  begünstigten  mittlerweile  die 
Engländer,  im  Einverständnisse  mit  einer  Partei  unter  den  Einge- 
bornen,  die  1823  gestürzten  Duranis,  namentlich  einen  1809  ver- 
triebenen, sicheren  Schudschä-ul-^Iulk-Schah,  einen  Sohn  des  letzten 
oraiordeten  Chan's ;  sie  erklärten  ihn  für  den  rechtmässigen  König 
von  Kabul,  Dost  Muhammed  hingegen  als  einen  L'surjiator  und 
begannen  1838  Krieg  gegen  Letzteren.  Freilich  lag  dahinter 
schon  die  Furcht  vor  Russland,  welches  eben  damals  gegen  Chiwa 
rüstete,  und  von  dem  England  eine  Intervention  in  Afghanistan  besorgte. 

Hauptsächlicli  um  diese  zu  verhindern ,  begaimcn  die  Briten 
den  Krieg,  in  welchem  sie  sich  mit  dem  INIaharadscha  Rundschit 
Singh  1),  dem  alten  Erbfeinde  der  Afghanen,  verbanden.  Kandahar 
ward  eingenonnnen.  Dost  INIuhammed  nnisste  nach  IJamijän  fliehen, 
und  der  elende  Sc]iatteid<önig,  Schah  Schudschä,  von  den  Engländern 
mit  so  grossen  Opfern  in's  Land  gebracht  und  dem  Lande  aufge- 
zwungen, hielt  am  7.  August  1839  seinen  Einzug  in  KabCd,  dessen 
Felsenschloss,  Bala-Hissar,  jetzt  eine  Ruine,  ihm  zur  Residenz 
diente.    Dost  Midiamined   machte  mehrere  Versuche,   die  Engländer 

1)  Kr  starli  schon  1839. 


Die  Ereignisse  in  Afghanistan.  1  39 

und  ihren  Schützling  wieder  zu  vertreiben,  die  aber  immer  un- 
glückhch  ausfielen ,  und  musste  zuletzt  für  seine  eigene  Person 
Schutz  bei  seinen  Gegern,  den  Engländern,  suchen.  Aber  die 
Afghanen  selbst  erhoben  sich  immer  nachdrücklicher  gegen  den 
britischen  Einfluss ;  1841  erregten  sie  einen  neuen  Aufstand,  und 
der  englische  General  Robert  Säle  konnte  nur  mit  Mühe  Dschela- 
labad  erreichen,  während  auch  in  Kabul')  am  2.  November  1841 
die  Empörung  2)  so  furchtbar  und  jjlötzlich  ausbrach ,  dass  Schah 
Schudscha  und  die  britischen  Truppen  unter  General  Mountstuart 
Elphinstonc  kaum  die  Citadelle  Bala-Hissar  und  die  verschanzten 
Lager  zu  erreichen  vermochten.  Wie  hier,  so  erlitten  auch  in 
Kohistän  und  den  inuliegenden  Bergdistricten  die  Engländer  empfind- 
liche Verluste;  die  Trupjien  in  Ghasni  und  Kandahar  waren  ein- 
geschlossen, der  hoho  Schnee  verhinderte  jede  ofFcnsive  Bewegung, 
und  die  englischen  Truppen  liefen  Gefahr,  überall  durch  die  Ucber- 
zahl  der  Afghanen  erdrückt  zu  werden.  Ihre  Lage  in  Kabul  ge- 
staltete sich  mit  jedem  Tage  bedenklicher,  da  alle  ^'erhandlungen 
mit  den  Afghanen,  an  deren  Spitze  ein  Sohn  Dost  Muhammed's, 
Akbar-Chan,  sich  gestellt  hatte,  fruchtlos  blieben.  Der  britische 
Gesandte  in  Kabid,  Mac  Naghten,  wurde  bei  Gelegenheit  einer 
Conferenz  mit  Akbar  üljer  den  Abzug  der  Truppen  ermordet. 
Zwar  kam  endlich  ein  Vertrag  zu  Stande,  welcher  den  britischen 
Truppen  von  Kabul,  unter  Zurücklassung  von  Gcisseln,  freien  Ab- 
zug zusicherte,  und  Akbar  escortirte  persönlich  die  am  6.  Januar 
1842  aufbrechende  Armee,  deren  Ziel  das  90  englische  Meilen 
entfernte  Dschelalabad  war,  aber  ungeachtet  des  Vertrages  waren 
sie  beim  Betreten  der  Gebirgspässe  fortwährenden  Angriffen  aus- 
gesetzt, so  dass  in  Folge  dieser  und  der  fürchterlichen  Beschwerden 
des  Weitcrmarsches  die  kabülistanische  Armee  so  gut  wie  vernichtet 
wurde.  Die  Wiesengründe  und  felsigen  Thäler  von  Afghanistan, 
die  trümmerreichen   Gassen   seiner  Städte    und    Burgen,    sie    hatten 


1)  Die  Bevölkerung  von  Küliül  besteht  zum  geringsten  Theil  aus  Afghanen, 
denn  auch  der  ärmste  Afgliäne  versclimälit  Gewerb  und  Kramladen;  darum  besteht  die 
Stadtbevölkerung  aus  Tadschiks,  Persern,  Indern,  Hindkis  (d.  h.  Nachkommen  der  Hindu), 
Nicht  der  schlechteste  Theil  der  Bevölkerung  aber  sind  die  Kyzylbasch  (d.  h.  Koth- 
miitzon),  nämlich  die  Nachkommen  der  von  Nadir  Schah  zur  Sicherung  seiner  Herr- 
schaft hier  angesiedelten  Türken.  Zwar  ausgeartet,  wie  so  oft  die  Söhne  der  Türken  im 
Auslande,  stellen  diese  unter  eigenem  Oberhaupte  stehenden  und  den  Afghanen  ver- 
liaasten  Kyzylbasch  immer  noch  eine  stattliche  Streitmacht  vor  und  könnten  von  grösstcm 
Nutzen  für  die  Engländer  sein  ,  hätten  diese  nicht  von  Anfang  an  eine  falsche  Politik 
eingeschlagen. 

2)  Das  erste  englische  Opfer  des  Aufstandes  war  der  berühmte  Reisende,  Oborst- 
lieutcnant  Alexander  Bumes,  der  von  dem  sein  Haus  umdrängenden  Pöbelhaufen,  als 
er  im  Gewände  eines  Eingeborneii  zu  entkommen  suchte,  in  Stücke  zerrissen  wurde. 
Ein  Mullall,  nach  Anderen  ein  Armenier,  streckte  den  bis  dahin  so  übermüthigen  Officier 
mit  einem  Pistolenschusse  nieder.  (Siehe  über  Burnes:  J.  B.  Eyrics,  Notice  sur 
Alexandre  Burnes.     Paris.  1842.  8.) 


140  Dio  Ereignisse  in  Afgliflnistän, 

massenhaft  britisches  Blut  getrunken,  und  die  Niederlage  des  indo- 
britischen  Pleercs  1842  war  vollständiger  als  die  des  Yarus  im 
Teutoburgerwalde.  Die  Engländer  sahen  ein,  dass  sie  sich  in 
Afghanistan  nicht  belianpten  .könnten,  und  beschlossen  daher,  es 
aufzugeben,  obwohl  nicht  ohne  zuvor  durch  einen  wilden  Zer- 
störungszug ihre  Niederlage  gerächt  zu  haben.  Dost  ^luhammed 
nahm,  von  den  Engländern  frei  gelassen,  wieder  Besitz  von  seinem 
Throne.  Unter  seiner  Anleitung  schlössen  die  Afghanen  schon 
1846  ein  Bündniss  mit  den  Sikhs  zum  Sturze  des  anglo-indischen 
Reiches,  und  die  Alliirtcn  lieferten  den  Briten  in  Pendschfib 
mehrere  blutige  Schlachten.  Nach  der  Entscheidungsschlacht  bei 
Gudscherät  am  21.  Februar  1849  wurden  die  Sikhs  A'on  den 
Afghanen  preisgegeben.  Dost  Muhammed  floh  mit  seinem  immer 
noch  1600  INIann  starken  Ilcere  über  den  Indus.  Die  Briten 
drängten  nun  wieder  durch  die  Cheiberpässe  vor  und  begannen  die 
Unterwerfung  der  einzelnen  afghanischon  Stämme.  INIit  dem  Reiche 
der  Sikhs  wurden  auch  die  von  Rundschit  Singh  fridier  eroberten 
Theile  Afghänistjtn's  dem  britischen  Reiche  einverleibt.  Um  seiner 
zweifach  bedrohten  Stellung  rwischen  den  Briten  und  den  schiiti- 
schen Persern  ein  Ende  zu  machen,  beschloss  Dost  IMuhammed  die 
Freundschaft  der  Ersteren  zu  suchen,  welche  sein  kräftiges  Reich 
recht  gut  als  Schutzmauer  gegen  Russland  in  Ilorät  und  der 
Bucharei  brauchen  konnten.  Am  30.  März  1855  wurde  in  Pischawer 
ein  Schutz-  und  Trutzbündniss  zwisthen  Dost  IMuhammed  und  den 
Engländern  abgeschlossen,  welche  Letztere  das  Wachsen  der  rus- 
sischen Macht  in  Asien  schon  seit  lange  im  Stillen  mit  neidischen 
Blicken  beobachten.  In  der  That  war  auch  in  Pcrsien,  wo  seit 
dem  Regierungsantritte  des  IMidiammed  Mirza-Schah,  1834,  der 
englische  und  russische  Einfluss  mit  einander  um  den  Vorrang 
stritten,  unter  dem  neuen  Herrscher  Persiens,  Nasr-Eddin-lNfirza- 
Schah,  der  letztere  am  Hofe  zu  Teheran  vorherrschend,  und  Eng- 
land bemühte  sich  vergebens,  durch  seinen  Gesandten  Murray  den- 
selben zu  brechen.  Als  in  Ilerut,  nach  dem  Tode  des  angesehenen 
Vezirs  Jar  ]Mnhammed-Chan  (31.  August  1851),  Erbfolgestreitig- 
kcitcn  ausgebrochen,  war  der  russische  Einfluss  mächtig  genug, 
um  den  Schah  zu  bewegen,  sich  in  die  Angelegeidieiten  des  aller- 
dings von  Persien  abhängigen  llerät  einziunisclicn,  und  ITerät  war 
dem  Falle  nahe,  als  endlich  die  englischen  Gesandten  die  Auf- 
hebung der  Belagerung  erwirkten.  Die  Perser  gingen  dabei  gegen 
die  Engländer,  welche  die  ("andidatur  des  Prätendenten  Dost 
Midiammed  von  KabCd  unterstützten,  den  wichtigen  Vertrag  ein, 
die  Afghanen  nicht  ferner  zu  stören  und  selbst  im  Falle  von  An- 
griffen zuerst   die   guten   Dienste   der  Engländer  anzurufen. 

Nichtsdestoweniger     schickte     Persien     1855     neuerdings     ein 
Heer    gegen     Ilerät,     und    Dost    Muhammed    musste     trotz     seiner 


Die  Ereignisse  in  Afglinnistän.  141 

heldenmüthigen  Yertheidigung  den  siegreichen  Persern  weichen ; 
diese  nahmen  die  Stadt  sammt  der  Citadelle  und  setzten  Jusuf, 
einen  Günstling  Russlands,  als  Vasall  von  Persien  zum  Könige 
von  Herat  ein.  Fast  gleichzeitig  wurde  aber  auch  Persien  von 
England  mittelst  einer  wenig  gefahrvollen  Expedition  an  seiner 
Küste  angcgrifFen  und  nach  wiederholten  Niederlagen  zu  Zurück- 
ziehung seiner  Trnpjien  und  zum  Frieden  genöthigt,  ^velcher  am 
4.  ISIärz  1857  von  Feruk-Chan  als  Bevollmächtigtem  unter  Frank- 
reichs Yermittekuig  in  Paris  vmterzeichnet  wurde,  und  wodurch 
England  das  Recht  erwarb,  dort,  wo  sich  russische  Consulate  be- 
finden, auch  englische  errichten  zu  dürfen.  Die  Furcht  vor  Russ- 
land kam  wieder  in  jenem  ^'ertragsartikcl  zum  .\usdruck,  wonach 
der  Tcherrmer  Hof  sich  abermals  verpflichtete,  sich  fürderhin  nicht 
mehr  in  die  Angelegenheiten  Herats  einzumischen  und  selbst  im 
Falle,  wo  seine  Herrschaft  in  dieser  Provinz  bedroht  erscheinen 
würde,  keine  Truppen  dahin  zu  entsenden,  ohne  früher  die  guten 
Dienste  Cürossbritaimien's  in  Anspruch  genonnuen  zu  haben.  Eng- 
land wollte  um  jeden  Preis  von  Herat,  dem  Schlüssel  Hindostän, 
Russland  fern  halten,  welches  schon  einmal,  wie  man  sagt,  dem 
Schah  angeboten  hatte,    die    Provinz    Eriwan    dafür    einzutauschen. 

Nach  dem  für  Persien,  wie  nicht  minder  für  Dost  Muhammed 
ungünstigen  Ausgange  des  Herat'schen  Feldzuges,  wandte  der 
kabiditche  Fürst  sein  Augenmerk  dem  Landstrich  im  Süden  des 
oberen  Oxus  bis  an  den  Hinduknh  zu,  der  bis  nach  Herat  allezeit 
ein  Fechtboden  gewesen,  auf  welchem  die  kleinen  Raubstaaten, 
nämlich  die  Chanate  Knndüz,  Chulum,  Balch,  Aktsche,  Serepul, 
Schiborgan ,  Andchuj  und  Maymene  sich  herumtummelten.  Auf 
diesem  Felde  trafen  auch  die  Monarchen  von  Bocbära  und  Af- 
ghanistan zusammen,  welche  abwechselnd  die  kleineren  Chanate  in 
Abhängigkeit  brachten.  Bis  zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  über- 
wog der  Einfluss  Bochara's;  seitdem  hat  aber  dieser  den  Ueber- 
griflen  der  afghanischen  Stämme  der  Duranis,  Siduschis  und 
Barukschis  \veichen  müssen,  und  Dost  Muhammed-Chan  gelang  es, 
die  sämmtlichen  kleinen  Chanate,  mit  Ausnahme  von  Badachschan 
und  Maymene  zu  unterwerfen;  er  bildete  aus  ihnen  seine  afghanische 
Provinz  Turkestan  und  legte  in  deren  Hauptstadt  Balch  10.000 
Soldaten. 

In  Herat,  auf  welches  aber  Dost  Muhammed  seine  langge- 
hegten Absichten  nicht  aufgegeben,  herrschte  indess  seit  1857  sein 
Nefl'e,  Ahmed-Chan,  den  der  Zorn  seines  Oheims  gezwungen,  Hilfe 
in  Teheran  zu  suchen,  dem  Namen  nach  zwar  gänzlich  unabhängig, 
in  Wahrheit  aber  ein  Vasall  Persiens,  woraus  er  selbst  kein  Ge- 
heimniss  machte.  England  bemühte  sich  vergeblich,  ihn  von 
Persien  zu  emancipiren  und  seinen  eigenen  Einfluss  zur  Geltung 
zu   bringen.       Ahmcd-Chan    nahm     davon    nur    wenig    Notiz,    und 


142  Die  Ereignisse  in  Afgliüiiistän. 

England  selbst  konnte  kaum  frei  hniidcln,  ohne  seine  Beziehungen 
zu  Dost  Äluhanimcd  zu  coniproniittiren,  der  llcrat  längst  als  seine 
IJeufC  betrachtete.  Ja,  als  1857  der  indische  Aufstand  ausbrach, 
fand  sich  das  Cabinet  zu  St.  James,  trotz  des  Schutz-  und  Trutz- 
bündnisses, bewogen,  die  Neutralität  des  afghanischen  Monarchen 
durch  die  exorbitante  Summe  von  monatlichen  10.000  Pfund 
Sterling  während  der  ganzen  Dauer  des  Krieges  zu  erkaufen,  dem 
Grundsätze  huldigend,  dass  die  wahre  Oekonomie  darin  bestehe, 
sehr  gut  oder  gar  nicht  zu  zahlen.  Obwohl  aber  Dost  Muhammed 
seine  Verpflichtungen  Indien  gegenüber  einhielt,  benützte  er  doch 
die  Gelegenheit,  um  mittelst  eines  kühnen  Ilaiulstreiches  sich  Herät's 
zu  bemächtigen. 

Die  Kandahar-Fürsten  im  südlichen  Afghanistan  nämlich  rissen 
Ferrah ,  die  äusserste  Provinz  Herat's  und  wichtig  wegen  seiner 
grossen  Fruchtbarkeit,  welciic  dem  centralen  Hochplateau  von 
Ilcrat  fehlt,  von  demselben  los.  Der  Sieg,  welchen  Dost  Muhammed 
sodann  über  den  Kandahar-Chan  erfocht,  brachte  auch  diese  Pro- 
vinz zu  seinem  Reiche.  Der  unkluge  Versuch  des  Emirs  von 
Herat ,  einem  so  mächtigen  Herrscher  die  Provinz  wieder  abzu- 
nehmen, führte  zum  Kriege  mit  Kabfd  und  brachte  England, 
welches  umsonst  zu  vermitteln  suchte,  in  eine  sehr  schiefe  Lage; 
einerseits  sah  es,  wie  Dost  Muhammed  allmählich  zum  Gebieter 
über  ganz  Afghanistan  sich  emporschwang  und  durch  die  Unter- 
werfung der  nördlichen  Chanate  ein  mächtiges  Reich  an  den 
Pforten  Indiens  begründete ,  andererseits  musste  es  sich  den  Vor- 
würfen Persiens  aussetzen,  w'elches,  ohnehin  schon  eifersüchtig 
auf  die  Entwicklung,  welche  das  Reich  Dost  ISIuhammed's  nahn», 
über  Bruch  des  Pariser  Vertrages  klagte  und  Kraft  desselben  fremde 
Intervention  verlangte.  ')  Zu  sehr  mit  der  Rebellion  in  Indien 
beschäftigt,  theilweise  auch  zufrieden,  dass  Herat  .den  Persern 
entgangen,  begnügte  sich  Sir  John  Lawrence,  der  Gouverneur  von 
Indien,  dem  Könige  von  Kabid  Vorstellungen  zu  machen  um  die 
sich  aber  Dost  Mohannned  nicht  weiter  bekümmerte. 

Der  1863  erfolgte  Tod  des  hochbetagten  Dost  Muhannned 
erscheint  als  ein  hochwichtiges  Ereigniss  in  der  Geschichte  Mittel- 
Asiens.  Seiner  Selbständigkeit  ward  Herat  wohl  nicht  zurückge- 
geben, denn  der  Nachfolger  Dost  Muhammeds  auf  dem  Throne 
von  Kabul,  Schir  Ali-Chan,  setzte  seinen  jugendlichen  Sohn, 
INIuhannned  Yakub  Ali ,  zum  Sirdar  (Statthalter)  daselbst  ein, 
weldier  bis  znm  Siege  seiner  Sache  dort  an  der  Spitze  blieb.  In 
Afghanistun  selbst  IjCgamien  sofort  die  ^Vir^en,  von  welchen  das 
Land  noch  lange  zerrüttet  ward.  Der  Emir  von  Bochiira  wollte 
sofort     dieselben     benützen    und    schickte     dem    Chan     von    ^lav- 


1)  „Köluisclic  Zeitung"  vom  20.  >Iärz  18C7 


Die  Ereignisse  in  Afgluinistän.  14  3 

mone  10.000  Gokl^tückc.  Beide  verabredeten,  dass  Mozaflfer  den 
Oxus  überschreiten,  und  man  dann  genieinscbaftlich  die  Afghanen 
angreifen  solle.  Aber  der  hitzige,  noch  junge  llusein-Chan  von 
Maymenc  begann   sofort  und   allein   den  Kampf. 

Dost  ^luhanimed  hatte  als  Nachfolger  seinen  Sohn  Schir  Ali- 
Chan  bezeichnet;  diese  Wahl  weckte  aber  die  Eifersucht  seiner 
älteren  Brüder  Azini  und  Afzul ,  welche  ihm  gemeinschaftlich  die 
Herrschaft  streitig  machten.  Die  Engländer  hingegen  hielten  sich 
für  verpflichtet,  Schir  Ali's  Ansprüche  zu  unterstützen ,  so  dass 
ein  Thronfolgekrieg  in  fürchterlichster  Gestalt,  mit  blutigen  Schlachten, 
innnerwäbrenden  Empörungen  entflammte.  Im  Jahre  18(i5  gelang 
es  dem  Emir  von  Kabid,  drei  seiner  Stiefbrüder  auf  verrätherische 
Weise  festzunehmen,  zugleich  aber  entstand  Zwiespalt  zwischen 
ihm  und  der  ostindischen  Kegierung,  die  dem  Azim-Chan  Zuflucht 
gewährt  hatte.  Indess  ward  Schir  Ali's  Lage  immer  bedenklicher, 
denn  ein  Theil  seiner  Trupjien  weigerte  sich,  gegen  die  feindlichen 
Brüder  zu  marschiren ,  während  der  Emir  von  Bochära  gegen 
Balch  vorrückte.  Im  April  18G6  war  Kabul  selbst  von  Azini  be- 
setzt, während  Schir  Ali  sich  in  Kandahar  befand.  Dieser  ver- 
liess  nunmehr  Kandahar  J),  um  Kabul  mit  8000  Mann  Infanterie 
imd  20.000  Mann  Cavallerie  anzugreifen.  Obwohl  wiegen  mangeln- 
der Provisionen  im  Lager  der  Kampf  zuerst  aufgeschoben  wurde, 
und  Schir  Ali  noch  im  Mai  in  Kandahar  verweilte,  konnte  doch 
die  Entscheidung  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen.  Ende  Mai 
ward  er  total  geschlagen ,  verlor  seine  gesammte  Artillerie  und 
floh  zurück  nach  Kandahar,  um  -von  hier  möglicherweise  Herat 
zu  erj'eichen.  Während  Schir  Ali  in  Kandahar  neue  Armeen  warb, 
befestigte  sich  Azim  und  Afzul's  Macht  immer  mehr.  Um  jene 
Zelt  war  es  auch,  dass  ein  Gesandter  von  Bochära  in  Kabul  er- 
schien, um  den  Beistand  der  kabülischen  Herrscher  gegen  Russ- 
land zu  erwirken.  Letztere  wollten  jedoch  Nichts  thun  ohne  vor- 
ausgängige Berathung  mit  der  englischen  Regierung.  Spätere  Nach- 
richten aus  Calcutta  hingegen  besagten ,  dass  ein  russischer  Ge- 
sandter in  Kabul  angekommen  sei,  und  Afzul-Chan  mit  demselben 
ein  Uebereinkommen  abgeschlossen,  den  englisclien  Agenten  aber  nach 
Pischawer  zurückgesendet  habe ;  in  der  That  dachte  man  in  Bombay 
wegen  dieser  Wirren  in  Afghanistan  an  die  Errichtung  eines  Ob- 
servations-Corjis  an  der  Nordwest-Grenze  von  Pischawer.  Der 
besiegte  Schir  Ali  hatte  sich  unterdessen  von  seinen  Niederlagen 
erholt    und    traf    im    September    1866    grossartige    Vorbereitungen, 


1)  Kandalinr  ist  nur  eine  Kürzung  von  Iskamialiar  (AlexanJrien).  In  der  Tliat 
liicsa  die  Stadt  im  AUertluinie  Alexandria,  weil  sie  von  Alexander  dem  Grossen  gc- 
giündet    wurde. 


],44  Di6  Ereignisse  in  Afgliänistün. 

um  Azim  und  Afzul  in  Kabul  anzugreifen,  was  die  beiden  letzteren 
Machthaber  veranlasst  haben  soll,  einen  Gesandten  an  die  Russen 
abzuschicken,  um  deren  Beistand  zu  erlangen.  Zwischen  den 
Trujjpen  des  Emirs  Schir  Ali  und  Afzul-Chan's  kam  es  Ende  1860 
und  Anfangs  1867  zu  drei  grösseren  Treffen,  die  jedoch  ohne 
Entscheidung  blieben.  lürst  im  Februar  1867  ward  Schir  Ali  von 
Azim  Chan  und  dessen  Neffen  Abderrahnian ,  dem  Sohne  Afzul's, 
geschlagen  und  gezwungen  nach  Ilcrat  zu  fliehen,  in  Folge  dessen 
Kandahar  in  die  Hände  der  Sieger  fiel.  Schir  Ali  aber  bot  den 
Russen  Herat,  dem  Abderrahman  aber,  um  ihn  zum  Abfalle  von 
seinen  Verwandten  zu  bewegen,  Ralch  als  Preis  für  ihre  Hilfe  an. 
Sicher  ist,  dass  der  russische  Einfluss  in  Kabid  inuncr  mehr  an 
Boden  gewann.  Um  die  Mitte  1867  dachten  die  Afghanen  sogar 
daran,  Kabid  luiter  russischen  Schutz  zu  stelleu,  und  im  October 
erkannte  der  Gouverneur  von  Herat,  Yakub-Chan,  Sohn  Schir 
Ali's,  die  russische  Souveränität  an.  Da  starb  Afzul-Chan,  Vater 
Abderrahman's,  am  10.  October  1867,  so  dass  von  den  Söhnen 
Dost  Muhammeds  nur  mehr  die  beiden ,  sich  feindlich  gegenüber- 
stehenden Schir  Ali  und,  Azim  übrig  blieben.  Es  fällt  schwer,  in 
dem  Gewirrc  sich  widersprechender  Nachrichten  das  Wahre  heraus- 
zufinden ,  es  scheint  aber,  dass  beide  Gegner  licimlich  um  die 
Gunst  Russlands  buhlten.  England  seinerseits,  welches  1867  be- 
schlossen hatte,  seinen  Schützling  Schir  Ali  fallen  zu  lassen,  da- 
für den  Afzul-Chan,  den  factischen  Herrscher  KabüFs,  als  solchen 
anzuerkennen ,  schwankte  nach  dem  Tode  desselben ,  auf  wessen 
Seite  es  sich  neigen  solle;  denn  im  INIärz  1868  beabsichtigte  der 
Generalgouverneur  von  Indien ,  in  Pischawer  mit  Azim-Chan  zu- 
sanunenzutreflen.  Dieser  zeigte  sich  aber  ebenso  unschlüssig,  wie 
die  Engländer,  denn  während  er  täglich  lange  Unterredungen  dem 
britischen  Agenten  gewährte ,  schickte  er  einen  Gesandten  nach 
Samarkand,  wo  derselbe  eine  Zusammenkunft  mit  dem  russischen 
Befehlshaber  hatte,  um  freundschaftliche  Beziehungen  mit  dem 
Czaren  anzuknüpfen,  und  das  Ergebniss  soll  sehr  befriedigend  ge- 
wesen sein.  Die  russische  Regierung  ergriff"  übrigens  die  Gelegen- 
heit, dem  englischen  Cabinete  ein  Paroli  auf  dijjlomatischem  Felde 
zu  biegen,  indem  es  die  Welt  lange  im  Unklaren  Hess,  wem  von 
den  Beiden ,  Schir  Ali  oder  Azim  es  seinen  moralischen  Beistand 
gewähren  werde.  Während  Schir  Ali  seine  Vorbereitungen  zu 
einem  neuen  Feldzuge  gegen  Kandahar  fortsetzte  und  die  Perser 
einen  Theil  von  Ssistän  besetzten,  durfte  man  Azim-Chan  für  den 
Schützling  Russland's  halten,  und  in  England  empfand  man  nicht 
geringe  Freude  darüber,  als  die  Dinge  für  Azim,  den  die  Regierung 
in  Tower  zwar  als  Fürst  de  facto  anerkannt  hatte,  eine  schiefe 
Wendung  annahmen  und  sich  für  Schir  Ali,  den  früheren  Schütz- 
ling Englands    günstiger    gestalteten.      Schir    Ali's    Sohn,     Sirdar- 


Die  Ereignisse  in  Afghanistan.  145 

Muhammed  Yakub,  besetzte  nämlich  Kandahar  und  Kelat   im  Lande 
der  Gildschi. 

Abderrahman-Chan  seinerseits,  der  bis  dahin  treu  zu  Azim  ge- 
halten, der  aber  seit  seines  Vaters  Afzul  Tode  wohl  selbst  nach  der 
Herrschaft  strebte,  verweigerte  nunmehr  dem  Azim  seine  Hilfe- 
leistung, so  dass  dieser  allein  im  April  1868  alle  seine  disponiblen 
Truppen,  7000  Mann,  sammelte,  um  Yakub  entgegen  zu  marschiren; 
dieser  aber  war  im  Anzüge  auf  Ghasna  (Ghisni,  Ghusna)  schon 
in  der  nächsten  Nähe  des  Ortes  eingetroffen  und  besetzte  bald 
darauf  die  Stadt  ^  welche  ihm  ihre  Thore  öffnete,  so  dass  er  der 
Besatzung  die  Zufuhr  abschneiden  konnte ,  und  Azim  nach  Kabid 
zurückkehren  musste,  wo  dieses  Ereigniss  eine  gänzliche  Störung 
aller  Geschäfte  hervorrief.  INlan  konnte  nunmehr  die  Sache  Azim's, 
des  angeblichen  russischen  ^'erbündeten,  um  so  mehr  für  hoffnungs- 
los erklären ,  als  Azim  jetzt  Unterhandlungen  mit  Schir  Ali  an- 
knüpfen wollte,  dieser  aber  sich  dagegen  ablehnend  verhielt.  Ab- 
derrahman-Chan, welcher  sich  zum  Entsätze  des  nunmehr  bedrohteii 
KabCd  aufgemacht ,  wurde  bei  Maimadschan  (wahrscheinlich  May- 
mene,  wo  im  Juni  1868,  nach  einer  Depesche  aus  Calcutta,  sich 
die  Truppen  Abderrahman's  und  Yakub-Chan's  gegenüberstanden) 
geschlagen  und  zog  sich  nach  Balch  zurück.  Obwohl  später  Chu- 
luni  von  Schir  Ali-Chan  geräumt  und  von  Abderrahman  besetzt 
ward,  standen  doch  Mitte  1868  die  Aussichten  für  Muhammed 
Azim  schon  ziemlich  verzweifelt,  besonders,  nachdem  sich  auf 
einmal  herausgestellt,  dass  zwischen  den  Russen  und  Schir  Ali 
ein  Bündniss  bestehe,  und  dessen  Sohn  Yakub-Chan,  der  sich 
wieder  an  die  Spitze  der  Truppen  seines  Vaters  gestellt,  Nani  er- 
reicht hatte.  Man  kann  sagen,  dass  seit  der  Einnahme  von  Kan- 
dahar und  Kelat-i-Gildschi  durch  Yakub-Chan  der  Streit  sich  ganz 
zu  Gunsten  Schir  Ali's,  des  rechtmässigen  Herrschers  entschieden 
habe.  Die  englische  Regierung  hatte  ihn,  ihren  ehemaligen  Schütz- 
ling ,  theils  fallen  lassen ,  theils  dennoch  begünstigt ,  während  sie 
Azim-Chan  als  Fürst  de  facto  anerkannt  hatte;  ihre  Politik  ging 
dai-auf  aus,  einen  Nebenbuhler  gegen  den  anderen  zu  unterstützen. 
Azim-Chan,  der  trotz  seiner  Anerkennung  dem  englischen  Einflüsse 
von  jeher  abgeneigt  war,  suchte,  als  seine  Sache  gefährdet  er- 
schien, Schutz  bei  den  Russen,  kein  Hehl  daraus  machend,  dass 
nach  seiner  Ansicht  der  englische  Agent  mit  all  seinen  Freund- 
schaftsversicherungen nur  bezwecke,  Feindschaft  zu  säen  zwischen 
Kabul  und  den  Russen.  Während  er  indessen  noch  Unterhand- 
lungen pflog,  gelang  es  dem  siegreichen  Schir  Ali  mit  5000  Mann, 
sich  mit  den  Truppen  seines  Sohnes  ^)  in  Kandahar  zu  vereinen, 
seinen  Nebenbuhler,   welcher  sich  zu  seinen   Truppen  nach  Ghazna 


1)  Yakub  besetzte  auch  Chizai  im  Juli  1868. 

18 


146  Die  Ereignisse  in  Afghanistan. 

begab,  aus  Kabul  zu  verjagen  und  in  die  Stadt  selbst  einzuziehen. 
Am  14.  August  1868  bestieg  er,  der  rechtmässige  Herrscher,  den 
Thron ,  so  dass  die  Herrschaft  über  Afghanistan  vorläufig  wieder 
in  Einer  Hand  vereinigt  wurde.  Sein  Sohn  Muhammod  Yakub 
Ali-Chan  ward  gleichzeitig  zu  dessen  Erben  und  als  Vezir  in  Kabul 
proclamirt.  All  diess  gelang  ihm ,  wie  wenigstens  die  Ein-  und 
Umwohner  Afghanistans  versichern ,  mit  Hilfe  russischen  Geldes. 
Derselbe  Schir  Ali  soll  auch  unter  russischer  Anleitung  einen  Ver- 
trag mit  Persien  geschlossen  haben,  W'Onach  Herat,  die  westlichste 
von  den  Afghanenstädten,  an  Persien  fiele ,  welches  zu  verhindern 
die  Engländer  schon  zweimal  Krieg  an  Persien  erklärt  hatten, 
(ileichwohl  haben  die  Perser  neuerdings  wieder,  und  zwar  mit 
Verletzung  des  Pariser  Vertrages  von  1857 ,  das  Hilmend-Thal 
besetzt  imd  sich  dort  zwischen  Herät  und  Kandahar  befestigt.  ') 
Emir  Azim-Chan,  der,  von  allen  Triijipen  verlassen,  den 
Kampf  mit  Schir  Ali  aufgegeben ,  floh  nach  Balch ,  wohin  sich 
auch  Abderrahman  begeben  hatte ,  um  mit  den  Russen  zu  unter- 
handeln. Späteren  Nachrichten  zufolge ,  hätte  Azim-Chan  bei  den 
Hezarastümmen  Zuflucht  gesucht,  und  Russlands  Verbündeter,  Schir 
Ali-Chan  von  Kabul,  in  einem  sehr  höflichen  und  versöhnlichen  Briefe 
an  Sir  John  Lawrence  den  Wunsch  geäussert,  mit  der  brittischen 
Regierung  in  freundliche  Beziehungen  zu  treten ;  der  englische  Ge- 
neralgouverneur erwiederte  sofort,  England  wünsche  eine  starke 
Regierung  in  Afghanistan,  gedenke  der  Freundschaft  Dost  Muhammeds 
und  sei  darauf  bedacht,  herzliche  Beziehungen  mit  dessen  legflimeni 
Nachfolger  zu  erneuern.  Zugleich  rieth  er  dem  Emir,  seine  Geg- 
ner mit  Milde  zu  behandeln,  und  ward  im  Dezember  1868  eine 
Zusammenkunft  des  Vicekönigs  von  Indien  mit  Schir  Ali  in  Pischa- 
wer  beabsichtigt,  aus  welchem  Anlasse  daselbst  gro.sse  Truppen- 
concentriruiigen  stattfinden  sollten.  Der  englische  Oberbefehlshaber, 
(ieneral  INlansfield,  sollte  der  Conferenz  beiwohnen.  ^)  Auch  die 
indische  Presse  begi-üsste  die  Nachricht,  dass  Schir  Ali-Chan  mit 
dem  General-Gouverneur  in  freundschaftliche  Beziehungen  zu  treten 
wünsche,  mit  Befriedigung.  Die  ,, Bombay-Gazette*'  hoffte,  dass 
man  nun ,  wo  Schir  Ali  den  Thron  in  festen  Besitz  genommen 
habe,  in  Betreff  der  Grenzverhältnisse  bessern  Tagen  entgegen 
sehen  könne,  zumal  wenn  England  sich  einer  freundlichen  Politik 
gegen  die  Afghanen  befleissige.  Die  „Times  of  India"  sah  in  dem 
Schritte,  den  der  Herrscher  der  Afghanen  gethan ,  den  Beweis, 
dass  von  dem  letzteren  die  englische  Politik  der  Nichteinmischimg 
richtig  aufgefasst   werde.      „Das  Einrücken    in  Afghanistan ,    fügte 


I 


1)  Cnlcuttaor   Naclirichtcn    vom   öO.    Juli    1868   zufolge,   wollten    die  Perser  auch 
die  Stadt  Merw  besetzen. 

2)  Zufolge  Nachrichten  aus  Bombay,  31.  October  1868. 


Die  Ereignisse  in  AfgliSnistän.  147 

sie  hinzu,  wie  es  die  ministeriellen  Blätter  seit  Jahren  empfehlen, 
^vürde  nur  das  ganze  Volk  gegen  uns  in  die  Waffen  rufen,  Avährend 
es  uns  jetzt  als  freundliche  Vormauer  gegen  Angriffe  von  Norden 
her  dienen  kann."  Indessen  bezweifelten  doch  Einige  das  Zu- 
standekommen eines  intimeren  Verhältnisses  mit  dem  afghanischen 
Herrscher,  es  sei  denn,  dass  man  ihm  eine  sehr  starke  Subsidie 
versioreche,  um  so  mehr,  da  er  wenige  V^^ochen  früher  in  Kandahar 
Abgeordnete  der  Perser  und  Russen  empfangen  hatte.  /  In  der 
That,  wenn  auch  die  indische  Regierung  suchte,  sich  mit  Schir 
Ali  auf  guten  Fuss  zu  stellen  ,  so  Hess  sie  es  doch  dabei  bewen- 
den, ihn  einfach  mit  Geld  und  Waffen  gegen  seine  Nebenbuhler 
zu  unterstützen.  Die  Zusammenkunft  des  Vicekönigs  mit  dem  Emir 
ward   vor   der  Hand   auch  richtig  aufgegeben. 

Zum  wahren  Frieden  indess  sollte  das  Land  auch  jetzt  noch 
nicht  gelangen ,  denn  der  ehrgeizige  Abderrahman  dachte  nicht  an 
Unterwerfung;  im  October  wurden  daher  neue  Vorbereitungen  zum 
Kriege  zwischen  Schir  Ali  und  Abderrahman  in  Afghanistan  ge- 
troffen, und  brach  Letzterer  )nit  8000  bis  10.000  INIann  von  Balch 
gegen  Kabfd  auf.  Schir  Ali  schickte  ihm  zwei  Corps  entgegen, 
die  sich  bei  Bamijän  vereinigen  sollten.  Hier  sollte,  einer  Nachricht 
aus  Bombay  vom  25.  November  18ßcS  zufolge,  eine  blutige  Schlacht 
stattgefunden  haben  und  der  besiegte  jVbdcrrahman  zur  abermaligen 
Flucht  nach  Balch  gezwungen  worden  sein.  Doch  stellte  sich  sehr 
bald  die  Nachricht  als  eine  Tatarenbotschaft  heraus,  indem  Briefe 
aus  Indien  besagten,  zuerst  dass  bis  zum  26.  November,  dann 
bis  5.  December  diese  Schlacht  nicht  vorgefallen  sei.  Die  ,. Bom- 
bay-Gazette'- hielt  aber  trotz  der  officiellen  Dementis  ihre  Nach- 
richt von  der  Schlacht  aufrecht.  Vergleicht  man  die  bisher  be- 
kannt gewordenen  Angaben  ,  so  scheint  es ,  dass  Abderrahman  im 
November  bei  Bamijan  eine  Niederlage  erlitten  hatte,  w-elche  ihn 
zwang,  sich  in  der  Richtung  nach  Balch  zurückzuziehen.  Auf 
dem  Wege  dahin  begegnete  er  dem  früheren  Emir  jNfuhammed 
Azim-Chan,  der  aus  Balch  mit  Verstärkungen  heranrückte.  Beide 
Führer  theilten  sich  in  die  ihnen  zu  Gebote  stehende  Kriegsmacht, 
imd  Muhammed  Azim-Chan  zog  von  Charikar  aufKabid,  während 
Abderrahman  von  Bamjiän  ebendahin  aufbrach.  Auch  Schir  Ali 
wurde  dadurch  genöthigt ,  eine  Theiluiig  vorzunehmen ,  sandte 
seinen  Sohn  nach  Bamijän ,  während  er  selbst  weiter  rückwärts 
Stellung  nahm,  um  Kabul  zu  decken,  Azim-Chan  zu  empfangen 
und  Yakub-Chan  als  Reserve  zu   dienen. 

INIittlcrweile  hatte  der  Emir  von  Maymene  zu  Gunsten  Schir 
Ali's  eine  Diversion  gemacht  und  Siri-Pul  eingenommen,  während 
die  Armeen  Schir  Ali's  und  seines  Neffen  sich  sehr  nahe  gerückt 
waren.  Die  lange,  selbst  in  ihren  Resultaten  vorhergesehene 
Schlacht  fand    endhch  wirklich    am   2-   Januar   1869   statt.      Nach- 


148  Die  Ereignisse  in  Afghanistan. 

dem  Schir  Ali  den  Abderrahman  bis  Gbazna  verfolgt  hatte ,  wo 
er  durch  Schneefall  aufgehalten  ^vlIrde,  griffen  am  Morgen  des 
2.  Januar  auf  der  südwestlich  von  Ghazna  (Ghuznce)  gelegenen 
Ebene  zwischen  Kerabagh  und  Saidabad  die  Truppen  Schir  Ali- 
Chan's,  25.000  Mann  mit  30  bis  40  Geschützen,  die  verschanzte 
Stellung  des  Sirdar  Abderrahman-Chan  an.  Die  Letzteren  ver- 
fügten nur  über  15.000  Mann,  welche  zudem  durch  frühere  Nie- 
derlagen entnnithigt  waren  und  ihre  Kampflust  um  so  weniger 
wieder  erlangten,  als  sie  merkten,  dass  mit  der  Führung  des 
feindlichen  Heeres  ihres  Gegners  siegreicher  Sohn,  der  jugend- 
kriiftige  Muhammed  Yakub-Chan,  betraut  war.  Muhammed  Yakub 
leitete  die  Schlacht  mit  grossem  Geschick ,  und  um  Älittag  war 
Abderrahman  geschlagen  und  auf  der  Flucht.  Er  zog  sich  zurück 
bis  zu  einem  Orte,  der  nach  dem  Sultan  Mahmud  benannt  ist,  wo 
seine  verworrenen  Truppen  ein  Nachtlager  aufschlugen.  Der  Feind 
aber  benutzte  seinen  Sieg  durch  eine  kräftige  \' erfolgung;  Abder- 
rahman und  sein  Oheim  entwichen  während  der  Nacht  und  Hessen 
die  Ihrigen  rath-  und  thatlos.  ^Muhammed  Yakub  machte  einen 
zweiten  Angriff  in  der  Morgendämmerung;  die  Ueberfallenen  wur- 
den theils  versprengt,  theils  liefen  sie  zum  Sieger  über,  in  dessen 
Hände  alle  Geschütze  und  Vorräthe  fielen.  Den  Flüchtigen  ward 
in  den  nächsten  Tagen  nachgesetzt ;  viele  von  ihnen  wurden  ge- 
fangen und  niedergemetzelt;  die  beiden  entronnenen  Anführer  haben 
in  den  Wazeeree-Hügeln  auf  britischem  Gebiete  ein  Versteck  ge- 
funden. Der  Vicekönig  erlaubte  ihnen,  dort  ihren  Aufenthalt  zu 
nehmen,  jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  sie  eine  bestimmte 
Strecke  von  der  Grenze  entfernt  bleiben  und  sich  aller  politischen 
Umtriebe  enthalten.  Jedenfalls  steht  es  fest,  dass  Schir  Ali  von 
diesen  Nebenbuhlern  Nichts  mehr  zu  fürchten  hatte.  In  Kabul  und 
Dschellalabäd  ward  der  Sieg  mit  grossartigen  Feierlichkeiten  und 
Abfeuern  von  Ehrensalven  begangen;  am  16.  Januar  1869  hielt 
endlich  der  Sieger  seinen  festlichen  Einzug  in  Kabid,  stolz  darauf, 
Afghanistan  ^vieder  einmal  unter  Einem  Herrscher  vereinigt  zu 
sehen.  Ibrahim-Chan,  Sohn  des  Emirs  und  Statthalter  von  Herät, 
soll  um  dieselbe  Zeit  Balch  besetzt  haben ,  wohin  ein  Telegramm 
aus  Calcutta  vom  20.  December  1868  auch  die  Russen  gekommen 
sein   lässt. 

Nachdom  nunmehr  die  Ereignisse  eine  für  Schir  Ali  so  ausser- 
ordentlich günstige  Wendung  genonnnen,  dachte  die  britische  Re- 
gierung in  Indien,  deren  Fehler  stets  war,  erst  dann  Partei  für 
die  afghanischen  Prätendenten  zu  ergreifen,  wenn  sie  der  eng- 
lischen Hilfe  nicht  mehr  bedurften,  alles  Ernstes  daran,  den  Herr- 
scher von  ganz  Afghanistan  als  Damm  gegen  die  in  Asien  immer 
weiter  vordringenden  Russen  zu  bnützen.  Obwohl  der  siegreiche 
Schir    Ali,    wie    man    sagt,    in    Folge    eines    gegen    ihn    versuchten 


Die  Ereignisse  in  Afghanist&n.  149 

Vergiftungsattentates,  sein  strenges  Regiment  in  Kabul  mit  Ver- 
übung mehrerer  Grausamkeiten  begann,  trachteten  die  Briten  doch 
das  gute  Ein\ernehmem  mit  demselben  anzubahnen;  der  Vicekönig 
Sir  John  Lawrence  war  im  Januar  1869  durch  Lord  Mayo  im 
Amte  ersetzt  worden,  und  dieser  holte  das  schon  einmal  angeregte 
und  verlassene  Project  einer  Zummenkunft  mit  dem  Emir  van 
Neuem  hervor;  man  beabsichtigte  mit  ihm  einen  förmlichen  Ver- 
trag abzuschliessen,  um  an  Schir  Ali  einen  Freund  und  im  Falle 
des  Näherrückens  der  russischen  Macht  einen  Vorposten  zu  haben. 
Gegen  Ende  Januar  1869  wurde  demnach  der  Statthalter  von 
Pendschäb  in  Calcutta  erwartet,  damit  er  mit  der  Regierung  über 
die  Bedingungen  des  oberwähnten  Vertrages  berathe;  der  Vice- 
könig wollte  dann,  ehe  er  die  Sommerfrische  von  Simla ')  auf- 
suchte, sich  an  die  nordwestliche  Grenze  begeben,  um  dort  mit 
dem  einer  Annäherung  zur  indischen  Regierung  scheinbar  nicht 
abgeneigten  Emir  eine  Zusammenkunft  zu  haben.  Dieser  ,. Durbar" 
war  auch  in  der  That  einer  der  grössten  und  glänzendsten  seit 
EUenborough's  Tagen.  Der  britische  Vicekönig  hielt  auf  seiner 
Reise  nach  Simla,  seinem  Sommeraufenthalt,  am  27.  März  1869 
in  jener  Stadt,  welche  er  auf  ununterbrochener  Bahnstrecke  er- 
reichte, und  kam  dort  mit  dem  Emir  zusammen,  der  über  Pischawer 
und  Labore,  dann  über  den  grossen  britischen  Paradegrund  des 
Nordwestens  hingereist,  und  schon  am  24.  März  daselbst  einge- 
troffen war.  Er  war  mit  der  Blüthe  seines  Heeres  angerückt,  an 
der  Grenze  feierlich  empfangen  und  nach  Umbala  geleitet,  wo  eine 
glänzende  Kriegsmacht,  verstärkt  durch  die  Häuptlinge  vom  Sut- 
ladsch  und  aus  der  Radschputana  zugleich  der  Staatskunst  und  der 
Lust  an  Schaugepränge  Genüge  leisten  sollten.  Die  Briten  sprachen 
sich  alle  sehr  befriedigend  über  den  Durbar  und  die  muthmassliche 
Wirkung    der    Reise    Schir  Ali's   durch  das  britische  Gebiet  aus  ^). 


1)  Simla,  nicht  weit  im  Osten  vom  Sutladsch,  liegt  im  Himälaya  in  7400  P.  F. 
Mceroshöhe  und  ist  eine  der  berühmtesten  Gesundheits-Stationon  Ostindiens;  es  besteht 
aus  etwa  500  zerstreut  liegenden,  europäisch  gebauten  Häusern.  Der  General-Gouver- 
neur hat  hier  seinen  Sommersitz,  und  die  Bevölkerung  beträgt  daher  im  Sommer  mehr 
als  2O.0C0,  im  Winter  etwa  2000.  Die  im  tropischen  Klima  Erkrankten  genesen  hier 
sehr  bald. 

2)  tlber  die  damals  in  Indien  herrschenden  Ideen  und  Ansiebten  gewährt  nach- 
stehendes Schreiben  einer  gut  inforniirtcn  Persönlichkeit  dd.  Bombay  13.  Juli  '869  an 
den  Verfasser  einigen  Aufschluss:  „Quant  a  la  question  politique  russe  asiatique ,  bien 
fin  scrait  qui  pourrait  vous  Texposer  clairement.  Personne  ici  n'y  connait  rien  et  il  n'y 
a  pas  un  hemme  dans  la  presse  indo-anglaise  qui  soit  en  mesure  de  vous  dire  quel  a  ete 
le  but  de  l'entrevue  d'Amballah.  On  suppose  qu'on  ne  s'cst  propose  que  de  faciliter  les 
relations  commcrciales  avcc  l'Asie  centrale,  et  qu'on  aurait  rcpousse  les  avances  de 
l'Eniir  du  Caboul  ayant  pour  but  d'obtenir  du  secours  contre  la  Kussie.  Vous  voyez  par 
les  journaux  que  le  gouvernemcnt  anglais  n'est  pas  d'avis  de  se  meler  des  affaires  de  ces 
contrees,  —  c'est  aussi  l'opinion,  dit-on,  de  Lord  Mayo.  On  ne  croit  pas  ici  aux  in- 
tentions    agressives   de  la  Russie  et  on   ne  semble  pas   se   prioccuper  beaucoup  de  ses 


150  Die  Ereignisse  in  Afgliänist&n. 

Den  Aeusserungcn  des  letzteren  nach  zu  schliessen,  wäre  seine 
Freundschaft  mit  den  Engländern  für  alle  Ewigkeit  gesichert,  doch 
diese  wissen  am  besten  wie  viel  solche  Versicherungen  eines 
asiatischen  Fürsten  werth  sind ,  zumal  dieses  Afghänenfürstcn, 
dessen  grösste  Tugend  Worthalten  nie  gewesen.  Sein  Aeusseres 
scheint  eben  nicht  zutrauenerweckend  zu  sein.  Ein  ausgesprochener 
jüdischer  Gesichtstypus  mit  einem  kalten,  grausamen  Zug  um  den 
Mund,  und  dem  scheuen  Blick  eines  gehetzten  Thieres  —  so  be- 
schreibt der  Berichterstatter  der  „Times"  den  neuen  Bundesge- 
nossen, der  selber  viel  Leid  erfahren,  aber  andern  noch  grösseres 
zugefügt  hat,  der  nie  einem  Gegner  verzieh,  seit  seiner  zarten 
Jugend  in  wildem  Kriegsgetümmel  lebt,  seinen  Lieblingssohn  im 
Kampfe  gegen  seinen  Onkel  fallen  sah,  dafür  seinen  eigenen  Bruder 
meineidig  verrieth,  und  schliesslich  den  Engländern  die  Hand  reicht 
als  Bundesgenosse  gegen  künftige  Gefahren.  Dass  vieles,  was  er 
auf  indobritischem  Boden  sah,  einen  gewaltigen  Eindruck  auf  ihn 
machte,  wollen  wir  gern  glauben.  Auch  machte  er  davon  kein 
Hehl,  wie  Orientalen  sonst  zu  thun  pflegen.  Denkt  euch  —  sagte 
er  unter  anderem  zu  den  Häuptlingen  seines  Gefolges  ■ —  dass  so 
eine  Eisenbahn-Maschine  mehr  vermag  als  ein  Heer  Elephanten, 
und  welch  ungeheure  Strecke  für  wenig  Geld  in  wunderbarer  Ge- 
schwindigkeit vermittelst  ihrer  zurückgelegt  werden  kann!  Die 
hochländischen  Regimenter  schienen  ihm  sehr  gut  zu  gefallen,  aber 
die  Abwesenheit  des  Beinkleides  hielt  auch  er  für  etwas  unan- 
ständig. INIehr  noch  interessirten  ihn  die  irischen  Soldaten,  nach- 
dem er  erfahren  hatte  dass  sie  von  Natur  aus  überaus  rauflustig 
seien.  Das  liebte  er,  das  sei  nach  seinem  Geschmack.  Im  übrigen 
wusste  er  für  einen  Afghanen  über  vieles  in  Europa  recht  gut 
Bescheid.  So  sprach  er  über  den  Katholicismus  Irlands  und  die 
französischen  Sympathien  für  dasselbe;  von  den  schottischen  Clans, 
die  Aehnlichkcit  mit  den  afghanischen  hätten,  nur  dass  diese  sich 
durch  Kleiderschnitt,  jene  durch  P^irben  von  einander  unterscheiden; 
von  Napoleon,  dessen  Generalen  imd  dergleichen  mehr.  Die  Snider- 
und  Enfieldbüchsen  kannte  er  nicht  nur,  sondern  behauptete  dass  er 
sie  in  seinem  Lande  ebenso  gut  machen  lassen  könnte  bis  auf  die 
—  Patrone,  und  als  ihm  Lord  Mayo  einen  kostbaren  Säbel  zum 
Geschenk  überreichte,  liedankte  er  sich  dafür  mit  den  "Worten: 
..Ich  will  ihn  nicht  nur  gegen  meine,  sondern  auch  gegen  Englands 
Feinde  brauchen."  Deutlicher  und  freundlicher  hätte  er  sich  nicht 
leicht  ausdrücken  kömien.    Besser  aber  wäre   es   doch  für  England, 

ppogrfes.  Schir  Ali  Khan  avtiH  cxpolie  (icmicrcmcnt  un  amljnssndcur  a  uii  fmtrn  clipf 
«fghän  pour  l'rngager  k  sc  liguor  avcc  lui  contro  Ics  Kusses,  —  cct  amlinssirtpur  a  ete 
enassscre  pour  toute  reponse.  Ccci  est  bien  vague,  n'est-ce  pas?  Je  vous  le  r^pete,  il  est 
<liflficilp,  si  pr63  meme  du  tMätre  de  ces  iveaementsj  d'y  voir  clair  et  de  ec  faire  uue 
cpinion." 


Die  Ereignisse  in  Afghanistan.  151 

wenn  es  nie  in  die  Lage  geriethe  sich  auf  diesen  geschenkten 
Säbel    als    Bundeshilfe  gegen  Kussland   verlassen  zu  müssen. 

Emir  Scliir  Ali  wurde  auf  seiner  liückkchr  nach  Kabid  zwar 
mit  Begeisterung  empfangen;  verschiedene  radicale  Reformen,  die 
er  auszuführen  begonnen,  schienen  jedoch  Unzufriedenheit  zu  er- 
regen. Namentlich  beabsichtigt  er  eine  stehende,  direet  von  ihm 
abhängige  und  bezahlte  Armee  zu  errichten,  während  sein  Heer 
jetzt  aus  zahllosen  kleinen  Abtheilungen  gebildet  ist,  die  ihren  mit 
Ländereien  belehnten  Häuptlingen  unterstehen.  Einen  Theil  seiner 
Truppen  schult  er  schon  nach  englischem  Vorbild  ein,  unterstützt 
von  gedienten  Lidern,  die  er  nach  Afghanistan  mitgenommen  hat. 
Seinem  Sohn  Muhammed  Yakub-Chan ,  welcher  während  seiner 
Abwesenheit  die  Regierung  führte,  hat  er  eingeschärft,  die  eng- 
lischen Studien  nicht  zu  vernachlässigen ,  und  der  jünstc  Sohn, 
Abdula-Chan,  muss  täglich  ein  paar  Stunden  englisch  lesen.  Er 
beeilte  sich  auch  gleich  nach  seiner  Rückkehr  der  Königin  von 
England  in  einem  Telegramm  seinen  Dank  für  die  freundliche 
Aufnahme  auszudrüken,  welche  ihm  von  Seiten  des  Vicekönigs  von 
Indien   und   anderer  hoher  Beamten  zu   Tbeil  geworden. 

Unter  die  weiteren  Reformen  welche  Schir  Ali  zur  Befestigung 
seiner  INIacht  in  Afghanistan  unternahm,  w^ar  zunächst  die  Um- 
wandlung seiner  bisherigen  Bundesgenossen  in  Unterthanen,  deren 
Heerfolge  Pflicht  ist.  Mit  einer  an  die  Civilisation  erinnernden 
Billigkeit  sollen  die  durch  dieses  Verfahren  betroffenen  kleinen 
Häuptlinge  durch  Geld  entschädigt  werden;  in  der  That  meldete 
auch  kurz  darauf  der  Telegraph  aus  Bombay,  dass  der  Emir  von 
Badachschän  und  sämmtliche  Häuptlinge  Turkestäns  dem  Schir  Ali 
Vasallentreue  gelobt  hätten.  AVäre  diese  Nachricht  richtig,  so 
würde  sich  seine  Oberherrschaft  auch  über  Kundüz  erstrecken. 
Dass  es  aber  mit  dieser  vollständigen  Unterwerfung  Afghanistans 
nicht  allzu  viel  auf  sich  hat,  liess  sich  schon  aus  der  Thatsache 
entnehmen  dass  die  schwere  Batterie  und  die  sonstigen  Kriegsvor- 
räthe  welche  der  Vicekönig  dem  Emir  zum  Geschenk  gemacht 
hatte,  im  berüchtigten  Cheyber-Passe  angehalten  und  die  dortigen 
Häuptlinge  den  Durchzug  nicht  eher  gestatteten  bis  auf  Rechnung 
Schir  Ali's  900  Pfund  Sterling  Lösegeld  gezahlt  wurden.  Selbst 
dieser  dem  eigenen  Fürsten  aufgelegte  Tribut  würde  den  Transport 
nicht  gerettet  haben  wenn  die  Wegelagerer  nicht  den  Zorn  der 
Engländer  gefürchtet  hätten. 

Inzwischen  beschäftigt^  sich  Schir  Ali-Chan  die  Bevölkerung 
zu  entwaffnen,  was  nicht  allenthalben  sehr  glatt  von  statten  ging, 
und  mit  Hilfe  englischer  Schneider  seine  Truppen  nach  europäisch- 
indischer "Weise  zu  uniformiren.  Damit  die  wackeren  Afghanen 
die  neue  Tracht  nicht  gar  zu  fremdartig  finden,  sollten  die  Söhne 
und  Neffen  des  Emir    sie   zuerst    anlegen.      Einer    dieser    letztereuj 


152  li'e  Ereignisse  In  Afghanistan. 

Ismail-Chan,  zeigte  sich  mit  den  eingeführten  neuen  Anordnungen 
bezüglich  der  Armee  missvergnügt.  Obwohl  der  Emir  ihn  durch 
das  Anerbieten  einer  bedeutenden  Jahressumme  zu  versöhnen  suchte, 
lehnte  er  sich  gegen  ihn  auf.  Er  wurde  indessen  gefangen  ge- 
nommen und  nebst  seinen  beiden  Brüdern  auf  britisches  Gebiet 
geschickt.  Es  gelang  Ismail-Chan  zu  entfliehen  und  sich  in  Af- 
ghanistan zu  verbergen.  Seine  beiden  Brüder  langten  in  der  briti- 
schen Grenzgarnison  Kohat  an,  von  wo  sie  die  indische  Kegierung 
nach   Labore   internirte. 

Es  mag  hier  zum  Schlüsse  nicht  unerwähnt  bleiben  dass  alle 
Prätendenten  des  Thrones  von  Afghanistan  sich  nach  Turkestän 
und  Bochära  flüchten,  um  bei  dem  dort  operirenden  russischen 
Armee-Corps  Schutz  und  Unterstützung  zu  finden.  Auch  Persien, 
stets  den  Wunsch  hegend  seine  Grenze  gegen  Afghanistan  zu  er- 
weitern, nimmt  die  Prätendenten  offen  in  Schutz;  Emir  Schir  Ali- 
Chan  befindet  sich  unter  diesen  Umständen  in  einer  kritischen 
Lage,  %velche  noch  dadurch  erhöht  wird  dass  er  sich  zum  AUlirten 
Englands  machte.  Die  Afghanen  nämlich  sind  Ignoranten,  welche 
sich  weniger  vom  Emir  als  von  ihren  Imams  leiten  lassen,  die 
ihrerseits  durch  russisches  Geld  von  den  Prätendenten  gewonnen 
sind.  Die  afghanische  Geistlichkeit  agitirt  also  durch  die  Präten- 
denten indircct  für  Russland,  ihrem  Emir  als  Rechtgläubigen  es 
zum  Verbrechen  anrechnend,  mit  den  ungläubigen  Engländern  gegen 
die  Vorschriften  des  Korans  eine  Allianz  eingegangen  zu   sein. 

Umgekehrt  suchte  der  rebellische  Kronprinz  von  Bochära,  der 
Kette-Töre  Abdul-  Melik,  wie  schon  früher  erwähnt,  Schutz  am 
Hofe  Schir  Ali-Chan's,  der  ihm  denselben  nicht  nur  gewährte, 
sondern  auch  noch  überdies  die  Hand  seiner  schönen  Tochter  an- 
trug, um  sich  durch  dieses  Bündniss  nicht  nur  den  Besitz  der 
Provinz  Turkestän  zu  sichern,  deren  angrenzende  Chanate  die  harte 
Nuss  sind ,  welche  der  kabülische  Herrscher  zu  knacken  hat, 
sondern  auch  um  sich  einige  Ansprüche  auf  das  Chanat  Bochära 
selbst  anzuschaffen.  Es  bedurfte  aller  Anstrengungen  der  eng- 
lischen Politiker  in  Calcutta  um  Schir  Ali-Chan  zu  vermögen, 
seinen  Gast  wieder  zu  verabschieden;  er  versah  ihn  mit  Geld- 
mitteln und  verhalf  ihm  zu  einer  Reise  nach  Chokand.  Unter- 
dessen versuchte  es  der  Vater  des  Rebellen,  jNIozaffer  Eddin-Chan 
von  Bochära  sein  früheres  Recht  auf  Badachschän  und  das  Quellen- 
gebiet des  Oxus  wieder  einmal  geltend  zu  machen.  Die  Duodez- 
Chanate  von  Kundüz,  Chulum,  Aktsche,  Schiburgan  und  Siripul 
waren  nändich ,  so  weit  geschichtliche  Erinnerung  reicht,  stets 
unter  Bochära's  Suzeränität  gestanden.  Demzufolge  w'urde  gegen 
Ende  1869  von  Bochära  aus  einerseits  Chodscha  Ischan  Urak  zum 
afghanischen  Gouverneur  von  Balch  auf  diplomatischem  Wege  ge- 
schickt um  zwei  unbedeutende  Orte,  die  in  der  neueren    Zeit    ab- 


Ibia  Eroignisse  in  Afghanistan.  153 

gefallen  \Yaren ,  zurückzuverlangen;  andererseits  aber  wurde  der 
bocliarische  General  Yakub-Inag  mit  einer  .\rmee  zur  factisclien 
Zurückeroberung  ausgesandt.  Das  war  genügend  um  die  Afghanen 
zu  den  Waffen  zu  rufen.  Die  beiden  Parteien  standen  sich  mehrere 
Tage  lang  gegenüber,  bis  endlich  neue  Verhandlungen  den  Aus- 
bruch der  Feindseligkeiten  verhinderten,  und  Bochära,  wahrschein- 
lich von  Russland  beeinflusst,  sich  dazu  bewegen  Hess,  als  Grenz- 
linie zwischen  seinen  Staaten  und  denen  des  afghanischen  Nachbars 
die  natürliche   Scheidewand   des   Oxus  zu   betrachten  ^). 


1)  Die  Beilegung  iler  Grenzstreitigkoiton  zwischen  Bochära  und  Afghünisl.' 
II.  Vambery.     (Beil.  der  Allg-  Zeitg.  1870,  Nr.  71). 


19 


XIII.  Lapitel. 

Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 


Ehe  wir  daran  gehen,  die  sich  immer  mehr  in  den  Vorder- 
grund drängende  Frage  der  Rivalität  Knsslands  nnd  Enghxnds  in 
Asien  —  beiden  Parteien  gleich  fern  stehend,  ohne  Vorliebe  für 
die  Einen,  ohne  Abneigung  gegen  die  Andern,  am  Getriebe  politischen 
Staatslebens  selbst  unbetheiligt  —  in  ihren  möglichen  Resultaten 
zu  beleuchten,  dünkt  es  uns  von  hoher  Wichtigkeit,  in  einigen 
Worten  Englands   Stellung  in  Indien  klar  zu   machen. 

In  dem  Lichte,  worin  die  heutige  wissenschaftliche  Erkennt- 
niss  die  geschichtlichen  Vorgänge  betrachtet,  hat  die  Bewunderung 
der  einst  so  hochgepriesenen  Colonialpolitik  längst  einer  nüchternen 
Auffassung  weichen  müssen.  .  Schon  die  Thatsache  allein,  dass 
beispielsweise  1849  die  Ausfuhr  Englands  nach  dem  zum  unab- 
hängigen Staate  herangewachsenen  Yankeelande  im  Vergleiche  zur 
Bevölkerung  beinahe  zwölf  mal  bedeutender  war,  als  die  nach 
seinen  ostindischen  Besitzungen  '),  dürfte  genügen,  um  den  geringen 
Nutzen  auswärtiger  Colonien  schlagend  darzuthun,  wenn  auch  nicht 
zahlreiche  anderweitige  Beispiele  der  Geschichte  hinzukämen,  um 
diese  Behauptung  zu  imterstützen.  Wir  wissen  überdies  aus  Er- 
fahrung, dass  jede  Colonie,  fühlt  sie  sich  einmal  stark  genug,  sich 
vom  ]Mutterlande  emanci})irt  und  imabhängig  erklärt.  Die  eng- 
lischen Colonien  in  Australien ,  Neuseeland  und  Canada  sind  auf 
dem  besten  Wege  hiezu,  und  wir  zweifeln  keinen  Augenblick 
daran,    dass  ihnen   Ostindien   seinerzeit  nachfolgen   wird. 

Wir  bewundern  also  keineswegs  die  englische  Colonialpolitik, 
am  allerwenigsten  in  Ostindien.  Wir  schweigen  von  den  Gräueln 
vmd  der  Barbarei,  mit  der  englische  Squatters  und  Ansiedler, 
Kaufleute  und  selbst  Missionäre  die  eingebornen  Völkerschaften  zu 
vertilgen  verstehen,  während  daheim  die  Londoner  City-Philosophen 
die  hohlen  Plirasen  von  Humanität  und  Freiheit  im  INIunde  führen, 
um    imter    dem    Schutze    dieses    Deckmantels    irreleitend ,    mitunter 


1)  Max    Wirth.  Gruiidzügp  der  National-Ükononiie.  Köln.  1861-  8-  I.  Bd.  S- 85. 


Die  Rivalität  Russlands  und  Eiiglniids  in  Asien.  1   ).'» 

auch  selbst  irregeleitet ,  eben  der  Humanität  und  der  Freiheit  AYahrc 
Faustschläge  in's  Antlitz  zu  versetzen.  Wir  schweigen  davon, 
Aveil  wir  nicht  zu  jenen  modernen  Heulern  gehören,  welche  über 
den  Untergang  eines  wilden  Volkstarames  entsetzt  die  Hände  über 
dem  Kopf  zusammenschlagen,  über  jedes  Tröiifchen  vergossenen 
Menschenblutes  herbe  Thränen  weinen  und  aus  der  Geschichte  noch 
nicht  die  auf  jeder  Seite  hervorspringende  Ijchre  gezogen  haben, 
dass  die  Entwicklung  der  Menschheit  und  der  einzelnen  Nationen 
nicht  nach  ethischen  Grundsätzen  fortschi'eitet,  dass  die  höchsten 
idealen  Güter  stets  den  materiellen  Yortheilen  weichen  müssen, 
dass  Humanität,  Freiheit,  Recht,  Edelmuth  und  so  viel  Anderes 
leere  Worte  sind  und  rücksichtslos  bei  Seite  gesetzt  werden,  wo 
es  sich  um  die  eigene  Existenz  handelt.  Auch  in  Ostindien 
mussten  ähnliche  Vorgänge  von  den  Engländern  beobachtet  werden, 
wollten  sie  Herren  des  Landes  bleiben ;  dies  unterliegt  keinem 
Zweifel;  aber  der  Sipoys-Aufstand  von  1857,  in  Betreff  dessen, 
was  auch  Unkundige  und  Böswillige  sagen  mögen,  die  russische 
Regierung  frei  von  aller  Zettelei  war '),  deckte  all  die  übrigen 
Mängel  der  indobritischen  Wirthschaft  schonungslos  auf,  und  was 
seither  geschehen,  hat  die  Situation  nur  unwesentlich  gebessert. 
Von  Seite  eines  politischen  Gegners,  dem  wir  die  höchste  Achtung 
zollen,  Herrn  H.  ^'ambery  sind  wir  darauf  aufmerksam  gemacht 
worden,  dass  den  Hindüstänern  selber  keine  Ursache  geboten 
würde  Klage  zu  führen  über  die  englische  Colonialpolitik,  die  — 
wie  Vambers'  in  schmeichelhafter  Weise  sich  ausdrück  —  „Herrn 
„von  Hellwald  gewiss  nicht  misfallen  würde,  wenn  er  sich  mit 
„seinem  gründlich  forschenden  Blick  Nachrichten  von  dem  praktischen 
„Felde  einholte''  ^).  Er  meint  wir  thun  den  Britten  Unrecht,  in- 
dem wir  die  wohlthuenden  Veränderungen  verschweigen,  welche 
die  Regierung  am  Hughly  zur  physischen  und  moralischen  Ver- 
besserung der  Einwohner  Hindustäns  vorgenommen  hat.  Fern 
sei  uns  eine  jede  derartige  Absicht.  Bereitwilligst  geben  wir  zu 
dass  England  auch  Culturarbeit  in  Indien  verrichtet  habe  und  noch 
verrichte,  nur  scheint  sie  uns  durchaus  nicht  jene  Bedeutung  zu 
verdienen,  welche  man  ihr  gewöhnlich  beilegt.  Dass  wir  mit 
unserer  Auffassung  der  Dinge  gar  so  I'nrecht  nicht  haben,  ersehen 
wir  aus  einem  Berichte,  den  der  Oberbefehlshaber  der  britischen 
Armee  in  Indien,  Lord  Napier  von  INIagdala  an  das  Ministerium 
im  Jahre  1870  gerichtet  hat.  Darin  gesteht  der  edle  Lord:  „dass 
die  englische  Regierung  nie  weniger  auf  die  Anhänglichkeit  der 
Volkes   in   Indien  zählen   koiuite,    als  jetzt-'    —    und   seitdem    haben 


1)  Carl  Neuniann.    Die  Empörung  im  >Tngloindischcn  Reiche  und  deren  Folgen. 
(Unsere  Zeit.  1861.  S.  S7). 

2)  „Allg.  Zeitg.«  IST«,  Kr.  9. 


156  Die  Rivnlilät  Rus^lanJs  und  KnglaiKU  in  Asien. 

sich  die  Umstände  nur  versclilimmert.  I^ord  Napier  sagte  ferner 
in  seiner  Depesche:  die  Ursache  dieser  Missstimmung  liege  tiefer 
als  in  der  Einkommensteuer  —  und  schreibt  sie  vornehmlich  dem 
Umstände  zu  dass  die  Classe  der  europiüschen  Beamten,  welche 
Indien  zu  ihrer  Heimath  machten  und  sich  mit  dem  A'olke  identi- 
ficirten,  bis  auf  wenige  Ausnahmen  ausgestorben  ist.  „Die  Er- 
innerungen der  Wohlthaten,"  meint  er,  „welche  wir  dem  Volke 
in  jenen  Theilen  von  Indien  erwiesen  haben  die  wir  von  der 
Unterdrückung  und  ^Missregierung  ihrer  (iewalthcrrscher  befreiten, 
ist  mit  der  damaligen  (leneration  verschwunden:  die  jetzige  Ge- 
neration kennt  nur  die  gegenwärtigen  Beschränkungen  und  Ob- 
liegenheiten die  man  ihr  auferlegt."  Diess  ist  doch  von  Seite 
eines  Staatsdieners   deutlich  genug  gesprochen. 

Lord  Napier  gesteht  selbst  dass  die  jetzigen  Beamten  kein 
Verständniss  und  kein  Herz  für  das  Volk  haben,  dass  die  eng- 
lische Herrschaft  nur  „in  einigen  Theilen  von  Indien"'  einst  eine 
Wohlthat  war,  und  dass  die  jetzige  Generation  keine  Ursache  hat 
mit  den  gegenwärtigen  „Beschränkungen  und  Obliegenheiten"'  — 
(der  englische  General  musste  natürlich  die  gelindesten  Ausdrücke 
wählen)  —  zufrieden  zu  sein.  Ferner  erwähnt  er  noch  in  jenem 
Berichte  dass  die  Gebildeten  und  Ehrgeizigen  in  der  indischen 
Nation  einen  grösseren  Antheil  an  Aemtern  und  Besoldungen  be- 
ansi^ruchcn  als  sie  jetzt  besitzen.  Auch  diese  Andeutung  bedarf 
keines  Commentars,  imd  es  ist  wohl  ganz  natürlich  dass  die  Ge- 
bildeten und  Ehrgeizigen  in  Indien  sich's  nicht  gefallen  lassen 
wollen  nur  als  misera  contribueus  plebs  behandelt  zu  werden. 
Es  ist  Thatsache,  dass  Englands  Herrschaft  in  Indien  sein  ver- 
wiu)dbarster  Fleck  ist.  Dem  als  Colonisator  so  hochgepriesenen 
Britten  steht  heute,  also  nach  mehr  denn  hundert  Jahren,  die  in- 
dische Bevölkerung  und  zwar  wohlgemerkt  die  indische  wie  die 
muhammedanische  gerade  noch  so  fremd  und  feindlich  gegenüber, 
wie  zu  Clive\s  und  Ilasting's  Zeit  ').  Die  abgedroschene  INIetapher 
von  der  umgekehrten  Pyramide  hat  inan  trottend  auf  das  britische 
Reich  im  Orient  angewandt.  Es  wurde  durch  das  Schwert  auf- 
gebaut, und  mehr  noch,  es  wird  durch  das  Schwert  regiert. 
Was  heute  die  englische  Heri'schaft  in  Indien  aufrecht  erhält,  sind 
nicht  der  Nizam  von  Ilyderabad ,  der  Kadscha  von  Travancore 
und  Andere,  deren  Interessen  mit  jenen  England*  verflochten 
sind ;  es  ist  auch  nicht  die  Loyalität,  weder  der  muhammedani- 
schcn ,  noch  der  buddhistisch-brahmanischen  Völkerschaften  des 
Landes,  es  sind  auch  nicht  die  115.000  eingeborne  Söldlinge, 
welche  England  noch  innner  unter  deu'  Waffen  hält,  so  viel  als 
möglich   aber   über   das   weite   Reich  zerstreut,    es    sind    einzig    und 

1)  Die   Rnssn    in    Centralasicn.     („Neues    Frcnulcnblatt"    vom  2.    Fcljruar    18C0). 


Die  Rivalität  Riii3Slaiids  iiiul  Englands  in  Asien.  1  57 

allein  die  70.000  Mann  eiiropäiircher  Kerntruppen,  welche  die 
Sipoy.s  in  Rcspect  halten  und  an  den  wichtigsten,  strategischen 
l'nnkten  concentrirt  stehen.  Was  in  Hinsicht  auf  Verkehrsmittel, 
auf  Eisenhahnen  und  Telegraphen  geschehen  ist,  so  haben  die  seit 
wenig  Jahren  eingetretenen  Fortschritte  die  militärische  Stellung 
der  IJriten  bedeutend  gesichert.  Mehr  ist  nicht  geschehen,  und 
ihre  Macht  über  Indien  ist  heute  so  wie  ehedem  blos  die  Macht 
des  Schwertes  ').  Dem  gegenüber  macht  in  dem  oben  angezogenen 
Berichte  der  umsichtige  General  die  Regierung  auch  auf  andere 
Gefahren  aufmerksam  welche  sich  gegen  die  britische  Herrschaft 
in  Indien  vorbereiten,  niiinlich  auf  die  bedenkliche  Entwicklung 
der  Wehrkraft  der  benachbarten  Staaten.  Da  ist  der  Fürst  Scin- 
dia,  der  eine  wohlbewatl'nete  und  gutgedrillte  Armee  hält,  die  er 
nöthigenfalls  jeden  Augenblick  mit  waft'eiikundigen  Leuten  ver- 
doppeln kann,  und  der  mindestens  40  feldtüchtige  Geschütze  ins 
Feld  zu  stellen  vermag.  Ferner  weist  er  auf  die  Streitmacht 
Nepals  hin,  welche  aus  27  regelmässig  organisirten  und  nach 
englischem  System  geschulten  Eegimentern  und  2000  Artilleristen 
besteht.  Kr  bemerkt  dazu  dass  diese  Armee  im  Nothfalle  mit 
waffenfähigen  und  geschulten  Leuten  leicht  um  das  vierfache  ver- 
mehrt werden  kann,  dass  sie  mit  tüchtigen  Gewehren,  die  in  den 
einheimischen  Werkstätten  von  Katmanda  verfertigt  werden,  be- 
waffnet sind,  und  dass  ausserdem  schon  ein  ^'orrath  von  beiläufig 
100.000  Feuergewehren  im  Zeughause  vom  Nepal  bereit  liegt. 
Ferner  erfahren  wir  dass  dieses  Land  auch  eine  eigene  Kanonen- 
giesserei  besitzt,  welche  Zwölf-  und  .Vchtzehnpfünder  erzeugt, 
die  mittelst  Dampfmaschine  gebohrt  werden,  und  dass  in  dem 
dortigen  Arsenal  schon  mehr  als  400  Geschütze  vorräthig  sind. 
Der  edle  Lord  erwähnt  endlich  dass  die  Nepalesen  zwar  keine 
Neigung  für  einen  Feldzug  bei  heisser  Witterung  in  der  Ebene 
haben,  dass  sie  jedoch  gegen  einen  solchen  in  der  kühlen  Jahres- 
zeit keine  Abneigung  zeigen  würden,  und  dass  sie  den  Engländern 
in  den  gebirgigen  Gegenden  Indiens  gefährlich  werden  könnten. 
Auch  macht  Lord  Napier  in  demselben  Berichte  auf  die  LTmstände 
aufmerksam  dass  Ilolkar  im  geheimen  eine  Kanonengiesserei  mit 
Dampfmaschine  errichtet  hat,  dass  die  Fürsten  Guikowar,  Ali- 
!Morad ,  Young-Bahadur  und  der  König  von  Ava  sich  gezogene 
Geschütze  und  die  besten  Präcisionsgewehre  verschafft  haben  — 
und  dergleichen  mehr.  Solchen  Thatsachen  gegenüber  lassen  sich 
die  ernstlichsten  Besorgnisse  rechtfertigen,  um  so  mehr  als  der  er- 
mordete ^'icckönig  das  bei  der  Armee  und  den  Beamten  begreif- 
licherweise sehr  unpopuläre  System  befolgte  mit  jedem  Shilling  in 


1)  Die    B^sis    der    britischen    Herrschaft    in    Indien.       (Beilage     der   „Aiigsburger 
Allgemeinen  Zeitung"  vom  H-  Octobor  1S67). 


158  Die  Rivalität  Kiisslniids  und  Eiig^nnils  in  Asien. 

allen  Vorwaltungszwcigen  zu  sparen  ^vo  ein  solcher  nur  erspart 
werden  kann,  um  nicht  ganz  oder  theilweise  die  grossartigen 
öffentlichen  Werke  aufgeben  zu  müssen,  von  deren  Ausführung  die 
moralisclio  und  materielle  Zukunft  Indiens    wesentlich    bedingt    ist. 

Hierüber  äusserte  sich  der  am  10.  Februar  1872  durch  fana- 
tische Älördorhand  gefallene  Yicekönig  Lord  Älayo  in  einer  seiner 
letzten  Denkschriften  an  die  Regierung  in  London  folgejideniiashcn: 
„Es  wäre  unverantwortlich  für  die  Armee  hier  einen  Shilling  mehr 
auszugeben  als  absolut  und  gebieterisch  nothwendig  ist.  Dabei 
handelt  es  sich  um  viel  höhere  Rücksichten  als  um  die  jährlichen 
Finanzerfordernisse  oder  um  die  persönlichen  Literessen  jener, 
welche  im  Civil-  oder  ^Militärdienst  der  Krone  angestellt  sind. 
Jeder  Shilling  der  für  unnütze  ^lilitärausgabeu  verwendet  wird,  ist 
jenen  grossen  Summen  entzogen ,  welche  es  unsere  Pflicht  ist  der 
Verbesserung  der  moralischen  und  materiellen  Zustände  dieses  Volkes 
zuzuwenden."'  Li  der  That ,  es  ist  nicht  möglich  das  Programm 
der  öffentlichen  Werke  auszuführen,  welche  Lord  INLiyo  entworfen 
inid  in  Angriff  genommen  hatte ,  wenn  man  die  finanziellen  Re- 
formen nicht  einfülirt  die  er  so  manrdiaft  verfochten  hat.  Anderer- 
seits scheinen  aber  die  für  das  Herr  voraus /abten  Summen  unter 
den  oben  angegebenen  Umständen  durchaus  nicht  vergeudet ,  son- 
dern vielmehr  eine  hohe  politische  Nothwendigkeit  zu  sein,  be- 
sonders da  eine  genauere  Pi-üfiing  des  wohlwollenden  Strebens 
ÄLiyo's  lehrt,  wie  wenig  ein  solches  in  vielen  Fällen  in  Lidien 
am  Platz  ist. 

Als  Nachfolger  des  meuchlings  ermordeten  ^Nlayo  kam  Lord 
Northbrook  nach  Lidien,  der  die  Zügel  der  Regierung  in  einem 
gewiss  sehr  kritischen  Moment  ergriff.  Er  hat  die  Wahl  zwischen 
zwei  Richtungen:  entweder  muss  er  in  die  Fussstapfen  Lord  Mayo's 
treten,  oder  aber  mit  Hintansetzung  der  von  diesem  angestrebten 
Verbesserungen  sein  Hauptaugenmerk  der  Sicherstellung  der  britischen 
Äfachtstellung  zuwenden.  Jedenfalls  findet  er  die  Zustände  Indiens 
in  keinem  befriedigenden  Stadium.  Das  ganze  System,  welchem 
Indien  unterworfen  ist,  ist  ein  sehr  mangelhaftes,  und  ruht  auf 
unsicherer  (irundlage.  Die  höchste  Autorität  in  den  indischen  An- 
gelegenheiten liegt  scheinbar  im  Parlament  des  ISIutterlandes,  allein 
es  ist  diesem  nie  möglich  gewesen,  mehr  als  eine  nominelle  Con- 
trolle  üljer  dieselben  auszuüben.  Es  hat  übrigens  seine  Aftermacht 
einem  ÄLnistcr  —  dem  Staatssecretär  für  Indien  —  übertragen, 
dessen  Verfahren  zu  überwachen,  es  weder  Zeit  noch  I^ust  hat. 
Dieser  ^linister  ist  vom  praktischen  Standpunkt  aus,  der  englischen 
Nation  gegenüber  unverantwortlich  —  und  der  indischen  Bevölkennig 
gegenüber,  gesetzlich  ein  absoluter  (icwalthaber.  Der  Staatssecretär 
für  Indien  ist  par  excellence  bisher  ein  Regierer  gewesen,  der  das 
gethan    hat,    was    in    seineji    eigenen   -Uigen    recht    war.      Es  sind 


Die  Rivalität  Russlantls  und  Englands  in  Asien.  159 

sogar  die  wenigen  und  ungenügenden  Hemmschuhe,  welche  früher 
unter  dem  Regiment  der  Compagnie  bestanden  haben,  unter  der 
Regierung  der  Krone  verschwunden.  Die  Nothwendigkeit,  sich 
an  das  Parlament  zu  wenden,  um  eine  Erneuerung  des  Privilegiums 
zu  erlangen,  und  die  häufigen  Streitfragen  zu  denen  ein  grosses 
Monopol  der  energischen  Concurrenz  dos  englischen  Handels  ge- 
genüber, Veranlassung  gab,  unterzogen  die  Angelegenheiten  der 
cstindischen  Compognie,  periodischen  Einmischungen  des  englischen 
Parlaments.  Die  Gewissheit,  dass  ihre  Politik  und  ihr  Vorgehen 
früher  oder  später  von  der  Nationalvertretung  geprüft  werden  würde, 
äusserte  einen  wohlthätigen  Einfluss  auf  die  Direction  und  die 
Controllsbehörde.  Seitdem  aber  Indien  unter  die  Regierung  der 
Krone  übergegangen  ist,  hat  die  parlamentarische  Controle  aufge- 
hört. Und  so  konnte  ein  Staatssecretär  gegen  ein  Gesetz,  welches 
die  indische  Localverwaltung  für  dringend  nothwendig  hielt,  sein 
Veto  einlegen ;  ein  anderer  vergeudete  eine  bedeutende  Summe  von 
indischem  Einkonmien ,  um  die  Ansprüche  eines  zudringlichen  ein- 
gebornen  Fürsten  zu  befriedigen;  ein  dritter  wieder  besteuerte  die 
indischen  Contribuenten,  imi  die  Unkosten  der  Gastfreundschaft  zu 
decken ,  welche  das  Mutterland  irgend  einem  europäischen  Poten- 
taten erwies  u.  dgl.  m.  Das  indische  Publicum  und  seine  Presse 
mochten  dagegen  protestiren  so  viel  sie  wollten ,  ihre  Stimmen 
waren  ohnmächtig  gegenüber  einem  fernen  und  unverantwortlichen 
Minister.  Jetzt  ist  das  pei-manente  Comite  für  die  indischen  An- 
gelegenheiten im  Parlament  eingeführt ,  aber  es  flösst  in  Indien 
selbst  kein  Vertrauen  ein.  Ohne  auf  die  vielen  Klagen  und  Be- 
schwerden die  täglich  laut  werden  näher  einzugehen,  erhellt  aus 
obiger  Darstellung  der  Verhältnisse ,  dass  die  indische  Verfassung 
gründlicher  Reformen  bedarf,  und  dass  man  wohl  den  Eingebornen 
Glicht  zumuthen  kann,  mit  einer  Verwaltung  zufrieden  zu  sein,  die 
selbst  die    englischen  Ansiedler    nichts    weniger    als  zufriedenstellt. 

So  lesen  wir  in  einem  indischen  Blatte:  „Der  Gouverneur- 
Lieutenant  von  Bengalen  sieht  auf  die  eingebornen  Richter  und 
ol)rigkeitlichcn  Personen  wie  auf  Hunde  und  Schakals ,  imd  be- 
handelt sie  auch  als  solche.  Er  sucht  fortwährend  der  höheren 
Erziehung  Schwierigkeiten  in  den  Weg  zu  legen,  er  wünscht  nicht, 
dass  die  Eingebornen  etwas  lernen  und  civilisirt  werden,  und 
gleich  den  Europäern  unabhängige  Ansichten  dai'über  haben,  wie 
ein  Staat  regiert  werden  soll ;  er  wünscht ,  dass  sie  wie  Bestien 
regiert  werden  sollen  u.  s.  f."  Sicher  ist,  dass  auch  viele  Euro- 
päer im  stillen  diese  Ansicht  theilen. 

Die  Eigenthümlichkeit  der  Verhältnisse  macht  die  britische 
Herrschaft  in  Indien  stets  gefährdet.  Diese  Herrschaft  beruht 
nebst  der  obenerwähnten  Waffengewalt,  wesentlich  auf  den  ge- 
waltigen   Prästigium     der    Macht     des    britischen    Reiches    in    den 


160  Dir  Kivalität  RuBslands  und  Englands  in  Asien. 

Augen  und  Vnrstcllnngon  der  Eingol)ornon ,  und  sie  ist  in  dorn 
Augeid)]icko  vorloron,  in  welchoni  diese  ^Nlaelit  durch  eine  eclatantc 
Niederlage  gebrochen  ist,  eine  unYerhülll)are  Domüthigung  sie  ihres 
zaubergleichen  Nimbus  entkleidet. 

Alan  begreift  die  Richtigkeit,  aber  aueli  die  Gewichtigkeit 
dieses  Verhältnisses,  wenn  man  erwägt,  dass  in  Indien  nicht 
weniger  als  200  INIillionen  Menschen,  was  zwei  Drittheilen  der 
Einwohnerzahl  Europa's  gleichkonunt,  von  nieht  mehr  als  156.000 
Europäern  beherrscht  W'crden  —  eine  Ziffer,  die  auch  nicht  an- 
nähernd derjenigen  der  Armee  eines  europäischen  Staates  gleich- 
kommt, der  nur  ein  Fünftel  der  Einwohnerzahl  Indiens  aufzu- 
weisen hat,  und  in  dem  nicht  gleich  diesem  eine  vielgchasste 
Fremdherrschaft  zu   vertheidigen  und  zu   behaupten   ist. 

Wie  die  Eroberung  und  Botniässigmachung  jenes  gigantischen, 
von  den  Völkern  aller  Jahrhunderte  ersehnten  Ländergebietes  das 
Ergebniss  der  listigen  Ausnützung  der  einheimischen  Streitigkeiten 
und  Fehden,  der  Herrschsucht  der  Grossen  und  der  Unzufrieden- 
heit der  Bedrückten  in  jenem  weiten,  vielgegliederten  Staatsw^esen 
war,  so  basirt  die  Herrschaft  daselbst  auf  der  klugen  Wahr- 
nehmung der  einander  befehdenden  Interessen  der  Eingebornen. 
Indien  ist  keine  Colonie.  Kein  Engländer  geht  dorthin  zur  blei- 
benden Scsshaftwerdung.  ')  Die  Söhne  Albions  gehen  nach  Indien 
imr  um  im  Heer  oder  in  der  Verwaltung  Ehre  und  Geld,  im 
Handel  Reichthümer  zu  erwerben  und  dann  das  Erworbene  in  der 
Heimath  zu  geniessen.  Sie  sind  lediglich  Beherrscher  des  Landes, 
nicht  seine  Bürger.  Das  vom  Gegenpart  nie  voll  anerkannte  Recht 
der  Eroberung,  die  stets  widerwillig  getragene  Fremdherrschaft 
treten  hier  in  ihrer  ungemildertsten  Schärfe  auf.  L^nd  keine  grosse, 
unwiderstehliche  militärische  INIacht  ist  es,  die  jenes  behauptet, 
diese  aufrecht  hält;  der  heimische  Zwist,  der  eigene  Unfriede  ist 
CS,  der  das  älteste  Culturvolk  unter  das  Joch  der  meerbeherrschen- 
den Fremden  beugt.  Die  Briten  fanden  das  Land  zerrissen  und 
unterjocht.  Den  kleinen  heimischen  Tyrannen  überlegen,  hatte 
sich  dort  das  muhammedanische  Reich  des  Grossmoguls  ausge- 
breitet. Auch  dieses  war  eine  Fremdherrschaft;  die  fanatische 
Tyrannei  einer  fremden  Religion,  die  mit  wilder  Unduldsamkeit 
die  nationale  Eigenart  in  Brauch  und  Sitte,  in  Denken  und  Fühlen 
bekämpfte,  diese  Fremdherrschai't  ward  durch  die  Englands  ver- 
drängt. An  die  Stelle  des  religiösen  Fanatismus  trat  der  commer- 
cielle  Egoismus,  an  die  Stelle  der  glaubenseifrigen  L^ndiildsamkeit 
die  herzlose,   beutegierige,   kaufmännische   Selbstsucht.    Diese  Herr- 


1)  Siehe  hlerülicr  zicniHcli  ausfülirliclics  in:  Jolrann  Williplni  llclfer's  Reisen 
in  Vordernsien  und  Indien.  Von  Giüün  Pauline  Nostitz.  Leipzig  187:3,  8.  II-  15d. 
ß.  28,  33,  34,  35. 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  IGl 

Schaft,  die  der  „ostindischen  Compagnie",  musste  gleich  jener  dem 
ersten  Anprall  unterliegen.  Der  blutige  Aufstand  vom  Jahre 
1857  machte  ihr  ein  Ende,  und  das  ,.Regiment  der  Königin" 
begann. 

Als  „Kroidand"'  bildet  Indien  nicht  mehr  ein  kaufmännisches 
Ausbeute-Object,  es  ist  eine  der  wesentlichsten  Grundlagen  der 
politischen ,  mercantilen  und  industriellen  Macht  Grossbritanniens, 
und  dieses  sucht  es  nach  den  Grundsätzen  der  heutigen  Anschau- 
ungen zu  befestigen.  Vereinzelt  jedoch  wie  sie  dastehen,  können 
dis  Engländer  ihren  Rückhalt  lediglich  in  ihrer  überlegenen  Cultur 
suchen;  es  ist  aber  eine  völlig  abgeschmackte  Behaujjtimg,  eine 
im  Gewände  eines  hohlen  Liberalismus  sich  drapirende  Phrase, 
dass  sie  ihren  Rückhalt  in  dieser  Cultur  auch  finden.  Wohl  ist 
es  richtig,  dass  sie  die  Segnungen  der  Cultur  an  die  Ufer 
des  Indus  und  Ganges  tragen,  die  Eigenthümlichkeiten  der  Ein- 
wohner hie  luid  da  schonen,  durch  Pflege  und  Förderung  der 
materiellen  Interessen  den  nationalen  Groll  zu  beschwichtigen,  den 
religiösen  Hass  zu  mildern  trachten.  Allein  alles  dieses  wäre 
trefflich,  wenn  es  für  Europäer  berechnet  wäre,  in  Indien  hat 
man  es  aber  mit  Asiaten  zu  thun.  Dass  dieser  tiefe  ethnische 
Unterschied  uns  ganz  fremde ,  unfassbare  Ideen  bedingt,  wird  ge- 
wöhnlich übersehen.  Geradezu  Heiterkeit  erweckend  i.st  der  Aus- 
sprush  eines  liberalen  Blattes:  „Noch  ein  Menschenalter  sittigender 
Arbeit ,  und  Indien  ist  nicht  nur  das  schönste  Juwel ,  sondern 
auch  eine  der  treuesten  Provinzen  der  britischen  Krone.  Einer 
solch  dreisten  Behauptung  gegenüber,  erinnern  wir  nur  an  den  zu 
Anfang  1872  erfolgten  Aufstand  der  Kukas,  von  dem  die  eng- 
lischen Officiere  behaupteten ,  dass  man  es  nicht  mit  einem  ge- 
wöhnlichen Putsch,  sondern  mit  einem  grossartigen  Aufstande  zu 
thun  habe;  die  einzige  Hoffnung,  den  Frieden  wiederherzustellen, 
beruhe  auf  einer  Bestrafung,  welche  die  rebellischen  Banden  mit 
Schrecken  erfülle.  In  der  That  ward  am  17,  Januar  v.  J.  durch 
„Hinwegblasen"  von  49  Rebellen  der  Friede  wieder  hergestellt.  Als 
aber  am  4.  Februar  zum  erstenmale  seit  Menschengedenken  ein 
Nordlicht  in  Indien  zu  sehen  war,  raunten  sich  die  Eingebornen 
in  die  Ohren:  „Die  rothen  Tinten  am  Ilinnnel  seien  das  Blut, 
welches  in  einer  grossen  Schlacht  werde  vergossen  werden,  die 
eine  mächtige  Nation  den  Engländern  zu  liefern  habe."  Und  im 
Lande  der  Kukas  stürzten  Hunderte  von  J^amilien  hinaus  ins  Freie: 
die  INIänner  rissen  ihre  Turbane  von  den  Köpfen,  lösten  ihr  Haar 
auf  und  begannen  zu  tanzen  upd  sich  rasend  zu  gebärden  ,  indem 
sie  schrieen :  das  Licht  am  Himmel  sei  ein  Zeichen ,  dass  Rani 
Sing  heimgekehrt  sei !  Die  englischen  Executionen  haben  also  bis 
jetzt  keinen  heilsamen  Eindruck  auf  die  Kukas  gemacht. 

Ueber  die  kolossale  Tragweite  von  Englands  muhammedanischer 

20 


162  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

Verlegenheit  in  Indien,  belehrt  uns  übrigens  sehr  genau  der  Mann, 
welcher  gegenwärtig  für  sich  das  Verdienst  in  Anspruch  nehmen 
darf,  einer  der  gründlichsten  lebenden  Kenner  des  Islam  zu  sein,  eben 
Ilr.  Hermann  Vämbery.  Seit*  etwa  drei  Jahren  sagt  er,  lassen 
die  fanatischen  ^\'ahal)is  von  ihrem  llaujjtcjuartier  zu  Patna  ihre 
revolutionären  Raketen  immer  häufiger  aufsteigen.  Bald  zetteln 
sie  zwischen  den  Bcrgstänmien  einen  kleinen  Aufstand  an,  bald 
sehen  wir,  wie  ein  begeisterter  Jünger  die^r  Secte  den  Sipahi- 
Regimentern  frank  und  frei  Revolution  predigt  und  zum  Dschihad, 
d.  h.  zum  Krieg  gegen  die  Ungläubigen,  folglich  gegen  die  eigenen 
Herren  ermuntert.  Diesem  gefährlichen  Spiele  gegenüber ,  verhält 
sich  Englang  fast  passiv,  ja  es  gibt  sogar  Männer,  welche  der 
Utopie  nachjagen :  man  müsse  Sorge  tragen,  dass  das  Schulwesen, 
die  Jurisdiction  und  Civilverwaltung  der  muhanunedanischen  Unter- 
thanen  einen  mehr  moslimischen  Zuschnitt  erhalten ;  die  Handhabung 
eines  derartig  mit  britischen  Institutionen  geimpften  Scheriats 
würde  sie  sicherlich  zufrieden  stellen.  Ist  es  schon  an  und 
für  sich  paradox  genug,  ein  welch  immer  durch  das  Schwert  be- 
siegtes Volk  durch  Concessioncn  in  das  Joch  des  Eroberers  hinein- 
schmeicheln zu  w^ollen,  so  ist  diess  erst  bei  Asiaten,  bei  Mu- 
hammedanern  geradezu  Wahnsinn.  Sehr  treifend  sagt  Vämbery; 
als  die  beste  Coiiccssion  würde  dem  muhanunedanischen  Hindu 
gelten ,  wenn  alle  Briten ,  von  den  Thälern  Kaschmirs  bis  zum 
Cap  Comorin,  auf  einmal  ihr  Bündel  schnürten  und  das  Land  ver- 
liessen.  Wenn  England  mit  seinen  muhanunedanischen  Unterthanen 
in  Indien  reussiren  ^vill ,  muss  es  ein-  für  allemal  mit  allen  so- 
genamiten  constitutionellen  Experimenten  gründlich  aufräumen  luul 
in  seiner  grossen  asiatischen  Besitzung  mehr  asiatisch  sein.  Da- 
bei darf  es  nie  vergessen,  dass  das  Grundprincip  des  Islams  immer 
die  Bekämpfung  der  Ungläubigen  bleiben  wird.  ')  So  weit  der 
gelehrte  und  i)raktische  Kenner  des  Orients,  Hennann  Vämbery. 
Seine  gediegenen  Auseinander.setzungen  selbst  führen  jeden  Unbe- 
fangenen zu  dem  Schlüsse:  dass  die  englische  Herrschaft  in  Indien 
auf  einem  vulcanischen  und  tief  unterwühlten  Boden  ruht,  und 
dass  kein  Fehler  mehr  begangen  werden  darf,  ohne  dass  ihre  Tage 
gezählt  wären. 

Nach  diesen  Auseinandersetzungen  wird  es  leicht  begreiflich, 
wenn  wir  an  eine  lange  Dauer  der  englischen  Herrschaft  in  Ost- 
Indien  nicht  glauben.  Allein  in  England  ist  man  anderer  INIeinung; 
dort  hält  man   den   Verlust   Ostindien's,  ja  eine   blosse  Gefährdung 


1)  Englands  nmlianunodanisclio  Verlcgcnhoif  in  Indien  von  II.  V  ii  in  li  er  y.  („.\)lg. 
Zeltg."  1872,  Nr.  51).  Vergleiche  ferner  die  schönen  Artikel  desselben  Autors.  „Der 
Islüm  in  britisch  Indien«  („Allg.  Zeitg."  1872,  Nr.  68,  70,  75),  welche  »ich  an  W.  \V. 
Ilunters  inhultsreiehes  Buch:  The  Indian  Musclmen:  are  they  bound  in  conscience  to 
rebel  against  the  queen?     London  1871,  8'.  knüpfen. 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  163 

dieses  Besitzthums,  für  den  allgemeinen  Ruin  der  Monarchie;  man 
wagt  an  ein  einst  mögliches  Aufgeben  dieser  Colonie  gar  nicht 
zu  denken  und  ist  ängstlich  und  gespannt  auf  jeden  Bericht,  den 
das  Packetboot  von  den  Ufern  des  Hughly  bringt.  ,,  Ostindien 
um  jeden  Preis"  ist  die  Devise  des  alternden  Albion.  Dass  der- 
einst der  Handel  Englands  mit  einem  oder  mehreren  unabhängigen 
ostindischen  Reichen  einen  ungeahnten  Aufschwung  nehmen  werde, 
gibt  man  sich  den  Anschein ,  jetzt  noch  nicht  zu  begreifen.  Es 
ist  nur  zu  wünschen  ,  dass  diese  Erkcnntniss  sich  in  England  zur 
rechten  Zeit  Bahn  breche ,  damit  nicht  durch  P^esthalten  an  einer 
nutzlosen  Politik  die  durch  ihr  Nichtinterventionsprincip  schon 
ohnedies  an  Macht  und  Ansehen  stark  gesunkene  Nation  an  sich 
selbst  einen  politischen  Selb.stmord  begehe,  mit  welchem  übrigens, 
wie  die  Geschichte  zeigt,  noch  beinahe  alle  hervorragenden  Völker 
ihre   staatliche  Existenz  beschlossen  haben. 

Da  nun  aber  einmal  jedes  britische  Herz  an  dem  Besitze 
Ostindien's  hängt,  diesen  als  eine  conditio  sine  qua  non  für  die 
Grösse  seines  Heimathlandes  betrachtet ,  und  der  Verlust  dieser 
Colonie  heutigen  Tages  auch  ganz  unläugbar  ein  höchst  empfindlicher 
wäre,  so  lässt  sich  crmessen,  von  welch'  hoher  Wichtigkeit  für 
England  das  langsame  aber  stetige  Fortschreiten  der  Russen  in 
Asien  sein  muss,  der  einzigen  Macht,  deren  militärische  Kraft, 
der  englischen  ebenbürtig  oder  überlegen,  die  britische  Herrschaft 
zu   erschüttern ,  ja  zu   vernichten  im   Stande  wäre. 

Die  Engländer  hatten  aus  dem  unseligen  Feldzuge  in  Afgha- 
nistan, 1842  —  einem  Ereigniss ,  das  ihnen  noch  immer  lebhaft 
in  der  Erinnerung  steht  —  die  Lehre  gezogen ,  sich  künftighin 
nicht  mehr  in  die  centralasiatischen  Angelegenheiten  einzumischen. 
Sie  hatten  diess  zum  Princip  erhoben  und  waren  dabei  in  die  Irre 
gegangen ,  wie  allemal ,  wenn  man  im  "S'ölker-  und  Staatsleben 
nach  Principien  handeln  will.  Die  Erfolge  indess,  welche  die 
russischen  Trujjpen  in  Chokan  und  im  Quellgebiete  des  alten  Jaxartes 
errangen ,  blieben  auch  in  Ostindien  und  England  nicht  unbe- 
merkt. Der  Gedanke  tauchte  stets  wieder  auf,  dass  der  immer- 
hin noch  weite  Raum,  der  Engländer  und  Russen  in  Asien  von 
einander  treimt,  mehr  und  mehr  sich  Aerkleinere ,  und  dass  den 
mancherlei  diplomatischen  Begegnungen  auf  demselben  endlich  auch 
ein  militärischer  Zusammenstoss  folgen  werde.  Mit  dem  Ueber- 
schreiten  des  Ssyr-Darjä,  an  dessen  L'fer  ehemals  Alexandreschatu 
den  nördlichsten  Punkt  des  Alexanderzuges  bezeichnete,  haben  die 
Russen  von  Norden  her  das  Gebiet  erreicht,  bis  wohin  der  grosse 
Makedonier  einst  vorgedrungen  war.  Der  Weg  von  dort  nach 
Indien  wa^-zwar  noch  ganz  respectabel  weit  und  durchaus  nicht 
frei  von  allerlei  Hindernissen;  die  Russen  denken  jetzt  auch  sicher 
noch  nicht   daran,    eines    schönen    Tages    die  britische  Grenzwacht 


164  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

in  Pischawer  zu  alarniircn,  aber  seitdem  sind  sie  den  englischen 
Gebieten  um  ein  Ansehnliches  näher  gerückt;  kurz,  Russland  und 
England  bekommen  immer  mehr  „Fühlung"  im  Orient,  mid  dess- 
halb  kann  man  sich  in  London  einer  gewissen  Besorgniss  nicht 
erwehren ,  wenn  man  von  dem  allmähligen ,  aber  sicheren  Vor- 
dringen der  Russen  östlich  vom  Aralsee  hört.  Ein  grosser  Theil 
des  englischen  Volkes  aber  —  mochte  nun  entweder  die  Ueber- 
zeugung  walten ,  dass  England  die  Russen  in  ihrem  Fortschreiten 
zu  hindern  unvermögend  sei,  oder  unterschätzte  man  die  Zähigkeit 
des  St.  Petersburger  Cabinets  ■ —  gab  sich  einer  ungetrübten  Ruhe 
hin,  woraus  es  kaum  die  ersten  Siegesnachrichten  der  Russen 
aufzuscheuchen  vermochten.  Nachdem  aber  die  ersten  Schreck- 
schüsse vorüber,  bildete  sich  in  England  jene  Partei  der  Optimisten, 
welchen  Vämbery  so  scharf  zu  Leibe  geht.  Sie  fassten  die  Sach- 
lage ziemlich  ruhig  auf,  Hessen  den  Ereignissen  ihren  Lauf  inid 
irrten  wohl  nur  darin ,  wenn  sie  sich  ob  des  Wachsens  und  der 
immer  näher  rückenden  Nachbarschaft  ihres  mächtigen  Rivalen 
herzlich -freuten.  Sie  hoben  die  Vortheile  hervor,  welche  England 
unzweifelhaft  aus  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  mit  einem  ge- 
ordneten Reiche  erwachsen  würden ,  und  gaben  sich  wohl  auch 
^•anguinischen  Hoffnungen  über  den  Absatz  britischer  Waaren  in 
den  nunmehr  russisch  gewordenen  Theilcn  Asiens  hin.  ')  Die 
Riesenkette  des  Himälaya,  Karakorum  und  Hindukusch  mochte 
überdiess  als  ein  für  den  Schutz  Britisch-Lidiens  genügendes  Boll- 
werk angesehen  werden.  Diese  Ansichten  waren  es  auch,  welche 
die  Regierung  sowohl  in  London,  als  in  Calcutta  vertrat,  und 
welche  erst  in  allerjüngster  Zeit  die  ausserordentlichen  p]rfolge 
einer  Handvoll  russischer  Krieger  zu   ändern  vermochten. 

Nach  Aussen  nicht  mehr  so  apathisch  wie  bisher,  entschloss 
sich  England,  bei  weiterem  Vordringen  der  Russen  auf  Kabid  den 
Afghanen  beizuspringen,  für  diese  Eventualität  ihre  Grenzposition 
zu  verstärken  und  zu  diesem  Zwecke  im  Augenblick  der  Gefahr 
weder  Geld  noch  Truppen  zu  scheuen.  Nicht  umsonst  besichtigte 
General  Sir  William  Mansfield  Anfangs  1868  die  Grenze  so  genau; 
die  Bahnlinie  I.i.'ihore-Pischawer  sollte  als  strategische  Nothwendig- 
keit  in  Angrilf  genommen  werden ,  so  wie  die  Verbindungsbahn 
zwischen  Kotri  und  Äliiltan  im  Industhale ;  endlich  beschäftigte 
man  sich  eingehend  mit  der  Frage  des  ganzen  Verthcidigungssystems, 
den  Forts,   Magazinen,   Depots,   Arsenalen  und  mit   allem  sonstigen 


1)  Darin  nun  täuschten  sie  sich  gründlich.  In  dem  russischen  Trnl<tat  mit 
Bochnra  wurde  der  Waareiizoll  für  russische  Importe  auf  2  ,  für  englische  aber  auf  40",,, 
festgesetzt,  wodurch  jeder  !  ritisch-centralasiatische  Handel  gelähmt  wird;  afghanische 
Kauflcute  treten  faktisch  in  Karschi  lieber  den  Rückweg  an,  ehe  sie  die  für  die  mitge- 
Ijrachtcn  englischen  Waaren  festgesetzten  Zölle  entrichten.  (H.  Väniböry.  Eine  neue 
Wendung  in  der  centralasiatischcn  Frage.     „Allg.  Zeitg."  1869,  Nr.  308). 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  165 

Zubehör.  Die  Zahl  der  Armstrong -Batterien  in  Indien  sollte 
ebenfalls  vermehrt  werden. 

Nicht  nur  die  militärischen  und  administrativen  Kreise  indess, 
sondern  auch  das  europäische  Publicum  in  Indien  verlangten  ein 
Ueberschreiten  der  nordwestlichen  Grenze,  um  den  Russen  halb- 
wegs entgegen  zu  gehen  und  in  Afghanistan  Position  für  den 
Entscheidungskampf  zu  nehmen.  Dass  sich  Indien  am  besten  in 
Afghanistan  und  mit  Hilfe  der  Afghanen  vertheidigen  lasse,  eine 
Thatsache ,  welche  wir  aus  verschiedenen  Gründen  zu  bezweifeln 
uns  gestatten,  nahm  auch  die  Times  an,  obgleich  sie  vor  Ueber- 
stürzung  warnte  nnd  den  weiteren  Verlauf  der  Dinge  ruhig  abzu- 
warten empfahl.  Die  Soldaten  und  Beamten  in  Indien  befanden 
sich  aber  in  einer  Stimmung,  die  dem  ruhigen  Ab\varten  durch- 
aus nicht  günstig  war,  und  man  kann  sich  leicht  die  Aufregung 
vorstellen,  welche  in  Calcutta  im  Sommer  1868  die  Nachricht 
hervorbrachte,  es  seien  in  den  nordwestlichen  Grenzbezirken  Un- 
ruhen und  P^mpörungen  ausgebrochen ,  welche  grössere  Dimen- 
sionen anzunehmen  drohten  und  die  lebhaftesten  Besorgnisse  ein- 
flössten. 

In  den  Hazara-Hügeln '),  einige  30  Meilen  von  Abbotabad, 
führt  der  Chan  von  Agror  die  Herrschaft.  Um  Ordnung  und 
Sicherheit  zu  erhalten  und  dem  Salzschmuggel  Einhalt  zu  thun, 
errichteten  die  englischen  Behörden  hier  eine  Polizeistation ,  die 
dem  Chan  sehr  unbequem  war.  Auf  seine  Veranlassung,  wie  es 
scheint ,  machte  ein  starkes  Corps  von  Pathanen  oder  Afghanen, 
aus  unabhängigen  Tschigganzies  bestehend,  am  30.  Juli  1868  Morgens 
einen  Einfall  über  die  Grenze,  grif!"  die  englische  Station  an  und 
lilünderte  sie,  indessen  der  Chan,  obwohl  englischer  Lehensmann, 
ruhig  zuschaute.  Die  Polizeisoldaten,  angeführt  von  einem  jungen 
Schahzade ,  einem  eingebornen  Prinzen,  wehrten  sich  mannhaft 
und  räumten  erst  das  Feld,  nachdem  Sie  ernstliche  V<^rluste  er- 
litten und  auch  eine  Anzahl  Feinde  kampfunfähig  gemacht.  Da 
glücklicherweise  der  Districts-Commissär  und  jener  von  Pischawer 
bei  der  Hand  waren ,  so  gelang  es ,  Truppen  zusammen  zu  ziehen 
und  den  Posten  wieder  zu  erobern.  Der  Chan  wurde  zur  Ver- 
antwortung gezogen,  und  besonders  die  Thatsache,  dass  die  Dorf- 
bewohner mit  den  Feinden  gemeinschaftliche  Sache  gemacht,  er- 
schien den  Behörden  so  bedenklich ,  dass  sie  es  für  nöthig  er- 
achteten, ein  ziemlich  starkes  Corps  bei  Abbotabad  zusammenzu- 
ziehen. Vier  Eingeborne  Sipoys,  grösstentheils  Gurkas  aus  Nepal, 
und  zwei  europäische  Infanterie-Regimenter,   mehrere  Schwadronen 


1)  Hazdra,  Htizära  oder  Hasoreh  —  von  dem  persischen  Worte  hezar,  d.  h. 
1000  —  ist  eine  kleine,  ursprünglich  afghanische  Gobirgsprovinz  östlich  von  Pischawer 
und  Attock. 


166  Die  Rivalität  Russlamls  und  Englniuls  in  Asien. 

(^avalloric  und  eine  Gobirgsbattcric,  unter  dem  Befehle  des  Ge- 
ncralniajorri  Wilde,  bildeten  die  für  einen  abgelegenen  Gebirgs- 
])ostcn  sehr  starke  Expedition.  Da  jedoeh  schon  in  den  nächsten 
Tagen  mehrere  Stämme ,  besonders  der  Grenzstamm  der  Rawal- 
pindis, gegen  die  Engländer  aufstanden,  so  fanden  diese  zum 
erstenmale  Gelegenheit,  ihre  Sniderbüchse  zu  2^i"obiren ,  deren 
Wirkung,  wie  der  englische  Bericht  sich  lakonisch  ausdrückt, 
ganz  „beruhigend"  war.  Bald  stellte  sich  heraus,  dass  man  auf 
einen  schwierigen  Ecldzug,  der  4 — 5  Monate  in  Anspruch  nehmen 
dürfte,  zu  rechnen  habe,  und  das  Expeditions-Corps  w'ard  dem- 
gemäss  auf  20.000  Mann,  d.  i.  auf  eine  Stärke  gebracht,  die  dem  in 
Abesinien  verwendeten  Corps  nicht  viel  nachgab.  Die  Obersten 
Bright  und  Vaughan  wurden  mit  dem  Kange  von  Brigade-Gene- 
ralen dem  Commandirenden  Wilde  untergeordnet.  Die  einzelnen 
Trujjpentheile  mussten  in  Gewaltmärschen  dem  Schauplätze  der 
Ereignisse  zueilen;  das  2.  Infanterie-Regiment  z.  B.,  aus  dem 
Pendsclulb ,  legte  37  englische  ISIeilen  in  leVg  Stunden  zurück. 
Kurz  nach  dem  ersten  Zusammenstoss  am  30.  Juli  1868,  bei 
einer  Recognoscirung,  kamen  die  in  der  Nähe  von  Agror  stationir- 
ten  Officiere  und  Beamten  zur  Ucberzeugung,  dass  das  ganze  dies- 
seits der  englischen  Grenze  gelegene  Thal  von  Agror  im  Aufstande 
begriffen  sei.  Nicht  am  wenigsten  bedenklich  dabei  erschien  die 
Thatsache,  dass  sofort  neue  Truppen  nachzurücken  hatten  und  die 
im  Pischawer-Thale  liegenden  nicht  vorwärts  beordert  wurden,  da 
die  eingebornen  Truppen  aus  jener  Gegend,  namentlich  die  Rccrutcn 
aus  Agror  und  Swat  (Suwat),  zu  dcsertiren  begannen,  dass  ferner 
Mancherlei  auf  einen  vorher  erwogenen  und  wohl  organisirten  An- 
schlag deutete  und  die  Aufständischen  wacker  Stand  hielten.  ')  Sic 
gaben  vor,  den  Akhund  (übeqjriestcr)  von  Swat  und  den  unter 
britischer  Überherrschaft  stehenden  Maharadschah  von  Kaschmir  auf 
ihrer  Seite  zu  haben  und  unter  der  Oberanführung  des  Eirosi  Schah 
(Sohn  des  weiland  Ex-^NIoguls  von  Delhi)  zu  stehen,  der  vor  drei 
Jahren  in  Arabien  gestorben  sein  sollte.  Dass  Kaschmir  den  Auf- 
stand unterstützte,  war  wohl  nicht  wahr,  denn  der  Maharadschah 
enstendete  sogleich ,  im  Einklänge  mit  einer  Verfügung  der  Re- 
gierung im  Pendscliaab  ,  4  Regimenter  nebst  entsprechender  Ar- 
tillerie  nach  dem   Schauplatz   der   Ereignisse. 

Der  Vortrab  des  zur  Unterdrückung  der  Unruhen  im  Ilazära- 
Lande  bestimmten  Armee-Corps  traf  am  12.  August  daselbst  ein, 
und    der  Eeind   wurde   sofort   mit    beträchtlichem  Verluste  aus    dem 


1)  Schon  fünf  Jjiliro  vorher  bnich  in  dcrselljcn  Gogeiul  eine  Empörung,  ilerSitaiia- 
Feld/ug,  aus,  der  viel  Blut  forderte  und  eine  Truppenniaclit  von  5(.liO  Mann  nölliig  niaclite, 
um  der  Aufständischen,  Ijcsonders  der  fanatischen  Wahabis,  die  den  ganzen  Krieg  eigent- 
lich veranlasst  hatten,  Herr  zu  werden.  Leider  gestattete  die  ostiudische  llegiorung  den 
Wahabis  wieder,  sich  um  den  Mahaban  odar  schwarzen  Berg  niedergelasaen. 


Die  Rivalilät  Russlands  und  Englands  in  Asien.  167 

Agror-Thale  geworfen ;  nach  mehreren  Scharniiitzehi  ward  die 
Ruhe  als  wieder  hergestellt  gemeldet,  welche  Nachricht  in  England 
lebhafte  P^'roude  hervorrief;  leider  galt  sie  nur  für  das  Agror-Thal, 
daher  man  die  Sache  an  Ort  und  Stelle  ganz  anders  auffasste. 
Die  Truppen-Zusammenziehungen  sollten  für  alle  Fälle  fortgesetzt 
werden,  und  die  Localbehörden  erklärten  die  Anwesenheit  einer 
Streitmacht  Aon  20.000  TNfann  als  unbedingt  nothwendig,  eine 
Forderung,  mit  welcher  der  Oberhefehshaber  nncli  der  den  That- 
bestand  darlegenden  Begründung  vollkommen  einverstanden  war. 
In  der  That  musste  man  sich  auf  noch  weiteren  heftigen  Wider- 
stand gefasst  machen.  Der  Akhund  von  Swat  reizte  die  benach- 
barten Afghanen  auf,  und  die  britischen  Truppen  sollten  denmach 
zwischen  10.  und  15.  September  weiter  vorrücken.  Der  Feind 
hingegen  beschäftigte  sich  mit  der  Befestigung  des  Passes  in  das 
Tcrrek-Thal  (am  Ausgange  des  Agror-Thales).  Am  28.  September 
ward  demnach  das  britische  Hauptquartier  nach  Oghi  (Oghee) 
vorgerückt.  Der  Akhund  von  Swat  fand  es  für  gut,  auf  englische 
Seite  zu  treten,  und  die  meisten  Ilazaradschis  und  unabhängigen 
Swatis  unterwarfen  sich ,  während  der  Abenteurer  Firosi-Schah 
mit  kleinem  CJefolge  sich  nach  Kabul  und  Bochara  wandte.  Am 
5.  September,  nach  einem  leichten,  erfolgreichen  Gefechte  mit  den 
Aufständischen,  besetzten  die  Engländer  die  höchsten  Spitzen  der 
schwarzen  Berge ;  der  P^cind  machte  sich  aus  dem  Staube,  und  der 
Widerstand  nahm  allem  Anscheine  nach  ab,  während  einzelne 
Kriegführende  bereits  um  Friedensbedingungen  nachsuchten.  In 
der  That  wurden  mit  den  Stämmen  der  Ilussunzyes,  Ahazaies  und 
Chiggurzaies,  so  wie  mit  den  Feinden  im  Purraree-Districte  Frie- 
densverträge abgeschlossen,  und  die  Expeditionstruppen  hatten  nur 
mehr  gegen   die  unabhängigen   Swateos   zu    operiren. 

Nach  einer  Bombayer  Post  vom  17.  Octobcr  betrachtete  man 
die  Unruhen  an  der  afghanischen  Grenze  als  nahezu  beendigt  und 
Telegramme  aus  Bombay  vom  9.  Januar  1869  meldeten  endlich 
die    definitive    Abberufung    des    Restes    der    englischen    Exjjedition. 

So  geringfügig  auch  an  und  für  sich  die  ganze  Ilazära  An- 
gelegenheit war,  so  ist  es  doch  nothwendig,  will  man  anders  die 
Stellung  Englands  in  Indien  recht  verstehen,  bei  den  Ideen  länger 
zu  verweilen,  welche  bei  diesem  Anlasse  in  vernehmlicher  Weise 
laut  wurden. 

Während  nändich  in  Indien  die  weitaus  grössere  Mehrzahl 
für  ein  energisches  Vorrücken  in  Afghanistan  sich  aussprach, 
war  dies  nicht  der  Fall  in  England,  wo  man  am  Nichtinter- 
ventionsprincipe  fest  hielt.  W'ir  haben  schon  früher  Gelegenheit 
gefunden,  uns  über  die  Vor-  und  Nachtheile  der  von  Richard 
Cobden  inaugurirten  Manchester-Politik  auszusprechen  und  nachzu- 
weisen,   wie    dieselbe    seit    ihrer    Anwendung,    das    ist    seit    dem 


168  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

Krimkriogc,  weit  entfernt  dorn  Lande  von  besonderem  Nutzen  zu 
sein,  den  Nationalwohlstand  Englands  nicht  nur  nicht  gefördert, 
sondern  vielmehr  vermindert  habe,  während  gleichzeitig  das  politische 
Ansehen  (irossbritanniens  nahezu  auf  den  Gefrierpunkt  herabsank. 
Das  Nichtintervcntionsprincip  hat  unbestreitbare  ^'orzüge,  es  er-sj^art 
manche  Million,  ist  scheinbar  liberal  und  vor  allem  ungemein 
bequem;  es  entspricht  daher  ganz  den  Idealen  des  reichen  eng- 
lischen Spiessbürgers,  der  in  seiner  behaglichen  Ruhe  durch  Ge- 
danken an  das  „Was  dann?"  nicht  gestört  sein  will.  Wer  sich 
der  Stimmung  in  England,  der  üppositon  der  Journale  erinnert, 
als  es  sich  darum  handelte,  die  für  die  abessinische  Expedition 
nöthigen  Gelder  zu  bewilligen,  wird  die  Richtigkeit  dieser  Be- 
hauptung zugeben.  Sie  wird  auch  nicht  etwa  dadurch  entkräftet, 
dass  nach  errungenem  Erfolge  Alle,  auch  Jene,  die  früher  die 
heftigste  Opposition  gemacht,  die  Weisheit  der  Regierung  priesen 
und  stolz  auf  die  Lorbeeren  blickten,  die  Alt-England  im  fernen 
Afrika  gepflückt.  Dem  Cabincte  von  St.  James  aber  ist  die  Be- 
folgung der  Älanchester-Politik  kaum  zum  Vorwurfe  zu  machen; 
mochten  auch  die  englischen  Staatsmänner  sich  durch  den  gieis- 
senden,  trügerischen  Schein  des  Principes  nicht  irre  leiten  lassen ; 
mochten  sie  die  schönen,  volltönenden  Phrasen,  womit  besonders 
liberal  sein  wollende  Volksmänner  ihre  Ideen  der  wenig  denken- 
den, ungebildeten  Masse  mundgerecht  zu  machen  i)flegen,  in  ihrer 
Hohlheit  durchschauen;  mochten  sie  noch  so  sehr  einsehen,  dass 
die  Zukunft  des  Landes  darunter  leiden  werde,  dass  die  Geschichte 
überhaupt  von  Principien  Nichts  wissen  will,  dass  man  mit  solchen 
nicht  regieren  könne,  da  jeder  Satz  nur  für  eine  gewisse  Zeit 
und  gewissen  Verhältnissen  gegenüber  Geltung  behält,  schon  da- 
durch aber  den  Charakter  eines  unwandelbaren  Principes  verliert, 
—  mochte  ihnen  diess  Alles  noch  so  klar  sein,  welche  andere 
Aufgabe  konnten  denn  diese  Staatsmänner  haben,  fragen  W'ir,  als 
die  Majorität  des  Volkswillcns  zum  unverfälschten  Ausdrucke  zu 
bringen  ?  In  einem  Lande,  wo  der  Volkswillc  so  massgebend  sieh 
kundgeben  kann  und  auch  thatsächlich  kundgibt,  wie  in  England, 
dünkt  es  uns  die  höchste  Unbilligkeit,  das  Cabinet  allein  für  die 
Fehler  der  Regierung  verantwortlich  zu  machen.  Das  Volk  will 
keine  Bevornmndung,  fühlt  sich  kräftig  genug,  selbst  die  leiten- 
den Ideen  anzugeben,  wonach  die  Staatsgeschäfte  zu  lenken  sind, 
da  hat  dann  das  Cabinet  seine  Schuldigkeit  gethan,  wenn  es,  un- 
bekümmert um  die  Folgen ,  sich  zum  blossen  Executiv-Werkzeuge 
des  Volkswillens  macht. 

Auch  der  damalige  Vicekönig  von  Indien,  Sir  John  Lawrence, 
befolgte  in  Bezug  auf  auswärtige  Angelegenheiten  eine  friedliche 
und,  wie  Daily  News  sagt  weise  Politik,  d.  h.  er  erhielt  das 
Nichtinterveutionsprincip   in   vollem  Masse   aufrecht.    Ja,   man  sagte, 


Die  RivaKtät  Russlands  und  Englands  in  Asien«  169 

SO  lange  Sir  John  in  Indien  gebiete,  werde  zuverlässig  kein  Ver- 
such zu  weiteren  Annexirungen  gemacht  werden.  Das  war  an 
und  für  sich  zu  viel  behauptet,  denn  so  entschieden  Sir  John  auch 
jeder,  durch  blosse  Eroberiuigslust  herbeigeführten  Annexion  ent- 
gegen war,  kann  doch  Niemand  sagen,  dass  er  die  Nichtein- 
niischungstheorie  als  unabänderliches  j)olitisches  Princip  auf  indische 
Verhältnisse  angewendet  wissen  wollte.  Das  hiesse  ihm  geradezu 
jeden  politischen  Verstand  absprechen.  Zur  Zeit  als  der  Hazära- 
Aufstand  ausbrach,  stand  indessen  Sir  John  Lawrence  mit  Einem 
Fusse  schon  in  P^uropa,  denn  seine  fünfjährige  Regierungszeit  ging 
zu  Ende,  und  es  ward  ihm  in  dem  Earl  of  ^Mayo  ein  Nachfolger 
bestellt,  —  eine  Persönliclikeit  welcher  die  gesammte  Presse  Eng- 
lands und  Indiens  die  Befähigung  zu  dejn  Amte,  das  wahrlich  keine 
Sinecure  ist,  gänzlich  absprach,  der  aber,  wie  nach  seinem  1872 
erfolgten  gewaltsamen  Tode  allgemein  anerkannt  \verden  musste,  seine 
Aufgabe  mit  vielem  Verständniss  durchgeführt  hatte  —  ein  Be- 
weis für  den  Werth  der  Urtheile  der  Journalistik.  Als  demnach 
die  Nachricht  von  den  Ereignissen  im  Hazära-Lande  eintraf,  und 
man  von  dem  bedeutenden  Trujjpen-Corjjs  hörte,  das  mit  einer  für 
Indien  ganz  ungewöhnlichen  Schnelligkeit  concentrirt  worden, 
ward  manchem  Manchestermann  unbehaglich  zu  Muthe  bei  dem 
Gedanken,  dass  die  bisherige  friedliche  Politik  der  ,,masteiiy  in- 
activitij"  Sir  John's  ihre  beste  Zeit  hinter  sich  habe,  und  man  in 
Indien  wieder  einmal  damit  umgehe,  grosse  AnnexionsiJolitik  zu 
treiben,  wozu  Russlands  Erfolge  in  Centralasien  willkommenen 
Vorwand  boten.  ,. Daily  News,"  welche,  in  Indien  mehr  noch  als 
in  Europa,  die  Politik  der  Nichteinmischung  als  die  Quintessenz 
aller  Regierungsweisheit  jederzeit  empfohlen  hatten,  fürchteten, 
dass  ein  grösserer  oder  kleinerer  Krieg  in  Afghanistan  vorbereitet 
werde.  Die  grössere  Wahrscheinlichkeit  sei  für  einen  grosseren, 
da  der  kleine  Krieg  schon  in  vollem  Gange  sei.  Lnmer  lauter 
ertöue  von  Indien  der  Ruf,  dass  es  nothwendig  sei,  Afghanistan 
gegen  das  Vordringen  der  Russen  zu  schützen,  und  wenn  man 
sehe,  dass  eine  furchtbare  (?)  Armee  in  schnellster  Zeit  nach  dem 
Norden  abgesandt  werde,  um  einen  armseligen  Aufstand  zu  unter- 
drücken, so  sei  der  A'erdacht  wohl  erlaubt,  dass  ihre  Concentrirung 
noch  aus  anderen  Absichten  untenioimnen  worden  sei.  Gar  leicht 
Hesse  sich  aus  diesen  Grenzoperationen  ein  casus  belli  gegen  Af- 
ghanistan zurecht  machen,  denn  bekanntlich  fehle  es  nicht  an  einer 
grossen  Partei,  welche  die  Eroberung  und  Annexirung  dieses 
Landes  ür  eine  haare  Nothwcndigkeit  zum  Schutze  des  englischen 
Reiches  in  Indien  hielt.  So  ehrlich  dieser  Gedanke  auch  gedacht 
sein  möge,  sei  er  darum  nicht  minder  ein  irriger  und  verderblicher. 
Er  widerstrebe  den  Ansichten  der  Liberalen  in  England,  werde 
von    einigen    der    grössten    indischen    Staatsmänner    verdammt    und 

21 


170  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

würde  —  wenn  verwirklicht  —  England  in  ungeheure  Schwierig- 
keiten verwickeln,  die  schliesslich  vielleicht,  aher  doch  nicht  ohne 
ungeheure  Opfer  an  Gut  und  Blut,  überwunden  werden  könnten. 
Die  Gegner  der  Manchester-Politik  machten  geltend,  dass 
England  an  dieser  Grenze  seit  1849,  wo  die  Sikhs  und  das 
Pendschab  annexirt  wurden,  also  in  19  Jahren,  bereits  22  kleine 
Kriege  gehabt,  und  der  Umstand,  dass  zum  dreiundzwanzigten  eine 
so  vnigewöhidiche  Truppenmachfc  aufgeboten  werde,  eine  Front- 
veränderung im  System  der  „kleinen  Kriege"  zu  bedeuten  scheine. 
Alle  bisherigen  Kriege  hatten  nur  geringen  Erfolg;  sie  vermochten 
nicht  die  800  englische  Meilen  lange  Grenze  wirksam  zu  decken, 
deren  Vertheidigung  eine  Lebensfrage  für  England  ist.  Die  nord- 
westliche Grenze  des  indobritischen  Reiches  (westlich  vom  Indus) 
wird  von  wilden  Gebirgsgegenden  gebildet,  durch  welche  das  af- 
ghanische Hochland  in  die  reiche  indische  Ebene  ausläuft.  Auf 
den  Bergen  wohnen  afghanische  Stämme ,  die  nur  dem  Namen 
nach  vom  Mutterlande  abhängig  sind  und  von  jeher  die  Plünderung 
der  gesegneten  Ebene  als  ihren  llaupterwerbungszweig  betrachtet 
haben.  Sie  sind  unverbesserliche,  uncivilisirtc,  räuberische  Nach- 
barn und  Muhammedaner,  welche  die  Tradition  festhalten,  dass  ihre 
Vorfahren  die  Eroberer  Beherrscher  Indiens  gewesen.  Sie  werden 
ewig  Feinde  der  Engländer  bleiben.  Der  Fanatismus  hatte  daher 
leichtes  Spiel  unter  ihnen,  sowie  überhaupt  unter  den  Armen  und 
JHlungrigen.  In  ihrer  Mitte  wurzelt  eine  alte  Verschwörung,  um 
England  aus  Indien  zu  verdrängen,  und  schon  vor  fünfzehn  Jahren 
lautete  das  Gutachten  dreier  erfahrener  Commissäre  des  Nord- 
westens dahin,  dass  ohne  Unterwerfung  der  räuberischen  Gebirgs- 
stämme  niemals  eine  feste  Grenze  des  Pendschäb  zu  halten  sein 
werde.  Die  Secte,  welche  sich  die  Wiederherstellung  der  muham- 
medanischen  Herrschaft  über  Indien  zum  Ziele  gesteckt  hat,  soll 
trotz  aller  „kleinen  Kriege"  grosse  Fortschritte  gemacht  haben  und 
bedeutend  genug  sein,  um  England  für  eine  Ausdehnung  seiner 
Grenzen  dieselbe  Nöthigung  zu  gewähren,  welche  Russland  für  die 
Ausdehnung  der  scinigen  beansprucht,  denn  frülier  oder  spät^i- 
müssen  die  Engländer  doch  mit  ihnen  in  einen  unversöhnlichen 
Kampf  verwickelt  werden,  wie  die  Vereinigten  Staaten  mit  den 
Kotlihäuten.  Und  die  „Times"  meinte:  Hinter  diesen  halbunab- 
hängigen Bergstämmeii  stehen  die  eigentlichen  Afghanen,  und  hinter 
diesen  steht  jetzt  Russland.  Es  erscheint  daher  dringend  geboten, 
die  strategisch  wichtigen  Gebirgspässe  sammt  den  unruliigen  Ge- 
birgsbewohnern zu  annexiren  und  den  „kleinen  Kriegen"  mit 
einem  Male  ein  Ende  zu  machen.  England  habe  also  mindestens 
eine  ebenso  gute  Sache  wie  Kussland;  es  ist  gleichgiltig,  welche 
Motive  England  dabei  leiten,  indem  es  sich  anschickt,  in  Af- 
ghanistan Position  zu  nehmen,   wie  die  indische  Armee  seit  Jahren 


Die  Kivalität  Russlnnds  und  Englands  in  Asien.  171 

unaufhörlich  verlangt  hat.  Wenn  es  diese  Position  genommen, 
\vcrden,  so  meinte  die  ,.  Times, "  Russlands  Fortschritte  in  Central- 
asien  nicht  so  glatt  verlaufen,  wie  bisher,  denn  die  Kriegführung 
mit  Subsidien  imd  Intriguen  verstehen  die  Engländer  minstestens 
eben  so  gut  als  die  Russen,  und  noch  dazu  haben  sie  in  Indien 
eine  concentrirtere  Macht,  eine  grossartigere  und  civilisirtere  Opera- 
tionsbasis als  Russland  in  seinen  asiatischen  Besitzungen.  Der 
nünisterielle  „Morning  Herald,"  vom  10.  October  1868,  sagte 
auch  ziemlich  deutlich,  dass  es  auf  eine  Besetrung  afghanischer  ^) 
Gebietstheile  abgesehen  sei,  indem  er  aussprach,  es  sei  der  Zeit- 
punkt gekommen,  die  wahren  Grenzen  des  indischen  Reiches 
bleibend  in  Besitz  zu  nehmen.  Diese  Sprache  lässt  an  Deutlich- 
keit Nichts  zu  wünschen  übrig,  doch  bemühte  sich  die  „Times," 
die  Besorgnisse,  die  sie  selbst  nähren  geholfen,  zu  beschwichtigen, 
indem  sie  die  Hazära-Aftaire  als  ungefährlich  schilderte  und  die 
Stärke  des  Expedition.s-Corps  mit  nur  6500  Mann  bezifferte;  auch 
handle  es  sich  nicht  um  einen  Krieg  gegen  Afghanistan  (was  ohne- 
hin Niemand  behauptet  hatte),  welches  von  englischer  Seite  freund- 
lichst unterstützt  werden  müsste,  wenn  es  später  einmal  von  Russ- 
land angegrifli'en  würde.  Die  Einverleibung  der  bis  an  die  af- 
ghanische Grenze  reichenden  Gebietstheile  ward  aber  durch  die 
Times  mittelbar  nur  bestätigt.  Sicher  i.st,  dass  Lord  Napier  of 
Magdala,  über  die  Lage  Indiens  und  die  einzuschlagende  Politik 
von  der  Regierung  zu  Rathe  gezogen,  ein  derartiges  Vorschieben 
der  Grenze  sehr  warm  befürwortete;  denn  trotz  der  Gleichgiltig- 
keit,  mit  der  die  englischen  Journale  die  Besetzung  von  Bochara 
betrachteten  oder  zu  betrachten  aifectirten,  brachte  doch  dieses 
Ereigniss  auf  die  specifisch  politischen  Kreise  einen  tiefen  Eindruck 
hervor,  und  das  indische  Amt,  unablässig  von  Indien  aus  auf 
die  drohende  Gefahr  aufmerksam  gemacht,  fühlte  sich  darüber 
nachgerade  unbehaglich.  "Was  gefürchtet  w'ard,  imd  wohl  mit 
Recht,  ist  nicht,  dass  die  Russen  Afghanistan  erobern  wollen,  um 
die  letzte  Schranke  zu  zerstören,  die  sie  noch  von  dem  indobriti- 
schen Reiche  trennt,  wohl  aber,  dass  die  unruhigen  Elemente  in 
Indien  aus  der  Nachbarschaft  der  Russen  politisches  Capital  unter 
ihren  Landsleuten  schlagen  und  ihre  alten,  mit  Waffengewalt  zer- 
störten Pläne  wieder  annehmen  dürften.  Die  Regierung  mochte 
damals  am  liebsten  von  derartigen  Besorgnissen  gar  keine  Notiz 
nehmen  und  nach  dem  bequemen  Princii)e  der  Nichtintervention 
die  Dinge  erst  näher  an  sich  heran  kommen  lassen.  Doch  sind 
die  Vorstellungen  aus  Indien  von  allen  Seiten  so  dringend  ge- 
worden, dass  sie  nicht  gut  todtgeschwiegen  werden  konnten,  und 
die  Stimme  Lord  Napier's,   seit    seiner   Führujig    des    abessinischen 


1)  Audi  der  „Standard"  gab  dies  zu;  gleichwohl  ist  es  nicht  geschehen. 


172  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

Feldzuges  der  gefeiertste,  angesehenste  Mann  in  England,  der 
Indien  genau  kennt  und  schon  zum  dritten  Male  mit  einem  Dankes- 
votum des  Parlamentes  geehrt  wurde,  wird  wohl  schwer  in  die 
"Wagschale  gefallen  sein  und  die  englische  Kegicrung  von  der 
Richtigkeit  seiner  Anschauungen  um  so  mehr  überzeugt  haben,  als 
er  in  Sir  StafTord  Northcote,  dem  damaligen  Staats-Secretär  für 
Indien,  den  Boden  halb  geebnet  fand.  Sicher  gab  Napier,  gleich 
allen  seinen  CoUegen,  über  die  Lage  Indiens,  die  dortige  Stimmung 
und  den  eventuellen  Einfluss  der  russischen  Nachbarschaft  auf  die 
Eingebornen  ein  minder  sorgenfreies  Urtheil  ab,  als  bisher  von 
Seiten  speciell  europäischer  Politiker  geschah.  Was  man  anläss- 
lich der  Hazära-Vnruhen  that,  deutet  darauf  hin,  dass  England 
mit  der  Älanchester-Politik  in  Indien  gebrochen  hat,  dass  es 
beginnt  Ansahen  zu  treffen,  sowohl  um  einen  äusseren  Feind 
nöthigenfalls  abzuwehren,  als  auch,  was  uns  das  Wichtigere  dünkt, 
einem  etwaigen  Aufstande  im  eigenen  Hause  entschiedener  be- 
gegnen zu  können,  als  bei  der  letzten  grossen  Revolte  1857  mög- 
lich gewesen  war. 

Diess  zeigte  sich  recht  deutlich  an  der  Energie ,  womit  die 
indische  Regierung  dem  Aufrstandc  der  Luschai  im  Jahre  1871J72 
entgegentrat.  Dieser  Volksstamm,  mit  dem  die  Engländer  schon 
zu  wiederholten  Älalen  in  unangenehme  Berührung  gerathen  waren, 
bewohnt  die  Gebirgsgegend  im  Osten  der  Brahmaputra-Mündung 
und  benützte  1871  die  Unabhängigkeitsregungen  der  Birmanen  zu 
einer  Erhebung,  welches  eine  englische  Expedition  1872  zur  Folge 
Folge  hatte.  Trotz  tapferem  Widerstände  unterlag  das  wilde 
Bergvolk  gar  bald  der  Ueberlegenheit  der  britischen  WafTen.  ^) 

Als  Anfangs  des  Jahres  1873  die  unverhohlenen  Absichten 
Russlands  laut  wurden  den  räuberischen  Einfällen  der  Chiwaner 
durch  Unterwerfung  dieses  Chanates  ein  für  allemal  ein  Ende 
zu  machen ,  da  erhob  sich  plötzlich  und  imposant  wie  noch  nie 
die  gesammte  englische  Presse,  den  Russen  ein  donnerndes  „bis 
hieher  und  nicht  weiter*'  zurufend.  Mit  Einem  Male  schien  der 
britischen  Publicistik  —  die  niemals,  auch  diessmal  nicht,  eine 
gründliche  Kcmitniss  der  asiatischen  Dinge  an  den  Tag  gelegt  2)  — 
eine  (Jcfahr  zu  erstehen ,  wo  sicherlich  keine  vorhanden  war,  die 
nicht  schon  längst  dagewesen  wäre.  Hinter  der  Presse  standen 
aber  diesmal  der  Leiter  des  Cabinets  von  St.  James,  welchme 
Russland   über  seine  auf  Chiwa  bezüglichen  Absichten  beruhigende 


1)  Siehe  über  diese  Expedition:  „Allg-  Zcitg«.  1872,  Nr.  9,  35,  39,  54.  —  Les 
IjOiichaia  et  l'oxiiA'lition  nnglaisc.  (Bull,  de  la  Soc.  de  g^ographio  de  Paris.  Mars  1S72, 
S.  328—333),  dann  R.  G.  Woodthorpe.  The  Lushai  Expedition  1871  —  1872.  London 
1872,   8  . 

2)  Geradezu  erheiternd  ist  wie  der  ?  ?  Correspondcnt  der  «.Mlg-  Zcitg."  1873 
Nr.  25  die  englische  Presse,  „im  ganzen  wohl  unterrichtet"   nennt. 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  173 

Eröffnungen  zu  machen  für  gut  befunden  hatte.  Dass  nicht  nur 
die  öffentliche  Meinung,  sondern  auch  die  Regierung  selb.st  den  bevor- 
stehenden Vorgängen  in  Aeien  nicht  gleichgiltig  zusah,  geht  daraus 
hervor,  dass  Hr.  ^litchcll,  der  briti.=che  Con.sul  in  St.  Petersburg, 
nach  London  berufen  Avard,  um  mit  Lord  Granviile  und  Mr.  Ham- 
mond  im  aus^värtigen  Amte,  sowie  mit  dem  indischen  Minister 
Herzog  v.  Argyll,  Sir  Hr.  Kawlinson  und  Sir  J.  \V.  Kaye  im  in- 
dischen Amte  Rücksprache  zu  nehmen.  Die  feste  Sprache,  welche 
das  englische  Cabinet  in  dieser  Angelegenheit  führte,  soll  nicht 
ohne  Eindruck  in  St.  Petersburg  geblieben  sein,  wo  man  sich 
entschloss,  den  Polizeiminister  Grafen  Schuwalow  in  besonderer 
Mission  nach  London  zu  entsenden,  um  eine  Verständigung  mit 
der  britischen  Regierung  zu  erzielen.  Die  englische  Erklärung 
lief  —  einer  Angabe  A'on  „Daily  News"  zufolge  —  darauf  hinaus, 
dass  Russland  Balch,  die  Hauptstadt  von  Balch-Turkestän,  einem 
zwischen  Chiwa  und  Afghanistan  streitigen  Fürstenthume  das 
möglicherweise  nach  der  Eroberung  Chiwa's  zwischen  Russen  und 
Afghanen  streitig  werden  könnte,   nicht  besetzen  dürfe. 

Die  Mission  des  Grafen  Schuwalow  ward  von  der  ,. Times" 
mit  einem  Artikel  begrüsst,  welcher  die  Meinungen  des  englischen 
Publicums  in  ziemlich  klarer  Weise  veranschaulicht.  ,.Man  kann 
„annehmen,  dass  die  ^Mission  des  Grafen  Schuwalow*  in  dieses  Land 
„zwei  Dinge  bedeute,  erstens  dass  Russland  von  unserem  Ernst  in 
„der  centralasiatischen  Frage  überzeugt  ist,  ferner,  dass  Russland 
„wünscht,  diese  Frage  in  persönlicher  Art  und  Weise  zu  besprechen 
„und  sie  wenigstens  für  jetzt  zu  einem  friedlichen  Ausgleich  zu 
„bringen.  Unter  diesem  Umständen  hat  unsere  Regierung  nun  ihre 
„Politik  in  klarer  Sprache  auszudrücken  und  fest  bei  ihr  zu  be- 
„  harren  und  der  russische  Gesandte  wird  von  ihrer  Schluss- 
„folgerung  vermuthlich  nicht  abweichen.  In  der  That  lassen  die 
„Absichten  Englands,  wie  sie  der  Regierung  des  Kaisers  bereits 
„mitgetheilt  worden  sind,  für  immittelbare  Einwendungen  oder 
„gegenwärtigen  Antagonismus  keinen  Raum. 

„Wir  haben  einfach  erklärt,  dass  wir  uns  jeder  Einmischung 
„in  Mittelasien  enthalten  werden,  so  lange  die  russischen  Eroberungen 
„daselbst  gewisse  Grenzen  nicht  überschreiten.  Selbstverständlich 
„ist  in  dieser  Ankündigung  ausgedrückt,  dass,  wenn  diese  Grenzen 
„überschritten  werden,  wir  das  als  eine  Ursache  des  Kriegs  be- 
„ trachten  würden;  aber  dieser  Fall  ist  jetzt  schon  klar,  dass  die 
„Russen  nicht  wünschen,  das  Ereigniss  zu  beschleunigen.  Sie  sind 
„wahrscheinlich  überrascht  worden.  Dass  England,  so  friedlich 
„seine  Politik  auch  sein  mag,  für  sein  indisches  Reich  zu  kämpfen 
„entschlossen  ist,  weiss  jeder  russische  Staatsmann,  aber  keiner 
„wusste  auf  w^elchem  Punkt  unter  welchen  Umständen  die  Ent- 
„ Scheidung  gefasst  würde,   oder  die  endlichen  Bestimmungen    eines 


174  Die  Rivalität  Russlands  und  Englnnds  in  Asien- 

„Einverständnisses  verkündet  werden  würden.  Der  Moment  kam 
„unerwartet  und  nun  ist  der  vertraute  Freund  des  Kaisers  selbst 
„in  dieses   Land  gereist,    um  zu  sehen,  was  gethan  werden    kann. 

„Wir  können  mit  Ruhe  annehmen,  dass  eine  britische  Re- 
„  gierung,  bevor  sie  einen  Schritt  von  solcher  Bedeutung  that,  sich 
„über  ihre  Absichten  selbst  vollkommen  klar  geworden  ist,  auch 
„wüssten  wir  nicht,  dass  die  Minister  eine  andere  wünschcnswertherc 
„Politik  verfolgen  könnten,  als  die  in  der  Älittheilung  vom  letzten 
„Monat  angedeutet  worden  ist.  Diese  verbindet  uns  nicht  zu  irgend 
„einer  Theilnahme  an  dem  russischen  Vorgehen  oder  zu  irgend 
„einem  zweifelhaften  politischen  Experimente.  Sie  erklärt  nur,  dass 
„das  Vorrücken  Russlands  gegen  unser  indisches  Reich,  sobald  eine 
„gewisse  Linie  überschritten  ist,  nicht  mit  Gleichgiltigkeit  betrachtet 
„werden  wird.  Praktisch  genommen,  haben  wir  entschieden  die 
„LTnabhängigkeit  von  Afghanistan  aufrecht  zu  erhalten,  und  diesen 
„Entschluss  haben  wir  durch  die  INIittheilung  ausgedrückt,  dass  ge- 
„ wisse  Gebiete  unseres  Alliirten  des  Emirs,  welchen  Russland  jetzt 
„naht,  als  unter  unserem  Schutz  stehend,  betrachtet  werden  müssen. 
„Eine  solche  Ankündigung  ist  offenbar  darauf  berechnet,  nach  der 
„einen  oder  anderen  Seite  hin,  ein  entscheidendes  Resultat  zu  liefern. 
„Wenn  Russland  die  vorgeschlagenen  Begrenzungen  annimmt,  dann, 
„dann  wird  es  für  jetzt  zu  Ende  sein,  mit  der  centralasiatischen  Frage, 
„wenn  es  ihnen  (den  Begrenzungen)  widerstrebt,  dann  wird  die 
„Frage  in  irgend  einem  künftigen  Augenblicke  an  das  Schiedsge- 
„ rieht  des  Schwertes   übergehen." 

Im  weiteren  Verlauf  des  Artikels  drückt  die  „Times"  die 
„Hoffnung  aus,  Russland  werde  nachgeben.  „Der  Schritt,  den  Eng- 
„land  gethan,  sei  nicht  mehr  zu  verschieben  gewesen.  England  sei 
„in  Asien  Russland  unennesslich  überlegen.  (?)  England  könne  In- 
„triguen,  Rupien,  Barbaren  und  die  INIacht  eines  civilisirten  ^lilitär- 
„ Staates  ins  Feld  führen.  Die  englische  Gesellschaft  in  Indien  ist 
„so  kriegerisch  als  Russland,  die  Armee  ist  auf  Kriegsfuss,  jeden 
„Augenblick  der  unbegrenztesten  Ausdehnung  fähig,  und  eine  Kriegs- 
„erklärung  würde  von  allen  Engländern  daselbst  mit  grenzenloser 
„Freude  aufgenommen  werden.  Die  Ordre  zum  Marsch  nach  Chiwa 
„würde  mit  Jubel  aufgenommen  werden. 

..Eben  desshalb  habe  aber  auch  England  in  Asien  mehr  zu 
„verlieren  als  Russland.  Aber  es  fürchtete  die  Drohung  von  in- 
„dischen  Aufständen  nicht.  Russland  sei  sonst  machtlos  gegen 
„England.  Russland  könne  nur  mit  AVorten  drohen,  „was  wir  ganz 
„ sicher    durchführen. " 

Eine  derartige  chauvinistische  Sprache,  aus  dem  Munde  des 
grössten  englischen  Pressorganes,  welches  stets  die  Abstinenzpolitik 
in  seinen  Spalten  ge])redigt,  könnte  wohl  Erstaunen  erregen,  wenn 
nicht  eben  in  einem  i'owissen  Bedürfniss  nach  so  manchen  demüthigeu- 


Die  Rivalität  Russlanda  und  Englands  in  Asien.  175 

gen  Erfahrungen  von  wegen  der  Niclitinterventionspolitik  einmal 
höheren  Einschüchterungs-Chauvinismus  zu  treiben  die  Erklärung 
schon  selbst  lüge.  Nichts  kann  übrigens  für  England  zwingender 
sein  als  eine  .unerschütterlich  feste  Politik  in  dieser  Frage.  Eng- 
land muss  die  Sache  sehr  ernst  nehmen,  wenn  es  nicht  von  Neuem 
für  den  Augenblick  diplomatisch  geschlagen,  und  später  aufs  Ge- 
fährlichste in  seiner  Colonialherrlichkeit  bedroht  sein  will.  Die 
englischen  Älinister  fülden,  dass  ihrem  Vaterlande,  will  es  nicht 
bedenklich  an  politischem  Ansehen  verlieren,  eine  zweite  Ueber- 
rumpelung  wie  in  der  Pontus- Frage  niclit  mehr  passiren  darf. 
Wie  die  Frage  steht,  muss  England  entweder  die  Annäherung 
Russlands  an  die  Grenzen  des  anglo-indischen*Reiches  ruhig  ab- 
warten, oder  diese  Annäherung  sofort  aufhalten.  Nun  aber  bleibt 
England  nur  das  Letztere  übrig,  w-eim  Russland  sich  nicht  zu 
einer  Demarcationslinie  versteht,  welche  nothwendig  die  afghanischen 
Gebiete  neutralisiren  nuiss. 

England  kann  und  muss  es  dulden,  wenn  die  Russen  die  Süd- 
küste des  kaspischen  INIeeres  mit  Forts  bespicken ,  welche  Persien 
und  Herat  bedrohen,  aber  in  Balch  und  Badachschan  kann  es  keine 
russischen  Proconsuln  dulden,  denn  diese  Gebiete  ragen  tief  in 
das  Afghänenreich  hinein,  welches,  so  lange  es  ein  englisches 
Lebensinteresse  in  Indien  gibt,  den  Russen  unnahbar  bleiben  muss. 
Wenn  daher  der  ministerielle  „Daily  Telegraph"'  sagt,  das  Vor- 
rücken Russlands  in  die  Chanate,  seine  Fortschritte  am  Oxus  und 
seine  Intriguen  in  Kabul  bedeuteten  nur  eine  Diversion  zum  Zwecke, 
England  bei  Erledigung  der  grijssoren  Fragen,  w' eiche  am  schwarzen 
Meere  imd  am  Bosphorus  ihren  Angelj^unkt  haben,  die  Hände  zu 
binden ,  so  hat  er  ganz  Recht.  Indess  beginnt  die  Frage  erst 
dann  wirklich  gefährlich  zu  werden,  wenn  die  Russen  südlich 
vom  Hindukusch  erscheinen.  Sie  davon  abzuhalten,  muss  das 
Streben  der  Engländer  sein.  Ob  es  ihnen  gelingen  wird,  ist  trotz 
der  kriegerischen  Sjsrachc  der  Presse  nicht  so  ganz  gewiss,  ebenso 
wenig  als  es  uns  gewiss  zu  sein  scheint,  dass  in  dieser  Frage  — 
wie  Hr.  Vämbcry  meint  —  die  grosse  INIehrzahl  der  euroiiäischen 
Blätter  in  dieser  neuesten  Frage  den  Ansprüchen  Englands  zur 
Seite  steht.  ') 

Wie  ein  Blitzstrahl  brach  nun  in  der  zweiten  Hälfte  Januars 
1873  die  Nachricht  herein,  Persien  habe  vor  drei  Jahren  durch 
einen  geheimen  Vertrag  das  an  der  Südgrenze  Chiwas  gelegene 
Atrek-Thal  an  Russland  abgetreten,  wodurch  diesem  die  Provinz 
Charesm  (Chorassän)  offen  wäre.  Obgleich  die  Nachriclit  sofort  von 
competenter  Seite  demcntirt  ward,  hinterliess   sie  doch  einen  tiefen 


1)  „Allg.  Zeitg.«  1873,  Nr.  26. 


176  Die  Rivalität  Riisslands  und  Englamls  in  Asien. 

Eindruck.  England  hat  also  die  Gefahr  erkannt  und  man  darf 
niclit  mehr  klagen,  dass  sie  von  den  englischen  Staatsmännern 
unterschätzt  werde.  JedenfalLs  war  es  ein  Fehler,  dass  England 
die  Dinge  so  weit  gedeihen  Hess  und  durch  die  Gleichgiltigkeit 
und  die  Unkenntniss  seiner  Gewalthaber  und  Dijjlomaten  den  Russen 
gleichsam  die  Wege  ebnete;  allein  wir  bezweifeln  sehr,  selbst 
wenn  England  mit  einem  ernsten  diplomatischen,  „Veto"  recht- 
zeitig aufgetreten  wäre,  und  mehr  hätte  es  ja  in  keinem  Falle 
thun  können,  dass  es  in  seiner  Macht  gestanden  wäre,  dem  Gang 
der  Ereignisse  eine  wesentlich  andere  Richtung  zu  geben,  selbst 
dann  nicht,  wenn  es  schon  seit  lange  zur  undankbaren  und  kost- 
spieligen Aufgabe  geschritten  wäre ,  die  unabhängigen  Afghänen- 
stämme  zu  unterwerfen.  \^'äre  dies  vor  einigen  Jahren  geschehen 
und  stehen  die  Russen  nun  in  Samarkand  und  Bochära,  so  hätte 
dies  —  sollte  wirklich  ein  Zusammcnstoss  erfolgen  — ■  Eine  Be- 
schleunigung der  feindlichen  Begegnung  herbeigeführt,  das  heisst: 
beide  Parteien  wären  also  jetzt  gegenseitig  in  Sicht,  und  der  lang- 
gefürchtete  Zusanmicnstoss  müsste  schon  jetzt  erfolgen.  Dies  hätte 
Britannien  wohl  kaum  zu  bedauern ,  wenn  Afghanistan  ihm  eine 
bessere  Grenze  gäbe,  als  das  Pendschäb,  was  sich  jedoch  nicht 
behaupten  lässt.  Wir  meinen  im  Gegentlieile,  es  sei  für  England 
besser,  die  Cheyber-Pässe  vor  als  hinter  sich  zu  haben.  Wenn 
—  immer  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Russen  es  wirklich 
auf  Indien  abgesehen  haben  —  diese  in's  Pendschäb  wollen,  müssen 
sie  die  schwierigen  Gebirgspässe  durchschreiten,  und  die  Briten 
dürften  hoffen ,  ihnen  das  Debouchiren  unmöglich  machen  zu 
können.  Stehen  aber  die  Engländer  in  Afghanistan,  und  würden 
sie  von  einer  russischen  Heeresmacht  geschlagen ,  so  müssten  s  i  e 
durch  jene ,  ihnen  dann  im  Rücken  liegenden  Pässe  und  hätten 
dann  wohl  eine  dem  Jahre  1842  ähnliche  Katastrophe  zu  gewär- 
tigen; setzen  ihnen  die  Russen  nach,  so  kommt  kaum  ein  Mann 
nach  Indien  zurück;  die  erste  Alternative  ist  also  jedenfalls  ge- 
fahrloser. Nach  Vämbery  freilich  wird  sich  Russland ,  sobald  es 
mit  den  drei  turkestänischen  Chanaten  fertig  ist,  mit  den  Afghanen 
verbinden,  und  dann  liegt  Indien  vor  ihm;  die  Hindernisse,  wie 
der  Ilindukusch ,  seien  in  ihrem  Werthe  bedeutend  überschätzt, 
denn  an  Pässen,  wodurch  Russland  in  das  indische  W^underland 
dringen  kann,  ist  kein  ^Mangel.  Strategisch  aber  kann  darüber 
kein  Zweifel  sein,  dass  England  am  Indus  stärker  ist,  als  am 
Oxus,  und  ohne  seiner  ^lachtstoUung  zu  schaden,  kaum  einen 
Schritt  vorwärts  gehen  darf.  Alles  was  militärischerselts  geschehen 
kann,  ist  die  Befestigung  des  Cheyber-Passcs  und  der  anderen  im 
Solimangebirge  gelegenen  Uebergänge.  So  viel  bis  jetzt  über  die 
Geographie  jener  Gegenden  bekannt  ist,  sind  dies  Positionen,  die 
sich    kaum    umgehen    lassen    und    eine    russische    Armee   jedenfalls 


Die  Rivalität  Kuaslands  und  Englands  In  Asien.  lYY 

zwingen  würden,  den  Stier  bei  den  Hörnern  zu  packen,  i)  Seit 
dem  Kriinkriege ,  wie  seit  der  grossen  Meuterei  der  einheimischen 
Truppen  in  Indien,  hat  sich  die  politische  Lage  der  britischen 
Besitzungen  in  Asien  wesentlich  verändert :  der  Schlüssel  zu  Indien 
liegt  in  London;  jede  ernstliche  Bedrohung  Indiens  würde  voraus- 
sichtlich zu  einem  europäischen  Kriege  führen,  imd  Asiens  Schick- 
sal an  der  Newa,  an  der  Donau,  in  der  Krim  entschieden.  Anderer- 
seits ist  das  grosse  englische  Reich  neu  befestigt,  seine  Kriegs- 
tüchtigkeit ungleich  stärker  als  zuvor  organisirt;  ausser  dem  starken 
Contingent  an  Sipoys  bilden  70.000  Mann  britischer  Kerntruppen 
die  heutige  Armee  in  Indien.  Vor  allem  kommt  dabei  die  Be- 
schleunigung der  Truppenbewegungen  in  Betracht.  Raum  imd 
Zeit  sprachen  ehedem  in  Asien  bei  Krieg  und  Handel  das  grosse 
Wort;  seit  der  Dampfperiode  ändert  sich  das  mit  jedem  Jahre 
mehr,  und  dürften  die  Engländer  mit  ihren  Schienenwegen  eher 
den  Indus  erreichen,  als  die  Russen  sich  in  Afghanistan  aufge- 
stellt  und  ihre  Angriffs-Colonnen  gebildet  haben. 

Wer  indess  darauf  hinweisen  will,  dass  das  Schienennetz 
eben  auf  dem  voraussichtlichen  Kriegsschauplatze  noch  äusserst 
mangelhaft  sei,  dass  ihrerseits  die  Russen  gezeigt  haben,  wie  die 
ungeheuersten  Distanzen ,  auch  ohne  Eisenbahnen,  in  überraschend 
kurzer  Frist  überwunden  werden  können,  kurz,  wer  mit  Einem 
Worte,  trotz  der  oben  angeführten  LTmstände,  mit  Vämbery  an- 
nimmt ,  was  wir  selbst  in  solchem  Falle  für  sehr  wahrscheinlich 
halten,  dass  England  nicht  im  Stande  sein  werde,  dem  gewaltigen 
Stosse  zu  widerstehen,  welchen  Russland,  durch  zahllose  mittel- 
asiatische Hilfsvölker  verstärkt,  gegen  das  künstliche  Gebäude  des 
britischen  Reiches  zu  führen  vermag,  der  niuss  diese  Mög- 
lichkeit auch  dann  einräumen,  sei  es,  dass  die  Briten  in  dem  für 
sie  militärisch  ungünstigeren  Afghanistan  stehen,  sei  es,  dass  sie 
versucht  hätten,  einen  als  Barriere  dienenden,  den  englischen  In- 
teressen ergebenen  afghanischen  Grenzstaat  zu  gründen ,  der  sich 
übrigens  eben  nicht  schaffen  lässt ,  weil  die  hiezu  nöthigen  Ele- 
mente fehlen,  und  der  überdies  die  siegreichen  Russen  schwerlich 
aufhalten  würde. 

Dass  also  ein  Angriff  der  Russen  auf  Britisch-Indien  für  den 
Bestand  dieses  Reiches  sehr  gefahrbringend  sein  dürfte,  wird  wohl 
Niemand  bestreiten,  und  ^'ambery  übertreibt  diese  Gefahren  nicht, 
falls  es  wirklich  zimi  Zusammenstoss  kommen  sollte.  Die  russischen 
Staatsmänner  indess,   welche  alle  Eigenschaften,   die  bei   den[Hüfrn 


1)  Das  Ijcsto  was  wir  bisher  ü'jer  die  militärische  Seite  dieser  Frage  gelesen 
haben,  bleibt  immer  noch  das  Capitel  XXX  „llussian  Invasion  in  India"  in  des  französischen 
Ofiiciers  und  persischen  Generaladjutanten  J.  P.  Ferricr's  Buch:  „Caravan  Journevs 
aud  Wanderings  in  Persia,  Afghanistan,  Turkestän  aud  Beloochistan.  London  1857  8" 
Becond  edition. 

22 


178  Die  Rivalität  Ruaslands  und  Englands  in  Asien. 

morgenländischer  Despoten  zum  Erfolge  führen  müssen,  und  zwar 
in  eben  dem  Masse  besitzen  als  die  englischen  meist  von  asiatischer 
Politik  Nichts  verstehen ,  wissen  diesen  Umstand  ganz  genau  und 
sind  sich  ihrer  Handlungen  vollkommen  bewusst.  Ganz  so  wie 
England  den  Russen  gegenüber,  so  hat  auch  Russland  hundert 
Gründe,  mit  den  Söhnen  Albions  in  P"'rioden  und  Ereundschaft  zu 
leben ,  und  eines  directen  Angriffes  auf  Indien  hätten  letztere  sich 
wohl  dann  nur  zu  versehen ,  wenn  anderweitige  Complicationen 
hiczu  einen  genügenden  Anlass  geben.  Denn  ebensow^enig  als  Eng- 
land seinen  nordischen  Gegner  unterschätzt,  thut  dies  die  vor- 
sichtige russische  Diplomatie,  welche  Yämbery  mit  Urquhart 
unter  allen  Umständen  als  der  englischen  überlegen  aiisieht ,  den 
Schwierigkeiten  eines  Indiazuges  gegenüber,  namentlich  so  lange 
Russland  sich  noch  nicht  auf  einer  breiteren  Operationsbasis  be- 
wegen kami.  Sämmtliche  Landschaften  vom  Kaspi-See  bis  an  den 
Bclut-Tagh,  ja  wo  möglich  die  wichtigen  Gebiete  des  chinesischen 
Ost-Turkestäns ,  oder  doch  wenigstens  Afghanistan  müssen  voll- 
ständig in  russischem  Besitze  sein,  ehe  an  eine  Eroberung  Indiens 
zu  denken  ist. 

Wichtiger,  für  England  bedenklicher  und  in  seinen  Wirkungen 
viel  näher  gerückt,  erscheint  uns  der  Umstand,  dass  mit  dem  sich 
täglich  mehr  entfaltenden  Einfluss  der  Russen  in  Asien  jener  der 
Briten  abnimmt,  und  dci-gestalt  England  schon  auf  friedlichem 
W^ege  aus  dem  Sattel  gehoben  wird.  Wie  dem  zu  begegnen  sei, 
wissen  wir  nicht ,  und  auch  Vamböry  sagt  es  uns  nicht.  Auch 
diese  Gefahr  hätten  die  britischen  Staatsmänner  voraussehen  und 
ihr  begegnen  sollen;  doch  wie?  Es  gab  hiezu  nur  Ein  Mittel:  die 
Ausdehnung  russischer  Machtsphäre  in  .Vsien  von  allem  Anfange 
her  durch  ein  imperatives  Veto  hintanzuhalten.  H.  Vamböry  be- 
ruft sich  auf  die  Lehre  der  Geschichte,  dass  Russland  in  seiner 
Aggressionspolitik  immer  jeden  Zusannnenstoss  mit  einer  rivalen 
Macht  geflissentlich  vermieden  habe  und  seine  Machtausdehnung  sei 
auch  nur  dort  ungehindert  vorangeschritten,  wo  es  keinen  unmittel- 
baren Feind  witterte. ')  Zugegeben,  allein  unter  „Feind"'  kann  doch 
billigerweise  auch  nur  ein  machtvoller  Feind  verstanden  werden. 
Hätte  aber  Grossbritannien  etwa  die  materiellen  Mittel  an  Geld 
mid  Leuten  besessen ,  einem  solchen  Ausspruch  Achtung  zu  ver- 
schaffen, d.  h.  durch  die  Tliat  Russland  an  der  Ausdehniuig  seiner 
südöstlichen  Grenzen  zu  hindern  ?  Und  wenn  aucli,  —  auf  welchem 
Wege  wäre  dies  geschehen  ?  Wo  hätten  die  Briten  die  Soldaten 
des   Czaren  hiezu   aufsuchen  müssen? 

So  wie  die  Dinge  jetzt  liegen,  so  lange  keine  besseren  An- 
haltspunkte dafür  vorhanden   sind ,    wird   indessen  unserer  Äleinung 


1)  „Allg.  Ztg.«  1870  Nr.   9. 


Die  Rivalität  Riisslands  und  Englands  in  Asien.  179 

nach  die  Ansicht  Russland  indische  Eroberungsgelüste  zu  unter- 
schieben nicht  stichhaltig  sein.  Wir  müssen  es  auch  dahingestellt 
sein  lassen  ob,  wie  Hr.  H.  Yambery  glaubt,  die  orientalische 
Frage  mit  mehr  Leichtigkeit  jenseits  des  Hindukuh  als  am  Bos- 
porus gelöst  werden  kann.  ^)  Gewiss  ist  Eussland  Englands  ge- 
fährlichster Rival  in  ganz  Asien ,  und  wir  zweifeln  auch  keinen 
Augenblick  daran,  dass  die  Zukunft  Russlands  Herrschaft  über 
Asien  noch  weithin  erstrecken  werde,  ebenso  wie  sie  immer  mehr 
den  Untergang  des  englischen  Colonialsystems  herbeiführen  muss. 
Allein  die  Staatsmänner  an  der  Newa,  welche  von  ihrer  Geschick- 
lichkeit schon  mehr  denn  eine  Probe  geliefert ,  sehen  dies  sehr 
gut  voraus  und  haben  kein  Interesse  daran,  den  in  ganz  Asien 
vor  sich  gehenden  Zersetzungsprocoss  noch  mehr  zu  beschleunigen. 
Sie  kennen  gleichzeitig  die  Gefahren  einer  asiatischen  Universal- 
monarchie zu  genau,  um  nach  gewaltsamer  Gründung  einer  solchen 
zu  streben ,  besonders  dann ,  ^venn  der  Verlauf  der  Dinge  ohne- 
dies solch'  gefährlichem  Ziele  zusteuert.  Sicherlich  werden  diese 
Gefahren  für  Russland  eben  durch  jene  Eigenschaft  vermindert, 
welche  man  ihm  so  sehr  zum  Vorwurfe  macht '^) ;  dadurch,  dass 
Russland  noch  so  ungemein  asiatisch  ist,  besitzt  es  weit  mehr, 
als  die  Engländer,  die  Befähigung,  sich  die  initerworfenen  Völker- 
schaften zu  assimiliren ;  allein  diese  Assimilation  kann  doch  nur 
bei  jenen  Völkern  eintreten ,  mit  Avelchen  Russland  jetzt  schon  in 
Berührung  steht,  als  Mongolen,  Tataren,  Usbeken  und  Turkomanen, 
während  es  sehr-  fraglich  ist,  ob  dieselbe  sich  auch  auf  geistig  so 
hochstehende,  mit  einer  eigenartigen  Entwicklung  und  reichen  Ge- 
schichte ausgestatteten  Völkerschaften  erstrecken  würde,  als  da 
Chinesen  imd  Hindu  sind. 

Hiemit  soll  durchaus  nicht  behauptet  werden,  dass  dem  Vor- 
dringen der  Russen  in  Turkestan  kein  bestimmter,  vom  russischen 
Cabinete  ^vohl  erwogener  Plan  zu  Grunde  liege.  Darüber  haben 
zur  Genüge  die  unlängst  veröffentlichten  drei  Denkschriften  aus 
den  Jahren  1854  und  1855^)  aufgeklärt,  die  in  Manchem  anti- 
quirt,  doch  deutlich  erkennen  lassen,  dass  Vieles  seither  Geschehene 
und  Eingetroffene  in  St.  Petersburg  mit  grosser  Umsicht  einge- 
leitet   und    vorausgesehen    wurde.      Analvsiren    wir    aber    die    Ab- 


1)  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Centralasien.  (Unsere  Zeit.  1867 
II.  Bfl.  S.  586.)  Siehe  auch  die  zwei  Aufsätze,  welche  Vämbery  in  „Unsere 
Zeit,"  1868,  II.  Bd.  veröflfentlicht  hat. 

2)  Siehe  darüber  manches  Treffliche  in:  II.  Vambery.  Russlands  Machtstellung 
in  Asien.     Eine  historisch-politische  Studie.     Leipzig  1871  8  . 

3)  Drei  russische  Denkschriften  über  einen  Feldzug  nach  Indien.  Aus  der  Zeit 
des  Krimkrieges.  („  '  11g-  Zeitg."  1873  Nr.  25.)  Die  erste  dieser  Denkschriften  führt  den 
Titel:  Memoire  sur  les  routes  qui  menent  de  la  Russio  oux  Indes.  Prcsente  ä  S-  M.  le 
14.  Juin  1854  par  le  General  de  Duhamel,  senateur,  ci-devant  ministre  plenipotentiairo 
cn  Perse. 


180  Dio  Rivalität  Russlanda  und  Englands  in  Asien. 

sichten,  ■welche  Russlancl  bei  sciiiem  stetigen  Vordringen  in  Asien  hegen 
kann  —  und  auf  diesem  weiten  Plane  sind  die  Hintergedanken 
der  Politik  nur  schwer  zu  verbergen  —  so  sind  überhaupt  nur 
drei  Ziele  denkbar,  welchen  das  St.  Petersburger  Cabinet  zu- 
steuern kann.  Unter  diesen  dünkt  uns  die  Eroberung  Indiens,  als 
das  entfernteste ,  am  wenigsten  Nutzen  bringende ,  daher ,  gerade 
herausgesagt,  als  das  unwahrscheinlichste  gegenüber  den  zwei 
andern,  von  denen  Eines  möglich,  das  Andere  gewiss 
ist.  Geben  wir  auch  gerne  zu,  dass  ein  Indiazug,  von  den  Ufern 
der  Newa  ausgehend  —  seit  nahezu  zwei  Jahrhunderten  geplant 
und  rastlos  gefördert  —  die  Verwirklichung  einer  der  colossalsten 
Ideen  der  "Weltgeschichte  sein  würde;  immerhin  bleiben,  um  die 
russische  Politik  in  Asien  zu  motivircn ,  noch  näher  liegende, 
leichter  zu  realisirende  Absichten,  die  wir  nicht  anstehen,  als  eben 
so  grossartig  und  weitreichend  zu  bezeichnen ,  wobei  gleichfalls 
ein  Conflict,  wenn  auch  anderer  Art,  mit  England  ziemlich  un- 
vermeidlich erscheint.  Diese  beiden  Ziele  sind :  die  mögliche 
Lösung  der  orientalischen  Fr agc'  und  die  sichere  Handels- 
Hegemonie  in   Asien. 

Wenn  auch  nicht  nach  ^^'estcn  Russland  sein  Beruf  zieht, 
wenn  auch  nach  Asien  Russland's  cultur-  und  welthistorische  Mission 
geht  und  darin  besteht:  eine  lange  Reihe  in  orientalischem 
Despotismus  entnervter  und  in  Aberglauben  versunkener  Völker 
aus  ihrer  Verwilderung  zu  erheben  und  Cultur  und  Gesittung  unter 
ihnen  zu  verbreiten,  wenn  auch  Russland,  sich  dieser  Mission  be- 
wusst ,  seine  Politik  darnach  seit  einigen  Jahren  eingerichtet  hat, 
wird  doch  lange  noch  der  Besitz  des  goldenen  Horns  ein  Gegen- 
stand eifrigen  Strebens  des  russischen  Cabinetes  bleiben.  Gegen- 
über den  schweren  Hindernissen,  welche  sich  der  Erreichung  die- 
ses Zieles  auf  europäischem  Wege  entgegenstellen,  scheint  der 
zwar  längere,  aber  sichere  asiatische  Weg  nicht  ausserhalb  der 
Combinationcn  der  russischen  Politik  zu  liegen.  Ja  die  türkische 
Diplomatie  weiss  genau,  dass,  nachdem  es  misslungen,  von  der 
Donau  aus  nach  dem  Bosporus  zu  gelangen,  der  Plan  aus  langer 
Hand  vorbereitet  wurde,  hinten  licrum  in  den  Besitz  Constantinopels 
zu  konnnen,  nachdem  man  ganz  Vorderasien  aufgerollt  hat  und 
genau  die  Pfade  gewandelt  ist,  welche  die  Osmanli  einst  ver- 
folgten ,  um  das  oströmische  Reich  zu  stürzen.  Die  türkische 
Diplomatie  lebt  jedoch  des  Trostes,  dass,  wenn  einmal  die  Stunde 
der  Entscheidung  schlagen  sollte ,  Phigland  ihr  zur  Seite  stehen 
werde,  weil  hier  mehr  als  jemals  beider  Völker  Vortheile  zusam- 
mentreffen. ')  ^^'ir  werden  die  Türkei  glücklich  preisen ,  wenn 
ßie  sich  in  dieser  ihrer  Erwartung  seinerzeit  nicht  enttäuscht  findet. 


1)  Die  Russen  in  Saniarkand.     („Köln.  Zeitung"  vom  21.  Juni  1868-) 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  181 

Denn  fürwahr,  regt  sich  der  zahm  gewordene  englische  Leopard 
nicht  mehr,  wer  möchte  es  den  Russen  wehren,  wenn  sie  heute 
oder  morgen  die  mittelasiatischen  Chanate  vollends  vernichteten, 
und  den  Schah  von  Pcrsien ,  der  seit  1828  nur  noch  den  Mai- 
käfer am  russischen  Faden  spielt,  ganz  beseitigten,  in  Afghanistan 
Ordnung  zu  stiften  und  dann  die  asiatische  Türkei  in  russische  Satra- 
pien  zu  zerschlagen  sich  anschickten,  was,  nebenbei  gesagt,  für  diese 
Landschaften  kein  so  grosses  LTnglück  wäre?  Ein  höchst  geist- 
voller Aufsatz  ^),  dessen  genaues  Studium  nicht  genug  Jenen  em- 
pfohlen werden  kann,  welche  sich  für  die  russisch-asiatische  Frage 
interressiren ,  zeigt  die  strategischen  Linien,  welche  Russland  be- 
nützen muss,  um  einerseits  an  das  mittelländische,  andererseits  an 
das  arabische  Meer  zu  gelangen.  ')  Vieles  schon  von  dem ,  was 
in  diesem  Aufsatze  vorausgesagt,  ist  seitdem  von  den  eingetreteneu 
Ereignissen  bestätigt  worden.  Der  Kaukasus  ist  völlig  unter- 
worfen ,  und  erst  vor  wenigen  Jahren  hat  Russland  eine  neue, 
passendere  Eintheilung  seiner  transkaukasischen  Gebiete  vorge- 
nommen. 3)  Das  kaspischc  Meer  und  der  Aralsee  sind  heute 
russische  Gewässer  zu  nennen;  die  kleine  Insel  Aschurade  gegen- 
über der  persischen  Stadt  Asterabfid  ist  eine  russische  Flotten- 
station, und  der  strategische  Punkt  Bocharä,  von  welchem 
Karawanenstrassen  nach  allen  Richtungen  auslaufen ,  ist  in  den 
Händen   der  Russen. 

]Man  könnte  die  Einwendung  machen,  dass,  um  auf  asiatischem 
Wege  Constantinopel  zu  erreichen,  es  für  Russland  viel  kürzer  sei, 
gleich  von  seinen  transkaukasischen  Gebieten  den  Einfall  in  das 
türkische  Gebiet  zu  machen,  dass  es  mit  Einem  Worte  des  riesigen 
Umweges  um  das  kaspischc  ISIeer  nicht  bedürfe.  Dem  ist  zu  ent- 
gegnen, wie  auch  der  oberwähnte  Aufsatz  ausführt,  dass  Russland 
sich  nicht  leicht  gegen  die  asiatische  Türkei  wenden  kann,  bevor 
es  durch  vorgängige  Wegnahme  der  persischen  Provinz  Azerbei- 
dschän,  Festsetzung  am  Südufer  des  kaspischen  Meeres,  nämlich 
im  persischen  Ghilan  und  INIazanderän,  und  Befestigung  von  Aschurade 
seine  linke  Flanke  nicht  gesichert  und  seine  Operationsbasis  nicht 
erweitert  weiss.      Hiedurch  aber    geräth    Russland    in    Conflict    mit 


1)  Die  Euphratbahn.  Von  einem  höheren  k.  k.  Officier.  („Österreichische  Revue-,, 
1865.  II.  Bd.  S.  241 — 248  )  Dieser  Offleier  ist  der  dermalige  österreichische  Reichskriegs- 
minister Franz  Freiherr  v.  Kuhn. 

2)  Diese  Strassen  sind:  1)  Die  Linie  von  Kars  in's  Euphratthal  und  nach  Mcso- 
potainion.  2)  Von  Eriwan,  dem  See  von  Wan  entlang,  in's  Thal  des  Tigris  nach  Mossul, 
Mesopotamien  und  nach  Vereinigung  mit  der  erslercn  nach  Bagdad.  3)  Von  Täbris  in 
das  Thal  der  Kercha  nach  Schuster,  und  von  hier  vereinigt.  4)  Mit  der  von  Teheran 
über  Ispahan  nach  Schuster  führenden  Strasse  bis  an  den  persischen  Meerbusen. 

3)  Durch  Ukas  vom  21.  December  1867  (neuen  Styls,)  veröffentlicht  im  „Journal 
de  St.  Petersbourg"  vom  2.  Januar  1868.  (.Siehe  hierüber  Petermann's  Geogr.  Mitth. 
1869.  II.  Heft  S.  57— 5J.) 


182  Die  RivalKät  Russlands  und  Englands  in  Asien 

Persien,  welches  es  von  Turän  aus  in  bedenklicher  Weise  ge- 
fährdet. Durch  die  Be^^ctz.ung  der  kaspischen  Provinzen  Persiens, 
so  wie  durch  die  nachfolgende,  nicht  gar  schwierige  Eroberung 
des  noch  nicht  russisch  gewordenen  Theiles  von  Armenien  drückt 
Russland  mit  seiner  ganzen  Macht  auf  die  Gebiete  des  Euphrats 
und  Tigris  und  auf  ganz  Persien,  welches,  wenn  die  russische 
Macht  in  Turän  gebietet,  zu  einer  blossen  Dependenz  der  Statt- 
halterschaft von  Tiflis  herabsinkt,  i)  Sei  es  aber,  dass  Russland 
sich  ganz  Persiens  bemächtigt,  sei  es,  dass  es  diesen  Staat  seine 
Scheinexiteuz  weiterleben  lassen  will,  immerhin  ist  Russland  durch 
den  Besitz  von  Turän  Herr  von  ganz  Centralasien  und  kann  nach 
seinem  Belieben  die  Perser  den  asiatischen  Türken  entgegenstellen. 
Jedenfalls,  ist  Russland  auf  eine  oder  die  andere  Weise  erst  Herr 
in  Teheran,  so  fällt  ihm  ohne  Mühe  Klein-Asien  und  Syrien  zu, 
zum  mindesten  drückt  es,  da  solche  Pläne  eine  lange  Zeit  zur 
Durchführung  beanspruchen  —  indirect  auf  das  türkische  Asien, 
jenen  Theil  des  osmanischen  Reiches,  welcher  in  dessen  Entschei- 
dungskämpfen die  grossen,  unerschütterlichen  Heerhaufen  seiner 
Glaubensstreiter  stellt  und  vermöge  der  wuchtigen  ISIasse  seiner 
compact  muhammedanischen  Bevölkerung  den  centrifugalen  Ele- 
menten der  europäischen  Türkei  gegenüber  das  erhaltende  Element 
bildet.  Ein  Festsetzen  Russlands  in  Klein-Asien  würde  aber  Con- 
stantinopel  in  directester  Weise  gefährden,  so  wie  den  mittelländi- 
Handel  und  den  Suez-Canal   unbedingt  beherrschen. 

Eine  Schranke,  sowohl  von  militärischen,  wie  vom  politischen 
Standpunkte  wäre,  nach  der  geistvollen  Auffassung  des  gedachten 
Aufsatzes,  in  der  Erbauung  der  Euphratbahn  2)  zu  erblicken,  welche 
den  englischen  Einfluss  in  Yorderasien  steigern,  jenen  Russlands 
vermindern  und  den  Engländern  gestatten  würde,  sich  dem  Vor- 
dringen Russlands  mit  den  Waflen  in  der  Hand  zu  widersetzen. 
Dann  würde  aber  nicht  Indien,  sondern  das  südliche  Mesopotamien 
der  Schauplatz  des  ,,  unvermeidlichen  Conflictes"  sein,  der  sich  um 
den  Besitz  und  Nichtbesitz  jener  gewaltigen  Bahnlinie  drehen  würde. 
Eine  solche  Bahn  vom  Mittelländischen  Meere  an  den  Euphrat 
mit  der  dazu  gehörigen  Fortsctzujig  im  Eujihratthal  wäre  kürzer, 
gesunder  und  leichter  als  der  Weg  über  Suez  und  das  Rothe  IMeer. 
Während  gerade  letztere  Strecke  wegen  der  furchtbar  drückenden 
Sonnenhitze  von  den  Reisenden  nicht  wenig  gefürchtet  ist,  zöge 
sich  die  Euphratroute  durch  die  gesündesten  Gegenden,  und  würde 
ausserdem  die  Reise  nach  Indien  um   eine  volle  Woche  verkürzen. 


1)  Russland  in  Centralasien.     („Neue  freie  Presse"  vom  5.  September  1867.) 

2)  Siehe  über  dieselbe:  ^Julius  Braun.  Syrien  und  die  Euphratbahn.  („Süd- 
deutsche Presse"  vom  28.  Februar  1868  und  ft'.),  daun  Mesopotamien  und  die  Euphrat- 
bahn.    („Süddeutsche  Presse",  Juni  1868-) 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  183 

Es  schwände  sodann  für  den  Canal  in  dieser  Hinsicht  jede  Hoff- 
nmig  auf  die  Möglichkeit  einer  Coneurrenz.  Im  Jahre  1867  hat 
die  englische  Gesellschaft  welche  die  Euphrathahn  bauen  will,  mit 
der  osinanischen  Regierung  ein  Uebereinkommen  getroffen  —  so 
berichteten  wenigstens  die  damaligen  Tagesblätter  —  wonach  diese 
Bahn  von  Scutari,  Constantinopel  gegenüber,  quer  durch  Klein- 
Asien  nach  Aleppo  führen,  von  Aleijpo  nach  Kalat  Dschaber  in's 
Eujihratthal,  in  diesem  abwärts  und  an  den  Tigris  hinüber  nach 
Bagdad,  und  von  da,  wie  es  scheint,  wieder  am  Euphrat  bis 
Basra  am  Schat-el-Arab  oder  vereinigten  Euphrat  und  Tigris  gehen 
soll,  wohin  die  indischen  Oceandampfer  hinaufkommen.  Seitdem 
hat  jedoch  nichts  weiter  über  das  Zustandekommen  des  immerhin 
mit  ziemlichen  Schwierigkeiten  ausgestatteten  Projects  verlautbart, 
und  erst  kürzlich  lasen  wir  die  Notiz  dass  sich  nunmehr  das 
Cabinet  Gladstone  entschieden  habe  die  so  lange  vergeblich  von 
der  britischen  Regierung  begehrte  Zinsengarantie  für  das  zum  Bau 
der  Eisenbahn  aufzuwendende  Capital  zu  gewähren.  In  alier- 
jüngster  Zeit  (November  187  2)  ist  indess  die  Euphrathahn  Gegen- 
stand der  vielfachsten  Erörterungen  geworden,  die  zu  kennen 
nützlich  sein  kann.  Im  Allgemeinen  ist  man  der  Ansicht ,  die 
Regierung  würde  durch  die  Gegengarantie  der  fünfpercentigen  In- 
teressen des  betreffenden  türkischen  Anlehens  kein  grosses  Risico 
laufen.  Es  wird  zwar  von  Seite  der  Gegner  des  Projectes  ein- 
gewendet, England  würde  unter  gewöhnlichen  Umständen  keinen 
grossen  Nutzen  von  einer  Bahn  haben,  deren  Resultat  kein  anderes 
für  dasselbe  wäre,  als  dass  es  Postfelleisen,  Passagiere  und  Truppen 
mittelst  dieser  Bahn  nach  Ostasien  befördern  könnte.  Allein  die 
Anhänger  des  Unternehmens  meinen,  dass  selbst  dies  zugegeben 
der  Yortheil,  den  die  Bahn  in  gewissen  Eventualitäten,  die  jeden 
Augenblick  eintreten  können,  dem  Lande  bringen  würde,  so  ge- 
wichtig in  die  Wagschale  fällt,  dass  das  pecuniäre  Risico,  dagegen 
gehalten,  gar  nicht  in  Betracht  kommt.  Man  gibt  zu,  dass  die 
projectirte  Bahn  viele  Jahre  lang  kaum  mehr  eintragen  dürfte  als 
nöthig  ist,  um  die  Betriebs-  und  Unterhaltungskosten  zu  decken. 
Der  wichtigste  Verkehr  auf  derselben  würde  in  der  Beförderung 
von  Truppen  und  gewöhnlichen  Passagieren  bestehen,  was  schwer- 
lich mehr  als  2  —  300.000  Pfund  Sterling  per  Jahr  abwerfen 
dürfte.  Die  Auslagen  und  das  Risico,  welche  das  Umladen,  Aus- 
und  Wiedereinschiffen  der  AVaaren  verursachen  würde,  dürften  so 
gross  sein,  dass  der  Waarenverkehr  zwischen  Europa  und  dem 
fernen  Osten ,  abgesehen  von  ungewissen  Ausnahmsfällen .  den 
Suez-Canal  vorziehen  würde.  Der  Güterverkehr  auf  der  Bahn 
dürfte  im  Allgemeinen  nur  ein  localer  sein,  und  das  Ergebniss 
derselben  entzieht  sich  vorderhand  jeder  Berechnung.  Doch  unter- 
liegt es  keinem  Zweifel,  meint  die  andere  Partei,  dass  dieser  locale 


184  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

Verkehr  einer  raschen  und  bedeutenden  Entwicklung  fähig  wäre, 
da  die  Bahn  selbst  viel  dazu  beitragen  würde,  jene  Sicherheit  zu 
schaffen,  deren  Mangel  das  grösste  Hindcrniss  für  den  Auf- 
schwung des  Landes  ist.  —  Das  Hauptargiiment,  welches  gegen 
die  Garantieleistung  erhoben  wird,  scheint  dieses  zu  sein,  dass 
politische  Verwicklungen  entstehen  könnten,  welche  alle  Berech- 
nungen zu  nichte  machen  würden  und  denen  man  nur  durch  eine 
gemeinsame  Unternehmung  aller  Grossmächte  und  durch  die  Neutrali- 
sirung  der  Bahn  und  des  dieselbe  bis  zu  einer  gewissen  Entfernung 
einschliessenden  Gebietes  vorbeugen  könnte.  Dagegen  meinen  die 
Anhänger  des  Projectes,  die  englische  Regierung  könne  zwar  die 
Actionäre  unmöglich  gegen  alle  politischen  Conjunkturen  sicher- 
stellen, ohne  entweder  das  Risico  zu  laufen,  für  alle  Zukunft 
jährlich  500.000  Pfimd  zu  zahlen  und  dabei  die  Bahn  und  alle 
ihre  Vortheile  in  den  Händen  einer  anderen  Macht  zu  sehen,  oder 
die  viel  grössere  Gefahr  auf  sich  zu  nehmen,  die  Integrität  des 
Euphratthales  mit  Waffengewalt  zu  beschützen.  Dagegen  wird 
ganz  richtig  bemerkt,  England  würde  in  jedem  Falle  gezwungen 
sein,  das  letztere  zu  thun  —  die  Bahn  selbst  würde  zu  dieser 
Verpflichtung  nichts  beitragen.  Dies  ist  Alles  sehr  richtig  —  allein 
die  Capitalisten,  welche  sich  an  dem  Unternehmen  betheiligen 
möchten,  dürften  schwerlich  eine  andere  als  eine  absolute  Garantie 
annehmen.  Einen  besonderen  Nachdruck  legen  auch  mehrere  Zeitungen 
bei  dieser  Gelegenheit  auf  das  Princip,  dass  England  wegen  In- 
diens, eine  asiatische  Grossmacht  ist  —  und  zwar  die  grösste  (?) 
wenn  es  will;  als  Herr  des  herrlichsten  Reiches  in  Asien  und  der 
stärkere  (?)  und  civilisirtere  der  beiden  Nebenbuhler,  zwischen 
welche  die  Hegenomie  jenes  Continentes  getheilt  ist,  könne  es  un- 
möglich, ohne  einer  flagranten  Pflichtvergessenheit  sich  schuldig 
zu  machen  und  ohne  seine  Entartung  und  seinen  Vei-fall  ofl'en  zu 
bekennen,  seinem  überwiegenden  (!)  Einfluss  in  der  orientalischen 
Politik  entsagen  und  gestatten,  dass  diese  Fragen  sich  von  selbst 
lösen  oder  durch  den  Stärkeren  gelöst  werden,  wie  es  —  England 
—  in  letzter  Zeit  in  den  europäischen  Angelegenheiten  geschehen 
liess.  Jede  Frage,  welche  die  StabiHtät  einer  leitenden  asiatischen 
Regierung  berührt,  wie  z.  B.  das  Emporsteigen  oder  der  Verfall 
einer  Nation,  Gebietsvertheilungcn,  ja  sogar  die  Intrigue  eines 
Hofes  oder  allmälige  und  stille  Fortschritte  einer  feindseligen 
Diplomatie  haben  für  den  Souverän  von  Indien  dasselbe  Interesse, 
welches  ähnliche  Dinge  in  Mitteleuropa  für  Oesterreich  und  Deutsch- 
land haben  und  ähnliches  mehreres.  Hochtrabende  Phrasen,  darauf 
berechnet,  John  BulTs  ()})ferbereitwilligkeit  aufzustacheln  ').  Jeden- 
falls  ist  schon    sehr    sjiät,    wenn    nicht    zu    spät,    an    der    Zeit    um 


1)  ^Wanderer"  vom  27.  Novenibei-  137 


Die  Rivalität  Riisslands  Und  Englands  in  Asien.  185 

von  diesem  Unternolimen  noch  sehr  viel  zu  hoffen.  Nebts  den 
Schwierigkeiten,  v\'elchc  in  denn  nsicheren  Zuständen  der  Türkei 
liegen,  gibt  es  indess  noch  andere,  welche  das  Terrain  mit  sich  bringt: 
so  ist  es  z.  B.  noch  völlig  unklar,  wie  man  durch  das  Hochge- 
birge des  cilicischen  Taurus  gelangen  will ;  da  wir  aber  in  neuester 
Zeit  gewohnt  sind,  die  Technik  fast  allei'orts  als  Siegerin  aus  den 
Kämpfen  mit  den  Hindernissen  der  Natur  hervorgehen  zu  sehen, 
so  möchten  wir  auf  diesen  Umstand  niclit  allzu  viel  Gewicht 
legen.  Fataler  scheint  die  Wildniss  südlich  vom  Chaburflusse, 
der  in  den  Euphrat  mündet.  Hier,  auf  dem  linken  mesojjotamischen 
Ufer  ist  nichts  als  ein  mcergleiches  Feld  mit  Absynth-Kräutern 
bewachsen,  und  nur  von  wilden  Eseln,  Trappen  und  dem  uner- 
reichbaren Vogel  Strauss  bewohnt.  Ueber  diese  Ebene  gehen 
furchtbare  Wirbelstürme.  Ein  solcher  bat  einst  die  Schiffbrücke 
des  Crassus  bei  Bir  sanunt  den  im  Ucbergang  begriffenen  Soldaten 
vernichtet,  und  ein  anderer  erfasste  bei  Werdi,  neun  geographische 
Meilen  unterhalb  der  Chaburmündung ,  Che.sney's  kleineres  Dampf- 
boot ,, Tigris",  und  bohrte  es  mit  den  besten  Arbeitern  der  Ex- 
peditiou  rettungslos  in  den  Grund.  Eine  halbe  Stunde  später  schien 
die  Sonne  wieder,  als  ob  nichts  vorgefallen,  und  über  den  Ort 
des  Unglücks  gieng  ein  sanftes  Wehen. ')  Natürlich  könnte  dieselbe 
Ueberraschung  auch  einem  Babnzug  zu  Theil  werden.  Dagegen 
findet  sich  bei  Hit  eine  Erdpechquelle,  die  vollkommen  brauchbar 
wäre,  die  Dampfkessel  zu  heizen,  wohlfeiler  ist  als  die  Steinkohle 
in  l*]ngland ,  und  der  künftigen  Eisenbahn  zu  Gute  kommen  dürfte. 
Der  verstorbene  deutsche  Aegyptologe  Dr.  Julius  Braun, 
welcher  die  von  der  Euphratbahn  zu  passirenden  Gegenden  aus 
eigener  Anschauung  kannte ,  hat  seinerzeit  gegen  dieselbe  seine 
Stimme  erhoben.  '^^  Auch  er  musste  zwar  constutiren,  dass  eine 
solche  Bahn  die  kürzeste  Verbindung  mit  Indien  wäre.  Ob  nun 
der  Waarenau.stausch  Europa's  mit  Indien  gross  genug  sei,  um 
einen  Bahnbau  zu  verzinsen,  der  im  ganzen  Euphratthale,  mit  der 
syrischen  Wüste  auf  der  einen  und  der  mesopotamischen  Wildniss 
auf  der  andern  Seite,  so  gut  wie  nichts  zu  verdienen  bekäme, 
das  müssten  die  Unternehmer  wissen.  Ihm  aber  wollte  es  be- 
dünken, dass  Güter,  die  man  auf  der  Eisenbahnachse  von  Basra 
bis  Constantinopel  schleppt,  lediglich  aus  Perlen  und  Edelsteinen 
bestehen  müssten,  wenn  sie  die  Kosten  decken  sollten.  Güter  die 
ins  Gewicht  gehen,  bedeutenden  Kaum  einnehmen  und  verbält- 
nissmässig  geringen  Capitalwerth  darstellen,  wie  Kaffee  und  Baum- 
wolle,  werden,   seiner  Ansicht  zufolge,   nach  wie  vor  den  Seeweg 


1)  Eine  ausführliclie  Scliilderung  dieser  Katastrophe  siehe  in:  Paulino  Gräfin 
Nostiitz.  Joh.  W.  Helfer's  Reisen  in  Vorderasien  und  Indien.  Leipzig  1873  8  I.  Bd.  S. 
248—251. 

2)  In  der  „Süddeutschen  Prfcssc"  vom  28.  Februar  18C8  u.  ff. 

"23 


186  Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

verfolgon  und  den  gratis  gelieferten  Wind  als  Bewegungsmotiv 
beibehalten.  Die  Meeresfläche  ist  zollfrei  und  bedarf  keiner  Un- 
terhaltungskosten; zudem  wisse  man  noch  gar  nicht,  ob  oder  mit 
welchen  Kosten  ein  Bahnbau  durch  die  Ueberschwennnungen  und 
Versumpfungen  am  untern  Eiiphrat  möglich  sei,  oder  wie  fern  das 
gänzlich  verkommene  Basra,  allerdings  einer  der  ungesündesten 
Orte  der  Welt,  als  Schlusstation  und  Ilafenplatz  dienen  könne. 
Güter  von  geringerem  Gewicht  und  Umfang,  aber  höherem  Capital- 
werth ,  wie  Thee,  Seide,  Indigo ,  haben  dagegen  den  Weg  über 
Suez ,  um  mit  möglichst  geringem  Zeit-  und  Zinsenverlust  nach 
Europa  zu  kommen.  Wenn  also,  so  meinte  Dr.  Braun,  die  Be- 
deutung der  künftigen  Schienenstrasse  durch  Syrien  imd  Mesojoo- 
tamien  nur  auf  den  Verkehr  mit  Indien ,  das  keine  Waare,  son- 
dern bloss  baares  Silber  will,  gegründet  wird,  dann  hätte  sie  kaum 
ein  Recht  unsere  besondere  Theilnahme  in  Anspruch  zu  nehmen, 
(ianz  anders  aber  stellt  sich  die  Zukunft  einer  solchen  Bahn,  oder 
ihrer  ausführbaren  Strecken,  wenn  sie  über  einen  Boden  geführt 
wird,  der  selbst  einen  neuen  und  hundertfachen  Werth  daraus  ge- 
winnen kann.  Dr.  Braun  musste  zugestehen ,  dass  in  der  That 
mit  dem  vordringenden  Bahnbau,  aber  nicht  im  engen  Krcidethale 
des  P^uphrat,  ungeheure  Strecken,  die  vormals  Millionen  Menschen 
ernährt  haben ,  binnen  wenigen  Jahren  zur  alten  Ertragsftlhigkeit 
gedeihen  und  einen  Ueberschuss  von  Getreide  und  Wolle  abgeben 
könnten,  der  dem  hungernden  und  frierenden  Europa  sehr  wohl 
zu  statten  käme. 

Es  lag  uns  daran  diesen  im  ganzen  wenig  günstigen  An.sichten 
Gehör  zu  geben,  weil  dieselben  so  ziemlich  alle  Einwände  in  sich 
zusammenfassen,  die  von  verschiedenen  Standpunkten  gegen  eine 
Euphratbahn  erhoben  worden  sind.  Wir  wollen  nur  hinzufügen, 
dass  dei'selbe  Schriftsteller  den  Suez-Canal  noch  im  Jahre  1868 
für  eine  Chimäre  hielt,  was  bei  aller  Verschiedenheit  der  Meinung 
über  denselben,  doch  heute  Niemand  mehr  aufrecht  zu  halten  den 
Muth  hätte. 

Während  man  indessen  Alles  Vorstehende  in  das  Bereich  des 
Älöglichen  versetzen  muss ,  darf  man  das  Streben  Russlands  nach 
der  Ilandelshegemonie  in  Asien  als  etwas  Positives,  Sicheres,  im 
Werden  Begriücnes  bezeichnen,  schon  desshalb,  weil  das  unmittel- 
bare materielle  Interesse ,  welches  Russland  an  der  Entwicklung 
imd  Ansichzichung  des  asiatischen  Handels  besitzt,  demselben  seit 
jeher  ein  unverwandtes  Augenmerk  zuwenden  Hess.  Vor  nicht 
allzu  langer  Zeit  sind  einige  Angaben  bekannt  geworden,  die  wohl 
geeignet  sind,  ein  scharfes  Licht  auf  die  Pläne  Russlands  in  jenen 
(legenden  fallen  zu  lassen.  Im  Jahre  1857  schrieb  nämlich  der 
russische  (ieneral  Chrulew ,  der  eine  militärisch -dii)lomatische 
Mission  in  der  Buch  drei  auszuführen  hatte,   an  den  damaligen  General- 


Die  Rivalität  Russlanda  und  Englands  in  Asien.  187 

Gouverneur  von  Kaukasien ,  Fürsten  Bariatinski ,  den  Besieger 
Schamyrs,  um  Letzteren  darauf  hinzuweisen ,  dass  Russland  die 
Aufgabe  habe,  in  Ccntral-Asien  das  Testament  Peters  des  Grossen 
eine  Wahrheit  werden  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke  sei  eine 
grosse  „russisch-asiatische  Handelsgesellschaft"  in's  Leben  zu 
rufen,  welche  das  Pi'ivilogium  erhalten  müsse,  zum  Schutze  des 
Verkehrs  und  zur  Ausdclunmg  ihrer  Verbindungen  zwei  Reiter- 
Regimenter  nebst  den  dazu  gehörigen  Kameelcn  und  mehreren 
Batterien  für  eigene  Rechnung  anzuschaffen  und  zu  unterhalten, 
wobei  es  ihr  gestattet  sein  solle,  die  dazu  benöthigten  Officiere 
aus  den  Reihen  der  russischen  Armee  zu  entnehmen ,  aus  denen 
ihr  die  Auswahl  freistünde.  Ferner  soll  diese  Compagnie  am 
Ufer  des  Aralsees  eine  Reihe  von  Forts  und  befestigten  Block- 
häusern anlegen,  so  wie  zum  Schutze  der  Schifl'fahrt  auf  dem 
Aralsee  mehrere  Kanonenboote  construiren  dürfen.  Um  dem  Ganzen 
aber,  namentlich  dem  neidisch  herüberblickenden  Europa  gegenüber, 
ein  durchaus  unverdächtiges  Ansehen  zu  gelteji,  solle  die  Ilandesl- 
gesellschaft  vorzugsweise  Arbeiter,  Ingenieure  und  Aerzte  in  ihre 
Dienste  nehmen,  damit  es  den  Anschein  habe,  als  handle  es  sich 
lediglich  um  Anlegung  von  Colonien  luul  Centren  für  Handelsver- 
bindungen. Dieser  Plan  in  manchen  seinen  Einzelheiten  wurde  denn 
auch,  wie  die  Ereignisse  lehren,  in  den  folgenden  vier  Jahren  aus- 
geführt und  die  asiatische  nandelsgesellschaft  durch  den  reichen 
russischen  Grundeigenthümer  Kokerew  gegründet,  der  den  fi-anzö- 
sischen  Emigranten  Tournon  zum  Leiter  des  Unternehmens  wählte, 
unter  dessen  Schutze  es  der  russischen  Regierung  gelang,  die 
überraschendsten  Fortschritte  in  Central-Asien  zn  machen. 

AVenn  wir  auch  die  Authenticität  dieses  Documentes  in  Frage 
gestellt  lassen  wollen,  obwohl  wir  dazu  kaum  geneigt  sind,  so 
A'iel  lässt  sich  jedenfalls  schon  heute  absehen ,  dass  wir  es  hier 
mit  einem  der  tiefst  angelegten  potitischen  Plane  zu  thun  haben, 
die  in  diesem  Jahrlumdcrt  zur  Ausführung  gelangten. 

Aber  nicht  nur  diese  weittragenden  politischen  Combinationen, 
sondern  auch  die  schon  jetzt  im  Lande  ob^valtenden  Verhältnisse 
sind  im  Stande,  Russland  für  die  gebrachten  Opfer  zu  entschädigen, 
ihm  zur  Ausdehmmg  seines  bisherigen  asiatischen  Handels  Turkestiin 
als  unbedingt  erfoi'derlich  erscheinen  zu  lassen.  W^ir  müssen 
hiezu  einen  Blick  auf  die  Handelsverhältnisse  Turan's  selbst   werfen. 

Ackerbau  und  Viehzucht  bilden  die  fast  ausschliesslichen  Er- 
werbszweige der  Bevölkerung.  Der  reichliche  Ueberschuss  der 
gewonnenen  Producte  wird  nach  Russland  und  den  benachbarten 
Chanaten  abgesetzt  und  fällt  den  Händen  anheim,  welche  sich 
nicht  an  der  Landwirthschaft  betheiligen.  Der  Mangel  an  Arbeits- 
kraft und  Capital  erklärt  die  niedrige  Stufe  der  Industrie.  Die 
Bazare    enthalten    wenige    und     dazu    miserable    Erzeugnisse    des 


188  Die  Kivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien. 

cigoncii  GcAvorbfleisses ;  Frauen-  und  Kinderhände  beschäftigen 
sich  mit  der  Reinigung  der  Baumwolle,  dem  Spinnen ,  dem  Auf- 
wickeln 11.   s.   w. 

Die  Sorten  sind  eifrige  Handelsleute,  eine  Waare  geht  in  der 
Regel  durch  mehrere  Iliinde ,  bevor  sie  in  die  des  Consumenten 
gelangt.  Zwischen  der  mongolisch-tatarischen  Nomaden-Bevölkerung 
und  den  ansässigen-  Sarten  findet  ein  für  Letztere  ungemein  lucra- 
tiver  Tauschhandel  statt.  Dieser  innere  Handel  setzt  bedeutende 
Capitalien  in  Bewegung;  leider  ist  es  gegenmärtig  unmöglich,  den 
AVaarenumsatz  Turkestans,  Tschemkends,  Ssairams,  Karnaks,  Chod- 
schänds   und   Taschkends  auch  nur  annäherungsweise  anzugeben.    ) 

In  diesem  Turkestän  nimmt  die  Stadt  Bochära  für  den  Handels- 
verkehr eine  noch  wichtigere  Stellung  ein,  als  Kabul  für  die  Region 
im  Süden  des  Paropauisus ;  es  bildet  den  Knoten-  und  Central- 
p  u  n  k  t  des  innerasiatisch  -  turänischen  Verkehres  ,  von  welchem 
aus  Karawanen,  wie  aus  einem  Brennpunkte,  gleichsam  als  Radien 
nach  Chi]ia,  Indien,  Persien,  Ssibirien  und  Europa  auslaufen. 
So  wird  Bochjira  zu  einem  grossen  Markt-  und  Stapelplatze ,  auf 
welchem  auch  die  AVaaren  europäischer  Gewerbvölker  mit  einander 
in  Wettbewerb  treten,  und  wo  englische  Güter,  die  über  Calcutta 
oder  Curratschi  und  Kabul  kamen,  in  den  Bazaren  neben  russischen, 
deutschen  und  französischen  Erzeugnissen ,  welche  aus  Nischni- 
Nowgorod  eingebracht  wurden,  zum  Verkauf  ausgestellt  sind. 
Von  Bochara  aus  werden  sie  über  einen  grossen  Theil  Inner-Asiens 
verbreitet  und  gegen  Landeserzeugnisse  ausgetauscht.  So  entstand 
eine  natürliche  Zwischenniedcrlagc  für  einen  über  ungemein  weite 
Räume  ausgedebuten  Handel,  der  ganz  und  gar  durch  Karawanen 
Acrmittelt   wird.  -) 

Kaum  von  geringerer  Wichtigkeit  als  Bochära  selbst  ist  die 
Stadt  Taschkend,  das  eigentliche  Handelscentrum  Turkestans,  welche 
mit  Chokand,  Bochära,  Kund  uz,  und  Kaschgar  einerseits,  anderer- 
seits mit  Persicn,  Afghanistan,  Kaschmir  und  Indien  in  lebhaftem 
Verkehre  steht  und  fast  ausschliesslich  lebt  vom  Handel:  1)  mit 
Rus.sland  und  der  Kirghisensteppe  —  dies  ist  sein  Haupthandel; 
2)  durch  den  Transit  aus  Kuldscha  und  Tschugutschak  nach 
Chokand  und  Bochära.  Dieser  letztere  in.sbesonders  findet  eine  be- 
deutende Concurrcnz  in  den  Handelsstädten  des  südlichen  Chokan, 
in  Andidschän,  Uscha  und  INlargilän,  und  besonders  im  Handel 
mit  Kaschgar.  Alle  bedeutenden  Städte  des  südlichen  ("hokan, 
Namangän  ausgenommen,  liegen  an  Einem  grossen  Handelswege 
von  Kaschgar  nach  Bochära  und  überhaupt  nach  dem  westlichen 
Asien.      Mit  Russland  und   dem  nordwestlichen   China    handeln    sie 


1)  Petcrmann's  Geogr.  Mitthcil.  1868.  S.  381  nach  P.  J.  Faschine. 

2)  Carl  Andree-     Geographie  des  Welthandels.    I.  S.  128. 


Die  Rivalität  Russlands  «nd  Englands  in  Asien.  189 

nur  durch  Verniitthing  Taschkends  und  nur  theihveise  Namangäns, 
Avelches,  obgleich  in  gerader  Linie  von  Bochara  nach  Kuldscha 
und  Tschugutschak ,  an  einem  viel  gefährlicheren  und  unzugäng- 
licheren Wege  für  Karawanen  liegt  als  Taschkend.  Dieser  süd- 
liche Theil  Chokan's  setzt  seine  wgenen  Producte,  wie  Baumwolle, 
Seide,  gewebte  Stoße,  getrocknete  Früchte  u.  s.  w.,  hauptsächlich 
und  vorzugsweise  nach  Russland  ab,  und  dies  fast  allein  durch 
Taschkender  Kaufleute,  in  sehr  geringem  Masse  durch  Namangäner. 
Die  Kaufleute  aus  Andidschän,  Margilän  und  Chokand  kommen 
fast  gar  nicht  auf  russisches  Gebiet,  um  so  mehr  gehen  sie  nach 
Kaschgar,  wo  alle  Chokanzen  Andidschaner  genannt  werden,  wie 
bei  den  Russen  in  der  ssibirischen  Steppe  Taschkender.  Für  die 
Bevölkerung  dieser  I^änder  würde  die  Concurrenz  der  Russen  mit 
den  Taschkendern  von  Nutzen  sein,  da  durch  solchen  Mitbewcrb 
die  Preise  der  von  der  Bevölkerung  erzeugten  Producte  jedenfalls 
steigen  müssten.  Von  welch'  grosser  Bedeutung  für  die  Ausdehnung 
des  russischen  Handels  demnach  der  Besitz  Taschkends  ist ,  be- 
darf kaum  einer  weiteren  Darlegung.  Einige  Zahlen  werden  ge- 
nügen. Russlands  Handel  mit  Inner-Asien  war  lange  verhältniss- 
mässig  gering.  Während  des  Jahrzehnts  1857- — -18(31  betrug  der- 
selbe, so  weit  er  über  die  Orenburg'schen  Zollämter  ermittelt 
wurde:  Ausfuhr  etwa  1..500.000,  Einfuhr  2.701.150  Rubel.  In 
Bezug  auf  die  übrigen  Zollämter  dürfte  auf  denselben  die  Einfuhr 
zwei  Drittel  der  obigen  Zahl  nicht  überschreiten.  Seit  1861  ist 
—  wohl  auch  in  Folge  des  nordamerikanischen  Krieges  —  der 
Verkehr  rasch  gewachsen.  Bei  dem  unbedeutenden  Verkehre  mit 
dem  euroi^äischen  Westen  verspricht  die  Erweiterung  des  russischen 
Handelsgebietes  nach  Osten  das  Gleichgewicht  zwischen  dem  Ex- 
port- und  Importhandel  wieder  herzustellen.  So  bedarf  Russland 
gegenwärtig  für  seine  Fabriken  für  20  Millionen  Silberrubel  Baumwolle, 
die  es  haar  bezahlen  muss.  In  den  eroberten  Ländern  und  auch 
im  übrigen  Centralasien  befinden  sich  ungeheure  Baumwollenvor- 
räthe,  nach  welchen  sich  sofort  starke  Nachfrage  einstellte,  deren 
grösserer  Bezug  auch  einen  besseren  Absatz  russischer  Fabrikate 
im  Gefolge  hatte  und  daher  viel  billiger  zu  stehen  kommt.  Im 
Jahre  1863  betrug  die  Ausfuhr  russischer  Waaren  über  die  oren- 
burgische  und  ssibirische  Linie  schon  4.904.925  Rubel,  die  Ein- 
fuhr 9.760.727  Rubel;  im  Jahre  1865  die  Ausfuhr  6.574.170  und 
die  Einfuhr   12.091.149   Rubel. 

Was  den  Transit  von  und  nach  Kaschgar  anbelangt,  so  war 
es  den  Chokanzen  gelungen,  das  Handelsmonopol  mit  Kaschgar  zu 
erlangen,  von  dem  die  Bocharen,  so  wie  Alle,  die  nicht  chokanzi- 
sche  Kanfleute  sind,  ausgeschlossen  bleiben.  Ein  Blick  auf  die 
Karte  zeigt,  dass  bei  der  Richtung  der  Karawanenwege  im  mitt- 
leren   Asien     die    südlichen     Städte     Chokans    in    Beziehung    zum 


190  Die  Rivalität  Russlandg  und  Englands  in  Asien. 

chinesischen  Handel  nur  über  Kaschgar  mit  Taschkcncl  und  Bochära 
vorthcilhaft  concurriren  können ;  aus  diesem  Grunde  ist  Kaschgar 
eine  I>ebeusfrage  für  die  Capitalisten  des  südlichen  Chokan,  viel 
weniger  aber  für  Tascbkend  i).  Doch  auch  diesen  Umstand  ver- 
stand Russland  zu  benützen,  und  sein  mit  dem  Chan  von  Chokan 
abgeschlossener  Handelsvertrag,  wonach  den  russischen  Kaufleuten 
und  deren  Karawanen  ein  freier  und  ungefährdeter  Durchzug  durch 
das  chokanzische  Territorium  nach  den  mit  Chokan  benachbarten 
Besitzungen  gestattet  ist,  ebenso  wie  die  chokanzischen  Kaufleute 
ungehindert  und  sicher  durch  russisches  Gebiet  ziehen  können,  be- 
deutet nichts  Anderes,  als  dass  er  den  Küssen  freien  Verkehr 
nach  Kaschgar  und  Yarkand  eröfl'net,  was  seit  dem  durch  Baron 
Kaulbars  mit  Yakub  Beg,  dem  Atalik  Ghazi  von  Kaschgar  ab- 
geschlossenem Handelsvertrage  in  noch  weit  höherem  INIasse  der 
Fall  ist. 

So  wie  also  die  Verhältnisse  gegenwärtig  schon  liegen,  müssen 
sie  bei  reiferem  Nachdenken  günstig  genug  erscheinen,  um  Russ- 
lands Auftreten  in  Asien  blos  aus  handelspolitischen  Rücksichten 
zu  erklären.  »Sie  würden  jedoch  nicht  ausreichen,  um  Russland 
die  Handels-Hegemonie  in  Asien  zu  sichern,  nach  der  es  strebt 
und  streben  muss;  zu  diesem  Behufe  wird  Russland  Pläne  ver- 
folgen müssen,  die  um  so  weniger  hochfliegend  genannt  zu  werden 
vei'dienen,  als  diese  Macht  schon  unläugbar  gewaltige  Schritte  zu 
deren  Realisirung  gemacht  hat  und  auf  dem  besten  Wege  ist,  das 
einmal   Begonnene  glücklich  zu   vollenden. 

Turkestän  ist  noch  heute  ein  Tummelplatz  für  die  Nomaden, 
welche  den  friedlichen  und  betriebsamen  Einwohnern  der  Städte 
und  den  Ackerbauern  des  platten  Landes  ihr  drückendes  Joch 
aufzwingen.  Din-ch  diei^es  Land  sind  nicht  blos  Eroberer  und 
mongolische  AVeltstürmer  gezogen,  sondern  in  allen  Jahrhunderten 
auch  Karawanen.  Deim  es  ist  eine  Durchgangsregion  zwischen 
dem  mittlem  und  östlichen  Asien  eiiierseits  und  Europa  anderer- 
seits; zwischen  Kaukasus  und  Ural  liegt  das  grosse  Thor,  die 
Eingangspforte  für  Völkerwanderungen,  Krieg.sheere  und  Kara- 
wanen -). 

Dieses  Land  musste  demnach  schon  desshalb  für  Russland 
von  ganz  besonderem  Interesse  sein,  hätte  der  Besitz  Ssibii'iens 
auch  nicht  die  Aufmerksamkeit  auf  den  Werth  des  Nachbarlandes 
gelenkt.  Mit  Ssibirien  aber  miter  Einer  Herrschaft  vereint,  erhält 
Turkestän  für  Russland  (lo])pelten  Werth,  indem  es  Russlands 
Stellung    in   Asien   befestigt   und   für  die   öden  ssibirischen   Tundren 


1)  Globus.  4867.  Xll.  Bd.  S-  1  IG— 117  und  „Zeitschrift  für  nllgenicinc  Erdkunde.« 
Berlin.   1?67.  II.  S.  S5— 87. 

2)  Carl  Andrec.    Gcograiiliio  des  ^^'eltllaudels ;  mit  historischen  Erläuterungen. 
I.  S.  128. 


Die  Rivalität  Ilusslands  und  Englands  in  Asien.  191 

ein  reiches  Hiuterlaiid   abgibt.     Was  Russland  im  Besitze  Ssibiriens 
allein     anstrebte     und     aucli     theihveise     glücklich     erreichte,    das 
wird    es    als    Herr    von     Central- Asien    auf    leichtere     Weise,     in 
reicherem  IMasse  geniessen.      War  trotz  dem,   theihveise   wohl    un- 
gerechtfertigten Verrüfe,   in  welchem  Ssibirien  lange  gestanden  und 
noch  steht,   es  Russland  gelungen,   durch  jene  sonst  w^enig  besuchte 
Region   die  grösste   coutincntale   Handelsstrasse    nach    China    durch 
die  Thore   von   Kiachta   und   ISIaimatschin    tief   aus    und    nach    dem 
Herzen    des    himmlischen  Reiches  zu  leiten,   so  mochte  wohl  jetzt, 
wo   die   täglich  an  Wichtigkeit  gewinnenden  Amurländer  bis  in  die 
Breite     des     Issi-Kul     herabreichen    und    die    russische   Grenze  um 
einige  Tagemärsche  Peking  nähergerückt  haben,  der  kühne  Gedanke 
nicht  ferne  liegen,   das  Reich  der  Mitte  von  Westen  her  zu 
erschli  essen  1)  und  seinerzeit  durch  die  jetzt    noch    nahezu    un- 
bekannten inneren  Gebiete   der  südlichen  Mongolei   eine   neue  Yer- 
kehrstrasse  zu  bahnen,  welche  von  Süden  kommend  zu  den  Ländern 
am    Amur     führen    und    dieselbe    in    directe    Verbindung    mit    den 
Schätzen   Inner-Asiens    setzen  würde.      Die    Vorgänge    der    Neuzeit 
in    China    lassen    diese    Annahme    mehr    denn    wahrscheinlich,    den 
kühnen    Plan    aber    leichter  denn   je,    seine    Ausführung  in  näherer 
Zukunft,     als     vielleicht     erwartet    wird,     practicabel     erscheinen. 
Bekanntlich  waren  es   die  Westmächte  welche  Russland    die    Ver- 
anlassung gegeben  haben   sein   Gebiet  an   den  Ufern   des   Ochotski- 
schen  Meeres  auszudehnen.     Als  nämlich  während  des  Krimkrieges 
russische     Kriegsschiffe     von     dem    überlegenen    französischen    Ge- 
schwader in  den   chinesischen  Gewässern    verfolgt    wurden,    flüch- 
teten sie   sich  in  die  Bucht  welche  die  INIündung  des  Amur-Flusses 
bildet,   und  w^irden  in  dei'selben   von  den  Franzosen  blockirt.     Der 
russische  Admiral  wendete  sich  an  den  Gouverneur    von    Ssibirien 
um  Unterstützung.    Dieser  schickte  ihm  auch  unverzüglich  Truppen, 
welche  den  Mannschaften   der  Kriegsschiffe  Beistand  leisteten.     Es 
wurden  alsbald  Befestigungen    errichtet,    und    als    man    sich    gegen 
feindliche  Unternehmungen  sichergestellt  hatte,   begaimen  die  russi- 
schen   Officiere    den    Lauf    des    Flusses    zu    erforschen;    man    fand 
denselben    schiß'bar    und    nebst    seinen    Nebenflüssen    geeignet    eine 
vortheilhafte    Verkehrsader    zu     bilden.       Auch     die    benachbarten 
Landstrecken  wurden    ausgekundschaftet,   und  die    Resultate    dieser 
Forschungen  waren   so   befriedigend,    dass    sich    der    russische  Ad- 
miral    veranlasst     fand    persönlich     auf    dem    Landwege    nach    St. 
Petersburg  zu  gehen,   um  dem  Kaiser  Bericht  darüber  zu  erstatten. 
Das  Resultat  dieses   Berichtes  w\ir  —   die  Festsetzung  der  Russen 
in    dem    occupirten    Gebiete.       Das    Cabinet    von    Peking    forderte, 


1)  Ein  verwandter    Gedanke   schwebt    auch    Chiishan  von   Sarauw    vor   in    seiner 
Schrift:  „Rusalanda  commercielle  Mission  in  Mittelasien."  Leipzig  1871.  S  . 


192  Dio  Rivnlifät  Uiisslanils  und  Englanda  in  Asinn. 

aber  olmo  Erfolg,  ilio  Deiunlirung  der  Befestigungen  üdlich 
vom  Amur. 

Nun  brachte  das  ostindische  Felleisen  vor  mehr  denn  einem 
Jahre  eine  Nachricht  aus  Hongkong,  die  in  Londons  politischen 
und  commerciellen  Kreisen  einen  bösen  Eindruck  gemacht  hat. 
Man  ist  allannirt  über  einen  neuen  und  allerdings  nicht  unwich- 
tigen Uebergriff  Russlands  an  der  Nordgrenze  von  China.  Gerade 
in  dem  gleichnamigen  Passe  des  bekannten  grossen  Walles,  der 
dort  die  Grenze  Chinas  bildet,  liegt  die  Stadt  Kaigan  oder  Tschang- 
chia-ku,  die  stets  zu  China  gehört  hat,  obwohl  sich  viele  Mon- 
golen und  auch  commercieller  Geschäfte  wegen,  mehrere  Russen, 
etwa  20  bis  30,  daselbst  niedergelassen  haben,  deren  Gegenwart 
schon  wiederholt  zu  Reclamationen  von  Seite  der  chinesischen 
Regierung  Veranlassung  gab.  Nun  ward  aus  Hongkong  vor 
Kurzem  berichtet:  dass  unter  dem  Vorwand  es  könnte  dem  russi- 
schen Residenten  in  Kaigan  irgend  eine  Gefahr  drohen,  eine  Ab- 
theilung russischer  Soldaten  daselbst  eingerückt  ist  und  einen 
Wachtposten  bezogen  hat.  Hiezu  wird  bemerkt:  dass  keine  Wahr- 
scheinlichkeit vorhanden  ist  die  chinesische  Regierung  werde  zu 
irgend  einer  Zvvangsmassregel  ihre  Zuflucht  nehmen,  um  diesen 
russischen   Vorposten  von  dort  zu  entfernen. 

Es  ist  bekannt,  welche  grosse  Wichtigkeit  der  Handel  mit 
China  für  England  hat,  und  mit  welchen  misstrauischen  Blicken 
man  die  Fortschritte  der  Russen  am  südlichen  Ufer  des  Amur 
verfolgt.  Während  die  Engländer  selbst  die  ungeheuerlichste 
Pression  auf  China  ausüben  und  es  in  commercieller  Hinsicht  auf 
eine  beispiellose  Weise  ausbeuten,  erscheint  ihnen  jeder  Fortschritt 
der  Russen  auf  dem  Landweg  als  ein  himmelschreiender  Ueber- 
griff. Und  doch,  wie  gering  sind  diese  Fortschritte  seit  200 
Jahren,  wo  die  Russen  zum  erstenmal  im  Norden  von  China  er- 
schienen, im  Vergleich  mit  dem  was  England  im  Laufe  von  zwei 
Jahrzehnten   erreicht  hat. 

Das  Erscheinen  russischer  Truppen  in  Kaigan  ist  allerdings 
eine  Thaisache  von  wichtiger  politischer  Bedeutung,  besonders 
weil  es  in  dem  Moment  statthat  wo  die  Rebellen  des  westlichen 
China  eine  Deputation  nach  London  entsendeten  um  den  Schutz 
Englands  anzurufen.  Wir  befinden  uns  hier  zwei  wichtigen  Schach- 
zügen gegenüber,  deren  Folgen  nicht  zu  übersehen  sind.  Jeden- 
falls ist  die  Besetzung  Kaigans  durch  die  Russen  ein  Beweis  dass 
man  in  St.  Petersburg  ein  scharfes  Augenmerk  auf  das  Vorgehen 
Englands  hat  und  entschlossen  ist  nicht  zurückzubleiben.  Und 
wenn  die  chinesische  Regierung  keine  ernsten  Scliritte  unternimmt 
um  diesem  Vordringen  Kusslands  Einhalt  zu  thun,  so  dürfte  sie 
wohl  auch  ihre  guten  Gründe  dazu  haben.  England  hat  Yünnan 
im  Auge,  Russland  das  Flussgebiet  des   Amur.     Dass  der  russische 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  193 

Posten  in  Kaigan  kein  verlorener  Posten  ist,  sondern  dass  hinter 
demselben  eine  ausgiebige  Unterstützung  steht,  unterliegt  keinem 
Zweifel,  wie  auch  dass  Russland  den  Pass  im  grossen  Walle  nicht 
mehr  räumen   wird. 

Was  die  Stellung  der  ^liiclite,  besonders  Englands  und  Russ- 
lands, in  China  anbelangt,  so  liegt  uns  ein  interessantes  Expose 
vor,  dem  wir  folgende  sehr  beachtenswerthe  Stellen  entnehmen : 
,.Eine  sehr  angesehene  und  conipetente  commercielle  Notabilität  in 
Schanghai  hat  sich  über  diesen  Punkt  also  ausgesprochen:  ....Wenn 
Grossbritannien  bereit  ist  sich  von  seiner  Stellung  in  Ostasien  als 
Pionier  des  Fortschritts  zurückzuziehen,  so  sind  zwei  Nationen, 
eine  junge  Republik  (Nordamerika)  und  ein  neues  Kaiserthum 
(Russland)  —  die  beide  nach  Einfluss  in  China  streben  —  un- 
zweifelhaft bereit  den  Platz  Englands  einzunehmen.""  Wir  sind 
mit  diesem  Ausspruch  keineswegs  einverstanden,  weil  weder  Russ- 
land noch  Amerika  nach  Einfluss  auf  China  streben,  d.  h.  zu  den 
Zwecken  die  wir  (England)  verfolgen.  Russland  besitzt  bereits 
den  ganzen  Einfluss  dessen  es  je  bedürfen  kann,  und  sein  ganzes 
Ziel  ist:  ihn  so  zu  bewahren  wie  er  jetzt  ist.  Ein  Kopfnicken 
des  russischen  Ministers  in  Peking  ist  mächtiger  als  eine  bewaffnete 
Demonstration  von  Seite  irgend  einer  europäischen  Macht."  Ein 
solches  Geständniss  von  englischer  Seite  ist  sehr  interessant,  und 
beweist  wie  umsichtig  Russland  in  seiner  asiatischen  Politik  vor- 
geht. ,.Es  habe  bereits,"  wie  es  an  einer  anderen  Stelle  des 
erwähnten  Expose  heisst,  „einen  Fuss  auf  dem  Nacken  des 
Drachen." 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Karte,  und  die  schwierige 
Lage  der  Engländer  in  Asien  tritt  uns  mit  allen  ihren  Gefahren 
entgegen.  In  Turkestan  der  russische  Fortschritt,  der  langsam 
nach  dem  Himälaya  zu  minirt,  und  zwar  unter  Umständen  welche 
sich  für  die  bekannten  indischen  luvasionspläne  des  grossen  Peter  und 
Napoleons  I.  vom  Kas])ischen  Meere  her  von  Tag  zu  Tag  günstiger 
gestalten.  An  der  indischen  Westgrenze  Persien,  gänzlich  unter 
der  gewaltigen  Pression  seines  gefährlichen  Alliirten  von  Norden, 
der  dem  Iran  zwischen  dem  Kaspischen  vmd  dem  Aralsee  immer 
drohender  zu  Leibe  rückt.  Im  0.~ten  das  feindliche  Birmanenreich, 
welchem  einst  England  die  beiden  Seeprovinzen  von  Arakan  und 
Pegu  mit  gewohnter  Raubgier  entrissen  hat,  und  hinter  dem 
König  von  Birma  der  chinesische  Coloss,  welcher  sich  zu  Binna 
genau  so  verhält  wie  Russland  zu  Persien,  und  mit  welchem  die 
russische  Politik,  während  sie  ihm  die  nördlichen  Grenzländer 
hinweg  escamotirt  hat,  so  schlau  umzugehen  verstand.  Ueber  das 
Gefährliche  dieser  von  der  Wucht  zweier  Weltreiche  bedrohten 
Lage  wusste  nmn  sich  in  England  bis  vor  wenigen  Jahren  isclir 
leichtsinnig  hinwegzusetzen,   bis  der  Aufstand  der  Kukas  den  ersten 

24 


J;Q^  Die  Rivalität  Russlaada  und  England*  in  Asiens 

Anstöss  zu  Beftirchtungpii  gab.-  Seit  .dieser  Zeit  igt; den  ,]ßri^n.  if 
Indien  die  Art  des  Vorgehens  der  Russen  im  Turkestiin  A'erdäcUtiger 
als  je.  Sie  merken  nümlicli  dass  ihre  Rivalen  sich  nicht  mehr 
als  wilde  Eroberer  und  Zerstörer  gebärden,  sondern  dass  sie  \vie 
wirldiche  Pioniere  der  Cultur  alles  mögliche  tlnm  um  Baunjwoll- 
und  Seidenproduction,  Wein-  und  Tabakbau, .  Industrip  ,  und  Ve^r-f 
kehr  in  den  annectirten  asiatischen  Ländern  zu  fördern ,  und  die 
connnerciellen  Beziehungen  derselben  mit  dem  grossen  russischen 
Körper  zu  entwickeln.  So  wie  die  Dinge  gegenwärtig  liegen, 
kann  sich  dieser  Einsicht  kein  nüchtern  Denkender  mehr  vor-» 
schliessen,  und  wir  dürfen  es  daher  gestrost  in  das  Gebiet  leerer 
Rodomontaden  verweisen,  wenn  wir  vor  nicht  allzu  langer  Zeit 
in  einem  Leitartikel  eines  Wiener  Blattes  nachstehenden  Erguss 
lesen  konnten:  „Der  wunde  Punkt  Grossbritanniens  in  Asien  ist; 
der  wunde  Punkt  der  gesammten  europäischen  Culturwelt  in .  den^ 
grössten  der  ErdtheUe.  England  vertritt  am  bengalischen  Gojf,  afl 
der  Strasse  von  Malakka,  in  den  chinesischen  Gewässern  mehr  al^ 
sein  Interesse,  es  vertritt  Europa  und  seine  Gesittung.  Eine 
Niederlage,  eine  Deniüthigung  Grossbritanniens  an  jenen  fernen 
Gestaden  ist  eine  Niederlage  und  Deniüthigung  für  Europa,  ist 
gleichbedeutend  mit  der  Emancipation  jener  Länder  yoii.  der  kaum 
errungenen,  schwer  behaupteten  europäischen  Beeinflussung,  ist 
gleichbedeutend  mit  einer  Preisgebung  Asiens  an  Russland,  welches 
mit  den  Schätzen  Indiens  die  kampfeswilden  Schaaren  der  Mon-- 
golei  und  Tatarei ,  die  berittenen  Nomaden  von  Irak  ausrüsten 
wird,  um  mit  ihnen,  den  Nachkommen  der  Horden  Tamerlansj 
Europa  dem  weissen  Czaren  unterthan  zu  machen.  Eine  alles  ver- 
schlingende Völkerfluth  könnte  culturvernichtend  Europa  über-*- 
schwemmen.  An  die  Stelle  des  Asien  sittigenden  Europa  würde 
das  Europa  bezwingende  Asien  treten.  So  bedeutet  die  britische 
Herrschaft  in  Indien  die  AVeltherrschaft  der  europäischen  Cultur, 
und  alles  was  jene  bedroht,  hat  die.  ernste,  furchtbar  ernste.  Be* 
deutung  eines  Infragestellens  dieser."  ,i    ..; 

In  eine  ganz  ähnliche  Ueberschätzung  der  britischen  Stellung 
verfällt  unserer  Ansicht  nach  Herr  H.  Vämbery,  wenn  er  sich  in 
der  allerjüngsten  Zeit  vernehmen  lässt  wie  folgt:  „Auch  ich  habe 
stets  dem  "Wirken  eines  Weniukow,  Ssäwersow,  Osten-Sacken, 
Abl'amow  und  FedseheidvO  die  vollste  Anerkennung  gezollt,  doch 
habe  ich  nie  geglaubt,  dass  der  Nutzen  welcher  von  dem  un^ 
einige  Jahre  früher  erfolgten  Bestinmien  irgend  eines  geographi- 
schen Längen-  oder  Breitengrades  entspringt,  jene  Gefahr  werth 
sei,  die  für  Europa  erwachsen  konnte  durch  dic.all^u  grosse  Uebe;"-n 
macht  des  noch  halbcivilisirten  Russlands,  besonders  aber  wenn 
wir  in  Erwägung  ziehen,  dass  dies  auf  Kosten  eines  solchen 
Staates  geschähe;  wie  Grossbiitannien,;   dem    die    Cultui'  .so    grosse 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  195 

•und  wesentliche  Dienste  schtildet,  das  als  Sitz  der  edlen  Freiheit 
bekannt  ist  und  durch  dessen  Banner,  seine  Feinde  und  Neider 
mögen  dasselbe  noch  so  sehr  anschwärzen,  das  unverfälschte  Licht 
unserer  abendländischen  Welt  mit  grossen  Kosten'  und  Begeisterung 
in  die  enferntesten  Zoften  getragen  wird."  ')  ' 

Es  kann  keine  Streitfrage  sein:  wer  von  den  beiden,  Eng- 
land oder  Russland,  das  grössere  Culturvolk  sei.  Eben  so  sicher 
ist  aber  dass  die  hochcivilisii-ten  Briten  es  nur  schlecht  verstehen 
ihre  asiatischen  I^nterthanon  zu  ihrer  Culturstufe  hinan  zti  ziehen, 
^während  die  Russen  mit  ihrem  weit,  geringeren  CulturstofPe  viel 
grössere  Erfolge  bei  den  asiatischen  Yölkerstämmen  erzielen ,  die 
sie  sich  in  Trierkwürdiger  ^-N^ise  zu  assimiliren  wissen.  Sie  können 
sie  natürlich  nur  auf  jene  Stufe  erheben  welche  sie  selbst  be-^ 
sitzen,  das  geringe  aber  was  sie  ihnen  thatsächlich  mittheilen  ist 
noch  immer  mehr  als  das  grosse  was  die  Engländer  nicht  an  den 
Mahn  zu  bringen  verstehen.'  Unter  der  russischen  Aegidc  sind  die 
Cülturfortschritte  der  Asiaten  zwar  gering  iirid  langsam,  aber  stetig, 
und  ihrev  natürlichen  Begabung  und  Racenanlagc  angepasst ;  der 
britisclien  Civilisatiou  stehen  sie  fremd  gegenüber  und  hegreifen  sie 
schfcchterdiiigs  gar  nicht. 

Alles  dieses  merken  jetzt  die  so  lange  sorglosen  Politikre 
Altenglands'j'siö  spüren  endlieh  den  russischen  Einfluss  ■  in  drie 
feindlichen  Haltung  China's  und  seines  von  gleichem  Hass  ge^en 
die  anglo-iudische  Präponderanz  in  Asien  beseelten  Vorpostens, 
Birma.  Gegen  dessen  Einfluss  war  die  Luschai-Expedition  zu 
Beginn  1872  gerichtet,  als  deren  Hauptzweck  zur  Paralysirung 
dieses  Einflusses  die  Aufsuchung  neuer  Handelswege  zwischen  dem 
Bn'ma-Reich  und  dem  von  den  inuselmännischen  Rebellen  vom 
Ghineserireich  losgerissenen  selbständigen  Lande  von  Yünnan  er- 
scheint. Diese  Landstriche,  welche  dem  Handel  sehr  zugängliche 
Völkerschaften  bewohnen,  wurden  zuerst  von  Cooper  erforscht, 
welcher  dlö-'vöiii  Major  Släden  geführte  britische  Expediton  nach 
dtn  südKchön*  Pi'Ovinzen  des  Himmlischen  Reiches  im  Jahre  1869 
begleitete.  Der  Sultan  von  Birma  miisste  damals  glauben  es 
handle  sich  um  nichts  weniger  als  eine  beabsichtigte  Annexion 
seines  Reiches  durch  die  Briten,  wesfshalb  er  im  Einverständ- 
niäs'  mit-' dem  Pekinger  Hofe'  die  kriegerischen  Bergvölker  an 
s6men  Westgrenzen  gegen  den  gemeinsamen  Feind  aufreizte'. 
Die  Ueberzeugung  davon  hat  '  die  anglo-indische  Regierung  im 
Töi'igen  Herbste  gewonnen,  indem  ein  Brief  des  birmanischen 
Sultans  aufgefangen  wurde,  welcher  die  Lieferung  von  60.000 
Gewehren  ätl  die  Lüsclüais-  Von  Seiten  der  chinesischen  Regierung 
verrietli.  ■  ■ ''^  ■  '  ' '  ' '  ■"• '   '    '    •''    ■■'  '- 

v'  '^■"''    ^i)  „Allg^.  Ztg.«  1873  Nr.  ^6.  ''''■-'^    auoXJ      .aw,<U-i).i'yj    iii    hjin\>.i,<il  (.1. 


196  Die  Kivalität  Ruaslanils  und  Englands  in  Asien. 

Per  Bericht  Coopers  über  die Yünnan-Proviuz  war  iiizwisthcn 
im  August  crrtcliiencn,  und  kurze  Zeit  darauf  begann  die  Aus- 
rüstung der  Expedition  gegen  die  Ostgrenze. 

Diese  AggressivpolitikEnglands  in  Asien  ist  offenbar  ein  Paroli 
dem  mächtig  andrängenden  Rivalen  um  die  Herrschaft  in  Asien. 
Was  man  jedoch  auch  sagen  mag,  die  Chancen  stehen  für  England 
nicht  allzu  günstig;  es  hat  sich  an  Annexions-Geschicklichkeit  von 
den  Russen  überflügeln  lassen  und  durch  sein  Vorgehen  allen 
seinen  ostindischen  Nachbarn  gegenüber  in  eine  schwierige  Lage 
gebracht.  Vom  jNIutterlande  fern,  von  Feinden  umlauert  und  einem 
mächtigen  Rivalen  bedroht,  hat  England  wahrlich  keinen  Grund 
die  Gefahren  welche  sein  indisches  Reich  bedrohen  zu  unterschätzen. 
Russland  drückt  mit  der  ganzen  ^Vucht  seiner  Schwere  unmittel- 
bar auf  die  mittelasiatischen  Länder,  besitzt  ungleich  mehr  Klug- 
heit, Geschmeidigkeit  und  innerlich  Verwandtes,  um  die  asiatischen 
Völker  kirre  zu  machen,  und  hat  endlich  europäisch  geschulte 
asiatische  Truppen,  die  ungleich  verwendbarer  und  hauptsächlich 
zuverlässiger  sind  als  die  ewig  rebellionslustigen,  unkriegerischen 
Sipahis. 

So  dürften  denn  die  Russen,  stetig  und  langsam  zur  Ver- 
wirklichung von  Peters  Herrschaftstraum  in  Asien  vorausschreitend, 
am  Tage  der  Entscheidung  mehr  Chancen  für  sich  haben  als  ihre 
Nebenbuhler,  so  glücklich  diese  letzteren  auch  bis  dahin  in  allen 
kleineren  Expeditionen  gewesen  sein  mögen. 

Die  ungeheure  Bewegung ,  w'elche  durch  die  ganze  ost- 
asiatische Welt  zieht,  nicht  weniger  als  400  Millionen 
^lenschcn  berührend,  ist  ein  wahres  Völkerbeben,  wodurch 
Altes  und  Uebcrkommenes  aus  den  Angeln  gehoben  wird.  Seit 
den  letzten  zwanzig  Jahren  ist  in  China  Alles  aus  Rand  und  Band 
gerathen ,  selbst  Tibet  wurde  unruhig  und  versucht  sich  dem 
chinesischen  Scepter  zu  entziehen.  Die  alte  chinesische  Politik, 
W'elche  nebst  den  Seehäfen  auch  die  Landesgrenzen  versperrte,  ist 
in  Abgang  gekommen;  Russland  hat  klug  die  Verlegenheit  seines 
Nachbars  benutzt,  um  ausser  dem  Amur  die  ^landschurei  bis  nach 
Korea  zu  erwerben,  die  Khalkas-Mongolen  unter  seine  Schutz- 
herrlichkeit zu  bringen  und  sich  den  Handel  bis  tief  nach  Iimer- 
Asien,  hinein  zu  eröffnen.  Von  der  Mandschurei  und  den  nörd- 
lichen Gelneten  drückt  es  auf  China,  i-egulirt  den  Einfluss  der 
westeuropäischen  Seestaaten  und  vermag  ihrer  politischen  Macht- 
entfaltung iin  Reiche  der  ]\Iitte,  dem  „Indien  der  Zukunft",  die- 
sem ungeheuren,  von  mehr  als  300  Millionen  Producenfen  und 
Consumenten  bcwohnien  Marktgebiete,  gewisse  Schranken  ent- 
gegenzustellen. ^)      Fügen  wir    hinzu,    dass   0.st-Turke.stän,    nur    in 


1)  Russland   in   Centralasicn.     („Neue    Freie    Presse"    vom    5.   September   1867.) 


Die  Rivalität  Russlands  und  Englands  in  Asien.  197 

losem  Zusammenhange  mit  dem  eigentlichen  China,  gleichfalls  sein 
Joch  abgeschüttelt  hat ,  so  sehen  wir  das  tausendjährige  Reich 
mit  der  Corruption  und  Versumpfung  seines  Regierungssystems 
vor  einer  Alternative  stehen,  welche  in  jedem  Falle  den  Weg  zu 
dem  oben  entwickelten  Plane  ebnen  muss;  denn  entweder  erübrigt 
dem  jungen  Herrscher,  welchem  jetzt  die  Geschicke  der  ost-asia- 
tischen  "Völker  anvertraut  sind,  Nichts,  als,  erfasst  von  dem  ge- 
waltigen Ideensturm  unserer  schienenumgürteten  Zeit,  den  Weg 
der  Reformen  zu  betreten  und  sein  unermessliches,  für  den  Welt- 
handel so  hochwichtiges  Reich  dem  ^'ölkerverkchre  zu  eröffnen, 
der  europäischen  Civilisation  anheim  zu  geben  —  wie  dies  allen 
Anschein  für  sich  hat  —  oder  aber  die  Grundfesten  China's 
wanken,  die  einzelnen  Provinzen  lösen  sich  ab,  das  Reich  zer- 
bröckelt, fällt  stückweise  dem  weissen  Czaren  zu,  und  Russland, 
das  schon  jetzt  mit  seinem  Riesenarme  den  Norden  des  chinesischen 
Gebietes  umspannt ,  tritt  dann  die  Erbschaft  der  Pekinger  Macht- 
haber an.  In  beiden  Fällen  rückt  es  seinem  angedeuteten  Ziele 
mit  gigantischen  Schritten  näher.  Man  begreift  nunmehr,  von 
welch'  hohem  Interesse  ihm  der  Besitz  Turkestäns  sein  muss,  des 
Bindegliedes  zwischen  der  innerasiatischen  und  der  europäischen 
Welt,  ein  Besitz,  der  nebst  vielem  anderen  ihm  den  Vortheil  ge- 
währt ,  im  richtigen  INIomento  auf  dem  Kampfplatze  auftreten  zu 
können. 

Die  Stellung  Russlands  zu  China  bedingt  sodann  eine  Ein- 
flussnahme,  die  gross  genug  bleibt,  um  ihm  den  Löwenantheil  an 
der  Ausbeutung  jenes  Marktes  zu  sichern  und  ihm  die  Wege  an 
die  Südsee  offen  zu  halten,  die  Jahrhui.derte  hindurch  gleichsam 
todtgelegen,  erst  seit  einem  Menschei; alter  zum  Leben  erwacht  ist, 
und  deren  Bedeutung  sich  zusehends  so  gewaltig  steigert.  Im 
Amur  hat  Russland  schon  eine  „pacifischc  Ein-  und  Ausgangs- 
pforte" gewonnen,  durch  welche  jetzt  schon  überreiches  Leben 
ein-  und  ausströmt,  während  gleichzeitig  der  Bau  einer  Weltbahn 
von  Moskau  über  den  goldreichen  Ural  nach  der  Mündung  des 
weiland  mandschurischen  Stromes  projectirt  ist.  Schon  jetzt  figurirt 
Russland  überdies  mit  jährlichen  1 '  ü  Millionen  Francs  vmter  den 
importirenden  flächten,  als  die  erste  nach  der  nordamerikanischen 
Republik  auf  dem    noch    sehr    beschränkten  Markte    im  Inselreicho 


Siebe  hierüber  aucli  folgende  lesenswerthe  Artikel:  ,,Die  ostnsiatischc  Expedition  und 
der  Handel  mit  China."  („Österreichischer  Ökonomist"  1869.  Nr.  9.)  „China  und  das  euro- 
päische Consularwesen-  („Österreichischer  Ökonomist"  1869.  Nr.  12.)  „Die  österrcichi.'iche 
SchifTfahrt  und  der  Handel  mit  Ostnsicn."  („Österreichischer  Ökonomist"  1869  Nr.  14), 
die,  von  höchst  kundiger  Hand  verfaast,  zwar  an  die  österreichische  Expedition  nach 
Ostasien  anknüpfen,  aber  negativ  den  Beweis  liefern,  dass  noch  für  sehr  lange  Zeit 
Russland  die  einzige  Macht  sei,  welche  in  jenen  Gebieten  den  Engländern  und  Amerikanern 
mit  Erfolg  concurriren  könne. 


198  Die  Öivftlität' Rtisislantlf»  iind  England^  frt  Aslcri. 

dos  Sonnenaufganges,  d'em  hochentwickelten  Japan. ^)  iBedehkCn 
wir  noch,  daBS  der  pacifische  Orient  einen  grossen  Tlioil  des  in 
der  Welt  cursirenden  Silbers  an  sich  zieht  Uhd  Von  demselben  htir 
üTisserfet  wenig  zurückgibt,  wodurch' er  eingreifend  auf  unsere 
europäischen  Valutaverhältnisse  wirkt  ^),  so  lässt  sich  ' ermessen, 
welch'  immenses  Feld  der  Tliätigkeit  nach  jeder  Richtung  einem 
Staate  offen  litgt,  dessen  äusserste  Grenzen  ntir  w'cnige  Tagereisen 
Toil'  den  ost^siatischen  Vorkehrscentren  entfernt  sind.  Erwägen 
wir 'hoch',  dafes  di«  grosse  Gontinentalbahn  vollendet  ist,'  welche 
die  Newenglandstaat^t  Trtit  dem  'metallreichen  Californien  verbindet, 
dass  1860)  eine  direete  Dampferlinio  zwischeti  San  Francisco  und 
Ilakodadi  in  Japan  eingerichtet  wurde,  so  ei'übrigt  Eussland^  die 
Uebcrlandsroute  durch  den'  asiatischen  Welttheil  zil  eröffnen,  um 
eine  gewaltige  ^■e^kehrsstrasse  herzustellen,;  wölche  in  nahezu  ge- 
rader Kichtung  unswen  ganzen  Planeten  umkreist  und  im  beträcht>^ 
liehen  ■  Theile  von  Kussland  beherrscht  wikflo.  Ein  solches  Ziel 
ist  wohl  werth ,  dass  man  darnach  strebe,  und  Kussland  weiss 
zu  gut,  -dass  gerade  in  jenen  Ländern  des  fernen  Ostens,  an  jenen 
(restaden  der' Handel ,  also  das  immer  mehr  dominirehde  Element 
materiellon  A^'^ohlsöins  nhd  Kraftbesitzes  der  ganiien  civilisirten 
Welt,  einer  mächtigen  Entfaltung  entgegenschreitet.  Nur  wie 
durch  schwanke  MorgPiidämmerung  schauen  wir  in  das  Land  der 
kommenden  Geschlechter.  Fest  aber  steht  und  klar  das  Eine,  dass 
die  iSiidsee  das  Ricsenblaüt  i8t>,^  'auf  dem  die  Geschichte  der  Zu- 
kunft'iverzeielm^t  w^erdeä  wird.  ■'1""W  y.iiro:!^  -o-o-xr],  oib  jOrnffnasann 
iii.  Von  diesen  Gedanken  erscheint  'die "russische  Kegierüng-'^ 
ivTollkommen  durchdrungen,  dass  sie  in  aller  Stille  sich  eben  auf 
diesOih'  Gebiete  einen  diplomatischen  Erfolg  seltenster  Art  sicherte'. 
ii  Auffallend  ^var  schon  im  vorigen  Jahre  der  Abschluss  dei* 
Freundschafts*'  und  HaAdelstra<otate  >  zwischen  'Japan  'urid^  G)hM4, 
Diesdi"  diplomatische  Act  wurde  gleich  Anfangs  von  "'der  äh^lo'-r 
ijidiSdhoW  Presse  mit  lebliaftem  Misstrauen  atifgenommen ,  aber  die 
optimistisch  eh  englischen  Di]i]nmaten  in  Ostasien  suchten  die  öffent- 
liche Meinung  durch  die  A'ersichenmg  zu  beruhigen:  dass  es  sich 
dabei,  nur  um  einen  harmlcfsen  Handelsvertrag  handle.  Dass  solche 
Verträge 'aber  auch  politisch  wichtigere  Stipulationen  bergen  können, 
b<?weist  rdbeni  dei'''ZN^ischen  Russland  und  Japati'  abgeschlossene 
Handelsvertrag,  der  ganz  den  Character  eines  Sclmtz-  und  Trutz- 
Ründnisses  an  sich  trägt.  Wenn  es  schon  binarst  auffallen  musste, 
dass  siQn  j^ijB  ,J^piaiapr',  jso  ge,c],vij,djg  iind  ahne,  Ein  wen  düngen  die 
3,llTO{Uiehe  .jjb^a^tsetaung.der ■TRiisaeni  auf.  der-.  Jnsel  Sachaliin.  gefallen 

.(JI  i'''.  "i.'tHI  •'I.T.mOdMjtÖ  Tii(-)y(!(-j'-iTT!«(l,,)  •'.ü'.fS'KiiO  J'r.ir  ('jI. -11111  imi  lr.r.<  li:l^riii(  i -j 
il.-wm    iin!Mii.)z;r     'ut-i-i.f-HT:!  .t-ii     .il-     im     -■■'.-;     ,  >.^^;;>t.-.-     (■•iK    t.-^'I-iiii/,!    t'iil'iö't    ito-/    ,0'h 

JtoS  s^.ü?))  A'todr«'«.  f'-G'eDgr»phie  do«  W^elthftiiflels/' I.  Sir.4«0  in 'ff.  ."■»'t'liJftjJiiß  »-»(MJaO 
m3fisin3>iHd'ritnai»ri"i»w'c{h.0'?j  "Bio  BMmitwng-  dbr'  SOdsW-  !f*t*'^»«'WM«#W"Oti««^ 
Entwicklung.     („Internationale  Revue-«    I.  S.  852—865.)       ""'"f  l'■,t:^^l!■Jl^.v■.>  yf<j';iH  Ji.n 


Jj^.gsen,'  uiifi  "vyälirend-  irregeführte  Berichterstatter ;  ;sogar  ;voji 
j^pcujischeii  Beschwqi-den  gegen  jtlj.es^., russische«  Uebergriffe .jnelrT 
dctcu ,.  ward  ; die ,  Welt  plötzlich^^xoiif  der . jS'achrieJjt  des  . irußsi^ch-}- 
japanischen  Freundschafts-  und  Handelsvertrags;  i,ib^iTasisht,  ^Telehci" 
Ruasland  das  Kecht  gibt,  falls  von  irgend  eiiifim  dritten ,  Staate 
irgend  ein  Act  der  Ungerechtigkeit ,  oder  jMissachtijng.  gegen  Japaft 
begangen  würde, .  seilte  .„guten  I)ieii^te  .h,ltQji.,.e.nt^i\deur ■  salat), 
z\i.j\  Ausgleichung,  d.es  J^ßrvvürfnisjs^^  iUÄci.jd9JF;,;5^yedep,-herstelLu#ig 
des  Friedens  h\  Bewegung  zu  setzen."  Durch  diese  höclist  ^^'ich■- 
tige  Stijiulation  wird  Russland,  dass  .volle  Recht  ciiigeräuii^t  ßi^h 
iu,  '  alle  Be?:iehuugen  Japans  ,  ^u  den  Westmächten  :  ehiziimischeij, 
und  dieses,  gegen  jede  duiice.  ßfiß^.  i  '^'M'i^  -. V^Qt-PW^t} .  A^'vi  iiv^l^.  TW  .dej> 
BeherrscherjU;  ,  des  .  indisclieii  .\i||d ; ;  ch^nßs;^s,cl]ü^n j ^  ■JVJ.fjeireft -  ^ugesdacht 
w,äre,  zu  schützen.  Die  Tragweite  dieser  Stipulation  ist  unb^n- 
i-echenbar.  An  diese  schlicsst  sich  ganz  natürlicli  auch  die, weitere 
Bestimmung  an ,  kraft  welcher  im  Fall  eines ,  Krieges  zwischen 
qijiem  der  c.ontraliirenden, ,  ThßdC;  und  ;  einer, , ,  dritten  ,  ^Mapht  der 
andere  Theil  verpflichtet  i^t. ,  seiuf; ;  Isafen  ajH^i^rSchjüeu, i .d^,e^pr .  M^^Qh^ 
sofort  zu ,  verschlicssen.  Es  ist  seit  Mcnsdiengedenken,  der:  )e;ps)t,^ 
Fall^  dass  ein  einfacher  Handelsvertrag—  denn  als  eiaien.  s^lcheil 
wollen  ihn  die  russischen  ofhciellen  und  pfficiüseu  Zeitungen  hin-r 
stellen  —  s,olchc  Stipulationen  aufgcnonnnpn,  hat.  ,,Jed-er  Neutrali.-f 
tätsbegrifl' .  ist  ,yoii,  ,,d£^uiselben  ausgeschiosÄeui,:.,uo(J,  zui?,!  Off^iisivr 
und  DefenßivalUauz  f^hjt  u\iy  noch.  .77-; .  d«r  Name, .  Das  ..Vorgehen 
der  Engländer  und  des  ,  von  ,  ihnen  -,  im  Schlepptau  nacligezo-geneii 
Frankreichs  in  Japan  und  China  hat  es  d?ihin  .gebracht,  dass  ^.uch 
Japan  sich  jetzt  gänzlich,  unter  den  Schutz  Russlauds  gestellt  hat, 
und,  diess  geschipht  so  zu  sß,gßn  ajii  Vpi;^,bqn.de  dga,  ,Erlös<jrhen!^ 
iifid  der  Revision  ,  der  zvv^SQhe^  .;  jenen, ;;^vf<ei;,iRjeiphQp.!iP(a4:idß4i 
■Westmächten  abgeschlosseneu  Vertrage.  !.'■,;;,  ti--,'!;  »./.s'  '.\::\\  :'«>-i<>// 
;,.,,,  Als  zum  Schrecken  der  europäischen;  Diplomaten  der  Inhalt 
des  sorghch  geheim  gehaltenen  \'ertrages  endlich  bekannt  wiv-rd, 
hatte  der  Mikado  keine  Ruhe  mehr;  und  .niusste  iden^, Dlräugen  d^F 
Diplornaten  nachgeben  und  einen,  Bev;Ollmäc,htigten  .nach  Chh>3' 
seuden  mit  dem  Auftrage,  die  Revision  des  iTi'actates  ziuvertangen 
und  die  beti-eficiiden  Stipulationen  aus  den\selb^A  auszumei'zen. 
Man  hatte  indessen  sofort  Ursache  zu  glauben,  dass  :  der  Mikado 
nur  pro  forma,  um  Zeit  zu  ge>vinneji ;  und  ,  ßich  Ruhe  ,zu<  jVßrr 
schaffen  ^  einen  Gesandten  nach  China  •geschickt  ;  h?ihe ,  ,.gi^.  dqr 
festen  Ueberzeugung :  die  chinesische  Regieruiig  werde  in  ..die  Re^ 
Vision  des  Vertrages  nicht  einwilligen,  \yas  .auch  in  der  That  -ein- 
getrpfl'en  ist.  Man  weiss,  dass  die,  chincsiscbeRcgieruijg.  jetzt 
von  europäischen,  Agenten  jeder  Art,  , die,, sich  ,Qfl:'eniooder  insgeheim 
ihrem  Dienste  gewidmet  haben  und m 'sehr  .i'eichlich  dafür  belohnt 
werden,   sehr  gut  bedient; ist ,,,.4^1^  e^i.unfßri  denselben    ftuch!  nüli- 


1 


200  Die  Rivalität  Uusslftiids  und  Englands  in   Asien. 

litärische  Fachmänner  gibt,  dass  die  Zeiten  vorüber  sind  wo 
die  euroj)üischen  Expeditionen  nur  gegen  iingeschulte,  mit  Bogen, 
Pfeilen  und  Luntenbüchsen  bewafinete  Horden  zu  kämpfen  hatten. 
Obwohl  sich  der  russische  Vertreter  den  Schritten  seiner  Collegen 
in  Yeddo  angeschlossen  hat,  so  traut  man  der  russischen  Politik 
in  Ostasien  doch  nicht  im  mindesten,  besonders  seit  dem  Abschlüsse 
deses  russisch-japanischen  Vertrages  ,  der  beinahe  gleichzeitig  mit 
dem  japanisch -chinesischen  abgeschlossen  wurde  und  noch  be- 
denklichere Stipulationen  enthält.  Auflällen  muss  es,  dass  Russ- 
land sowohl  im  nördlichen  China  als  auch  im  nördhchen  Japan 
sich  mitten  im  Frieden  bedeutende  Uebergriffe  erlaubt  und  die  be- 
treffendeij  Regierungen  zwar  scheinbar  einigen  Lärm  darüber  schlagen 
—  aber  auch  nicht  einen  ernstlichen  Schritt  thun,  um  jenem  so- 
genannten Uebergreifen  Einhalt  zu  gebieten;  während  man  sich 
doch  recht  gut  zu  erinnern  weiss,  dass  in  früheren  Zeiten  chinesische 
Truppen  schnell  bei  der  Hand  waren  um  die  russischen  Batterien 
am  Amur  zu  zerstören.  Die  russischen  Kriegsschifle  haben  sich 
nie  am  Kampfe  der  westmächtlichen  gegen  die  Chinesen  betheiligt, 
obwohl  sie  demselben  beiwohnten.  Nach  dem  Gemetzel  von  Tien- 
tsin  haben  zwar  die  Russen,  unter  dem  Vorwande  eine  Genugthuungs- 
Gewährschaft  für  die  Ermordung  von  ein  paar  russischen  Ange- 
hörigen in  Händen  zu  haben,  die  Stadt  Urga,  zehn  Steilen  südlich 
von  Kiachta ,  militärisch  besetzt;  sie  haben  vor  Kurzem  wieder, 
luiter  einem  plausibeln  Vorwand ,  wie  wir  oben  gemeldet,  die 
chinesische  Stadt  Kaigan  mit  Soldaten  belegt  —  allein  die  chine- 
sischen Behörden,  die  Tag  und  Nacht  an  den  Befestigungen  bei 
Tientsin ,  Schanghai  u.  s.  f.,  d.  h.  auf  der  Operationsbasis  gegen 
die  Westmächte,  arbeiten  lassen,  legen  gegenüber  diesen  russischen 
Uebergrifl'en  eine  merkwürdige  Indifl'erenz  an  den  Tag.  Mit  einem 
Worte :  man  zweifelt  nicht ,  dass  Russland  mit  den  ostasiatischen 
Mächten  unter  Einer  Decke  steckt.  Jetzt  also ,  wo  sich  China 
ge^veigert  hat  die  Verträge  einer  Revision  zu  imterziehen,  ist 
Russland  berechtigt,  seinen  Bundesgenossen  gegen  jede  ,, Miss- 
achtung" zu  schützen.  Im  Fall  eines  Kriegs  zwischen  England 
und  Russland  aber  ist  Japan  verpflichtet,  alle  seine  Häfen  den 
englischen  Schiffen  zu  verscldiessen!  Schon  früher  haben  wir  auf 
das  umsichtige  und  erfolgreiche  Vorrücken  der  russischen  Politik 
auf  ihrer  ganzen  orientalischen  Linie,  vom  Bosporus  angefangen 
bis  zum  ochotzkischen  INlecr,  aufmerksam  gemacht.  Hier  findet 
sich  eine  neue  Bestätigung  unserer  Ansichten.  In  Constantinoi^el, 
in  Persien,  in  Mittelasien,  in  Yeddo  und  in  Peking  erntet  die 
russische  Politik  Erfolge,  und  es  ist  schon  so  weit  gekommen, 
dass  England  ängstlich  die  Pulver-  luid  Waftenfabriken  des  ^laha- 
radscha's  von  Indien  beobachtet. 

Kcsumiren    wir    kurz    das    bisher    Gesagte.      Eben    vier    Jahre 


t)ie  Rivalität  Englands  und  Russlands  in  Asien.  20 1 

sind  es  her,  seitdem  VAinbery,  der  Derwiscli,  ehedem  vom  Dümmer- 
scheine muslimischer  Heiligkeit  umflossen,  die  Aufmerksamkeit 
Europa's  und  besonders  Englands  auf  Russlands  geräuschloses 
Vordringen  in  Transoxanien  gelenkt  hat  *).  Die  Ereignisse  haben 
ihm  bisher  Recht  gegeben.  War  es  auch ,  wie  ^"ambery  selbst 
gerne  einräumt,  eben  so  unschwer,  den  Sieg  der  Russen  in  Mittel- 
Asien  zu  jn-ophezeien,  als  beim  Absturz  einer  Lawine  vorherzu- 
sagen, dass  sie  einige  im  Wege  stehende  P"'elsblöcke  mit  fortreissen 
werde,  so  ist  doch  immerhin  das  Verdienst,  dies  überhauj)t  gesagt 
zu  haben,  namentlich  dann  kein  ganz  geringes,  wenn  andere,  sonst 
hellblickende  Köpfe  sich  solcher  Einsicht  hartnäckig  verschlossen. 
Wir  glauben  die  Frage  im  Vorstehenden  von  allen  Seiten  beleuchtet 
zu  haben  und  gelangen  zu  folgenden  Resultaten:  Die  russische 
Politik  kann  in  Asien  drei  verschiedene  Ziele  verfolgen,  welche 
indess  keine  das  andere  nusschliesen :  das  erste,  die  Eroberung 
Indiens,  ist  das  aller  unwahrscheinlichste;  das  zweite,  der  Ver- 
such die  orientalische  Frage  von  Osten  her  zum  Austrag  zu  bringen, 
ist  möglich;  das  dritte,  das  Erstreben  der  Handels -Hegemonie 
in  Asien  und  damit  der  Eintritt  in  den  Welthandel,   ist  positiv. 


1)  Siehe    das    Schluss-Capitel:    „The    Rivalry    of    the    Russians    and    English    in 
Central  Aaia,"  in  seinem  Buche:  „Travels  in  Central  Asia."     S.  439—443. 


25 


I 


I 


Alplalietiscles  ReEister. 


Abal   Oghluii,   Chan   von  Kuldsclia.     Seite    1'21) — 131. 

Abbot,   Keisciuler    1839.      4,   beobachtet   das   Oghüz.     23.    128. 

Abbotabud.     165. 

Al)dalHli.s,   Afghuneiigeschlecht.    137. 

Abd-el-Kadcr.    138. 

Abderrhaman ,   Sohn  Afzul  Chans.     144.    14  5.    14(5.    147.    148. 

Abdul  Aziz,   Sultan  der  Türkei.     103. 

Abdula   Chan,   Sohn  Schir  Ali's.    151. 

Abdul-Fcttah-Mirza,  Sohn  Mozaflf'er  Chans,  zum  Czar  entsendet.    122. 

Abdul-Gat'da-Beg.    114. 

Abdul  Melik,  ältester  Sohn  des  Emirs  von  Hochara,  tlieht  nach 
Bochära.    114.    120  erhebt  sich  gegen  seinen  A'ater.    121.   1j2. 

Abdurrhazak's  Werk,   übersetzt  von   Quatremcrc.    26. 

Abdyl-Tadsch ,   Führer   der  Kitai-Kyptschaken.    114. 

Abijew,  Dr.    107. 

Ab-i-Schcr-i-ssebz,   J'luss    46. 

Ab-oskun,    Hafen.    23. 

Abramow,  General.  Seine  Expedition  an  die  Quellen  des  Zeraf- 
schän.  4  5.  sein  Zug  nach  Bagdan-Ata.  106.  in  der  Schlacht 
am  Zerafschän.  112.  gegen  Abdul  Melik.  121.  122.  seine 
Expedition  gegen  Schehr-i-ssebz.    128.    129.    194. 

—   —  Hauptmann.   Sein  Antheil  in  der  Schlacht  bei  Yedschar.    100. 

Abughir-Sec.    20.   22. 

Abulfeda  über  Turkestän.    48. 

Abul   Ghazi   Chan's   Geschichte   seiner  Lande.     28. 

Ackerbau,  bei  "Wiernojc.  38,  der  Kirghisen.  40.  am  Ssyr.  4  2  bei 
den   Tadschik-^'ülkcrn.     61.    71. 

Acre.     2. 

Adorazki,  Fähnrich,  bei  der  Vertheidigung  Samarkands  verwundet. 
115. 

Adschabainym-Ak-Küni   ^Vüste.    34, 


204  Alpliabetisches  Register. 

Afgliänen.    Ihre    Herrschaft    im    siuUichcn    Turkestan.     47,    in    der 

Schlacht  von  Samarkand.    114.     Ethnologisches  über  die   — . 

Seite   136.    137. 
Afghanistan.     13.  48.   52.   53.   61.   63.    65.    104.      Geschichte  der 

Ereignisse  in  — .    136  —  153.  163—167.  169.  171.  173.  174. 

176.    177.   178.   181. 
Afzul,   Chan  von  Kabul.    143.   144.   145. 
Agra,  besucht  durch  B.   Goes.    3. 
Agror,  Chan  von  — .    165.   166.    167. 
Ahazaies.    167. 

Ahmed   Chan,  König  der  Afghanen.     137,    138.    141. 
Ajamudschiz,  Nordwinde.    48. 
Aidar-Chodschi.     128. 

Airuk ,  höchste  Spitze  der  Muchadschar-Berge.    31. 
Aitow,   Reisender   1840.    4. 
Akbar  Chan,   Sohn  Dost  !Muhanuneds.     139. 
Ak-Kaniisch ,   ^^'üstenrand  des  Kyzj'1-Kuni.    30. 
Ak-Mesdsched ,   siehe:  Perowski-Fort. 
Aknioliiisk.    Sein  Handelsverkehr.    118. 
Akritschch   am  kaspischen  Meere.    22.   26. 
Aksai,   nördlicher  Quellfluss  des  Kaschgar-Darjä.  11.   38.  40. 
Aksakal-Barbi,   See.     15. 
Ak-Scrai",   Nebenfluss   des  Amu-Darja.   44. 
Ak-Ssu,  FIuss.    35.   36.   55. 

—  — ,   Stadt  in  Ostturkestän.    55.   60.    75.   76.    110. 
Akssuisk,  Fort.    36. 

Ak-Tagh,   20.  54. 

Ak-Tau,   Gebirge  auf  Mangyschlak.     14. 

—  — ,   in  der  Kirghisensteppe.    33. 
Aktsche.     141.    152. 

Aktübbe,   Ort  bei  der  Atrek-]\Iüiidiing.    22. 
Ala-kiil,   See.     34.   57.   58. 

Ala-Tau,    Dsungarischer.     5.    9.    12.    34.   35.    36.    37.   38.   43.   50. 
57.   58.    70. 

—  — ,   Transilischcr.    56, 

—  — ,  Kreis.    8. 
Alai-Kirghisen.    7 1 . 

— Plateau.    51. 

Alaman-Berge.    58. 

Albedyl,   Major,  bei  der  Verthcidigung  von   Samarkand.    115. 

Aldschan-Berge.    33. 

Aleppo.    183. 

Alexander  d.   Gr.,   Expedition  nach   Centralasien.     1 9. 

Alexandreschata.     163. 

Alicli,   Tiirkomancnstamm,    68. 


Alphabetisclics  RcgiBter.  205 

Ali-Morad.    Seite   157. 

Alim-kul,   Regent  von   Chokan.    9-2.    100. 

Alingar,   FIuss.    53. 

Almaty,   Fluss.    6.   38.   56.   86. 

Altai-Gebirge.     12.   33.   66.   70.   73. 

Altüschar,   sielie :  Altyscliar. 

Altyn-Dagh.     120.    128. 

Altyn-Imel,  Fort.    86. 

Kette.    58. 

Pass.    58. 

Altyschar  in   Ostturkcstjin.    59.    108. 

Alty  scliäliär,   siehe  Altyschar. 

Ammian  Marcellin.    2. 

Amu-Darjä,  Strom  (C)xns).  Ablenkung  seines  Laufes.  14.  Mün- 
dungsgebiet. 17.  Humboldt  über  den  Oxuslauf.  18;  weitere 
Berichte  über  das  alte  üxusbctt  und  die  Aenderungen  des 
Oxuslaufes.  19  —  26.  Wüsten  am  Amu-Darja,  30.  Ijaiukschaften 
am  — .  43 — 48.  51.  61.  67.  70.  von  den  Russen  erreicht. 
103.    Strasse  im   —  Thale.    116.    124. 

Amur.    191.   192. 

Andchuj,   Stadt.    47.   68.    141. 

Andidschan.    110.    188.    189. 

Angelsachsen.  Ihre  Colonisation  verglichen  mit  jener  der  Russen.  117. 

Anitschkow,   Fähnrich,   bei  der  Vertheidigung  von  Samarkand.    115. 

Antiochns.    3. 

Antipow,  Stabscapitän,  nimmt  mit  ^leglitzky  Gouv.  Oreuburg 
geognostisch  auf.    6. 

Apatschi,  Nebenfluss   des  Karyn.    55. 

Arago's  Meinung    über    die  Spiegelverändcrungen    des  Aralsee.     17. 

Arakan.    193. 

Aral-See.  14.  Flächenrauni.  15.  Niveau.  16  — 18.  Rawlinson's 
Meinung.  18.  im  Alterthum  unbekannt.  19.  im  Mittelalter 
vorhanden,  nach  den  arabischen  Quellen.  21.  nach  den  mittel- 
alterlichen Karten  25.  im  persischen  Manuscript.  26.  41. 
Aral  ein  russisches  Gewässer.  78.  Dampfschiffe  auf  dem  —  . 
79.    124. 

Aralo-Kaspische   Senkung.   75. 

Aralsk,  Fort.  Seine  Gründung.  78.  79.  Rückkehr  der  Russen 
nach  — .   80. 

Araslan,  Nomadensultan,  kämpft  gegen  Isched  Kutebar  und  fällt.  82, 

Ali.    132. 

Arassan,   Fort.    36. 

Ai'ganantinsk.    57. 

Argarly-Berge.    57. 

Argyll,   Herzog  von  — .    173. 


206  Alphabetisches  Ucgiatcr. 

Aristoteles.    Seite  3. 

Ark.'it-Berge.    33.   57. 

Armenien.    182. 

Arundo  pJiragmi'fes  L.    29. 

Aryer.   62.   63. 

Aryss,   Nebenfluss  des   Ssyr-Diirja.    1).    11. 

Aschurade,   Insel.    181. 

Asferali-Tagli  bei  Chokand.    54. 

Asow'sches  Meer.    14.    16. 

Asterabäd.    6.   67.    181. 

Astrachan.    23. 

Astronomische     Ortsbestimmungen,     an    der    Lepsamiindung.     1.    in 

der  Hi-Gegend.    7.    am    Ösyr  Darja.    8.    Struve's   Arbeilen.    10. 
Atalik    Ghazi,     Titel     des     INluhanuncd    Yakub     Chan.     07.     siehe 

Muhammcd. 
Atanurat,   turkomanischcr   Chan.    107. 
Atkinson,      Thomas    \Vitlam.      kScinc     K^childeriing     der     asiatis^chcn 

Steppe.   31  —  32. 
Atrek,   Fluss.    22.    23.     Angebliche  Abtretung    des    —    Thaies    an 

Kussland    175. 

Auckland   Lord,   fällt  in   Kabul.    77. 

Au-I)schar  am  Ssyr-Darja.   41. 

Auliett   oder  Aulie-ata.    9.   85.    86. 

Australien.    154. 

Ava,   König  von   — .    157. 

Ayagyz-Fluss.    57. 

Azcrbeidschän.    181. 

Azim,   Chan  von  Kabul.    1  13.    144.    1-15.    146.    147. 

Baba-]5eg  von  Schchr-i-Ssebz.     IM.    120. 

15aber,    Sultan.      27,    über  Turkestaii.     18,    über  Kabul.    53. 

]{al)ko\v,    Oberst.      Seine  Aufiiahnicu.     9.    10. 

Badachschan,    Landschaft.     S.    41,    crubert     von    Kuuduz.     4  7.    — 

53.   63.   64.   74.    116.   141.   151.    175. 
Bagdad.     183. 
Bagdan-Ata.    106. 
]Jaikal  See.    17. 
Ikiikow,  Reiseiuler.    57. 

Bakhschi,   INIinncsänger  der   Tiirkumaneu.    69. 
Baksan,   Fluss.     35. 
Baktra,   siehe:   Balch. 

Bala-Histar,   Schloss  von   Kabid.     138.    139. 
Balch,   Land  und   Stadt.   44.   47.   48.   52.   67.   68.    IKi.    141.  143. 

144.    146,  147.    148,    152.   173,   175. 


! 


Alpliabotischoa  Rogistori  207 

ßalchasch-See.    4.    Anfnahmo    durch  Babkow.     10.    Nicdorung.    33, 

Beschreibung  des   Sees.   Seite   33 — 34.    35.   57.   71.   73. 
Bah"tzki,   Major,   übersclireitet   den   Bornchudsir.    131. 
Balkan-Berge  am  Kara-Boghilz.    14.    107.    134. 

— Bai  am  kaspischen  Meere.    23. 

Balkh,   siehe  Balch. 

Ballu.sek,   Leon  von   — ,   General.    126. 

Baltis,   74. 

Bam-i-duniah,   siehe:     Pamir. 

Bamijän^   Thal  von   —.52.    138.    147. 

Barabinskische   Stejipe.    0(5. 

Baranow,   Hauptmann,   erklettert   den  Wall  beim  Sturme   auf  Chod- 

schand.    102. 
Barantas,   Raubzüge   der  Kirghisen.    72. 
Barcani.   23. 
Bariatinski,   Fürst.    187. 
Barsidci,   siehe :   Bolschie  Barsuki. 

Bartolomeo,  Fra,   de  Cremona,   Begleiter   des  Euysbroeck.    2. 
Barukschis,   Chan   der  Duranis.   138.    141. 
Basara,   Fluss.   9. 
Baschkiren.   82. 
Basra.   183.    185. 
Baumwolle  am  Ssyr-Darjä.  41,  in  Bochara.  4ß,  von  .Tany-Urgendsch. 

48,  in  Ostturkestan.   59,   in  Bochara.    124,   in  russisch  Central- 

asicn.    189. 
Bayldyr-Tugai  am  Ssyr-Darja.    8.   39.   40. 
Bed-Pak-da-la,   siehe :  Hungersteppe. 
Belch,   siehe:   Balch. 
Belisar,  bocharischer  Gesandter.    104. 
Belut-Tagh.    13.    50.   51.   54.   Tadschik  im—.  04.   Kara-Kirghisen 

im   — .   70.    178. 
Beneveni,  Floris,  Reisender   1725.   4. 
Berg,   Reisender   1826.   4. 
Berrasin   Gelmaz.   20.   21. 
Bien,  Fluss.   35. 
Biludschistan.   61. 

Binnen-Seen  der  aralo -kaspischen  Senkung.    15. 
Binnert,  Mitglied  der  Expedition  nach   Persien,    1858.     0. 
Blr  am   Chabur.     185. 
Birmanen.     172.    193.    195. 
Blei.     32.   33.   49. 
Bochara,   Chanat.   Chanykow's  Buch  über  — .   6.    13.   Polo's  Reise 

nach  — .   24.  Schlüssel  zu   — .   44.   47.   Mctallreichthum.   49. 

Bevölkerung.    61.    63.    60.    70.    — .  erobert   Chokan.    77.    russ. 

Kautleute   in    — .    95.    102.   der  Krieo-  niit   — .    103.     Bezieh- 


2Ö8  Alphabetisches  llogistcif. 

ungen  zu — .    107.  Neue  Feintlsoligkoiton  gogon  Russlfind.  111. 

Friedensschluss  mit  — .    114.   Die  Russcu  rlcliteu  sich   in    — 

ein.   Seite   123.   127.    152.   171. 
Bochära,   Lchmsteppe  von   —  bcsclirioben.   30. 
,   Stadt.   45.    101.   167.  176.   strategisch  wichtig.    181. 

188.    189.    190. 
Bogdo-Oola,   höchster  Thcil  des   Tian-Schan.    36.    58. 
Bolordai.   50.   siehe:   Belut-Tagh. 
Bolut-Tagh,   siehe:   Belut-Tagh. 
Bolschie-Barsuki,   Sandwüstc.     14.    15.    17. 
Bombay.    143. 
Borgianische  Karte.     25. 

Borochudsir,  Grenzfluss.  9.  von  Major  Balitzki  überschritten.  131. 
Borodajewski,  Lieutenant,  bei  der  Vertheidigung  von  Samarkand.  115. 
Borszczow  E.,  bereist  mit  Ssäwerzow  das  Orenburg'sche  Land.  6. 
Brahmaputra.    172. 

Braun,  Dr.   Julius,   Aegyptologe.    185.   186, 
Bright,  Oberst.     166. 

Bubeninow,  Kaufmann,  besucht  Kaschgar.     57. 
Bucharei.    13.    103. 
Buddha-Cultus.    52. 
Biienos-Ayres.   Pampas  von   — .   32. 
Bugra,  Nebenfluss  des  Ili.   37. 
Bugun,  Fluss.   9. 
Buldumsaz   in  Chiwa.   68. 
Bunge,  A.  v.,   Staatsrath  und  Professor  der  Botanik,    Mitglied  der 

Expedition  nach  Pcrsien.   6. 
Buniakowski  A.  W.,  Reise  im  Tian-Schan.   55. 
Buräten.   65.   69. 
Burakoi-Berge.   58. 
Burjäten,   siehe  Buräten. 
Burnes,  Alexander,  Reisender,    1832.   4.  —  über  den  Oxuslauf.  18. 

22.  sein  Tod.   139. 
Butakow,  Alexis,    beschifft    den    Ssyr-Darja  bis  Bayldyr-Tugai.   8. 

39 — 41.   am  Amu-Darjä.    45. 
Buzurg-Chan,  Begleiter  Muhammed  Yakub's.    S.    110.    111. 

Calcutta.    104.   310.    143.    149.    188. 
Californien.     198. 
Canada.    154. 

Caracas,   Llanos  von  — .   32. 
Carpini,   CJiovanni  de   Piano  — .   ^Minoritenmönch,  gibt  erste  Nach- 
richten  über  die  Mongolen.    2.   57.  « 

Catalanische  Karte.    25.  ^■ 

} 

Cathai ,  nestorianische  Christen   in   —  .3. 


Alplialiptisehca  Registor.  209 

Centraliisicn.    Russische  Forscliungon   in   — .   Seite    1  — 11. 

—   —    Erste  Nachxüchten  über  —  .    2 — 4. 

Chaburfluss.     185. 

Chamil.     54. 

Chaiiykow,  Nicolaus  von,  Rcisondor  1841 — 1842.  4.  leitet  die 
Expedition  nach  Persien    1858.    (!.    sein   Buch   über   Bochara   ß. 

Charesm,   Landschaft  in   CcntraLasien.     25.    See   von   — .    25. 

Charesniische  Wüste,  bcschrielien.    ßl.   44. 

Cliarikar.     147. 

Chasch,    siehe :    Schungis. 

Chazaken.    G9.    70.    71. 

Chenopodiaeeen,   charaktorische  Pflanzenforuien   des   Kara-Küm.    29. 

Chesney's  Expedition.     185. 

Cheyberpässe.     1.38.    151.    170. 

Chiggurzaies.     1(57. 

C'liilik,   Zuüuss   des  Ili.    5fi. 

China.  2.  .'3.  1.'3.  24.  25.  59.  fil.  75.  81.  9().  104.  188.  191. 
192.    19:3.    195.    190.    197.    198.    199.    200. 

Chinesen.     59.    70.    108.    HO.    179. 

Chitral ,   siehe :   Kania. 

Chiwa.  Chanat.  13.  45.  47.  4  8.  49.  00.  Russlands  Angriffe  auf 
— .  77.  Chiwa  bedrückt  die  Kirghisen.  79.  102.  im  Bilnd- 
niss  mit  den  Turkomanen.  107.  124.  125,  Operationen  gegen 
— .  120  — 1.35.  sein  Verhalten  gegen  Russland.  128.  1.32. 
Mission   nach   Indien.     134. 

Chiwa,   Stadt.    23.   26.    122. 

Cliiwaner.      Die  Bewohner  von   Chiwa.     17.    172. 

Chliidow'sche  Karawane.    119.  ^ 

Chodjeili  am  Oxus.    27. 

Chodscha  Nischaz,  chokanzischesFort,  von  den  Russen  genommen.  84. 

Chodscha-Scid-Ahmed.    Hofmeister  des  Abdul  JNIelik.    122. 

Chodschand,  Stadt.  40.  von  Mozafl'er  erobert.  84.80,  von  Mozaffer 
genommen.  95.  russischer  xVngriff  bei  — .  99.  von  den  Russen 
erobert.  101  — 102.   Deputation  der  Stadt  an  den  Czar.  104.  188. 

Chokan,  Chanat.  Karte  des  Chanats.  8.  13.  34.  39.  42.  47.  57. 
63.  Tadschik  in  — .  64.  Usbeken  in  —  .  (iO.  07.  70.  71. 
Von  Bochiira  1840  erobert.  77.  Usbekischer  Druck.  79. 
Chokan  verliert  Ak-lSIesdsched.  80.  Russlands  Krieg  mit — . 
83 — 94.  Thoilung  Chokan's.  84.  Sein  Schicksal  besiegelt 
durch  den  Fall  von  Taschkend.  92.  97.  101.  Gutes  Einver- 
nehmen mit — .  104.  Aufstand  gegen  die  Russen.  107.  111. 
124.    103.    189.    190. 

Chokand,  Stadt  39.  45.  54.  07.  von  Mozaft'cr  erobert.  84.  HO. 
119.    188.    189. 

Chomentowski,    Oberst.    ISIilitilrische  Expedition.     0. 

20 


21f)  Alplialictischps  Rpgistoif- 

Chond,   Berg.    Seite   52. 

Chorassan.  Persische  Provinz.  Expedition  dahin  1858.  0.  Be- 
schreibung in  Rawlinson's  persischem  Mauupcript.  25.  von 
Ahmed   Chan   erobert.     1,^7.    175. 

Chntan,  Stadt  Ostturkestans.  ßO.  Ilir  Name  arisclien  Ursjtriings. 
()2.    75.    7(5.    110.    Von  Yakub  Beg  erobert.     111.    Uil). 

Chriilew,   General.      Seine  Pläne.     186  — 187. 

Ciinlnm,   Thal.    44.    141.    14  5.    152. 

Cireulardepesche  Gortschakow's   vom   21.Novcnd)er  1804.    87  —  91. 

Cladyschew,    Reisender,    1740.    4. 

C'obden,   Richard.     167. 

(Vdonialpolitik  der  Engländer.    154  — 163.    179. 

Coloiiisation  der  Russen  im  Sicbenstromlande.  36.  Beginn  der 
—   am  Ssyr.    78.    — stüchtigkeit  der  Russen.    117. 

Comorin,   Cap.    55.    162. 

Conolly,  Capitän,  Reisender  1842.  4.  beobachtet  das  alte  Oxus- 
bett.    23.    128. 

Constantin  Nicolajewitsch ,   Grossfürst.     124.    133. 

ConstantinopeL    106.    128.    ISO.    181.    182.    183.    185.   200. 

Cooper.    195.    196. 

Curratschi.    188. 

Cyrus ,   siehe  :  Kur. 

Daix  ,   siehe :   Ural. 

DampfschifTe,    russische,     auf    dem    Aralsee.    79   am    Ssyr.    85    auf 

der  Wolga.     125. 
Dandcville,    Oberst.      Seine  Arbeiten   und   ]\arte   des   Usturt.     7.    — 

Seine   Aufnahmen   am   TIek    und    I'(\va.    8. 
Danilewsky,   Reisender   1842 — 184  3.    4. 
Darja-i-Chyzyr,   siehe:   Ka.spisches  Meer. 
Daschkow   Graf,   Nachfolger  R()nlano^vsky's.     103. 
Daud   ("hodscha,   Berg   im   Kara-Tau.    8. 
Delhi,   von  Ahmed  Chan  besetzt.     137. 

Denkschriften,   russische,    über  den   Angriff  auf  Indien.     179. 
Deutsche  in  Centralasien.    118.    123. 
Djäm,    121. 

I)ikf)kamanny-Kirghisen  ,    siehe:    Kirghisen. 
Din-Kurgan,    Fort.    93. 
Di])lomatie  der  Engländer  in   Asien.     178. 
Diplomatie,   russische.    179. 

,   türkische.    S.    180. 

Dirhcm-Tagh,   höchster  Puid<t   (]rv   Balkanberge.    II. 
Dlotowski,    (leneral-Lieutenant,    (irenzbestinmunig  durch    — .    9. 
Doeden,   turkomanischer   Name   des   Oghüz.   2.''). 
Don,   Strom,    32.    66.    127. 


Alphabetisches  Register.  211 

Donau.   Seite   177. 

Dost  Muhanmied  Chan,   Herrscher  von  Afghanistan.    13<S.  139.  110. 

141.    142.    143.    144.    146. 
Dsaissang  Noor,   See.   9.    32.    54.   73. 
Dschamrut,  Kampf  bei   — .    138. 
Dscheihün,   siehe :   Amu-Darjä. 
Dschelälabäd.    52.    53.    139.    148. 
Dschitischar,   siehe:  Altyschar. 
Dschizzach,   die  Küssen    vor  — .    97,    von    den  Russen  genommen. 

103.    104. 
Dschulek,   siehe:   Tschulak. 
Dschura-Beg  von   Schchr-i-Ssehz.    IM.    120. 
Dsnngarei,    Cliinesische.   5,   57.   ü5.    70.    71.    75.    129.    131. 
Dulanen   in   Ostturkcstan.    75. 

Dünganis  in  der  Dsungarci.    75.   Ilirc  Kcbellion.    109.    110. 
Duräni.    137.    138.    141. 
Durbar  zu  Umbala.    149 — 151. 
Duri-i-duran,   Titel  Ahmed   Chans.    137. 
Dutara,   Guitarre  der  Turkomanen.      ü9. 
Dzamu,   siehe :  DjTim. 

Edrisi,   arabischer  Geogra})h,   über  Turkcstün.   48. 

p]iscn  bahnen.    116.    124. 

Eismeer.    3.    11. 

EUenborough,   Gouverneur  von   Indien.    14  9. 

Elphinstone,   INIountstuart,   englischer  General.    139. 

Eltschi,    siehe:    Chotan. 

Emba-Fluss.    8.    132. 

England,   beunruhigt  durch   Russlands   erstes  Vurdringcu  in  Central- 

asien.    87.   \Yeist  die  Bitten  Mozafl'er's   um  Hilfe   ab.    104.    106. 

imterstützt  Schudscha-Scha  in  Kabul.    138. 
Eriwän.   Provinz.    141. 
Erszari,   Turkomanenstamm.    68. 
Ethnographie   Turan's.    61  —  76. 
Euasples,   siehe:   Kabül-Fluss. 
Euphrat.   61.    182. 

Bahn.    182  —  186. 

Expedition,   ^vissenschaftliche,   nach  Pcrsien    1858.    6. 

Fauna  des  Ssemiretschenskij   Kraj.   35. 

Fawizki  H.,   Archäologische  Forschungen.    10. 

Fedorow,   (Fjodorow)  Wassili,   Astronom,   erreicht    und     bestimmt 

1834   die  Lepsa-Mündungen.    4. 
Fedschenko  A.,   Seine  Reise  nach  Pamir.    51.    194. 

Feid  Muhammed  Chan  von   Chiwa.    128.        ♦ 

* 


212  Alphabetisches  Register. 

Feldspatli   in   der   Kiri;'1iison^tpppo.    Seite    .'51. 

Fern'luuia.    57. 

Fenik-Chaii,   pert^isclier  Cicsandter.    141. 

Fieber.    80. 

Fil   Man.surch.    21. 

Finäkat   oder  Scliarokhia.   27. 

Fjodorow,   siehe:  Fedorow. 

Fil•o^^i-Schah.    167. 

Flora    der  AVüste.    29.     30.    31.    32.    33.    des    llilandes.    38,    des 

Tian-Scliaii.    5(). 
Fon-Tagh.    45.    54. 

Forsclunigcn     russisclie,   in  Mittelasien.    1  — 11, 
Foritzky,    Obcrstlieutcnant,   scliützt   die  Bagage  in    der  Srlikielit   bei 

Yedschar.    100. 
For.syth,   T.   Douglas.    Seine   ]Mission   nach   Kascbgar.    130. 
Fräser,   Baillie,   über  den   üxnslanf.    18. 

Ganges,   Seine   INIündnngen.    3.    KJl. 

(Jatsebkal-Tagb.    54. 

Cieognostisclie  ^'erllilltnisse.  11,  der  Lclinistejijje  von  Boehara.  30, 
der  Kirgliiscnsteppe.    31,   ijn   Tian-Selian.    55. 

Gcograpliisclic  Gesellschaft,  kais.  russische,  in  St.  Petersburg.  Ge- 
gründet   1855.    5. 

Ghazna,   Stadt  in  Afglulnistan.   53.    130.    145,    148. 

Ghilän.    181. 

Gbildschi-Afglutnen.    53.    145. 

Girs,   Staatsrat!!,   bereist   die  Kirghiscnsteppe.    1). 

Gladstone,    Cabinet   — .    183. 

Ghichowski,    Rittmeister,   zu   INIozalVer  entsendet.    iXi. 

Ciobi,   AVüste.   66.    75. 

(Joebel,   Mitglied   der  Exjx'dition   nach   Persien    1858.    (!. 

Goeklen,   Tnrkoniannenslainm.    ()8. 

Goes,   Benedict.   Seine  Keise  in   Centralasicn.    3 — 4. 

Gold  in   Centralasicn.    10.   31.    4i). 

Golodnaja   Step,   siehe:   llungcrstejipe. 

Golowatschcw,.  Generalmajor,    in   der  Schlacht   am  Zci-afscban.    1  1 2. 

Golubew  A.,  (ieneralstabshau])tniann,  seine  Arbeiten  in  Gentral- 
asien.    7.    über   Osttnrkestan.    50. 

Ciortschakow,   Fürst,   gründet   Kopalsk.    36.     Seine   Circulardejx'sclic 

über  das   \'ordringen   der  Küssen   in   Asien.    87  —  Ol.    124. 
Granit.    83.    56.    58. 
Granvillc,   Lord.    172. 
Graucasus,   siehe:   Ilindu-Kusch. 
Gravakasas,   siehe:  Hindu-Kusch. 


Alphabctisclics  Rogistcr.  213 

Griechen   keimen     die    Existenz    des    Aral?    Seite    20.    Ihre    Colo- 

nisation   vcrgliehen   mit  jener  der  Russen.    117. 
Gudscherät,   Schhicht  bei  — .    1-10. 
Gucrlen.   Sein  Reis.   48. 
Guikovar.    157. 

Guison-Tamba,   siehe:   Yezun-Dampa. 
Gurgan.   68. 
Gurkas.    165. 
Giititschan,  Fluss.   40. 

MMttJoxjiIon  ammodcndron,   siehe:   Saxanl. 

Ilamdullah   Mnstowfi   berichtet   über  die  Aendenm,i>'  des  Üxu.sluulcs. 

22,   seine  Beschreibung  des   Kas])iseeö.   2i5.   24. 
Ihunmond,  Mr.    172. 
Hamün-See.   6. 

Hancock   W.,   INIissionär,   über  die   Sijaposch.   65. 
Handelsgesellschaft,   Russisch-asiatische.    187. 
llandelsstrassen   im  Alterthume.    1!),    im    Mittelalter   2-1. 
Handelsvertrag,    mit   Chokan.     107  — 108,    mit  Bochüra,    110,     mit 

Yakub  Chan.   133. 
Hassan  Beg.    114. 

Hazret-i-Turkestan,   siehe  :    Turkestän,    Stadt. 
Hayward,   englischer  Reisender.    129. 
Hellenen,   siehe:   Griechen. 
Herät.   6.    13.   44.   67.    114.    128.    136.    137.    140.    141.    142.   144. 

146.    175. 
Heri-Rüd,  Fluss.   52. 
Herodot.   19. 
Hezära,   siehe  Huzara. 

Hezarasp,   Stadt  am   üxus.    22.   23.   Seide  von   — .   48. 
Hieronynms  Xavier,   Neue  des  St.   Franciscus,   begleitet  Goes  nach 

Labore.    3. 
Hilmend,   Thal.    146. 
Himalaya.    11.    51.    52.    56.    164.    193. 
Himmelsgebii-ge,   siehe :   Tian-Schan. 
Hindu.   61.    179. 

Hindu-Kuh,   siehe:   Hindu-Kusch. 
Hindu-Kusch.    13.    20.    51.    65.    164,    170. 
Hissar,   Oase.   44.    121. 
Hiuen-Thsang,   chinesischer  Geograph.    51. 
Hochland,   Centralasiens.   51  —  60. 
Hoei-juan-tsching,   siehe:   Ivuldscha. 

Holmstrom,   Capitän.    Seine  Feststellung    der  Karawanenwege.     10. 
Hongkong.    192. 
Hulum,  siehe;  Chulum. 


214  Alpliabctisclies  Rcgiatcr, 

lliiniboliU,  Alcxaiulcr  V.  — .  Seine  Arbeiten  über  Centralasien.  Seite 
4  — 15.  über  den  Aralsee  mul  Oxiishiiif.  IS.  über  Alexanders 
Expedition.    19.   Seine  Vorstellungen   über  Pamir.   51. 

lluiigersteppc  (Bed-Pak-da-lo).     10.   31.   57. 

llusein,   Chan  von  Meymene.    143. 

Ilussunzycs.    167. 

Ilyderabiid.     156. 

lluzdras  im  Norden  Afghanistans.  63.  146.  Aufstand  der  — . 
165  —  167.    169.    171.    172. 

Jagustai ,  Nebenfluss  des  Ili.    37. 

Jaik,   siehe:   Ural. 

Jan,   Sultan  von   Ilerat.     114. 

Jany-Darja.    7.    8.    27.    41. 

Jauy-Kurgan,   chokanzische  Festung.   8,,^oll    den  Russen     zerstört. 

'  85.   93.    111. 
Janysar,   Stadt  Ostturkcstan's.    59, 
Jany-Ssu.    45. 

Jany-Urgendsch.      Seine  Baumwolle.    48. 
Japmi.     198.    199.    200. 
Jarkiang,   siehe:   Yarkand. 
Jar  Muhanimed-Chan,  persischer  Vezir.     140. 
Jaxartes,    siehe:   Ssyr-Darja. 

Ihn    Hatuta,    arabischer  Kcisender   und    Geograph.     25. 
Ibn-Hauqal  über  den  Aral.    2 1   über  Turkestan.    48. 
Ibrahim  Chan,   Sohn  Schir  Ab's.    148. 
Jenkinsou,   Anthony,   englischer  Handelsagent.    27. 
Jerkend  ,    siehe  :   Yarkand. 
lidighis-Kette.    33.    43, 
Ilck,   Flüsschen.    8. 
Ili,    Strom.     5  —  35.       Beschreibung    seines    I>aufes.    36  —  37.       lli- 

Ebcnc.    55.   66. 
—   — ,   Land.    58   als   chinesische   Stralcolonic.    108. 
Ili-tschi,   siehe:   Chotan. 
I Uschi,   siehe:   Chotan. 
Imaus ,   siehe  :  Belut-Tagh. 
Indien.    3.  19.  48.  53.  57.    61.    6  1.    92. 

154.    155.    156.    158.    159.    160. 

172.    174.    176.    177.    178.    185. 
Indus,   Strom.   52.   61.    161.    176. 
lu   hai,   siehe:   Issi-kul. 
Initschke,   Fluss.    41. 
Johannes  ,   Priester  —  .    2. 
Iranier.    61. 
Ird schar,  siehe:  Y^edschar. 


I 


108. 

129. 

131. 

136.    137. 

161. 

162. 

161. 

165.    17  1. 

186. 

188. 

194. 

200. 

1 


Alphabetisches  Rogister.  215 

Iren  Chabirgan,  sielie:  Ala-Tau. 

Irghiz ,    siehe :   Irgis. 

Irgis,   Fliiss.    Seite   6.    29.    78. 

Irkutsk,   Ssibirische  Section  der  k.  k.  riiss.   geograph.  Gesellscliaft.    ö. 

Irtysch ,   schwarzer.    9.    31. 

Irtysch-Steppe.    33. 

Ischan  Urak,   Chodscha.    152. 

Isched    Kutebar,    Anführer    dor   Kirghisen ,    entflammt    diese    gegen 

Russland.    81.    Sein  Kampf  gegen   die  Enssen;    seine    eiullielie 

Unterwerfung,    82. 
Ischim,   Fhiss.    33. 
Ismail   Chan,   Neffe   Schir  Ali's.     152. 
Ispahun.     6. 
Issi-kul ,    See.    6,    seine  Form  bestinnnt.    7  —  9    auf    der    Karfe    des 

Fra    Mauro.    25.      Beschreibung    des    Sees.    42  —  43.    54.    55. 

56.    71.    119. 
Istachri  über  den  AraL    21. 
Jusuf,    König  von  llerat.     141. 
Iwanow,    Intendanturbeamter,    füllt    bei    der  A'ertheidiguiig   Snmar- 

kand's.     115. 
Iwascliintzow,   Scecapitän.   Seine  i\ufnahme  des  kaspischen  Äleeres. 

7.    13. 

Kabul,  Königreich.  13.  61.  103.  122.  127.  136.  138.  142.  Ge- 
schichte dieses  Reiches.    143 — 153.    175. 

Kabul,  Stadt  in  Afghanistan,  besucht  1603  von  B.  Goi-s.  3. 
Lord  Auckland  fällt  in  — .  77.  Empörung  in  — .  139.  143. 
147.    164.    167.    188. 

Kabül-Fluss.    51.    52.   53.   65. 

Kabulistan.    52. 

Kafiristan.     53.    61. 

Kafirs,   siehe :   Sijaposch. 

Kaflankir,   Plateau  von.    23. 

Kaidak,   Golf  in  kaspischen  Meere.    14. 

Kainak,   Nebenfluss   des    Ili.    37. 

Kaizaken ,    siehe :   Chazaken. 

Kalaly,   Insel.    132. 

K.'dat  Dschaber.    183. 

Kaigan.    192.    193.    200. 

Kalmyken.    65.   66.   70.    75.    76.    117.    126. 

Kaltschyk,   ISIilitärstation.     36. 

Kama,   Fhiss   in   Kafiristan.    53. 

Kancheu.    76. 

Kandahar  in  Kabul.     137.    138.    139.    143.    144.    145.    147. 

Kansu ,   chinesische  Provinz.    75. 


216  AlphabRÜscIiRS  Register. 

Kcara,   Turkomancnstamm.    Seite    CS. 

Karabfigh.    148. 

Karabaili ,   Canal  des  Amu-Darjä.    45. 

Karabatalsk,   Festung.      Ilir  Entf^telien.    78. 

Kara-lioghäz,   dessen  Form  bcstinunt.    7  — 14. 

Karabura-13erge.     9.    57. 

Karakalpaken.    48.   71. 

Karakasch,   Fluss.    71. 

Kara-Kirghisen.   69.      Schiklerung  derselben.    70 — 71. 

Karakorum,   einstige  Kesidcnz  des  Grosschans.    2. 

Pass.   108.    104. 

Kara-kul ,   See .    45. 

Kara-Küm,  Wüste.    17.     Boschreibung  derselben.   29 — 30.    41.    80. 

Karaschar  am  Tian-Schan,   Hauptstadt  der  Dunganis.    75.    109. 

Karatal,   Fluss.    35. 

Kara-Tau.     Tschernajew's  Recognoscirung    in   der  (Jebirgskette   des 

— .    8.   bereist    von    T;itarino\v.    9.    Fund   von   tSteinkoblen.    9. 

Gewässer  die  in  ihm  entspringen.    4  1.    INletalle.  50.    Befestigung 

des  — .   85. 
Kara-Tjabc,   Schlucht  bei.     128. 
Kardar,   See.    20. 
Karclin,   Reisender    1840—42.    4. 
Karkaraly,   Hügel.     33. 

Karlawn,   Ort  an   der  Oxusmündung  in   die  Kaspisee.    2G. 
Karmaktschy,   Fort.    81. 

Karschi,   Stadt  in   Rochara.    46.   4S.    116.    120.    121. 
Kaschgar  in  Ostturkestun.    9.   53.    59.   62.   63.   74.    108.    109.    110. 

111.    118.    119.    129.    188.    189.    190. 
Kaschgar-D  arj  a.    11. 
Kaschgar-Dawiin,   Gebirge.    50.    54. 
Kascbka,   Fluss.    45. 
Kaschmir,   52.    162.    166.    188. 
Kaschmiresen.    64. 
Kaspisches     ]\Ieer.      Vorstellungen      der     Alten     über     das     —  .     3. 

Aufnahmen    des    Seccapitäns    Iwaschintzow.    7 — 11.       Sj)iegel 

des   — .    13.   Niveau    verglichen    mit   jenem    des   Aralsees.    16. 

Hypothese  über  den  einstigen  Zusammenhang  des  —    mit  dem 

Aralsee.    16  —  17.    18.    19.    20.    178. 
Kastck,  Fort.    9.    55. 
■ —   —  Pass.   55. 
Kat,   Stadt  im  Oxusdelta.    21. 
Katmanda,  Werkstätten   von   — .    157. 
Kattykurgan.    116.    121. 
Kaufniaim  v.,  General,  richtet  mefeorologiselie  Beobachliiiigsstationen 

in   Turkestan   ein.    10,   zum    CJeiieralgouverneur  von    'riiiUestan 


Alphabetisches  llegister.  217 

ernannt.  Seite  105.  Seine  Friedensbedingungen  für  Boch/ira.  108, 
gibt  Befehl  zum  Marsch  auf  Saniarl^and.  111,  nimmt  Samar- 
kand.  113.  114,  entsetzt  Saniarlcand.  115,  geht  nach  St. 
Petersburg.  119,  unterstützt  Mozaff'er  gegen  seinen  Sohn. 
121.  Inspicirt  die  Truppen.  126.  127,  sprengt  die  Coalition 
der  centralasiatischen  Fürsten.  132,  wird  die  Operationen 
gegen  Chiwa  leiten.    134.    135. 

Kaukasische  Section  der  k.  k.  russ.  geograph.  Gescllsch.  zu  Tiflis.  5. 

Kaulvasus,   indischer.    19.    51. 

—   — ,  verwechselt  mit  dem  Ilindukusch.   20.    181. 

Kaulbars,  Baron,  russischer  Diplomat,  entdeckt  die  Quellen  des 
Ssyr-Darjä.  39,  seine  jNIission  zu  Yakub  Chan.  132  — 133.  190. 

Kaye  J.  W.   Sir.    173. 

Kazaly,   Fort  am  Ssyr-Darjä.    41.   81. 

Kebin,   Grosse.    Fluss.    9.   56. 

Kelat  in  Afghanistan.     145. 

Kent-Kaslyk,   Hügel.    33. 

Kerki  am  Amu-Darja.    44. 

Kenn  an.    6. 

Kenmna.     104.    114.    116.    121. 

Ketmentubja,   Kette.    56. 

Kette-Töre,   Titel  des  Thronfolgers  von  Bochära.     120. 

Keyserlingk,   Graf.   Mitglied  der  Expedition  nach  Persien    1858.   0. 

Khalkas-Mongolen.    66.   76.    196. 

Khodscha  Nadschimit-Din ,   siehe:   Nadschimit. 

Khosru  Parviz.    20. 

Khudayar,  Chan  von  Chokan ;  völlig  machtlos.  83.  auf  seine  Haupt- 
stadt beschränkt.  95.  sitzt  in  Chokand.  102.  seine  Botschaft 
an  den  Czar.    118.    seine   Charakteristik.    128. 

Khutel,   Landschaft.    44. 

Kiachta.     191.   200. 

Kiepert's  Karte  von  Turän.    27. 

Ki-lien-schan,   siehe :   Tian-Schan. 

Ki-lo-man-schan,   siehe:   Tian  Schau. 

Kirghis-Chazaken.      72.    73. 

Kirghisen.    Dikokamanny.      36. 

Kirghisen.  Ihre  Strohmatten.  29.  weiden  am  Akkamisch.  30. 
Einfälle.  36.  am  Ssyr.  40.  in  Turkestän.  63.  64.  67.  Schil- 
derung derselben.  69  —  71.  Leben  der  —  in  der  Steppe.  72. 
74.   von   den  Usbeken  in  Chokan  bedrückt.   79.    117.    126. 

Kirghisen-Stcp2)e.  Katasteraufnahme.  7.  commissionelle  Bereisung 
durch  Girs.  9.  Russische  Karte  derselben.  27.  Beschreibung 
derselben.  31  —  33.  Rebellion  der  —  127.  von  den  Chiwa- 
nern  gep)lündert.    133.    188. 

Kirgisyn-Alatau.   57. 

27 


218  Alphabetiaclics  Upgisler. 

Kirki,   sielio:    Korki. 

Kital),   Hauptstadt  von  Scliclir-i-sscbz.   Seite    128. 

Kitai-Kyptsclialcen.    104.    114. 

Kiein-Asien.    182. 

Klima,   des  Ili-Landes.   37 — 38.   von  Chokan.  42.   von  Badaohschan. 

44.  in  Turkostan.   48.   von  Kabul.   53.   in   Kafirista,'!.   54. 
Kloedoa,   Prof.   Seine  Angaben  über  das  Niveau   des  Aral-Sd^s.    IG. 
Kök  küz,   siebe:    kaspiscbes  INIcer. 
Koetscbege  in  Cbiwa.   08. 
Kogusclii,  Nebenfluss   des   Ili.   37. 
Kobat,   indische  Grenzgarnison.    152. 
Kobik^   siehe :   Zerafscban. 

Köhistän,  persische  Provinz.    13.   53.   61.    139. 
Kok-Dschar,   Pass  im   Tian  Scban.   55. 
Kok-ssu,  Fluss.    35. 
Kokssuisk,  Fort.   30. 
Kokerew,   Grundeigenthümer.    187. 

Kolesnikow,   Fähnrich,  begleitet  Struve  zu  INIozafter   Chan.    90. 
Kol])ako\vski,   General,   erobert  Kuldscha.    131. 
Kopal,   Stadt,   siehe:   Kopalsk. 
Kopal,  Fluss.    36. 
Kopal-Kette.  58. 
Kopalsk,  gegründet   1840.    30. 
Korbugi,   Fluss.   9. 
Korgas,   Nebenfluss   des  Ili.   37. 
Kosaken  gründen  Wiernoje.   38.     Colonic  zu  Kazaly.   41.    — S^g<^ti 

Isched  Kutebar.   82.    Erhebung  der  Don'schen   — .    120. 
Kosch-Kurgan,  chokanzisches  Fort,  von  den  Küssen  geschleift.  78.  93. 
Koss-Agatsch,   Piquct.   9. 

Koss-Aral,   Fort.    78.  ^ 

Kotri  im  Industbale.    104.  "  ^ 

Kowalewsky,   Oberst,   in  Kuldscha.    5. 
Krajewski,   Oberst,  bringt  Unterstützung  in   der  Schlacht   bei  Yed- 

schar.    100. 
Krasnowodsk-Bucht.    125.    120.    134. 

Krimkrieg,  legt  Russland  lahm  in   Centralasien.    84.  168.  177.  191. 
Kryscbanowsky ,    Generaladjutant    des    Gouverneurs  von  Orenbui-g, 

beruft  die  Stadtältesten  Taschkends.    39.94.   weist  Nadschiinit- 

Din  zurück.    90. 
Kui'n-Lucn.    13.    75. 
Kuhi-Baba  im   llindu-kusch.    52. 
Kukas,   ihr  Aufstand.    161.    193. 
Kulan.    35. 
Kuldscha,   in   der  chinerfischen  Dsungarei.   5.  57.85.  108.  110.  IIS. 

129.    130.   von  den  Russen  erobert.   131.   188.    189. 


Alphabetisches  Kcgislcr.  219 

Kuli-Darjä,   Golf  des  kaspischen  Meeres.    Seite   14. 

Kumai-,    siehe :   Kama. 

Kumys,   Liebliiigsgeträuk  der  Mongolen.   2. 

Kumysch-Kurgan,   Fort.   93. 

Kun-Chodscha-Ili.   48. 

Kunduz,   Chanat.   44.   erobert  Badachschan.   47.   51.   53.    141.    151. 

152.    188. 
Kungi-Tau,   siehe:   Ala-Tau. 
Kungrad,  in  der  Nähe  des   Oxus.    26. 
Kur,   Fluss.    19. 
Kurdam-Kak.   75. 
Kuren,    in   China.   76. 
Kurgauc   oder  Mogils.   32, 
Kurgentasch-Berge.    33. 
Kurlawa,  Pass  von  — .   22. 
Kuron-Kette.    14. 

Kuruma,   Usbekenstanuii  am  Ssyr.   67. 
Kutemaldy,   Fhiss.   43. 
Kutsche,  in  Ostturkestän.    75.    110.    111. 
Kuwän-Darjfi.    41.    45.    79. 
Kuzghun  Denizi,   siehe:  kaspisches  INIccr. 
Kyptschak.   Usbekenstamm.    67.   69.   71. 
Kyzyl-Agatsch-Ssu,  Fkiss,   siehe:   KopaL 
—  — -Arwat,   Fort.    134. 

basch,   in  Kabid.'  139. 

Küm,   Wüste.   27.  beschrieben.    30.   44. 

Labore.   Hof  von  —    besucht    von    B.   Gocs.   3.    von   Ahmed  Chan 

besetzt.    137. 
Landschaften   Centralasiens.    12  —  28. 
Lasiagrostls  splendens.   29. 
Laudan,   ein  Oxusarm.   22. 
LaAvrence,    Sir    John,     Gouverneur    von    Indien.     142.     146.     149. 

168.    169. 
Lehmann,   Alexander.   Reisender.    1841  — 1842.    4. 
Lehmsteppe   von  Bochära,   siehe:   Bochära. 

Lcntze,   v.  —  Astronom,   INIitglicd   der  Expedition   nach  Persien.    6. 
Lenz,  R.  über  den  Amu-Darja.   44. 

Lepeschin,   Lieutenant,   bei   der  Vertheidigung  von   Samarkand.    115. 
Lepsa.   Ihre  Mündungen  von  Fedorow  bestimmt.   4.   34.   35.   57. 
Lerche,   Oberstlieutenant,    seine  Betheiligung  an  der  Einnahme  von 

Tschemkend.   86. 
Lhassa  in  Tibet.   76„ 
Llanos  von   Caracas.   32. 
Lonjumel,  Andreas  de  — .  Reisender.   2.   57. 


220  AliiljHüetischcs  Register. 

Loji  Xoor,   See,   Seite  75.   76. 

Luschai.    Aufstand  der  — .    172.    Expedition.     l'JD. 

Maclidumkuli ,   turlvomanischer  Nationalpoct.    69. 

iMac  Naghten,  britischer  Gesandter  in  Kabul.    139. 

Madatow  reist  nach  Indien.    57. 

Maclik- Wüste.    46. 

Maharatten  wider  die  Afghanen.    137. 

INIaimadschan.     145. 

JMainiatschin.    191. 

IMakschejew  A.  J,    Statistische  Untersuchungen.    10. 

IMaltc  Brun  über  den   Oxuslauf.    18. 

Mamural  Beg,   Turkomancnhäupthng.     132.     . 

Manschester-Politik.    167,    168.    170.    172. 

Manghyschlak,   siehe:   Mangyschlak. 

Mangyschlak-Halbinsel.    Richtig  dargestellt    auf  Dandeville's   Karte. 

7.    Gebirge  auf  — .    14.    beschrieben  von  Yakut.   21.    besucht 

von  Jenkinson,    27. 
Mankrak,  Berg.    9. 

Mansfield,   Sir  ^Yilliam,   englischer  General.    164. 
INIaralbaschi  in   Ostturkestän.     111. 
Margilan.     188.    189. 
Markosow,    Oberst.     Seine  Rccognoscirung  von    Krasnowodsk  aus. 

134. 
Martschag.     68'. 

Matkow ,   Topograph  und  Begleiter  Golubew's.    7. 
INIaulbeerbaum.    4  9 . 

Mauro  ,   Fra   — 's  venetianische  Karte.    25. 
Maymene,   siehe:   Meymene. 

Mayo,   Lord.    Yicekönig  von  Indien.     149.    150.    158.    109. 
jNIazanderan.     181. 
.Nloglitzky,     Ca2)itiin,    ninnut    mit     Antipow  Gouv.    ürcnburg    geog- 

nostisch  auf.    6. 
INIcnandcr,   byzantinischer  Geschichtsschrcibei*.    20. 
Merke.    8.   9.    10. 

Mertwii-Kultidc ,   (Todtcr  INIecrbusen   der  Russen.)    14.    127. 
Mei-utschag,   siehe:   Martschag. 
Mcrw,   Stadt  Centralasieus.    68. 
^Nlesar  bei  Bai  eh.     47. 
Mcschhed,   auch  Tiis  genannt.    6. 
Mesopotamien.    182.    186. 
]Messerfabrication  in  Hissär.    44. 
^Meteorologische   Stationen  in  Turkestän.     10. 

]Meyendorff,   Reisender   1820.   4.  über  die  Zahl  der  Usbeken,    (iii, 
]Meyer  in   den   Arkas-Bergen.    57. 


J 


Alpliabetiachcs  Register.  221 

Meymciic,   Chaiiat.    Seite   47.    141.    142.    143.    147. 

Militärische   Steiluiig  der  Engländer  in  Indien.    157. 

Ming,   TJsbekenstamni.    67. 

Mirza-Mirarschur.    123. 

Mitchell,   englischer  Consul  zu  St.   Petersburg,    173. 

INIittelasien  ,   siehe  :   Centralasien. 

Mittelmeer.    61. 

Älogils  ,   siehe :   Kurgane, 

Mongolei.    65.    75.    191. 

Mongolen.  Erste  bestimmte  Nachrichten  über  dieselben  durch  Car- 
pini.    2.   Mongolenvülker.   66.    129,    179. 

IMontblanc.    55. 

Mozaffcr-cd-din-Chan.  Emir  von  BochTira  erobert  Chokan.  83. 
seine  Triumphzüge.  84.  iullt  in  Chokan  ein.  92.  sein  Be- 
nehmen nach  den  russischen  Siegen.  95.  rüstet  gegen  Russ- 
land. 95.  06.  bittet  um  Einstellung  der  Feindseligkeiten.  97. 
rückt  gegen  die  Russen  an.  99.  seine  Flucht  nach  der  Schlacht 
bei  Yedschar.  100 — 101.  bleibt  ungebeugt.  102.  lässt  Lieut. 
Sslushenko  gefangen  setzen.  106.  in  seinem  Reiche  bedroht. 
120.  ruft  Kaufmann's  Hilfe  gegen  seinen  Sohn  an.  121. 
seine  Freundschaft  für  General  v.   Kaufmann.    127.    152. 

Muchadschar-Berge.    6.    14.    15.   31. 

Mughadjar-Berge,   siehe:   Muhadschar  Berge. 

Muhannned  Farissa,  bocharischcr  Gesandter.     106. 

—  —   INIirza,   Schah  von  Persien.     140. 

Yakub  Ali,    Sohn    Schir    Ali's.    142.    144.    145.    146.   147. 

148.    151. 

—  —  Yakub    Chan,    Herrscher    in    Ostturkestan.   63.     108.    seine 

Biographie.  109.  110.  129.  beabsichtigt  eine  Coalition  gegen 
Russland.  130.  empfängt  die  russische  Mission  des  Br.  Kaul- 
bars.   132—133.    190. 

Muhi-cd-din  Maasum,   Abgesandter  Yakub   Chan's.     133. 

INIultan  im  Industhale.     164. 

]Murawiew  N. ,   über  das   alte  Oxusbctt.    23. 

Murchison,  Roderick,  in  der  Frage  des  Aralsees.  18.  19.  bezweifelt 
den  AVcrth   des    anonymen    persischen  Manuscripts.   26.   27. 

INIurgh-äb,   Fluss.   68. 

Murray,   Hugh,   über  den   Oxuslauf.     18, 

Musart-Chan,   Gebirge.    39. 

Muslim,   Pass  von  — .    22.   23. 

Mutha-Beg.    115. 

^luzart-Gebirge,   siehe:   INIuz-Tagh.   . 

Muzbel- Anhöhen.    57. 

Muz-Tagh,  Gebirge.   42.   54.   63.   75, 


222  AlpTiabetisches  Register 

Nadir,   Schah  von  Pcrsien.    137.    139. 

Kadschimit-Din-Chodscha,    bocharischer  Gesandter.     Seile   ÜO.    als 

Parlamentär.   111.   112. 
Namagän,   Stadt  Chokan's.   67. 
Napicr  of  Magdala,   Lord.    155.    156.    157.    171. 
Narbiit,   Capitän,   seine  Karte  von  Turkestau.    10. 
Naryn,   Oberlauf  des  Ssyr-Darja,   von  Ssäwerzow  besucht.    11.   von 

Kaulbars  besucht.    39  —  54.55.   70.  Brücke  über  den  —  .    111. 

119.    129.    132. 
Nasar-Beg.    121. 
Nasr-Allah   Chan,  Emir  von  Bochärä,   erobert  Chokan.   77.  83.  96. 

Eddin-Mirza,   Schah  von  Persien.    140. 

Nau,  kleine  Festung,   von  den  Russen  besetzt.    101. 

Nazarow,    Major,   führt  die  Reserve  beim  Sturme  auf  Chodschand. 

102.   bei  der  Yertlicidigung  von  Samarkaud.    115. 
Kegri,   Reisender   1820.   4. 
Nepal,   seine  Kriegsmacht.    157.    165. 
Nestorianische  Christen  in  Cathai.     Ruysbrocck's  Bemerkungen   über 

sie.   3. 
Neuseeland.    154. 
Neusiedler-See  in  Ungarn.    28. 
Newa.   177. 

Newsky,   Jaroslaw  und   Alexander.    57. 
Niazbcck,   Fort.   98. 

Nichtinterventionsprineip,   siehe ;   Manchester-Politik. 
Nicolaus,     Kaiser    von    Russland,     befiehlt    eine    Expedition    nach 

Chiwa.   77. 
Nifantiew,    Topograph,    bestimmt    1847   zuerst  die  beiläufige  Form 

des  Issi-kul.   7. 
Nikiforow,   Reisender   1841.  4. 
Nikolski.    11. 
Nil.  43.  Gl. 
Nischabur.   6. 
Nischni-Nowgorod.    188. 
Nordamerika.    193. 

Nordwestliche  Section   der  k.  k.  russ.  gcogr.  Cesellsch.   zu  ^Vilna.   5. 
Northbrook,   Lord.    158. 

Northcotc,   Sir  Staft'ord,   Staatssecrelär  lür  Indien.    172. 
Nowo-Alexandrowsk,   Fort.    127. 
Nür-atta.    122. 

Ob?chtschi,j-Ssyrt.    14. 
Ochotzkisches  Meer.    191. 
Oelöten  im  Altai.   06. 


Alphabetisches  Uegistef.  223 

Octsch,  walirsclicinlich  ein  Oxiisanii.    20. 

Oghi.   Seite    167. 

Oghiiz,   altes   Oxusbett.    22    23. 

Ogurdsehali,   Turkomanenstanim.    132. 

Oktai,   Chan,   Sohn   des  Dschingiz-Chan.   21. 

Omar  Beg.    114. 

Optimisten  in  England.    104. 

Orel.    181. 

Orenburg,  Orenburg'sche  Section  der  k.  k.  russ.  geograph.  Gesell- 
schaft, ö.  Südosten  von  Orenburg  geognostisch  aufgenommen.  0. 
Berci-st  von  Borszczow  und  Ssilwerzow.  0.  Recognoscirungea 
1861.  8.  Perowski's  Expedition  erreicht  mit  INIühc  — ■.  77. 
Gründung  der  Festung.  78.  82.  Eisenbahn  von  Ssamara 
nach  — .    116. 

Oron-See.    17. 

Orsk.    12.   82. 

Ortaku-Brunnen.    1 34. 

Ost-Turkestan,   siehe:   Turkestrm. 

Osten-Sacken,  Friedrich  Freih.  von,  Secretiir  der  russ.  geograj)h. 
Gesellsch.  bereist  den  Tian  Schau.   55.    194. 

Ostjaken.   66. 

Otrar  am  Jaxartes.    24.   25.    26.   41.  ' 

Oxiana  palus,   siehe :   Aral-Sce. 

Oxus,   siehe:   Amu-Darjä. 

Pamir,   Plateau.   44.   51.   62.   71. 

Pampas   von  Buenos-Ayres.   32. 

Pangong-See  in  Tibet.   75.   76. 

Panipat,   Entscheidungsschlacht  von   — .    137. 

Paropanisus.    13.   51.    188. 

Pascal  de  Vittoria.   24 — 25. 

Patna.    162. 

Patrocles,   seine  Küstenbeschreibung  des  kaspischen  ISIeeres.    3. 

Paudsch,   Zweig  des  Oxus.    53. 

Pegoletto,   Balducci,   sein  Itinerar  nach   China.    24. 

Pegu.    193. 

Pendschab.    104.    137.    140.    149.    166.    170.    176. 

Pendschakcnd  in  Bochära.    45. 

Pendschdeh.    68. 

Perowski,  Fort.  7.  27.  39.  41.  79.  Yertheidigung  des  Forts  durch 
die  Chokanzen.  80.  Fall  von — .  80.  Angriff  durch  die  Cho- 
kanzen.    81.    93. 

• —  —  General,  seine  Expedition  gegen  Chiwa,  77.  Seine  Unter- 
nehmungen 1852.  79.  Seine  Politik  gegen  Isched  Kutebär.  82. 
Seine  Thätigkeit.    84. 


224  Alphabetisches  Register. 

Pcrsien.   Fxpedition  nach  Persien   1858.   Seite   6.    13 — 19.    48.   Gl. 

67.    68.    137.    140.    141.    142.    146.    152.    175.    181.     182. 

188.    193.   200. 
Perwuschin.    Seine  Karawane  nach  Kaschgar.    119. 
Peschel,  Prof.    16.    17. 
Peter  d.  Gr.,  sein  Augenmerk  auf  Centralasien.  77.    sein  Testament. 

187. 
Petrojoawlowsk.     10. 

Petrow,   Mitghed  der  Expedition  nach  Persien   1858.    6. 
Petruschewski,   Oberst,   commandirt  die  Avantgarde   beim  Marsche 

auf  Samarkand.      111. 
Phasis,   siehe:   Rion. 
Pihtschi,   Nebenfluss  des  Ili.    37. 
Pinner,    Emanuel,   portugiesischer    Prieser,    begleitet  B.   Goes  nach 

Labore.    3. 
Pischawer,   Stadt  in  Indien.    65.     140.    143.    144.    146.    164.    166. 
Pistolkors  v.,   Oberstlieutenant.    Sein  Antheil    an    der  Schlacht  von 

Yedschar.    100. 
Pistschemuka,   Major,   commandirt  die  Reserve  in  der  Schlacht  bei 

Yedschar.    100. 
Plinius.    19. 
Polo,   Marco,    wichtigster  Reisender    des  INIittelalters.    3.   24.    über 

Samarkand.   46.    über  Tschartschand.    76. 
—  — ,   Neue  Ausgabe  seiner  Roisebeschreibung.    3.    20. 
Poltaratzki  W.  A,,  General.    Durchforschung  des  Tian-Schan.    55. 
Polymetos,   siehe:   Zerafschän. 
Po-mi-lo,   siehe:   Pamir. 

Pontus,   mit  dem  kaspischcn  Meer  verwechselt.     3. 
Porphyr  in  der  Kirghisensteppe.    31.   33.   am  Ili.    37. 
Postverbindung  zwischen  Taschkend,  Turkestan  u.  Fort  Perowski.  93. 
Priilinsker  Generalgouvernement.    131. 
Ptolemaeus.    3.   19. 
Pundschub,   siehe :   Pendschab. 
Putimtschew  besucht  Kuldscha.    57. 

Quatremcre,   trefflicher  Orientalist.    26. 
Quellen,   chinesische,  über  Centralasien.    4. 

Radloff"  Wilhelm.    Ethnograjdiische    und    linguistische  Forschungen. 

10.   sein  Brief  an  den  Verfasser.    66. 
Rachmet-Beg.     121. 
Ravat,   Dorf.    99. 

Ravcrty   über  das   Land  der   Sijaposch.    53. 
Rawlinson,   Henry,   über  den  Aralsee.    18.    25.   26.    173. 
Rawul-Pindis.    Indischer   Grcnzstamm.     166. 


Alphabetisches  Uegistcr.  22i) 

Reinthal,  Capitän.  Seine  Barometerniossungen  im  Tian-Schan.  Seite 
55.   besucht  Yakub  Chan.    119.    129. 

Roisende  in   Centralasicn.     2 — 4. 

Rhabarber,   officinelles  Mittel.    2. 

Ricci  S.,  Missionär  zu  Peking.    4. 

Rion,  Fluss.    19. 

Ritter,    Carl.    Seine  Arbeiten  über  Centralasien.     4. 

Rivalität  Russlands   und  Englands   in   Asien..     154 — 201. 

Roemer.    Ihre   Colonisation  verglichen    mit   jener  der  Russen.    117. 

Romanowsky,  Dmitry  Iljitsch,  russ.  General,  98.  sein  Marsch  nach 
Ycdschar.  99.  in  der  Schlacht  bei  Yedschar.  100.101.  nimmt 
Chodschand.    102. 

Rubingruben  in   Badachschän.    44. 

Rubruquis,    siehe:   Ruysbroeck. 

Rukh,   Sultan,   berühmter  Herrscher  von   Herat.    25. 

Rundschit  Singh,   Beherrscher  der  Sikhs.     137.    138. 

Ruprecht  F.  J.    Akademiker.    Durchforschung  des  Tian-Schan.   55. 

Russland.  Seine  ersten  Schritte  in  Centralasien.  77 — 82.  es  unter- 
wirft sich  die  Kirghison  der  Steppe.  78.  —  machtlos  gegen 
Mozaff'er.   84.    seine  Handelshegemonie  in  Asren.    186. 

Ruysbroeck,  Willem  van  — ,  oder  Rubruquis.  Minoritenmönch 
bereist  1252 — 1252  Centralasien.  2.  —  erklärt  das  kaspische 
Meer  für  ein  geschlossenes  Becken.  3.  seine  Bemerkungen 
über  die  nestorianischen  Christen.  3.  sein  Bericht  über  den 
Jaxartes.   24.    57. 

Sachalin,   Insel.    198. 

Sadik,   Anführer  der  Dunganis.    110. 

Saidabad.     148. 

Säle,   Robert,   englischer  General.     139. 

Salor,   Turkomanenstamm.    (58. 

Samarin,  Handlungsdiener,  bei  der  Yertheidigung  Sämarkands  ver- 
wundet.    115. 

Samarkaud.  45.54.97.102.104.  der  Feldzug  gegen  —  .  106  —  125. 
russ.  Standlagcr  bei  — ,  106.  111.  ergibt  sich  den  Russen. 
113.   von  den  Russen  vertheidigt.    114.    115.    122.    176. 

Samojeden.    66. 

Sanudo,   Marino.    Seine  Karte.    25. 

Sarai  an  der  Wolga.    25. 

Saraichik   am   Jaik.    24. 

Sarik,   Turkomanenstamm.    68.. 

Sarikia  am  Karakasch.     71. 

Sarten.     63.    64.    188. 

Sartohl.    64. 

Sauku-Pass.    55. 

28 


220  Alpliabctischcs  Ucgiatcr. 

Sauran-Ssu.    Nebenfluss  des  Ssyr-Darjä.    Seite  41. 

Saxaul  (IlaloxijJon  ammodendron^~)  29.35.  am  Ssyr.  40.   am  Bal- 

cliasch  See.    57. 
Schadi  Mirza,    Adoptivsohn    Yakub   Beg's,    gelit    nach   St.   Peters- 
burg.   119. 
Schamyl.    138.    187. 
Schanghai.    200. 

Schany-tschen-mu,   Thal  von.    108.    130. 
Scharokhia,   siehe :   Finäkat. 
Schat-el-Arab.    183. 
Schaufuss  V.,   Oberstlieutcnant.     107. 
Schehr-i-Ssebz,    Chanat.    Insurrection   daselbst.    96.    104.    114.    120. 

121.    122.    erobert  durch  die  Russen.    128—129. 
Schiborgan.     141.    152. 
Schildkröten.    35. 
Schir  Ali  Chan,   Emir  von   Kabul.    142.    143.    144.    145.    14C.    147. 

148.    149.    150.    151.    152. 
Schlagintweit ,    Gebrüder.   59.    ihre  Ansicht    über    die    Bevölkerung 

Ostturkestans.    62. 
Schrenk   A.,  Eeisender   1840—1842.    4. 
Schudscha-ul-Mulk  Schah,   König  von  Kabul.    138.    139. 
Schultz,   Leo   von.   Seine  Expedition.    78. 
Schungis,  Nebenfluss   des  Ili.    36.    37. 

Scluuvalow    Graf,    russischer   Polizeiminister.    Seine  Mission.    173. 
Scindia.    157. 
Scutari.     183. 

Seid  Mehemed   Chan,  letzter  charesmischer  Sultan.     17. 
Seide,  von   Hezarasp.    48. 
Seihün,   siehe  :    Ssyr-Darja. 
Seleucus  Nicator.    3. 
Semiten.    61. 
Sendschu.   71. 
Sengir-Kul-See.    54. 
Scwerowostotschnoi,   Cap.    55. 
Shakespeare,  Reisender   1840.    4.    128. 
Shaw.   Robert.    Seine   Ansicht  über   die  Bevölkerung  Ostturkestans. 

02-63.64.67.75.76.  129.   begleitet  Forsyth   nach  Kaschgar. 

130. 
—  i/iai..   siehe:   Sijaposch. 
^Si/iovS,  siehe:    Sijaposch. 
Sidu,   Afghanengeschlecht.    137.    141. 
Siebeiistromland,   siehe:    Ssemiretschensk. 
Siovers,   russischer  Naturforscher.    57. 
Si   liai,   siehe:  Balchasch. 
Sijaposch.    52.   53.   62.   65. 


Alphabetisches  Register.  227 

Sikandar  Chan,  Führer  der  Afghanen  bei    Saniarkand.    Seite    114. 

Sikhs.     137.    138.    140.    170. 

Silber.    31.   49. 

Silverswan  v.,   Oberstlicutenant,   Comniandant    der  Artillerie   in  der 

Schlacht  bei  Yedschar.    100. 
Sirala  in  Indien.    149. 

Singan  in  China ,   Bischofssitz   der  "nestorianischen   Christen.    3. 
Sining-fii,   siehe:   Zilm. 
Sinju,    siehe  Zilm. 
Sin-Kiang.    58. 

Sipoys  Aufstand    1857   in  Indien.     155. 
Sir-i-kol,   siehe:   Ssary-Kul. 
Sladen,   Major.    Sehie  ExiDcdition.    195. 
Snegirew,   Bergmann.    57. 
Socanda.    23. 
Sogd,   Fluss.    45'. 
Sogdagar,   siehe:   Sartcn. 
Sokawnin,    Oberstlieutenant,  bei  der  Expedition  luich  Schehi-i-ssebz. 

128. 
Sokpo.    76. 

Soliman-Gebirge.    176. 

Spiegel  Prof.,   über  die  Bevölkerung  Ostturkestans.    62. 
Ssaewerzow   reist  mit  Borszczow  im  ()ren1)urg' sehen  Land.    (5.    seine 

Expedition  1864.    10.    seine  Ansicht  über  den  Usturt.    14 — 15. 

seine  geognostische    Excursion  in    den   Tian-Schan.    55.    194. 
Ssariam.    188. 

Ssalessow,   Oberst.    Katasteraufnahmen.    8. 
Ssamara.    79.    116. 
Ssaratow,    14. 
Ssarkan,   Fluss.    35. 
Ssary-Baba-Kette  am   Kuli  Darja  Golf.    14. 

— Kul,  Alpensee.    43.   63.   71. 

— Kupa,  See.    15. 

Ssu,  Fluss.    43. 

Tschoku-Berg.    9. 

Ssassyk-Kul,   See.    34. 

Ssemeuow    P.,    Magister,    besteigt     den     Tian-Schan.    6.    auf    dem 

Tengri-Chan.    55. 
Ssemipolatinsk,   Stadt  in  Westssibirien.    10.    12.    57. 
Ssemiretschensky  Kraj.  8.    Beschreibung  des  Landes.    34 — 38.    119. 
Ssergiupoly.    Stadt.     57. 

Ssibirien.    4.    10.    11.    13.    34.    66.    71.    188.    190.    191. 
Ssibirische  Section  der  k.  k.   russ.   geograph.  Gesellsch.  zu  Irkutz.  5. 
Ssjerow,    Major,    führt  eine    Deputation    aus   Centralasien    zu    dem 


Czar.    104. 


* 


228  Alphftbetischcs  Rcgiatcr. 

Ssistän.    Seite   144. 

Sslusheiiko ,    Untcrlieutenant,    von    bochärisclicn  Räubern  gefangen. 

10(5.    freigelassen.    108. 
Ssusak,   Fort.    8. 
Ssyr-Darjä,    beschifft    von  Butakow    1863.    8.    10.    sein    Oberlauf, 

der  Naryn,    von    Ssäwerzow    besucht.    11  —  25.    Untersuchung 

über  den  früheren    Stronilauf.    26 — 28.    29.    Landschaften  am 

Ssyr-Darjä.  39  —  43.  Beschreibung  des   Stromes.   39—40.   54. 

67.    70.   71.    die   Ssyr-Darja  Linie.    78.   85.   99.    127. 
Stachelschweine.    35. 
Steinkohlen,  gefunden   durch  Tatarinow  imKara-Tau.    9.   längs  des 

Irtysch.   31.    am  Kaschgar-Dawän.    50. 
Stempel,   Baron  v.,  Major,   nimmt  das  Dorf  Ummy.    106.   vertheidigt 

Samarkand.    114.    115. 
Stcppenbilder.    29—38.   73. 
Stoddart,   Oberst.    Reisender   1842.   4. 
Strabo.    3.    19. 
Strandtmann ,   Oberstlicutcnant,    vertreibt    die  Bochuren    am  Zeraf- 

schun.     112. 
Struvc  C.  Seine  Reise  im  Tarbagatai.  10.   seine  Karte  von  Turkestän. 

10.     sein    Nivellement     des    Aralsees.    16.     seine    Mission    zu 

Mozaifer  Chan.   96. 
Sussamir,  Fluss.    10. 
Suez-Canal.    182.     183.    186. 

Su-tscheu,    chinesische   Grenzstadt,   besucht    1603   von  B.   Goes.    3. 
Suzängirän-Tagh.  Käme  des  Tian-Schan  im  Osten  von  Samarkand.  54. 
Swat.     166. 
Syrien.     182.    186. 

Taben-Tau.   54. 

Tadschik.    61 — 65.    ihr    Charakter.    64.    von    den    Usbeken  unter- 
jocht.   66.   67. 
Tagat  Fluss.    53. 
Taipings.    110.    129. 
Takla-jNIakän,   AVüste.     75. 
Tuk-Ssu,   siehe:   Bi. 
Talass,  Fluss.    9.   70. 
Taldyk-Mimdung.    45. 
Talgaryn-Tal-Tschoku,   Berg.    55. 
Taniarix-Wäldchen.    29.    am   Ssyr.    40. 
Tanierlan   stirbt  zu   Otrar.    41.    seine  Residenz.    46. 
Tamirsik,   Fluss.    9. 

Tan,   chinesische  Dynastie,   erobert  Karaschar.     109. 
Tanais.    20. 
Tara.    66. 


Alphabetisches  Register.  229 

» 

Taraiitschis  in  der  Psung.arei.    Seite   75. 

Tarbagatai.  Von  Humboldt  nicht  überschritten.  4.  Oberst  Babkow 
im  — .  9.  erforscht  durch  C.  Ötruve  und  Potanin.  10 — 12. 
57.   73.} 

Tarksyl,   Nebenfluss   des  Ili.    37. 

Tarym ,  Fluss.    54.   59. 

Taschkend,  Stadt  in  Turkestän.  10.  42.  67.  71.  81.  von  Mozaffcr 
erobert.  84.  d)Q.  von  den  Küssen  belagert  und  genommen. 
92.  Zustände  in  —  nach  der  Einnahme.  93.  Grundstein- 
legung zur  ersten  russ.  Kirche  in  —  .  93.  98.  99.  Deputation 
der  Stadt  an  den  Czar.  104,  der  bochärische  Gesandte  in 
— .  107.  108.  Leben  der  Russen  in  — .  116.  deutscher 
Gasthof  in   — .    118.    119.    124.    188.    189.    190. 

Tasch-Kuprjuk.   Position  bei   — .     111. 

Tatarei    2.    118. 

Tataren.    62.   65.   66.    117.    179. 

Tatarinow,  Oberstlicutenant,  Reise  im  Kara-Tau.  9.  seine  Mission 
zu  Mozafier  Chan.    96. 

Taurus ,   cilicischer.    185. 

Tebbäd,   Fieberwind.    30. 

Tebezge,  Fluss.    9. 

Teheran.    6.    141.    182. 

Teke,   Turkomanenstannn.    68. 

Telegraphen.    117. 

Tele-Kul,   See.    8.   4  3. 

Telckultata-See.    8. 

Temurtu  Noor,    siehe:   Issi-Kul. 

— Tagh.    54. 

Tengri   Chan,   Berg.    39.   54.   55. 

—  —    Schan.    5.4. 

— Tagh,    siehe:   Tian-Schan. 

Terck-Tagh,   siehe :   Kaschgar-Dawan. 

Terrek-Thal.    167. 

Thonschicfer.    30. 

Tian-Schan  oder  Himmelsgobirge.  4.  zum  ersten  Male,  1857  von 
Ssemenow  erstiegen.  6.  Rccognoscirung  1863.  9.  Ssäwerzow 
im  — ■.  11  — 12.  Ursprung  des  Ili.  36.  aufgenommen  von 
Baron  Kaulbars.  39.  51.  Beschreibung  des  — .  54  —  56. 
Kirghisen  im  —  .   S.   70.   75.    109.    111. 

—  —   Nan  Lu,   chinesische  Provinz.     13.   58.    108.    129. 
— •    —   Pe  liU,    chinesische  Provinz.     13.    58.    108. 
Tibet.    76. 

Tibetaner.    74. 
Tieu-tsin.    200. 


230  Alphabetisches  Register 

TifliSf  kaukasische    Section    der    k.   k.   riiss.  geographischen  Gesell-  | 

Schaft.    Seite   5.    Stadt    182.  1 

Tigris,    61.    18-2. 

Timur.    69. 

Tobol,   Fluss.    8. 

Tobolsk,   Stadt  in   Ssihirien.    66. 

Tocharistan,   Landschaft.    52. 

Todtcr  Meerbusen,   siehe:  ^lertwii   Kultuk. 

Tokmak,   Fort.    9.    111.    119. 

Tokta,  Fluss.    9. 

Torgot ,   Kahnykenstanim.    65. 

Tournon,   französischer  Emigrant.    187. 

Transilisches  Gebiet.    8. 

Travancore.    156. 

Tschagatai,   Usbekenstamm  in   Namagan.    67. 

Tschang-kia-ku,   siehe:   Kaigan. 

— Tschenmo,   siehe:   Schang-tschen-mu. 

Tschartschand.    75 — 76. 

Tschaudor,   Turkomanenstanmi.    68. 

Tschebcrna-Tagh.    54. 

Tschehardschuj ,  Stadt  am  Oxus.  68.  von  den  Russen  besetzt. 
107.    russ.    Cantoimirung  in  — .    116. 

Tschelcken,   Insel  des  kaspischen  ^Meeres.    14.    132. 

Tschemkend,  Stadt  in  Turkestan.  8.  9.  von  den  Chokanzen  be- 
festigt.   85.    188. 

Tschernajcw,  Oberst.  Recognosciruiig  im  Kara-Tau.  8.  bemächtigt 
sich  Tschemkends.  85 — 86.  bombardirt  und  niimut  Taschkend, 
92.  sendet  eine  friedliche  Mission  an  ^lozaft'cr  Chan.  96. 
sein  Marsch  auf  Samarkand.    97. 

Tschiggauzies.     165. 

Tschiklinskischer  Kirghisenstamm.    126.  , 

Tscliim-Kurgan,  Fort.   93. 

Tschinaz.    10.    99. 

Tschingiz-Chan.    69. 

Tau.   33.   57. 

Tschirikon,   Kirghiscnstanun.    70. 

Tschirtschik,  Fluss.   8.    10.   Erobcriuig  des   —   Gebietes.   93.   98. 

Tschitral,   siehe :   Kama. 

Tschochrak,   Felsen   auf  Tschelcken.    14. 

Tschohtal    Fluss.    9. 

Tscholym-Tataren.    66. 

Tschugutschak,   Stadt  der  Dsungarei.    57.    130.    188.    189. 

Tschui,  Aufnahmen  am  Flusse  Tschui.  7.  9.  10.  Xordgrciize  von 
Chokan.  42.  Sein  Lauf.   43.  55.   56.   57.   70.   71. 


Alphabetisches  Register.  231 

Tschulak,    Fort,    oder  Tscliulak-Kurgan.    Seite   8.   9.   40.    41.   von 

den  Russen  genommen.   8Ö.   03. 
Tuemen.   66. 
Tuerkei.   48.    180.    185. 
Tuerken.   61. 

Tucrkistän,   siehe:   Turkestän. 
Tiingusen.   66. 

Tura-Dshan,   Sohn  des  Emirs   von   Bochära.    123. 
Turän,   Herleitung  des  Namens.   2.   Karte   von  H,   Kiepert.    27. 
Turanisches  Tiefland.    13. 
Turgai,   Fluss.   8.   78.    126. 

Turkestän,   Stadt.   8.    10.   40.   von  den  Russen  genommen.   85.  188. 
Turkestän.    2.   Karte  Turkestän's  von  Struve.    10.  Das  südliche  — . 

47.   Fruchtbarkeit  des  Landes.   48.   Bezeichnung  als  russische 

Provinz.  94.  Errichtungdes  Generalgouvernements  — .  104—105. 
Turkestän,   Ost—.    13.   58—60.   über  die  Bevölkenmg.  62.70.   von 

Yakub   Beg  erobert.    110.    111. 
Turkmenien,   siehe :   Turkestiin. 
Turkomanen.    23.    44.    47.   67  —  69,    mit    Cliiwa    verbunden.    107. 

erheben   sich  gegen   Chiwa.    132.    134.    179. 
Turkomanische  Wüste,   beschrieben.   31.   44. 
Turktataren.    61. 
TuSj  siehe:  Meschhed. 

Uesük,  Nebenfluss  des  Bi.   37. 

Ulu-Darjä.   45. 

Ulu-Tagh,   in  der  Kirghisensteppe.    33. 

Umbala,   Durbar  zu  — .    149 — 151. 

Um-el-Biläd,   siehe:   Balch. 

Ummy.    106. 

Ural-Gebirge,   südliche  Ausläufer  geognostisch  aufgenommen.    6  — 13. 

Usturt  seine  Foi-tsetzung.    15.    33.   66.    197. 
Ural,   Fluss.   9.   Jaik  (DaLx  der  Alten).    12.   71. 
UraFsche  Kosaken.    7.    9. 

Uralsk,  Fort.  Seine  Gründung.    78.   82.    127. 
Uratypa,    bochärische  Festung,    von   den  Russen    genommen.    103. 

Deputation  der  Stadt  an  den   Czar.    104. 
Urga,  in  China.   76.    200. 
Urgendsch,   Stadt.   20.    1221  belagert  durch  Oktai"  Chan.  21.  24— 25. 

68.  107. 
Urmia-See.  6. 
Urumtsi,   in   der  Dsungarei.   Ausbruch  der  Dungani-Rebellion   in  — . 

110.    130. 
Usbeken.   44.   47.   64.   Meyendorf!'  über  die   — .   66.   Uwe  Stämme, 

67.   Druck  der   —   in   Chokan.    79.    179. 


232  Alphabetisches  Register- 

Usch  - Tiirfixn ,    Stadt   in    Ostturkcstaii.    Seite.    55.   60.   erobert  von 

Yak  üb   Beg.    111. 
Ushamala.    134. 
Usruschnah,  in  Bochära.   45. 
U.st-Urt,   Hochebene.    6.     Dandeville'.s  Karte  des  — .   7.    Bescbrei- 

biing  der  Hocbebenc   — .    14.  Fortsetzung  des  Ural.    15  — 16. 

34.   Zufluebtsort  Iscbed  Kutcbar's.   82.    132. 
Utscb-Kajuk.    8.   41.   93. 
Utwa,   Flüsschen.    8.  -* 

Vslmbery  Hermann,  Reisender.  4.  beschreibt  das  Oghüz.  23.  seine 
Schilderung  der  Lehmsteppe  von  Bochara.  30.  über  den  Amu- 
Darjä.  43.  44.  über  die  turkcstruiischen  Steppeidandcr.  47 — 50. 
über  die  Turkonianen.  67 — 69.  155.  über  Englands  mtiham- 
medanische  Verlegenheiten  in  Indien.  162.  164.  175.  176. 
177.    178.    194.   201. 

Vanghan,   englischer  Oberst.     166. 

Victoria-Lake,   siehe:   Ssary-Kul, 

Vivlen   de   Saint  Martin,   über  den    Oxuslauf.     18. 

Vulkane.    Keine  im  Tian-Schan.     11. 

Wahabis.     162. 

Wakhan-Thal.    63. 

Walichanovv   Tsch.,   über  Ostturkestan.    59. 

Wazeeree-Hügel.   148. 

Wein  am  Ssyr-Darjtl.    41.    42.   im  Hinduh-Kuh.    52. 

Wcniukow  bestimmt  die  Form  des  Issi- kul.     7.    191. 

Werdi   am   Chabur.     185. 

Wiernoje,  Fort,  errichtet  1854.  6.  10.  Blüthc  der  Stadt.  38.55.56. 
84.   86. 

Wilna.  Nordv\'estlichc  Section  der  k.  k.  russ.  geograph.  Gesell- 
schaft.   5. 

Wilde,   englischer  Connnandant  im    Huzura-Feldzuge.     166. 

Wirbelsturm   in   der  W'üstc.    32. 

Wochan.    Bergland.    44. 

Wolga,    Strom.    8.    14.   24.   25.   32.   66.    71.    125.    127. 

Wood,  John,  Lieutenant,  Reisender.    1838.    4.   51. 

Wüsten,   centralasiatischc.    29 — 38. 

Yak.   2. 

Yakub  Chan,    siehe:   Muhanuned  Yakub   Chan. 
Yakub   Inag,   bocharischcr   General,    153. 
Ya(iut.    Seine  Beschreibung  von  Mangyschlak.    21. 
Yärkand,  Stadt  in  Ostturkestjui,  besucht  1603  von  B.  Goes.    3  —  59. 
62.   63.    64.   74.    108.    110.    111.    118.    129.    133. 


Alpliabotischos  Rogistpr.  2233 

Tccldo,    Seite   200. 

Yedseliar.    Schlaclit  bei   — .    09—101.    103. 
Yezd.    6. 

Yeznn-Dampa  der  Sokpo-Kalmyken.   76. 
Yklyk,  Nebenfluss  des  Ili.    37, 
Yomult,   Turkomanenstamm.    68. 
Yoxing-Babadur.     157. 
Yue-tscbi,   Tatareiistamni.     62. 
Yiieii-iian.    192.    195.    196. 

Yule,   Oberst,   in  der  Frage    des  Aralsees.    18.  über  die  Expedition 
des  Zemarchiis.   20.    —   über  die  Asia-Ecisenden.   24.  25.  27. 

Zaräfscbaii,   siebe:   Zerafscban. 

Zemarchus.    Seine  Expedition   niissverstanden  von  Y'nle.    20. 

Zerafscban,    Hiiss.    Seine    Culturfläcben.     30.    4  5,    seine    Ufer    4Vt. 

54.     104.    Russen    am    — .     112.     Abrnniow's     Eypedition    an 

die   QnelJen   des  — .    128.    129. 
Ziele   der  rnssiscben  Politik  in  Asien.     ISO. 
Zihn.     76. 
Zweigvereinc   der  k.   k.   russ.   geograph.   Gcsellscbaft.    5. 


29 


F 


R  R  Ä  T  A. 


Seite  4 

Zeil 

e  9 

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oben 

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