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. * •••-*/
ßüSSISCHE EEYÜE
MONATSSCHRIFT
FOr die KUNDE RUSSLANDS
Herausgegeben
▼on
Oarl IROttg^r«
XIIL BAND.
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ST. PETEBSBÜBG
Kaiserliche Hofbuchhandlung H. SCHMITZDORFF
1878
STANflMO üNivminY
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V, 13
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/(osBOJieHo qeiiaypoK). — 6,*neTep6yprb, 30-ro A^KaÖpn 1878 roA^.
' ' • ' ■•/yyyyyyyy.'yy^y-.'-yyyyy y^y-^yyy y y^ /- y y y-y - ^- y y y ■ f- y y y .^ j
Budidnickerei von Röttger & Scunüdbr, Newskij-Prospekt H 5.
0
Inhalts -Verzeichnisse
i^^ytOiUu ^Ci ^t Seite:
_,,^Statistische Uebcrsicht der NIontanindustrie Ru^slands
in den Jahren 1868 — 1876. V ovi C, Skalkowsky . . i — 40
..^^ur Literatur überRussisch-Turkestan. Von YroLAlexan-
der Petz/ioldt . 40 — 63
152—185
.251 — 269
^üebersicht der russischen historischen Literatur für die -^^^-^
Jahre 1874— 1876. Von Prof. W. Ikonnikan;. Das
Jahr 1 874 (Schluss) 63 — 78
Das Jahr 1875 270—279
V 1^ ^^76 . . . . • 451—460
Die wissenschaftlichen Expeditionen der Kaiserlichen
Geographischen Gesellschaft im Jahre 1877 ... 78—86
Der Weinbau Russlands mit statistischen Nachweisen
aus den Jahren 1870 — 1873. Von y. v. Bock . . . 97 — 130
^^ loOfl 237—251
WU^ 320—34 5
^JVltslavische Kreuz- und Rebensagen. Von Prof. A/exan^ ^r^^
der Wesselofsky . . TT 130— 152
Die zoologische Reise von J. W. MuschkeUnu nach dem
Alai und nach Pamir im Jahre 1877 185 — 191
^^Fürst W. W. Golizyn (1643 — 1714). Eine biographische
Skizze. V^oviVvoi, A, Brückner . • 193 — 223
289—320
Karategin. Ein Beitrag zur Kunde von Central- Asien.
Von G. Arandarenko 223 — 236
^^in neues Werk über den Krimkrieg 345 — 361
>^Kurze Charakteristik der Klein-Russen. Von J, Tschn-
bifiskij . 361 — 378
^JDie Bedeutung der einzelnen Gouvernements Russlands
hinsichtlich ihrer landwirthschaftlichen Produktion.
YonF.Matthäi 385—435
481-538
Die projektirte Anthropologische Ausstellung in Moskau
imJaÄre 1879. Von Prof. Z. 5/^^ 436 — ^451
^JMe grusinischen Volksfeste 460 — 468
Seite.
Die russische Gesetzgebung über die Tabaksbesteuerung 468 — 476
Ueber die Ausführung des Reichs-Budgets vom Jahre
1877. Nach dem Rechenschaftsberichte des Reichs-
Kontrolleurs. Won^T. Alfred Schmidt. 539 — 572
Kleine Mittheilungen:
Der Handel mit Scbafepehen imRrebeSchuja, Gouvernement Wladimir,
im Jahre 1877 86
Die Tabaksproduktion in Russland inilen Jahren 1873 — 187$ ... 87
Käsehandel und Käsebereitung in Russland 88
Die Thätigkeit der Kaiserlich Philantropischen Gesellschaft in den
Jahren i874-*t876 « • 279 — 280
Zur Statistik der Güterbewegung im Gouvernement St Petersbnzg in den
Jahren 1867— 1876 • • . 280—283
Des Hm, A. Majew zweite Fahrt nach Bucharm • • • 378—379
Ssewerzew*8 Reise nach Pamir • . • 379"38l
Statistische Notizen ttber den Grundbesitz im Gouvernement Tula gegen
Ende des Jahres 1877 • . • 476 — 477
Zur Handelsschifffahrt auf der Lena 573
Aktiengesellschaften 573
Die Goldausbeute in Finland 574
Literaturbericht:
Russisches ency9lopädisches Wörterbuch, herausgegeben von y, N,
Beresin 89—91
Jahresbericht der «Kaiserlich Freien Oekonomischen Gesellschaft» fUr
1877 91—93
Die Erdkunde von C Ritier. Uebersetzt im Auftrage der Kais. Russ.
Geogr. Gesellschaft, mit Ergänzungen, welche eine Fortsetzung des
Werkes von Ritter, auf Grund der vom Jahre 1832 an veröffentlichten
Materialien • , . 191—192
Eine Skizze der Geschichte der MUitärgerichts-Institntionen in Russland
bis zum Tode Peter*s des Grossen von M. P, Rosenheim .... 282 — 284
^^^t-mssische Ueder, gesammelt von Kirscka Doniiow ..•••• 477-~'478
Revue Russischer Zeitschriften 93 — 95
284—286 381—383 478—480 575
Russische Bibliographie . . 95—96 192 287—288 383 480 576
Berichtigung zum Artikel: «Der Weinbau Russlands» 384
Druckfehlerverzeichniss zum Aufsatz: «Zur Literatur Aber Russisch*
TurkesiTan» « • 384
statistische Uebersieht der Montanindustrie
Rnsslands
in den Jahren 1868—1876.*
Von
C. Skalkowsky.
Bergingenieur, Sekretär des wissenschaftlichen Komite*s beim Berg-Departement.
I. Allgemeine Bemerkungen.
Russland ist in Bezug auf Masse und Verschiedenheit der Metalle
und Mineralien, die sein Boden enthält, ungewöhnlich reich. Der Ural,
der Altai und das Gebirge von Nertschinsk, welches als die Fort-
setzung des letzteren betrachtet werden kann, müssen zu den metall-
reichsten Gegenden der Erde und besonders zu denjenigen gerech-
net werden, welche die grösste Aussicht auf Unerschöpflichkeit bie-
ten. Man gewinnt hier Gold, Piatina, Silber, Kupfer, Blei und Eisen.
Wenn die Goldgewinnung aus den Alluvialbildungen des Ural auch
einst aufhören sollte, so scheint das Gold in denen Sibiriens, wo man
beständig neue entdeckt, unerschöpflich zu sein. Was die goldfüh-
* Wir verweisen zugleich auf die, in den «Statistische und andere wissenschaft-
liche Mittheiiungen aus Russland VII. Jahrgang» veröffentlichte Arbeit des Hm.
V. BocV: «Uebersieht der Berg- und Hüttenproduktion Russlands in den letzten 12 Jah-
ren 1860—1871» und auf die in der «Russ. Revue» publizirten Arbeiten: Band II«
S. 369 — 372: Die russische Montanindustrie im Jahre 187 1. Band IV. S. 30 — 52: Die
Steinkohlen-, Torf- und Naphtba-Gewinnung in Russland in den Jahren 1860 - 1871.
Von J. von Bock, Band VII. S. 523— 557, Band VIII. S. 236-266: Die Fortschritte
der geologischen Beschreibung Russlands in den Jahren 1873 ^^^ 1^74* Von Prof.
Barbot de Mamy. Band IX. S. 445 — 449 : Der Handel mit Metallen und Produkten
der Montanindustrie Russlands im Jahre 1874. Band X. S. 522 — 550, Band XL S. 35
bis 60: Die Fortschritte der geologischen Beschreibung Russlands im Jahre 1875. Von
Prof. Barbot de Marny. Band XI. S. 269 — 277 : Die Montanindustrie Russlands im
Jahre 1875. ^* ^««1-
IUm. Bevve. Rd. XIII I
renden Gänge anbetrifft, so werden sie erst in neuester Zeit, und
7.war ausschliesslich im Ural exploitirt.
Das Piatina, obgleich ein steter Begleiter des Goldes in allen Ab-
lagerungen, zeigt selbstständige nur an einem Orte des Ural, aber
es ist nicht unwahrscheinlich, dass man deren noch mehr in Sibirien
■
entdeckt.
Silber muss sich in grossen Mengen in den Thälern des Altai und
in denen von Nertschinsk finden, die kaum erst von wenigen Reisen-
den besucht sind, und deren geologische BeschafTenheit denjenigen
Gegenden analog ist, in denen Bergwerke [bereits exploitirt werden.
Dasselbe gilt voni Blei. Herrliche Kupfererze kommen nicht nur
im Ural und Altai, sondern auch im Kaukasus, in Finland und in
den Kirgisensteppen vor. Was die Eisenerze anbetrifft, so würden
allein diejenigen, welche man am Ural kennt, zu einer unbegrenzten
Ausbeute hinreichen, ausserdem kommen dieselben im Ueberfluss
in einzelnen Theilen des Altai, bei Nertschinsk, in einzelnen Gouver-
nements Central- und Süd-Russlands, im Königreich Polen, in Fin-
land, im Norden Russlands etc. vor. Die Zinkgruben im Königreich
Polen sind vielleicht die reichsten Europa^s.
An Mineralprodukten hat Russland gleichfalls einen Ueberfluss.
Das Vorkommen von Edelsteinen im Ural, Altai und Nertschinsk,
die enormen Steinsalzablagerungen, die zahlreichen Salzseen, Stcin-
kohlenbassins, die kaum erforscht sind, aber zu den ausgedehntesten
der Erde gehören, die reichen Petroleumquellen im Kaukasus etc.
setzen Russland unter die ersten, an Mineralprodukte reichsten Län-
der. Ungeheure Wälder umgeben diese Mineralschätze und können
(neben der Steinkohle) zur Erweiterung ihrer Exploitation genügen.
Der jährliche Verbrauch der Hüttenwerke ist im Jahre 1872 auf
2,216,895 Kubikfaden Holz und auf 102,423,100 Pud Holzkohle be-
rechnet worden. Die Bevölkerung, obgleich dünn in den entfernten
Gegenden, genügt bereits für die Arbeiten und für eine beträchtliche
Produktion und ist im Zunehmen.
Die Hüttenindustrie ist noch weit davon entfernt, allen seinen
Bedürfnissen zu genügen. Indessen ist dieser Zustand nur ein augen-
blicklicher; denn Alles berechtigt zu der Hoffnung, dass in Kurzem
Russland in der Montanindustrie wieder den ehrenvollen Platz ein-
nehmen wird, den es am Ende des vorigen und zu Anfang des jetzi-
gen Jahrhunderts in Europa besass.
Zu den Ursachen, welche die Entwicklung der Hüttenindustrie
verzögert haben, muss gerechnet werden:
1. Die (1861 aufgehobene) Leibeigenschaft, deren Arbeit wenig
produktiv ist, so wie der Besitz und die Verwaltung der Hütten in
den Händen von Grundeigenthümern und nicht in denen von Indu-
striellen.
2. Der Mangel an Eisenbahnen und in Folge dessen auch der
Mangel an Bestellungen von allem Eisenbahnmaterial. Der Bau von
Eisenbahnen hat in Wirklichkeit erst im Jahre 1866 begonnen und
hauptsächlich mit, aus dem Auslande importirtem Material.
3. Die fast ausschliessliche Anwendung von vegetabilischem
Brennstoff in den Hüttenwerken. Man benutzte die Steinkohle nur
in den Hütten Süd-Russlands, theilweise in Polen und in St. Peters-
burg.
Der einzige Zweig der Montanindustrie, der von obigen Ursachen
nicht beeinträchtig^ worden ist, ist die Goldgewinnung, die seit
dreissig Jahren sich beständig weiter entwickelt. Uebrigens möch-
ten wir bemerken, dass diese Zeit des Stillstandes in unserer Montan-
industrie ihre Einwirkung nur auf die Quantität der Produkte^ nicht
aber auf ihre Qualität zeigt, denn was die letztere betrifft, so ist
unsere Hüttenindustrie, mit kaum einigen Ausnahmen, hinter der
anderer Länder nicht zurückgeblieben.
Heute können alle Umstände, welche die Entwickelung gestört
haben» als beseitigt betrachtet werden. Die Leibeigenschaft ist auf.
gehoben; der Betrieb der Werke ruht schon meist in den Händen
von Industriellen ; die Uebelstände der früheren Berggesetze ver-
schwinden von Tag zu Tag. Ausserdem hat die stetig zunehmende
Ausbreitung unseres Eisenbahnnetzes (19,281 Werst, ohne Finland
zu rechnen) schon verschiedene Werke für Herstellung von Schie-
nen, Lokomotiven, Waggons etc. entstehen lassen.
Das Aufsuchen und Studium der Steinkohlen, an denen unser
Land so reich ist, wird mit grossem Eifer fortgesetzt, und man be-
ginnt bereits dieselbe im grossen Maassstabe zu exploitiren und zu
verwenden.
Der Gegenden, die reich an den verschiedensten Bergwerken
sind, sind Viele, am bemerkenswerthesten aber ist der Reichthum
des Bodens in folgenden Gouvernements. In erster Linie stehen die
Gouvernements Perm, Orenburg und Ufa, die vom Ural durch-
schnitten werden; dann die von Wjatka, Nishnij -Nowgorod, Tam-
bow, Wladimir, Rjasan, Pensa, Kaluga, Tula, Orel, Olonez, Minsk,
Wilna, Jekaterinoslaw und das Land der donischen Kosaken. In
Finland: die Gouvernements Wiborg, Abo, Nyland, Kuopio. In
Sibirien t die Gouvernements Tomsk, Jenisseisk, Jrkutsk, das trans-
baikalische und das Amur-Gebiet. Im Kaukasus: die Gouverne^nents
Baku, Tiflisy JelissaWetpol, das Terek- und das Kuban-Gebiel und
im Königreich Polen sind die Gouvernements Piotrkow, Kjelzr . Ra-
dom, Ljublin für die Montanindustrie die wichtigsten. Das iierg-
departement veröfTentlicht alljährlich (unter der Redaktion des Ver-
fassers der vorliegenden «Mittheilungen*) die Nachweise über die
Produktion der Berg- und Hüttenwerke seines Ressorts, und diese
Daten gewähren möglichst genaue Auskunft über diesen Zweij der
russischen Industrie. Der internationale Kongress in Haag hat RubS-
land die Arbeiten der internationalen Bergwerks-, Hütten- ur i :ia-
linenstatistik übertragen.
2. Technische Fortschritte.
Aus der Zahl der, in der russischen Schmelzkunst eingeführten
wichtigen Verbesserungen können wir folgende erwähnen :
1. Die Darstellung von Gussstahl im grossen Maassstabe ui.J <.'.ie
von Stahlgeschossen von grossem Kaliber.
2. Die Einfuhrung von Schmelzöfen nach Seemens, Lundin e«.c.
und die Versuche der Darstellung von Stahl- und Stahlsch.enen
nach dem Verfahren von Martin, die vollkommen gelungen sind.
3. Die Anwendung des Bessemer-Prozesses.
4. Die Herstellung von Gussstahlgeschützen mit einem Kaliber
von 20 Zoll| nach dem amerikanischen System.
5. Der Bau von Panzerschiffen wie ihrer Blendungen und von I o-
komotiven.
In Bezug auf Güte geniessen das russische Eisen, besonders das
Eisenblech, und das Kupfer einen Weltruf.
Der bekannte österreichische Metallurg Hr. v. Tunner sagt in der
Einleitung seines Buches über die Montanindustrie Russlands Seite
5: «Zur Ehre der russischen Bergingenieure muss ich jedoch aus-
drücklich hervorheben, dass sich das Zurückbleiben in der Ei.^n'.n-
dustrie nur auf die Grösse der Produktion bezieht. Ich war wi. kli>.h
angenehm überrascht, sowohl in der Ausstellung zu St. Petersburg;
wie auf den einzelnen Hütten alle die neueren und neuesten Ver-
besserungen und Erfindungen in der Technik des Eisenwesens re-
präsentirt zu sehen, und theilweise so vollkommen, dass sie in allen
anderen Staaten als mustergiltig angesehen würden*.
Dieses Lob ist vollständig durch den Beifall bestätigt worden, den
s__
sich die Produkte der Staats- und Privathüttenwerke auf den Welt-
ausstellungen in Wien 1873 und in Philadelphia 1876 erworben.
Die Technik des Goldwaschens bleibt in Nichts hinter der von
Kalifornien und Australien zurück und eine besondere Aufmerksam-
keit * erdient die beständig zunehmende Ausbeute des goldführen-
den Quarzes im Ural.
Da^ Bergdepartement entsendet beständig Ingenieure nach West-
Eurooa und Amerika, um sich in der Bergwissenschaft zu vervoll-
kc umnen.
3. Kenntniss der Geologie des Landes.
Das Bergdepartement leitet die geologischen Arbeiten in Russ-
land. Hr. Akademiker v. Helmersen hat eine geologische Karte von
Rüssland zusammengestellt und die verschiedenen Auflagen dersel-
ben sind durch die neuesten Forschungen vervollständiget worden ^
Unter den bemerkenswcrthesten geologischen Arbeiten der russi-
schen Bergingenieure sind zu erwähnen die Karte der Steinkohlen-
foimtttion am Ural von Hrn. Prof. Moeller, der, unterstützt von meh-
reren Ingenieuren, mit der Ausarbeitung einer noch ausführlicheren
Karte derselben Gegend beschäftigt ist; die Karte des Steinkohlen-
bassiis des Donez von Antipow, Sheltonoschkin und Wassiljew für
die östliche Hälfte und die von Nossow für die westliche Hälfte des
Ba^ns; die geologische Karte des Kaukasus von Hrn. Abich, die
jef xt durch die geologischen Expeditionen, welche die Verwaltung
der Bergvölker des Kaukasus unternommen, vervollständigt wor-
den ASt Auf diese Weise ist bereits eine genaue Beschreibung ge-
^ isse^r Gegenden der Gouvernements Baku, Eriwan, Kutaiss, des
Terekgebiets und der .Gegend von Ssuchum veröfTentlicht worden.
Dif: Ligenieure Hr. Struve und Hr. Lahusen arbeiten an einer de-
tai Uli .en Karte des Kohlenbassins in Central-Russland, welche sich
auf ihre eigenen Untersuchungen stützt. Die Hrn. Ingenieure Karpin-
ski ,',(iebauer uäd Brusnitzin sind mit der Ausführung einer ähnlichen
Karte für die Ostseite des Urals, die noch wenig untersucht worden
ist beschäftigt Hr. Karpinskij hat ausserdem den südlichen Ural,
die Gnjuvemements Pskow und Charkow untersucht. Femer heben
wir n,x:h hervor die geologischen Arbeiten der Hrn. Jeremejew und
t Geologische Karte von Kussland (reoJioruqecicai Kapra Poccih). Mit Text in deut-
scher und russischer Sprache. St. Pbrg. 1873. Verlag der Kaiserl. Hofbuchhandlung
II. Sei oitzdorfll
Lahusen im Gouvernement Twer; die von £arbot de Marny in den
Gouvernements Astrachan, Chersson, Podolien, Wolhynien, Woro-
nesh^ etc. und im Norden Russlands; dann die Leistungen der Hrn.
Jerofejew und Kusnezow über die Petroleumquellen und Schwefel-
lager an der Wolga; diejenigen von Hrn. Moeller in der östlichen
Fermformation Russlands und bei Nishnij-Nowgorod. Dann sind
weiter noch zu erwähnen die Arbeiten der Mineralogischen Gesell-
schaft in den Gouvernements St. Petersburg, Kasan, Olonez, Ssim-
birsk; diejenigen von Hrn. Romano wskij über das Moskauer Stein-
kohlenbassin, über die Krim, die Wolga, das Gouvernement Oren-
bürg, das Königreich Polen, die Gegend des Kuban-Gebiets; die
von Hrn. Muschketow über den Ural ; der Hrn. Domguer, Franzke-
witsch, Kutschinskij u. A. über das Granitgebiet des südlichen
Russland; des Hrn. v. Helmersen über die Braunkohlen- und Bern-
steinlager im Nord- Westen Russlands. Ausserdem sind noch vielfacher
Bohrungen in verschiedenen Gegenden des Reiches, hauptsächlich
auf Steinkohle und Steinsalz, zu erwähnen.
Bergingenieure machen auf Staatskosten Studien und Untersu-
chungen im Amurgebiet, auf der Insel Sachalin, und in den weiten
Gebieten, die zuletzt in Central-Asien erworben worden sind, so im
Chanat Chokand, in der Provinz Kuldsha, in der Gegend von Sa-
markand und im Lande der Turkmenen. Man baut hier bereits
Kohlenbergwerke. Unter den Bergingenieuren, die sich bei die-
sen Arbeiten auszeichneten, sind zu erwähnen die Hrn. Romanowskij,
Muschketow, Barbot de Marny, Tatarinow, Anopow, Koeppen,
Mischenkow, Nikolskij, Koschkul, Dawydow etc.
Diese, übrigens noch unvollständigen Mittheilungen zeigen, dass
die bis jetzt in Russland unternommenen geologischen Forschungen
recht zahlreich sind; indessen entbehren sie eines gemeinsamen
Planes und das Bergressort sieht die Nothwendigkcit voraus, iii
St. Petersburg ein geologisches Institut zu gründen, welches dem
«Geological Survey» in London und der «Geologischen Reichsan-
stalt» in Wien ähnlich sein solP.
' Wir glauben nm so mehr hoffen zu dürfen, dass die Errichtung eines solchen Insti-
tuts, fUr welches sowohl Hr. v. Helmersen als auch der unlängst verstorbene Prof.
Barbot de Marny lebhaft eingetreten sind, bei eintretendem Frieden bald stattfinden
werde, als der Hr. Minister d«^r Reichsdomänen der Sache die wärmste Theilnahmc
schenkt. Die Red.
4. Bildungswesen.
Das Bergressort veröfTentlicht seit dem Jahre 1825, das monatlich
erscheinende cBergjournal», und pubUzirt ausserdem verschiedene
Werke über die Geologie Russlands, über Metallurgie, Mechanik
und Statistik des Bergwesens. Das Berginstitut in St. Petersburg,
welches 1773 gegründet wurde, ist 1865 nach dem Vorbilde der
ausländischen Bergakademien umgestaltet worden. Es umfasst zwei
Fakultäten: für Berg- und Hüttenwesen. Es ist aufs Reichhaltigste
mit allen Hülfsmitteln ausgestattet. Die Zahl der Professoren betrug
1876 — 1877 an 26 und diejenige der Studirenden 335. In Jekateri-
nenburg» Barnaul und Lissitschansk gibt es Bergschulen, um Aufse-
her und Steiger heranzubilden und in jedem Bergwerksdistrikt eine
technische Schule. Die Schulen wurden 1876 von 657 Schülern be-
sucht; ausserdem hat man 1877 eine neue Steigerschule gegründet,
die mit der, im Süden gelegenen Steinkohlengrube von Korssun,
vereinigt ist. Das chemische Laboratorium des Finanzministeriums,
sowie die Laboratorien von Jekaterinenburg, Barnaul, TiSis, Nowo-
tscherkask und Taschkend beschäftigen sich mit Mineralanalysen
und solchen der Minenprodukte.
5. Gesetzgebung und Zolltarif.
Das Bergdepartement, welches früher zum Finanzministerium ge-
hörte, ressortirt seit dem Jahre 1874 zum Domänenministerium,
dessen Chef, der Staatssekretär Walujew, der Entwicklung der
Montanindustrie einen starken Impuls gegeben hat. Die Berggesetze
sind der Gegenstand der Arbeiten einer ad hoc ernannten Spezial-
kommission geworden. Das Bergdepartement ist theilweise um-
gestaltet worden. Im Jahre 1870 wurde ein neues Gesetz für die
Goldwäschereien publizirt, ferner wurden veröffentlicht verschiedene
Gesetze über die Ausbeute des goldführenden Quarzes, über das
Eigenthumsrecht des Erdinnern im Königreich Polen, über die Ver-
äusserung aller Petroleumquellen und einiger Staatshütten und
Bergwerke im Ural und in Polen. Alle, dem Staate gehörigen Gold-
minen und Salzwerke sind bereits Privatleuten zur Exploitation
übergeben worden. In- einzelnen Gegenden hat man eine spezielle
Bergwerkspolizei eingerichtet und man arbeitet an einem neuen
Berggesetz.
Den Grundprinzipien nach ist die Bergge^etzgebung in Russland
f
t
8
sehr liberal und gestattet die Einmischung des Staates in die Privat-
industrie nur in wenigen Fällen, da auch das Erdinnere meistens
dem Grundeigenthümer gehört. Im Jahre 1869 sind die Bergwerks-
abgaben bedeutend ermässigt worden; 1874 hob man die Abgabe
vom Piatina auf und 1876 diejenige vom Golde und den Mineralpro-
dukten, wie auch die des Erdöls 1877. Die Bauern, welche zu den
Bergwerken gehörten, haben 1861, zur Zeit ihrer Emanzipation,
Land zuertheilt erhalten, während die Bergwerks- und Hüttenarbei-
ter einer grossen Anzahl von anderen Vortheilen theilhaftig wurden.
Ihre Lage ist im Allgemeinen eine befriedigende. Der Mangel an
Arbeitern, der sich überall fühlbar gemacht hat, Hess den Tagelohn
bedeutend steigen. Die Arbeiter interessiren sich immer mehr für
Spar- und Leihkassen, die von dem Bergressort errichtet wurden.
In den Staatshüttenwerken gab es 1876 an 17 Spar- und Leihkassen,
die 6448 Mitglieder zählten und ein Grundkapital von ca. 254,800
Rubel besassen.
Die Bergingenieure sind gleichfalls gut bezahlt und ausser den
gewöhnlichen Pensionen, die selbst diejenigen Kronsingenieure er-
halten, welche im Privatdienst stehen, haben sie noch eine spezielle
Unterstützungskasse, die von der Regierung reich dotirt ist. Ihr
Kapital belief sich 1877 auf die Summe von 1,297,417 Rubel.
Den Erzeugnissen der Montanindustrie und den Metallarbeiten ge-
genüber vertritt Russland im Allgemeinen den Schutzzoll. Es exi-
stirte indessen eine Ausnahme für Maschinen, die früher zollfrei
einkommen konnten, aber seit dem Tarif von 1868 mit einer Abgabe
von höchstens 7*/« pCt. besteuert werden. Dieses Schutzzollsystem
erreicht nicht seinen Zweck, weil die ausländischen Metalle und
Metall- Fabrikate und die Maschinen, die für im Bau begriffene
Eisenbahnlinien bestimmt sind wie für mechanische Werkstätten,
seit 1861 keinen Eingangszotl bezahlen. Um der einheimischen
Industrie einen energischeren Schutz zu gewähren hat die Regie-
rung augenblicklich nicht nur die freie Einfuhr von Metallen und
Eisenbahnbestandtheilen aufgehoben, sondern hat auch, um zur
Darstellung von Stahlschienen und Lokomotiven in Russland zu er-
muthigen, Prämien ausgesetzt. Ausserdem hat die Regierung grosse
Bestellungen zu, für die Industriellen höchst vortheilhaften Preisen
gemacht. Endlich hat die Bestimmung, die Zollabgaben seit dem
I.Januar 1877 >" Gold statt in Papiergeld bezahlen zu müssen, die
Maassregeln des Schutzzolles vervollständigt.
6. Russlands Handel mit den Produkten der Montan-
industrie.
Die einheimische Produktion genügt nicht der gegenwärtigen
Nachfrage in Russland, wesshalb die Nothwendigkeit vorhanden ist
aus dem Auslande und besonders aus England, Deutschland und Bel-
gien Metalle, Mineralien u. s. w. einzufuhren.
Der auswärtige Handel 'R^xss\^xi^LS im Jahre 1876 zeigt folgende
Ziffern:
Import
Piatina . .
Kupfer . .
Blei . . .
Zink . . .
Gusseisen .
Schmiedeeisen
Stahl . . .
Petroleum .
Salz . . .
Steinkohle .
Metallfabrikate
Maschinen . . .
Gold- und Silber-
fabrikate . . .
aus Europa
Pud.
357*644
1,354.229
36,724
2,965.032
8,622,736
10,320,349
2,622,486
17,279,925
88,189,206
Rubel.
26,825,336
27,^54,897
aus Asien
Pud.
1,091
9.769
851
4,900
3.164
3.193
696
48,55s
Rubel.
133.952
60,039
Export
nach Europa nach Asien
Pud.
66
12,304
380
858,546
4,330
2,919
34,475
f
Rubel.
140,149
127,023
Pud.
6,622
240
105,107
94,948
10.343
90,354
13.835
Rubel.
293,710
501,387 1,344 424,425
1,650
Unter den Erzeugnissen der Montanindustrie, die von Kuropa aus
eingeführt werden^ sind Steinkohle, Gusseisen, Schmiedeeisen, Stahl,
Kupfer und Salz die wichtigsten. Nach den einzelnen Ländern ver-
theilt zeigt der Import von 1876 folgende Daten:
Ousseisen. Pud.
England .... 1,920,267
Deutschland. . . 561,282
Schweden u. Norwegen 214,029
Italien 48,303
Belgien u. Holland 7.937
Schmiedeeisen.
Deutschland . . . 3.469,666
Steinkohle.
Pud.
England ....
63,467,021
Deutschland . . .
22,606,138
Oesterreich . .. .
1,054,384
Türkei
415.232
Frankreich . . .
90,097
Italien
17,980
Belgien ....
1,220
10
Pud.
England .... 2,987,677
Belgien u. Holland 1,250,933
Frankreich . . . 64,676
Schweden u. Norwegen 39,734
Oesterreich . . . 3 3 1465
Stahl- und Stahlsohienen.
England .... 5»283;332
Deutschland . . . 2,493,594
Belgien u. Holland 1,208,938
Rumänien . . . 358,894
Frankreich . . . 79,316
Schweden u. Norwegen 3S»2o6
Kupfer.
England . . . . 177,129
Deutschland
Frankreich
Holland
Oesterreich
Deutschland
England .
Oesterreich
Spanien ,
Portugal .
Schweden u.
Rumänien
Italien . .
Frankreich
Pud.
125,115
22,736
1,368
1,223
SalE.
. . 7,024,501
. . 4,690,004
. . 1,540,168
• • 1.433.63 1
. . S97i3"
Norwegen 203,218
. . 87.394
. . 66,719
66,446
Belgien und Holland sind zusammen angeführt, weil Holland, mit
Ausnahme des Kupfers, wahrscheinlich belgische Metalle exportirt.
Innerer Handel.
Für den inneren Handel mit den Bergwerksprodukten ist der
Jahrmarkt von Nishnij-Nowgorod der Hauptstapelplatz aller Hütten
des Ural und der meisten Hütten aus den Umgegenden Moskaus.
Die Metalle kommen auf dem Wasserwege dahin entweder stromab-
wärts oder stromaufwärts auf der Wolga, der Oka, der Kama, der
Wjatka, der Belaja und der Tschussowaja.
Während der letzten zehn Jahre hatte der Handel auf dem Jahr-
markt von Nishnij-Nowgorod folgende Gestalt: 1867 hatte der
Metallhandel nur einen geringen Erfolg. Die Preise hielten sich zwar
auf der Höhe des Vorjahres, aber alle Gattungen Eisen wurden in
den meisten Fällen auf Kredit verkauft. Die Eisen- und Kupfer-
geräthe, die gewöhnlich von den Fersern und Armeniern sehr ge-
sucht sind, fanden unter ihnen nur wenig Käufer , und gleichfalls
nicht gegen Baarzahlung, sondern gegen Austausch mit ihren ein-
heimischen Waaren, die dieses Jahr auch keinen Absatz fanden.
Auch sanken die Eisen- und Stahlgeräthe um 3 bis 5 pCt im
Preise, und die aus Kupfer um 2 bis 4 pCt. Mit dem Jahre 1868 be-
gann die Nachfrage nach Eisen zu steigen, ebenso etwas der Preis
für dasselbe, obgleich der Import zunahm. Ein besonderer Umstand
trug zur Erhöhung des Preises bei : fast alles Eisen befand sich in
II
den Händen von 2 oder 3 Grosshändlern. Ebenso wurden die Eisen-
und Stahlsachen um 4 bis ^ pCt. theurer. Dagegen lieferte der
Kupferhandel die schlechtesten Resultate, in Folge des niedrigen
Preises für englisches Kupfer in St. Petersburg. In der That hatte
das ausländische Kupfer nur einen Eingangszoll von 60 Kop. per
Pud zu bezahlen, . während die russischen Fabrikanten für das ihrige
1 RbL 50 Kop. pro Pud Abgabe bezahlten, ohne die Transport-
kosten zu rechnen. Dieselben beschlossen daher auf dem Jahrmarkt
nur den 3. Theil ihrer Waare zu verkaufen. Ebenso wie das Kupfer
sanken auch zu gleicher Zeit die Kupferfabrikate um 2 bis 5 pCt. im
Preise. Diese Zustände dauerten noch 1S69 fort, so dass der
Kupferhandel unbelebt blieb mit einer neuen Preiserniedrigung von
2 bis 3 pCt. Da jedoch die Nachfrage nach Eisen das Angebot
überstieg, so hatten alle Gattungen, desselben einen ausgezeichneten
Absatz mit einer Preiserhöhung von 5 bis 10 pCt. Obgleich die An-
fuhr von Gusseisenfabrikat sich verdoppelt hatte, so wurden sie
dennoch vortbeilhaft verkauft, während die Fabrikate aus Schmiede-
eisen und Stahl wie immer leicht Absatz fanden und zwar um 5
pCt. theurer, als im' vorhergehenden Jahre. Da 1870 die Hütten
nicht das gewöhnliche Quantum Schmiedeeisen geliefert hatten, so
hob sich der Preis desselben um 5 bis 15 pCt, was auch auf die
Fabrikate aus Schmiedeeisen und Stahl Einfluss hatte und den Preis
derselben um 8 bis 11 pCt. steigen Hess. Der Kupferverkauf war
gleichfalls vortbeilhaft, da der Preis gegen das Vorjahr um 3 bis 5
pCt. stieg. 1871 ging der Grosshandel mit Eisen sehr gut, alle
Hüttenprodukte wurden baar und um 10, 15 und noch mehr pCt.
theurer bezahlt; der Detailhandel war ziemlich still. Dasselbe galt
von allen Metallfabrikaten, die, ausser einem schnellen Absatz, wie-
(fer höhere Preise erzielten : Gegenstände aus Schmiedeeisen und
Stahl um 3 bis 5 pCt., aus Kupfer um 2 bis 4 pCt. Dagegen blieb
das Kupfer aus den Hütten des Altai (72,000 Pud) unverkauft in
Folge seiner angeblich schlechten Qualität, wie andererseits das
Kupfer aus verschiedenen Hütten, das dem Handelshause Wogau
u. Co. (35,000 Pud) gehörte, trotz eines gewissen Rabattes,
keine Abnehmer fand. Obgleich der Markt von 1872 sich durch
eine enorme Zufuhr von Eisen aller Gattungen, 4,522,000 Pud,
(1,120,000 Pud mehr als im Vorjahr) bemerklich machte, so wurden
dennoch alle Parthien wie auch die Fabrikate aus Schmiedeeisen bis
aufs Letzte zum Preise von 1871, die Bleche sogar 40 Kop. pro Pud
theurer, verkauft Das Kupfer in Barren (32,155 Pud) wurde vom
12
Hause Wogau u. Co. erworben und stieg in Folge dessen sein Preis
um 2 Rbl. pro Pud. Ebenso stiegen die Kupferfabrikate um lo bis
15 pCt. im Preise. Das Jahr 1873, obgleich für die meisten Artikel
ungünstig, war sehr günstig für das Eisen, wie die vorhergehenden
Jahre. Obgleich die Zufuhr (5,480,000 Pud) diejenige von 1872 fast
um I Million überstieg, so wurde das Eisen vollständig verkauft mit
einer Preiserhöhung für Schmiede- und Blecheisen. Die Handels-
stilte verhinderte nicht, dass die Fabrikate aus Schmiedeeisen und
Stahl um 15 bis 25 pCt. im Preise stiegen.
Die Gegenstände aus Kupfer fanden um 5 bis 10 pCt. theurer,
einen befriedigenden Absatz, wie auch das Kupfer in Barren, das
um 2 Rbl. pro Pud theurer war als 1872, in Folge einer Verminde-
rung der Hüttenproduktion und der Zufuhr.
1874 zeichnete der Markt sich nicht durch Belebtheit aus. Es
wurde etwas weniger Eisen angeführt, als früher (im Ganzen
5,257,000 Pud für 10 Millionen Rbl.) und in Folge der schwachen
Nachfrage fand eine grosse Parthie von 168,000 Pud keinen Käufer.
Im Allgemeinen war der Preis um 10 pCt. niedriger als 1873.
Bleche verloren 50 — 60 Kop. und Schmiedeeisen 20 — 30 Kop.
pro Pud. Die Zufuhr von Kupfer stieg bedeutend (38,570 Pud), es
fand aber keinen günstigen Absatz. Die Metallfabrikate fielen, aus
Mangel an Nachfrage, um 15—25 pCt. gegen das Vorjahr, mit Aus-
nahme der Kupferfabrikate, die vortheilhaft verkauft wurden 1874
nahm die Zufuhr von Eisen wieder zu (5,764,000 Pud für 12 Millionen
Rubel), es fand vollständigen Absatz, mit Ausnahme des Eisens aus
Staatshütten. Der Preis für Bleche und Schmiedeeisen war um 20
bis 40 Kop. niedriger als im Vorjahre. Die Ausfuhr von Kupfer in
Barren beziffert sich auf 44,252 Pud, aber sein Preis fiel um 10 Kop.
pro Pud, nachdem es schon im Vorjahre 50 Kop. pro Pud verloren
hatte. Es wurde nur der achte Theil verkauft, während das Kupfer
vom vorigen Jahrmarkt ohne Käufer blieb. Der Handel mit Eisen-
und Stahlfabrikaten war ziemlich still und 10 — 1 5 pCt. billiger als
im Vorjahr. Dagegen wurden Kupferfabrikate vortheilhaft verkauft.
1876 stieg die Ausfuhr von Eisen bis auf 5,677,70oPud für 10,758,000
Rubel, aber eine bedeutende Parthie, im Werth von 1,321,800 Rbl.
fand keinen Absatz, während die Preise noch mehr fielen. Von
66,958 Pud Kupfer, die auf den Markt gebracht waren, fand ein
grosser Theil, trotz einer neuen Preisermässigung, keinen Absatz.
Die Geschäfte in Eisen- und Stahlfabrikaten waren gering und um
5 -^7 pC^- billiger, als im Vorjahr. Der Handel mit Kupferfabrikaten
war belebter, obgleich ebenfalls zu niedrigen Preisen, in Folge des
Preisrückganges im Auslande.
0
7. Staatseinnahmen aus der Montanindustrie.
Die Staatseinnahmen aus der Montanindustrie sind aus nachfol-
genden Tabellen ersichtlich, deren hauptsächliche Daten dem Budget
des Bergdepartements entnommen sind. Dieses Budget gibt indessen
lange nicht alle Quellen der Staatseinnahmen dieser Gattung an,
denn die Einnahmen aus den Hütten des Altai und von Nertschinsk
und ein bedeutender Theil der Goldabgaben (403,343 Rbl. im Jahre
1876) gehen in die Kasse des kaiserlichen Kabinets; die Bergwerks-
abgaben des Kaukasus und die Accise für Mineralöl gehören zu den
Einnahmen des Spezialbudgets dieses Landes; die Einnahmen für
Prägung der Münzen und für das Recht der Salzgewinnung gehören
dem Finanzministerium ; die Abgaben für den Anthrazit am Don
kommen zum Kapital der Donischen Kosaken (67,892 Rbl. im Jahre
1876); die Bergwerksabgaben in Finland gehören dem Staatsschatze
des Grossfürstenthums etc. Unter den Einnahmen, die im Budget
des Bergdepartements angeführt sind, haben nur die aus den Berg-
werksabgaben, aus den Hütteneinnahmen und den Arbeiten für den
Staat ein allgemeines ökonomisches Interesse. Diese Einnahmen
betrugen während der letzten fünfjährigen Periode:
Einnahmen aus den Staats/tütten.
.
Bestellungen für das
Jahre.
Bergwerksabgaben.
Hütten-
einnahmen.
Kriegs und Marine-
■ ministerium im Be-
trage von
1872
Rubel
2,867,684
4,576,481
4,127,015
»873
»
2,905709
4,756,481
3,652.457
1874
>
2,898,960
3,694,262
4,325,740
* 1875 -
9
2,711,390
4,074.338
3,289,083
1876
■ .
3,078,398
3,196,257
2,850,525
8. Fortschritte in der russischen Montanindustrie.
Die Afontanindustrieist seit den ersten Versuchen, welche in der Mitte
des 17. Jahrhunderts gemacht wurden, erst am Anfange des vorigen
J«ihrhunderts ein wichtiger Produktionszweig in Russland geworden.
u
Btf rar Regietung der Kaiserin Elisabeth eatvackeite sich cfiesc In-
dastiie sAr schnelL Die folgende Periode bis 1860 kann vcgen
poliüscfaer und ökonomischer Ursachen als eise des SdUstandes be-
trachtet werden. In der letzten Zeit hat die Montanindustrie ange-
fangen sich wieder immer schneller zu entwickln. Die fortschrei-
tende Bewegung in dieser Industrie ist aus folgender Tabelle
der letzten 50 Jahre ersichtlsch:
Jahre. GolH,
Silber«
I
. ^ Kupfer. ' Gttsseisen. Sceinkoble.
tina. *^ j
Sa!r. ' Xaphtha.
1830
3S3
1282
185$
393
1212
IK40
458
1280
1845
1307
: 1192
1850
1454
1068
185$
1649
1043
1860
1491
1070
1865
1576
1084
1870
2155
868
1875
«995
601
107 238.99s
105 240004
108 280.918
I , 260,048
9 i 393t6i8
— 1378,618;
61 1315,693
«39 i 253-037
119 306,387
94 ; 222,291
IL 169.328*
ia5oo,i46
i«33«i5«o
IM32,645'
13.892-325
15-310.616
18,174,125
16,046,191
«9i503407
23255,068 ;
I 600,000. ~'f**'393:
.1 • 23^500,000;
875000.27,195,512
? 1 55*476,527
3,160/xxi 24^29,009
2.500,000 32,224^53
8.000,000 26,109*602
12.679,311 29058,933;
22.163.107 29X> 13,458
79,444.328 ! 37,591,399
26l/)00
348.956
337.009
327,166
255000
?
554-291
«.704^55
8,174,340
Um diese Ziffern richtig zu würdigen muss man in Betracht
ziehen^ dass bis zum Jahre 1862 das Bergdepartement weder über
die Bergwerksproduktion in Finland noch in Polen Daten sammelte
noch veröffentlichte, wesshalb diese Länder in obiger Tabelle nicht
mit aufgenommen sind.
9. Statistische Uebcrsicht der Bergwerksproduktion in
Russland^
Die Tabellen, welche wir im Folgenden geben, sind der abgekürzte
Inhalt der Daten, die jährlich von dem Bergdepartement veröffent-
licht werden. Es ist zu erwähnen, dass diese Daten nun immer voll-
ständiger und genauer werden; die Organisation der Statistik der
Montanindustrie begegnet in Russland bedeutend mehr Schwierig-
keiten, als in andern Ländern, wegen der ungeheuren Ausdehnung
des Terrains, auf dem die Bergwerke liegen (einige sind bis 10 und
12,000 Kilometer vom Centrum des Reichs entfernt) und weil einige
von ihnen, die an den äussersten Grenzen Russlands liegen, Bcsi.
tzern gehören, welche nicht einmal der russischen Sprache mächtig
sind.
• I Pud =• Kilogr. 16,3808; i Pfund = Kilogr. 0,40952; 1 S«lolnik = Milligr.
4265; 1 Doli = Milligr. 44.
IS
a) Goldproduktioii aus Goldwäschereien.
Jahre.
Zahl der Orte
Verwaschener Goldsand i
1867
878
968,423,325
1868
4
99J
I
1,177,288,
,244
1869
1129
1.054,570,392
1870
1208
• t
983475,095
1871
978
i,08r,5i8,
,424
1872
1055
1,044,927,585
1873
IO18
954,648,764
1874
IO3S
937.578,045
1875
109?
1,007,293,492
1876
II3Ö
1,022,543,362
Gewonnenes Gold.
Jahre.
Pud.
PAmd.
Solotnik.
Doli
1867
1649
23
30
29
1868
I7II
16
50
81
1869
2006 .
25
72
8
1870
2156
23
16
16
1871
2399
37
78
8
1872
2330
30
88
58
1873
2024
29
30
79
1874
2027
4
45
70
187s
199s
29
44
37
1876
2054
3
63
36
Die Schwankungen der Goldgewinnung in den verschiedenen
Golddistrikten während der letzten fünfjährigen Periode, gehen aus
folgender Tabelle hervor. Die Ausbeute betrug:
In den Goldw&schereien
der Krone 1 30
des Kabinets des Kaisers • . .
von Privatpersonen:
im östlichen Sibirien . . .
» westlichen » . . :
.' Ural
in Finland
Der geographischen Lage nach vertheilte sich die Goldproduk-
tion in Russland im Jahre 1876 auf nachstehende Gouvernements
und Gebiete wie folgt:
1872
1873
1874
1875
1876
P
. u
d.
'
130
ni
90
70
63
165
158
163
159
153
1567
1347
1392
1393
143 t
176
144
138
120
120
283
262
241
252
286
3
2
I
I
V«
i6
Jakutsk . •
Jenisseisk und Irkutsk
Transbaikalien
Perm . . .
Amur . . .
Orcnburg. .
Tomsk . .
Küstengebiet
Ssemipalatinsk
Akmollinsk .
Uleaborg . .
Zahl
der Orte.
35
336
64
197
10
263
126
3
24
6
9
Gewonnenes Gold
Pud.
627
38S
176
171
109
107
12
II
Pfund.
21
36
35
22
27
23
12
14
27
37
23
Die Konzessionen zum Goldwaschen nahmen 1874 einen Flächen-
raum von 2,514,495 Faden Länge, d. h. 5028 Werst, ein. Unter die-
sen Konzessionen waren die im östlichen Sibirien mit 1,464,430 Fa-
den, die im westlichen mit 516,090 und die vom Ural mit 533,975
Faden beziffert.
Seit dem Jahre 1753, wo die Goldproduktion in Russland anfing,
bis 1876 einschliesslich, sind in Russland 67,132 Pud und 33 Pfund
Gold gewonnen worden.
Der ausserordentlich niedrige Wechselkurs einerseits, und ande«
rerseits das hohe Agio, so wie die Aufhebung der Goldabgaben und
die definitive Uebergabe der Staatswerke in die Hände von Privat-
personen, haben den Konzessionären im letzten Jahre enorme Vor-
theile gebracht. Die Goldproduktion hat sich im Jahre 1877 bis auf
2430 Pud gehoben, mit einem approximativen Werthe von 40 Mil-
lionen Rubel.
Um diese Ziffer recht zu würdigen muss man in Betracht ziehen,
'dass die Goldgewinnung aus den Wäschereien der Krone nur 13
Pud ergeben hat d. h. 50 Pud weniger als 1876, und die des Kabi*
nets des Kaisers 142 Pud betrug. Die übrigen 2275 Pud sind von Pri-
vatwerken geliefert worden, welche letzteren 1877 um 437 Pud
mehr als 1876 ergeben haben. Die Goldproduktion der Privaten ver-
theilt sich folgendermaassen: auf das östliche Sibirien entfallen 1793
Pud, auf den Ural 353 Pud, auf das westliche Sibirien 129 Pud. Es
muss hierbei bemerkt werden, dass in diesem Jahre die Goldproduk-
tion noch zunimmt, da die oben genannten Vortheile die Konzessio-
näre veranlassen werden, den Kreis ihrer Goldwäschereien noch
mehr zu erweitern, was im östlichen Sibirien nur dann möglich ist.
t7
wenn man sich bei Zeiten mit Arbeitern und Lebensmitteln verse-
hen kann.
b) Piatina.
Anzahl Verwaschener Piatinasand Gewonnenes rohes Piatina
Jahre. der Orte. in Pud, Pud. Pfiind. Solotnilu
1867 — 11,607,050 109 9 56
1868
—
18,070,650
132
23
47
1869
6
13,678,700
142
39
91
1870
6
9,609,150
118
38
33
1871
6
10^^0,650
125
6
56
1872
.5
8,252,900
93
39
68
1873
6
7,620,300
96
9
85
1874
5
9,954,800
122
39
42
1875
7
9,091,000
94
7
44
1876
5
10,370,100
96
8
48
Alles Piatina ist 0>n Privatpersonen im nördlichen Theile des
Gouvernement Perm, und snvar theilweise aus dem Goldsande ge.
Wonnen worden. Früher wurde das Piatina in der St. Petersburger
Münze raffinirt; jetzt, wo die Abgabe auf dasselbe aufgehoben wor-
den ist, wird der grösste Theil des Piatina im rohen Zustande in's
Ausland exportirt.
c) Silber und Blei.
Anzahl der silberhaltigen Geförderte Erze
Bleierzgruben. in Pud.
1867
—
2,588404
1868
29
2,873,486
1869
17
3.083,375
1870
26
2,116,404
I87I
23
2,177.540
1872
25
1,886,457
187s
19
1,883,152
1874
22
2,065,541
1875
24
1,580,410
1876
24
2,096/532
KaM.Bffu.Bl.ZUI.
i8
., Ansabl Geschmolzenes Erzquantttm
•'* ^' der Silberhütten. 'der Oefen. in Pud.
1867 7 — 2,774,828
i868 9 120 3,143^608
1869 8 123 2,400,717
1870 10 130 2,066,792
1871 9 130 1,892,636
1872 8 110 2,134,119
1873 7 120 1,906^25
1874 7 119 2,079,868
1875 8 103 1,839,826
1876 7 III 2,146,728
Aus dem Erz gewannen
Silber Blei
■'* '• . Pud. Pfund. SoloUük. Pud. Pfund.
1867 IIO6 5 9 105,917 39
1868 1092 18 3 100,224 . 33
1869 768 23 SO 65,092 15
1870 867 30 68 100,653 20
1871 828 30 27 107,963 26
1872 752 5 44 74,662 19
1873 606 21 44 57,605 26
1874 720 14 80 81,150 12
1875 601 4 69 66,059 38
1876 683 18 — 71,277 23
Von dem gewonnenen Quantum lieferten in den 5 Jahren 1 872
bis 1876:
Diemtten '«^* '^^\ '«^^ *«75 .876
Pud.
der Krone 20 11 23 23 26
des kaiserlichen Kabinets . . . 732 595 693 567 658
der Privatindustrielleo .... — — 4 11 —
Der geographischen Lage nach vertheilt sich die Silber- und Blei-
gewinnung 1 876 in Russland unter die verschiedenen Gouvernements
wie folgt:
Anzahl der Silber Blei
Hütten. Pud. Pfund. Pud.
Tomsk 5 616 3 58,499
Transbaikalien . \ \ i 41 17 5^77
Terek-Gebiet . v i 25 37 7,701
»9
Produktion der Münzhof e.
Oeprägte Münse für die Summe von
Anzahl
der
Mfinzliöfe
Gold
Silber zum
Mfinzfuss von
83V«/96
Silber zum
Münzfuss von
48/96
Kupferne
Scheidemünze
Total
Rubel.
Rubel.
Rubel.
Rubel.
Rubel.
1867—2
1868-2
1869—2
1870—2
187I— 2
1872 — 2
1873-2
1874 — 2
1875—2
1876—2
20,67 1 »688
17,510,015
20,526,895
26,368,016
4,600,024
12,669,025
i5>687,955
25.554,315
21,509,025
53,754,736
130,015
800,000
300,005
400,039
900,015
1,000,005
700,007
700,005
700,005
3>i74,oi4
3,226,003
4,000,002
6,000,961
5,000,003
5,220,498
3,500,001
4,501,002
4,366,002
4,400,001
7,230,004
2,000.000
1,848,250
1,819,900
1,767,587
534,207
1,000,000
1,000,000
1,000,000
1,364.800
1,219,801
26,027,706
24.158,317
28,647,761
33.535.643
11,254,744
18,169,031
2 1 ,888,963
31,620,321
37.973.831
65.368,55s
Produktion der Münzhofe im Jahre 1876.
ux# Quantum Im Betrage von
M ü n z h ö f e. p^^ p^^^^ g^j j^^^j j^^
A) St. Petersburg.
1. Zubereitete Metalle.
Reines Gold 5717 28 34 80,193,876 25
» Silber 1966 30 82 1,774,968 68
8. Geprägte Münsen Anzahl der Stücke.
a) aus Gold.
Dukaten 63,008 194,694 72
Halbimperiale 10,400,008 53,560,041 20
—
53,754,735 92
b) aus Silber.
Stücke zu I Rbl. zum Münzfuss von 83 V«
2,251,008
2,251,008 —
* » 5^^op. • » » »
1,058,008
529,004 —
4 9 25** * *'
1,616,008
404,002 —
—
3,174,014 —
* » 2oKop.zumMünzfussvon48
22,405,008
4,481,001 60
» *ij» » » »»
1,362,008
2,043,001 20
» »10»» » »»
6,840,008
684,000 80
• >5** * '*
440,002
22,000 40
7,230,004 —
8*
20
Quantum Im Betrage von
Pud. Pfund. Rubel. Kop
c) aus Kupfer 17,020 — 851,000 94
65»009,754 86
B) yekaUrinenburg.
Kupfermünzen von verschiedenem
Werthe 7,376 — 368,800 —
— — 368,800 ~
Total 65,368,554 86
SL Petersburg. Anwüü der Stücke Pud. Pfund. Sol.
Medaillen.
a) aus Gold 2,330 7 45 4
b) » Silber 26,328 25 11 68
c) > Bronze 14,484 34 8 93
Wir schliessen an diese Tabellen einige Notizen über das^ seit dem
Jahre i70O bis auf die neueste Zeit in Russland geprägte Quantum
Gold und Silber. Von 1700 — 1777 wurde in Moskau geprägt. In
diesem Zeitraum wurden geschlagen: an Goldmünzen von 1701 bis
1759 für die Summe von 1,829,300 Rbl., davon 11,000 Rbl. in gol-
denen 7« Rubelstücken (ä 50 Kop.) und 161,000 Rbl. in Rubel-
stücken; an Silbermünzen: von 1700 — 1777 für die Summe von
66,550,000 Rbl. Im Jahre 1738 wurde der Münzhof in St. Peters-
burg eingerichtet und bis 1838, d. h. während eines ganzen Jahr-
hunderts, wurden Goldmünzen von verschiedenem Werthe für die
Summe von 66,358,000 Rbl. und Silbermünzen für 243,512,000 Rbl.
geprägt. Von 1838 — 1877 hat sich die Ausgabe von Goldmünzen
bis auf 774,860000 Rbl. und die von Silbermünzen bis auf
172,558,000 Rbl. gehoben. Folglich sind im Ganzen in Umlauf ge-
setzt worden von 1700—1877 für 843,047,300 Rbl. in Gold- und für
482,620,000 Rbl. in Silber Münzen^ was, den ganzen Betrag auf Sil-
ber ausgerechnet, die Summe von 1,350,958,719 Rbl. ausmacht.
Ausserdem hat man seit 1828— 1845 ^^ Russland Piatinamünzen
ä 3, 6 und 10 Rbl. für die Summe von 4,250,000 Rbl. geprägt; die-
selben sind aber fast ganz der Circulation entzogen und einge-
schmolzen worden l
I Nur im Innern des Reiches begegnet man auch heute noch in vereinzelten Fällen
den Plattnamttnzen. D. Red.
21
d) Kupfer.
Anzahl
Gefördertes Qnantnin Anzahl der
Verschmolzenes
Jahr.
der Gruben.
an Kupfererzen Knpfer-
in Pnd. hfllten.
Oefen.
Enqnantnm
in Pnd.
1867
—
7,7^Z,7^i —
—
7,734,779
1868
229
8,097,155 43
190
7,975,706
1869
98
8,028,728 39
250
7,975,706
1870
7»
6,392,622 39
262
7,190,213
1871
77
6,222,759 35
247
6,384,154
1872
81
5.93I.I33 32
225
5,848,795
1873
64
5,975,690 25
234
5.191,931
1874
77
5,205,18s 26
258
4.271,723
1875
79
5,515,081 25
235
4,877,556
1876
71
6,340,543 23
Kupferproduktum.
233
5,394,222
In Barren
In Blechen
Jahr.
Pnd.
Pnd.
1867
257,317
18,259
1868
268,078
30,949
1869
259.803
21,597
1870
308,440
29,642
1871
260,007
21,277
1872
227,376
15,723
1873
223,282
18,971
1874
199,527
22,190
187s
222,769
■
29,142
1876
236,452
23,341
Geographisch vertheilte sich die Kupferproduktion 1876 auf die
Gouvernements und Gebiete wie folgt:
Perm . .
Jelissawetpol
Ufa. . .
Tomsk, .
Akmollinsk
Tiflis . .
Orenburg •
Anzahl der
Hütten.
Kupferproduktion
Pud.
4
73,702
5
52,903
4
I
I
37,537
33,645
28,126
2
I
4,52s
2,408
22
Nyland . . .
Eriwan . . .
Ssemipalatinsk
Wjatka . .
Jekaterinoslaw
Anzahl der
Hütten.
I
I
I
I
I
Kupferproduk tion
Pud.
1,287
900
739
546
135
Die Produktion der letzten fünf Jahre in den verschiedenen Ge-
genden ist aus folgender Tabelle ersichtlich. Es lieferten :
1872 1873 1S74 187s
Pud.
14,671 12^769 9,197 1,811
39»8i5 3Si350 35i350 27,530
1876
1.784
33.645
Die Hatten
der Krone
des Kais. Kabinets. .
der Privatindustriellen :
im Ural 115,020 107,362 93,560 122,673 112,409
in den Kirgisensteppen 23,398 23,336 24,508 30,164 28,865
im Kaukasus . . . 33i25i 43132036,615 40,112 58,328
in Finland .... 1,121 1,146 296 479 1,287
» Süd-Russland . . — — — — 135
0
Zinn.
Anzahl
Gefördertes Erzqnantum
Ansaht der
Prodttzirtes Zinn
Jahr.
der Groben.
Pud.
Hütten. Oefen.
. Pud.
1869
213,000
I 2
1,020
1870
66,292
I 2
1,033
187I
22,909
I 2
475
1872
21,445
I 2
263
1873
5.936
I 2
130
1874
4.596
— —
—
1875
231
— —
—
Das Gouvernement Wiborg lieferte allein Zinn in Russland, aber
in Folge der Erschöpfung der Grube in Pitkaranda ist die Produk-
tion keine beständige.
/; Kobalt und Nickel.
Jahr.
1867
1868
1869
Anzahl der Bergwerke
Kobalt. Nickel.
I —
I —
I —
Gefördertes Erzquantum in Päd
Kobalt Nickel.
5,220 —
9,000 —
7715 —
23
Aniahl der
Bergwerke
Gefördertes ErEquantum inPud
Jahr.
Kobalt
Nickel.
Kobalt.
Nickel.
1870
I
—
1,249
—
187I
I
—
649
—
1873
—
I
—
2,893
1874
—
I
—
28,584
187s
—
I
—
22,933
1876
I
I
460
10,580
Ansaht der
Hatten Nickelspeise Nickelmetall Nickelo:
Jahr.
Kobalt.
Nickel.
Pud.
Pud.
Pud.
1867
I
—
1,306
—
—
1868
I
—
2,447
—
—
1869
I
—
1,560
—
—
1870
I
—
306
—
—
1874
—
I
—
26
106
1875
—
2
—
136
483
1876
I
2
188
248
—
Die Kobalterze wurden gewonnen und bearbeitet im Gouverne-
ment Jelissawetpol im Kaukasus und die des Nickels im Gouverne-
ment Perm im Ural.
g) Zink.
Anzahl
GeiSrdeites ZinkerrqaMitnm
Jalu.
der Bcrgwetfce*
Pod.
1867
—
1,157,400«
1868
10
1,526,928»
1869
—
2,457.741
1870
6
2,666,754
187I
6
2,629,477
1872
6
4.388.345
1873
7
4,394,882
1874
9
6,141,105
1875
6
4,027,208
1876
6
3.742,415
' Die Daten fehlten fUr mehrere Privatbergwerke,
H
Auahl der
Masse des
HUten.
Oefen.
geschmolzenen Erzes gewonnenen R
J«Jir,
Pud.
Pud.
1867
4
—
1,971,288'
180,263
1868
4
88
2,111,676*
198,259
1869
4
56
1,668,733
221,328
1870
3
128
2,117,318
230,776
I87I
4
141
1.665,495
166,581
1872
3
91
1,459,663
188,144
1873
3
91
1,995,627
206,037
1874
3
91
2,118,011
251,811
1875
3
88
2,318,491
243,280
1876
3
127
2,649,848
282,198
Jahr.
Anzahl der Walzwerke. Gewalztes Zink in Päd.
1867
•
23,629
1868
\ ]
3S»8i2
1869
30,000
1870
26,844
1871
30,000
1872
30,510
1873
37>9i6
1874
30,000
1875
30,000
1876
23,362
AUe 2Snkhütten und Walzwerke befinden sich im Gouvernement
Piotrkow in Polen.
AJ Eisen.
Gussfisen.
Anzahl Gefördertes Eisenerzqtiantuin
Jahr.
der Eisenengroben.
Pud.
1867
—
36,849,139
1868
1,033
41.235,575
1869
1,165
42,596,508
1870
1,283
48,763,156
1871
1,180
48^471,967
1872
1,270
54,510,434
1873
1,196
55,047471
1874
1,387
57,021,784
1875
1,346
64,945,155
1876
1,311
61,735,785
* Die Daten fehlten fllr mehrere Prlvatbergwerke.
25
Anzahl der Ge«ehmolc.Erzett.Schlackeninasse
Jahr.
SehmeUhtttten.
Hochöfen.
Pud.
1867
—
—
37.003.329
1868
«37
—
43,048,318
1869
155
241
43,701,469
1870
164
24s
48,464,114
1871
'53
244
48,329,281
1872
150
242
52,176,174
1873
155
24s
51.533,242
1874
157
247
5 1,649,066
1875
156
250
55,774.227
1876
151
254
59,306,028
a) Gnsseisenproduktion.
In Blöcken
In verschiedener Form Im Ganzen
Jahr.
Pud.
Pnd.
Pnd.
1867
14,642,724
2,910,169
17.552,893
1868
16,600,101
3,187,644
19,727,745
1869
16,943.956
3,159,908
20,103,864
1870
i8,S574»2
3,401,914
21,959,326
1871
18,834,383
3,099,606
21,932,989
1872
21,046,677
3,328,956
24,374,956
1873
19,970,066
3494,241
23,464,307
1874
19,855.709
3,357.063
23,212,772
1875
22,571,539
3,489,784
26,061,323
1876
23,302,057
3,654,793
26,956,850
Von dem im Jahre 1876 produzirten Quantum Gusseisen sind
25,935,453 Pud mit Holzkohle und 1,021,397 Pud mit mineralischem
Brennstoff hergestellt.
Die Gusseisenproduktio'n während der letzten fünf Jahre in den ver-
schiedenen Gegenden ist aus folgender Tabelle ersichtlich. Es lieferten :
Die Htttten der Krone . . .
9 » in Polen • . .
» • d. Kais.Kabinet8
» ^ vonPrivatindust. :
im Ural ..•..••
in Central-Russland • .
im Kaukasus
» Westen und Süden .
in Sibirien ••••••
> Polen
im Gouvernement Olonez.
in Fiiihuid
1872
Pud.
1873
Pud.
1874
Pud.
1875
Pud.
1876
Pud.
21396,328
284,565
91*839
14,893487
3,503»945
513,789
150.812
1,402.240
M27,9S«
8,311,819
294,877
81,682
2,233,309 2,467,669
261,887 3*7,247
73,825 107,123
12,378,597 12,859,644 15,390,378
31674,645
631,596
232,173
«,630,554
1,428,374
3,5H,779 3632,854
171503'
940.141
160,380
1,608,326
5 574
1,417.384
942.401
396,496
1,610.352
1,190,963
2,941,694
368,637
101,988
16,100,229
3.368,247
1,161,874
249,107
1492,113
42,981
1,498,569
26
Geographisch vertheilt sich die Gusseisenproduktion 1876 auf die
verschiedenen Gouvernements folgendermaassen :
Anzahl der Gosseisenprodnktion
Hütten. Hochöfen. in Päd.
Perm 43 71 13,939453
Ufa 8 13 2,467,927
Radom 20 28 1,375,203
Kaluga 14 18 it3i7>oio
Wjatka 6 12 1,313,249
Nishnij-Nowgorod . . 6 10 1,234,065
Jekaterinoslaw . . . i 2 1,021,397
Orenburg ..... 3 6 704,920
Kuopio 6 7 609,966
Piotrkow 8 10 341,600
Abo 3 3 3<^>777
St Michel 3 4 249»39o
Tambow 2 j 238,024
Rjasan 3 3 208,727
Nyland 4 4 207,258
Wladimir 2 3 184,760
Kjelze ...... 3 4 I73>920
Olonez 3 3 167,265
Irkutsk I 2 161,110
Tula I - I 122,935
Uleaborg 2 2 112,797
Wiborg 2 2 91.892
Jenisseisk i i 87,997
Wilna 2 2 84,777
Transbaikalien . . . i i 71 > 100
Orel I I 62,726
Wolhynien .... 3 3 56,000
Tomsk I I 30,888
Wologda 2 2 12,131
P) Produktion von Schmiedeeisen nnd Stahl.
Eism in Barren
nnd Stangen etc. Alle Arten Bleche Summe des Eisens
Jahr. Pnd« Pud. Pud.
1867 — — 11,457,645
1868 10,513,860 3.«73i009 13.650,869
27
Biten in Barren
•
nnd Stangen
etc. Alle Arten Bleche Snnune des Eisens
Jahr.
Pud.
Pud.
Pud
•
1869
11,241,170
3,204,941
14,446,
411
1870
".97MS9
3,246,449
15,217,908
187I
12420,096
3,086.317
15,506,
413
1872
13,043,881
3.324.595
16,368,476
1873
12,026,281
3.559.106
15.585,387
1874
H.301,375
3.673,745
17,97s.
120
1875
14,842,45
I
3,705,208
18,547,659
1876
13.853.076
4,016,229
«7.869,305
Schmiede- und GossttaU
«
Jahr.
Pud.
Anzahl der Stahlöfen
867
•
382,554
—
868
568,885
707
869
439,970
405
870
536,086
495
871
442,241 •
372
872
511,727
813
873
546,033
472
874
469,718
711
*
87s
789,253
828
876
1,093.757
Anzahl der
681
Eisen- nnd ^
StaM&briken. :
0 e 1
' e n
Jahr.
Pnddel-
Raflinir-
Schmiele. Kat
aloniscl
1868
209
434
597
876
34
1869
202
370
568
904
1870
214
425
669
924
1871
214
401
644
895
1872
207
475
737
833
—
«873
203
522
710
840
14
1874
207
524
731
913
13
1875
216
531
754
846
12
1876
207
504
760
861
14
Die Eisen- und Stahlproduktion der Jahre 1872 — 1876 in den
verschiedenen Bergwerksdistrikten ist aus folgender Tabelle er«
sichtlich. Es lieferten Gusseisen:
28
Die Hütten der Krone . . .
» » in Polen ...
» • d. Kais. Kabinets
• • von Pritatindttst :
im Ural
in Central-Russland . . .
im Kaukasus
in Sibirien
» Sttd-Russland ....
9 Polen. •
> den übrigen Bezirken
• Finland
Die 5/^zMabrilcation
In den Etablissements :
des Staats . . .
desKaiserl. Kabinets
der Privatindustriellen :
im Ural .
in Sibirien
in den übrig.Bezirken
in Finland
• .
• • •
187a
Pud.
7«3»3«6
85,672
29.120
9,287,606
1,835689
862
130,41a
818,364
a»7oa,755l
754,67oj
betrug in
1872
Pud.
158,239
1,007
93.784
1,560
257,137
1873
Pud.
668,890
99,776
23484
8,993601
1,870.506
14^724
162^667
949»975
1,986.468
1874
Pud.
688,773
70.640
39,363
9,784,083
i,5i9<56o
131.416
705.778
1,042,090
3»349,i88
1875
Pud.
778,406
94,751.
35179
1876
Pud.
829,159
89.543
45,420
10,403,945 «0,036,993
1,596,196 1.764,503
149,069 189,119
998,600 1,246921
«,097,033' 994085
2,482,210 1,858,937
688,266! 938,5361 912,270 814.631
derselben Zeit:
1873
Pud.
1874
Pud.
1875
Pud.
1876
Pud.
. .
Die jEirx^fabrikation vertheilt
maassen:
180,081 175,516 236,116 67,791
906 911 756 1,001
63,275 63,401 104,095 278,459
329 908 478 348
301,442 286,042 447,808 700,838
— — — 2,943
sich geographisch 1876 folgender-
GouTcmements.
Anzahl Produzirtes
der Scbmiede-
HüUen. eisen in Pud.
Perm
Jekaterinoslaw . .
Wjatka . . . .
Ufa
Nishnij-Nowgorod
St. Petersburg .
Radom .
Orel . .
Orenburg
Rjasan .
Kaluga .
Kuppio .
76 7,937*544
I 1,127,010
10 1,029,375
9 984,097
8 908,809
4 898,817
17 731,294
I 698,614
4 541,270
I 367,854
3 347,386
4 263,699
Anzahl Produzirtes
Gouvernements.
der
Schmiede-
K
[ütten.
eisen in Pnd.
Abo .....
7
231,716
Ljublin ....
3
202,504
Nyland ....
. 8
193.056
Wladimir . . .
2
174.943
Don
I
119,911
Irkutsk . . .
. I
97,583
Kjelze . . •
. 10
95.897
Jenisseisk . . .
I
9».536
Uleaborg . . .
I
70,816
Wolhjnaien . . .
> I
65,150
Tambow . • .
. 2
64,763
Piotrkow . . .
13
5 ».437
29
Anzahl Produzirtes-
Anzahl Produzirtes
Gouvernements.
der
Scbmiede-
Gouvernements
der
Schmiede-
Hütten.
eiseninPud.
Hütten.
eisen in Pud.
Nowgorod . .
I
50,968
Wologda . .
• 3
"»394
Wilna. . . .
I
46,136
Tomsk . . .
I
11,320
Transbaikalien .
I
34,100
St. Michel . .
I
9.328
Tawastehus. .
• 3
29,693
Plozk. . . .
I
2,500
Wasa. . . .
• 3
16,313
Olonez . . .
I
1,115
Die 5/itf^produktion vertheilte sich im selben Jahre folgender-
maassen:
Gouvernements.
SL Petersburg . . .
Perm
Nishnij-Nowgorod . .
Ufa
Orenburg
Wjatka
Kuopio
Nyland
Transbaikalien . . .
Irkutsk
Anzahl der Produzirter Stahl
Hütten. Pud.
2
534,522
7
220,009
3
166,316
6
99i55i
I
26,669
I
2,021
2
1,643
I
■
1,300
I
1,001
I
348
7) Produktion von Fabrikaten aus Schmiedeeisen, Gusseisen und
Kupfer etc.
Die russischen Hütten produziren eine grosse Anzahl von gussei-
sernen, schmiedeeisernen und kupfernen Fabrikaten. Man fabrizirt
Waffen, baut Maschinen und eiserne Schiffe; die Einzelheiten dieser
Produktion sind jedoch für die eigentliche Statistik der Montanindu«
strie von keinem grossen Interesse, weil 900 Etablissements, die
auch Eisen und Gusseisen verarbeiten, nicht in^s Bergdepartement
ressortiren. Es ist ferner zu bemerken, dass in Russland nicht nur
die Hütten und Fabriken Metallarbeiten verfertigen, sondern dass,
während des Winters, in einzelnen Gegenden die Bauern ganzer Di-
strikte sich ausschliesslich mit solchen Arbeiten beschäftigen. Auch
repräsentiren die beifolgenden Ziffern nur einen kleinen Theil der
Metallarbeiten in Russland. Man produzirte in den Hütten :
30
4
^zahl Anzahl
Verarbeitetes Gass- und Schmiedeeisen
J»'«'- H«
der der
in Herdfrisch-
in Flamm-
im
erdfrisdi- Flamm-
öfen
frischöfen
Ganzen
öfen, frischöfen.
Pud.
Pud.
Pud.«
1867
— —
1,161,252
482,125
i|643,377
1868
156 82
1,220,378
534,814
1,755,192
1869
152 93
1,454,009
3171I35
1,762,164
1870
161 82
».343,891
388,454
1,964.742
1871
151 83
1,324,944
476,225
i,933»099
1872
}79 84
1.490,012
457,289
2,036,300
1873
191 88
1,517.257
471,867
2,451,060
1874
181 97
1,590,303
570,162
2,626,061
1875
259 97
»,777.358
529,001
2,774,174
1876
184 95
».964,357
710,366
2,986,410
Jahr.
Eifensachen.
Kupfer« und
Sensen.
T/)komotiven und
»
Stahlsachen.
eiserne Schiffe.
Pud.
Pud.
Stück.
Pttd.
1867
414.579
11,276
32,550
—
1868
461,086
31,672
30,500
22,625
1869
691,716
24,926
41,090
23.3»7
1870
958,634
53.885
33,440
18,160
187I
852,779.
36,813
33,750
11,464
1872
1,150,522
39,027
28,400
15,602
1873
949,427
10,883
34,035
»»,8x3
1874
756,188
8,426
20,000
13,008
1875
1,603,167
49,078
20,000
3,760
1876
1,986,250
»4,174
30,000
20,783
Kanonen ans
Stahl
Gnsseisen ArtUlerie-Manition Kalte Waffen
Jahr.
Pttd.
Pud.
Pud.
Pnd.
1867
5,626
67,076
260,521
8,419
1868
6,115
72,627
408,006
»7.749
1869
20,527
54,704
430,243
28,597
1870
32,889
40,527
442,026
39467
1871
46.175
5 »485
405,831
40,708
1872
19.274
62,376
391,489
43,904
1873
15,685
»9.325
541,342
22,127
« Die Differenz zwischen den einzelnen Summen und der Totalsumme rührt daher,
weil in der Totalsnmme auch das verarbeitete Gusseisen angenommen worden ist, von
dem man nicht weiss in welchen Oefen es fiibrizirt wurde.
3»
Jahr.
1874
1875
1876
Kanonen ans
Stahl Guaaeiaen Artaierie-Munition Kalte Waffen
Pud. Pud. Pud. Pud.'
18.653
78,38s
11,319
35.285
65.525
44358
517,852
595.329
635426
29.727
22,198
44,023
Was die Produktion von Metallsachen in den Hütten anbetrifft,
die nicht zur Bergverwaltung gehören, so sammelt darüber das Han-
dels- und Manufaktur-Departement des Finanzministeriums die Da-
ten. Dieselben sind von den statistischen Provinzialkomite's zu-
sammengestellti aber leider nicht genau und bei weitem nicht voll-
ständig. Ausserdem werden sie selten veröffentlicht. Wir lassen die-
jenigen von 1875 folgen:
Fabriken nnd Hüttenwerke.
Anzahl
derselben.
Giessereien 122
Eisenhütten ....... 269
Maschinenwerkstätten * . « . . 1 30
Fabriken von Instrumenten, Waf-
fen, Federn und Schlössern . 144
Kupfer- und Bronzehütten. . . 141
Glockengiessereien 28
Drahtziehereien und Fabriken von
kleinen Metallarbeiten . . . 18
Fabriken für Schmucksachen,
Goldarbeiten und Plattiren . . 27
Spinnereien und Walzwerke für
Goldsachen 52
Total . . 93 1
Sonune
der Produktion
Pud.
3.126,576
2,042415
28,127,893
5.589»853
5,068,886
853*051
Anzahl
der Arbeiter,
6,285
«»957
29,339
1 1,406
4,98 s
384
1445,889 1,062
1,687,864 1,273
i.3;8,974 1,175
49,321,401
57,866
Jahr.
1867
1868
i) Mineralische Brennstoffe.
Anzahl der Graben.
Totalprodnlction
Pud.
26,596,215
27,532,141
* Za dieier Kategorie gehören augenscheinlich die Tenchiedenen Reparaturwerk-
•litten, die Schifiswerflen u. s. w.
32
/
Totalprodaktion
Jahr.
Anzahl der Graben.
Pud.
1869
248
36,736,148
1870
193
42,230,589
187I
327
50,654,552
1872
348
67,022,742
1873
332
71,486,328
1874
303
78,813,137
1875
504
104,348,067
1876
640
111,272,448
Die Produktion der verschiedenen Arten des Brennstoffs ist aus
folgender Tabelle ersichtlich :
Braunkohle und bitumi<
SietnkoUe
Anthrazit
nöser Schiefer
Jahr.
Päd.
Pud.
Pud.
1867
19,613,026
6,903,189
80,000
1868
21,925.657
5.455,141
150,141
1869
24,871,106
11,064,248
800,794
1870
28,661,490
13.017,371
551728
187I
35,009,156
14,190,455
1,454,941
1872
45,076,324
20,262,302
1,684,116
1873
44.537,625
24.704.675
2,244,028
1874
52,419,779
23,714,063
2,679,295
1875
76,551.713
25.728,732
2,067,622
1876
76,210,736
33,274,467
1,787,245
Die Produktion der verschiedenen Bassins während der Jahre
1872 — 1876 ergibt sich aus folgender Tabelle:
Kohlenbassins.
187a
Pud.
1873
Pud.
1874
Pud.
187s
Pud.
1876
Pud.
Centnü-Russland ....
Kijew-Jelissawetgrad .
Donez
Ural
Königreich Polen . . .
Kaukasus
Kusnesk
Kirgisensteppen ....
Sachalin
Tnrkestan
9»047,596
9.200000
910.436
1,600,000
36,907.289
37767.855
683,043
972,627
17,288,920
»0495-432
191,080
215,978
280,160
315,752
614.730
496.404
102.090
118,570
97400
403f7«o
14,819.213
1.365,251
34,989,154
1,223,827
24,550.783
223,000
355192
671.963
181,010
415.700
23,658,606
1.093,110
50.861,414
1,278,892
24*903^09
377,145
J56.450
832.464
95,898
4i5|000
20677,346
1453.478
58,422,953
1*075,567
27.668,407
333000
294.976
872,623
122,166
3481932
33
Die Produktion der verschiedenen Sorten zeigen folgende Ta-
bellen:
Steinkohle.
1872
1873
1874
1875
1876
Jd a s s 1 n s*
Pud.
Pud.
Pud.
Pud.
Pud.
Central-Russland . .
Donez .....
Ural
Königreich Polen . .
Kaukasus ....
Kuznezk
Kirgisensteppen . .
Sachalin . .
Turkestan .....
9,047.596
16.644,987
683,043
16,566,320
140,000
280,160
614,730
102,090
97,400
9.200,000
12,963,180
972,627
19,892.382
175,000
3*5.752
496,404
118,570
403.710
14,819,213 23,658,606 20 677,346
11.275,091 25,708,031 25,148486
1,223,827 1.278,892 1,075,567
23.302.783 23 985.587 27.387,640
175.000 34378$ 333,000
355,192 256,450 294,976
671,963 832.464 872,623
181,010 95,898 122,166
415,700 392,000 298,932
Anthrazit
Donez |20,262,302|24.704 675|23,7 14,063125,728,732133,174,467
Braunkohle und bituminöser Schiefer.
Kjiew-Elissawetgrad
Königreich Polen . .
Kaukasus
Turkestan
910.436
722.600
51,080
1,600,000
603,050
40,978
"~*
^■~
«•365,2511 1,093 "o 1,453-478
1,248.000, 918,152 280,767
8.000 33-360' ?
58,044 23,000' 50,000
Geographisch vertheilt sich die Gesammtproduktion im Jahre
1 876 folgendermaassen :
Gouvernements und Gebiete. Pud .
Don . . .
Piotrkow . .
Jekaterinoslaw
Tula . • .
Rjasan. . .
Kijew . . .
Perm . . .
Akmalinsk
41,964,529
27,668,407
16,458,424
13,224,846
7,452,500
1,453,478
1,075,567
872,623
Gouvernements und Gebiete.
Kuldsha .
Tomsk. .
Kuban . .
Küstengebiet
Kutaiss .
Syr-Darja .
Estland .
Pud.
298,932
294,976
281,000
122,166
52,000
50,000
3,000
Jahr.
1867
1868
1869
1870.
Bnas. B6TM Bd XIII.
k) Petroleum.
Anzahl der Brunnen.
771
Gewonnenes Petroleum.
Pud.
998,905
i.;53.984
1,685,229
1,704.455
u
Ucwontwncs Pctrolmm
Jahr.
Anzahl der Bruniien.
Pud.
187 1
697
1.375.523
1872
733
1.535.98»
1873
636
4,176,885
1874
567
5,208,710
187s
1032 255
8,174,440
1876
— —
>
•
Geographisch vertheilte sich diese Produktion im Jahre 1875 fol-
gendermaassen:
GouTemements and Gebiete. Päd.
Baku 6,265,728
Transkaspien 1,400,000
Tiflis 131,847
Kuban 228,488
Terek-Gebiet 21,160
Taurien • • . . , • • . . 20,000
Daghestan . . .
6,217
EetroleutndesHUatüm.
Gewinnung.
Jahr.
Anzahl der
Minenlfil.
Verschiedene Produkte.
Fabriken.
Pnd.
Pud.
1872
62
518,546
5.076
1873
99
1,254,441
4».IOO
1874
HO
1,460,596
56,487
1875
106
2,227,704
41.769
1876
—
?
>
•
1877 hat die Produktion von Petroleum und Mineralöl zugenom-
men und hat das erstere die Summe von 1 2 Millionen Pud und das
zweite die von 4 Millionen Pud im Gouvernement Baku erreicht.
l) Salzproduktion.
Gewonnenes Salz.
Gewonnenes Salz.
Jahr.
Pud.
Jahr.
Pud.
1867
44,228,075
1872
39,7« 2,3 II
1868
36,798,253
1873
50.398,710
1869
39,876,926
1874
46,947,518
1870
36,114,580
1875
37.991.399
1871
28,254,530
' 1876
42,508,217«
* FOr Tranikankaiten fehlen die Daten,
3$
Die Gewinnung der verschiedenen Sorten ist aus folgender
Tabelle ersichtlich.
• • •
Steinsalz .
Salz durch Verdunstung ge
Wonnen
Salz aus den Salzseen . . ,
1872
Pud.
1873
Pud.
1874
Pud.
187s
Pud.
1876
Pud.
4.647,926
",979,711
23,084,864
3,036,686
",546.053
3,334199
13,481,706
4,006,388
14,489,582
»3,424,257
35'8i5,97i|30,i58,6i3J 19,495 429
Geographisch vertheilte sich die Salzgewinnung 1876 folgender-
maassen:
Steinsalz.
Pud.
Astrachan . . . 1,520,450
Ural 1,017,156
Eriwan (1875) . . 972,830
Salz durch Verdunstung gewonnen.
Pud.
Perm . . .
Wologda . .
Irkutsk. . •
Charkow . .
Jekaterinoslaw
Jenisseisk . .
Archangelsk .
Warschau. .
Transbaikal ien
11,978,522
386,452
355,897
324,59s
182,482
75,140
66,03 1
40,000
Aus den Salzseen.
Pud.
12,007,328
Taurien . . .
Astrachan . .
Don ....
Kirgisensteppe .
Chersson . . .
Tobolsk . . .
Tomsk. . . .
Uralsk. . . .
Baku (187s) . .
Stawropol . .
Daghes'tan (1875)
Kuban. . . .
Jenisseisk . . .
Jakütsk . . .
Transbaikalien .
10,311,214
1,138,161
839,881
734,163
419,886
345,969
342,000
323,000
267,475
100,000
72,687
58,702
8,000
888
151I38
*In der neuesten Zeit hat man durch Behrungen enorme Lager
Steinsalz in den Gouvernements Charkow und Jekaterinoslaw ent-
deckt.
m) Chromeisenstein.
(lewonnener Chromeisenstein.
Jahr.
Anzahl der Gruben
Päd.
1867
2
86,877
1868
5
41,084
1869
2
66,831
1870
9
600,024
1871
6
450.973
3*
3<ä
Gewonnener ChromeUenttein.
Jahr.
Anzahl der Gruben.
fnd.
1872
7
372,549
1873
, 9
391,809
1874
• 6
316,561
1875
8
209,848
1876
4
58.167
Gewonnen wfrd der Chromeisenstein in den Gouvernements Perm,
Orenburg und Ufa.
nj Graphit.
Jahr.
Anzahl der Graben.
:pud.
1867
1868
I
2
4,ooo
5,i68
1873
1874
1875
1876
I
I
4
3
2,000
4,178
18,500
7.100
rinnt den
Graphit bei Ssemipalatinsk und Perm.
öj Schwefel.
Jahr.
Anzahl der Gruben.
Erhaltene rohe Masse
Pud.
1872
1873
1874
1875
1876
I
I
I
I
I
70,400
675,020
>
•
Jahr.
Anzahl der Schmelzwerke.
Mäste des Schwefel*.
Pud.
1873
1874
1875
1876
I
I
I
I
3,439
20,660
31.100
18,379
Man gewinnt den Schwefel im Gouvernement Kjelze und ausser
. dem in neuester Zeit im Daghestan.
37
lo. Anzahl der Arbeiter und der Unglücksfälle in den
Bergwerken, Hütten und Goldwäschereien.
Aneahl der Arbeiter.
Jahr. In den Bergwerken und Hatten. In den Gold wäschereien.
1867 172,815' 38.274*
1868 153,280 56,261
1869 147*348 63482
1870 1541I97 69,186
187 1 157,028 67,854
1872 173.Ö08 70.358
1873 177425 66,634
1874 181,841 62,528
1875 194,636 73,354
1876 219,591 Gs,\6^
Die folgende Tabelle zeigt die 21ahl der Arbeiter in den Bergwer-
ken, Hütten und Goldwäschereien pro 1876; für die Salzarbeiter feh-
len diese Angaben. Femer gibt die Tabelle die Zahl der durch Un-
glücksfälle Verwundeten und Getödteten im selben Jahre an :
I
A) In 'den Berg- und Hüttenwerken
Anzahl der Arbeiter. Verwundete. Getödtete.
Im Ural:
des Staats 23,783 2 35
der Privatindustriellen . 109,790 27 57
133,573 29 92
In Central- Russland . . . 36,325 12 127
In Süd- und West-Russland :
des Staats 689 — —
der Privatindustriellen . 17,286 41 9
17,97s 41 9
In Polen:
des Staats 2,502 i 4
der Privatindustriellen • 10,602 14 3
131IO4 15 7
In Finland i>924 ? ?
Im Gouvernement Olonez:
des Staats if097 — 3
38
Anzahl der Arbeiter. Verwundete. Getödtetc
In St. Petersburg:
des Staats 1,768 1
der Privatindustriellen . 3f378 j
SM6 3 13
In Sibirien:
des Kaiserl. Kabinets. . 4^521 — —
der Privatindustriellcn • i»9J3 ? ^
6,434 — —
Im Kaukasus:
des Staats 295 — — .
der Privatindustriellen . 2,881 2 —
In den Kirgisensteppen und
Turkestan 977 9 —
Total 220,091 III 251
B) In den Goldwäscher cun.
Im Ural:
des Staats 3,248 )
der Privatindustriellen . 24,814 j
28,062 18 I
In West-Sibirien:
des Kaiserl. Kabinets. . 2,238 — —
der Privatindustriellen . 29,246 20 —
31,484 20 —
In Ost-Sibirien 6,581 4 —
In Finland 40 — —
Total 66,167 42 I
Somit belief sich die Gesammtsumme der Arbeiter im Jahre 1876
auf 285,758. Die im Jahre 1876 konstatirte Anzahl von Unglücks-
fällen in den Gruben und Hütten betrug 410. Es folgt daraus, dass
auf 1000 Arbeiter 1^5 verui^lückt sind.
Die Ursachen der konstatirten Unglücksfölle im Jahr 1 876 klassi-
fizirt sich folgendüitnaassen:
39
In den Bergweriieii« In den Htttten.
Explosionen und Brandschäden . . 1 1 33
Erstickt und ertrunken 15 5
Durch Hinunterfallen 36 i
Einsturz 51 —
Kontusionen und Verwundungen . . 25 169
Brüche 3 36
Verschiedene Ursachen 10 2
Es fehlen indessen einige Daten in den obigen Angaben« Wenn
man diese, theilweise unvermeidlichen, Lücken auszufüllen versuchte,
würde man approximativ die Zahl aller Berg- und Hüttenarbeiter in
Russland auf 270,000, und inklusive der in den Salinen beschäftig-
ten iUf mehr als 300,000 beziffern können. Rechnet man ferner auf
jeden Arbeiter eine Familie von 5 Personen, so würde sich daraus
folgern lassen, dass ungefähr i Va Millionen Einwohner oder 1,8 pCt.
der ganzen Bevölkerung Russlands sich mit der Montanindustrie be-
schäftigen.
Die Daten über die Zahl der Unglücksfalle in der Montanindustrie
sind zum ersten Mal 1874 gesammelt worden; sie sind noch unvoll-
ständig und gestatten noch keine Schlüsse. Um diesen Mangel abzu-
helfen, sind die beaufsichtigenden Ingenieure und Inspektore mit
amtlichen Anweisungen und Vorschriften versehen worden, welche
für die Folge sowohl genauere und vollständigere Angaben als auch
eine richtigere Klassifizirung der Unglücksfälle erwarten lassen.
II. Anzahl der mechanischen Motoren und ihrer Kräfte in
den Berg- und Hüttenwerken.
Es besitzen die Dampfmaschinen und hydraulischen Motoren in
Russland eine Kraft von
Jahr. PferdekrUte.
1871 54,373
1872 53,392
1873 54,132
1874 59,649
187s 6?,I7Q
40
1876 waren auf den Berg- und Hüttenwerken thätig:
Dampfmaschinen
Hydraulische Motoren
Anzahl.
Pferdekräfte.
Anzahl.
Pferdekräfte.
Im Ural .....
In Central-Russland .
165
5,806
142
2,450
In Süd- und West-Russ-
land
163
5.655
I
25
In Polen
108
3.504
123
1,078
Bei Olonez ....
8
216
16
383
In Finland
71 -
Bio
199
1,049
In Sibirien
15
227
57
576
In den Kirgisensteppen
und in Turkestan .
10
162
—
Im Kaukasus. • . .
9
134
18
91
In St. Petersburg . .
85
2,964
3
170
Total 913 27,561
Die Totalsumme der Pferdekräfte 65,717.
2,050
38,156
Zur Literatur über Bussisch-Tarkestan.
Von
Alexander Petzholdt
(Fortsetzung).
m.
Wir begleiten jetzt Hrn. Schuyler auf seiner weiteren Reise im
russischen Turkestan. Er verlässt Taschkend und geht nach Samar-
kand, von da über Dschisak und Uratübä nach Chodschend, und
kommt durch den Kurama-Kreis wieder nach Taschkend zurück.
Der Beschreibung dieses Theiles der Reise ist das sechste, siebente
und achte Kapitel (S. 225 — 335) gewidmet, womit der erste Band
des Schuyler'schen Buches, wenn man von den weiter oben erwähn-
ten drei Anhängen (S. 337 — 411) absieht', seinen Abschluss erhäjt.
* Veigl. «Russ. Revue» Bd. Xn S. 433 u. ff.
' Vergl. «Russ. Revuen Bd. XII S. 438.
41
Der Weg (die damalige Poststrasse) von Taschkend nach Samar-
kand führt den Reisenden über Tschinas am Syr-Darja durch die
«Hungersteppe», uiid weiter über Dschisak und durch' den tief einge-
schnittenen, «Dschilan-uti» genannten, Felsenengpass in das Thal des
Serafschan-Flusses, nach dessen Durchfuhrtung Samarkand alsbald
erreicht wird.
In Bezug auf Tschinas, wo die Ueberfahrt über den Syr-Darja
#
stattfindet, bemerkt Hr. Schuyler, dass dieser neugegründete Ort
(und Festung) bis jetzt nur eine Ansiedelung von Kosaken geblie-
ben sei, während man doch bei seiner Gründung die Erwartung
hegte, er werde ein, für den Handel wichtiger Stapelplatz werden ;
dass Schiffe der Aral-Flotille sehr unregelmässig hierher kommen,
und dass durch die Schwierigkeit in der Beschiffung des Syr auch
Privatgesellschaften der Muth benommen wurde, Tschinas als Sta-
pelplatz zu benutzen. Die Ueberfahrt über den FIuss mittelst
Prahms, die ich meinerseits sehr gut organisirt und, trotz der Mäch-
tigkeit des Stromes, schnell und präzis von Statten gehen sah, hat
nicht Hrn. Schuyler's Beifall; es bedurfte dieselbe bei der Unge-
wandtheit der kirgisischen Bootsleute mehr als eine Stunde Zeit.
Die «Hungersteppe» fand der Reisende, da es erst Maimonat war,
noch grün, so dass ihm der traurige Anblick, den dieser Landstrich
bei vorgerückterer Jahreszeit darbietet, für diesesmal erspart blieb.
Der Umstand, dass man auf Spuren alter Bewässerungskanäle
stösst, woraus man hat abnehmen wollen, dass in früheren Zeiten
diese Hungersteppe zu Kulturzwecken benutzt worden sei, hat für
ihn nicht die gleiche Beweiskraft, weil die, ebenfalls schon in alter
Zeit bewirkte Anlage noch jetzt bestehender Cisternen, um die Rei*
senden mit Wasser zu versorgen, damit gewissermaassen im Wider-
spruch zu stehen scheint; es würden ja diese Cisternen, wenn die
Strasse durch bewohntes und von Kanälen bewässertes Land ge-
führt hätte, überflüssig gewesen sein. Dass das russische Gouverne-
ment den Beschluss gefasst hat, diese Steppe durch einen grossen
Kanal zu bewässern und später zu besiedeln, und dass man bereits
angefangen hat an einem solchen Kanal zu arbeiten, bleibt natürlich
nicht unerwähnt, obschon Hr. Schuyler die Ausführbarkeit zu be-
zweifeln scheint, denn es heisst auf Seite 227: «Man hat da in
Taschkend ein Projekt, die Steppe durch einen grossen, von dem
Syr-Darja oberhalb Chodschend abzuleitenden Kanal zu bewässern,
und Ingenieure, welche die Oertlichkeit untersucht haben, erklären
die Sache für ausführbar, da der Syr ein Gefäll von ungefähr i
43
nicht lange dauerte es, so erblickte unser Reisende vor sich:
«Lehmdächer, von mächtigen blauen Kuppeln und hoch in die Luft
aufstrebenden Thürmen überragt, und wusste, dass er das berühmte
Samarkand erreicht hatte». (S. 233.)
Nun folgt zuerst eine kurze Geschichte Samarkand's und eine
Schilderung der Stadt, wie sie sich noch zur Zeit Baber's vor bei-
nahe 400 Jahren darstellte, wo sich noch viel von ihrer früheren
Grösse und Schönheit erhalten haben muss (S. 236 — 241), welcher
Schilderung sich die Erzählung des Herganges bei der Eroberung
der Stadt durch die Russen im Jahre 1866 anschliesst (S. 241 — 247).
Mit besonderer Ausführlichkeit wird dabei der Vertheidigung der
Festung von Samarkand gegen die, zur Wiedereroberung unter Jura
Bek von Schehrisebs herbeigekommene feindliche Armee gedacht;
Hr. Schuyler bezeichnet diese Vertheidigung nicht mit Unrecht als
eine der glänzendsten und glorreichsten russischen Waffenthaten in
Asien. — Von Seite 247 an wird dann das heutige Samarkand be-
schrieben. Zuerst die Moscheen, denkwürdige Gräber (vor Allen
/Timur's Grab) und Medressen, der ehemalige Palast des Emir mit
dem berühmten Kök-tasch, u. s. w. — Den Bazar findet Hr. Schuy-
ler verhältnissmässig unbedeutend, viel kleiner als den von Tasch-
kend und Chodschend, obschon gross genug für die 30,000 Men-
schen, welche die Bevölkerung des heutigen Samarkand ausmachen.
Neben Hindus und Juden sieht man auch viele Afghanen, und nicht
selten begegnet man Derwischen, denen der Besuch der Stadt nur
gestattet ist, um Almosen zu erbitten, während ihnen untersagt ist
hier, wie früher geschah, öffentlich zu predigen oder Gebete herzu-
sagen. Es wurde Hrn. Schuyler von maassgebender Seite mitge-
theilt, dass dieses Verbot dadurch veranlasst worden sei, weil unbe-
obachtet vorübergehende Offiziere häufig solche Predigten mitan-
hörten, in denen Stellen vorkamen, wo eine alte Legende erzählt
wird, nach welcher das Volk seines gottlosen Lebens wegen von
den Ungläubigen seiner Freiheit beraubt ward, und welche mit dem
Aufrufe zur Busse endigen, weil Busse das einzige Mittel zur Ver-
jagung der Ungläubigen sei. [Hr. Schuyler besuchte ein, ausserhalb
der Stadt gelegenes Etablissement solcher Derwische und liess sich
von ihnen gegen Bezahlung ihre gottesdienstlichen Gesänge und
Tänze vorführen. Er meint wohl mit vollem Rechte, dass die ganze
Sache weiter nichts als eine, des Gewinnes halber aufgeführte, Komö-
die sei. Zu den nicht am Wenigsten interessanten Einwohnern
Samarkands rechnet er auch die Juden, welche jetzt unter der rusai«
4S
Auch scheine er mit der Behandlung, welche ihm von Seiten der
russischen Autoritäten widerfahre, nicht ganz zufrieden. So sagte
er einmal, ziemlich bitter, dass ihm, als er das erste Mal nach Tasch-
kend kam, die Equipage des General-Gouverneurs zur Verfügung
gestellt worden sei; dass er bei einem zweiten Besuche nur einen
gewöhnlichen Wagen gehabt habe; dass er aber, als er zum dritten
Mal kam, habe zu Fuss gehen müssen.
In Samarkand war es auch, wo Hr. Schuyler zum ersten Mal den
russischen Soldaten in Central-Asien ordentlich kennen lernte.
Selbstverständlich hatte er schon viele Soldaten in Taschkend und
anderwärts gesehen, jedoch immer nur auf der Strasse und zwar
häufig betrunken; hier aber in Samarkand war es, wo er sie in
Barraken, im Lager, beim Exerziren, bei der Arbeit beobachtete.
Hr. Schuyler geht nun (S. 264 u. ff.) auf die Beschreibung des ganz
reizenden Lebens ein, welches er während seiner zwei späteren Be-
suche von Samarkand, wo er mit seinem Freunde T., dem Lager-
kommandanten, das Zelt theilte^ in dem, ausserhalb der Stadt, in
einem grossen Garten aufgeschlagenen Lager führte, eine Beschrei-
bung, die in mir die angenehmste Rückerinnerung an gleichen Ge-
nuss wach rief, da auch ich Gelegenheit hatte, während meiner An-
wesenheit in Samarkand im Jahre 1871 dieses Lagerleben von seiner
heitersten Seite kennen zu lernen. Mit Allem, was er hier sieht, ist
er sehr wohl zufrieden, und ganz besonders gefällt ihm die, dem
warmen Klima angemessene, Kleidung der Soldaten: «Die Soldaten
tragen hier weisse baumwollene oder leinene Blousen, und weite, aus,
mit Cochenille oder Granatapfel karmosinroth gefärbtem Schafledcr
gefertigte Beinkleider, welche in. die Stiefel gesteckt werden. Es ist
das nicht nur eine malerische, sondern auch für den Soldaten sehr
passende Uniform ; der Soldat ist freier Herr seiner Bewegungen,
und sieht viel kräftiger und männlicher aus, als es der Fall ist, wenn
er die schlecht kleidende (ill^fitHng)^ aus grobem Tuche schlecht
gemachte Winteruniform trägt». — Hr. Schuyler knüpft an diesen
militärischen Exkurs die Bemerkung, dass ein- oder zweimal im
Jahre diejenigen Soldaten, deren Dienstzeit abgelaufen, mit ihren
Weibern und Kindern auf Kronskosten nach Hause geschickt wer-
den, und beschreibt den, entschieden spasshaften, auf Kameelen
stattfindenden Abmarsch einer solchen Karawane. Es kommt ihm
seltsam vor, dass man sich von Seiten des Gouvernements nicht be-
müht, diese Soldaten nebst ihren Weibern zu veranlassen, als Kolo-
nisten hier zu bleiben. Viele würden gern bleiben, wenigstens eine
46
Zeitlang; allein sie werden durch den Umstand, dass sie das Recht,
auf Kronskosten heimtransportirt zu werden, verlieren, wenn sie sich
nicht zur sofortigen Heimreise entschliessen, zum schnellsten Weg-
gehen genöthigt.
Einige Bemerkungen über die russische Gesellschaft und über
die Beamtenwelt Samarkand's machen den Beschluss dieses, über
Samarkand handelnden Abschnittes und zugleich des sechsten
Kapitels.
In Betreff des ersten Punktes heisst es auf S. 266: «Die russische
Gesellschaft Samarkand's ist sehr klein, und es gibt bis jetzt nur erst
wenig neue Häuser. Nichtsdestoweniger ist an der äusseren Seite
der Citadelle ein neues Stadtviertel abgesteckt worden, in welchem
allmählig Strassen und Häuser entstehen. Während meiner Besuche
erschien diese ganze Gegend voll Staub und Verwirrung. Es exi-
stiren nur 2 oder 3 Kaufleute und die Bevölkerung besteht aus Offi-
zieren und Beamten und anderen zur Armee gehörigen Personen ;
und da nur 2 oder 3 Offiziere verheirathet sind^ so ist die russische
Gesellschaft ziemlich eben so maskulin, wie die der Eingeborenen.
In diesen abgelegenen Gegenden wird die Hochzeitsfeierlichkeit
durchaus nicht für eine Sache grösster Wichtigkeit gehalten, und die
Gesellschaft ist nicht in der Lage, es damit zu streng nehmen zu
dürfen». Was aber den zweiten Punkt anbelangt, so liest man
auf derselben Seite Folgendes : «Es ist unmöglich, dass man den
auffälligen Unterschied zwischen der Administration von Samarkand
und jener von Taschkend übersehen sollte. Beinahe allen Beamten,
so scheint es, liegt die Wohlfahrt des Landes am Herzen, und fast
alle sind mit Ernst bei ihrer Arbeit. Sie sind zum grössten Theil
noch Nachbleibsel der sogenannten «Tschernjajew-Leute*, da viele
von ihnen unter diesem General, zur Zeit seines ersten Feldzuges
in Central- Asien, dienten. So z. B. der General Abramow, der jetzige
Kommandant der Provinz*, welcher als Stabskapitän begann, aber
durch seine grosse Tapferkeit und durch die Wucht des Angriffs
(•dash») in allen seinen Kämpfen es dahin brachte, den Rang eines
General-Majors nebst einer Menge von Orden und Dekorationen zu
erlangen. Er ist ein äusserst thätiger Mann, der alles, was das Land
angeht, wohl kennt. Ich glaube nicht, dass irgend ein zu seiner
Verwaltung gehöriges Dorf existirt, welches er nicht besucht hat.
Er ist eifrig bemüht, sich immer genau selbst zu informiren, ob alles
i Ich muss hierbei bemerken, dass General Abramow jeUt nicht mehr in Samar-
kand residirU Er ist jetzt Kommandant des Ferghana-Gebiets (des ehemaligen Chokand).
4;
gut geht, und obschon sein Wille in Samarkand Gesetz ist, weil die»
ftir das übrige Turkestan maassgebenden administrativen Bestim-
mungea in dieser Provinz noch keine Geltung haben, so ist er doch
ängstlich darauf bedacht, stets gerecht und im Geiste des russischen
Gesetzes zu verfahren, wobei er eine kräftige Unterstützung in Män-
nern findet, welche das Volk, mit welchem er zu thun hat, genau
kennen». In gleich rühmender Weise spricht sich Hr. Schuy-
1er über den damaligen Stadthauptmann von Samarkand, einem
Muselmann von baschkirischer Abkunft, aus, dessen Art und Weise,
die städtischen Angelegenheiten zu verwalten, Hr. Schuyier gute
Gelegenheit hatte, zu beobachten, weil er während seines ersten
Aufenthaltes in Samarkand die Gastfreundschaft dieses [Herrn ge-
noss. Ueberhaupt scheint sich Hr. Schuyier in Samarkand äusserst
wohl befunden zu haben, denn er sagt (S. 235): «Ich blicke auf Sa-
markand mit Grefühlen ganz besonderen Wohlgefallens zurück, und
betrachte es als einen der Plätze in der Welt, wohin ich zu jeder
2^it und unter irgend welchem Vorwande mit Freuden zurück-
kehren würde».
Das siebente, «Das Serafschan^Thal» überschriebene Kapitel
bringt zuerst eine Beschreibung zweier, von Hrn. Schuyier von Sa-
markand aus nach Urgut unternommenen Exkursionen, an welche
sich eine kurze Darlegung der, südlich und süd-östlich von Samarkand
liegenden Gebirgsgegenden, sowie der, in diesen Gegenden seit 1870
ausgeüöhrten militärischen Expeditionen, welche zur Einverleibung
dieser Landstriche in das russische Turkestan führten, anschliesst ;
dann aber eine Besprechung der landwirthschaftlichen Verhältnisse
des mittleren Serafschan-Thales speziell und des russischen Turke-
stan im Allgemeinen, eine Besprechung, durch welche dieses Kapitel
des Schuyler^schen Buches zu einem der inhalt- und lehrreichsten
Abschnitte wird.
Was zunächst die beiden nach Urgut, einer süd-östlich von Samar-
kand am Gebirgsabhange liegenden Stadt von 10,000 Einwohnern,
unternommenen Ausflüge anbelangt, so waren es reine Vergnügungs-
partien, zu denen sich Hr. Schuyier in Folge des Andrängens seiner
Freunde entschloss. Er hatte insbesondere bei der zweiten Exkur-
sion, wo er den General Abramow begleitete, Gelegenheit zu erfah-
ren, wie es während der Reise eines so hochgestellten Mannes
landesüblich hergeht. Ich lasse Hrn. Schuyier selbst reden. «Noch
ein zweites Mal (so heisst es auf S. 272 u. ff.) war ich in Urgut, als ich
von Buchara zurückkam i allein es war das eine ceremonielle Staats-
48
Visite, denn ich kam mit dem General und einem Dutzend Offizieren,
und eine Schwadron Kosaken eskortirte uns. Dieser Besuch war
kaum weniger interessant als der frühere, obschon ganz anderer Art.
An den Halteplätzen fanden sich ausgebreitete Teppiche, auf-
geschlagene Zelte und fertige Mahlzeiten vor ; überall kamen uns
Deputationen entgegen, und zur Zeit, als wir die Stadt erreicht hat-
ten, bildeten wir einen grossen feierlichen Zug, der durch den, von
ihm aufgewirbelten Staub nicht viel zu unserem Vergnügen beitrug.
Wir nahmen diesmal von einem anderen und grösseren Garten Be-
sitz, und hatten des Generals Küche und Köche mit uns, ein grosses
Lager bildend. Hier verblieben wir drei Tage und verbrachten die
Morgen mit weiten Spaziergängen und mit Bergsteigen, die Nach-
mittage mit dolce Jar nienie (Eigentlich sagt Hr. Schuyler: •happy
indolence»^ was wohl am besten durch «glückliche Faulheit» zu über
setzen sein würde), die Abende mit Gespräch und Kartenspiel. Am
ersten Tage wurden wir durch Deputationen aus der Stadt und den
benachbarten Ortschaften, welche grosse Präsentirteller mit Süssig-
keiten, Nüsse und Früchte und viele geschriebene Dankadressen
überreichten, lange von unserem Mittagsmahl abgehalten, und nur
der Besuch der Hindus gewährte vielleicht das gfösste Vergnügen,
weil, abgesehen von ihrer interessanten Haltung und Gestalt, sie uns
in zarter Berücksichtigung dessen, was uns angenehm sein möchte,
einen mächtigen Sack ausgezeichneter Kartoffeln als Geschenk
brachten. Eine jede Deputation zog sich, nachdem sie empfangen
worden war, etwas zurück und setzte sich auf die Erde, während die
übrige Bevölkerung nach und nach herbei kam und sich im Hinter-
grunde aufstellte. Dadurch erhielt unser Mittagsmahl den Charakter
einer gewissen Feierlichkeit, denn wenn man von einigen Tausend,
in tiefem Schweigen verharrenden Menschen scharf beobachtet wird,
so ist Einem beim Bissen gerade so zu Muthe, als vollzöge man eine
hohe Funktion». — Offenbar amüsirte sich Hr. Schuyler während
der ersten Exkursion viel besser, da es weniger Ceremonie und
mehr Kurzweil gab; auch lernte er schon unterwegs die sogenannte
tBaiga^^ jene grosse mittel-asiatische Volksbelustigung, die ihm zu
Ehren von 50 Reitern ausgeführt ward, kennen, besuchte in Urgut
den Bazar, wo gerade Bazartag war, und gab die Veranlassung, dass
eine andere mittel-asiatische Volksbelustigung, der «Tanz der Kna-
ben», nicht wie gewöhnlich am Abend bei künstlicher Beleuchtung,
sondern mitten am Tage in's Werk gesetzt ward. Die Gesellschaft
hatte sich nämlich vom Bazar aus in einen grossen Garten begeben^
49
wo sich eine Anzahl Theebuden befand; hier lagerte sie sich am
Rande eines Teiches im Schatten hoher Ulmen und Platanen, und
Hess sich von einem reizend aussehenden, in Seide gekleideten Kna*
ben den Thee reichen. «Da sich aber (so heisst es auf S. 271) her-
ausstellte, dass der Knabe ebensowohl ein Tänzer als Theeverkäufer
war, und da wir merken Hessen, dass wir nichts gegen eine kleine
Unterhaltung einzuwenden hätten, so kam noch ein zweiter Knabe
herzu; alsbald erschienen auch 3 oder 4 Musikanten mit ihren plum-
pen Tambourins, und beim ersten Schall der Instrumente begann
sich der Garten mit Volk zu füllen. Die Buden wurden zugemacht,
der Bazar leerte sich, und in kurzer Zeit war unser Garten voll eifri-
ger Zuschauer, welche sich in langen Reihen überall um den Teich
herumsetzten und selbst den oberen Rand der Mauern und die
Dächer der umgebenden Gebäude dicht bedeckten. Gewiss ein
höchst malerischer Anblick. Ein Tanz folgte dem andern ; gelegent-
lich kamen Bettler und baten um Almosen; und das Volk, wahr-
scheinlich um sich für das am hellen Tage und an so belebtem
Platze ungewöhnliche Schauspiel dankbar zu beweisen, bewarf uns
mit Rosen. Die abscheuliche Hitze auf der Strasse, verbunden mit
der Anziehungskraft, welche das Schauspiel auf uns ausübte, machte
uns nur um so bereitwilliger^ unseren Aufbruch zu verzögern; es ver-
flossen zwei bis drei Stunden, ehe wir uns geneigt fühlten, uns von
unseren Kissen unter den Platanen zu erheben und uns wieder in den
Sattel zu schwingen, u. s. w. >
Die Lage von Urgut, am Nordhange der, im Süden von Samar-
kand sich hinziehenden Gebirgskette ist für Hrn. Schuyler Ver-
anlassung zur Einschaltung eines geographischen Exkurses, dessen
Gegenstand der Betrachtung vorzugsweise der obere Serafschan-
Laüf, und das linksseitig gelegene Gebirgsland von Kohistan ist (S.
274 — 279), woran sich eine Schilderung der hier so häufig statt-
gehabten Unruhen und der zur Bekämpfung derselben unter-
nommenen militärischen Expeditionen, namentlich der im Jahre
1 870 unternommenen sogenannten • Iskander -Köl -Expedition » ,
schliesst (S. 279—284). Seitdem ist zwar der so eben genannte
Landstrich dem russischen Turkestan einverleibt worden, allein
nach Hrn. Schuyler's Meinung kann der Zi^tand dieser Gebirgs-
districkte noch nicht als ein, in jeder Beziehung vollkommen be-
friedigender betrachtet werden.
Weiterhin (und zwar von S. 284 an) wendet sich Hr. Schuyler
zur Betrachtung des Serafschan in seinem mittleren und unteren
Bwp* !«?«•. ]id.xm. ^
so
Laufe» und der Umstand, dass insbesondere die von dem Serafschan
in seinem Mittellaufe durchströmte Thallandschaft als die frucht-
barste Gegend von ganz Mittel- Asien angesehen werden tnuss, gibt
Hrn. Schuyler Veranlassung, sich über die Vertheilung des
fruchtbaren Landes nicht bloss im Serafschan-Thale, sondern im
russischen Turkestan überhaupt, über die Bedingungen der Frucht-
barkeit des Landes, über die Art den Ackerbau zu betreiben, über
die verschiedenen Feldfrüchte, über die mittel-asiatischen Verhält-
nisse des Grundbesitzes und über die auf dem Grundbesitze beste-
henden Steuern und Abgaben weitläufiger auszusprechen.
Anlangend die Vertheilung des kulturfahigen Landes, so macht
Hr. Schuyler allem zuvor die Bemerkung, dass in Mittel-Asien, im
Vergleich zur Grösse des ganzen Landes, nur sehr wenig kulturfahi-
ger Boden vorkommt, und dass es möglich sei, dass man selbst in
der fruchtbarsten Gegend Central-Asiens, nämlich im mittleren Se-
rafschan-Thale, lange Strecken durchreiten könne, ohne auch nur
ein einziges grünes Plätzchen zu erblicken. Ueberhaupt würde eine
Karte von Central-Asien, in welche man das Ackerland mit Sorgfalt
eingezeichnet hätte, ebenso instruktiv sein, wie sie sonderbar ausse-
hen würde; man würde nur schmale, den Flüssen und dem Fusse
der Gebirge entlang sich hinziehende grüne Streifen wahrnehmen.
Hr. Schuyler findet, dass die Menge ackerfahigen Landes des ge-
sammten russischen Mittel-Asiens (mit Ausschluss des russischen An-
theiles der Kysyl-Kum Steppe) nur auf iVio pCt. zu veranschlagen
sei, und ist der Meinung, dass man daraus entnehmen könne, wie
werthlos dieser junge russische Besitz ist. «Nach der Einnahme von
Taschkend (so heisst es auf S. 285) glaubte man, dass, weil die
Russen nun zur Kornkammer Central-Asiens gekommen seien, die
Armee keinen anderweitigen Stützpunkt brauche, und dass Fourage
und Proviant mit viel geringeren Kosten als zuvor beschafft werden
könnten; allein schon dieser kleine, durch die russische Armee be-
wirkte Zuwachs zur Bevölkerung des Landes steigerte die Korn-
preise derartig, dass man in vielen Gegenden die Kultur der Baum-
wolle zu Gunsten des, grösseren Gewinn bringenden, Kornbaues auf-
gab; und dass man, was noch mehr sagen will, in Folge der fak--
tisch nicht ausreichenden örtlichen Produktion, den grössten Theil
des, der Armee nöthigen Kornes von Wemoje, Kopal und aus dem
südlichen Sibirien herzubrachte». Ich will die Richtigkeit der
Schuyler'schen Schätzung in Betreff" der Menge vorhandenen
Ackerlandes nicht weiter bekritteln, sondern nur darauf aufmerk-
sam machen^ dass erstens bei dieser Schätzung das so fruchtbare
Ferghanä- Gebiet (das ehemalige Chanat Chokand) ausser Be*
tracht blieb, weil dessen Einverleibung in das russische Turkestan
zur Zeit der Abfassung des Schuyler'schen Buches noch nicht
erfolgt war, und dass zweitens die, von Hr. Schuyler erwähnte Stei-
gerung der Kornpreise recht wohl durch viele andere Umstände,
auf die ich jedoch hier nicht weiter eingehen will, bedingt sein
kann; allein die, von Hr. Sdhuyler aufgestellte Behauptung, dass die
central-asiatischen Besitzungen wegen der geringen Menge Acker-
landes für Russland werthlos seien, scheint mir doch äusserst ge-
wagt. Auf Grundlage meiner eigenen Kenntniss Turkestans bin ich
überzeugt, dass es noch zahlreiche Stellen gibt, wo bisher unbenutz-
tes Land kulturfahig gemacht werden kann, sei es durch Neuanlage
kleinerer oder grösserer Bewässerungssysteme, sei es durch ökono-
mischere Ausnutzung der bereits bestehenden Wässerungsanlagen,
wodurch natürlich die Produktionskraft des Landes gehoben wer-
den muss; wie ich denn auch fern davon bin anzunehmen, wie Hr.
Schuyler es thut, dass nämlich Turkestan die höchste Stufe der ihm
möglichen Entwickelung bereits erreicht habe, und dass es, so lange
es von den jetzt dort lebenden Volksstämmen (die er demnach für
verbesserungsunfahig zu halten scheint) bewohnt werde, sich nicht
weiter entwickeln könnet
Was die Bedingungen der Fruchtbarkeit des Bodens betrifft, so
ist unter denselben die Bewässerung des Landes von solch hervor-
ragender Wichtigkeit, dass ihr gegenüber alle anderen Umstände
verschwinden oder doch nur als äusserst nebensächlich erscheinen.
Von dem Standpunkte der Bewässerung aus betrachtet, ist aber das
mittel-asiatische Kulturland zweifacher Art: entweder lieget es ent-
lang dem Gebirge und wird durch die Frühlings- und Herbstregen
befruchtet, oder es wird künstlich bewässert. Im ersten Falle heisst
solches Land •laltni»^ im zweiten Falle aber ^obi» oder €abi». Hr.
Schuyler sagt in Betreff der Verschiedenheit beider Arten von
Ackerland sehr richtig (S. 286 u. ff.): «Obgleich die Za/i»i-Lände»
reien, welche die ausgedehnteren sind, zumal in günstigen Jahrgän-
gen grosse Massen von Getreide produziren, und auf ihnen der
Hauptverlass zur Ernährung d^r Bevölkerung beruhti so haben
doch die C7^-Ländereien, was den Reichthum und die Fruchtbar-
keit, die Zuverlässigkeit der Ernten und die Verschiedenheit der
* Bfan veigleiclie das in meinem ersten Artikel mitgetheilte c Schlusswort* Hm.
Schuylcr's. «Rnss. Revue» Bd. XII S. 438 u« ff.
4*
52
auf ihnen erzeugten Produkte anlangt, auf den Wohlstand und die
Gesittung (civiUsaüon) des Landes den bei Weitem grössten Ein-
fiussi. Im Schuyler^schen Buche folgt nun eine Darstellung
des im Serafschan-Thale durchgeführten Bewässerungssystems,
dessen Einrichtung und Handhabung unstreitig als Muster für alle
derartigen Anlagen dienen kann, und in Betreff welches Hr. Schuy-
1er mit vollem Rechte sagt: «Hier ist jeder Tropfen Wasser werth-
voU, und ohne mehr Wasser ist hier schwerlich noch Platz für einen
neu hinzukommenden Bewohner».
In Betreff der Art und Weise, wie der Ackerbau betrieben wird,
wird zunächst angeführt, dass der kleine, nur 4 oder 5 Acker Landes
besitzende Landmann hauptsächlich darauf ausgeht, seinem Lande
durch sorgfältige Kultivirung möglichst hohe Erträge zu entnehmen,
und zvtrar ohne dasselbe brach liegen zu lassen, während die grösse-
ren Grundbesitzer eine modifizirte Dreifelderwirthschaft zur An-
wendung bringen. Das Brachfeld wird mit Winterweizen oder
Gerste bestellt; im nächsten Jahre wird nach der Ernte das Feld
abermals gepflügt und für eine zweite Ernte mit Hirse, Sesam, Lin-
sen, Möhren oder Mohn besäet; im dritten Jahre baut man als
Sommerfrucht Reis, Sorghum, Baumwolle, Lein» oder Gemüse-
pflanzen. Es ist jedoch gewöhnlich, dass man das Feld, wenn es
für Reis oder Baumwolle vorbereitet war, noch ein zweites Jahr für
dieselbe Feldfrucht benutzt. Der Luzerne wird ein besonderes Feld
eingeräumt, auf welchem sie 10 — 12 Jahre verbleibt, und reiche Er-
träge gibt u. s. w.
Nun folgt die Aufzählung der verschiedenen Feldfrüchte. Da
werden zuerst die verschiedenen Getreidearten der Reihe nach
durchgenommen, als dasind: Weizen, in vier Arten, und Gerste;
vom Hafer wird gesagt, dass er in Central-Asien nicht fortkommen
will; Roggen ist erst ganz neuerdings, und zwar in kleiner Menge,
zum -Gebrauch für die Russen angebaut worden; Sorghum, in seinen
Körnern Pferdefutter, in seinen grünen Schossen gutes Futter für
Rindvieh, in seinen Blättern Schafsfutter, in seinen trockenen Sten-
geln Brennmaterial, also äusserst nützlich. Ferner: Mais, obschon nur
in geringer Menge; Hirse in drei Arten; Reis. Besonders bemerkt
wird, dass im Serafschan-Thale ungefähr 25 pCt. des bewässerten
Landes mit Weizen und ungefähr 67« pCt. mit Gerste besäet wird,
dass jedoch der Gesammtbetrag an Weizen, welcher die Hauptbrot-
frucht der Einwohner ist, nicht ausreiche, und dass daher der Ueber-
schuss von auf Lalmi\MA geerntetem Weizen (wenn überhaupt ein
53
solcher Ueberschuss sich herausstellt) herbeigeschafft werden muss,
damit nicht Hungersnoth entsteht. In Betreff der Grösse der Ge-
treideernten in anderen Theilen Central- Asiens sagt Hr. Schuyler,
dass es ihm unmöglich gewesen sei, detaillirte Angaben zu erhalten,
bei welcher Gelegenheit er seiner üblen Laune über die mangelhafte
Statistik des Landes freien Lauf lässt, obschon er sich der Worte
eines Anderen bedient (S. 293)*. — Hierauf wird auf S. 294 u. ff. die,
über die cental-asiatischen Kulturpflanzen abgehaltene Revue mit
den nicht zum Getreide zählenden Pflanzen fortgesetzt. Sesam,
Mohn, Lein und Hanf werden nur ihrer Samen wegen zur Oelgewin-
nung angebaut, obgleich man die Hanfstengel bisweilen zur Anfer-
tigung von Stricken benutzt. Krapp wird nur im Bezirke von Katty-
Kurghan und in einigen Theilen von Schehrisebs gebaut. Tabak
findet sich in kleiner Menge in vielen Gegenden Mittel-Asiens vor,
allein er ist keineswegs von guter Qualität; der beste kommt von
Karschi und Namangan. Auf russischem Territorium wird er, mit
Ausnahme der Provinz Ssemiretschensk, von den Russen nur wenig
kultivirt. Baumwolle. Der ausserordentlichen Wichtigkeit dieser
Kulturpflanze ist es zuzuschreiben, dass sie von Hrn. Schuyler aus-
führlicher behandelt wird, als die übrigen Pflanzen (S. 294—296).
Als Anhang zu dem, über den Ackerbau Gesagten wird endlich noch
auf den Gartenbau Bezügliches zur Sprache gebracht. Die Gärten
und deren Erzeugnisse haben den entschiedenen Beifall des Hrn.
Schuyler. «Die Gärten (so heisst es auf S. 296 u. ff.) sind die bevor-
* Dieser «Andere» (Hr. Schuyler sagt von ihm, dass er ein Beamter sei, der eine
Zeitlang eine hohe SteUung in Turkestan einnahm) schreibt : «Alles was wir Über das
*LAnd wissen, besteht aus vereinzelten Beschreibungen verschiedener Lokalitäten und
aus Berichten über, von unseren Truppen ausgeführten Rekognitionen. Was aber die
statistischen Nachrichten anbelangt, wie sie uns von Zeit zu Zeit von den Distrikts-
Chefs mitgetheilt werden, so sind dieselben so vag und oberflächlich, und bisweilen
sich selbst so widersprechend, dass es unnütz ist, überhaupt davon zu sprechen. Die,
an verschiedenen Orten Mittel-Asiens eingerichteten sogenannten statistischen Komites
existiren bloss auf dem Papier. Im Jahre 1868 wurde ein Allgemeines Statistisches
Komite für Central-Asien gebildet; es war jedoch nicht im Stande, seine Aufgabe zu
erfüllen, Dank der völligen Unwissenheit der Glieder der lokalen Administration, von
denen die erforderlichen Auskünfte nicht zu erhalten waren. Im Jahre 1869 wurden
auf Verordnung des General-Gouverneurs statistische Komites in den verschiedenen
Provinzen ^0^//ij/^ eingesetzt. Das im Jahre 1870 in der Syr-Darja-Provinz gebildete
Komite erliess an die Beamten der Lokaladministration ein Circular mit Fragen, die
Statistik der von ihnen verwalteten Lokalitäten betreffend ; allein diese Fragen bezogen
sich auf Details, weiche nur allgenveinc Heiterkeit erregten. Auch die Beantwortung
gestellter Fragen Hess vieles zu wünschen übrig, U. s. w.»
i
54
zugten Aufenthaltsorte zur Sommerzeit, und sie dürfen es auch sthr
^wohl sein. Nirgends gibt es so viele Früchte, und von einigen Ar-
"^ ten kana man sagen, dass sie nirgends besser angetroffen werden.
Die Aprikosen und Nectarinen können, meiner Meinung nach, un-
möglich von anderswoher übertroffen werden. Pfirsiche, obgleich
kleiner, sind wohlschmeckender als die besten Pfirsiche Englands,
äe werden jedoch von den Pfirsichen Delaware's weit überragt.
Die grosse blaue Pflaume von Buchara ist durch ganz Asien berühmt.
Die Kirschen sind meistens klein und sauer. Die besten Aepfel kom-
men aus Chiwa oder aus Susak (im Norden der Stadt Turkestan),
und die kleinen weissen Birnen von Taschkend sind in ihrer Art aus-
gezeichnet. Die Quitte wird wie bei uns nur der Conserven und
Marmeladen wegen, oder um die Suppe zu würzen, kultivirt Neben
den Wassermelonen gibt es hier im gewöhnlichen Leben zehn Arten
von früh- und sechs Arten von spätreifenden Melonen, deren jede
eine Bereicherung unserer Gärten sein würde. Von Weintrauben
habe ich mir dreizehn Sorten notirt, die meisten von ausserordent-
licher Güte. U. s. w.»
Das was Hr. Schuyler über die mittel-asiatischen Verhältnisse des
Grundbesitzes zu sagen hat (S. 297 u. ff.) wird folgendermaassen ein-
geleitet: «Die Frage nach dem Rechte des Grundbesitzes in Mittel-
Asien ist eine Frage von allergrösster Wichtigkeit; erstens, weil es
den Russen weder gestattet ist, Land zu kaufen noch Kolonien an-
zulegen, bevor nicht irgend eine Art gesetzlicher Bestimmung in Be-
treff des Eigenthumsrechts an Grund und Boden getroffen worden
ist, und zweitens, weil in allen darauf abzielenden, von russischen
Beamten entworfenen Projekten offen oder stillschweigend voraus-
gesetzt wird, dass das Recht des Besitzes von Gnmd und Boden auf'
den Staat übergegangen ist, und dass dem zu Folge das Gouverne-
ment das Recht habe, die bisherigen Besitzer aus ihrem Besitze zu
vertreiben, oder die Rechtstitel des Besitzes nach Belieben zu än-
dern. Nun hat aber in allen Theilen Mittel- Asiens bis jetzt auch nicht
die Spur eines kommunalen Eigenthumsrechts aufgefunden werden
können, und theoretisch waren die Rechte des Grundbesitzes den-
selben, in allen muselmännischen Ländern Geltung besitzenden Re-
geln unterworfen, obschon vielleicht in der Praxis durch gewisse lo-
kale Bedingungen abgeändert». Hr. Schuyler fuhrt nun die verschie-
denen Arten des Landbesitzes, wie solche nach muselmännischem
Rechte bestehen, auf; zeigt, wie irrig die Ansicht ist, welcher zu
Folge man alles Land als wirklich dem Staate gehörig und alle
55
Gntndbemtzer nur als Pächter oder als, mit ihrem Eigenthum beim
Staate zu Lehn Gehende betrachtet; meint, dass eine neue Gesetz-
gebung in Betreff des Eigenthumsrechts gar nicht nöthig sei, und
verwirft die bisher aufgestellten, darauf bezüglichen Projekte als un-
bedacht und ungerecht. «Ich weiss nicht (so lässt sich Hr. Schuyler
auf S. 302 vernehmen) ob man derartige Vorschläge einer Manie
nach Veränderung und Reform, oder einer angeborenen Unfähig-
keit, die Grundlagen persönlicher Freiheit und des Rechts auf Be-
sitz zu verstehen, zuschreiben soll. Es gebührt sich jedoch auszu-
sprechen, dass diese Vorschläge durchaus nicht von Staatsmännern
ausgegangen sind (die russischen Staatsmänner haben bis jetzt der
Lage der Dinge in dem so weit abgelegenen Turkestan nur geringe
Aufmerksamkeit zugewendet), und dass sie insgesammt bis jetzt
vom Reichsrath immer zurückgewiesen, oder wieder zurückgezogen
wurden. Sie sind das Machwerk von Militärpersonen, oder subalter-
ner Beamten, die eine verantwortliche offizielle Stellung erlangt ha-
ben, oder einiger junger Leute, welche, weil sie vielleicht vom Ale-
xander-Lyzeum, also einer Anstalt graduirt worden sind, die Staats-
männer ausbilden soll und die alma mater des Fürsten Gortschakow
war, sich einbilden, dass sie durch diesen Umstand allein schon
nothwendiger Weise ebenso grosse Staatsmänner sind, wie dieser
ausgezeichnete Mann. Den turkestanischen Beamten wäre, ehe sie
so entscheidende Schritte, wie vorgeschlagen worden sind, thun,
anzurathen, sich eine Lehre zu nehmen an den für Indien durch
Lord Cornwallis getroffenen gesetzlichen Bestimmungen des Eigen-
thumsrechts, welche jetzt als ebenso ungerecht, wie in ihren Folgen
schädlich anerkannt worden sind». «Ich bin überzeugt, dass
jeder Versuch, die turkestanischen Grundbesitzer zu Pächtern der
Regierung zu machen, die grösste Unzufriedenheit erregen und die
Russen in eine so schwierige Lage bringen wird, dass selbst eine
noch stärkere militärische Besatzung des Landes, als jetzt, zur Auf-
rechthaltung der Ordnung nicht ausreichen wird».
An die Betrachtung der Eigenthumsrechte von Grund und Boden
schliesst sich die Besprechung der am Grundbesitz haftenden Steu-
ern an (S. 303 u. ff.). Da wird zuerst gezeigt, welcher Art diese
Abgaben unter der einheimischen Regierung waren und wie sie ein-
gesammelt wurden. Der Art nach waren es nämlich entweder Geld-
abgaben, die nach der Grösse des bebauten Landes, oder Abgaben
in natura^ die nach der Grösse der Erträge bemessen wurden, und
*/6 der Gesammtemte betrugen. Besonders interessant ist die Art,
5Ö
wla (Ho letit|{ananntc Abgabe eingetrieben wurde. «In einem jeden
I )iiitrlkto war ein Ueamtefi Srrker genannt, angestellt, welcher mit
einer groMon Aniahl von Gehülfen, Schreibern und Feldmessern
ilio kultivirtcn Lluidercicn während des Sommers inspizirte, über die
(•rOMO der in Kultur genommenen Feldflächen und über die muth-
iu«iAMlichc (irüsse der ICrträgc Konto (Uhrte, und endlich nach der
Krnte den, der Regierung tukommenden Theil des Kornes ( Vs der
ticManuuternte) in Kmpfang nalmi. Seine Besoldung erhielt er in Ge-
]«UU einer AddltionalAbgabc, welche auf Vto dessen, was der Re-
^iciung lukaui« festgestellt war Durch dieses System wird aber der
AuUms gegeben sur Verheimlichung des wahren Emtebetrages von
Seiten der Kingeborcnen» und tu grossen Erpressungen von Seiten
\lcr IWantten. Der StrJttr wird von den reicheren Leuten, von de-
nen er MCh bestechen lässt» nur einen Theil der Abgabe erhellen,
während er von den armen Leuten weit mehr nimmt, als sie zu ge-
IvcA xerprtichtet sind« Im Nachstehenden theile ich einen authenti-
schen Kall n\it« wie er sich unter der russischen Administration zu»
tu^. Auf dem Dreschplatze eines kleinen Grundl>esitzers lagen 320
l^und Uetceiiie« IVr Steuereinnehmer kam an und nahm zuerst den
vi<^<ten Vhcil l\u skh selbst« Sein Gehulfe nahm ebenfalls seiaea
ll^v^xxhiUichen TheiL scuicn «AermelwlU, da er aber zu diesem Be-
hüte emei\ Kock mit sehr weiten Aermcin angexogen hatte, so t>e-
Ihm sich \he;K^ • AeitueNxC!» aut ' • der ganzen Ernte, d. h. axif 40
I^IuikI l Vf K^ur des Iman nahm gletchfalU 40 Pfd. di es gebriuchlxcat
i^t auch \len IVaem der Kirche einen Andietl lur^i^escdkes.
t^h<iMfev> luhtt) vJcf Schnnber cm Achte**. Hierui: legte der ces Sem-
etCMMUchuKTt tv^Witettdc Backer rvei klesae Kucnem aix: öes
l\v^Sbi|<^s» \iiviut thux ^eätane^ wuruc .>? F>i. rj. rnttax/a^ Der
tV«N«it*.j^^ w.S:tt<tchte dem Sceceressoeäisser sizc öer cnen riaoc
N^v tN'tV. ^«i^trvttsS er » der oaBdenen Kami cssea F.x^srsSl:k ine^r.
Mk >iivvc^va t^^ c^k:^i^ «ucce cc SSi es&r^äc&ucies. £nse jiitfiz--
V^Vc J:^e^J*et•Jt <i jry>7 jhFWÄÄA- ^ceacece \vy vMx Serker ca zinr
^tc>*< ^ttli.-cnie' uoc ;:«itc Mucie a!£& unu ^räxc&c iar^ ncac 3ur «c
t>u<tc. M.Hicet*i «VLfvc ;Kxifc cceoiretn rom Diee CK^aiiet. £s '^üe-
>ca ^VDkfco:^ %ctt ccit jrjv'cua^icasM uc r\i aur ?c rM iferc - te-
'nr* ^duK^utt »vitve- :T'4ii icrjdütg sx z riieae ^^Kieit ■»'.•vvtt :
;»Kf Ha v'e« .sci^GC V^cii j^oer S'.-rtce fercüeir. Es vsr l:«c üescm
iki^<iitCQit >^c .ktf&ili^ .äu$ oer r jmxwirrt sex acnc »sc^^ol
57
es ihm geglückt war den grössten Theil seiner Ernte schon vorher
heimlich auf die Seite zu brii)gen>. -^ Es muss hierzu bemerkt wer-
den, dass der im Vorstehenden mitgetheilte Fall sich im Seraf-
schan-Thale zu einer Zeit ereignete, wo die Einverleibung dieses
Gebietes in das russische Turkestan noch unentschieden war; man
hatte die bisherigen Einrichtungen, wie sie unter der bucharischen
Regierung bestanden, vorläufig noch gelten lassen. Diese Zustände
dauerten von 1868 — 1871, von welcher Zeit ab diese Methode der
Einsammlung abgeschafft ward. Die Serker kamen in Wegfall, und
die Einsammlung der Abgaben ward, wie in den übrigen Theilen
des russischen Turkestan, den Ortsbehörden übertragen, wobei sich
sogleich eine Vermehrung der Steuereinnahmen herausstellte, weil
der Serker mit seinen Gehülfen nicht mehr stehlen konntet Man
geht übrigens mit der Idee um, alle diese Abgaben in Zukunft nicht
mehr in natura^ sondern in Geld zu erheben.
Im achten Kapitel (S. 308 — 335) beschreibt Hr. Schuyler seine
Rückreise von Samarkand nach Taschkend.. Er schlägt dabei) wie
bereits bemerkt worden ist, einen anderen Weg ein, als den^ welchen
er gekommen war, indem er bei Dschisak die durch die Hunger-
steppe führende Poststrasse verlässt, um auf einem Umwege^ über
Uratübe und Chodschend und von da durch den Kurama-Kreis nach
Taschkend zurückzugelangen.
Uratübö, eine Stadt mit mehr als 10,000 E., gefällt unserem Rei*
senden gar wohl. Er schildert ihre Lage und die Aussicht, welche
man von den jetzt zerbröckelnden Wällen der alten Festung über
Stadt und Umgegend geniesst, als ganz reizend, und fand bei seinen
Bazarbesuchen die Einwohner äusserst freundlich und gern bereit^
sich auf Gespräche einzulassen. Als besondere, von ihm auf dem
Bazar beobachtete Merkwürdigkeit werden die grünen, mit silbernen
Nägeln beschlagenen Reiterstiefeln genannt, und grosse Holzschuhe
mit drei starken hölzernen, unten nüt Nägeln beschlagenen Fussge«
stellen, welche von den, den Bazar dieser Stadt häufig besuchenden
Galtscha's der benachbarten Gebirge und aus Karategin getragen
werden. Ebenso gefällt ihm Chodschend sehr gut. c Chodschend (so
heisst es auf S. 314) macht unter allen mittel-asiatischen Städten bei-
' Im Jahre 1871 mussten diese Steuereinnehmer mehr als 165,000 Rbl. zurückzah.
len, als Ersatz für das was sie gestohlen hatten.
' Dieser «Umweg* , den auch ich bei meiner Rückkehr von Samarkand nach Tasch-
kend gerne eingeschlagen hätte (was jedoch aus Mangel an Pferden unterblieb), ist jetzt
der «Hauptweg*, d. h. die mit Stationen versehene Poststrasse geworden.
5^
nahe den angenehmsten Eindnick, was, wie ich glauben möchte,
theils seiner Lage am Ufer des Flusse^ theils dem geselligen und
Vergnügungen liebenden Charakter seiner Bewohner, welche der
grossen Mehrzahl nach Tadschiks sind, zugeschrieben werden
muss». Hr. Schuyler rühmt die freundschaftliche Aufnahme, welche
er bei dem Stadthauptmann, Baron Nolde^ fand, unter dessen
Aegide er Moscheen und Schulen besuchte, die Bekanntschaft eini-
ger Kadi's machte, durch den Bazar ritt u. s. w. ; fügt aber doch hin-
zu, dass die ihn begleitende grosse Suite lästig und bei seinen Nach-
forschungen hinderlich gewesen sei. Später jedoch, als er auf seiner
Reise nach Chokand abermals nachChodschend kam und einige Tage
daselbst verweilte, hatte er bessere Gelegenheit sich überall umzu-
sehen. Der Bazar erscheint ihm im Verhältniss zur Stadt (30,000 E.)
gross, und obschon auf demselben kein bedeutender Handel mit
irgend einer Spezialität betrieben wird, so ist er doch für denjenigen,
welcher das Leben der Leute kennen lernen will, ein ausserordent-
lich interessanter Platz. Leider erfahrt man aber von den durch
Hm. Schuyler hier gemachten Studien in seinem Buche nichts,
wohl aber wird mit Ausführlichkeit der wichtigen Rolle gedacht,
welche Chodschend im Jahre 1875 während des Krieges mit Cho-
kand spielte (S. 316 u. flf.).
Der Umstand, dass 25 Meilen (englisch) südlich von Chodschend,
bei Kokine-sai, die dem Oberst Fowitzki gehörigen Steinkohlen-
lager vorkommen, deren Abbau trotz des schwierigen Transportes
durch das Gebirge, des dadurch bedingten hohen Preises und des
geringen Verbrauches der Kohle doch noch mit einiger Lebhaftig-
keit betrieben wird, ist für Hm. Schuyler Veranlassung, das Vor*
konmien von Steinkohlen in den westlichen Tbeilen des russischen
Turkestan insbesondere, und die mineralischen Vorkommnisse der-
selben Gegenden überhaupt zur Sprache zu bringen (S. 319—^323),
wobei vorzüglich die Ergebnisse der Untersuchungen des Hrn. Prof.
Romanowsky, welcher im Jahre 1874 im Auftrage der Regierung
Turkestan geognostisch bereiste, benutzt werden.
Was die Steinkohle anbelangt, so hat die Regierung weder Geld
' Wenn Ilr. Schnyler von diesem Baron Nolde aussagt, dass er aus den Ostseepro -
viniea stamme und an der Universität Dorpat studirt habe (flir den Fall nämlich, dass
man: *had bten educated at the University 0/ Dürpat» nicht anders deuten kann, als:
er ist Student gewesen»), so beruht diese Aussage wahrscheinlich auf einem Irrthum.
Wenigstens habe Ich den Namen diestf Herrn im Ai^m meadimkum dkscr Univtrittftt
ganz vergeblich gesucht
59
noch Mühe gescheut, um gute Kohlenb^er aufzusuchen, allein bis
jetzt sind die Erwartungen, die man anfanglich in Betreif des Reich-
thums dieser Gegenden an Kohlen hegte, nicht erfüllt worden.
Unweit Chodschakend, ungefähr 60 Werst nord-östlich von Tasch-
kend fand man ein schmales Kohlenlager, allein die Kohle war
schwer zu gewinnen und noch obendrein schlecht. Das am Borol-
dai aufgefundene, 60 Werst von Tschemkend, 160 Werst von
Taschkend und ebenso weit von dem Landungsplatze am Syr-Darja
bei der Einmündung des Arys entfernte, nach seinem Entdecker
das Tatarinow^sche genannte Steinkohlenlager, wurde eine Zeitlang
auf Kosten der Regierung abgebaut, allein der Betrieb der Gruben
wurde, obschon die Kohle gut war, eingestellt, weil der Transport
der Kohlen zu theuer zu stehen kam. Das dem Oberst Fowitzki
gehörige Steinkohlenlager ist das einzige, im Augenblick noch im
Betriebe stehende, obschon der Verbrauchsrayon der hier gewon-
nenen Kohle wegen der Kostspieligkeit des Transportes ein nur sehr
beschränkter bleiben und nicht weit über Uratüb^ und Chodschend
hinausgehen wird. Hr. Prof. Romanowsky bezeichnet übrigens, ge-
stützt auf die geognostischen Verhältnisse der betreffenden Gregend,
noch eine Anzahl anderer, Taschkend näher liegender Punkte, wo
man wahrscheinlich gute Kohlen finden würde, allein man müsste
sich doch erst durch Bohrversuche von der Richtigkeit solcher Ver-
muthungen überzeugen.
Bleierze, und zwar sehr reiche, kommen im Karatau, nicht sehr
weit von der Stadt Turkestan, vor. Dieselben wurden schon seit
langer 2^it von den Eingebornen benutzt, obschon mit grosser Ver-
schwendung, denn es ergab sich, dass die, von der Ausschmelzung
dieser Erze durch die Eingebornen zurückgebliebenen Schlacken
noch volle 31 pCt. Blei enthielten. Die von einem russischen Kauf*
mann unternommene, etwas schwierige Bearbeitung dieser Minen ist
aber wieder eingestellt worden. Bleierze von gleichem Reichthum
hat Hr. Romanowsky im Karama-Kreise zu Karamasar, einige 20
Werst nordwestlich von Chodschend, aufgefunden, er berechnet,
dass aus den hier vorkommenden Erzen jährlich für 35,500 Rbl.
Blei gewonnen werden können, vorausgesetzt, dass das zum Aus-
schmelzen der Erze nöthige Brennmaterial nicht höher als 20 Kop.
pro Pud zu stehen komme, dass auf die Dauer von 24 Jahren ein
jährlicher Absatz von 28,000 Pud Blei zum Preise von i ^'g Rbl. per
Pud garantirt werde^ und dass man während der ersten 3 Jahre auf
die nöthigen berg- und hüttenmännischen Anlagen die Summe von
6o
88,500 Rbl. verwende. Obgleich ich nicht wetss^ welcher Grund
für Hm. Schiiyler vorlag, diese detaillirte Berechnung in sein Buch
aufzunehmen, so möchte ich doch beinahe glauben, dass es nur der
Curiosität wegen geschehen ist.)
Roth- und Brauneisenerze, sowie Eisenocker finden sich häufig
ebenso Anzeichen von Kupfererzen; allein es ist unmöglich diesel-
ben abzubauen, weil die betreffenden Fundorte schwer zugänglich
sind und weil es an passendem Brennmaterial fehlt.
Gold wird im oberen Serafschan und Tschirtschik gefunden, je-
doch in so geringer Menge, dass sich die Arbeit des Aufsuchcns
nicht bezahlt macht.
Steinsalz wurde früher unweit Samgar, nord-östlich von Chod-
schend, gewonnen; vielleicht dass man durch Bohrung neue Lager
aufschliesst.
Reiche Naphthaquellen finden sich zu Mai-Bulak, einige 30
Werst von Namangan^ Hr. Schuyler meint, dass diese Naphtha
j-echt leicht zu Wasser nach Chodschend, wenn nicht gar nach
Taschkend gebracht werden könne, und zwar in, die jetzige Nach-
frage weit übertreffenden Quantitäten. Der Kaufmann Feodorow
habe vom Chan von Chokand die Konzession zur Bearbeitung dieser
Naphthaquellen gegen Zahlung von 10 pCt. erhalten, allein es ist
ihm (wie auch mir) nicht bekannt, ob diese Bearbeitung jetzt schon
begonnen habe^
Hr. Schuyler setzt jetzt die Beschreibung seiner Reise fort (S.
323 u. ff.). Er verlässt Chodschend und überschreitet den Syr-Darja
mittelst Prahmes, da die von einem Privatunternehmer erbaute
Brücke damals noch nicht fertig war, und gelangt durch gebirgiges
Land und über hochgelegene Steppen in die, von den Flüssen An-
' Hr. Schuyler fkllt hier gewissermaassen aus seiner Rolle. Indem er im Obigen nur
von dem Mineralreichthum des Rassischen Turkestan (nach den Grenzen vom Jahre
1873, der Zeit seiner Reise, und noch obendrein mit vorläufigem Ausschluss der östli-
chen Theile des Landes) sprechen will, durfte er eigentlich die Naphthaquellen von
Mai-Bulak bei Namangan gar nicht mit anßihren, da Chokand damals noch nicht zu
Russland gehörte. Was die mineralbchen Vorkommnisse Chokands (des jetzigen russi-
schen Ferghana-Gebiets) so wie des östlichen Theiles des russischen Turkestan an-
langt, so ist davon erst im zweiten Bande des Schuyler *schen Werkes die Rede.
• Hr. Schuyler hält es bei der Erwähnung Feodorow's, den er einen tmining sptcu-
lator* nennt, für nöthig, darauf aufmerksam zu machen, dass nian es mit der im «(7^^-
^fl/A/Vfl/J/fl^a«W» (Januarheft', 1875) enthaltenen, auf den übertriebenen Berichten
Feodorow's beruhenden Schilderung der mineralischen Rcichthümer CentralAsiens
dnrchans nicht so genau nehmen dttrfft.
6i
gren und Tschirtschik durchströmten und durch unzählige Fluss-
arme und Kanäle bewässerten Niederungen, in denen ein ausseror-
dentlich starker Reisbau getrieben wird. Das Durchführten des tie-
fen und reissenden brückenlosen Tschirtschik' macht gfrosse Mühe,
und geschieht in derselben Weise, wie bereits beim Serafschan er-
wähnt worden ist. Die auf dem rechten Ufer des Flusses liegende
Ortschaft Kuiljuk ist die Residenz des Kurama^schen Kreischefs,
der hier ein elegantes Haus (beinahe ein Palast) mit grossen Gärten
und gut unterhaltenen Anlagen hat, und gar kein Hehl daraus
macht, dass er die Kosten keineswegs aus seinem 2400 Rbl. betra-
genden Gehalte zu bestreiten vermag.
Hr. Schuyler befindet sich jetzt mitten im Kurama-Kreise, der,
was Reichthum und dichte Bevölkerung anlangt, nur von dem Se-
rafschan-Kreise übertroffen wird. Die Bevölkerung dieses Kreises
besteht neben reinen Usbeken und Kirgisen aus den Abkömmlin-
gen einer Mischung verschiedener central-asiatischer Volksstämme
(woher auch der Name •Kurama» d. h« «gemischt»). Sie ist durch-
aus sesshaft, da jedoch die, von den Flüssen Angren und Tschir-
tschik bewässerten Landestheile im Verhältniss zu der dort vorhan-
denen Volksmenge nicht gross genug sind, so ist ein ansehnlicher
Theil der Bevölkerung genöthigt, sich mit Viehzucht zu beschäfti-
gen. Die Art und Weise, wie diese Viehzucht hier betrieben wird,
beschreibt Hr. Schuyler auf S. 325 u. ff.*
Den Schluss des achten Kapitels und zugleich des ersten Bandes
des Schuyler'schen Werkes bilden, wenn man von den 3 bereits
weiter oben angezeigten <Appendices» absieht, einige, das Klima
Turkestan's, so wie die verschiedenen einheimischen Zeitrechnun-
gen, die Jahres-, Monats-, Wochen- und Tages-Eintheilungen ange-
hende Bemerkungen. Nur von den erstgenannten, das Klima betref-
fenden Bemerkungen, möge hier noch die Rede sein.
Hr. Schuyler sagt da (S. 326 u. ff.), dass es zwar seine Schwierig-
' Jetzt ist eine Brücke vorhanden.
* Ilr. Schuyler führt unter den hier gehaltenen Thieren auch die fettschwänzigen
Schafe an, und bemerkt, dass die bei diesen Thieren so charakteristische Fettansamm-
long bisweilen sehr bedeutend sei. Wenn er aber hinzufügt, die Erzählung, dass es
Schafe mit so mächtigem Fettschwanze gebe, dass das Schaf denselben auf Rädern mit
sich herum fohren müsse, sei die Uebertreibung irgend eines •story-teller» d. h. «Ge-
schichtenmachers», oder (wenn man will) «Lügners«, oder «Windbeutels», so sehe ich
mich genöthigt zu erklären, dass ich ein* oder zweimal solche Schafe gesehen und über
den possirlichen Anblick herzlich gelacht habe; zwar nicht in Turkestan, wohl aber im
Kaukasus oder im südlichen europäischen Russland.
62
keit habe, eine genaue Kenntniss in Betreff des mittel-asiatischen
Kiima's zu gewinnen, da man erst seit 1873 suigefangen habe, in
Central-Asien meteorologische Beobachtungen in systematischer
Weise anzustellen; dass es aber dennoch möglich sei, sich wenig-
stens eine allgemeine Vorstellung davon^ zu verschaffen, wenn man
die, von einzelnen Privatpersonen an verschiedenen Orten angestell-
ten Thermometerbeobachtungen benutzt. Im Allgemeinen ist das
Klima, besonders in den nördlichen Theilen des Landes, ein merk-
lich kontinentales, d. h. also, es herrscht hier jm Sommer grosse
Hitze und im Winter grosse Kälte; allein es lassen sich doch Unter-
schiede herausfinden, nach denen man innerhalb des russischen
Turkestan so ungefähr vier verschiedene klimatische Zonen aufstellen
kann.
Die nördliche Zone, welche sich nach Süden etwa bis zu 45* N-
B. erstreckt, umfasst den unteren Lauf des Syr-Darja bis zum Fort
)i 2 und den unteren Lauf des Ili. Es herrscht hier im Allgemeinen
ein kaltes Klima, und die Aprikose und Weinrebe kommen nicht
fort. An der äussersten Westgrenze dieser 2k)ne, bei Kasalinsk, ist
die mittlere Jahrestemperatur 4. 6,9^ Celsius, während sie an der
äussersten Ostgrenze, bei Kopal, -f. 7,6^ C. beträgt. Der Schnee
bleibt ungefähr 3 Monate liegen. Der Sommer dauert in Kasalinsk
5 Monate ohne Regen und ist ausserordentlich heiss; während bei
Kopal die Hitze des Sommers durch die Nähe der schneebedeckten
Gebirge und durch die vom Balchasch-See blasenden Westwinde
gemässigt wird.
An die vorhergehende Zone grenzt im Süden die Aprikosen* Zone
an. Sie umfasst Perowsk, Turkestan, Aulie- Ata und Wernoje. Wemoje
hat eine mittlere Jahrestemperatur von + 7® C (allerdings nur nach
im Jahre 1861 angestellten Beobachtungen). Die Trauben kommen
in Wernoje zur Reife, sind aber von weit geringerer Güte, als die süd.
lieber wachsenden. Der NVinter ist in dieser Zone kürzer, als in der
vorhergehenden, aber die Winde sind viel heftiger. Der Winter ist
ungefähr derselbe, wie in Mittel-Deutschland, obschon das Quecksilber
bisweilen bis auf — 34^ C. sinkt, und im Sommer bis auf ^37^0. (im
Schatten) steigt.
Die Pfirsich- und Mandelzone umschliesst Mankend, Tschemkend,
Taschkend, Tokmak, den Distrikt von.Kuldscha, Uratüb6, Dschisak
und den Serafschan-Distrikt. Südwärts von Taschkend braucht die
Weinrebe während des Winters nicht mehr bedeckt zu werden. Der
Distrikt von Kuldscha, obschon weit nördlicher liegend, wird von
63
ailea Seiten durch kobe Gebirge geschützt und erhält dadurch sefne
verhältnissmässig hohe Temperatur; die mittlere Jahrestemperatur
beträgt 4- 9,8^ C.y und es ist daher hier möglich, Aprikosen, Pfirsiche,
Weintrauben, Granatäpfel und andere zarte Früchte zu kultiviren* •
Die mittlere Jahrestemperatur von Taschkend betrug (nach den im
chemischen Laboratorium während der Jahre 1872, 1873 und 1874
angestellten Beobachtungen) + 13,6*, I3,4* und 13,1* Celsius. Der
Taschkendsche Winter ist kurz, und der, etwa während eines Monats,
fallende Schnee schmilzt schnell. Bisweilen -fallt das Thermometer
im Winter bis auf — 21® C und steigt im Sommer bis auf -f 43* C.
(am Schatten).
Die vierte Zone endlich umfasst das Thal von Chodschend und
alle jene kleinen Gebirgsthäler im Süden des 42' N. B. Hier kommt
sogar die Pistazie fort.
Von dem zu Nukus am Amu-Darja eingerichteten meteorologi-
schen Observatoriuin lagen Hrn. Schuyler nur die vom Juli bis No-
vember 1874 angestellten Beobachtungen vor. Die Temperatur
war während dieser Monate ungefähr dieselbe, wie in Taschkend ;
der höchste Stand, welchen das Quecksilber erreichte, war 4. 42^ C.
(Fortsetzung folgt.)
Uebersicht der russischeB historischen Literatur
für die Jahre 1874-1876
Von
Prof. >V. Jkonnikow.
(Fortsetzung.*)
Das Jahr 1874.
14. Tagebuch A. W.Chrapowizkifs. 1782—1793, nac/i dem Manu-
Skript^ mit einer Biographie und einem erklärenden Register von Niko-
lai Barssukow. St. Petersburg*.
15. Erzählungen aus dem polnischen Alterthum. Memoiren des
XVIII. Jahrhunderts von Jana Duklan Ochotskij. Nach den von
• Vgl, tRuss. Revue» Bd. XII, S. 473 u. flf.
• S. darttber -Russ. Revue» Bd. VII S] 139 — 164 u. 193—214, den Artikel von
Fjrof. Brttdcner : Zur Charakteristik der Kaiserin Katharina.
64 ._
ihm hinterlassenen Manuskripten herausgegeben von % Krascliewskij,
Band I. Uebersetzung aus dem Polnischen. St. Petersburg.
Diese Memoiren liefern ein reiches Material für die Sittenge-
schichte Polens zur Zeit der Theilung und geben lebendige Charak-
teristiken der damaligen bedeutendsten Männer, die an der Spitze
der Truppen und der Administration der betreffenden Gebiete stan-
den. Die Erzählungen reichen bis zum Tode Kaiser Alexander I.,
die kurzen Bemerkungen bis zu den dreissiger Jahren. Beilagen
enthalten Auszüge aus den Memoiren des Abbate Ochotskij (eines
Onkels des Autors), Severin Bukar*s, Chrshonstowskij^s und eine bio-
graphische Skizze des 'gelehrten Priesters Dmochowskij. In der
Uebersetzung ist Mehreres weggelassen worden.
i6. MuraivjeW'Karskijy N. iV., Die Türkei und Egypten von, 1832
^«1833. Theil L Das Kriegstfieater.
17. Memoiren des Protohierej^s T. A. WercJunvskij\ der in den Jah-
ren 1845 — 48 abhommandirt war^ die Orütodoxie in den Tscliemi"
gauf sehen und StaroduV sehen altgläubigen Possads zu reorganisiren.
Kasan.
18. Historisch-politische Briefe und Auf Zeichnungen während des
Krieges von 1853 — 1856, von M, P. Pogodin. Moskau.
Letztgenanntes Werk betrifft die Periode von 1838 — 43, doch haupt«
sächlich die Jahre 1853 — 56 und berührt die slawische Frage mit
Bezug auf Europa und Russland und die äussere Politik Russlands
(1813—53), ^*^ der Autor für eine, im höchsten Grad fehlerhafte
und von verderblicher Wirkung auf die innere Politik hält, weil sie
enorme Ausgaben für die Armee erforderte und somit in demselben
Maasse die Befriedigung der inneren Bedürfnisse des Landes un-
möglich machte. Die westlichen Revolutionen spiegelten sich un-
günstig in den Universitäten, in der Literatur und dem gesellschaft-
lichen Leben wie4er. Der Verfasser kämpft für die Freiheit der
Bauern, für die Freiheit des Wortes, für die Oeffentlichkeit, Volks-
bildung u. s. w. Von einem vernünftigen Konservativen geschrie-
ben, dienen die^e Briefe und Aufzeichnungen dem künftigen Histo-
riker als unentbehrliches Material zur Darstellung der russischen
Gesellschaft am Vorabend des Falles von Ssewastopol und der dar-
auffolgenden Reformen. Sie sind im Jahre 1860— 61 im Auslande
erschienen.
Zum Schluss der Uebersicht über die Quellen, die im Jahre 1874
erschienen sind, sei noch erwähnt:
19. Erzählungen der jüdischen Schriftsteller voti den Chasarcn und
dem Chasarenreich^ gesammelt^ übersetzt und erklärt von A, y. Mar'
kavy. Lief. I St. Petersburg. Separat- Abdruck aus den Arbeiten
der orientalischen Abtheilung der russischen archäologischen Gesell-
schaft'.
Unabhängig von der schon genannten Publikation der Wilna*schen
Kommission, muss hier eine Edition erwähnt werden, die auf Kosten
' S. «Rass. Reme» Bd. X, S. 310 u. ff« und Bd. XI, S« 143 o. ff.
65
des Wilna^schcn Lehrbezirks gedruckt ist und ein wesentliches Hülff;-
mittel beim Lesen der Akten des nord-westlichen Gebiets und des
Königreichs Polen bildet.
20. Wötterbuch der alten Akten-Spraclte des nordwestlichen Gebiets
und des Königreielis Polen, zusammengestellt von N, Gorbatschewskij\
Wilna.
Die Aktensprache des Gebiets, welches unter der Herrschaft Polens
stand, stellt ein Gemisch von russischen, polnischen und lateinischen
Wörtern und Ausdrücken dar, die in Folge der Vermischung und
anderer Ursachen eigenartige Formen und eine eigenartige Termino-
logie erhalten haben, die häufig einer speziellen Erklärung bedürfen.
Die juristischen Begriffe und Formen sind nicht wenig verwirrt.
Weiter findet sich eine Reihe von Benennungen der Aemter, Wür-
den, Maasse, Münzen, Kleider, Wochen und Feiertage, durch welche
die gerichtlichen Beziehungen bestimmt wurden u. s. w.
Alles das ist vom Autor berücksichtigt und auf Grundlage der
Akten und von Spezial-Arbeiten für jeden Zweig der Terminologie
besonders erklärt.
Ein ähnlicher Versuch war vor einigen Jahren von Hrn. Nowjtzkij, in
den Universitäts- Nachrichten, mit einem terminologischen Wörter-
buch des Süd-westlichen Russlands, aber in kleineren Dimensionen,
gemacht worden. (Wörterbuch der juristischen Termini in der alten
Akten-Sprache des süd-westlichen Russlands.)
II. AllgemeineWerke, Monographien undUntersuchungen.
Fortsetzungen erschienen im Jahre 1874 von folgenden, schon
früher begonnenen Ausgaben :
2 1 . Hülfsmittel zur Erlernung der russischen GescIUchte nach der
kritischen Methode von Jw. W, Laschnjukow. Kijew. Liefg. II.
Die erste Lieferung war 1S70 erschienen und enthielt die Biogra-
phie des verstorbenen Autors und kurze geschichtliche Abrisse bis
zur Hälfte des XIII. Jahrhunderts mit ganz besonderem Hinweis auf
den innern Zustand der Gesellschaft. Die zweite Lieferung ist ein
Separat-Abdruk einer Reihe von Artikeln aus den Universitäts-
Nachrichten (1869 — 73). Ohne eine vollständige Darstellung der
Geschichte zu enthalten, gibt sie umständliche Abrisse der Zeit von
Iwan III., Wassilij Iwanowitsch, Iwan Grosnij und Boris Godunow.
Mit hauptsächlicher Berücksichtigung der politischen Beziehungen
führt der Autor die wesentlichsten Meinungen über streitige Fragen
an und lässt dann seine eigene Ansicht folgen. Die zweite Ab-
theilung dieser Lieferung enthält: cAbrisse der Historiographie»,
darunter die Annalen (der Autor hält Nestor für den Verfasser der
Annalen in ihrem ganzen Umfang), Memoiren von Russen (beson-
ders von Kurbskij und Kotoschichin) und Ausländern (Baer, Olearius),
Uebersicht der Bearbeitungen der Geschichte (Tatischtschew, Lo-
monossow, Karamsin, Polewoi). Den Schluss macht eine biogra-
i«ii.U«TM.Bd.XIII. e-
66
phische Skizze «Wladimir Monomach», die abgeschlossenste und
gelungenste Skizze in dieser Lieferung.
22. Die russische Geschichte in Biographien ihrer bedeutendsten
Männer von N. Kostomarow. Lief. I — V. St Petersburg 1873 — 74.
In diesen 5 Lieferungen ist die Geschichte Russlands von Wladi-
mir dem Heiligen bis zur Regierung Sophiens fortgeführt. Die An-
sichten Kostomarow's über einzelne Persönlichkeiten und Epochen,
die er in dieser Arbeit berücksichtigt, sind mehr oder weniger aus
seinen früheren Untersuchungen bekannt. Die künstlerische Bear-
beitung hat auch dieser neuen Arbeit allgemeine Verbreitung ver-
schafft.
23. Geschichte der russischen Kirche in der Periode ihrer Theüung
in zwei Metropölitan-Eparchien, Band VII, Theil II. St. Petersburg.
Im zweiten Theil des VII. Bandes betrachtet der Autor die Klöster
und die geistliche Literatur in der Periode von 1240 — 1589. Fol-
gende Schriftsteller sind berücksichtigt: Pachomij Logothet, Genna-
dij von Nowgorod, Joseph Wolokolamskij, Fürst Wassian Patrikejew,
Maxim der Grieche, Metropolit Daniel, Metropolit Makarius, Syl-
vester.
Diese Arbeit des Metropoliten Makarius, wie auch die vorher-
gehenden Bände, haben wegen der Fülle des neuen Materials Bedeu-
tung. Der Autor benutzt beständig die handschriftlichen Materia-
lien der russischen Kirchen-Bibliotheken, wie auch seiner Eigenen
reichhaltigen Bibliothek. Ucbrigens enthält dieser Band weniger
Daten, als die übrigen. Der Autor bemüht sich die bekannten
«Josephiten» zu vertheidigen, die in der politischen und Kirchen-
Geschichte Russlands im XVI. Jahrhundert eine wichtige Rolle ge-
spielt haben.
24. Geschichte Russlands ^ von S. Ssolawjew. Band XXIV. Moskau.
Dieser Band behandelt die letzten Jahre der Regierung Elisabeth
Petrowna's, die Zeit des siebenjährigen Krieges. Der Autor beginnt
mit einer eingehenden Untersuchung der Ursachen, welche einen
Wechsel im west-europäischen Bündniss, d. h. den Abschluss einer
Allianz zwischen Oesterreich und Frankreich hervorgerufen haben.
Als entscheidendes Ereigniss bezeichnet er den Abschluss einer
Allianz zwischen Preussen und England. Solcher Gestalt tritt die
Beleidigung der Pompadour durch Friedrich II., die lange Zeit für
den Hauptanstoss zu dieser Thatsache galt, in den Hintergrund.
Andererseits waren die Nothwendigkeit, den «plötzlich König Gewor-
denen» zu schwächen und seine früheren Versuche, durch die Alt-
gläubigen und die Befreiung des früheren Kaisers Iwan Antonowitsch
in Russland Unruhen zu stiften, genügend starke Motive zur Theil-
nähme an dem allgemeinen europäischen Krieg. Die Lage des
Kanzlers Bestushew, der mit Zuversicht auf die Engländer hoffte,
war eine sfehr kritische. Gegen die Feldherrn, denen die Leitung
des Krieges übertragen warfApraxin, Fermor, Ssaltykow, Buturlin),
wendet sich der Verfasser mit grosser Strenge. «Alle vier», bemerkt
er, «hatten keine Fähigkeiten za Höchstkommandireaden»« Daulurch
beseitigt er auch die Ansicht, als ob Apraxtn in seinen Handlungen
von St. Petersburg und dem Einfluss Bestushew's abhängig gewesen.
Die Neigung des Letzteren zu England und seine Bemühungen, eine
Annäherung an Frankreich zu verhindern, erscheinen als die Haupt-
ursachen der in St. Petersburg gegen den Kanzler eingeleiteten
Intrigue. Demungeachtet war die Befürchtung eines Regierungs-
wechsels (in Folge der krankhaften Anfälle der Kaiserin) und die
Sympathie des Thronfolgers für Friedrich bekannt und mussten
auch auf die Handlungsweise der Feldherren wirken.
Von anderen Fragen treten die Beziehungen Polens klar hervor,
in denen man schon die Lage dieses Landes unter Katharina II. vor-
aussehen kann.
Die Darstellung ist nach Jahren geordnet; jedem Jahr ist ein be-
sonderes Kapitel gewidmet, den Schluss bildet eine Darstellung der
Thatsachen, die auf die innere Lage Russlands Bezug haben. Dar-
unter sind die beständigen Unruhen der Bauern und die Frage über
Verwaltung der Kirchen-Güter hervorzuheben.
Wenn auch der vorliegende 24. Band das frühere System der Ver-
theilung des Materials, beibehält, so zeichnet sich derselbe' doch
durch grosse Einheit aus, da sich die Ereignisse selbst klar neben
der Hauptfrage gruppiren, was man von den früheren, der Regierung
Elisabeth's gewidmeten Bänden nicht sagen kann. Eine allzu ein-
gehende Vertheilung des Materials zersplittert die Facta, nöthigt oft
zu Wiederholungen, und das wiederum führt zu einer Anhäufung
von vielen kleinen Thatsachen, namentlich bei Darstellung von Be-
sonderheiten des inneren Lebens; dadurch wird die richtige Beleuch-
tung des Bildes und die strenge Einheit der Erzählung beeinträch-
tigt. Die Anfügung der handschriftlichen Dokumente und statisti-
scher Daten als Beilagen könnte einige dieser Mängel beseitigen,
was in Hinsicht auf die bevorstehende Darstellung einer so wichtigen
Epoche wie die Zeit Katharina II. es ist, wünschenswerth wäre.
25. i4. Petrow. Der Krieg Russlands mit der Türkei und den pol-
nischen Konföderirten von 1769 — 1774. Zusammengestellt Tiach bisher
meist unbekanntem handschriftlichem Material, III — V. Mit Plänen.
St. Petersburg.
Die beiden ersten Bände dieser Arbeit erschienen schon im Jahre
1866. Die 1874 herausgegebene Fortsetzung umfasst die Zeit von
1771 — 74 und enthält eine eingehende Darstellung der Aktion der
russischen Truppen unter Rumjanzew, Ssuworow und Dolgorukow
an der Donau, in Polen und in der Krim, wie auch der russischen
Flotte im Archipelagus. Ausserdem berücksichtigt der Autor die
diplomatischen Beziehungen Russ^ands mit den fremden Mächten,
die mit der Theilung Polens und dem Vertrage von Kainardshi ende-
ten, in eingehender Weise. Die vielen hier verarbeiteten, bisher
nicht veröffentlichten Materialien aus den Archiven des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten und dem des Generalstabs, wei-
cher letztere bekanntlich reich an Materialien für die Kriegsge-
schichte i3ty gibt der Arbeit besonderes Interesse. Neben der mil-
5*
68
tärisch^n Bedeutung hat das Werk auch ein allgemeingeschichtliches
Interesse.
Als Beilagen sind dem IV. und V. Bande der Schriftwechsel, die
Türkei betreffend, Reskripte und Notizen für Rumjanzew (1772 — 74)
beigefügt. In dem Text selbst citirt der Verfasser viele interessante
Stellen aus den Handschriften, welche auf die >tichigsten Fragen der
damaligen Politik Bezug haben.
26. Denkmäler des russischen Alterthums in den westlichen Gouver-
nements des Reic/is, Auf Allerhöclisten Befehl herausgegeben von P.
N. Batjuschkow. Lief. VI. Text mit 18 Zeichnungen.
Diese Lieferung bildet mit der vorhergehenden V. ein Ganzes.
Die vier ersten Lieferungen waren Wolhynien gewidmet, die V. und
VI. behandelt die Geschichte Wilna's. Besondere Aufmerksamkeit
verdient der werthvoUe Artikel des Professors der St. Petersburger
Universität W. G. Wassiljewskij : «Abriss der Geschichte der Stadt
Wilna». Dem Autor standen auch noch nicht veröffentlichte Mate-
rialien zu Gebote.
In der V. Lieferung war die Geschichte Wilna's bis zum Anfange
des XVn. Jahrhunderts fortgeführt, die VI. schliesst mit dem Jahre
1795, also der Zeit der vollständigen Einverleibung des Gebietes ab.
Die erläuternden Artikel über die Stadt Wilna bis 1523, über die
Trümmer des Schlosses u. s. w. stammen aus der Feder Hilde-
brandt^s. Zum Schluss ist ein Artikel: «Einige Worte über die Denk-^
mäler im. westlichen Russland* und ein eingehendes alphabetisches
Register angefügt.
Die Ausstattung des Werkes (Tafeln in Folio in Chromolithogra-
phie) ist musterhaft.
In enger Beziehung zu unserer alten Geschichte steht das
Werk von
27. A, Kotljarewskij. Die Rechts- Altert/mner der baltisciun Slaven.
TheilL Prag.
Dieses, «einen Versuch eines vergleichenden Studiums des slavi-
schen Rechts» darstellende Werk behandelt folgende Fragen: i. Auf-
gaben und Methode der Untersuchung. Quellen. 2. Land und
Leute. 3. Rechts-Alterthümer. Gewohnheit. Gesetz. Verfügungen
der Obrigkeit. 4. Familienleben. 5. Eigenthum. 6. Verträge.
Eine besondere Beilage enthält: «Materialien für die slavische Ge
schichte und das slavische Alterthum. — i. Die Erzählung von Otto
von Bamberg».
Die Untersuchung Kotljarewskij's, fern von vorgefassten Ansich-
ten über die Bedeutung und die Geschichte der Slaven, gewährt ein
reichhaltiges, wissenschaftlich gesichtetes Material für das verglei-
chende Studium der älteren Periode der russischen Geschichte. Die
Untersuchung der Geschichte und des Rechts der baltischen Slaven
kann, hinsichtlich der Geschichte der nowgorodschen Slaven, beson-
dere Bedeutung haben, da in der historischen Literatur die Ansicht
von der nahen Verwandtschaft mit den baltischen Slaven existirt.
28. Veber die Ugrer, die in Mittel- und Nord'Russland, in Finkmd
69
%
und im nördlichen Theil Skandinaviens bis zur Ankunft der jetsigen
Eimvolmer gelebt haben. Von D. P. Europäus, St. Petersburg.
Schon im Jahre 1868 veröffentlichte der Verfasser über diese
Frage einen Artikel im «Journal des Ministeriums der Volksaufklä-
rung •> sich vorzugsweise auf die geographischen Benennungen der
bezeichneten Gegend stützend. Die neueste Broschüre dient als
Antwort auf eine der, auf dem archäologischen Kongress in St.
Petersburg aufgeworfenen Fragen, und basirt auf den bezüglichen
Untersuchungen, auf geographischen Benennungen, philologischen
Kombinationen und persönlichen Beobachtungen des Autors und
bestätigt seine früheren Ansichten, dass vor Ankunft der Siaven in
dieser Gegend nicht eigentlich ein finnischer, sondern ein ugrischer
Stamm gelebt habe, zu dem die Ungarn, Ostjaken und Wogulen
gehören. Der Autor meint, die «archäologische Erforschung dieses
ganzen Gebiets werde wahrscheinlich diese Daten in kurzer Zeit
zum Eigenthum der Wissenschaft machen und den alt-historischen
Zusammenhang zwischen Russland, Finland, Skandinavien und Un-
garn zeigen und das lebhafteste Interesse von Europa und der
ganzen civilisirten Welt erwecken». In seinen weiteren Auseinan-
dersetzungen wendet sich der Autor gegen Castren, der für die Hei-
math des ganzen finnischen Stammes den Altai hält. Bis hierher
kann man mit den vielen Schlüssen des Autors übereinstimmen.
Seine weiteren Bemerkungen über den Ausgang des ugrischen
Stammes, wie auch anderer Völker aus Ober- und Mittel- Afri: a sind
jedoch nichts mehr als Hypothesen, die übrigens neulich auch der
bekannte dänische Gelehrte Worso in seinem Werke: «Russlands
og det Skandinaviske Nordens Bebyggelse og aeldeste Kulturfur-
gold» ausgesprochen hat, das den Ansiedelungen und den ältesten
Kulturbeziehungen Russlands und der skandinavischen Welt gewid-
met ist. Die Uebertragung dieser Arbeit ist im «Boten der Gesell-
schaft für altrussische Kunst* begonnen worden.
Dem Artikel des Hrn. Europäus sind zwei Karten angeschlossen,
eine allgemeine Karte, darstellend die Verbreitung der finnisch-unga-
rischen Völker in alter Zeit nach Norden, und eine Karte des Gebiets
des Weissen Meeres, mit den Ugrischen Benennungen der Gegen-
den. Man ersieht daraus, däss im Nord- Westen dieses Gebiets, in
dem bis jetzt von der finnischen Tschudja bewohnten Gebiet, fin-
nische Namen ohne jede ugrische Beimischung beginnen, im ugri-
schen Gebiete aber keine finnischen Benennungen mit finnischen,
nicht- ugrischen Endungen vorkommen.
29. Nachrichten der Kaiserlichen Gesellschaft von Freunden der
Naturkunde, Antropologie und Ethnograp/üe. Band XIIL Lief. 2.
Arbeiten der ethnographischen Abtheilung. Buch 11 L Lief. 2. Von K.
A, Popow. Moskau.
Diese Arbeit gibt eine umständliche und vollständige Beschrei-
bung der von den Syrjanen bewohnten Gegend und enthält: Nach-
richten über den Ursprung der Syrjanen, ihre Sprache und Bezie-
hungen "zu den Finnen^ der Prozess der Russifizirung ; das Leben des
alten iPerms ; einen Abriss der Geschichte und Geographie des syr-
janschen Gebiets; die Natur und Kommunikationswege; die natür-
lichen Reichthümer der Gegend; die physischen und moralischen
Eigenschaften der Syrjanen; ihre Sprache und Entstehung der
Völksliteratur; Aberglauben und Vorurtheile; häusliches Leben und
häusliche Gewohnheiten, Feld- und Gemüsebau und Viehzucht;
Thier- und Vogelfang; Fischfang und andere Gewerbe; Handels-
beziehungen; allgemeine Schlüsse.
Neben der systematischen Darstellung hat diese Arbeit noch Be«
deutung, weil der Verfasser alle Nachrichten über ^die Geschichte
der Gegend darin gesammelt hat, die in 30 grossen Bänden im nicht-
offiziellen Theil der Wologda'schen Gouvernements-Zeitung zer-
streut, und für einen grossen Theil der Forscher unzugänglich sind.
Doch andererseits muss man es dem Autor zum Vorwurf machen,
dass er Untersuchungen, wie die speziellen Arbeiten von Sjögren
nicht beachtete. Die eigenen Schlüsse des Autors sind nicht immer
richtig.
30. Arbeiten der Naturforscher- Gesellschaft bei der Kaiserliclun
Universität Kasan, Band IV. Nr, 2. Materialien für vergleic/unde
Anthropologie^ von N, Malijew, Ka^an.
3 1 . Materialien für die Antl^ropologie des östlichen Gebiets Russ*
lands. Mit photographischen Abbildungen.
Diese Arbeit enthält eine Untersuchung von Schädeln von Tsche-
remissen, Wotjaken und Tartaren im Zusammenhang mit Messungen,
die an lebenden Individuen dieser Stämme gemacht sind. Die zweite
Hälfte der Arbeit beschäftigt sich mit einer «Anthropologischen
Skizze der Wotjaken*. Eine Reihe von Tabellen enthält ausführ-
liche Messungen von Schädeln lebender Individuen in den Grenzen
von Ost-Russiand.
32. Mainow. Eine Fahrt zum Onega-See und nach Kardien.
St Petersburg.
Ein Separat Abdruck aus dem Journal «Snanije« ; eine interessante
historisch-ethnographische Skizze.
33. Der Kaukasus in archäologischer Beziehung. Von Ad. Berger.
Tiflis.
Dieses lebendig und anziehend geschriebene Buch gibt eine histo-
rische Uebersicht der Alterthümer des Kaukasus und Transkau-
kasiens und berücksichtigt die Pfahlbauten, die Städte, Denkmäler,
Kirchen, Klöster, Gräber und Inschriften.
34. Geschichte Bessarabiens seit der ältesten Zeit^ von Alexei Nakko.
Band I. Lief. i. 1873. Lief. 2. 1874. Odes.sa.
Diese beiden Lieferungen enthalten die Landesgeschichte wäh-
rend der scythischen und griechisch-römischen Periode; die schon
erschienene 3. Lieferung ist der Epoche der Völkerwanderung ge-
widmet. Leider hat der Autor nicht auf die Quelle verwiesen, wie-
wohl er einige im Text erwähnt.
35. Ueber den Einfluss de$ Kampfes sswischen den Völkern und
7t
Ständen auf die Gestaltung des ms suchen Reichs in der vorntongoli-
sehen Periode. Vtni M. Satyrkewitsch. Moskau.
Der Charakter dieser Arbeit ist historisch-juridisch. Der Inhalt ist
nach folgenden Kapiteln gegliedert: I. Geschichte der Ansiedelung
und des gesellschaftlichen Zustandes der Völker im Osten Europa's
vor Rurik. U. Die warägisch--russische Bevölkerung und ihre anfäng-
lichen Beziehungen zu den Bojaren und Fürsten der altslavischen
Städte, m. Bildung einer neuen gewerbtreibenden Bevölkerung in
den altslavischen Städten und ihre anfängliche Verfassung. IV. Der
Kampf der neuen sesshaften Bevölkerung mit den umherschweifen-
den Völkern, Bildung neuer Städte und eines Bauernstandes vor den
Mongolen. V. Der Kampf der sesshaften Bevölkerung mit den
nomadisirenden Völkern und Bildung eines süd-russischen Staates
und einer süd-russischen Nationalität. VL Die russische Staatsord-
nung zur Zeit Swjatopolk's, Monomach 's und Mstislaw's. VIL Die
Auflehnung der Bojaren und Bewohner der Possade. VIII. Ueber
den Einfluss der Auflehnung der Städte auf die kommunale und
politische Lage der städtischen und ländlichen Bevölkerung und auf
die Fürstenmacht in Beziehung zu ihr. IX. Zersetzung des Bundes-
staates. Das dominirende Reich des Nordens. Beginn des Feu-
dalismus im Süd- Westen und Nord-Osten.
Das Interesse dieser Arbeit besteht in dem eigenartigen Versuch,
die gegenseitigen Beziehungen der verschiedenartigen Elemente in
der ältesten Periode der russischen Geschichte auf der Basis sehr
sorgfältig gesammelter faktischer Daten zu beleuchten. Für einen
besonders wichtigen Theil des Werkes halten wir die Darstellungen
über den Einfluss der ältesten Beziehungen zum Osten auf die Ent-
faltung des Bürgersinns im nord-westlichen Russland und über die
Entwickelung und Bedeutung der Städte in dieser Periode, wenn
man auch mit den bezüglichen Schlüssen nicht immer übereinstim-
men kann. Das Endresultat des Autors besteht darin, dass «in den
letzten Jahren der vormongolischen Periode, in der Zeit, als sich im
Osten noch Ueberbleibsel bundesstaatlicher Beziehungen vorfanden
und im Norden sich ein dominirendes Reich bildete, in anderen
Th eilen des russischen Gebietes nicht nur Keime und Bestrebungen auf-
traten, aus denen feudale Monarchien hervorgehen mussten, sondern
sich auch Centrert bildeten, von denen eine eroberungssüchtige Be-
wegung zur gewaltsamen Einigung Russlands auf feudaler Basis aus-
ging». Im Ganzen verdient die Arbeit volle Aufmerksamkeit; doch
müssen manche Ansichten und Vergleiche des Autors als willkürlich
bezeichnet werden.
36. Die weltlichen erzbischöflichen Beamten im alten Russland.
Van N. Kapterew. Moskau.
Der Autor erklärt die Erscheinung eines Instituts, wie es die welt-
lichen erzbischöflichen Beamten sind, die mit ihren weitgehenden
Rechten im alten Russland eine Eigenthümlichkeit nur des russi-
schen kirchlichen Lebens darstellen, das von jedem äusseren Einfluss
unabhängig war. Die Entstehung dieses Instituts war auf dem ge-
räumigen Landbesitz und der weitreichenden Jurisdiktion gegründet,
welche die Repräsentanten der Kirche im alten Russland genossen. Der
Typus dieses Beamtenthums bildete sich nach dem Muster der weltli-
chen Verwaltung. Der Verfasserschildert die erzbischöflichenJBeamten
nach den Gruppen: i. Beamte, welche verschiedene Zweige der Epar-
chial-Verwaltung'leiteten; 2. Beamte, welchen die Verwaltung des
erzbischöflichen Hofes, der Ländereien und der Bauernangelegen-
heiten oblag; 3. Beamte, die ausschliesslich Hotämter beim Erz-
bischof bekleideten und keinen Antheil an der Verwaltung nahmen.
Dann gibt der Verfasser noch eine Beschreibung der Befehle der
Patriarchen und Bemerkungen über die Befehle anderer Eparchial-
Erzbischöfe.
Als Material benutzte der Autor hauptsächlich schon veröffent-
lichte Akten.
37. Der Priester Sylvester von Blagoweschtscliensk und seine Schrif-
ten. Eine Untersuchung von Golockivastow und vom Arcßumandriten
Leonid, Moskau.
Der Autor selbst hat nur bis zur 10. Seite (im Jahre 1849) ge-
schrieben, doch ist das Werk nach seinem Plan fortgesetzt (1873).
Da die Untersuchung auf die Erzählung Kurbskij's gegründet ist, so
gibt sie in ihren Schlüssen wenig Neues und gehört zu der Kategorie
von Werken, die in Sylvester nur einen Helden und Urheber der
besten Zeit der Regierung Iwan IV. sehen. Weit wichtiger sind die
Beilagen zum Buche, obwohl ein grosser Theil derselben schon
veröffentlicht ist. Zwei Sendschreiben, die da Platz gefunden haben,
geben ein werthvolles Material zur Beleuchtung damaliger Anschau-
ungen über die höchste Gewalt, so wie auch zur Geschichte der
Eroberung Kasans und des Charakters der Verwaltung jenes Ge-
biets.
38. P. A. Kulisch. Geschichte der Wiedervereinigung Russlands.
I. und II. St. Petersburg.
Der erste Theil dieses Werkes enthält die Darstellung der Ansie-
delung des südlichen Russlands durch polnische Kolonisten und der
russischen Kolonisation am unteren Dnjepr durch Kosaken, die als
Vertheidiger der Kolonisation gegen die Tartaren erscheinen. Wei-
ter sind die gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen Elemente
der Bevölkerung (nationalen, kirchlichen u. s. w.) bis zum Beginn
des Kosaken-Schljachta-Krieges berücksichtigt. Der zweite Band
umfasst diesen Krieg bis zur Wiederherstellung einer rechtgläubigen
Hierarchie in Kijew (1620).
Der Autor selbst bemerkt, seine Arbeit sei nur eine «Skizze
dessen, wie seiner Meinung nach eine Geschichte seiner Heimath
geschrieben werden müsse«; doch bekennt er, doss ihre Mängel
offen daliegen und zwar «das Skizzenartige einiger Theile und der
Mangel eines gleichen Verhältnisses unter ihnen«, was auch richtig
ist. Den Autor beschäftigen die einzelnen, an der Spitze der Volks-
bewegung stehenden Personen wenig, sein ganzes Interesse ist auf
diese Bewegung selbst gerichtet. So ist denn in seiner Erzählung das
n
dominirende Element, welches der Epoche Leben und Physiognomie
verleiht — das Kosakenthum, welches er aber idealisirt. Er behauptet
mit Entschiedenheit, die «Kosaken hatten nicht nur relig^iöse, son-
dern auch politische Tendenzen». Sie waren Vertheidiger ihres
Hauses und nach dem Kriege verschmolzen sie mit der übrigen Be-
völkerung; die Kirche zog darauf das Kosakenthum zu ihrer Ver-
theidigung heran, doch geschah diese Vertheidigung unbewusst.
Die Kosaken-Korporation sah die Sicherung ihrer Zukunft durchaus
nicht im Bau von Kirchen und in der Errichtung von Schulen, son-
dern im Schwert und im Raub. Mit der in das Gebiet einziehenden
Ordnung wurden sie überflüssig. Das Kosakenleben trug einen aus-
gesprochen negativen Charakter und nie einen positiven, wie einige
Historiker es darstellen, oder genauer,, es hatte immer einen berech-
nend-materiellen Charakter, aber nie eineaspekulirend-geistlichen».
Der Autor spricht sich energisch gegen die in der Bearbeitung
der Geschichte «seiner Heimath* herrschenden Richtung aus. #In
unserem Publikum ist nach Kritik keine Nachfrage, es begnügt sich
mit der Wahrscheinlichkeit historischer Monographien und hat das
Gefühl für historische Wahrheit in dem Grad verloren, dass es mit
Stimmen-Majorität manchmal den Anekdoten- Erzähler zum Histori-
ker stempelt*. Diese Bemerkung wird bei der Lektüre des Buches
klar (Bd. 11), wo in den Anmerkungen auch die literarischen Gegner
des Autors enthüllt werden. Darauf kann man übrigens bemerken,
dass der leidenschaftliche, polemisirende Ton, der in die wissen-
schaftliche Bearbeitung d& Gegenstandes hineingetragen ist, dieser
selbst am meisten schadet. Durch diese polemisirende Richtung
hat das ganze Buch ohnehin gelitten, welches wegen der originellen An-
schauung des Autors trotzdem Aufmerksamkeit verdient, besonders
da er nicht ermangelte von dem bedeutenden handschriftlichen Ma-
terial Gebrauch zu machen. Der Verf. verspricht noch einen Band
Materialien für die Geschichte der Wiedervereinigung Russlands
herauszugeben und ausserdem ein Sammelwerk, enthaltend sämmt-
liche kritische Bemerkungen, die auf des Gegenstand seiner Unter-
suchung Bezug haben. Zur Betheiligung an dieser «kritisch-biblio-
graphischen Arbeit für die Geschichte der Wiedervereinigung Russ-
lands» fordert er alle geeigneten Kräfte auf. Bei einer solchen Ein-
theilung der Arbeit und Darstellungsweise darf man natürlich er-
warten, dass die Publikation des Hauptwerkes des Autors sich noch
unendlich in die Länge ziehen wird.
39. Der Staat und die Volksbildung in Russland im XVIII. Jahr-
hundert, Van Wladimir skij'Budanow. Theil I. Das System der pro-
fessionellen Bildung von Peter I. bis Katkaritta II, Jaroslaw.
Eine genaue Analyse dieses Buches habe ich in den Universitäts-
nachrichten für das Jahr 1874 üt 12 veröffentlicht.
40. Russische Frauen. Biograpltische Umrisse aus der russischen
Geschichte. Von D. Mordawzew, 4 Bände. L Frauen vor Peter dem
Grossen. IL Frauen der ersten Hälfte des XVIIL Jahrh. III. Frauen
der zweiten Hälfte des XV HL Jahrh. IV Frauen des XIX. Jahrh.
74
Trotz des Umfanges dieses Werkes macht der Autor «weder auf
Selbstständigkeit historischer Forschung über die Lage der Frau in
der Geschichte Russlands, noch auf spezielle Bestimmung der histo-
rischen Rolle jeder der Frauen Anspruch, denen historische Un-
sterblichkeit zu Theil geworden«. Sein Buch ist «nichts anderes, als
eine systematische Darstellung, geeignet zur allgemeinen Lektüre».
Somit erscheint der Autor als Darsteller wichtiger Fragen der
russischen Geschichte in populärer Form, wie er das schon in seinen
früheren Arbeiten gezeigt hat. Die Darstellung ist leicht und allge-
mein verständlich. '
Was die Wahl des Materials betrifft, so können wir derselben
nicht vollkommen beistimmen. So bemerkt der Verf. im ersten
Bande, dass er einige Persönlichkeiten (z. B. J. Lasarewskij u. A.),
die einen mehr literarischen Typus repräsentiren oder mit dem Ge-
biet der Aufklärung in Verbindung stehen, übergangen habe, und*
doch füllt er eine Reihe von Seiten mit Namen, deren nur die Chro-
nisten Erwähnung thun, oder von denen man nur sagen kann: sie
lebten und starben. Die Biographie einer Julie Lasarewskij dient
mehr zur wahren Veranschaulichung des Zeitgeistes, als es die
flüchtigen historischen Notizen vermögen. Doch der Autor hat so-
gar solche Züge, wie das Leben der Bojarin Morosow ohne Berück-
sichtigung gelassen, welches wegen des Zusammenhanges einer russi-
schen Frau des XVII. Jahrhunderts mit der religiösen Bewegung
sehr charakteristisch ist^ obwohl dafür Materialien, wie Bearbeitun-
gen existiren. Nicht weniger wesentliche Auslassungen bemerken
wir auch in den folgenden Bänden. Der zweite Band zeigt, dass der
Autor sich mit dem Material begnügt hat, das ihm die Literatur der
6oer Jahre geliefert und dass er den späteren Publikationen keine
Aufmerksamkeit geschenkt hat. In Folge dessen ist auch die Bio-
graphie der Schwester des Kaisers Peter II. ausgefallen, wodurch in
den Biographien der Menschikow, der Dolgorukow's und anderer
ihrer Zeitgenossinnen eine wesentliche Lücke entsteht. Die Mängel
der Arbeit machen sich namentlich in Biographien, wie in der Ka-
tharina's IL und der Daschkow fühlbar, bei denen sich der Autor
nicht bemüht hat, die biographischen Züge von den allgemein
historischen Daten zu trennen. So stellt er denn als Charakteristik
Entwürfe, Verfügungen, Dekrete hin und berührt die literarischen
Arbeiten Katharina's, ihren Briefwechsel mit literarischen und poli-
tischen Grössen gar nicht. Ebenso wenig betrachtet er Katharina
als Verfasserin von Entwürfen u. s. w. Eine Einwirkung der letzten
Edition ihrer Papiere auf seine Arbeit ist nicht bemerkbar. In der
Biographic der Daschkow glaubt der Autor allzusehr ihren eignen
Erzählungen. In der Reihe der Frauen des XIX. Jahrhunderts ver-
missen wir die Fürstin Lieven, die Gräfin Rostoptschin, Frau J. A.
Chwostow geb. Ssuschkow, die Verfasserin der bekannten Memoi-
ren, ausserdem bekannt durch ihre literarischen Verbindungen, also
die russischen Frauen^ welche die Folgen des Jahres 1825 erfuhren
und schon einen Platz in der Poesie*gefunden haben.
75
41. Kaisir yoann Antan^wiisch und seine Verwandten, ^1741—
lioj)^ Van A. G. Brückner. Moskau ^
In der lebendigen und umständlichen Darstellung des Prof.
Brückner, worin die Schicksale der Familie Braunschweig behandelt
sind, verdient die Beschreibung der Ankunft des ehemaligen Kai-
sers iit Schlüssdburg die meiste Aufmerksamkeit. EHe Sache Miro-
witsch ist mit besonderer Umständlichkeit dargestellt^.
42. Bemerkenswerthe Reichthümer von Privatpersonen in Russland,
OekonantischJüstorische Untersuchung von y, P. Kamowitsch. St. Pe-
tersburg.
Der Autor betrachtet die verschiedenen Mittel der Bereicherung
Seitens Privatpersonen, den Zusammenhang, in welchem der Reich-
thum mit dem Staatsdienst steht, den vom Reichthum gemachten
Gebrauch, die Abhängigkeit der Reichthümer von politischen Kata-
strophen, den von alten Zeiten herrührenden Reichthum und die
Bereicherung in neuer Zeit und endlich den Reichthum verschiede-
ner Familien. Die interessante Darstellung des Buches wird durch
UnvoUständigkeit beeinträchtigt, besonders in dem Theile, der die
Reichthümer einzelner Personen und Familien behandelt. Der
Autor hat nicht alles ihm zu Gebote stehende Material benutzt^
43. Historische Betrac/itung der Gründung von Schulen^ Lehranstal-
ten und gelehrten Gesellschaften, von 1625 — 1855. Zusammengestellt
von N. A. Lebedew. St. Petersburg.
Dieses Werk, obwohl nur zum Nachschlagen bestimmt, lässt auch
in dieser Hinsicht Vollständigkeit vermissen. Uebrigens ist Von
demselben schon eine neue Ausgabe mit einigen Ergänzungen er-
schienen.
44. Geschichte der russischen Akademie. Von M. P, SsiuhomUnow.
Lfg. /. St. Petersburg.
Die Arbeit Ssuchomlinow's nimmt unter den historischen Mono-
graphien des Jahres 1874 eine der ersten Stellen ein. Nach der un
erwartet unterbrochenen Arbeit des Akademikers Pekarskij, füllt
diese Arbeit bis zu einem gewissen Grade eine Lücke in der Ge-
schichte der russischen Aufklärung des XVII. Jahrhunderts aus. Das
Werk hat aber auch eine selbstständige Bedeutung, indem es eine
Fülle von interessanten neuen Angaben enthält und sich durch die
Darstellung selbst auszeichnet. Nach einem Ueberblick der Einrich-
tungen, die der Akademie vorangingen, folgt die Geschichte dersel-
ben nach den verschiedenen Regierungen, deren Geist und Charak-
ter sich in ihr «sehr bestimmt» äusserte. Ihre selbstständige Exi-
stenz verlor diese Akademie, wie bekannt, unter Nikolai I.
Die erste Periode der russischen Akademie umfasst die Zeit von
1783 — 1796, Die erste Lieferung ihrer Geschichte enthält nur die
* Vergl. «Russ. Revue» Bd. V. S. 97—147, 213—256, 309 — 345. Bd. VIII. S. 364
—3^
* Eine Receiision dieser Arbeit enthält das «Alte und Neue Russland*. J^ 5.
* Ein ausführliches Referat über dieses Buch (von Prof. Brückner) findet sich im
«Historischen Taschenbuch» herausg. von W.H.Riehl. V.Folge VII. Jahrgang. D.Red,
{
76
Biographie des Präsidenten der Akademie, des Fürsten J. R. Dasch-
kow, und ihrer Mitglieder aus dem geistlichen Stande^ unter denen
der Metropolit Gabriel, der gewesene Vertreter der Geistlichkeit in
der Kommission zur Zusammenstellung eines Gesetzbuches, hervor-
tritt; ferner der im Auslande erzogene Damaskin, der Herausgeber
von Lomonossow's Schriften, der Protohierej Alexejew, bekannt
durch seine originelle Ansichten über kanonische Fragen, besonders
über das Mönchthum. Die Bedeutung dieser Biographien liegt
darin, dass der Autor die literarische und allgemeine Thätigkeit der
Mitglieder der Akademie betrachtet und so ein kostbares Material
für die Geschichte der russischen Gesellschaft im XVIII. Jahrhundert
liefert.
45. Das Leben des General- Lieutenant Fürsten Madatow,
46. Das Leben des Grafen M. N, Murawjew im Zusammenhang
mit den Ereignissen seiner Zeit, bis zu seiner Ernennung zum Gotwer-
neur von Grodno, Bibliographische Skizze von D. A, Kropotaiu.
St. Petersburg.
In den acht Kapiteln des Werkes behandelt der Verfasser die
Genealogie der Familie Murawjew, die Erziehung und den Zustand
der Moskauer Universität im Anfang des XIX. Jahrhunderts, die
Gründung der mathematischen Gesellschaft ' durch Murawjew, seine
Theilnahme am Kriege im Jahre 181 2, an den Maassnahmen gegen
die Hungersnoth im Gouvernement Smolensk, an geheimen Gesell-
schaften, deren Organisation, seinen Dienst im nord-westlichen Ge-
biet<als General- Gouverneur und Gouverneur und seine Stellung zum
polnischen Aufstande im Jahre 1831.
Der Verfasser hat bei seiner Arbeit die Akten über die Empörung
des Ssemenow'schen Regiments (gegen 6000 Bogen) benutzt, ausser-
dem Dokumente über die Theilung Polens im Moskauer Archiv der
äusseren Angelegenheiten und Papiere über den Aufstand von 1831
im ehemaligen Archiv des Departements der Militär-Ansiedelungen.
Zudem hat er sich im Archiv des Reichsraths, des Kriegsministe-
riums, der Volksaufklärung, des Innern, des Wilna'schen General-
Gouverneurs u. A. beschäftigt und auch Gelegenheit gehabt, die
Akten in Sachen der Dekabristen benutzen zu können. In den
Beilagen liefert er werthvoUe Materialien, z. B. das Statut der
mathematischen Gesellschaft, eine von ßestushew-Rjumin im Jahre
1824 mit den polnischen Verschworenen abgeschlossene Konven-
tion, u. s. w.
Doch vermochte der Verfasser nicht ganz auf der Höhe der Lei-
denschaftlosigkeit, zuweilen nicht einmal der einfachen Objektivität
zu bleiben. Obwohl ihm wichtiges Material zu Gebote stand, legte er
doch nicht das in sein Werk, was unmittelbar auf seinen Helden Be-
zug hat, sondern stellt statt dessen lange Untersuchungen über die
Theilungen Polens an.
47. Geschichte der Belokriniz^ sehen Hierarchie. Von N, Ssubbotin,
Theil I. Moskau.
n_
Der Verfasser dieses Werkes ist durch seine Artikel über die Ge-
schichte der Sektirer bekannt.
Die beiden ersten Kapitel behandeln die Versuche der Sektirer,
sich Bischöfe zu schaffen (seit 1730), und die Nothwendigkeit, in's
Ausland überzusiedeln, in Folge der vom Kaiser Nikolaus ergriffenen .
Maassregeln. Die Kapitel 3 — 5 sind den Ansiedelungen der Sek-
tirer in Oesterreich, dem Belokriniz'schen Kloster und den Be-
ziehungen der Sektirer zur Österreichischen Regierung, hinsichtlich
der Bischofswürde, gewidmet. In den Kapiteln 6 — 8 werden ihre
Beziehungen zu den russischen Sektirern in derselben Frage und
im Osten behandelt. Der Verfasser war in der Lage das reiche
Belokriniz'sche Archiv und Werke benutzen zu können, die ihm
von Personen, welche den dortigen Ereignissen nahe standen, zur
Disposition geteilt waren. Uebrigens zeichnet auch dieses Werk
nicht durch die in solchen Werken nöthige Leidenschaftlosigkeit aus.
48. Ein Kampf auf Leben und Tod mit neuen historischen Ketzereien.
Von Pogodin . Moskau .
Diese Schrift enthält gesammelte polemische Artikel des Autors
gegen Ilowaiskij und besonders gegen Kostomarow anlässlich der
von ihnen in der Literatur erhobenen Streitfragen über den Ursprung
Russlands, der Führer während des Interregnums u. s. w.
49. Feter Mogila und Jesaias Kopinskij. Von Golubjew. Moskau.
Der Autor benutzt das vorhandene Material der russischen und
polnischen Literatur,
50. Die Schicksale der Union in der russisciten Eparchie Cliolm.
Von Nil Popow. Moskau.
Ungeachtet des geringen Umfangs dieser Arbeit, welche die Ge-
schichte der Cholm*schen Eparchie von ihrer Entstehung bis auf die
Gegenwart skizzirt, ist sie reich an Daten und zeichnet sich durch
sorgfältige Darstellung der Frage und durch Hinweise auf die ein-
schlägige Literatur aus.
51. Die Kijew'sche Architektur des X. — XII. Jahrhunderts. Von
Prof, P. A. Laschkarew. Kijew.
Dieses Referat verlas der Autor auf dem dritten archäologischen
Kongress Er berücksichtigt die Ueberbleibsel kirchlicher alter
Zeit, hervortretende Züge des Kijew'schen Stils, die Mittel und den
Plan des Baues damaliger Kirchen.
52. Der religiöse Charakter der russischen Herrscher des XVIII
Jahrhunderts. Von F. Tenwwskij. Kijew.
53. Gesammelte Werke von A. Hilferding, Theil IV. St. Petersburg.
Dieser Band enthält die zweite Ausgabe der Geschichte der bal-
tischen Slaven.
54. Historisch' statistische Beschreibung der Tsc/iemigow" sehen
Eparchie. Vom Bischof FilareU Tschernigow.
Der statistische Theil des Werkes ist schwach, der historische,
jedoch enthält sowohl Nachrichten, wie Dokumente, die über di<^
Geschichte und das Leben der Eparchie Aufschluss geben. Die ein-
zelnen Theile des Werkes sind: i. Allgemeine UebersichtjL 2. das
Jt
■v^^.'
78
Haus des Tschernigow*schen Erzbischofs, die Seminarien und Schu-
len; 3. die Mönchsklöster; 4. die Nonnen- und geschlossenen Klöster;
5 — 7. Beschreibung der Kreise der Tschernigow'schen Eparchie.
(Fortsetzung folgt.)
Die wissenscbaftlichen Expeditionen der Kaiser-
lichen Bn88l8ehen Geographischen Gesellschaft im
Jahre 1877.
Die Unternehmungen zur Erforschung noch unbekannter Gegen-
den, so namentlich Mittel-Asiers und des an Russland grenzenden
nord-westlichen Theiles der Mongolei standen auch im vorigen Jahre
im Vordergründe der, von der Geographischen Gesellschaft begün-
stigrten Expeditionen. Ausserdem sind von der Gesellschaft noch
mehrere andere Forschungsreisen in verschiedene Gegenden des
Reichs angeregt und zum Theil auch ausgerüstet worden. Es wer-
den in dem Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft folgende
Expeditionen angeführt:
1 . Des Obersten Prshewalskij Reise zum Lob*Nor und nach Tibet
Der Verlauf der Reise zum Lob-Nor ist den Lesern der «Russischen
Revue > aus dem ausführlichen Bericht im vorigen Heft dieser Zeit-
schrift bekannt geworden (S. 561 u. ff.); was jedoch die zweite Ex-
pedition betrifft, die Hr. Prshewalskij im August des vorigen Jahres
in der Absicht unternommen, über Gutschen und Chami, und dann
über Zaidam und Lasa vorzudringen, wo er im Mai oder Juni dieses
Jahres einzutreffen hoffte, so musste der Reisende, durch Krankheit
gezwungen, nachdem er die Reise bereits angetreten, dieselbe für*s
Erste wieder aufgeben, um seinen, von der Expedition zum Lob-
Nor noch angegriffenen Körper zu stärken.
2. Die Expedition des Hm. G. H Potanin in die 7tord-wesÜiche
Mongolei. Der Winter des Jahres 1876 — 1877 traf diese Expedition,
über deren Anfang die «Russische Revue» im X. Bande S. 90 be-
richtet, in Kobdo, und erst am 20. März wurde es Hrn. Potanin,
nachdem die Schneestürme aufgehört, möglich, seine Reise fortzu-
setzen. Den einen Theil der Mitglieder seiner Expedition sandte er
über Kuko-Chota in die Stadt Uljassutau (welche als Vereinigungs-
punkt bestimmt war) und begab sich selbst mit den übrigen
Mitgliedern über das Altai-niro-GebirgCi welches im Pass Ulen-
Dala überschritten, und durch die wassere und vegetationslose Wüste
Gobi, welche in zwei Tagen durchzogen wurde, nach Chami, wo
die Reisenden am 11. Mai anlangten. Nachdem sie sich eine Zeit-
lang in Chami aufgehalten, traten sie, zuerst 4uf dismselben Wege,
__ 79
die Rückreise an. Am östlichen Endpunkt des Thian-Schan, am
Fuss des Karlyk-Tagh, wandten sie sich dann nach Osten, kamen
wieder durch die Wüste Gobi, stiegen durch den Bergpass Kernuru-
Daban über den Altai, dann über den Taimur-Ola und erreichten
am 13. Juli Uljassutau. Von dieser Stadt wandte sich Hr. Potanin
zuerst nach Norden zum See Kossohol und dann von diesem nach
Westen zur Stadt Ulangom, welche er am i. November erreichte.
Am 5. November begab sich Hr. P. wieder zurück nach Kobdo, um
die dort zur Aufbewahrung gelassenen Kollektionen zu holen, wäh-
rend sich einige andere Mitglieder der Expedition mit dem Gepäck
nach Bijsk begaben. Als Resultat dieser Expedition werden unter
Anderm reichhaltige Sammlungen von Gebirgspflanzen aus dem
Thian-Schan und Altai, und ausserdem meteorologische Beobach-
tungen über die Windrichtungen in dem durchforschten Theil der
nord-westlichen Mongolei, über die Regenmenge, u. s. w. bezeichnet.
3. Die ethnographische Expedition des Hrn. Modnow in die Gou-
vemetnents des Wolga-Bassins zur Erforschung des Mordwinen-Stam-
mes. Das Ziel dieser Expedition, über welche wir bereits im X. Bde.
der «Russischen Revue» S. 273 — 274 berichtet, bestand in der
Sammlung von Materialien zur Anthropologie und Ethnographie des
finnischen Stammes der Mordwinen. Hr. Mainow hat zu dem genann-
ten Zwecke, nachdem er Mitte Mai von St. Petersburg aufgebrochen
war, eine Rundreise durch 2 1 Kreise der Gouvernements : Nishnij
Nowgorod, Ssimbirsk, Kasan, Tambow, Ssaratow, Ssamara und
Pensa gemacht. Er hat in diesen Gegenden an 501 Individuen bei-
derlei Geschlechts zwischen 10 und 60 Jahren Messungen angestellt,
um annähernd den Typus des Stammes feststellen zu können, eine
Kollektion von sieben Schädeln gesammelt, an 26 Stellen das Stam-
mesleben der Mordwinen genau erforscht, 40 literarische Erzeugnisse
national mordvinischer Dichtung aufgezeichnet, die Existenz ver-
scltiedener Zjveige des Stammes festgestellt, eine bedeutende Anzahl
von Materialien zur Grammatik der mordvinischen Dialekte gesam-
melt und die Angaben der ethnographischen Karte von Rittich ge-
prüft, welche sich fast stets als genau und richtig erwiesen. Gegen-
wärtig Ist Hr. Mainow mit der Verarbeitung des von ihm gesammel-
ten Materials beschäftigt.
4. Expedition zur Erforschung der sibirisclun Wasserwege. Die
Initiative dieser Expedition^ gebührt dem erblichen Ehrenbürger
A, W. Ssibirjakow, welcher ein Kapital von 7000 Rbl. zu diesem
Zweck gespendet. Als die Aufgabe der Expedition ist für's
Erste die Erforschung der Verbindung der Flüsse Ob und Jenissei
vermittelst der Flüsse Ket, Loroovata, Jaseva, dem Kleinen und
Grossen Kas hingestellt worden. Nachdem eine, zur Ausarbeitung
eines Programms für die Erforschung der sibirischen Wasserwege,
eingesetzte Kommission in dem verflossenen Jahr jenes Ziel festge-
stellt, ging man^ nachdem das Ministerium der Wegeverbindungen
' Vgl. «Russische Revue» BcL X, S. 383.
8o
seinerseits eine Geldunterstützung zugesagt, an die Ausführung der
Expedition, welche sich unter Leitung des Barons B A. Aminow
im Februar dieses Jahres nach Sibirien begeben hat.
5. Die geologische Reise des Hm. Muschketow in das Alai-Gebirge
und nach Pamir. Diese Expedition, ausgerüstet auf Kosten des
General-Gouvernements von Turkestan, bildet eine Fortsetzung der
früheren geologischen Reisen des Hrn. Muschketow in Turkestan in
den Jahren 1874—1875. In der Zeit vom Juli bis zum Oktober hat
der genannte Reisende das ganze Gebiet zwischen Marghelan, Osch,
Alai und Pamir durchforscht und mit der Untersuchung der Tschat-
kal'schen Berge seine Reise beendigt, welche den ersten Versuch
der Erforschung des geognostischen Baues jener Gebirgsländer
bildet. Gegenwärtig ist Hr.' Muschketow mit der Verarbeitung der,
auf den verschiedenen Reisen niedergeschriebenen Beobachtungen
beschäftigt*.
6. Reise dts Hm. H, A. Ssewerzow zum Alai und nach Pamir.
Ueber diese Reise haben wir unseren Lesern im 4. Heft dieses Jahr-
gangs der cRussischen Revue» (Bd. XII, S. 394) in der Hittheilung:
«Eine neue Expedition nach Pamir» berichtet
7. Die Reise des Hm, I. S. Poljakow an den 06, in das Kusnes-
kische Gebirge und an den Balkascft^See. Die Resultate der Reise
des Hrn. Poljakow an den Ob sind den Lesern aus einem ausführ-
lichen Referat im ersten Heft dieses Jahrgangs' bekannt; zur Ergän-
zung fügen wir einige Worte über die beiden anderen Reisen hinzu.
In das Kusnezkische Gebirge hatte sich Hr. Poljakow im Auftrage
der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften begeben, um die
Wahrheit der Mittheilung zu prüfen, dass sich dort ein vollständiges
Mammuth-Skelett befände. * Es erwies sich, dass man irgend eine
Steinart, für Mammuthsknochen gehalten. Der Reisende wid-
mete sich darauf der Untersuchung der Flora und Fauna an den
nördlichen Abhängen des Gebirges. Darauf begab er sich über
Mariinsk, Tomsk und Bamaul in das westliche Altai-Gebirge und
dann zum Balkasch-See, von wo er eine reichhaltige Sammlung von
Fischen und Amphibien, aus dem Bassin des letzteren See's, mit-
brachte. Als ein wichtiges Ergebniss dieser Reisen ist die Schluss-
folgerung des Hrn. P. aus seinen Beobachtungen anzuführen, wonach
Humboldt's Ansicht, dass in neuerer Zeit eine Verbindung des Aral-
Kaspischen Bassins mit dem Ob-Bassin oder mit dem Eismeer ver-
mittelst eines Flusses bestanden, von Hrn. Poljakow als hinfällig be-
zeichnet wird, und zwar, weil sowohl topographische Thatsachen
als auch die ganze Fauna und die geognostischen Formationen einer
solchen Annahme widersprächen.
8. Die Nivelürung Sibiriens. Die im vorigen Jahre, unter Leitung
* Eine ausführlichere MittUeflnng über diese Reise brin^n wir nach dem Bericht
der Geographischen Gesellschaft im nächsten Hefte der «Russischen Revue».
Die Red.
' «Die Bewohner des Ob.» «Ross. Revue» Bd. XII, S. 44—64.
8i
I
des Hrn. L. A. Bolschow, Obersten vom Generalstab, unternom-
mene Nivellirung Sibiriens von der Kimilteiskaja Stanitza bis Ir-
kutsk und dann weiter bis. zum Baikal-See steht im unmittelbaren
Zusammenhange mit den schon im Jahre 1875 von der Geographi-
schen Gesellschaft bewirkten Arbeiten. Das ganze, zur Nivellirung
bestimmte Gebiet, von der Swerinogolowskaja Stanitza bis Irkutsk,
wurde damals in fünf Bezirke getheilt; die Arbeiten in den ersten
vier Bezirken wurden auch im selben Jahre von Hrn. H. W. Mosch-
kow zu Ende geführt. Im fünften Bezirk mussten die Arbeiten je-
doch im Herbst 1875 des frühen Winters wegen eingestellt werden,
und zwar bei der Kimilteiskaja Stanitza, ungefähr 250 Werst vor
Irkutsk. Da im folgenden Jahre die Mittel zur Fortsetzung der Ar-
beit fehlten, so konnten dieselben erst im Jahre 1877 wieder aufge-
nommen werden. Hr. Bolschow hat sie nun, unter Beihülfe des
Militär-Topographen, Hrn. Kramorew, zu Ende geführt. Als das
wichtigste Resultat ihrer Messungen kann die genaue Bestimmung
der absoluten Höhe von Irkutsk und des Baikal-See's, welche bis jetzt
noch keineswegs sicher feststand, hervorgehoben werden. Nach
ihren Angaben ist die absolute Höhe von Irkutsk 15 10 Fuss (früher
nahm man 1200 Fuss an), und die absolute Höhe des BaikaUSee's,
in der Nähe der Angara, 1589 Fuss.
-9. Die Untersuchungen des Hm. J. H. Smimaw über den Erdmag-
netismus, Im verflossenen Jahre hatte Hr. Smimow auf seiner
siebenten und letzten Reise die Gouvernements: Archangelsk, Olo-
nez, Wologda und theilweise auch St. Petersburg und Nowgorod
besucht, und daselbst an verschiedenen Punkten Beobachtungen
über den Erdmagnetismus angestellt. Die sieben Reisen, welche
Hr. Smimow im Verlauf der letzten Jahre zu dem angeführten Zweck
unternommen, haben ihm nun die Möglichkeit gegeben, unter An-
lehnung an die Angaben anderer Forscher, auf der Karte den Lauf
der isogonischen und isoklinischen Linien zu bezeichnen. Ein, von
ihm der Geographischen Gesellschaft vorgestellter Abriss der bedeu-
tendsten Ergebnisse seiner Forschungen wird in den «Nachrichten
der Geogr. Gesellsch.» zum Abdruck kommen.
10. Die Reise des Hm. A. y. Wojeikow in dets Gouvernement Ssor
mara. Im Juli des vorigen Jahres hatte Hr. Wojeikow, zum Zweck
hypsometrischer Messungen eine Reise nach dem sogenannten •
«Ssamarskij Luk» (caMapcKifl JiyK'b) unternommen; damit bezeich-
net man, jenen halbinselartig von der Wolga umschlossenen Theil
des Gouvernements Ssamara, zwischen Stawropol und Ssysran, wo
die Wolga, wie in einem weiten Bogen (jiyKi»), von der einen zur an-
dern Stadt fliesst. Die absolute Höhe vieler Punkte auf diesem
•Luk» ist noch gänzlich unbekannt; dies veranlasste Hm. Wojei-
kow den hypsometrischen Untersuchungen seine ganz besondere
Aufmerksamkeit zuzuwenden. Er begann seine Beobachtungen am
Ufer der Wolga, etwa 40 Werst oberhalb Ssamara. Die Höhe
betruf^ ;
82
1. Am Ufer der Wolga 50 russ. Fuss.
2. Auf dem höchsten Punkt (3 Werst vom Ufer) . I128
3. Bei der Fabrik der Gebrüder Wojeikow . . . 1044
4. An der Grenze des Waldes zwischen der Fabrik
und dem Dorfe Askul . 686
5. Bei dem Dorfe Askul 59S
6. An der, eine Werst entfernten Schlucht im
Westen von Askul 361
7. Auf der Besitzung der Fürstin Dolgorukij, zwi-
schen Askul und Beresowoi Ssolonez . - . . . 518
8. Auf der letzten Abstufung auf dem Wege zum
Ufer, gegenüber dem Dorfe Jekaterinowka . . 132
9. Am Ufer der Wolga (bei Ssysran) 38
11. Die Reise des Hrn. RajtiOskij nach Riga, Dieselbe hatte die
Erforschung der Handelsbewegung in Riga, namentlich des Export-
handels dieser Stadt, zum Ziel. Es ergibt sich aus den, von Firn.
Rajewskij gesammelten Nachrichten, dass der Export dieser Stadt in
den letzten zehn Jahren um ein bedeutendes gestiegen ist, aber nur
in Bezug auf den Export von Getreide und Holz; dagegen hat sich
die Ausfuhr von Hanf und Flachs ein wenig vermindert. Es wur-
den alljährlich durchschnittlich ausgeführt in den Jahren:
1861—65 1871—75
Hanf 2,350,000 Pud 2,320,000 Pud
Flachs 1,260,000 * 1,240,000 *
Leinsaat 1,900,000 » 2,300,000 *
Roggen, Hafer, Gerste 2,400,000 » 10,600,000 *
Holz ...... 9,100,000 Kub.-Fuss 25,600,000 Kub.-Fuss
In Bezug auf den Getreideexport bemerkt Hr. Rajewskij, dass sich
grosse Schwankungen innerhalb der einzelnen Jahre bemerkbar
machen; die Ausfuhr von Weizen ist aber ebenso unbedeutend ge-
blieben, wie früher. Die Zahl der Exporthäuser, die auch früher
nicht erheblich war, hat sich nicht vergrössert; auch jetzt pflegen
sie nur noch in grossen Partien Geschäfte zu machen. Die Ursache,
dass sich die Handelsoperationen in Riga trotzdem nicht in dem
Grade gesteigert haben, wie man, nach der Verbindung dieser Stadt
mit dem russischen Binncnlande durch die Eisenbahn erwartete,
liegt nach Hrn. Rajewskij zum Theil darin, dass durch die Eisen-
bahnen auch der Königsberger Hafen, dessen Navigationsperiode
eine längere ist, dem Handel mit dem Binnenlande erschlossen wor-
den ist.
12. Die Reise des Hm, Miklucha-Maklai an den Stillen Ozean,
Zum Abschluss seiner Forschungsreisen im Stillen Ozean ^ hatte sich
Hr. Miklucha-Maklai noch im Jahre 1876 zum dritten Male nach
* Vergl. «Kuss. Revue« bd. X. S. 91—92.
_ 83
Neu-Guinea begeben. Dort war er inmitten der halbwilden Bevöl-
kerung ungefähr anderthalb Jahre geblieben und hatte erst im Januar
dieses Jahres die Möglichkeit gefunden, nach Singapore zurückzu-
kehren, wie das ein kurzes, von ihm abgefertigtes Telegramm be-
sagt. Alle weiteren Nachrichten über seine Reise, und die Resultate
seiner Beobachtungen fehlen noch bis jetzt.
13. Die Expedition des Akademikers A, v. Middendotf zur Unter-
suchung der landwirtschaftlichen Verhältnisse int russischen Türke-
stan. Diese Expedition verdankt ihre Anregung dem General-Gou-
verneur von Turkestan, von Kauffmann, welcher sich durch die Ver-
mittelung der «Geographischen Gesellschaft» an den Akademiker
Middendorf mit dem Vorschlag wandte, in Turkestan Untersuchun-
gen über den genannten Gegenstand anzustellen, damit die Mittel
zur Förderung der Landwirthschaft in jenen Gegenden, auf Grund
eingehender Beobachtungen, festgestellt werden könnten. Die Vor-
bereitungen zur Expedition zogen sich jedoch, nachdem der be-
rühmte Reisende eingewilligt, die Leitung derselben zu übernehmen,
so sehr in die Länge, dass dieselbe erst im Dezember vorigen Jahres
St. Petersburg verlassen konnte. In Begleitung des Akademikers
Middendorf befindet sich Hr. S. Ssmirnow, der sich bereits durch bo-
tanische Forschungen in Central- Asien bekannt genriacht hat. *
14. Die Fahrt des Schifies ^Satja* vom Jenissei Hoch St, Peters-
bürg, I^eses Schiff, ausgerüstet von Hrn. M. K. Ssidorow und unter
dem Kommando des Kapitäns Schwanenberg stehend, verfolgte
eigentljch ein rein ökonomisches Ziel ; die ausserordentlichen Um-
stände aber, unter denen die Fahrt vor sich ging, sowie das auf der-
selben gesammelte Material, haben zu einer ausführlicheren Schil-
derung der Fahrt in dem Jahresbericht der «Geographischen Gesell-
schaft» Veranlassung gegeben.
Hr. W. Ssidorow hatte schon i. J. 1876 in Jenisseisk ein Schiff
bauen lassen, welches dazu bestimmt war, die Handelsbeziehungen
zwischen dem sibirischen Norden und dem Europäischen Russland
auf dem Wasserwege zu eröffnen. . Dieses Schiff — es hiess «Nord-
licht» (Ssevemoje Ssijanije) — kam auf dem Jenissei bis zu den Ma-
lobrechow'schen Inseln (70® 48' nördlicher Breite), wo es zu über-
wintern gezwungen war. Der Steuermann des Schiffes, Hr. Numme-
lin, holfite mit Frühlingsanbruch des folgenden Jahres seine Reise
fortsetzen zu können, aber durch den Eisgang und die Frühlings-
fluthen wurde sein Schiff ganz zertrümmert und auf das hohe Ufer
hinaufgeworfen, wo es zwei Werst weit vom Strombett stecken
blieb.
Der Winter in der rauhen Gegend war eine Zeit schwerer Prüfung
für die Bemannung und kostete den vier Matrosen, welche mit Hrn.
Nummelin waren, das Leben. Von hoher Bedeutung sind die, in dieser
Zeit von Hrn. Nummelin täglich drei Mal notirten meteorologißchen
.* Hr. Akademiker Middendorf ist inzwischen am 24. Juni wieder in St« Petersburg
eingetroffen. D. Red*
6^
84 ^
Beobachtungen. Sic beginnen am I2. September, wo das Thermo-
meter schon — 4^ R. zeigte. Zwei Tage später trat Thauwetter ein,
welches einige Wochen anhielt, wobei die Temperatur zwischen
4- 2,s^ und -[- 4® schwankte. Am 23. September richteten sich Hr.
Nummelin und seine Genossen in dem Bretterhaus, in welchem sie den
Winter zubringen musstcn, so wohnlich als möglich ein, nachdem
sie vorher vor dem Hause eine Menge nassen, geflössten Holzes als
Heizmaterial aiffgeschichtet hatten. Am 4. Oktober begannen die
Fröste, welche über sechs Monate anhielten, da das Thermometer
erst am 26. April zum ersten Mal über den Gefrierpunkt stieg. Am
8. Oktober war das Eis auf dem Jenissei bereits so stark, dass man
ungefährdet den Fluss überschreiten konnte. Im Verlauf des gan-
zen Monats Oktober schwankte die Temperatur zwischen — 2® und
— 15^ R. ; und war zwei Mal bis auf —18** resp. 20® R. herabgesun-
ken. Im November stieg die Kälte bis auf — 23^ R., und am 10.
November, nachdem die Sonne verschwunden, d. h. die ununter-
brochene Polarnacht angebrochen war, sank die Temperatur bis auf
— 30® R- und hielt sich so imgefähr anderthalb Wochen, wobei das
Quecksilber nicht selten gefror. Gegen den 20. November wurde
es wieder wärmer, die Temperatur stieg sogar bis auf — 11,5° R , dann
aber fiel sie wieder bis auf —-20 und — 270 R., indem sie zuweilen
auf kurze Zeit wieder bis auf — 140 R. stieg; am 13. Dezember
wurde es wieder so kalt, dass das Quecksilber getror. Dieser starke
Frost hielt eine ganze Woche an. Gegen Ende Dezember schwankte
die Temperatur zwischen — 200 und — 300 R. In den ersten Tagen
des neuen Jahres 1877 blieb das Quecksilber wieder vier Tage ge-
froren, und erst am 7. Januar zeigte sich, nach fast zwei Monaten, wie-
der die Sonne. Das Thermometer zeigte nun sogar - 90 R., erhielt
sich aber nur ein Paar Tage auf dieser Höhe, denn am 14. Januar
war das Quecksilber wieder gefroren. Am 17. Januar zeigte das
Thermometer darauf —60, fiel aber in der zweiten Hälfte des Januar
wfeder bis aaf —240 und sogar auf — 320. — Eine solche Kälte hielt
auch den ganzen Februar an, wo das Quecksilber ein Paar Mal ge-
fror; ebenso war es in den ersten Tagen des März: das Quecksilber
gefror am 2., 4. und zum letzten Mal am 6. März. Nach der Tag-
und Nachtgleiche wurde der Winter gelinder, aber nur auf kurze
Zeit; am IG. März zeigte das Thermometer — 70, aber nach dem 14.
März fiel die Temperatur wieder bis unter 30* R. Im April wurden
die Schwankungen heftiger; die Temperatur stieg zuweilen von
— 250 bis auf — 6^, Am 26. April endlich stieg das Quecksilber im
Thermometer zum ersten Mal über den Gefrierpunkt. Vom 3. Mai
' 31^ ging die Sonne nicht mehr unter, trotzdem findet sich noch am
5. Mai eine Temperatur von — 100 verzeichnet. Erst vom 19. Mai
an fiel die Temperatur nicht mehr unter den Gefrierpunkt. Die
letzte Notiz in Nummelin's Journal ist vom 14. JuH datirt, wo das
Thermometer um Mittag +1 10 R. zeigte.
Das Schiff hatte in dieser Zeit, bis zur halben Masthöhe mit
Scluiee bedeckt, am Ufer gelegen. Die enorme Schneelast hatte
85
es sich so stark gesenkt, dass sich im Unterraum des Schiffes ein
Leck zeigte; am 22. April stand das Wasser in demselben i'/a Fuss
hoch. Das Eis war ungefähr 10 Fuss dick und das Schiflf in einer
Höhe von drei Faden mit Schnee umgeben. Die vier Matrosen
waren unterdessen dem rauhen Winter unterlegen; Nummelin selbst,
der nun allein geblieben, war krank und dem Tode nahe. Da er-
schien zu seiner Rettung der Steuermann Meiwald mit drei Arbei-
tern. Am 2. Mai gelang es ihnen endlich beide Borde des Schiffes
schneefrei zu machen; am 5. Mai erhob sich jedoch ein ungemein
starker Schneesturm, der das Schiff wieder mit Schnee überdeckte.
Anfang Juni setzte sich das Eis desjenissei in Bewegung, und am
6. Juni stieg das Wasser in dem Fluss so rasch und so hoch, dass
dass das Schiff i V« Werst vom Ufer stecken blieb. Das geschah
am 8. Juni. Am Tage vorher hatten Nummelin und seine Gefähr-
ten auf dem Dach eines kleinen Hauses Zuflucht vor dem Wasser,
welches eine Höhe von 16 Fuss über dem Normalstand erreicht
hatte,. suchen. müssen, auf diesem Dache blieben sie acht Tage. Nur
mit Mühe gelang es ihnen etwas Provision und Brennholz auf's Dacii
hinaufzuschaffen, welches nur um einen Fuss aus dem Wasser her-
vorragte. Für den Fall, dass das Wasser noch höher steigen sollte,
hatte man ein kleines Boot an das Dach gebunden. Tag und Nacht
war die kleine Schaar beschäftigt, die Eisschollen, welche das Haus,
wie viele andere Häuser, fortzureissen drohten, vom Hause fortzu-
stossen. Das Schiff selbst war ganz zertrümmert.
Am II. Juni begann das Wasser zu fallen^ am 25. Juni konnten
sich die Schiffbrüchigen vom Dach in das Haus hinablassen^ wel-
ches im Innern vom Wasser natürlich schlimm zugerichtet war. Am
folgenden Tage zeigte sich endlich Rauch in der Ferne und bald
darauf kam der kleine Dampfer «Alexander» auf welchem sich Kap.
Schwanenberg mit einem Matrosen befand.
Nach langem Suchen gelang es dem Kapitain ein anderes, gleich-
falls in Jenisseisk gebautes Schiff, welches noch kleiner war, als das
zertrümmerte, das Schiff «Sarja», zu kaufen. Nachdem dasselbe ge-
hörig ausgerüstet war, brach Schwanenberg von den Malobrechow'-
schen Inseln auf. Am 9. August gelangte man endlich aus der Mün-
dung des Jeniss'ei in das Karische Meer. ,
Am 12. August gelangte die ♦Sarja» zu der Insel Belij, welche
bis jetzt noch kein Seefahrer betreten hatte. Dort pflanzte man zwi-
schen Steinen die russische Flagge auf und hinterliess eine Flasche
mit zwei Zetteln in russischer und englischer Sprache. Auf der Insel
sah man Spuren von Rennthieren und Bären. Am 13. August nahm
die «Sarja» den Kurs auf den Matotschkin Schar, konnte aber der
dichten Eismassen wegen nicht an's Ufer gelangen, so dass Kapt.
Schwanenberg. durch die Karische Pforte zu gehen beschloss und
dieselbe am 18. August auch passirte, wobei die «Sarja» jedoch die
ganze Zeit Gefahr lief an den Felsenriffen, an welche das Eis das
Schiff andrückte, zerschellt zu werden. Nur Dank der grossen Gei-
stesgegenwart Schwanenberg's und Nuihmelin's gelang es das Schiff
86
ohne Unfall durchzubringen. Von da ging die Fahrt ruhig von Stat-
ten, nur an den Ufern Norwegens hatte die «Sarja» noch ein Paar
Stürme durchzumachen. Am 30. August kam die «Sarja» nach drei-
wöchentlicher Fahrt nach Wardöe und endlich am 19. November
nach St Petersburg«
Kleine SUtthellnngen.
(Der Handel mit Schafspelzen im Kreise Schuja, Gou v.
Wladimir, im Jahre 1877.) Mit der Bearbeitung von rohen ,
Schafsfellen zu Schafspelzen beschäftigen sich gegenwärtig im Kreise
Schuja mehr als 30 Dörfer mit ca. 5000 Personen. Ein Vergleich
mit der Produktion der verschiedenen Jabl'e wird am deutlichsten
zeigen, welche bedeutende Dimensionen der Handel mit Schafspelzen
in Schuja angenommen. Im Jahre 1854 sind daselbst 900,000
Rohfelle für 70 — 80 Kop. pro Stück angekauft worden ; die Bear-
beitung der Felle kostete 7 — 8 Kop. pro Stück ; das verarbeitete
Fell wurde verkauft für i Rbl. 10 Kop. bis i Rbl. 20 Kop. das Stück;
für das Nähen eines Soldaten-Halbpelzes wurde 12 — 15 Kop. ge-
zahlt; die fertigen Halbpelze wurden zu 2 Rbl. 20 Kop. bis 2 Rbl.
50 Kop. verkauft; wähend des Jahres sind an verschiedenen Klei-
dungsstücken 275^000 Stück und gegen 100,000 Paar warmer Fell-
handschuhe, im Ganzen im Werthe von 1,000,000 Rbl. angefertigt
worden. Im Jahre 1860 sind 1,300,000 Rohfelle für 80 — 90 Kop.
das Stück angekauft worden; die Bearbeitung kostete 9 — 10 Kop.,
das bearbeitete Fell i Rbl. 10 Kop. bis i Rbl. 30 Kop., das Nähen
*I2 — 15 Kop., die. fertigen Halbpelze 2 Rbl. 50 Kop. bis 3 Rbl. Im
Ganzen waren 375,000 Pelze und 125,000 Paar Fellhandschuhe im
Werthe von 1,715,000 Rbl. verfertigt worden. Im Jahre 1870
betrug die Zahl der zum Preise von 70 — 80 Kop. das Stück ange-
kauften Rohfelle i,8oQ«ooo, die Bearbeitung derselben kostete 10
bis 12 Kop., das bearbeitete Fell i Rbl. 10 Kop. bis i Rbl. 30 Kop.,
das Nähen 15 — 16 Kop , die fertigen Halbpelze 2 Rbl. 20 Kop. bis
2 Rbl. 50 Kop. Es sind im Verlauf des Jahres 400,000 Pelze und
100,000 Paar Fellhandschuhe im Werthe von 2,500,000 Rbl. ange-
fertigt worden. Im Jahre ^ijj sind 2,500,000 Rohfelle angekauft
worden zu 80 Kop. bis i Rbl. 50 Kop. das Stück, die Bearbeitung
kostete 9 — 14 Kop., das bearbeitete Fell i Rbl. 20 Kop. bis 2.Rbl .
das Nähen 15 — 35 Kop., die fertigen Halbpelze 2 Rbl. 20 Kop. bis
4 Rbl. ' Im Ganzen waren gegen 600,000 Pelze und gegen 60,000
Fellhandschuhe im Werthe von 3,300^000 Rbl. verfertigt worden.
* Gegen Ende des Jahres 1877 waren die Preise In Folge der starken Nachfrage auf
Halbpelze fUr die Soldaten auf dem KriegsschanplaUe stark in die Höhe gegangen.
87
*(Die Tabaksproduktion in Russland in den Jahren
1873-1878.»)
1873
Des-
^atin.
Pud.
1874
Des-
sjatin.
Pud.
1875
Des-
sjatin.
Pud.
1875 mehr
od. weniger
als 1873.
Geb
Aslrachao
Ttcssarabien .
Charkow • .
Chersson . .
Doniscb. Kofmk
Grodno . .
Jekaterinoslaw
Kijcw . . .
Kursk . . .
Ijublin . . .
Minsk . . .
Mohilew • .
Nishnij-No wg orod
Orel ....
(^renburg
Pcnsa . . •
Perm . . .
Piotrkow . .
Plozk . . .
Podolien . .
Poltawa . .
Kjasan . . .
Ssamara . .
Ssaratow . .
Ssedlez . .
Ssimbirsk . .
Smolensk . .
Stawropol mit dem
Terek* und Kuban
- Geb. . . .
TamboWi . .
Taurien . .
Tschemigow
Tula , . .
Warschau . .
Wilna . . .
Wjatka .
Wolhynien .
Woronesh
West-Sibirien
2,582
1,433
264
10
49
119
21
285
98
4«
'/»•!
28
46
10
2
14*
424I
11.416
215
5.418
56
390
76,917
60,419
I.415
901
2,167
5,510
870
14 100
1.383
3.595
20
2.345
4,044
655
12,178
800
74
990
19.816
559.521
19,281
363,088
4.71 1
52 4,859
1,425' 95,936
804
16,322
418
109
'/•
373
764
961
30,194
859 006
43,920
2^474
^^
27.646
59.248
42,871
3
2,528,
1,066
387
13
49!
io6[
26'
294 1
230
19
•/lo
70
149
10
87
10
21
9
440
U,2l8
216
5,916
53
4
71
2
1,423
542
745
17,141
420
' 106
I
395
926
1,164
621
66.934
46.690
2,217
' 901
1.983
4.172
1.090
14,275
745
487
20
3,273
9,158
I,220i
15,873
800
1,286
852
16.673
442.946
17,950
456,117
7,743
140
6.569
157
92.575
45,179
24,708
157 292
43,946
4.014
75
33327
87.721
3»,7i3
3
2924
1,093
3^1 r
9
49
56
18
277
•/«
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4
24
160
Iii
90.
13
6
12
356
I2y^84j
3»5
6,058
31
67
7
1,581
686.
9031
17,238
239!
48,
3;
397,
681!
414 +
113,930
;8,65i
2,827
3<
+
960I-I-'
1,905
»,549 -
1,141 -f-
13,304
60
717
170 i-
2,424 +
I3i>67-|-
1,020 4-
16,406
1,770
686
761
13,280
365,699
27,529
445 507
2,910
7,343
642
104,122
52,200
31,801
647,546
15.473
. «,380
20
175
35,662
66,454
Total . .
43*7662,320,440
45,86o'2,64i,438J46,245J 2,030,599
4-
4-
4-
+
24
37,013
21,768
1,412
59
262
3,961
271
796
1,323
1,878
150
79
9.1 18
365
4,228
970
612
229
6,536
193,822
8,248
82,419
1,801
2,484
7,642
-I- 8,186
-t- 52,200
f 1,607
— 211 ,460
— 28,447
— 94
— 4
+ »75
-f- 8,016
4* 7 206
— 42,871
—289,841
* Vgl. «Rassische Revue» Bd. III, Seite $79, und Bd. VI, .Seite 411— 412.
8S
(Käsehandel und Käsebereitung in Russland.) In den
letzten Jahren hat sich im nissischen Handel namentlich ein Export-
Artikel bedeutend emporgeschwungen — der Handel mit rtissi'
schent Käse, Noch vor zehn Jahren konnte der in Russland bereitete
Käse nicht einmal im Innern des Reichs vollauf zum Absatz gelan-
gen. Gegenwärtig hat sich jedoch dieser, für die russische Land-
wirthschaft überaus vortheilhafte Zweig der Produktion, Dank den
Bemühungen N. Wereschtschagin's und den ihm gewährten Unter-
stützungen vonseiten der Regierung so rasch entwickelt, dass der Ex-
port von Käse während der Jahre 1873'— 1876 um /arj/ 68 J/i/^^-
stiegen ist.. Im Jahre 1873 betrug der Export von Käse im Ganzen
221 Pud im Werthe von 681 Rbl. Der Käse gelangte damals nur in
sehr kleinen Partien, und zwar meist über die Landgrenze, dann
aber auch über Odessfa und Kertsch, in*s Ausland. So wurden aus
Odessa in die Türkei 5 1 Pud zum Preise von 2 Rbl. pro Pud'expor-
tirt, über Kertsch gingen 19 Pud in's Ausland, über fünf Zollämter
an der Landgrenze aber 151 Pud. Das war im Grunde weiter nichts,
als ein zufalliger Austausch von Lebensmitteln zwischen den Grenz-
bewohnern benachbarter Staaten. Im folgenden Jahre (1874) stieg
der Export von russischem Käse schon bis auf 795 Pud, im Jahre
1875 bis auf 21 19 Pud und endlich im Jahre 1876 bis 15,014 Pud.
Während im Jahre 1873 der Durchschnittspreis 3 Rbl. 8 Kop. pro
-Pud betrug, war er im Jahre 1876 bis auf 6 Rbl. 46 Kop. pro Pud
gestiegen. Im Jahre 1875 wurde zum ersten Mal eine grössere Partie
^ Käse — 1225 Pud — aus Kronstadt nach England ausgeführt; der
Preis war ein sehr niedriger: 2 Rbl. pro Pud, was sich wohl dadurch
erklären lässt, dass es ein erster Versuch des Exportes einer grösse-
ren Partie von Käse war und dass sich die Verkäufer dadurch wei*
tere Bestellungen zu sichern wünschten. Der Versuch gelang so gut,
dass im folgenden Jahre bereits 4483 Pud zum Preise von 13 Rbl.
80 Kop. pro Pud nach England ausgeführt wurden. In demselben
Jähre wurden auch aus Odessa grössere Partien exportirt, im Gan-
zen 8589 Pud im Werthe von 25,768 Rbl., davon:
in die Türkei . . . 3936 Pud im Werthe von 1 1,801 Rbl.
nach Frankreich . . 3885 » » * « 11,655 »
» Italien. . . . 700 • » * » 2^100 *
Das waren die ersten bedeutenderen, in die genannten Länder
exportirten Partien russischen Käses, und auch hier werden in Be-
zug auf den niedrigen Durchschnittspreis, ca. 3 Rbl. pro Pud, die-
selben Gründe entscheidend gewesen sein, wie oben bei der ersten
Käsesendung nach England.
Was die Käsebereitung betrifft, so bildet den Hauptmittelpunkt
der Käsefabrikation der Kreis Kort^chewa im Gouvernement Twer.
Im Jahre 1876 besass jener Kreis 5 Käsereien auf genossenschaftli-
cher Grundlage mit 69 Arbeitern ; daselbst waren aus 52,cxx> Pud
Milch 5500 Pud Käse ^Chester) bereitet worden, welcher zu 7 Rbl.
•
»
So Kop. bis 8 Rbl. pro Pud verkauft wurde. Diese Käsereien produ-
zirten somit für ca. 40,000 Rbl. Die Konten betrugen durchschnitt-
lich für ein Pud Käse:
Milch 4 Rbl. 35 Kop.
Kosten der Bereitung — • 74» i
Verlust bei verdorbenem Käse . . . . . . — » 3,0
Reitionte der Käserei — » 9,6
Verpackung des Käses — »21,2»
Transport nach St. Petersburg — » 5^»^ »
• aus St. Petersburg nach England . . — » 34,0 •
Kommission — » 23,5 »
Zinsen vom Anlage-Kapital — » 10,5 »
Transfert- Spesen etc — »25,0»
~ Total ^^^ \ 6 Rbl. 85' Ko^T
Abgesehen von diesen Käsereien auf genossenschaftlicher Grund-
lage, besitzt der Kreis Kortschewa noch zwei andere, Privatbesitzern
gehörende Käsereien;, die eine produzirte 580 Pud Käse zum Preise
von 6 Rbl. pro Pud und 140 Pud Butter zu 9 Rbl. prq Pud; die an-
dere 475 Pud Käse zu 7 Rbl. pro Pud und 120 Pud Butter zu 10
Rbl. pro P_ud.
Literstnrbericlit.
yHueepcumema H: H. BepeauHUMS.
Russisches encyclopäaisches Wörterbuch^ herausgegeben von J. N, Beresin^ Professor
an der St, Petersburger Universität.
Wie Wir in der neuen Aera in Russland (seit Beendigung des
Krimkrieges) einen grossen Aufschwung auf allen Gebieten des gei-
stigen und materiellen Lebens des Volkes finden, so auch auf dem
Gebiete der Volksbildung: die Staatsregierung wie auch die Gesell-
schaft hat in dieser Zeit Grosses geleistet. Wir brauchen nur auf
die rastlose Thätigkeit des Ministeriums der Volksaufklärung in Be-
treff d^r Errichtung neuer Schulen, der Erweiterung bestehender
Schulen, der Verbesserung und Erweiterung der Schulprogramme,
der Förderung wissenschaftlicher Gesellschaften hinzuweisen, attf
das grosse Anschwellen der Literatur sowohl auf den Gebieten der
Fach>yissenschaften als auch auf dem der allgemeinen Bildung.
Eine ganze Reihe von Zeitschriften, von populären Schriften etc. ge-
währt, dem, -der Schule entwachsenen Theil der Bevölkerung die
Möglichkeit, den Kreis der erworbenen Kenntnisse zu erweitern und
zu vertiefen.
90
Hierbei machte sich eine Lücke in der Literatur empfindlich fühl-
bar: es fehlte an einem encyclopädischen Werk, das dem Wissens-
durstigen die Möglichkeit bot, ohne Mühe und Zeitverlust sich
schnell über eine betreuende Frage zu orientiren. Die grosse Be-
deutung dieses Bildungsmittels ist in West-Europa schon längst er-
kannt. Eine grosse Anzahl solcher allgemeiner encyclopädischcr
Werke ist in allen westeuropäischen Kultursprachen vorhanden und
sie finden einen bedeutenden Absatz. Fast in keinem Hause der
gebildeten Stände fehlt ein solches Werk. Selbst Völker mit gerin-
gem Sprachgebiet besitzen ein solches Bildungsmittel: unter den
slavischen Stämmen können wir hier die Polen und die Czechen
nennen.
Das grosse russische Volk besass bis vor Kurzem kein irgendwie
genügendes und vollständiges. Die beiden gross angelegten Werke
dieser Art, das von Plüscher und das • Encyclopädische Wörter-
buch» (3HUHfüioneAHHecKifi C;ioBapb) sind noch lange nicht voll-
cn4et, das Wörterbuch von Startschewskij und das von Toll ent
sprechen den heutigen Bedürfnissen in keiner Weise.
Es gebührt dem Professor der hiesigen Universität Hrn. J. Berc-
sin das Verdienst, diese Lücke unter den russischen Bildungsmittcln
beseitigt zu haben: seit 1873 S'^^ ^^ unter dem obengenannten Titel
sein grosses encyclopädisches Wörterbuch heraus, das in Kurzem
zu Ende geführt sein wird. Es ist auf sechszchn Bände, die in Lie-
ferungen erscheinen, angelegt.
Wie es der Titel bereits andeutet, wird in diesem Werke insbeson-
dere auf Russland Aufmerksamkeit verwandt. In ausführlicher
Weise, wie es der Rahmen des Wörterbuches gestattet, werden die
Geschichte, Geographie, Ethnographie, Statistik Russlands, die Ge-
schichte der russischen Literatur und Künste, die Gesetzgebung,
Verwaltung, Handel, Gewerbe etc. etc., wie andererseits auch das
Thier- und Pflanzenreich und das gesammte Naturlcbcn Russlands
behandelt. Sodann wird auch die slavische Welt und endlich —
wegen der bedeutungsvollen und für die russische Kulturentwicke-
lung wichtigen Beziehungen Russlands zu Byzanz — die byzantini-
sche Geschichte und Kultur in grösserer Ausführlichkeit besprochen.
Demnach dient dieses Lexikon auch als eine wichtfge Ergänzung zu
den zahlreichen west-curopäischen, in denen der russischen und der
slavischen Welt überhaupt nur ein geringer Raum geboten wird.
Wenn schon der Name des Herausgebers für die Gediegenheit des
Gebotenen bürgt, so wird ein Jeder, der auch nur flüchtig einen
Band durchblättert, sich bald davon überzeugen, in wie vortrefT-
lieber Weise die dem Unternehmen gestellte Aufgabe gelöst ist.
Es muss Solches um so höher veranschlagt werden, als die Heraus-
gabe eines russischen Werkes dieser Art mit ungleich grösseren
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als die Herausgabe eines solchen
Werkes in irgend einer anderen Kultursprache. Der Kreis der Per-
sonen, die zur Mitarbeiterschaft herangezogen werden könnte, ist
ein weit beschränkterer als in West-Europa; dabei sind gerade die-
9}
jenigen Partien des Lexikons, auf die der Herausgeber besonders
sein Augenmerk — Russland und überhaupt die slavische Welt —
richtet, zuiü grossen Theil noch wenig bearbeitet. Die Bearbeitung
einer Reihe von Artikeln war keine einfache kompilatorische Arbeit,
sondern sie erforderte häufig eine selbstständige wissenschaftliche
Untersuchung. So tragen denn auch manche Artikel den Charakter
wissenschaftlicher Monographien.
Je grösser die Schwierigkeiten sind, die sich diesem grossartigen
Unternehmen entgegenthürmen und die nur seltene, unermüdliche
Thatkraft und eiserner Fleiss überwinden kann, um so höher ist das
Verdienst zu veranschlagen, welches sich der Herausgeber um die Bil-
dung seines Volkes erwirbt. Es ist — bei dem Mangel hierzu geeig-
neter Schriften — äusserst schwierig, sich über, auf Kussland bezüg-
liche Fragen zu orientiren; nur mit grosser Mühe und bedeutei^dem
Zeitaufwand lässt sich aus zerstreuten Werken das Gewünschte zu-
sammensuchen, und dabei muss noch Kritik geübt werden, die nicht
Jedermanns Sache ist — hier hilft nun Professor Beresin's Werk
in vortrefflicher Weise. Der praktische Werth des Lexikons wird
noch dadurch bedeutfsnd erhöht, dass in den betreuenden Artikeln
die jüngste Vergangenheit besonders ausführlich behandelt wird.
Es sei uns schliesslich noch gestattet, einen kleinen Uebelstand,
der übrigens niit dem Erscheinen einer jeden neuen Lieferung sich
stetig vermindert, zu vermerken. Das Werk erscheint nicht fort-
laufend nach dem Alphabet. Der Herausgeber war hierzu gezwun-
gen: sollte das Erscheinen des Werkes sich nicht ungebührlich ver-
zögern, so mussten diejenigen Lieferu/igen, für welche das Material
druckbereit vorlag, auch, abgesehen von der Reihenfolge des Alpha-
bets, sogleich erscheinen. So ist es denn auch dem Herausgeber
möglich gewesen, trotz der grossen Schwierigkeiten die Lieferungen
ohne Verzögerung und Unterbrechung, die bei derartigen Werken
so leicht und so häufig entstehen, erscheinen zu lassen. J. K.
yahresberichi der € Kaiserlich Freien Oekonomischen Gesellschaft» für 1877.
In der landzuirtlischaftlichenAbÜieilung der Gesellschaft bildeten die
Untersuchungen über die Humuserde (Hepuo3eMi>-Schwarzerde) den
Hauptgegenstand der Thätigkeit. Das Mitglied der Gesellschaft, Hr.
W. W. Dokutschajew, hatte im Verlauf der vier Sommermonate
den Süd-westlichen Theil im Bereiche des Gebietes der Schwarzerde
bereist, dort gegen 200 Proben derselben gesammelt und verschie-
dene diesbezügliche Mittheilungen eingezogen. Die Verarbeitung
der letzteren, so wie die physikalisch-chemische und mikroskopische
Untersuchung der mitgebrachten Erdgattungen kann erst nach
der zweiten Fahrt, die Hr. Dokutschajew in diesem Sommer zu
unternehmen beabsichtige, definitiv zum Schlüsse gelangen.
Ferner hat sich diese Abtheilung eingehend mit den Fragen über
die Beseitigung der Schwierigkeit, gute Samen zu erhalten, und über
9^
die Mittel, die zur Ermässigung der hohen Preise für Samen beitra-
gen könnten, beschäftigt. Die Abtheilung hat in dieser Beziehung
beschlossen, eine, Allen zugängliche Station zur Prüfung der Samen
bei sich zu begründen, zuweilen in der Gesellschaft kleine Ausstel-
lungen von Samen zu veranstalten, und die russischen Landwirthe
mit verschiedenen Pflanzenarten näher bekannt zu machen, um sie
zu veranlassen, dieselben bei sich zu kultiviren. Die Ausarbeitung
des Projektes für. eine Samen-Station wurde Hrn. W. M. Jakowlew,
welcher dasselbe bereits eingereicht, übertragen. Die erste Samen-
Ausstellung hat hier am 31. Oktober vorigen Jahres stattgefunden.
Endlich wären noch einige minder wichtige Arbeiten in Bezug auf
Viehzucht, Forstwesen, Bienenzucht, Fischzucht, etc. zu erwähnen,
unter denen namentlich des Hrn. Professor Kessler Untersuchung
• lieber dte ökononuschen Mittel zum Schutz und zur Vermehrung
unseres Reuhthums an Fischen* hervorzuheben ist.
In der Abtheilung für ^technische landwirtfiscfiaftliche Produktion»
zieht besonders die Fortsetzung der Arbeiten, in Bezug auf eine, von
Hrn. K. K. Weber noch im Jahre 1876 gemachte Mittheilung < Ucbcr
die Lage der Flachsindustrie in Russland und über die Mittel zur
Förderung derselben» die Aufmerksamkeit auf sich. Eine Folge des
Interesses, welches diese Arbeit geweckt, war die Berufung eines
Kongresses der Flachsspinner, welcher im März des vorigen Jahres
abgehalten worden. Ihm folgte in diesem Jahre ein zweiter. Es
wurde bestimmt, dass diese Zusammenkünfte alljährlich stattfinden
sollen.
Ferner sind in dieser Abtheilung die <lerselben vorgestellten Ma-
schinen und Geräthe, so wie auch technische Mittheilungen über
dieselben, der Prüfung unterzogen worden.
In der Abtheilung für landwirthschaftliche Statistik und politische
OekononUe war noch im Jahre 1876 die Frage wegen der Heraus-
gabe einer « Uebersicht der Thäti^keit der Landschafts Institutionen
seit ihrer Begründung» und eines *yahrbuclis der Landschafts-Insti-
tutiofien» angeregt worden. Für's Erste hat sich die Abtheilung auf
die Herausgabe des letzteren «Jahrbuchs» beschränkt und dafür
3000 — 5000 Rbl. assignirt. Die Redaktion des «Jahrbuchs» hat Hr
Prof. Andrejewskij übernommen, und lag dasselbe gegen Ende des
Jahres im Manuskript' schon fertig vor. Es soll in 2400 Exemplaren
gedruckt werden.
Das, bei der «Freien ökonomischen Gesellschaf t > bestehende
•Konnte für Volksbildung* (KOMHxeTt rpaMOTHOcra) hatte in dem
verflossenen Jahr insofern seinen Wirkungskreis erweitert, als es un-
entgeltlich in die Kriegslazarethe Bücher und periodische Schriften
für die kranken und verwundeten Krieger versandte. Sonst hat es,
wie auch in früheren Jahren, viele der ärmsten Volksschulen
mit Büchern, einigen Zeitschriften und Hülfsmitteln für den Unter-
richt versorgt. Bis zum 31. Dezember 1877 hatte das Komite gegen
30,000 Bände im Betrage von ungefähr 1 5,000 Rbl. versandt.
93
Die Kommission für Zusammenstellung einer «Umschau auf dem
Grebiete der Unterrichtsbücher für die russische Volksschule« (06-
sop-h pyccKoß HapoAHO-yHQÖHOft jiBTepaTypBi) hat auch in dem Ver-
flossenen Jahre ihre Thätigkeit fortgesetzt. *
In der periodischen Zeitschrift der Gesellschaft: «Arbeiten der
Kaiserlich Freien Oekonomischen Gesellschaft» (TpyAbi ÜMnepa-
TopcKaro BojiBHaro dKOHOMHHecKaro OömecTBa) sind im vorigen
Jahre zwei neue Rubriken begründet worden: «Landwirthschaftliche
Rundschau» und «Umschau auf dem Gebiete der landwirthschaft-
liehen Literatur». Die besondere Bestimmung der beiden Rubriken
ergibt sich aus deren Ueberschriften. Die meisten der im verflos-
senen Jahre in jener Zeitschrift veröfientlichten Artikel gehörten in
die erste, «Landwirthschaft» überschriebene Abtheilung. Unter den
andern Abtheilungen hat sich namentlich die für «Bienenzucht» all-
gemeinen Beifalles zu erfreuen gehabt, indem selbst aus den entfern-
testen Gegenden des Reiches, und zwar sehr oft sogar aus den
Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung, Fragen und sonstige Zuschrif«
tcn bei der Redaktion einliefen.
Die Bihliotluk der Gesellschaft zählte am i. Januar 1878 — 20,813
Bände (Bücher und Zeitschriften).
Aus dem, im Jahre 1878 begründeten Impf-lnstütU der Gesell-
schaft sind 52,800 Lymph-Röhrchen, viele Impf-fnstrumente und
Anweisungen zum Impfen versandt worden. Im ImpMnstitute selbst
sind 7445 Personen geimpft worden.
Die Gesellschaft bestand im vorigen Jahre aus 22 Ehren-, 486
wirklichen und 761 aktiven Mitgliedern. Die Ausgaben beliefen sich
auf 20,830 Rbl. Das Besitzthum der Gesellschaft repräsentirt einen
Wcrth von 558,266 Rbl.*
Bevue Russischer Zeitschriften.
«Das alte Russland» (Russkaja Sstarina — PyccKaii CrapHHa).
Herausgegeben und redigirt von M. y, Sseniewslüj. ix. Jabrgang 1878.
Heft 4, Inhalt:
Innocenz, Erzbischof von Chersson und Taurien. 1800— 1857. II, HUtorisch-biogra-
phische Skizze. — Fürst Xaver Drutzkoi-Ljubetzkij, Finanzminister des Zarthums
Polen, später Mitglied des Reichsraths. 1777 — 1846. Eine historisch-biographische
Skizze von O, A. Prshezlawskij. — Der Maler Aiwasowskij und dessen 42jährige
' Dieses Buch ist inzwischen im Mai dieses Jahres erschienen. Die Red.
' Eine Uebersicht der Thätigkeit der «Kaiserlich Freien Oekonomischen GescIU
schalt* seit ihrer Begründung im Jahre 1765 bis auf die Gegenwart hoffen wir in einem
der nächsten Ilcfle der t Russischen Revue» zu bringen. Die Red.
94
künstlerische Thäligkeit. I— JTI. — Erinnerungen des Dr. A. Hcnrici an den orientali-
schen Krieg von 1853 — 1856. — Genealogische Tafel des jetzt regierenden lianscs
Romanow.
Hefts. Inhalt:
K. W. Tschewkin. Eine Skizze seiner Verwaltung des Ministeriums der Wegcverbn-
düngen. Von H. Sselifontow. — St. Petersburg im Jahre 177a. — Die Leiden des
Pastors Zeider im Jahre 1800, von ihm selbst niedergeschrieben. — Fürst Xaver Drut«-
koi-Ljubetzkij. Von O, PrshezlmoskiJ. — Erinnerungen von T. Passek. — Die Por-
Iralts von N. Gogol und die Zeichnungen zu seinen Werken, Von P. Jt/remoiv. —
Klefne Erzählungen und Bemerkungen.
Heft 6. Inhalt:
Skizzen, Erzählungen und Erinnerungen. Mitgethcilt von E — v, — Ze«!arewits<h
Konstantin Pawlowitsch in Wershbna am 21. Nov. 1830. Von einem Augenzeugen. —
Andrei Nikolajewitsch Karamsin in der Affaire vom 16. Mai 1854. Mitgctheilt von IVi-
stenhof, — Erinnerungen des Dr. Henrici nn den orientalischen Krieg von 1853 —
1856. (Schluss.) — Georg Nowitzki]. Eine biographische Skizze von M, Ssakoioiisch,
— Zur Geschichte der Kolonisation des westlichen Kaukasus in den Jahren 1861 —
1863. Mitgetheilt von M, Wenjukow^ — Notizen.
«Journal des Ministeriums der Volksaufklärung» (Shurnal Mini-
sterstwa Narodnago Prosweschtschenija — )KypHa.;i'b MüHecTepcTHa
HapOAHaro npOCB-femenifl). 1878. Heft 4. Inhalt:
Die Sage von der -Schönen im Palast und die russische Öylina von dem Sonnen reich.
Von A, Wessehioski/\ — Die Geschichte der Bulgaren im Lichtedes historischen Werk es von
K- Irecck. Von IV, Afakuschcw. — Kritische und bibliographische Bemerkungen. — Der
Rechenschaftsbericht der physisch-mathematischen und der historisch- philologischen
Abtheilungen der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften für die Jahre 1876 und
1877. — Nachrichten über die russischen LehrauFtalten. — l-eber die Betheiligung der
städtischen Kommunen in Russland an der Sache der allgemeinen Volksbildung. —
AbtheiluHg filr klassiseke Philologie. — Observationes rhetoricae in Demosthenem. Von
y, Lunlak. — Etymologische Bemerkungen von Sckönfferg. Ueber cnihil aliud» bei Ci-
cero. — Bericht der St. Petersburger Gesellschaft für klassisch« Philologie und Pädago-
gik für die Jahre 1874—1877.
Heft 5. Inhalt:
Bemerkungen Über einige ausländische Schriftsteller des XVII. Jahrhunderts, welche
über Russland geschrieben. Von £, ^osudskij, — Ueber die Grundbegriffe der Psy-
chologie. VonA/*. $tracho7u. — Die Geschichte der Bulgaren im Lichte des historischen Wer-
kes von K. Irecek. Von W. Makuscheiu. — Kritische und bibliographische Noti/en. —
Nachrichten über die Thätigkeit der russisdien Lehranstalten. — Abthülung fitr klassi-
sche Philologie, — Medea, Tragödie von EurißideSy übersetzt von /). TichonaiuiUch. —
Klassische Bibliographie. — Protokoll der Sitsung der Gesellschaft für klassische Phi-
lologie und Pädagogik am 28. Februar 1878.
*DaS Wort» (Sslowo — CjIOBO). 1878. Heft 5. Inhalt:
Eine Idealistin. (Schluss.) Eine Novelle von A, Sfazeunisck, *- Die Entwerthun^
des bäuerlichen Eigenthums. Von B LenskiJ, — Gedichte von S, Posntr und A. Ol-
ehin. — Die Reise nach Frateschti. Reiseerinnerungen von E. Iioanew, — Russlands
finanzielle Zustände im Rechnung^ahre 1876. Von A. .^.— Brittische Interessen im Ori-
ent. Von S, Janshula, — Gedanken Über die Kritik literarischer Schöpfnngskraft. Von
B. 7, f— Die Aufgaben der Volksliteratur. Von P, Topomin. — Wissenschaftliche
Chronik. — Das vervi-aiste Theater, Ein Brief aus Moskau.
♦Militär- Archiv t (Wojennij Ssbornik — BoeHHuft C6opH0Ki>).
XXI. Jahrgang. 1878. Heft 5. Inhalt:
Erinnerungen an den polnischen Krieg im Jahre 1831. IV. Aus den Memoiren von
N, D, Nijelow. — Einige praktische Ergebnisse det letzten Krieges. L Von Baron L .
^iäiieler, — Unser Infanterie-Fronte-Reglement. I. Von N. S, — Der Charakter
95
der türkischen Befestigutigen in Plewna. — Leih- und Sparkassen im Militär-Ressort.
Von r. Ifuöan^ — Die Bevölkerung und das Territorium der Kos;iken im europäischen
und asiatischen Russland. (Schluss.) Voii H. Krassnaw, — Karategin. Von G,,A.
Arandannko, — Das Gefecht bei Elena und bei Slataritza. I. Von Z, B. — Biblio-
graphie.
Heft 6. Inhalt:
Erinnerungen an den polnischen Krieg im Jahre 1831. II. Aus den Memoiren von H^
D, Nejdow. — Unser Infanterie-Fronte-Reglement. II, (Schluss.) Von N. S. — Einige
praktische Ergebnisse des letzten Krieges. (Schluss ) Von Baron Z. Seddelfr, — Ge-
danken tlber das Gefecht und die Vorbereitungen dazu im Frieden. Von L, L. — Von
dem Nutzen der Figurscheiben. Von Ryschkewitsch^ —r- Der Fluss Amu-Dar)a. Von Z.
KosUnko. — Das Gefecht bei Elena und Slataritza. ü. Von L. B. — Bibliographie.
«Der europäische Bote» ( Westnik Jewropy — B'fecTHHin» Eßponü.)
Xm. Jahrgang. 1878. Heft 5. Inhalt:
Die Domänenbauem in Russland im XVIII. Jahrhundert. Eine historische Skizze.
I — IV. Von M, Ssimnüskij. — Molifere als Satiriker und Mensch. Ein literarisches Por-
trait von A, Wesselowskij — liippolyte Taine als Historiker Frankreichs. V — IX. Von
W, Gucrr'ur. — Anna Karenin und Lew in. Literarisch kritische Skizzen. (Schluss.)
Von W. Stankaoitsch. — Der spanische Satiriker Larra. Von M, W, — Die letzten
Tage eines Staatsanwaltes. (Schluss.) Ein Roman von W, Pr — witsch, — Das Alter
der slavischen Idee in Kusslaud. Von A. W — «. — Die russische Grundsteuer. Von
Tk. Woroponow^ — Rundschau im Inlande. — Auswärtige Politik ; Krieg oder
Frieden ?
Heft 6. Inhalt:
Die Domänenbauern in Russland im XVIII. Jahrhundert Eine historische Skizze
V — VII. (Schluss ) Von W, Ssemewskij, — Gedichte von A, GoUnischtschew-Kutnstnv
• und D, D, — Aus alter Zeit, Erinnerungen und Erzählungen. I. Von A. Z. — Die
letzten zehn Lebensjahre P. Proudhon's, I— VlII. Von D — ctv, — Die mittel asiatische
Kultur und unsere Politik im Orient. I — III. Von y. Fitssel. — Bulgarien während di s
Krieges, Erinnerungen und Notizen. VIII, Von E, Uiin, — Rundschau im Inlande. ^-
Die gegenseitigen Beziehungen der Slaven. Von A. P. — Auswärtige Politik,
Russische Bibliographie.
Schriften der Kaiserlichen Russischen Geographischen Gesellschaft. Ethnographische
Abihcilung. Bd. VIII. Herausgegeben unter Redaktion von P. Mfttwejew. St. Pbrg.
8**. XV -|- 191 + 299 -(- 20 -j- 103 id. (3anHCKii IlMnepaTopcKaro pycciraro reorpa?
«uHecxaro o6mecTBa. Ho OTA'i^eHiio 8THorpa4>iu. T, VIII. IIoai* peAaanieio AliücTBu-
TCjibHaro q^iena fl. A. MftTB'fcaBa.)
Dubrowin> N. Der orientalisehe Krieg von 1853— 1856 St. Pbrg. 1878. 8", X-f
506 S. (Ayi^pOBHHlb H. BocroHHaa BottHa 1853 — 18^6 roAom*.)
Wyleshinskij, B. Chemische Technologie organischer StoflFe. St. Pbrg. 1878. 8®.
191 + 174 + 159 + 100 -f 62 + 316 + 195 -f 59 S. und 62 Tafeln. (BhUtMNH-
CRÜ, B. XnmiHecKaa TexHOJioria oprauHHeciciixi» aemecTBi».)
Beresin, E. Eine Skizze über militärische Entfernungsmesser. St. Pbrg. 1878. 8®.
XVI -^ 194 S. und rv Tafeln. (SepeSNl», E. Onepini Boemaarb AaJii>HOMtpoBi>.)
Kotomin, A. Praxis des St Petersburger KommerzgerichU für 1877. SL Pbrg.
1878. 8^ I + XXI + 337 S. (KOTOna%, A. M. Hpaimnca C.-ncTcp6yprcniro Kom-
pHJieecxaro cyAa.)
96
Homanowskij, G D. Materialien zur Geologie von Turkestnn. i. Kfg. Geologi-
sche und paläontologische Skizze des nordwestlichen Thian-Schan. St. Pbrg. 1878. 4".
yin -{- 167 S. mit 30 Tabellen. (PoHAHOBOBÜ, V. ff. MaTepiajiu 4.1a rcojioriu Typ-
aecTaHCKaro apaa.)
Atlas statistique et forestier de la Russic d^Europe, redig^ sous la redaction de P.
Wereoha et A. Matern. Publik par la «Soci^t^ forcstiere». St. Pbrg. 1878. 8 Kar-
ten und I S. Text.
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Der russische Graveur Tschemessow. Ileliographische Kopien von seinen Gravüren.
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Golnbew, A. N. Nekrassow. Biographie desselben und eine kritische Skizz.c sei-
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«ia H KpaTHHecxil otfsopi» ero noasia.)
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Pbrg. 1878. 8^ 22 S. (Fp0V%, M. 3airfaTiH o cymHOCTH Htroropurb SBjrvorh pyc-
caaro aausa.)
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Röttger.
AoaaojieHo ueuaypoio. C-Üerep^ypn» , 14-ro Ijoju 1878 roAa.
ßochdruckerci von Rüttorr h Sciinridrr, Newsky-Prospekt H 5.
Der l^einban Basslands
mit
statistischen Nach\veisen aus den Jeüiren 1870 — 1873.*
Auf Grundlage des, vom internationalen Kongress zu Haag 1869
gefassten Beschlusses über die Zusammenstellung einer, alle Wein-
bau treibenden Länder umfassenden Weinbaustatistik, arbeitete das
russische statistische Central-Komite ein Programm über die, den
Weinbau Russlands betreffenden Fragen aus, welches diese Be-
hörde den statistischen Komitees aller süd-russischen Gouverne-
ments zur Beantwortung einsandte. Aus den, auf diese Anfragen
beim statistischen Central-Komite eingelaufenen Antworten und aus
der, über den Weinbau Russlands vorhandenen Literatur geht her-
vor, dass behufs der Gewinnung von Traubenwein in nachstehenden
Gouvernements, Bezirken und Gebieten Weinbau betrieben wird: in
den Gouvernements Podolien, Bessarabien, Chersson, Taurien, Jeka-
terinoslaw, Astrachan, Sstawropol, Kutaiss, Tiflis, Jelissawetpol,
Baku und Eriwan; in den Bezirken des Schwarzmeer-Gebietes und
von Ssuchum, im Gebiet der Donischen Kosaken, im Kuban-, Te-
rek-, Daghestan-, Ural-, Ssemiretschinsk- und Syr-Darja-Gebiet.
Ueber den Weinbau des Gouvernements Jekaterinoslaw und der
Gebiete Uralsk, Ssemiretschinsk und Syr-Darja gibt es nur äusserst
wenig Data. Die Weinbau treibenden Gegenden der übrigen hier
genannten Gouvernements, Gebiete und Bezirke können in folgende
13 natürliche Gebiete gruppirt werden:
Das I. oder Bessarabische Gebiet umfasst die Bassins der Flüsse
Dnjestr und Pruth und das zwischen diesen beiden Flüssen gelegene
Areal, und zwar die Kreise: Mohilew, Jampol und Olgopol im Gou-
* BoK9^ if. M Eptuoß9y r, EHHorpa^apcTBO h BHHOA^^ie bt. Pocciii et. 1870 — 1873
TOfiMXh, CTaTHCTaqecKitt BpeMCHHurb PoccillCKoft HiiiiepiH. BunycKi» 151. C.-IIeTep-
6yprb, 1877 r.
BT780« BBTUX« BD. Zm. 7
98
vememcnt Podolien, Tlraspol und Odessa im Gouvernement Cher-
son und sämmtliche Kreise des Gouvernements Bessarabten.
Das n. oder Krimsche Gebiet umfasst die Halbinsel Taurien oder
Krim, namentlich den, längs dem Ufer des Schwarzen Meeres gele-
genen Landstrich und die Thäler der in das Schwarze und Asow-
sche Meer mündenden Flüsse und zwar in den Kreisen Eupatoria^
Ssimferopol, Jalta und Feodossia.
' Das in. oder Dänische Gebiet umfasst einen Theil des Flussbas-
sins des Don in den Kreisen I. und II. des Gebietes der Donischen
Kosaken.
Das IV. oder Astraehansche Gebiet umfasst die Kreise Astrachan
und Krassnij-Jar im Gouvernement Astrachan.
Das V. oder Kubarische Gebiet umfasst die Bassins der Flüsse
Kuban, Beisug, Kirpili, Kotschati, die Halbinsel Taman und die Um-
gegend von Jeisk in den Kreisen Batalpachinsk, Maikop, Jekaterino-
dar, Temrjuk, Jeisk des Kuban-Gebietes.
Das VI. oder Kutnä^sc/te Gebiet umfasst das Bassin des Flusses
Kuma in den Kreisen Pjatigorsk und Nowogrigorjewsk im Gouver-
nement Stawropol.
Das VII. oder das Terek-KunUksche Gebiet umfasst die Bassins
der Flüsse Terek und Sundscha, so wie auch die Kumiksche Ebene
in den Bezirken Kisljar, Grosnij und Chassaw-Jurt im Terek Gebiete.
Das Vni. oder DagJiesiansche Gebiet umfasst den Strand des Kas-
pischen Meeres im Bereiche des Daghestan-Gebietes und die Fluss-
bassins des letzteren, namentlich des Andjischen und Awarschen
Kojsu in den Bezirken Temir-Chan-Schura und Darginsk des nörd-
lichen Daghestan, im Bezirk Kajtago-Tabassaransk und in der Stadt-
halterschaft Derbent des südlichen Daghestan; in den Bezirken And-
jisk und Awarsk des westlichen Daghestan und in dem Gunibschen
Bezirke des mittleren Daghestan.
Das IX. oder RionSckwarzmeet' Gebiet umfasst den Strand des
Schwarzen Meeres im Gouvernement Kutaiss, im Schwarzmeer-
und Ssuchum-Gebiet und die, in dem genannten Gouvernement
und Bezirken befindlichen Flussbassins, namentlich des Rion und
anderer, in das Schwarze Meer mündenden Flüsse.
Das X. oder Kura'sc/ie Gebiet umfasst den grössten Theil des
Bassins des Flusses Kura mit Ausschluss der Nebenflüsse Alasan
und Araxes in den Kreisen Achalzych, Gori, Duschet und Tiflis im
Gouvernement Tiflis, und in den Kreisen Katach, Jelissawetpol und
Schuscha im Gouvernement Jelissawetpol.
99
Das XI. oder Kachetinische oder Alasan-Airitschaiscke Gebiet um-
fasst das Bassin des Flusses Alasan und dessen Nebenfluss Airi-
tschai in den Kreisen Signach und Telan des Gouvernements Tiflis,
den Sakatalschen Bezirk und den Kreis Nucha des Gouvernements
Jelissawetpol.
Das XII. oder Araxes^Gebiei umfasst das Bassin des Flusses Ara-
xes in den Kreisen Etschmiadsin, Eriwan und Nachitschewan im
Gouvernement Eriwan, den Kreis Sangesursk und den südlichen
Theil des Kreises Schuscha des Gouvernements Jelissawetpol.
Das XIII. oder das Schemacha-Gektschaische Gebiet umfasst die
Kreise Schemacha und Gektschaisk des Gouvernements Baku.
Oesehichtliches Aber den Weinbau In Bossland^ Geographische
Yerbreitnng der Weinrebe, Kultur- und Klimatische Yerhältnisse.
Die Weinrebe wurde schon in den ältesten Zeiten auf dem Terri-
torium, welches gegenwärtig den südlichen Theil Russlands bildet,
kultivirt. Die, südlich des Kaspischen Meeres gelegenen Länder wer-
den für die Heimath der Rebe gehalten*. In ihrer Nachbarschaft
befand sich auch das Vaterland des semitischen Stammes oder einer
seiner Hauptzweige. Von hier aus begleitete die Rebe die semiti-
schen Völker zum untern Stromlaufe des Euphrats und nach Sy-
rien, wo später die Semiten sesshaft wurden und eine selbstständige
Kultur entwickelten, die älter war, wie jene der arischen Völker.
Aus Syrien verbreitete sich die Rebe über ganz West-Asien bei den
Völkern des arischen Stammes: den Lydiern, Frigern, Medern
und bei andern, von Osten nach Westen vorgerückten Iranern. Aus
Klein-Asien gelangte die Rebe nach Griechenland. Zur Zeit Homer's
und Hesiod's hatte die Kultur der Rebe in Griechenland schon eine
solche Verbreitung gefunden, dass ihre Heimath bereits vergessen
worden war und sie, wie auch ihr Produkt, der Wein, und wie alles
Gute der Gottheit zugeschrieben wurde. Die Verpflanzung der Re-
ben aus Klein-Asien nach Griechenland muss hier erwähnt werden,
weil sie von hier aus schon einige Jahrhunderte vor Christo in die,
am Strande des Schwarzen Meeres entstandenen altgriechischen
Kolonien gelangten. In Transkaukasien aber bestand der Weinbau
schon lange vor der Gründung dieser letzteren, was trotz des Man-
• Hehn, V, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Grie-
chenland und Italien, sowie in das übrige Europa. S. 67 u. fil
100
■
gels an, den Weinbau direkt betreffenden Angaben, schon aus der,
in den ältesten Zeiten hohen allgemeinen Kultur dieser Länder ge-
schlossen werden kann. (S. Haxthausen: Transkaukasien.)
Der Kaukasus, das höchste Gebirge der alten Kulturwelt, ist für
die Geschichte der Menschheit von ganz unermesslicher Bedeutung.
An dieses Gebirge knüpfen viele Völker ihre ältesten Sagen. Eine
noch jetzt in Transkaukasien verbreitete Sage erzählt, dass, als die
Sündfluth im Abnehmen begriffen gewesen, der Kaukasus zuerst
aus dem Wasser hervorgetaucht sei; auf ihm soll die Arche an der
Spitze seines höchsten Berges, des Elborus, auf festen Boden ge-
stossen sein und habe dadurch die Bergspitze gespalten; dann aber
sei sie weiter geschwommen und habe sich auf den\ Berge Ararat
niedergelassen.
Nach den Worten der Schrift* soll Noah, nachdem er die Arche
auf dem Berge Ararat verlassen, Weingärten gepflanzt haben und
kannte er bereits die Herstellung der Weines. Schon zu Zeiten
Noah's war demnach nicht nur der Weinbau, sondern auch die
Kelterung des Weines den semitischen Völkern bekannt.
In den ältesten Zeiten, in welcher sich die Sage von der Ge-
schichte nicht scharf trennen lässt, war der östliche Landstrich am
Kaspischen Meere von grosser geschichtlicher Bedeutung. Hier
befand sich das Urland der Persischen Weltmonarchie, das wahre
Iran, ein Name, welcher später auf ganz Persien überging. Mitten
in diesem eigentlichen Iran, am untern Stromlauf des Cyrus (Kur),
befand sich das heilige, priesterliche Land Magon ; ein Theil des-
selben, die jetzige Magon'sche Wüste, war damals durch künstliche
Berieselung, von der noch jetzt Spuren sichtbar sind, ein ungemein
fruchtbares Land, während jetzt diese Wüste nur zeitweise von No-
maden besucht wird.
Fast bis zum Beginn der christlichen Zeitrechnung wurde Trans-
kaukasien von keinem Kriege berührt. Allein weder Gewerbe noch
Handel wurden daselbst von den Ureinwohnern des Landes, den
Iranern und Medern betrieben, deren Charakter sich nicht dazu
eignete, sondern von einem fremden Volke Tschin, indo-süd west-
chinesischer oder indo-serischer Abstamung, welches aus ferner
Heimath verdrängt, hier Aufnahme fand. Die alten Chroniken-
schreiber, u. A. der Armenier Moses von Chorene schildern das Volk
Tschin oder die Seren als ein mildes, friedliches Kulturvolk, Kanäle
' I. Buch Moses. Kap. 9 V. 20, 21.
lOI
■y*
bauend, Ackerbau, Gartenbau und Weinbau, sowie Gewerbe und
Handel treibend. Leider gibt es keine direkten Nachweise darüber, ob
das Volk Tschin den Weinbau inKaukasien schon vorgefunden, oder
aber denselben dort eingeführt habe. Wenn einerseits bereits bewie-
sen ist, dass die Entdeckung der Weinbereitung wie auch die Gewin-
nung von Alkohol aus Brot- und anderen Früchten den semitischen
Stämmen angehört^, so ist andererseits auch bekannt, dass in China
und Ostindien Spiritus aus Palmen, Datteln und Reis schon in den
ältesten Zeiten gewonnen wurde, worüber u. A. auch Strabo be-
richtet. Daher ist die Annahme, dass die Destillation des Spiritus
wie auch die Bereitung des Weins sowohl von den Indo-Chincsen
wie auch von den semitischen Stämmen West-Asiens selbstständig
entdeckt worden seien, nicht unwahrscheinlich. Im Centrum von
Transkaukasien, dessen Weinreichthum schon von Strabo'' be-
schrieben wird, nennt Herodot die Saspiren, die schon im Heere
des Xerxes dienten. Haxthausen^ hält sie mit den späteren Iberiern
und den jetzigen Georgiern für identisch, doch ist über ihren Ur-
sprung in der Wissenschaft noch Nichts festgestellt. Darüber, dass
das Gewerbe und Handel treibende Volk Tschin auch dem Weinbau
obgelegen, dürfte kein Zweifel herrschen.
Auf der Taurischen Halbinsel existirte der Weinbau auch seit
uralter Zeit; schon sieben Jahrhunderte vor Christo entstanden hier alt-
griechische Kolonien, die mit dieser Kultur gut vertraut waren.
Dies gilt namentlich von den Irakliten, die das westliche Seeufer
Tauriens kolonisirten und von den Mileten, welche auf dem östlichen
Ufer die Kolonien Theodosia, Nimea und Panticopea gründeten. Da
am Flusse Don in seinem unteren Laufe alt-griechische Amphoren
gefunden worden sind, so glaubt man, dass um dieselbe Zeit die
Griechen auch hier den Weinbau eingeführt hatten. Später, wahr-
scheinlich im 111. Jahrhundert vor Christo wurden von den Griechen
Weingärten im Bereich des jetzigen Bessarabiens angelegt. Nach
Strabo blühte schon bei der Entstehung des Bosphorischen Reiches
der Weinbau am Strande des Schwarzen Meeres, besonders zu
Zeiten des bosphorischen Königs Leucon und nach dem Sturze
Mithridates Eupator's bis zum ersten Jahrhundert nach Christo.
Während der Herrschaft der Römer blühte der Weinbau in allen
* Hehn^ 1. c. S. 22.
' Strabo^ Giograph. XI, Kap. 4.
' Haxthamen^ Transkaukasien. Bd. II. S« io8.
102
Thälern der Krim ; als aber die Taurische Halbinsel eine Beute der
Nomadenvölker wurde und zuletzt von den Tataren erobert worden
war, sank hier die Kultur der Rebe sehr bedeutend.
Mit der Zerstörung Dioscaria's wanderte auch der asiatische
Tauschhandel nach Georgien und Armenien, wo er besonders zwischen
Tiflis undEriwan aufblühte. Im I V.Jahrhundert nach Christo existirten
bereits zwei christliche Reiche in Transkaukasien, Georgien und Ar-
menien, in denen der Weinbau sehr verbreitet war. Mit dem Verfall
des Handels im VII. Jahrhundert und der Herrschaft der Mohamme-
daner, welche kategorisch den Genuss des Weines verboten, wurden
in Transkaukasien die Traditionen früherer Zeiten zerrissen und
verfiel die Kultur des Weinbaues sehr schnell. Gleichzeitig wanderte
auch der ehemals so blühende asiatische Tauschhandel nach Norden
zum Wolgastrom.
Die Genueser, die vom XI, bis zum Ende des XV. Jahrhunderts
am Strande des Schwarzen Meeres Handel trieben und Kafia (Theo-
dosia) undSoldea(Sudag) besetzt hielten, förderten die Weinkultur in
Alupka, Jalta, Simeis, Limena und an vielen anderen Orten der
südlichen Küste Tauriens, ebenso in Bessarabien, wo im Mittelalter
der Weinbau zu einer grossen Ausdehnung gelangte. Zu Ende des
XV. Jahrhunderts aber wurden alle genuesischen Kolonien am Ufer
des Schwarzen Meeres von den Türken erobert und von dieser Zeit
an verfiel daselbst wieder der Weinbau fast gänzlich.
Transkaukasien bildete im Mittelalter , nachdem die Türken das
Byzantinische Reich erobert, das Streitobjekt zwischen Persern und
Türken, welche Letztere, nachdem sie Armenien und Georgien
erobert, den westlichen, die Ersteren aber den östlichen Theil be-
setzt hielten. Unter der elenden, barbarischen Verwaltung beider
Staaten sank auch die Urbevölkerung Transkaukasiens immer mehr
in Barbarei, wobei die hohe Kultur des Landes bald zerstört wurde.
Am Ende des XVI. Jahrhunderts gelangte die Kultur der Rebe
aus dem östlichen Theil Transkaukasiens, aus Schemacha, durch
persische Kaufleute nach Astrachan. Der Weinbau blühte hier so
rasch auf, dass schon bald nach Anlage der ersten Weingärten
dortige Trauben dem Zarenhause nach Moskau zugestellt wurden.
Im XVn. Jahrhundert wurden auf Befehl des Zaren Alexei Michaile-
witsch Winzer aus Astrachan an den Terek versetzt, um den dor-
tigen Winzern die Art der Anpflanzung der Rebe, wie auch jene der
Weiterverbreitung zu lehren. Zur Zeit Peters des Grossen wurde die
Entwickelung des Weinbaues an den Flüssen Don und Terek in
103
den Gebieten der Don'schen, Terek' sehen und Greben'schen Ko-
saken besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Nachdem Russland zu Ende des XVIII. und zu Anfang des
XIX. Jahrhunderts die Halbinsel Taurien, Bessarabien und Trans-
kaukasien erobert hatte, fiel ihm ein grosses, Weinbau treibendes
Territorium zu, in welchem, wie oben erwähnt, diese Kultur schon
seit den ältesten Zeiten existirte. Zu Ende des vorigen und im An-
fange dieses Jahrhunderts wurden Weingärten an den Flüssen Kuban
und Kuma in dem Gebiete Kuban und dem Gouvernement Stawro-
pol angelegt. Endlich, erst zu Anfang der zweiten Hälfte unseres
Jahrhunderts, fiel Russland noch ein bedeutendes Weinbau treiben-
des Gebiet zu — der südlichq Theil Turkestans, wo aber wegen der
ausschliesslich mohammedanischen Bevölkerung, welche schon im
VIII. Jahrhundert zum Islam übergetreten war, trotz des guten Ge-
deihens der Rebe, wenig Wein gezogen wird. Grössere Ver-
breitung erlangte der Weinbau hier erst mit dem Erscheinen der
russischen Kolonisten.
Die nördliche Grenze des Weinbaues beginnt im westlichen Theile
Süd-Russlaiids im Gouvernement Wolhynien unter dem 51^ n. Br.;
gegen Osten allmälig fallend, durchstreicht dieselbe die Gouverne-
ments Kijew, Poltawa, Charkow, Jekaterinoslaw, geht dann über Sa-
repta (Gouvernement Ssaratow) und über die Festung Saraitsckikow
in s Ural-Gebiet. Weiter gegen Osten fällt die Grenze noch bedeuten-
der; so reifen z. B. im Gebiete Ssemiretschinsk im Thale des Ili-
stromes die Trauben selbst unter dem 45® n. Br. nicht vollständig.
Obgleich im Bassin des Amurstromes und im Ussuri-Gebiete^
zwischen dem 46^ und 42® n. Br. in Laub- und gemischten Wäldern
die wilde Rebe (vitis amurensis Rupr.) vorkommt, so sind doch die
Trauben sauer und erreichen kaum die Grösse der Sauerbeere.
Uebrigens haben die Trauben im südlichen Theile des Ussuri-
Gebietes, besonders an den steilen Abhängen des Japanischen Meeres
einen besseren Geschmack. Besonders üppig wächst hier die Rebe
in den Wäldern, wo sie sich an der Erde ausbreitet und dieselbe
mit einem zusammenhängenden grünen Teppich überzieht, oder wo
sie sich^ ähnUch den Lianen der Tropen, auch an den Gesträuchen
und Bäumen windet.
Als die äussersten nördlichen Grenzen der Kultur der Tafel-Reb-
^ Ifaximowic^ PrimiÜM florae Amurensis. St,Peter:>burg 1S59. S'^9i S. 394» 5.397.
104
Sorten bezeichnet Beketow* Kijew (50^ 28' n. Br. und 48® 11' östl.L.)
und Charkow (50** 0,3' n. Br. S3^ 54' östl. L); nach seinen Bestim-
mungen beginnt die Grenze des geregelten Weinbaues im Gouver-
nement Wolhynien unter dem 50® n. Br. und streicht, gegen Osten
fallend, auf Katterburg (Gouvernement Wolhynien), Berditschew
(49® 54' n. Br. 46® 15' ö. L.) und Chodorow am Dnjepr im Gouver-
nement Kijew, Poltawa (49® 35' n. Br. 52® 14' ö. L.), Starobelsk
(49* 1 5' n. Br., 56* 34' ö. L.) im Gouvernement Charkow, Staniza
Pjatiisbjanskaja (48^ 35' n. Br. 61^ 7 ö. L.) im Gebiete der Doni-
scheii Kosaken, Sarepta (48® 31' n. Br., 62® 13' ö. L.) im Gouver-
nement Ssaratow, Gurjew (47® 7' n. Br. 69® 38' ö. L.) im Gebiete
Uralsk, und Wernoje (43« i& n. Br., 94« 38' ö. L.) im Gebiete Sse-
miretschinsk.
In den hier verzeichneten nördlichen Grenzdistrikten des Wein-
baues trifft man nur selten Weingärten an, indem die Reben für den
Tischgebrauch hier nur in Obstgärten kultivirt werden. Allein auch
selbst der Süden dieses Grenzgebietes kann kaum als Weinbau trei-
bend bezeichnet werden, da die vorhandenen physikalischen Ver-
hältnisse sowie die bedeutende Höhe über dem Meeresspiegel den
Weinbau nicht gestatten. Obgleich die Forschungen nach dieser
Richtung hin spärlich sind, so scheint doch die Rebe die grösste ab-
solute Höhe an der südlichen Grenze Transkaukasiens gefunden zu
haben. Hier beobachtete sie Hr. tarrot* auf einer Höhe von 5000
Fuss über dem Meeresspiegel in den später (1840) zerstörten Gärten
des Klosters St. Jakob im Thale Achuri, am nördlichen Abhänge
des grossen Ararat. Im östlichen Theile von Transkaukasien steigt
die Rebenkultur nur auf eine geringere Höhe und in der Umgegend
von Stawropol reifen die Trauben selbst bei einer Höhe von nur
1880 Fuss über dem Meeresspiegel nicht jedes Jahr. Im Gouver-
nement Bessarabien erreichen die höchst gelegenen Weingärten in
der Ortschaft Wodeni im Kreise Soroki nur die absolute Höhe von
1 160 Fuss. Die auf der Taurischen Halbinsel gelegenen überstei-
gen nicht eine absolute Höhe von 1000 Fuss, und die, in den übrigen
Theilen des europäischen Russland befindlichen erreichen nicht ein-
mal diese Höhe. Nur im asiatischen Russland, im Gebiete Turkc-
stan, gibt es höher gelegene Weingärten, wie z. B. in Ssamarkand
bei 2344', inKuldsha bei 1700', in Taschkend bei 1621' über dem
Meeresspiegel.
• Beketow, A., Botanische Umrisse (russisch). Moskau 185S S. 71—91.
' Panot, Reise zum Ararat Bd. I, S. 76.
I05
Nicht nur, dass durch die eben erwähnten Umstände dem Wein-
bau in Süd-Russland eine engere Grenze gezogen wird, es eignen
sich auch die zahlreichen Steppenländereien des südlichen Russland
sowohl ihrer klimatischen, wie ihrerBodenverhältnisse wegen-nichtzur
Kultur der Rebe. Das süd-russische Steppengebiet umfasst einen Flä-
chenraum von 60,000 geographischen DMeilen und während es in sei-
nem westlichen Theile, dem fruchtbarsten, eine Hochebene bildet^
besteht der weit grössere östliche Theil aus grossen, von Hügeln und
niedrigen Bergen durchschnittenen Ebenen, die sich von 1000 bis
4000' über dem Meeresspiegel erheben. Der Boden dieser enormen
Steppe besteht aus Tschornosem (Schwarzerde), Lehm, Sand, stel-
lenweise selbst aus Flugsand und Salzgrund. Seit uralter Zeit gehörte
diese Steppe den Nomaden Völkern und der östliche grössere Theil
wird noch jetzt von diesen Völkern eingenommen. Hieraus erklärt
es sich schon, dass der Weinbau daselbst keine Stätte findet.
Die Weinbau treibende Region Russlands wird daher durch nie-
drige Gebirge und Vorgebirge, grosse Flussbassins und durch die
Strandgegenden der Meere und Seen gebildet. Allein hier werden
viele, für den Weinbau geeignete Strecken zu anderen landwirth-
schaftlichen Zwecken verwendet oder liegen auch gänzlich unbe-
nutzt da, grösstentheils aus dem Grunde, weil die lokale Bevölkerung
die Bedeutung und den Nutzen des Weinbaues noch nicht erfasst
hat.
Die Weinrebe wird in Russland auf den verschiedenartigsten
Bodenarten kultivirt, einerseits auf üppigem, sehr fruchtbarem
Tschornosem und Schlammboden, andererseits noch auf magerem
Lehmboden, selbst auf Sand- und sogar auf salzhaltigem Boden. Nur
auf Flugsand, auf stark salzhaltigem Boden und auf Sumpfland kön.
nen keine Reben kultivirt werden. Der beste Boden hierzu soll kalk-
oder mergelhaltiger Lehm sein, wie denn überhaupt eine gewisse
Beimischung von Kalk im Boden dem Weinbau günstig ist. Als
schlechtester Boden gilt der salzhaltige Thon, der nicht nur viel
Dünger erfordert, sondern auch einer starken Bewässerung bedarf.
Als allgemeine Regel kann gelten, dass Rebsorten, die aus Gegen-
den mit einer höheren mittleren Temperatur stammen, einen frucht-
baren, üppigen, feuchten und warmen Boden, dagegen Reben aus
Gegenden mit einer kälteren mittleren Jahrestemperatur einen ma-
gern, trockenen und kälteren Boden verlangen. Uebrigens werden
fast in jeder, Wein bauenden Gegend einzelne Bodenarten besonders
bevorzugt und werden solchen sogar besondere Eigenschaften der
io6
auf ihnen wachsenden Reben zugeschrieben. So z. B. werden am
Süd-Ufer der Krim Reben sowohl auf schwarzem Thonschiefer-
boden, der aus zerstörtem Liasschiefer besteht, wie auch auf schwe-
rem Thonboden von gelber und rother Farbe, dem Stücke von ooli-
tischemKalk beigemengt sind, kultivirt, doch wird letzterem Boden der
Vorzug gegeben. Auf der Kumikschen Hochebene im Terek-Gebiete
wird der steinige, kalkhaltige Boden für der Rebe am meisten gün-
stig gehalten. Am westlichen Abhänge der Achalzych-Imeretischen
Gebirge im Bereiche des Gouvernements Kutai'ss wird besonders
guter Rothwein aus Trauben bereitet, die auf kalkhaltigem Thon-
boden und auf merglichcm Boden wachsen, der auf Felsarten der
oberen Kreideformation auflagert, etc.
Die Weingärten werden sowohl auf hoch und niedrig gelegenen
Ebenen, wie an schwach geneigten und steilen Abhängen von Hü-
geln und Bergen angelegt; im letzteren Falle werden steilere Ab-
hänge durch künstliche Terassen dieser Kultur zugänglich gemacht,
wodurch auch gleichzeitig der Boden gegen Abschlämmen durch
Sturzregen mehr Schutz findet und weniger ausgewaschen wird.
In Kachetien gibt es im Alasan-Thäl Weingärten, welche ohne
Terassen selbst bei einer Steigung von 35® angelegt sind, während
in Transkaukasien und der Krim schon weit weniger steile Wein-
berge mit Terassen versehen werden. Bei Anlage von Weingär-
ten wählt man vor kalten Winden möglichst geschützte Stellen,
und da der Süden Russlands vorzugsweise den kalten und trockenen
Ost- Winden preisgegeben ist, so meidet man fast überall hierbei die
östlichen und nord-östlichen Abhänge. Nur in trockenen Gegen-
den, in welchen die Weingärten an Dürre leiden, wird die Anlage
derselben an Süd-Abhängen gemieden. So sind z. B. in Bessarabien,
wo es nur unbewässerte Weingärten gibt, die meisten derselben
nach Osten und Nord-Osten, ja sogar nach Norden gerichtet; be-
wässerte Weingärten aber und besonders solche, welche Dessert-
weine liefern, legt man nur an südlichen, süd-östlichen und süd-west-
lichen Abhängen- an, da dort die Reben am meisten den ihnen so
nöthigen Sonnenstralilen ausgesetzt sind.
Bei Anlage von Weingärten muss selbstverständlich den lokalen
klimatischen Verhältnissen die grösste Aufmerksamkeit geschenkt
werden, da der Wuchs der Rebe, die Eigenschaften der Trauben
und des daraus erhaltenen Weines in strenger Abhängigkeit von
denselben stehen. Selbst die sorgfältigste Pflege kann der Rebe
nicht ersetzen, was ihr die Strahlen der Mittagssonne geben. Hierin
107
liegt der Hauptgrund von dem sich geltend machenden Unter-
schiede in den Eigenschaften der Trauben einer und derselben Reb-
sorte. Auch hindern die, in Süd-Russland häufig eintretenden kalten
Nächte, trotz der starken Tageswärme nur zu häufig das volle Aus-
reifen der Trauben. Aus vieljährigen Beobachtungen ist bekannt,
dass bei Mitteltemperaturen von +> 8,75® C. im Jahr, von + i® C. im
Winter und von + 18,5® C. im Sommer die Rebe während des Win^
ters keine Bedeckung verlangt und einen guten Wein gibt. Doch
wo die Rebe zum Winter bedeckt oder vergraben wird, dort gibt sie
auch bei einer niedrigeren mittleren Jahrestemperatur gute Trauben.
Durch die Arbeiten des Hrn. Rykatschew, der die mittleren Tempera-
turen an 38 Punkten der süd-russischen Weinbauregion feststellte,
ist nachgewiesen, dass die Mitteltemperatur des Sommers die für
den Weinbau erforderliche Norm überall übersteigt. Auch die
Mitteltemperatur des Jahres entspricht der Norm und übersteigt die-
selbe an 35 Punkten und bloss an 3 Punkten stellt sie sich niedriger ;
was aber die Mitteltemperatur des Winters betrifft, so wird die ge-
nannte Norm nur an 12 Punkten überstiegen, an den übrigen 26
Punkten ist sie bedeutend niedriger. Natürlich muss die Rebe in
allen solchen Gegenden Während des Winters bedeckt oder vergra-
ben werden. Dies ist in der That auch der Fall in Bessarabien, wo
nur die, im südlichsten Theil gelegenen Weingärten während des
Winters unbedeckt bleiben, in den Kreisen Simferopol und Eupa- .
toria des taurischen Gouvernements, am Don im Gebiete der Doni-
schen Kosaken, im Gouvernement Astrachan; in ganz Ciskaukasien
in den Bassins der Flüsse Kuma, Kuban und Terek; im nördlichen,
mittleren und westlichen Daghestan; im Kreise Achalzych des
Gouvernements Tiflis; auf der Kartalinischen Ebene im Kreise Gori;
im Bassin des Araxes, im Bereiche des Gouvernements Eriwan und
endlich im Gebiete Turkestan, mit Ausschluss seines südlichen
Theiles.
In allen übrigen Weinbau, treibenden Gegenden Russlands werden
die Reben im Winter nicht bedeckt und leiden auch nicht durch den
Winterfrost. Früh eintretende Herbstfröste sind nur den unreifen
Trauben schädlich, nicht den reifen; dagegen wirken aber die häufig
vorkommenden Frühjahrsfröste verderblich auf Rebe und Traube
und berauben die Winzer nur zu oft ihrer ganzen Ernte. Es ist auch
bemerkt worden, dass namentlich in den niedrig gelegenen Gegen-
den die Reben mehr vom Frost leiden, wie an hoch gelegenen Stel-
len und auf steilen Abhängen.
io8
So sehr auch die, zur rechten Zeit gefallenen Regenmengen der
Rebe nützen, so sehr schaden sie ihr aber auch während einiger
Perioden ihrer Entwickelung, besonders während der Blüthczeit,
der F'ruchtbildung und der Traubenreife, in welch letzterem Falle
der Winzer oft gezwungen wird, die Lese selbst vor vollkommener
Ausreifung der Trauben zu beginnen. Wenn zu Anfang des Som-
mers nach reichlichem Regen Dürre eintritt, und besonders wenn
dieselbe noch von einem trockenen Ost- oder Nord-Ostwinde be-
gleitet ist, so vertrocknen nicht nur die Rebenblätter, sondern auch
die Trauben selbst. In Süd-Russland sind Strichregen vorherrschend,
anhaltende Regen bilden nur seltene Ausnahmen; desshalb leiden
die Weingärten häufig an anhaltender Dürre, die auch den Trauben
grossen Schaden bringt, indem dieselben klein und fleischig bleiben
und eine harte Haut bekommen, die ihre vollständige Reife ver-
hindert.
Nach, in Süd-Russland angestellten Beobachtungen ist man zu dem
.Schluss gelangt, dass die Quantität der atmosphärischen Nieder-
schläge in der Richtung von West nach Ost geringer wird und dass
der Mangel an Schnee und Regen in Süd-Russland dadurch bedingt
werde, dass der nach Russland gelangende Süd-Westwind bereits
schon in West-Europa den grössten Theil seiner Feuchtigkeit ver-
loren habe. Theils wird aber auch der Mangel an Niederschlagen
den in Süd-Russland herrschenden trockenen Ostwinden, theils auch
der waldlosen Oberfläche dieses I-andstriches zugeschrieben. Doch
muss ein solcher einseitiger Schluss für voreilig gehalten werden,
weil er sich auf eine zu geringe Anzahl von Beobachtungen stützt,
die noch dazu an nur sehr wenig Beobachtunspunkten angestellt
worden sind. Auch differiren die, aus früheren Beobachtungen ge-
zogenen Mittelzahlen bedeutend mit den in neuester Zeit ange-
stellten. Desshalb können noch keine, für den Weinbau stichhaltigen
Schlüsse aus den vorhandenen Daten über die Niederschläge ge-
zoiren werden, obijlcich solche Daten tjerade für den Weinbau
Kusslands von der gnissten Wichtigkeit wären.
Der Weinbau befindet sich in direkter Abhängigkeit von der
Feuchtigkeit des Bodens und der Luft; je geringer diese letztere, desto
dringender wird das Bedurfniss nach künstlicher Bewässerung der
Weingärten. Um aber dieselben berieseln zu können, ist Wasser
erforderlich. An Wasser jedoch leiden selbst heute viele Gegenden
Kussiands Mangel, von welchen mit Sicherheit bewiesen werden
kann, dass ilort früher Wasser vorhanden und sogar an viden
109
Orten schon zur Bewässerung der Weingärten benutzt worden war.
Die Frage, wesshalb im grössten Theile Süd-Russlands der Boden
im Vergleich zu früheren Zeiten trockner geworden, ist noch lange
nicht gelöst. Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass die Vernichtung
der Wälder im Allgemeinen eine sehr ungleichmässigc Vertheilung
der Niederschläge zur Folge hat und daher stellenweise zur Ursache
der Trockenheit wird; die Hauptursache der allmäligen Verminde-
rung des Wassers in einigen Gegenden muss aber wohl in den
lokalen Erhebungen und Senkungen des Bodens gesucht werden,
über welche Erscheinungen jedoch in Süd-Russland die Beobachtun-
gen fehlen.
So sehr auch ein beständig feuchter, ja morastiger Boden der
Rebe schadet, so viel nützt ihr andererseits in trockenen Gegenden
berieseltes Land. Eine rechtzeitige, vorsichtige Berieselung der
Weingärten befestigt die Rebe und dient zum Pfand einer guten
Lese. In berieselten Weingärten trägt selbst der, für die Weinkultur
weniger günstige Boden noch gesunde Reben und liefert eine gute
Lese, wozu für gewöhnlich gar kein Dung nöthig ist. Es fragt sich
aber, ob die, auf diese Weise den Weingärten durch das Wasser zu-
geführten Nahrungsstoffe auch dann genügen, wenn der Boden arm
an, für die Weinreben erforderlichen Nahrungsstoffen ist. Obgleich
in dieser Beziehung, namentlich in Süd-Russland, hinsichtlich des
Gehaltes der dortigen Gewässer, noch keine erschöpfenden Unter-
suchungen angestellt worden sind, und daher auch noch sehr wenig
quantitative Analysen des Flusswassers vorliegen, so lässt sich doch
schon im Voraus mit Bestimmtheit sagen, dass dergleichen Unter-
suchungen sehr ungleiche Resultate zu Tage fördern und grosse
Verschiedenheiten aufweisen werden. Dadurch lässt sich auch der
verschiedene Einfluss der Berieselung auf die Rebe erklären j dess-
gleichen auch die vorgekommenen Fälle, dass trotz der Berieselung
der Weingärten die Lese derselben von Jahr zu Jahr geringere Re-
sultate liefert. Nur in solchen Fällen, d. h. bei vollkommener Ver-
armung des Bodens, nimmt man gewöhnlich Zuflucht zur Düngung
desselben. Anders verhält es sich in solchen Gegenden, wo die
klimatischen Verhältnisse keine künstliche Bewässerung der Rebe
verlangen. Dort muss, wenn der Boden erschöpft ist und keine ge-
nügenden Lesen gibt, gedüngt werden und geschieht dies jährlich
oder nach Verlauf von 2, 3 oder mehr Jahren. Doch gibt es auch
solche Gegenden, wo selbst unberieselte Weingärten nie gedüngt
werden. In diesen Gegenden lässt man die Weingärten einfach ein-
HO
gehen, sobald eine vollständige Ausnutzung des Bodens eingetreten
ist und legt auf einer neuen Stelle Weingärten an.
Ausschliesslich unberieselte Weingärten kommen nur in Bessara-
bien, im Rion-Schwarzmeer- und im Kurischen Gebiete vor, aus-
schliesslich berieselte gibt es nur in einem, dem Araxes-Gebiete; in
allen übrigen Weinbau treibenden Gegenden gibt es sowohl be-
rieselte, wie unberieselte Weingärten. In dem westlichen Theile
Transkaukasiens, besonders im Strandgebiete des Schwerzen Mee-
res leiden die Reben auf vielen Stellen an zu grosser Feuchtigkeit
des Bodens, und wenn sich hier die Rebenkultur heben soll, so
wird ohne Zweifel zu dem Meliorationsmittel der Trockenlegung
und Drainage gegriffen werden müssen. ' Dagegen ist wieder in sehr
trockenen Gegenden der Weinbauregion, besonders im östlichen
und südlichen Transkaukasien, die künstliche Berieselung der Wein-
gärten eine unumgängliche Bedingung der Rebenkultur, da in sehr
vielen Gegenden der Weinbau nur unter dieser Bedingung betrieben
werden kann. Hierzu bieten die vorhandenen Kanäle und Wasser-
adern eine willkommene Gelegenheit und es steht zu erwarten, dass
mit Benutzung derselben sich der Weinbau in jenen Gegenden noch
bedeutend ausbreiten werde. In Transkaukasien sind Wasserlei-
tungen zur künstlichen Berieselung seit den ältesten Zeiten vor-
handen und besonders viel haben die Perser für diesen Zweck ge-
than. Sie haben in vielen, selbst über io,000 Fuss hoch über dem
Meeresspiegel gelegenen Gegenden Wasserleitungen angelegt, von
denen jetzt noch Spuren vorhanden sind, und von denen aus die Be-
rieselung von Feldern und Weingärten erfolgen konnte. Leider sind
viele dieser Wasserleitungen zerstört, verunreinigt und versandet, aber
gleichzeitig mit ihrer Vernichtung sind auch bedeutende, früher
sehr fruchtbare Strecken in unfruchtbare Wüsten verwandelt
worden.
Bei künstlicher Berieselung der Weingärten ergiesst sich das
Wassser entweder aus den Kanälen direkt über die ganze Oberfläche
derselben, oder, was häufiger der Fall, es wird in mehr oder, weniger
tiefe kleine Kanäle geleitet, welche die ganze Oberfläche durch-
streichen. Nach einem, noch von den Persern stammenden Gebrauch
wird die Berieselung der Felder und Weingärten von Bevollmächtig-
ten, die von der Bevölkerung gewählt werden, geleitet. Doch auch
bei einer derartigen Ordnung kann eine regelmässige Vertheilung
des Wassers nur in dem Falle stattfinden, wenn es möglich ist, zu
jeder Zeit genau zu wissen, i) wie gross die zur Verfügung stehende
III
Quantität des Wassers ist und 2) ob das Wasser namentlich zu
solchen Weingärten gelangt, welche am meisten des Wassers be-
dürfen. In Betreff der ersten Bedingung fehlt es ganz an genauen
Daten; was die zweite betrifft, so beruht Alles auf dem guten Willen
Derjenigen, welche die künstliche Berieselung verwalten. • Daher
bildet auch im Kaukasus die Benutzung des Rieselwassers den
Gegenstand ewigen Streites und trotzdem, dass der Gebrauch, in
einigen Gegenden selbst das Gesetz, sich bestrebt haben, die Be-
nutzung *des Wassers zu regeln, so entscheidet hierbei doch nicht
selten das Recht des Stärkeren. Einem solchen traurigen Zustande
der künstlichen Berieselung der Weingärten kann nur dann abge-
holfen werden, wenn die künstlichen Wasserleitungen vom Gesetz
streng geschützt werden und wenn zugleich eine strenge Aufsicht
der Bassins und Schleusen eingeführt wird.
Bebenknltnr. Traubenlese* Die Terschledeiien Bebsorten, ihre
Krankheiten und Feinde. Grosse, Bearbeitnngskosten und Er-
trag der Weingärten, Preise der Weintranben und deren Ein-
flilir nach Bnssland.
Die Rebe wird in Russland in besonderen Weingärten ohne oder
mit Zwischenkulturen gepflanzt, wo sie in mehr oder weniger regel-
mässigen Reihen gesetzt und an Pfählen, Stangen oder anderen
Stützen befestigt wird. In solchen Weingärten finden sich nicht
selten, wie dies meist auch in Ungarn der- Fall ist, in grösserer oder
geringerer Anzahl Obst- und andere Bäume oder Sträucher mitten
unter den Rebenpflanzungen, oder diese umgürtend. In dem Rion-
und Schwarzmeer-, dem Schemacha-Gektschaischen und im Daghe-
stan'schen Gebiete — im letztgenannten Gebiete doch nur in der
Ortschaft Karabudachkent im Bezirke Temir-Chan-Schura — wird
die Rebe an hohen Bäumen gezogen, und zwar nicht in besonderen,
regelmässig angelegten Weingärten, sondern in Hainen, Gärten und
Feldern an Obst-, Oel-, Maulbeer- und anderen Bäumen, die meh-
rere Faden weit von einander abstehen. Ausserdem wird die Rebe
auf Terassen, an Lauben oder in Guirlandcn, an den Wegen, Häu-
sern, Zäunen u. s. w. gebaut.
Als reine Pflanzungen ohne Zwischenkultur von Obst- und andern
Bäumen etc. wird die Rebe nur in den Weingärten des Gebiets
Kachetien kültivirt; in allen übrigen Weinbau treibenden Gegenden
112
werden die Weingärten sowohl rein, wie mit Zwischenkulturen an-
getroffen. In der Krim und an der Kura werden in den neu angeleg-
ten Weingärten keine Obstbäume zwischen den Reben gepflanzt,
weil die Winzer in den genannten Gegenden bereits die Ueberzeu-
gung gewonnen haben, dass die Reben durch den Schatten der
Bäume leiden; dies ist auch der Grund, warum manche Win-
zer in ihren alten Gärten die Bäume aushauen. In anderen Gärten,
besonders in Bessarabien und im Gouv. Eriwan, werden aus demsel-
ben Grunde nur Pfirsiche und Aprikosen gepflanzt; wo sich daselbst
ausser ihnen noch andere Bäume befinden, da stehen letztere so,
dass ihr Schatten nicht die Reben trifft. In vielen Weingegenden
pflanzt man Obst-- und andere Bäume, so wie Sträucher um die
Weingärten herum, um letztere vor den Stürmen zu schützen. Im
Rion-Schwarzmeergebiet schützt man die Weingärten vor den dort
herrschenden Ostwinden durch schmale, fünf und mehr Faden
breite Waldstreifen, Sacarc genannt, die nie von einer Axt berührt
werden.
Von den, in den Weingärten und um dieselben herum gepflanzten
Bäumen und Sträucher haben folgende Arten die grösste Verbrei-
tung: im Süden des europäischen Russlands und in Ciskaukasien —
Birnen-, Aepfel-, Kirschen-, Süsskirschen-, Pflaumen- Oelbäume (in
der Krim), ferner Pfirsiche, Aprikosen und Mandelbäume (Derbent),
Maul- und Nussbäume, Stachelbeer- und Johannisbeersträucher,
Weidenbäume, Pappeln etc. Jn Transkauka^ien werden dagegen
ausser den genannten Bäumen noch angetroffen: die Quitte (Cydo-
nia vulgaris), der Granatapfel (Punica granatum), Eleagnus porten-
sis, die Hcrlitzen (Cornus mascula) etc. In Gegenden, in welchen sich
die Reben an hohen Bäumen winden, werden dieselben vorherr-
schend an der Erle (Rion-Schwarzmecr-Gebiet) oder am schwarzen
Maulbeerbaum (Schemacha^Gekschaisches Gebiet), seltener aber an
Obst- und Maulbeerbäumen (Rion-Schwarzmeer Geb.) oder am
Granatapfel, der Pappel, Karagadsch, Kisilagatsch, der Weissbu-
che, Eiche und andern Bäumen gezogen. Unter den Obst- und an-
dern Bäumen und Sträuchern betreibt man in den Weingärten eini-
ger Gegenden auch den Gemüsebau (Astrachansches Gebiet) und
den Luzernenbau (Araxes Gebiet) oder kultivirt andere Pflanzen. Im
Rion-Schwarzmecr-Gebiete finden sich die, unter dem Namen «Ma-
glari» bekannten Weingärten, das sind mit Mais, (Kukurutz) Gomi
(Panicum italicum) und anderen Pflanzen bebaute Felder, in wel-
chen zerstreut und in einer Entfernung von 3 — 5 Faden hohe
Bäume stehen, welche von den Weinreben umrankt werden. Die
anderen, mit, an niedrigen Stangen gezogenen Weinreben bestande-
nen Weingärten führen den Namen «Dablari». Hohe Spalierreben,
die geschlossene Rebenalleen bilden, werden «Taravelli» genannt.
Die Anpflanzung und Verjüngung der Weingarten-Anlagen ge-
schieht mittelst Schnittreben, Setzlingen und Stecklingen und nur
im Don'schen Gebiete werden die Weingärten mit grossen Reben
oder deren Gipfeln angepflanzt. Zur Anlage neuer Weingärten be-
nutzt man vorzugsweise Schnittreben, seltener Setzlinge, zur Ver-
jüngung von Weingärten sowohl Stecklinge wie Setzlinge, mitunter
aber auch Schnittreben. In vielen Lagen des Daghestan'schen, Rion-
Schwarzmeer-, des Kura'schen und des Kachetinskischen Gebietes
werden neue Weingärten mit Schnittreben bepflanzt, dabei aber
zwischen denselben grosse Zwischenräume gelassen, die im 3. oder
4. Jahre mit, von den Schnittreben abgesenkten Nebenreben ausge-
füllt werden. Die leeren Stellen in den Weingärten, wo die gesetz-
ten Schnittreben nicht gefasst haben, werden gewöhnlich mit Setz-
lingen bepflanzt. Um eine Rebart durch eine andere zu ersetzen, ist
in einigen Gegenden (Bessarabien, Krim, Daghestan, Araxes) das
Pfropfen (Inoculiren) gebräuchlich; auch wird dieses Verfahren von
einigen Winzern beim Verjüngen der Weingärten angewendet.
Bei Anlage neuer Weingärten reinigt man zunächst den Boden
von Steinen, Gesträuchen etc., worauf er i — 3 Jahre mit Mais, Wei-
zen, Baumwolle und andern ähnlichen Gewächsen bebaut wird
(Bessarabien, Rion-Schwarzmeer-, Kachetien und Schemacha-Gek-
tschai-Gebiet). Vor dem Setzen der Schnittlinge wird das Land ent-
weder aufgepflügt (am Don, Kuban-, Araxes-Geb.), oder ganz auf-
gegraben und bearbeitet (Bessarabien, Krim, Rion-Schwarzmeer-
und Schemacha-Gektschai-Geb.) oder es werden nur Gruben ausge-
hoben (ebendaselbst) oder endlich nur parallel laufende Gräben ge-
zogen. Das tiefere oder flachere Umgraben richtet sich nach der
Schwere und Qualität des Bodens. Die Breite der Gräben beträgt
iV« — 2 Arschin. Beim Umgraben horizontaler Strecken wird der
Richtung der Gräben keine Aufmerksamkeit geschenkt, bei Abhän-
gen dagegen werden die Gräben parallel dem Verlauf der Abhänge,
oder in senkrechter Richtung zu dem Verlauf der Abhänge gestellt.
Bei neuen Anpflanzungen wendet man die Schnittreben verschie-
denartig an. Sie werden entweder direckt auf die für sie in den
Weingärten bestimmten Stellen gepflanzt, oder man zieht sie (Bessa-
rabieni Krim, Astrachan, Rion-Schwarzmeer-Geb.) vorläufig auf i,
Btrf». SBTUB, BD. zm« 8
"4
2, selbst 3 Jahre in Pflanzschulen auf, und erst wenn sich ihr Wur-
zelstock gut entwickelt hat, werden sie an ihre Plätze in den Wein-
gärten verpflanzt. In einigen Gegenden von Bessarabien, im Kache-
tinskischen und im Araxes-Gebiete pflanzt man die Schnittreben in
den Weingärten in grösserer Menge als erforderlich; nach ein oder
zwei Jahren verdünnt man, wie nothwendig, die Pflanzung und be-
nutzt die hierbei gewonnenen, gut angewurzelten Stöcke zum Aus-
füllen von Fehlstellen. In der Umgegend der Städte Ackerman und
Kischinew, auch in der Krim werden die Schnittreben einige Tage
VQr der Verpflanzung in, mit Wasser angefüllten Gräben gehalten,
um besser anzuwurzeln.
Das Absenken der Reben erfolgt wie anderwärts. Man verwendet
hierzu einzelne Zweige so wie auch ganze Stöcke. Die Senker wer-
den in Bessarabien ihrerseits oft wieder gesenkt, um dorthin geleitet
zu werden, wo man deren z. B. zur Ausfüllung von Lücken etc. be-
darf. In der Regel erfolgt das Senken im Frühjahr, in einigen Thei-
len der Krim und in der Umgegend von Astrachan aber auch im
Herbst. Ebenso erfolgt das Bepflanzen der Weingärten grossen-
theils im Frühjahr, nur das Donische Gebiet, in welchem man die
Herbstpflanzung vorzieht, macht davon eine Ausnahme. Die
Schnittreben setzt man entweder in senkrechte Gruben oder legt sie
in Gräben, in beiden Fällen werden sie bis zur Erdoberfläche mit
gut gedüngter Erde umgeben, die festgetreten und nochmals mit
Dung zugedeckt wird, auf welchen wieder Erde kommt. Dies Ver-
fahren ist besonders im Kura-Gebiete und Kachetien üblich. In
einigen Gegenden wird in die Gruben feine lockere Erde geschüt-
tet, wobei vor der Anpflanzung auch der Boden der Grube durch
Auflockerung und Vermischen mit passender Erde, oder durch Dün-
gung mit gut angefaultem Mist verbessert wird (Astrachan). Die
Schnittreben werden so gepflanzt, dass immer einige Augen über
der Oberfläche des Bodens bleiben (in der Krim ein Auge, in Ka-
chetien zwei, im Schemacha-Gektschaischen Gebiete 2 — 3, in Daghe-
stan 3 — 4 Augen). Bei der Anpflanzung der Schnittreben in Gniben
wie in Gräben werden dieselben einzeln oder paarweise (letzteres in
Bessarabien, Kuban, Daghestan, Schemacha), auch gruppenweise zu
3 Stück (Araxes, Schemacha- Gektschaisches Geb.) oder endlich
selbst zu 4 und niehr Stück (Donisches und Araxes Geb.) gesetzt.
Bei Anpflanzung hoher Reben zum Umranken der Bäume wer-
den die Schnittreben im Schemacha-Gektschaischen Gebiete oder
die Setzlinge im Rion-Schwarzmeer Gebiete neben den Bäumen, an
115
welchen man die Reben ziehen will, in Gruben gesetzt; dabei findet
eine unregelmässige Vertheilung der Reben in den Weingärten
statt, da die Bäume untereinander verschieden entfernt stehen. Bei
der Rebenkultur herrscht in den meisten Weingärten die regel-
mässigCi reihenweise Anpflanzung der Schnittreben und Setzlinge vor.
Nur in einigen Weinbau treibenden Gegenden werden Weingärten
angetroffen, in welchen die Reben unregelmässig angepflanzt sind.
Bei regelmässiger, reihenweiser Anpflanzung sind die Entfernungen
zwischen den Reben und den Reihen sehr verschieden, was von der
grösseren oder geringeren Fruchtbarkeit des Bodens, der Art der
Reben und deren Erziehung und einigen anderen Ursachen ab-
hängt. So beträgt:
Die Entfernung zwischen
den Reben den Reb-
stockreihen
ImBessarabischen Gebiet: Arschin. Arschin.
Weingärtenin der UmgegendvonOdessa i*/4 i*/*
Neue » » • > » Ackerman 2 — 3 2 — 3
Uebrige » » » » » » 2 — 3 bis 4
■
Im Krimschen Gebiet:
Am Südstrande des Schwarzen Meeres i ^s i Va
Im Astrachanschen Gebiet
» Kubanschen »
•■ Daghestanschen > (nördl. Daghestan)
» Kuraschen >
Im Schemacha-Gektschaischen Grebiet:
In Weingärten mit kurzen Reben i V« l V«
Die Pflege neuer Anpflanzungen besteht in den ersten Jahren in
einem sorgfaltigen Jäten des Unkrautes, dort, wo die Weingärten
berieselt werden, in reichlichem Berieseln und im Einkürzen oder
Verschneiden der Reben. In einigen Gegenden (namentlich im Ku-
ra-Gebiet) werden die jungen Reben im nächsten Frühjahr noch ge-
düngt und bedeckt und die Düngung im Monat Mai wiederholt.
Ebenso im zweiten Jahr zwei Mal in den Monaten Februar, März
und Mai. In anderen Gegenden, namentlich im Schemacha-Gek-
tschaischen Gebiete wird bei guten Winzern der Boden in den er-
sten 3 Jahren nach der Anpflanzung auf folgende Art gedüngt: im
8*
i'/a-
-1V4
3-6
•/7-
2
l'/i
-1V7
3
I '/«— 2
ii6
Frühjahr oder Sommer wird auf die Oberfläche der, um jeden Reb-
stock aufgelockerten Erde per Rebstock i */a— 2 Pud Rindermist ge-
legt und darauf wird die Stelle um den Rebstock berieselt. Einige
Winzer bearbeiten erst die Erde und berieseln dann. In einigen Ge-
genden des letztgenannten Gebietes werden im zweiten und dritten
Jahre ausser dem Jäten des Unkrautes noch die Rebstöcke behäu-
felt, wobei jedoch kein Dünger gebraucht wird. Die Rebstöcke, die
sich aus den Schnittreben gebildet haben, tragen bereits im 4. oder
5. Jahre nach der Anpflanzung Trauben, die Setzlinge und Senkre-
ben noch früher, schon im 3. und in einigen Gegenden der Krim so-
gar schon im 2. Jahre.
Bei richtiger Pflege der Weinstöcke können Weingärten sehr
lange ohne Verjüngung gute Lesen geben. Die volle Lese tritt bei
jungen Rebstöcken erst im 7., ja oft erst im 10. Jahre ein und dauert
selten länger als 30 — 35 Jahre, meistens aber 20—30 oder auch nur
15 — 18 Jahre. Uebrigens kommen auch Weingärten vor, die bei
schlechter Pflege schon nach 6 oder 7 Jahren in einen solchen Zu-
stand gerathen, dass es nöthig ist, die Rebstöcke auszuraufen, den
Weingarten neu aufzugraben und eine neue Rebenpflanzung zu
machen. Bei eintretender Verringerung der Traubenproduktion
muss zur Verjüngung geschritten werden. In vielen Gegenden des
Krim*schen, Astrachan'schen, Rion-Schwarzmecr-, Kura'schen und
Kachetinskischen Gebietes findet das Verjüngen der Weingartenan-
lagen allmälig statt, wobei schwache, ausgetrocknete, kranke und
überhaupt schadhafte Stöcke durch neue Setzlinge ersetzt werden.
In einigen Gegenden erfolgt die Verjüngung erst nach vollkom-
mener Erschöpfung der Reben, namentlich im Araxes-Gebiete, oder
es findet selbst gar keine Verjüngung der alten Rebstöcke statt und
die Rebstöcke stehen so lange, bis sie umkommen oder ausfrieren,
was namentlich im Don'schen Gebiete vorkommt. Hochgezogene
an den Bäumen sich schlingende Reben werden nicht verjüngt bis
zum 70., 100. und selbst 150. Jahre. In Bessarabien werden die
alten, beschädigten Rebstöcke bis zur Erde abgeschnitten, und aus
den Wurzeln solcher Reben, die von Zeit zu Zeit von der sich etwa
zeigenden Fäulniss und den sich anhängenden Schmarotzern gerei-
nigt werden, sprossen neue Sprösslinge, die nach Verlauf von 2 — 3
Jahren Früchte tragen. Hohe, an Bäumen gezogene Reben werden,
sobald die Gipfelzweige solcher Reben einzutrocknen beginnen und
der Traubenertrag abnimmt, was gewöhnlich schon im 15.— 18.
Jahre nach ihrer Anpflanzung der Fall ist, gegipfelt, und zwar etwas
"7
höher als die Hauptverzweigung beginnt, welche etwa 2V2 — 3 Ar-
schin über dem Erdboden ihren Anfang nimmt. Nachdem solche
hohe Bäume gegipfelt und eingekürzt sind, werden die Wurzeln der-
selben gedüngt und darauf geben sie wiederum während 10 — 12
Jahren gute Ernten ; nach Ablauf dieser Zeit wird dann wieder neuer-
dings zu eben einer solchen Gipfelung und Düngung geschritten und
auf diese Art wird so lange fortgefahren, bis die Wurzeln des Reb-
stockes ausfaulen und ihr Hauptstamm einzutrocknen beginnt und
hohl wird; erst dann wird zur Verjüngung der Rebe geschritten.
Das von den Weingärten eingenommene Areal nimmt fast mit
jedem Jahre zu; nichtsdestoweniger fand in den letzten Jahren in
einigen Gegenden des Don'schen, Tcrek'schen und Araxes-Gebietes
die Anlage neuer Weingärten nur in sehr geringen Dimensionen
statt. In den Weinbau treibenden Gegenden, in welchen der Pilz
Oidium Tuckeri verbreitet war, namentlich in der Krim und Kache-
tien begann mit der Abnahme dieser Rebenkrankheit die Ausdeh-
nung der Weingärten besonders stark zuzunehmen. So z. B, ver-
grösserte sich im Kreise Ssignach, Gebiet Kachetien, in den letzten
3 Jahren das Weingartenareal um 8 — 10 pCt. In anderen Gegen-
den wirkte die Kolonisation von, zum Weinbau geeigneter Strecken,
namentlich im Kubanischen Gebiete, auf die Vergrösserung der Zahl
der Weingärten und zugleich des Weingartenareals, Dasselbe Re-
sultat wurde durch eine Reihe anderer Ursachen herbeigeführt.
Hiei her gehören die Wiederherstellung des Friedens im Kaukasus
nach der Besiegung Schamiis, d. h« nach 1859, besonders in Bezug
auf c*as Terek- und Daghestan- Gebiet; das Verschwinden der, durch
den Rebenpilz Oidium Tuckeri verursachten Rebenkrankheit, und
die, nach und nach eintretende Sicherung beständigen Weinabsatzes.
Uebt ihaupt findet die Vergrösserung der Weingärten nur in solchen
Gegenden nichr statt, deren klimatische, wie volkswirthschaftliche
Verhältnisse dem Weinbau besonders ungünstig sind, und in wel-
chen die, vom Oidium Tuckeri der Rebe zugefügte Krankheit
herrscht, namentlich im westlichen Theile Imeritiens und in Migre-
lien im Rion-Schwarzmeergebiete.
Bei neuen Weingartenanlagen benutzt man die Schnittreben und
Setzlinge vorherrschend aus benachbarten Weingärten, dann aber
auch, wenn auch vielleicht seltener, aus entfernten bekannten Wein-
gärten des nämlichen oder eines andern Gebietes. In Bessarabien
werden die guten Reben aus der Umgegend von Ackerman, aus Ki-
schenew und aus der Krim bezogen, auf der Kumik'schen Ebene
"9
im Schemacha-Gektschaischetv Gebiete, lang aufs — ^^ ^^^ mehr
Augen ebenfalls im Bessarabischen und Krim'schen, dann aber noch
im Don'schen, Kuban'schen, Daghestan'schen, Rion-Schwarzmeer-,
Kura'schen und Kachetinskischen Gebiete geschnitten. Die Anzahl
der Triebe, die beim Schnitt zur Fruchtbildung nachbleiben, ist sehr
verschieden und hängt von der Gegend, der Rebenart, der Kraft des
Stockes und vom Wüchse der Rebe ab ; in einigen Gegenden (Krim,
im Rion-Schwarzmeer-, dem Kura'schen, Kachetinskischen, dem
Schemacha-Gektschaischen Gebiet) lässt man 2 — 3, in anderen (Bess-
arabien, im Don'schen, Astrachan'schen und Daghestan'schen Gebiet)
4 — 5, in wieder andern (ebenfalls Bassarabien und Astrachan) 6 bis
10, ja sogar auch, wie theilweise im Don'schen Gebiete, nicht weni-
ger als 16 — 20 Triebe stehen. Der Rebenschnitt zur Fruchtbildung
findet in den Weingärten, wo hohe Reben an Bäumen gezogen
werden, nicht statt. Was die Zeit dieses Schnittes anbelangt, so ist
dieselbe ebenfalls verschieden. Im Bessarabischen, Krim'schen,
Kuban'schen, Daghestan*schen, Rion-Schwarzmeer-, im Kura'schen,
Kachetinskischen, Araxes- und Schemacha-Gektschaischen Gebiete
fällt dieselbe in's Frühjahr, in einem andern Theil des Krim'schen, im
Don'schen, Astrachan'schen, Daghestan'schen, Kura'schen undTerek-
Gebiete in den Herbst. Dem schiefen Rebenschnitt wird vor dem ge-
raden der Vorzug gegeben. Der Schnitt wird mittelst eines Messers,
Dolches (Kaukasus) oder einer Sichel ausgeführt. Der Secateur
und andere vervollkommnete Instrumente werden nur in wenigen
Weingärten zum Beschneiden der Reben benutzt.
In einigen Gegenden Russlands (Daghestan etc.) sind die Reben
nicht an Pfählen befestigt und liegen ohne jegliche Stütze am Bo-
den, in anderen (Araxes-Gebiet) unterstützen sich die Rebstöcke
gegenseitig und nur unter besonders schwer mit Trauben beladenen
Zweigen werden beim Reifen der Trauben Stützen gestellt. In den
meisten Weingegenden sind jedoch die Reben an Pfählen oder
Stangen befestigt. In der Krim, Astrachan und im Rion-Schwarz-
meer-Gebiete sind Spalierreben anzutreffen, im Kura'schen Gebiete
sind hochgezogene Reben, die an Eichenpfosten befestigt werden,
welche durch Querstangen verbunden sind. Solche Pfosten mit
Querstangen sind auch im Don'schen Gebiete bei jedem Rebstock
reihenweise aufgestellt. Im Araxes-Gcbiete werden die Reben nicht
selten an Rohr befestigt, das in Form eines Dreifusses zwischen
zwei Rebstöcken aufgestellt wird. In der Krim werden in einigen
Weingärten die Reben an Querstangen gebunden, welche auf spani-
^20
sehen Reitern aus Reissig aufsitzen. Auch in der Krim und in Bess«
arabien sind anstatt der Pfähle und Stangen unter den einzelnen
Zweigen der Weinstöcke Stützen gestellt, oder die Rebstöcke wer-
den nur unterbunden. Bei hohen Reben, welche an Bäumen ge-
zogen sind, wird die junge Rebe an den Baum gebunden, den sie
umranken soll. Das Aufbinden erfolgt in einzelnen Gegenden nur
einmal, im Frühjahr, in anderen zweimal, im Frühjahr und im Som-
mer. Die Befestigung im Frühjahr wird die trockene, die im Som-
mer die grüne genannt. Auch selbst drei Mal (ein drittes Mal im
Juli oder August) werden die Reben in der Krim und in Kachetien
angebunden. Zur Anfertigung der Pfähle und Stangen und anderer
Rebenstützen benutzt man in der Regel Eichen-, Weissbuchen- und
Eschenholz, nicht selten auch Akazien, Weide, Buche, Linde, Ka-
stanie, Erle, Maulbeere, morgenländischen Ahorn, Rohr und andere
Holzarten. Als Material zur Befestigung von Reben dienen: Bast,
Stroh, Reisig, Weidenzweige, Sprösslinge von wildwachsendem
Hopfen, in Kachetien nicht selten Clematis vitalba, die Rinde junger
einjähriger Wallnussbäume, Pappeln, Maulbeerbäume, Pterocarya
caucasica, trockene Weinreben etc. Die Befestignng der Reben
mit Stricken wird nur in Bessarabien, im Astrachan^schen und Sche-
macha-Gektschaischen Gebiete, und das nur noch selten angetroffen.
Auch die Befestigung der Reben mit Draht findet nur in einzelnen
Weingärten der Krim und des Rion-Schwarzmeer-Gebietes statt.
Was die Bearbeitung der Weingärten und die Pflege der Reben
anbelangt, so gehen dieselben schon grossentheils aus den vorange-
gangenen Mittheilungen hervor. Es soll nur noch bemerkt werden,
dass die Frühjahrsarbeiten beginnen, sobald keine ernsten Fröste
mehr zu befürchten sind. Im Frühjahr, vor oder nach dem Befesti-
gen der Reben, wird der Weingartengrund umgegraben; dabei wird
im Krim'schen, Don'schen und^ Kura'schen Gebiet die ganze Ober-
fläche des Weingartens umgegraben, in den meisten übrigen Wein-
gegenden werden jedoch nur die Stellen um die Rebstöcke behäufelt.
Dort, wo im Kaukasus berieselt wird, so wie auch in der Gegend von
Astrachan, wird nicht umgegraben, eben so werden in vielen Gegen-
den des Kaukasus die Weingärten erst wieder nach Verlauf von meh-
reren Jahren mit dem Spaten bearbeitet, in Kachetien und im Kreise
Tiflis in alten überrieselten Weingärten mit schwerem lehmigen Bo-
den alle 5— 6 Jahre und in den berieselten Weingärten Kachetiens
mit leichtem Boden erst nach Verlauf von lO — ^^12 Jahren. Die Ka-
chetiner Winzer graben ihren Boden nicht gerne um, weil bei ihnen
121
die Ueberzeugung herrscht, dass je härter der Boden, je besser der
Wein sei, obgleich man wahrgenommen, dass im umgegraj}enen Bo»
den sich die Rebe eine Woche früher entwickelt. In Kachetien und
im Sehern acha-Gektschaischen Gebiete vereinigt man mit dem Um-
graben das Düngen der Reben, übrigens findet das Düngen auch im
Herbst statt, besonders im Rion-Schwarzmeer-Gebiete. Ueber das
Düngen der Weingärten wurde bereits oben gesprochen.
Im Mai und während des Sommers finden in den Weingärten fol-
gende Arbeiten statt: das Jäten des Unkrauts (häufig 2 — 3 Mal),
das Behäufeln der Reben im Astrachan'schen Gebiet, das Ausbre-
chen überflüssiger Schösslinge, das Putzen der Reben, das Gipfeln
der fruchttragenden Reben oberhalb der angesetzten Trauben, und,
wo es berieselte Weingärten gibt, das Berieseln derselben. In eini-
gen Weingegenden wird die Rebe ein oder zwei Mal während des
Sommers unterbunden und dort, wo die Rebenpflanzungen durch
den Pilz Oidium Tuckeri leiden, werden die Rebstöcke ein, zwei
und selbst drei Mal im Sommer mit Schwefelblüthe bestreut. Wäh-
rend in andern Gegenden das Reinigen, Ausputzen und Gipfeln der
Reben während des Sommers wenigstens ein Mal vorgenommen
wird, unterbleibt dasselbe in den Weingärten der Kumik'schen
Ebene im Terek-Kumik'schen Gebiete gänzlich. Was die Beriese-
lung anbelangt, so erfolgt dieselbe im Astrachan'schen 5 — 6 Mal
während des Sonmiers, mit Ausschluss des Zeitraumes während der
Blüthezeit Dagegen findet starke Bewässerung (3 — 5 Mal) während
der Reifzeit der Trauben statt, um das Volumen und Gewicht der
Trauben zu vergrössern. Während in andern Gegenden nur 3 Mal
während des Sommers berieselt wird, geschieht dies im Kura'schen
Gebiete, im Kreise Achalzych, bei jungen Rebanlagen jede Woche
einmal; ältere Weingärten werden dagegen monatlich 2 Mal berie-
selt, und diese Arbeit 8— IG Tage vor der Lese ganz eingestellt In
der Stadt Jelissawetpol beginnt man mit der Berieselung schon im
Monat April und setzt dieselbe monatlich einmal fort bis einen Mo-
nat vor der Traubenlese, Im Gouvernement Eriwan und im Araxes-
gebiet berieselt man die Weingärten während des Sommers 4 — 5
Mal mit schlammigem und dunghaltigem Wasser. Die hochgezoge-
nen Reben werden nur i— »-2 Mal berieselt. Zur künstlichen Beriese-
lung der Weingärten dienen im Astrachan'schen Gebiet Wasserhe-
bemaschinen, die den Namen Mühlen oder Tschigir führen und die
durch Wind oder Pferde in Bewegung gesetzt werden.
Das Bestreuen der Weinstöcke mit Schwefelblüthe gegen die
Verbreitung des Pilzes Oidium Tuckeri hat nur in der Krim grössere
Verbreitung gefunden, in den übrigen, von diesem Parasiten
heimgesuchten Weingegenden wird dieses Mittel von nur sehr we-
nig Winzern gebraucht. In der Krim bestreut man die Reben zwei-
oder dreimal im Sommer; das efste Mal vor der Rebenblüthe, dann
nach dem Ansetzen der Früchte und zuletzt, wenn die Reben ge-
gipfelt sind.
Die grosse Traubenlese findet im südlichen europäischen Russ.
land, in Ciskaukasien und im östlichen Theile Transkaukasiens in
den Monaten September und Oktober statt und nur im westlichen
Theile des letztgenannten Gebietes in den Monaten Oktober und
November. Die Tafeltraubensorten werden 2 — 4 Wochen früher ge-
sammelt. Im Astrachan'schen Gebiet, wo meist Tafeltraubensorten
kultivirt werden, beginnt die Lese schon in den ersten Tagen des
August und schliesst in der zweiten Hälfte des September. In vielen
Gegenden, besonders in den Weingärten der Bauern, beginnt die
Lese vor Ende oder schon vor Mitte August und nicht selten zur
Zeit, wenn die Trauben noch nicht ganz reif sind (Don'sches, Ku-
banisches, Kachetinskisches, Araxes und Schemacha-Gektschai'sches
Gebiet). Im Dezember wird überall mit der Lese geschlossen. Eine
Ausnahme bildet nur das Rion-Schwarzmeer-Gebiet, wo die letzte
Lese zu Anfang Dezember beginnt und bis zum Ende dieses Mo-
nats, selbst bis zu Anfang Januar dauert. In diesem Gebiet, wie
auch in Kachetien wurde bemerkt, dass die, bei später Lese gesam-
melten Trauben besonders gute Eigenschaften besitzen.
Bei der Traubenlese werden die Trauben von den Weinstöcken
mit Messern abgeschnitten und in Körbe, kleine Zuber, hölzerne
Schalen und in kleine Bastkörbe gelegt. Im Astrachan*schen Gebiet
werden die, zur Versendung bestimmten Tafeltrauben in 10 — 20
Pfund haltende Tönnchen pder in kleine Kisten gepackt und mit
Hirse bestreut, dann aber sofort abgeschickt. Aus den kleinen Sam-
melgefässen werden die Trauben im europäischen Russland und in
Ciskaukasien in Zuber oder Kufen, in Transkaukasien in grosse
Körbe gelegt und in solchen nach den Kellerwirthschaften ge-
schafft. In Kachetien trägt man die Trauben dahin in Körben, wel-
che 4 Pud Trauben fassen. Beim Tragen derselben auf dem Rücken
werden die Trauben gedrückt und es fliesst aus denselben unter-
wegs ein Theil des Traubenmostes aus. Die Traubenlese erfolgt in
den meisten Gebieten sehr nachlässig: die angefaulten Trauben
scheidet man selten von den guten und noch häufiger werden Trau-
12^
ben von ungleicher Reife in einem Gefässe gesammelt. Das Sortiren
der Trauben nach Sorten geschieht mit Ausnahme weniger guter
Weingärten und des Astrachan'schen Gebietes, wo die Tafeltrauben
sortirt werden, höchst selten, und selbst die rothen Sorten werden
nicht überall von den weissen geschieden.
In Russland gibt es eine grosse Masse verschiedener Rebsorten,
doch in jeder Gegend haben nur einzelne derselben eine grössere
Verbreitung. Die meisten Sorten sind einheimische oder solche, die
seit uralter Zeit eingeführt und bereits stark ausgeartet sind. Die
ausländischen Traubensorten kultivirt man in grosser Quantität und
Verschiedenheit in der Krim ; in den übrigen Gebieten trifft man
dieselben nur in guten, grossen Weingärten an. In Folgendem ge-
ben wir eine summarische Zusammenstellung der verschiedenen
Rebsorten in den verschiedenen Gebieten, unter namentlicher Be-
nennung derjenigen, welche sich durch besonders gute Eigenschaf-
ten auszeichnen:
I. Bessarabisches Gebiet
Weisse Sorten: 22 Sorten, darunter als vorzüglich: Belerd-
che (Pineau roux), Alvarna (Muscadin rose), Telticuruk
(Blanquette), Tulgumek (Gamet blanc), Alemtschach (Pineau
gris), Tchausch, Mjatka (Chasselas de Provence).
Rothe Sorten: 7 Sorten, darunter als vorzüglich: Kabassia
(Chasselas rouge), Serecsia (Malvoisie rouge) und Demerdji
sia (Bourguignon).
IL KrinCsches Gebiet
Weisse Sorten: 205 Sorten, darunter als vorzüglich: Albillo
Castillan, Blanc Sömillon, Chaouch (Gros blanc preccoc de
Moldavie), Giboulot blanc, Kischmisch rond, Madelaine
blanche, Muscet blanc de Frontignan, Muscat rond (Tokay
musque), Oporto blanc gros, Pedro Ximen^s, Riesling, San
Colombano, Tachly Myskett, Terr Gulmek.
Rothe Sorten: 195 Sorten, darunter als die vorzüglichsten:
Albourlah (Kirmisi-Misk-Isyum), Aleatico, Bastardo, Car-
menet noir, Carmenet Sauvignon, Didi Sapperavi, Franc
Pinot, Gamai gros, Noir de Gimrah, Grenache noir (Gra-
naxe), Lacrima Christi, Muscat noir hatif d'Alicante, Nerr^
de la Haute Marne, Kachetin'scher Sapperavi, Sirrah petit,
Tinta da Minha, rother Traminer, Verdot gros und Verdot
petit.
124
in. Doffsches Gebiet,
Weisse Sorten: 4 Sorten, darunter die vorzüglichsten: La-
danny und Puchljakowsky.
Rothe Sorten: 8 Sorten, darunter die vorzüglichsten:
Krassnostoppyi, Zimljanskij und Kisilewji.
IV. Astrachan* sches Gebiet.
Weisse Sorten: 5 Sorten, darunter die vorzüglichsten:
Chasselas blanc, Portohub, Kischmisch und weisser Unga-
rischer.
Rothe Sorten: 4 Sorten, darunter der vorzüglichste: ungari-
scher Schwarzer.
V. Kubanisches Gebiet.
Weisse Sorten: 8 Sorten, darunter die vorzüglichsten:
Muscat blanc Lunel und Riesling.
Rothe Sorten: 11 Sorten, davon keine besonders hervor-
zuheben.
VI. KumcCsches Gebiet, i Sorte Kosjisiskij.
VII. Terek'Kumik'sches Gebiet.
Weisse Sorten: 4 Sorten, ohne besonderen Wcrth.
Rothe Sorten: 3 Sorten, darunter als die besten: Kara
Isyum und Noir de Gimrah.
VIII. Daghestan^sches Gebiet
Weisse Sorten: 22 Sorten, darunter als die vorzüglichsten:
Ach-Isyum, Aschiltinsky, Bachan Zibil, Giljabi, Chatly,
Tschechr-Zibil, Tschirkatsky, Riesling und Traminer.
Rothe Sorten: 15 Sorten, darunter beachtenswerth: Gimrah
noir und Tschagir-Isyum.
IX. Rion-Schwarzmeer^Gebiet.
Weisse Sorten: i6Sorten, darunter als die besten: Attinury,
Kamury, Sakmela, Tetri-Kurdseni, Zolikauri und Tschitschi-
beschy.
Rothe Sorten: 26 Sorten, darunter besonders beachtens-
werth: Alexandreuly, Djany, Kweleby, Kuhatscha(Kikitschi)y
Krachuna, Lägiiury, Mtewandidy, Mtschawery, Orona, Rko,
äL
125
Rzchila, Rzschila-ubany, Sapperawi (Sapperi), Swanury,
Torokutschy, Tschawery und Schawi-Kabistoni.
X. Kurdsches Gebiet
Weisse Sorten: 30 Sorten, darunter als die besten: Aragwis-
piruy, Budeschuri (Zwei Abas Trauben), Ganacharuly, Goy-
Isyum, Goruly, Digmuri-sabatono, Katuri, Mzwani (Grün-
beeren), Rka-zitelli (Rothhölzer) und Haristwala.
Rothe Sorten: 24Sorten, darunter als die besten: Budeschur,
Gagmamchruli, Digmuri-sabatono, Karaschiiaij (Lakeni),
Peradir Sapperavi (Saperau, Färber).
XI. Kachetinskisches Gebiet
Weisse Sorten: 12 Sorten, darunter bcachtens werth : Budi-
schuri, Kischmisch, Mzwani (Mtschknara) und Rkaziteli.
Rothe Sorten: 5 Sorten, darunter zu nennen: Sapperavi und
Schaawe-Kapito.
XII, AraxeS'Gebiet
Weisse Sorten: 14 Sorte«, darunter hervorzuheben: Kisch-
misch und Kjarim-Kandi.
Rothe Sorten: 9 Sorten, davon die besten: Kischmisch und
Chardji.
XIII. Scftemacha-Gektsckaisches Gebiet
Weisse Sorten: 12 Sorten, darunter als die vorzüglichsten:
Kischmisch-Isyum. Leyli-Isyum, Machmudavi und Hungi.
Rothe Sorten : 10 Sorten, darunter als die besten: Dava-gesi,
Ketschamdjagi, Sisach, und Schirwan-schachi (Schirei).
Vergleichende Untersuchungen über die Ergiebigkeit der Reb-
sorten und über die Eigenschaften *des, aus denselben erhaltenen
Mostes sind nur in den letzten Jahren im Krim^schen Gebiete an-
gestellt worden. Diese Untersuchungen wurden im Laboratorium
der kaiserlichen Weinbauschule zu Magaratsch, vom Chemiker der-
selben, H^rrn' Salomon und dessen Schülern, den Herren Bruno,
Woinow und Knjasew ausgeführt. In folgender Tabelle sind die
Resultate der, in den Jahren 1871 — 1873 angestellten Untersuchun-
gen unter Weglassung der sich nicht auf alle drei Jahre erstrecken-
den, vorgeführt:
Aus dieser Tabelle ist u. A. zu ersehen, dass die Sorte Sapperavy,
was Ergiebigkeit und Zuckergehalt betrifft, zu den besten rothen
Sorten gezählt werden kann. Sehr verbreitet ist diese Sorte in
Kachetien, dem Rion- Schwarzmeer- und dem Kura'schen Gebiet.
Obgleich dieselbe einen bedeutenden Säuregehalt besitzt und
ein ungunstiges Verhältniss der Säure zum Zucker enthält, so
ist doch dieser Nachtheil dadurch leicht zu beseitigen, dass man
zugleich mit Sapperavy eine andere Rebsorte kultivirt, die säurearm
ist; dabei kann diese Sorte weiss oder roth sein, da der Saft von
Sapperavy eine sehr starke dunkle P'arbe besitzt. Auch verlangt
diese Rebsorte keine besonders günstigen klimatischen und Boden.
Verhältnisse. In Bezug hierauf bemerkt Hr. ZabeP, Direktor des
kaiserlichen Gartens in Nikita und der Weinbauschule in Magaratsch
in der Krim mit Recht, dass, ungeachtet aller dieser Vorzüge,
welche Sapperavy besitzt, man sich nur wundern müsse, dass diese
' Anleitnng tnm Weinbau (in Tuuischet Sprühe}.
i2y
Sorte nur eine so geringe Verbreitung sowohl in der Krim» als auch
in den anderen Weingegenden gefunden habö. Ueberhaupt bemerkt
Hr. Zabel, dass in Russland gerade den lokalen Rebsorten viel zu
wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde, und es sei daher zu wün-
schen, dass Russland in dieser Beziehung Amerika folgen möchte,
wo der Weinbau nur alsdann festen Fuss gefasst habe, als man,
nachdem man sich von der Untauglichkeit aller ausländischen Sor-
ten überzeugt habe, zur Kultur der einheimischen Sorten geschritten
sei. Ausser der Eigenschaft guten Wein und gute Tafeltrauben zu
geben, ist es von äusserster Wichtigkeit, dass die Rebsorten gut
den Krankheiten im Allgemeinen und speziell dem Pilze Oidium
Tücken widerstehen. Leider haben sich in letzter Hinsicht die
meisten der genannten Sorten nicht befriedigend bewährt. So
z. B. haben von diesem Pilz besonders stark die Sorten Bude-
schuri, Mzwani, Swanuri und Sapperavy gelitten. In Gegenden, in
welchen die Weingärten besonders stark von Oidium Tuckeri
heimgesucht wurden oder noch werden, haben solche Trauben-
sorten Verbreitung gefunden, die, trotz ihrer sonstigen vielen
schlechten Eigenschaften, befähigt sind, der genannten Krankheit
guten Widerstand zu leisten. Zu solchen Traubensorten gehört
Isabella, die gegenwärtig im Rion-Schwarzmeer-Gebiet sehr ver-
breitet ist, ungeachtet dessen, dass diese Sorte hier nur einen sehr
sauren Wein gibt und bis jetzt auch überhaupt kein gfuter Wein von
ihr erzeugt werden kann. Noch würden von den Rebsorten, die der
vom Oidium Tuckeri herrührenden Krankheit widerstehen, zu
nennen sein: Krachuna im Rion-Schwarzmeer- Gebiet, Tschinuri im
Kura'schen Gebiet und Granaxa in der Krim.
Einsortige Rebenpflanzungen werden nirgends angetroffen; in
den meisten Weingärten werden sehr verschiedenartige Sorten kul-
tivirt, die dabei meist so untereinander gemischt sind, dass es kaum
möglich ist, zu bestimmen, welche von diesen Rebsorten vorherr-
schen. Diese unliebsame Vermischung dieser letzteren findet
hauptsächlich dadurch statt, dass^ mit wenig Ausnahmen, neue
Weingartenanlagen mit solchen Schnittlingen und Setzlingen be-
pflanzt werden, die gerade aus den benachbarten Weingärten zu er-
langen sind; theils aber auch dadurch, dass, wenn ein Theil der jun-
gen Reben nicht Wurzel gefasst hat, auf den Platz derselben solche *
Setzlinge gepflanzt werden, die zur Zeit gerade vorhanden sind.
Daher werden auch nicht selten Weingärten angetroffen, in welchen
nicht einmal die' Scheidung der rothen von den weissen Sorten
128
streng durchgeführt ist. Fast nur in Kachetien und im Schemacha-
Gektschaischen Gebiete, sowie in den neuangelegten Weingärten
der Krim stehen die verschiedenen Rebsorten in einem gewissen
Verhältnisse zu einander.
Von den in Russland die Reben heimsuchenden Krankheiten ist,
nach der Grösse des von ihnen angerichteten Schadens in erster
Linie der Pilz Oidiuni Tuckeri zu nennen, der schon im Jahre 1845
in England vom Gärtner Tucker bemerkt und nach letzterem be-
nannt wurde. In Russland trat dieser Pilz zuerst im Jahre 1852 in
Bessarabien auf, verursachte aber Anfangs keinen bedeutenden
Schaden; darauf erschien er 1853 in der Krim, 1854 im Rion-
Schwarzmeer- Gebiete, 1857 im Kura'schen Gebiet und in Kachetien
und in den Sechziger Jahren endlich im Daghestan'schen und Sche-
macha-Gektschaischen Gebiete; über das Auftreten in den beiden
letztgenannten Gebieten fehlen genaue Nachweise. Bis jetzt wurde
der genannte Pilz noch in keinem Weingarten des Don^schen, Astra-
chan'schen und Kuma'schen Gebietes bemerkt, auch ist die Verbrei-
tung desselben im Bessarabischen, Kubanischen, Terek-Kumik-
schen und Schemacha-Gektschaischen Gebiete bis jetzt keine sehr
bedeutende. In allen übrigen Weingegenden hat die vom Oidium
Tuckeri kommende Krankheit eine mehr oder weniger rasche Ver-
breitung gefunden, so dass nach Verlauf einer kurzen Zeit schon
eine beträchtliche Anzahl von Weingärten dadurch gelitten haben.
Besonders stark war dies bei den Weingärten am Süd-Ufer der
Krim der Fall; hier nahm diese Krankheit erst wieder im
Jahre 1865 ab, seitdem man begann, die Reben mit Schwefel-
blüthe zu bestreuen. Im Rion-Schwarzmeer Gebiet verbreitete sich
der Pilz in den Jahren 1854 — 66 so rasch, dass im letztgenannten
Jahre bereits die meisten Weingärten dieses Gebietes von ihm her-
fallen worden waren. Besonders stark haben die hohen, an den
Bäumen gezogenen Reben davon gelitten, weil auf der Höhe von
einigen Faden den Reben gegen die AngrifTe des Pilzes kaum zu
helfen ist. Daher sind auch in vielen dieser Weingärten die hoch-
gezogenen Reben durch niedrige ersetzt worden, und wird hierzu
fast ausschliesslich die, dem Pilz widerstehende Rebe Isabella ge-
wählt. Im Kura^schen Gebiet trat die Krankheit besonders stark
im Jahre 1873 auf; in Kachetien werden seit demselben Jahre durch
sie die Weingärten fast jedes Jahr verwüstet, besonders stark war
dies aber in den Jahren 1863 — 1870 der Fall, worauf der, durch den
129
Pilz verursachte Schaden ein geringerer wurde, so dass schon in den
Jahren 1872— 1873 gute Weinlesen erzielt werden konnten.
Die charakteristischen Merkmale der vom Oidium Tuckeri der
Rebe verursachten Krankheit bestehen im Auftreten eines weissen
oder grauen Schimmels von besonders unangenehmem Geruch auf
allen grünen Theilen der Rebe. Unter dem Mikroskop gesehen
besteht dieser Schimmel aus dünnen, verflochtenen Fäden mit stel-
lenweissen Scheidewänden, dem sogenannten Mizelium. Der schäd«
liehe Einfluss des Oidium Tuckeri wird dadurch bedingt, dass die
Fäden des Mizeliums sich mit besonderen Verzweigungen an den
Zellen der Traubenhaut festsetzen und auf diese Weise denselben
die Nahrung entziehen. Dadurch wird die Traubenhaut unfähig
zu wachsen und reisst unter dem Drucke des sich entwickeln-
den Zellengewebes, das seinerseits, durch Verlust des für ihn nöthi-
gen Schutzes, eintrocknet. Wenn die Trauben bald nach ihrer
Blüthe vom Oidium Tuckeri erfasst werden, so vergrössern sie sich
nicht, werden hart, schwarz, verlieren ihren Saft und gehen zu
Grunde. Sind aber beim Auftreten der Krankheit die Trauben be-
reits gross und saftreich, so platzen sie und ihr Saft fliesst
aus. Auch die vom Schimmel ergriffenen Blätter krümmen sich,
schrumpfen zusammen, vertrocknen und fallen ab; dabei welkt die
Rinde, ähnlich wie von starker Hit^.e, schält sich und fällt stück-
weise ab.
Vom Oidium Tuckeri haben im Rion-Schwarzmeer-, imKura^schen
und Schemacha Gektschaischen Gebiete vorherrschend die weissen
Sorten gelitten, welche sich in dieser Beziehung weniger wider-»
standsfähig gezeigt haben, wie die rothen. Von Ersteren soll nur
die Sorte Tschinuri im Kura'schen Gebiete dieser Krankheit wider-
stehen. Gegen Oidium Tukeri sind viele Mittel vorgeschlagen, von
denen jedoch das Bestreuen der Rebstöcke mit Schwefelblüthen
das wirksamste ist. Leider wird das letztere fast nur in den Wein-
gärten der Krim, und in der ersten Zeit nach dem Auftreten des
Pilzes, in den Weingärten Derbents, im Daghestan'schen Gebiete an-
gewendet, in anderen Weingegenden jedoch findet es nur ausnahms-
weise statt.
Von d* übrigen Rebenkrankheiten komipen in einigen Gegen-
den vor: der Brand, die Gelbsucht, der Rost (in Bessarabien und
dem Kubanischen Gebiet, der schwarze Brand), der herzförmige Pilz
und die süsse Fäulniss im Schemacha-Gektschaischen Gebiet. Ausser-
dem leiden in vielen Gegenden die Reben während des Winters
BU88. BEYUB. BP. ZUI. o
130
durch strenge Kälte, auch werden sie nicht selten durch frühe
Herbstfröste und starke Frühjahrsfröste, sowie auch durch Dürre,
Wind, Hagel etc. geschädigt.
Im geringeren Maasse, als von den genannten Krankheiten und
ungünstigen atmosphärischen Einwirkungen, leiden die Reben von
Insekten und anderen Thieren. Von ersteren sind zu nennen: Apate
sexdentata (Krim), Coccus vitis (Bessarabien, Krim und Kache-
tien); Cryptocephalus vitis (Schemacha-Gektschaisches Gebiet), Ino
ampolophaga (Krim), Lethrus cephalotes (Bessarabien), Locusta
vividis (Kachetien), Melolontha vulgaris (Bessarabien, Don'sches
und Kuban'sches Gebiet), Phalaenoptera zebrata (Kachetien), Phyl-
loxera vastatrix (Krim, Terek-Kumik'sches und Rion-Schwarzmeer-
Gebiel), Pyralis vitis (Bessarabien, Kuban und Daghestan), Rinchites
bacchus (Bessarabien), Tinea ambiguella (Bessarabien und Astrachan-
sches Gebiet). Ausserdem verursachen verschiedene Arten von
Fliegen und Wespen und anderen Insekten noch Schaden. Von
den übrigen Thieren schädigen oft genug die Dachse, Füchse, Ha-
sen, Katzen, Hunde und besonders die Vögel, unter diesen Sper-
linge, Drosseln, Staare etc. die Weingärten. Gegen die oben ge-
nannten Insekten werden nur selten Schutzmittel gebraucht, die
Vögel und andere Thiere verscheucht man durch Schiessen, Klap-
pern etc. J. V. Bock.
(SchluBi folgt.)
AltsIftTische Krenz- nnd Bebensagen.
Die europäischen Sagen vom Kreuzbaume bilden bekanntlich
einen reich ausgebildeten Legendencyclus, dessen Sichtung neuer-
dings von verschiedenen Seiten vorgenommen worden ist. Ich
brauche nur auf Mussafia^s schönen Aufsatz (Sulla leggenda del
legno della croce), auf Schröder's Zusammenstellungen zu verwei-
sen, anderer Forschungen nicht zu gedenken. Meine eigenen Unter-
suchungen (CjiaBflHCKix CKaaaniii o CoJiOMOH'b h KuroBpacb u. s.
w.; OnuTu no HCTopia pasoHTin xpHCTiaHCKofl jiereHAu) haben
mir öfters Veranlassung gegeben, den erwähnten Cyclus zu be-
rühren und dessen Entwickelung weiter nachzuforschen, wobei mir
l_ilL_
die einschlägige, sehr ausgebildete slavische Sage zu Gute kam. EHe
folgende Skizze, die sich übrigens um nur einigen speziellen Erör-
terungen Raum zu geben in den engen Grenzen einer Episode hall,
möge zugleich auf den Gewinn hinweisen, den die europäische For-
schung auf sagwissenschaftlichem Gebiete durch Berücksichtigung
des slavischen Materials ziehen kann.
Die Sagen vom Kreuzbaume sind auf südslavischem Boden von
altersher eingebürgert, wo sie nicht nur unter Orthodoxen, sondern
auch unter den Bogomilen (wie; die südslavischen Catharer und Pa-
tarener hiessen) verbreitet waren; dem Führer der letzteren, dem
Presbyter Jeremias, wird sogar die Autorschaft einer Kreuzlegende
ausdrücklich zugeschrieben. Die Verwerfung des Kreuzzeichens und
des Crucifixes Seitens der Sektirer ist bekannt und sind wir zur
apriorischen Annahme berechtigt, dass ihre Rezension der Kreuz-
sage von der orthodoxen weit abstand, dass die handschriftlich er-
haltenen «bolgarischen Fabeleien» des Popen Jeremias ihre speziell
sektirerische Färbung eingebüsst und nur den sagenhaften Kern ge-
rettet haben müssen, soweit nämlich jene handschriftlichen Auf-
zeichnungen für einen grösseren orthodoxen Leserkreis bestimmt
waren und eine Ueberarbeituug in diesem Sinne wahrscheinlich ma-
chen. Die theilweise Herstellung der bogomiliscnen Rezension der
Kreuzlegende, die ihrerseits die Ueberarbeitung einer älteren christ-
lichen sein dürfte, bleibt der hisitorischen Induktion und dem ver-
gleichenden. Studium des ganzen einschlägigen Sagencyclus vorbe-
halten. Eine derartige Herstellung ist nun in dem folgenden Umriss
beiläufig versucht worden.
I.
Der Aufschwung des russischen volksthümlichen Religionismus
im XVII. Jahrhunderte, der im Sektirerwesen seinen lebendigen
Ausdruck fand, musste auf literarischem Gebiete die alte Vorliebe
Tür die Legenden, apokryphen Erzählungen und apokalyptischen
Visionen beleben und zu neuer geistigen Produktion in dieser Rich-
tung anspornen.
Die hiermit erwachte Produktivität war in verschiedener Weise
durch das bereits vorhandene Material bestimmt: es entstanden ei-
nerseits neue Erzählungen legendarisch-didaktischen Inhalts, die,
den Stil und die Tendenz der alten religiösen und apokryphen
Dichtung nachahmend, übrigens auf selbstständiges SchafTen hinzu-
9*
132
weisen scheinen (so namentlich die Legende von der Herkunft des
Tabaks); oder es wurden auch alte apokryphe Stofic weiter ent-
wickelt und das selbstständige Schaffen auf eine, bestimmten Zwecken
angepasstc Umwandlung von bekannten christlichen Fabeln und Vor-
stellungen reduzirt. Zu dieser letzten Kategorie gehört die altrussische
^.^-^egende vom Ursprung des Weines.
Ihre Richtung ist eine didaktische, ihr praktischer Zweck — vom
übermässigen Trinken abzumahnen. Dass die alten Russen starke
'^ Zecher waren, ist durch die bekannte Stelle der Chronik verbürgt,
wo Fürst Wladimir seinen Landsleuten «die Freude an Trinkgela-
gen» nachrühmt; sie erklingt noch in deren epischen Liedern, die häu-
fig mit der Beschreibung eines Gastmahls anheben, wo die Recken
sich satt trinken und dann die üblichen "Prahlereien unter sich be-
ginnen. Dies führte zu Exzessen und zu wiederholten Ermahnungen
Seitens der Kirche ' und der kirchlich gesinnten Männer. Wie der
heil. Theodosius und der Mönch Jakob im XI. Jahrhundert, so ei-
fert noch im XVI. die russische Haushaltungsregel (/loMOCTpofl)*
gegen die Trinksucht, gegen das «sich zu Tode trinken^, was der
Kroate Krizanic an den Russen des XVII. Jahrh. beklagt. In altrus-
sischen Handschriften findet man hin und wieder eine «Rede des
heiligen Basilius, wie man sich der Trunksucht enthalten solle» —
augenscheinlich das Erzeugniss eines kirchlichen Eiferers, der unter
dem Namen des bekannten Heiligen eine grössere Wirkung zu er-
streben suchte. Und er hat das zum Theil erreicht, denn die religiö-
sen Lieder des russischen Volkes wissen von einem Trunkenbolde
zu singen, der durch Fürbitte der heil. Jungfrau die Kraft gewinnt,
seinem losen Treiben zu entsagen — und dieser bekehrte Sünder
heisst noch — Basilius.
Die Legende vom Ursprung des Weins gehört in die Reihe sol-
cher schulmässig-populären Erzeugnisse, und es ist nun unsere Auf-
gabe deren Quellen, so weit es sich thun lässt, nachzuforschen.
Der Baum «der Erkenntniss des Guten und Bösen», von dessen
Frucht Adam genossen, war, nach der Lehre einiger Talmudisten,
der Weinstock. Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, in wie
weit diese Identifizirung in die christliche Symbolik eingedrungen
ist; um nur bei einem russischen Belege stehen zu bleiben, verweise
ich auf das Miniaturbild einer Uebersctzung des Cosmas Indikopleu-
stcs (Hs. vom J. 1 542), wo Adam und Eva an den Seiten eines Re-
* Vgl. .Russ. Revue» Hand IV, S 1 u. (l.
133
benstocks dargestellt sind, während eine Schlange sich um densel-
ben windet* Bei den Bogomilen wird diese Vorstellung um so eher
Fuss gefasst haben, als ja nach ihrer Meinung der Ursprung des
Weins ein dämonischer war. «Sie lehren», heisst es in einer Hand-
schrift, die dem verstorbenen Prof. Grigorovic angehört hatte, «sie
lehren, dass man weder Fleisch essen, noch Wein trinken solle ....
weil der Wein und das Weib vom Teufel seien*». Wirklich er-
scheint in einem, von bogomilischen Legenden überfüllten Schrift-
stück, der sogenannten «Rolle der heiligen Bücher» (oder Schrif.
ten)', der Baum der Erkenntniss — als Weinstock: ^und Er (der
Herr) verbot ihnen (Adam und Eva) von der Frucht des Wein-
stockes zu kosten»; auch die «Epistel des Mönches Athanasius, zu
Jerusalem an Panko : vom Baume der Erkenntniss des Guten und
Bösen> zeigt diese Vorstellung als eine unter den Bogomilen ver-
breitete. Athanasius wirft dem Panko seine Vorliebe für die bogomili-
schen Legenden vor: «Man berichtet uns von dir, dass du Viele
über den Baum der Erkenntniss des Guten und Bösen belehrst, von
dem zu kosten Gott Adam verboten hatte, und dass du sagst, es sei
jener Baum der Weinstock gewesen. Höre was die Schrift von Eva
sagt: Und das Weib schauete an, dass von dem Baum gut zu essen
wäre und lieblich anzusehen. Was ist aber des Weinstocks Lieblich,
keit»? Dieser falschen Auslegung setzt Athanasius eine andere, aber
auch nur als eine plausiblere, entgegen^ die des heiligen Athana-
sius: dass nämlich der Baum der Erkenntniss ein Feigenbaum gewe-
sen, wesswegen er auch von Christus verflucht ward*. Also wieder
eine Meinung, die in jener einiger Talmudisten ihr Gegenstück fin-
det, welche in dem Baum der Erkenntniss den Feigenbaum sahen,
weil ja die Erzeitern, nachdem sie von der verbotenen Frucht ge-
nossen, aus Feigenblättern sich ihre Kleider zusammengeflochten
haben.
Die bogomilische Auffassung der Rebe, als einer dem Teufel ge-
* BycjiaeB-b, OnepKM I. p. 617.
* Jagic, Opisi i izvodi iz nckoliko juznoslovinskih rukopisa T, 81 (aus den Sta-
rine V).
' Vgl. BycJiacBi», OnepKH I, 615 — 618; II^anoBi», HcTop onepKu HapoA"aro Mipoco-
lepiiaHi« H cyes-fepifl, I, 91; FlMnuH-b, JIoxhmx h orpeneHHUii ehhih pyccKoft CTa-
pHHU OÖ-baciieHia m, oaM. ApeBHCtt pyccK ;imt. (PyccKoe Cjiobo, 1862, J* 2, 2. Arti-
kel, p 5a 56); nbinMH-fc H CnacoBiiH-b, Oöaop-h «ct. caslb JiHTepaxypT., p. 70 72;
OoHcaHie KHun» h pyKoaucefi h t. 4. E B Bapcoaa, crp. 22: Cüobo o aaMaxia Hcöa «
seM/in.
* najfSTHHiTR crap. pyccr. jiht. III, 84; Jagic 1. c 81.
it
U4
hörigen Pflanze, findet sich in einer kleinen apokryphen Schrift, wel-
che in einer slavischen Handschrift den Titel: «Vision des Baruch»
führt und deren, Schluss (göttliche Segnung der Rebe) eine spätere
Milderung erfahren zu haben scheint. Sie erzählt folgendes: Als der
Herr seinen Engeln anbefahl, den Garten in Eden zu pflanzen,
pflanzte auch Satanael die Rebe. Von ihrer Frucht hat nun Adam
(gegen Gottes Verbot) gekostet und wurde mit ihr zusammen ver-
urtheilt. Während der Sündfluth ward sie von den Fluthcn aus dem
Paradies getragen und von Noah mit Gottes Segen von neuem ge-
pflanzt. So ist der Fluch von ihr genommen worden, aber das alte
Uebel haftet noch daran, weil Jeder, der ohne Maass vom Weine
trinkt, in mannigfache Sünde geräth^ Es erscheint demnach die
Rebe als eine Pflanzung Satanacls und zugleich als der Baum der
Erkenntniss; es wäre interessant, in Hinsicht auf die später mitzu-
theilenden Kreuzlcgenden, dieselbe als Kreuzbaum figuriren zu se-
hen. Nun erzählt der russische Erzbischof Antonius (XII. Jahrh.) in
seinem Reiseberichte, dass er in Konstantinopel, in der Kirche des
heil. Michael, ein Crucifix gesehen habe, welches aus dem von Noah
gepflanzten Weinstock gefertigt war. Ob dies^, freilich ungenü-
gende Kunde auf eine muthmaassliche Rezension der Kreuzlegende
führen kann, die wir die bogomilische nennen dürften (Rebe: satani-
sche Pflanzung; Baum der Erkenntniss: Kreuzbaum) — das ist
eine Frage, die aus dem vergleichenden Studium der slavischen
Kreuzsagen zu beantworten ist, welche bekanntlich einige bogomili-
sche Episoden aufgenommen haben.
Die slavischen Apokryphen vom Kreuzbaume^ erzählen dessen
Geschichte in folgenden allgemeinen Umrissen: Als Gott der Herr
den Paradiesgarten pflanzte, war kein Engel dabei ausser Satanael,
der von allen Bäumen, die der Herr pflanzen hicss, Samen entwen-
dete und dieselben in der Mitte des Gartens ausstreute. «Da sprach
der Herr: Hier werde Ich sein und Mein Leib, und dies wird dir zun>
Banne sein. Da ging Satanael hinaus und sagte dem Herrn: Segne,
was wir gepflanzt haben. Und es sprach der Herr: Hier bin Ich in
der Mitte des Paradieses. Als dann Satan.iel wieder hineinf]^in<^, um
sich den von ihm gepflanzten Baum anzusehen, wurde er schwarz
und der Baum bannte ihn aus dem Garten*. — Der Paradiesbaum
wächst in drei Stämmen empor: der eine Stamm ist der des Herrn,
• OnMC. pyKonuceli Ciiii. 6u6ji. otj. II, ?i 330.
• THXOHpaBOB-h, riasi. oxpcM. pyccK. nin, I. 305 — 313; Jagic, Prilo/i k. Ilist. kn.
Dar. hrvat. i srbsk. p 28 — 34,
«3S
der zweite Adam's, der dritte Eva's. Nachdem die Erzeitern sich ver-.
sündigt hatten, Wieb der erstere Stamm im Paradiesgarten, der.
Theil Adam's fiel in den Tigris, den Stamm Eva's schwemmten aus
Eden die Wässer der Sündfluth — wie in der Vision Baruch^s ein
Gleiches von SatanaePs Weinstock erzählt wird. Ist vielleicht der
Weinstock der Stamm Eva's, die von dessen verbotener Frucht ge-
kostet hatte, und hätten wir diese Fassung auf die, dem Popen Jere-
mias zugeschriebene Rezension der Kreuzlegende zurückzuführen,
im Einklänge mit der bogomilischen Lehre: dass Weib und Wein
vom Teufel seien?
Die weitere Vergleichung der slavischen und europäischen
Kreuzlegenden in ihren verschiedenen Redaktionen dürfte auf diese
Frage einiges Licht werfen. Hier nur einige Andeutungen. Die sla-
vischen apokryphen Kreuzsagen' schliessen an jeden der drei
Stämme oder Theile des Paradiesbaumes eine eigene Geschichte
an. Die Stämme Adam's und Eva's wachsen zu Bäumen empor, die
später zur Kreuzigung des frommen und des ungetreuen Räubers
dienen; nur der Stamm des Herrn erscheint im eigentlichen Sinne
als Erlösungs- und Kreuzbaum, auf dem Christus gekreuzigt ward:
ein Zweig davon wird vom Erzengel dem Seth eingehändigt und
daraus dem todtkranken Adam ein Kranz ums Haupt gewunden, mit
dem er auch begraben wird\ Daraus wuchs ein hoher, stattlicher
Baum empor, dreifach (in drei Stämme gespalten) und zugleich
eins: ein durchsichtiges Symbol der einen und ungetheilten Dreiei-
nigkeit: die Dreihcit war durch die drei Arten Bäume versinnlicht,
in denen occidentalische und einige slavische Kreuzsagen die Cy-
presse, die Ceder und die F'ichte (oder auch die Olive, die Palme u.
s. w.) erblicken; die Einheit durch das wunderbare Zusammenwach-
sen der Bäume, von dem europäische sowohl, wie slavische Legenden
zu erzählen wissen. So z. B. eine slavische, wo Fichte, Ceder und
Cypresse, in der Entfernung einer Elle von einander gepflanzt, sich
wunderbar vereinigen*.
Eine andere Fassung der Sage lässt wieder den Erlösungs- und
Kreuzbaum aus dem Adamstheile des Paradiesbaumes emporwach^
* Vgl. TuxoHpaBOH-b und Jngic 1. c.
* Man vgl dieselbe Erzählung in den altUavischen Ueberarbeitungen der Apokalyp-
sis Mosis die unter den Titeln: rRede von Adam* oder «Eva's BekenntnisS' in den
Handschriften erscheinen.
' Jagic, Opisi 1 c. p. 83, Anm. wo auf OnacaHie pm. Cbh. 6u6ä, H 318, ota II,
3, 594 verwiesen wird. Vgl. Mussafia, Sulla leggenda del legno della croce p 177
sen. Die oben angeführten slavischen Apokryphen erzählen von
dem Stamme Adam's Folgendes: Seth will seines Vaters Andenken
feierlich begehen; ein Engel zeigt ihm den, in den Tigris gerathencn
Theif des Paradiesbaumes (d. h. den Antheil Adam's), und Seth ver-
brennt ihn bei der Todtenfeier. Später, als Loth sich vergangen hatte
und nun Abraham aufsucht mit der Bitte, er möge ihm eine Busse
auferlegen, ist Abraham ob seiner Sünde ganz entsetzt und legt
ihm eine schwere Aufgabe auf: er solle zum Tigris gehen und einen
Feuerbrand (von Seth's Feuerstätte) holen. Es war aber ein lebens-
gefährlicher Gang, weil wilde Thiere die Feuerstätte hüteten. Loth
findet dieselben jedoch eingeschlafen und bringt den Feuerbrand.
Da wunderte sich Abraham und gab Loth eine andere schwierige
Aufgabe: er soll jenen Feuerbrand auf einem Berge pflanzen und .
regelmässig mit Wasser, welches sehr weit entfernt war, begiessen.
Wird der Feuerbrand sprossen, so wird die Sünde dir vergeben,
sagt er zu ihat; und das Wunder geschieht wirklich, der Feuerbrand
aber ward zu einem stattlichen Baume. — Diese Erzählung wird in
einer Legende vom Erlösungsbaume, die in altrussischen Hand-
schriften unter dem Namen des Severianus von Gabala vorkommt,
an den Erlösungsbaum angeknüpft und mit einigen Varianten wie
dergegeben, die ich hier anmerke: Abraham heisst drei Feuer-
brande holen, die er in einem Dreieck pflanzt, so dass der eine vom
andern eine Klafter entfernt ist. Sie keimen und wachsen in der
Mitte zusammen, und es war ein Wunder anzusehen, dass Wurzel
und Wipfel dreifach, der mittlere Theil aber eins war. Am Holze
dieses Baumes wurde in der Folgezeit Christus gekreuzigt'.
Endlich war noch eineRezension derSage verbreitet, die den Kreuz-
baum alsaus jenem Stamme des Paradiesbaumes entsprossen darstellte,
der sonst den slavischen Apokryphen als Eva's Theil bekannt ist. So
war vielleicht die bogomilische Rezension gestaltet. In den mehrfach
genannten slavischen Apokryphen* wird von Eva's Theil erzählt,
dass er von der Sündfluth fortgeschwemmt wurde, bis er bei Mara's
bittern Gewässern stehen blieb. Als Moses mit seinem Volke gen
Mara kam, fand er den Baumstamm, den Gipfel nach unten gekehrt,
liegen, und pflanzte ihn nach des Engels Gehciss «kreuzweise» in
die bittern Gewässer, die sogleich süss wurden. Der Stamm aber
wurde zu einem hohen Baume. — Diese Erzählung von dem, Eva
* Vgl. riaM. crap. pyccK. ümt. III, p. 82 — 3; IIop^tipbeBit, AnoKpii«. CKasaiii« no
pyicooMCSHi» coJioBeiuon ÖHöiiioTcicii, p. loi — 103.
' V{;L THXOHpaROH-h, Ja^pc. 1. c.
vorstellenden Theile des Paradiesbaumes bildet den Eingang zu
einer Kompilation von bogomilischen Apokryphen, welche^ nach
meiner Meinung, von einer orthodoxen Hand zusammengestellt und
redigirt worden ist' «Da führte Moses die Söhne Israels vom
Rothcn Meer, und als sie gen Mara kamen, da konnten sie von dessen
Wasser nicht trinken, weil es sehr bitter war». Da zeigte ihm der
Engel Zweige (oder Stämme?) *von den drei Bäumen, der Ceder,
der Cypresse und der Fichte. Und es that Moses, wie ihm der
Engel anbefohlen, und nahm die drei Bäume und wand sie zusammen
und pflanzte sie an der Quelle jener Gewässer, und sprach: Dies ist
das Bild der heiligen Dreieinigkeit^ dies wird der Erlösungsbaum,
der Lebensbaum sein, auf diesen Baum wird der Heilige, Wahrhaf-
tige von der Hand der, ihrer Erlösung Harrenden emporgehoben
werden, und die jüdischen Aeltesten, die Priester und die Vorsteher
des Volkes werden I/in verurtheilen. Der die ganze Welt, Todte
und Lebende richten wird. Diese Worte hat Moses von Christo
prophezeit».
Diese Zusammenstellungen legen mir die Vermuthung nahe, dass
in der bogomilischen Rezension der Kreuzlegende der Kreuzbaum
als derjenige erschien, an dem sich Eva versündigt hatte, als der
«TheilEva's» der bekannten slavischen Kreuzsagen, welche manchen
bogomilischen Zug bewahrt haben, freilich gemildert, aber dennoch
mit der christlichen Auffassung der Bibel schwer vereinbar. So
stimmt z. B. die Sage von der Pflanzung des Paradiesbaumes durch
Satanael zu dem Hass, den die Bogomilen gegen das Crucifix, den
Kreuzbaum, nährten, der nach ihrer Lehre von den Dämonen erson-
nen worden sei, um dem Tode des Erlösers zu dienen.- Dieser
Baum sei der Wcinstock gewesen: vom Teufel sind der Wein
(d* h. die Weinrebe, der Weinstock) und das Weib, lehrten die Bo-
gomilen; in Uebereinstimmung damit wird in der Vision des Baruch
erzählt, dass Satanael den Kebstock im Paradiesgarten gepflanzt,
welcher später von der Sündfluth weggeschw^emmt wird, wie solches
andere Legenden vom «Theil Eva's» behaupten, d, h. wohl von dem
Kreuzbaum nach der Vorstellung der Bogomilen. Wenn letztere
zu ihren Zwecken ältere christliche Apokryphen ausgebeutet haben
mögen, so weist andererseits die oben angeführte Kompilation
aus bogomilischen Sagen — Spuren einer orthodoxen Ueberliefcrung
• S. Jagic, Opisi 1. c. p. 83— 95; A. IIonoBi»* Ilepnoe npH6aB;ieiiic n» oniicnHifO
pyKon»iccü H KaTajiory KHun. uepxoHHott ncnaTM A. M. X.iyAOHa. crp. 31 — 44.
' Racki, Bogomili i patareni, p. 195 — 196.
..^
t38
oder Ueberarbeitung auf. Das Trinitäts«?ymbol, wie es in der Sage von
den drei Bäumen ausgeführt ist, die entweder zusammenwachsen,
oder aus dem Kranze Adam's (oder, wie in einigen occidentalischen
Legenden, aus dessen Schädel, aus den Samen des Paradiesbaumes,
die Seth geholt haben soll) entspriessen, dürfte wohl kaum ein
bogomilisches sein. Ob wir nech der bogomilischen Auffassung
des- Symbols auf die Spur kommen können?
Erinnern wir uns an jene Episode der slavischen Apokryphen,
wo Satana^l dargestellt wird, wie er von allen Samen des Herrn
stiehlt und dieselben in Edens Mitte säet, wie er dann später hinein-
geht, um den Baum zu sehen, den er gesät hatte. Dieser Baum,
den wir bereits als den Erlösungs- und Kreuzbaum kennen, ent-
sprie.sst also lius vielerlei Samen, wie es noch in einer, in AltRuss-
land populären Streitschrift gegen die Lateinische Kirche, cder
Unterredung des Panagioten mit dem Azymiten», von dem Paradies-
baum heisst, dass er von allen Bäumen und Früchten in sich aufge-
nommen habe. Ob die bogomilische Rezension der Kreuzlegendc
diese Symbolik ausgebeutet hatte, ist schwer zu sagen und kön-
nen darüber nur Vermuthungen aufgestellt werden. Wie die bogo-
milische Vorstellung vom Paradiesbaume als Weinstock sich im Tal-
mud wiederfindet, so bietet die Symbolik einer anderen talmudischen
Erzählung eine Parallele zum Bilde eines, aus vielerlei Samen ent-
sprossenen Paradiesbaumes, wiederum in Verbindung mit Satan
und dem Weinstock. Als Noah die Rebe pflanzte, gesellte sich
Satan zu ihm, indem er bei der Rebe ein Schaf, einen Löwen, einen
Aflfen und ein Schwein schlachtete. Daher die verschiedenen Wir-
kungen des Weins: trinkt einer davon ein wenig, so wird er wie ein
Schaf; trinkt er mehr, so wird er zu einem Löwen und bei weiterem
Trinken zu einem hüpfenden Affen und einem schmutzigen Schwein. '
Diese Erzählung, die in die Gesta Romanorum (c. 1 59) und in an-
dere mittelalterliche Sammelwerke überging', ist, vielleicht durch
Vermittlung einer muhammedanischen Quelle, zu den Tataren
von Nishnij-Nowgorod gedrungen, wo sie in veränderter Gestalt er-
scheint, da der Wein augenscheinlich dem Branntwein gewichen ist.
Als der Teufel mit der Zubereitung des Weins beschäftigt war,
mischte er Anfangs Fuchsblut, dann Wolfs- und endlich Schweins-
blut hinein. Trinkt davon Jemand, so wird seine Stimme eine sanfte,
seine Augen ölig und schmeichlerisch, wie die des Fuchses; ein wie-
< Fabricil, Cod. pnaiclcpigr. Vet. Test. p. 275 Note.
' Oesterley, Gesta Horaanonim, Note zu }k 159,
isd
derholter Trunk bekehrt ihn zu grausamen Wolfssitten, weiter aber
wälzt er sich im Kothe, wie ein Eber^ Am schönsten ist diese Sage
in einem böotischen Märchen verarbeitet, wo die talmudische Fabel
um den jugendlichen Dionysos spielt'. Als Dionysos noch klein
war, machte er eine Reise durch Hellas, um nach Naxia zu gehen;
da aber der Weg sehr lang war, ermüdete er und setzte sich auf ei-
nen Stein, um auszuruhen. Da sah er zu seinen Füssen ein Pflanz«
chen aus dem Boden spriessen, welches er so schön fand, dass er
sogleich den Entschluss fasste, es mitzunehmen und zu pflanzen. Er
hob das Pflänzchen auf und trug es mit sich fort; da aber die Sonne
eben sehr heiss schien, fürchtete er, dass es verdorren werde, bevor
er nach Naxia komme. Da fand er ein Vogelbein, steckte das
Pflänzchen in dasselbe und ging weiter. Allein in seiner gesegneten
Hand wuchs das Pflänzchen so rasch, dass es bald unten und oben
aus dem Knochen herausragte. Da fürchtete er wieder, dass es ver-
dorren werde und dachte auf Abhülfe. Da fand er ein Löwenbein,
das war dicker als das Vogelbein, und er steckte das Vogelbein mit
dem Pflänzchen in das Löwenbein. Aber bald wuchs das Pflänzchen
auch aus dem Löwenbein. Da fand er ein Eselsbein; das war noch
dicker, als das Löwenbein, und er steckte das Pflänzchen mit dem
Vogel- und Löwenbein in das Eselsbein, und so kam er auf Naxia
an. Als er nun das Pflänzchen pflanzen wollte, fand er, dass sich die
Wurzeln um das Vogelbein, um das Löwenbein und um das Esels-
bein fest geschlungen halten; da er es also nicht herausnehmen
konnte, ohne die Wurzeln zu beschädigen, pflanzte er es ein, wie es
eben war, und schnell wuchs die Pflanze empor, und trug zu seiner
Freude die schönsten Trauben, aus welchen er sogleich den ersten
Wein bereitete und den Menschen zu trinken gab. Aber welch'
Wunder sah er nun ! Als die Menschen davon tranken, sangen sie
anfangs wie die Vögelchen; wenn sie mehr davon tranken, wurden
sie stark wie Löwen, und wenn sie noch mehr tranken, wurden sie
wie die Esel.
II.
Die vorhergehende Umschau auf dem Gebiete apokrypher Sagen
und volksthümlicher Märchen hat uns den Vorstellungskreis aufge-
^deckt, in welchem die altrussische/Legende vom Ursprung des Weins
. — • I
* AeaHacteB-b, llap. pyccK. Jier. S. i8^^3.
' Hahn, Griechische und Albanesische» Märchen. I. J\e 76..
140
ihre Wurzeln geschlagen hat. Es erübrigt uns nun noch, ihre eigene
Vorgeschichte zu besprechen. Wie in der Vision des Baruch die Ge-
schichte der Rebe von ihrer Pflanzung durch Satanael und von Eva's
Versündigung bis Noah fortgeführt wird (dass der Segen Gottes
kaum in die ursprüngliche Fassung der Sage gehört, ist bereits
bemerkt worden), und die talmudische Legende Noah und die Rebe
mit Sataii zusammen nennt — so auch in einer eigenartigen legen-
darischen Episode, welche in die spätrussische Redaktion der Reve-
lationen des sogenannten Methodius Eingang gefunden hat^ Als
Noah, nach des Herrn Geheiss, die Arche auf dem aravitischen (d.
h. arabischen •= Ararat) Berge heimlich zu bauen angefangen, ver-
sucht der Teufel, der das Menschengeschlecht von ewig her hasst,
Noah's Frau. Frage deinen Mann, wohin er zu gehen pflegt, sagt
er ihr. Mein Mann ist zurückhaltend, antwortet sie, und u ird mir
es nicht gestehen. Da räth ihr der Böse: Es gibt eine Pflanze, die
über dem Flusse wächst und sich um einen Baum rankt; nimm
von deren Blüthen und säure sie mit Mehl ein, und gib ihm davon
zu trinken — so wird er dir Alles sagen, was du willst ! Die Frau
that, wie ihr gerathen war. Als Noah, von der Arbeit heimkehrend,
zu trinken verlangt, reicht sie ihm jenen Trank; dieser mundete
ihm so sehr, dass er zum zweiten und zum dritten Male darnach ver-
langte. Dann sprach er: Dies ist der zänkische Hopfen, dem Weisen
zu Liebe, dem Narren zum Streit und zur Knechtschaft. Und er er-
zählte seiner Frau, was diese, vom Teufel verführt, von ihm erfah-
ren wollte. Als er sich am folgenden Tage zur Arche begibt, um
sich die Arbeit anzusehen, findet er sie zerstört, zur Strafe, dass er
sich an Gottes Verbot vergangen und seiner Frau sein Thun nicht
verheimlicht hatte.
Diese Legende hat in Russland eine gewisse Verbreitung gefun-
den und ist verschieden variirt worden. Wenn ich von diesen Varia
«
tionen die jüngste und volksthümliche zuerst hervorhebe, so ge-
schieht es wegen der eigenthümlichen Namenvermischung, welche
sie bietet und welche auf die genealogischen Verhältnisse des ganzen
Sagenkreises einiges Licht wirft Wir sahen, wie die Geschichte des
Kreuzbaums- Weinstocks an Adam und Eva anknüpfte und weiter bis
Noah fortgeführt war. In einer volksthümlichen russischen Legende*
finden sich beide Episoden in folgender Weise vermengt: Gott schafft
' TBXOHpaBOVb, naM. oTpen. pyccc. jiht. II, S. 249- 250; id. JIliTunucii pyccRoU
jiMT. M ApeiH. T. I, 1859, MaTepbfjihi, S. 158 - 160.
' AoaNacbf^r, Hap. pyccr, Jier. J^ 48; cf. ib. S. 49-— 50.
Hl
«Noah den Gerechten», damit die<jerechtigkeit in die Welt ein-
ziehe; dann schafft er aus seiner Rippe — Eva; darauf folgt die
Erzählung von ihrer Versündigung, so dass Noah die Rolle Adam's
spielt, und weiter erscheint dann die oben mitgetheilte Sage vom
Hopfen.
Letztere hat bereits früher in die russische Bilderbibel Eingang
gefunden und auch zu einer eigenen Erzählung den Stoff geliefert,
die wir oben allgemein als «die Sage vom Ursprung des Weins* be-
zeichnet haben. Der eigentliche Titel ist aber ein anderer: «Geschichte
^^^xArom hochweisen Hopfen», da in den spätrussischen Fassungen
der Hopfen und der Branntwein an die Stelle der Rebe und des
Weins getreten sind. Jene Geschichte erzählt nun von einem
Manne, der sich unaufhaltsam dem Trünke ergeben hatte und
so weit kam, dass er die Kirche vernachlässigte, die Gesell*
Schaft vernünftiger Menschen mied, endlich des Verstandes verlu-
stig ging und in blinde Wuth verfiel. Als er später zur Besinnung kam
und mit Gottes Hülfe den Weg des Heils aufsuchte, befreite er
sich von der Trunksucht durch Enthaltsamkeit. Er fangt den «unge-
stümen» Hopfen, bindet ihm mit starken Fesseln Hände und Füsse
und befragt ihn über sein Geschlecht, seine Herkunft und seine
rühmlichen Thaten. Und es antwortete der hochweise Hopfen: Ich
bin von hohem und ruhmwürdigem Geschlechte, bin mächtig und
reich; meine Füsse sind zwar dünn, aber meine Arme umfassen die
ganze Erde. Dies sind aber meine früheren rühmhchen Thaten. Hier
findet sich die Geschichte von Noah und der Arche eingestreut, die der
Hopfen erzählt, um sich weiterhin mit seiner Kraft und Gewalt über
den Menschen zu brüsten. «Will Jemand meiner theilhaftig werden
und trinkt er eine kleine Schale, so gereicht sie ihm zur Gesundheit,
die zweite zur Fröhlichkeit, die dritte zum Labsal, die vierte aber
zur Trunkenheit» u. s. w. Die «Rede von der Trunkenheit», die sich
in einer Handschrift des gnomischen, die «Biene» betitelten Sam-
melwerkes erhalten hat, zählt der Schalen sieben, und zwar führt
die fünfte — zur Trunkenheit, die sechste in des Teufels Bande,
die letzte aber zu bitterm Todt. Dies erinnert einerseits an die Er-
mahnungen eines russischen Bischofs des XV. Jahrhunderts (Mat-
thäus von Sarai), dass man einem Klosterbruder oder Kirchendie-
ner, die man bewirthet, nicht mehr als drei Schalen vorschlagen
möge — andererseits aber an die verschiedenen Eigenschaften dec
Weins, wie sie in der talmudischen und tatarischen Legende und im
griechischen Märchen symbolisch dargestellt sind. — Die Ge-
142
schichte vom hochweisen Hopfen isl hiermit zu Ende: nachdem der
bekehrte Sünder vom gefangenen Unholde erfahren, wie er sein
Gebiechen los werden könne, lässt er ihn laufen: er möge zu sei-
nem Herrn gehen, dem über die Trunkenheit gesetzten Teufel'.
Eine weitere Entwicklung dieser Sage auf volksthümlichem Bo-
den und mit späterer Vertretung des Hopfens durch den Brannt-
wein bietet die folgende Erzählung, die sich handschriftlich findet
und in den heutigen Volksschwänken mehrfach überarbeitet er-
scheint. Die Anknüpfung an die Legende von Noah ist eine ganz
lose. Es wird erzählt, dass auf den arabischen Bergen (Ararat) bis in
die späte Zeit hinein sich jenes Kraut erhalten hat, woraus der be-
rauschende Trank für Noah bereitet worden ist; der neidische Teufel
lehrt nun auch die von ihm verführten Menschen Branntwein zu bren-
nen. Nachdem beide sich einen schicklichen Ort an den Quellen eines
Flusses gewählt hatten, lief der Teufel nach den Burgen und holte das
besagte Kraut, d. h. den Hopfen. «Dann wurden die Kolben bereitet
und mit Maisch angefüllt, darüber Töpfe umgeworfen und mit Teig
verkittet; von jenen Töpfen gingen aber Röhren, welche durch
Kufen liefen, die mit Wasser angefüllt waren. Als dann unter den
Kolben Feuer angezündet war, da ging das giftige Getränk durch
die, in die Kufen eingelegten Röhren heraus». Da verschwand der
Teufel; der Mann aber begab sich nach der nächsten Stadt, wo er
den König und die Leute verführte; von daher verbreitete sich jenes
giftige Getränk, welches man heute Branntwein nennt, nach allen Län-
dern und Städten, nach Konstantinopel und Lithauen und zu den
Deutschen und zuletzt in das heilige russische Land^
Es ist interessant zu sehen, wie sich das Volk diese salbungsvolle
rigöristische Legende zu eigen gemacht hat. In Weiss-Russland ist sie
folgendermaassen umgestaltet worden. Eswar einmal ein armer Bauer;
eines Tages, als er auf seinen Acker ausgefahren war und sein letztes
Stück Brot mitgenommen hatte, wurde ihm dasselbe, während er
emsig mit Pflügen beschäftigt war, von einem Teufel entwen-
det. Als der Bauer nach dem Brote greifen wollte, war es bereits
fort. Es ist doch wunderlich, sagte er zu sich : Niemand ist da ge-
wesen und doch finde ich mein Brot nicht. Nun, so mag es dem
' Vgl. Hycjiaeirw, Osepicu I, S. 563 577, und 561 ; JI-kTonncM pyccK. ;iht. m ApesH.
T. I, 1859, MaTepbi^iM, S. 102 — 3. In einer Erzählung vom Hopfen, flaa. crap. pyccK.
JiNT. II, S 447 — 9, fehlt die Episode von Noah.
' ByciaeB-k OnepsH I, 367 — 8- XlhinKHi», 0<i. aht. mct. noBtcTel u CEaiorb
pyccsarb. p. 204 -> 5.
143
Entwender zum Heile gedeihen; vor Hunger sterbe ich wohl kaum!
Als der Erzteufel erfahren, dass der Bauer nicht nur nicht
geschimpft, sondern auch dem Diebe Heil gewünscht hatte, ward
er darob ungehalten und sandte jenen Teufel auf die Erde zurück:
Gehe hin und verdiene dem Bauer sein Stück Brod! Da ver-
wandelte sich der Teufel in einen guten Menschen und verdingte
sich bei dem Bauer als Arbeitsknecht. Während eines heissen Som-
mers besäcte er einen Morast und das Korn gedieh beim Bauer
vortreflflich, während bei Anderen Alles von der Sonne versengt
wurde; in einem regnerischen Sommer säete er im Gegentheil auf
Bergesabhängen, und während bei anderen Alles verloren ging,
hatte er eine gute Ernte: des Kornes war so viel, dass man nicht wusste,
was mit ihm anzufangen. Da besann sich der Teufel: er versuchte
Branntwein zu brennen, und es gelang ihm. Von ihm lernten
die Menschen diese Kunst und nun wandert das bittere Getränk in
der ganzen Welt umher*.
Anders gefasst tritt die Sage in der humoristischen Färbung des
klein- russischen Schwanks vom dummen Teufel auf, der, um den
Menschen einen bösen Streich zu spielen, auf das Mittel ver-
fallt Branntwein aus Reisig zu brennen. Er zünd<;t ein so
grosses Feuer an, dass der Rauch bis in den Himmel dringt.
Scheint es euch nicht, als ob es nach Rauch stinke? fragt der Herr
seine Heiligen. So scheint es auch uns, aber wir wissen nicht,
woher es kommen mag. — Der Herr sendet den heil. Petrus auf die
Erde, um sich zu erkundigen. — Was machst du ds^} fragt er den
geschäftigen Teufel. — Ich braue den Menschen einen Trank, da-
mit sie weniger Wasser trinken. — Da bist du doch ein guter Kerl !
Ist das Getränk aber auch schmackhaft? — Schmecke nun selber!
— Petrus thut's und da er des Trinkens nicht gewohnt war, sinkt er
wie betäubt zur Erde. — Da er lange ausblieb, sandte der Herr
einen zweiten Kundschafter aus, den heil. Paul, aber auch ihn traf
ein gleiches Schicksal. Endlich wird auf die Erde ein Kosak mit
Lanze und Säbel abgesandt, der heil. Jurko (der ckleine» heil.
Georg). Sein Erstes war, dass er Petrus und Paul so derb und lange
schüttelte, bis sie zur Besinnung kamen; dann warfen sich alle drei
auf den Teufel und prügelten ihn so tüchtig durch, dass seine
Borsten flogen und die Haut Risse zeigte. Theuer bezahlte er den bö-
sen Streich, aber auch den Menschen ward dieser nicht wohlfeil. Lange
* ßopH<ieBcril, Hap. ciai. pasciasu, p. 167—182«
M4
sannen sie darauf, wie sie aus Reisig Branntwein brauen könnten ;
nun, aus Reisig gelang es ihnen eben nicht, aber aus dem hcih'gen
Brote gedieh er vortrefflich. Dies eben hatte sich der Teufel zum
Ziel gesetzt \
III.
Der Russe ist ein ebenso starker Zecher geblieben wie zu Fürst
Wladimir's Zeiten, dessen Helden in den epischen Liedern regel-
mässig Schalen von anderthalb Eimer Wein ausleeren. Die strengen
Ermahnungen der Kirche und der Legende haben wohl weniger in
seinem Leben, als in seiner Phantasie Wurzel geschlagen, die in
grausigen Bildern gewuchert haben. Die Trinker müssen ewigen
Qualen verfallen, heisst es in einer russischen Volkslegende^; Jen-
seits müssen sie den Teufeln als Lastthiere dienen, auf denen Wasser
und Holz gefahren wird'; diesseits sind sie ihren bösen Streichen
ausgesetzt, werden von ihnen auf Abwege geführt, in Sümpfe ver-
lockt* u. s. w. In einem religiösen Liede von Basilius und der heil.
Jungfrau wird die Trunksucht als eine der Haupt- und Todtsünden
geschildert; ist man ihr einmal verfallen, so wird es schwer, sich von
ihr freizumachen ; sie klammert sich so fest an den Sünder an, sie
reisst ihn so hartnäckig von Fall zu Fall, dass ohne Gottes Hülfe
ihm keine Rettung möglich ist. Aus diesem Vorstellungskreise
ist ein poetisches Elrzeugniss hervorgegangen, zugleich das ein-
zige, auch der Form nach, dichterische Denkmal der altrussischen
Literatur, welche bekanntlich der Verskunst abhold war. Ich meine
die, dem XVII. Jahrhundert angehörende Dichtung «Vom Unglücks-
und Kummer-Schicksal, wie es einen Jüngling unter die Mönchskutte
gebracht hat». Schon der Titel allein zeigt von einer volksthüm-
lichen Verarbeitung; eben die eigenartige Verquickuner von christ-
lich-legendarischen mit volksthümlichen Elementen dürfte die Auf-
merksamkeit der Forscher dieser Dichtung zuwenden*.
* AparoMaHOBi», MajiopyccK. Map. npeAUiU ■ paacKaau. S 17^18.
' AoaKacbevk, Hap. pyccK. Jier. M 2 1 , S. 80
' 1. c. Jll 37, S. 90, H 39, S. 98; vgl. die Anm. zu H 39.
* 1. c. S. 183.
* Die Dichtung ist mehrfach herausgegeben worden und hat zu verschiedenen Er-
örterungen Anlass gegeben, von denen ich zum Theil abweiche. Vgl. riuaHHi», im
CoBpeHeHHHrb, 1856,^ III; id. Markcri« Hiia. ABaAeMia Hayrb, 1856; KocroHapoa-b,
IlaM. crap. pyccK. jiht. I, S. 1^8) HycjiaeB-fc, OnepsH I, S. $48—643: IXostcTb o
Fopt ■ 3jiOHacTiR.
t4S
Schon gleich die Eingangszeilen sind charakteristisch. «Nach
dem Urtheil Gottes» unseres Erlösers Jesu Christi, des Allerhalten-
den, waren zu Anfang dieser vergänglichen Welt Himmel und Erde,
Adam und Eva geschaffen*. Der Herr befahl ihnen, im heiligen
Paradies zu wohnen und gab ihnen sein göttliches Gebot: dass sie
von der Frucht der Rebe, des hehren Paradiesbaumes, nicht kosten
sollen :
A^i» HMi» sanoBtAb tfoacecTBCHHy:
He noBejrkai» Bsyniam n;ioAa SBHorpaAHaro
Orb eACMcxaro xpeaa Bejiiucaro.
Aber sie versündigten sich daran, und nun wurden sie aus Eden
auf «die niedere Erde» verbannt. Von ihnen stammt das böse Men-
schengeschlecht: gleich von Anfang an erwies es sich als ungehor«
sam, auf des Vaters Lehre unachtsam, gegen die Mutter nicht ehr-
erbietig.* J)aher die vielen und grossen Trübsale, die der Herr
über die Menschen sendet, um sie strafend zu belehren und auf den
Weg des Heils zu lenken.
Gegenüber dieser allgemein gehaltenen Einleitung erscheint die
folgende Erzählung als ein «bispeU, das an einem einzelnen Falle
dartliun soll, was von allen Menschen gilt, seitdem sich die Erzeitern
an der Rebe versündigt haben.
Vater und Mutter belehren ihren jungen Sohn, wie er ehrsam und
ohne Noth leben und tugendhafte Werke thun solle. Der Inhalt
dieser Lehren ist der allen didaktischen Werken des Mittelalters
gemeinsame : ein Castoiement des Vaters an seinen Sohn ist auch
in der alt-russischen Literatur bekannt. Nur liegt in unserem Falle
der Schwerpunkt der Belehrung in dem Verbot, Gastmähler und Ge-
lage zu besuchen, zwei Becher statt eines zu trinken, mit Würflem
und Schenkwirthen Umgang zu pflegen. Der Jüngling war noch
unvernünftig, es verdross ihn, sich dem Vater zu unterwerfen, der
Mutter zu gehorchen: er will leben, wie es ihm eben gefällt. Bald
hatte er 50 Rubel beisammen, * und dazu eben so viele Freunde ;
«nun war seine Ehre, wie ein voller Fluss»; man drängt sich an ihn
heran, man rechnet sich zu seinen Nächsten und Verwandten. Auch
einen lieben Freund hat er gefunden, der sich ihm zum Wahlbruder
aufwirft, ihn durch allerlei schöne Reden verfuhrt und ihn endlich in
eine Schenke bringt. Hier reicht er ihm einen Becher Wein, eine
Schale mit berauschendem Biere. «Trinke, lieber Wahlbruder mein,
sagt er ihm, dir zur Freude, zum Labsal und zur Gesundheit (man
erinnere sich an die drei gesetzlichen Schalen der russischen Sage
BUB8, BBVÜE. BD. ZHI. IQ
146
vom Ursprünge des Weins). Solltest du dich betrinken, so lege
dich nur schlafen, wo du eben bist, und setze deine ganze HoiTnung
auf mich, deinen Wahlbruder r ich werde dir aufwarten und über
dich treue Wacht halten, und werde dich dann zu deinem Vater und
Mutter geleiten». Da traute der Jüngling seinem lieben Freunde
und betrank sich, bis er die Besinnung verlor; als er am andern
Tage erwachte, sah er sich entblösst und beraubt: da liegt er auf
der Erde ausgestreckt, einen Ziegelstein unter dem Kopfe, abgetra-
gene Bastschuhe zu seinen Füssen, faule Lumpen anstatt der Bett-
decke — vom lieben Freunde aber auch keine Spur. Da grämte
sich der Jüngling und wusste nicht, was er anfangen sollte;
er schämte sich, seinen Vater und Mutter, seine Nächsten und Ver-
wandten aufzusuchen — und nun entschliesst er sich in die weite
Welt zu gehen. Er kommt in ein fremdes Land, kommt zu einem
Gastmahle, das mit den stehenden Zügen und den Farbe» cfer epi-
schen Lieder beschrieben wird. «Und es ging der Jüngling zu einem
ehrsamen Gastmahle, schlug das Zeichen des heiligen Kreuzes über
.sein weisses Angesicht, verneigte sich vor den Heiligenbildern, ver-
beugte sich tief vor den guten Leuten, nach den vier Seiten hin. Als
jene sahen, dass er sich schriftgemäss bekreuzt, fas3ten sie ihn an
den Händen, setzten ihn an den eichenen Tisch, nicht auf den Haupt-,
auch nicht auf den Untersitz, sondern in der Mitte, wo die jungen
Kaufleute zu sitzen pflegen. Als das Gastmahl im vollen Gange war,
die Gäste trunken und heiter waren und zu prahlen anfingen — da
war der Bursche der einzige, der nicht heiter schien*. Man befragt
ihn, warum er so traurig und bekümmert sei, weder esse noch trinke,
und nicht prahle. Da antwortet der Jüngling: Hört, ihr Herren, ihr
guten Leute, was ich euch von meiner grossen Noth klagen will!
Meinem Vater und Mutter war ich ungehorsam, habe mich der
Trunkenheit ergeben; darum hat Gott der Herr seinen Segen von
mir genommen, gegen mich seinen Zorn gewendet, hat über mich
diese grosse Armuth, diesen unheilbaren Kummer gesandt. Dies
ist, warum mein Herz traurig, mein weisses Antlitz kummervoll ist !
Sagt mir nun, belehrt mich, ihr guten Leute, wie ich mein Leben in
fremden Landen, unter fremden Menschen einrichte, wie ich mir
liebe Freunde erwerben kann!
Die Antwort der guten Leute ist voll von jenen Lehren prak-
tischer Weisheit, die Vater und Mutter ihrem Sohne auf den Le-
bensweg mitgaben. Diesmal aber erweist sich der Jüngling geleh-
riger: er begibt sich in ein fremdes Land und weiss sich so einzu-
richten, dass er wohlhabender wird als zuvor; schon hat er sein
Auge auf ein Mädchen geworfen, welches er hetrathen möchte — da ist
aber auch sein Glück zu Ende. Auf einem ehrsamen Gastmahl prahlt
er vor seinen Freunden und Gästen damit, dass er eine grössere
Habe erworben, als er sie früher besessen. So hatte es Gott und seine
Sünden zugelassen ! Faul aber ist jedes Prahlwort und dem Men-
schen zum Verderben ! Als das cKummerschicksal» den Jüngling
prahlen hört, bricht es in folgende Rede aus: Prahle doch nicht,
Jüngling, mit deinem Glücke, brüste dich nicht mit deinem Reich-
thum! Viele hatte ich schon, die weiser und gewandter waren als
du, und doch habe ich sie überlistet: einem herben Geschicke sind
sie verfallen, haben mit mir bis an ihr Lebensende gerungen, konn*
ten mich nicht, mich Kummerschicksal, los werden, bis sie sich in*s
Grab gelegt hatten und die Erde ihnen zum Schutze ward. Erst dann
sind von ihnen Armuth und Blosse gewichen, nur über ihrem Grabe
schied ich von ihnen, um mit neuem Gekrächze mich anderen anzu-
schmiegen ! Ich kann nicht, ich Kummerschicksal, ohne Unterhalt leben,
mag nicht den Prügeln weichen, habe mein Nest und Erbgut unter
den Schlemmern gefunden.
Wie haben wir dieses «KummerschicksaU aufzufassen? Wir "
trafen es schon früher an, unter einem weniger drastischen und
volksthümlichen Bilde: wie jener liebe Wahlbruder den Jüngling in
die Netze der Sünde und der Trunksucht lockt, so übernimmt von
nun an dessen Rolle ein halb allegorisches, halb dämonisches Ge-
bilde, das Kummerschicksal, um desto hartnäckiger seine Beute zu
verfolgen. Zunächst flüstert es dem Jüngling in einem Traum-
gesichte zu, er möge von der beabsichtigten Heirath abstehen,
der Ehestand sei für ihn ein gefährlicher, da seine Frau ihn ver-
giften werde; er thäte besser, wenn er in die Schenke gehe und da-
selbst seine Habe vergeude; beneidenswerth sei das Leben der
Entblössten, Baarfüssigen: keiner quäle sie, keiner thue ihnen was
an, auch aus dem Paradiese verjage sie Niemand; wie ein Refrain
klingen die zweimal wiederkehrenden Verse: keiner wird mit dem
Armen anbinden und der Baarfüssige braucht den Räuber nicht zu
fürchten! Und der Jüngling folgt dem bösen Rath: er vertrinkt
alles, was er hatte und geht wieder wandern, da er sich seinen An-
gehörigen nicht zu zeigen vermag. Er gelangt an einem Flusse an, hat
aber keinen Heller, um die Ueberfahrt zu bezahlen. Da bleibt er
den ganzen Tag hungernd an dem Ufer sitzen und bricht in Klagen
über sein Unglücksschicksal aus, welches ihn in so grosses Elend ge-
10*
24?
stürzt hatte* Er will sich ertränken — da auf einmal erscheint vor
ihm, hinter einem Steine hervorspringend, in wilder dämonischer
Gestalt das Kummerschicksal: •'Cs ist baarfuss, entblösst, kein Fa-
den ist auf ttim zu finden, mit Bast bt es umgürtet, ruft mit lauter
Heldenstimme: Warte auf mich, Jüngling, du entgehst mir ja
nicht; suche nicht deinen Tod in dem reissenden Fluss; sei
nicht traurig in der Noth: wer ihr verfallen, der trauere nicht,
sonst ist es aus mit ihm. Erinnerst du dich deines früheren Lebens,
weisst du noch, was der Vater dich lehrte, wozu die Mutter dich
ermahnte? Wer auf der Eltern Tugendlehre nicht horcht, dem lehre
ich sie, ich Kummerschicksal: nicht vor einem Lieben wird er sich
verneigen, vor einem Feinde wird er sein Haupt beugen müssen!
Und es redete weiter das Kummerschicksal: Unterwirf dich mir,
dem unlauteren Kummerschicksal, verbeuge dich vor mir bis an die
feuchte Erde: es ist Nichts in der Welt, das mir an Weisheit gleich-
komme! So wirst du über den Fluss gesetzt werden, gute Leute
werden dich nähren und dir den Trunk reichen». Als der Jüng-
ling die unabwendbare Noth sieht, verneigt er sich vordem Unholde
— und auf einmal wird ihm leicht und fröhlich zu Muthe; er springt
auf, geht hüpfend an dem schönen Ufer entlang, singt ein heiteres
Liedchen, das aber von der ausgelassensten Ironie der Verzweiflung
durchzogen ist:
«Als einen Kummervollen hat mich meine Mutter in die Welt
gebracht, hat meine Locken mit dem Kamme geglättet, mich in
reiche Kleider gehüllt, und dann, bei Seite gehend, die Handfläche
über den Augen, auf mich geblickt: Wie mag doch mein Kindchen
in den reichen Kleidern aussehen! Das Kindchen aber war in den
reichen Kleidern über jeden Preis erhaben! Hätte sie mir solches
auch mein lebenlang geweissagt! Nun weiss ich aber ein Anderes:
es wird kein Scharlach ohne den Meister gefertigt, kein Kind ohne
die Mutter getröstet, kein Trunkenbold wird in Keichthum leben,
kein Würfler ehrsam sein. Die Eltern haben mir schnee weisse Farbe
angewünscht, leider bin ich als ein schwarzer Feuerbrand geboren».
Das Lied gefiel den Fährleuten so sehr, dass sie den Jüngling
unentgeltlich hinübersetzten; gute Leute geben ihm zu essen und zu
trinken und rathen ihm: zu Vater und Mutter zurückzukehren
und sie um ihren Segen zu bitten. Der Jüngling begibt sich auf
den Heimweg, da war aber das Kummerschicksal ihm vorausgeeilt,
begegnet ihm auf dem weiten Felde, krächzt ihn an, wie eine Krähe
den Falken: Du entfliehst mir nicht! Nicht auf eine kleine Stunde
'49
habe ich mich an dich gefesselt, will mich bis zu deinem Tode mit
dir abquälen! Der Jüngling versucht, wie er sich vor ihm ver-
bergen könnte — aber vergebens. tEr fliegt vor ihm in Falken-
gestalt — das Kummerschicksal ihm nach als weisser Geierfalke; er
sucht ihm als grauer Wolf in weitem Felde zu enschlüpfen — aber
jenes ist bereits da und hetzt gegen ihn die Windhunde ; der Jüng-
ling wird zum Pfriemengras, das Kummerschicksal eilt ihm nach mit
einer scharfen Sense bewaffnet und verhöhnt ihn : « Wirst noch ge-
schnitten werden, liebes Gras, mähen wird man dich und die Winds-
braut wird dich auseinander wehen». Nur nach vergeblichen Mühen,
sich von dem dämonischen Verfolger zu befreien, besinnt sich der
Jüngling auf den «Weg des Heils» : er geht in ein Kloster und wird
Mönch. «Das Kummerschicksal aber ist vor den heiligen Thüren
stehen geblieben und kann dem Jüngling nichts mehr anhaben».
Russischen Liedern und Märchen ist die heidnische Vorstellung
von einem Verhängniss oder Geschick geläufig, das dem Menschen an-
geboren oder angeheftet wird, ihm auf den Fuss folgt und nur am Grap
besrande ihn verlässt Wie in unserer Dichtung, wird es häufig als nackt
und entblösst geschildert, nur einen Gürtel von Bast um die Hüfte.
Sich von ihm zu befreien ist unmöglich. Es eilt dem Unglücks-
menschen nach in den Wald und in's weite Feld und auPs blaue
Meer, als Taube oder graue Ente oder Nachtigall gestaltet; selbst
im Gotteshause hat man vor ihm keine Ruhe. Diese volksthüm-
lichen Bilder und nationalen Farben sind nun in unserer Dichtung
einer anderen Vorstellung dienstbar gemacht, die wir die kirchlich-
apokryphe nennen möchten. Die dämonische Macht, die bald in
Gestalt eines Wahlbruders, bald in der des Kummerschicksals auf-
tritt und den Jüngling zur Trunksucht verführt, ist der alte Erz-
feind des Menschen, der sich des Sünders bemächtigt und ihm unauf-
hörlich nachstellt, aber von ihm weichen muss, sobald er die Wege
des Heils aufsucht. Wie der Ungehorsam, die alte Erbsünde, den
Jüngling zu Falle gebracht, so sind uns der Verführer und dessen
Mittel bereits bekannt: der Verführer ist der «über die Trunkenheit
gesetzte Teufel», der ehedem Adam und Eva an der Rebenfrucht
sich versündigen hiess. Die Parallele ist keine von uns aufgestelte,
da sie in den Anfangszeilen unserer Dichtung bereits angedeutet ist:
«Und es gab ihnen der Herr sein göttliches Gebot, dass sie von der
Frucht der Rebe, des hehren Paradiesbaumes, nicht kosten sollen.
ISO
IV.
Es bleibt uns noch übrig einer vereinzelt dastehenden Weinsagc
zu erwähnen, die, auf byzantinischem Boden entstanden, einen süd-
slavischen Uebcrsctzcr oder Uebcrarbciter gefunden hat. Der grie-
chische Text ist mehrmals gedruckt und neuerdings von Konstantin
Sothas^ und W. Wagner^ wieder herausgegeben worden. Die, bis
•
Jetzt bekannten, gedruckten wie handschriftlichen Fassungen des-
selben zeigen ihn bald in einer ausführlichen, bald in einer kürzeren
Gestaltung; aus der, von Hrn. Danicic herausgegebenen serbisch-slove-
nischen Uebersetzung*, die allem Anscheine nach einer griechischen
Vorlage gefolgt haben muss, ergibt sich eine weitere Folgerung: dass
wir zwei verschiedene Rezensionen der byzantinischen Erzählung
anzunehmen haben, von denen eine dur-ch die bekannten griechi-
schen Texte, die andere durch die slavische Uebersetzung repräsen-
tirt wird. Beiden ist die Vorstellung gemeinsam, dass der Wein
das Blut der gerichteten und zu Tode verurthcilten Traube sei;
beide kehren die parodistische Seite des byzantinischen Gerichtswe-
sens hervor, seine schwerfällige, hochtrabende Formalistik mit Un-
billigkeit gepaart. Diesen allgemeinen Gesichtspunkt hat nun jene
Rezension, die wir zum Unterschied die byzantinisch-slavische nen-
nen, insofern modifizirt, als sie die Traube aus einer falsch-ankla-
gendcn (wie sie in den griechischen Texten erscheint) zur fälschlich
angeklagten, und weiter, zu einer «heiligen» macht, ihre Verurthei-
lung im Lichte des Märtyrerthums darstellt und das ganze zu einer
Parodie der Märtyrerlegende umstempelt. Es mag somit diese Re-
zension eine Klosterarbeit sein, aber dass sie durchweg als ein
Schwank gedacht und ausgeführt worden, ist mir höchst wahr-
scheinlich. Auch die salbungsvolle Warnung am Schlüsse, wo die
Gefahren des Weingenusses durch die Beispiele Salomo's und
Sampson^s illustrirt werden, darf als eine parodistische gelten*.
Hier der Inhalt der slavischen «Sage von dem Kaiser Quitte, wie
er die heilige Traube verurtheilt und dem Tode preisgegeben hat»:
Als der herrliche Kydonische Apfel (Quitte) Kaiser war, der Apfel
die Hypatenwürde, die gelbe Pomeranze und die Citrone die des
•
' In der Triester griechischen Zeitschrift KXeio», 1871.
■ W. Wagner, Carmina graeca mcdii acvi, Leipz. 1874, S. 199—201 : Atrjr^oi; töü
• Gedruckt in den Starine, 11, Agram 1870.
* Vgl. Jagic, Condcmnatio uvac, im Archiv C slav. Philologie I, 61 1 — 617.
.. .'S' . .
Hegemonen bekleideten und die Birne als Gross-Protonotar fungirte»
da kam die heitere, heilige Traube, wehklagend und mit lauter
Stimme rufend: Erbarme dich meiner, grosser ky donischer Apfel !
mein Bruder, die Johannisbeere, will mich tödten und mit dem
Schwerte mir das Haupt abschlagen. Da redete der hehre Kai-
ser: Vermagst du Zeugen darüber aufzuweisen? Es antwortete
die Traube* Wohl habe ich Zeugen^ die ohne Laster und glaubwür-
dig sind: die Herrin Nuss, die rauschende, die gelbe Mandel mit der
spitzigen Nase, die schlechtnährende Haselnuss, die süsse, brodähn-
liche Kastanie, die schwarzäugige, aufblähende Bohne, die sehnen-
stärkende Kichererbse, die gute, die Armen speisende Lupine» vor
Allen aber die Linse, die Haushälterin, und die Olive, die gute
Aebtissin.
Als der hehre kydonische Apfel, im Garten liegend, solches ge-
hört, «ward ihm darüber der Magen gelöst». Alsbald nahte ihm, in
Purpurgewänder gehüllt, die hochmüthige, prahlerische Zwiebel
und üel plötzlich mit herben Worten, unter heftigen Bewegungen
und Thränen und hohen Beschwörungen über die Traube her.
Auch sie führt ihre Zeugen vor: ihren Bruder, deii weissen, dichten,
aus dem Munde stinkenden Knoblauch, den grünen, langbärtigen
Schnittlauch, den Wahlbruder Senf, den Meerrettig, herben Ge-
schlechtes, und den ehrsamen schwarzen Syrer, den von Allen ge-
liebten Protonotar Pfeflfer, und schwört, dass die heilige Traube
ihnen Unrecht angethan und sie verläumdet habe. Da rief der
kydonische Apfel mit lauter Stimme: Wenn sie euch ungerechter
Weise verläumdet hat, wie ihr Alle sagt, so hänge man sie an ei-
nem krummen Baume und haue sie mit einem Messer ab und trage
sie in Körben in die Presse, wo sie mit Füssen stark getreten
werde; ihr Blut aber bewahre man an einem kühlen Orte, den herz-
erfreuenden Wein^ den man in Bechern trinken soll dem ungerech-
ten Verläumder zum Hohne. Wer aber davon zuviel geniesst, der
verliere den Verstand und rede unvernünftige Dinge und wanke von
einer Wand zur andern, den Zaun auf dem Haufen nicht verfehlend
und den rechten Weg nicht findend, und . throne lächerlicher und
ungeziemender Weise im Kothe. Dies sind die üblen Wirkungen
des Weins; von den guten brauche ich nicht zu reden: er ist immer
des Scherzes, der Freude und Fröhlichkeit voll, stärkt die Alten,
erfreut die Jungen, ist der Liebe Vermehrer und der Verderber der
Seele! O weh! Siehe zu. Liebster, dass du das Weintrinken fliehst:
der Wein hat den hochweisen Salomo einem Weibe aus fremdem
i5g
Geschlechte dienstbar und Gott abtrünnig gemacht und ihn die
Götzen anbeten lassen ; der Wein hat des starken Sampson Weis-
heit und Kraft gebrochen, ihn den Feinden ausgeliefert und seine
Seele in's Verderben gestürzt !
So endet diese hübsche Erzählung, welche, vielfach an euro-
päische Travestien erinnernd ^ im französischen «Martyre de Saint
Bacchus»^ eine bedeutsame Parallele findet. In der altrussischen Lite-
ratur, die in ihren dämonologischen Weinsagen befangen war und
damit vollauf zu thun hatte, scheint sie kaum bekannt gewesen zu
sein. Ich bemerke nur, dass die erste russische literarisch-wichtige
Satyre des XVL — XVII. Jahrh., die gegen das ungelenke Justiz-
wesen und die im Leben herrschende Schikane ivetteifert, den
Kaulbarsch vor einem Gerichte der übrigen einheimischen Fische
erscheinen lässt, welches ihn wegen seiner vielen und reellen Vergehen
zu Tode verurtheilt. Wie in dem byzantinischen Schwanke, wird
auch hier die weitläufige gerichtliche Procedur parodirt, die mit dem
Siege der Schikane endet, weil der neckische Bösewicht, trotzdem
er von seinen eigenen Zeugen überführt worden, dennoch entflieht
und dazu seine Richter verlacht. Dergleichen mag im Leben öfters
vorgekommen sein und die Travestie sich von selbst geboten haben,
ohne dass wir dabei den Einfluss jenes byzantinischen Schwankes
vorauszusetzen brauchen. Alexander Wesselofsky.
Zur Literatur über Bussisch-Turkestan.
Von
Alexander Petzholdt
(Fortsetzung).
IV.»
Aus dem, m^ine Besprechung des Schuyler'schen Werkes einlei-
tenden ersten Artikel ist es hoffentlich noch in der Erinnerung des
' Mmn vgl. z. B. die Sermon de St. Ognon, Sermon de St Raisin, Vie de St. Härene,
glorieox martyr — bei Montaiglon, Po6sies fran^aises des XV. et XVI. s. I S. 204 tu ff.;
S. 113 tt. ff.; S. 32$ n. ff.
* Jttbinal, Nouveau rccueil de contes, dits, fabliaux etc. 1. S. 250—265.
* Vgl. «Rttsa. RcToe» Bd. XU S. 433 u. ff., S. 438 u. 9 u. ]kl. XUI, S. 40 a. ff.
«S3
•
Lesers, dass der Hauptzweck der Reise des Hm. Schuyler darin
bestand, nicht nur die politischen und sozialen Verhältnisse des rus-
sischen Turkestan kennen zu lernen, sondern auch eine Vergleichung
anzustellen, wie sich die Lage der Eingeborenen unter russischer
Herrschaft zu derjenigen verhalten, in welcher sich die noch jetzt,
unter der despotischen Regierung der Chane lebenden Landesbe-
wohner befinden. Um diesen Zweck so weit als möglich zu errei-
chen, war ein Besuch jener despotisch regierten Länder unerlässlich.
Hr. Schuyler entschloss sich daher, ehe er zur weiteren Bereisung
der östlichen Theile des russischen Turkestan schritt, zuerst das
damals dem russischen Reiche noch nicht einverleibte Chokand,
und dann Buchara zu bereisen. Der Schilderung der Chokand*schen
Reise ist das neunte Kapitel, womit der zweite Band des Schuyler-
schen Werkes beginnt, gewidmet (S. i — 60); während die Beschrei-
bung der nach Buchara unternommenen Reise im zehnten Kapitel
enthalten ist (S. 61 — 118).
Reise im Chanat Chokand.
Hr. Schuyler trat diese Reise, mit einem an den Chan von Cho-
kand gerichteten Empfehlungsschreiben des Generals Kolpakowsky,
d. Z. Stellvertreter des in Chiwa befindlichen GeneraUGouverneurs
versehen, von Chodschend aus an, und zwar in Gemeinschaft mit
Hrn. F., welcher behufs des, von ihm unternommenen Baues einer
Brücke über den Syr-Darja in Chokand Holz zu kaufen beabsichtigte.
Begleitet wurden unsere Reisenden von zwei Dolmetschern, einem
reichen Chodschendschen Kaufmanne Haba-Bai, der als Agent des
Hrn. F. fungirte, und drei Dschigiten (berittenen, bewaffneten
Dienern), und da ausserdem noch die Fuhrleute der Gepäckwagen
hinzukamen^ so bildeten sie eine Art kleiner Karawane.
Man ging von Chodschend über Kostakos nach dem damaligen
Chokand'schen Grenzorte Karatsch-Kum, wo man einen Aufenthalt
nahm, während ein Bote nach der Festung Machram gesendet ward
um die Ankunft der Reisenden daselbst anzumelden. In Machram
angekommen begaben sich die Reisenden in ein Theehaus des Bazars
(obgleich sie, da sie an den Chan gerichtete Briefe b^sassen, die
Berechtigung hatten, von der Behörde untergebracht und beköstigt
zu werden), und sogleich erschien der Adjutant des Bek^^ von zwei
* Unter «ßek» hat man den Gouverneur einer Provinz oder eines Landestheiles, oder
auch nur einer ^tadt oder Festung zu verstehen, pie^ks werden von dem Chan eingesetzt
_i54__
Männern mit langen Säbeln begleitet, um sich zu erkundigen, woher
man käme und wohin man ginge. Nachdem diese Leute erfahren,
dass man auf dem Wege nach Chokand sei, um den Chan zu sehen,
entfernten sie sich, kamen jedoch sehr bald mit einem Doslar-C/ian^
zurück, dessen Hauptverdienst eine grosse Schlüssel mit Aprikosen
war. Die Reisenden sandten hierauf dem Bek ein kleines Geschenk,
entschuldigten das Unterlassen ihrer Visite mit Müdigkeit und er-
hielten als Gegengeschenk ein billiges seidenes Gewand von der
Form unserer Schlafröcke und den Namen Chalat führend. Eine
solche Verabreichung von Geschenken und Gegengeschenken findet,
um das gleich hier zu bemerken, überall statt; allerwärts, wohin
die Reisenden kommen, müssen sie, um nicht gegen die Sitte zu
Verstössen, Geschenke austheilen und erhalten als Gegengabe solche
Chalat e, bisweilen auch Geld als «Reisegeld t ; freilich lässtHr.Schuy-
1er nicht unerwähnt, dass in der Regel das Geschenk werthvoUer ist,
als die Gegengabe, und dass man das Geschenk des Gastes mehr
oder weniger als eine indirekte Zahlung für genossene Gastfreund-
schaft zu betrachten hat.
Machram, als Grenzfestung von einiger Wichtigkeit, hat eine
ständige Garnison von 500 Mann^ und die Reisenden fanden schon
hier Gelegenheit, die buntscheckige Bekleidung der Chokand^schen
Soldaten, von denen mehrere herzukamen, um die Fremden zu
sehen, kennen zu lernen. Noch am selbigen Tage verliessen sie
Machram, wo übrigens jeder ihrer Schritte von einer Menge neu-
gieriger Beobachter verfolgt wordert war, und gingen nach Kandba-
dam'y einer Stadt von beträchtlicher Grösse, wo sie nächtigten,
unter der offenen Veranda eines Thcehauses des Bazar ihre Betten
aufschlagend. Der letzte Theil des Weges von Machram nach Kand-
badam war sehr hübsch, da derselbe von endlosen Ciärten umschlos-
sen ward, und nicht minder schön war, als sie am frühen Morgen die
und haben eine beinahe absolute Machtvollkommenheit. Nfeistentheils erhclien sie
die Abgaben (mit Ausnahme derjenigen, welche dem Chan selbst zukommen) für sich^
sind aber filr die Verwaltung ihrer «Bekschaft» dem Chan verantwortlich, müssen ihr
Kontingent zur Armee stellen und ein- oder zweimal im Jahre dem Chan Geschenke
machen. Dasselbe Verhältniss findet auch in Buchara zwischen den Beks und dem
Emir statt, was gleich hier im Voraus erwähnt werden soll.
* Blit dem Namen •Dostar-Chan* wird die Mahlzeit belegt, welche, der einheimi-
schen Sitte gemäss, einem angereisten Fremden von Seiten der Behörde zugesendet
wird. Je nach der Bedeutung und dem Range des Reisenden ist natürlich eine solche
Mahlzelt von sehr verschiedener Beschaffenheit
' Kanabadam (nach der russischen Karte des Oberstlieutenant LJussilin).
155
^ — '
Stadt verliessen, der Anblick der schneebedeckten Gebirge zur
Rechten und anderer Gebirgszüge zur Linken ; allein sehr bald ge-
langten sie auf eine, mit Flugsand bedeckte, etwa 1 5 Werst breite
Ebene, in deren Mitte die kleine, aus einigen Lehmhäusern be-
stehende Ortschaft Patar liegt^ ohne Baum und ohne eine Spur von
Grün, scheinbar verlassen. Daraufkam man wieder auf kultivirtes
Land, passirte das sehr hübsche Dorf Yaka-Tut, und erreichte die
Ortschaft Bisch-aryk, wo man sich in einer Theebude restaurirte,
aber doch schon um 2 Uhr, trotz der grossen Hitze, aufbrechen
musste, um Chokand noch vor Thoresschluss zu erreichen.
Nachdem die Reisenden die, über einen breiten und tiefen Kanal
gespannte Brücke passirt, und einen langen, durch Reisfelder hindurch
führenden Damm überschritten hatten, gelangten sie in dichter be-
siedeltes, zu beiden Seiten der Strasse eingefriedigtes Land; es
zeigten sich hin und wieder Häuser und Buden, bei jedem Schritte
begegnete man aus der Stadt zurückkehrenden Leuten, und endlich
erblickte man über die Gärten hinweg eine hohe, etwa drei Werst
laiige Lehmmauer, vor deren Mitte ein halbkreisförmiges Aussen-
werk angebracht war, hinter welchem sich das, in*s Innere der Stadt
Chokand führende Thor befand. Die Reisenden waren also in Cho-
kand angekommen, wo sie, nachdem sie noch vor einigen, innerhalb der •
Stadtmauer liegenden Feldern und zerstreuten Häusern vorüberge-
ritten waren und Kirchhöfe und Gärten passirt hatten, eine breite
Strasse erreichten, welche in das Centrum der Stadt führte. Kurz
vor Thoresschluss langten sie im Zekat^Sarai an, wo sie von Hrn.
S., einem russischen Kaufmann und Agenten der Firma Pupyschew
aufs Gastfreundlichste aufgenommen wurden. Dieser 2^kat Sarai
wird von Hrn. Schuyler als ein grosses, zweistöckiges, einen vier-
eckigen Hof umschliessendes Gebäude beschrieben, worin Hr. S.
6 — 8 Zimmer und Niederlagen hat. Es ist eine Karavanserei und
wird zugleich als Zollhaus benutzt, wo alle Güter und Waaren auf-
gestapelt werden bis der betreffende Zoll erlegt ist, und unsere Rei-
senden konnten von ihrer Veranda aus die Thätigkeit der Zollbe-
amten beobachten. Der Mekhter (oder MechterF) d. h. der Chef des
2^11hauses sass nämlich, mit seinen Beamten sein Amt verwaltend,
unter einer gerade gegenüber liegenden Veranda täglich von früh
9 Uhr bis Nachmittags 5 Uhr, und den ganzen Tag wurden Güter
gewogen und gemessen, während ein Schreiber alles auf lange
schmale Papierstreifen notirte.
Gleich am nächsten Morgen nach ihrer Ankunft wufden die Rei-
156
%
senden zu dem Mekhter berufen und nach dem Woher und Wohin
befragt, und Hr. Schuyler wurde genöthigt, den an den Chan gerich-
teten Brief des Generals Kolpakowskij vorzuzeigen, damit man sich
von der Existenz desselben überzeuge ; zugleich erfuhren sie, dass
der Chan nicht in Chokand, sondern in Namangan sei, und dass man
ihnen nicht gestatten könne, so ohne Weiteres dem Chan nachzu-
reisen, es müsse vielmehr dessen Erlaubniss dazu eingeholt werden,
und sie hätten daher einige Tage hier in Chokand zu warten, bis
Nachricht gekommen sein würde. Ebenso machten die Reisenden die
Bekanntschaft des Atalyk Ata Bek, nach dem Chan die wichtigste
Persönlichkeit Chokand's und in Abwesenheit des Chans der Regent
der Stadt. «Ata Bek (so spricht sich Hr. Schuyler über diese Per-
sönlichkeit auf S. 9 u. flf. aus) schien sehr intelligent und gut unter-
richtet, that viele Fragen Amerika betreffend, wobei sich erwies,
dass er einige elementare Kenntniss der Geographie besass, und
führte mit uns eine angenehme Unterhaltung». Er gestattete auch
den Reisenden die Besichtigung der in den letzten 20 Jahren erbau-
ten neuen Festung, in welcher ausser dem Palaste des Chans noch
eine Anzahl von Gebäuden sich befanden, darunter auch die Münze
und das Zeughaus. Der Palast des Chans, grösser und prachtvoller
als irgend ein anderer in Mittel-Asien, ist ein elegantes zwei- oder
dreistöckiges Gebäude, mit Thürmen an den Ecken und zwei
Thürmen in der Mitte; die Front ist mit glasirten Ziegeln belegt,
weiss, blau und grün, und entlang dem Karniess ist die Inschrift an-
gebracht: «Erbaut von Mohammed Chudajar Chan, im Jahre 1287».
Der Eintritt war jedoch während der Abwesenheit des Chans und
wegen der Anwesenheit sehr vieler seiner Frauen nicht erlaubt. Da-
gegen wurde die Münze (wo jedoch die Arbeiter nicht mit Geldprä-
gen, sondern mit der Anfertigung silberner Zierrathen für Zügel und
Pferdegeschirre beschäftigt waren) und das Zeughaus besucht. Hier
sah man Kanonen giessen (besonders auffallig waren 12-pfündige
Hinterlader nach einem russischen Modell, aber von den Eingebo-
renen verbessert), Flinten anfertigen u. s. w. Mit einiger Zaghaftig"
keit (so heisst es S. 11) besuchte ich dieses Zeughaus, denn in dem,
der Schmiede zunächst gelegenen Räume, wohin durch die halb-
offene Thür jeder Zeit Funken sprühen konnten, waren Leute mit
der Anfertigung und dem Füllen von Racketen beschäftigt, während
das Pulver frei auf dem Tisch lag». Uebrigens bekommen die Ar-
beiter keinen regelmässigen Lohn, gewöhnlich erhalten sie nur Be-
köstigung und von Zeit zu Zeit ein Gewand (Chalai). Bisweilen
aber ist es reine Zwangsarbeit und sie erhalten gar nichts.
Da die Reisenden mehrere Tage in Chokand bleiben oiussten, so
hätte Hr. Schuyler ausreichend Zeit gehabt, sich gründlich überall
umzusehen und Erkundigungen einzuziehen^ wenn nicht mancherlei
hindernde Umstände gewesen wären. Zu diesen hindernden Um-
ständen rechnet Hr. Schuyler die Hitze, welche das Umherreiten in
der Stadt während des Tages sehr unbequem machte, und den zei-
tigen Thorschluss des Bazar, welcher ihn zwang, um 7 Uhr wieder
zu Hause zu sein und zu bleiben, da es ihm nicht einmal gestattet
war, nur um die Ecke seiner Wohnung in Zekat-Sarai herum nach
dem ChanSarai zu gehen, wo die anderen russischen Kaufleute
wohnten, ja selbst auf dem platten Dache seiner Wohnung konnte er
nur kurze Zeit die Külile des Abends geniessen, denn sobald die
Wache im Bazar in voller Stärke aufgezogen war, durfte er auch
hier nicht länger verweilen. Dazu kam endlich noch, dass er bestän-
dig verhöhnt und beschimpft ward, und obschon man sich nicht an
ihm vergrifl*, so musste er doch nothwendig fortwährend auf seiner
Hut sein, wodurch das Vergnügen, sich überall umzusehen, bedeutend
gestört ward.
Zu den grössten Merkwürdigkeiten der Stadt zählt Hr. Schuyler
die Papierfabrik (deren Einrichtung auf S. 1 3 kurz beschrieben wird).
Das meiste, vi enn nicht sämmtliches in Central- Asien verbrauchte
Papier wird hier, oder in der kleinen Ortschaft Tscharku, ebenfalls
im Chanat Chokand, angefertigt. Das Papier, gewöhnlich grau, bis-
weilen aber auch blassroth oder blau gefärbt, ist sehr fest und stark,
und ausgezeichnet für die Gummitinte, deren sich die Eingeborenen
beim Schreiben bedienen; bei den Europäern dagegen ist es nur
wenig im Gebrauch und die Russen müssen das ihnen nöthige Papier
importiren.
Der Hauptbazar der Stadt wird ebenfalls sehr gerühmt. «Er ist
(so heisst es auf S. 14) der bei Weitem bestgebaute, den ich in Cen-
tral-Asien gesehen habe, sehr regelmässig, alle Strassen sich einan-
der unter rechtem Winkel kreuzend, und mit sehr vielen, aus ge-
brannten Ziegeln erbauten Buden. Die Strassen sind breit, und das
Ganze ist mit einem Dache bedeckt, welches von, hoch über die
Häuser hinausragendem Gebälk getragen wird, so dass der Bazar
beschattet ist und eine Fülle frischer Luft von allen Seiten herzukom-
men kann». Die Bazare der Stadt Chokand sowohl, so wie der mei-
sten anderen Städte des Chanats gehörcfti dem Chan, der sie vor
I.
»S8
einigen Jahren für sich selbst in Beschlag nahm und die Renten für
sich selbst bezieht. Einige kaufte er, obschon er verhältnissmässig
nur wenig dafür zahlte; andere dagegen nahm er einfach hinweg
und sagte den Eigenthümern, sie hätten die Bazare lange genug be-
scssen, jetzt aber habe er die Absicht sich dieselben zu Nutze zu
machen. Hr. Schuyler fügt hinzu, dass, wenn einst die Russen von
Chokand Besitz ergreifen sollten, dieser Umstand von grossem Vor-
theil für sie sein wird, weil die Revenuen der Bazare sogleich Staats-
eigenthum werden, während'in den meisten, von den Russen erober-
ten Städten, wie in Taschkend und Chodschend, diese Revenuen
Privatpersonen zugehören, oder nach dem Rechte der «Todten
Hand» (vaqf) zu irgend einem reh'giösen oder milden Zweck be-
stimmt sind.
Da Hr. Schuyler mitten im Bazar wohnte, so hatte er häufige Ge-
legenheit auf demselben herumzuwandem und sich den Verkehr anzu-
sehen, wobei ihm jedoch nichts Besonderes auffiel; alles war so wie
in Taschkend, auch waren die ausgelegten Waaren von keiner
besseren Art, vielleicht mit Ausnahme der Reitpeitschen, welche
hier in Chokand in ganz vorzüglicher Qualität angefertigt und sehr
billig verkauft werden. Sehr belästigend war es dagegen anzusehen,
wenn Abends 7 Uhr beim Thorschluss des Bazar die, zum nächtlichen
Schutz desselben gegen Diebe und Feuersgefahr bestimmte Wache
aufzog und in einzelnen Abtheilungen an die verschiedenen Plätze
vertheilt ward. Von den Soldaten, aus denen die Wache bestand, wa-
ren kaum zwei gleichuniformirt oder gleichbewaffnet. Einige hatten
Stäbe, andere gezogene Gewehre, oder Musketen mit Steinschloss,
oder gewöhnlicher noch mit Luntenschloss, während wieder andere
nichts hatten, als die landesübliche Keule, an welcher ein runder
Messingkopf befestigt ist. Die Offiziere hatten ausser Schild und
Schwert noch Kommando-Stäbe. Die Bekleidung war bei einigen
Soldaten die landesübliche, bei anderen war es eine Mischung der
landesüblichen mit der russischen, obschon die eigentliche regel-
mässige Uniform aus einer offenen Jacke und Beinkleidern bestand,
deren Farbe offenbar der Wahl eines Jeden überlassen worden war,
wie denn auch die Zahl und die Anordnung der Knöpfe dem Ge-
schmack eines Jeden anheimgegeben war. Der grösste Theil dieser
Knöpfe waren russische Militärknöpfe, aber auch französische,
deutsche und selbst englische wurden bemerkt....
Zuletzt kommt Hr. Schuyler auf die Russen in Chokand und auf
die Stellung, welche sie in Chokand einnahmen, zu sprechen. «Die
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damals inChokand sich aufhaltenden Russen (so heisst es auf S. 12fr.),
hauptsächlich Agenten und Beamte der Pupyschew'schen Handels-
häuser und der Firmen Bykowskij und Kolessnikow, waren, um
Verhöhnungen und selbst Misshandlungen zu vermeiden, auf der
Strasse gewöhnlich wie die Eingeborenen gekleidet. Man gestattete
ihnen nicht in irgend einem Theile der Stadt nach ihrer freien Wahl
zu wohnen, sie waren vielmehr auf die Sarai s (Karawansereien) der
Bazare beschränkt, und es war ihnen unmöglich, sich frei unter die
einheimischeBevölkerung zu mischen. Den einheimischen Kauileuten
war es vom Chan untersagt, Russen in ihr Haus zu bitten, und als ein-
mal ein russischer Kaufmann mehrere seiner einheimischen Geschäfts-
freunde zum Mittagessen einlud, da ward dieser Vorgang von Seiten
der Obrigkeit von Ckokand mit äusserstem Missfallen angesehen. Ich
kann mir nicht helfen, ich muss glauben, dass die Sachlage eine andere
sein würde, wenn diese Kaufleute nicht Russen, sondern Engländer
oder Amerikaner wären, sie würden sicherlich nicht Willens sein,
ein solches Leben zu führen, zusammengepfercht in kleine unbe-
queme Zimmern, jeder Annehmlichkeit des Lebens beraubt, von
Luxus, wie etwa Postverbindungen genannt werden könnten, gar
nicht zu sprechen. Die einheimische Regierung hat die Einrichtung
von Postrouten innerhalb ihrer Territorien energisch abgelehnt, und
wenn ein Brief von Taschkend nicht durch einen expressen Boten
gebracht wird, so muss er durch irgend einen Eingeborenen ge-
schickt werden, welcher ihn vielleicht Tage lang vergisst, oder im
Vorbeigehen einfach zur Thür hineinwirft, gewöhnlich im verstüm-
melten Zustande, da er in der Regel an der Grenze oder von Seiten
der Stadtobrigkeit geöffnet worden ist.
Endlich war vom Chan Antwort angelangt, und unsere Reisenden
erhielten die Erlaubniss, zu ihm nach Namangan zu kommen. Er-
freut brachen sie so schnell als möglich auf und verliessen Chokand
in Begleitung dreier Beamten, die man ihnen mitgab\ und, bis sie
völlig zur Stadt hinaus waren, von einigen Soldaten eskortirt.
Der Weg führte zuerst nach der, 18 Werst entfernten Ortschaft
Buwandy durch Felder und Baumanpflanzungen, und gelegentlich
* Wenn Hr. Schuylcr von diesen Beamten später (S. 22) sagt: «Die Beamten, welche
sich während der Reise um uns zu kümmern hatten, behandelten uns sehr en hagatelU
{•in a vcry offhand way»\ und da sie nichts zu unserer Unterhaltung herbeischaflten,
so waren wir in Betreff unserer Amüsements auf uns selbst angewiesen», so möchte ich
meinerseits glauben, dass Ilr. Schuyler die richtige Sachlage verkannt hat. Offenbar
war die Aufgabe dieser Beamten wesentlich keine andere als aufzupassenr
i6o
über Kanäle klaren Wassers, während nördlich wie südlich hohe
Gebirge sichtbar waren; und von da» durch eine nackte Steppe Und
Sandwüste, welche die Stadt Chokand von allen Seiten zu umgeben
scheint, zu einem elenden, aus 4 oder 5 Hütten bestehenden Dorfe,
wo die Reisenden am Rande eines Teiches ihr Lager aufschlugen,
da ihnen, obgleich sie Gäste des Chans waren, kein anderer Platz
offerirt wurde. Hier erfuhren sie auch, dass der Chan Namangan be-
reits verlassen und nach Balyktschi gegangen sei. Am anderen
Tage setzten sie, immer noch auf der Steppe verbleibend, ihre
Reise nach Gur-tepe* und von da nach Balyktschi fort. Etwa 8
Werst vor Balyktschi, zwischen den Ortschaften HamaBulak und
Ming-Bulak, hatten die Reisenden eine liebliche Aussicht nach Nor-
den. «Am fernen Hintergrunde eine hohe Gebirgskette, darunter
Reihen kleinerer Berge, im Mittelgrunde das fruchtbare Thal des
Syr-Darja voller Bäume und Dörfer, während Reisfelder und Schilf
den Vordergrund einnahmen. Jenseits des Flusses sah man in der
Ferne Namangan, eine der bedeutendsten Städte des Chanats, und
in südlicher Richtung hatte man den vollen Anblick der Schnee-
kette des Alai#.
Als man, am Flussufer hinziehend, näher an Balyktschi herankam,
konnte man den Zusammenfluss des schlammigen und ungestümen
Naryn mit dem ruhigen und klaren Syr-Darja' vortrefflich beobach-
ten und erreichte endlich, bald auf von dem Flusse zurückweichen-
der Strasse zwischen Lehmmauern und zahlreichen Gärten, bald
wieder auf dem Flussufer genäherter Strasse marschirend, bei ein-
tretender Dunkelheit die Stadt, wo man erfuhr, dass der Chan aber-
mals weiter, nach Utscli-Kurgan, gegangen war.
Am anderen Morgen brachen die Reisenden frühzeitig von Balyk-
tschi wieder auf, überschritten auf einer niedrigen, hinfälligen
Brücke den Syr-Darja und kamen, das durch seine grosse Frucht-
barkeit berühmte, zwischen dem Syr-Darja und Naryn liegende
Dreieck durchschneidend, nach dem nur 6 Werst von Utsch-Kur-
gan entfernten kleinen Dorfe Haikowar, wo sie, in der Hitze bra-
tend, den ganzen Tag warten mussten, weil die Etiquctte es erforderte,
dass dem Chan ihre Ankunft hierselbst angezeigt und angcfnigt
werde, ob sie weiter gehen könnten. Endlich kam die Antwort zu-
* Bnr-tcpe (nach Ljussilin^s Karte).
■ Ich muss hier bemerken, dass dieser Syr, <ler von <lcn Ein;;cborncn, nbschon
fillschlich, fUr den Ilauptfluss gehalten wird, bei den Geo(>raphen den Namen Tar
führt.
i6i
gleich mit der Nachricht, dass ein Haus für die Reisenden bereit
stehe und dass man neue Teppiche ausgelegt habe, dass sie aber
besser thun würden zu warten, bis es kühler geworden sei, und dass
der Chan sie am nächsten Morgen empfangen werde. Man setzte
sich demgep[iäss gegen 5 Uhr wieder in Bewegung und kam auf
entsetzlich staubigem Wege durch nackte Steppen an das Ufer des
Naryn, der hier schlammig und reissend einem Wasserfalle gleich
über die Felsen hintobt, begegnete auf Schritt und Tritt Soldaten
uod Dschigiten, welche Pferde nach dem Fluss zur Tränke führten,
passirte eioen kleinen Bazar, jetzt gedrängt voll von Menschen (der
Chan hatte eine grosse Suite mit sich gebracht) und wurde nach ei.
nem kleinen Garten geführt, wo eine Röchst drückende Luft
herrschte und der auf keinen Fall der Ort war, welchen man ihnen
versprochen hatte. «Der ^/>:rrt (einer der begleitenden Beamten)
sagte uns, dass wir uns diesen Abend mit Thee begnügen müssten,
da es zu spät sei, etwas zum Essen zu besorgen. Lange schon hatte
ich mich über die uns zu Theil werdende Behandlung innerlich em-
pört und mich nur aus Furcht, das Geschäft des Hrn. F. zu beein-
trächtigen, zurückgehalten; während der ganzen Reise machte ich
energische Einwendung, dass es uns nicht gestattet war, unsere ei-
genen Wege zu gehen und dass wir gezwungen waren, das Gebot
des Mirza unbedingt zu befolgen. Die unverschämte Art jedoch, mit
welcher er uns die letzte Mittheilung machte, erregte meinen gan-
zen Zorn; ich sagte ihm, dass er uns allenthalben davon in Kennt-
niss gesetzt habe, dass wir die Gäste des Ghanas seien ; dass ich als
solcher eine bessere Behandlung verlange und dass ich darauf be-
stehe, ein Abendessen zu erhalten; dass es noch früh, erst 7 Uhr sei,
und dass ich den Bazar noch offen gesehen hätte. Diese Tonart
blieb nicht ohne Eindruck. Der Mirza fing an sich zu entschuldigen,
sagte, dass wir in etwa 3 Stunden etwas bekommen würden, und
brachte mir bereitwillig ein Gericht Kavap^y welches ich mit mei-
nem Dolmetscher allein verzehrte, da die Anderen bereits schlafen
gegangen waren». Ich habe diesen auf S. 23 u. ff. des Schuyler*-
^.^schen Buches vorkommenden Passus in seiner ganzen Ausführlich-
keit mitgetheilt, weil daraus ersehen werden kann, wie Hr. Schuyler
in der That ziemlich en bagatelle behandelt wurde, wie aber solchen
*■ Kavap ist ein Gericht aus kleinen, am Spiess gebratenen Stückchen Hammelfleisch
bestehend. Wenn übrigens dieser Kavap dem kaukasischen Scheschlik ähnlich war, so
hat sich meiner Meinung nach Hr. Schuyler über sein Abendessen nicht zu beklagen
gehabt. Es gibt kaum etwas Delikateres.
aU.SS. REYL'K. BD. XIII. 1 1
t6i
Beamten gegenüber, die in der Regel eine wichtigere Kolle sjpielen
Wollen, als ihnen zukommt, ein energisches Auftreten durchaus am
Platze War. Ebenso möchte ich dem Leser mit Hrn. Schuyier*s eige-
nen Worten die Art beschreiben, wie seine Vorstellung beim Chan,
die für den frühesten Morgen angesetzt war, ablief. «Nachdem wir
etwa eine Werst weit dem Flussufer entlang geritten waren (so heisst
es auf S. 24) kamen wir zu einer doppelten Reihe lächerlich aussehen-
der, kreuzbeinig auf der Strasse sitzender Soldaten, in den abge-
schmacktesten Uniformen, einige mit Luntenschloss-, andere mit
Steinschloss-Musketen, welche meistens in der Lage von^««Präsen-
tirt^s Gewenr»«! gehalten wurden. Wir ritten noch eine kleine
Strecke, mussten absteigen, und verschiedene Beamten (Generale,
wie sich später ergab) in langen dunkelfarbigen Röcken, mit hoher
Pelzmütze, goldenen Schildern und Schwertern und 3 Epauletten
(eine auf jeder Schulter und eine auf der Mitte des Rückens), er-
fassten uns sogleich bei den Armen ^ Wir kamen zur Front eines
grossen Gartens, wo in der Entfernung von 100 und mehr Schritt
unter einem grünen Bucharischen Zelte 3 weissbeturbante Männer
Sassen. Welcher von ihnen der Chan war, konnte ich nicht unter-
scheiden». «Das Gefolge rief mit lauter Stimme etwas, wovon
ich nur ••Chudajar Chan Kylsun»» verstehen konnte. Wir wurden
aufgefordert, unsere Briefe und Geschenke abzugeben, und unmittel-
bar darauf, schneller als wir gekortimen, zurückgebracht. Dieses
Verfahren setzte mich in das grösste Erstaunen, da ich das an die-
sen Höfen herrschende Ceremoniell einigermaassen" kannte und
vorausgesetzt hatte,^ dass es nur eine vorläufige Begrüssung sei,
nach welcher wir, zu dem Zelte vorgehend, dem Chan persönlich
vorgestellt werden würden. Haba-Bai, der ein geborener Chokander
war, obwohl er seit lange schon in Chodschend sich niedergelassen
hatte, und vielleicht kein ganz reines Gewissen besass, ward von
Furcht und Zittern ergriffen, da er glaubte, er werde zu sofortiger
Hinrichtung abgeführt; und selbst Abdullah dachte, dass man uns
in's Gefängniss schaffe. Wir wurden jedoch, nachdem wir durch die
* Dass Hm» Schuylers : 9anä immediaUly cur arms were seizeti by various ofßciah»
nicht etwa, wie es doch naheliegend scheint, mit: «und verschiedene Beamte nahmen
uns schleich die Waffen ab> übersetzt werden darf, geht aus einer späteren Stelle des
Buches (S. 83) hervor, wo von der Audienz Hm. Schuyler's beim Emir von Buchara die
Rede ist. Es heisst daselbst: ^On such occasions it is usual for the masters of ctremo
niis io drag along tJü person itfko is to be presenttd to the Amir^ but my presemtation
beimg somemhat informal , they contented themsehes with merely touching my arm».
»63
^tize Reihe von Soldaten zu Fuss gegangen waren, nur nacli ei-
nem, nahe am Ufer liegenden Hause gebracht, welches gleichzeitig
von dem Bek von Balyktschi, wenn er den Sommer in Utsch-Kur-
gan zubringt, eingenommen wird».
•Im Hause angelangt, führte man uns in ein Empfangszimmer,
wo wir auf Stühlen sassen, während der Bek uns mittheilte, dass der
Chan ihm befohlen habe, uns Gastfreundschaft zu erweisen». —
«Die schöne Lage des Hauses, nahe am Flusse, und der grosse Garten
mit seiner Schattenfülle erfreuten uns sehr. Der Bek fragte uns,
was wir nöthig hätten und sagte, dass alles von dem Belieben des
Chan abhänge, dass diesem gegenüber Niemand wagen dürfe,
zuerst irgend eine Angelegenheit zur Sprache zu bringen, und dass
wir daher warten müssten; und als wir ihm bemerklich machten,
dass wir der Meinung wären, der Chan habe uns, die Ueberbringer
von Briefen der höchsten Autoritäten Taschkend's, unschicklich
behandelt, weil er uns nicht persönlich empfing, so wiederholte er,
dass hier alles im Beliebea des Chan's stehe, und dass weder er (der
Bek) noch viel weniger irgend ein Anderer es wagen dürfe, den
Chan zu bekritteln oder mit ihm zu sprechen».
Die Reisenden mussten sich also mit Geduld wappnen und zum
Warten bequemen. Es heisst bei Hrn. Schuyler (S. 27): «Wir mussten
früh aufstehen, denn nach Aufgang der Sonne konnte man nicht
mehr im Freien schlafen, und hatten den ganzen Tag über nichts zu
thun, als auf dem Rücken zu liegen und uns mit den verschiedenen
Hausbewohnern zu unterhalten, oder im Garten herumzugehen und
die Beschäftigungen der Leute mitanzusehen. Es war das eine sehr
gute Gelegenheit, den Haushalt eines eingeborenen reichen Edel-
mannes kennen zu lernen. Hr. Schuyler schildert nun das Thun
und Treiben der Leute in diesem Hause, und theilt (S. 29- 32) in
ziemlicher Ausführlichkeit mit, was er während der Zeit seines
mehrtägigen Wartens in Bezug auf viele Eigenthümlichkeiten und
mancherlei abergläubische Gebräuche der Muselmänner in Erfah-
rung brachtet
* Unter dem, von Hrn. Schuyler Notirten findet sich manches Sonderbare, wie z. B.
Wenn Du niesest, während ich Dir etwas sage, so ist das ein Beweis, dass ich Recht
habe. (Gerade wie bei uns.) — Wenn ein Hase über den Weg eines Reisenden läuR,
so bedeutet das ein Unglück. (Ebenfalls wie bei uns.) — U. s. w. Wenn einem das
Ohr klingt, so ist das ein Zeichen, dass Jemand gestorben ist, und dann wird stets
ein Gebet hergesagt Dieses Ohrenklingen steht übrigens mit einer hübschen Le*
gende in Verbindung. Im Himmel gibt es nämlich einen Baum, auf jedem seiner
164
Endlich war alles geordnet. Die Reisenden erhielten die üblichert
Chalate zum Geschenk von Seiten des Ch^n's, und es wurde ihnen
gesagt, dass sie kommen und sich bedanken müssten, bei welcher
Gelegenheit sie auch ihre Reisepässe erhalten würden; alsdann
könnten sie ihres Weges in Frieden ziehen. Diese Abschiedsvisite
wird von Hrn. Schuyler folgendermaassen beschrieben: «Wir gingen,
angethan mit unseren neuen Gewändern, zum Chan, empfingen
unser Papierstückchen mit des Chans Siegel, und machten, indem
wir dasselbe, wie uns geheissen ward, zwischen dem ersten und zwei-
ten Finger der rechten Hand hielten, eine tiefe Verbeugung. Wir
waren dieses Mal dem Chan viel näher, und sahen, dass er ein
starker, angenehm aussehender Mann von ungefähr 45 Jahren war,
mit einem braunen Barte. Er hob sogar seine Hand zum GrussU.
Von Utsch-Kurgan aus trennte sich Hr. Schuyler von seinem bis-
herigen Reisegefährten Hrn F., welcher nach Namangan ging, und
setzte seine Reise, eine süd-östliche Richtung nach der grossen, von
Utsch-Kurgan 36 Werst entfernten Ortschaft Paita einschlagend,
allein fort. Der Weg führtp im Anfange über nackte Steppen, dann
aber durch gut bewässertes und gut bebautes Land, und überall war
man mit Ausbesserung der Strasse eifrig beschäftigt*. Hr. Schuyler
BlXUer ist der Name einer Seele aufgeschrieben, und was die Menseben «Olirenklingen»
nennen, das ist nichts anderes, als das Rascheln eines von diesem Baume fallenden
Blattes. Ist nun das Geräusch in Deinem Ohr dem Glockengeläute ähnlich, dann ist es
die Seele eines Christen, deren Blatt fiel, und dieser stirbt; und für einen jeden Glauben
ist das Geräusch ein anderes.
* Der in persischer Sprache geschriebene Reiscpass des Elrn. Schuyler lautete wie
folgt: «An alle Hakims, alle Festungskommandanten, alle Beks, alle Amlakdars, und
alle Serdars: Durch di^en Befehl sei kund und zvl wissen, dass ein Russischer Ame-
rikanischer Gesandter mit seinen Leuten zum Vergnügen und Zeitvertreib reist, lasset
daher diesen Russen, in welches Vilajet und Kischlak er auch gehen mag, nichts ge-
schehen, was dem unserem Gaste zukommenden Gastrechte oder seinen Wünschen
entgegen wäre, und lasset ihm die ihm zukommende Gastfreundschaft erweisen, ihn
ansehend (d. h. seinen Stand berücksichtigend), und lasset keine Narrenspossen mit
ihm treiben (*and ict masquerades not bc made of him»)^ und lasset unpassende Worte
nicht zu ihm gesprochen werden*.
' Hr. Schuyler schreibt (S. 36): «In den kleinen Ortschaften trafen wir ein halbes
Dutzend Reiter, welche alle Einwohner anwiesen, den Weg zu reinigen und in Ord-
nung zu bringen, weil man in zwei Tagen den Chan erwartete. Sobald sie einem
Menschen oder Hause nahe kamen, schrien sie so laut sie konnten: ««Seine Majestät
Chudajar-Chan kommt. Sehet zu, dass der Weg eben sei und dass weder Schlami|i
noch Unreinigkeit da ist**; und die ganze Strasse entlang wa^n grosse Haufen Bauern
beschäftigt, die Löcher auszufüllen und alles eben und gut zu machen*. Ilr. Schuyler
meint, er sei hierbei an das Evangelium Matthäi erinnert worden, wo von Johannes
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sandte, um die Wirkung seines Reisepasses zu prüfen, einen
Dschigit mit demselben voraus und verlangte zur Wohnung einen
Garten mit gutem Wasser, Futter für die Pferde und für sich ein
Abendessen, was alles pünktlich gewährt ward, denn an der Stadt-
grenze erwartete ihn ein Bote und geleitete ihn zu einem, dem
Serdar der Stadt gehörigen Garten, wo auf einer Terrasse Teppiche
für ihn ausgebreitet waren; ein, vom Bazar gekommener Thee-Knabe
servirte Thee und Melonen ; und zum Abendessen erhielt er Shurpa
(eine kräftige Bouillon von Schafsfleisch) und Pillaw. Wie ihm denn
überhaupt jegliche Aufmerksamkeit erwiesen ward, denn der Serdar
führte ihn am nächsten Morgen nicht nur durch die Stadt, welche,
da gerade Bazartag war, sich mit Landvolk aller Art, Usbeken,
Kiptschaken und Kirghisen füllte, sondern gab ihm durch fortwäh-
rende Gärten und Dörfer bis zum 9yr-Darja das Geleite, wo er
abwartete, bis Hr. Schuyler, auf einem hohen Karren sitzend, die 3
breiten Flussarme glücklich passirt hatte. Von da ging es noch
6 Werst weiter, fortdauernd durch Gärten, bis Andidschan er-
reicht ward.
Auch in Andidschan, eine Stadt von 20,CXX) Einwohnern und nach
Chokand Hauptort des Chanats, scheint es Hrn. Schuyler nicht
schlecht gegangen zu sein, denn obgleich er in Betreff der ihm am
Bazar angewiesenen, aus Haus und Hof bestehenden Wohnung (es
war dieselbe, welche Fedtschenko bei seiner Chokand'schend Reise be-
wohnt hatte) bemerkt, dass sie in Folge des mit jedem Lufthauche
herbeigeführten sehr ekelhaften Geruchs, des echten mittel-asiatischen
Bazar-Geruchs, höchst unangenehm gewesen sei, so sagt er doch
(S. 42): «Andidschan machte auf mich einen sehr angenehmen Ein-
druck ; ob das nun bedingt war durch diese malerisch sich darstellenden
Strassen und vielen Gärten, den einem Landhause so ähnlichen
Palast des Bek, den reissend angeschwollenen Kanal, das auf-
geweckte und muntere Aussehen der Bevölkerung, oder durch die
grössere Mannichfaltigkeit der Speisen, das weiss ich nicht; wahr-
scheinlich durch alles zusammen, und nicht am Wenigsten durch
das Letzte». Hr. Schuyler sali sich den grossen und schönen
Bazar, verschiedene Medressen und eine Anzahl hübscher, aus ge-
brannten Mauersteinen aufgeführte Karawansereien an, die besser
waren, als die von ihm in Chokand oder in Taschkend gwehenen.
Er wurde dabei von einer Eskorte Soldaten und Beamten begleitet,
dem Täufer gesagt wird : «Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wttste, bereite^
dem Herrn seinen Weg und machet richüg seine Steige».
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und obschon das seine freie Bewegung einigermaassen hinderte,
80 hatte es doch auch sein Gutes, weil dadurch die, ihn bei jedem
Schritt umdrängende Volksmenge zurückgetrieben ward. Am an-
deren Tage stellte er sich dem Bek Nasr-Eddin, dem älteren Sohne
des Chan\ vor, und zwar fand dabei keine besondere Zeremonie
statt. Der Bek sass in seinem Palast am Fenster; man verbeugte
sich und g^ng dann näher zu ihm heran auf die Veranda, wo man
während der Unterredung stehen bleiben musste, während der Bek
im Innern des Zimmers sitzen blieb. Der Bek, der Hrn. Schuyler
die Hand zum Fenster heraus reichte, gebot ihm, näher an*s Fenster
heranzukommen. Als ihm Hr. Schuyler mittheilte, dass er noch am
selbigen Tage abzureisen gedenke, da meinte der Bek, das ginge
doch nicht gut an ; er (der Bek) sei 20 Tage in Taschkend gewesen,
und er (Hr. Schuyler) müsse doch ebenso lange in Andidschan
bleiben ; Andidschan sei ein ganz anderer Ort wie Taschkend, und
man müsse sich alles ansehen; sie müssten gute Freunde werden,
u. s. w. Als ihm Hr. Schuyler bemerklich machte, dass seine
Zeit äusserst beschränkt sei, dass er aber den heutigen Tag noch
bleiben wolle und als er ihm einen silbernen Tabaksbehälter in Form
eines Hornes schenkte, da leuchteten seine Augen und er sagte auf
russisch: «Zum Andenken«! Nach einigen Komplimenten verbeugte
sich Hr. Schuyler und fragte, in Uebereinstimmung mit der herr»
sehenden Etiquette, ob es ihm erlaubt sei, sich zu entfernen, was
ihm gnädig gestattet ward. Er wurde in ein kleines Zimmer auf der
anderen Seite des Hofes geführt, wo des Bck's Haushofmeister ihm
eine Tasse Thee und einen Dostar-Chan vorsetzte, weit schlechteres
Zeug, als er jemals von irgend einem kleinen Dorfbeamten bekommen
hatte. Er setzte die Tasse nur an seine Lippen, als ihm der Haus-
hofmeister einen schon gebrauchten Chalat (a second Iiand gawn)
von scharlachfarbiger Seide miv Gold durchschossen brachte (Andrei,
Hr. Schuyler's Dolmetscher, erhielt ein eben solches aber ganz ge-
wöhnliches Gewand) und sagte, er könne jetzt gehen, welche Er-
laubniss er sofort benutzte, nachdem er zuvor nochmals in den Hof
gegangen war, um sich vor dem Bek zu verbeugen*. Später ward
' Hierbei sieht sich Hr. Schuyler zu nachstehender Expectoration genöthigt (S. 40):
«Ich habe hier, wie anderswo, solche, mich doch nur persönlich betreflende und schein-
bar unbedeutende Details mitgetheiit, weil aus ihnen ein Maassstab fUr den Geist und
die Gesinnung der Chokand* sehen Autoritäten in ihrem Verkehr mit den Russen ent-
nommen werden kann. Obgleich ich als Privatperson reiste, so war ich doch in*s Land
gekommen, ausgerüstet mit einem ausdittcklic^en Empfehlungsbriefe der Russischen
167
Hr. Schuyler noch benachrichtigt, dass ihn der Bek sehr gcm am
Abend als Freund bei sich sehen möchte, dass er sich aber vor sei-
nem Vater, der heute oder morgen kommen würde und der kein
Freund der Russen sei und es nicht wünsche, dass seine Unterthanen
mit ihnen umgingen, fürchte.
Von Andidschan ging Hr. Schuyler nach dem, einige 40 Werst in
Süd-östlicher Richtung gelegenen Usch (oder Osch). Der Weg führte
über niedriges Gebirge, von wo man eine hübsche Aussicht in das
Andidschan-Thal hat, dann durch ein kleines Thal, in welchem das
DorfKaschgar liegt; von da wieder hügeliges Land, wieder ein
hübsches Thal mit Feldern und Bäumen im Vordergrunde, weiter
zurück kleine nackte steile Berge^ und ganz hinten hohes Gebirge,
auf welchem jetzt nur noch wenig Schnee lag. Nachdem die Reisen-
den in dieses Thal gekommen und einen kleinen Fluss überschritten
hatten, gelangten sie nach der Ortschaft Hodschawat, von wo aus sie
endlich, bei grosser Hitze, Usch erreichten.
In Usch überwies man Hrn. Schuyler ein bequemes Haus, mit ei-
nem grossen reinlichen Hof, nahe bei dem sogenannten «Thron
Salomo's», ein, mitten in der Ebene aufsteigender Fels, von welchem
die Sage geht, dass König Salomo sich einstmals hier einen Thron
aufgerichtet habe, um diesen Theil der Welt zu überschauen. Ein
vierseitiges, solides, verziertes, die Spitze des Felsens überragendes
Grabmal soll Salomo's Körper enthalten. Unterhalb des Felsens be-
findet sich ein grosser Garten mit 2 oder 3 Moscheen, der Aufent-
haltsort einer Brüderschaft von Einsiedlern, welche von den hierher
kommenden Wallfahrern Geschenke erhalten Usch ist eine grosse,
zu beiden Seiten des, durch eine Brücke überspannten Ak*bura*
Flusses gelegene Stadt. Jenseits lag die Festung, diesseits der
grosse Bazar, welcher, da gerade Bazartag war, mit Volk angefüllt
war, im Uebrigen aber nichts besonders Bemerkens wert hes enthielt.
Von Usch aus beabsichtigte Hr. Schuyler nach Usgend (Oskend)
und nach dem, nach Kaschgar führenden Terek-Dawan-Pass zu ge-
hen, ja er hatte sogar die Idee, Kaschgar selbst zu besuchen,
wenn er den Weg praktikabel finden würde, und schwankte nur,
weil er nicht früher daran gedacht hatte und nun keine Empfeh-
Autoritäten, welche vorausgesetzt hatten, dass ein, von ihnen dem Chan gegenüber
ansgesprochener Wunsch ebenso viel sei als ein Befehl, und dass dem einen wie dem
anderen ergebenst gehorcht werde. Als ich nach meiner Rückkehr nach Tasckkend die
Vorkommnisse meiner Reise wiedererzählte, da gab sich ein grosses Erstaunen kund
und Mancher ging so weit, zu behaupten, dass ich stark übertrieben hätte».
i68
lungsschreiben dorthin besass. Ebenso hatte er den Wunsch, im
Alai-Gebirge sich einige Gletscher anzusehen und wenn möglich
nach Karategin zu gehen. Allein alle diese Pläne wurden durch die
Chokandschen Behörden vereitelt, die allerlei Bedenken hatten und
Ausreden machten; nur nach Naukat gestattete man ihm endlich zu
gehen, welche Erlaubniss Hr. Schuyler annahm, weil er hoffte, es
werde ihm von dort aus verhältnissmässig leicht sein, auch ohne Er-
laubniss in's Alai-Gebirge zu gelangen. Hr. Schuyler verliess daher
Usch unter der Führung eines, ihm von dem Serkar der Stadt beige-
gebenen Dschigit, und kam nach dem, auf seiner Karte nicht ange-
gebenen kleinen Städtchen Arawan, wo er zu seinem grössten Aer-
ger von der Ortsobrigkeit erfuhr, dass er sich gar nicht auf dem
Wege nach Naukat, sondern auf der, nach Marghelan führenden
Strasse befand. Der Dschigit hatte ihn mit Absicht irre geführt und
zwar, wie derselbe jetzt gestand, auf Befehl des Serkar. Unter sol-
chen Umständen war weiter nichts zu thun, als direkt nach Marghe-
lan zu gehen, was denn auch über Ming-Tep^, wo genächtiget
ward, und Kua-Kischlak und Yaka-Tut geschah. Von Yaka-Tut an
bis Marghelan, eine Strecke von etwa 12 Werst, war die Gegend ein
kontinuirlicher Garten, und Hr. Schuyler erreichte die Stadt, vor
deren Thoren er von einigen Leuten insultirt wurde, am frühen
Abend unmittelbar vor Thorschluss.
Marghelan ist eine Stadt von 30,000 Einwohnern und von
einer hohen Mauer umgeben. Fast in jeder Strasse befinden sich
kleine, im persischen Styl erbaute Kapellen (Mazars) mit runden
zwiebelähnlichen Kuppeln, Mosaikfronte, und vieler in Alabaster
ausgePührter erhabener Arbeit, was der Stadt ein freundliches, hei.
teres Aussehen gibt. Der wie der chokandische Bazar überdeckte
Bazar stank fürchterlich. Es wurde Hrn. Schuyler von Seiten der
Behörde ein hübsches Haus mit nettem Hofe und kleinem Blumen-
garten angewiesen, dabei jedoch erklärt, dass^man nichts weiter thun
könne, und dass er sich vom Bazar aus auf eigene Rechnung zu
beköstigen habe; was denn auch geschah. Zwar hatte sich Hr.
Schuyler vorgenommen, den ganzen nächsten Tag noch in Marghelan
zu bleiben, allein die ungastliche Aufnahme (er bekam von Seiten
des Hausbesitzers nicht einmal Theegcschirr geliehen), zu welcher
noch der Gestank des Bazars während der Tageshitze kam, verdross
ihn so, dass er am nächsten Tage nach dem, nur 18 Werst entfern-
ten Duwana und von da nach Kara-Tepd weiter ging. Die erste
Hälfte des Weges von Marghelan nach Duwana führte sehr angc-
i6g
nehm durch Gärten und Felder, dann aber kam man auf eine voll-
Icommen nakte, wasserleere Steppe, welche sich über 30 Werst weit
erstreckt. In dieser Steppe liegt das elende, aus einigen Hütten
bestehende Duwana, nur, wie man sagt, von Derwischen bewohnt.
Kein Baum findet sich hier und selbst das Wasser muss aus der
Nähe von Marghelan gebracht werden. Auf der Weiterreise
nach der grossen Ortschaft Kara-Tepc wurde Hr. Schuyler gegen
Abend von einem heftigen Sturm und Regen betroffen, so dass
er durch und durch nass in Kara-Tep^ ankam, wo es ihm nicht
möglich war, ein Unterkommen zu finden. Der Aksakal (Orts-
vorstand) kümmerte sich gar nicht um die Reisenden, sagte, dass
es gar nicht seines Amtes sei, ihnen aufzuwarten, und gab ihnen
den Rath, auf dem Bazar von irgend einer Bude Besitz zu ergreifen
und die Leute hinauszuwerfen fü? turn the people out). Hr. Schuyler
befolgte diesen Rath und nahm die Galleric einer Bude in Beschlag,
als er aber seine nassen Kleider wechselte, so war das ein, das
mohammedanische Schicklichkeitsgefühl so beleidigender Akt, dass
er dadurch die Verwünschungen und Schmähungen der gesammten
Nachbarschaft auf sich zog. Darauf verwehrte man ihm Pillaw
zu kaufen und verweigerte ihm selbst heisses Wasser zur Theeberei-
tung. Nach langem Streit musste abermals zum Aksakal geschickt
werden, der aus dem Bett geholt ward (es war schon ziemlich spät)
und die Leute der nächsten Bude zwang, das Nöthige herbeizu-
schaffen. Da das Wetter besser geworden war, so brach Hr. Schuy-
ler um Mitternacht auf und erreichte, in Folge der, durch den Regen
aufgeweichten Wege nur langsam vorwärtskommend, nach $ Uhr
Morgens Chokand, wo er, wie früher, so auch dieses Mal bei seinen
Freunden in Zekat-Sarai Unterkommen fand.
Von Chokand kehrte Hr. Schuyler, nur einen Tag in Chokand blei-
bend, um seine müden Pferde sich etwas erholen zu lassen, auf dem-
selben Wege, welchen er gekommen, also über Machram *, nach
einer Abwesenheit von nahezu einem Monat nach Chodschend
zurück.
' In Machram versuchte Hr. Schuyler noch einmal die Wirkung seines Reisepasses,
und es war ihm, nach den schlimmen Erfahrungen der letztvergangenen Tage, sehr an •
genehm, zu fmden, dass er von Seiten des Bek, den er jedoch nicht zu Gesicht bekam,
gastfreundlich aufgenommen ward. *Ich erhielt einen grossen Garten, eme Masse von
Früchten und ein Abendessen. Die Einwohner kamen in grosser Anzahl, um mich zu
sehen, und da ich mir vorgenommen hatte, um Mitternacht abzureisen, so legte sich
ein Jeder zum Schlafen auf die Terasse, um meinen Aufbruch abzuwarten».
«Meine Reise (so heisst es auf S. 54) war in vieler Hinsicht unaiv
genehm, aber doch nicht ganz nutzlos. Ich habe erfahren, wie so
eine mittel-asiatische Regierung beschafien ist, und habe die Grösse
und das Wesen des Einflusses, den Russland auf seine Nachbarn
ausübt, kennen gelernt».
Den Schluss dieses neunten, Hrn. Schuyler*s Bercisung des Cho-
kand'schen Chanates umfassenden Kapitels, machen Auszüge aus
einem äusserst interessanten Briefe, welche ein Eingeborener im
Jahre 1874 schrieb. Dieser Brief handelt über die gani unglaub-
lichen Erpressungen, welche sich Chudojar-Chan zu Schulden kom-
men liess, und die ganz ohne Zweifel eine der Hauptursachen der
Unzufriedenheit der Bevölkerung waren. So ein asiatisches Volk
erträgt Grausamkeiten aller Art, selbst das Lebendigbegrabenwer-
den und das entsetzliche Pfählen*, ohne Murren,, denn es ist daran
gewöhnt; allein wenn Neuerungen in Betreff der Abgaben und Ver-
mehrung derselben eingeführt werden, wie es in so äusserst raffi-
nirter Weise von Seiten des Chan*s von Chokand geschah, dann be-
ginnt es zu murren und schliesslich zu revoltiren.
•
Reise nach Buchara.
«Meine Bereisung Buchara's contrastirte in jeder Beziehung mit
der Bereisung Chokand^s. Buchara war nicht so schön, aber es zeigt
das Gepräge einer älteren und mehr ausgebildeten Civilisation. Die
Bewohner des Landes waren liebenswürdig und hatten feinere
Sitten; allein sie waren auch weniger einfach und mehr rusL Meine
Aufnahme war so, dass ich sie mir nicht besser wünschen konnte.
Man betrachtete mich nicht wie einen fremden Spion und behan-
delte mich nicht mit Gleichgültigkeit, oder wohl gar mit Hohn; im
Gegentheil, ich wurde wenigstens äusserlich als ein geehrter Gast
betrachtet, und Festlichkeiten und Vergnügungen wurden mir zu
Ehren veranstaltet. Die Bucharen wissen bestimmt, was Gastfreund-
schaft ist, und zeigten mir dieselbe von der besten Seite. Bei alle-
dem glaube ich jedoch nicht, dass sie über die Russen in Wirklich-
keit anders denken, als die Chokander; sie gaben der Sache nur einen
anderen Ausdruck. In Chokand sprach sich das durch Rohheit und
Unhöflichkeit aus; in Buchara nahm man seine Zuflucht zur ganzen
' Ueber das «Pfählen* und über die verschiedenen anderen in Chokand üblichen
I^ibesstrafen und Hinrichtnngsarten gibt Hr« Scbuyler auf S 16 weitere Auskunft«
17'
Feinheit der Diplomatie^ \ Mit Vorstehendem leitet Hr. Schuyier die
. Beschreibung seiner Buchara'schen Reise ein.
Hr. Schuyier trat diese Reise am i6. (28.) Juli von Samarkand
aus an» ausgerüstet mit Briefen des Generals Abramow an die Beks
von Kitab und Schaar, sowie an den Emir, und begleitet vom Ki*
tab'schen Polizeimeister, welcher von Samarkand, wo er mit dem
General Abramow zu thun gehabt, nach Hause zurückkehrte. Aus-
ser seinem Dolmetscher Andrei hatte er noch einen Kirgisischen
und Persischen Dschigiten bei sich, welcher letztere mit der Beauf-
sichtigung des Gepäckwagens beauftragt war.
In der, von Samarkand nur 24 Werst entfernten, am Nordfusse
der Samarkand-Gebirgskette gelegenen kleinen Ortschaft Kara-Tep^
ward das erste Nachtquartier abgehalten, zu welchem Zwecke von
Seiten der Ortsobrigkeit im Garten einer Moschee eine Jurte aufge-
schlagen und für Thee und Pillaw zum Abendessen gesorgt' worden
war. Am nächsten Tage wurde das obenerwähnte Gebirge selbst
durch den 5200 Fuss hohen Tachta Karatschi-Pass überstiegen, wo.
bei man von der Passhöhe aus sich des herrlichen Anblicks des
Thaies von Schehrisebs und der dahinter aufragenden, mit Schnee
bedeckten Hissar-Gebirgskette erfreute. Kitab, Schaar, selbst Jaka-
bagh und Tschiraktschi mit den umliegenden Dörfern waren
deutlich zu erkennen, obgleich' sie wegen der vielen Baum- und
Obstgärten mehr da3 Aussehen von Wäldern, als wie von Städten
hatten. Der Absteig vom Gebirge auf dessen Südseite war sehr
steil, so dass er zu Fuss geschehen, und das Pferd geführt werden
musste. Man war jetzt auf Bucharischem Grund und Boden ange-
kommen und wurde von einer 20 Mann starken Eskorte, welche der
Bek von Kitab den Reisenden entgegengeschickt hatte, empfangen,
auch wurden sogleich Boten nach der 12 Werst entfernten Ort-
schaft Kainar vorausgesendet, welche die Ankunft der, im gemächli-
chen Schritt nachfolgenden Reisegesellschaft anmeldeten. In Kai-
nar, wo man Mittags anlangte, natürlich abermaliger festlicher Em-
pfang von Seiten des, von einer Suite von Dschigiten begleiteten
Serkar. Hr. Schuyier ward zu einer, für ihn aufgestellten Jurte gelei-
. tet undTiatte kaum Zeit, das, nach dem staubigen Ritte nöthige Wa-
schen von Gesicht und Händen vorzunehmen, als schon eine Pro-
* Indem Hr. Schuyier sagt: «man nahm seine Zuflucht zur ganzen Feinheit der
Diplomatie«, so entwickelt er hier auf einmal eine Zartheit der Ausdrucksweise, die
man von ihm gar nicht gewöhnt ist; er hätte einfach sagen sollen: «man log in der un
verschämtesten W«^*; ^^ ^^^e die reine Wahrheit gewesen.
172
Zession mit dem, aus verschiedenen Süssigkeilen und Früchten be-
stehenden Dostar-Chan erschien, worauf eiligst grüner Thee, Suppe,
gekochtes Fleisch und Pillaw aufgetragen ward. Nach einstündiger
Rast brach man wieder auf und erreichte die Ortschaft Urus-Kisch-
lak, wo eine neue Eskorte, aus den Söhnen des Bek von Kitab be-
stehend, die Reisenden erwartete. Wie schon in den vorhergegange-
nen Fällen so auch hier Verbeugung und Händeschütteln, gegensei-
tige Erkundigung nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden der
Angehörigen, u. s. w.
Von hier aus wurde die Gegend grün und einladend; man durch-
fuhrtete den klaren, dem ganzen Thale bis Karschi hinab Leben und
Fruchtbarkeit gebenden KaschkarDarja, und erblickte vor sich, auf
einer kleinen Bodenanschwellung, den crenelirten, mit Zinnen verse-
henen Lehrawall, welcher die beiden Zwillingsstädte Kitab und
Schaar, aus denen Schehriscbs zusammengesetzt ist, umschliesst. In-
nerhalb dieses Walles befanden sich Obat- und Baumgärten, und es
dauerte eine Weile, ehe man die eigentliche Stadtmauer von Kitab
erreichte.
In Kitab selbst musste Hr. Schuyler eine Anzahl Strassen und
den Bazar durchreiten, um nach seinem Absteigequartier, der Resi-
denz des Polizeimeisters, seines bisherigen Reisebegleiters, zu ge-
langen, wo ihm die ausgedehnteste Gastfreundschaft erwiesen ward.
Nun folgt auf S. 64 u. ff. eine ziemlich ausfülyliche Schilderung der
ihm erwiesenen Ehrenbezeugungen und Aufmerksamkeiten. Auf
den Strassen, welche er passirte und namentlich auf dem Bazar er-
hob sich Jedermann und grüsste nicht allein achtungsvoll,, sondern
auch freudig. Auf dem Balkon seiner Wohnung waren Teppiche
und seidene Matratzen und Kissen ausgelegt, auf denen er sich be-
haglich strecken konnte; der von den Dienern herzugebrachtc Do-
star-Chan bestand aus mehr als 20 Gerichten; und alsbald erschie-
nen ein Dutzend Knaben, die Musik ertönte, das Tanzen der Kna-
ben begann und dauerte ohne Unterbrechung ein Paar Stunden, bis
Hr. Schuyler, der (wie er sich ausdrückt) bereits fürstliches Gebah-
ren angenommen hatte, huldvoll die Erlaubniss zur Beendigung
gab. Gegen Abend erfuhr er, dass der Bek zu seinem Empfange
bereit sei. Er begab sich daher nach der von hohen Lehmmauern
umgebenen, zwei grosse Höfe und verschiedene Gebäude enthalten-
den Citadelle, zu welcher, da sie auf einem künstlichen Hügel er-
baut ist, ein steiler Weg aufwärts führt. Oben wurde er von ver-
schiedenen Beamten erwartet, und zur Seite so wie auf den bcnach-
barten Strassen Spalier bildende Soldaten salutirten unter Trom-
petengeschmetter, während eine grosse Volksmenge hinterher
drängte. Beim Eintritt in den ersten Hof kam ihm der Bek entge«
gen, drückte ihm lebhaft die Hand, fragte nach seiner und des Ge-
neral Abramow Gesundheit, und führte ihn in den Empfangssaal,
eine schöne grosse Halle, deren Wände mit arabeskenartigen Mu-
stern stuckaturt waren. Die rothüberzogenen Stühle, auf welche man
sich während der Unterhaltung setzte, waren übrigens »dieselben,
welche Hr. Schuyler in seiner Wohnung beim Polizeimeister be-
nutzt hatte, denn er sah, wie ihm dieselben in Prozession nachgetra-
gen worden waren; und in Betreff der Unterhaltung selbst wird von
unserm Reisenden angeführt, dass unter Anderem auch die Rede
auf Amerika gekommen sei und dass der Bek so wie die anderen
Würdenträger so seine eigenen, freilich sehr unbestimmten Ideen
von diesem Lande gehabt habe, da er zu glauben schien, Amerika
sei ein Ort, etwa so gross wie Buchara, und die Leute seien daselbst
hauptsächlich mit Baumwollenkultur beschäftigt. Nach abermaligen
Komplimenten uiid Befragungen nach der Gesundheit ward Hr.
Schuyler entlassen und erhielt als Geschenk einen rothen Chalat
von Goldstoff, wie ihn die russischen Priester tragen, während der
Dolmetscher und Dschigit jeder ein seidenes Gewand bekam; vor
der Thür aber erwartete ihn ein anscheinend sehr schönes Pferd mit
goldplattirtem Zügel und gesticktem Geschirr, welches sich jedoch
nach Abnahme von Sattel und Zeug zwar als ein Argamak, aber als
sehr schwach erwies, und vielleicht nur 3 Pfund Sterling werth war.
Nach der Mahlzeit erschienen wiederum die tanzenden Knaben; da
aber Hr. Schuyler keinen abermaligen Tanz wünschte, so Hess man
einige ^ Maskaradas Aes» (eingeborene Komödianten) kommen, wel-
che die Gesellschaft bis spät in die Nacht mit ihren komischen, dem
Volksleben entnommenen Vorstellungen und mit der Nachahmung
von Thieren amüsirten, und fortwährend schallendes Gelächter der
Zuschauer hervorriefen. Am anderen Tage, nachdem er seine Ge-
gengeschenke an den Bek gesendet*, den Bazar besucht und viele
* Hr, Schuyler erzählt hier, dass der Bek mit dem die Geschenke überbringenden
Dolmetscher eine längere Conversation gehabt und sich erkundigt habe, ob Hr. Schuy-
ler nicht etwa ein Verwandter ües Kaisers sei, denn obgleich er wusste, dass er ein
Amerikaner war, so schien er doch zu glauben, er sei zugleich ein Russe. Auch habe
der Bek bald darauf einen Boten gesendet und ihn bitten lassen, dem General Abramow
zu schreiben, wie gut seine, hiesige Aufnahme gewesen sei, hinzufügend, dass er (der
Bek) den Brief von sich aus fortschicken wolle.
m
Leute, die mit ihm sprechen wollten, empfangen hatte, begab sicli
der Reisende nach dem nur 9 Werst entfernten Schaar, von dem
dortigen Bek mit Ungeduld erwartet.
Der Weg von Kitab nach Schaar verläuft zwischen, in hoher Kul-
tur stehenden Gärten und Feldern, welche ringsum mit Bäumen
bepflanzt sind. Empfang an der Grenze von Seiten des Neffen des
Bek mit grosser Suite, Alle in Gallakleidung; Begrüssung und gegen-
seitiges Befragen nach der Gesundheit. Läufer voran; denn hier ist
es Braudh, dass hohe Würdenträger ihren Pferden Leute voraus-
gehen lassen. Als Hr. Schuyler den Versuch machte, bei den Läu-
fern vorüberzureiten, da folgte Jedermann seinem Beispiele, allein
Keinem gelang es, die Läufer zu überholen. Als man zur Stadt ge-
langte, ward das Gedränge sehr gross, verschiedene Personen kamen
und schüttelten die Hand, sehr viele verbeugten sich sehr tief,
namentlich die Juden und Hindus; und bei der Festung, wo sich der
Palast des Bek befindet und wohin sich Hr. Schuyler auf ausdrück-
lichen Wunsch des Bek direkt begab, hatte sich eine solche Volks-
menge angesammelt, dass die Polizei Mühe hatte^ Ordnung zu er-
halten. Am Thor der Festung Ehrenwache und Trompetenge-
blase; innerhalb derselben zum weiteren Empfange 3— 400 Mann
Soldaten aufgestellt; abermals grosser Tusch von Trommeln und
Trompeten und sogar Kanonendonner zur Begrüssung. Hier stieg
Hr. Schuyler vom Pferde, ward von zwei ^usiasc/iis (Befehlshaber
über 100 Mann) in Empfang genommen und in den inneren Hof des
Palastes geführt, wo ihm der Bek, ein alter Mann mit zitternden
Händen, herzlich grüssend entgegenkam. Man setzte sich auf einen
grossen Teppich, welcher über die, an einer Seite des Hofes ange-
brachte erhöhte Plattform ausgebreitet war, und begann eine län-
gere Unterhaltung, bei welcher sich der Bek ausserordentlich ge-
sprächig zeigte und scheinbar alles und jedes, was Hrn. Schuyler
betraf, wissen wollte: ob er mit General Kaufmann zusammenkom-
men werde? wohin er zunächst gehe? wie weit Petersburg sei? wie
viel weiter Amerika? u. s. w. «Unter Anderem (so liest man auf
S. 68) fragte er, ob es wahr sei, dass die Russen Chiwa dem Chan .
zurückgegeben hätten, c «Jetzt, (sagte er) nachdem die Russen
Chiwa genommen haben, haben sie alle Städte genommen, die sie
überhaupt nehmen konnten. Ich vermuthe, dass ausser England
keine einzige mehr übrig ist. Habt Ihr etwas darüber gehört?» •
Ich antwortete darauf sehr ernsthaft, dass ich nicht glaubte, dass
die Russen augenblicklich die Absicht hätten, diese grosse Stadt
m
zu Erobern, dass jedoch bei Allah jegliches Ding möglich sei»;
In der Zwischenzeit hatte man den DostarChan von mehr als
30 Gerichten herbeigebracht, und es ward ausgezeichneter grüner
Thee servirt Als Hr. Schuyler so viel gegessen hatte, als es
die Höflichkeit erforderte, wurden die Gerichte wieder abge-
tragen und zu ihm nach Hause geschickt, wo er sie bei seiner
Ankunft vorfand. «Ich kann nicht sagen (so lässt sich Hr.
Schuyler vernehmen), dass ich darüber traurig war, denn die
Kocherei in Schaar war bei Weitem die beste, welche ich in Central-
Asien angetroffen habe». Mit einem mächtigen Schimmel, den
ein ungeheuer grosses, gesticktes Tuch bedeckte, beschenkt, verab-
schiedete sich Hr. Schuyler und ward in das Haus eines hohen Be-
amten geführt, wo für ihn Wohnung eingerichtet war, und wo er die,
im Palast des Bek begonnene Mahlzeit fortsetzte, nach deren Be-
endigung er wiederum den Tanz von 10 Knaben bis spät in die
Nacht über sich ergehen lassen musste, weil die Neffen des Bek ge-
kommen waren^ um den Abend mit ihm zu verbringen. Am näch-
sten Tage besuchte Hr. Schuyler, begleitet von einigen Beamten zu
Pferde und einem Läufer voran, den Bazar, wozu übrigens die Er
laubniss des Bek vorher eingeholt werden musste. Es war gerade
Bazartag, und die ganze Stadt, insbesondere der Bazar, gedrängt
voll Menschen. Mit Ausnahme eines runden Gebäudes mit radien-
artig, vom Centrum ausgehenden Passagen, wo feine Baumwollen*
und Seidenwaaren wie auch Kurzwaaren verkauft wurden, glich
dieser Bazar jedem anderen bisher gesehenen, und jede Handels-
branche hatte ihre eigene Lokalität. Englische Waaren, mit Aus-
nahme dünner, zu Turbanen gebrauchter Musseiline, wurden nicht be-
merkt, dagegen viel russischer bedruckter Callico und andere Baum-
wollenwaaren; der grösste Theil der ausgelegten Gegenstände war
jedoch einheimisches Fabrikat. Hr. Schuyler besuchte dann noch
ein Theehaus, wo er einigen Gauklenl zusah, die mit zahmen Schlan-
gen Kunststücke machten, Feuer assen^ Messer verschluckten u.s. w.,
und verbrachte den Rest des Tages zu Hause, dem von einem Tam-
burin begleitenden Dutara-Spiele und Gesänge zweier Männer zuhörend,
und im Gespräch mit seinem Wirthe und dessen Freunden. Er erfuhr
dabei, dass Schaar 90 Moscheen und 3 Medressen habe, woraus man
auf eine Bevölkerung von ungefähr 20,000 Menschen schliessen kann
während das etwas kleinere Kitab ungefähr 15,000 Einwohner hat;
u. s. w. Am Abend ward schliesslich noch eine grosse Unterhal-
tung von Tänzen und Taschenspielern ihm zu Ehren arrangirt, und
zeitig am nächsten Morgen setzte Hr. Schuyler, von seinem Wirth
bis zu der kleinen Ortschaft Scharmitan begleitet, seine Reise nach
Tschiraktschi weiter fort. Neun Werst von Schaar zu einem Halt
eingeladen, trinkt er in einem Garten des Emir Thee. In Tschirak-
tschi findet der Reisende ebenfalls gute Aufnahme und Nachtquar-
tier; Abends Tanz der Knaben, die man von Schaar hatte kommen
lassen, da es in Tschiraktschi dergleichen mcht gab. Mit Sonnen-
aufgang geht es weiter nach Karabak, immer im grünen Kaschka-
Thale abwärts; rechts der Fluss, bald näher, bald weiter entfernt.
Gastliche Aufnahme in Karabak. Die Reise geht weiter nach
Scham, von wo bald nach 2 Uhr aufgebrochen und nur in Kanawat,
9 Werst vor Karsclii, ein kleiner Aufenthalt wird genommen, um
Thee zu trinken. Fünf Werst vor Karschi begegnet der Reisende
den Gehülfen des Bek mit seiner Suite; allgemeine Freude und
gegenseitige Umarmung, wobei sich jedoch ein Jeder hütet, durch
zu frühes Absteigen vom Pferde seiner Würde etwas zu vergeben.
«Ich hatte (sagt Hr. Schuyler) bald gelernt, in welchem Falle ich
zuerst oder zuletzt abzusteigen, oder wo ich die Bewegungen des
mir entgegenkommenden Würdenträgers zu beobachten hatte, und
verstand es so einzurichten, dass wir unsere Füsse in einem und
demselben Momente auf die Erde setzten».
Karschi wird, wie beinahe alle mittel-asiatischen Städte, von aus-
gedehnten Gärten umgeben, was hier um so mehr befremdet, als
der Kaschka-Darja, an welchem die Stadt liegt, schon lange bevor
er die Stadt erreicht, versiegt (natürlich nur während des Sommers).
Das zur Bewässerung nöthige Wasser wird von Brunnen geliefert,
aus denen es entweder mit der Hand oder mittelst roher Wasser-
schöpfmaschinen heraufgezogen wird, und Hr. Schuyler sah, als er
sich der Stadt näherte, längs der Strasse viele solche Brunnen, bei
denen fortwährend Leute beschäftigt waren, für den Gebrauch der
Reisenden und ihrer Pferde Wasser zu schöpfen und in grosse
Tröge auszugiessen. Auch in Karschi fehlt es Hrn. Schuyler an
nichts; insbesondere ist er mit seiner Wohnung sehr zufrieden, weil
das Zimmer einige Stühle und einen Tisch von anständiger Höhe
hatte, während anderwärts, selbst da, wo für seine Aufnahme beson-
dere Vorbereitungen getroffen worden waren, die Sitze nach larfdes-
üblichem Brauche stets einen Fuss höher waren, als der Tisch.
Karschi ist ein Centrum für den Handel mit Getreide, welches von
allen Punkten des so fruchtbaren Kaschka-Thales und selbst aus der
Nachbarschaft von Hissar hierher gebracht wird, um hauptsächlich
nach Buchara weitergeschafft zu werden ; ebenso ist hier der Haupt-
markt für die Waaren der Turkmenen, hauptsächh'ch für deren aus-
gezeichnete Teppiche; und endlich ist Karschi auch ein Stapelplatz
für Sklaven. Hr. Schuyler verlangte den Sklavcnmarkt zu sehen
und ward demgemäss auch hingeführt, allein es waren keine Sklaven
vorhanden, wohl aber sagte man ihm, dass wahrscheinlich am nach«
sten Tage, als am Bazartage, Sklaven zum Verkauf gebracht wer-
den würden. Ueberhaupt erschien die weitläufig gebaute Stadt mit
ihrem bedeckten, und mit gepflasterten Strassen versehenen Bazar
da kein Bazartag war, fast wie ausgestorben, während das am Markt-
tage, wo grosser Handel getrieben wird, ganz anders ist. Auf den
Feldern um die Stadt herum wird viel Mohn und Tabak gebaut,
welch letzterer als der beste in Central-Asien gilt Obgleich Hr.
Schuyler den Bek, zweiten Sohn des Emir, nicht zu sehen bekam,
so wurde doch der übliche Austausch von Geschenken nicht unter-
lassen. Hr. Schuyler erhielt 5 schöne Chalate und einen Schim-
mel, dessen Geschirr mit Carneolen und Türkisen besetzt war. Hr.
Schuyler sagt in Betreff dieses Pferdes (S. 78): «Das war ein wirk-
lich gutes Pferd, das beste, welches ich während meines Aufent-
haltes im Lande geschenkt bekam, allein es ging, als ich es zum
ersten Mal probirte, mit mir durch und ich hätte beinahe den Hals
gebrochen».
Von Karschi aus wendete sich Hr. Schuyler nach Nord-Westen,
um auf {geradem Wege nach Buchara zu kommen. Öald nachdem
er die Stadt verlassen hatte, ward das jetzt trockene Flussbett des
Kaschka auf einer, aus Ziegelsteinen erbauten neunbogigen Brücke
überschritten. Die Bogen waren jedoch zusammengestürzt und nur
die Pfeiler stehen geblieben, über welche eine Holzbahn gelegt war,
in Betreff welcher Hrn. Schuyler gesagt wurde, dass sie in jedem
Jahre von der Frühlingsfluth weggeschwemmt und wenn das Wasser
gefallen sei, wieder hergestellt werde. Nach einem Ritt von 27
Werst durch gut angebautes Land kam Hr. Schuyler nach Karsan,
wo er sein Abendbrod im Garten einer Moschee einnahm und näch-
tigte, das Schlafen in freier Luft aber zum ersten Mal beinahe zu
kalt fand. Ueberhaupt wurde die Reihe der Reiseannehmlichkeiten,
welche, wie aus allem hervorgeht, Hrn. Schuyler bisher im hohen
MaaSse zufrieden gestellt hatten, durch die von Karsan bis Buchara
zurückzulegende Wegstrecke unterbrochen. Er sagt auf S. 80 u. ff.:
«Es ist schwer, die Unannehmlichkeiten der Reise von Karschi nach
Buchara zu übertreiben. Auf der . ganzen Strecke von Karschi an
Bugs. RKvrB.BD.xm. la
t78
• t
gibt es absolut nichts, als Sand und einige wenige Stationen bei
Brunnen mit schlechtem Wasser, welche, wie alles Andere, noch
aus der Zeit von Abdullah Chan herstammen. Die Hitze war gross,
und ein heftiger Wind bliess uns den Sand fortwährend in die Au-
gen und Nasenlöcher, und machte das Reiten sehr ungemüthlich.
Häufig war der Weg derartig mit Sand überweht, dass er gar nicht
mehr zu erkennen war, obwohl man gewöhnlich in der Ferne die
Kuppel einer Cisterne oder irgend einen anderen Naturgegenstand,
durch welchen der Weg markirt wurde, erkennen konnte. Zum
Glück für mich waren an den meisten Stationen Zelte aufgeschlagen
und andere Vorbereitungen zu meinem Empfange gemacht worden,
so dass an reichlichem frischen Wasser, an Früchten und Lebens-
mitteln kein Mangel war; ich hätte ohne diesen Umstand die Reise
sehr schwierig gefunden. Ich war gezwungen, am Morgen so früh
als möglich aufzubrechen, während der Tageshitze auf irgend einer
Station zu rasten, und dann am Abend die Reise weiter fortzusetzen.
Da ich den Wagen mit dem Gepäck bei mir hatte, so konnte ich
mich, wenn ich zu ermüdet war, in den Wagen legen und, durch ein
Stück Filz gegen Sonne und Wind geschützt, ein Wenig schlafen».*
Am Morgen des zweiten Tages kam Hr. Schuyler auf der Station
Karaul an, woselbst sich eine, in leidlichem Zustande erhaltene Kara-
wanserei, aus einer Anzahl gewölbter, rund um einen viereckigen
Hofraum liegender Zimmer bestehend, befindet, und erfuhr daselbst,
dass der, auf der Reise von Buchara nach Schehrisebs begriffene
Emir in einer Entfernung von noch nicht 30 Werst sein Lager auf-
geschlagen habe*, und dass er, wenn er ihn sehen wolle, entweder
' Aus dem oben mitgetheilten Passus geht zwar unleugbar hervor, dass ein grosser
Unterschied obwaltet zwischen der bisherigen Reise und der von Karschi nach
Buchara; allein ich muss gestehen, dass ich beim Lesen dieser Stelle ein Lächeln nicht
unterdrücken konnte. Durch seine Klagen verräth Hr. Schuyler nur, dass er ein Neu-
ling in Betreff des Reisens im Orient war; ein Jeder, der mit derartigen Reisen nur
einigermaassen Erfahrungen gemacht hat, wird mir beistimmen, wenn ich behaupte,
Hr. Schuyler habe, anstatt zu klagen, alle Ursache gehabt, sich zu freuen , dass er die
betreffende Wegstrecke unter so äusserst günstigen Verhältnissen zurücklegen konnte.
Frisches Wasser, Früchte, Speisen und schattiges Zelt in der Wüste ! was will niAn
mehr?
' Hr. Schuyler schätzt das den Emir begleitende Heer auf 8000 Mann, und «sagt,
dass der Emir auf seinen, in jedem Jahr nach Karschi und Schehrisebs unternommenen
Reisen jedesmal von einer solchen Armee begleitet werde, nicht sowohl um in der-
selben vorkommenden Falles einen Schutz zu haben, als vielmehr um sich ihrer Treue
zu versichern und zu verhüten, dass während seiner Abwesenheit etwa ein onzufrie-
4cner Sohn oder ein rebellischer Bek die Armee fUr sich gewinne, und ihn von der
typ
sogleidi vorwärts gehen oder in Karaul bis zum nächsten Tage auf
die Ankunft des Emir's warten müsse. Das Erste vorziehend, machte
er sidL, trotz grosser Hitze, auf den Weg nach dem Lager, wo ihm
ein grünes Zelt angewiesen und sofort Thee, Früchte und Pillaw ge-
bracht wurde. Hr. Schuyler erzählt nun umständlich, welche Ver-
handlungen zwischen ihm und dem Taksaba^ statthatten, ehe es um
die Mittagszeit des folgenden Tages zur Audienz beim Emir kam.
Diese Audienz beschreibt Hr. Schuyler folgendermaassen:
«Der Emir kniete ayf einer breiten, niedrigen, nur einige Zoll über
dem Fussboden erhöhten und mit seidenen Kissen bedeckten Bett*
stdle, welche neben einigen Teppichen und Kissen die gesammte
Ausstattung des 2^1tes bildete. Als ich eintrat (Hr. Schuyler er-
wähut im Vorgehenden, dass alle Beamten draussen blieben, und
dass nur er mit seinem Dolmetscher in's Zelt trat)^ wendete er sich
zu mir, streckte lächelnd seine Hand aus, ergriff die meinige^ und
sagte: c# General Aman?** (d. h. befindet sich der General wohl,
den General Abramow meinend, von welchem Hr. Schuyler ein Em-
pfehlungsschreiben überbracht hatte); ich antwortete: ««Aman»*
(d. h. Er befindet sich wohl). Hierauf gab er auch dem Dolmetscher
die Hand und liess uns sich ihm gegenüber niedersetzen. Da ich
voraussetzte, die Etiquette verlange, dass er zuerst spreche, so
schwieg ich still und konnte ihn mit Müsse betrachten. Er war ein
grosser, starker Mann von bleichem Aussehen, mit kleinen, dunklen,
unruhigen, nach allen Richtungen umherschauenden Augen. Sein
Fleisch erschien sehr welk und ungesund, und seine Hände zitterten
fortwährend, wie man mir sagte, in Folge zu häufigen Gebrauches
von Reizmitteln. Sein Bart war sehr dunkel, aber ziemlich dünn.
Er trug einen einfachen grauseidenen Chalat und einen weissen Tur-
ban. Nachdem ich vergeblich gewartet hatte, dass er sprechen
würde, wurde mir das Stillschweigen lästig, und ich sagte:
«Ich kam mit einem Briefe vom General Abramow.»
«cja, ich habe ihn empfangen»» (antwortete er).
Hauptstadt aueschliesse. Gleichzeitig liebe es der Emir, sich an den Einwohnern von
Schehrisebs zu rächen, indem er sie den, aus der Gegenwart einer so bedeutenden
Truppenmasse hervorgehenden Unbequemlichkeiten und militärischen Erpressungen
aussetzt
* Taksaba ist ein Rang, dem unseres Obersten beinahe gleichkommend. Moham-
med Scherif, der diesen Rang hatte, war ein HauptzoUeinnehmer und hatte nebenbei
die Stellung eines dienstthuenden 'Ceremonienmeisters , wenn der Emir Fremde
empfangen wollte.
l80
«Ich war in Kitab, Schaar und Karschi, wo ich sehr gut aufgenom-
men ward und meine Zeit sehr angenehm verbrachte».
««Es freut mich, dass es Euch gefallen hat. Ich freue mich, dass
Dir gekommen seid»» !
«Ich wünsche nun nach Buchara, Kara-Kul und Tschardschui zu
gehen, und dann zurück nach Samarkand.
««Betrachtet dieses Land als das Eurige, und reiset wohin Ihr
wünscht Geht nach Buchara, Kara-Kul und Tschardschui, und seid
unser Gast, und verbringt die Zeit angenehm. Der Taksaba wird
alles für Euch arrangiren»».
Ich dankte ihm für die Erlaubniss und wartete noch einen Augen-
blick. Er fing an unruhig nach der Thür zu blicken ; der Taksaba er-
schien^ und der Emir sagte: ««Jetzt geht»», worauf wir uns sogleich
verabschiedeten » . ^
Als Hr. Schuyler seine Sachen packte, um weiter zu reisen, ka-
men noch die Geschenke des Emir's an, aus 4 Chalaten und einem
mit einer reichen Schabrake belegten Pferde bestehend.
Das Lager des Emir's war nur 15 Werst von der Stadtmauer ent-
fernt, und schon nach 3 oder 4 Werst gelangte man zu den, die
Stadt umgebenden Gärten und Feldern, deren Einfriedigungen
besser erschienen, als in den Vorstädten von Taschkend und Samar-
kand, während die Bäume nicht so dicht gepflanzt waren. Je näher
man der Stadt kam, um so zahlreicher wurden die Leute, denen
man begegnete; Bauern, Kaufleute und Mullahs, zu Fuss, zu Pferd,
zu EseL Es war Bazartag, und Jedermann war mit dem, was er ge-
kauft hatte, beladen. Man passirte Dorf auf Dorf, und die ganze, mit
zahllosen kleinen Buden und Kaufläden besetzte Strasse erschien
wie ein einziger langer Bazar. Endlich erblickte man zur Linken die,
von ihren grünen Gärten sich abhebende, blaue Kuppel der Moschee
Namasga, und hatte die hohen Stadtmauern vor sich. Man ritt
durch das, von zwei mächtigen Thürmen überragte Thor Sallia-
Chani, kam durch enge macadamisirte Strassen, einem Kanal ent-
lang, durch den Bazar, wo sich eine dichte Volksmenge um die Rei-
senden schaarte und beinahe den Durchgang versperrte, passirte
viele Moscheen und Medresseen, ritt über den Rigistan mit seinen
Marktplätzen, erblickte zur Rechten die Citadelle, und gelangte end-
lich abermals durch viele enge Strassen beinahe bis zur Stadtmauer-
* Hr. Schuyler sagt, dass nach seiner Rückkehr nach Samarkand von Buchara aus
berichtet worden sei^ er habe des Emir's grosses Misfallcn erregt, weil er ihm bei der
Audienz die Iland zu stark gedrückt habe.
i8i _
I
bei dem Ugjlan-Thore, wo steh das, für Hrn. Schuyler zur Wohnung
bestimmte Haus befand.
Hr. Schuyler gibt nun (S. 80 u. ff.) eine Schilderung seiner häus-
lichen Einrichtung und seiner Lebensweise während seines, eine Wo-
che dauernden Aufenthaltes in Buchara. Am frühen Morgen werden
Besuche gemacht oder empfangen; alsdann reitet er durch die
Stadt und besichtigt Moscheen, Medresseen und andere Merkwür-
digkeiten, schlendert auf dem Bazare herum u. s. w., und zwar stets
mit einer mehr oder weniger zahlreichen Begleitung \ während am
Abende beinahe immer Bekannte bei ihm zu Besuch war«n, und
ihm zu Ehren Unterhaltungen, gewöhnlich »Knabentänze* arrangirt
wurden. Auch unterlässt es Hr. Schuyler nicht, zu bemerken, dass
er seinen Dienern Unterricht in der Kochkunst gegeben habe, um
von der landesüblichen Küche, deren er schon seit Chokand über-
drüssig war, so viel als möglich loszukommen.
Die Stadt macht auf Hrn. Schuyler einen mächtigen und sehr an-
genehmen Eindruck. «Man kann nicht die Strasse betreten (so heisst
es aufS. 88), ohne sogleich zu erkennen, dass man sich in einer Haupt-
stadt befindet. Wohlgekleidete Leute, auf g\it gepflegten und reich
aufgezäumten Pferden gemächlich reitend, der Marktplatz besetzt
von Haufen von Müssiggängern, selbst die Engigkeit der Strassen
und die Höhe der Häuser, die zahlreichen Bazare, der beständig vor
sich gehende grosse Handelsverkehr, welcher jeden Tag zu einem
Bazartag zu machen scheint, zeigt, dass man es mit einer Metropole
zu thun hat*. Die von Hr. Schuyler ausführlicher beschriebenen
Gegenstände sind: d^v Rigistan (ein grosser öffentlicher Platz vor
der Citadelle), die Citadelle, die wichtigsten Moscheen und Me-
dressen, die Bäder, die Bazare und insbesondere der, inmitten der
Stadt nahe bei der Citadelle liegende Bazar Ts/iar-su, bei welcher
Gelegenheit sich Hr. Schuyler über Buchara als mittel-asiatisches
Handelscentrum ausspricht, und sein Befremden nicht unterdruckt,
dass er zur Zeit nur einen einzigen russischen Kaufmann in Buchara
vorfindet, Hrn. Schmelew, Agent der Firma Gebrüder Rykow,
welcher zwei kleine Zimmer im Aim Sarai einnimmt und mit
* «Ausser meinen eigenen Dienern ^so heisst es auf S. 87) waren hier noch mehrere,
dem Hause angehörige Diener, und 3 oder 4 Sekretäre (Mirzai^ welche spcrieU fUr
mich zu sorgen und den Befehl hatten, mich, wohin es auch immer sei, zu begleiten« Sic
waren sehr höflich und es schien nicht, als hätten sie gegen die 'Besichtigung irgend ei-
nes Theiles der Stadt, oder gegen irgend emen von mir ausgesprochenen Wunsch
etwas einzuwenden». Und doch waren es sicher nur heimliche Aufpasser.
l82
I I
BaumwoUenwaaren, vorzüglich aber mit Kurzwaaren und Luxus-
artikeln handelt. Von Schmelew erfährt er zugleich, dass der
russische Handel beinahe gänzlich in den Händen von Tataren liegt,
und durch welche Umstände der Aufschwung des, von den Russen
betriebenen Handels verhindert wird (S. 95) Einige Auszüge aus
einem, im «Europäischen Boten» (B'fecTHHK'b Eeponu) März 1873
veröffentlichten, äusserst beachtenswerthen Berichte Petrowskij's:
«Meine Reise nach Buchara», beschliessen diesen merkantilischen
Exkurs Hrn. Schuyler's.
Was Hrn. Schuyler's öffentlichen Verkehr mit den Leuten in
Buchara anlangt, so äussert er sich im Allgemeinen nicht unzufrie-
den darüber. Zwar ward er, namentlich wenn er den Bazar besuchte,
stets von Volkshaufen umringt, wodurch seine freie Bewegung^be-
hindert ward, und die ihn begleitenden Mirza^s mussten das Volk
oft zurückdrängen; allein man behandelte ihn mit Höflichkeit, ob-
schon bei Weitem nicht mit demselben Respekt und derselben
Zuvorkommenheit, wie in Scherisebs und Karschi, wobei Hr. Schuy-
ler die Bemerkung macht, dass in allen Städten, wo sich russische
Truppen auch nur einen Tag lang aufgehalten hatten, das Benehmen
der Einwohner ein weit achtungsvolleres gewesen sei. Nur mit dem
Kusch Begi (Gross- Vezir), mit welchem er es als mit dem Stell-
vertreter des al^wesenderi Emir zu thun hatte, und mit dessen
Sohne, dem weiter oben genannten Taksaba, kann er nicht fertig
werden. Von ihnen ward er für einen Spion gehalten, und mit
ihnen hatte er zwei Streitigkeiten, welche, da sie die Verfahrungs-
weise der Bucharischen Diplomatie kennzeichnen, von Hrn. Schuyier
mit grosser Weitläufigkeit (S. lOO — 112) dargelegt worden. Ich
gehe jedoch, den Leser auf Hrn. Schuyler^s Buch verweisend, kurz
über diese Sache hinweg. Der eine Fall betraf den Ankauf einesSkla-
ven, da Hrn. Schuyier daran gelegen war, den Behörden von Tasch-
kend, welche glaubten, dass der Sklavenhandel nicht mehr existire,
das Gegentheil zu beweisen. Der erste Ankauf eines Sklaven ward
von der Behörde, offenbar aus Furcht vor der russischen Regie-
*rung, hintertrieben, und nur der List Hrn. Schuylcr's gelang es, den
Ankauf eines zweiten Sklaven heimlich zu bewerkstelligen *. Der
* Hr. Schuyier brachte diesen 7* oder 8-jährigen Knaben, einen Perser, welcher von
den Turkmenen in der Nähe von Maimana geraubt worden war, und welchen er mit
7000 Tengas (=r 21 Pfd. St.) bezahlte, mit nach St. Petersburg, wo er zwei Jahre lang
in die Schule ging und Russisch lesen und schreiben, sowie etwas Deutsch erlernte,
später aber zum Hof-Uhrmacher, einem achtbaren Tataren, in die Lehre kam.
... ;83 _
andere Fall aber bezog sich auf die von Hrn. Schuyler beabsichtigte
Reise nach Tschardschui, wozu er sich, wie weiter oben gezeigt
worden ist. vom Emir die Erlaubniss erbeten und auch erhalten
hatte. Trotz aller Versuche Hrn. Schuyler's, diese Reise durchzu-
setzen, war er doch gezwungen, dieselbe aufzugeben. In beiden
Fällen, die, wie bereits gesagt, von Hrn. Schuyler sehr ausführlich
erzählt werden, entwickelten der Taksaba, sowie dessen Vater, der
Kusch-Begi, eine solche Fertigkeit im Vorbringen von Ausreden
und eine solche Lügenhaft i;[keit, wie sie wohl nur bei einem Perser
(der Kusch-Begi war in der That ein ehemaliger persischer Sklave)
vorkommen können*.
Hr. Schuyler verliess Buchara, und ging über ßaha-Uddin, Kujuk«
Mazar, Warganzi, Bustan, Malik, Kermine, Tasch-Kupriuk, Mir und
Schirin-hatun nach Watty-Kurghan, dem ersten russischen Grenz-
orte, wohin ihm General Abramow einen seiner Freunde nebst
Reisewagen entgegengeschickt hatte, und langte wohlbehalten in
Samarkand wieder an.
In Baha-Uddin, einem von Buchara nur 9 Werst entfernten
Wallfahrtsorte, hatte Hr. Schuyler ein Abenteuer, das einzige auf
seiner ganzen mittel-asiatischen Rei.se, zu bestehen, welches von ihm
wie folgt erzählt wird (S. 113): «Wir fanden, dass hier ein Bazar war,
und die Strassen waren gedrängt voll von Leuten jeglichen Standes
vorwiegend aber von Bettlern und Pilgern. Als ich durch die Volles«
menge ritt, ging ein anständig gekleideter Mullah hart an meiner
Seite; er hatte einen grossen Stein in seiner Hand und murmelte so
vor sich hin: ««Lasst mich ihn ordentlich treffen, und er wird so-
gleich todt hinsinken, und es wird ein Kaffir (Ungläubiger) weniger
sein»». Zum Glück hörte das der Dolmetscher und ritt sogleich auf
ihn los, worauf der Mullah den Stein fallen lie.ss und sich eine
Strecke weit zurückzog, dann aber einen anderen Stein aufhob und
damit nach dem Dolmetscher warf. Jetzt jagten ihm aber der Dol-
metscher und die Dschigiten nach und trieben ihn durch einen
' Als Hr. Schuyler nach Samarkand zurückkam, erhielt er die AbschriA eines, vom
Kusch-Begi an den General Abramow gerichteten Schreibens, worin mit Wohlgefallen
von Hm. Schuyler's Besuch gesprochen und gesagt wird, er (nämlich Hr. Schuyler)
habe den Wunsch ausgedrückt nach Tschardschui zu gehen, und die Bucharische
Regierung habe sich beeifert, ihm in jeder Art behülflich zu sein, dass er jedoch, als
er hörte, der Weg dahin sei gefährlich, aus eigenem Antriebe auf diese Reise ver-
ziehtet habe.
. i84
Wassergraben in*s offene Feld, wo sie ihn mit ihren Peitschen
gründlich durchhieben und halbtodt liegen Hessen L
In Kermine ward Hrn. Schuyler von Seiten des 13 jährigen Bek#
eines Sohnes des Emir, eine Aufnahme in ganz ähnlicher Weise,
wie es früher in Kitab, Schaar u. s. w. stattgefunden hatte, zu Theil.
Festlicher Empfang, Aufmarsch von Soldaten, Trompetengeschmet-
ter u. s. w.; Geschenk und Gegengeschenk. Hr. Schuyler erhielt
nicht weniger als 7 Chalate, so schön, wie er solche nirgends an-
derswo erhalten hatte; einer derselben war aus Kaschmir-Stoff,
gegen 30 Pfd. St. werth. Hr. Schuyler dagegen hatte von
Taschkend für diesen Bek einige Spielsachen mitgebracht, unter
anderen eine kleine Trompete und einen, durch ein Uhrwerk in Be-
wegung zu setzenden Schnellläufer, worüber der Bek eine grosse
Freude hatte, jedoch die Sachen sogleich verdarb.
'' Seine Bucharischen Reise- Ergebnisse (meiner unmaassgeblichen
Ansicht nach nicht eben von grosser Bedeutung) resümirt Hr.
Schuyler in nachstehenden Schlusssätzen (S. 118): «Trotz einiger
Unbequemlichkeiten, die ich hatte, und trotz vieler Streitigkeiten
mit den Behörden, blicke ich doch mit ausserordentlichem Ver-
gnügen auf meine Bereisung Buchara's zurück. Nicht nur^ dass das
Land selbst interessant war, auch die Regierung, wie misstrauisch
und argwöhnisch sie sonst auch sein mochte, that, so weit es sich
um die Gastfreundschaft drehte, alles in ihren Kräften Stehende,
um meine Tage angenehm zu machen». — c Während meiner gan-
zen Reise hatte ich mich bestrebt, meine Unabhängigkeit aufrecht
zu erhalten, hatte mich weder in's Bockshorn jagen noch betrügen
lassen, und hatte darauf bestanden, dass Keiner sich einbilde, über
. mir zu stehen, da ich mit dem Nationalcharakter der Leute hin-
reichend bekannt war, um zu wissen, dass je mehr Respekt man
fordert, um so mehr man auch empfängt. Ich hatte die Befr cdi-
gung, mich während der Rei^e, ja sogar, oder will ich lieber sagen,
ganz besonders, bei meinen Streitigkeiten mit dem Taksaba, zu
amüsiren, und wohlbehalten zurückzukehren».
«Als zwei Monate später ein russischer Oberst auf seinem Heim-
wege von Chiwa durch Buchara kam und die Beamten fragte, was
vorgefallen sei, da gab man ihm zur Antwort: Ein Amerikaner war
* Hr. Schayler erfuhr später, dass dieser Mann, behufs der Bestrafung, gefänglich ein
gesogen worden war. Ob aber eine Bestrafung wirklich stattgefunden, blieb ihm un-
bekannt.
i8S
/
auf lo Tage hier, und hielt die Leute in Buchara vollständig unter
seiner Kontrolle».
(Schluss folgt).
Die geologische Reise Ton J. W. Mnschketow lach
dem Alal und nach Pamir Im Jahre 1877'.
Die geologische Reise nach dem Alai und Pamir, welche Hr.
Muschketow. im Jahre 1877 im Auftrage des General- Gouverneurs
von Turkestan unternommen, bildet nur die Fortsetzung der, in den
Jahren 1874 — 1875 von ihm in Turkestan ausgeführten geologischen
Untersuchungen*. Da die Reisen Muschketow's in Turkestan noch
nicht beendet sind, so wird eine vollständige Zusammenstellung sei-
ner Beobachtungen erst nach Beendigung derselben im Drucke
erscheinen; es folgen daher vorläufig nur in Kürze die Hauptresultate
seiner letzten Untersuchungen auf dem Alai und Pamir.
Hr. Muschketow beendigte die Ausrüstung dieser Expedition in
Margelan, wo sich die Hauptverwaltung des Ferghana-Gebietes be»
findet. Nachdem er die mächtigen Ablagerungen des Jura, der
Steinkohlen-, Kreide-, Naphthaführenden, der Tertiär und Posttertiär-
formation, die im Süden von Margelan und besonders vollständig
in der Umgegend der Dörfer Rischtan, Utsch-Kurgan u. a. entwickelt
sind, kennen gelernt hatte, gelangte er bereits im Monat Juli in das
Dorf Schach-Mardan, das in einem felsigen Thale gleichen Namens
in einer Höhe von 4C00 Fuss liegt und durch das Grab des Prophe-
ten Ali, der von den Mohammedanern hochverehrt wird, berühmt ist.
Dieses Thal durchschneidet mächtige Massen von Bergkaljc, die zu
hohen Bergen ansteigen. Vom erwähnten Dorfe ging der Weg des
Reisenden durch die Schlucht Kara-Kasyk, die, je näher man der
Erhebungsaxe des Gebirges von Süd-Chokand kommt, immer felsi-
ger und immer schwieriger zu passiren wird; oft schlängelt sich der
kleine Pfad, der den hochtönenden Namen einer Strasse führt, an
steilen Abhängen von grosser Höhe hin, und hängt buchstäblich über
Abgründen von mehreren hundert Fuss Tiefe. Etwas oberhalb von
Artscha-baschi trifft man bei einer Höhe von 10,000 Fuss Baum-
wuchs: Wachholder, Sandweiden, Birken u. a. wechseln mit krie-
chendem Wachholdergestrüpp ab. Die metamorphischen Kalk-
steine, die sich bis Artscha-baschi ununterbrochen hinziehen, haben
' Vgl. «Russ. Revue* Bd. XIII, S. 80. Wir verweisen den Leser zuglei<h auf
die in Bd. IX, S 535 u. ff. publizirte Arl>eit des Hrn. Kostenko.
^ Sie sind auf Grund von Beobachtungen zusammengestellt, die dem Sekretär der
Gesellschaft eingeschickt worden sind.
i86
ihren Platz mächtigen Ausläufern von mittelkörnigem Syenit und
Diorit mit Gängen eines dichten Diabases abgetreten. An der
Grenze der metamorphischen und krystallinischenGesteine entdeckte
Hr. Muschketow ein kleines Kupfererzlager. Mit der Veränderung
der Gesteinsarten verändert sich auch das Aussehen der Berge:
felsige Gipfel zeigen die verschiedenartigsten phantastischsten Um-
risse. Der ausnehmend steile, steinige Engpass von Kara-kasyk
(14,500 Fuss) durch welchen die Expedition das süd chokand'sche
Gebirge überschreiten musste, zeigte, wie unvortheilhaft nach dieser
Seite der Reiseweg ist. Die Untersuchung kleiner Gletscher*, die
hauptsächlich auf. der Nordseite des Passes liegen, lehrte: i) dass
diese Gletscher in Folge ihrer geringen Grösse keine regelmässig
vertheilte Moränen tragen und 2) dass sie abnehmen, da einige hun-
dert Faden unterhalb der jetzigen Gletschergrenze alte Moränen
liegen. Die Untersuchung des Bestandes und Charakters der alten
Moränen bestärkte Hrn. Muschketow von Neuem in der Ansicht,
dass diese Anhäufungen nichts Gemeinsames mit den konglomerat-
artigen Ablagerungen haben, die in allen Thälern des Thian-schan
so verbreitet sind und die man fälschlich als Beweis der Gletscher-
periode im Thian-schan ansaht
Vom Pass Kara-kasyk stieg die Expedition in's Thal Kok-ssu
hinunter, durch welches sie auf den Alai gelangte. In diesem Thale
sind' die Ausgänge der Diabase und Diorite schön entblösst und
werden dieselben nach Westen massiger; sie bedingen aller Wahr-
scheinlichkeit nach den Zusammenhang des süd-chokand'schen und
Transalaischen Gebirges, unterhalb der Mündung des Kok-ssu,
Beim Orte Togurek-schiwer wechseln krystallinische Gesteine mit
Thonschiefern, auf denen diskordant die Schichten der Juraforma-
tion lagern, die eine grosse Masse, wenn auch schlecht erhaltener
Versteinerungen aufweisen.
Auf Grund der Untersuchung der Ablagerungen im Thale Alai
gelangte Hr. Muschketow zur Ueberzeugung, dass dieses hohe,
hnggestreckte Thal (Höhe 8000—12,000 Fuss), das bereits von
Hrn. Fedtschenko sehr glücklich charakterisirt wurde, zu der Klasse
von Längsthälern des Thian-schan gehört, die einst als Behälter der
Gebirgsgewässer dienten und später austrockneten, wie das Tschot-
kala-, das Kotschkapa-, das Dsehumgala-Thal u. A. Sie liegen immer
parallel mit den angrenzenden Gebirgszügen, bilden den oberen
Theil grosser Flussthäler und endigen als Schluchten, so verengt
sich auch im gegebenen Falle das Alai-Thal, welches vom Kysylssu
unterhalb der Mündung des Kok-ssu durchschnitten wird, so sehr,
dass man es nicht mehr passiren kann. Solche Thäler sind durch
die syklinale Lage der geschichteten Gesteinsarten bedingt. Als
* Sic gehören zur Kategorie derjenigen Gletscher, die Studcr Firngletscher nennt.
' Siehe: Kurzer Bericht des Hrn. Muschketow über die geologische Reise in Turke-
stan hn Jahre 1875. Schriften der Kaiserl. St. Pbrg. Mincralog. Gesellschaft Bd. XII,
1877 S. 170. Ebenso: Auszug aus den Berichten der Kaiserl. Kussischen Geologischen
GescUscbafl Bd. XII. 1876, S. 222. Vgl. auch «Russ. Revue» Bd XI, S. 281.
187
Typen solcher früheren Wasserbehälter können die jetzigen Seen
des Thian-Schan dienen, die noch nicht austrocknen konnten, deren
Eingehen aber überall, wie später gezeigt werden wird, bemerklich
ist, wie z. B. beim Sson-kul, Ssairam-nor, Issyk-kul und selbst beim
Pamir'schen Karapkul.
Hr. J. W. Muschketow begab sich aus dem Alai-Thale nach Sü-
den, indem er das Transalaische Gebirge längs dem Tus-arassy-
Pass, der reich an grossen Steinsalzablagerungen, besonders am
Flüsschen Ukasyk, ist, durchschnitt. Nach den Diluvial- und Juraab-
lagerungen des Alai treten bald darauf die rothfarbigen Sandsteine
der Trias hervor, die erst in der Mitte des Tus-arassy-Passes aufhö-
ren und weiter oberhalb mit den Ausläufern von Diorit, Epidotdto-
rit, Dioritschiefer u. a. abwechseln und sich ununterbrochen zum
Pass von Ters-agar (10,000 Fuss) hinziehen. Dieser Pass ist, ob-
gleich von einer bedeutenden absoluten Höhe, sanft geneigt und be-
quem zu passiren. Seine höchste Stelle bildet eine Ebene mit einem
kleinen See, welcher der Ursprung von Quellen ist, die sich nach
zwei entgegengesetzten Seiten ergiessen: in den Fluss Kysyl-ssy
zum Alai und in den Fluss Muk-ssu zum Pamir. Beim Flusse Muk-
ssu treten Granite hervor, die weiter nach Süden bald aufhören und
wieder mit Diorit, Chlorit, und anderen Schiefern abwechseln. Von
der felsigen und dunkeln Schlucht Muk ssu heben sich nach Süden
mächtige, schneebedeckte Gipfel ab, die aller Wahrscheinlichkeit
nach eine absolute Höhe von 2Q,ooo Fuss erreichen. Da Hr. Musch-
ketow nicht die Möglichkeit hatte, weiter nach Süden längs dem
Muk-ssu vorzudringen, theils wegen des Aufstandes in Schugnan
und Darwas, in Folge des Todes des Chan's von Kaschgar, Jakub-
Beg^ theils aus Mapgel an unentbehrlichen Vorräthen, so kehrte er
auf demselben Wege nach dem Alai-Thale zurück und durchwan-
derte dasselbe auf eine Länge von 100 Werst, was ihm die Möglich-
keit verschaffte, die Ablagerungen des Alai ausführlicher' zu untersu-
chen. Sie sind sehr einförmig: die äusseren Grenzen des Alai beste-
hen aus Jura- und Triasschichten und die Mitte ist ausgefüllt mit
den neuesten Diluvialconglomeraten, mit Sand und theilweise mit
Löss. Im Thale Kysyl-art, wohin sich Hr. Muschketow vom Alai
aus in der Hoffnung wandte, den See Kara-kul zu erreichen, gelang
es ihm prächtige Triasbildungen recht gründlich zu untersuchen und
eine grosse Anzahl von Versteinerungen zu sammeln.
Der Reisende wanderte durch den Pass von Kysylart (14,200
Fuss) auf dem Transalaischen Gebirge bis zu den Thälern Kok-
kum, Kara-kum und endlich bis zum berühmten See Kara-kui, der
auf einer Höhe von 13,200 Fuss liegt Die Triasablagerungen bei
Kysyl-art werden von mächtigen Diorit- und Epidotdioritgängen
durchschnitten, die beim See Kara-kul mit Granitarten, welche den-
jenigen von Muk-ssu ganz analog sind, und mit metamorphischen
Thon- und Glimmerschiefern abwechseln. Die Untersuchung der
Umgebungen des Kara-kul führte Hrn. Muschketow zu folgenden
Schlüssen: erstens bildet der See Kara-kul ein vollständig ge-
i88
Schlossenes Bassin, das keinen einzigen Abfluss hat, ähnlich den an-
dern Seen des Thian-schan, wie der Issykkul, Ssairam-nor u. s. w.,
obgleich er einige kleine Flüsse aufnimmt, von denen offenbar
nicht alle beständig- fliessen; zweitens trocknet der See Kara-kul be-
deutend aus: er war vor nicht langer Zeit weit grösser und bildete
ein zusammenhängendes Bassin mit den jetzt ausgetrockneten
Wasserbehältern Kok-kum und Kara-kum, was beweist, dass die Di-
luvialablagerungen in den Thälern Kara-kul, Kok-kum und Kara-
kum sich gleichförmig gebildet haben; drittens stammen die An-
flüge von Salz, die man an den Ufern findet, wenn auch das
Wasser etwas salzig ist, doch aus den Auslaugungen aus den Trias-
schichten her. Der Granit der Umgegend von Kara-kul wird nach
Süden hin sehr bald von metamorphischen Schiefermassen und dem
Trias verdeckt. Einzelne Berggipfel erreichen keine geringere Höhe
als 25,000 Fuss. Was die Grösse des Kara-kul anbetrifft, so beträgt
seine Länge (von S. nach N.) nicht mehr als 40, und seine Breite
(von O. nach W.) nur 2 1 Werst
Vom See Kara-kul kehrte Hr. Muschketow auf dem früheren
Wege nach dem Alai zurück; auf dieser, 70 Werst langen Strecke
zeigt sich nicht der geringste Pflanzenwuchs, dafür ist sie reich an
verschiedenartigen, grossartigen Berggipfeln.
Vom Altai reiste Hr. Muschketow direkt zur Stadt Osch über den
kaum passirbaren und bis jetzt noch von Niemandem besuchten
Pass Dshiptyk (ca. 15,000). Die Betrachtung der Gletscher am
Dshiptyk bestätigte vollständig die Schlüsse, welche der Reisende
aus der Untersuchung derjenigen des Kara-kasyk gezogen. Zwei
ganze Tage brauchte Hr. M. um auf einem kleinen, steinigen, über
einem Abgrunde hängenden Pfade durch die Schlucht Dshiptyk zu ge-
langen. Der Pass selbst besteht aus vertikal aufgerichteten Schichten
vonThonschiefer und Puddingstein, die stellenweise von Syenitgängen
durchschnitten werden ; vom Thale Chadsha-kel-ata aber, wo Jura-
bildungen beginnen, erscheinen Kalksteine und Puddingsteine mit
Eisenglanz enthaltenden Schwerspathadern, und bei der Mündung
des Flusses Klein-Alai treten mächtige Massen von Granit und
Diorit auf, die von Diabasen und Melaghyren durchsetzt sind. Hier
verengt sich die Schlucht buchstäblich zu einer Spalte, die sich 1 5
Werst weit hinzieht. In die Stadt Osch kehrte Hr. M. erst Anfang
August zurück, so dass er mehr als einen Monat zur Untersuchung
der geognostischen Verhältnisse des Alai und Pamir gebrauchte,
wobei er sich auf einer Höhe von 8000 bis 15,000 Fuss bewegte. Die
dünne Atmosphäre, die niedrige Lufttemperatur, welche besonders
des Morgens bis auf — 8"* R. sank, häufige Regen und Stürme, der
Mangel an Brennholz, besonders auf dem Kara-kul, erschwerten die
Untersuchungen der Reisenden nicht wenig.
Von der Stadt Osch reiste Hr. M. zum Ferghanaschen Gebirge,
welches das Ferghana-Thal von Osten verschliesst; von hier aus
ging er nach Norden auf die Tschatkalskischen Berge, deren Unter-
suchung seine Arbeiten im Jahre 1875 mit den jetzigen verbindet.
i8ö
Das Ferghana-Gebirge wird hauptsächlich aus Diabasen und meta-
morphischen Schiefern gebildet, auf denen diskordant sekundäre
und tertiäre Bildungen aufliegen. Diese Letzteren erscheinen sehr
regelmässig an allen Grenzen des Ferghana- Gebietes, dessen Mitte
mit mächtigen Diluvialconglomeraten, theils auch mit Löss und
Sand ausgefüllt ist Die Sekundärbildungen im Ferghana-Gebiet^
enthalten zahlreiche Lagerstätten nützlicher Mineralien: in der Jura-
formation kommt Steinkohle am Flusse Naryn vor, nicht weit von
Utsch-Kurgan, bei Usgent, Arawan u. a.; die Kreideformation ent-
hält Naphthalager bei Maili, Ssuaskent, Aim-Kischlak, Rischtan;
Schwefellager kommen bei I ,okana u. a. vor.
Mit der Untersuchung der Tschatkalskischen Berge beendigte
Hr. M. seine Reise und kehrte über Taschkent nach St. Petersburg
zurück.
Das Resultat dieser Reise besteht in dem ersten Versuch, Auf-
klärung zu geben über den geologischen Bau der Famir'schen Berg-
massen. Es erweist sich, dass hauptsächlich Granit, metamorphische
Thon- und Glimmerschiefer, die von Schichten der Triasformation
bedeckt sind, den Bau des Pamir, wenigstens des nördlichen Theiles,
oder des Pamir-Chorgosch bilden; die Richtung aller Graniterhe-
bungen ist die allgemeine des Thian-schan, d. h. eine ost-nord-
östliche oder eine, sich dieser Richtung nähernde. Nördlicher vom
Pamir hören die Granite bald auf und schon im Transalaischen Ge-
birge herrschen Diorite, Epidatdiorite u. a. vor, die auch die ost-
westliche Richtung der Haupterhebungsachse des Transalaischen
Gebirges bedingen und daselbst die höchsten Spitzen mit ewigem
Schnee, die eine Höhe bis zu 2 5, OCX) Fuss erreichen, wie der Pik
Kaufmann, bilden. Noch nördlicher herrschen Sekundärformationen
mit grossen Diluvialanhäufungen vor.
Im Süd-Chokand'schen Gebirge erhalten ausser den Syeniten,
Dioriten, metamorphischen Schiefern und Bergkalksteinen eine
grosse Verbreitung die Diabase und Melaphyre, deren Ausgänge
die lokalen Gcbirgserhebungen in nord-westlicher Richtung bedin-
gen, ebenso wie die vorherrschende Richtung der Granite und
Syenite eine ost-nord-östliche ist. Solche Gebirgserhebungen sind
bemerkbar z. B. in den Bergen bei Kara-muk, die das Chokand'sche
und Transalaische Gebirge verbinden und zugleich das Thal Alai
bis zur undurchdringlich engen Schlucht verschliessen ; der Fluss
Kysyk-ssu, der diese Schlucht ausgewaschen, erscheint hier als
lärmender Bergstrom mit zahlreichen Kaskaden.
Im P'erghana- und im Tschatkalskischen Gebirge erscheinen
ebenso mannigfaltige Richtungen verschiedener Gesteine, obgleich
für jede gesonderte Gesteinsgruppe die Richtung der Ausgänge
mehr oder weniger dieselbe bleibt. Somit bleibt hier auch ein
Zusammenhang zwischen der Richtung und Zusammensetzung des
Gebirges, was in den übrigen Theilen des Thian-schan schon früher
* Die Untersuchung des geolegischen Baues des Ferghana-Gebietes begann Hr,
G. D. Romanowskij im Jahre 1876.
von Hrn. Muschketow, auf Grund seiner Untersuchung des nörd-
lichen Thian-schan bemerkt wurde.
Die mannigfaltigen Richtungen der Gebirge, die sich in ver-
schiedenen geologischen Perioden gebildet, bedingen ausser den
lokalen Erhebungen auch noch die Ungleichheit der Gebirgszweige
und den Zusammenstoss der Gebirge, indem sie die Bildung von
solchen Bergkesseln, wie der Alai, Kara-kul, und wahrscheinlich der
Rian-kul, Sary-kul u. a. begünstigten. An den Stellen des Zusam-
menstosses der Gebirgsketten erscheinen die höchsten Gipfel und
die grösste orographische Verwirrung.
Somit konnte Hr. Muschketow auf der ganzen von ihm unter-
suchten Strecke keine meridionale Erhebungen beobachten, die das
Dasein eines meridional gerichteten Gebirges — des Bolor — be-
dingen könnten; aber auf Grund der Identität der Zusammen-
setzung, der Richtung und geologischen Alters der Pamir'schen Ge-
birge mit dem nördlichen Thian-schan kann man fast von der Ab«
Wesenheit eines solchen meridioualen Gebirges überzeugt sein. Be-
kanntlich ist der von Alex. v. Humboldt falsch bestimmte meridionale
Bolor, bereits zur Hälfte verschwunden, d. h. sein nördlicher Theil.
Was seine südliche Hälfte anbetrifft, so hat sich die Ansicht von
seinem Vorhandensein, Dank den Mittheilungen der Hrn. Gordon,
Shaw und Kostenko^, befestigt; von ihnen beobachtete der Erstere
von Osten aus und der Letztere von Westen aus eine Reihe von, mit
Schnee bedeckten Höhen, (bis zu 20,000 Fuss), die sich von N.
nach S. hin^.ogen. Es ist sehr möglich, dass sowohl der Eine wie der
Andere meridional gerichtete Höhenzüge gesehen, aber es ist noch
unentschieden, ob diese Höhen ein und denselben oder verschiede-
nen Gebirgen angehören. Auf Grund des geologischen Baues des
Alai und Pamir, ebenso wie auf Grund der von Hrn. Stolitschka ge-
sammelten geologischen Daten, findet Hr. Muschketow keine An-
haltspunkte zur Annahme eines vollständigen meridionalen Gebir-
ges, dagegen gehören die Höhenreihen, die von Hrn. Gordon und
Kostenko gesehen wurden nach der Meinung unseres Geologen zu
verschiedenen Gebirgen. Ihre Erscheinung erklärt er damit, dass
nach Osten von Kara-kul das Transalaische Dioritgebirge, (das von
W. nach O. geht) und das süd-chokandsche Syenitgebirge (das
nach O.-N.-O. geht) mit dem Ferghanaschen Diabasgebirge (das
nach N.-W. steigt) zusammenstossen, wodurch eine kolossale An-
häufung von Bergmassen stattfindet, die sich durch den Zusammen-
stoss mit dem Pamir'schen Granitgebirge (nach O.-N.-O strei-
chend) noch vergrössert.
Die ganze Höhenmasse an diesem Kerbenpunkt gehört verschie-
denen Gebirgen an, aber von Weitem, von welcher Seite wir sie
auch betrachten, von Ost oder West, machen die Silhouetten der am
Horizont zusammenflicssenden einzelnen Höhen den Eindruck eines
ganzen Meridionalgebirges, das in Wirklichkeit nicht existirt. Mit
einem Worte, die Gewohnheit, die Richtung von Gebirgen auf
~~« S/«RöM. Revue» Bd. IX, Seite 535—565.
19» .
Grund des äusseren, scheinbaren Aussehens derselben, ohne Unter-
suchung ihres geologischen Baues zu bestimmen, hat schon mehr
als einmal am Thian-Schan zu Irrthüraer Veranlassung gegeben:
nach der Meinung des Hrn. Muschketaw beruht die Annahme eines
Meridionalgebirges Bolor auf opthischer Täuschung, während für
seine Nichtexistenz der geologische Charakter des Pamir, des Alai
und überhaupt des ganzen nördlichen Thian-Schan spricht.
Literatarbericht
'■^■^ ^ /-^
SiMAceibörbHie Aaiu KapAa Pummtpa, teotpafui cmpaus^ axodjtufuxa es cocma$9
Pocciu UAU notpaHUHHUXB C5 ue/o^ m. e. CuSupu^ KumaücKoü ÜMnepiu^ T\pKt'
cmaua^ HeaaeucuMoü Tamapiu u Uepciu, IlepeeedeHa no nopyHeuifo HMnepamop'
cKaio pyccKato reotpa^ixecKoto Ofufecmea^ C8 donoAuexsjiMu, CÄ/MaufUMu npo'
doAMeuUMS Pummepoea mpyda ua ocHoeattiu MamepiaMd&% oÖHapodoeaHHUXs Ch
\%7fl,'io toda.
Die Erdkunde von C. Pitter, Geographie der zum Bestände des Russischen Reichs ge-
hörenden oder der an dasselbe grenzenden Länder, d, h, Sibiriens^ China* s^
TurkestanSy der unabhängigen Tatar ei und Persiens, Ueber setzt im Au/trage
der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft^ mit Ergänzungen, welche
eine Fortsetzung des Werkes von Ritter^ auf Grund der vom Jahre 1832 an
veröffentlichten Materialien, St. Petersburg 1878. 8<*. IV. Bd.
Der vorliegende IV. Band des genannten Werkes ist von Hrn.
P. Ssemenow, dem verdienten Vice-Präsidenten der Geographischen
Gesellschaft, und dem bekannten Reisenden, Hrn. Potanin heraus-
gegeben und ist eine durchaus onginaie Arbeit. Er enthält die Zu-
sätze zu dem III. Band von Ritter s Werk, und zwar genau in der
Reihenfolge des letzteren Werkes, eben als Ergänzungen zu den ein-
zelnen Paragraphen desselben. Hr. Ssemenow hat seine schätzens-
werthe Arbeit, welche im Sammeln und in der Redaktion des ein-
schlägigen Materials bestand, schon im Jahre 1862 begonnen, aber
erst in den Jahren 1875 ^^'^ 1876 unter Beihülfe des Hrn. Potanin
vollenden können. In dem jetzt erschienenen IV. Bande, welcher
die Frucht jener Arbeit bildet, sind alle geographischen Forschun-
gen und Entdeckungen vom Jahre 1832 bis zum Jahre 1876 berück-
sichtigt und sind auf Grund derselben die Ergänzungen zu dem Werke
von Ritter bearbeitet worden. Der Geograph findet in demselben
eine Zusammenstellung der neuesten Angaben über den See Saissan, das
obere Sotysch-Thal, über dessen Lauf vom Saissan-See bis zum Altai-
Gebirge, über dieThäler der Zuflüsse: Kaldshura, Katschuma, Narym,
Luchtarma, Ulba, Uba und über einige Theile do^ Altai (Ergänzung
zu $ 41 des III. Bandes); über die Gebirgsgruppen und Länder am
linken Ufer des Irtysch (Ergänzung zu S 42); über den Altai (Er-
gänzungen zu den S§ 43, 44 und 45); über das Ssajan^sche Berg-
system und über den südHchen, das Gouvernement Jenisseisk mit
den angrenzenden Theilen des Chinesischen Reichs (Ergänzung zu
den SS 46— 50). Am Schluss des Bandes befindet sich noch ein
alphabetisches Register der hauptsächlichsten geographischen, im
III. und IV. Bande vorkommenden Namen.
19^
Dieses Werk ist natürlich für Alle, die sich der geograpTiischen
Erforschung Asiens hingegeben, von grossem Werth, da sie Alles
in demselben vorfinden, was in der Wissenschaft bisher für Rusisch-
Asien und die angrenzenden Länder geleistet worden. Dass in dem
Werke auch vielleicht mangelhafte Angaben sein mögen, darauf weist
schon Hr. Ssemenow selbst in der Einleitung hin; aber auch
die Fehler und Mängel des Werkes werden, wie Hr. Ssemenow
richtig bemerkt, der Wissenschaft Nutzen bringen, da sie die Rei-
senden zu fleissigen Untersuchungen in den betreffenden Gegenden
anspornen werden. Als Mängel seines Werkes, welche durch künf-
tige Forschungen auszufüllen wären, führt der geschätzte Verfasser
namentlich an: die wenig ausreichenden statistischökonomischen
Angaben über den Bergbau im Altai-Gebirge, und die ungenügenden
historisch-linguistischen Untersuchungen über die Sprache der im
Ssajan-Gebirge ansässigen Stämme. Hoffen wir, das es den künf-
tigen Forschungsreisenden bald gelingen wird, diese nicht unwe-
sentliche Lücke genügend auszufüllen.
Russische Bibliographie.
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1276 S. (ApxHBT» PocyAapcTBeHHaro CoR-bra Tojn> Tpexitt UapcrBOBaiiic UMneparopa
A;ieKCaHApa I. HacTk 1. HacTb2.)
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Röttger.
Ao3Bu.AeHo aeHsypoK). C.-nerepCyprk^ 23-ro ABrycra 1878 roAa
Buchdnickerei von RÖTTOBR& Schneider, Newsky-Prospekt Jh 5.
Forst W. W. Golizyn.
(1643—1714.)
Eine biographische Skizze.
Von
A. Brückner.
Einleitung.
Je entscheidender für die Geschichte Russlands die Reform-
epoche Peters des Grossen gewesen ist, von desto grösserem Inter-
esse ist es die Genesis jener Reformideen, deren genialer Vertreter
der gewaltige Herrscher gewesen ist, in den Jahrzehnten, welche
seiner Regierung vorausgingen, zu verfolgen. Auch vor Peter hat es
in Russland Anhänger der west-europäischen Kultur gegeben, be-
geisterte FortschrittsmlLnner, welche von der Berührung Russlands
mit Europa das Heil erwarteten, strebsame, lernfähige und lernbe-
gierige Schüler höhergebildeter Nichtrussen, liberalgesinnte Patrio-
ten, welche vor durchgreifenden Neuerungen nicht zurückschraken
und, im Gegensatze zu der trägen Masse des zäh am Bestehenden
festhaltenden Volkes, bereit waren, mit manchen Traditionen zu
brechen, neuen Elementen den Zutritt nach Russland zu gestatten,
ihr Land, ihr Volk der Segnungen des politischen, intellectuellen,
moralischen und ökonomischen Fortschritts des Westens theilhaftig
zu machen.
Zu der nicht grossen Anzahl solcher Männer gehört der Fürst
Wassilij Wassiljewitsch Golizyn, dessen Leben und historische Be-
deutung wir in der folgenden biographischen Skizze kurz zu schil-
dern versuchen wollen. Es ist um so anziehender, in ihm einen Gei-
stesverwandten Peters des Grossen zu erblicken, als er keineswegs
zu dem Kreise Peters gehört, ja vielmehr dem letzteren im gewissen
Sinne feindlich gegenübersteht. Die politische Rolle Golizyn's und
diejenige Peters schlössen einander aus. Zu den Bedingungen einer
RUS8. RXYUS. BD. ZUI. 1 3
t94
erfolgreichen^ selbstständigen Thätigkeit des jungen Zaren gehörte
der Fall Golizyn's. Hatte der Letztere mehrere Jahre hindurch bis
1689 eine Art Regentenrolle gespielt, so musste er mit dem Sturze
.seiner Freundin und Gönnerin, der Prinzessin Sophie, zu Gunsten
Peters das Feld räumen, den Schauplatz seiner Thätigkeit im Mit-
telpunkte des Staates, an der Spitze der russischen Armeen mit der
Einsamkeit des im entferntesten Norden gelegenen Verbannungsor-
tes vertauschen.
Ein solch' jäher Wechsel in den persönlichen Schicksalen russi-
scher Staatsmänner ist im 17. und auch wohl im 18. Jahrhundert an
und für sich eine nicht ungewöhnliche Erscheinung. Golizyn gehört
In jene lange Reihe russischer Machthaber, welche nach schrecken-
iosem Genüsse von Pracht und Glanz, Luxus und Einfiuss, das
Wohlleben und die grossartige historische Rolle ganz plötzlich auf-
geben müssen, um den Rest ihres Lebens in der bescheidenen oder
gar kümmerlichen Existenz in menschenleeren, wüsten, unwirthli-
chen Gegenden als Verbannte zu vertrauern. In dem Leben der
Matwcjew, Golizyn, Tolstoi, Menschikow, Ostermann, Münnich, Bi-
ron und Anderer wiederholt sich ein solcher Gegensatz von Glück
und Elend, von Reichthum und Armuth, von Höhe und Tiefe nur
mit dem Unterschied, dass es einigen Wenigen von diesen, als poli-
tische Verbrecher behandelten Würdenträgern gelingt, nach kürze-
rer oder längerer Verbannung heimzukehren. Freunde und Ver-
wandte wiederzusehen, die unterbrochene politische Thätigkeit wie-
der aufzunehmen, wenn nicht ganz, so doch zum Theil die frühere
Stellung zu erringen, sich wieder mit dem früheren Luxus zu umge-
ben, während die Meisten in Schnee und Kälte, in Kummer, Gram
und Entbehrung, bei einer Lebensweise, wie rohe Bauern oder as-
ketische Mönche sie aus Noth wendigkeit oder Neigung zu führen
pflegten, schneller oder langsamer dem Tode entgegen gingen.
Letzteres Schicksal ist auch dem Fürsten Golizyn zu Theil gewor-
den. Die Bildungsstufe, welche er einnahm, muss ihn dasselbe dop-
pelt schwer haben empfinden lassen, ein Umstand, welcher nur ge-
eignet sein kann, die, dem Andenken an den Mann und seine Stel-
lung in der Geschichte Russlands zu zollende Aufmerksamkeit zu
steigern.
Noch bei Lebzeiten, während der Verbannungszeit, ist Golizyn
Gegenstand der Beachtung in der historischen Literatur geworden.
Jis kam ihm zu Gute, dass ein diplomatischer Agent, welcher, fran-
«9S
zösisch-polnische Interessen vertretend, sich einige Monate im
Herbst 1689 in Moskau aufhielt, Golizyn persönlich kennen lernte
und voll Bewunderung über die reichen Gaben und die liebenswür-
dige Persönlichkeit des Fürsten war. Die in den Jahren 1698 bis
1707 in zwei französischen, einer englischen und zwei holländischen
Ausgaben erschienene «Relation curieuse et nouvelle de la Mos*
covie» von Neuville ist die Quelle, auf welche auch die spätere Ge-
schichtsforschung, so oft sie sich mit W. W. Golizyn beschäftigte,
zurückzugehen pflegte. Hier werden wahre und erdichtete Züge aus
seinem Leben erzählt. Während die Schilderung der Eindrücke,
welche der Umgang mit dem, einer Art Grossvezierstellung einneh-
menden Golizyn übte, die Darstellung der Reformentwürfe, mit de-
nen er sich trug und welche er gesprächsweise dem Verfasser der
«Relation curieuse» mittheilte, von dem grössten Interesse sind und
als zuverlässige Geschichtsquelle angesehen werden können, ver-
dienten von den, zum grössten Theil auf Klatsch beruhenden Anga-
ben über Thatsächliches, z. B. über das persönliche Verhältniss Go-
lizyn^s zur Regentin Sophie, die wenigsten Glauben, und man muss
es bedauern, dass spätere Geschichtsforscher auf dieselben zu viel
Gewicht gelegt haben.
Minder Zusammenhängendes, aber durchaus Zuverlässiges bietet
eine Menge von Notizen, welche den Fürsten betreffen, in dem
Tagebuche des Generals Gordon, welcher Jahre lang mit ihm auf
vertrautem Fusse stand, ihn über die Verhältnisse West-Europa's
unterrichtete, eine Reihe von Feldzügen mit ihm durchmachte und
unmittelbarer Zeuge seiner Katastrophe war.
Eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Aktenstücken, Privatbrie-
fen und Geschäftspapieren, welche den Fürsten Golizyn betreffen,
erschien schon zu Ende des 18. Jahrhunderts in Editionen, wie die
Alt-Russische Bibliothek, welche zur Zeit Katharina's II. von Nowi-
kow herausgegeben wurde, sowie in der neueren Zeit in der von
der «Moskauer Gesellschaft für Geschichte und Alterthümer Russ-
lands» herausgegebenen Zeitschrift «Wremennik», ohne dass diese
Akten sehr viel Belehrendes enthielten.
Wie man auch noch Jahrzehnte nach dem Tode Golizyn's sein
Andenken selbst im Westen würdigte, zeigt eine seltsame, in den
Einzelnheiten der mitgetheilten Thatsachen und Urtheile eine wunder-
liche Mischung von Wahrem und Falschem enthaltende Flugschrift,
welche zur Zeit der Kaiserin Anna, im Jahre 1737, erschien: «Ge-
spräche im Reiche der Todten; 224. Entrevue zwischen dem Knees
•3*
\
196
Basilio Golizyn und dem russischen General B. von Hochmuth,
Leipzig 1737». Jahreszahlen, Angaben über Feldzüge und Schlach-
ten und die dabei verwendete Truppenmenge geben ein fast komi-
sches Durcheinander von Missverständnissen ab. Durch einen
grossen Theil der Broschüre zieht sich die spasshafte Verwech-
selung des Fürsten W. W. Golizyn mit dessen Vetter Boris Alexeje-
witsch Golizyn, woraus denn wieder eine Fülle von Irrthümern er-
wächst. Immerhin verdienen einzelne Angaben in diesem Schrift-
chen Beachtung. Dasselbe zeugt davon, dass man im Westen den
russischen Angelegenheiten früherer Zeit gern eine gewisse Auf-
merksamkeit schenkte, und dass der Eindruck, welchen das Wirken
und die Persönlichkeit Golizyn's auf seine Zeitgenossen geübt hatte,
kein flüchtig vorübergehender gewesen war.
Genau hundert Jahre später erschienen in Russland zwei Biogra-
phien Golizyn's. Die eine hatte den dereinstigen Vorsitzenden
der Moskauer Gesellschaft für Geschichte und Alterthümer Russ-
lands, A. Malinowskij zum Verfasser und ward gedruckt im VII.
Bande der von diesem gelehrten Verein herausgegebenen «Studien
und Chroniken» (Moskau 1837). In demselben Jahre erschien in
dem zweibändigen Werke A. Tereschtschenko's «Versuch der
Uebersicht des Lebens der Würdenträger, welche die Auswärtigen
Angelegenheiten in Russland leiteten» (St. Petersburg 1837) eben-
falls eine Biographie Golizyn's. Beide Arbeiten enthalten sehr
dankenswerthe Details, zeugen aber von sehr schwach entwickelter
Kritik. So schenkt namentlich Tereschtschenko, welcher übrigens
eine sehr bedeutende Belesenheit an den Tag legt, der Schrift Neu-
ville's unbedingten Glauben. Beide Verfasser ergehen sich, wie
das in jener Zeit üblich war, in den stärksten Ausdrücken über die,
dem Fürsten Golizyn als Gegner Peters und Anhänger Sophiens
zur Last gelegten Verbrechen. Polizei und Censur trugen damals
dazu bei, die sittliche Entrüstung zu steigern. An allerlei histori-
schen Ungenauigkeiten und chronologischen Verstössen ist in bei-
den Schriften kein Mangel.
In der letzten Zeit hat Hr. Ustrjalow in seiner «Geschichte Peters
des Grossen» neues und werthvolles Material über Golizyn mitgc-
theilt, Privatbriefe, Gerichtsakten und sonstige Geschäftspapiere,
welche insbesondere in die Katastrophe Golizyn's einen ungleich
tieferen Einblick gestatten, als dies bis dahin möglich war.
Aus allem diesem Material heben wir in der folgenden, keines-
wegs erschöpfenden Skizze nur das Wesentlichste heraus.
197
Lanfbahn bis 1682.
Wassilij Wassiljewitsch Golizyn, im Jahre 1643 geboren, stammte
aus einem hochangesehenen Geschlechte, welches seinen Ursprung
auf die ruhmreichen Zeiten Litthauen's im dreizehnten Jahrhundert
zurückführte. Einer seiner Ahnen, Michail Iwanowitsch, hatte be-
reits in der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts' dem Gross-
fürsten Wassilij Iwanowitsch in den Kämpfen mit Polen sehr wesent-
liche Dienste geleistet und seine Treue und Ergebenheit mit acht-
unddreissigjähriger Haft in Polen gebüsst ; dessen Sohn, Jurij, hatte
insbesondere gegen die Tataren ruhmreich gekämpft. Der Enkel
Jurij's, Wassilij, wurde mit dem Vater des ersten Zaren aus dem
Hause Romanow, dem nachmaligen Patriarchen Philaret, als russi-
scher Gesandter (161 1) nach Polen geschickt und hatte, als man
161 3 zur Wahl eines Zaren schritt, namentlich unter den Geistlichen
eine Partei, welche ihn gerne auf den Thron erhoben hätte. Er
starb kinderlos in polnischer Gefangenschaft.
Wie alle Golizyn's, so bekleidete auch der Vater unseres Golizyn
Wassilij Andrej e witsch, während der Regierung der ersten 2^ren
aus dem Hause Romanow verschiedene hohe Posten. Er starb 1652,
als sein Sohn neun Jahre alt war^ Geburt und Stellung hatten dem
jungen Manne die Laufbahn vorgezeichnet. Er widmete sich dem
Hofdienste, begleitete den Zaren Alexei im Jahre 1663 auf einer
Wallfahrt zu einem Kloster und spielte bei Hofe eine hervorragende
Rolle.
Golizyn's militärische und politische Thätigkeit begann in der Zeit
der Regierung des Zaren Feodor Alexejewitsch (1676 — 82). In
diese Zeit fällt der Abschluss der klein-russischen Angelegenheit.
Nachdem in dem Frieden . von Andrussow (1667) Russland nach
Jahrzehnte fortgeseztem Kampfe mit Polen, letzteres genöthigt
hatte, Klein-Russland wenigstens links vom Dnjepr abzutreten, war
diese neuerworbene Provinz in dem Streite zwischen Türken und
Tataren einerseits und Russland andererseits zum Zankapfel ge-
worden. Der Hetman Doroschenko hatte die Interessen der Orien-
talen vertreten. Es entbrannte ein Kampf um die Festung Tschi-
girin, welche Doroschenko, nachdem er eine Art Vasall des Sultans
gewesen war, den Russen übergeben hatte. Der Kampf der Par-
« Vgl. Tereschtschenko a. a. O. S. 131 u. ff Die Genealogie ausführlich in d.
Alten Russischen Bibliothek, Bd. 17, S. an u. ff., und in einem besonderen Werke
von Ssertschewskij, welches 1853 in St. Petersburg erschien.
198
teien in Klein-Russland erforderte eine energische Intervention von
Seiten russischer Beamten und Militärs. An diesem Pacificirungs-
werke hat Golizyn Theil genommen. Es galt ferner, das Land ge-
gen die Einfälle der Tataren zu schützen. Golizyn befestigte Pu-
tiwl und andere Städte. Als die Türken 1677 und 1678 Tschigirin
belagerten — es war das erste Mal, dass die Pforte und Russland
unmittelbar mit einander Krieg führten — befand sich Golizyn beide
Mal in der Armee, welche den Belagerten helfen sollte. Es fehlte
nicht an Belohnungen; Golizyn erhielt allerlei neue Aemter und
Würden, ward in den Bojarenstand erhoben, empfing kostbare Ge-
schenke an Land und Bauern, werthvollen Gegenständen und Geld,
auch den Stab, die sogenannte Bulawä, welche einst dem Hetman
Doroscheoko gehört hatte ^
Schon in dieser Zeit hatte Golizyn Gegner. Wir hören von einer
gewissen Spannung zwischen ihm und dem Oberfeldherrn Romo«
danowskij, wegen eines Rangstreites. Aus Gordon^s Tagebuch
erfahren wir, dass es gefährlich war, Golizyn einen Besuch zu
machen, weil man sich dadurch leicht den Zorn des Oberfeldherrn
zuzog*. Auch mit dem neuen Hetman Klein-Russlands, Ssamoilo-
witsch, haderte Golizyn, weil Ssamoilowitsch bei seinem Streite mit
dem Oberfeldherrn die Partei des letzteren ergriffen hatte'. Es wird
ferner erzählt, dass Golizyn bei der Wahl eines Sammelpunktes für
die Truppen anderer Ansicht gewesen sei, als der Hetman, und end-
lich, dass er für seinen Sohn Alexei um die Hand der Tochter Ssa-
moilowitsch's gebeten habe und abschlägig beschieden worden sei^
Dass er bereits in der Regierungszeit Feodor^s wesentlichen Ein-
fluss auf die auswärtige Politik Russland^s geübt habe, wie man wohl
gemeint hat', ist zu schlecht bezeugt, als dass man auf solche Nach-
* Vgl. d. Einzelnheiten bei Tereschtschenko a. a. O. S. 135 u. ff.
' Gordoii*s Tagebuch, herausg. v« Posselt, Bd. L, S. 450.
* Gordon's Tagebuch,%d. II, S. 180.
^ Vgl. Tereschtschenko, S. 135« Wie Golizyn, als er eine Freudenbotschaft an
den 2^en befördert, gekränkt wird, indem Andere ihm zuvorkommen, so dass Golt-
zyn's Boten keine Belohnung erhalten, erzählt Gordon, I, 433.
' In den obenerwähnten Gesprächen im Reiche der Todten, rühmt sich Golizyn in
der Entrevue mit dem General Hochmuth, S. 1183, er habe während der Regierung
des Zaren Feodor die grösste Rolle gespielt; der König Ludwig XIV. habe an ihn
geschrieben und ihn gebeten, dahin zu wirken, dass Russland nicht mit Schweden
breche; so habe denn er, Golizyn, den drohenden Krieg zwischen Russland und
Schweden rerhindert. — • Dieser Zug gehört zu den mancherlei gewagten Einzelheiten
der Flogschrift) welche allerdings durch dergleichen Ungeheuerlichketten an Interesse
gewinnt.
199
richten Gewicht legen dürfte. Dagegen . ist sein Verdienst bei Ab-
schaffung des zu einem chronischen Uebel gewordenen Missstandes
der Rangstreitigkeiten (Mestnitschestwo) unzweifelhaft. Man darf
ihn als einen der wichtigsten Urheber dieser heilsamen Reform an-
sehen. Es galt ein Stück mittelalterlichen Unwesens fortzuräumen,
um den Interessen des modernen Staates den Sieg über gewisse
Vorurtheile der Grossen, der Beamten und Generale zu verschaffen.
Man wird zugeben müssen, dass diese, in die letzte Zeit der Regie-
rung des Zaren Feodor fallende Maassregel dem Geiste der Reform-
epoche Peters des Grossen entsprach.
Nicht umsonst hat der neueste Geschichtschreiber Russlands,
Hr. S. Ssolowjew, den Abschnitt seines umfassenden Werkes, wel-
cher «Russland in der Reformepoche* zum Gegenstande hat, mit der
Regierung Feodor's begonnen. Die west-europäischen Einflüsse,
insbesondere die Einwirkung polnischer Sprache, Literatur und
Sitte, wird in dieser Zeit immer stärker. Der überaus kränkliche,
aber willensstarke und nicht unbegabte Zar denkt an allerlei Verän-
derungen im Staatshaushalt. Dass er den Rangstreitigkeiten ein
Ende machte, ist eine Epoche in der Geschichte des russischen
Heerwesens,
In den Kämpfen mit Polen und Tataren hatte man die völlige
Untauglichkeit der russischen Militärorganisation einsehen gelernt«
Auch aus Gordon's Tagebuch erfahren wir, wie schlecht es
mit der Mannszucht stand« Zu den schlimmsten Fehlern der russi-
schen Offiziere gehörte die Unfähigkeit, sich einem höheren Willen
unterzuordnen. Jeder Militär hielt sich im Rechte, den Gehorsam
zu verweigern, wenn seine Ernennung für irgend einen Posten seinen
Ueberzeugungen von den ihm, seiner Vorfahren wegen zukommen-
den Vorrechten in Betreff der einzunehmenden dienstlichen Stellung
nicht entsprach. Die zahllosen Streitigkeiten, welche der Anfang
eines jeden Feldzugs aufwies, die auf der genau im Einzelnen fest-
gestellten Untersuchung der Geschichte des Dienstes der Vorfahren
begründeten Klagen, Rekriminationen und Denuncianten der Offi-
ziere brachten die Regierung nicht selten schon während des sechs-
zehnten Jahrhunderts aus der Fassung. Oft erkannte die Regierung
die Berechtigung solcher Klagen und Bitten an, und Hess auf Grund
der, in den Archiven befindlichen Dienstbücher diese Personalfragen
genau prüfen und entscheiden. Oefter aber sah die Regierung, durch
den dabei unvermeidlichen Zeitverlust, durch den Aufenthalt, den
Erfolg der Feldzüge in Frage gestellt und half sich dann mit der
200
^ -
Erklärung, dass in diesem einzelnen Falle, für diesen Feldzug Jeder
unweigerlich den ihm zugewiesenen Posten bekleiden solle, ohne
dass im Prinzip seinen Dienstrechten im Verhältniss zu Kollegen
oder Vorgesetzten dabei zu nahe getreten würde. Solche Ernen-
nungen «ohne Präjudiz», die formelle Erklärung, dass es hierbei sich
um eine Art von «comment suspendu» handle, waren einerseits eine
Anerkennung der Gesetzlichkeit des ganzen Missstandes solchen
endlosen Haders, andererseits ein kümmerlicher Nothbehelf, Man
musste weiter gehen und mit dem Prinzip brechen. Das geschah
wesentlich durch die Initiative W. W. Golizyn's.
Er war Mitglied einer, aus Vertretern verschiedener Stände zu-
sammengesetzten Kommission, welche über die Reform des Heer-
wesens zu berathen hatte, und zu dem Beschlüsse kam, dass vor
Allem jenen Rangstreitigkeiten ein Ende gemacht werden müsse.
Als Berichterstatter der Kommission, in welcher er, wie wir an-
nehmen dürfen, die Hauptrolle wird gespielt, haben, theilte Golizyti
dem Zaren dieses Ergebniss der Berathungen mit. In einer feierli-
chen Versammlung der Bojaren und höheren Geistlichkeit erörterte
der Zar, nachdem der Kommissionsbericht verlesen war, in einer
längeren Rede, deren Wortlaut erhalten ist, die ganze Frage. Nach
einer kurzen Berathung beschloss man das Archiv der Dienstregi-
ster zu verbrennen. Die Erkenntniss, dass ein im Prinzip schädliches
Institut abgeschafft werden müsse, scheint allgemein gewesen zu
sein. Es wird von keinem Widerspruche berichtet, welcher dem
Kommissionsvorschlage etwa begegnet sei. Die Reformidee Goli-
zyn^s entsprach dem Charakter der Zeit, in welcher das Bewusstsein
von der Nothwendigkeit der Reformen immer klarer hervortrat.
Man hat bemerkt, dass Golizyn bei diesem Vorgange eine hochher-
zige Selbstlosigkeit an den Tag gelegt habe, da seine Ahnen lange
Zeit hindurch stets die hervorragendsten Stellen innehatten, er also
bei Rangstreitigkeiten fast ausnahmslos günstiger gestellt war, als
Andere. Wie dem auch sein möge, sein Name ist an eine Maassre-
gel geknüpft, welche von loyalem Sinne für politischen Fortschritt
zeugt*.
Kurze Zeit darauf starb Feodor Alexejewitsch. Während der
Krankheit des Zaren pflegte ihn seine Schwester Sophie. Es wird
berichtet, als habe ganz besonders W. W. Golizyn dahin gewirkt,
' Vgl. d. Gesch. d. Vorgangs hei Ssolowjew, Gesch. Russlands Bd. XIII, S, 5I7•
324', Ustijalow, Gesch. Peter d. Gr. ly S. 290,
20I
dass Sophie eine solche Pflicht übernahmt Es mag sich vielleicht
in jener Zeit ein mehr oder minder zärtliches Verhältniss zwischen
dem Fürsten und der Prinzessin entsponnen haben. Er war 39 Jahre
alt, verheirathet und hatte erwachsene Kinder, Sophie zählte 25
Jahr, war hochbegabt, besser gebildet als russische Prinzessinnen in
jener Zeit zu sein pflegten, und von Ehrgeiz und Herrschsucht er-
füllt. Manches in den Erzählungen von diesem Verhältniss mag der
Wahrheit nicht entsprechen, insbesondere muss Vieles hierauf Be-
zügliche in Neuville's Schrift als grundloses Gerücht bezeichnet
werden, indessen haben die, aus den späteren Jahren der R^ent-
schaft Sophiens stammenden zärtlichen Schreiben der Regentin an
den Fürsten, welche Ustrjalow den Archiven entnahm und in sei-
nem Werke über Peter den Grossen mittheilte, jeden Zweifel an ei-
ner glühenden Leidenschaft der Prinzessin für Golizyn beseitigt.
Wir werden später diese Aktenstücke mittheilen. Gewiss ist, dass
der Verkehr Sophiens mit dem erfahrenen, geschäftskundigen Für-
sten sehr wesentlich zu ihrer politischen Ausbildung beitragen
musste. Es war eine Anomalie, dass ein weibliches Mitglied des 2Ja-
renhauses in die Staatsgeschäfte eingeführt wurde. Sophie, welche
in den Jahren 1682 bis 1689 Russland regierte, erschien auf ihren
Beruf vorbereitet. Man wird nicht läugnen können, dass sie in dieser
Zeit Muth und Einsicht, politischen Takt und diplomatische Ge-
wandtheit an den Tag legte, dass sie den an sie durch ihre Stellung
gemachten Anforderungen gewachsen war. In ihrem ganzen Wesen
ist eine Reife und Entschlossenheit, welche in auff'allendem Gegen-
satze steht zu der Unmündigkeit, Unwissenheit und Bedeutungslo-
sigkeit, welche andere Frauen der höheren russischen Gesellschaft
charakterisirten. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir den Umgang
mit Golizyn als Sophiens politische Schule bezeichnen. Indem der
Gang der gewöhnlichen, hergebrachten Ordnung der Dinge durch-
brochen wird, vielleicht durch ein unerlaubtes Verhältniss, hat sich
damals in Russland ein Akt der Frauenemanzipation vollzogen. So-
phiens Name, ihre Rolle in der Geschichte Russlands ist eng ver-
wachsen mit dem Namen und der historischen Rolle Golizyn's.
Man kennt die Stellung, welche Sophie unmittelbar nach denj
Tode Feodors einnahm. Wir dürfen kaum daran zweifeln, dass sie
gegen die anfänglich durchgesetzte Thronbesteigung Peters, mit
Ausschluss des altern Bruders Iwan, agitirt, dass sie an den Blutta-
gen im Mai {15.— 17.) einen wesentlichen Antheil gehabt habe.
* Vgl. Tereschtschenko a, a. O. S. 147,
202
Das Ergebniss war, dass nicht Peter allein, welcher einen Monat
lang den Namen eines Zaren geführt hatte, sondern Iwan und Peter
zusammen regieren sollten, dass Sophie Regentin wurde.
Wir wissen nicht, welchen Antheil Golizyn an diesen Elreignissen
gehabt hat. Dass unter den Opfern der Schreckenstage im Mai
auch der einstmalige Gegner Golizyn's, Romodanowskij, angetroffen
wird, darf uns nicht veranlassen, ihm einen besonderen Antheil an
dieser Blutthat zuzuschreiben. Entscheidende, verbrecherische
Handlungen waren nicht Sache Golizyn's. Nach den uns vorliegen-
den Materialien ist er sowohl bei der Krisis des Jahres 1682, welche
ihm neben der Regentin die erste Stelle im Reiche eintrug, als auch
bei der Verschwörung des Jahres 1689, welche seine Verbannung
zur Folge hatte, im Hintergrunde geblieben. Von einer besonderen
Initiative seinerseits bei diesen Ereignissen ist nichts zu spüren. An-
dere Personen erscheinen als die wesentlich handelnden. Die Woge
der politischen Erschütterung erhebt ihn so hoch im J. 1682, stürzt
ihn tief im J. 1689, ohne dass er, soweit unsre Kenntniss dieser Er-
eignisse reicht, seines Glückes Schmied oder seines Falles Urheber
gewesen wäre. Vielleicht hat er energischer gehandelt, durchgrei-
fender agitirt, als wir bei dem immerhin nur fragmentarischen Mate-
rial zu erkennen vermögen; wahrscheinlicher ist es, dass wir in Goli-
zyn ein Art politischen Hamlet*s vor uns haben.
Welchen Antheil auch Golizyn an den Vorgängen im Frühling
1682 gehabt haben mag^ die Erhebung Iwans auf den Thron, So-
phiens Regentschaft machte ihn zum Grossvezir Russlands. Der
Sieg Sophiens war noch während der Schreckenstage entschieden ;
erst einige Tage später endete die Alleinherrschaft Peters formell.
Erst Ende Mai wird Iwan Zar, wird Sophie Regentin. Aber die Er-
nennung W. W. Golizyn's zum Minister des Auswärtigen erfolgt
bereits den 16. Mal Also unmittelbar nach der Ermordung Matwe-
jew's, des hochgebildeten Staatsmannes, welcher bis zum Jahre
1676 diesen Posten innegehabt hatte, ward Golizyn dessen Nachfol-
ger. Erhielt er auch, wie neuerdings Ssolowjew auf Grund von Ar-
chivalien berichtet hat, den formellen und hochklingenden Titel
eines «Grosssiegelbe wahreres und eines Verwalters der grossen Ge-
sandtschaftsangelegenheiten» erst am 19. Oktober 1683, so wurde
ihm doch bereits früher, und zwar während der Schreckenstage im
Mai 1682, die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten Russlands
anvertraut.
In einer Zeit, da Russland mh anschickt ein Glied der europäi-
203
sehen Staatenfamilie zu werden, da die diplomatischen Beziehungen
zu West-Europa an Intensität und Umfang zunehmen, da die wich-
tigsten Angelegenheiten der auswärtigen Politik Russlands, die Be-
ziehungen zu Schweden und Polen, zu Türken und Tataren in ein
neues Stadium treten sollten, war der Posten eines Leiters der aus-
wärtigen Politik besonders wichtig. Wie Matwejew war auch Goli-
zyn durch Neigung und Geschmack, Bildung und Ueberzeugung
Anhänger der nach West-Europa gerichteten Politik. Er gehörte zu
den sehr wenigen Russen, welche des Lateinischen vollkommen
mächtig waren. Er sprach und schrieb lateinisch so fliessend, dass
er für den Verkehr mit auswärtigen Diplomaten nicht der Vermitte-
lung der Dolmetscher bedurfte. Wir wissen, dass er noch vor dem
Jahre 1682 mit den in Moskau lebenden Ausländern einen lebhaften
Verkehr unterhielt. Wenn wir erfahren, dass seine Schwieger-
mutter, welche um seine Gesundheit besorgt war, ihm den Rath
gab, sich an den Doktor Laurentius Blumentrost zu wenden, wenn
wir sehen, wie er sich sehr häufig Gordon zu Tische ladet und mit
ihm über die Angelegenheit West-Europas sich eingehend unterhält)
so dürfen wir vermuthen, dass Golizyn in ähnlicher Weise, wie
Peter der Grosse einige Jahre später, es verstanden habe, durch den
Verkehr mit den Ausländern den Kreis seiner Kenntnisse, Inter-
essen und Erfahrungen sehr wesentlich zu erweitern.
Bildang und Lebensweise.
Weisen wir auf einige Züge dieser internationalen Stellung Goli-
zyn's hin, welche im Gegensatze zu dem Chinesenthum der Alt-
russen ihn als einen Geistesverwandten Peters erscheinen lassen.
Hier verdient seine Bekanntschaft mit dem General Gordon Be-
achtung. Gordon war mehr als viele Andere, in Russland lebende
Ausländer befähigt, als Lehrmeister strebsamer Russen aufzutreten .
In den neunziger Jahren ist er als täglicher Gesellschafter des jun-
gen Zaren in höherem Maasse Peters Lehrer geworden. In Gordon's
Tagebuch spielt W. W. Golizyn, den er meist nur cour Bojar»
nennt, eine grosse Rolle. Bald ist einer cgeheimen Unterredung» er-
wähnt, welche Golizyn mit Gordon hatte und in welcher von den
Angelegenheiten Klein-Russlands, von den Beziehungen zu Kaiser
Leopold und von der orientalischen Frage gesprochen wurde*, bald
unterhält sich Gordon mit dem Fürsten über die Lage der Katholi-
* Posselt*s Edition des Tagebuches ü, S. 4.
204
ken in Russland und sucht durch seine Vermittelung gewisse
Rechte und Privilegien für die Katholiken zu erlangen', sehr oft ist
Gordon des Fürsten Tischgenosse oder reitet mit ihm auf die Jagd;
als Gordon sich im Jahre 1686 in England aufhält, verschreibt Goli-
zyn, welcher mit ihm überhaupt einen lebhaften Briefwechsel unter-
hält, durch Gordon eine Anzahl von Offizieren, Ingenieuren, Feuer-
werkern, Minirern u. s. w.* Es ist dieselbe Erkenntniss, dass man
der westeuropäischen Intelligenz, der ausländischen Arbeitskräfte
bedürfe, welche wir auch bei Peter dem Grossen finden. Aehnlich
wie Peter der Grosse sich oft mit Gordon über das Artilleriewesen
unterhielt. Versuche mit allerlei Geschossen anstellte, mit ihm im
chemischen Laboratorium allerlei pyrotechnische Studien trieb, so
war auch Golizyn zugegen, wenn Gordon neue Kanonen oder Mör-
ser probirte und legte ein besonderes Interesse für dergleichen balli-
stische Uebungen an den Tag*. Mehrmals ist in Gordon's Tagebuch
von eingehenden Gesprächen mit Golizyn über England die Rede*.
In Bezug auf diesen Gegenstand gingen die Anschauungen und
Interessen beider Männer nicht zusammen. Während Gordon als
eifriger Katholik und fanatischer Anhänger des Hauses Stuart für
Jakob IL schwärmte und bei Gelegenheit der Revolution von 1688
voll Hass war gegen Wilhelm III., war Golizyn • geneigt, für den
letzteren gegen den ersteren Partei zu nehmen. Mit dem grössten
Interesse lauschte Golizyn, wie wir aus Gordon's Tagebuche erfah-
ren, den Nachrichten, welche ihm Gordon über allerlei Vorkomm-
nisse in West-Europa zu bringen pflegte.
Wiederholt erwähnt Gordon, der Fürst Golizyn habe bei Aus-
ländern, welche in der deutschen Vorstadt wohnten, alleriei Festen,
Hochzeiten u. dgl. beigewohnt, so bei Elias Tabort und bei Daniel
Hartmann*. Golizyn's Sohn, Alexei, welcher ebenfalls eine hohe
Stellung einnahm und dessen Name auf dem, die Abschaffung der
Rangstreitigkeiten verkündenden Aktenstücke zu sehen ist, gab
einst ein Fest, zu welchem auch Gordon — wir dürfen vermu-
then überhaupt eine Anzahl Ausländer — geladen war^
Den Gesandten der Generalstaaten behandelte Golizyn mit beson-
'* Posselt's Edition des Tagebuches II, S. 118.
' Vgl. Gordon's Tagebuch II 142.
» Ebendaselbst II, 205.
* Ebendaselbst II, 226. 241.
* Ebendaselbst II 167 u. 230.
' Elieiidaselbst II, 244.
205
derer Aufmerksamkeit. Baron Keller, welcher zu den anziehend-
sten Illustrationen der deutschen Vorstadt gehörte, berichtet aus-
fuhrlich über seine persönlichen Beziehungen zu dem Minister. Es
war bei der Steifigkeit des russischen Tones im Verkehr mit Aus-
ländem, bei der Unzugänglichkeit der russischen Würdenträger für
gewöhnlichen, geselligen Verkehr eine seltsame Erscheinung, dass
Golizyn im Jahre 1683 eine Einladung des Baron Keller zum Diner
annahm. Er erschien mit einem Gefolge in vier Karossen, wurde
glänzend empfangen und bewirthet, trank auf das Wohl der Nieder-
lande, sprach den Wunsch aus, dass das gute Einvernehmen Russ-
lands mit den Generalstaaten fortdauern möge, und unterhielt sich
nach aufgehobener Tafel mit dem Residenten über die Miliz, die
Wehrkraft und den Staatshaushalt der Generalstaaten. Ein ander-
mal, es war im Jahre 1687, lud er sich selbst zum Baron Keiler ein
und erschien mit einem grossen, etwa hundert Personen zählenden
Gefolge von Fürsten, Generalen, Offizieren, Edelleuten und Dienern.
Nachdem er an der Tafel Platz genommen hatte, bat er sich ein
Glas Wein aus, um auf das Wohl und Gedeihen der Generalstaaten
zu trinken. Er hielt dabei eine längere Rede. Baron Keller ant-
'wortete mit einem Trinkspruche auf die Gesundheit ihrer Zarischen
Majestäten^
Auch manche Züge einer wohlwollenden Behandlung des be-
kannten Schweizers Franz Lefort durch Golizyn werden berichtet*.
Nicht umsonst schrieb Lefort nach Genf, man solle von dort aus an
Golizyn und dessen Sohn Alexei schreiben und um die Verleihung
eines höheren Ranges an ihn, Franz Lefort, bitten: er wurde, als es
geschehen war, Oberst^. Um den Fürsten Golizyn geneigt zu
machen, Gordon, welcher Russland zu verlassen wünschte, nach
England zu entlassen, schrieb das Haupt der Familie Gordon,
der Herzog Gordon, Gouverneur Edinburgs, einen lateinischen
Brief an Golizyn, in welchem er ihn mit Komplimenten überschüt-
tete*, was übrigens Golizyn nicht abhielt, diesmal in der Art eines
brutalen türkischen Paschas Gordon recht schlecht zu behan-
deln, ihn, weil Gordon darauf bestehen wollte, aus russischem
Dienste entlassen zu werden, mit Schmähungen zu überhäufen und
den verdienten General auf einige Wochen zum Fähnrich zu degradiren.
* Vgl. KcUer's Bericht in Posselt's Werk über Lefort, Bd I, S. 34I und 370,
' El^endaselbst S. 376.
■ UstTJalow, II, 15.
* Gordon's Tagebuch, II,
±c>6
Wie liebenswürdig und entgegenkommend aber W. W. Goiizyn
im Verkehr mit Ausländern sein konnte, erfahren wir besonders aus
der «Relation curieuse et nouvelle de la Moscovie», deren Verfasser,
Neuville, von den Eindrücken seines Verkehrs mit Goiizyn be-
richtet, lieber die Russen im Allgemeinen fällt Hr. Neuville ein
sehr tadelndes Urtheil. Er nennt sie Barbaren ; sie wüssten nicht
was Bildung, Anstand und gute Sitte sei; er bemerkt, dass nur vier
Russen des Lateinischen mächtig seien, ein Vorzug, welchen sie
polnischen Erziehern zu verdanken hätten; ohne die Ausländer!
meint Neuville, deren eine grosse Anzahl in Russland lebten,
könnten die Russen nichts unternehmen^ ausführlich ergeht er sich
über die Trunksucht, den Aberglauben, die Unreinlichkeit und Un-
wissenheit der Russen, er schildert ihren Gesichtskreis als be-
schränkt, ^tadelt ihren Mangel an Unternehmungslust, ihr Festhalten
am Bestehenden. Selbst über die Naryschkin's, die Verwandten
Peters des Grossen, urtheilt er sehr abfällig, ebenso wie über den
Vetter W. W. Golizyn's, Boris Alexejewitsch Goiizyn, den er als
einen Trunkenbold bezeichnet, welcher jeder Unterhaltung höherer
Art unfähig sei. Um so überraschter ist Neuville, in einer sol-
chen Umgebung, in einer solchen Gesellschaft einen Mann zu fin-
den, welcher durch geselligen Anstand, feine Sitte, vielseitige Bil-
dung und spezifisch europäische Lebensweise ausgezeichnet sei.
Goiizyn erschien dem französisch-polnischen Diplomaten als ein
weisser Rabe. Neuville schreibt nach seiner ersten Begegnung
mit dem Minister, dieser habe ihn so empfangen, dass er, Neu-
ville geglaubt habe^ am Hofe irgend eines italienischen Fürsten zu
sein. Die in lateinischer Sprache geführte Unterhaltung betraf ver-
schiedene Ereignisse West-Europa's, wobei Goiizyn eine über-
raschende Sachkenntniss an den Tag legte, welche er, wie wir wis-
sen, dem Verkehr mit Männern wie Gordon verdankte; als, der
russischen Sitte gemäss, sogleich nach Erscheinen des Gastes, dem.
selben Branntwein präsentirt wurde, beeilte sich der Wirth, Goiizyn,
seinem Gaste, Neuville, vom Trinken abzurathen , welche Thatsache
denn allerdings auf einen totalen Bruch mit der in Russland herr-
schenden Tradition schliessen lässt. Im Gegensatze hierzu bestand,
wie Neuville gleich darauf erzählt, die ganze Unterhaltung bei
Boris Goiizyn, als er diesen besuchte, im Trinken. An einer an-
deren Stelle seiner Schrift sagt Neuville von W. W. Goiizyn, er
sei einer der geistreichsten, der höflichsten und prachtliebendsten
Fürsten seiner Zeit, und sein Hauptvergnügen sei die Konversation.
Er verachte die russischen Grossen wegen ihrer Unfähigkeit und
schätze wahres Verdienst sehr hoch.
Neuville schildert ferner, nachdem er selbst Zeuge der Kata-
strophe Golizyn's gewesen war, die Verdienste des Fürsten in Be-
treff der inneren Verwaltung, namentlich in Betreff der Aufklärung.
Er erzählt: Golizyn habe grosse steinerne Häuser aufführen lassen,
zwanzig Gelehrte aus Griechenland berufen, schöne Bücher nach
Russland importirt, den Grossen anbefohlen, ihre Kinder studiren
zu lassen und ihnen anempfohlen, die Erziehung ihrer Kinder pol-
nischen Lehrern anzuvertrauen. Gegen die Ausländer sei er so
liberal gewesen, wie Niemand vor ihm, indem er ihnen gestattete,
in's Land zu kommen und dasselbe nach Belieben wieder zu ver-
lassend Auch habe er den Wunsch ausgesprochen, dass die russi-
schen Grossen sich daran gewöhnten, in's Ausland zu reisen. Er
habe die Absicht gehabt, eine neue, reguläre Armee zu bilden, an
allen ausländischen Höfen ständige Residenten zu unterhalten, in
Russland völlige Gewissensfreiheit zu gestatten. Er trug sich mit
den hochfliegendsten Entwürfen: er wollte Wüsten bevölkern, Bett-
ler reich machen, Wilde zu Menschen umformen, Feiglinge in
tapfere Krieger, Lehmhütten in steinerne Paläste verwandeln.
Neuville ist, ganz wie auch der bekannte Reisende und Missionär
Avril, in seiner Beurtheilung Golizyn's von dem Interesse der katho-
lischen Kirche beeinflusst. Dass der Fürst die Rechte der Katho-
liken auszudehnen geneigt war, liess ihn in den Augen der Emissäre
der Kirche als das Ideal eines Staatsmannes erscheinen. Ausdrück-
lich lobt Neuville den Fürsten dafür, dass er sich gern mit den
Jesuiten unterhalten habe. Die Katholiken hatten Ursache, Goli-
zyn's Katastrophe zu beklagen. Sie waren entzückt darüber ge-
wesen, dass er seinem Lande die «Gewissensfreiheit» hatte geben,
d. h. den Katholiken freie Religionsübung hatte bewilligen wollen,
und mussten es nun erleben, dass nach dem Sturze Golizyn's und
Sophien's eine Art Reaktion eintrat und dass in der ersten Zeit der
eigentlichen Herrschaft Peters, d. h. unmittelbar nach dem Staats-
streiche von 1689, die Jesuiten verjagt wurden. Von diesem Stand-
punkte aus, musste die Katastrophe Golizyn's solchen Beurtheilern,
wie Neuville, als ein Unglück erscheinen, das die Welt betroffen
hatte. Mit ihm schien eine Epoche der Reform auch in Russland
' Die unliebsame Episode mit Gurdon, deren wir oben erwähnten, zeigt, dass Coli-
zyn*s Liberalismus gewisse Grenzen hatte, wie denn überhaupt Neuville von einiger
Schönfärberei nicht frei zu sprechen ist
208
eingeleitet zu sein ; nach ihm konnte man, wie Neuville fürchtete,
eine Reaktion, eine Rückkehr zum Asiatenthum erwarten. Aus-
drücklich sagt Neuville, mit Golizyn habe Moskau Alles verloren!
Wenn wir aber auch Neuville's Urtheil als überspannt, befangen
und tendenziös anerkennen müssen, so geht doch aus demselben
unzweifelhaft hervor, dass Golizyn im Verkehr mit Neuville es ver-
standen hat, dem erfahrenen Diplomaten, dem gebildeten Vertreter
der west-europäischen Kultur zu imponiren. Neuville bemerkt aus-
drücklich, dass Golizyn ihm mancherlei von seinen Absichten und
Entwürfen mitgetheilt habe. Steht auch das, was während der Re-
gentschaft Sophien*s auf dem Gebiete der inneren Reformen ge-
schah, nicht irgendwie im Verhältniss zu den hochfliegenden Plänen,
deren bei Neuville erwähnt wird, so zeugt es immerhin von einem
gewissen geistigen Schwünge, von einem^ in Russland damals nicht
leicht anzutreffenden politischen Idealismus, dass Golizyn sein Re-
gierungsprogramm einem Ausländer gegenüber so beredt und an-
ziehend zu entwickeln fähig war. Er mochte an die Möglichkeit
der Verwirklichung seiner Pläne glauben; während seiner Unter-
redungen mit Neuville konnte er nicht ahnen, dass seiner Thätigkeit
als Hauptleiter der russischen Politik schon so bald ein Ziel gesetzt
werden würde.
Neuville war etwa vier Monate in Moskau. Er hatte Gelegenheit,
mancherlei selbst zu beobachten. Die Eindrücke, welche er von
dem Wirken Golizyn's empfing, sowie den Inhalt seiner Gespräche
mit dem Fürsten theilt er an manchen Stellen seiner «Relation
curieuse» gelegentlich mit.
Wiederholt spricht er von der prachtvollen Ausstattung des
Hauses Golizyn's. Es enthalte die kostbarsten Hausgeräthe und
Luxusgegenstände; ja, dieses Palais, meint er, sei eines der schön-
sten in Europa; es sei mit Kupfer gedeckt, reich möblirt und mit
werthvoUen Gemälden geschmückt. Ein ähnliches Haus lasse der
Minister für die Gesandtschaftsbehörden aufRihren. Diese Bauten,
erzählt Neuville, hätten auf das Publikum gewirkt; es sei dadurch
Geschmack fiir schöne und solide Gebäude verbreitet worden.
Während Golizyn an der Spitze der Geschäfte gestanden habe, er-
zählt Neuville, seien nicht weniger als 3000 steinerne Häuser in
Moskau aufgeführt worden; auch habe er über die Moskwa eine stei-
nerne Brücke bauen lassen : es sei die einzige steinerne Brücke in
clem ganzen Lande: der Baumeister sei ein polnischer Mönch ge-
wesen,
209
So etwas stand allerdings im schroffen Gegensatze zu Allem, was
Neuville in Moskau sonst zu sehen Gelegenheit hatte. Er bemerkt
sehr wegwerfend, indem er der häufigen Feuersbrünste erwähnt, ein
Haus in Moskau sei so viel werth als ein cSchweinestalU in Deutsch-
land oder Frankreich, und berichtet dabei mit Erstaunen» was vor
ihm auch andere Reisende mit Verwunderung beobachtet hatten,
dass man die hunderte und tausende von Häusern, welche alljährlich
durch Feuersbrünste zerstört würden, leicht ersetzen könne, indem
auf den Märkten der Hauptstadt stets roh gezimmerte Häuser zu
kaufen seien.
Neuville erwähnt zweier grosser Entwür(e Golizyn's, welche Be-
achtung verdienen. Er erzählt, Golizyn habe u. A., um Russland
auf die Kulturhöhe anderer Staaten zu erheben, den leibeigenen
Bauern die Freiheit geben nnd ihnen die von ihnen bebauten Grund-
stücke als Eigenthum zuweisen wollen, worauf denn diese Grund-
stücke von Staatswegen nur massig besteuert werden sollten. Er
hat ferner die reine Geldwirthschaft statt der bisher vorherrschen-
den Naturalwirthschaft einführen und den Export des in dem Staats-
schatze zum Theil die Stelle des Geldes vertretenden Pelzwerks,
insbesondere der Zobelfelle, zu diesem Zweck fördern und steigern
wollen.
Dass in den Unterredungen Golizyn ^s mit Neuville von der
Bauernemanzipation gesprochen wurde, ist allerdings eine beach-
tenswerthe Thatsache. Peter hat nie an eine derartige Maassregel
gedacht. Es hat im Gegentheil während seiner Regierung eine
Verschlimmerung der Lage der leibeigenen Bauern stattgefunden.
Sollte Golizyn in der That sich mit dem Entwurf einer solchen
Reform getragen haben, so wäre dieser Fortschrittsgedanke, wenn
man die Zeitverhältnisse berücksichtigt, besonderer Anerkennung
werth. Wir wissen, dass zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts
in West-Europa, etwa England und Ober-Italien ausgenommen, die
Hörigkeit der Bauern noch eine ganz allgemeine Erscheinung war.
Zur Zeit Golizyn's herrschte eine Art Naturalherrschaft in Russ«
land vor. Aus Gordon's Tagebuch wissen wir, dass die auslän-
dischen Militärs einen bedeutenden Theil ihres Gehalts in Zobel-
fellen erhielten; die Geschichte der Reisen russischer Gesandten
nach West-Europa lehrt uns, dass die ihnen mitgegebene Baar-
schaft grossentheils aus Fellen bestand. Der Gedanke, durch den
gesteigerten Export von Pelzwerk baares Geld ih^s Land zu bringen
und so die Geldwirthschaft allgemeiner zu machen, zeugt ebenfalls
BUIB, BBTUB, BD. XUX. I4
2IO
von einer gewissen Vertrautheit mit den damals im Westen verbrei-
teten national-ökonomischen Theorien, mit einem Gebiete, auf wel-
chem Peter dem Grossen Bedeutendes zu leisten vorbehalten war.
Fernere Entwürfe Golizyn's waren an den Osten geknüpft Sibi-
rien sollte civilisirt werden.
Neuville hatte sogleich bei seinem Erscheinen in Russland einen
Mann kennen gelernt, dessen Gesichtskreis und Bildung, dessen
Weltkenntniss und politische Erfahrung den hochfliegenden Inten-
tionen des Fürsten Golizyn entsprachen. Es war der Grieche Spa-
fari. Bereits in der Zeit Feodor Alexejewitsch*s hatte dieser, durch
Sprachkenntnisse und eine etwas abenteuerliche Vergangenhait aus-
gezeichnete Emigrant in den fortschrittlichen Kreisen der höheren
russischen Gesellschaft eine gewisse Rolle gespielt In der letzten
Zeit der Regierung des Zaren Alexei war Spafari als russischer Ge-
sandter in China gewesen. Mit dem Freunde und Vertrauten des
Zaren Alexei, dem strebsamen und gebildeten Bojaren Artamon
Matwejew, hatte er naturwissenschafliche Studien betrieben und den
Sohn Matwejew's in den alten Sprachen unterrichtet ^ Man wusste
von ihm in der Türkei, von wo aus hervorragende Kirchenfürsten
mit ihm in Verkehr standen'. Mit dem gelehrten Bürgermeister von
Amsterdam, Nikolaus Witsen, stand er in einem Briefwechsel*.
Während der Regentschaft Sophien's nahm er in der Gesandtschafts-
behörde eine bedeutende Stelle ein. Ihm war der Auftrag gewor-
den, den französich-polnischen Diplomaten Neuville zu empfangen,
ihm während des Aufenthalts in Russland Gesellschaft zu leisten.
Auf die Gespräche Neuville*s mit Spafari lassen sich manche An-
gaben der cRelation curieuse», z. B. über die Feldzüge Golizyn's in
der Krim, zurückfuhren. Spafari war vor Kurzem wiederum von
einer Reise in den entferntesten Osten zurückgekehrt. Bei dem da-
mals sich lebhaft steigernden Interesse für die Geographie und
Ethnographie Asien^s war es begreiflich, dass Neuville mit grosser
Spannung den Erzählungen Spafari's über dessen Reisen lauschte.
Von ihm erfuhr er nun, dass in Betreff' des Handels und Verkehrs
mit China grosse Entwürfe beständen: durch ganz Sibirien sollte ein
grosses System von Postanstalten errichtet werden; von je zehn zu
zehn «Lieues» sollte ein Posthaus erbaut werden; man hoffte auf
' Ssolowjew, Bd. Xm, S. S38.
• Sscüowjew Bd. XTV, S. aas u. Bd. XV, S. 11$.
' Guerrier, LeibniU in seinen Beziehungen zu Peter dem Grossen, St. Petersbnrg und
Leipzig, 1S73 S. Mg,
211
den schiflFbaren Flüssen Sibiriens eine lebhafte Schifffahrt erstehen
zu sehen. Indem Neuville diese Bemerkungen mittheilt, fügt er hin-
zu, dass Spafari in seinen Mittheilungen über diesen Gegenstand
einigermaassen zurückhaltend gewesen sei und z. B. über die Topo-
graphie Sibiriens wenig gesagt habe, weil man den Weg nach China»
namentlich vor den Holländern, geheimzuhalten suche.
So hatte denn Neuville den Eindruck, dass mit dem Ministerium
Golizyn für Russland eine neue Aera hätte anbrechen können, wenn
nicht der im Jahre 1689 zu Gunsten Peter^s eingetretene Umschwung
wie mit einem Schlage alle die an das Talent und die Strebsamkeit
Golizyn^s geknüpften Hoffnungen vernichtet hätte*.
Wir sind in der glücklichen Lage, Neuville*s Angaben in Betreff
der geistigen Interessen Golizyn*s wenigstens zum Theil durch Ge-
schichtsmaterialien unvergleichlich zuverlässigerer Art kontrolliren
zu können und finden allerdings, dass Golizyn's Bildung auf einer
überraschenden Höhe gestanden haben müsse. Nicht umsonst s^
ein anderer Zeitgenosse, welcher damals in Moskau lebte, der Sachse
Georg Adam Schleusing : Studien, wie Golizyn sie treibe, seien in
Russland sonst «ein seltenes Wildpret»'.
In dem Archiv des Justizministeriums findet sich die Schilderung
des Hauses Golizyn und das Verzeichniss seiner Bücher. Offenbar
war Beides bei Gelegenheit der Katastrophe im Jahre 1689, als GoH-
zyn's Vermögen konfiszirt wurde, zusammengestellt worden.
Von der Pracht in dem Hause Golizyn's können wir uns aus dem
Hinweise auf folgende Luxusgegenstände einen Begriff machen. In
einem Saale hing eine Art Tellurium, d. h. eine Nachbildung der
Sonne in Gold, eine des Mondes in Silber in Form eines künstlich
gearbeiteten Kronleuchters ; da gab es ferner zwanzig Bildnisse von
Personen aus der heiligen Geschichte in kunstvoll geschnitzten Rah-
men. Vier grosse Bilder aus Deutschland in Rahmen werden noch
besonders erwähnt. Golizyn besass eine Sammlung historischer
Portraits: Bildnisse des Grossfürsten Wladimir vonKijew, des 2Uiren
Iwan IV., Feodor Iwanowitsch, Michail Feodorowitsch, Alexei und
der Söhne des letzteren; ausserdem vier Portraits west-europäischer
Fürsten. An den Wänden eines Gemaches hingen fiinf hohe Spiegel,
• Die, Golizyn betreffenden Ausführungen Neuville's sind in verschiedenen Theilen
der «Relation curieuse et nouveUe de Im Moscovie» (k U H^ye, 1699) verstreut; s. ins-
besondere S. 16, 5$. f7Si 215 u. s. w.
* Vgl. den Anhang zu Schleusing*s Buch über die beiden Zaren Iwan und Peter,
Kap. a.
14*
212
deren einer einen Schildpattrahmen hatte. Dieses Gemach hatte
nicht weniger als 46 Fenster mit Glasmalereien. Im Schlafzimmer
hingen in vergoldeten Holzrahmen auf Leinwand gemalte, deutsche
geographische Karten, ferner gab es in demselben Gemache vier
Spiegell zwei Büsten von Mohrenköpfen, ein überaus kunstvoll aus
Nussholz gearbeitetes Bett, allerlei Statuen, Nachbildungen von
Vögeln und Gräsern. Ueber dem Bett war ein runder Spiegel be-
festigt. Da standen mit goldgepresstem Leder überzogene Stühle
und mit Sammet überzogene Lehnstühle. Ferner schmückten Wand-
und Tischuhren mit Schlagwerk in kostbarem Gehäuse von Schild-
patt und Fischbein, sowie von rothem Leder die Zimmer. Eine
Uhr stellte einen Reiter dar. Allerlei Schränke oder Kommoden
mit unzähligen Schiebladen, Tintenfässer von Bernstein, physika-
lische Instrumente (Röhren und Schalen mit Quecksilber, woran
Kupferplatten mit Inschriften) werden erwähnt Man sieht, der
Minister Sophien's hatte andere Bedürfnisse, andere geistige Interes-
sen, als die gewöhnlichen Bojaren jener Zeit.
Unter den Büchern und Handschriften in der Bibliothek des Für-
sten finden wir historische Schriften aus der byzantinischen Ge-
schichte, theologische Werke, Grammatiken, ein polnisches Buch,
den Koran, eine Art diplomatischen Handbuchs («Buch von Ge.
sandten«), vier deutsche Bücher, vier handschriftliche Werke über
die Schauspielkunst; acht Kalender von verschiedenen Jahren; ein
juristisches Werk über Holland; ein deutsches Gesangbuch; eine
Geschichte der polnischen Sprache; ein Werk über die Kunst,
Pferde zu heilen; ein in deutscher Sprache verfasstes zoologisches
Werk, Chroniken und russische Gesetzbücher früherer Zeit; ein
Handbuch der Feldmesskunde in deutscher Sprache; eine Hand-
schrift^ von Jurij dem Serben» K
Die Vielseitigkeit der Lektüre Golizyn*s ist beachtenswerth. Man
sieht freilich, dass der Zufall an der Zusammensetzung dieser Bücher-
und Handschriftensammlung bedeutenden Antheil hatte, aber man
muss anerkennen, dass die Mannigfaltigkeit der Stoffe und der Spra-
chen seiner Bücher auf einen sehr ausgedehnten Kreis von geistigen
Interessen schliessen lassen. Bibliotheken waren in Russland damals
namentlich in russischen Kreisen, eine so gut wie völlig unbekannte
Sache. Im Palaste des Zaren, in Klöstern, bei einzelnen, aus Polen
und Griechenland nach Moskau eingewanderten Theologen mochte
* Siolowjew : Geschichte RussUndt Bd. XIV, S. 97 - 98.
g^3
man wohl einige Bücher finden; von den russischen Adeligen moch-
ten in der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts wohl nur
sehr Wenige, etwa nur solche vereinzelte Pioniere, wie Artamon
Matwejew oder Wassilij Golizyn, überhaupt mehrere Bücher be-
sitzen, welche die verschiedensten weltlichen Stoffe behandelten.
Die geistliche Literatur war sonst die allein herrschende.
Besondere Beachtung verdient in dem Katalog die Erwähnung
der «Handschrift des Serben Jurij». Wir dürfen kaum daran zwei-
feln, dass wir es hier mit den, wenige Jahre vor der Regentschaft
Sophien*s in Tobolsk verfassten Schriften Jurij Krishanitsch's zu
thun haben, welche erst in der allerneuesten Zeit zum grössten
Theil durch Hrn. Bessonow in Moskau herausgegeben wurden.
Diese Schriften stellen eine Art Encyklopädie der Staatswissen-
schaften dar, enthalten ein grossartiges Reformprogramm fiir Russ-
lands politische und soziale Entwickelung und zeugen von einer all-
umfassenden Bildung des Verfassers, eines Geistlichen, welcher
allerdings seine Lehrzeit in Italien verbrachte, ungemein belesen
und kenntnissreich war. Krishanitsch's Reformentwürfe entspre-
chen zum Theil der Richtung, in welcher Peter der Grosse
wirkte. Er kann als ein Geistesverwandter und Vorläufer des
genialen Zaren betrachtet werden. Seine Schriften bieten eine
unerschöpfliche Fülle geistiger Anregung. Wenn Golizyn auch
gar nichts anderes gelesen hätte, als Krishanitsch's, in der Ver-
bannung zu Tobolsk verfasste, Ausftihrungen, in denen alle den
Staat und die Gesellschaft, das internationale Leben, das Recht und
die Wirthschaft, den Handel, die Industrie und die Landwirthschaft»
die Religion und die Moral, das Heerwesen und die Verwaltung be-
treffenden Fragen erörtert werden, er wäre der gebildetste Russe
seiner Zeit gewesen. Diese Schriften waren damals sonst so gut
wie völlig unbekannt, nur eines Exemplars dieser Handschriften
wird in den Akten der Palastverwaltung erwähnt, eine zweite Er-
wähnung ist diese in dem Katalog der Bibliothek des Fürsten
Golizyn'.
Der Besitzer eines solchen Hauses, einer solchen Büchersamm-
lung, der gewandte Gesellschafter, welcher ohne alle Schwierigkeit
' Den deutschen Lesern ist Krishanitsch so gut wie ausschliesslich aus einer Abhand*
lang in Bodenstedt*s Fragmenten bekannt. Selbst in Russland ist die Edition der
Schriften Krishanitsch's nur wenig beachtet worden« Meine Abhandlung; «Ein Kleider.
Reformprojekt vor Peter dem Grossen» in der «Russ. Revue» Bd. II. S. 428 be-
handelt einige Seiten der bändereichen Schriften Krishanitsch*t.
214
in dem kosmopolitischsten aller Idiome sich ausdrücken konnte, der
russische Bojar, welcher ausnahmsweise als Europäer mit Europäern
verkehrte, musste den Ausländern imponiren. Mit glänzenden gei-
stigen Mitteln vereinigte er einen wahrhaft fürstlichen Reichthuro*
Seine Schätze hätten ihm gestattet, einen asiatischen Pomp zu ent-
wickeln, er zog die Allüren eines west-europäischen Grand Seigneurs
vor.
Bei Gelegenheit des Sturzes Golizyn*s ist ein Verzeichniss seiner
Güter, Häuser u. dgl. angefertigt worden. Im Jahre 1689, als Goli-
zyn sich am Ziele seiner Laufbahn befand, gehörten ihm eine Menge
Dörfer in der Nähe von Moskau, ferner ein Dorf in der Nähe von
Nishnij -Nowgorod. In Moskau besass er ausser seinem grossen Pa-
laste noch ein Haus, ferner in der unmittelbaren Nähe der Haupt-
stadt zwei Lustschlösser, deren eines er von einem Ausländer ge-
kauft hatte. Dass diese letztere Besitzung von Gartenland umgeben
war, ist aus dem Umstände zu ersehen, dass die Regierung dieses
Grundstück dem Apotheker-Ressort zu dem Zwecke überliess, da-
mit dort allerlei Apothekergewächse gezogen würden. Von Inter-
esse ist es, dass dieses Landhaus sich in der unmittelbaren Nähe der
deutschen Vorstadt befand.
In dem Verzeichniss der konfiszirten Gegenstände des beweg-
lichen Vermögens Golizyn's finden wir: Gold, Silber, Heiligenbilder,
Edebteine, kostbare Kleidungsstücke, Krystallgefässe; ferner: Pferde,
Equipagen, Zelte, Tischgeräthe und Weine; sodann: WafTen, Orgeln
und andere musikalische Instrumente; endlich: Betten, Atlasdecken
u. s. w.
Welchen Werth diese Gegenstände repräsentiren, kann man dar-
aus ersehen, dass ein Theil derselben, als nach Golizyn's Tode die
Kinder desselben manche der konfiszirten beweglichen Habe zu-
rückerhalten sollten, auf Verfügung der Regierung folgendermaassen
geschätzt wurde. Da gab es einen Posten von Silbergeschirr im
Gewicht von 5 Pud oder 200 Pfund; silbernes Pferdegeschirr für die
Summe von 3541 Rbl., was bei dem Sinken der Münzeinheit in den
letzten zwei Jahrhunderten auf gegen 50,000 Rbl. nach gegenwär-
tigem Geldwerthe geschätzt werden muss^ Es entspricht diesen
* Die Berechnang ist folgende: ein Tschetwert Roggen kostete cur Zeit Golizyn*s
$0 Kop. ; gegenwärtig nngefthr 8 Rbl. Legt man also den Getreidepreis dem Geld*
werth zu Gmnde, so darf man einen Rnbel von 1689 mit 15—16 multipliziren, vm
den hentigen Geldwerth m ermitteln«
gi5
Angaben, welche sich in Geschäftspapieren finden, wenn Neuville
erzählt, dass Goliz3m 400 silberne Schüsseln besessen und dass man
in den Kellern seines Hauses 100,000 Dukaten in baarem Gelde ge-
funden habe. — Andere berichten von grossen Mengen von Louis-
d'ors, welche im Besitze Golizyn's vorgefunden worden seiend
Aus der Geschichte Golizyn^s wird ein Zug von grossartiger
Wohlthätigkeit berichtet. Man erzählt, dass, ab die Bewohner der
Stadt Tschigirin im J. 1677, in Folge der Wirren in Klein-Russland
und der, Angriffe der Türken, verarmte, Golizyn eines seiner Güter,
welches sechszig Bauernhöfe zahlte, verkaufte, um diese verarmte
Bevölkerung Tschigirin's zu unterstützen'.
Dass sich Golizyn aller Wahrscheinlichkeit nach manchen Theil
seines kolossalen Vermögens nicht auf rechtmässige Weise erwor-
ben habe, wird sogar von seinem Bewunderer Neuville zugegeben.
Er spricht die Vermuthung aus, dass manche der in Golizyn's Besitz
gefundenen Gelder und Kostbarkeiten von dem im Sommer 1687
gestürzten Hetman Ssamoilowitsch herstammten, so dass Golizyn,
welcher bei der Katastrophe des Hetman^s nicht unbetheiligt war,
diese Dinge widerrechtlich an sich gebracht habe. Dass Golizyn von
solchen Ereignissen Nutzen zu ziehen verstand, erfahren wir aus fol-
gendem aktenmässig bezeugten Umstände: als unter Golizyn's Au>
spizien an Ssamoilowitsch^s Stelle Maseppa zum Hetman gewählt
wurde, musste der Letztere dem Fürsten Golizyn ein Geschenk Von
10,000 Rubeln in Dukaten und Thalern machen, welche er nach
dem Sturze Golizyn's als ein erpresstes Geschenk zurückerbat und
erhielt*.
Unzweifelhaft verdankte Golizyn den grössten TheU seines Reich-
thums seiner Günstlingsstellung während der Regentschaft Sophi-
en's. Wir wissen, dass er bei jeder Gelegenheit, bei Feldzügen, Frie-
densschlüssen u. s. w. ansehnliche Belohnungen, Dörfer, Geld,
werth volle Gegenstände erhielt. Die Prinzessin, ' welche ihn liebte,
war zur Verschwendung geneigt, wenn es galt, den von ihr verehr-
ten Mann reich und glücklich zu machen.
Man hat über diese persönlichen Beziehungen Golizyn's zur Re-
gentin sehr viel gesprochen und geschrieben. Aber die von Neuville
vorgebrachten Erzählungen scheinen denn doch sehr unzuverlässig
* Schleusing a. a. O« und Gespräche im Reiche der Todten a. a. O.
* Tereschtschenko, S. 138.
* Ustrjalow, Gesch. P. d. Gr. Bd. I. S. 310 und 356.
2X6
zu sein K Nach seinem Sturze ist er beschuldigt worden, er habe
sich durch Vermittelung eines Bauern einen Liebestrank zu ver-
schaffen gesucht, um das Herz der Prinzessin zu gewinnen, und hin«
terdrein, um jede Spur dieser That zu tilgen, den unglücklichen
Bauern verbrennen lassen*. Er selbst hat diese ganze Geschichte als
völlig aus der Luft gegriffen bezeichnet. Auch wissen wir, dass Go-
lizyn im Grunde keiner Zaubertränke bedurfte, um der Zuneigung
der Prinzessin sicher zu sein. War Golizyn abergläubisch, so theilte
er diese Schwäche mit vielen Zeitgenossen. Die Prinzessin Sophie,
der belesene, gelehrte Geistliche Medwedjew und Andere, glaubten
an allerlei Spuk und Zauber. Ein Wunderdoktor aus Polen, weicher
des Zaren Iwan kranke Augen behandelte, hatte gelegentlich auch
den Fürsten W. W. Golizyn zu behandeln und äusserte, nachdem er
den Patienten betastet hatte, Golizyn liebe das Ausländische, seine
Frau aber liebe er nicht. Derselbe Arzt soll von Medwedjew be-
fragt worden sein, ob die Prinzessin Golizyn heirathen werde, ob er,
Medwedjew, Patriarch werden würde u. dgl. m., worauf er dann das
Abenteuerlichste in der Sonne gesehen zu haben vorgab. Ein Die-
ner Golizyn's erkrankte plötzlich an einer Ohnmacht und band als
Heilmittel dagegen etwas Erde in ein Säckchen. Er wurde beschul-
digt, den Fürsten durch Zauberei verderben zu wollen, weil er die
Erde dort aufgelesen hatte, wo Golizyn gegangen war, und weil ein
solches «Sammeln der Spur», nach damaligem Volksglauben, den
Tod des Betreffenden zur Folge zu haben pflegte. Der Unglückli-
che wurde grausam gefoltert und bestraft*.
So stellt denn Golizyn eine eigenthümliche Mischung von Be-
schränktheit und Aufklärung, von einer gewissen Grösse und
schmutziger Habgier dar. Betrachten wir seine Thätigkeit während
der Regentschaft Sophien's.
Oolizyn als Staatsmann.
Charakter ^nd Umfang jener hochfliegenden Entwürfe, deren Go-
lizyn in seinen Unterredungen mit Neuville erwähnte, entsprechen
nicht der Thätigkeit Golizyn ^s als Staatsmann, insoweit dieselbe auf
' NeuviUe behauptet entschieden, S. 159, dass Sophie, Kinder von Golizjn hatte,
nnd ihn habe heirathen wollen.
' Der bekannte Sylvester Medwedjew hatte sich diese Episode von einem «Zauberer»
erzählen lassen. Ustijalow glaubt daran ; s. a. a. O. 11 S. 4S — 49 n 344.
* Vgl. Ustijalow a a O S. 48—49 nnd Malinowskij a. a. O. S. St.
217
die innere Politik gerichtet war. Allerdings währte die Zeit dieser
Wirksamkeit Golizyn's nur sieben Jahre; allerdings musste in dieser
Zeit seine Hauptaufmerksamkeit den Fragen der auswärtigen Poli-
tik gewidmet sein; allerdings sah er sich bei Allem, was er unter-
nahm, von Gegnern bedroht, welche darauf sannen, ihm zu schaden
— ein Umstand, welcher etwaigen feformatorischen Entwürfen
nicht günstig sein konnte — dennoch dürfen wir uns darüber wun-
dem^ dass die Geschichte der Gesetzgebung und Verwaltung keine
einzige grundlegende Maassregel, keine einzige, eine wesentliche
Neuerung einleitende organische Verordnung aufweist.
Dass man unmittelbar nach der Krisis im Mai 1682, also sogleich,
nachdem die erschütternden Ereignisse nach dem Tode des 2^ren
Feodor Sophie und Golizyn an die Spitze der Geschäfte gestellt
hatten, zu grossartigen durchgreifenden Maassregeln hätte schreiten
können, daran war nicht zu denken. Die ersten Monate der Regent-
schaft Sophien ^s sind mit angestrengten Versuchen ausgefüllt, nach
den Unruhen endlich eine gewisse Stille und Sicherheit in der
Hauptstadt und im Reiche herzustellen. Wir dürfen vermuthen,
dass Sophie einen Antheil an der politischen Rolle hatte, welche
die rebellischen Strelzy im Mai 1682 spielten. Jetzt galt es den ent-
fesselten Sturm zu beschwören. Es folgten im Sommer des Jahres
1682 die Unruhen der Sektirer, welche die öffentliche Sicherheit
bedrohten, das Bestehen der offiziellen Kirche in Frage stellten und
durch ihre trotzige Haltung die Regentin zu strengen Maassregeln
nöthigten. Ueber die Haltung Golizyn*s bei diesen Ereignissen,
welche der Regentin Gelegenheit gaben, männlichen Muth, imponi-
rende Beredsamkeit zu entfalten, haben wir keine Nachrichten. Bald
darauf folgte dann jener Versuch des Fürsten Chawanskij, eine Art
Militärdiktatur aufzurichten, der Regentin an der Spitze der Armee
eine gewisse Konkurrenz zu machen: der Hof rettete sich aus der
Hauptstadt fort; durch allerlei Ränke lockte man den Fürsten Cha-
wanskij und dessen Sohn in eine Falle und Hess sie beide enthaup-
ten. Bei der hierauf folgenden Befestigung des Klosters Troiza, wo-
hin Sophie sich begab, hat denn W. W. Golizyn wesentliche Dien-
ste geleistet. Erst nachdem man aus den verschiedenen Theilen des
Reiches die Miliz aufgeboten hatte, um nöthigenfalls gegen die re-
bellischen Truppen der Hauptstadt zu kämpfen, konnte die Regie-
rung ihr Dasein als gerettet, sichergestellt betrachten.
So waren denn die Anfänge der Regierung Sophien's allzu stür-
misch, als dass man an innere Reformen gedacht hätte. Später
21«
musste man sich sehr eingehend mit der baltischen Frage, mit den
Beziehungen zu Polen und den Tataren beschäftigen. Die inneren
Erschütterungen hatten dazu beigetragen, das Ansehen des Reiches
im Auslande zu mindern. Während man allerlei Symptome einer
revolutionären Gährung im Innern des Reiches zu bekämpfen hatte,
Strelzy und Raskolniks, Räuber und Kosaken im 2^um hielt, musste
man Anstalten treffen, dass Polen von solchen inneren Krisen keinen
Nutzen zog. Polen lauerte nur auf eine Gelegenheit, das verlorene
Klein-Russland wieder zu erobern, und agitirte dort durch zahlreiche
Emissäre, welche durch Versprechungen und Drohmigen auf die
Bevölkerung zu wirken suchten« Da musste es denn als ein grosser
Vortheil erscheinen, dass Russland gleich in den ersten Jahren der
Regierung Sophien^s durch geschickte Verhandlungen mit der Geist-
lichkeit in Klein-Russland und mit dem Patriarchen von Konstantino-
pel das Recht erhielt, den Metropoliten von Kijew aus eigener
Machtvollkommenheit zu ernennen. Dadurch ward eine Einheit der
Kirche hergestellt, welche die Annexion Klein-Russlands vollendete.
Ja, man erlangte dadurch, dass die Orthodoxen in Polen, welche in
geistlichen Angelegenheiten von dem Kijewer Metropoliten ab-
hingen, indirekt unter dem Einflüsse Moskau's standen. War auch
das Hauptverdienst bei diesem wichtigen Ergebniss, wie aus den
Einzelnheiten dieser Angelegenheit hervorgeht, dem Hetman Ssa-
moilowitsch zuzuschreiben, so darf man doch annehmen, dass auch
Golizyn, als Leiter der auswärtigen Politik Russlands» einen wesent-
Uchen Antheil an diesem Erfolge hatte ^
Im Allgemeinen war die Regierung damals der Ueberzeugung,
dass man mit Schweden und Polen Frieden halten müsse, um auf
dem Gebiete der auswärtigen Politik alle Kraft auf eine aggressive
Bewegung gegen die von Süden her das Reich unablässig bedrohen-
den Tataren zu verwenden.
So hat sich denn die Regierung, und namentlich der Fürst Goli-
zyn, den Vorwurf der Schwäche und allzugrossen Nachgiebigkeit
gegen Schweden zugezogen. In der Zeit Feodor's hatte Russland
um einige Grenzgebiete mit Schweden gestritten. Diese Verhand-
lungen wurden in Moskau, wo eine schwedische Gesandtschaft er-
schien, fortgesetzt und von Grolizyn personlich geleitet; sie endeten
mit einer Bestätigung des Friedens von Kardis, d. h. mit einer for-
' Die Geschichte dieser Veriuuidlangen bei Ustijalow I, S. 138 u. ff.
219
meUen Verzichtleistung auf die streitigen Grenzgebiete von Seiten
Russlands'.
Spätere Schriftsteller haben Golizyn für einen solchen Misserfolg
verantwortlich gemacht. Malinowskij geht soweit, zu behaupten,
Golizyn hätte, wenn er so klug gewesen wäre, die damaligen Un-
ruhen in Schweden zu benutzen, leicht einige Ostseehäfen für Russ-
land ertrotzen können, wodurch dann Peter dem Grossen der nor-
dische Krieg erspart geblieben wäre (!). Andere gehen noch wei-
ter und behaupten, Golizyn sei von den Schweden bestochen
worden*.
Wichtiger, als die Beziehungen zum Kurfürsten von Brandenburg,
welcher sich bei Russland für französische Emigranten (Hugenot*
ten) verwandte, oder als die Abfertigung einer russischen Gesandt-
schaft (Dolgorukij's) nach Frankreich, welche Voltaire veranlasst
hat, dem Fürsten Golizyn hohes Lob zu spenden', war der Ab-
schluss des ewigen Friedens mit Polen, und hier hatte Golizyn un-
zweifelhafte Verdienste als Diplomat
Jahrzehnte hindurch hatte der Krieg zwischen Polen und Russ-
land gewährt. Sehr oft hatte Russland Tataren und Türken gegen
Polen, ebenso oft Polen Tataren und Türken gegen Russland ge-
hetzt Jetzt endlich meint man gemeinschaftliche Sache gegen
Türken und Tataren machen zu müssen. Auch die Ereignisse in West-
Europa hatten das Interesse an der orientalischen Frage gesteigert.
DieRebellionTökeli*s, welcher in ähnlicher Weise sich mit dem Sultan
gegen Oesterreich verband, wie kurz zuvor Doroschenko sich mit der
Türkei gegen Russland vereinigt hatte, die Belagerung Wien's durch
die Türken, der hervorragende Antheil, welchen der König Jan So-
bieski an der Rettung der Kaiserstadt nahm — alles dieses veran-
lasste Russland zu einem energischen Vorgehen in der orientali-
schen Frage. In der Allianz zwischen Leopold und dem Könige
von Polen war verabredet worden, die Zaren zum Beitritt zu der-
selben zu veranlassen; dieser Wunsch wurde wiederholt^ als die Re-
publik Venedig dem Bündniss sich anschloss. Sobieski schrieb an
die Zaren, es sei die Zeit gekommen, die Türken aus Europa zu ver-
jagen. Russland musste empfinden, dass es in seinem Interesse lag,
an der allgemeinen Bewegung gegen die Pforte Theil zu nehmen.
Siegte die Türkei über Oesterreich und Polen, so konnten leicht tür-
' Ustijalow I, S. 1 17 u. ff.
* Teretchtschenko S. 153. Ustijalow hat keinen Verdacht geSussert
' VgU dessen Gesch. Peters d. Gr. frz. Ausg. v. 1803, Bd. I, S. iio.
220
kische Armeen vor den Mauern Kijew^s erscheinen, siegte Polen,
so war für Russland das Uebergewicht dieses, ohnehin gefahrlichen,
Nachbarstaats zu fürchten. Es gab eine Solidarität der Interessen
Polens und Russlands.
Aber der Gegensatz der beiden Reiche und Völker war zu andau-
ernd und tiefgehend gewesen, als dass man zu einer Zeit, wo man in
Betreff Klein-Russlands und Kijew's nur einen Waffenstillstand ge-
schlossen, nur ein Provisorium kreirt hatte, so leicht zum Abschluss
eines ewigen Friedens gekommen wäre.
Immerhin machte Golizyn seit dem Anfange des Jahres 1684 die
energischsten Versuche, eine Einigung mit Polen zu Stande zu brin-
gen. Die Einzelnheiten dieser Verhandlungen sind hier nicht von In-
teresse. Im Januar 1684 trat in Andrussow ein Kongress russischer
und polnischer Diplomaten zusammen: die Fragen, wem Kijew ge-
hören sollte und ob man sich entschliessen mochte, gemeinsam ge-
gen die Türken vorzugehen, bildeten den Gegenstand der Verhand-
lungen in neununddreissig Sitzungen. Diese blieben erfolglos.
Golizyn, welcher nicht unmittelbar, persönlich an diesen Ver-
handlungen Theil nahm, beschäftigte sich in Moskau eingehend mit
der orientalischen Frage. Er besprach sich u. A. über diesen Gegen-
stand mit Gordon. Beide, Golizyn und Gordon, hatten Jahrzehnte
lang den kleinrussisch-orientalischen Vermittelungen zu folgen Ge-
legenheit gehabt; beide hatten an den Tschigirin-Feldzügen Theil
genommen. Gordon hatte durch längeren Aufenthalt in Klein-Russ-
land, namentlich in Kijew, an der Grenze der Steppengegend, über
welche hinweg man mit den Feinden der Christenheit zusammen-
stossen musste, eine Fülle von Erfahrungen auf diesem Gebiete er-
worben. Er war während seines Aufenthaltes in diesen Grenzlanden
Zeuge der Verwüstungen gewesen, welche die Tataren, mitten im
Frieden in russisches oder polnisches Gebiet einbrechend, anzurich-
ten pflegten. Seine militärische Erfahrung wusste Golizyn zu
schätzen.
Als nun Gordon, auf einige Wochen seinen Aufenthalt in Klein-
Russland unterbrechend, Anfang 1684 in der Hauptstadt weilte,
und sehr häufig im Hause des Fürsten Golizyn aus- und einging,
veranlasste der letztere Gordon, ein allgemein politisches Memoire
über die eventuelle Thunlichkeit eines Feldzuges gegen die Tataren
abzufassen.
Dieses Aktenstück liegt uns vor. Gordon hat es in seinem Tage-
buche seinem ganzen Inhalte nach mitgetheilt. Es ist in demselben
221
gewissermaassen das Programm der Geschichte der folgenden Jahre
beschlossen. Hat auch Gordon, indem er zuversichtlich an den Er-
folg einer Aktion gegen die Tataren glaubte, in der Hauptsache ge-
irrt, so sind manche einzelne Erwägungen, welche er in diesem Me-
moire vorbringt, geradezu devinatorisch und zwar insbesondere in
Betreff Golizyn's.
Weisen wir daher auf die wesentlichsten Grundzüge in diesem
Aktenstück hin.
Gordon zählt zunächst alle Argumente gegen den Krieg auf. Da
heisst es: «Während der Minderjährigkeit der Zaren sind die
Reichsverweser jederzeit vorsichtig, behutsam und wenig geneigt
gewesen, einen Krieg anzufangen, damit, wenn selbiger unglücklich
ausschlagen sollte, der Monarch in reiferem Alter denen, welche
einen Krieg angerathen oder denselben zum wenigsten nicht gehin-
dert hatten, die Schuld nicht beimessen möchte. — Da gegenwärtig
zwei Zaren sind, so wird der Staat dadurch in Parteien getheilt, und
die Uneinigkeit, Eifersucht und Zwistigkeiten der Grossen erzeugen
Verwirrung und Unentschlossenheit in ihren Berathschlagungen,
welches bei einem Kriege grosse Hmdernisse verursachen muss».
Gordon macht ferner auf den Geldmangel in dem Staatsschatze, auf
die schlechte Disziplin in der Armee und auf andere Umstände als
auf Gründe der Erhaltung des Friedens aufmerksam. — In der
zweiten Hälfte seines Memoire*s entkräftet indessen Gordon alle
diese Argumente, zählt einige Beispiele auf, aus denen hervorgehen
sollte, dass auch in Zeiten der Minderjährigkeit mehrerer Könige
erfolgreiche Kriege geführt worden seien; die Parteiungen der
Grossen seien ihrem eigenen Interesse zu sehr entgegengesetzt, als
dass sie dieselben nicht selbst überwinden würden; Geld würde man
schaffen können; bei der Armee müsse man für strenge Mannszucht
sorgen ; Belohnungen und Strafen würden entscheidend wirken, u.
s. w. Gordon zeigt dann, wie die diplomatischen Beziehungen Russ-
land zu einer Aktion nöthigten und hebt hervor, wie man tGott
einen angenehmen Dienst leisten» werde, wenn man das Räuber-
nest der Tataren zerstöre, d« h. die Krim erobere Der Marsch
durch die Steppe, meint Gordon, biete keine so grossen Schwierig-
keiten dar; der Erfolg sei mit Sicherheit zu erwarten ^
In dem letzteren Punkte war Gordon in einem unheilvollen Irr-
thum befangen. Der Marsch durch die Steppe bot, wie die späteren
* Gordon'i Tagebuch, II. S. 4- li.
222
Feldzüge darthaten, bei den damaligen unvollkommenen Verkehrs-
mitteln und der mangelhaften Militärverwaltung fast unübersteig-
liche Hindemisse dar. Daran scheiterten die Unternehmungen Go-
lizyn's einige Jahre später. Um so begründeter waren Gordon^s, in
der ersten Hälfte seiner Memoiren geäusserten Besorgnisse, welche
wesentlich Golizyn betrafen. Die, wenige Jahre später eintretenden
Ereignisse zeigten, dass Golizyn als «Reichsverweser» dem minder-
jährigen Zaren Peter gegenüber mit den Feldzügen in der Krim eine
schwere Verantwortlichkeit auf sich geladen hatte ; der Misserfolg
der Jahre 1687 und 1689 hat in erster Linie Golizyn's Sturz bewirkt;
nicht umsonst hatte Gordon mit, für jene Zeit erstaunlicher Frei-
müt)iigkeit von den Parteiungen der Grossen ab von einem Ergeb«
niss des Umstandes, dass man zwei Zaren habe, und als von einem
Hindernisse des Erfolges, gesprochen. Später oder früher musste
der Konflikt zwischen den Parteien Iwan und Peter zu einer Krisis
fuhren. Golizyn fiel als ein Opfer derselben. Auch die Mängel der
Armeeverwaltung, die Lockerheit der Disziplin hatte Gordon nicht
ohne Ursache als bedenklichen Grund gegen eine Aktion bezeichnet.
Sie haben wesentlich zum Scheitern der Feldzüge der Jahre 1687
und 1689 beigetragen.
Golizyn scheint auf Gordon^s Bedenken mehr Gewicht gelegt, als
dessen Optimismus getheilt zu haben. Er liess.die Unterhandlungen
in Andrussow abbrechen und es kam erst drei Jahre, nachdem Gor-
don zu einer Aktion gegen die Krim gerathen hatte, zu einem Ver-
suche, in dieser Richtung etwas zu unternehmen.
Dagegen liess Polen nicht nach. Im Mai 1684 erschien eine pol-
nische Gesandtschaft in Moskau, welche die Aufgabe hatte, Russ-
land zu einem Angriff auf die Krim zu bewegen. cDie rechte Hand
des Sultans sollte abgehauen werden». So bezeichnete man die ge-
hoflfte Eroberung der tatarischen Halbinsel Golizyn erklärte sich
zur Aktion bereit und knüpfte daran nur die Bedingung der defini-
tiven Abtretung Kijew's an Russland. Die letztere Stadt war in
dem Frieden von Andrussow (1667) nur zeitweilig den Russen über
lassen worden. Diese Forderung Russlands sowie einige Misserfolge
der Polen in dem Kampfe mit der Türkei hatten zur Folge, dass die
in Moskau gepflogenen Unterhandlungen (1684) zu keinem Ab-
schluss kamen.
Da erschien Anfang 1686 abermals eine polnische Gesandtschaft
in Moskau. Sieben Wochen lang währten die, dazwischen mehr-
mals unterbrochenen Unterhandlungen, an denen Golizyn
.j
223
Mal unmittelbaren und persönlichen Antheil nahm. Hier zeigte er
ungewöhnliches diplomatisches Talent Durch eine gewisse Festig-
keit, die so weit ging, dass man, als die polnischen Gesandten im
Betreff Kijew^s nicht nachgeben wollten, ihnen Pferde und Equi-
pagen für die unverzügliche Abreise zur'Verfügung stellte, verstand
es Golizyn, die Polen mürbe zu machen. Russland erhielt Kijew,
wofür es allerdings eine Summe von 146,000 Rbl. zahlte; die Rechte
der Orthodoxen in Polen wurden gemehrt; beide Mächte verpflich-
teten sich zu einer gemeinsamen Aktion gegen den Orient
Der Abschluss dieses «ewigen» Friedens mit Polen galt für ein
ungeheueres Ereigniss. Golizyn meinte, die Regentin habe sich
damit ein unermessliches Verdienst um das Reich erworben. Ueber-
reich ist er dafür belohnt worden. «Wir haben», sagte Sophie in
einem Manifest, «einen für Russland so ruhmreichen Frieden ge-
schlossen. Russlands Ruhm erschallt laut bis an die äussersten
Grenzen der Welt u. s. w.» *
Golizyn befand sich auf der Höhe seiner historischen Rolle, sei-
ner glänzenden Stellung. Nicht ohne Genugthuung mochte er er-
fahren haben, dass der König von Polen thränenden Auges die Ra-
tifikation des Friedens vollzogen habe. Ob er aber im Stande
sein werde, erfolgreich gegen die Tataren zu kämpfen» war eine
Frage. Golizyn, der Diplomat, hatte Grösseres geleistet, als Goli-
zyn, der Feldherr zu leistet berufen war.
(Scblats folgt)
Earategin'.
Ein Beitrag zur Kunde von Central-Asien
von
G. Arandarenko.
Das in der Geographie unter dem Namen Karategin bekannte
Gebirgsland liegt zwischen zwei bedeutenden Gebirgszügen, der
* V^l. üstijalow m. a. O. I, S. 152—17«.
' Die nachstehenden MittheUungen, welche wir nach einem aus Samarkand datirten
und im «BoeHHul CöopHUti»» TerÖffenUichten Artikel des Hm. A. wiedergeben,
bemben nach den Angaben des Hm. Verf. auf Nachrichten, welche theils von Kara-
224
Hissar- und der Darwas-Kette, welche die Grenzscheide zwischen
den Flüssen Serawschan und Amu-Darja bilden. Im Osten grenzt
Karategin an das Ferghana-Gebiet und an Kaschgar, im Süden,
dem Gebirgszuge folgend, an das unabhängige Darwas, im Norden
längs der Hissar Kette an den oberen Matscha, und im Westen an
den oberen Jagnob und an Buchara. Die Ausdehnung des Gebtrgs-
landes beträgt: in äquatorialer Richtung gegen 1200 Werst, in me-
ridionaler, zwischen den beiden Gebirgsketten, 36 Werst.
Dieses breite, ziemlich hohe Plateau wird in der Richtung von
Osten nach Westen von dem Flusse Ssurch-ob (rothes Wasser),
einem rechten NebenHuss des oberen Amu-Darja, durchschnitten.
Der Ssurch-ob kommt aus dem Alai-Gebirge und ist der bedeu-
tendste Fluss in Karategin. Auf seinem Laufe nimmt er viele Zu«
flüsse auf, unter denen die wichtigsten sind: Janku, Jarchitsch, Chait,
Ssaluk- Ssar-bug, Mundshigarf — auf dem rechten Ufer, und Mu-
gau, Chadyrion, Kalja-Kon, Wahija oder Chuljass — am linken
Ufer.
An den Ufern und in den Schluchten erblickt man selbst an den
unbedeutendsten Zuflüssen grössere und kleinere Ansiedelungen,
deren man in Karategin gegen 400 zählen kann. Die Residenz des
Regenten (Scha) ist die auf einem Hügel am rechten Ufer des
Ssurch-ob sich ausbreitende Ansiedelung Harm mit 340 Höfen.
Unter den anderen Ansiedelungen sind nur noch folgende befestigt:
Kaljai-ljabi-ob, Jarchitsch, Obi-Harm, Schilmok, Schinglitsch,
Jafutsch, Ssamssalyk-Boni und Ssufijam; eine jede derselben zählt
etwa 100 bis 360 Höfe, sie sind namentlich als militärische
Vertheidigungsplätze wichtig und bilden auch die Mittelpunkte der
administrativen Verwaltung, an deren Spitze ein Hey (Mir) steht.
Trotz der unbedeutenden Breite des Flusses Ssurch-ob —
dieselbe beträgt im mittleren Karategin gegen 20 Faden — ist über
denselben auf seinem ganzen Laufe nur eine einzige, und zwar
hölzerne Brücke, bei dem Dorfe Ssari-pul, drei Werst unterhalb der
Residenz Harm, geschlagen. An allen übrigen Stellen passiren die
Bewohner den Fluss schwimmend, und zwar mit Beihülfe eines
teglnem, die im Serawschan-Thale häufig verkehren, erlangt, theils aber dnrch Ein-
gebome, welche man speziell dieses Zweckes wegen nach Karategin sandte, ein-
gesammelt wurden. Sie werden daher immerhin auf einen gewissen Grad von Zuver-
lässigkeit Anspruch machen dürfen und bei dem gänzlichen Mangel an Daten über jene
terra incognita gewähren sie trotz ihrer Dürftigkeit ein nicht unerhebliches Interesse.
D. Red.
22$
ledernen Sackes (gup8sar)| in welchen die Kleidungsstücke, und
zuweilen, wenn dieser Sack gross genug ist, Handelsartikel
hineingepackt werden. Die Oberkleider ablegend, pflegen die
Karateginer den Sack aufzublasen, sich dann reitlings auf denselben
zu setzen und so über den Fluss hinüberzuschwimmen. Diese
Ueberfahrt geht sehr rasch von Statten. Am anderen Ufer
angekommen, entleert der Schwimmer den gupssar und setzt dann
seine Reise fort. In den grösseren Dörfern, wie z. B. in Pulding,
Kaljai-ljabi-ob, 50 Werst oberhalb Harm, sind besondere
Landungsstationen eingerichtet, wo man für eine unbedeutende
Entschädigung, z. B. für eine Schaale Früchte, Mehl, Korn oder
Oel, einen gupssar beliebiger Grösse erhalten kann. Diese originelle
Art des Uebersetzens ist nur bei den Bewohnern am Flusse Ssurch-
ob gebräuchlich; auf den übrigen kleineren Zuflüssen befinden sich
überall hölzerne, von den Bewohnern selbst, ohne Unterstützung der
Regierung, erbaute Brücken.
Mit den benachbarten Ländern (Darwas, Kafamigen, Matschai
Ferghana) ist nur im Sommer, vom halben Mai bis zum halben Sep-
tember, über die, 12 — 14,000 Fuss hoch liegenden Gebirgspässe
(agba) eine Kommunikation möglich. Uebrigens sind diese Wege
auch im Sommer nur sehr schwer zu passiren. Im Winter werden
die Pässe durch ungeheure Schneemassen vollkommen verweht und
versperrt.
Der Weg längs dem Flusse Ssurch-ob aufwärts, von Beni-Ssufijan
an, ist an den Stellen, wo über die kleinen Flüsse Brücken geschla-
gen sind, überall gut; Räderfuhrwerke sind aber auch in diesem
Theile von Karategin gänzlich unbekannt. Man bedient sich zum
Transport der Lasten sowohl, als auch zur Beförderung der Reisen-
den, der Maulesel, Pferde und Ochsen.
Wie man annehmen muss, liegt der mittlere, am dichtesten bevöl-
kerte Theil von Karategin über 6500 Fuss hoch über dem Meeres-
spiegel und zeichnet sich durch ein ziemlich rauhes, schneereiches
Klima aus. Den Aussagen der Karateginer und der Bewohner des
Serawschan-Thales zufolge, beginnt der Winter daselbst mit dem
ersten Schneefall um Mitte Oktober und dauert bis Mitte Mai. Jeden
Winter fällt der Schnee bis gegen zwei Faden hoch, worauf dann
auch der Verkehr zwischen den einzelnen Dörfern auf fünf Monate
gänzlich aufhört.
Wie gross die Kälte daselbst und wie hoch die mittlere Tempera-
tur im Sommer ist, kann nicht genau bestimmt werden ; aus den
süss. BBYUB, BD. Zm. 15
226
Aussagen der Eingeborenen lässt sich jedoch schliessen» dass die
Winterfröste daselbst stärker sind, als im benachbarten Matscha* ,
d. h. dass die Temperatur im Winter dort bis gegen — 40^ R. fällt.
Diesem Klima gemäss haben auch alle Dörfer etwas ungemein
Einförmiges. Die Wohnhäuser haben alle sehr' dicke Wände (bis
gegen 2Vs Arschin), und sind kaum 4V8 Arschin hoch; sie bilden,
dicht neben einander stehend, grosse Höfe, welche in seltenen Fäl-
len noch eine eben so dicke Schutzmauer besitzen. Die meisten
Gebäude sind unten von Holz, der obere Theil ist aus Ziegeki und
Lehm gebaut. Sonst sind diese Dörfer ebenso angelegt, wie die
von Matscha, mit denselben gewundenen, oft plötzlich abgegrenzten,
zwei Arschin breiten Strassen und dem grossen Platz vor dem mo-
hammedanischen Bethause. Im Allgemeinen jedoch sehen diese Dör-
fer, wegen der vielen Fruchtgärten, die erst im oberen Lauf des
Serawschan, in einer Höhe von 7000 Fuss über dem Meeresspiegel
aufhören, ungleich freundlicher aus, als die von Matscha. Es ist
überhaupt die Vegetation in Karategin eine äusserst opulente. Die
Abhänge der Berge und der Schluchten sind dicht mit Nussbäumen,
Ahorn, Ebereschen, Aepfel- und Birnbäumen, Wachholder und an-
deren Gewächsen bestanden. In den Wäldern hausen Bären (Chirs),
Panther (Palan), Schakale, Wölfe (Gurk), Füchse (Ruba), Luchse
(Sselsussion) und Marder (Dalja). In den höher gelegenen und
weniger bewaldeten Theilen finden sich wilde Schafe (ovis rignei
Blyth) vor und in den felsigten Abhängen Perdix graeca und Mega-
loperdix Nigelii.
Die in den Dörfern selbst und an den Grenzen der Aecker ange-
legten Fruchtgärten sind angefüllt mit Maulbeerbäumen (Tut),
Aprikosen-, Pfirsich-, Kirschen-, Aepfel- und Nussbäumen, zwischen
denen sich Berberisten, Johannisbeer- und Heckenrosensträucher
zeigen. Weintrauben findet man nur in einigen Dörfern des süd-
liehen Karateg^n. Die Aprikosen und die anderen Früchte wer-
den schon im Juni reif, nur die Pfirsiche gelangen erst im September
zur Reife.
Den Hauptreichthum des Landes bildet jedoch, von den noch
unberührten, im Schooss der Erde liegenden Mineralien abgesehen,
der fruchtbare und steinfreie Boden an den Ufern der Flüsse und
an den Abhängen der Berge, durch welchen der Ackerbau sehr bc-
* Matscha. ein dicht bevölkerter Landstrich am oberen Serawschan, ist im Jahre
1870 nach der Beendigung der wissenschaftlichen Iskander-Kul Expedition, mit Tu r-
kestan vereinigt worden.
2g;
gÜQStigt und auch die Viehzucht — es werden daselbst Ziegen,
Pferde, Schafe, Hornvieh gehalten — wesentlich ermöglicht wird.
Unter den natürlichen Reichthümern müssen ferner noch die Salz-
gruben (Koni-Rugan) in den Bergen angeführt werden, im Nord-
westen aus Harm, in der Gegend von Matscha, dessen Einwohner
gleichfalls von hier ihr Salz beziehen, indem sie bloss dem Aufseher
der Salzgruben je eine Arschin eines schmalen Baumwollengewebes
(Karbjas) für je 4 Pud Salz, die sie auf einen Maulesel aufladen kön-
nen, entrichten. Der Aufseher gibt seinerseits einen Theil der er-
haltenen Abgabe dem Regenten.
Die grosse Anzahl von wilden Nussbäumen gestattet den Einwoh-
nern in grosser Menge Brennöl zu bereiten, welches nach Hissar,
Kuljaba, Darwas und Matscha geschickt wird. Der Reichthum an
wilden Thieren in den Wäldern, und an Flussottern gewährt den
Bewohnern gleichfalls grosse Vortheile durch den Handel mit Bären-,
Fuchs- und Otternfellen. Endlich sind noch die Goldwäschereien
im Frühling und im Herbst an den Ufern des oberen Amu-Darja
zu erwähnen. Die dort gewonnenen Goldkörner haben gewöhnlich
die Grösse einer Linse.
Die Einwohner bestehen aus Tadshiken und im nördlichen Theil
aus nomadisirenden Kirgisen. Die Tadshiken sind eher hohen als
mittleren Wuchses, Muskeln und Brust sind stark entwickelt, der
Körper kräftig gebaut. Das Haar meist schwarz (obgleich auch
rothes und kastanienbraunes Haar auftritt), ist dicht, die Haut
dunkel, die Augen sind in der Regel schwarz, doch zuweilen auch
grau und blau. Die Gesichtszüge sind regelmässig und ausdrucks-
voll, die Stirn ist hoch, die Nase gross und gerade. Die Sprache
ist ein Dialekt des Persischen mit einigen nationalen Eigenthümlich-
keiten. Der Dialekt der Bewohner des Serawschan-Thales ist dem-
jenigen der Karateginer so ähnlich, dass der gegenseitige Austausch
von Mittheilungen unbehindert von Statten geht; da ausserdem in
Karategin eine genügende Anzahl von Schulen besteht, so versorgt
Karategin auch das Serawschan-Thal mit einer bedeutenden Zahl
von Imam's, MuUah's und Mektobdaren (Lehrern).
Was die Sitten und Gebräuche der Karateginer betrifft, so unter-
scheiden sie sich kaum von denen des Bergvolkes Matscha. Die
drei Hauptereignisse des Lebens: die Verehelichung, die Einführung
der Söhne in die Lehre Mohammed's und das Begräbniss haben den-
selben Charakter, wie in Matscha.
Der Verehelichung geht die Werbung voranj^d. h. die Verab-
15*
22S
redung mit den Eltern der Braut unter Beihülfe einiger Greise aus
dem Kreise der Verwandten oder der Nachbarn des Bräutigams»
welche als Freiwerber (sautschi) zu den Eltern der Braut entsandt
werden. Wenn diese letzteren ihre Einwilligung geben, werden die
Freiwerber aufgefordert im Fremdenzimmer (migmanchan) zu blei-
ben und werden, je nach den Mitteln der Eltern der Braut, mehr oder
weniger reichlich bewirthet. Nachdem sie darauf dem Bräutigam
die Einwilligung angezeigt, müssen sie nach drei oder vier Tagen
sich zum zweiten Mal in das Haus der Braut aufmachen, [aber nicht
anders als in Begleitung von 8 — lo Nachbarn, welche ihnen mit
Schüsseln voll Kuchen, Milchgrütze, Reis, getrockneten Früchten
und anderen Esswaaren folgen. Alle Gäste setzen sich, an ihrem
Bestimmungsort angekommen, nieder, sprechen leise ein kurzes Ge-
bet vor sich hin und bringen darauf, alle gleichzeitig, laut ihren Glück-
wunsch dar. Die mitgebrachten Gaben werden in die Frauenkam-
mer getragen^ von wo sie nach kurzer Zeit, vollkommen zugerichtet,
wieder in das 4**remdenzimmer zur Bewirthung der Abgesandten ge-
langen. Die Letzteren treten nun sogleich in Unterhandlung in
Bezug auf den mochra^ d. h. den Kaufpreis der Braut. Ueber diesen
Punkt pflegt man in der Regel sehr rasch in's Reine zu kommen.
Gewöhnlich gibt der Bräutigam, wenn er eben nicht zu den Reichen
gehört, als mochra: 3 Pferde, 3 Ochsen, 3 Flinten, 3 Stück Seiden«
zeug, 3 Stück Baumwollenzeug, 3 Batmane (24 Pud) Mehl, einen
Ochsen zum Schlachten, und dann noch der Braut als Geschenk:
einige Arschin Kattun für Hemd und Beinkleider, 4 Arschin Tuch
zur Jacke (koltascha genannt), 2 baumwollene oder halbseidene
Tücher (rumal) und 2 Paar Ueberschuhe. Am Abend des zur Trau-
ung (nikoch) bestimmten Tages, versammeln sich im Hause der
Eltern der Braut die Nachbarn, oder auch sämmtliche Dorfbewohner;
dann kommt der Bräutigam mit seinen Gefährten, worauf sich Alle
niedersetzen. Der gleichfalls erschienene Mullah richtet dann an
die, sich in einem Nebenzimmer befindende, Braut, durch zwei ihrer
Bevollmächtigten (podar vokil), die Frage, ob sie den — er nennt
den Namen des Bräutigams — aus freien Stücken heirathe, und
wiederholt die Frage, nachdem er eine bejahende Antwort erhalten,
dem Bräutigam gegenüber, indem er sich gleichzeitig auch nach dem
Kaufpreise erkundigt. Nachdem er die Trauungsakte (nikot chat),
in welche auch die Ausgaben des Bräutigams bei der Trauung ein-
geschlossen sind, zusammengestellt, spricht er ein Gebet (chudba)>
womit die Trauungsceremonie zu Ende ist An diesem Abend
229
werden sowohl die Männer, als auch die Frauen in der Frauenkammer
reichlich mit Nudeln (ugra) in saurer Milch, mit Milchgrütze und zu-
letzt mit Reis bewirthet. Gegen lo Uhr Abends wird das Mahl be-
endigt, der Bräutigam erhält von den Eltern der Braut einen langen
Chalat und begibt sich, von seinen Gefährten mit frohen Liedern
begleitet, in sein Haus, und zwar eine halbe Stunde früher, als die,
von den Frauen des Dorfs geführte, junge Frau unter Fackelbeleuch-
tung in das Haus ihres Mannes gebracht wird. Hier stellt der junge
Mann in einem besonders hierfür durch einen Vorhang abgetheilten
Zimmer seiner Frau anheim, die Nacht mit ihren Gefährtinnen zu-
sammenzubleiben, die von dem Hausherrn überaus freigiebig be-
wirthet werden. Am andern Tage wird aus dem Hause der Braut
die Aussteuer, die sie erhalten, gebracht, wofür die Neuvermählten
ihren Dank in Form kleiner Geschenke abtragen.
Eine andere Gelegenheit zu Festlichkeiten bietet das Fest der Be-
schneidung (toichat-nassyr), die zwischen dem 8. und lO. Lebens-
jahre vorgenommen wird. Zu diesem Fest, welches mit grossem
Aufwand gefeiert wird, werden nicht nur alle Bewohner desselben
Dorfes, sondern auch die der umliegenden Dörfer eingeladen. Bei
den Reichen versammelt sich auf diese Weise oft eine Schaar von
circa 300 Gästen (Männer, Frauen und Kinder), welche reichlich mit
Fleischspeisen bewirthet werden. Die Festlichkeiten dauern drei
Tage, die Beschneidung ^vird aber im Stillen erst nach der Abreise
sämmtlicher Gäste vollzogen. Die Festlichkeit kommt dem Haus-
herrn in der Regel auf ungefähr 20 Hammel, 2 Batmane Reis, 12
Schafe etc., oder auf circa 140 Rbl. zu stehen.
Die Gedächtnissfeier bei Begräbnissen, wobei an die, auf dem
Friedhofe Anwesenden je eine Arschin Kattun oder Baumwollen-
oder Seidenzeug, zur Erinnerung an den Verstorbenen, vertheilt
wird, findet am dritten Tage nach der Bestattung statt; auch hier
werden die Gäste wieder reichlich bewirthet.
Der Aufwand bei der Beschneidung, Hochzeit und Beerdigung
bildet die Hauptausgabe der Karateginer; sonst sind sie, in Bezug
auf ihren täglichen Bedarf, sehr genügsam, und zwar sowohl was die
Nahrung, als auch was die Kleidung und das Wohnhaus betrifft.
Die ganze Kleidung des Karateginers besteht aus einem baumwol-
lenen Hemd und eben solchen Beinkleidern, aus dem täglich zu
Hause getragenen wollenen Chalat und wollenen Pluderhosen. Alles,
was er überhaupt trägt, die Stiefel nicht ausgenommen, ist von der
Familie im Hause während des langen Winter3 verfertigt
230
Die Hauptcrwerbsquelle der Karateginer bildet der Landbau. Sie
gewinnen so viel Getreide, dass sie stets die Möglichkeit besitzen,
dasselbe für einen ganz geringen Preis nach auswärts, nach Hissar,
Darwas und Matscha zu verkaufen.
Alles Ackerland ist Eigenthum der Bewohner, welche dafür der
Regierung eine Steuer in der Höhe von o,i pCt. des Ertrages ent-
richten. Ungeachtet der relativ grossen Bevölkerung finden sich
Einwohner, welche lOO — 200 Dessjatinen besitzen. Bei einem sol-
chen Umfang des Ackerlandes pflegt der Besitzer auch 10 — 20 Paar
Hornvieh und 6 — 12 Arbeiter* zu halten, welche letztere für neun
Monate Arbeit gewöhnlich ein Mal neue Wäsche, einen alten Rock,
zwei Paar Stiefel, ein Pferd und Nahrung für die ganze Familie er-
halten. Für das Winterkorn wird das Ackerland zwei Mal aufge-
pflügt, in der zweiten Hälfte des September wird dann Weizen und
Gerste ausgesäct; für das Sommerkorn wird das Land nur ein Mal
gepflügt, worauf gegen Ende März Flachs, Gerste, Weizen und Erb-
sen gesäet werden. Ausserdem wird nach fünfmaligem Aufackern
mit guter Düngung Klee gesäet und auch Zwiebeln, Melonen und
Arbusen gesteckt. In der Mitte des Monats Juli findet die Ernte für
den Sommer- und Winterweizen und für die Gerste statt; d^nn fol-
gen bis Ende September die übrigen Getreide- und Gartenfrüchte,
Der Ertrag der Ernte pflegt ein sehr beständiger zu sein, das Win-
terkorn und der Flachs geben das 20. — 25. Korn, das Sommerkorn
das 8. — 12. Korn. Das Getreide wird entweder an trockenen Stel-
len in tiefen Gruben oder in Scheuern, wo es sich 10 — 15 Jahre hält,
aufbewahrt.
Es gibt in Karategin keine Einwohner ohne Ackerland. Ein
Jeder ist verpflichtet, sein Ackerland, welches nicht länger als drei
Jahre brach liegen darf, zu bebauen, wenn er nicht Gefahr laufen
will, dass dasselbe von der Regierung eingezogen wird.
Die Obstzucht bildet einen Seitenzweig der Bodenkultur, bringt
aber keinen grossen Gewinn, da die Früchte meist von den Eigen-
thümern der Obstgärten selbst aufgebraucht werden. Obgleich die
Viehzucht relativ eine ziemlich bedeutende ist, so gibt es daselbst
doch kaum reiche Viehstände, weil es des rauhen Winters wegen
unmöglich ist, das Vieh auf die Weide zu treiben, für fünf Monate
aber das nöthige Futter zu beschaffen, fällt ziemlich schwer. Daher
* Bei grösseren Wirthschaflen pflegt man auch zur Hülfe auf ein Mal 50 — 60 Nach-
barn aufzufordern , welche von dem Eigenthümer des Ackerlandes nur Speise und Trank
fttr den Arbeitstag erhalten, Sklaven hat es in Karategin nie gegeben.
23J
zeugt es schon von einem bedeutenden Reichthum, wenn ein Kara-
teginer lo Paar Ochsen, lo Kühe, 200 Hammel, 300 Schafe und
8 — 10 Pferde besitzt. Maulesel gibt es nur wenig, sie werden so-
wohl bei den Fahrten als auch bei der Arbeit durch Pferde und
Ochsen, von denen ein jeder Karateginer wenigstens zwei besitzt,
ersetzt.
Einen weiteren Erwerbszweig bildet die Jagd auf Bären, Füchse,
Marder, Luchse, welche mit Hunden gehetzt werden, auf Fluss-
ottern, welche mit Fangeissn, um welche Fleisch als Lockspeise ge-
legt wird, gefangen werden. Die Geldgier der Regenten jedoch,
welche ein jedes Fell für den halben Preis für sich erwerben, drückt
den Gewinn auf ein Minimum herab.
Unter den Produkten der Hausindustrie, die ausschliesslich im
Winter beschafft werden, sind die Baumwollengewebe hervorzu-
heben, welche auf den benachbarten Märkten gegen Vieh und
Brennöl eingetauscht werden ; ferner werden noch wollene Röcke,
Pumphosen aus Hammelwolle, Säcke, kleine Teppiche und Fang-
leinen verfertigt; die zuletzt angeführten Sachen kommen jedoch
nicht auf den Markt.
Die topographische Isolirtheit von Karategin, dessen Einwohner
nur während der Sommerzeit mit den benachbarten Ländern in
Berührung kommen, ist, wie leicht begreiflich, nicht ohne Einfluss
geblieben auf den Charakter der Bewohner und der Handels-
beziehungen Karategin's. Wenn die Karateginer auch slolz darauf
sein können, dass Diebstahl und andere Verbrechen aus Habsucht
bei ihnen unbekannt sind, dass das Vieh auch in den entfernteren
Gegenden ohne viel Aufsicht auf die Weide getrieben wird, dass
die Thüren in den Häusern in der Regel stets offen bleiben^ so
stehen die Karateginer andrerseits noch auf einer sehr niedrigen
Stufe geistiger Entwickelung. Sie haben nicht die geringste Vor-
stellung von Längenmaassen, ihre Zeitrechnung ist auf den grossen
mohammedanischen Festtagen basirt, ferner besitzen sie auch kein
Handelsmaass und haben keine eigene Münze. Die silbernen
Münzen des benachbarten Hyssar kennen nur sehr Wenige unter
ihnen. Bazare kommen, selbst in den grössten Ansiedelungen, nicht
vor, wie es denn auch dort keine Verkaufsstätten gibt Die
Nahrungsmittel werden gegenseitig in freundschaftlichem Ein-
vernehmen ausgeliehen, (wobei die Kopfbedeckung als Hohlmaass
zu gelten pflegt), oder auch gegen Vieh und Produkte der Haus-
industrie ausgetauscht. Die sartischen, hyssar'scben und kaschgar'-
23^
sehen Kaufleute, welche im Sommer mit Eisen, Kattun, Seidenzeug,
Kämmen, Spiegeln, Seife, Kleidungsstücken etc. dorthin kommen,
nehmen bei ihren Bekannten Quartier und bemühen sich, ihre
Geschäfte noch vor dem Anbruch des Winters zu beendigen. Ein
Theil der Waaren wird dem Regenten (Scha) und den bei ihm
Dienenden für fSeld verkauft, das Meiste aber gegen Vieh, Thier-
felle und Häute eingetauscht. Dieser Austausch findet, unter Ver-
mittelung mehrerer Einwohner, auf Grund der Werthbestimmung
der auszutauschenden Waaren statt, wobei eine chokand'sche
Silbermünze im Werthe von 20 Kop. als Einheit angenommen wird.
Die Preise sind nun ungefähr folgende: i guter Hammel kostet — f
Rbl. 80 Kop., I Schaf — i Rbl. 20 Kop., das Fell eines grossen
Bären (2V4 Arsch, lang) — 3 Rbl., das beste Fuchsfell — 80 Kop.,
das beste Marderfell — i Rbl. 60 Kop., i Flussotter — 10 Rbl., i
Luchs — . 3 Rbl., I Pferd — 6 bis 24 Rbl., i Ochs — 6 bis 15 Rbl.,
I Kuh — 3 bis 8 Rbl., i Huhn — 5 Kop., 10 Pfund Butter — 30
Kop., IG Pfund Baumöl — 22 Kop., 6 Pud Weizen — 52 Kop. oder
4 Arschin Bäumwollenzeug, 4 Pud Gerste — 42 Kop. oder 3
Arschin desselben Zeuges, 6 Pud Hanfsaat — i Rbl. 4 Kop. oder 8
Arsch, jenes Zeuges, 10 Pfund Watte — i Rbl. 80 Kop. Die Ein-
fuhr-Artikel werden ziemlich hoch abgeschätzt; so wird z. B. für
eine Dshura* Alatsch (eine Art Baumwollenzeug), welche an Ort
und Stelle 60 Kop. kostet, ein Hammel im Werthe von i Rbl. 80
Kop. gegeben; eben so werden auch andere Waaren um das
Doppelte und Dreifache theurer abgeschätzt, als sie an Ort und
Stelle kosten. Die Einwohner von Matscha bringen nach Karategin
über die Gebirgspässe: Pakschif (12,000 Fuss) und Jarchitsch
(13,400 Fuss) fast ausschliesslich Weizen, Gerste und Salz, welche
sie gegen die, während des langen Winters angefertigten Gewebe
eintauschen. Dabei wird folgendes Maass als Einheit angenommen :
7 Haf-Taki (so heisst die in Karategin gebräuchliche Kopf-
bedeckung) = 20 Pfund, d. h. 112 Haf Taki = i Batman = 8 Pud.
An nomadisirenden kirgisischen Stämmen: Kissek, Knessary und
Avgat, zählt man gegen 5000 Zelte. Im Sommer halten sie sich am
oberen Lauf der Flüsse Sonk und Karaguscht-chan auf, im Winter
aber steigen sie bis in die Thäler des Ssurch-ob herab, indem sie
ihre zahlreichen Heerden (von Pferden, Kameelen, Hammeln,
* Zuweilen wird in Karategin nach folgendem Maass gemessen : vom Halse längs der
horizontal ausgestreckten Hand bis zu den Fingerspitzen — i Gjas -= i'/« Arschin; 4
Gjas = I Kari (5 Arschin); 4 Kari = i Dshura (20 Arschin).
333
«
Schafen, Hornvieh) in den unteren Abhängen der Berge lassen, wo
der dort ununterbrochen wehende Wind diese Abhänge mehr oder
weniger schneefrei erhält.
Die Tradition sagt, dass die ersten Ackerbauer und die Stamm*
Väter der jetzigen Bevölkerung die Kirgisen Kara und Tegin
gewesen seien, von denen auch das Land seinen Namen erhalten
hat; gegenwärtig beschäftigen sich die nomadisirenden Kirgisen in
Karategin sehr wenig mit Ackerbau. Wenn es auch unmöglich ist,
die 2^it zu bestimmen, wann aus einer nomadisirenden eine sess-
hafte, ackerbautreibende Bevölkerung geworden, so ist doch, ange-
sichts der Entwickelung des Ackerbaues in Karategin, anzunehmen,
dass die dortigen Bewohner schon einige Jahrhunderte mit der
Bodenkultur vertraut sind. Ueber die Geschichte von Karategin ist
auch nichts bekannt Aus allen Erzählungen klingt stets der eine
Grundton hindurch, dass Karategin bis zum Jahre 1868 vollkommen
unabhängig gewesen sei und unter der oligarchischen Verwaltung
eines Scha .aus den Nachkommen Alexander's von Macedonien
gestanden hätte. Da es aber stets sehr viele Prätendenten dieser
Art gab, so rief der Tod des Scha beständig Fehden hervor, welche
endlich in dem Volke das Verlangen nach einer festeren Staats-
ordnung wachriefen. Andrerseits harrten aber auch die benach»
harten Fürsten von Buchara und Chokand des günstigen Augen-
blicks, um Karategin ihren Besitzungen einzuverleiben. Das gelang
dem jetzt regierenden Emir von Buchara Musafar-Chan.
Im Jahre 1868 versuchte der unabhängige Regent des Kuljab,
Ssary-Chan, mit Karategin ein Schutzbündniss gegen den Emir von
Buchara abzuschliessen. Aber der damalige Scha, Musafar, hielt das
Bündniss für zu gefahrvoll für ^ich und schickte den betreflfenden
Brief des Ssary-Chan nach Buchara. Ueber diesen Treubruch
empört, brach Ssary-Chan in Karategin mit bewaffneter Macht ein
und nahm Musafar gefangen. Da aber gleichzeitig auch der Emir
von Buchara gegen Ssary-Chan in's Feld zog, so war der Letztere
gezwungen, nach Kuljab zurückzukehren, um sein eigenes Land zu
vertheidigen und den gefangenen Scha, Musafar, als seinen
Regenten in Karategin einzusetzen. Anderthalb Monate später
wurde Karategin von einem andern Gegner^ von den chokand'schen
Truppen unter Schir-Ali eingenommen, während der Emir von
Buchara gleichzeitig Kuljab eroberte. Ssary-Chan gelang es nach
Kabul zu entfliehen, Musafar-Scha wurde aber als Kriegsgefangener
dem Chan von Chokand, Chudojar, übergeben.
234
Aber auch Schir-Ali blieb nicht lange in Karategin. Als sich die
Truppen des Emir von Buchara» nach der Einnahme von Kuljab,
der befestigten Stadt Obi-Charm näherten, floh Schir-Ali mit
seinem kleinen Detachement nach Chokand, die Bucharen besetzten
Karategin und setzten auf Befehl des Emirs Mahomet-Rachim-Spuk
als Regenten ein. Seitdem steht Karategin in voller Abhängigkeit
von Buchara und wird eben so verwaltet, wie die andern, zu Buchara
gehörenden Provinzen.
Das administrative Personal besteht zunächst aus neun Mir's, welche
an der Spitze der neun Bezirke stehen, in welche Karategin einge-
theilt wird, und zwar: Kaljai-ljabi-ob, Ssakkau, Chait, Harm,
Ssary-Pul, Schulmak, Schinglitsch, Machsari-Ssir, Obi*Harm und
Mundshigarf. In einem jeden dieser Bezirke befinden sich 80 — 140
kleinere oder grössere Ansiedelungen. Diese Bezirke werden wie-
der in Dog's oder Gemeinden (zu 5 — 10 Dörfern) unter einem Mir-
Gosor eingetheilt Den letzteren Beamten stehen endlich in einem
jeden Dorf die Arbab's oder Dorfältesten zur Seite. Die Mir's wer-
den unmittelbar vom Scha aus der Zahl seiner Verwandten oder der
ihm Nahestehenden ernannt; die Mir-Gosor werden vom Scha aus
den Einwohnern des betreffenden Bezirkes erwählt; die Arbab end-
lich werden von den Dorfbewohnern frei gewählt, müssen aber in
ihrem Amt vom Mir bestätigt werden. Alle diese Beamten erhalten
eine bestimmte, vom Regenten festgesetzte Entschädigung für die
Mühen ihrer Verwaltung, und zwar: der Mir die Steuern von 6 — 10
Dörfern, der Mir-Gosor von 2—3 Dörfern, der Arbab aber nur 20
Pud Getreide und was ihm sonst an freiwilligen Gaben für Aufrecht-
erhaltung der Ordnung im Dorfe zufliesst.
Für juristische Angelegenheiten und Streitfragen besitzt jeder
Bezirk einen Kasi (Richter) und zwei Mufti. Sie erhalten kein be-
stimmtes Gehalt, sondern bloss eine gesetzlich normirte Entschädi-
gung für jede, ihnen zur Entscheidung vorgelegte Angelegenheit.
Ferner gehört zu den Amtspersonen noch der, eben so wie der Mir-
Gosor von der Regierung besoldete Rais, der über die Sittlichkeit
der Karateginer und über die Befolgung der Gebote des Koran zu
wachen hat
Von der Bevölkerung werden endlich noch frei gewählt die
Imam's (Priester) und die Mochtobdaren (Volksschullehrer).
Die nomadisirende Bevölkerung steht unter der Oberherrschaft
der Aeltesten des Geschlechts, welche administrative und richter-
liche Gewalt über die zu dem betreffenden Geschlecht Gehörenden
235
besitzen ; sie verantworten auch für die Entrichtung der Steuer, bei
deren Eintreibung ein Theil ihnen selbst zufällt. Die nomadisiren-
den Kirgisen unterliegen nicht der Wehrpflicht, welche nur die an-
sässigen Karateginer zu leisten haben. Die Letzteren treten übrigens
sehr gern in die Reihen der Krieger (Nauker) ein, da sie eigentlich
(mit Ausnahme der aus 300 Mann bestehenden Garnison in Harm)
nur nominell in den Listen fungiren, keine Kriegsdienste zu ver-
richten haben und nur einmal im Jahre nach Harm zusammenberu-
fen werden, wo der Scha eine kleine Revue über sie abhält und
höchstens kleine Schiess- und Kavallerie -Uebungen veranstaltet.
Die Zahl solcher Nauker betrug nach den Listen 1876 — 4000, ein
Drittel davon bildeten die mit Luntenschlossgewehren bewaffnete
Infanterie (Kara-Alaman); die andern, die Kavallerie ( Asnag), welche mit
den verschiedenartigsten Waffen, mit Luntenschlossgewehren, mit
Säbeln und sogar mit einfachen Stöcken, die oben einen, mit Eisen be-
schlagenen Knopf besitzen, versehen sind. Artillerie gibt es in Ka-
rategin gar nicht. Pulver bezieht man aus Buchara und Kaschgar.
Eine Uniform existirt für die Nauker nicht, ein Jeder erscheint in
seiner Landestracht. Denjenigen, die keine Waffen besitzen, wer-
den solche von der Regierung geliefert. Alle Nauker, selbst die
300 in der Festung Harm garnisonirenden, müssen selbst für ihren
Unterhalt sorgen. Ein jeder Nauker erhält von der Regierung jähr-
lich zwei Chalate und 8 — 16^ Pud Getreide. Die höher gestellt
ten Nauker ^ welche auf Befehl des Emirs von Buchara vor vier
Jahren daselbst eingeführt worden sind, erhalten ein höheres Gehalt,
und zwar: der Tschui-agas, zwei halbseidene Chalate und 40 Pud
Getreide; der Mirachur, drei seidene Chalate und 108 Pud Ge-
treide; der Tokssoba, drei Shawl-Chalate, 380 Pud Getreide und 40
Hammel.
Den Hofstaat des Karateginischen Scha bilden : i Schigaul (Refe-
rent über die eingekommenen Gesuche und Vollstrecker der Ent-
scheidungen des Scha); i Mochram-Baschi (Haushofmeister); i Mi-
rachur (Stallmeister); I Bakaul-Baschi (Küchenmeister); i Mirsa-
Baschi (ältester Schreiber); i Baba-Ischa (Rath des Scha und Er-
zieher seiner Söhne); 12 Batscha (Knaben, welche den Scha auf der
Jagd mit Falken und Hunden, sowie auch auf seinen Fahrten be-
gleiten).
' Im bucharischen Heere gibt es 1 2 mililärische Rangklassen: i. Tschuragas, 2.Mirsa,
3 Dschiwatscli, 4. Karaul-Begi, 5. Mirachur (Kapitän), 6. Tokssoba, 7. Ischik-Aga-
Baschi, 8. Heg, 9. Dotcha (General), 10. Parvonatschi, ii. Atalyk, und 12. Duvan-Begi.
236
■
Der festgesetzten Ordnung gemäss erscheinen alljährlich, sobald
der Emir von Buchara nach Hissar oder Schahrissjebs kommt, der
Scha von Karategin zur Begrüssung (Dagaissaljam) und [bringt ihm
als Geschenk dar: 100 Säbel, 18 Bärenfelle, 18 Marderfelle, 18 Fluss-
otter, 18 Luchsfelle, 18 Fuchsfelle, 18 wollene Chalate (Karatschek-
men), 18 wollene Pluderhosen (Schim), 18 angeschirrte Pferde, 18
Ballen Chalate (Baktscha), 18 grosse, aus Nussholz gedrechselte Scha-
len. Dies Alles wird von dem Volke, unabhängig von den konstan-
ten Steuern, von denen der Emir nichts erhält, eingetrieben.
Die Einkünfte des Scha bestehen: i. aus dem Zehnten von jeder
Getreideart; 2. aus der Viehsteuer bei den sesshaften Karategi-
nern, welche jährlich i Hammel pro Hof ohne Rücksicht auf die
Grösse des Viehstandes zu entrichten haben; 3. aus dem Seket der
nomadisirenden Bevölkerung, welche von jeder Viehgattung (mit
Ausnahme der Kameele) den zwanzigsten Theil erlegen muss, und
4. aus den Zolleinnahmen. Die Gesammtsumme der Einkünfte des
Scha lässt sich jedoch wegen mangelnder Angaben nicht näher be-
stimmen.
Gegenwärtig zählt man in Karategin, was die ackerbautreibende
Bevölkerung betrifft, ungefähr 400 Ansiedelungen mit 36,672
Höfen. Rechnet man durchschnittlich 6 Personen pro Hof — man
findet daselbst Familien von 4 — 12 Personen — so wird sich die Ge-
sammtzahl der ackerbautreibenden Karateginer beiderlei Ge-
schlechts auf ca. 382,000 Individuen beziffern lassen. Da daselbst
Grundeigenthümer, welche weniger als 5 Dessj. Land besitzen,
nicht vorhanden sind und es dagegen Viele gibt, welche 50 Dessj.
Land besitzen, können wir 15 Dessj. pro Hof als Durchschnittszahl
annehmen; die Grösse des Ackerlandes würde dann über 1,000,000
D^ssj. betragen.
Diese kurzen, bloss aus kritisch gesichteten Aussagen der Kara-
teginer und der Bewohner der angrenzenden Länder geschöpften
Angaben bezeugen zur Genüge, wie lohnend eine besondere Expe-
dition in dieses mittcl-asiatische Gebirgsland wäre.
*37
Der Weinban Russlands
mit
statistischen Nach\veisen aus den Jahren 1870— 1873.
(Fortsetrung).
Ueber die Grösse des Weingartenareals gibt es keine genauen
Data und über den Kaufwerth desselben existiren nur für einzelne
Gegenden, und auch für diese nur annähernde Angaben. Im Rion-
Schwarzmeer-Gebiete gibt es 40,864 Dessj. Weingartenareal (33,39
pCt. des Gesammtweingartenareals) und schwankt der Preis pro
Dessjatine in den Kreisen Kutaiss und Scharopansk, je nach der
Güte der Gegend, zwischen 200 und 500 Rbl., im Kreise Osurgeti
(Gorischer Rayon) zwischen 7$ und 200 Rbl. und in den Kreisen
Ratschin und Letschgum zwischen 1 50 — 800 Rbl. ; im Bessarabi-
schen Gebiet zählt man 29,973 Dessj. (24,49 pCt.) zu Preisen von
40 — 1000 Rbl. im Kreise Ackerman, von 50—600 Rbl. im Kr. Ki-
.schinew, von 100 Rbl. im Kr. Orgecn, von 350 — 450 Rbl. (für beste
Gärten) im Kr. Benderi, von 50 — loo Rbl. (mit schlechterer und
mittlerer Qualität) im Kr. Jassi und von 40—200 Rbl. im Kr. Sso-
roki; im Kachetinischen Gebiet gibt es, mit Ausnahme des Sakatal-
schen Bezirks und des Kreises Nucha imGouv.Jelissawetpol, für wel-
che die Daten fehlen, 20,104 Dessj. (16,43 pCt.) zum Preise von
300—4000 Rbl.; das Kura'sche Gebiet umfasst ein Areal von 7714
Dessj. Weingärten (6,30 pCt.), doch sind bei dieser Angabe im
Kreise Achalzych nur 2 Ortschaften berücksichtigt worden; die
Preise stellen sich im Kreise Gori auf 100 — 200 Rbl. und im Kr.
Duschet auf 50 — 400 Rbl. per Dessj.; im Terek-Kumik'schen Geb.
beträgt das Weingartenareal 6607 Dessj, (5,40 pCt), Preise per
Dessj. im Kr. Kisljar 200 — 800 Rbl., im Kr. Chassaw-jurt 400—600
Rbl.; im Araxes-Gebiet (Gouv. Eriwan) beträgt das Weingarten
areal, mit Ausnahme der Kreise Sangesursk und Schutcha im Gouv.
Jelissawetpol, über welche die Daten fehlen: 5583 Dessj. (4,56 pCt.)
im Preise von 500—1000 Rbl. (Kr. Eriwan), von 750^1500 Rbl.
238
(Kr. Nachitschewan) und von 300 — 1000 Rbl. (Kr. Jetschmiadsin);
im Krim'schen Gebiet (Gouv. Taurien) beträgt das Areal 4674
Dessj. (3,82 pCt.) im Preise von 1000— 3CX)0 Rbl. (Kr. Feodossia),
von 1000 — 1500 Rbl. (Kr. Simferopol) und von 300 — 3000 Rbl. (im
Kr. Jalta); Daghestan^sches Gebiet: Areal mit Ausnahme eines
Theiles von West-, Süd- und Mittel-Daghestan, über welche Daten
fehlen, 1955 Dessj. (1,60 pCt.); die Preise stellen sich hier auf ca.
1000 Rbl. per Dessj. (Derbent) und auf 700—1500 Rbl. (West-
Daghestan)j Kuma'sches Gebiet: Areal 1640 Dessj. (1,34 pCt),
Preise per Dessj. 300—800 Rbl.; Don'sches Gebiet (mit Aus-
nahme der Stanitzen Konstantinowskaja und Semikarakorskaja)
Areal 1505 Dessj. (1,23 pCt.) im Preise von ca. 500 Rbl. per
Dessj.; SchemsCcha-Gektscbaisches Gebiet Areal 1441 Dessj. (iyi8
pCt.) im Preise von 120 — 500 Rbl. (Schemacha); Kubanisches Ge-
biet, Areal 218 Dessj. (0,18 pCt.) und Astrachan'sches Gebiet,
Areal 92 Dessj. (0,08 pCt. des Gesammtweingartenareals). Preisan-
gaben für letztbenannte Gebiete fehlen. Das gesammte Weingarten-
areal Russlands, über welches Angaben vorliegen, beziffert sich
demnach auf 122,370 Dessjatinen.
Hieraus ergibt sich das Weingartenareal des Rion-Schwarzmeer-^
des Bessarabischen und Kachetinischen Gebietes als das beträcht-
lichste (Vi des ganzen Weingartenareals), darauf folgen das Kura-
sche, Terek-Kumik'sche und Krim'sche Gebiet (Vft), während die
übrigen 6 Gebiete von unbedeutender Ausdehnung sind. Den höch-
sten Kaufwerth besitzt der Weingartengrund in Kachetien, am Süd-
strande der Krim und im Kreise Feodossia im Gouv. Taurien, wo
der schlechteste Weingartengrund, mit 700 — 1000 Rbl., der beste
mit 3 — 4000 Rbl. bezahlt wird. Am niedrigsten steht der Weingar-
tengrund im Bessarabischen Gebiete (mit Ausschluss der Städte
Ackerman, Kischinew und Benderi) im Kaufpreise 40—200 Rbl.
per Dessj., dann im Kreise Osurgeti (Kutai'ss) und endlich in den
Kreisen Gori und Duschet im Gouv. Tiflis (loo — 300 Rbl. per
Dessj.). In den übrigen Weinbau treibenden Gegenden variirt der
Preis für schlechtere Lagen von 120— 750 Rbl., für mittlere von
180 — 1250 Rbl. und für die besten von 350 — 1500 Rbl.
Auch Betreffs der jährlichen Ausgaben für den Weinbau gibt es
nur für einige Gegenden Daten« Nach diesen Letzteren betragen
dieselben für die Bearbeitung und Unterhaltung einer
23$
Davon entfallen
Dessjatine auf die Traubenlese
Weingartengrund per Dessj.
Rubel. Rubel.
Ol Bessarabischen
Gebiet
35 —»65
5
-15
» Krim*schen
7j — i6o
7
— 10
» Don'schen
171/2— 88V2
2V«
> Astrachan'schen
bis 370
25
> Kubanischen
66 —131
6
» Kuma'schen
32 - 43
2
— 3
» Terek-Kumik'schen
27 —HO
7
—10
» Daghestan'schen
40 — 126
5
— 20
» Rion-Schwarzmeer
5 — 70
—
» Kura'schen
bis 116
12
—20
» Kachetinischen
* 238
—
* Araxes
18 —HO
3
— 10
» Schemacha-Gektschar
sehen
4—92
I«
1
/2- 7
Bei dieser Berechnung sind alle Arbeiten in den Weingärten als
von bezahlten Arbeitern ausgeführt, in Anschlag gebracht. In Wirk-
lichkeit werden aber viele dieser Arbeiten von den Winzern eigen-
händig oder durch ihre Angehörigen ausgeführt, wesshalb auch dann
die Unkosten für solche Arbeiten wegfallen; auch werden manche
Weinbergsarbeiten nicht mit Geld bezahlt. Daher stellten sich in
Wirklichkeit die Unkosten der Bearbeitung einer Dessjatine Wein-
landes geringer, als die oben angeführten.
Die Grösse oder Quantität der Traubenlese ist ebenfalls aus Man-
gel an vollständigen Daten nicht genau zu bestimmen. In folgen-
der Tabelle sind nur Mittelzahlen der Lese von einer Dessjatine und
der Traubenlese überhaupt in Pud und Prozenten für das Jahr 1870
enthalten:
Bezeichnung der Weinbau treibenden
(Icbiete,
Bessnrabisches Gebiet:
Gouvernement Bessarabien .
» Cherson . .
» Podolien . .
Durchschnittliche
Traubenlese
per Dessjatine.
Pud
• •
• •
194,5
116,5
278
Im Ganzen betnig die
Trauberdese.
Pud.
4,280,948
240,328
43,368
pCt.
19,23
1,08
0,12
4,564,644 20,51
240
Durchschnittliche
Bezeichnung der Weinbau treibenden Traubenlese Im Ganzen betrug die
Gebiete. per Dessjatine. Traubenlese.
Rion'^chwarBfneer^Gebiet: Pud. Pud. pCt.
Gouvernement Kutaiss . . • , 123^ 4,362,900 i9f6o
Bezirk Suchum 96 69,300 0,31
Schwarzmeer-Kreis 20 40,000 0,18
— 4,472,200 20,09
Kachetinisches Gebiet:
Gouvernement Tiflis (Kreise: Sig-
nach und Telaw) 200 4)020,8oo 18,06
Kurä^sches Gebiet:
Gouvernement Tiflis' 231 1,688,916 7,59
» Jelissawetpol* .... 287,5 492,522^ 2,21
2,181,438 9,80
Terek'KumtKsches Gebiet:
Gebiet Terek 333,3 2,151,425 9,67
AraxeS'Gebiet:
Gouvernement Eriwan .... 320 1,848,300 8,31
KrinCsches Gebiet:
Gouvernement Taurien* . . . , 300 1,402,200 6,30
KumcLSches Gebiet:
Gouvernement Stawropol .... 350 574,000 2,58
DaghestarCscIus Gebiet 340,66 510,000* 2,29
' Von einer Dessjatine Weingartengnuid mit hohen, an Bäumen gezogenen Reben
(Maglari) betrug die Lese im Mittel in den Kreisen Kuta'£ss und Charopan, Ratschin
und Letschgum 100 Pud, in den Kreisen Sugdidi und Senak nur '/lo Pud, im Kreise
Osurgeti 20 Pud ; in gewöhnlichen Weingärten mit niedrig gezogenen Reben (Dablari)
dagegen, in den Kreisen Kutaiss und Charopan aoo, in den Kreisen Ratschin und
Letschgum 350, in den Kreisen Sugdidi und Senak 165 und in dem Kreise Osurgeti
200 Pud.
' Im Kreise TiAis, ohne deutsche Kolonien per Dessjatine 200 Pud, in den deut-
schen Kolonien aber 508 Pud per Desijatine; im Kreise Gori durchschnittlich 400 Pud,
im Kreise Achalzych nur 100 Pud.
' Im Gouvernement Jelissawetpol mit Ausschluss der deutschen Kolonien per Dessja-
tine 360 Pud; in den deutschen Kolonien 474 Pud.
^ Um die Traubenlese im Krim'schen Gebiet xu bestimmen, wurde angenommen,
dass aus 55 Pud Trauben ein Eimer (Wedro) Traubensaft su erhalten ist, dabei sind
2 pCt. auf den Verbrauch als Bure abgerechnet
* Bxcl. West-Daghestan, wo per Dessjatine 400 Pud Ertrag.
«41
Durchschnittliche
Bezeichnung der Weinbau treibenden Traubenlese
Gebiete. per Dessjatine.
Sshemacha-Gektschaisches Gebiet: Pud.
Gouvernement Baku ...... 198,5
Gebiet der Donischen Kosaken . . i lo*
Kubanisches Gebiet . . . . , . 168^
Astrachan* sches Gebiet 195
Im Ganzen
betrug die
Traubenlese.
Pud.
pCt.
266,336
1,20
213,781
0,96
32.23s
0,15
17.932
0,08
Im Ganzen . . — 22,255,291 100,00
Aus der vorstehenden Tabelle und deren Anmerkungen ist er-
sichtlich, dass die Lese im Jahre 1870 von 16—508 Pud per Dessja-
tine betrug. Die grösste Ernte, im Mittel über 300 Pud pro Dessj.,
erzielten West- und Nord-Daghestan^ die Kreise Gori und Jelissa-
wetpol (Kura-Geb.), der Kreis Ssoroki (Bessarabien), der Kr. Eriwan
(Araxes-Geb.), das Kuma^sche Geb., das Terek-Kumik^sche Geb.
und der Kreis Jeisk (Kuban-Geb.). Die geringste Ernte hatten einige
Gegenden des Rion - Schwarzmeer - Gebietes , namentlich der
Schwarzmeer-Bezirk und die Kreise Zugdidi, Senak und Osurgeti
des Gouvernements Kutaiss, wo die Weingärten, besonders die mit
hohen, an Bäumen gezogenen Reben, sehr stärk von Oidium
Tuckeri zu leiden hatten. Die Lese betrug im Jahre 1870 in allen, in
der Tabelle angegebenen, Gegenden 22,255,291 Pud; sie war über-
haupt geringer ausgefallen wie gewöhnlich, da in vielen Gegenden
die Reben stark durch Oidium Tuckeri gelitten hatten. «
Nur ein geringer Theil der Reben, etwa 10 pCt« der Gesammt-
ernte, wird nicht gekeltert. Dieser Theil der Lese wird zum Theil
als Traube verbraucht, zum Theil zur Branntwein-, Dschaba- und
Narbeck-Fabrikation benutzt. In den meisten Weingegenden kosten
die Trauben 40 Kop. bis i Rbl. 20 Kop. pro Pud und im Araxes-
und Schemacha-Gektschaischen Gebiete 25 oder 27 Kop. bis 40
und 55 Kop. Höhere Preise bestehen nur für einige besonders gute
Traubensorten, namentlich im Don'schen Gebiete, wo die Puchlja-
kow'schen Trauben 75 Kop. — i Rbl. 50 Kop., die Zimljan'schen
rothen und weissen Trauben mit i Rbl. — 3 Rbl. 50 Kop. per Pud
bezahlt werden. Im Astrachan'schen Geb. kostet das Pud Trauben
bis 2 Rbl. 50 Kop. und mit Verpackung in Kisten und Tonnen, wo-
bei die Trauben mit Hirse eingestreut werden, 4 Rbl. In der Krim
* Im I. Donischen Bezirk i8l Pud, im 2. 39 Pud Ertrag pr. Dessjatine.
' Im Kreise Jeisk 340 Pud, im Kreise Jekaterinodar 99 Pud, in den Kreisen Temrjuk
and Batalpaschinsk 112 und 121 Pud Ertrag per Dessjatine.
EUSS. REVUE, BD. Xm, 16
242
werden die Trauben aus den Weingärten am Südstrande in den
nächsten Städten mit 7, 10 — 15 Kop. per Pfund bezahlt. In Odessa
kosten die Trauben aus der Umgegend 5 — 7 Kop. pro Pfund» aus-
ländische dagegen 8— 10 Kop. In der Ortschaft Kamenka, Gouv.
Podolien, Kr. Olgopol werden die Trauben aus den Weingärten des
Fürsten Witgenstein mit 12—15 Kop. per Pfund verkauft. Die
Trauben werden meist schon in den Weingärten von, oft von weit
herkommenden, Aufkäufern gekauft oder in die nächsten Ortschaf-
ten und Städte auf den Markt gebracht. Die Ausfuhr von Trauben
aus den betreffenden Weinbaugebieten findet nur in geringem Ver«
hältnisse statt, und zwar aus Bessarabien nach Podolien, Chersson
und Kijew, aus der Krim, hauptsächlich aus dem Sudagthal und
vom Südstrande der Krim, jedoch nur in geringen Quantitäten,
nach Moskau und St. Petersburg*; aus Astrachan geht ein grosser
Theil der dort produzirten Trauben in die Wolga-Gouvernements
und aus Derbent im Gebiete Daghestan werden die Trauben der
Rebsorte Risch-Baba in bedeutender Quantität von, aus Astrachan
und Ssaratow kommenden Aufkäufern, nach den an der Wolga
gelegenen Gouvernements ausgeführt.
Ausser den eigenen braucht Russland noch grosse Quantitäten aus
dem Auslande gebrachter Weintrauben. Die folgende Tabelle zeigt
die Traubeneinfuhr nach Russland über die europäische Grenze für
die Periode 1853 — 1874:
Im Ganzen wurden über die euro-
Darunter Trauben über die
päische Grenze Trauben nach
Häfen des Schwarzen und
Jahre.
Quintennien.
Russland eingeführt.
Asow*8chen Meeres.
"
Quantität.
Preis.
Zoll.
Quantität
Preis.
Rubel.
Zoll.
Pud.
Pf.
Rubel.
Rubel.
K.
Pud.
Pf.
Rubel.
X.
1853—1857
5422
10
98.425
16,191
60
42
10, 166
51
60
Durchschnittl. p. Jahr
1.084
30
19,685
3,238
32
8
02 33
1032
1858— 1862
18.681
17
352-812
37.365
35
494
19 2,771
991
45
Durchschnittl. p. Jahr
3,736
23
70,562
7,473
7
100
04
554
198
39
1863— 1867
40,524
SI
511,295 81,043
41
697
31
6,844
1,399
95
Durchschnittl. p. Jahr
8,106
02
102,259^ 16,208
68
140
06
1.369
279
99
1868— 1872
122,655
08
i»5i7^993 160,977
82
3.155
16
39.998
4.032
76
Durchschnittl. p. Jahr
24532
00
303»599i 32,195
56
631
3
8.000
806
55
1873
37,234
23
316690I 39,238
20
8,388
38
110,912
10.89a
40
1874
48,046
I
662;o6o
60,550
38
14,916
»5
197,357
i9'375
25
* Neuerdings sind durch Versendung der Trauben mit den Post- und Passagierzttgen
in besonderen Obstwaggons, Vorkehrungen getroffen , dass nicht nur grössere Partien
von Weintrauben und anderem Obste versendet werden können, sondern dass auch der
Transport schneller und ohne Gefahr fUr die zuversendende Waare etfolgen kann.
243
Die 2^Ieii vorstehender, nach den Ausweisen über den auswär-
tigen Handel Russlands für die Jahre 1853 — ^^74» zusammenge-
stellter Tabelle, sowie die aus denselben abgeleiteten Durchschnitts-
zahlen zeigen die rasche und bedeutende Vergrösserung der Wein-
trauben-Einfuhr und der gleichzeitig damit wachsenden Zölle. Die
Einfuhr der Trauben über die asiatische Grenze nach Russland, so-
wie auch die Ausfuhr von Trauben aus Russland sind so unbedeu-
tend, dass darüber keine Daten gesammelt werden. Der Eingangs-
zoll für ausländische Trauben beträgt i Rbl. 30 Kop. pr. Pud.
Die Tranbenkelternng nnd Welnbereltnng. Fabrikation Ton
Dsehaba, Narbeck^ Drogak^ Gwino-Saadiero und Traaben-
Kwas. Kellerwirthscliaft. Mostprodaktioiu Weinanalysen, Wein-
handel. Nebennutzimgeii. TorzOglicliste mssisclie Weine.
Wie wir gesehen haben wird der grösste Theil der Trauben ge-
keltert, wobei letztere höchstens nur nach der Farbe sortirt werden.
Das Presshaus besteht entweder aus einem, auf Pfosten ruhenden
Dache, oder aus einem hölzernen, nicht selten auch steinernen, bei
vielen Winzern im Weingarten selbst gelegenen Gebäude; doch
werden auch in einigen kleineren Weingärten die Trauben gar nicht
sortirt und unter freiem Himmel gekeltert. Die Trauben presst
man in Kübeln, Fässern, Trögen, hölzernen und steinernen Kasten
(Arakast) fast überall mit den Füssen, die gewöhnlich nackt sind.
Im Don'schen Gebiete tritt man die Trauben mit, in Basteln, und in
den deutschen Kolonien des Kura^schen Gebietes mit, in grosse
Stiefel mit eisernen Nägeln gesteckten Füssen aus. Im Terek-
Kumik'schen und Daghestan^schen Gebiete schlagen viele Winzer
vorläufig die Trauben mit Harken von den Zweigen, und in Bess-
arabien und in der Krim reinigt und presst man die Trauben nicht
selten mittelst Schaufeln, Rebelmaschinen oder Traubenmühlen;
darauf werden die Trauben mit Füssen, oder wenn die Quantität
gering ist, mit Händen und Stöcken in Bottichen gepresst. Die von
den Zweigen abgeschlagenen Trauben werden in leinene Säcke gelegt,
die im Bessarabischen und Daghestan'schen Gebiet eine Länge von
I und eine Breite von 0,75 Meter haben. Im Rion-Schwarzmeerge-
biet legt man unter die Trauben auf den Boden des Pressgefässes
Zweige und Ruthengeflechte. In Kachetien wird der Boden des
Pressraumes mit einer Schicht kleinblättriger Zweige bedeckt, um
die Weintraubentrester im Pres.sraume zurückzuhalten. Den erhal-
i6*
^44
tenen Most schöpft man entweder aus dem letzteren aus, oder lässt
ihn durch eine passende Oeflfnung desselben in die Gährungsbot-
tiche, Gährungsfässer, Gährungsspunde, Tonnen, Kübel, in Trans-
kaukasien in grosse thöneme Krüge und im Araxes-Gebiete in Re-
servoire abfliessen. Die beiden letzteren sind in der Erde eingegra-
ben. Im Rion-Schwarzmeer-Gebiete bleibt der Most durch längere
Zeit auf den Traubentrestem im Pressraume stehen. Der beim
Pressen der Trauben entstehende Brei oder die Traubentrester kom-
men bei den meisten Winzern noch unter die Presse und der aus
ihnen gepresste Traubensaft wird dem Moste zugesetzt
Gute Winzer, wie solche fast in jeder Weingegend angetroffen
werden, pressen die Trauben nach den neuesten Anforderungen der
Weinfabrikation: sie sortiren die Trauben, lesen aus ihnen die verdor-
benen und unreifen aus, legen die sortirten Trauben auf ein Sieb, wel-
ches aus, unter scharfem Winkel sich kreuzenden hölzernen Stäbchen
besteht, und durch welches nur Trauben einer gewissen Grösse pas-
siren können. Der Rahmen eines solchen Siebes ruht auf den Wän-
den eines Bottichs mit doppeltem Boden, von welchem der obere
durchlöchert ist. Die Trauben, welche nicht in den Bottich gelangt
sind^ werden mit Händen durch's Sieb gerieben, der die Stielchen
und Zweige zurückhält, wobei ein grosser Theil der Traub^ zer-
drückt wird. Der auf den zweiten Boden des Bottichs sich ansam-
melnde Most wird in Fässer abgelassen, die zerdrückten, wie auch
die kleineren Trauben, welche unzerdrückt durch das Sieb durch-
gehen, kommen unter die Presse.
Aus dem Traubenmost wird weisser, rother, Dessert-, Liqueur-
und moussirender Wein, wie auch Dschaba und Narbeck angefer-
tigt, und aus den Traubentrestem wird ein leichtes Getränk, Trau-
benkwas und Gwino-Saudiero, welches schwachem Wein ähnlich ist,
fabrizirt.
Bei der Bereitung des weissen Wein's wird der Traubenmost ent-
weder sofort nach dem Pressen der Trauben von den Trauben-
trestem in Tonnen oder Krügen abgegossen, in welchen er lo Tage
bis 6 Wochen gährt, oder . der Most bleibt auf den Trestem und
gährt mit diesen zusammen 3 — 20 Tage. Im ersten Falle werden
weder Krüge noch Tonnen vollgegossen und nur leicht bedeckt,
damit die, bei der Gährung frei werdende Kohlensäure freien Aus-
tritt hat. Diese Art der Weinbereitung findet fast allenthalben
statt. In den besten Kellerwirthschaften Bessarabiens und der Krim
wird der in die Tonnen abgezogene Most nach 24 Stunden in andere
345
Tonnen umgefüllt und dadurch vom Bodensatz getrennt. Dort, wo
der Most auf den Traubentrestern gährt (Rion-Schwarzmeer-Gebiet),
bleibt er 3 — 4 Tage in dem, mit Brettern festverschlossenen Press -
räume, doch hat jede Gegend ihre besonderen Eigenthümlichkeiten.
So werden z. B. im Araxes-Gebiet, um die Gährung zu fördern, zu
dem, in Krügen abgegossenen Moste etwa 3 — 4 Pfd. Trester auf
jede 30 Eimer Most zugesetzt. Sobald die Gährung eingetreten,
wird der Most von den Trestern abgegossen.
Bei Bereitung von Rothwein werden dem, aus dem Pressraume
abgegossenen Moste Trester zugesetzt, mit denen er in offenen Ge-
lassen 3 Tage bis 6 Wochen gährt. Beim Beginn der Gährung
(nach 2 — 3 Tagen) wird der Most im Donischen, Kura'schen und
Araxes-Gebiete l — 2mal täglich mit den Trestern verrührt, um den
Gährungsprozess zu verlangsamen und das Sauerwerden zu verhin-
dern; dadurch soll der Wein eine grössere Haltbarkeit und eine
dunkle, im Handel geschätzte Farbe erhalten. In Kachetien bleibt
der Most nur 3—7 Tage auf den Trestern, damit er nicht ap Fär-
bung verliert; in Bessarabien, der Krim, dem Donischen und Kuma-
schen Gebiet bleibt der Most 16 — 20 Tage auf den Trestern, je
nach dem Grade der Färbung und dem milderen oder herberen
Charakter, den man den Weinen geben will. Auch wiederholte
Pressungen unter Zusatz frischer Trauben werden angewendet. Im
Schwarzmeer-Gebiete presst man die Trauben dreimal, bevor man
den Most in die Krüge ausschöpft.
Weinstöcke, deren Trauben zur Bereitung von Dessert-, Liqueur-
und moussirenden Weinen bestimmt sind, werden eine Woche vor
der Lese von den überflüssigen Blättern befreit und die Trauben-
stiele werden mittelst Zangen gedreht oder zusammengekniffen, um
den Zuckergehalt der Trauben zu vergrössern. Die geschnittenen
Trauben setzt man der Sonne aus oder sie werden 2—3 Wochen
in Scheunen, unter Dächern etc. bei freier Luftcirkulation gehalten,
wo sie täglich gewendet und wobei beim Sortiren unreife Beeren ent-
fernt werden. Die in den Bottichen zerdrückten Beeren bleiben in
denselben, wegen Aufnahme der ätherischen Oelci 18—24 Stunden
und darauf gelangt die ganze Masse unter die Presse. Der gewon-
nene Most wird schon nach 12 Stunden vom Bodensatz abgegossen
und zur möglichsten Dämpfung der Gährung, die wegen des grossen
Zuckergehaltes der Liqueurweine besonders heftig ist, häufiger um-
gegossen, wie die gewöhnlichen weissen oder rothen Weine. Aus
246
i^/a — 2 Pud Trauben kann man einen Eimer weissen, und aus gegen
2 Pud solcher, einen Eimer rothen Dessertwein fabriziren.
Zur Bereitung von Dschaba oder Tschoba, Dschafa, Musseies
wird im Terek-^Kumik^schen, Daghestan^schen, Rion-Schwarzmeer-,
Kura^schen und Schemacha-Gektschai'schen Gebiete der Most nach
Verlauf von 5 Stunden nach dem Pressen in kupfernen Geschirren
10 — 14 Stunden gekocht. Zur Klärung des Mostes kocht man den-
selben im Terek- und Daghestan'schen Gebiete mit weissem Thon;
Der gekochte Most Dschaba wird in Tonnen oder Krüge gegossen,
in welchen derselbe i */» — 3 Monate gährt. Dschaba ist ein sehr
starkes Getränk, das vorzugsweise von den Mohammedanern ge-
trunken wird, und das sich bei guter Bereitung selbst in offenen Ge-
fassen längere Zeit erhält. Drei Eimer Traubenmost geben einen
Eimer Dschaba.
Narbeck (Duschab, Bekmes) wird im Terek-Kumik'schen, Daghe-*
stan'schen, Kura'schen und Schemacha-Gcktschai^schen Gebiete fast
ebenso wie Dschaba angefertigt, hur wird der Most längere Zeit ge-
kocht, und zwar so lange, bis er sich in eine syropsdicke Masse
verwandelt hat. Man benutzt auch den Narbeck ähnlich wie den
Syrop oder Honig, und im Kura'schen Gebiet dient er zur Anfer*
tigung des Scherbettes. Ein Pud Narbeck erhält man aus 5 Pud
Most.
Aus Traubentrestern bereiten einige Weinwirthe Bessarabiens
Traubenkwas oder Getränke, die schwachen Weinen ähnlich sind,
und die im Donischen Gebiet den Namen Drugak führen, im Rion-
Schwarzmeer-Gebiet aber Gwino-Saüdiero heissen. Bei Bereitung
solcher Getränke wird auf die Weintrester Wasser gegossen, mit
welchem die ersteren einige Tage gähren ; vor dem Abgiessen eines
solchen Aufgusses von den Trestern vermischt man denselben im
letztgenannten Gebiete mit Most oder etwas Wein von der Trauben-
sorte Sapperavi.
Abgesehen davon, dass einige Weinwirthe die nachbleibenden
Traubentrester zur Essigbereitung benutzen, dienen dieselben weit
allgemeiner zur Branntweinfabrikation, dann aber auch als Viehfutter
und Dünger, doch gibt es auch solche Wirthe, welche die Trester
ganz wegwerfen.
In den meisten Gegenden wird der Most als solcher, und zwar
schon von der Presse weg, den Weinhändlern verkauft, und nur ein
geringer Thcil kommt nach gänzlich vollendeter Gährung, d. h.
nach Verlauf von 2 — 3 Monaten in den Handel. Ein noch gerin?
247
gerer Theil, hauptsächlich der zur eigenen Konsumtion bestimmte,
wird einer geregelteren Kellerwirthschaft unterzogen. Die ver-
schiedenen Arten, wie die Gährung vorgenommen wird, wurde
schon besprochen. Viel Gewicht legt man selbstverständlich auf
die Temperatur des Gährungsraumes und hält auf möglichst geringe
Schwankungen derselben. In der Krim hält man während der ersten
Gährungsperiode eine Temperatur von i6 — 20® als die geeignetste.
Doch schenkt man wiederum dieser Temperatur oft keine Aufmerk-
samkeit, und CS kommt auch vor, dass dieselbe während der Nacht
auf + 8^ sinkt und die Gährung stehen bleibt.
Bei Behandlung der Weine in der Kellerwirthschaft wird vorzugs-
weise auf Reinlichkeit und den guten Zustand der Geschirre ge-
sehen,-die monatlich. 2 — 3Mal nachgefüllt werden. Der Wein wird
gereinigt und 2 — 3 Mal im Jahre umgefüllt. Viele kaukasische Wein-
wirthe füllen den Wein während des Jahres nur einmal, im Dezem-
ber oder Januar, um, in Bessarabien, am Don und im Terek- Gebiet
geschieht dies im März oder April. Am Südstrande der Krim er-
folgt das Umfüllen dreimal, und zwar bei Weissweinen im Dezembert
März und September, bei Rothweinen im Januar, März und Septem-
ber. Dessertweine werden in der Krim im ersten Monat dreimal,
im zweiten zweimal, darauf bis zum Januar oder März einmal monat-
lich umgefüllt. In Kachetien, wo der Wein bereits nach 1 7« — 2
Monaten als genügend ausgereift gilt, bleibt er bis zum Dezember in
leicht bedeckten Krügen. Soll er im Winter nicht verkauft werden,
so wird er in, mit Fliessen festverschlossene Krüge gegossen und
den Weissweinen, zur Färbung Nussblätter, den Rothweinen Trau-
bentrester zugesetzt, und die Fliessen oder Krüge mit einer V2 Ar-
schin hohen Erdschichte bedeckt. Bleibt der Wein bis zum folgen-
den Sommer im Keller, so erfolgt im Januar nochmalige Umfüllung
und erst dann Verschüttung der festgeschlossenen Krüge mit Erde.
Zum Reinigen bedient man sich in Bessarabien, in der Krim, im
Donischen und Terek-Kumik'schen Gebiet des Fischleims, aber
auch noch in der Krim Lenö^s Gelatine und in Bessarabien zuweilen
der Holzkohle. Auch benutzt man in der Krim und im Terek-Ge-
biet zum Reinigen der Rothweine Eiweiss. Am Don versüsst man
den Wein nach der Klärung im März oder April und füllt ihn in
Flaschen, in welchen er bis zum Verkauf gut verkorkt gehalten
wird. Schwache Weine lässt man, um ihnen mehr Stärke zu geben,
nicht selten ausfrieren. In der Umgegend von Kisljar versetzt man
die Weine, nach der im Vorjahr erfolgten Reinigung, mit Spiritus.
248
Die erste stürmische Gährung findet in der Regel in, meist in den
Weingärten selbst gelegenen Baulichkeiten statt, die aus einer
Scheune oder aus, auf Feilern ruhendem Dache bestehen; von hier
aus erst kommt der junge Wein in die, gewöhnlich in den Wohn-
gebäuden liegenden, Keller. In der Krim sind bei einigen Wein-
wirthen die Weinwirthschaften über den Kellern eingerichtet. Zu
Kellerwirthschaften dienen Gebäude meist aus Holz, aber auch aus
Stein. In Kaukasien werden dieselben ohne Fenster angelegt
(Maran, Marani), mit, unter dem Dache zur Luftreinigung an-
gebrachten Oeffnungen, die gleichzeitig genügendes Licht einlassen.
Die Südseite solcher Gebäude wird fast immer aus Ziegeln oder
Stein gebaut, und hier liegt auch der Pressraum. Mit Hülfe eines
geneigten Bodens fiiesst von hier aus der ^lost durch Rinnen in die,
vor diesem Raum eingegrabenen Krüge. Der Boden dieses Press-
raumes ist häufig cementirt oder besteht aus Kalk und Sand. Die
Pressen sind sehr verschiedenartig, aber meist einfacher Kon-
struktion ; nur bei guten Weinwirthen Bessarabiens und der Krim
finden sich eiserne Pressen neuester Konstruktion von Mabil,
Dingler u. A., die grossentheils aus der Schweiz und Oesterretch
verschrieben werden. Weinerhitzungsapparate für Rothwein finden
sich nur in einigen Kellereien der Krim und Bessarabiens, des-
gleichen Filtrirapparate zur Weinklärung (Krim). Gährungsbottiche,
Tonnen etc. werden meist aus Eichenholz angefertigt, in den
deutschen Kolonien des Kura-Gebietes aber aus Fichtenholz. In den
Weinwirthschaften Transkaukasiens wird hölzernes Geschirr nur
selten angetroffen; dort herrschen thönerne Krüge von verschie-
dener Grösse vor, sogar oft von riesenhaften Dimensionen. Beson-
ders zeichnen sich alte Krüge durch ihre Grösse aus. Sie erreichen
leine Höhe von 9 Fuss bei einem Durchmesser von 6 F. und fassen
an 10,000 Flaschen. Sie bilden ein kunstvolles Produkt der lokalen
Töpferei und sind ihre Wände, ungeachtet ihrer Grösse, doch nur
Va — sV/a Zoll stark. Alle Weinwirthe Transkaukasiens, mit Aus-
nahme der des Araxes-Gebietes, die den Wein in Krügen anfertigen
und aufbewahren, vergraben die Krüge bis an den Hals in die Erde.
Dabei werden grosse Krüge vor dem Eingraben von aussen mit
einer Schicht Kalk und Steinchen bedeckt, um den Wänden mehr
Festigkeit zu geben. Vor dem Eingraben der Krüge wird in den-
selben Reissig verbrannt und nach Entfernung der Asche werden
die innern Wände mit frischem Ochsenblut bestrichen.
Die Gefasse, Bottiche, Tonnen, Krüge etc. werden im Allgemeinen
349
nachlässig gehalten. Nur vor dem Pressen werden sie mit heissem
Wasser gereinigt. Schwefeln der Gefässe findet nur ausnahmsweise
statt; nicht einmal vom Schimmel und Weinstein pflegt man sie zu
reinigen. Im Rion-Schwarzmeer-Gebiet werden die gerdnig^ten
Krüge von einigen Wirthen mit Wachs, im Araxes-Gebiet mit
Schaaffett bestrichen. Aus den Kellern transportirt man den Most
im Araxes-Gebiet in Schleuchen (Burdück) aus Schaf- und Ochsen«
häuten; dabei legt man in den obern Theil dieser Schleuche ein
Rohr ein, damit sie bei der Gährung des Mostes nicht reissen.
Die meisten russischen Weine sind wegen nachlässiger Behand-
lung und durch den Umstand, dass der grösste Theil derselben zu
früh in den Handel kommt, von schlechter Qualität. Im Handel
unterscheidet man die Weine grossentheils nur nach der Farbe;
seltener tragen sie die Namen ihrer Produktionsgegenden, der Reb-
sorten oder auch der Produzenten. Die Weine der kleinen Wirthe,
die ihre Trauben nicht sortiren, verderben oft schon nach wenigen
Monaten. Farbe, Geschmack und Geruch solcher Weine sind unbe-
stimmt und widerlich. In Folge von Beimischung fauliger Trauben
und Erde schmecken auch die Weine oft faulig. Langes Gähren der
Weine auf den Trestem liefert bittere Weine, wie solche oft in eini-
gen Gegenden Transkaukasiens vorkommen. Im Kreise Kasach des
Kurischen Gebietes werden fast alle Trauben nur von Armeniern
angekauft, die sie sehr nachlässig behandeln; eine Woche nach dem
Pressen wird der Most nach Tiflis gebracht und dort unter dem
Namen Kachetinischer Matschari im Kleinhandel zu6— /Kop. per
Flasche verkauft.
Etwas bessere Eigenschaften besitzen die meisten, im Bessarabi-
schen, Krim'schen, Donischen, Astrachan'schen , Kuban'schen,
Kuma'schen und Terek-Kuminsk'schen Gebiete produzirten, wie
auch solche Weine, welche aus Wirthschaften Transkaukasiens
stammen, in welchen die Trauben wenigstens nach der Farbe sortirt
werdert. Zu guten Weinen können dieselben noch immer nicht ge-
zählt werden, weil ihnen das Bouquet mangelt und sie keinen ange-
nehmen Geschmack besitzen; auch sind sie nicht selten schwach,
wässerig und sauer. Solche Weine werden schon oft im zweiten
Jahre schimmelig, erhalten einen faulen Geschmack und es tritt ein
Zäh- und Sauerwerden ein. Zur Verbesserung des Geschmackes,
und um sie zum Transport tauglicher zu machen, werden solche
Weine mit Spiritus versetzt, oder man lässt einzelne derselben aus-
frieren oder macht Schaumweine aus ihnen; letztere sind aber häufig
250
mit einem Beigeschmack behaftet und haben kein bestimmtes Bou-
quet. Fast jedes Weinbaugebtet liefert zu derartigen Weinen sein
Contingent.
Von den sorgfaltig angefertigten und gut gehaltenen Weinen sind
einige Sorten ihrer guten Eigenschaften wegen bekannt. Die besten
Weine sind die aus getrockneten Trauben hergestellten Dessert-
weine, doch auch andere Dessert-, wie auch Weiss- und Rothweine
besitzen Eigenschaften, die sich bei guter Kellerpflege noch mehr
ausbilden. Leider bleibt die Quantität derselben immer eine ver-
hältnissmässig geringe. Die bekanntesten dieser Weine sind:
Im.Be8sarabischen Gebiet: Bordeaux, Burgunder, Rheinwein, Sau-
terne, Riesling und Muscat.
In <ier Krim: Madeira, Muscatsec, Muscat, Muskat lunel, Isabella,
Malaga, Lafitte, Bordeaux, Pinot Fleri, Aleatio, rother Oporto,
Alicante, Catalogne, Rother Tischwein der besten Weinwirthe,
Riesling, Sauterne, Traminer, Tokay, Pedro-Xim^n^s, Orleans, Pi-
not blanc, weisser Oporto, Albillo-Castillan und weisser Tischwein.
Im Donischen Gebiet: ' Puchljakow^scher, Dolgoje,. Rasdorskoje,
Krugloje^Kotschatowskoje, Ladonnoje, Kisilewoje, Krasnostopoje,
Zimljanskoje und Bulanoje.
Im Astrachan'schen Gebiet: Rother süsser, aus gedörrter ungarischer
Traube, Sauterne- Yquem aus gedörrter Traube und Haut-Sau-
terne aus Kischmisch.
Im Kuban'schen Gebiet: Riesling, Bordeaux, Muscat und tsabella.
Im Terek-Kumik'schen Grebiet: Wein der besten Weinwirthe auf
der Kumik'schen Ebene, besonders Schaumwein aus gedörrten
Trauben.
Im Daghestan'schen Gebiet: einige Weine aus den Weingärten der
Statthalterei Derbent, besonders solche, welche aus Krim'schen
Sorten hergestellt sind.
Im Rion-Schwarzmeer-Gebiet: Sherry aus der Traubensorte Am-
lachu, Wlodjetelskoje, Swir'scher, Satschcher'scher, Kopitnar^scher,
Zolikour'scher, Ubisischer, Gore'scher, Bosleb'scher, Kipianow -
scher, Chimschet, Zeschschet, Sadschawash'scher, Lichaur'scher,
Odschale^scher, Tamok'scher, Abedat'scher und Nachunow'scher.
Im Kura'schen *Gebiet : Atenisgurno, Ksowrischer, Dampalin'scher,
Muchran'scher, Dzalischer, Saguram'scher und Ardschakel'scher.
Im Kachetinischen Gebiet: Kachetinischer.
Im Araxes-Gebiet: Dampalin'scher, Duglun'scher, Parakiar'scher,
25'
Akulis'scher, Wagarschapat^scher, Aschtarak'scher und Etschmi-
adsin'scher.
Im Schemacha-Gektschai'^chen Gebiet: Matrasinscher^Sserehrjakow-
scher, Gürdschewan^scher, Sagian^dcher und Kerkent'scher.
Die Eigenschaften der Weine lassen sich nur durch sorgfaltige
Analysen bestimmen; leider gibt es aber in Betreff russischer Weine
nur eine geringe Anzahl solcher Analysen, schon deshalb, weil die
besten Weine gar nicht verschickt, sondern an Ort und Stelle kon-
sumirt werden. Alle Untersuchungen russischer Weine, die in Folge
der Ausstellungen in Moskau (1864) und in Odessa (1870) ausgeführt
sind (und noch heute im Laboratorium der Kaiserlichen Weinbau-
schule zu Magaf atsch beständig ausgeführt werden), sind von Hrn.
Sokalskij ^ im Berichte über die in Odessa stattgefundene Aus-
stellung der Werkzeuge und Produkte des Weinbaues und von Hrn.
Sälomon' in den Materialien zur Statistik der Weinproduktion in der
Krim, in russischer Sprache veröffentlicht worden.
J. V. Bock.
(Schluss folgt.)
Zur Llteratar über Bnssisch-Torkestan.
Von
Alexander Petzholdt
(Schluss.)
V.»
^Von seiner Bucharischen Reise nach Taschkend zurückgekehrt,
begab sich Hr. Schuyler in die östlichen Theile des russischen Tur-
kestan (Kuldscha mit eingeschlossen) und kehrte von dort über
Ssemipalatinsk durch das westliche Sibirien (über Omsk, Petropaw-
lowsk undTroizk) nachOrenburg und St. Petersburg zurück, woselbst
' CoKOAbcKtüy Onen» oo BUCTttK'k MiiorpaAapciMi ■ BVBOA'bjiii, 6uBiiiei vb
OAcccfe BT. 1870 roAy. . •
' CaAOMOMSj Marepiajiu aju crnracntu bbhhoI npoHunuseHHocni Wh Kpuiiy.
» Vgl. «Russ, Revuen Bd. XII., S. 433 u. ff., 438 u. ff., Bd. XIII., S. 40 u. ffl, 152 u. ff.
252
er am 3. (15.) November, also nach einer Abwesenheit voii beinahe
8 Monaten, wieder anlangte. Der Schilderung dieses Theiles dcir
Reise ist das elfte und zwölfte Kapitel des Schuyler'schen Buches
(S. 1 19—201 des zweiten Bandes) gewidmet.
Hr. Schuyler verliess Taschkend am 28, August (9. September),
und gelangte, bei Taschkend die grosse, nach Orenburg führende
Strasse verlassend, auf der sich nach Osten abzweigenden, nach
Wemoje führenden Poststrasse zuerst nach Aulie- Ata, einer am Talas
liegenden kleinen Stadt, die nur in sofern Bedeutung hat, als sie Kreis-
stadt und der Marktplatz für die, im benachbarten Gebirge in grosser
Anzahl wohnenden Kirgisen ist Obgleich die^ früher zu Chokand
gehörige Stadt seit der Besitznahme durch die Russen an Bevöl-
kerung und Verkehr zugenommen hat, so ist es bis jetzt noch im-
mer ein zerstreut und schübig {^scAaMy») aussehender, beinahe
foauiploser, auf die nackte Steppe hingesetzter Ort. Früher hatte
man die Idee, Aulie^Ata zum administrativen Centrum der Provinz
zu machen, und General Kaufmann, als er 1867 nach Turkestan kam,
schwankte, ob er Aulie-Ata oder Taschkend zur Hauptstadt wählen
sollte. Den Besuch einer grossen kirgisischen Festlichkeit, die
in einigen Tagen 30 Werst von Aulie-Ata entfernt im Gebirge statt-
finden sollte und wozu ihn der Kreischef einlud, lehnte Hr. Schuyler
ab, obschon er nicht ungern etwas mehr von den Kirgisen gesehen
hätte, welche ihm jetzt, nachdem er die Sarten kennen gelernt hatte,
als Muster von Einfachheit, Mannhaftigkeit und Tugend erschienen.
Er meinte aber^ dass ihn Besseres erwarte.
Beim Fortschritt der Reise über Merke, Ak-su und Pischpek nach
Tokmak befand sich unser Reisender, trotz der giftigen Spinnen, vor
denen er einen ziemlichen Respekt gehabt zu haben scheint*, doch
' Bei Merke, wo ein kleiner militärischer Posten, aber sonst weiter nichts Merk-
würdiges ist, äussert sich H/. Schayler : eich hatte nicht Lust^ länger hier zu bleiben,
als n<Hhtg war, um meine Mtttagsmahlzeit eiasünehmen, wegen der Xarakmt Spinnen,
welche eine Plage dieser Gegend sind und Ton deren giftigen Eigenschaften ich öfter
gehört hatte». Hr Schuyler nimmt diese Gelegenheit wahr, um eine Episode fiber einige,
inTurke^n vorkommende, mehr oder weniger gefärchtete Spinnen einzuschalten (S. 123
bis 126). Vom Karkurt (Latrodecies lugubris)^ den ich meinerseits nur in einem
todten Exemplare, welches mir der General Kolpakowsky schenkte, gesehen habe,
heisst es bei Hm. Schuyler, dass er nicht breiter als ein Fingernagel ist, aber mehrere
Fuss hoch springen könne und das bei Weitem giftigste einheimische Gewürm sei. Von
Ansehen schrecklicher, obschon weniger tödtlich (so heisst es weiter) sind die Taran-
teln und Phalangen. Die Tarantel (Lyc^sa simgüriensis) ist schwarz nnd hat einen, mit
dunkelbratinen nnd sdhwarsen Haaren bedeckten Körper von der Grösse eines Tauben-
»53
ganzwohly denn man liest auf S« 123: c Im Norden des Gebirges
glaubte ich eine ganz andere Luft zu athmen. Ich hatte den Fanar
tismus und das beschränkte Leben der sesshaften Bevölkerung Ceh-
tral-Astens hinter mir und befand mich wieder in der Steppe, in
einer äusserst gesunden und reizenden Gegend. Zur Rechten fort-
während die herrliche Alexander-Gebirgskette mit rieten Gipfetn
weiss von Schnee. Fast bei jedem Schritt kreuzte ich kleine, von
den Bergen herabrieselnde Bäche, für die Ricfatigkdt des aken Na-
mens dieser Gegend «Ming-Bulak» ' (Tausend Quellen) Zeugniss
ablegend. Der Weg gut, die Pferde frisch u. t. «r.«
Von der am linken Ufer des Tschu-Flusses liegenden Kreisstadt
Tokmak aus unternahm Hr. Schuyler, seinen Reisewagen isnd Gi^
pack zurücklassend; im leichten Postkarren eine Exkursion nach
dem Issyk-Köl. Der Weg führte den Reisenden hinter Tokmak,
ebenso wie es bereits vor Tokmak der Fall gewesen war, durch sum-
pfiges, mit Schilf bewachsenes Land nach der^ nur einige Werst
oberhalb Tokmak befindlichen Fuhrt des reissenden und tri^eri-
schen Tschu, welcher unter der Leitung eines ortskundigen Kosaken
ohne Unfall durchfahren wurde, von da auforärts durch die, die Alex-
ander-Kette von der Parallel-Gebirgskette des transitischen Alatau
trennende grosse Buam-Schlucht, wo Hr. Schigrler, von der Dunkel-
heit überrascht, auf der Poststation Kok-Masnak nächtigte, um am
anderen Morgen den höchsten Punkt des Buam-Passes bei der Sta-
tion Kute-Maldy zu überschreiten und auf sanft abfallenden, bald
mit Gras, bald mit Schilf, bald mit grobem Kies bedeckter Ebene
nach der, volle 3 Werst vom Rande des See^-s liegenden Poststation
Turai-Gyr zu gelangen. Hier verbrachte er den Tag, bis Jiach
Sonnenuntergang, wo er skh inach Kute-Maldy, -und am anderen
Tage nach Tokmak zurückbegab, sehr froh, dass sein Aufenthalt am
See vom herrlichsten Wetter begünstigt worden war. Auf S. 1 28
bis 132 t heilt Hr. Schuyler seine, sowie die von Andern am See ge-
machten Beobachtungen mit, knüpft daran eine 'kurze Schilderung
eies. Die Phalange (die in zwei Arten : Sol^ga araneoides und 5« intrepida vor-
kommt) ist gelblich oder röthlich braun, ebenfalls mit langen Haaren bedeckt; wenn
aber Hr. Schuyler Ton ihr sagt, dass sie, wenn sie umherspasiert, so gross wie swei
Fäuste erscheint (•seems as large as <me*s two fists*)^ so bin ieb der Meinung, dass der
betreffende Beobachter eine ausserordentlich stark ▼ergriVssemde Brille gehabt haben
muss. Die grösste der Ton mir, freilich ohne Brille beobachteten Phalangen war im
Körper nur etwas über zwei 2^11 lang. Vgl. meine: «Umschau u. s. -w.» S. 80 '(wo
von der Phalange) und S. 15a (wo Ton der Tarantel die Rede ist).
»54
des Thiän-Schan (S. 132 — 135), und spricht dann in gleicher Kürze
über die, die Nachbarschaft des Issyk4Cöl und überhaupt die Thäler
des Thian-Schan, ebenso das Alai-Gebirge und den Pamir im Süden
von Chofcand bewohnenden Kara-Kirgisen, von den die Steppen be-
wohnenden Kaisak-Kirgisen wohl zu unterscheiden (S. 13s — 139).
Da über alle soeben angeführten Dinge von Hrn. Schuyler nur
in äusserster Kürze verhandelt wird» und da noch obendrein dem
Verfasser die Autopsie abgeht, so lasse ich mich meinerseits hier
nicht weiter darauf ein.
Bei seiner Rückkehr nach Tokmak fand Hr. Schuyler ein grosses
Lager der Kära-Kirgisen vor, und erfuhr, dass eine ausserordentliche
Gerichtssitzung der Bä^ des Tokmak'schen , und Issyk-Köl'schen
Kreises abgehalten werde. «Die Bii (so heisst es auf S. 140), insge-
sammt dicke, sitarke, wohlaussehende Männer sassen unter einem
grossen Filzzelt rund umher auf der Erde \ in der Mitte befand sich
ein kleiner Tisch, an welchem der russische Kreischef seinen Platz
hatte, wsäirend der Dolmetscher mit seinen Schriftbündeln auf
einem Stuhle nebenbei sass. Die Verhandlungen zeichneten sich
durch Regelmässigkeit und gute Ordnung, aus. Kläger und Ver-
theidiger brachten ihre Sache vor, wo nöthig durch Zeugen imter-
stützt. I£erauf referirte der Dolmetscher dem Kreische^ um was
es sich der Hauptsache nach handelte und machte eine kurze
Bemerkung in seinem Buche; nach einer Berathung der Bii, erst
eines jeden Kreises besonders, und dann j beider Kreise zu-
sammen, wurde die Entscheidung in. dasselbe Buch eingetragen
unter Beifügung der Siegel der Bii>. Hr. Schuyler ergreift diese
Gelegenheit, um sich über das Institut der Dolmetscher, wie
es augenblicklich beschaffen ist, auszusprechen. «Im Allgemeinen
(so lässt er sich auf S. 141 vernehmen) sind diese Dolmetscher eine
traurige Bande (<a sorry set»), was im Hinblick auf die grosse An-
zahl von, in russischem Dienste stehenden Asiaten und der zur Er-
lernung der orientalischen Sprachen in Russland bestehenden aus-
gezeichneten Anstalten befremdend ist. Mit Ausnahme einiger
* BH ist der Name des einheimischen Richters. Ein einzelner Bii hat das Recht
ttber Streitsachen zu entscheiden, welcl^e nicht ttber 100 Rbl., 5 Pferde oder 50 Schafe
hinausgehen ; Sachen bis zu einem zehnmal grösseren Betrage . entscheidet ein Conseil
der Bii (noch grössere Streitsachen unterliegen der Entscheidung der russischen Ge-
richtsbehörden) , während ausserordentliche Versammlungen der Bii, wie im vorlie-
gende Fall, abgehalten werden, um Streitigkeiten zwischen den Kirgisen verschiedener
Administrations Bezirke in Betracht zu nehmen.
Beamten, welche guten Unterricht genossen, sind es Tataren, welche
nach diesen Theilen Asien^s kamen, um ihr Glück zu machen, oder
Kirgisen, welche man von der Steppe auflas, oder frühere Dschi-
giten. Persisch verstehen sie gewöhnlich nicht, von dem Usbek-
schen Dialekt haben sie nur unvollkommene Kenntniss, und noch
geringere vom Russischen. Bisweilen sind es nur Kosaken, welche
weder lesen noch schreiben können und die Landessprachen einfach
aus dem täglichen Verkehr mit den Eingeborenen erlernten. Kein
Wunder, wenn von solchen Dolmetschern sehr auflallige und selbst
amüsante Versehen begangen werden*. Hr. Schuyler theilt meh-
rere derartige Fälle mit, unter Anderem den folgenden Fall, der in
Samarkand kein kleines Aufsehen erregte. i£in Sarte kam zum
Richter und klagte, dass ihm einer seiner Nachbarn, Nur Moham-
med, bei Gelegenheit der Inbrandsteckung des Hauses des Kalian-
Muscha, in Folge von Nachlässigkeit vier Acker ihm gehörigen rei-
fen Weizens verbrannt habe. Der Richter, in der Meinung, dass es
sich hier um die Entscheidung zweier Fälle handele, gab sogleich
Befehl, den Nur Mohammed festzunehmen, und als er im weitern
Verlaufe der Verhandlungen fragte, wesshalb Kalian-Muscha nicht
erschienen wäre, um Zeugniss abzulegen, da ward ihm gesagt, dass
Kalian-Muscha zur Zeit des Hausbrandes mit seiner ganzen Familie
verbrannt sei. So unerhörte Abscheulichkeit regte den Richter im
hohen Grade auf, und es dauerte einige Zeit, ehe er durch die ver-
einten Anstrengungen mehrerer Dolmetscher zur Ueberzeugung
kam, dass eine schlechte Dolmetschung stattgefunden habe, dass
nämlich Kalian-Muscha der Name einer grossen, Getreide fressenden
Ratte sei, und dass der Versuch, das Nest des Thieres durch Feuer
zu zerstören, das Verbrennen des Weizens verursacht habe*. —
«Das Schlimmste bei dem gegenwärtigen System der Dolmetscher
ist, dass diese Leute iher Stellung benutzen können, um Russen und
Eingeborene zu hintergehen, wobei insbesondere die Letzteren stark
büssen müssen, indem man ihnen die russischen Befehle falsch über»
setzt und unter dem Vorgeben, die Sache in Ordnung bringen zu
wollen, Geld erpresst».
Von Tokmak kehrte Hr. Schuyler, da der Kastek-Pass schon seit
längerer Zeit nicht mehr zum Fahren benutzt wird, nach Pischpek
zurück, und überschritt bei der Station Konstantinowska auf ausge-
zeichneter Brücke den seichten, schlammigen und für die Schifffahrt
gänzlich untauglichen Tschu \ Die Poststraßse streng einhaltend er-
* Hier wird des von dem Hrn. Kopylow, einem Agenten des Hrn. Kuinezow, ange-
256
reichte er endlich Wemoje, Hauptstadt und Sit^ des Gouver-
neurs der turkestan'schen Provinz Ssemiretschensk. Die auf diesem
Wege, 50 Werst vor Wemoje liegende Poststation Usun-Agatsch»
Hm. Schuyler^s letztes Nachtquartier vor Wemoje, gibt ihm Veran-
lassung zur Einschaltung einer Beschreibung der hier 1860 stattge-
fundenen Schlacht, in welcher der General (damals Oberstlieute-
nant) Kolpakowskij mit 800 Mann und 6 Kanonen eine, aus 19,000
Chokandero und Kirgisen bestehende Armee total zerstreute und
damit die Macht des «Weissen Zaren» im Norden des Alatau für
immer begründete.
Wemoje y^ird von Hm. Schuyler foigendermaassen beschrieben
(S. 145): «Wemoje, früher nur ein russischer Vorposten, hatte 1871
mehr als 12,000 Einwohner. Die einzelnen Theile, aus denen Wer-
noje besteht (2 Kosakenstanitzen, die alte Stadt, die neue Stadt und
die tatarische Vorstadt), obschon sie in schneller gegenseitiger Ver-
schmelzung begriffen sind, geben der Stadt ein etwas zerstreutes
Wesen, nichts desto weniger aber hat sie in jeder Weise das Ausse-
hen einer blühenden mssischen, oder vielleicht besser gesagt, sibiri-
schen Stadt, und steht im vollkommenen Gegensatze zu allen Städ-
ten auf der Südseite des Gebirges. Die Strassen sind breit und re-
gelmässig, die Häuser mebtentheils im russischen Styl erbaut. Hier
gibt es Läden mit auffallenden und malerischen Aushängeschildern,
grosse, der Regierung gehörige Gebäude, schmutzige kleine Gast-
häuser, einen Klub, und alles, was sonst noch zu einer russischen
Stadt gehört Der Ort ist so schnell aufgeschossen, dass man ihn
jetzt fast überall neu in Ziegeln aufbaut, und nach 10 Jahren wird er
viel solider und stattlicher erscheinen. Es ist jedoch die Bevölke-
rung, welche Wernoje von anderen russischen Städten unterschei-
det, denn es finden sich hier alle Volksstämme dieses Theiles von
Asien vor, Sarten, Tataren, Kirgisen, Kalmücken und Chinesen,
selbst einige Afghanen. Insbesondere fallen die Kalmücken mit
ihren braunen Gesichtern und langen Zöpfen, auf Kühen und Och-
sen reitend, dem Reisenden sogleich auf, und mahnen ihn, dass er
sich den Grenzen China's nähert; und in der That sind es kalmücki-
sche und chinesische Arbeiter, auf welche man sich hier am meisten
veriässt. Der Handel mit allerlei Waaren ist im starken Wachsen,
und der Verkehr mit der Steppe, der früher seinen Hauptsitz in
Kopal hatte, hat sich jetzt nach Wernoje gewendet; dazu kommt
ftdlten, aber missglackten Versuchet einer Beschiffuog dieses Flusses ausfiihrlicher ge-
dacht (S. 142 o. fU)-
257
noch, dass die Karawanen, welche früher ohne Aufenthalt Wernoje
passirten, jetzt gewöhnlich hier ihre Reise unterbrechen und biswei-
len diesen Platz benutzen, um das, was sie gebracht haben^ von hier
aus zu vertheilen. Ebenso haben sich hier einige chinesische Kauf*
leute etablirt, und man sagte mir, dass sie, in Folge ihrer Sparsam-
keit und ihres Fleisses, den grösseren Theil des Handels in ihre
Hände bekommen haben, sehr zum Verdruss der etwas nachlässi«
gen Russen. Hier gibt es Sägemühlen, Ziegeleien, Branntweinbren-
nereien, Bierbrauereien, und man bemerkt in jeder Hinsicht einen
Unternehmungsgeist, der den von Taschkend in so bedeutender
Weise überragt, dass man es durchaus nicht 'dem blossen Um-
stände, dass Wernoje um lO Jahr älter ist, zuschreiben kann. Hier
gibt es zwei russische Schulen, eine Schule für muselmännische
Kinder, eine Gewerbeschule zur Ausbildung von Handwerkern und
guten Arbeitern, und eine Garten- und Obstbauschule. Die Mittel ^
zum Amüsement bietet der Klub und der öffentliche Garten. Dieser
Garten, ein von der Gartenbauschule gepflegtes Grundstück, ist
schon jetzt ein angenehmer Versammlungsort, und wird mit der
Zeit allerliebst sein. Gegenwärtig verdankt er sein Grün zumeist
halbwilden Apfelbäumen und der Weinrebe, obschon ich auch
einen hübschen Blumenflor vorfand. Auf der einen Seite des Gar.
tens steht ein Pavilloni welcher zur Sommerzeit vom Klub benutzt
wird, und wo einmal wöchentlich ein, in Russland so wohl bekannter
«musikalischer Familien-Abend • abgehalten wird, mit Illumination,
Musik, Tanz, Abendessen und dem ewigen Jeralasch (Epajiaiin»)
und Preference^ ohne welche Kartenspiele es dem nichttanzenden
Theil der Gäste unmögüch ist, eine vergnügte Stunde hinzubrin-
gen».
Wie anderwärts so macht Hr. Schuyler auch hier in Wernoje eine
Menge Bekanntschaften, an deren Spitze der General Rossitzkij
steht, der in Abwesenheit des General Kolpakowskij Gouverneur
der Provinz war. So lernt er unter Anderen Hrn. Kusnezow, den
Typus eines sibirischen Kaufmanns kennen, dessen Unternehmun-
gen nicht nur für Wernoje, sondern auch für Taschkend sehr nütz-
lich waren'; ferner einen Hrn. ßerinzew, ebenfalls ein russischer
Kaufmann, obwohl von einer weit höheren Bildung, als man ge-
wöhnlich bei Leuten dieser Klasse findet. Hr. Schuyler erhielt von
ihm viele Aufklärung über den Handel des Orts und über dessen
• Ilr. Kusnezow, dem auch ich während meiner Anwesenheit in Wernoje manche
Freundlichkeit und Gefälligkeit verdanke, ist jetzt gestorben.
RUIS. KEVUE.BP.Xm. 1?
258 *
Beziehungen zu Kaschgar und der Steppe« Er war es auch, der Hrn.
Schuyier bei den chinesischen Kaufleuten einführte, die viele
Freunde zu haben schienen, da während seines Besuches verschie-
dene Russen und Sarten vorsprachen, um eine Pfeife Opium zu rau-
chen. Hr. Schuyier fand den Vorgang des Opiumrauchens so inter-
essant, dass er sich zuletzt entschloss, selbst einen Versuch zu ma-
chen; da er jedoch nur wenige Züge that, so kam er mit einem
leichten Kopfweh davon. Ausführlich wird der Prozess des Opium-
rauchens auf S. 147 u. ff. beschrieben.
Hr. Schuyier, nachdem er von den mancherlei Persönlichkeiten,
mit denen er in Wernoje bekannt geworden i.st, gesprochen hat, er-
greift die Gelegenheit, um sein Urtheil über den, die Provinz kom-
mandirenden und verwaltenden General Kolpakowskij, den er je-
doch nicht hier sondern in Taschkend kennen gelernt hatte, abzuge-
ben, ein Urtheil, welches an Wärme nichts zu wünschen übrig lässt.
Nach vorausgeschicktem kurzen curriculum vitae des Generals,
heisst es (auf S. ^149 u. ff.): cKein anderer Mensch ist mit dem
Lande, welches er verwaltet, so durch und durch bekannt, wie der
General Kolpakowskij. Mit einer ausgezeichneten Konstitution be-
gabt und von nicht zu erschütternder Energie, hat er jeden Theil
des Landes besucht, ganze Tage im Sattel zubringend, wobei er so
unermüdlich ist, dass er von den Kirgisen den Spitznamen : «cDer
eiserne Sitz»» erhalten hat. Dabei versteht er das Volk, und ob-
schon er selten seine Fertigkeit zeigt, so kennt er doch die kirgisi-
sche Sprache gut und kann daher schwer getäuscht werden. Einmal
schon rettete er bei Usun-Agatsch die ganze Provinz für Russland,
und wenn irgendjemand im Stande ist, die Bestechlichkeit («corrup-
tion») in Turkestan zu unterdrücken, das Vertrauen der Eingebore-
nen zu den Russen wiederherzustellen und die grossen, schon so
lange gebrachten und anscheinend im Wachsen begriffenen Op-
fer an Menschen und Geld zu veringern, so ist er der Mann dazu.
Schon ein kurzer Aufenthalt in Ssemiretschensk reicht hin, einen Je-
den zu überzeugen, welch^ ungeheurer Unterschied zwischen der
Verwaltung dieser Provinz und der Beamtenwirthschaft in Tasch-
kend besteht*.
Hr. Schuyier vetlässt Wernoje und hat bei dem weiteren Fort-
gange der Reise, wie es auch schon vor Wernoje der Fall war, viel-
fache Gelegenheit, russische Kolonien zu sehen. Der grösste Theil
dieser Kolonien liegt am Nordfusse der Alexander-Kette, in der
Nähe von Tokmak, an der Nord- und Ostküste des Issyk-Köl, an
259
der grossen, von Wernoje nach Ssergiopol führenden Strasse. Sie
sind überhaupt auf die Provinz Ssemiretschensk beschränkt, wäh-
rend die, westlicher gelegenen Theile des russischen Turkestan der
russischen Kolonisation bis jetzt verschlossen blieben, was zum
Theil mit dem Umstände zusammenhängt, dass hier die Frage nach
dem Besitzrechte von Grund und Boden noch der Lösung harrt. Hr.
Schuyler, der auf seinem Wege viele solche Kolonien passirte, hielt
bei einigen an und liess sich mit den Bauern, die grösstentheils aus
den Gouvernements Woronesh, Tambow und Ssaratow hierher über-
siedelten, in Unterhaltung ein. «Sie schienen mit ihrem Geschicke
durchaus zufrieden, und es ist gewiss, dass sie es, was<]as rein phy-
sische Wohlbefinden und die Befreiung von Abgaben betrifft, hier
viel besser haben, als es im europäischen Russland der Fall war. Sie
erhielten ihre Ländereien entweder umsonst, oder zu einem niedri-
gen Preise, der erst innerhalb längerer Zeitperioden zurückgezahlt
zu werden brauchte, und waren auf Jahre hinaus von Abgaben und
Leistungen befreit. Die Reise hierher machten sie auf ihr eigenes
Risiko, gewöhnlich mit ihren eigenen Pferden und Ochsen. Die
Fruchtbarkeit des Landes und die an so weit abgelegener Landes-
grenze mögliche persönliche Unabhängigkeit hat nicht verfehlt, die
Einwanderung mehr und mehr hierher zu lenken, so dass sich wäh-
rend der zwei oder drei letzten Jahre die Zahl der Kolonisten be-
trächtlich vermehrte. Wenn in russischen Zeitungen von einer Aus-
wanderung nach Central-Asien die Rede ist, so bezieht sich das im-
mer nur auf die hiesige Gegend und keineswegs auf die westlichen
Theile Turkestans». — Uebrigens unterscheidet Hr. Schuyler mit
Recht zwischen diesen Kolonien russischer Bauern und den Nieder,
lassungen der Kosaken: cDie ersten waren freiwillig, die letzten er-
zwungen. Sobald nämlich diese Gegenden von Russland annektirt
worden waren, fand man es für nöthig, Kosakenstationen einzurich-
ten, damit doch eine Bevölkerung da sei, welche den Boden bear-
beitete und gleichzeitig im Stande war, kirgisische und chokandische
Angriffe abzuweisen; um aber diese rein kosakische Bevölkerung
noch mehr zu verstärken, so nahm man von verschiedenen Gegen-
den Russlands Bauern und schickte sie hierher, gab ihnen die zum
Bau der Häuser und zum Betriebe der Landwirthschaft nöthigen
Mittel, verborgte sie mit Waffen, sagte ihnen, dass sie von jetzt ab
im Dienste der Krone ständen und betrachtete sie geradezu als Ko-
saken». In Betreff dieser, in eben beschriebener Weise angesiedelten
Kosaken und zu Kosaken gemachten Bauern war, wie Hr. Schuyler
17*
26o
auf S. 1 5 1 sagt, bemerkenswerth, dass ihm ihre Stellung weit weni-
ger unabhängig geschienen habe, als die der gewöhnlichen russi-
schen Bauern, und dass sie ein fauleres und weit nichtsnutzigeres
Leben führten, indem sie der Jagd oder ihren Vergnügungen im
Schnapsladen nachgingen, während die Sorge um alles Uebrige den
Weibern überlassen bleibt.
Die, 70 Werst nördlich von Wernoje stattfindende Ueberfahrt über
den Ili gibt Hrn. Schuyler Veranlassung, sich über diesen Fluss und
über dessen Schifibarkeit zu äussern (S. 152 u. ff.), wobei er darauf
hinweist, wie vortheilhaft es sein müsse, wenn man diese Wasser-
strasse namentlich zum Transport von Steinkohlen von Kuldscha
nach Wernoje benutzen wollte, i Pud ausgezeichnete Kohle kostet
jetzt in Kuldscha 5 oder 6 Kopeken, während i Faden (Saslun)
Holz, dessen Brennwerth 60 Pud Kohle gleich ist, in Wernoje auf
15 Rub. zu stehen kommt; es würden daher die Wohnungen und
Fabriken in Wernoje so wie viele andere Ortschaften mit weit billi-
gerem Brennmaterial versorgt werden können, und man hätte nicht
nöthig, die Wälder des Landes zu devastiren.
Auf guter Poststrasse* gelangt Hr. Schuyler nach der, 1 10 Werst
vom Ili-Uebergange entfernten Poststation Altyn-Imel, von wo aus
er seine Bereisung des Kuldscha-Distrikts antritt und wohin er wie-
der zurückkehrt^ um seine Reise über Kopal und Ssergiopol fortzu-
setzen.
Das Städtchen Kopal mit seinen 5000 Einwohnern erscheint ihm
wohlgebaut, mit geräumigen hölzernen Häusern. Früher fand hier
ein lebhafter Verkehr mit der Steppe statt, seit sich jedoch derselbe,
der Hauptsache nach, nach Wernoje gezogen hat, hat Kopal an Be-
deutung verloren; bei der Station Arganaty besteigt er eine Anhöhe
und hatte von derselben aus am frühen Morgen einen guten Blick
(•agood glimpse») auf den Balchasch-See, vteicher ghmpse den An-
' Sonderbar! Von einer der Stationen dieser, von Wernoje nach Kopal u. s. w. füh-
renden Poststrasse sagt Hr. Schuyler, ohne jedoch dieselbe namhaft zu machen (S. 152):
■ Vor einer derselben befanden sich zwei, aus Stein ausgehauene, menschliche Figuren
darstellende Denkmale C«m^;f»w/;//j»^, wie dergleichen in der Steppe des südlichen
Russlands oft gefunden werden und in Betreff welcher man vermuthet, dass sie von
den alten Skythen herstammen*. Ich sah aber meinerseits zwei solche, von mir in mei-
ner «Umschau u. s. w.» S. 34 u. ff. beschriebene und abgebildete SteinfTguren vor der
Poststation Targap stehen. Diese Poststation liegt aber westlich von Wernoje auf der
nach Taschkend führenden Poststrasse, also auf ganz entgegengesetzter Seite.
' Der Bereisung des Kuldscha-Distriktes ist ein besonderes Kapitel (das zwölfte des
Schuyler*schen Buches, S. 156 — 201) gewidmet.
26l
lass gibt,.dass sich Hr. Schuyler, obschon in äusserster Kürze, über
diesen See ausspricht; Ssergiopol endlich, das von über looo Rus-
sen bewohnte Grenzstädtchen Turkestans, wird von Hrn. Schuyler,
ohne dass er dafür einen bestimmten Grund anführt, ein elender
Weiler (•awretcJud luzfnleU) genannt; und damit liat Hrn. Schuyler's
Reise in Turkestan ihr Ende erreicht.
Von Ssergiopol geht Hr. Schuyler, wie schon weiter oben ange-
merkt worden ist, nach Ssemipalatiosk und Omsk*, und von da, durch
das westliche Sibirien, über Petropawlowsk und Troizk u. s^ w.,
nach St. Petersburg zurück.
#
Reise nach Kuldscha.
Altyn-Imel (= goldener Sattel) ist der Name der Einsattelung
oder des Gebirgspasses, über welchen der, von der gleichnamigen
Poststation östlich abbiegende Weg nach Kuldscha iührt. Dieser
Weg, der früher nur Reitweg war und von mir 1871 noch als sol-
cher benutzt werden musste, ist seit der Okkupation Kuldscha*s
von Seiten der Russen ein mit Stationen besetzter Fahrweg gewor-
den und kam als solcher Hrn. Schuyler, welcher unter solchen Um-
ständen die Strecke Altyn-Imel nach Kuldscha fahrends zurücklegen
konnte, zu Gute. Freilich scheint man bei der Einrichtung derStations-
' In Betreff der Reise von Ssemipalatiosk nach Omsk heisst es (S. 155): «Zuletzt
kam ich nach Ssemipalatinsk, der ansehnlichen Stadt eines Distriktes, die jedoch mehr
das Gepräge einer tatarischen, wie russischen Stadt besitzt und in welcher mich der
Regen einige Tage zurückhielt; hierauf setzte ich, nach abermaliger, mit vieler Schwie-
rigkeit verbundenen Ueberfahrt über den Irtysch meine Reise längs des linken Ufers
dieses Flusses langsam fort, da ich fortwährenden Aufenthalt hatte, weil die Postpferde
von einer Kaschgar*schen Gesandtschaft in Anspruch genommen wurden, bis ich end-
lich Omsk erreichte». Hierbei ist mir der Umstand, dass Hr. Schuyler den circa 100
Meilen langen Weg von Ssemipalatinsk nach Omsk auf einer linksseitig, vom Irtysch
befindlichen Poststrasse zurücklegt, ausserordentlich auffallig gewesen. Als ich zwei
Jahre früher von Ssemipalatinsk nach Omsk ging, da lief die Poststrasse dem rechten
Ufer des Flusses entlang; und wenn ich auch sehr wohl ^eiss, dass die Verlegung einer
Poststrasse in Russland, und vollends in Sibirien, keine grosse Sache ist, so bleibt es
immerhin befremdlich, dass eine so lange Strasse mit über 30 Stationen verlegt wurde.
Da müssen doch äusserst zwingende, mir jedoch durchaus unbekannte Gründe, obge-
waltet haben. Wahrscheinlich ist es, dass sich Hr. Schuyler irrt, da die neueste, amt-
lich herausgegebene Postkarte den, zwischen Ssemipalatinsk und Omsk laufenden
Posttrakt genau so verzeichnet, wie ich im Jahre 1871 auf demselben gefahren bin, also
auf dem rechten Ufer des Irtysch hinlaufend ; linksseitig dieses Flusses gibt es gar
keinen Postweg.
262
gebäude vorläufig noch sich mit dem Einfachsten begnügt zu haben^
denn es heisst bei Hrn. Schuyler in Betreff der Station Koibyn (der
vierten nach Altyn-Imel), dass dieselbe aus einer rohen Hütte be-
standen habe (S. 157), «aus welcher wir schliesslich einen Russen
und einige Kalmücken herausholten \ welche uns nach vielem Trö-
deln mit frischen Pferden versorgten».
Der Aufstieg zur Passhöhe ist ein äusserst bequemer, da sich der
noch obendrein ganz ebene Weg nur nach und nach hebt ; dafür ist
aber der jenseitige Abstieg steil und verläuft zwischen Felsen-
schluchten, in denen ein kleines Gewässer hinabrieselt. Alsdann
kommt man auf eine grosse, zu beiden Seiten von Gebirgen einge-
fasste wasserlose, nur im Frühjahr grüne Steppe, wo Hr. Schuyler,
ausser kleinen Rudeln von Antilopen (Antilope Saigä) und einem
alten grauen Wolf, nichts Lebendiges erblickte; dann abermals durch,
zwischen niedrigen Bergen liegende Schluchten, und abermals auf
eine Ebene, auf welcher man sehr bald das, in reichbewässerter Ge-
gend liegende Borochudsir erreicht, hinter welcher Ortschaft die,
ehemals Russland von China scheidende Grenze verläuft.
Hr. Schuyler war, nachdem er Borochudsir verlassen, auf dem
Territorium der früher zu China gehörigen, später eine kurze Reihe
von Jahren ein unabhängiges Chanat bildenden, jetzt von den Rus-
sen okkupirten Ili-Provinz angelangt, deren Hauptstadt Kuldscha
das Ziel seiner Reise bildete, und hatte sofort Gelegenheit, einen
Einblick in die entsetzliche Verwüstung des Landes, die Folge der,
von Seiten der Landesbewohner gegen China ausgeübten Revolten,
sowie der daraus sich entwickelnden gegenseitigen Bekriegung der
veschiedenen, das Land bewohnenden Völkerstämme, zu gewinnen.
*Die nächste Tagesreise (so heisst es bei Hrn. Schuyler (S. 157) war
eine schmerzlich interessante (*of painfulinterest*)^ weil man aller-
*• Hr. Schuyler sagt: •/rom which %ue at last uncarthed a Kussian eU,*^ und ich muss
anerkennen, dass der Ausdruck *at last uncarthed* ein überraschend wohlgewählter
ist, weil damit angedeutet wird, dass die Hütte eine halbunterirdische war, in deren
Raum sich die Leute, gegen«die Hitze Schutz suchend, verkrochen hatten, und woraus
sie, weil ohne Zweifel eingeschlossen, erst nach längerem Rufen und Schreien an*s
Tageslicht gebracht werden konnten. Mir steht bei dem Ausdrucke •at last uncarthed •
das Bild lebhaft vor Augen, wie der alte Kosak mit seinem bezopften Untergebenen der
Höhle entsteigt und langsam, weil über die Störung verdri esslich, an das Besorgen
frischer Pferde geht. Ueberhaupt ist das Schuyler'sche Buch reich an ungewöhnlichen,
die betrefiende Sache oder Situation aber stets in schlagendster Weise bezeichnenden
Ausdrücken, was den Reiz der Lektüre des vortreftlich geschriebenen Buches ansehn-
lieh vermehrt.
26y
wärts auf Ruinen und Verfall, die Merkmale des letzten Aufstandes;
stiess, wie auf vertrocknete Kanäle, auf verlassene Felder, auf ein-
gegangene Wälder, auf niedergerissene und zerstörte Städte, in
denen noch vor lO Jahren eine gesittete und äusserst arbeitsame
Bevölkerung ihr Obdach hatte. Hr. Schuyler passirt eine Anzahl
solcher, in Ruinen liegender Städte, welche er kurz beschreibt*,
kommt nach Tschin-tscha-cho-si, einer Stadt, welcher, weil sie
hauptsächlich von Muhammedanern bewohnt war, nichts weiter ge-
schehen war, und gelangt von da ohne Aufenthalt nach dem nur
i8 Werst entfernten Suidun^ wo er bei dem Kapitän Boschowitsch,
einem in russischen Diensten stehenden Montenegriner, gastfreund-
liche Aufnahme findet.
Am nächsten Morgen war Hrn. Schuyler's erste Beschäftigung,
sich die Stadt zu besehen, die ihm sehr wohl gefällt. In Betreß der
Gebäude und Einwohner stellt er zunächst eine Vergleichung mit
Taschkend an, die keineswegs zum Vortheil Taschkends ausfällt.
«Statt enger^ krummer Gassen gibt es hier breite, gerade, von Bäu-
men beschattete Strassen; statt der fensterlosen, aus Lehm aufge-
führten Häuser, deren nackte Wände uns in^s Gesicht starren^ wir
mögen uns wenden und drehen, wie wir wollen, gibt es hier nette
Gebäude, aus hübsch verzierten und gut geformten Ziegeln aufge*
baut, mit Dachpfannen gedeckt, und mit vergitterten Fenstern und
Hallen versehen; anstatt der, in lange unförmliche Ueberwürfe ein-
gewickelten, das Gesicht hinter einem schwarzen Rosshaarschleier
verbergenden weiblichen Gestalten sieht man hier kräftige, gesunde»
lachende, über ihre Marktangelegenheiten plaudernde Fraut^n, mit
glänzend orangefarbigen Ringelblumen im wunderbaren Haarputz
oder auch der kokett kleinen Mütze, was gegen das Indigoblau des
Kleides gut absticht. Statt der Sarten und Usbekea im Schlafrock
* Kurz hinter Akkend (ebenfalls eine, in Rainen liegende Stadt) führt die Strasse
hart unter den Mauern von Tshin-pan-dsi vorüber. Die Stadtmauern standen zwar
noch, allein im Innern der Stadt war .kein einziges Haus stehen geblieben. Hart am
Thor bemerkte Hr. Schuyler einen breiten Stein mit chinesischer «Mandschu« und
arabischer Inschrift, welche er sorgfölig kopirte, in der Meinung, dass sie vielleicht
interessant sein möchte. Als er sich aber diese Kopie später übersetzen Hess, da ergab
es sich zu seinem grossen Amüsement, dass er sich die Mühe gegeben halte, das Aus-
hängeschild eines früheren Beamten zu kopiren, wobei er gleichzeitig erfuhr, dass wäh-
rend der chinesischen Herrschaft ein jeder Beamte verpflichtet war, seinen Namen und
Titel in grossen Buchstaben über der Thür seines Hauses angeschrieben zu haben.
In vielen Fällen waren diese Aushängeschilder nur gemalt, beim reichen Manne aber
waren sie in Stein gehauen.
264
(Chalat) und Turban, begegnet man hier Chinesen und Dunganen
im wattirten Unterrocke, kurzer Jacke, mit langem Schnurrbart und
Zopf». Ein Spaziergang auf dem obern Rande der Stadtmauer, der
die Breite eines Fahrweges besass, verschaffte Hrn. Schuyler sehr
rasch einen UeberWick über die Stadt, welche nach demselben
Plane, wie die übrigen befestigten Städte des Landes aufgebaut ist.
Die Stadt, nahezu ein Quadrat bildend, wird von einer hohen, dicken
Mauer umgeben, deren Seitemvände aus Ziegeln solid aufgemauert
sind. Eine Brustwehr läuft rings um den oberen Mauerrand, und
in der Mitte einer jeden Seite befindet sich ein Thor, von einer halb-
kreisförmigen Bastion beschützt'. Ausserhalb der Stadtmauer be-
findet sich kein Graben, sondern es nehmen Gärten und Ortschaften
sogleich ihren Anfang. Von den 4 Thoren aus durchziehen zwei
breite, einander rechtwinkelig sich kreuzende Strassen die Stadt,
und jedes der so gebildeten Stadtviertel hat dann seine besonderen
engeren Strassen und Gässchen. Alle Gebäude sind aus Ziegeln
erbaut, und ihre äussere Seite ist oftmals mit breiten, hübsch ver-
zierten Ziegelplatten belegt. Die Ecken der mit Ziegeln gedeckten
Dächer^ sind gewöhnlich nach Art einer Hutkrämpe aufwärts gebo-
gen und mit Drachen oder anderen Thieren verziert. Die Fenster-
öffnungen sind stets durch ein hübsches Gitterwerk verschlossen,
dessen innere Seite, statt des Glases, mit dünnem Oelpapier über-
zogen ist. So ungefähr beschreibt Hr. Schuyler die Baulichkeiten
der Stadt. Besonderes Interesse erregte bei ihm der Bazar, welcher
den grössten Theil einer der grossen, die Stadt durchkreuzenden
Strassen oder besser Baumalleen, einnimmt. «Ausser kleinen, zu
beiden Seiten befindlichen Läden gab es da noch eine Menge Bu-
den, welche entweder mit viereckigen, aus Strohmatten gefertigten
Sonnenschirmen bedeckt, oder ganz offen waren, so dass der Handel
hier unter freiem Himmel vor sich ging. Hier war alles anders, als
im übrigen Central- Asien, nicht nur die zum täglichen Gebrauche
bestimmten Gegenstände, sondern selbst die zum Verkauf ausgelegten
Vcgctabilien. Hier gab es Beeten, grosse Eierpflanzen, Zwiebeln und
andere, in Tasclikend unbekannte Vegetabilienj grosse Laibe eines
leichten, sehr weissen und also sehr unschmackhaften Brodes; aber
immerhin doch wirkliches Brod und nicht Kuchen, u. s. w.»
Von Suidun aus unternahm Hr. Schuyler zwei Exkursionen, und
zwar die eine nach den nur 1 5 Werst südlich von Suidun entfern-
* Der Leser findet in meiner «Umschau u. s. w.» S. 130 u ff. den Grundriss und
die äussere Ansicht einer solchen .befestigten Stadt abgebildet und beschrieben.
Jl
265
ten Ruinen von Neu-Kuldscha (auch Chinesisch-Kuldscha genannt),
der ehemaligen Hauptstadt der Provinz, die andere dagegen nach
dem, in viel grösserer Entfernung von Suidun, in einer Meereshöhe
von über 7000 Fuss liegenden Gebirgssee Sairam Noor.
Auf S. 162 u. ff. wird die erste dieser Exkursionen, welche Hr.
Schuyler in Begleitung des Kapitäns Boschowitsch sowie des Orts-
vorstehers (Aksakal) von Suidun und einiger Diener machte, be-
schrieben. Diese, ehemals von 75,000 Menschen bewohnte, jetzt in
einen Schutthaufen verwandelte Stadt bietet einen grauenvollen
Anblick dar, und als Hr. Schuyler dem Aksakal gegenüber sich über
die Verödung der Platzes aussprach, da gab derselbe zur Antwort:
cDieser Platz ist verflucht, hier wird niemals Jemand wieder wohnen»,
und fügte kichernd hinzu, er selbst sei der Anführer der Dunganen
gewesen, welche die Stadt einnahmen. Das, was er in dieser Be-
ziehung auf Befragen sonst noch mittheilte, lautete kurz und bündig:
«Wir belagerten die Stadt zwei Jahre lang, und nahmen sie endlich.
Früh befanden sich in derselben 75,000 Menschen mit der Armee j
am Abende war nicht eine Seele am Leben geblieben». Viele
wurden ohne Weiteres massakrirt; viele todteten erst ihre Familien
und dann sich selbst, und viele liefen in die Steppe, aber nur um
dort niedergehauen zu werden, oder in wenigen Tagen des Hunger-
todes zu sterben.
Hr. Schuyler schaltet hier, ehe er weiter geht, eine ziemlich lange
(S. 164 — 188) Episode ein, in welcher er eine, wenn auch nicht mit
Erschaffung der Welt, so doch mit dem zweiten Jahrhundert vor
Christi Geburt beginnende und bis zur Eroberung desLandes durch die
Küssen im Jahre 1 871 fortlaufende kurze Geschichte des Hi-Thales
bringt, in welche Geschichte zugleich alles das mit eingeflochten
wird, was er über die verschiedenen, das Land bewohnenden Volks-
stämme zu sagen für angemessen flndet. Eine Folge solchen Ver-
fahrens ist die ziemlich stiefmütterliche Behandlung, welche dem
ethnologischen Theil dieser Episode zu Theil geworden ist und es
äusserst schwierig macht, darauf Bezügliches im Auszuge hier wie-
derzugeben. Ich verweise daher in diesem F'alle den Leser auf Hrn.
Schuyler's Buch (S. 169 — 174) oder auf meine «Umschau u. s. w.»,
wo auf S. 347 — 354 von der sesshaften Bevölkerung des Ili-Thales,
und auf S. 31 1 u. ff. von den Kalmücken die Rede ist.
Ebenso übergehe ich die von Hrn. Schuyler auf S. 188 - 192 ge-
schilderte zweite Exkursion, welche er, wie bereits bemerkt worden
ist, von Suidun nach dem Sairam-Noor unternahm, mit Stillschwei-
266
gen, weil sie, ganz abgesehen davon, dass man über das Motiv, wel-
ches Hrn. Schuyler zu diesem Ausfluge beweg, nicht das Geringste
erfährt, auch im Uebrigen ohne irgend ein besonders bemerkens-
werthes Resultat bleibt.
Hr. Schuyler verlässt endlich Suidun und kommt nach dem, öst-
lich von Suidun in einer Entfernung von 30 Werst gelegenen Alt-
Kuldscha (auch Tatarisch -Kuldscha genannt). Dieses Kuldscha war
zur Zeit der chinesischen Herrschaft der Sitz der Verwaltung der
muhammedanischen Bevölkerung des Landes, wurde nach dem Um-
stürze der chinesischen Macht von den Rebellen zu ihrer Haupt-
stadt gemacht und ist jetzt der Centralort der russischen Verwal-
tung der Ili-Provinz*.
Dem äusseren Aussehen nach hat die Stadt Kuldscha, obschon
sie in einem grösseren Maassstabe aufgebaut ist, sehr viel Aehnlich-
keit mit Suidun. Sie bildet nahezu ein Quadrat von ca. 1 Vs Werst
Seitenlänge, und wird von einer hohen Mauer umgeben, die oben so
breit ist, dass man darauf fahren kann. Zwei breite, in der Mitte der
Stadt sich kreuzende Strassen theilen auch hier wie in Suidun die
Stadt in 4 Theile, von denen ein jeder durch zahlreiche kleine
Strassen und Gässchen durchzogen wird. Bei näherer Betrachtung
erkennt man jedoch, dass dieses Kuldscha sich den ursprünglichen
Charakter einer tatarischen Stadt erhalten hat und dass, wenn man
zwei Moscheen und einige grosse Regierungsgebäude ausnimmt, im
Uebrigen nur leichte Spuren einer chinesischen Architektur zu be-
merken sind. Die Häuser sind sämmtlich aus Lehm aufgebaut und
haben platte Dächer, gerade so wie in den usbekischen Ländern
Central-Asiens. Selbst der, in der Citadelle liegende Palast zeigt, mit
Ausnahme der Fenstervergitterungen und der Wandmalereien we-
nig, was auf einen chinesischen Geschmack zurückgeführt werden
kann. Der grösste Theil der langen, unmittelbar an der Seite der
Citadelle liegenden Strassen des Bazar-Kutsche wird von grössten-
* Es muss der Leser daran erinnert werden, dass nach der Einnahme des Landes von
Seiten der Rassen (im Jahre 1871) der chinesischen Regierung durch das russische Mi.
nisterium des Auswärtigen von der Okkupation dieser Provinz Mittheilung gemacht
ward, bei der Erklärung, dass man diese Provinz an China zurückzugeben bereit sei,
sobald China durch Hersendung einer hinreichenden Macht im Stande sein würde, sich
gegen erneute Ausbrüche von Rebellion zu schützen und überhaupt Ruhe und Ordnung
im Lande zu erhalten. Da das aber bis jetzt noch nicht der Fall war, so ist die Frage,
ob diese Provinz für immer bei Russland verbleiben und also anektirt werden soll oder
nicht, eine noch offene ; es kann daher, genau genommen, vorläufig nur von einer rassi-
schen «Administration» des Landes die Rede sein.
:jä
26;
theils kleinen und unbedeutenden Buden der Tarantschi eingenom-
men, während ein anderer, ausserhalb der Stadtmauer liegender
Bazar den Dunganen und Chinesen eingeräumt ist. Hier, auf diesem
Bazare sind die Mehrzahl der Buden geräumiger und viel bequemer,
als in Taschkend, und der Kaufmann wird von seinen Kunden
durch einen Ladentisch oder doch wenigstens durch ein Geländer
getrennt. Ausser diesen Buden oder Läden gibt es hier noch eine
Menge Krämer, welche ihre Waaren auf einem, von einem Gestell
unterstützten Brett ausgelegt haben, während wieder Andere ambu-
lante Händler sind, welche ihren Kram in einer um ihren Nacken
geschlungenen Trage mit sich herumführen. Von, aus der Zeit der
chinesischen Herrschaft herrührenden Sachen konnte Hr. Schuyler
nur noch Kleinigkeiten auftreiben^ da alle werthvollen Gegen-
stände, wie Porzellan oder Bronze-Sachen, bald nach der Eroberung
des Landes entweder schon von den Russen, oder von chinesischen
Kaufleuten aufgekauft und von Letzteren nach China zurückge-
schickt worden waren« Nur Dinge von geringem Werthe waren
noch zu haben, wie z. B. Essbestecke, Pantoffeln, Brillen, Mandari-
nenknöpfe, Bogen und Pfeile u. s. w. — Hr. Schuyler, der während
seines Aufenthaltes in Kuldscha die Gastfreundschaft des, im
Schlosse in der Festung wohnenden Kommandanten der Provinz,
des Obersten Wartmann, genoss, hatte bei seinem Umherstreifen in
der Stadt einmal den Vortheil, von dem Aksakal der Stadt, Buschri
Haupj, einem Tarantschi, begleitet zu werden. «Ueberall (so heisst
es auf S. 194), wohin wir auch kamen, schien es, als stehe man in
grosser Scheu vor ihm, und man erklärte ihm sogleich im Detail
eine jede Sache, die ich zu untersuchen wünschte; allein so ange-
nehm mir auch seine Begleitung war, so flng ich doch an zu über-
legen, dass es vielleicht nicht die beste Art meiner Einführung sei,
um das Vertrauen der Eingeborenen zu gewinnen». Hr. Schuyler
zog es daher vor, meistentheils allein auszugehen, in die Buden zu
gucken, Werkstätten und Moscheen anzusehen, über die Bazare
und Marktplätze zu schlendern, den Spielen der Kinder zuzu-
schauen, oder sich die Tarantschi-Frauen in ihren blauen Kleidern
und hübschen gestickten Mützen zu betrachten, alles ohne von
einem Beamten wie Buschri Haupi begleitet zu sein. Das Ueble
bei der Sache aber war, dass es jetzt mit der Dolmetschung Noth
hatte, da immer zwei Dolmetscher nöthig waren, einer, der Russisch
und Tarantschisch, und ein anderer, der Tarantschisch und Chme-
sisch sprechen konnte. — Natürlich blieb auch das Chinesische
268
Gasthaus nicht unbesucht und Hr. Schuyler beschreibt dasselbe, so
wie die dort eingenommene, ihn im hohen Grade zufriedenstellende
Mahlzeit sehr ausführlich (S. 195 u. ff.)*. Und ebenso wenig fehlte
es an Musik, Tanz und Komödie, da Buschri Haupi auf Befehl des
Oberst Wartmann eines Abends einige chinesische Musikanten und
Komödianten herzubrachte. Der Verlauf dieser Abendunterhaltung
wird auf S. 196 u. ff. beschrieben. — Das wären so ungefähr Hrn.
Schuyler's Erlebnisse in Kuldscha.
Der Reisende, nachdem er auf Seite 197 u. ff. auf die grossen
Hülfsquellen des augenblicklich zwar in seiner Volksmenge sehr
reduzirten Landes hingewiesen hat, kommt am Ende seiner Mitthei-
lungen zu nachstehendem, sehr bemerkenswerthen Schluss: «Fast
alles, was ich im Ili-Thale gesehen habe, lässt mich glauben, dass es
unter den neuerdings von den Russen eingenommenen asiatischen
Provinzen die allerreichste ist. Bei der gegenwärtigen Unentschie-
denheit der Verhältnisse, insofern sich die Russische Regierung
noch nicht darüber ausgesprochen hat, ob sie diese Provinz behal-
ten oder den Chinesen zurückgeben will, ist eine russische Kolonisa-
tion nicht gestattet. Während Kuldscha den Russen ein reiches
Arbeitsfeld darbietet, so darf man doch bezweifeln, ob es russischen
Bauern mit ihrer Sorglosigkeit ^««w/A their skiftless /iabits>) geWn-
gen werde, ebenso viel aus dem Lande zu machen und eine ebenso
grosse Bevölkerung zu ernähren, als es bei den Chinesen mit ihrem
haushälterischen Wesen und ihrem wohlorganisirten System der
Landwirthschaft der Fall war. Nichtsdestoweniger scheint es der
einzige Theil Mittel-Asiens zu sein, welcher die auf ihn verwendeten
Ausgaben immer wieder bezahlt machen wird, und es würde aus
ökonomischen und anderen Gründen sehr unklug erscheinen, wenn
sich Russland noch länger mit der Idee einer Rückgabe an China
befassen wollte, selbst in dem Falle, dass China im Stande wäre, eine
hinreichend grosse Armee zur Aufrechthaltung der Ordnung in der
ihm wiedergegebenen Provinz zu beschaffen. Gegenwärtig, wo die
Russen eine nur kleine Garnison im Lande haben, wird die Bevölke-
rung nur durch den gegenseitigen Hass der sie zusammensetzenden
verschiedenen Rassen darniedcrgehalten. Als zur Zeit meines Besu-
ches das Gerücht von der Annäherung einer chinesischen Armee
und von der baldigen Räumung des Landes Seitens der Russen sich
verbreitete, da hörte ich einen Tarantschi sagen: ««Sobald die
' Es ist dieses Gasthaus dasselbe, welches auch von mir zwei Jahre vorher besucht
wurde, worüber man meine «Umschau u. s. w.» S. 149 u. ff. vergleichen kann.
-.<
269
t
Russen den Rücken gewendet haben, so werden wir alle Chinesen
und Dunganen, die noch übrig geblieben sind, massakriren»»; und
anderseits haben die wenigen, noch in Kuldscha wohnenden Chine-
sen oft erklärt, dass, im Fall die Russen das Land verlassen, sie ent-
weder denselben vorangehen oder sie begleiten werden*.
Das dreizehnte Kapitel des Schuyler'schen Werkes (S. 202 — 257)
behandelt die Verwaltung des russischen Turkestan (* Tlie Russian
Administration^), Obgleich dasselbe ganz ohne Zweifel einen der
pikantesten Abschnitte des ganzen Buches bildet, so stehe ich doch
an, auf seinen Inhalt näher einzugehen, weil ein grosser Theil des
von Hrn. Schuyler Vorgebrachten jetzt nicht mehr volle Geltung
hat.
Ebenso verzichte ich auf eine Besprechung des vierzehnten und
fünfzehnten Kapitels (S. 258 — 327 und S. 328—386), womit das
Schuyler'sche Werk schliesst.
Der wesentliche Inhalt des vierzehnten •The Russian foreign
policy in Asia» überschriebenen Kapitels gipfelt in der Behauptung,
dass erstens dem Vorrücken Russlands in Central-Asien kein be-
stimmtes Eroberungsgelüst zu Grunde liege, sondern dass dieses
Vorrücken ein von den Verhältnissen erzwungenes sei, und zwei-
tens, dass Russland noch gar nicht an denjenigen Grenzen ange-
kommen ist, wo es naturgemäss stehen bleiben kann ^
Das fünfzehnte Kapitel endlich bringt unter der Uebcrschrift^
• The Chivan canipaign and its cansequences^y eine Schilderung der
Beziehungen Russlands zu Chiwa vor dem, im Jahre 1873 unternom-
menen Feldzuge, und bespricht den Feldzug selbst, so wie die Fol-
gen desselben. Ein weiteres Eingehen auf den Inhalt dieses Kapitels
kann meinerseits um so füglicher unterbleiben, als dem Leser dieser
Zeitschrift die Schmidt'schen, denselben Gegenstand vortrefflich be-
handelnden Artikel bereits bekannt sind^.
* Ich' habe weiter oben schon Gelegenheit gehabt darauf hinzuweisen, dr' - ich diese
Ansicht Hrn. Schuyler's vollkommen theile. Man vergleiche den dritten •i^te Zukunft
des Landes* überschriebenen Abschnitt meines Buches: «Umschau u. s. w.» S. 377 —
396.
• «Die Expedition gegen Chiwa im Jahre 1873. Nach den Quellen bearbeitet von
Dr. Emil Schmidt». «Russ. Revue», Bd. IV (1874) S. 289—339, und Bd. V (1874) S.
1—48 und S. 148 — 206. Auch als Separatabdruck erschienen unter gleichem Titel.
270
Uebersicht der rnssisctaen historischen Literatnr
für die Jahre 1874-1876
Von
Prof. ^V. Jkonnikow^.
(Fortsetzung.*)
Das Jahr 1876.
I. Materialien und HülfsmitteL
Die meisten der im Jahre 1875 erschienenen Materialien zur russi-
schen Geschichte sind von wissenschaftlichen Vereinen und Regie-
rungs-Institutionen herausgegeben worden.
1. Ergänzungen zu historischen Akten^ Bd. IX, herausgegeben
unter Redaktion von H, Kalatsciuw und A, Timofejew von der Ar-
chäographischen Kommission. Dieser Band bildet den dritten und
letzten Theil der Aktenstücke aus der Zeit des Zaren Fedor Alexe-
jewitsch. Er enthält unter Anderem Aktenstücke zur zweiten Hei-
rath des Zaren Fedor, Angaben über militärische Befestigungen,
über die Ausrüstung des Heeres, statistische und topographische
Mittheilungen über russische Städte, Aktenstücke zur Geschichte
des Adels, Nachrichten über die Staats-Ausgaben und Eitinahmen,
über Gewerbe und Industrie, über den Handel, ferner über die Be-
ziehungen zu den Generalstaaten, u. s. w.
2. Aktenstücke zur Gesclüchte des südlichen und westliclim Russ-
land^ Bd. VIII, herausgegeben unter Redaktion von N, Kostontaraw.
Dieser Band umfasst die Zeit vom 20. Nov. 1668 bis zur Mitte Juli
1669. Die hier veröffentlichten Aktenstücke sind hauptsachlich der
Persönlichkeit des Hetman's Peter Doroschenko, seinen politischen
Plänen in Bezug auf Klein- Russland, und seinen Beziehungen zu
Moskau, zum Hetman Mnogogreschnij, zu den Saporoshern, Tata-
ren und Türken, ferner den Beziehungen des Metropoliten Joseph
Tukalskij, des Erzbischofs Lazarus Baranowitsch und Anderer zu
Moskau gewidmet. In der Beilage zu diesem Bandb befinden sich
noch Materialien zur Geschichte Klein-Russlands von 1649— 1657,
und zwar in Bezug auf den Krieg des Hetman Chmelnitzkij mit den
Polen, au! die Beziehungen der Türkei zu Klein-Russland und
Moskau, und auch auf das Verhältniss zwischen Klein-Russland und
Moskau.
• Vgl. «Russ. Revue., Bd. XII, S. 473 -479 und Bd. XIII, S 63 - 78. Wir führen
im Ft>lgenden der Kürze halber nur die wichtigsten Werke an und gehen nur das We-
sentlichste des Inhalts derselben wieder, so wie wir auch die, in nicht-russischer
Sprache erschienenen oder aus anderen Sprachen übersetzten \Verke ganz unberück-
sichtigt lassen. Die Red .
271
3. RussiscAe historische Bibliothek^ Bd. II, herausgegeben unter
Redaktion von A, Titnofejew, Die Aktenstücke dieses Bandes be-
ziehen sich auf die Ereignisse der Periode von '1 350 bis 1650» ins-
besondere aber auf die Zeit vom Ende des XVI« Jahrh. bis zum An-
fang des XVII. Jahrhunderts. Man findet hier Materialien zur
Geschichte der russischen Kirche und des russischen Klosterwesens,
ferner zur Geschichte Sibiriens (Kolonisirung, Städtebau, innere
Verwaltung, etc.), Nachrichten über diplomatische Beziehungen,
über die Staatseinnahmen, die Marktpreise, den Handel, und auch
juristische Denkmäler. Bemerkenswerth ist endlich ein Aktenstück
aus dem Jahre 1634 über einen, mit dem Holländer Fandrygin ab-
geschlossenen Kontrakt behufs Zustellung von 30,000 Kanonen-
kugeln über die schwedische Landgrenze und über Archangel.
4. Historisch-juristische Materialien, ausgezogen aus deUy im
Central'Archiv zu Witebsk befindlichen Aktenbüchem der Gouveme-
ments Witebsk und Mohilew. In den 6 bisher erschienenen Bänden
finden sich Ausweise über die Einnahmen und Ausgaben der
Stadt Mohilew, welche sehr wesentliche Angaben zur Geschichte
der ökonomischen Entwicklung des Gouvernements Mohilew ent-
halten, ferner einzelne Angaben über die städtische Bevölkerung
mit Bezug auf die verschiedenen Klassen derselben. Die juristischen
Materialien bieten reichhaltigen Stoff in Bezug auf das Kriminal-
und Civilrecht jener Zeit. Als das interessanteste Aktenstück muss
dasjenige über einen Prozess aus dem Jahre 1677 hervorgehoben
werden; es ergibt sich aus demselben, dass damals noch das Ordal
der Wasserprobe in Anwendung zu kommen pflegte, wobei an-
genommen wurde, dass der Angeklagte schuldlos ist, wenn er auf
den Grund geht, und schuldig, wenn er sich schwimmendauf der
Oberfläche des Wassers erhält. Wie aus den Prozessakten ver-
schiedener Art hervorgeht, standen damals der Sachsenspiegel, das
Magdeburger Recht, das Litthauische Statut bei allen Parteien in
hohem Ansehen, da sich sowohl das Gericht, als auch die streiten-
den Parteien stets auf dieselben berufen.
5. Archiv der Abtheilung für russische Sprache und Literatur
bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Bd. XII.
Dieser Band enthält die Fortsetzung des Werkes des Akademikers
Sresnewskij: «Mittheilungen über unbekannte und wenig bekannte
Denkmäler»; die hier betrachteten Denkmäler gehören dem IX. bis
XVI. Jahrhundert an. Ferner veröffentlicht in diesem Bande Hr.
Nossowitsch eine Sammlung weiss-russischer Sprüchwörter.
6. Materialien zur Geschichte des Pugatschew^ sehen Aufstandes^
herausgegeben vom Akademiker J, Grot, Die hier veröffentlichten
Materialien sind grösstentheils dem Reichsarchiv entnommen und
beziehen sich auf die letzte Periode des Aufstandes und auf die Ge-
fangennahme Pugatschew^s.
7. Systematischer und alphabetisclier Katalog der in den perio-
disclun Schriften und Archiven der Kaiserlichen Akademie der Wis-
senschaften verößentlic/Uen^ sowie auch einzeln von der Akademie her*
2^2
ausgegebenen Aufsätze von der Zeit der Gründung der Akademie bis
zum Jahre 1872. Bd. IL In diesem Bande sind die in russischer
Sprache erschienenen Aufsätze in systematischer Reihenfolge nach
den Gebieten der Wissenschaft, zu welchen sie gehören, aufgeführt.
8. Jahrbücher der Kaiserlichen Gesellschaft für Geschichte und
Alterthumskunde in Odessa. Bd. IX. Er enthält: in der Abtheilung
für Archäologie einen Aufsatz von Hrn. Buratschkow über «Die
Lage der Stadt Karkiniges und die von derselben geprägten Mün-
zen», in welchen einige Nachrichten alter Historiker, namentlich
Herodot's, näher beleuchtet werden; in der Abtheilung für Ge-
schichte einige wenig bedeutungsvolle historische Denkmäler; in der
Abtheilung für Geographie die «Reise eines türkischen Touristen
am östlichen Ufer des Schwarzen Meeres», eine aus dem XII. Jahr-
hundert stammende Reisebeschreibung; endlich bringt dieser Band
auch eine Reihe von Materialien zur Geschichte der klein- russischen
Saporoger, der Verwaltung von Süd-Russland durch Potemkin, Do-
kumente in Bezug auf den Tod des Kaisers Alexander I. und einige
kurze Nachrichten über archäologische Funde im Süden Russlands.
9., 10. und II. Archiv der Kaiserlich Russischen historischen Ge-
.sellschaft\ Bd. XIV, XV und XVI. Der XIV. Band bringt: «Histo-
rische Mittheilungen über die von der Kaiserin Katharine IL einge-
setzte Kommission für Ausarbeitung eines Projekts zu einem neuen
Gesetzbuch». Sich an die, im IV. und VIII. Bande des Archiv's
vorangegangenen • Mittheilungen» anschliessend, enthält dieser
Band die Debatten über geistliche und Justizreformen. Man dis-
kutirte einerseits über Mittel zum Schutz gegen die Uebergriffe der
Geistlichkeit, und andererseits über die Verbesserung des Justiz-
wesens. Einzelne Deputirte schlugen die Einführung der Friedens-
richter-Institution nach englischem und holländischem Muster, sowie
eines für alle Stände gleichen Rechtes vor. — Der XV. Band bringt
neben einigen Briefen des Kaisers Paul, welche von geringem histo-
rischem Interesse sind, die von Prof. Hermann herausj^egebenen,
dem Berliner Staatsarchiv entnommenen Relationen des Baron
G. Mardefeld, des damaligen preussischen Gesandten am russischen
Hofe. Sie umfassen die Zeit vom 31. Januar 1721 bis zum 23. Fe-
bruar 1730. Dann enthält dieser Band noch Briefe des Fürsten
Repnin aus der Zeit seiner Gesandtschaft in die Türkei (1775), fer-
ner eigenhändige Briefe der Kaiserin Katharina II. an den Vice-
Kanzler Grafen Ostemiann über die Beziehungen zu Schweden in den
Jahren 1770 — 1780, bisher unedirte Briefe von Voltaire an den F'ür-
sten D. Golizyn, der im Jahre 1762 — 1768 Vertreter Russlands in
Frankreich war, und endlich fünf Briefe des P'ürsten D. Golizyn an
den Vice-Kanzler A. Golizyn, welche ein sehr charakteristisches
Material für die Zeit nach dem Regierungsantritte Katharinas II. ent-
halten. Der Fürst D. Golizyn war unter Anderem einer der Ersten
in Russland, der auf die Nothwendigkeit der Aufhebung der Lcib-
• Vgl, ^Russische Revuen, Bd. X, S. 470 — 472.
273
■
eigenschaft hinwies. — Der XVI. Band ist unter der Redaktion des
Historikers Kostomarow herausgegeben und enthält Auszüge aus
dem Familienarchiv des Fürsten Repnin. Sie umfassen die Zeit von
1794 — 96, als Feldmarschall Fürst H. Repnin Oberkommandeur der
Truppen und General-Gouverneur von Litthauen war. Sein Brief-
wechsel mit Katharina IL und einigen hervorragenden Persönlich-
keiten ihrer Regierung enthält viele interessante Einzelheiten zur
Geschichte der Beziehungen zwischen Polen und Russland in den
Jahren 1794— 96. Von besonderer Wichtigkeit ist namentlich ein
Brief des Fürsten Besborodko an den Fürsten Jlepnin, in welchem
von den Motiven die Rede ist, welche Russland dazu bewogen, an
der Theilung Polens theilzunehmen (S. 57—61).
12. Archiv des Reiclisratlis. Band IV, Theil i und 2. Dieser neue
Band enthält Aktenstücke zur Geschichte des Kaisers Alexander I. in
den Jahren 1810 — 1825, und zwar namentlich in Bezug auf die Pro-
jekte zu neuen Gesetzen.
13. Archiv des dirigirenden Senats, herausgegeben von P. Bara»
now.Bö, IV,
14. Sammlung von Staatsverirägen und Konventionen. Von F, Här-
tens. Bd. ir-^,
15. Materialien zur Geschichte des Raskol in der ersten Zeit des
Entstehens desselben, Bd. I, Theil I. Dieser Band gibt Nachricht
von den Persönlichkeiten, welche in der ersten Zeit des Auftretens
der russischen Dissidenten eine Rolle gespielt, und von den Ereig-
nissen, welche das Auftreten derselben zur Folge gehabt.
16. Russland und England in den Jahren 1553 — 1593. Die ersten
vierzig Jahre der Beziehungen zwischen Russland und England.
Diese, von Hrn. J, Tolstoi veröffentlichten, den Archiven zu Moskau,
London und Oxford entnommenen 82 Aktenstücke bilden einen
werthvollen Beitrag zur Würdigung Iwan^s des Grausamen, Boris
Godunow's und zur Beleuchtung der Beziehungen zwischen Russ-
land und den west-europäischen Mächten in jener Zeit.
1 7. Materialien zur Geschichte der russischen Flotte. Herausgege-
ben von 77/. Wesselago*,
18. und 19. Archiv des Fürsten Woronzow, Bd. VII. und VIII.
Djsr VII. Band der, dem Familienarchiv des genannten Fürsten ent-
nommenen, Dokumente enthält Materialien in Bezug auf die Be-
ziehungen zwi.schen Russland und den west-europäischen Mächten
in den Jahren 1746 — 175 St sowie auch zur Geschichte des Krieges
zwischen Russland und Preussen unter Elisabeth Petrowna. Der
VIII. Band bringt den Briefwechsel zwischen dem Grafen Woronzow
(dem ehemaligen Gesandten in London) und dem Grafen Rostoptschin
aus den Jahren 1791 — 1825. Mart findet in diesem Briefwechsel
viele interessante Details über die P'ürsten Potemkin, Subow, Bes-
» Vgl. «Russische Revue-, Bd. XII, S. 588—590.
^ Vgl. •Russische Revue*, Bd. VII, S. 557—567.
^ Vgl. «Russische Revue», Bd. X, S. 97.
BU8S. REVUE. BD. Xm. l8
^74
borodko, über polnische Angelegenheiten, über politische Beziehun-
gen unter Kaiser Paul, u. s. w.
20. Ein Denkmal vergangener Zeiten^ oder kurze historische Notizen
über vergangene Ereigfusse und im Volke kursirende GerüclUe. Von
A, Bolotow. Der erste Theil dieses Werkes enthält flüchtige Be-
merkungen über Persönlichkeiten, Sitten, Ereignisse und Gerüchte
aus der Zeit Katharinas 11. ; der zweite Theil ist ausschliesslich den
Ereignissen des Jahres 1796 gewidmet, und endigt mit dem Tode
der genannten Kaiserin. Bolotow war ein aufmerksamer und ge-
wissenhafter Beobachter, der auch eines gewissen kritischen Gefühls
nicht entbehrte, woher seine Mittheilungen für die Geschichte seiner
Zeit von wesentlichem Interesse sind.
21. OreVschc Alterthihner, Herausgegeben von Puparew, Man
findet hier spezielle, verschiedenen Archiven im Gouvernement Orel
entnommene Materialien zur Geschichte, Statistik und Verwaltung
jenes Gouvernements aus den Jahren 1714 — 1783.
22. Das Buch von den KijevJ sehen Helden. Eine Sammlung von
24 Bylinen des altkijew'schen Epos. Herausgegeben von W, Ave-
narius. Das Buch ist mit einer literarischen Einleitung, Bemer-
kungen und einem Sach- und Namensregister versehen.
23. Historische Lieder des klein-russischen Volks. Mit Erläute-
rungen herausgegeben von W, Antono^vitsch und M. Dragomatunv,
Bd. II. Die hier in diesem zweiten Bande veröffentlichten 18 Volks-
lieder stammen aus der Periode des Kampfes des Hetman's Chmel-
nizkij mit den Polen.
24. Alt-russische Münzen, Eine Sammlung des Grafen E, Hütten-
Czapskij. Diese Sammlung besteht aus 800 Münzen von der älte-
sten Zeit an bis zum Jahre 17 16.
25. Historisc/te Untersuchung über die russischen periodischen
Schriften und Sammelwerke für die Jahre 1 703 — 1803. Herausgege-
ben von A. Neystrojew. Das Werk gibt ein ausführliches Verzeich-
niss von 135 periodischen, in russischer Sprache in Russland im
XVIII. Jahrhundert erschienen Schriften, mit einleitenden und er-
läuternden Bemerkungen.
II. Allgemeine Werke, Monographien undUntersuchungen.
26. Memoiren der Gesellschaft von Freunden kaukasischer Archäo-
logie, I. Buch, herausgegeben unter Redaktion von A, Berge und
/?. Bakradse. Es enthält ausser den Nachrichten über die Thätigkeit
der Gesellschaft folgende zwei interessante Beiträge: i. «Der Kau-
kasus in archäologischer Beziehung*' von A. Berge; 2. *Der Kau-
kasus in den alten geistlichen Denkmälern» von D. Bakradse, Der
Verfasser schildert darin in alphabetischer Reihenfolge die Kirchen
und Klöster des Kaukasus und die in ihnen sich befindenden Altcr-
* Vgl. «Russ. Revue», Bd. XIII, S. 70.
275
thümer vom IV. — XIX. Jahrh. Ferner sind diesem Bande drei Ab-
bildungen beigefügt: a) eines Steines mit griechischer Inschrift aus
dem Jahre 75 nach Chr. Geb., b) eines mit hebräischer, und c) eines
mit keilförmiger Inschrift.
27. Moskau, Atisfiihrliche historische und archäologische Be-
Schreibung der Stadt, Bd. I. Herausgegeben von A, Martynow, Dies
Werk enthält eine Schilderung des alten Moskau in topographi-
scher, ethnographischer, historischer und juristischer Beziehung,
mit einem Plan* von Moskau aus dem Jahre 1739 und einem Pano-
rama der Stadt im XVIII. Jahrhundert.
28. Die Metalle, Metallprodukte und Mineralien im alten Russland^
verfasst von Chmyraiv^ ergänzt von B, Skalkowskij, Den Werth
eines interessanten Beitrages zur Geschichte des russischen Berg-
wesens besitzend, umfasst dies Werk die Geschichte des Bergbaues
in Russland vom IX. Jahrhundert ab bis zu Peter dem Grossen, und
enthält wichtige Angaben über Münzenprägung, Waffenfabrikation,
und überhaupt über russische Montanindustrie in der angegebenen
Zeit.
29. Jakoiolew, W Die religiösen Sagen des alten Kijew., Der Ver-
fasser, welcher schon im Jahre 1872 einige Denkmäler russischer
Literatur aus dem XII. und XIII. Jahrhundert als Beilage zu diesem
Werk herausgegeben, neigt sich in seiner Auffassung der alten
Legendenbücher der Ansicht zu, dass dieselben nicht bloss einen
rein literarischen, sondern auch einen gewissen historischen Werth
besitzen, eine Ansicht, die auch der bekannte Forscher auf dem
Gebiete alt-russischer Literatur, Hr. Busslajew, vertritt
30. Untersuchungen utid Bemerkungen des Fürsten M, Obolcnskij
in Bezug auf russische und slcnvische Alterthümer, In diesen, in Folge
des Todes des Verfassers nicht zu Ende geführten t Untersuchun-
gen und Bemerkungen* findet man kleinere wissenschaftliche Er-
örterungen über einige Detailfragen russischer und slawischer Alter-
thumskunde, so z. B. über den Verfasser der ältesten russischen
historischen Chronik, über das ursprüngliche slawische Alphabet,
über die Begründung der Stadt Obolensk, u. s. w.
31. Janisch^ N, Die Nowgoroder Chronik und deren Moskauer Re-
daktionen. Der Verfasser ist der Ansicht, dass die ursprünglichen
Nowgoroder Chroniken in späterer Zeit, während der sogenannten
Moskauer Periode absichtlich entstellt und verstümmelt worden
sind, worauf dann eine andere Art der Bearbeitung und der Schilde-
rung historischer Ereignisse in Nowgorod üblich wurde j als auf ein
charakterisches Beispiel für die letztere Art der Darstellung weist
der Verfasser auf den Sophien-Wremennik (historische Chronik)
hin.
32. Russland und Asien. Eine Sammlung von historischen, ethno-
graphischen und geographischen Untersuchungen und Aufsätzen * von
W, Grigorjczv,
* Vgl. «Russ. Revue», Bd. VlII, S. lOi — 103.
18*
33« Historisch-literarische Rtindsctiau über die alt-russischen polemi-
schen Schriften gegen die Lateiner (XI— XV). Von A, Popow, Das
Werk des Hrn. Popow bringt eine eingehende Beschreibung alt-
russischer polemischer Denkmäler bis zum XV. Jahrhundert, denen
in einem anderen Bande eine Untersuchung über die russischen
polemischen Schriften gegen die Protestanten, Katholiken und Uni-
aten im XVL — XVII. Jahrhundert folgen soll. Der Verfasser spricht
in der Einleitung die Meinung aus, dass die strenge Verurtheilung
der religiösen Vorstellungen des lateinischen West-Europa, welche
in byzantinischen Schriften von dem Geiste der Intoleranz erfüllt ist,
viel zu der Entfremdung Russlands von den allgemein-europäischen
Bestrebungen und Ideen beigetragen hat.
34. Prilcshajcw^ E. Die Sophien- Kirchenkasse in Nowgorod, Diese
Skizze bildet einen Auszug aus einem grösseren Werke des Ver-
fassers «Skizzen aus der Kirchengeschichtc des Grossen Nowgorod«
und enthält werthvoUe Angaben über das alte F'inanzsystem der
Nowgoroder Eparchie im XVI. und XVII. Jahrhundert.
35. Pogodin^ M. Die siebzehn ersten Lebensjahre Peters des Gros-
sen, Dieses Werk zerfällt in zwei Theile. Der erste Band enthält eine
folgerechte Erzählung der Ereignisse von der Zeit der Trauung des
Zaren Alexei bis zur Feststellung der Alleinherrschaft Peters des
Grossen, der zweite — eine Reihe kleiner Untersuchungen über ein-
zelne, diese Periode betreffenden Fragen. Ausser den bereits von den
Histoiikern Ustrjalow, Ssolowjew, Sabclin u. Anderen verwertheten
Materialien hat der^ Verfasser auch die von H. Jessipow zusammenge-
stellte, aber noch nicht veröffentlichte Sammlung von Auszügen aus
Archivakten in Bezug auf die Regierung Peters des Grossen benutzt.
Einen grossen Werth besitzt namentlich der zweite Thcil dieses
Werkes, und zwar insbesondere durch die Untersuchungen über die
Quellen zur Geschichte der Verschwörung der Strelzy, über die
Entstehungsgeschichte der Verschwörung, über die Beziehungen
der letzteren zu der Bewegung im Raskol, über die Hinrichtung der
Fürsten Chowanskij u. s. w. Diese Untersuchungen sind sehr reich
an scharfsinnigen Bemerkungen und an gewichtigen polemischen
Entgegnungen.
36. Petrozuskij, S. Ueber den Senat zur Zeit Peters des Grossen,
Eine historisch-juristische Untersuchung^,
37. Ditjatin, P, Die russisclie Städteverwaltung. Bd. I. Die Ge-
schichte der Verwaltung der russischen Städte bis zum Tode der
Kaiserin Katharina II. schildernd, spricht der Verfasser die Ansicht
aus, dass die russischen Städte nur etwa bis zum XIII. Jahrhundert
den Charakter mittelalterlicher Municipien besassen. Darauf aber
begannen sie allmälig die Bedeutung autonomer Einheiten zu ver-
lieren; bis dahin einen einheitsvollen, politischen Organismus reprä-
sentirend, sanken sie nun auf die Stufe bloss steuerpflichtiger Ge-
meinden herab. Erst durch die neue Städteordnung vom Jahre 1785
* Vgl. «Russische Revue», Bd. X, S. 95—97.
erhielten die Städte theilweise die frühere Bedeutung wieder. Das
Werk des Hrn. Ditjatin zeichnet sich durch grosse Klarheit in der
Darlegung des betreffenden Gegenstandes aus.
38. Ssolowjew, S. Geschichte Russlands seit den ältesten Zeiten.
Bd. XXV. In den drei Büchern dieses Bandes wird die Geschichte
der Regierung Peters III. (i. Buch) und der beiden ersten Jahre
(1762 und 1763) der Regierung der Kaiserin Katharina II. (2. und 3.
Buch) behandelt. Von grossem Interesse sind namentlich die bei-
den letzten Bücher, in welchen von den Unruhen unter den Bauern,
von der ersten Verschwörung, von der Frage über denReichsrath, über
die einzuschränkende Anwendung der Folter, über die ausländischen
Kolonisten, über die ersten diplomatischen Beziehungen, u. s. w. die
Rede ist. Höchst ausführlich erzählt der Verfasser, auf Grund neuer,
ihm zur Verfügung gestellter Aktenstücke, die Geschichte der
Thronbesteigung der Kaiserin Katharina. Als Beilagen enthält
dieser Band unter Anderem die Relationen Keyserling's aus War-
schau, eigenhändige Briefe der Kaiserin, und einen Brief Frie-
drich II. an Katharina II.
39. SsucJwmlinow^ M, Geschichte der Russisclien Akademie. 2. Lief.
Die erste Lieferung enthielt die Biographien der geistlichen Mitglie-
der der Akademie, diese zweite Lieferung enthält die Biographien
der weltlichen Mitglieder, und zwar der Akademiker S. Rumowskij,
S. Lepechin und N. Oserezkowskij. In der Biographie des Ersteren
finden sich unter Anderem beachtenswerthe Mittheilungen über die
akademische Universität und über die Studenten im XVIII. Jahr-
hundert. Aus der Biographie des Akademikers Lepechin erfahren
wir Einiges über den Zustand des akademischen Gymnasiums im
XVIII. Jahrhundert, über die Resultate einer wissenschaftlichen
Expedition durch Russland^ an welcher auch der Akademiker Lepe-
chin theilgenommen, und über die wissenschaftliche Thätigkeit des-
selben. In der Bipgraphie des Akademikers Oserezkowskij endlich
findet man, neben einer ausführlichen Schilderung seines Wirkens,
auch Materialien in Bezug auf einige, unter der Regierung des Kai-
sers Alexander eingeführte Acnderungen in den Statuten der Aka-
demie der Wissenschaften, der Universität und der Censur.
40. Wesselago.^ 7h. Skizzen zur Geschichte der russischen Marine,
Mit Plänen, Zeichnungen und einem Porträt Peters des Grossen. I.
Bd. Nach einem historischen Ueberblick über die russische Marine
bis zum XVII. Jahrhundert, geht der Verfasser zu einer eingehenden
Beschreibung der russisclien Asow'schen, Baltischen und Kaspi-
schen Flotte unter Peter dem Grossen über, wobei er ausführlich
über die Grösse der Flotte, über die damals herrschenden Marine-
gesetze, über den Zustand der Hydrographie und über den Unter-
richt in der Marine- Wissenschaft Mittheilung macht. Dem Verfasser
haben bei seiner Arbeit viele neue Archiv-Materialien zur Ver-
fügung gestanden.
41. Rittich y A. Der ethnographische Bestand der Kontingaitc der
russischen Armee und der männlicfien Bevölkerung Russlands, Mit
278
Hülfe statistischer Tabellen beleuchtet der Verfasser in diesem
Werke ausführlich das Verhältniss der einzelnen Stämme Russlands
in ethnographischer Beziehung. Es findet sich in dieser Unter-
suchung ein sehr reichhaltiges statistisches Material.
42. Nakko, A, Geschichte Bessarabiens seit den ältesten Zeiten, Bd.
I, Buch 3. Dieselbe umfasst die Periode von der Herrschaft der
Gothen bis zum XIII. Jahrhundert.
43. Jakuschkin^ A. Das Gewohnheitsrecht, Materialien zur Biblio-
graphie des Gewohnheitsrechtes, Lfg. I. Obgleich dieses Werk nicht
streng in das Gebiet der historischen wissenschaftlichen Literatur
gehört, so kann die Geschichtswissenschaft in Bezug auf die älteren
Zeiten gerade in den Rechtsalterthümern ein überaus reichliches Ma-
terial zur Charakteristik einer bestimmten Periode vorfinden; inso-
fern hat auch dieses Werk das Recht hier berücksichtigt zu werden.
In der Einleitung spricht der Verfasser im Allgemeinen über die
praktische und historische Bedeutung der Volkssitten und Ge-
bräuche, und stellt dabei den zu beobachtenden Standpunkt fest.
Darauf geht er zu den Materialien selbst über, welche streng syste-
matisch geordnet sind.
44. Aristow, N, Ueber die historische Bedeutung der russischen
Räuberlieder. Nach einer Skizze des russischen Räuberwesens in
Russland bis zum XVIII. Jahrhundert, wendet sich der Verfasser
seinem eigentlichen Gegenstand zu und stellt Untersuchungen über
die historische Basis der betreffenden Lieder an, über die Orte,
welche in den Liedern vorkommen, über die Ursachen der Ent-
stehung der Räuberbanden, über die Beziehungen zur Bevölkerung,
u. s. w.
45. Magazin für Staatsivissenschaften, Herausgegeben unter Re-
daktion von W, Besobrasow. Bd. II*. Der vorliegende Band enthält
zwei beachtenswerthe Aufsätze historischen Inhalts, und 'zwar:
I. «Die Versammlungen der Stände (seMCKie coöopu) in Moskau»
von J. Ssergejewitsch, und 2. «Momente aus der Geschichte der
Pressgesetzgebung» von A. Foinitzkij. Des erstere Aufsatz bietet
eine Untersuchung über jene Versammlungen im Vergleich mit
ähnlichen Versammlungen in Frankreich und England, der an-
dere eine vergleichende historische Uebersicht der in den anderen
europäischen Staaten und in Russland erlassenen Bestimmungen in
Bezug auf die Presse.
(Fortsetzung fol^t.)
* Vgl. Russische Revue», BJ. XI, S. 90— 93-
279
Kleine Mlttheilnngen.
Die Thäligkeit der KLaiserlich Philantropischen Gesell-
schaft in den Jahren 1874'^1876. Diese Gesellschaft wurde
auf Allerhöchsten Befehl am i6. Mai i802 unter der Regierung des
Kaisers Alexander I. gegründet. Ihre Thätigkeit war in den ersten
14 Jahren ihres Bestehens allein auf St. Petersburg beschränkt; erst
im Jahre 1816 wurde es der Gesellschaft gestattet, ihren Wirkungs-
kreis zu erweitern und auch in anderen Städten des russischen
Reichs Filialen zu eröffnen. Seitdem hat sie sich mächtig empor-
geschwungen und über das ganze Reich verbreitet. Wir entnehmen
dem Bericht der Gesellschaft für die Jahre 1874 — 1876 folgende, die
segensreiche Thätigkeit derselben kennzeichnenden Angaben.
Die Zahl der Armen, welche Unterstützungen erhielten oder
anderweitig versorgt wurden, betrug durchschnittlich in einem jeden
Jahre der Periode ;
I8I6— 1825 .
. 4,039
1846— 1855 .
. 24,293
1826— 1835 .
. 17,212
1856— 1865 .
. 24,189
1836— 1845 .
• 25,359
1866— 1875 .
. 6sjS6
Der Etat der Einnahmen und Ausgaben bclief sich während der-
selben zehnjährigen Perioden durschschnittlich jährlich auf:
Einnahmen.
Ausgaben.
I8I6— 1825 .
. 153,792 Rbl.
130,080 Rbl
1826—1835 •
• 313,967 •
265,390 »
1836— 1845 .
281,418 •
273,746 »
1846-^1855 .
• 367,858 •
337*256 •
1856— 1865 .
. 509.236 •
412,109 »
I 866 I 876 .
. 813,816 »
738,600 *
Im Jahre 1876 betrug die Zahl der Armen, für welche die Gesell-
schaft Sorge trug — 88,964; die Einnahmen bezifferten sich« auf
9^,487 Rbl.; die Ausgaben auf 1,039,344 Rbl. Von 1816— 1876
smd somit im Ganzen 1,692,741 Arme in verschiedener Weise unter-
stützt worden, wofür bei einer Einnahme von 25,537,086 Rbl. —
22,691,910 Rbl. verausgabt worden sind. Demnach besass die Ge-
sellschaft am I.Januar 1877 (nach Abzug einiger kleiner Summen,
die nicht ihr direktes Eigcnlhum bildeten) ein Kapital von 2,754,372
Rbl. Die der Gesellschaft gehörenden Immobilien repräsentiren
ferner einen Werth von 9,702,448 Rbl. Endlich besitzt sie noch
29,1 14 Dessjätinen Land im Werthe von 826,590 Rbl., von welchen
sie eine Einnahme von 41,524 Kbl. bezieht.
28o
Der Umfang der Thätigkeit der Philantropischen Gesellschaft
erstreckte sich zu Anfang des Jahres 1877 über die beiden Haupt-
städte und 1 3 Gouvernements (Chersson, Jaroslaw, Kaluga, Kasan,
Kostroma, Minsk, Moskau, Pensa, Rjasan, Tschernigow, Ufa, Wla-
dimir, Woronesh); bei der Ausübung der Wohlthätigkeit betheilig-
ten sich über 2200 Personen.
Im Jahre 1876 unterhielt die Gesellschaft im Ganzen 72 Wohlthä-
tigkeits- Anstalten und ausserdem 13 Kirchen. Unter den Ersteren
befanden sich:
a) 27 Erziehungsanstalten mit 2325 Lernenden. Der Unterhalt
dieser Anstalten kostete 340,482 Rbl.;
b) 22 Armenhäuser mit 1424 Personen, für deren Unterhalt
112,503 Rbl. verausgabt wurden;
c) 6 MedizinaUnstitute, in denen 49,344 Personen ärztliche Hülfe
zuTheil geworden ist; die Ausgaben beliefen sich hier auf 28, 573 Rbl.;
d) 17 Wohlthätigkeits-Institute verschiedener Art, wie z. B. Ko-
mite's, Nähmaschinen-Werkstätten, Frauen-Asyle etc. Hier sind
27,993 Personen Unterstützungen mannigfacher Art zu Theil ge-
worden; die Ausgaben betrugen 95,000 Rbl.
Der Unterhalt der 1 5 Kirchen kostete 20,393 Rbl.
Den Mittelpunkt der Thätigkeit der Gesellschaft bildete auch im
Jahre 1876, wie früher, St. Petersburg; dann folgen Moskau und die
anderen Städte des Reichs. Von den 88,964 Personen, über welche
sich in jenem Jahre die Fürsorge der Philantropischen Gesellschaft
erstreckte, kommen auf St. Petersburg — 49,511, auf Moskau —
19,301 und auf die übrigen Städte — 20,152 Personen.
Zur Statistik der Güterbewegung im Gouvernement
St Petersburg in den Jahren 1867—1876. Hr. A, Stein,
Mitglied der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft, hat
unlängst eine interessante Broschüre in Bezug auf den in der Ueber-
Schrift bezeichneten Gegenstand herausgegeben ^ welches ein in
vielen Beziehungen höchst wichtiges statistisches Material enthält.
Wir entnehmen derselben folgende Hauptangaben:
Die Zahl der, in der zehnjährigen Periode 1867 — iSjö^m
Gouvernement St. Petersburg von dem Bezirksgericht bestätigten
Kaufbriefe betrug 3062, denen zufolge 762,291 Dessjatinen in an-
dere Hände übergegangen sind ; somit hat fast der fünfte Theil des
ganzen Areals des St. Petersburger Gouvernements seine Besitzer
gewechselt. Während dieser Periode nahm die Güterbewegung von
Jahr zu Jahr zu: Während im Jahre 1867 im Ganzen 34,107 Dcssj.
* IIlTettH-b, Vi, A. CraTBCTHxa KyiUH-npo^ancH noaen&sbHoil coGcTBetmocTH bi>
C.-neTep<iyprcKoB ryÖepHiii aa 1867—1876 toab.
28l
verkauft worden waren, stieg diese Zahl im Jahre 1876 bis auf
83,846 Dessj.; im folgenden Jahr sank sie zwar bis auf 72,316 Dessj.,
stieg aber nach drei Jahren wieder bis auf 125,719 Dessjatinen.
Weiter ergibt es sich , wenn wir die Güterbewegung in Bezug auf
die verschiedenen, dabei betheiligten Stände betrachten, dass die
metsten und dabei die grössten der verkauften Güter dem Adel ange-
hört, und zwar 49,15 pCt. der verkauften Güter und 83,50 pCt. vom
gesammten verkauften Areal ; durch Kauf erworben haben sie da-
gegen nur 23,71 pCt. der verkauften Güter und 46,75 pCt. des ge-
sammten verkauften Areals. Die durchschnittliche Grösse der ge-
kauften Güter beträgt 490 Dessjatinen.
Die Zahl der Güterverkäufer aus dem Bauernstände beträgt
15,94 pCt., der Güterkäufer 28,12 pCt; die von den Bauern ver-
kauften Güter betragen 0,93 pCt. des gesammten verkauften, und
die von ihnen gekauften Güter 10,59 pCt. des gesammten käuflich
erworbenen Areals. Die durchschnittliche Grösse der verkauften
Güter ist gleich 14,53 Dessj., ^^^ gekauften 93,55 Dessjat. Diese
Zahlen weisen somit auf eine relative Vermehrung des bäuerlichen
Besitzthums und zum Theil auch auf eine Erhöhung des bäuerlichen
Wohlstandes hin.
Die meisten der adeligen Güter sind in die Hände der sogenannten
csfädtischen Stände», ropoACRiH cocJiosiü, (Ehrenbürger, Kleinbür-
ger, Kaufleute etc) übergegangen. Die Zahl der Verkäufer beträgt
in dieser Gruppe 28,55 pCt., der Käufer 42,63 pCt.; auf die Ver-
käufer dieser Gruppe kommen 14,38 pCt. des gesammten verkauften
Areals, und auf die Käufer 42,41 pCt. des gesammten gekauften
Areals. Die durchschnittliche Grösse eines verkauften Gutes be-
trug hier 116,80 Dessj., eines gekauften 242 Dessjatinen.
Verschiedene Institutionen, sowie auch Eisenbahnen haben
6,40 pCt. der Güter und 2,19 pCt. des gesammten Areals verkauft
und 4,54 pCt. der Güter und 4,54 pCt. des gesammten Areals ge-
kauft. Die durchschittliche Grösse eines verkauften Gutes kam
-gleich 85,25 Dessj. und eines gekauften 13,43 Dessjatinen.
Es ist somit in den beiden Gruppen der adeligen Besitzer und in
derjenigen der verschiedenen Institutionen die 2Jahl der Käufer ge-
ringer als die der Verkäufer, und zwar in der ersteren um 52 pCt,
in der letzteren um 30 pCt. Umgekehrt ist in den beiden anderen
Gruppen der städtischen Stände und des Bauernstandes die Zahl der
Käufer grösser als die der Verkäufer, und zwar in der ersten Gruppe
um 54 pCt„ in der andern um 76 pCt. Was ferner die Grösse des
käuflich erworbenen und des verkauften Areals betrifft, so ist das
erstere bei der Gruppe der Bauern um 1040 pCt. und bei der
Gruppe der städtischen Stände um 217 ^Qx, grösser als das letztere;
kleiner ist dagegen das erstere als das letztere bei der Gruppe der
adeligen Besitzer um 44 pCt. und bei derjenigen der verschiedenen
Institutionen um 89 pCt.
In Bezug auf die Gruppe der adeligen Besitzer ist zu bemerken,
dass hier in den fünf Kreisen des St. Petersburger Gouvernements:
282
Gdow, Luga, Nowoladoga, Schlüsselburg, Jamburg, durchschnittlich
die gekauften Güter grösser waren als die verkauften» dagegen in
den drei anderen Kreisen: St. Petersburg, Peterhof, Zarskoje Sselo
kleiner. Die von den städtischen Ständen und den Bauern käuflich
en\orbenen Güter sind in allen Kreisen, mit alleiniger Ausnahme
des St. Petersburger Kreises, durchschnittlich grösser als die ver-
kauften. In der Gruppe der verschiedenen Institutionen sind nur
die in den Kreisen St. Petersburg und Jamburg gekauften Güter
grösser als die verkauften.
Aus der Gesammtzahl der verkauften Güter und des gekauften
Areals sind an Besitzer anderer Stände übergegangen in den
Kreisen :
Güter. Areal.
Gdow 59,89 pCt. 49,00 pCt.
Jamburg 46,80 * 26,71
Luga 46.37 * 31^08
Nowoladoga 43>S4 * 49,oo
Zarskoje-Sselo , . . . 37,83 » 48,36 »
Schlüsselburg 32,86 * 20,39 *
Peterhof 26,47 * 38,40
St. Petersburg 13149 ■ 32,56
Durchschnittlich . . 27,30 ■ 28,69 »
Bemerkenswerth ist, dass die Zahl der, auf dem Wege der Auk-
tion verkauften Güter von Jahr zu Jahr abnimmt, sie beträgt 18,25
pCt. von der Gesammtzahl der verkauften Güter. Am geringsten
war die Zahl der verauktionirten Güter in den Kreisen Gdow,
St. Petersburg und Jamburg. Was endlich im Allgemeinen die
Grösse der verkauften Güter betrifft, so herrschte fast nur in zwei
Kreisen: St. Petersburg und ' Peterhof, der Verkauf kleinerer Land-
parzellen bis zu 10 Dessj. vor, in den anderen Kreisen daijegen hat-
ten die Güter meist eine Grösse von über 10 Dessj. bis zu looo
Dessjatinen.
•
»
Literatiirbericlit.
PoiemeüMs M, fJ. OnepKS ucnwpiu eoenuo'cydeCuuxs yHpeoKdemü es Pocciu do konhuhu
Ilenipa BeAUKaio.
Kosenhelm^ M. P. Kitte Skizze der Geschichte ihr Militäti^erichts-Tnstiitttiotiett iti Ru<^-
iaiid bis zttttt Tode Peters des Grossett, St. Pbg 1878. 8". VI -|- 376 S.
Die Initiative zu diesem, für die allgemeine Geschichte des russi-
schen Reichs höchst wichtigen Werke des Hrn. Rosenheim gebührt
283
dem Kriegsministerium. Der vorliegende Band umfasst, wie schon
der Titel besagt, die Geschichte der militärischen Jurisdiktion bis
Peter dem Grossen, unter dessen Regierung ein selbstständigcs Mi-
litärgericht organisirt, und ein spezielles Gesetzbuch für dasselbe
herausgegeben wurde. Der Verfasser entwirft zuerst eine kurze
Skizze der militärischen Jurisdiktion im vorpetrinischen Russland,
geht darauf zur Zeit Peter des Grossen über bis zum Militär-
Reglement (BOHHCKiö ycTaBt) vom Jahre 1716, welches er, sowie
auch das Marine-Reglement (MopcKofl ycTaet) vom Jahre 1720,
einer eingehenden Erörterung unterwirft, führt dann die Verbesse-
rungen desselben auf, um welche Peter der Grosse später Sorge
getragen, und schliesst endlich mit einem allgemeinen Ueberblick
auf den Zustand der militärischen Jurisdiktion bei dem Tode Peters
des Grossen.
Obgleich im vorpetrinischen Russland eigentlich, wenn man
von den Strelzy absieht, kein reguläres stehendes Heer bestand, so
machte sich im Anfang des XVII. Jahrhunderts doch schon das Be-
dürfniss nach einer festeren militärischen Organisation fühlbar. So
erschien in Russland im Jahre 1621 ein, noch auf Grund eines Be
fehls des Zaren Wassilij Iwanowitsch Schuiskij aus dem Lateini-
schen übersetztes Werk: «Ueber das Heerwesen, die Artillerie und
andere zur Kriegswissenschaft in Beziehung stehende Dinge» (ycTam>
o paTHbix L, nyuiKapcKUx-b h ApyrHxi» Adbüi», KacaiomHXCfl ao BoeH-
Hoft HayKH); auf Geheiss des Zaren Alexei Michailowitsch wurde
ferner ein Reglement für den Infanterie Dienst (YneHbe h XHTpocTb
paTHaro cxpoeHia n'fexoTHbixi» JiiOÄefl) ausgearbeitet; ausserdem
wurden auch einige Bestimmungen in Bezug auf militärische Iuris-
diktion in das Gesetzbuch vom Jahre 1849 aufgenommen, so Kap. VII :
«Ueber den Militärdienst im Moskauer Reich» (O cjiyHCö'fe BCflKdx-b
paTHUxi» jiiOAefl MocKOBCKaro rocy^apcxBa), Kap. VIII: «Ueber die
Strelzy» (O cxp'fejibuax'b) und Kap. XXIV: »Ueber die Atamane
und Kosaken • (O axaManax-b h KoaaKax-b). Diese Bestimmungen
waren höchst unklar, unsystematisch und unvollständig. Erst als
Peter der Grosse im Jahre 1716 jenes, nach ausländischem Muster
zusammengestellte Reglement herausgab, erhielten alle Bestim-
mungen über die militärische Jurisdiktion eine präzisere, regelrechte,
systematische Form. Dieses Reglement, bis zu seinem Tode unab-
lässig verbessert, übergab er seinen Nachfolgern in folgender
Form. Es bestanden vier Arten des Militärgerichts: i. Das höhere
oder Generalitäts-Militärgericht für Vergehen der höheren Militär-
personen, für besonders wichtige Vergehen oder von ganzen Trup-
pentheilen begangene Vergehen. 2. Das niedere Militärgericht für
Stabs- und Oberoffiziere, und für Untermilitärs bei minder wichtigen
Vergehen. 3. Das rasch entscheidende (cKopop'feuiHTeJibHuft cyAi»)
Gericht, dessen Bestand derselbe war, wie bei dem niederen Militär-
gericht, und welches sich nur durch die Schnelligkeit des Gerichts-
verfahrens von demselben unterschied ; es kam nur in Kriegszeiten
zur Anwendung. 4. Das Offiziersgericht. Ausserdem waren in gewissen
-^ 284
Fällen auch Disziplinarstrafen und sogar die Todesstrafe ohne ge-
richtliches Erkenntniss gestattet. Das juristische Element bei den
Militärgerichten bestand aus dem General-Auditeur, dem General-
Auditeur-Lieutenant, dem Ober-Auditeur und dem Regiments-
Auditeur. Die Strafen waren in sechs Kategorien getheilt: i. Leichte
Körperstrafen; 2. schwere Körperstrafen; 3. Todesstrafen; 4, leichte
Ehreitistrafen ; 5. schwere Ehrenstrafen; und 6. Geldstrafen.
Beyne Bnssischer Zeitschiifteii.
«Russisches Archiv» (Russkij Archiv — PyccKiß ApxHB'b).
1878. Heft 4. Inhalt:
Briefe der Kaiserin Katharina II. an die l^andgräfm Karoline von Hessen-Darmstadt.
— Projekt zur Hebung des russischen Handels mit Asien über Chiwa und Buchara.
Eine Notiz von G. S, IVinskif, — Professor Evers nach den Memoiren von //, IV,
Batalin, Mitgetheilt von Z>, Rjabinin. — Erinnerungen des Dr. Seidlitz an den türki-
schen Feldzug des Jahres 1829. — Schicksale eines LivlHnders in St. Petersburg. —
Ein Brief von Krusenstem an O. Ribas. — Briefe über die lateinische Sprache im
Kollegium zu Charkow im Jahre 1877. Mitgetheilt von L. Maziewitsch.
Heft 5. Inhalt:
Eine Schrift von J. Nepljujew über die Organisation des Urarschen Kosakenhecres
während der Regierung der Kaiserin Elisabeth Petrowna. Von II, Witewskij. — Der
Feldzug nach Chiwa im Jahre 1829. Ein Brief des Grafen W. A. Perowskij an A, J.
Bulgakow. — Aus den Papieren von S. Scliewyrew. — Die Russen im Archipel im Jahre
1771, Eine Notiz von Pomjalo-vshij, — Ein Brief des Admirah Spiridow an die Be-
wohner der Insel Syros, — Aus den Memoiren von A. S. Laschkarew (die Flucht des
Königs Ludwig aus Holland im Jahre 18 10). — Das neue Testament in kleinrussischer
Sprache. Eine Notiz, von J, Pawlowskij, — Bemerkungen des Metropoliten Philaret
über das kanonische Recht.
«
Heft 6. Inhalt:
Vierzehn Briefe der Kaiserin Maria Fedorowna an den Ober Kammerherrn, Fürsten
A, M. Golitzyn (1796 — 1802). Mitgetheilt von M, W. Ohsufjau. — Aus den Er-
innerungen von Scrgei Pawlowitsch Schipow. — Fürst W. A. Tscherkaskij. Er-
innerungen von P, A. J, Bessonmo. — Die letzten Tage und der Tod W. A. Tscher-
kaskij (mit Auszügen aus seinen Briefen). — Reval. Erinnerungen von F. /., Ljah-
k(Ko (1822 1825). — Schick.sale eines Livländers in St. Petersburg. — Ein Brief des
Grossfürstcn Alexander Pawlowitsch an Plestschejew. Mitgetheilt von \V. Jeropkin, —
Ein Brief des Kaisers Paul an den Gouverneur von Rjasan Ssonin. — Ein Brief des
Grafen Th. W. Rostoptschln an die GrossfUrstin Katharina Pawlowna. — Ein Brief des
Malers A. Iwanow über sein Christusbild.
♦Journal des Ministeriums der Wegeverbindungen» (Shurnal Mini-
sterstwa Putci Ssoobschtschenija — )KypHajib MnuHCTcpcxBa Ilyrett
CoOÖmeHIH). 1878. Heft 4. Inhalt:
Auszug aus dem Bericht des Mininisters der Wegeverbindungen für die Jahre
1869 — 187a. (Fortsetzung.) — Don-Skizzen, lll. Der untere Lauf. Von O. Gamalitzkij,
28$
-— Vergleichende Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der russischen . Eisen-
bahnen im Jahre 1876. Von A, Lischin, — Die Roggenbeförderung auf den russischen
Eisenbahnen im Jahre 1876. (Fortsetzung.) Von IV, Stankowskij, — Tabelle der im
März 1878 auf den Eisenbahnen nach St. Petersburg eingeführten Lasten. — Die
Brutto-Einnahme der russischen Eisenbahnen im Dezember 1877 und im Jahre 1877. —
Der Kanal auf dem Missisippi bei der Stadt Keokuk im Staate Jowa. (Schtuss.) Von
0, Dara^an, — Versuch einer regelrechten Bestimmung der Grösse der Eisenbahnzüge
und der Schnelligkeit ihres Ganges bei verschiedenen Neigungen. Von K. Prietz. —
Ueber die, von der technischen Kommission des deutschen Eisenbahn* Verbandes vor-
geschlagenen Normen zur Bestimmung der Qualität des Stahls und des Eisens. Von
A. G, — Technische Notizen, Von N, Tsc/uiikowskij.
Heft 5. Inhalt:
Auszug aus dem Bericht des Ministers der Wegeverbindungen für die Jahre 1869 bis
1872. (Forlsetzung.) — Das Institut der Ingenieure der Wegeverbindungen im Jahre
1877, — Ueber Pensions-, Leih- und Sparkassen bei Eisenbahnen. — Die Roggen-
beförderung auf den russsischen Eisenbahnen im Jahre 1876. (Schluss.) Von IV,
Stankowskij. — Die Brutto-Einnahmen der russischen Eisenbahnen und die Zahl der
auf ihnen beförderten Passagiere und Waaren im Januar und Februar 1878. — Tabelle
der im April 1878 auf der Neva und auf den Eisenbahnen nach St. Petersburg ein-
geführten lösten. — Versuch einer regelrechten Bestimmung der Grösse der Eisen-
bahnzüge und der Schnelligkeit ihres Ganges bei verschiedenen Neigungen. Von
A'. Prktz. — Die Regeneration der Produkte des Brennens. Von A, Lischin. — Ueber
die Nivellirungs-Arbeiten auf dem Kaukasus zum Zweck eines Eisenbahnbaues. Von
7. Cliodsko,
Heft 6. Inhalt :
Auszug aus dem Bericht des Ministers der Wegeverbindungen für die Jahre 1869 bis
1872. (Fortsetzung.) Sitzungs-Protokolle des Kongresses der DampfschiflTahrts- und
Barkeiischifffahrts-Unternehmens. — Kurze Uebersicht der Wasserwege im Europäi-
schen Russland. Von A\ iV, Michailow, Don-Skizzen IV. Der physische Charakter
des Don. Von 0, GamaliizkiJ. — Bemerkungen über die Beförderungsfähigkeit der
Eisenbahn Grjasi-Zarizin. Von A''. Kulshitiskij, — Die Brutto-Einnahmen der russi-
schen Eisenbahnen und die Zahl der auf ihnen beforderten Passagiere und Waaren im
März 187S. — Tabelle der im Mai 1878 nach St. Petersburg auf der Newa und auf den
Eibenbahiien eingeführten Lasten. — Ueber Flussregulirungen. Von /*'. von Zur-
MuhUn, — Technische Notizen. Von N. Tschaikowski/.
• Das alte und neue Russland» (Drewnjaja i Nowaja Rossija —
/ipeBHHH H HoBan TocciH). 1878. Heft 4.. Inhalt:
Züge nationaler Selbstständigkeit in der altrussischen Architektur. (Schluss.) Von
y, S. Saiu'iin, — A. W.Kolzow. Ill — IV. Eine biographische Skizze von Th.De-PouU,
— Die Angelegenheit des Seconde-Majors Dershawin. Von S. M, SchpiieivskiJ, —
Eine Episode aus dem Leben von Krekschin. Von y. ^^. ycssipow. — üeber einen
Feld/ug nach Afghanistan. — Kleine Notizen und Berichtigungen.
Heft 5. Inhalt:
A, W. Kolzow. V — VI. Eine biographiFche Skizze von 77/. Dc'Poulc. — Von der
Scheksna bis zum Kubenskischen See, Reiseskizzen von /*'. Arsscnjav, — Die
Schlacht bei Kamenitza im Mai 1809. Von P, Rowinskij, — Die unfreiwillige Monchs-
weihe bei unseren Vorfahren bis zum XVII. Jahrh. Von V rof ^Aris/oio, — Kritik und
Bibliographie. — AU Gr. Iljinskij. Von Prof. Aristow, — Kleine Notizen und Be-
merkungen.
— - lieft 6. Inhalt:
Von der Scheksna bis zum Kubenskischen See, Reiseskizzen von F, Arssenjeiv. —
A. W.Kolzow. VII— VUL Von Th De- Po u/e. - J.V. Oiamoiin (1606—1638).
286
Von M. Puziilih. — Russland und die Königin Viktoria während des Krim-Fcldzuges und
der Zeit des Pariser Traktots. Von N, Firssow. — Die unfreiwillige Mönchswethe bei
unseren Vorfahren bis zum XVIT. Jahrh. II. Von Prof, Aristow. — Ueberreste der
alten Vermessung in Russland. Von A, Ssaweljew, — Kleine Notizen und Be-
merkungen.
«Journal des Ministeriums der Volksaufklärung» (Shurnal Mini-
sterstwa Narodnago Prosweschtschenija — Äypnaji'b MHHHcrepcTBa
HapoAHaro npOCB^meHiÄ). 1878. Heft 6. Inhalt:
Ueber die Grundbegriffe der Psychologie. (Schluss.) Von P, Strackow. — Gegen-
stand, Aufgabe, Ziel, Umfang und Unterricht der klassischen Philologie. Von P, Mo-
d€sto7u, — Die historisch-geographischen Nachrichten von Herberstein. Von E, Sa-
myslowskij. — Patrik Gordon und dessen Tagebuch. (Schluss.) Von Prof. Brückner. —
Kritische und bibliographische Notizen. — Nachrichten über die russischen Lehr-
anstalten. — Abtheilung für klassische Philologie: Zur Frage über die griechischen
Verbalformen. Von A, Nauck, — Protokoll der Sitzung der St. Petersburger Abtheilung
des Vereins für klassische Philologie und Pädagogik am 28. März 1878.
Heft 7. Inhalt:
Die Schulen und die Aufklärung in der Patriarchen-Periode. Von G, Markaivitsch. —
Die byzantinischen Chronisten, als Quelle zur Geschichte* der südlichen Slaven in der
Periode der Vernichtung ihrer Selbstständigkeit. Von G, Katschanowskij, — Bemer-
kungen über das Gewohnheitsrecht. Von Y, Leonto-ivitsch, — Kritische und bibliogra-
phische Bemerkungen. — Die Kaiserliche Oeffentliche Bibliothek im Jahre 1876. —
Nachrichten über die Unterrichtsanstalten. — Abtheilung für klassische Philologie, Ob-
servationcs antiphontcae. Von V, Jcmstedt, — Die Arbeiten in dem Russischen Philo-
logischen Verein in Leipzig.
Heft 8. Inhalt:
Auszug aus dem Allerunterthänigsten Rechenschaftsbericht des Ministers der Volks-
aufklärung für 1876. — Montenegro, Von D, Bakitsch, — Der Einfluss des römischen
Kaiserthums auf die Literatur. Die römische Literatur unter Tibcrius. Von IV. Motle-
stow, — Kritische und bibliographische Bemerkungen. — Unsere pädagogische Litera-
■ tur. — Auszug aus dem Bericht des Kurators des kaukasischen Lehrbezirks für das
Jahr 1877. — Nachrichten über die Untcrrichlsanstallen. — Abtheilung für klassische
Philologie, Die Stellung der Frau in der (Gesellschaft und in der Familie bei den alten
Römern. Von K, Ilölbe. — Homer 's Odyssee mit Bemerkungen von y, Meyer, Lfg. I.
Erster und dritter Gesang.
Russische Bibliographie.
-«-'••• y •-
Pawlischtschew, N. J., Werke. Bd. I. Die polnische Anarchie unter Jan Kasimir
und der Krieg um die- Ukraine. St. Pbrg. 1878. 8". Vlll -(- 262 S. mit Portraits und
I Karte. (IlaBJnilltevfc, H. H., Co4iiHeHi)i. Tomi> I. IIoAiCKaii aHapxin npu Hirh Ka3u-
MMpii M BottHa 3a yipaftHy.)
Skalkowskij, K., Im Lande der Bedrückung und <ler Freiheit. Reise-Kindrücke-
St. Pbrg. 1878. Ö*^ X4-415S. (CBftJMOBOSiit, K., Bi> CTpaHt ura u cboöoam.
IlyTeaua BntnaTJi'feHiji.)
28y
Stratilatow, J., Die Artillerie. Für die Schüler der Junker-Schule in Twer. Bd. II.
Das Pulver. Twer 1878. 8^ 76 -|- 113 4" 3 S. (OTpaTUnTOBK, H., ApTHjuepia mm
lOHKepoBi» TBepcKaro y«MJiHiiui. HacTb 11. FIopoxi».)
Minajew, J., Skizzen aus Ceylon und Indien. Reisenotizen eines Russen. Erster
Theil St. Pbrfir. 1878. 8^ V + 285 S. Zweiter Theil. St. Pbrg. 1878. 8^ 244 S.
(]faiEaOB%, H. P.« GhepiH IXeftJiOHa h HiiAiH. Hai» nyreBbirb saMliTOKi» pycciaio.) ,
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nach Ständen, Altersklassen und Familienstand. St. Pbr?. 1878. 8^. 58 S. (JlysaHm,
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Englische Minenversuche und Sperrungen gegen Minen. St. Pbrg. 1878. 8^.
IV -f- 49 S. (AHr;iiflCKie onuTu hbai» nBHaMH h aarpavAeuifliiH npoTHBi» hhxi>.)
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CpaBHCHiü Typeuicaro BoopyxceHiji ci> pyccKBin».)
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Kursus des russischen Civilrechts. Bd^I. Allgemeiner Theil. Die Lehre von den
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T. I. OCuvan nacTb. yseHie o(n» McroHHHiaxi» npasa.)
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OömeCTUOMT..)
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r. Ilcn3l>, BT. 1877 r.)
Statiblisches Jahrbuch für das Gouvernement Witebsk für das Jahr 1878. "Witebsk.
1878. 8". 420 S. Herausgegeben laut Verfügung des Wilebsker Statistischen Koniile's
von A. SsementOWSkij . (IlaMüTHaa KHU}KKa BhtcöckoI lyCcpiiiii 11a 1S7S r. Co-
craB^icHa A. GOMOHTOBCBimb 110 pacnopflxceHik) BuTc6cKaro CTaTMCTUMccKaro Komh-
Teia.)
Aktenstücke zur Geschichte von Süd- und West-Russland, gesammelt und herausge-
geben von der Archäologischen Kommission. Bd. X. St. Pbrg., 1878, 4". 877 S.
288
(Aktu, oTHOCsmiecii ki» BcropiH K)xHott h 3anaAHOit Poccin, coöpaniiue h BSAftBRue
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cKaro, pyccKaro, no/ibCKaro, jiy}Kiimco-cep6cKaro, nemcKaro, ciiaeaHCKO^cepÖCKaro n
6ojirapcicai o.)
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Typaisi. O61* BOSHHKHOBeHiu no.auTH-'.ecKHX'b MexcAy hhhu oTHomemfi ao JioHAOiiCKaro
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AOsaHiii no puMCKofi iiCTopiii, npeuMyu;ecTneiiHo hi> o6AacTM Tpcrbefl AeKaAU JlnBia.)
Kolomnin, S; Allgemeine medizinische Skizze des serbisch-türkischen Krieges von
1876 und der Arriergarde der Armee in Bessarabien und Rumänien während des türki-
schen Krieges von 1877. L Lfg. St. Pbrg. 8®. II + 97 S. (KoJEOMHHHl, C. Oömü Me-
AMiuiHCKift OHepiTb cepCo-rypeuKott boIhu 1876 r. m Tbi;ia apMiii bi> Beccapaöin h Py*
VMHiH Bo BpeMx TypcuKOtt BoftHbi 1877 r,\
Tschemersin, A Die Türkei, deren Grösse und deren Verfall. Historische und
militärische Skizzen. Bd. I. St. Pbrg. 1878. 8°. VII -f" 349 ^. ""^^ 2 Karten. C^OHOIh
VHWbf A« TypuiH,' ea MoryoiecTBO u pacnaACHie. McropiiMCCKie u Boeimue onepKH.)
Russische historische Bibliothek , herausgegeben von der Archäologischen Kom-
mission. Bd. V, Aktenstücke aus dem Iwerskischen Swjatooserski'schcn Kloster 1582 —
1706, herausgegeben vom Archimandrit LQOnid. St. Pbrg. 1878. 8". II -j 1138 S.
(PyccKBH ucTopuHecKaa 6iiOJiioTeKa, M3AaBaeMaii Apxeorpa4»u4ecKoio KuuMucieio. T. V.
AxTbi HnepcKaro CBHrooaepcvaro MOHacTMpM, 1582 — 1706, co6paHHbie apximaiiApii-
TOMi, JleoHflAoiTb.)
MeitwagO, A. Die Kriegsflotten der Gegenwart. Englische Kreuzer und Panzer*
schiflc und die französische Panzerflolte. St. Pbrg. 1878. 4**. 65 S. (MepTBarO, A. Co-
BpeMeiiHhie BoeHiibie 4>;iOTbi. AurTiifiCEie Kpeftcepu h 6poiieHOCbi u <s>paHuy3CKii 6po-
Heifociiiaft 4>JiOT'b.)
Tsohishow, N. Die Quelle und die Formen des Rcclit.^. Warbcliau. 1878. 8«. III
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schaftlicher <^uellenerforschung. Warschau. 1878. 8". XII -\- 364 S. (G&MOKBMOVfcf A.
llcTopin pyccxaro npasa. T. I. liana^io nojiuTUMecKaro 6biTa ApcBHe-pyccKuxi» cJiaBXH-b.
Bhiu. I. JIuTeparypa, hctohiihku, MexoAM yneHOft paapaoorKM iictohhukobi».
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Köitger.
Ao3BOJieHo ueHsypoK). C.-Herepöyprb, 15-ro CeiiraÖpM 1878 roAa
Bachdruckerei von RÖTTGKR& Sc II NEIDER, Newsky-Prospekt M 5.
Fürst W. W. GoUzyn.
(1643-1714.)
Eine biographische Skizze.
Von
A. Brückner.
(Schluss.)*
•^ y ^ .- y
Oolizyn als Feldherr.
Ueber Golizyn's militärische Talente haben wir sehr wenige Nach-
richten. Was wir von seinem Anthcil an den Feldzügen in Klein-
Russland in den siebenziger Jahren wissen, ist kaum der Rede werth.
Dass er in dieser Zeit reich belohnt worden war, ist kein Maassstab
für seine eigentlichen Verdienste als Heerführer.
Jetzt aber, als man nach langem Zögern sich zum Kriege mit den
Tataren entschloss, als man sogleich nach dem Abschlüsse des
«ewigen» Friedens mit Polen, wobei man sich zur Aktion gegen
den Islam verpflichtet hatte, sich mit Vorbereitungen zu dem Feld-
zuge in die Krim beschäftigte, sollte sich zeigen, was Golizyn als
Militär, als Oberfeldherr zu leisten vermöge.
Die Ereignisse haben gelehrt, dass seine unglückselige Fcldherrn-
roUe seinen Sturz eingeleitet hat. Für Golizyn bot, abgesehen
von dem Wagniss einer militärischen Rolle, die Abwesenheit von
der Hauptstadt grosse Gefahren dar. Er wusste, dass er viele Feinde
habe. Wer so hoch stand, so viel Macht und Einfluss hatte, sich so
unbedingt der Gunst der ersten Person im Reiche, der Prinzessin
Sophie erfreute, wie Golizyn, dem konnte es nicht an Neidern und
Gegnern fehlen. Er scheint sich einer solchen Gefahr, welche mit
seiner Abreise aus dem Mittelpunkte des Reiches stieg, wohl be-
wusst gewesen zu sein.
Schon sein hervorragender Antheii an der grossen Maassregel der
Abschaß'ung der Rangstreitigkeiten musste viele Anhänger alter
* Vgl. -Russ. Revue» Bd. XIII. S. 193 u, ff.
BUSB, BSYUE. BD. Xm. I9
2go
Familieninteressen gegen Golizyn aufbringen. Sehr bald, nachdem
er unter dem Zaren Feodor diese Reform durchgesetzt hatte, nahm
er als Günstling der Regentin, als erster Beamter im Reiche eine
Stellung ein, welche ihm gestattete, alle Aemter, sowohl bei der
Civilverwaltung als bei der Armee, nach seinem Gutdünken, ohne
Rücksicht auf Familienansehen oder persönliche Interessen der Be-
werber, besetzen zu können. Er wird von einer solchen Machtbe-
fügniss ohne Zweifel sehr ausgedehnten Gebrauch gemacht haben.
Es wird berichtet, dass, als Golizyn nach den Bluttagen des Mai
1682 die Offizierstellen bei den Regimentern der Strelzy neu und
zum Theil durch tüchtige Parvenu's besetzte, er sich dadurch den
Unwillen des noch in den Reminiscenzen der «Mestnitschestwo»
(Rangstreit) befangenen Adels zuzogt Ueberhaupt brachte er durch
Vergebung von Aemtern Viele, welche Berücksichtigung zu ver-
dienen meinten, ohne ernannt zu werden, gegen sich auf. Dass er
selbst eine Menge Aemter für sich in Anspruch nahm, in seiner Per-
son eine grosse Anzahl von Funktionen vereinigte, als Chef einer
ganzen Reihe von Behörden thätig war und auch wohl aus einer
solchen Stellencumulirung materiellen Vortheil für sich zog, mochte
dazu beitragen, die Zahl seiner Gegner zu mehren. In Verhält-
nissen, wo öflfentliche Moral und öffentliche Meinung so gut wie
nichts galten, persönliche Macht, Bestechlichkeit und Intrigue das
Meiste zu entscheiden pflegten, konnte es nicht fehlen, dass Golizyn,
schon um seine Stellung wenigstens zeitweilig zu befestigen, bei der
Aemterverleihung in erster Linie seine Freunde und Anhänger be-
dachte. Selbst sein Bewunderer, Neuville, berichtet, er habe alle
Stellen mit seinen Kreaturen besetzt. Er war eine Partei; er hatte
es mit entgegengesetzten Parteien zu thun. Bei solchen Zuständen
ist die persönliche Anwesenheit im Mittelpunkte der Geschäfte, wo
man jede Gefahr eher erkennen, jeden feindlichen Schachzug erfolg-
reicher belauern kann, von grossem Werthe.
Es entsteht daher die Frage: wie kam es, dass Golizyn sich ent-
schloss, seine Zukunft an das Hazard$piel eines Feldzugs zu knüp-
fen, den Aufenthalt in der Residenz, an der Seite der Regentin, in-
mitten der Verwaltung, der innern und auswärtigen Politik gegen
das Lagerleben zu vertauschen? Wenn wohl vermuthet worden ist,
dass der Durst nach Ruhm, die Sucht nach einem neuen Titel ihn
bestimmte, sich an die Spitze des, gegen die Tataren ausrückenden
* Vgl. Malinowskij a. a. O. S, 72,
'/'
^01
Heeres zu stellen, so ist für eine solche Annahme um so weniger
ein Grund vorhanden, als der in diesem Falle gewiss glaubwürdige
Neuville ausdrücklich berichtet, Golizyn habe den Oberbefehl über
die Armee nur ungern übernommen und hätte sich gern von einer
solchen Verpflichtung losgemacht. Wie dem auch sein mochte:
gewiss ist, dass ein siegreicher Feldherr an der Spitze der aus der
Krim heimkehrenden Truppen ihm weniger Gefahr bot, als ein Miss-
erfolg der ganzen Unternehmung, wenn er als Feldherr die Leitung
derselben für sich allein in Anspruch nahm. In dem Maasse, als
überdies der Verlauf des Feldzuges eine gewisse Unfähigkeit Goli-
zyn's für die Leitung militärischer Operationen an den Tag legt,
lässt sich kaum vermuthen, dass Golizyn sich für ein militärisches
Genie gehalten und aus persönlicher Neigung die Feldherrnrolle
übernommen habe.
Wir müssen es uns versagen, auf die Einzelnheiten der militäri-
schen Operationen der beiden Feldzüge in den Jahren 1687 und
1689 einzugehen. Das Ergebniss war in beiden Fällen ein völliges
Scheitern. Statt die Krim zu erobern, kehrte man 1687 um, ehe
man selbst die Landenge von Perekop erreicht hatte und ohne, dass
man auch nur des Feindes ansichtig geworden wäre. Im Jahre
1689 kam es nach einigen Scharmützeln in der Nähe der Landenge
von Perekop zu Verhandlungen zwischen Golizyn und den Tataren,
welche auf den Feldherrn ein übles Licht werfen.
Beschränken wir uns bei der Darstellung dieser Vorgänge auf die-
jenigen Züge, welche Golizyn betreffen.
Schon die Langsamkeit und Unpünktlichkeit des Erscheinens der
Truppentheilc an den Sammelpunkten schob den Beginn der Cam-
pagne hinaus und licss nichts Gutes erwarten. In manchen Fällen
aber Hess der Mangel an Disziplin auf eine gewisse, direkt gegen
Golizyn gerichtete Animosität der russischen Offiziere schliessen.
Einen tiefen Einblick in diese Verhältnisse gewähren GoHzyn's, wäh-
rend des Feldzuges an Schaklowitij gerichteten Briefe, welche
Ustrjalow mitgetheilt hat. Hier beklagt sich der Fürst bitter über
die Eigenmächtigkeit der Edell.eute, welche sich den Anordnungen
nicht fügen wollten; es sei nichts als Ungehorsam und Widerspen-
stigkeit bei den «Rittmeistern*. Er bat um ausgedehnte Vollmach-
ten zur Bestrafung der Störrischen und berief sich dabei auf Bestim-
mungen, welche bereits in der Zeit des Zaren Feodor in Betreff der
Disziplin erlassen worden waren. Er will Macht haben, solche
Strenge zu üben, dass «Alle zittern sollen». Namentlich einigte Glie-
292
•
der der alten Geschlechter der Dolgorukij's und Schtscherbatow's
brachten ihn auf: er verlangte, dass ihnen zur Strafe ihre Güter kon-
fiszirt werden sollten. Allerdings hatten sich diese zu einer sehr
kecken Demonstration gegen den Oberfeldherrn hinreissen lassen.
Um zu zeigen, dass sie an keinen Erfolg des Eeldzuges glaubten,
erschienen sie bei der Armee in einem seltsamen Aufzuge. Sich
selbst und ihre Pferde hatten sie in schwarze Tücher, also in Trauer-
gewänder gehüllt. Golizyn musste, wenn anders er der Demora-
lisation des ganzen Heeres vorbeugen wollte. Strenge üben. Daher
verschaffte er sich durch Vermittelung Schaklowitij's ausgedehnte
Vollmachten ; er war bald in der Lage, so energisch aufzutreten,
dass die Schuldigen sich vor dem Machthaber beugten, und um
Verzeihung baten ^
Gordon hatte 1684 in seinem Gutachten die Gefahren, welche der
Marsch durch die wasserlosen Steppen bot, unterschätzt. Bei dem
Ungeheuern Tross, der kolossalen Anzahl von Pferden, welche die
Armee mit sich führte, stellte sich bald entsetzlicher Wassermangel
ein. Sowohl in Gordon's Tagebuche, als in Lefort's Briefen, welche
Posselt mitgetheilt hat, sind die Leiden geschildert, welche der
Marsch mit sich brachte. Lefort macht dem Oberfeldherrn dabei
den Vorwurf, dass er diese Leiden gemehrt habe, indem er nicht
gestattete, dass die verschiedenen Truppentheile von dem einmal
vorgeschriebenen Wege abwichen^. Krankheiten und Sterblichkeit
rieben einen Theil der Armee auf. Lefort schreibt: »Der Seigneur,
unser Fürst, war in Verzweiflung, nicht nach Perekop gelangen zu
können.» .... «Unser Generalissimus war ausser sich, und ich kann
Euch versichern, er weinte bitterlich» *
Das Schlimmste war der Steppenbrand, welcher die letzten W^as-
serreste in der Einöde vernichtete und den Mangel an Futter für die
Pferde verursachte. Die Kosaken und auch der Hetman Ssamoilo-
witsch sind beschuldigt worden, verrätherischer Weise das Steppen-
gras augezündet zu haben. Dieses hat wesentlich zum Sturze des
Hetman's beigetragen, den Golizyn nicht bloss geschehen, sondern,
wie man vermuthen darf, gerne geschehen Hess. Wir haben keinen
Grund an die Schuld Ssamoilowitsch's oder der Kosaken zu glau-
ben. Eher könnte man vermuthen, dass Tataren den Steppenbrand
verursacht hätten, um das Vorrücken der Russen zu verhindern.
* Ustrjalow, I. S. 347—350.
* Posselt, Lefort, I. S. 373.
* PosRclt, Lefort I, S 373 - 374.
293
Gewissermaassen nur als ein Kuriosum wollen wir anführen, dass
auch wohl der Fürst Gohzyn selbst beschuldigt worden ist, den
Steppenbrand herbeigeführt zu haben ^
Das Ergebniss war, dass man umkehrte, nachdem man bis zum
Karatschokrak (etwa 200 Werst oder 30 Meilen von der Landenge
Perekop) vorgedrungen war. Golfeyn hatte Eile, nach Hause zu
gelangen. In Moskau hatte man während seiner Abwesenheit gegen
ihn allerlei Ränke geschmiedet. Kaum hatte er die Hauptstadt ver-
lassen, als sein gefährlichster Gegner, der Fürst Tscherkasskij,
gegen ihn zu agitiren begann. Auch den Einfluss des Patriarchen
scheint Golizyn gefürchtet zu haben. Nicht umsonst zeugen die
zahlreichen, an Schaklowitij gerichteten Briefe Golizyn's von einer
gewissen Aufregung, Unruhe, Verstimmung, Spannung. Stets wie-
derholt er die Frage, ob es nicht Ränke gebe, ob die Gegner nicht
wiederum böse Anschläge ersinnen ; oft fragt er, was man von ihm
rede; als er einst auf dem Marsche bei einem Gelage ausser der Ge-
sundheit des Zaren auch diejenige der Prinzessin ausgebracht hatte,
fragte er, welchen Eindruck dieses in der Hauptstadt gemacht habe;
dazwischen verlangt er, man solle diese oder jene Persönlichkeit
entfernen; er lauscht allerlei Gerüchten über die gegen ihn ge-
sponnenen Ränke, fordert seinen Freund auf, nur ja wachsam zu
sein und bittet ihn^ zur Belohnung ein bedeutendes Geldgeschenk
anzunehmen. Als Schaklowitij im Auftrage der Regentin zum
Heere reiste, welches bereits auf der Rückkehr begriffen war, äus-
serte Golizyn seine Unzufriedenheit, dass Schaklowitij durch Ver-
lassen der Hauptstadt den Ränken seiner, Golizyn's, Feinde Spiel-
raum gönne*.
Fast scheint es, als habe auch die Prinzessin Sophie gefürchtet,
dass Golizyn^s Feinde siegen würden, wenn er nach einem solchen
Misserfolge heimkehrte. Sie schickte ihm Schaklowitij mit der
Weisung entgegen, wenn möglich wieder umzukehren, durch die
donischen Kosaken die Krim von der Seeseite anzugreifen, die klein
russischen Kosaken vom Dnjepr aus operiren zu lassen oder wenig-
stens durch Errichtung von Forts im Süden die Grenze zu sichern'.
* Vgl. Schleusing a. a. O. < Durch heimliche Korrespondenz mit den Tataren hat er
die Haide in Brand stecken lassen. Die Meisten von der russischen Armee erstickten
im Rauche» . In den «Gesprächen im Reiche der Todten» erzählt Golizyn genau die
Geschichte dieser Verrätherei, S, 1184.
' Vgl. Ustijalow I. S. 346 u, flf.
* Akten die Angelegenheiten der Krim betreffend, bei Ssolowjew, Bd« XIV. S. 41.
294
Golizyn konnte nicht daran denken. Er erledigte nur die Ange-
legenheit, welche den Sturz Ssamoilowitsch's und die Erhebung Ma-
seppa's^ betraf, wobei er, wie oben bereits bemerkt wurde, auf
seinen materiellen Vortheil bedacht war, sich von Maseppa be-
schenken Hess, vielleicht aus dem konfiszirten Vermögen Ssamoilo-
witsch's sich Einiges, wie man ihm vorwarf, aneignete, und eilte
nach .der Hauptstadt.
Die Regentin deckte mit ihrer Gunst den unglücklichen Feldherrn
gegen alle Feinde. Er ward reich belohnt. Er erhielt eine schwere
goldene Kette, eine Denkmünze im Werthe von 300 Dukaten, 1000
Bauernhöfe und andere reichliche Geschenke. Die dreistesten offi-
ziellen Lügen sollten den totalen Misserfolg beschönigen. In Mani-
festen sprach man von errungenen Siegen*. Er war vorläufig so
mächtig wie zuvor.
Man wollte den Versuch einer Eroberung der Krim wiederholen,
aber nicht sogleich. Zunächst errichtete man im Jahre 1688 ein Fort am
Ausflusse der Ssamara in den Dnjepr. Der Plan dieses Forts war
von einem holländischen Ingenieur entworfen. Auch Gordon musste
bei dieser Gelegenheit sein Urtheil abgeben. Man sieht, dass
Golizyn bei der Errichtung von Bogorodizk, in ähnlicher Weise wie
Peter bei der Eroberung und Befestigung Asow's und der Grün-
dung Taganrog*s, west-europäische Intelligenz zu Rathe zog. Die
Maassregel war zweckmässig und heilsam. Man bedurfte solcher
vorgeschobener Posten im Süden, welche einerseits bei Feldzügen
gegen die Tataren als Stützpunkte, Lagerplätze und Niederlagen
von Lebensmitteln und Kriegsgeräth dienten, andererseits den fort-
während wiederholten Raubzügen der Tataren zu steuern geeignet
sein konnten. Noch ehe dieses Fort vollendet war, schleppten die
Tataren bei einem, in das russische Gebiet unternommenen Raub-
zuge (im März 1688) nicht weniger als sechszigtausend Menschen
als Gefangene fort. Um so lächerlicher ist die, bei Gelegenheit des
Sturzes Golizyn's gegen ihn im Publikum erhobene Anklage, er
habe 1688 die Festung Bogorodizk bauen lassen, um die Truppen,
insbesondere die Strelzy, zu Grunde zu richten'. Solche Dinge
' Dass er die Wahl beeinflusste, s. bei Ustrjalow und Ssolowjew.
• Vgl. die GeseUsammlung Bd. II. Jl6 1258, Baron Keller übernahm es in Holland
Nachrichten über den angeblichen Sieg Golizyn's zu verbreiten ; s. Posselt, Lefort 1,
S. 389. Auch nach Polen sandte man solche lügenhafte Berichte, s. Terescbtschenko
a. a. O. S. 163 — 164. S. ebendort die abenteuerlichen Gerüchte io Wien.
* Vgl. Gordon*s Tagebuch I. S. 306. Gordoa, welcher die Sache beurtbeilen konnte,
295
können als ein Maassstab für die, im Volke gegen Golizyn herrschende
Aminosität und zugleich als Warnimg in Betreff anderer über ihn in
Umlauf gesetzter Gerüchte dienen.
Inzwischen schien die orientalische Frage in eine neue Phase ein-
treten zu wollen. Es geschah Mancherlei, was Russlapd zu energi-
scherem Vorgehen veranlassen konnte. Die Venetianer und die
Oesterreicher errangen bedeutende Vortheile im Kampfe mit den
Türken, die ersteren in Morea und Dalmatien, die letzteren in
Ungarn; der ehemalige Patriarch von Konstantinopel, Dionysius,
liess durch den Archimandriten des Klosters zum heil. Paul auf dem
Berge Athos, Jesajas, melden, jetzt sei die richtige Zeit, die
Christen zu befreien. Alle: Serben, Bulgaren, Moldauer und Walla-
chen hofften auf Russland. Der Hospodar der Wallache!, Schtscher-
ban, sandte ein Schreiben, in welchem er die Hoffnung aussprach,
dass Russland das Türkenjoch brechen werde. Aehnliches schrieb
der Patriarch von Serbien, Arsenius. Schtscherban lud die russische
Armee ein, an die Donau zu kommen; er wollte selbst für ein
Hülfskorps von 70,000 Mann sorgen, und stellte die Wahrscheinlich-
keit bedeutender Erfolge in Aussicht. Dabei schilderte er den Hass
der dortigen Bevölkerung gegen Oesterreich, wie denn auch die
Geistlichen jener Gegenden in ihren, nach Russland gesandten
Schreiben vor den Katholiken warnten.
Man sieht: es gab im Jahre 1688 genau dieselbe Veranlassung auf
Erfolge zu rechnen, wie im Jahre 171 1, wo Kantemir dem Zaren
Peter den Sieg als wahrscheinlich vorstellte. Es war auch im J. 1688
unmöglich, sich allen "solchen Anregungen gegenüber gleichg^ültig
zu verhalten. Wir dürfen annehmen, dass Golizyn bedeutenden An-
theil an dem Schreiben gehabt habe, welches die beiden Zaren,
Iwan und Peter, an den Hospodaren der Wallachei, Schtscherban,
richteten, und in welchem sie ihn aufforderten mit seinen Truppen
gegen die am Dnjepr gelegenen türkischen Festungen zu ziehen.
Doch hatten sich inzwischen die Verhältnisse geändert; Schtscher-
ban war gestorben und sein Neffe, Konstantin, beschränkte sich
darauf, das Schreiben der Zaren niit allgemeinen Redensarten zu
beantwortend Schlimmer noch war es, dass man erfuhr, der Kaiser
und Polen seien im Begriff, mit der Türkei Frieden zu schliessen.
Da war es denn, wo die russische Regierung, ihre Macht und Be-
bemerkt dazu : «Eine schlechte Erfindung, welche weder Grund noch Wahrscheinlich-
keit hatte».
* Nach bisher unbekannten Archivalien Ssolowjew, Bd. XIV, S. 54.
296
deutung überschätzend, sich zu grossen Entwürfen hinreissen Hess.
In den, die polnischen Angelegenheiten betreffenden Akten im
Hauptarchiv zu Moskau hat sich das Konzept zu einer, an den russi-
schen Gesandten in Wien, Wosnizyn, abzusendenden Instruktion
gefunden, in welcher, für den Fall eines Friedensschlusses mit der
Pforte, Russland folgende Forderungen macht: alle Tataren sollen
aus der Krim nach Klein-Asien übersiedeln und die Krim soll an
Russland abgetreten werden; ebenso sollen alle Türken und Tataren
aus der Gegend von Asow entfernt und Asow selbst soll den
Russen abgetreten werden. Ferner verlangte Russland, wenn nicht
Abtretung, so doch wenigstens Schleifung der türkischen Festungen
Kasikerman, Otschakow- u. A.; endlich die Freilassung aller russi-
scher Gefangener und als Entschädigung für die, durch tatarische
Ueberfälle verursachten Verluste, die Zahlung von zwei Millionen
Dukaten*.
Ustrjalow untersucht die Frage nicht, ob eine solche Instruktion
abgesandt wurde, oder ob dieses Aktenstück nur Entwurf war und
Entwurf blieb. Wenn Golizyn an diesem Hirngespinst Antheil hatte,
was denn doch sehr wahrscheinlich erscheint, so kompromittiren
solche Rodomontaden ihn in Betreflf seiner diplomatischen Fähig-
keiten noch mehr, als die beiden Feldzüge von 1687 und 1689 ihn
als Feldherrn in einem keineswegs heroischen Lichte erscheinen
lassen. Selbst Katharina 11. hat nach den grossen Erfolgen im ersten
türkischen Kriege nicht solche Forderungen an die Pforte zu stellen
gewagt. Der Frieden von Kutschuk-Kainardsche zeugt von Mässi-
gung im Vergleich mit den Ansprüchen der Prinzessin Sophie in
jenem, von Ustrjalow entdeckten Aktenstücke. Man denke nur ^n
den Ausgang des kurz zuvor unternommenen Feldzugs in die Krim!
Trug man sich mit grossen Entwürfen, so musste man den Ver-
such eines Feldzugs in den Süden wiederholen. So kam es denn
zur Unternehmung des Jahres 1689. Wieder begegnen wir dem
Fürsten Golizyn an der Spitze des russischen Heeres und dem Gene-
ral Gordon an der Seite des Fürsten. Hatte man 1687 den Fehler
gemacht, zu spät aufzubrechen und in Folge dessen mit der Sonnen-
glut in der Steppe, als dem schlimmsten Feinde, zu kämpfen ge-
habt, so eröflfnete man 1689 die Operationen bereits im Winter.
Man marschirte bei Kälte und Schnee aus der Hauptstadt und hatte
dann in der Steppe allerdings nicht mit Wassermangel zu kämpfen-
* Vgl. Ustrjalow, I, S. 217.
297
Auch kam es diesmal wirklich zum Zusammenstoss mit den Fein-
den. Aber auch diesmal gab es keinen Erfolg.
Eine grosse Zahl von Berichten Golizyn's an die Zaren und die
Regentin über alle Einzelnheiten des Feldzugs, welche Ustrjalow
mitgetheilt hat, Gordon's Tagebuch, Lefort's Briefe, Sophiens Er-
zählungen an Neuville, Korb's sorgfältig gesammelte Nachrichten
und andere Quellen gewähren uns einen Einblick in den Charakter
dieser militärischen Unternehmungen. Hiernach gewinnen wir den
Eindruck, dass Golizyn von einer argen Schönfärberei in seinen Be-
richten nicht freizusprechen ist. Jedes militärische Ereigniss wurde
zu einer grossartigen Aktion aufgebauscht. Die Regierung war
im Jahre 1689 noch mehr als im Jahre 1687 darauf bedacht, der
Mitwelt Sand in die Augen zu streuen und von grossen Siegen zu
reden, wo ein totales Fiasko vorlag.
Am 16. Mai stiess man mit den Tataren zusammen und zwar in
dem, bereits in der Nähe von Perekop gelegenen «Schwarzen Thal*.
Die russische Artillerie zeigte sich dem Feinde überlegen j dagegen
erwiess sich die russische Reiterei als durchaus unzulänglich. Im
Ganzen gab es wohl in sofern einen gewissen Erfolg, als die Tataren
ebenso schnell verschwanden, wie sie gekommen waren und zu-
nächst am andern Tage den Angriflf nicht zu erneuern wagten. In
seinem Bulletin schildert Golizyn dieses Treffen grosssprecherisch
als eine gewaltige Schlacht, während doch schon aus seinen Anga-
ben über die Verluste hervorgeht, dass die ganze Aflfaire nicht
irgendwie als eine wichtige oder entscheidende angesehen werden
kann'.
Hatte man schon nach dem ersten Feldzuge in den offiziellen
Manifesten von allerlei Siegen gefabelt, so nahm man den Mund
jetzt noch voller*.
• Vgl. die Bulletins Golizyn^s bei Ustrjalow I, S. 322 u. ff. und wörtlich im Anhange
s. 355—382.
' Wie man 1687 wenigstens zeitweilig das Publikum irreführte, zeigte der Bericht
von den militärisclien Ereignissen bei Sandrort: Kurtze Beschreibung von Moskowien
oder Reussland, Nürnberg 171 1, S. 203 — 210. Da heisst es u. A.: Perekop sei einge-
nommen worden, wobei 59,000 Mann Tataren niedergehauen worden und 3000 Ko-
saken gefallen seien ^ hierauf sei die Afmee nach Otschakow marschirt, wo man 70,000
Tataren niedermetzelte, während nur 400 Russen fielen ; Otschakow sei genommen wor-
den, alle Gefangenen, die in der Krim schmachteten, habe man befreit, viele Tausende
von Tataren hatten sich der moskowitischen Botmässigkeit unterworfen, viele Tausende
der schönsten Pferde habe man erbeutet. Der Verfasser, welcher sich denn doch wohl
in Moskau aufhielt und unter dem Eindrucke der im Publikum zirkulirenden Gerüchte
298
Wie man in offiziellen Berichten russischerseits die Ereignisse des
Feldzuges von 1689 darzustellen beliebte, erfahren wir genau aus
der Schilderung, welche in einem, durch den russischen diplomati-
schen Agenten in Venedig, den Griechen Lichudij, von den Schlach-
ten im Mai 1689 überreichten Bericht der russischen Regierung ent-
worfen wurde. Da heisst es u. A.: Aller Welt sei der glorreich ei*-
rungene Sieg Russlands über die Tataren bekannt ; die ganze Ge-
gend, in welcher die Schlacht stattgefunden habe, sei mit Leichen
besäet gewesen, der Chan sei verwundet, eine Menge angesehener
Tataren seien gefangen u. s. w. *
Dass die Prinzessin Sophie an die Berichte Golizyn's glaubte, ist
aus ihrem, an den Fürsten gerichteten Briefe zu ersehen. Er hatte
ihr geschrieben, sie möge für seine glückliche Rückkehr beten. Sie
antwortete: «Mein Alles, mein Brüderchen, Wassenka! sei Du, mein
Väterchen gegrüssl; lebe glücklich viele Jahre! Und noch einmal sei
gegrüsst, nachdem Du mit Gottes Hülfe und durch die Gnade der
heilrgen Mutter Gottes und durch Deinen Verstand und Dein Glück
die Nachkommen Hagar*s besiegt hast! Möge Gott Dir auch ferner-
hin verleihen, dass Du die Feinde besiegest! Ich aber, mein Alles,
kann es nicht glauben, dass Du zu uns zurückkehren wirst; ich
werde es nicht eher glauben, als wenn ich Dich, mein Alles, in
meinen Armen halten werde. Wie kannst Du nur, mein Alles,
schreiben, ich solle für Dich beten: bin ich denn so sündlich und
unwürdig vor Gott; und wenn ich auch sündhaft bin, so wage ich es
doch auf seine Gnade zu hoffen. Glaube mir! Ich bete immer
darum, dass ich Dich, meine Welt, in Freude wiedersehen möge.
Und somit lebewohl, mein Alles, in Ewigkeit»!*
Wie man aber im Volke von diesen angeblich grossen Siegen
schrieb, bemerkt S. 200: «Gleich itzo kommt ein Kosak bei mir an, der Alles Obige
bestätigt und Ton noch einer Schlacht erzählt, in welcher 8000 Tataren getödtet wur-
den». Es ist begreiflich, wenn daraus folgender Schluss gezogen wird : «Dafem der
gilädige Gott seinen Segen noch weiter mittheilen wollte, würde der Tatarchen in
wenig Zeit zum Vasallen des Moskauer Zar^n werden». Wie umständlich die falschen
Nachrichten waren, denen man im Publikum Glauben schenkte, zeigt die genaue Spe-
zifizirung der russischen Armee, welche nach Sandrort 527,000 Mann betragen haben
soll!!
' Vgl. die Denkmäler der diplomatischen Beziehungen, Bd. X, S. 1374.
' Diesen, in ChiiTerD geschriebenen Brief, so wie den zweiten, sogleich mitzutheilen-
den, entdeckte Ustrjalow in den Archiven und entzifferte diese Aktenstücke mit vieler
Mühe. Es gab keinen Schlüssel für die Chifferschrift. Man musste ihn Anden. Auch die
Faximile's hat Ustijalow mitgetheilt.
?99
Golizyn's sprach, zeig^ folgende Ausführung des Bauern Possosch-
kow, welcher einige Jahre später in einem Schreiben an den Bojaren
Golowin die Mängel der russischen Heeresorganisation schilderte.
Er schreibt: «Es ist allen bekannt, wie der Fürst Wassili j Wassilje-
witsch Golizyn nach Perekop ging und, wie man sagt, mit ihm
300,000 Mann. Und ihm entgegen kamen Alles in Allem etwa
15,000 Tataren; und die Unseren konnten im Kampfe mit ihnen
nicht bestehen. Ist es nicht eine Schmach für uns, dass jene Tataren
mit einer Handvoll Reiter und Armbrustschützen die Uns^rn schlu-
gen und, wie man sagt, zwanzig Kanonen fortnahmen. Und die Un-
sern haben es nicht gewagt, die Kanonen wiederzunchmen und
fürchteten sich vor einer Handvoll Menschen... Allen ist es bekannt,
wie die Tataren die russischen Verschanzungen anfielen und zer-
störten, und die Unseren klappern und knallen mit ihren Waffen,
aber die Tataren beachten es gar nicht, weil kein Schuss trifft».*
Als Golizyn nach den Scharmützeln mit den Tataren den Marsch
fortsetzte, und am 20. Mai bei Perekop anlangte, stellten sich die-
selben Ucbelstände heraus, welche schon 168^^ zur Umkehr genö-
thigt halten: Wasser- und Futtermangel. Man scheint nicht daran
gedacht zu haben, dass auch jenseits der Landenge, d. h. in der
nördlichen Hälfte der Taurischen Halbinsel, dieselbe wasser- und
baumlose Oede sich ausdehne, wie auf dem Festlande. Es gab nur
salziges, nicht trinkbares Wasser; es fehlte an Lebensmitteln ; die
Pferde fielen, die Menschen siechten dahin; länger an diesem Orte
zu verweilen, war unmöglich. So stellte Golizyn sowohl in seinen
offiziellen Berichten, als in einem Schreiben an die Prinzessin die
Sachlage dar'**.
Dazu begannen zwischen dem Chan und Golizyn Untcrhandlun-
g.en, über deren Beginn Verschiedenes berichtet wird. Golizyn mel-
det, der Chan habe mehrmals zu ihm gesandt und «um Frieden ge-
beten». Ueber die Haltung Golizyn's in Betreff der Eröffnung der
Verhandlungen sind sowohl bei dem Sturze Golizyn's im Septem-
ber 1689, als auch ein Paar Jahre später während seiner Verbannung
Untersuchungen angestellt worden, über welche die Akten vorlie-
gen. Die Sache scheint sich so zugetragen zu haben, dass ein über-
gelaufener Tatar den Fürsten glauben machte, der Chan sei geneigt
' Vgl. meine Schrift: Iwan Possoschkow, Ideen und Zustände in Russland zur Zeit
Peters des Grossen, Leipzig, 1878. S. 214 u. 215. Possoschkow gibt die Armee auf
300,000 Mann an. Das Heer zählte nicht viel mehr als 100,000 Mann
^ Ustrjalow I. S 222 u. 227.
300
zum Frieden, worauf hin Golizyn durch ein, an einen Pfeil gebunde-
nes und in das feindliche Lager geschleudertes Schreiben seine Be-
reitwilligkeit zu Unterhandlungen aussprach; die Tataren drückten
anfänglich höchst verwundert, dann in einem, ebenfalls mittelst eines
Pfeiles übersandten Schreiben ihre Bereitschaft zu kämpfen aus,
und machten gleichzeitig noch Vorwürfe wegen des Friedensbru-
ches durch die Russen. In einem ferneren an den, in Golizyn's Lager
befindlichen Tataren gerichteten Schreiben erklärten die Tataren
sich zu Unterhandlungen bereit und so kam es denn zu denselben
gerade in dem Augenblicke, als, wie Andere ausgesagt haben, das
russische Heer des Befehls zur Schlacht gewärtig war.
So hatte denn Golizyn die Thatsachen entstellt, auch darin, dass
er in seinem Berichte erzählt, er sei mit Zustimmung der andern
Würdenträger in der Armee zu den Unterhandlungen geschritten.
Der Bojar Schein rieth, wie sich später herausstellte, von den Un-
terhandlungen ab; Maseppa scheint auch nicht dafür gewesen zu
sein. Die Unterhandlungen wurden formlos geführt Noch vor den-
selben hatte Golizyn die Armee eine Stellung mit der Tete nach
Russland einnehmen lassen; während derselben setzte sich die Ar-
mee in Marsch; zum Abschluss eines förmlichen Vertrages war es
nicht gekommen. Ein solcher Rückzug sah einer Flucht ähnlich.
Schmachbedeckt, noch mehr kompromittirt, als bei dem Feldzuge
' des Jahres 1687, kehrte der Fürst Golizyn nach Moskau zurück*.
Golizyn hatte in seinen offiziellen Schreiben an die Zaren gemel-
det, der Chan habe mehrmals um Frieden gebeten, aber er, Golizyn,
habe nach reiflicher Erwägung aller Umstände, wobei er sich mit
allen Führern der Armee berathen habe, das Anerbieten des Frie-
dens abgelehnt. Ganz ähnlich stellte der Bojar Neplujew den Vor-
gang dar^. Ferner hatte Golizyn berichtet, in der ganzen Halbinsel
sei bei den Tataren ein so allgemeiner Schrecken verbreitet gewesen,
dass alle Bewohner der Krim bei der Kunde der*Annäherung der
Russen mit Hinterlassung des grössten Theils ihrer Habe in die
Berge geflohen seien ; der Chan aber, entrüstet über die Feigheit
seiner Unterthanen, habe alle verlassenen Ortschaften niederbrennen
lassen'.
Mit diesen Angaben stand denn der schmachvolle Rückzug der
russischen Armee in Widerspruch. Dass dieselbe Mangel litt, ist
* Vgl. d. Einzelnheiten bei UstrjaloW'XIV, S. 226-334.
* Ustrajalow I. S. 37a und 375.
* Ebendaselbst L S. 380,
30I
gewiss. Gordon, dessen Tagebuch eine Lücke vom 15. bis zum 24.
Mai aufweisst, spricht in einem Brief an den Earl von Errol von der
üblen Lage der russischen Armee und dass man, da die Unterhand-
lungen zu keinem Ergebniss geführt hätten, zum Rückzuge genö-
thigt gewesen wäre*.
Auffallend ist aber dabei, dass ein Kapitän des Regimentes der
Strelzy bei Gelegenheit des Prozesses Schaklowitij's im Septem-
ber 1689 aussagte, Golizyn hätte sehr wohl den Krieg fortsetzen
können, da die Truppen keinen Mangel gelitten hätten, dagegen
habe Golizyn verbreiten lassen, es sei mit den Tataren Frieden ge-
schlossen'. Es kann leicht sein, dass eine solche Aussage in bös-
williger Absicht, um Golizyn zu schaden, gemacht wurde. Anderer-
seits liegen Andeutungen darüber vor, dass Golizyn dafür zu sorgen
bestrebt war, dass Aussagen gemacht würden, welche seine Angaben
bestätigten. Bereits bei Gelegenheit des Feldzuges von 1687 hatte er
die Strelzy instruirt: sie sollten in Betreff des Steppenbrandes^«über-
einstimmende» Aussagen machend Ebenso befahl er den Strelzy
1689, als er die Armee auf der Rückreise nach Moskau verliess, in
Moskau zu sagen, sie hätten Noth gelitten und hätten zwölf Tage
lang weder für sich, noch für die Pferde genügend Wasser er-
halten*.
Bei den mancherlei falschen, tendenziösen, ränkevollen, Denunzia-
tionen ähnlichen Aussagen, an denen jene Zeit so reich ist, müssen
wir alle diese Nachrichten mit grosser Vorsicht aufnehmen. Wir
gewinnen aus diesem Material kein Urthcil über das Maass von Go-
lizyn's Schuld. Golizyn erscheint kompromittirt Seine Schön-
färberei in den Bulletins und Manifesten ist tadelnswerth. Um ihn
als Strategen gerecht zu beurtheilen, müssten wir über ein reicheres
Material verfügen. Den Eindruck der Energie, des Heroismus,
einen Eindruck, wie ihn Münnich's Haltung ein halbes Jahrhundert
später genau in derselben Lage, an demselben Ort auf uns hervor-
* «The 20lh we came before the Perccop et lodged as wee marched, where wee were
to enter in to a treaty wilh the Tartars, which tooke no effect, our demands being too
high, and they not condescending to any othcr thing, as to establish a peace of the for-
mer conditions, so that not being able to subsist here for want of water, grass et wood
for such numbers as wee had, and finding no advantage by taking the Perecop, the next
day wee returned etc. Vgl. das Schreiben bei Ustrjalow, I. S. 309 — 311.
* Vgl. Ustrjalow I, S. 31 1.
' Vgl Golizyn's Schreiben an Schaklowitij bei Ustrjalow I, S, 355,
* Vgl. Ustrjalow I. S. 242.
30^
bringt, übt Golizyn*s Handlungsweise, soweit wir davon Kenntniss
haben, keineswegs ^
Ein Russe, welcher in jener Zeit sich in tatarischer Gefangen-
schaft befand, erzählte: die Tataren der Krim hätten sich über Goli-
zyn nach seinem Rückzug lustig gemacht und gesagt, er sei nach
Kijew gegangen, um dort, in ein Kloster eintretend, sich vor der
zarischen Ungnade zu retten.
Von sehr verschiedenen Seiten sind schwere Anklagen gegen
Golizyn geschleudert worden. Die schwerste lautet dahin, der Fürst
sei von den Tataren bestochen worden. Sie findet sich in verschie-
denen aus jener Zeit stammenden Quellen.
Schleusing erzählt, der Fürst habe sich bei den Feldzügen in der
Krim «durch die französischen Louisd'ors, so aus der Türkei an ihn
Übermacht worden, die Augen verblenden lassen» und fügt hinzu,
es seien bei dem Sturze des Fürsten in dessen Hause die verrätheri-
schen Briefe und 50,000 Louisd'ors gefunden worden. Auch in der
Flugschrift «Gespräche im Reiche der Todten», lässt der Verfasser
den Fürsten dem General Hochmuth erzählen, wie er in einem lieim«
liehen Vernehmen mit Frankreich gestanden habe und dass man bei
ihm viel gemünztes fremdes Gold gefunden habe, woraus denn ge-
schlossen worden sei, dass er Geschenke aus dem Auslande ange-
nommen habe^
In den tagebuchartigen Memoiren eines höheren Beamten jener
Zeit, des Okolnitschij Sheljabushskij findet sich die Notiz: «Golizyn
erhielt, als er bei Perekop stand, zwei Fässchen mit Goldmünzen,
welche sich später bei dem Verkauf in Moskau als kupferne und
leicht vergoldete Münzen herausstellten»'.
Das Gerücht scheint auf die Aussage eines in tatarischer Gefan-
genschaft gewesenen Russen, Namens Glistin, zurückzuführen zu
' Von grossem Interesse, aber nicht unbedingt Zutrauen erweckend ist die Aussage,
welche zwei Jahre später der 1689 in tatarischer Gefangenschaft befindliche Pole aus
Ssmolensk, Poplonskij, machte. Er erzählte: »Als die russische Armee bei Perekop an-
gelangt war, (ragte der Sohn des Chan 's diesen, warum er die Russen nicht angreife,
und falls er, der Vater, keinen Ausfall mache, so werde er, der Sohn, gern etwas
unternehmen. Der Chan antwortete, Golizyn habe zu ihm gesandt und Frieden ange
boten, daher befehle er, nicht zum Kampfe zu schreiten. Käme es nicht zu einem
Vergleich, so würden die Tataren Golizyn und seine ganze Armee nach Perekop herein-
lassen und dort gefangen nehmen und verdursten lassen, da es in Perekop nur drei
Brunnen gebe». — Aus dem Archiv des Justizministeriums, Ssolowjew XIV, S. 61,
' Bei Neuville findet sich keine derartige Beschuldigung Golizyn's.
' Memoiren, herausg. v. Jasykow, S. 21.
303
sein. In dem Prozesse Schaklowitij's sagte er aus: «Als ich in Pere-
kop gefangen war, kam ein Tatar zu dem Chan mit der Nachricht,
dass russische Truppen in der Steppe zu sehen seien. Der Chan er-
schrack. Den Bewohnern von Perekop wurde befohlen, ihre Familien
fortzusenden und ihre Häuser zu verbrennen. In dem Heere des
Chan's befanden sich einige Verräther von den Unsern, Donische
Kosaken, welche ein Jahr früher aus Tscherkask entflohen waren
und den Islam angenommen hatten. Sie erzählten mir^dass kurz vor
dem Eintreffen der russischen Armee bei Perekop von dem türki-
schen Sultan an den Fürsten Wassilij Golizyn zwei grosse Fässer
mit Dukaten abgesandt worden seien, damit er die Krim verschone.
In den Fässern waren 15 Fässchen zu 10 Eimern jedes. Der Chan
nahm das Gold heraus, befahl die Fässchen mit Pech zu füllen und
nur oben und unten etwas Dukaten zu lassen. So empfing diese
Fässer in der Nacht der Okolnitschij Benedikt Smejew (der Ge-
nosse Golizyn's) und übergab sie dem Fürsten; in derselben Nacht
zog Golizyn mit seiner Armee ab und liess die Werkzeuge, welche
bereits für den zu wagenden Sturm angefertigt waren, verbrennen.
Nach dem Abzüge Golizyn*s wurde ich nach Asow geschickt. Dort
sah ich, wie der Bei von Asow, welcher der Krim zu Hülfe eilen
sollte, in einem Vorrathsraume auf seinem Hofe mit drei Aga's drei
Fässchen, von je 5 Eimern, mit Pech füllte und nur oben und unten
Gold zuschüttete, indem er zu den Aga's sagte, dass sie mit diesen
Fässchen ihr Leben retten würden. Dies sahen noch drei andere
Kriegsgefangene, welche in demselben Räume Mehl mahlten» ^
Man sieht, dass diese Aussage, welche nicht einmal von einem
Augenzeugen herrührt und die Wahrscheinlichkeit einer Verwech-
selung des Vorganges in Asow mit dem angeblichen Bestechungs-
versuche in Perekop zulässt, wenig Glauben verdiente. Wenn schon
überhaupt in jener Zeit, zumal bei politischen Prozessen, unglaub-
lich viel gelogen wurde, so darf man derartigen Erzählungen von
Deserteuren und Apostaten, und auch der Erzählung Glistin's, wel-
cher seinem eigenen Geständniss gemäss, den Türken versprochen
hatte zum Islam überzutreten, keinen Glauben beimessen. Bei dem
Prozesse im Herbst 1689 machte indessen die Aussage Glistin's
einen gewissen Eindruck und sowohl Golizyn als Smejew wurden
darüber befragt, was an der Geschichte mit den Dukatenfässchen
sei. Golizyn sagte, es sei kein Gedanke davon wahr, auch hätte er ja
i
* Vfcl Ustrjalow I, S. 235.
304
den Empfang eines solchen Geschenks nicht verheimh'chen können.
Ebenso läugnete Smejew die ganze Sache auf das Entschiedenste.
Einen Beweis dafür, dass Golizyn unschuldig war, können wir
auch in dem Umstände erblicken, dass bei der Verurtheilung und
Verbannung Golizyn's nicht ein Wort von jener Beschuldigung er-
wähnt wurde. Mag Golizyn's Haltung bei Perekop als kleinmüthig
erscheinen, für einen Verräther dürfen wir ihn nicht halten.
Dagegen bleibt der Vorwurf, dass Golizyn die Thatsachen des
Feldzugs entstellt habe, auch in Betreff des Rückzuges der Armee
an ihm haften. Er berichtete an die Zaren, der Chan habe es nicht'
gewagt, ihn zu Verfolgen, und sei in Perekop geblieben. Aus anderen,
zuverlässigeren Quellen aber wissen wir, dass das Heer sehr arg ,
von der Verfolgung durch die Tataren zu leiden hatte. Ausführli-
cher schreibt Gordon an den Earl von Errol über diesen Rückzug
und die Drangsale während desselben, und noch drastischer schil-
dert Lefort, welcher ebenfalls an dem Feldzuge Theil genommen
hatte^ den unheilvollen Ausgang desselben mit wenigen Zahlen. Er
schrieb an seine Verwandten: «Die Moskowiter verloren 35,000
Mann, (20,000 Mann an Todten und 15,000 an Gefangenen); 70
Kanonen gingen zu Grunde, und ebenso alles Kriegsmaterial* ^
Die Verlogenheit mancher hervorragender Persönlichkeiten jener
Zeit weist ein sehr anschauliches Beispiel in dem Hetman Maseppa
auf, welcher Zeuge jener Vorgänge bei Perekop gewesen war und
einige Wochen später, unmittelbar vor dem Sturze Golizyn's, mit
grosser Pracht und Feierlichkeit von der Regentin Sophie in
Moskau empfangen wurde. Hier äusserte sich Maseppa, offenbar um
dem augenblicklich herrschenden Fürsten Golizyn zu schmeicheln,
über den Feldzug nach Perekop: «Noch nie ist ein solcher Sieg
über die Krimer erfochten worden, noch nie hat man ihnen einen
solchen Schrecken verursacht. Die Festung Perekop zu zertrüm-
mern war schwer. Ich habe eine Chronik von Darius gelesen, wel-
cher die Krim wegen Wasser- und Futtermangel nicht nehmen
konnte^ und, nachdem er 80,000 Mann verloren hatte, schmachvoll
abzog. Jetzt aber haben die russischen Truppen bei Perekop tapfer
gekämpft, eine Menge Feinde getödtet und kehrten ohne Verluste
heim »2.
Wenige Wochen später hätte Maseppa, welcher, wie oben be-
merkt wurde, für sich aus dem konfiszirten Vermögen Golizyn's
* Posselt, Lefort, I, S. 399.
* Ssolowjew, Bd. XIV, S. 164.
305
10,000 Rbl. erbat und erhielt, anders gesprochen. Die fable
convenue von einem glänzenden Erfolge konnte nur zeitweilig
gelten.
Indessen scheint die Regentin selbst an solche Erfolge geglaubt
zu haben. Ein Schreiben Golizyn's an sie, welches er seinen offizi-
ellen Berichten beigelegt hatte, beantwortete sie folgendermaassen:
«Mein Alles, mein Väterchen, meine Hoffnung; möge es Dir Wohl-
ergehen viele Jahre! Dieser Tag ist mir eine grosse Freude, weil
Gott der Herr seinen heiligen Namen ruhmreich gemacht und
ebenso den Namen der Mutter Gottes, an Dir, mein Alles! Von je
und je ist eine so grosse Gnade Gottes unerhört gewesen; unsere
Väter haben nie dergleichen erfahren! Ebenso wie Gott die Israeli-
ten durch Moses aus Aegypten führte, so hat er Euch jetzt durch
Dich, meine Seele, geführt ! Gott dem Herrn sei Ruhm, weil er uns
an Dir seine Gnade erwiesen hat! Mein Lieber; wie soll ich Dir
Deine maasslose Mühe belohnen? Meine Freude, Glück meiner
Augen! Kann ich es denn wirklich glauben, mein Herz, dass icli
Dich, meine Welt, wiedersehen soll? Dass wird ein grosser Tag
sein, an welchem Du, meine Seele, wieder bei mir sein wirst. Wäre
es möglich, ich würde Dich sogleich in einem Tage vor mich hin-
zaubern. Deine Briefe sind, durch Gottes Hand, alle glücklich ange-
langt. Der Bericht aus Perekop kam am ii. Ich pilgerte zu Fuss aus
dem Wosdwishenskij-Kloster; als ich mich dem Kloster des h. Sser-
gius nähere, kommt gerade Dein Schlachtbericht. Jch weiss nicht
mehr, wie ich da ankam ; ich ging lesend. Ich weiss nicht, wie ich
Gott und der Gottesmutter und dem allergnädigsten Wunderthäter
Sergius meinen Dank darbringen soll! Du schreibst, ich solle den
Klöstern Spenden darbringen; Alles habe ich erfüllt; bin nach allen
Klöstern zu Fuss gepilgert. Die Medaillen sind noch nicht fertig;
betrübt Euch desshalb nicht. Sobald sie fertig werden, sende ich sie.
Du schreibst, ich solle beten. Gott weiss, wie sehr ich mich darnach
sehne Dich zu schauen, meine Welt, meine Seele. Ich hoffe auf
Gottes Barmherzigkeit; er wird mir verleihen Dich, meine Hoff"-
nung, zu sehen. Wegen des Heeres magst Du Alles nach Deinem
Ermessen beschliessen. Ich aber, Du mein Väterchen, bin, Dank sei
es Deinen Gebeten, gesund; wir Alle sind gesund. Wenn Gott mir
verleiht Dich zu sehen, dann werde ich Dir, meine Welt, von mei-
nem ganzen Leben und Treiben erzählen. Ihr aber, säumet nicht,
sondern marschirt, wenn auch langsam; ihr seid müde. Wie soll
man Euch für alle Drangsale, wie soll man vor Allen, Dir, mein
«
RU8H. REVUE. BD. Xm, 20
3o6
Alles, vergelten? Wenn Du nicht so Dich bemüht hättest; kein
Anderer hätte das geleistet».
In Moskau gab es Festlichkeiten; es wurden Dankgebete in allen
Kirchen angeordnet; die Klöster erhielten, in Veranlassung der
frohen Nachrichten von den Siegen, reiche Spenden. An das Heer
gingen Boten mit den Aeusserungen des Dankes und des beson-
deren Wohlwollens von der Regentin und im Namen der Zaren. Die
Urkunde war an Golizyn gerichtet und lautete: «Durch Deine Müh-
waltung sind die wüthenden und seit undenklicher Zeit ihr Wesen
treibenden Feinde des heiligen Kreuzes und der ganzen Christen-
heit so geschlagen, besiegt und verjagt, dass sie in Schreck und
Verzweiflung selbst ihre heidnischen Wohnungen, alle Dörfer und
Flecken in Perekop verbrannten, sich nicht aus Perekop heraus-
wagten und auch bei Deinem Heimzuge sich nicht sehen Hessen;
Du aber mit allen Deinen Genossen und allen Kriegern bist gesund
heimgekehrt; für so in aller Welt Deinen Ruhm verkündende Siege,
versichern wir Dich unserer Gnade und loben Dich auf das Alier-
gnädigste».
Golizyn erhielt eine Medaille im Werthe von 300 Rbl., ein gol-
denes Deckelglas, ein goldgesticktes Gewand, eine Summe Geldes
und ein Landgut. Alle Theilnehmer des Feldzuges wurden belohnt.
Die Gefallenen ehrte man durch Einschreibung ihrer Namen in die
Verzeichnisse derjenigen, derer in den Kirchengebeten erwähnt
wurde*. Ausdrücklich wurde dabei bemerkt, dass solche Belohnun-
gen für Siege verliehen würden, wie sie in der ganzen Welt uner-
hört seien.
Uebrigens merkten die heimkehrenden Krieger sehr bald nach
ihrer Ankunft in Moskau, dass der wahre Sachverhalt in der Haupt-
stadt nicht unbekannt war. Als Gordon sich am 22. Juli 1689 be-
mühte zu erfahren, was es für Belohnungen geben werde, wurde er
damit vertröstet, dass man die Erklärung darüber ein Paar Tage
später geben werde. Die Sache zog sich hin, weil, wie Gordon er-
fuhr, «der jüngere Zar seine Einwilligung nicht geben wollte, dass
die Bojaren so viel bekommen sollten, als man ohne ihn beschlossen
hatte». Erst am 26. Juli wurde, wie Gordon erzählt, «der jüngere
Zar durch vieles Bitten und mit grosser Mühe dahin gebracht, dass
er seine Einwilligung gab* 2.
* Usirjalow, I, S. 237—243.
' Gorüon*s Tagebuch, II, S. 265 u. 266.
307
Man musste wahrnehmen, dass neben S>ophie und Golizyn noch
eine Macht erstand. Die Krisis nahte.
Katastrophe.
Wie Peter sich zu dem Ausgange des Feldzuges im Jahre 1687
verhalten habe, wissen wir nicht. Wenn berichtet worden ist, dass
der junge Zar schon damals den Fürsten Golizyn mit Vorwürfen
überhäuft habe, so ist auf eine solche Notiz ohne Quellenangabe
kein Gewicht zu legen*.
Dass Peter bei Gelegenheit der Rückkehr Golizyn's aus dem
zweiten Feldzuge zeigte, dass er mündig zu werden anfange, ist
gewiss. Er war damals 17 Jahre alt. Bereits ein Jahr zuvor hatte
Baron Keller nach den Niederlanden geschrieben, der jüngere Zar
ziehe durch seine Klugheit und Kenntniss militärischer Gegenstände
die grösste Aufmerksamkeit auf sich; hohe und mächtige Herren
versicherten, dass dieser junge Fürst bald zur Ausübung der sou-
veränen Macht werde zugelassen werden: trete aber eine solche
Veränderung ein, so würden manche Angelegenheiten eine andere
Wendung nehmen*.
Bereits am 25. Januar 1688 schreibt Gordon, es sei bei Hofe eine
Geheimeraths- Versammlung gehalten worden, an welcher Peter zum
ersten Male Theil genommen habe'. Damals beschäftigten den
jüngeren Zaren die bekannten Soldatenspiele, und diese ver-
anlassten bei Sophie und dem Fürsten Golizyn mancherlei Ver-
stimmung. Gordon erwähnt im Februar |688, der jüngere Zar habe
verlangt, man solle ihm 5 Pfeifer und 5 Trommelschläger von Gor-
don's Regimente zusenden, und Golizyn sei sehr ungehalten darüber
gewesen, dass Gordon den Wunsch Peters erfüllt habe, ohne dass
Golizyn davon wusste*.
Mit Sophie war es schon am 9. Juli 1689 zu einem Auftritte ge-
kommen, als die Prinzessin darauf bestand, einer Prozession zu-
gleich mit dem Zaren beizuwohnen und Peter in Folge dessen in
* Vgl. Malinowskij a. a. O. S 76. Tereschtschenko S. 169, lässt Golizyn aus Rache
für die Demüthigung an dem Altentat gegen den Zaren Theil nehmen; bei Tere-
schtschenko gibt es eine entsetzliche Chronologie: die Verschwörung Chawanskij's
setzt er in's Jahr 1685 (statt 1682), den zweiten Feldzug in die Krim 1686 (statt 1689).
* Posselt, Lefort. I, S. 415.
' Vgl. Gordon's Tagebuch. II, S. 209.
* Ebendaselbst, II, S. 227.
3Q8
grösster Verstimmung die Prozession im Stiche Hess und sich au(
sein Landhaus verfügtet
Ein Paar Wochen nach diesem Auftritte entstand jener Zwist
über die Belohnung Golizyn's und der Generale. Peter hatte
schliesslich seine Einwilligung gegeben, aber er grollte.
Gordon erzählt, dass die Generale und Offiziere, welche Beloh-
nungen erhalten hatten, am 27. Juli sich nach Preobrashenskoje be-
geben, um dem Zaren Peter für seine Gnade zu danken. Sie wurden
nicht vorgelassen. Es war eine starke, unheilverkündende Demon-
stration. Gordon schreibt : «Jeder sah deutlich und wusste, dass man
die Einwilligung des jüngeren Zaren nicht anders als mit dem
grössten Ungestüm erpresst hatte. Und dieses brachte ihn wider
den Generalissimus und die vornehmsten Rathgeber bei Hofe von
der anderen Partei nur noch mehr auf. Denn jetzt sah man einen
öfientlichen Bruch deutlich voraus, welcher wahrscheinlich in die
grösste Erbitterung ausschlagen würde. Indessen wurde Alles, so
viel wie möglich, vor dem grossen Haufen geheim gehalten. Doch
geschah dieses nicht mit so viel Geschicklichkeit und Verschwiegen-
heit, dass nicht beinahe ein Jeder hätte wissen sollen, was vor-
ging»*.
Wenige Tage später kam es zu diesem Bruche. Peter erhielt die
Nachricht, dass man ihm nach dem Leben stelle. Er flüchtete nach
Troiza. Man hatte jetzt zwei Höfe, zwei Heerlager, nachdem man
schon längere Zeit zwei Parteien bei Hofe gehabt hatte. Der
Bürgerkrieg konnte jeden Augenblick ausbrechen.
Golizyn's Sturz bei einer solchen Gelegenheit war um so wahr-
scheinlicher, als er sich ohnehin in verschiedenen Kreisen keiner
Popularität erfreute. Er war verhasst.
Unmittelbar vor dem zweiten Feldzuge in die Krim erfolgte ein
Attentat auf das Leben des Fürsten. Es hatte Jemand ihn, als er im
Schlitten sass, überfallen und tödten wollen. Mit Mühe hatten die
Diener Golizyn's den Thäter gefasst, welcher hierauf in aller Stille
im Gefängniss hingerichtet wurde'. Ueber die Motive dieser That
wissen wir nichts. Ein anderes Mal fand man, ebenfalls unmittelbar
• Ustrjalow, II, S. $o*
• Gordon's Tagebuch, II, S. 267.
• Die Geschickte vom Attentat ist bei Avril, Voyage en divers ^tais S. 266 erzählt,
und ferner in den «Gesprächen im Reiche der Todtcn, S. 1190. In der letzteren Flug-
schrift heisst es, Golizyn sei verhasst gewesen, weil er die Fremden in^s Land gernfcn
habe: 300 Bürger hätten sich gegen Golizyn\s Leben verschworen u. dgl.
309
vor dem Feldzuge von 1689 vor der Thüre des Hauses Golizyn's
einen Sarg mit einem Zettel, in welchem gesagt war, dass wenn der
zweite Feldzug eben so erfolglos sein werde, wie der erste gewesen
war, Golizyn zum Lohne dafür einen Sarg erhalten werde*.
Allerdings mögen die Misserfolge in der orientalischen Frage die
allgemeine Stimmung gegen den Fürsten Golizyn erregt haben.
Baron Keller schrieb im April 1689 an die Generalstaaten: tWenn
es sich ereignen sollte, — vor welchem Unglücke Gott dieses Land
bewahren möge, — dass der gegenwärtige zweite Feldzug für die
Russen nicht glücklicher wäre, als der erste, so ist es gar sehr zu
befürchten, dass ein allgemeiner Aufruhr hier zu Lande ausbricht,
pnd zwar aus mehr als einem Grunde, welchen ich gegenwärtig dem
Papiere anzuvertrauen nicht wage»-.
Man sieht aus diesen Vorgängen und Stimmungen, was das Schei-
tern der Unternehmungen gegen die Krim für den Fürsten Golizyn
bedeutete. Auch sind ihm bei seiner Verurtheilung diese Feldzüge
zum Vorwurf gemacht worden. Konnte man ihn auch noch anderer
Vergehen beschuldigen?
Es ist bei dem lückenhaften Material, über welches wir verfügen,
nicht leicht, die Absichten der Prinzessin Sophie zu durchschauen.
Noch schwerer ist es, das Maass der Mitschuld Golizyn*s an diesen
Plänen der Regentin festzustellen. Sowohl die Akten des Prozesses
Schaklowitij als die Aufzeichnungen der Zeitgenossen enthalten
hierüber nur unzuverlässige Angaben.
Am abenteuerlichsten sind die Erzählungen Neuville's, in ihnen
findet sich wohl dasjenige, was in den Kreisen der Ausländer als
Gerücht umlief. Da heisst es denn, Sophie habe Golizyn, von dem
sie Kinder hatte, auf den Thron bringen wollen, und dann wieder,
Golizyn habe seinem Sohne die Krone verschaffen wollen. Auch
von allerlei Ränken gegen den Zaren Iwan wird erzählt; Golizyn
habe die Gemahlin desselben durch einen italienischen Arzt ver-
führen lassen ; es sollte der Beweis geführt werden, dass die Kinder
der Zarin nicht Iwans Kinder seien, Iwan sollte dadurch veranlasst
werden, seine Gemahlin zu Verstössen, worauf man ihn dann mit
einer Andern verheirathen wollte, von welcher man sicher sei, dass
sie keine Kinder haben werde, u. dgl. mehr*.
• Auch die Geschichte vom Sarge ist in dem Gespräche m. d. Gederal Hochmuth.
* Possclt, Lefort, I, S, 419.
^ Relation curieuse S. 159, 162, 165,
310
Gewiss ist, dass Sophie und Golizyn zunächst auf Mittel sinnen
mussten, sich neben Peter zu behaupten.
Es gab ein einfaches Mittel, die Zweiherrschaft in eine Dreiherr-
schaft zu verwandeln. Sophie begann in der ersten Hälfte des
Jahres 1686 bei den im Namen der Zaren Iwan und Peter erlassenen
Aktenstücke ihren Namen als a Selbstherrscherin» beizufügen. Es
geschah dieses zuerst in dem Augenblicke des Abschlusses des
Friedens mit Polen, Peter selbst schwieg damals, aber seine Mutter
widersprach lebhaft und drohte, ihre Anhänger würden dieses der
Prinzessin nicht so hingehen lassend Es war unmöglich, dass nicht
der «erste Minister» Sophiens, wie die Ausländer Golizyn nannten,
an der Verantwortlichkeit für diese Neuerung mittragen musste.
Es war ein in aller Stille und Gemächlichkeit vollzogener Staats-
streich. Peters Alleinherrschaft, wenn er mündig war (Iwan zählte
kaum mit), war in Frage gestellt. Zu dieser Maassregel die Hand
geboten zu haben, ist dem Fürsten Golizyn bei seiner Verurtheilung
zum Vorwurfe gemacht worden. Er galt nicht bloss für mitschul-
dig ; er war es.
Dass Schaklowitij «der zweite Favorit*, wie er wohl genannt wird,
Peter und dessen Mutter nach dem Leben getrachtet habe, unter-
liegt keinem Zweifel. In wiefern Golizyn an diesen Anschlägen
betheiligt war, ist schwer zu ermitteln. Einer der Zeugen, welche
in Schaklowitij *s Prozess verhört wurden, sagte aus, Golizyn habe
einmal geäussert: «Es ist schade, dass man im Jahre 1682 (bei dem
ersten Aufstande der Strelzy) nicht auch die Zarin Natalja getödtet
habe; dann wäre jetzt nichts», d. h. dann hätte man es leichter (im
Jahre 1689) Sophiens Strauss mit Peter auszuf echten. Auf solche
Aussagen ist nicht viel Gewicht zu legen. Auch ist in der Verur-
theilungsakte keine bezügliche Beschuldigung zu finden. Wenn
übrigens in der That, wie man anzunehmen Grund hat, eine formelle
Verschwörung gegen Peter bestand, und Sophie und Schaklowitij
dabei die Initiative hatten, so ist es im höchsten Grade unwahr-
scheinlich, dass Golizyn nicht in solche Entwürfe eingeweiht gewe-
sen sei. Als der Hauptschuldige galt allerdings Schaklowitij. Er
wurde hingerichtet. Bei der Untersuchung wurde, offenbar um das
Maass von Golizyn's Mitschuld festzustellen, nach dem Grade der
Intimität zwischen Golizyn und Schaklowitij geforscht. Der erstere
läugnete eine solche Intimität, aber man hatte bei Schaklowitij die
^ Vgl. die Einzelnheiten bei Ustrjalöw, II, S. 35 u. ff.
3^
vielen Briefe Golizyn's an denselben aus dem Jahre 1687 gefunden
und hielt sie Golizyn als einen Beweis seiner nahen Beziehungen
zu Schaklovvitij entgegen. Aber alle diese Einzelnheiten der Unter-
suchung und der Verurtheilungsakte geben im Grunde keinen Be-
weis für das Maass von Golizyn's Mitschuld ab, weil das über ihn
gefällte Urtheil, wie wir auf Grund der Mittheilungen Gordon^s an-
nehmen dürfen, durch den Einfluss Boris Golizyn's wesentlich ge-
mildert wurdet. Ausdrücklich bemerkt Gordon, welcher den Per-
sonen der maassgebenden Kreise nahestand, und von vielen Einzeln-
heiten der Vorgänge während der Krisis wusste, dass Golizyn «die
grösste Stütze der Partei der Prinzessin und dafür bekannt gewesen
sei, dass er, wenn er nicht selbst der Anstifter war, doch um Alles
wusste, was man gegen das Leben des jüngeren Zaren im Sinne ge-
habt hatte* ^
In dem Prozesse Schaklowitij's wurde ausgesagt, die Prinzessin
Sophie habe nächtlicher Weile wiederholt geheime Unterredungen
mit den Strelzy gehabt, in denen sie über die Uebergriflfe der
Naryschkin'schen Partei Klage geführt und u. A. sich mit Erbitte-
rung auch darüber geäussert habe, dass man dem Fürsten Wassilij
Wassilje witsch Golizyn, welcher doch so viel geleistet habe, den
Kopf abhauen wolle; an diesen Unterredungen habe Golizyn bis-
weilen Theil genommen«.
Die Einzelnheiten der Vorgänge im August und September 1689
können hier für uns nur insoweit von Interesse sein, als sie den Für-
sten Golizyn betreffen. Man weiss, wie Peter, nachdem er sich nach
Troiza begeben hatte, von dort aus an die verschiedenen Truppen-
theile die Aufforderung richtete, zu ihm zu kommen, und die in
Moskau zurückbleibende Regierung, in dem Maasse, als die Strelzy
und die andern Truppentheile jener Aufforderung nachkamen, ihre
Sache scheitern sahen.
Von der Haltung der Prinzessin in diesen Wochen wissen wir viel
mehr, als von derjenigen des Fürsten Golizyn. Er bleibt gewisser-
maassen im Hintergrunde: er ist mehr Zuschauer, als handelnde
Person. Er musste die Gefahr erkennen, in welcher er sich befand,
aber dass er dieser augenscheinlichen Gefahr gegenüber grosse
Energie, Thatkraft an den Tag gelegt habe, kann man nicht sagen.
Während von der Regentin berichtet wird, dass sie auf allerlei
* Gurdun's Tagebuch II, S. 280.
' Ustrjalow, U, S. 53.
312
Maassregeln sann, den Streit mit Peter beizulegen, dass sie mehrere
Personen hintereinander nach Troiza sandte, um den erzürnten
Bruder zu besänftigen, dass sie wiederholt sich an die noch in Mos-
kau verbleibenden Truppen mit langen Reden wandte u. s. w,, gibt
es nur einige wenige Andeutungen über Golizyn, und diese lassen
darauf schliessen, dass er kleinmüthig und unentschlossen das Ver-
hängniss an sich herankommen Hess.
Schaklowitij sagte bei dem Verhör in Troiza aus, Golizyn habe,
als schon eines der angesehensten Strelzyregimenter nach Troiza
zu Peter übergegangen war, den Rath gegeben durch Emissäre ein
öder zwei Dutzend Strelzy bereden zu lassen, wieder zurückzu-
kehren; dann würden auch die anderen Strelzy Peler verlassen und
er selbst werde genöthigt sein, nach der Hauptstadt zukommen*.
Schaklowitij folgte diesem Rathe, aber es gelang nicht, auf die in
Troiza befindlichen Strelzy zu wirken.
Peters Anhang wuchs. Anfang September war er bereits in der
Lage, die Auslieferung Schaklowitij's nicht bloss verlangen, son-
dern auch durchsetzen zu können. Schaklowitij, welcher — zu
spät — einige Vorbereitungen zur Flucht getroffen hatte, wurde von
der Regentin ausgeliefert, nach Troiza gebracht, gefoltert, hinge-
richtet.
Inzwischen sollte auch Golizyu's Schicksal sich erfüllen.
In Moskau war Golizyn immer noch die er^e Person neben der
Regentin. Am i6. August befahl er dem General Gordon auf das
Allerentschiedenste, sich unter keinen Umständen aus Aloskau zu
entfernen. Als Gordon und die andern ausländischen Offiziere An-
fang September von Peter die Aufforderung erhielten, unverzüglich
nach Troiza zu kommen, hielt Gordon es für seine Pflicht, dem Für-
sten Golizyn davon mit dem Bemerken Mittheilung zu machen, dass
sie gehorchen würden. Golizyn ward bestürzt, suchte seine Un-
ruhe zu verbergen und antwortete, er werde die Entscheidung der
Prinzessin Gordon später mittheilen. Die Entscheidung hing aber
nicht mehr von Sophie und Golizyn ab. Gordon reiste mit allen
Ausländem nach Troiza und dieser Umstand trug nicht wenig dazu
bei, dass Peters Partei zum Siege gelangte^.
Inzwischen war in Troiza Golizyn's Vetter, Boris Alexejewitsch
Golizyn, der Hauptrathgeber Peters, dessen Erzieher er die letzten
* Vgl. Ustrjalow, II, S. 64.
' Gordon's Tagobuch II, S. 275 — 277.
313
Jahre gewesen war. Boris GoHzyn konnte dem Schicksale seines
Vetters vielleicht eine relativ günstige Wendung geben. Er schrieb
aus Troiza an denselben, Wassilij Wassiljewitsch solle nach Troiza
kommen und bei Zeiten um die Gnade des Zaren bitten. Dieses
Schreiben kam am i. September. Am 3. September sandte Was-
silij Golizyn die Antwort ab, in welcher er seinen Vetter Boris er-
suchte, in dem Streite zwischen Sophie und Peter als Vermittler auf-
zutreten. So glaubte denn Wassilij Golizyn noch immer an die
Möglichkeit der Versöhnung der Parteien. Indessen erhielt er gleich
darauf ein zweites Schreiben von Boris Golizyn aus Troiza, worin
derselbe seinen Vetter nochmals ermahnte, baldmöglichst nach
Troiza zu kommen, und sich die Gnade des Zaren, welcher ihn gut
aufnehmen werde, zu erwerben.*
Am 6. September erfolgte die Auslieferung Schaklowitij*s. Goli-
zyn, welcher die Nacht vom 5. auf den 6. mit einigen Vertrauten
auf seinem, in der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt befind-
lichen Gute Medwedkowo zugebracht hatte, war, als er diese Nach-
richt erhielt, sehr bestürzt.
Hat er daran gedacht sich durch die Flucht zu retten? In Ge-
schichtsquellen von sehr zweifelhaftem Werthe wird allerlei Aben-
teuerliches über diesen Punkt mitgetheilt*. Die zuverlässigen Mate-
rialien enthalten keine Andeutung darüber.
* Gordon's Tagebuch II, S. 273—274. Sehr anschaulich ist Gordon's Bemerkung,
welche er der Nachricht, dass Boris Golizyn an seinen Vetter schrieb, hinzufügt: «Denn
kein Anderer durfte es wagen, sich in eine so kitzliche Sache zu mischen, als diese
anfanglich angesehen wurde.
' So z. B. erzählt Neuville, Golizyn habe noch vor dem Ausbruche der Krisis vor-
sichtigerweise seinen Sohn mit allerlei Schätzen nach Polen senden wollen, aber die
allzugrosse Ungeduld Sophiens habe diese Maassregel vereitelt. An einer anderen
Stelle erzählt Neuville (S. 167) Golizyn habe sich bei Zeiten zurückziehen, nach Polen
fliehen, seine Schätze in's Ausland retten, sich an die Spitze rebellischer Schaaren von
Kosaken und Tataren stellen wollen u. dgl. m.; er habe noch im letzten Augenblicke
fliehen können, aber seine Familie nicht preisgeben wollen und daher die Flucht unter-
lassen. — Am abenteuerlichsten ist der Inhalt eines, in der Kaiserlichen Bibliothek zu
St. Petersburg befindlichen, als Flugblatt gedruckten Schreiben- eines Unbekannten aus
Moskau vom 5. Oktober 1689 (Copia litteranim ex Stolicza Metropoli Moschorum Im-
perii de proditione archistrategi Galliczin scriptarum — eine Seite, ohne Druckort), wo
es heisst, Peter sei wegen der Feldzüge in die Krim so aufgebracht über Golizyn gewe-
sen, dass er, der Zar, mit 12,000 Mann die Hauptstadt verlassen habe und ent-
schlossen sei, nicht eher dahin zurückzukehren, als bis Golizyn mit seinem Anhange
gefangen vor ihn gebracht würde; Golizyn sei entflohen; Peter habe ihm «veloces Jacu-
latores et Slrclicios> nachgeschickt; Golizyn habe sich auf seinem Gute verschanzt und
314
Dagegen haben wir sehr genaue Nachrichten über die Vorgänge
beim Sturze Golizyn's,
Peter hatte die in Moskau weilenden Bojaren zu sich nach Troiza
entboten. Am 7. September kamen einige derselben dorthin. An
demselben Tage ward Schaklowitij in Troiza verhört und gefoltert.
Gegen 5 Uhr Nachmittags kam Wassilij Golizyn und einige Perso-
nen seiner Umgebung vor dem Thore des Klosters an. Sie mussten,
ehe man ihnen Einlass gewährte, eine Viertelstunde warten, worauf
ihnen befohlen wurde, in den von ihnen bezogenen Wohnungen zu
verbleiben. Es war also Hausarrest vorgeschrieben. Peter behan-
delte Golizyn und dessen Genossen, Neplujew, Smejew u. s. w. als
Staatsverbrecher, wenn auch zunächst mit der grössten Milde ^
Am Abend desselben Tages besuchte Gordon den Fürsten in
dessen Wohnung, und fand ihn, wie er bemerkt, «etwas tiefsinnig»
wozu er auch Ursache hatte».
Der 8. September verging, ohne dass etwas Entscheidendes ge-
schehen wäre.
Am 9. endlich folgte die Entscheidung. Es wurde nach dem Für-
sten Golizyn und dessen Sohne geschickt. Als sie an der Treppe
des Hauses, in welchem Peter wohnte, anlangten, trat ihnen ein Be-
amter mit einer Papierrolle entgegen und verlas das Urtheil*.
Es war in Betreff Golizyn's keine eigentliche Untersuchung vor-
ausgegangen. Man hatte ihn nicht verhört. Man strafte kein eigent-
liches Verbrechen. Man machte ihm keinen Vorwurf der Mitschuld
an Schaklowitij's Anschlägen. Man stürzte ihn wegen der Missregie-
rung. Er unterlag keiner eigentlich juristischen, sondern nur mehr
einer politischen Ministerverantwortlichkeit. In orientalischen Staa-
ten pflegen Ministerkrisen mit einer gewissen Härte und Strenge
verbunden zu sein. Die Entfernung eines Staatsmannes von seinem
sich daselbst mit looo Mann vertheidigt — Uebrigens bemerkt der Verfasser des
Schreibens und zeigt damit, dass alle solche Erzählungen nur der Ergebniss des Stadt-
klatsches waren, man erzähle diese Vorgänge sehr verschieden. Einige sagten, Golizyn
sei an dem Orte seines Asyls getödtet worden, Andere, er sei gebunden nach Moskau
gebracht worden, wo über die Art seiner Hinrichtung berathen werde. Inzwischen sei
zwischen den beiden Zaren eine cingens contentio« eingetreten, der «jüngere» Zar
Iwan (sie) wolle mit Sophie in ein Kloster gehen, der grössere Theil der Bojaren und
der Strelzy hänge Peter an. Was weiter geschehen werde, schliesst das Schreiben,
müsse die 2Seit lehren. «Datum in Stolicza Moscoviae, die 5. Oct. 1689.
* Ganz ungegründet ist die Erzählung Schleusing's, Golizyn sei • auf Torturart ge-
knutet* worden. Gordon weiss nichts davon^
' Vgl. Gordon's Tagebuch II, S. 278 u. 279.
315
Posten erscheint als ein Strafakt, ohne es im Grunde zu sein. Die
Entfernung pflegt sich oft zur Verbannung zu steigern. Der missUe-
bige Beamte, welcher entlassen wird, gilt leicht als Staatsverbre-
cher.
Golizyn hatte, da er wohl von den Vorwürfen, welche ihm ge-
macht werden sollten, erfahren hatte, eine Rechtfertigungsschrift
vorbereitet. In 17 Punkten hatte er die Verdienste beleuchtet, welche
er sich um das Staatswesen erworben habe. Er kam nicht dazu,
es vorzulegen. Schweigend musste er die Anklageschrift verneh-
men. Sie lautete dahin, dass Golizyn und sein Sohn des Bojaren-
ranges verlustig gehen, ihr Vermögen verlieren und verbannt wer-
den sollen, weil sie, als Sophie sich zum Nachtheil der Rechte ihrer
Brüder allerlei Uebergriffe angemaasst habe, ihr ohne Wissen der
Zaren über allerlei Staatsgeschäfte Bericht erstattet und den Namen
der Prinzessin zugleich mit den beiden Zaren geschrieben hätten,
auch habe der Fürst Wassilij Golizyn, als er 1689 in die Krim ge-
schickt wurde, bei Perckop keine geeigneten Maassregeln ergriffen
und sei schnell wieder von Perekop abgezogen, wodurch den Zaren
ein arger Verlust an Geld und Menschen zugefügt v; orden sei. Zum
Verbannungsort wurde Kargopol bestimmt.
Also keine Erwähnung eines eigentlichen Verbrechens, kein Wort
davon, dass der Fürst Golizyn sein Bedauern darüber geäussert
habe, dass man im Jahre 1682 Peters Mutter am Leben gelassen
habe, keine Sylbe von einem etwaigen Verdachte der Bestechung
Golizyn*s durch die Tataren.
Kargopol als Verbannungsort konnte als ein leidlicher Aufent-
halt gelten. Diese Stadt befand sich auf dem Wege nach Archan-
gelsk, also an der wichtigsten und belebtesten Handelsstrasse Russ-
landS| nicht im äussersten Norden.
Dass Golizyn's Schicksal sich so milde gestalten sollte, über-
raschte die Zeitgenossen.
Gordon bemerkt, dass Golizyn, welcher doch schon darum des
Hochverraths schuldig gewesen sei, weil er die Anschläge Anderer
verhehlt hatte, nicht zu schlimmeren Strafen verurtheilt wurde, weil
sein Vetter, Boris Golizyn, sich für ihn verwendet habe, um von sei-
ner Familie eine solche Schmach abzuwenden.
Boris Golizyn hatte Feinde. Man sprengte, als Golizyn mit seinem
Sohne fortgeritten war, aus, die beiden seien entflohen. Boris Goli-
zyn hatte ihnen das Geleite gegeben. Als ferner Schaklowitij noch
am Vorabend seiner Hinrichtung eine Schrift über die ganze Ange-
3t6
legenheit verfasst hatte, und Boris Golizyn, wegen der allzuvorge-
rückten Abendstunde, dieses Aktenstück erst am andern Morgen
dem Zaren übergab, zog er sich den Verdacht zu, er habe an der
Schrift, welche seinen Vetter zu kompromittiren geeignet sein
konnte, etwas geändert oder unterschlagen. Es gelang ihm, sich zu
rechtfertigend
Yerbannnng nnd Tod.
So stand denn Golizyn am Ziele seiner politischen Laufbahn. Bei
der Gefahr, in welcher er sich befunden hatte, konnte es als eine Art
Wunder gelten, dass" er den Schrecken der peinlichen Untersuchung,
wie sie in Russland auch bei politischen Prozessen üblich war, ent*
g'ng.
Allerdings war er, im Vergleich mit seiner früheren materiellen
Lage, ein Bettler. Man hatte ihm von seinem ganzen Vermögen,
von allen Gütern, dem baaren Gelde und allem Besitz an Luxu^-
gegenständen nur 2000 Rubel gelassen. Alles Andere war konfis-
zirt worden.
Alsbald befand sich der Fürst mit seiner Familie auf dem Wege
nach Kargopol.
Inzwischen hatte aber sein Schicksal eine wesentliche Verschlim-
merung erfahren. Man beschäftigte sich in Troiza mit Golizyn auch
nach seiner Abreise. Am 1 5. September, also wenige Tage nach
der Verurtheilung Golizyn's, erfolgte der Befehl, die Golizyn's nicht
nach Kargopol, sondern viel weiter nördlich, nach Pustosersk zu
bringen; drei Tage später wurde endlich der Flecken Jarensk zum
Aufenthalsort der Golizyn's bestimmt (im Archangel'schen Gouver-
nement). Es war dies ein elendes, aus etwa dreissig Hütten be-
stehendes, von Syrjanen bewohntes, hundert Meilen von Wologda
gelegenes Dorf, welches indessen immerhin besser war, als das un-
wirthliche Pustosersk, wo der Vorgänger Golizyn's, der ausgezeich-
nete Staatsmann Matwejew, während der Regierung des Zaren Feo-
dor dorthin verbannt, der Gefahr des Verhungems ausgesetzt gewe-
sen war.
Man hatte zuerst den Golizyn's ein grösseres Gefolge gestattet ;
jetzt sollte die Dienerschaft der Familie fünfzehn Köpfe nicht über-
steigen. Auch die Habseligkeiten, welche die Golizyn's mitgenom-
< Vgl. Gordon*s Tagebuch II, S. 280—287.
317
mcn hatten, baares Geld, Schmucksachen u. s. w. sollte Alles kon-
fiszirt werden. Auf das Strengste sollten die Gefangenen von allem
Umgange mit anderen Menschen abgesperrt bleiben. Aller briefliche
und mündliche Verkehr war verboten.
Der Beamte, welcher mit solchen Instruktionen den Reisenden
nachgeeilt war, traf sie in Jarosslaw, wo die Golizyn's ein Verhör zu
bestehen hatten. Einige der Aussagen, welche Schaklowitij ge-
macht hatte, sollten dadurch geklärt werden. Golizyn stellte die
Wahrheit de;r von Schaklowitij in Betreff seiner, Golizyn's, gemach-
ten Aussagen in Abrede. Man drohte ihm mit der Folter. Er blieb
fest beim Leugnen. Es kam nicht zu so extremen Maassregeln.
Offenbar hatte der verhörende Beamte Instruktionen, von äusserster
Strenge abzusehend
Trotz der strengen Aufsicht erhielt Golizyn auf der Reise ein
Schreiben und Geld von der ehemaligen, jetzt gestürzten Regentin.
Sophie machte ihm Hoffnungen: er werde. Dank der Fürbitte des
Zaren Iwan, bald seine Freiheit erlangen. Die Prinzessin hatte einen,
auf sein Gut reisenden Landedelmann durch Drohungen willig ge-
macht, diese Botschaft zu übernehmen. In Wologda, wo die Reisen-
den rasteten, schlich er sich durch Gemüsefelder leise zum Hause
der Gefangenen und übergab den Brief, so wie das Geldpäckchen,
welches 2 — 300 Dukaten enthalten mochte. Golizyn gab ihm ein
Antwortschreiben an Sophie, welches der Bote, aus Furcht damit
betroffen zu werden, verbrannte.
Monatelang währte die Reise in den Norden. Hinter Wologda
wurden die Wege immer schlechter. Man konnte die Wasser-
strassen nicht benutzen. Zuerst gab es Mangel an Wasser, dann be-
deckten sich die Flüsse mit Eis. Auf den Flüssen brachen die Rei-
senden wiederholt durch's Eis. Die Frauen und Kinder (Alexei Go-
lizyn wurde von seiner Familie begleitet) wurden nur mit äusserster
Gefahr gerettet. Die Gemahlin Alexei Golizyn*s gebar unterwegs
Zwillinge, deren einer sogleich starb. Endlich langten die Reisenden
im Januar 1690 in Jarensk an, wo sie, wie wir aus den Berichten des
sie begleitenden Beamten, so wie aus den an die Zaren gerichteten
Bittschriften der Golizyn's wissen, an dem Nothwendigsten Mangel
litten, mit der elendsten Behausung und kärglicher Nahrung sich
begnügen mussten.
Inzwischen wurde in Moskau die politische Untersuchung gegen
* Vgl. die Einzelnheiten bei Ustrjalow II, S. 85 u, ff. und S. 455 u, flF.
3i8
mehrere Anhänger der Prinzessin fortgesetzt. Dabei kam denn wie-
der manches, den Fürsten Golizyn kompromittirende zum Vorschein.
Er war der Zauberei beschuldigt worden, ja sogar der Vorwurf, er
habe sich von den Tataren bei Perekop bestechen lassen, wurde
jetzt erhoben, man erfuhr von seinem, aus Wologda an die Prin-
zessin gerichteten Schreiben; ein Mönch kam angeblich aus Jarensk
und wollte dort aus dem Munde des Fürsten die Aeusserung gehört
haben, man werde in Moskau bald seiner bedürfen, da Peter nur
etwa noch ein Jahr leben werde.
So gab es denn alsbald in Jarensk, wohin ein besonderer Beamter
geschickt wurde, ein neues Verhör. Es gelang Golizyn, alle Ankla-
gen zurückzuweisen. Insbesondere wurde es klar, dass jene von dem
Mönche ausgehende Anklage rein aus der Luft gegriffen war. Es
stellte sich heraus, dass der Mönch nie in Jarensk gewesen war und
den Fürsten nie gesehen hattet
Gleichwohl trat wiederum eine Verschlimmerung des Schicksals
der Verbannten ein. Golizyn hatte sich doch nicht völlig von dem
Verdachte, die ihm schuldgegebenen Dinge begangen zu haben,
reinigen können. Er wurde nach Pustosersk verbannt. Es trat das
schlimmste Stadium der Strafe ein*. Zuerst weilten die Golizyn's in.
Pustosersk, endlich im Pineshskij Wolok, d. h. im heutigen Pinega
(Kreisstadt im Gouv. Archangelsk)*.
Fast ein volles Vierteljahrhundert hat der Fürst Wassilij Wassil-
jewitsch, der an materiellen und geistigen Luxus gewöhnte Zögling
West-Europa's, in der unwirthlichen Einöde im nördlichsten Theile
des europäischen Russlands die Wirkungen des furchtbaren Wech-
sels von Glück und Unglück, von Macht und Elend an sich und den
Seinigen erfahren. Dass noch mehrere Jahre nach seiner Kata-
strophe sein Name, welcher während der Regentschaft Sophiens
neben denen der Zaren und der Prinzessin oft und oft genannt wor-
den war, eine gewisse Macht repräsentirte, dass man Grund hatte,
ihn zu fürchten, ist aus dem Umstände zu ersehen, dass in dem letz-
* Er wurde natürlich bestraft; vgl. d. Verurtheilungsakte, welche den ganzen Vor.
gang enthält und in derartige Kriminalgeschichten einen tiefen Einblick gewährt, bei
Tumanskij, Materialien z. Gesch. Peters d. Gr. Bd. U. (St. Pbrg., 1787) S. 328 u. ff.
' Vgl. d. Aktenstück der Verurtheilung mit ausführlicher Reproduktion des Verhörs
bei Tumanskij a. a. O. und in der vollständigen Gesetzsammlung Bd. III, ^ 1395«
• Vgl, Ustrjalow II, S. 84 — 94. — Es ist nicht ohne Interesse, dass bereits Voltaire
in s. Gesoh. P. d. Gr. die Frage v. d, Aufenthaltsort Golizyn's untersuchte, vgl. d,
Ausgabe v. 1803, I, S. 113.
31g
ten Aufstande der Strelzy, in dem verzweifelten Kampfe der erbit-
terten Gegner Peters mit dem Zaren, der Name Golizyn's gewisser-
maassen als derjenige eines Prätendenten genannt wurde.
Als Peter auf seiner weltgeschichtlich bedeutsamen Reise in Eng-
land weilte (Anfang 1698), erhielt er die Nachricht, in Wien werde
erzählt, dass in Moskau ein Aufstand ausgebrochen sei: die Prin-
zessin Sophie habe den Thron bestiegen und der Fürst Golizyn
leite wiederum, wie ehemals, die Staatsgeschäfte ^
Wenige Monate später brach der Aufstand der Strelzy aus. In
dem Programme der Rebellen fand sich auch der Wunsch, die Prin-
zessin Sophie auf den Thron zu erheben; und «falls sie sich wei-
gere, werde man den Fürsten Wassilij Golizyn zum Zaren machen,
weil er gegen die Strelzy stets gnädig und wohlwollend gewesen
sei»^
Ueber die letzte Zeit seines Lebens haben sich einige Akten-
stücke erhalten^. Wir erfahren aus diesen Berichten des Vice-Gou-
vemeurs von Archangel, Kurbatow, dass Golizyn und seine Lei-
densgenossen, (so viel bekannt ist in den Jahren 1709 bi§ 1714, fünf
Personen) jährlich 365 Rbl., also täglich einen Rbl. zum Unterhalte
empfingen*, und dass Wassilij Golizyn in Pinega am 21. April 1714
gestorben sei*. Er wurde im Krassnojarskischen Kloster in der
Nähe von Cholmogorij bestattet. — Die Prinzessin Sophie, welche
ihn schwärmerisch geliebt hatte^ war ebenfalls als politische Gefan-
gene, bereits im J. 1706 gestorben. Golizyn's Gattin und Sohn er-
hielten sogleich nach seinem Tode die Freiheit und einen Theil der
konfiszirten Habe^.
* Vgl. Ustrjalow, III. S. 98—99.
» Vgl. Ssolowjcw, Bd. XIV. S. 271.
' Vgl. d. Abhdlg, V. Petrowskij in d. Zeitschrift: cRusskoja Starina» 1877, Maiheft.
s. 133—134.
* Dem Urtheilsspruche des J, 1691 zufolge (vgl. Tumanskij a. a. O.) sollten sie alle
zusammen nur 40 Kop. täglich erhalten.
^ Bisher galt 17 13 (Ur das Todesjahr Golizyn^s vgl. Malinowskij, Tereschtschenko u.
s. w. Der Bericht Kurbatow's an Peter, Apraxin^s an den Senat u. s. w. löst jeden
Zweifel.
* Malinowskij führt, a. a. O. S. 84, Verse an, welche Sophie auf Golizjm's Wappen
gedichtet haben soll.
' Vgl. d, Akten bei Ustrjalow II. S. 315 und bei Petrowskij a, a. O,
320
Es gab keine eigentlichen politischen Parteien in Russland. Als
es den Dunkelmännern, den durch Peters, an das Volk gestellte An-
forderungen aufs Aeusserste erbitterten Strelzy im Jahre 1689 ein-
fiel, Golizyn als Thronkandidaten aufzustellen, dachten sie, in deren
Programm der Krieg gegen alles Fremdländische^ die Vernichtung
der deutschen Vorstadt uns als eine Art Glaubensbekenntniss begeg-
net, nicht daran, dass ja Golizyn, wie wir gesehen haben, in ganz
ähnlicher Weise wie Peter bei dem Westen in die Schule gegangen
war. Es gab keinen Parteigegensatz zwischen Peter einerseits und
Sophie und Golizyn andererseits. Die Richtung nach Westen war
durch die Geschicke Russlands der ferneren Entwickelung dieses
Staates vorgeschrieben. Beide, Golizyn wie Peter, hingen dieser
Richtung an. In welchem Maasse dieses bei Golizyn der Fall war,
zeigt die Aeusserung Neuville's, dass jetzt, wo Golizyn, der Reformer
Russlands, gestürzt sei, die Weiterentwickelung des Landes in Frage
stehe.
Darin liegt die geschichtliche Bedeutung Golizyn's, dass der un-
glückliche Mann, der von mancher Schuld nicht freizusprechen ist,
als Vorgänger Peters, ein Geistesverwandter des grossen Zaren war;
sein Handeln nicht sowohl, als seine Bildung und Lebensweise
bis zum Jahre 1689, sind ein Symptom des Anbrechens einer neuen
Epoche für Russland.
Der Weinban Bnsslands
mit
statistischen Nachweisen aus den Jahren 1870 — 1873.
(Schluss.)*
Ausführliche quantitative Analysen sind nur von nachstehenden
Weinsorten bekannt. Diese Analyse wurde von den Hrn. Salomon,
Dorodnitzin, Schabonewitsch, Tapator, Melikow, Borowskoi, Mois-
sejew und Tjukow ausgeführt.
* Vgl. .Russ. Revue» Bd. XIII. S. 97 lu ff. und S. 237 u. ff.
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Das spezifische Gewicht verschiedener Weinsorten unterliegt bloss
geringen Schwankungen. Alle Dessert-, Liqueur- und moussirenden
Weine sind schwerer als Wasser und je mehr sie Zusatz enthalten;
desto höher ist ihr spezifisches Gewicht. Ein besonders hohes spe-
zifisch^ Gewicht besitzt der Zimljan'sche moussirende Rothwein aus
Nowo-Tscherkask (1,278 bei 18,4^ C); offenbar ist dasselbe der Bei-
mischung von Zucker zum Weine zuzuschreiben. Von den übrigen
Dessert- und Liqueur- Weinen wurde das höchste spezifische Gewicht
bei Muscat Lunel aus Muchaljatka (1,0848 bei 11,4^ C.) und bei
Isabella aus Semeis (1,0837 bei ii»o®C.) gefunden, beide aus dem
Kreise Jalta; dann bei Muscat aus Sudac, Kreis Feodossia (1,0619 bei
11,4® C), bei Muscat aus Limena (1,0600 bei 11,4^ C.) und
Oporto aus Livadia (1,0165 bei ii,6^C.), beide aus dem Kreise
Jalta. Von den übrigen rothen und weissen Weinen erwiesen sich
alle, mit Ausschluss zweier Proben, leichter als Wasser. Das spe-
zifische Gewicht dieser beiden Proben betrug 1,001 1 bei 15,4® C. für
den rothen Tiscbwein aus Nowo-Bajaut, Kreis Ssimferopol und
1,1000 bei 12,2® C. für weissen Tischwein aus der Umgegend von
Odessa. Das geringste spezifische Gewicht fand sich bei Pedro-
Xim^ncs aus Jalta (0,9880 bei 14,0^ C), bei Riesling aus Tschukur-
lar (0,9890 bei 15,4^0.), beim weissen Tischwein aus Semeis (0,9894
bei 12,8® C.) und bei Sauterne aus Masandra (0,9895 bei 15,4® C);
sämmtliche hier genannten Weine stammen aus dem Kreise Jalta.
Dem Alkoholgehalte nach sind fast alle sorgfältig angefertigten
und gut gepflegten russischen Weine stärker, als die ausländischen
Weine, welche aus gleichen Traubensorten gefertigt sind. Doch be-
sitzt die Mehrzahl der nachlässig präparirten Weine einen geringen
Alkoholgehalt und ist daher raschem Verderben ausgesetzt. Zu den
stärksten Weinen müssen die Eriwaner-Weine und einige andere
transkaukasischen Weine gezählt werden \ leider sind dieselben aber
meist noch immer nicht • quantitativ analysirt worden. Nach dem
Spiritusmesser von Tralles enthalten die Weine aus der Umgegend
von Eriwan 15—20 pCt. Alkohol; unter ihnen zeichnen sich durch
besonders hohen Gehalt die Dalmin'schen Weine aus, welche
18 — 20 pCt. wasserfreien Spiritus enthalten. Im nämlichen Wein-
baugebiet, im Kreise Etschmiadsin, enthält der Wagarschapatsche
Wein 12 — 16 pCt, der Aschtarak'sche Wein 10—13 pCt. und
der Surmalin'sche Wein bloss 8— lopCt. Alkohol. Viele Wein-
Sorten Transkaukasiens müssen zu den * stärksten Dessertweinen
gezählt werden; viele weisse Weine, zum Beispiel der Eriwaner,
326
Dalminsche und Wagarschapatsche im Araxes Gebiet, der Zolikaur-
sche, Lichaur'sche und die Weine des Suchum'schen Gebiets haben
der Farbe und dem Geschmacke nach Aehnlichkeit mit Madeira
und Xeres und besitzen kein ausgesprochenes Bouquet Von den
Rothweinen sind Kopitnar'sche oder Aba sehe, Kipianow'sche, Sad*
schawach'sche , Odschalescher, Tamok'sche, Abedat'sche* und
Nachunow'sche Weine aus demRion-Schwarzmeer-Gebiet, der Kache-
tische (Kachetinische) aus Kachetien und der Matrasin'sche aus dem
Schemacha-Gcktschaischen Gebiet durch ihre guten Eigenschaften
besonders hervorzuheben; sie sind alle sehr starke und volle Weine
von dunkler Färbung und haben grosse Aehnlichkeit mit gutem
Burgunderwein. Dem Volumen nach, in Prozenten berechnet, fand
sich der grösste Alkoholgehalt im Sauterne aus Gursuf (16,93 pCt.)>
im Riesling aus Laspi (16,6 pCt.), im Madeira aus Semeis, im Tra-
miner aus Magaratsch (16,4 pCt.) und im Riesling aus Masandra
(^6,35 pCt.), alle aus dem Kreise Jalta. Der geringste Alkohol-
gehalt wurde im Zimljan'schen rothen moussirenden Wein aus
Nowo-Tscherkask (8,06 pCt.), im weissen Tischbein des Fürsten
Murusi von seinen Weingärten am Flusse Prut, Kreis Jassk (8,3 pCt.)
und im Rothwein aus der Umgegend von Kischinew (8,82 pCt.)
nachgewiesen. Viele nachlässig angefertigten und nicht gepflegten
Weine enthalten aber noch bedeutend geringere Mengen Alkohol ;
so enthalten z. B. die Bessarabischcn Weine nur 4—8 pCt, der
weisse Wein aus den deutschen Kolonien im Kreise Tiflis im Kura-
Gcbiet 6--iopCt. und der Rothwein nur 4— 6pCt. Alkohol. Uebcr
den Alkoholgehalt solcher nachlässig angefertigten Weine gibt es
leider fast gar keine Daten. Einen bedeutenden Einfluss auf den
Alkohol der Weine üben auch die klimatischen Verhältnisse aus, wess-
halb auch der Alkoholgehalt ein und derselben Weinsorte in ver-
schiedenen Jahren ein verschiedener ist
Die meisten der untersuchten russischen Weine besitzen einen
Glyceringehalt von 3 — 7 pCt; am bedeutendsten war derselbe im
Bordeaux-Wein in der Krim, namentlich aus Alupka (8,90 pCt.),
Livadia (8,5 pCt.), Aluschta (8,46 pCt.) und im Pedro-Ximcncs aus
Limena (8,3 pCt.), alle im Kreise Jalta gelegen. Der geringste
Glyceringehalt erwies sich im Pinot aus Magaratsch (1,83 pCt), im
Kreise Jalta, im weissen Tischwein aus Nowo-Bajaut (1,85 pCt.),
Kreis Ssimferopol, im Imeretischen Rothwein (1,15 pCt.) aus dem
Rion-Schwarzmeer-Gebiet und im Bordeaux aus Kamcnka (i,09pCt.)
im Bessarabischen Gebiet.
3^7
Der Gehalt an Weinsteinsäure und Kali, wie auch der Gehalt
an weinsteinsaurem Kali beträgt in allen untersuchten Weinen
weniger, als zur Bildung des sauren weinsteinsauren Kali's nöthig
ist. Ein grosser Ueberschuss an Kali ist nur in Liqueurweinen nach-
gewiesen und zwar in solchen, die aus gedörrten Trauben angefer-
tigt sind. Dieser Umstand lässt vermuthen, dass ein Theil des
weinsteinsauren Kali's des Rebensaftes während des Eintrock-
nens der Trauben zerlegt wurde, wobei einige Trauben platzten
und von einem vegetabilischen Parasiten bedeckt wurden. Der
bedeutendste Säuregehalt, in Form von Weinsteinsäure ausge-
drückt, fand sich im tummigen weissen Weine aus Feodossia
(8,54 pCt.), im weissen Wein aus Eriwan (8,26 pCt.) und im Roth- ^
wein aus Purkari im Qessarabischen Gebiet (7,96 pCt). Den ge-
ringsten Säuregehalt enthält der rothe moussirende Zimiljan'sche
Wein aus Nowo-Tscherkask (3,4 pCt.) und der Bordeaux- Wein aus
Kamenka im Bessarabischen Gebiet (3,1 pCt).
Den bedeutendsten Gehalt an flüchtigen Säuren, welche in den
Tabellen in Form von Essigsäure ausgedrückt sind, fand man beim
Rothwein : in Weinen aus Purkari im Bessarabischen Gebiet (3, 1 2 pCt.),
bei weissem Weine : im Wein aus Eriwan (3 ,06 pCt), beim Dessertweine :
im Madeira aus Simeis im Kreise Jalta (2,04 pCt.). Der geringste
Gehalt an flüchtigen Säuren fand sich beim Rolhwein: im Zimljan-
schen moussirenden Wein aus Nowo-Tscherkask (0,24 pCt.), beim
weissen Weine: im Riesling vom Fürsten Woronzow, Kreis Jalta
(0,25 pCt.) und beim Dessertweine: im schwarzen Muscat aus Ma-
garatsch, Kreis Jalta (0,5 pCt).
Die Bernsteinsäure wurde nach der Formel Pasteur's Berechnet ' :
nach welcher auf 3,5 pCt. Glycerin 0,7 pCt. Bernsteinsäure kom-
men. Der grösste Gehalt an Bemsteinsäurc fand sich im Bordeaux-
wein aus Alupka (i,78pCt.), Livadia (i,70pCt.), Aluschta (1,69 pCt.),
alle im Kreise Jalta. Der geringste Gehalt an Weinsteinsäure wurde
im weissen Muscat aus Gussuf (0,046 pCt.) und im tummigen (trü-
ben) weissen Wein aus Feodossia (0,04 pCt.) vorgefunden.
Gerbstofle sind nur im Rothwein nachgewiesen, da der Gehalt
an denselben in den übrigen Weinsorten ein sehr geringer ist. Die
meisten russischen Rothweine sind reicher an Gerbstoflen als aus-
ländische Weine, wodurch auch eben die grosse Herbheit der Krim-
* Pasieur^ Etudes sur le vin ses maladies, causes qui les provoquent, proc^dcs nou-
veaux pour le conscrver et pour le vieillis. S. 214.
328
sehen und Kaukasischen Weine bedingt wird. Die Analysen der Roth-
weine von Neubauer^ zeigen, dass das Maximum an Gerbstoßen in
den französischen Weinen 2,33 pCt. beträgt, die meisten russischen
Rothweine enthalten davon aber mehr als 3 pCt. So enthält der Bor-
deaux*Wein aus Livadia 4,38 pCt, aus Magaratsch 5,03 pCt,
der rothe Wein aus Derbent 4,95 pCt, und 5,89 pCt, der rothe
Wein aus Kachetien selbst 6,38 pCt. Eine Ausnahme bilden der
Bordeaux-Wein aus Alupka (1,43 pCt.), der Zimljan'sche moussi-
rcnde Wein (1,8 pCt.) und der Roth wein aus dem Bessarabischcn
Gebiet, dessen Gehalt an Gerbstoffen 1,45 pCt. bis 2,50 pCt. be-
trägt. Der Gehalt an solchen Stoffen nimmt mit der Erwärmung
des Weins ab ; so wurde zum Beispiel im, nach dem Pasteur'schcn
System erwärmten Bordeaux-Wein aus Magaratsch, welcher 5,03 pCt.
Gerbstoff enthielt, nach dem Erwärmen nur noch 2,5 pCt. Gerb-
stoff vorgefunden.
Stickstoff und stickstoffhaltige Substanzen betragen in den mei-
sten Weinen 0,3 pCt, Der grösste Stickstoffgehalt fand sich im
Muscatwein aus Feodossia (0,58 pCt.) und im Petit-Bourgogne aus
Limena (0,5 pCt.). Der geringste Stickstoffgehalt wurde im weis-
sen Weine aus Danuzeni im Bessarabischcn Gebiet (o^ii pCt.) nach-
gewiesen. Bei Erwärmung des Bordeaux- Weins von Magaratsch,
der 0,49 pCt. Stickstoff enthielt, ist eine Verringerung des Stick-
stoffs bis 0,10 pCt. bemerkt worden. Durch diese Erscheinung
lässt sich die Dauerhaftigkeit der erwärmten Weine erklären, da
durch die Erwärmung die Möglichkeit der Entwicklung von Pilzen
(Mycoderma vini et aceti) im Weine beseitigt wird, indem die
Pilze zu ihrer Entwickclung stickstoffhaltige Substanzen bedürfen.
Der Zuckergehalt ist nur in wenigen Weinsorten bestimmt. Der
grösste Zuckergehalt fand sich in den moussirenden Dessertweinen^
namentlich im moussirenden weissen Donisclien Weine (164,10), im
schwarzen Muscat aus Magaratsch (105,58), im Zimljanschen rothen
moussirenden Wein aus Nowo-Tscherkask (72,6), im weissen Mus-
cat aus Gursuf (68,20), im Madeira (39,50.) aus Magaratsch, im Mus-
cat aus Sudak (32,34), im rothen (17,56) und weissen (17,0) Wein
aus Nowo-Bajaut im Kreise Ssimferopol, im rothen Imeretischcn
Wein (9,31), im rothen Wein aus Purkari (5^2) und aus der Umge-
gend von Odessa (2,32).
Der Gehalt an trockenem Rückstand ist in den Dessertweinen des
' Neubauir^ Sludien über den Kuthwein. Annalen der Oenologic, Bd. II, lieft I.
>ih
329
Süd-Ufers der Krim besonders bedeutend; er beträgt im schwarzen
Muscat von Magaratsch 215,3, im weissen Muscat von Gursuf 107,0,
im weissen Muscat aus Sudak 55,49- Von Roth weinen haben den
stärksten trocknen Rückstand der Wein aus Nowo-Bajaut (34,S)0) und
der Wein aus Taraktasch (15,69); von weissen Weinen: der Pinot
aus Magaratsch (45,15) und der Kakur aus Aluschta (13,53).
Der Gehalt an Asche ist dem Gehalt an Extraktivstoffen proportio-
nal, und zwar beträgt die Asche etwa 10 pCt. der genannten
Stoffe. Weinproben, in welchen dieses Verhältniss nicht vorgefun»
den wurde, enthielten noch geringere Quantitäten Asche, so die Li-
qucurweine, in welchen diese letztere nur etwa 4 pCt. der Extraktiv-
stoffe betrug, obgleich die absolute Menge der Asche in dem Li-
queurwein grösser ist, als in den übrigen Weinsorten, d. h. sie beträgt
bei ihnen im Mittel 4 pCt. ; in den übrigen Weinsorten schwankt der
Gehalt an Asche zwischen 1,30 pCt. und 3,08 pCt.
Der höchste Gehalt an Phosphorsäure wurde im Bordeaux- Wein
von Gursuf nachgewiesen (0,57 pCt.), der geringste Gehalt im Ime-
retischen Rothwein (0,01 pCt).
Der Säuregehalt des Weines ist in Form der Weinsteinsäure aus-
gedrückt. Der mehr oder weniger saure Geschmack des Weines
hängt nicht allein von der absoluten Quantität der Säure im Weine
ab, sondern auch vom Verhältniss der Säure zum Alkohol. Von
diesem letzteren Verhältniss ist auch die Güte des Weines abhängig.
Dieses Verhältniss der Säure zum Alkohol ist in Zahlen ausge-
drückt, welche lOO wägbaren Theilen des Alkohols im Wein entspre-
chen. Aus solchen Zahlen ergibt sich, dass in ein und derselben
Weingegend alle Rothweine saurer sind, als die weissen Weine, die
Dessertweine aber die wenigste Säure enthalten. Alle untersuch-
ten Weine können nach ihrem Säuregehalte in folgender Ordnung
aufgezählt werden. Zu den sauersten Weinen gehören die Tisch-
weine Bcssarabiens, dann folgen die rothen Weine der Krim, die
rothen Weine des Kaukasus, die weissen Weine des Kaukasus, die
weissen Weine Bessarabiens und die Dessertweine der Krim. Dem
Säuregehalt nach kommen die russischen Rothweine den französi-
schen Rothweinen am nächsten, die russischen weissen Weine aber
werden von den deutschen weissen Weinen an Säure übertroffen.
Bei Bestimmung des Druckes, den der Donische moussirende
Wein in den Flaschen ausübt, erwiess es sich, dass derselbe im
rothen Zimljan'schen Wein 1 V» Atmosphären und im weissen Don-
33°
•
sehen Wein 2,25 Atmosphären betrug, während der Druck des
Cham pagner- Roederer 2,75 Atmosphären beträgt,
Mostwägungen und chemische Weinanalysen werden nur in der
Krim in der Weinbauschule von Magaratsch ausgeführt, wo zu diesem
Zwecke seit 1870 ein öenochemisches Laboratorium besteht.
In Folge der, meist sehr nachlässigen Anfertigung des Weins sind
Weinkrankheiten, welche dem Weinbau bedeutenden Schaden brin-
gen eine gewöhnliche und sehr verbreitete Erscheinung. Am
häufigsten findet das Sauerwerden des Weins statt, namentlich bei
schwachen Rothweinen, und das Fettwerden der Weine, vorherr-
schend bei weissen süssen und starken Weinen. Man beugt diesen
Krankheiten durch sorgfaltige Füllung der Gefässe, in denen der
Wein aufbewahrt wird, vor; durch Umgi essen und Reinigen der
Weine können die meisten Weinkrankheiten sogar vollständig besei-
tigt werdeil. Schlecht bereitete Weine bedecken sich rasch mit
Schimmel, besonders wenn dieselben aus ungenügend reifen Trau-
ben angefertigt sind. Im Kura-Gebiet will man bemerkt haben, dass,
wenn die Trauben durch denHagel leiden, der Wein sich nicht klärt. Bei
unvollständiger Gährung und nachlässiger Um füUung geht der Wein
leicht in eine essigsaure Gährung über; zu langes Verbleiben des
Mostes auf den Traubentrestem gibt dem Wein einen bittern Ge-
schmack und befördert dessen Neigung in Fäulniss überzugehen.
In der Ortschaft Aschtarak, im Kreise Etschmiadsin des Araxes«
Gebietes, nimmt der weisse Wein im März oder April nicht selten
eine dunkle Färbung an, wie wenn man in den Wein Tinte gegossen
hätte; diese Erscheinung schreibt man der häufigen Berieselung der
Gärten zu, besonders während der Traubenlese. Durch Aufbewahren
der Weine in unreinen Fässern oder Geschirren wird ersteren ein
unangenehmer Beigeschmack nach Fäulniss, Theer etc. gegeben,
und bei grosser Feuchtigkeit und Wärme der Keller und bei freiem
Zutritt der Luft zum Weine verlieren dieselben die Farbe, werden
schwach und sauer.
Zur Verbesserung kranker Weine werden dieselben umgefüllt und
mittelst Gelatine, Hausenblase oder Eiweiss gereinigt; auch fügt man
denselben junge Hefe von guten, gesunden Weinen zu. Um die
Weine haltbar zu machen, werden sie geschwefelt oder mit Spiritus
oder Zucker versetzt. Unverbesserliche, verdorbene Weine dienen
zur Spiritus- oder Essigfabrikation. Die Untersuchungen Pasteur's
(Pasteur, Etudes sur-le vin etc.) haben gezeigt, dass die Weinkrank-
heiten durch die Einwirkung des Sauerstoffes der Luft und durch
33i
die, in den Weinen sich bildenden mikroskopischen Parasit-Pflanzen
(Mycoderma vini et aceti) entstehen. Um die Weine vor der ersteren
zu schützen, müssen die Weinfässer immer gefüllt bleiben, um
aber die Bildung der letzteren zu verhüten, muss, nach dem Vor-
schlage Pasteur's, der Wein bis zu einer Temperatur von 50 — 65^ C. er-
wärmt werden, eine Temperatur, welche das organische Leben zer-
stört und die im Weine schwimmenden Parasit-Pflanzen als Boden-
satz zu Boden fallen lässt, von welchem der Wein durch Umfüllen
leicht zu befreien ist. Dabei leiden die guten Eigenschaften der
Weine fast gar nicht j der Rothwein verliert einen Theil seines Gerb-
stoffes und seiner stickstoffhaltigen Substanzen und bekommt da-
durch einen milderen und angenehmeren Geschmack. Leider wird
die von Pasteur vorgeschlagene Methode, um die Weine haltbar zu
machen, von den russischen Weinwirthen trotz ihrer Einfachheit
kaum angewandt und müssen daher grosse Quantitäten erkrankter
Weine zur Essig- oder Spiritusfabrikation verwendet werden, wobei
sie die Hälfte ihres Werthes verlieren.
Die im Jahre 1870 an Most erzielte Totalproduktion lässt sich nur
annähernd bestimmen und zwar nur nach der durchschnittlichen
Menge des auf einer Dessjatine Weingartenlandes gewonnenen
Mostes. Direkte Angaben sind nur für verhältnissmässig sehr wenige
Gegenden vorhanden und stehen dieselben, in Folge unrichtiger An-
gaben der Weinwirthe, welche bei derartigen Erhebungen fiskalische
Zwecke befürchten und daher niedrige Angaben machen, meist
den in der Berechnung aufgenommenen Durchschnittszahlen nach.
Selbst die hier gegebenen Durchschnittszahlen der Mostproduktion
müssen für die meisten Weinbau treibenden Gegenden als Minimal-
zahlen angeschen werden, wobei noch bemerkt werden muss, dass
die Ernte im Jahre 1870 in vielen Gegenden geringer ausgefallen ist,
als in den folgenden Jahren. Nachstehende Tabelle enthält die.
jährliche Mostproduktion nach Eimern (Wedro) berechnet, und zwar
nach den einzelnen Weinbaugebieten und nach den, den letzteren
zugehörenden Gouvernements, resp. Bezirken etc. Die letzte Zahlen-
reihe enthält die auf jene Gebiete etc. entfallenden Prozente der
Gesammtproduktion.
332
Quantität des im Jahre 1870
Bezeichnung der Weinbau* Gebiete. Bezirke elc. produzirten Mostes
nach Eimern, nach pCt.
Rion^Schwarzmeer- Gebiet:
Gouvernement Kutaiss 3,i73iOio 21,29
Suchum'scher Bezirk 50,000 0,34
Schwarzmeer-Bezirk * 29,090 0,19
Im Ganzen . . 3,252,500 21,82
Bessarabisches Gebiet:
Gouv: Bessarabien (Durchschnitt v. 4 Jahren) 2,804,008 18,82
» Chersson » »c» 137,106 0,92
» Podolien » » ^ » 16,314 0,11
Im Ganzen . . 2,957,428 19,85
Kachetinisches oderAlasanoAjritschai^sches Gebiet:
Gouvernement Tiflis (Kreis Signach u. Telaw) 2,91 5,080 19,56
Terek'KunüKsches Gebiet:
Gebiet Terek 1,650,000 11,07
KurorGebiet:
Gouvernement Tiflis (Kreis Tiflis, Gori, Du-
schett, Achaizych).
Gouvernement Jelissawetpol (Kreis Jelissa
wetpol, Kasach und Schuscha) . . .
Im Ganzen .
Araxes Gebiet: Gouvernement Eriwan . .
1,104,413 7,404
321,497 2,15
1,425,910 9,554
959,200 6,44
934,022 6,275
417,380 2,80
140,000 0,935
95,737 0,63
5,600 0,037
1,500 0,01
Krim^sches Gebiet: Gouvernement Taurien .
Kuma Gebiet: Gouvernement Stawropol . .
Dänisches Gebiet: Land der Donischen Kosaken 1 50,000 i ,0 1
Daghestaner-Gebiet: Gebiet Daghestan . .
Scfientacha-Gektschai^sches Gebiet: Gouv. Baku
Kuban- Gebiet: Gebiet Kuban
Astracitati sctus Gebiet: Gebiet Astrachan .
Total ; . 14,904,357 100,00
Ausser in den, in der Tabelle angegebenen Gebieten wird Wein
in geringen Mengen noch in folgenden Gegenden gewonnen: In
Turkestan, nach den Angaben von Krause, etwa 10,000 Eimer jähr-
lich, und ausserdem in sehr geringer Menge im Gebiete Uralsk und
im Gouvernement Jekaterinosslaw.
Ueber die Menge der, von den Weinwirthen selbst verbrauchten,
sowie über die der in den Handel gelangenden Weine gibt es noch
weniger genaue Angaben. In nachfolgender Tabelle geben wir
dieses Verhältniss in Ziflern und fügen den Quantitäten des, von den
Weinwirthen selbst konsumirten und des in den Handel gebrachten
Weines noch die höchsten und niedrigsten Preise für Most, jungen
und alten Wein, nach Gebieten geordnet, hinzu.
334
Aus vorstehender Tabelle ist ersichtlich, dass mehr als 5 V« Mil-
lionen Eimer (37,5 pCt), also fast ^/s der ganzen Mostproduktion
des Jahres 1870, von den WeinwirtHen selbst konsumirt worden und
etwa '/s, d. i. gegen 9V« Millionen Eimer oder 62,5 pCt. dieser
Produktion, in den Handel gelangt sind. Als derartige Selbstkon-
sumenten stehen die Weinwirthe Transkaukasiens in erster Reihe,
namentlich die des Daghestan'schen, Rion-Schwarzmeer-, Kura-
und Araxes-Gebiets, welche 50— 70 pCt. ihrer Gesammtproduktion
an Most selbst konsumirten. Es wird aber auch in diesen Gebieten
von der Bevölkerung selbst eine enorme Menge Wein verbraucht,
was zum Theil durch die klimatischen Verhältnisse, hauptsächlich
aber durch den Umstand bedingt ist, dass sich die Bewohner, der
dort herrschenden Fieber wegen, des Genusses von \y asser mög-
lichst enthalten müssen, so dass sich selbst die Arbeiter, wenn sie
sich vermiethen, Wein ausbedingen. Gewöhnlich bekommt hier
ein Taglöhner, ausser seinem Geldlohn, 2 Va Flaschen Wein pro Tag.
Im Kachetinischen und Schenlacha-Gektschai'schen Gebiete, sowie
auch in den drei ciskaukasischen Gebieten verbrauchen die Wein-
wirthe nur etwa 28 pCt., im Donischen und Astrachan^schen 20 pCt.,
im Bessarabischen Gebiete 15 pCt. und in der Krim sogar nur
7 pCt. des von ihnen produzirten Mostquantums. Der vortheilhafte
und leichte Absatz des Weines aus den vier letztgenannten Gebie-
ten ist wohl die Hauptursache des geringen Weinkonsums Seitens
der Weinwirthe.
Fast der ganze Handel mit russischen Weinen befindet sich in
den Händen von Aufkäufern, die meistentheils zur Zeit der Lese in
die Weingegenden kommen. Sie kaufen von den Weinwirthen den
Most oder mangelhaft gepflegte Weine stets für einen sehr niedri-
gen Preis, wie solcher in der obenstehenden Tabelle angeführt ist.
Einige Weinaufkäufer pressen selbst einen Theil der, von den Win-
zern gekauften Trauben und führen den Most nach Hause, wo sie
durch Beimischung verschiedener, nicht selten der Gesundheit schäd-
licher Stoffe z. B. von Anilin,^ Bleizucker etc. Weine anfertigen,
die in vielen Weinkellern im Innern des Reiches für ausländische
Weine verkauft werden. Nur sehr wenig Weinwirthe bringen ihren
Wein selbst auf den Markt oder auch nur in benachbarte Städte. Im
Rayon der Weinbaugebiete dienen einige Gouvernements- oder
Kreisstädte oder auch andere Ortschaften als Absatzorte des Weines.
Zu solchen Hauptabsatzorten der russischen Weine müssen gezählt
werden ; Odessa, Akkermann und Kischinew im Bessarabischen Ge-
335
biete; Sudak,SsimferopoI, JaIta,Feodossia und Kertsch im Krim^schen
Gebiete; Nowo-Tscherkask im Donischen Gebiete; Astrachan im
Astrachan'schen Gebiete; Georgiewsk im Kura-Gebiete ; Kisljar,
Schelkosawodskaja-Staniza und Grosnaja im Terek-Kumik'schen Ge-
biete; Derbent, Petrowsk, Temir-Chan-Schura, Chunsach/ Kara-
dach, Botlich, Tloch, Ischkarti und Deschlagar im Daghestan^schen
Gebiete; Kutais, Ssuchum-Kale, Redut-Kale, Anapa und die Sta-
tionen der Poti-Tifliser Eisenbahn: Samtredio, Kwirili undOs-
piri im Rion-Schwarzmeer-Gebiete ; Tiflis, Jelissawetpol, Duschet,
Gori, Achalzych, Ananur und Passanaur im Kura-Gebiete; Tiflis,
Signach und Telaw im Kachetinischen Gebiete; Eriwan, Igdir und
Kuip im Araxes-Gebiete; Schemacha, Matrassi, Gürdschewan, Sa-
gian, Kerkentsch, Kirk und Ingar im Schemacha-Gektschai'schen
Gebiete.
In entfernteren, ausserhalb der Gebiete selbst liegenden Gegen-
den finden nur einzelne, besonders renommirte Weine in grösserer
Menge Absatz. So wird aus Bessarabien Wein in die Gouverne^
ments Chersson, Poltawa, Charkow, Podolien, Wolhynien, Kijew,
Tschernigow und selbst in einige nordwestliche Gouvernements aus-
geführt. Aus der Krim gelangt der Wein meist über Odessa und
Kijew nach Moskau und St. Petersburg, zum Theil über Taganrog
und Rostow in die, an der Wolga gelegenen Gouvernements. In
geringeren Quantitäten kommt der Krim'sche Wein nach Cherson
und Jekaterinosslaw und in die Städte des Gouvernements Taurien.
Aus dem Donischen Gebiete gelangt der Wein nach Moskau, Kursk,
Charkow, Poltawa, Bachmut, Jekaterinodar und in das Schwarz-
meer-Gebiet. Aus dem Kuban-Gebiet kommen Weine, wenn auch
nur in geringer Quantität, nach Taganrog und Rostow. Aus dem
Kuma-Gebiet wird Wein nach Stawropol und in's Schwarzmeer-
Ocbiet versandt. Aus dem Terek-Kumik'schen Gebiet gelangen
grosse Weintransporte längs dem Kaspischen Meere nach Astra-
chan, von wo sie die Wolga entlang zur Messe nach Nishnij-Now-
gorod kommen, und von hier aus gelangt der auf der Messe nicht
verkaufte Wein nach Moskau. In gefrorenem Zustande wird der
Wein aus dem Terek-Kumik'schen Gebiete nach Charkow zur Kre-
schtschen'schen Messe und nach Kursk zur Korennaja-Messe gesandt.
In geringen Quantitäten führt man den Wein in das Gebiet Daghe-
stan aus. Aus diesem letzteren wird Wein längs dem Kaspischen
Meere nach Astrachan und Baku gebracht; aus dem Rion-Schwarz-
meer-Gebiete nach Tiflis, Suram, Achalzych und in geringer Quan-
33^
t
tität nach Kertsch ; aus Kachetien nach Tiflis und- von da in gerin-
ger Quantität nach Moskau und St. Petersburg, selbst in^s Alisland
ausgeführt. Aus dem Araxes-Gebiet geht der meiste Wein auch nach
Tiflis und in die Kreise Tiflis und Achalzych. Endlich wird auch der
meiste Wein aus dem Schemacha-Gektschai'schen Gebiet ebenfalls
nach Tiflis, nach Baku^ Lenkoran und Kuba und in unbedeutenden
Quantitäten nach Astrachan ausgeführt.
Transportirt wird der Wein meist in Fässern aus Eichenholz,
selten in Flaschen, in Transkaukasien aber meist in Burducks, d. h.
in Schläuchen von verschiedener Grösse aus Büffel-, Ochsen-, Zie-
gen- und Schaffellen, die V* bis 75 Eimer fassen. Der Transport
in Burducks wird durch den schlechten Zustand der Wege in Trans-
kaukasien bedingt, wo der Wein in Folge dessen nicht selten
auf Packpferden transportirt werden muss. Die Tscharwodaren
oder die Eigenthümer der Packpferde erhalten für den Weintrans-
port I Rbl. 30 Kop. bis I Rbl. 50 Kop. pro Tag. Der Wcinlrans-
port in Wagen oder Arben kostet 8 — 13 Kop. pro Eimer für jede
100 Werst.
Ausführlichere und genauere Daten besitzen wir über den aus-
tvärtigen W einhandele und zwar für eine bedeutende Zeitperiode. Der
Weinimport nach Russland unterliegt verschiedenen Zollsätzen, die
im Verlaufe der letzten 20 Jahren mehrmals abgeändert wurden.
Entsprechend dem vom i. Januar 1869 ab gültigen Zolltarif sind
die nach Russland über die europaische Grenze importirten Weine
mit folgenden vier Zollsätzen belegt: i. Verschiedener Wein, in
Fässern oder Tönnchen importirt, unterliegt, mit Ausnahme des
im folgenden Punkte erwähnten, einem Eingangszoll von 2 Rbl.
30 Kop. pro Pud brutto; 2. Griechische Weine in Fässern zahlen
I Rbl. 40 Kop. pro Pud brutto; 3. nichtmoussirende Weine, in
Flaschen gefüllt, zahlen einen Eingangszoll von 33 Kop. und 4.
alle moussirenden Weine in Flaschen einen solchen von i Rbl. pro
Flasche.
Der Export von Traubenbranntwein und Wein aus Russland
unterlag bis 1865 bloss über die asiatische Landgrenze einem ge-
ringen Zollsatze; seit 1866 ist der Export allenthalben ganz frei.
Ueber diesen letzteren haben wir folgende Daten, in welchen jedoch
Branntwein und Wein nicht geschieden sind. Die nachstehende
Tabelle umfasst die Zeitperiode von 1853 — '872; in derselben
ist zugleich auch der Werth des exportirten Weins und Brannt-
weins und der für dieselben entrichtete Zoll aufgeführt.
« 1
Die nach Russland in Fässern und Ankern eingeführten Weine wer-
den nach l'udcn brutto, die übrigen, in Flaschen cin^jeführten,
nach Flaschen registrirt. Von den nachstehenden zwei Tabellen
zeigt die erste den allgemeinen Wein-Import nach Russland, die
zweite den Wein-Import über die Häfen des Schwarzen- und Asow--
sehen Meeres, sowie über Transkaukasicn, für die letzte zwanzig
jährige Zeitperiode. Die angeführten Werthc der Weine sind nach
einem, vom Zolldcpartemcnt festgesetzten Preiskouraht, der spater
jedoch erhöht wurde, normirt:
■DW. HBTDX.BD.XUI. 93
33«
Nach Russland wurde in den Jahren 1853 — 1872 it
Im Quinten-
Verschiedener Wein in FMssem.
Nichtmoosiirender Wein in
Flasdien.
nium.
Quantität.
Werth.
ZolL
Quantität.
Weith.
Zoll.
Pud.
RubeL
RttbeL
Flaschen.
RubeL
Rnbd.
1853—1857 im
Ganzen . . .
LDurchschn. p.J.
1858—1862 im
Ganzen • . .
LDurchschn. p.J.
1863— 1867 im
Ganzen . . .
LDurchschn. p.J.
1868
1869 ....
1870 ....
1871
1872 ....
Im Ganzen . . .
LDurchschn. p.J.
1,166,288
233i057,*
3,320,619
664,123,0
2,732,126
546 525,0
702,447
839.598
890,792
1 ,002,228
1,109,300
4,544,365
908,873,0
18,341,891
3,668,378,«
26,216,972
5,243,394,*
22,983,467
4,596,693,*
5.875,503
6,651,121
7,060,139
8,103.308
9,556,051
37,246,122
7,449,224,4
6,977,021
1,395,404,0
6,954,925
1,390,985,0
5,747,308
1,149,461,0
1,469,010
1,785,605
1,905,546
2,201,835
2,549,943
9.911,939
1,982,387,«
504,238
100,847,«
1,023,879
204,775,«
746,729
149,345,0
263,787
296,097
317.440
392,244
403,976
1,673,544
334,708,«
746,594
149,318,0
1,622,339
324,467,«
870,168
174,133,*
261,069
283,457
293,954
378,601
461.516
1,683,597
336,719.*
236.989
47,397
307,175
61,435,
221,988
44,397.
77,439
95,537
103,164
129,380
132,834
538,354
107,6701
Tolal . .
11,763,398
104,788.452
29,591,163
3,948,390
4,922,698
1 ,304,506
Weinimport nach Russland über die Häfen des Schwarzen und Asaot
Im Quinten-
nium.
Verschiedener Wein in FUssem.
Quantität.
Pud.
Werth.
RubeL
ZoU.
RubeL
Nichtmoussirender Wein in
Flaschen.
Quantität.
Flaschen.
Weith.
RubeL
ZoU.
Rnbd.
1853 — 1857 im
Ganzen . . .
I. Durchschn. p J.
1858 — 1862 im
Ganzen . • .
L Durchschn. p.J.
1863^1867 im
Ganzen . .
L Durchschn. p.J.
1868 ......
1869
1870
1871
1872
Im Ganzen . . .
L Durchschn. p.J.
4341I54
86.8303
668,538
133,707.«
649,640
129,928,0
181,672
256,035
257.921
297940
314,938
1.308*505
261,701,0
3,035,115
607.023,0
2,807,500
561,500,0
4,338437
867,687,4
1,502.936
1-750,398
1,744,111
2,187.313
1,951*920
9,136,878
1,827,335,«
«'355.f98
271,039,«
1*398.324
279,664,8
107.990
21,598,0
186,309
37.26I,«
1.377.817
1 19,020
257.563*
23.804.0
376,860
43,143
457033
69,713
453,101
80,213
584,048
94,481
724,95 i
85,603
2.595.993
373.153
519 198,«
74.630,«
155.889
31.177,0
230,927
46,185,4
112,816
22,563,1
40425
57,103
61,727
80,838
123405
363498
72.699.«
41,43«
8,287,1
55*886
it,ii7,i
35*595
7,ii9,f
12.948
21,251
25,125
3i«ii2
28.336
118.772
23,754.^
Total . . I 3.060,837 I I3,3i7f730 | 6,727,332 |. 786472 | 863,130 | 251.691
tchfn Meeres und über Transkaukasien in den Jahren
853—1872
Cbampagnei und andere moutsi-
renden Weine in Fluchen.
QouitiUU.
Wertli.
Zoll.
Qu»n
t 1 t li t.
Werih.
Zoll.
Fluctien.
Ruliel.
Rubel.
Pnd.
Fluchen
Rubel.
RnbeL
36S.I7S
746^98
317,508
434,154
473.165
3-93750«
1. 614. 144
73,03s,«
U9.»99.«
43.SOM
86,830,.
94.633.<»
787,500,*
333,838..
33' 481
690,758
385.768
668.538
5 '7.79«'
3.739.185
1.739-978
66.396..
138,151..
S7,i53>«
"33.707.«
103,5580
74S;837.«
347.995.«
374.600
586,023
316,947
649640
493,630
5.o3T,»76
I.730.3S9
74,9*0^
117,304.
63389-*
I3I|93S,(.
98,7a4-'>
1007 .455.'
346.071,.
90,TO3
13S608
76,90.
181,67»
133,345
1 678,969
466,709
99,714
149,606
94>H
»56 03s
1694*7
1,957 107
573,088
99.306
156580
96.173
357.9a»
179,519
1.962,418
574.399
105.038
166,956
105,038
297.940
199.519
».435,107
730,198
10. .366
»36,746
■ 01.348
314.937
186.969
3,3«a-o7i
854.63s
495 6>6
845,496
474.»64
",3<«.So5
868,779
10.345-672
3.189,039
99-iaS<'
169,099,.
94-85».
361. 701.0
173.7SS-»
3.069.134.*
637.805^
1,566.882
3,868,775
".a« 487
3,060.837
3.353-354
a3.049.635
8,373.510
340
Da die, durch diese Tabellen nachgewiesenen Schwankungen hin-
sichtlich des WeinJmportes nicht unmittelbar, oder wenigstens hur
theilweise, von der mehr oder weniger reichhaltigen Traubenlese,
sondern weit mehr von anderen «ökonomischen» Verhältnissen,
namentlich vom Stande des Geldmarktes, abhängen, so entziehen
sich dieselben an dieser Stelle jeder weiteren Analyse.
Der durch den Weinbau und durch die Weinkelterung erzielte
Brutto- und Netto-Ertrag, sowie die mit denselben verbundenen
Ausgaben stehen in direktem Verhältnisse zu der Rebenkultur und
zu der mehr oder weniger sorgfaltigen Pflege der Rebe und der
Weinkelterung. Die darüber vorhandenen Daten sind in folgender
Tabelle zusammengestellt:
Brutto-Ertrng Jährliche Aosgaben Netto-Ertrag
Weinbaugebiete. von einer Dessjatine Weingartengrund.
Rbl.
Rbl.
Rbl.
Bessarabisclies Gebiet . vor
l 75—600
50—300
25—300
Klinisches Gebiet:
Kreis Feodossia . . »
• Jalta .... »
» Ssimferopol . .
» Eupatoria . . .
200—700
123—654
Mittel 250
50
50—200
70 - I 50
Mittel 115
75
150—500
43-533
Mittel 135
Danisches Gebiet ...»
80—200
20-95
40— 1 50
Astrachan" sches Gebiet .
Mittel 470
Mittel 370
Mittel 100
Kubanisches •
» 170
» 150
» 20
Kumdsches •
?
?
?
Terek'KumiU sches Gebiet:
^
Kisljar »
Kosaken-Stanize . . »
Kumik'sche Ebene . . »
1 30 —260
60 —200
75--180
90—130
30—60
40-90
40-130
30 - 140
35—90
Daglustati sches Gebiet:
Nord-Daghestan . . *
Derbent
330
Mittel 168
155
87—106
. '75
62—81
Rion-Sckwarsmeer' Gebiet:
Niedrige Reben (Dablari) »
Hohe Reben (Maglari) .
120 — 300
15—120
40—80
5
80—220
10— 115
Kura' sches Gebiet:
Weingärten der trans-
kaukas. Kolonien
Kreis Jelissawetpol
» Duschett . . .
9 Gon . • • •
bis 800
• 3Ö0
• 350
» 350
bis 200
Mittel 100
> 100
» 100
bis 600
» 260
» 200
• 200
341
RbL Rbl. Rb).
Kachetinisc/us Gebiet . . » 168—1250 bis 300 bis 1000
AraxeS'Geiiet:
Kreis Eriwan ... ? ? 100—200
» Etschmiadstn . ? ? 100 — 150
» Nachitschewan . 200 »80 75 — 100
Schema€ha'G€ktsck€n*sckes Gebiet:
Niedrige Reben . . . von 125 — 300 80—100 45—220
Hohe Reben. ...» 80 — 150 15 6S— ^35 '
Die meisten Ziffern der vorstehenden Tabelle bezeichnen nur die
äussersten Grenzen des Brutto-Ertrages, der jährlichen Ausgaben
und des Netto Ertrages und nur für sehr wenige Gebiete des Wein-
baues war es möglich Mittelzahlen, wie solche sich aus dem Durch-
schnitt verschiedener Jahre ergeben, anzuführen. Bei diesen An-
gaben sind weder die Ankaufspreise des Weingartengrundes, noch
die zur Anlage der Rebpflanzungen erforderlichen Unkosten, noch
die Zinsen dieses Anlagekapitals in Anschlag gebracht worden; da-
gegen aber die durch nachbenannte Arbeiten, etc. verursachten
Ausgaben: durch Bearbeitung des Weingartengrundes und die
Pflege der Reben, durch die Traubenlese, die Produktion des Mostes,
die Anfertigung des Weines und anderer Getränke, durch die Be-
handlung des Weines in dem Keller, durch die Steuerzahlungen etc.
Bei Berechnung des Brutto-Ertrages und der jährlichen Ausgaben
sind die Einnahmen von den sekundären Nutzungen vom Weinland
und bei der Weinfabrikation nicht in Berechnung gezogen. Dieselben
bestehen : a) in der Kultur von Obstbäumen, Gemüse, Getreide und
Heu, etc. auf dem Weinlande; b) in der Anfertigung von verschie-
denen Getränken, wie Traubenbranntwein (Cognac), sowie in der
Erzeugung anderer Artikel, wie: Essig, Grünspan, Weinstein etc.
in djen, bei der Weinbereitung zurückbleibenden Traubentrestern
und Bodensatz oder Hefe, und c) im Gebrauche der Traubentrester
als Viehfutter und zur Düngung des Weinlandes und der Felder.
Ueber derartige sehr mannigfaltige und zum Theil sehr bedeutende
sekundäre Nutzungen sind nur sehr lückenhafte Daten vorhanden,
und nur über die Branntweinproduktion aus Trauben, Traubentre-
stern, Bodensatz und verdorbenen Weinen finden sich vereinzelte
Angaben im Departement für die indirekten Steuern^ aus welchen
die Anzahl der Trauben- und Fruchtbrennereien zu ersehen ist.
In den Jahren 1873 — 1876 waren folgende Brennereien zur Fa-
brikation von Traubenbranntwein in Thätigkeit:
34«
Anzabl der Fracht- und TraubeDbranntwein-F abriken
(Brennertien) in den Jahren
1873—74 1874-75 1875^76
• • • * * • AJ ^
«; S ^
■ «-* ^
o •
Gouvernements und Gebiete. H tS^-e H tafc-BjHfa^'c'^J!«
o PCO cS*>5
-U-
MitFeuerarbei-Jmit Accise 8 — 5 — 8
tende Brenner. [ ohne » 173 — 169 — 155
Dampfbrennereien mit Accise — — — — 11 —
Bessarabien:
Mit Feuer arbeitende Bren-
nereien mit Accise ... — — i — i — -^
Dampfbrennereien mit Accise — — 8 — 8 — —
Chersson:
Dampfbrennereien > ». 3 i 4 410 93 — 5
PodoUen:
Dampfbrennereien »», — — i — — — —
Land der Dänischen Kosaken :
Mit Feuer arbeitende Bren-
nereien mit Accise ... 5 — 4 — 3 — —
Ssaraiaw:
Dampf brennereien mit Accise — — — — 11 i
Warschau:
Dampfbrennereien »»'. — — iiii 4
Stawropol^ Terek imd Kuban:
Dampfbrennereien mit Accise
mit Accise .
■ohne •
Transkaukasien :
25 I 26
6 33
21 bis 12
611 — 833
2072 — 2969
4 ?
>
•
II »-«•«'
PMpiiir.
TuriesUm:
Mit Feuer arbeitende Bren-
nereien mit Accise . . , — — — — 2
Dampfbrenner, ohne Accise. — — — — 6
Total . . 2908. 2 4021 15 529 44 —
Darunter:
Mit Entrichtung von Accise 652 2 883 1 5 374 44 —
Ohne » » s 2256 — 3138 — 155 — —
Mit Feuer arbeit. Brenner. 2880 — 3970 — 469 — —
» Dampf » > 28250156044 —
543
In obenstehender Tabelle sind solche Brennereien, welche mit Feuer
oder mit Dampfkräft arbeiten, wie auch solche, welche Trauben -
branntwein mit und ohne Entrichtung von Accise brennen^ unter-
schieden worden; ausserdem konnten nur solche Brennereien separat
aufgeführt werden, die Branntwein aus getrockneten Früchten,
hauptsächlich aus Kischmisch anfertigen. Auf den übrigen Brenne-
reien wird zur Brarintweinfabrikation sehr verschiedenes Material ge-
braucht, namentlich Traubentrester, Traubenhefe oder Bodensatz,
ein Gemisch von Traubentrestern mit trockenen Früchten, Trauben,
Maulbeeren, Pflaumen, Zwetschen, Aepfel, Birnen, Weichsel (ne-
peiuHH) etc.
In den Jahren 1863— 1866 wurde für Trauben- und Fruchtbrannt-
wein eine Accise von 7 Kop. pro Tag und Eimer der Kapazität des
Destillirapparates, während der Zeit der Thätigkeit der Fabrik, er-
hoben ; seit dem Jahre 1866 stieg aber diese Accise auf 11 Kop.
Eine solche Accise galt für Brennereien, welche mit Feuer arbeiten
und den Branntwein aus rohen Früchten ziehen. Derartiger Brannt
wein zeigt 45 — 50* Tr., wobei aus einem Eimer Traubensaft 5 — 6,
im Mittel aber nur 4,2^ wassertreien Spiritus gezogen werden. Im
Jahre 1866 wurde in der Umgegend der Stadt Kisljar die erste, mit
Dampfbetrieb eingerichtete Traubenbranntweinfabrik eröflfnet; auf
einer solchen Fabrik können täglich bis 18 Destillationen stattfin-
den und bei einer Totalkapazität des Destillirapparates von 200 Ei-
mer verbraucht man für jede Destillation 50 Eimer Traubentrester.
Der auf einer solchen Fabrik erzeugte Spiritus ist 80—94* stark und
aus einem Eimer Traubentrester zieht man nicht weniger als 5 Grad
wasserfreien Spiritus. Wenn man aber, wie das in Transkaukasien
der Fall ist, zur Bereitung von Traubenbranntwein sich frischer
Trauben bedient, so steigert sich die Menge des erhaltenen wasser-
freien Spiritus auf 6 — 12*. Endlich bereitet man seit einigen Jahren
Fruchtbranntwein aus trocken'en Früchten, hauptsächlich aus Kisch-
misch, einer getrockneten Traubensorte, die in grossen Quantitäten
aus Persien eingeführt wird. Der grosse Zuckergehalt derselben
bietet die Möglichkeit, aus ihr eine bedeutend grössere Quan-
tität Spiritus zu gewinnen, und wirklich haben Versuche gezeigt,
dass man aus einem Eimer trockener Früchte bis 50® Spiritus ziehen
kann. Dabei zahlen die Fabriken, welche Branntwein aus trocke-
nem Kischmisch und anderen trockenen Früchten produziren, seit
1866 einen Accisesatz von 11 Kop. pro Eimer vom Volumen der
Destillationsblase für jeden Abtrieb. Eine Ausnahme bilden nur
344
die Fabriken Transkaukasiens, wo für Erzeugung von Branntwein
aus trockenen Früchten^ namentlich aus Kischmich, Rosinen,
Churma, Maulbeeren, bis zum Jahre 1875 ein Accisesatz von i Rbl.
20 Kop. pro Tag und Eimer vom Volumen der Destillationsbiase
festgesetzt war. Der Kischmischbranntwein wird im Gouvernement
Eriwan in sehr grossen Quantitäten angefertigt, doch meist nur in Bren-
nereien, die bloss mit Feuer arbeiten und auf welchen täglich nur 6
bis 8 Abtriebe stattfinden. Ein Pud aus Persien exportirten Kisch-
misch kostet einer solchen Brennerei durchschnittlich i RbL 50 Kop.>
und aus demselben werden, trotz des unrationellen Verfahrens, 45
bis 49^ Spiritus gezogen.
Die Winzer der Krim besitzen seit mehreren Jahren das Vorrecht,
Branntwein aus Traubentrestern und aus Wein, der aus den eigenen
Gärten stammt, ohne Entrichtung einer Accise, jedoch nur in kleinen
Destillationskesseln, zu brennen ; sie bezahlen dafür jährlich bloss die
Patentsteuer, die einen Rubel für jeden Eimer des Inhalts des De-
stillationskessels beträgt. Dasselbe Vorrecht des accisefreien Brannt-
weinbrandes aus Traubentrestern und Wein erhielten 1871 die Win-
zer im Schwarzmeer-Gebiete, und im^hre 1873 auch die Transkau-
kasiens, doch schon im Jahre 1876 wurde dieses Privilegium bezüg-
lich dieser letzteren abgeändert, und zwar desshalb, weil es nur von
Winzern benutzt wurde, welche grosse Weingärten besassen; die
Besitzer kleiner Gärten, die kein genügendes Material zur Brannt-
weinbereitung hatten, fanden es nicht für vortheilhaft, für das Patent
einen Rubel jährlich von jedem Eimer der Gesammtkapazität ihrer
Kessel zu bezahlen, und hielten es für vortheilhafter, die Accise auf
Grundlage des allgemeinen Satzes zu entrichten, oder sie benutzten,
unter Umgehung des Gesetzes, um mehr Material zur Fabrikation
zu verwenden, noch die Trestern ihrer Nachbarn. Dadurch ward
der Zweck, welcher durch Ertheilung dieses Privilegiums beabsichtigt
war, d. h. den Weinbau Transkaukasiens zu fördern, nicht erreicht.
Aus diesem Grunde wird seit 1876 in Transkaukasien nachstehender
Accisesatz von Trauben- resp. Fruchtbranntwein erhoben: für
Branntwein, der aus rohen Früchten gewonnen wird, 25 Kop. pro
Tag in, mit Feuer arbeitenden Brennereien, und 41 Kop. pro Tag
in, mit Dampfbetrieb arbeitenden, von jedem Eimer der Kapazität der
Destillationsblase; für Branntwein aus Kischmisch und anderen trock-
nen Früchten 2 Rbl. 16 Kop. pro Tag für, mit Feuer arbeitende, und
3 Rbl. 93 Kop. pro Tag für Dampfbrennereien, auch von jedem Ei-
mer des Kesselinhaltes. In Folge dieses neu eingeführten Accise-
345 _
I
Satzes hat sich in Transkaukasien die Anzahl der Brennereien verrin-
gert, wodurch eine erleichterte Kontroie über die vorhandenen
eroiöglicht worden ist.
Ueber die Quantität des jährlich produzirten Trauben- und Frucht-
branntweins gibt es keine direkten Angaben, doch die für denselben
entrichtete Accise betrug 1863: 76,047 Rbl.. 1864: 49,216 Rbl.,
1865: 115,257 Rbl., 1866: 290,640 Rbl.; 1867: 128,150 Rbl., 1868:
138.566 Rbl., 1869: 114,052 Rbl., 187p: 118,855 Kbl., 1871:
120,269 Rbl., 1872: 97,010 Rbl., 1873: 74,358 Rbl., 1874:77,895
Rbl., 1875: 124,551 Rbl.
Dank dem oben erwähnten Privilegium, nur gegen Entri<ihtung
der Patentsteuer Branntwein aus Traubentrestern oder Wein brennen
zu dürfen, geschieht letzteres von den Winzern der Krim ; es stehen
daher daselbst bis jetzt noch eine Menge von Blasen geringer Di-
mension (eine solche Blase darf nicht mehr als 30 Wedro iasseit) in
Benutzung, in denen, in Folge ihrer unvollkommen Einrichtung, nicht
selten dieTraubentrester und besonders die Hefe anbrennt, wesshalb
auch der aus ihnen gewonnene Branntwein von sehr schlechter
Qualität ist. ' Doch nur ein geringer Theil der Traubentrester wird
zur Branntweinfabrikation benutzt. Die Hefe aber wird bei sehr vie-
len Wirthen gar nicht verwendet, während einzelne wenige E^ig
aus derselben herstellen. Andere Nebenprodukte, wie Weinstein
etc., werden bei der Weinbereitung noch nirgends gewonnen.'
J. V. Bock.
Ein neues Werk über den Krimkrieg.
Eiude diplomatique sur la guerre de Crittue. Par un ancien diplomate, St. Paters-
bourg, 1878. 2 Bände. 8® VII., 544 und 424 S. Ubrairie de la Cour Im-
pcriaU II, Schmitzdorff (Charles Röttger).
Die Literatur über den Krimkrieg ist bereits recht umfangreich.
Den französischen und englischen Werken über diesen Gegenstand
(Bazancourt, Kinglake u. s. w.) stehen in Russland verfasite Werke
würdig zur Seite (Todleben, Anitschkow u. A.). Auch die Frage
von der Genesis dieses Krieges ist bereits Gegenstand der mono*
' Vgl. die «Berichtigung» am Schlüsse des Heftes.
346
graphischen Darstellung geworden. Im Jahre 1863 erschien in
Leipzig die Schrift Friedrich von Smitt's: tWie ward der orienta-
lische Krieg herbeigeführt?*, eine historische Untersuchung» welche
auf den Gang der diplomatischen Unterhandlungen vor dem Aus-
bruche der Feindseligkeiten und während derselben ein helles Licht
warf.
Demselben Gegenstande, der Genesis des Krieges, ist die vorlie-
gende, sehr umfangreiche Darstellung gewidmet. Auch wenn auf
dem Titel der unbekannte Verfasser nicht als. «Diplomat» bezeich-
net wäre, könnte der Leser nicht im Zweifel darüber sein, dass die
Darstellung dieser Verwickelungen aus der Feder eines Staatsman-
nes, eines ehemaligen Gesandten stammt. Eine ausserordentlich
eingehende Kenntniss des Stoffes, eine bewunderungswürdige Hand-
habung der Diplomatensprache, eine mehr publizistische als objek-
tiv-historische Behandlung des Gegenstandes zeichnet das vorlie-
gende Werk aus. Es wird in staatsmännischen Kreisen sehr viel
Beachtung finden, zweifelsohne auch Aufsehen erregen. Von
den Ministern und Gesandten, welche vor etwa einem Vierteljahr-
hundert an den Ereignissen, die hier erzählt werden, Theil nah-
men, sind Viele noch am Leben. Sie werden sich mit besonderem
Interesse der Lektüre, dem Studium dieses Buches widmen. Der
ganzen Darstellung merkt man es fast auf jeder Seite an, dass hier
ein Betheiligter die Feder führte. Es ist ein Plaidoycr für die Politik
Russlands, das, bald nach dem Krimkriege verfasst, deutliche Spu-
ren der Erregung an sich trägt, welche in den unmittelbaren Zeugen
so grosser weltgeschichtlicher Vorgänge begreiflicherweise durch
dieselben hervorgerufen werden musste. Das Betonen des Ein-
drucks, welchen die Wucht der, Russland damals heimsuchenden
Schicksalsscbläge übte, die Bitterkeit in der Beurtheilung der Hal-
tung und Handlungsweise der Gegner Russlands, eine apologetische
Art bei Schilderung der russischen Politik, insbesondere der Stel-
lung, Gesinnung und Handlungsweise des Kaisers Nikolaus, — alles
dieses ist eben dadurch erklärlich, dass der Verfasser offenbar den
Einzelnheiten dieser denkwürdigen Vorgänge nahestand, dass er
durchdrungen war von Patriotismus und Nationalgcfühl. Man wird
bei der Lektüre des höchst anziehend geschriebenen Buches zuge-
ben müssen, dass ein solcher, etwas subjektiver, warmer, stellen-
weise sogar leidenschaftlicher Ton, eine solche mehr memoiren-
artige, als speziell historische, wissenschaftliche Auffassung den
Werth des Buches, den Reiz desselben wesentlich erhöht. Es ist
347
nicht sine ira et studio geschrieben. Es ist, wenn man so sagen
darf, eine politische Broschüre im Umfange von nahezu tausend Sei-
ten, per Verfasser sagt wohl einmal gelegentlich (I. 49), er wolle
der Rolle eines Erzählers treu bleiben, aber er begnügt sich nicht
damit, die ihm in allen Details bekannten Thatsachen zu konstatiren:
er beurtheilt die Thatsachen; er unterwirft die Handlungen der
Staatsmänner aller betheiligten Staaten einer Kritik von dem Stand-
punkte der Politik, bisweilen von dem Standpunkte der Moral aus;
er ist nicht frei von Stimmungen, Verstimmungen; er schreibt pro
domo ; es ist ihm um eine Rechtfertigung Russlands und insbeson-
dere des Kaisers Nikolaus zu thun und diese Ausführungen lassen
es weder an Sachkenntniss, noch an Beredsamkeit fehlen. Es
kommt dem Verfasser darauf an, auf die Lehren hinzuweisen, welche
man aus den erschütternden Vorgängen während des Konflikts und
seit 1852 überhaupt Air die praktische Staatskunst, wohl auch für
die Staatssittenlehre ziehen kann. Er ist geneigt, seine Darstel-
lung mit einem «fabula docet» zu schliessen.
F. von Smitt's Schrift, in welcher die Frage erörtert wurde, auf
welche Weise es zum Krimkriege gekommen sei, erschien im Jahre
1863. In demselben Jahre ist auch das vorliegende Werk geschrie-
ben, wie der Verfasser in der Einleitung bemerkt. Er schreibt:
c Diese Studie wurde im Jahre 1863 vorbereitet und redigirt, zu eiAer
Zeit, da man noch unter dem bittern Eindruck jenes so ungerechten
orientalischen Krieges stand, welcher das russische Volk in seinen
Interessen, seinen Rechten, seiner Würde, in seinem Bewusstsein ein,
wenn auch noch junges, so doch durch seinen Umfang und mäch-
tige Lebenskraft wichtiges Glied der Völkerfamilie zu scjn, gekränkt
hat*. Der Verfasser bezeichnet diesen Krieg als eine empörende
Ungerechtigkeit, weil derselbe den Versuch enthalten habe, Russ-
land aus der Völkerfamilie auszuschliessen, welcher dieses Reich so
bedeutende Dienste geleistet hatte, Dienste, die den Beweis lie-
ferten, dass Russlands Interessen solidarisch seien mit denjenigen
Europa^s. Dieser Eindruck, bemerkt der Verfasser, habe dem Kai-
ser Nikolaus das Grab gegraben. Er sagt von der moralischen Ent-
rüstung, welche dieser Krieg habe hervorrufen müssen: «Sentimertt
douloureux qui a conduit 3m tombeau un noble souverain si compl&te-
ment identifie avec Thonneur et la prospdriti de son pays, qu'il n'a
pas pu survivre ä ces outrages imm^ritds». Es sei demnach, Tährt der
Verfasser fort, unmöglich gewesen, mit kaltem Blute von einem Ge-
genstande zu reden, welcher jeden treuen Diener Russlands vor
34»^
Unwillen erbeben mache. Obgleich seit dem Jahre 1 863 sich so
Vieles in der Weltlage verändert habe, bemerkt der Verfasser wei-
ter, so habe er doch an der Redaktion seines Werkes nkhts ändern
wollen. Es schien ihm nicht angemessen, den Ausdruck des Un-
willens abzuschwächen, welcher gegen die Ungerechtigkeit pro-
testire, weil die Lehren, die in dem Krimkriege enthalten seien
und die praktische Politik zu beeinflussen geeignet wären, durch
Beibehaltung des Kolorits jener bewegten Zeit ausdrucksvoller zu
wirken vermöchten. «Die Erfahrung*, sagt der Verfasser, «ist die
einzige Compensation, welche die Menschheit aus den ihr auferleg-
ten Prüfungen erhält».
So blieb denn im Wesentlichen die Redaktion von 1863 bei der
gegenwärtigen Edition beibehalten. Indessen ist denn doch an sehr
vielen Stellen des Werkes der Ereignisse erwähnt, welche nach dem
Jahre 1863 stattfanden, der grossen Veränderung in Deutschland,
der Vorgänge des Jahres 1866^ des deutsch-französischen Krieges,
des Sturzes Napoleon^s III. u. s. w. Es sind dies oflfenbar später hin-
zugefügte Ergänzungen des Verfassers, die das Interesse des Buches
wesentlich erhöhen. Eine Notiz des Verlegers besagt, dass die
Drucklegung des Buches schon im Jahre 1874 vollendet war, dass
aber das Erscheinen desselben im Buchhandel aus, von dem Ver-
leger unabhängigen Gründen verschoben werden musste.
Der Verlauf des Krieges selbst ist nicht eigentlich Gegenstand
des Buches. Nur ausnahmsweise und ganz kurz ist der militärischen
Ereignisse erwähnt, aber wenn dies geschieht, sind die, auf die
eigentliche Kriegsgeschichte sich beziehenden Bemerkungen beson-
ders lehrreich. Man nimmt auch hier, wie sonst überall, wahr, dass
dem Verfasser Quellen zugänglich waren, welche sonst den Histori-
kern nur in besonders günstigen Fällen zu Gebote stehen. Man lese
die bezüglichen Stellen, in denen die Ansichten Paski^witsch's und
Jomini^s entwickelt werden (Bd. I, S. 513 und II, S. 153), oder in
denen von der Entscheidung in der Krim die Rede ist (Bd. II,
S. 131— 132). Aber sonst beschränkt sich der Verfasser auf die
Darlegung der politischen Lage, auf die Erzählung von dem Ver-
laufe der diplomatischen Unterhandlungen.
Betrachten wir in kurzen Zügen den Inhalt des Werkes.
In dem ersten, «Consid^rations pröliminaires» überschriebencn
Kapitel schildert der Verfasser die Weltlage in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts im Allgemeinen und die Stellung, welche Russland
West- Europa gegenüber einnahm, insbesondere. Hier ist die Dar-
__349
Stellung der Haltung des Kaisers Nikolaus von besonderem Interesse.
Die Darlegung des Aufenthaltes des Kaisers in England, 1844, ^^^
seiner dort, in Betreff der Türkei geäusserten Ansichten, welche in
einem ausfuhrlichen Memoire Nesselrode*s weiter begründet werden
(S. 12 u. ff.), sind wesentliche Beiträge zur Geschichte der orienta-
lischen Frage. Ferner verweilt der Verfasser bei dem ungarischen
Kriege 1849 und berührt auch andere Fälle, in denen Russland als
spezifisch konservative Macht für die Erhaltung des Status quo
und gegen die Revolution, in welcher Form sie auch auftre-
ten mochte, zu wirken bemüht war. Der Verfasser preist die Ver-
dienste des Kaisers Nikolaus um den Westen und spricht mit harten
Worten über den Undank der Mächte, denen Russland in Momen-
ten der Gefahr beigesprungen sei. Im Gegensatze zu der agitiren-
den Weise Palmerston^s, «dessen Hand», wie der Verfasser bemerkt,
«bei allen Revolutionen im Spiele gewesen sei» (S. 22), lobt er die
Haltung Russlands und geht soweit, Russland einen rettenden Ein-
fluss zuzuschreiben. Er bemerkt S. 29*. «A la fin de cette m^mo-
rable ann^ 1848, la. contenance calme et ^nergique de la Russie
avait arrdtä la r^volution, remis sur leurs pieds les gouvernements
^brahl^, et soutenu T^difice europ^en chancelant sur ses bases au
Nord comme au Midi, en Orient comme en Occident«.
Je grösser aber, nach der Ansicht des Verfassers, die Verdienste
des Kaisers Nikolaus um Europa gewesen seien, desto verwerflicher
erscheint ihm die feindselige Haltung, welche bei dem Krimkriege
alle Mächte Russland gegenüber einnahmen. Nachdem der Ver-
fasser eine Reihe von Zeugnissen der selbstlosen und loyalen Hal-
tung der russischen Politik aufgezählt, schliesst er das einleitende
Kapitel mit folgenden Bemerkungen: cDies Alles hätte Europa den
klaren Beweis liefern müssen, dass der Kaiser Nikolaus ein gross-
müthiger, loyaler, uneigennütziger Souverain war, welcher seine
besonderen Interessen hintenansetzte und nur an das allgemeine Wohl
dachte, und dass die besonderen Interessen Russlands und die allr
gemeinen Interessen Europa^s einander deckten. Dennoch aber
nahte der Augenblick heran, da der Kaiser Nikolaus die Zielscheibe
des allgemeinen Hasses und, als ein unleidlicher Despot, als unbeug-
sam, hochmüthig und unersättlich ehrgeizig, von ganz Europa in
die Acht erklärt werden sollte ; es nahte der Augenblick heran, da
Russland der Gegenstand einer feindseligen Koalition, eines unge.
rechten und verhängnissvollen Krieges werden sollte, weil Russland
ein barbarischer Staat, ein Feind der Ruhe und der Freiheit Europa^s
350
sei! Und mitten in dieser allgemeinen Entfesselung gehässiger
Leidenschaft erhob sich keine Hand und keine Stimme zu Gunsten
des Souverains und der Nation, denen Europa zum zweiten Male*
seine Rettung verdankte und welche Europa nur grossmiithige
Dienste geleistet hatte! Solche Lehren bleiben unvergessen»»
In dem zweiten Kapitel; « Avönement du second empire frangais*
schildert der Verfasser die Beziehungen Russlands zu Frankreich in
der Zeit| welche unmittelbar auf die Februarrevolution folgte, die
Beziehungen des Kaisers Nikolaus zu Napoleon, welchem bekannt-
lich die Anrede «roon eher ami» einen peinlichen Eindruck verur-
sachte. In dem Beginn des zweiten Kaiserreichs erblickt der Ver-
fasser den Keim zum Krimkriege; den Ehrgeiz Napoleon's UI. macht
er für dieses Ereigniss verantwortlich. Von Interesse ist die ein-
gehende Charakteristik des französischen Kaisers, dessen Politik
nicht rechtzeitig durchschaut zu haben, der Verfasser als einen Feh-
ler der russischen Politik bezeichnet.
Ueberhaupt ist der Verfasser in diesem Kapitel geneigt, zuzu*
geben, dass Russland durch einen gewissen Doktrinarismus *in Be-
treff der konservativen Politik sehr wesentlich zu seiner Isolirung in
Europa beigetragen habe (s. S. lOi, iii u. ff.). Beachtenswerth
ist die, Thiers betreffende Aeusserung des Verfassers (S. 6i):
cM. Thiers dominait Tassembl^e par sa parole, et, bien qu'il la müt
avec talent et Energie au service des idöes d'ordre social, boulevers^es
par les excäs de la d^magogie, il n'en avait pas moins inaugur^ ce
d^bordement d'öloquence parlementaire, qui est un ^ueil du gou-
vernement constitutionnel en France«.
Dais dritte Kapitel «Question des saints lieux» enthält die Dar-
legung des Konflikts in Betreff der Instandhaltung des heiligen Gra-
bes. Hier begegnen wir sehr lehrreichen Mittheilungen über Russ-
lands Haltung in dieser Frage und der Bedeutung Frankreichs, auf
dessen Beistand die Pforte hoffte. Ganz kurz charakterisirt der
Verfasser diese Frage in ihrer Bedeutung dem Kriege gegenüber
folgendermaassen : «Diese Frage von dem heiligen Grabe war der
Prolog des Krieges, die Sendung des Fürsten Menschikow war der
erste Aufzug; die Besetzung der Donaufürstenthümer bis zum Bruche
mit England und Frankreich bildet den zweiten Akt; der dritte be-
steht aus den diplomatischen Verhandlungen und militärischen Ope-
Die erste Rettung Europa*s durch Russland setzt der Verfasser in das Jahr 1813,
rationen, welche hierauf folgten, bis zum Vertrage vom i8. (3a)
März 1856», (S. 156.)
In den folgenden Kapiteln wird zunächst die Sendung des Fürsten
Menschikow, sodann das Verhältniss Russlands zu den verschie-
denen europäischen Mächten bis zum Ausbruche des Krieges dar-
gelegt. Hier begegnen wir einer Fülle neuer Daten und anziehen-
der Bemerkungen über die Lage. So sagt der Verfasser S. 167,
dass, während der Kaiser Nikolaus vertraulichen persönlichen Aeus-
serungen im Verkehr mit den Gesandten viel Gewicht beilegte» die-
selben namentlich in den Beziehungen Russlands zu England den-
noch nicht von der entsprechenden Wirkung sein konnten, weil
durch die Enthaltung der repräsentativen Verfassungen der Werth
derselben sich sehr wesentlich geändert hatte^
Nachdem der Verfasser die Einzelnheiten der Sendung des Für-
sten Menschikow dargelegt und insbesondere auf die feindselige
Haltung des englischen Diplomaten Stratford Canning aufmerksam
gemacht, bemerkt er zu Anfang des sechsten Kapitels, in welchem
von der Besetzung der Donaufurstenthümer die Rede ist: «Der Streit
in Betreff des heiligen Grabes wurde durch unsere Intervention zu
Gunsten der Rechte der orthodoxen Kirche eine russische Frage;
eine politische Frage wurde er durch die Sendung des Fürsten Men-
schikow und die Forderung des Abschlusses einer Konvention; die
Besetzung der Donaufurstenthümer unserersits rückte diese Frage
um noch einen Schritt weiter: dieselbe wurde eine Frage des euro-
päischen Gleichgewichts» . Von grossem Interesse ist der Hinweis
des Verfassers (S. 210 u. ff.) auf zahlreiche Beispiele in der neuesten
Geschichte, in denen die Okkupation gewisser Gebiete keinen Krieg
herbeiführte. Dahin gehört die Besetzung Morea's durch die Fran-
zosen, die Operationen der allürten Flotten, welche zu der Schlacht
bei Navarin führten, das Erscheinen einer französischen Armee vor
Antwerpen während der belgischen Revolution, die Besetzung An-
cöna's u. dgl. m.*
Das sechste Kapitel schildert den Gang der diplomatischen Ver-
handlungen bis zu der Schlacht von Sinope,. welche bekanntlich
insbesondere England gegen Russland aufzubringen geeignet war.
Das siebente, zweihundert Seiten umfassende, handelt von den Be-
* Cela doit nous apprendre combien 1a poHtique a chaiig6 d'aUures depuis V^tablU-
sement du r^me repr6sentatif et combien U est n^cessaire d*y conformer les nötres.
' Gegenwärtig könnte man die Besetzung Bosniens als ferneres Beispiel hinsufiigen.
3S2
Ziehungen Russlands zu den verschiedenen Mächten. Insbeson-
dere wird die französische Politik sehr eingehend geschildert und
hier macht der Verfasser auf den Fehler aufmerksam, welcher darin
lag, dass Russland die Macht und den Einfluss Napoleons III. unter-
schätzte. Die Reproduktion von Gesprächen des russischen Ge-
sandten Kisselew mit dem französischen Kaiser wird auch den, in die
Einzelnheiten dieser Vorgänge Eingeweihten ohne Zweifel viel
Neues und Ergänzendes bringen. Wiederholt kommt der Verfasser
auf die Pläne Frankreichs in Betreff Polens zu reden, Pläne, welche
an dem Widerspruche Palmerstons scheiterten. England, bemerkt
der Verfasser (S. 302), wollte die Türkei von dem russischen Ein-
flüsse befreien, Russlands Seemacht auf dem Schwarzen Meere ver-
nichten, nicht aber eine Herstellung Polens. Der Verfasser konsta-
tirt, dass Englands Politik, das Praktische, Naheliegende, Erreich-
bare in*s Auge fassend^ grössere Erfolge errang, als die t geräusch-
volle und unruhige» Regierung Napoleons. (Vgl. II. S. 369.)
In dem Abschnitt über England wird die Haltung des Ministe-
riums und der Gesandten, die Wirkung der Schlacht bei Sinopc,
die Unpopularität des Prinzen Albert und Lord Aberdeens berührt
und die Leidenschaft geschildert, mit welcher die Engländer sich
in den Krieg stürzten und die Friedensfreunde tadelten. Anziehend
ist die Erzählung von der Abreise des Barons Brunnow aus England
(S. 364). «Lord Aberdeen gestand, als sich der russische Gesandte
von ihm verabschiedete, ein, dass die Absendung der englischen
Flotte in die Besikabai der erste Fehler des englischen Kabinets
gewesen sei, der Ausgangspunkt der folgenden Ereignisse. Er er-
kannte an, dass man besser gethan hätte, Lord Granville nach St.
Petersburg zu schicken und die Flotte unbeweglich zu halten. Im
Uebrigen konnte sich Lord Aberdeen noch nicht entschliesscn, an
einen Krieg zwischen England und Russland zu glauben. Ein sol-
cher Krieg erschien als eine Ungeheuerlichkeit, als eine Kalamität
für alle geordneten Staaten Europa's, als ein Ereigniss, aus welchem
nur die revolutionären Parteien Nutzen ziehen würden. ^ Es waren
traurige Geständnisse: Sie zeugten eben so sehr von Ohnmacht, wie
von gutem Willen! Der Abschied von Lord Clarendon war kälter:
dieser beschränkte sich darauf, die Hoffnung auszusprechen, dass
der Krieg nicht von langer Dauer sein werde*.
Der Abschnitt über die österreichische Politik enthält eine scharfe
Kritik der Haltung dieser Macht. Während der Kaiser Franz Joseph
persönlich gegen den Krieg war, stand Oesterreich zu sehr unter
353
dem Einflüsse des Kaisers Napoleon III., um sich nicht in der orten*
talischen Frage von dem französischen Kabinet in^s Schlepptau
nehmen zu lassen.
Ebenso zeigt der Verfasser in dem Abschnitt über die Haltung
der Pforte, dass der Sultan nicht kriegslustig war, dass sich aber
der Einfluss des englischen Gesandten besonders stark geltend
machte. Der Verfasser bemerkt : «Die Verantwortlichkeit für den
orientalischen Krieg lastet ganz allein auf Stratford Canning; trotz
aller Anstrengungen der englischen Regierung, diese Verantwort-
lichkeit von sich abzulehnen, muss diese erstere einen beträchtlichen
Theil derselben tragen; um der Schwäche willen, welche sie gegen-
über ihrem diplomatischen Agenten an den Tag gelegt hat. Und
es ist eine schwere Verantwortlichkeit vor Gott und Menschen, die
Verantwortlichkeit für einen Krieg, welcher so viel Unglück nach
sich zog, Ströme von Blut fliessen Hess, kolossale Summen ver-
schlang, ohne dass der Menschheit daraus ein Vortheil erwachsen
wäre». (I, S. 438—439-)
Das achte Kapitel ist der Mission des Grafen Orlow nach Wien
gewidmet. Auch hier wird die österreichische Politik, welche zu-
erst eine wohlwollende, dann eine unparteiische Neutralität in Aus-
sicht gestellt hatte, um endlich zu einer feindseligen Neutralität
überzugehen, heftig getadelt. Die Gründe des Scheiterns der Mis-
sion des Grafen Orlow werden dargelegt. Auch hier werden wir durch
Reproduktion von Gesprächen zwischen dem Kaiser Franz Joseph
und dem russischen Botschafter Baron Meyendorff in alle Details
der Lage, in die Welt der Stimmungen und Verstimmungen einge-
führt.
Sehr beachtenswerth ist die Besprechung der Frage, ob Russland,
dessen Truppen in den Donauprovinzen standen, korrekt gehandelt
habe. Friedrich von Smitt bemerkt in seinem obenerwähnten
Werke, es sei ein Fehler gewesen, die russische Armee in den
Donauprovinzen in der Defensive beharren zu lassen; man hätte,
meint dieser bewährte Militärhistoriker, kräftiger handeln sollen,
während man eine gewisse Unentschlossenheit an den Tag legte;
man hätte gleich Anfangs eine Schlacht erzwingen sollen: ein Er-
folg hätte die Kriegslust der Türken abgekühlt; es sei ferner ein
Fehler gewesen, dass man sich in einer langen Linie zersplitterte,
statt sich zu konzentriren u. s. w. Ganz andere Bedenken macht
der Verfasser des vorliegenden Werkes geltend, und diese Ausfüh-
rungen gewinnen insbesondere durch die Ereignisse der allerletzten
BUS8. RBYUX. BD. XUI. a3
354
Zeit an Interesse. Er spricht von dem Verhalten der Rumänen und
Balkanchristen überhaupt. Gereizt über die Haltung, den Undank
der ersteren sagt er: «Du reste les Moldo-Valaques doivent d^sor-
mais 6tre räy^s du monde slave orthodoxe. Ils inclinent vers rOcci-
dent et les Latins. L'avenir nous r^serve probablement de rencon*
trer partout au rang de nos adversaires ces populations qui . nous
doivent la vie*. (S. 476.)
Dass Russland weder zu rasch zur Offensive überging, noch auf
die Insurrektion der Balkanchristen rechnen wollte, scheint der Ver-
fasser günstig zu beurtheilen. Er zeigt, dass Russland als conser-
vative Macht von so gewagten Unternehmungen absehen musste,
welche revolutionären Regierungen recht wohl angestanden hätten.
«Auf die Mitwirkung der christlichen Bevölkerung»| sagt der Ver-
fasser (I, S. 515), «verzichteten wir aus Rücksicht auf die Stellung
einer Macht, welche wir gerettet hatten und welche uns jetzt ver-
rieth* (Oesterreich). Uebrigens macht der Verfasser auch auf die
Gefahr aufmerksam, welche darin lag, dass Russland, aggressiv vor*
dringend, Oesterreich zur Seite und im Rücken hatte. So musste
denn Russland auf so kühne Pläne verzichten, und zwar um so mehr,
als, wie der Verfasser zeigt, die Haltung Serbiens und Griechenlands
Russland nicht viel Hoffnung auf Mitwirkung dieser Staaten bot,
und auch auf Bulgarien nicht zu rechnen war. Die grosse Bedeu*
tung Bulgariens in dem l^zten Kriege erhöht sehr wesentlich das
Interesse der Bemerkungen, welche der Verfasser in Betreff dieser
Provinz macht. Er führt aus, wie Russland von kühnen Entschlüs-
sen durch die maassvpUe, besonnene Haltung des Kaisers Nikolaus
abgehalten wurde. Russland, bemerkt der Verfasser, war militä-
risch, aber nicht kriegerisch (La Russie ^tait militaire^ sans etre bei-
liqueuse); es rechnete immer noch auf seine früheren Verbündeten.
«Fünfundzwanzig Jahre hindurch hatte der Kaiser Russland nach
den Prinzipien von Gehorsam und Disziplin gemodelt. ' Er hatte
dadurch Ruhe und innere Sicherheit geschaffen, aber zugleich alte
energische Initiative gebrochen. Die am Ruder befindlichen Män-
ner waren alt, mehr geneigt auf die Stimme der ruhigen Vernunft,
als auf diejenige der Leidenschaft zu hören, welche bisweilen in
kritischen Zeiten einer Nation Heil bringt». Dem Kaiser machte
die revolutionäre Seite der Bewegung der Balkanchristen Bedenken.
Die Situation war nicht neu. Schon in den Zeiten des Kongresses
von Verona hatte Fürst Mettemich mit Erfolg dem Kaiser Alexan-
der die Griechen als eben solche Rebellen geschildert, wie es die
3S5
Spanter und Italiener waren. In solchen Grundsätzen waren Russ-
land und Oesterreich solidarisch. Daraus erwuchsen aber für Russ-
land in dem Augenblicke der Entscheidung Zweifel, Zaudern, Halb-
maassregeln» welche verhängnissvoll werden mussten, weil sie Russ-
land vor seinen Feinden entwaffneten, ohne die Freundschaft der
ehemaligen AUiirten zu erhalten oder zu befestigen. Als endlich
die Enttäuschung folgte und der Drang der Verhälnisse die militä-
rische Stellung klarlegte, war es zu spät, das Werk der Politik eines
Vierteljahrhunderts zu negiren.
So kam Russland, bemerkt der Verfasser am Schlüsse des ersten
Bandes, in eine Lage, wo es von Stufe zu Stufe zu Konzessionen ge*
drängt, an Händen und Füssen gefesselt, den Gegnern überliefert,
dem Todesstreiche preisgegeben wurde.
Am Anfange des zweiten Bandes schildert der Verfasser die all-
gemein verbreitete feindselige Stimmung gegen Russland, er er-
wähnt der Ausfalle der Presse in England und Frankreich, der im
Westen auftauchenden Pläne: Russland wiederum nach Asien zu
verbannen, demselben Finland, Polen, die Krim und den Kaukasus
zu entreissen. Selbst Lord Aberdeen Hess sich von der allgemeinen
Strömung so weit fortreissen, dass er von seiner «Antipathie* gegen
Russland zu sprechen begann. «Das Herz blutet Einem», bemerkte
der Verfasser, «wenn man sieht, wie Europa die beständige Recht-
schaffenheit, die Grossmuth und Loyalität dieses grossen Souverains
— Nikolaus — belohnte! Diese Gewaltsamkeiten, welche nicht nur
den Reihen der kosmopolitischen Demagogie, sondern auch den
höheren Klassen der Gesellschaft entstai^mten, sind mehr als lächer-
lich und verabscheuungswürdig; sie zeigen, was Russland von
Europa jedesmal zu erwarten hat, wenn es grossen Krisen ausgc.
setzt ist< Das ist eine jener Lehren, die man nicht vergisst» !
(II, S. 7-8.)
Der Verfasser kommt sodann auf den Fehler zu reden, den Russ-
land machte, indem es seine militärischen Kräfte unterschätzte. Es
bedachte nicht, dass seit dem Jahre 1812 die Art der Kriegführung
sich sehr wesentlich verändert hatte. In derselben spielte das Meer
eine grosse Rolle, die Eisenbahnen, die Dampfschiffe; es kam sehr
viel auf die Vervollkommnung der Waffen an. Man überschätzte
russischerseits die Widerstandskraft, welche man dem Angriffe der
Feinde entgegenzusetzen hatte. Auch in der politischen Rechnung,
welche Russland machte, gab es nichtzutrcffende Kombinationen
Russland hoffte, dass die Allianz zwischen Frankreich und England
23*
_J56
nicht von Dauer sein werde; man mochte sich nicht entschliessen,
an die ^Verblendung* Oesterreichs und Deutschlands zu glauben;
man setzte zu grosse Hoffnungen auf die Mitwirkung der Balkan-
christen, ohne doch sie .zur Insurrektion ermuthigen zu wollen. So
kam es, dass Russland den Zeitpunkt verstreichen Hess, wo Europa
sich mit massigen Konzessionen von Seiten Russlands zufrieden ge«
geben hätte. Indessen, meint der Verfasser, sei es jetzt freilich
leicht, retrospektiv weise zu sein. Man begreift« wie der Kaiser Ni»
kolaus in dem Bcwusstsein seines Rechts, in dem Gefühl seiner
Kraft die Fahne der Ehre und der Interessen Russlands nicht nei-
gen wollte.
Der Verfasser zeigt nun, wie die Lage sich verschlimmerte, wie
nach Räumung der Donaufürstenthümer die vier Mächte sich enger
zusammenschlössen, wie Preussens schwankende Haltung schädlich
wirkte, wie die Anforderungen an Russlands Nachgiebigkeit immer
sich steigerten und kommt zu dem Eegebniss, dass Russlands Wei-
gerung, die ihm angetragenen Bedingungen der Erhaltung des Frie-
dens anzunehmen, keinen Tadel verdiene.
Von Interesse sind die von dem Verfasser mehr oder minder ein-
gehend geschilderten Beziehungen Russlands zu den verschiedenen
Mächten, unmittelbar nach der Kriegserklärung. So erwähnt der
Verfasser (11, S. 79) der Privatkorrespondenz des Königs Leopold
von Belgien mit dem Kaiser Nikolaus ; so berührt er die iri Amerika
lebhaft erörterte Frage von der Kaperei (S. 82 u. ff.), eine Frage,
welche bekanntlich auch während des letzten Krieges eine bedeu-
tende Rolle spielte. Russland hat damals auf dieses Kriegsmittel
verzichtet. Der Verfasser bemerkt hierzu: «Die Frage, ob wir mit
mehr Energie und weniger Besonnenheit unsere Lage und unsere
Chancen verbessert oder verschlimmert haben würden, gehört zu
den wichtigsten, welche man der Erwägung eines Kabinets vorlegen
kann. Aber es gibt verzweifelte Anstrengungen, die man nur
von solchen Nationen erwarten kann, welche durch innere Erschüt-
terungen erregt sind; solche Anstrengungen retten die Gegenwart,
indem sie die Zukunft Eventualitäten preisgeben, welche jeder Be-
rechnung spotten. Unter gewöhnlichen Bedingungen folgt eine
geordnete Regierung den Rathschlägen der Vernunft; die Verhält-
nisse, in denen wir uns befanden, konnten uns eher veranlassen, den
ohnehin ungleichen Kampf zu beschränken, als denselben durch
Verschärfung der Kampfmittel auszudehnen».
Besonders eingehend berichtet der Verfasser auch, in der Ge-
- 357
schichte der Verhandlungen im Jahre 1854, von den Beziehungen
Russlands zu Oesterreich. Es werden hier mehrere Gespräche zwi-
schen dem Fürsten Gortschakow und dem Grafen Buol reproduzirt.
(II, S. 134 u. flr.y 140 u. ff.) Höchst anziehend) vornehmlich im Hin-
blick auf die heutige Machtstellung Preussens ist die Erörterung der
Haltung dieser Macht. Wir übersetzen eine Bemerkung des Ver-
fassers, welche unmittelbar vor dem Druck des Werkes, also etwa
ein Jahrzehnt nach der Abfassung des Textes geschrieben wurde:
«Wir brauchen nicht daratuf aufmerksam zu machen», heisst es
S. 204: «dass das Preussen, um welches es sich hier (bei Dar-
stellung der Lage unmittelbar vor dem Kfimkriege) handelt, nicht
das Preussen der späteren Zeit, das Preussen unserer Tage ist. Um
die Haltung Preussens gerecht zu würdigen, muss man der Schwie-
rigkeit seiner damaligen Lage Rechnung tragen. Das Bild, welches
wir entwerfen, erklärt, wie der Graf Bismarck fünfzehn Jahre später
Alles an Alles setzte, um sein preussisches Vaterland, sein grosses
deutsches Vaterland aus dem politischen Sumpfe zu retten, und
ihnen die Rolle zu sichern, welche ihnen ihre geographische Lage,
die Bevölkerungsziffer und der hohe Grad materieller und geistiger
Entwicklung zuweiste». «Ce quil Taut constater», heisst es weiter,
•c'est que dans la crise d'Orient, la Prusse nous a seule en Europe
tdmoign^ tout le bon vouloir que comportait sa Situation, seule eile
a montr^ le prix qu^elle attachait par gratitude pour le pass£, par
prevoyance pour l'avenir, au maintien des relations d'amitiä avec la
Russie. Elle a eu le m^rite du bon vouloir, et n'a eu que dans une
mesure restreinte la ^esponsabilit^ d^entralnements inh^rents k sa
Position. Ces pr6c6dents sont importants. Ils permettent de croire,
que si une crise pareille ^latait aujourd'hui, la Prusse et TAlle-
magne,^ devenues puissantes, sauraient s'interposer eSicacenient,
arreter Tiniquit^ et imposer des Solutions justes. C'est tout ce que
la Russie est en droit d'attendre d'elles». Diese Betrachtungen ha-
ben im Hinblick auf die Ereignisse der allerletzten Zeit ein erhöhtes
Interesse.
Ergreifend schildert der Verfasser (II, S. 318) den Eindruck des
Ablebens des Kaisers Nikolaus auf ganz Europa, und wie die Kunde
von diesem Ereigniss namentlich in Preussen und Oesterreich er-
schütternd wirken musste.
Die Kriegsereignisse berührt der Verfasser nur, um zu zeigen,
wie Frankreich allein wirklichen militärischen Ruhm erwarb, wäh-
358
rend England durch die, an den Küsten Russlands verübten Excesse
sich mit Schmach bedeckte.
Zum Schlüsse kommt der Verfasser auf die Verhandlungen zu
reden, welche zum Abschlüsse des Pariser Friedens führten. Be-
sonders fesselnd ist die Schilderung der Verschiedenheit der Hal-
tung Nesselrode's • und Gortschako w^s, der in Russland selbst in Be-
trefi des Kriegs und Friedens herrschenden Stimmungen und Mei-
nungen (II, S. 396 u. ff.).
Die Verhandlungen in Paris bilden den Inhalt des kurzen Schluss-
kapitels. Der Verfasser macht auf die Annäherung zwischen Frank-
reich und Russland aufmerksam und erwähnt der bescheidenen
Rolle, welche Preussen bei dieser Gelegenheit spielte. Diese Macht
wurde nur als Mitunterzeichner des Vertrages vom 16. Juni 1841 zur
Theilnahme am Pariser Friedensschlüsse zugelassen und es waren
die russischen Bevollmächtigten, welche in erster Linie die Theil-
nahme Preussens beantragten.
Der Schluss des Buches ist ebenso wie die Einleitung nach dem
deutscb-fanzösischen Kriege geschrieben. Der Verfasser macht auf
die grossen Veränderungen aufmerksam, welche sich seit dem Krim-
kriege im europäischen Staatslebcn vollzogen haben, auf das Zu-
sammenbrechen des französischen Kaiserreiches, auf die Misserfolge
Oesterreichs, auf das Erstehen des Deutschen Reiches. Er ist ge-
neigt, in den Heimsuchungen Frankreichs und Oesterreichs eine
Art Nemesis für die Haltung dieser Mächte im Krimkriege zu er-
blkrken. Bedeutsam sind die Bemerkungen des Verfassers in Be-
treff Oesterreichs: «Hinausgedrängt aus Italien und aus Deutsch-
land sucht Oesterreich inmitten einer, durch eine Reihe von [Jt^
glücksfällen gesteigerten inneren Verwirrung einen neuen Schwer-
punkt. Wir wünschen, dass es glücklich aus dieser Lage komme;
denn wenn wir auch die vergangene Politik Oesterreichs beklagen
und missbilligen, so haben wir doch nie aufgehört, dieses Reich als
ein, für das europäische Gleichgewicht nothwendiges Element anzu-
sehen. Russland, als Nachbar Oesterreichs, hat ein Interesse daran,
dass es gedeihe. Man muss hoffen, dass die gemachten Erfahrungen
dem, beiden Mächten schädlichen Gregensatze ein Ziel setzen. Be-
reits im Jahre i860| zur Zeit der Zusammenkunft in Warschau, liess
Graf Rechberg dem Kabinet von St. Petersburg folgende Aeusse-
rung zugehen : Oesterreich und Russland haben einander gegen-
seitig viel Schlimmes zugefugt. Wir haben Euch Bessarabien ver-
lieren machen, Ihr uns die Lombardei. Wie weit sollen wir auf die-
3t9
scm Wege kommen? Können wir nicht unsere Rechnung als ausge-
glichen ansehen und weitere Repressalien aufgeben^ um endlich im
Einverständniss zu handeln? Hoffen wir, dass diese weisen Worte,
welche von den Thatsachen so glänzend bestätigt wurden, den bei-
den Kabineten zum Programm dienen werden». Von ähnlichem
Interesse sind die Aeusserungen des Verfassers in Betreff der Politik
Englands, der Türkei, Preussens u. s. w.
Der Verfasser schliesst seine Betrachtungen mit einem Hinblick
auf Russlands Lage und Haltung nach dem 'Krimkriege. «In^ diesen
fünfzehn Jahren»,, schreibt er, «hat Russland sich auf sich selbst zu
rückgezogen, sich gesammelt. Alle seine Sorge und Kraft hat es
auf die innere Arbeit gewandt, deren Bedeutung der Krimkrieg in
das rechte Licht gesetzt hat. Durch die Initiative seines Souverains,
welcher sejn Land liebt und ihm vertraut, hat Russland eine Reihe
von durchgreifenden Reformen unternommen, wie dieselben in sol-
chem Umfange und in so kurzem Zeiträume c^ne Beispiel sind.
Diese Reformen sind, Dank sei es dem innigen Bande, welches den
Souverain und die Nation umschliesst, glücklich und friedlich durch-
geführt worden. Dieser fruchtbringenden Arbeit hat es Russland
zu verdanken, da.ss es materiell und moralisch in den Augen der
Welt ein Ansehen geniesst, dessen man es zu berauben gedachte.
Seine militärisch-defensive Position, seine finanzielle, politische,
wirthschaftliche Lage sind unzweifelhaft besser, als vor dem Kriege.
So konnte e^ seine einstigen Gegner dazu vermögen, die Vertrags-
bestimmungen von 1856, welche seine Interessen schädigten und
seine Ehre kränkten, ohne auch nur einen Tropfen Blutes zu ver-
giessen, ja indem es sogar diese Frage zum Ausgangspunkte einer
Versöhnung und Annäherung mit den anderen Mächten dienen
liess, einer Revision zu unterwerfen».
Eine Thatsache scheint dem Verfasser sich zweifellos aus dem
Krimkriege und der Haltung Russlands in der darauf folgenden Zeit
zu ergeben. Er drückt sie folgendermaassen aus: «II a suffi, que la
Russie se soit retir^e des affaires de TEurope pour que son absence
momentan^ en ait rompu T^quilibre et ait livr6 la paix g^n^rale aux
plus dangereux bouleversements». «So», meint der Verfasser, «fällt
die Antwort aus, welche die Ereignisse den Unsinnigen ertheilen,
die Russland von dem europäischen Konzert auszuschliessen ge-
dachten». «Während die Gegner Russlands», fährt er fort, «die
Folgen ihrer gewaltthätigen, gehässigen, agressiven, Andern Böses
3^
wünschenden Politik tragen mussten, hat Russland, nicht gleich-
gültig, aber ruhig, den Aufregungen unÜ Erschütterungen der letz-
ten Jahre zugesehen. Es hat die Früchte einer gerechten, gemässig-
ten, friedlichen Politik geändert, indem es das besondere Interesse
des Augenbh'cks nicht über das allgemeine Interesse stellte und
das grosse Gesetz der Solidarität, welchem die Vorsehung die
menschlichen Dinge unterworfen hat, anerkannte. Alles ist dazu
angethan, Russland zu veranlassen, auf diesem korrekten Wege
weiterzugehen. Wir sind überzeugt, dass es nicht von demselben
abweichen werde, nicht nur, weil dieses die Meinung der jetzt am
Ruder Befindlichen ist, sondern auch, weil es dem Charakter seiner
Interessen entspricht, wesentlich stetig, konservativ, friedlich und
gemässigt zu sein; es hat kein einziges Interesse, das nicht durch-
aus ehrlich und ehrenhaft sei und zu dem es sich nicht laut zu be-
kennen vermöchte, kein einziges, das nicht den allgemeinen Inter-
essen Europa's vollkommen entspräche. Dies ist die beste Bürg-
schaft. Wünschen wir, dass Europa seinerseits, durch die furcht-
baren Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte belehrt, Russland in
dieser Richtung folgen möge. Es wird dadurch viel Unheil ver-
meiden, denn — man darf sich darüber nicht täuschen — die gegen-
wärtigen Ereignisse enthalten mehr ah eine Lehre, nämlich den
Keim zu neuen politischen und sozialen, den Weltfrieden bedrohen-
den Kämpfen. Es bedarf der ganzen Weisheit der Regierungen
und der Völker, um die Entwickelung dieser Keime aufzuhalten.
Zum Schluss möchten wir der Hoffnung Ausdruck geben, dass diese
beredte Stimme der Thatsachen — deren bescheidenes Echo wir
sind — gehört und verstanden werde. Wir drücken nur den
Wunsch aus. Denn leider herrscht zu unserer Zeit mehr die Lei«
denschaft, als die Vernunft, und die Regierungen selbst sind nicht
stark genug, um die Aufwallungen der Gegenwart dem Voraus
sehen in die Zukunft unterzuordnen. Gewiss aber ist, dass wenn
man an die Lösung ^dieser Aufgabe geht, man auf Russlands Mit-
wirkung zählen darf. . Mehr als einmal hat Russland zum Heile Eu-
ropa^s beigetragen. Vielleicht wird es ihm vergönnt sein, noch
weiter an demselben zu arbeiten, und. wenn ihm auch schlecht ver-
golten wurde, wird es, wir zweifeln nicht daran, diese undankbare
Mission nicht von sich weisen».
So der Schluss dieses merkwürdigen Buches, aus dessen Einzeln-
heiten wir nur einiges Wenige haben herausgreifen können, eines
Werkes, dessen Ton, Inhalt und Richtung dazu angethan ist, das
36t
Interesse der Leser im Allgemeinen, die Aufmerksamkeit der Poli
tiker insbesondere im hohen Grade in Anspruch zu nehmen.
— n.
Karze CharakteriHtilL der Klein-Russen.'
Von
P. Tschubinskij.
Um über den klein-russischen Typus recht zutreffende Nachrich-
ten zu erhalten» übermittelten wir der Rekrutenaushebungs- Kom-
mission ein Tabellenformular behufs Eintragung der anthropologi-
schen Beobachtungen an Personen, welche den Aushebungs-Kom-
missionen präsentirt wurden. Von 9 Kommissionen erhielten wir
die gewünschten Daten über die an 1355 klein-russischen Rekruten
angestellte Beobachtung, welche wir in Folgendem zur Charakteri-
sirung des klein-russischen Typus mittheilen.
Von den Rekruten waren dem Wüchse nach:
kleinen Wuchses d. h. von 2 A.^4W.*bis 2 A. 5 W. — 34,82 pCt.
mittleren 9 » 2»5»c2»6> — 29,80 •
hohen • ■ » 2>'6»»2»8» — 3i|58 *
sehr hohen » » 2*8»»3»I2» — 03,68 »
Mithin war beinahe Vs von ihnen klein, '/> mittelgross und ^/s
gross. Hätte man auch die Kreise der Polesje mit ihren Bewoh-
nern in Betracht gezogen, so wären der grossen Leute wohl weniger
gewesen, es würde aber dadurch das Drittel der kleinen Leute nicht
gewachsen, sondern die'DifTerenz auf die zwei Drittel der Rekruten
mittleren und hohen Wuchses gekommen sein, wie sich das auch in
den Aushebungen der Jahre 1863, 1865, 1866 und 1867^ ergab.
Hierbei ist zu bemerken, dass die Mehrzahl der Rekruten bei der
Aushebung 21 Jahre alt ist, und somit noch dem Waschthum unter-
liegt. Aus den angeführten Daten folgt, dass die Klein-Russen im
Allgemeinen ein hochgewachsenes Volk sind.
' Rassisch in den: TpyAU »THor.-coHVH »kcdca. bi» aanaAHo pyccicii vpaft. T. VlF.
' Arschin.
* Werschock.
^ «BoeHHoe 0(k)3p-feHie KieBCi. BoeHHaro Ospyra. Kiesi» 1869 r » crp. 101 — io2.
302
Der Hautfarbe nach waren:
sehr weiss , 9,57 pCt.
braun 21,69
mittlerer Nuance : 68,70
»
c
Der Kopf -Form 7iach:
Abplattung vom Scheitel zum Hals 9,00 pCt.
• vom Gesicht zum Genicke 7%AS *
» von den Seiten I0.47 »
Ohne bemerkenswerthe Abplattung des Schädels . 73,06 ■
Der Haaffarbe nach:
* mit schwarzem Haar 13,28 pCt
dunkelblond . 58,52
hellblond 24,35
mit rothefn Haar 03,83 c
Nac/i der Form der Augenbrauen:
mit gerstden Augenbraunen 54>24 pCt.
• gebogenen 45.76 •
» zusammengewachsenen t . . 14,39 *
» nicht » . . , 85,60 »
Nach dem Habitus der Augen:
mit offenen Augen 70,25 pCt.
• hervorstehenden Augen . , , 10,55 »
» tiefliegenden » I9»04 •
Nach der Farbe der Augen:
mit schwarzen Augen . . • • 7, 1 5 pCt.
> braunen 1 • • 25,3 1 *
» blauen ..•..•♦... I7>S6 »
» grauen 49»96 «
Nach der Grösse des Mundes:
mit breitem IS1O5 pCt.
» kleinem 14,17 »
» mittlerem 70,77 •
1
363
Nach der Form der Ktnubacken :
iM)rinal 83,24 pCt.
mit vorragendem Oberkiefer , ^*77 •
Unterkiefer , 7,97 •
» »
Nach der Form der Nase:
mit gerader , . . 69,74 pCt.
* gebogener 11,07 »
» eingebogener , , 18,45 .
Nach der Breite der Nase:
mit breiter 16,75 pCt.
» schmaler 1 • • , • 13.06 *
» mittlerer , 70,18 »
Nach der Breite der Schultern :
mit breiten 25,97 pCt.
* engen , 8,78 *
» mittleren 65.23 »
Nach der Hohe der Brust:
mit gewölbter 19,07 pCt.
» normaler 67,97 *
» eingefallener 12,02 •
Nach der Breite der Brust:
mit breiter 27,03 pCt
» enger ..-...., 8,04 »
• mittlerer 64,64 »
Nach der Länge der Arme:
mit langen 1 2,39 pCt
» kurzen 11,07 *
> mittleren • * 76,53 •
Nach der Länge der Beine-.
mit langen i2>39pCt
• kurzen 11,07 •
• mittleren . . • . , , . 76,53 *
364
Nach der Art des Ganges:
gerade Gehende . . , 66,64 pCt.
nach beiden Seiten Schwankende 12,69 *
vornübergeneigt Gehende 20,66 »
Nach der Schnelligkeit des Ganges:
mit schnellem Gange 16,09 P^'^-
» langsamem .... IS>35 *
» mittelgeschwindem , . 67,67 *
Aus obigen Zahlen ergibt sich, dass unter den Klein-Russen die
Brünetten überwiegen. Unter den Blonden, welche im Ganzen
28,18 pCt. ausmachen, d. h. weniger als Vsi sind weniger als 4 pCt.
rothhaarige; die übrigen, fast 72 pCt., haben dunkelblondes oder
schwarzes Haar; indess mit vorherrschendem Dunkelblond beinahe
59 pCt.
Ebenso trifüb man bei den Klein-Russen ziemlich seitön blaue
Augen (17,56 pCt.), die Mehrzahl hat graue und z\^ar fast die Hälfte
der Bevölkerung dunkelgraue Augen. Braune und schwarze Augen
haben fast '/a derselben.
Nach der äusseren Erscheinung sind die Klein-Russsn hübsche
Leute. Die Männer haben männliche Gesichter und erscheinen
älter als sie sind. Zu dem Begriff der Schönheit gehören dem Klein-
Russen unbedingt braune Augen und schwarze Augenbraunen.
Die Körpergestalt der Klein-Russen ist grösstentheils eher hager
als voll. Die Frauen sind gewöhnlich bedeutend kleiner von Wuchs,
als die Männer und ziemlich voll. Im Ganzen sind die klein-russi-
schen Frauen wohlgestaltet und graziös und eine ebenmässige und
schmiegsame Gestalt ist darum^ nach den Begriflen der Klein-Rus-
sen, eine Grundbedingung der weiblichen Schönheit.
Unter den Klein-Russen begegnet man oft einem vollständig ta-
tarischen Typus, wie man andererseits nicht selten uqter den krim-
schen Tataren Gesichter mit klein-russischem Typus Andet; ja man
sieht auch Gesichter, welche an die Bewohner des Kaukasus erin-
nern. Ueberhaupt ist der klein-russische Typus nicht ohne orien-
talische Beimischung. Und das darf nicht Wunder nehmen. Ab-
gesehen von den Nomadenvölkern zur Zeit der Grossfürsten (Pctsche-
neg^n, Kosaren u. a.), welche, wenn auch nur theilweise ansässig
wurden, siedelten sich in der Ukraine die Torken, Berendeen und
3^5
schwarzen Klobuken an. Ferner hatten die beständigen Einfälle der
Tataren sowie die Wegführung der Frauen in die Gefangenschaft
nothwendiger Weise Einfluss nicht bloss auf den tatarischen, son-
dern auch auf den klein-russischen Typus. Ausser diesem orien-
talischen Elemente machte sich auch in der Zeit des Kosakcnthums
ein, wenn auch geringer Einfluss des süd-slavischen und rumänischen
Elementes geltend, so namentlich in den, von den Kosaken einge-
nommenen Gebieten der Ukraine, insbesondere in dem der Saporo*
ger. So war denn für die Klein-Russen eine Kreuzung mit orien-
talischen Elementen, dem tatarischen und dem turkmenischen un-
ausbleiblich, ähnlich wie die Gro$s-Russen eine Kreuzung des rus-
sischen Elementes mit dem finnischen reprä3entiren, nur mit dem
Unterschiede, dass diese das finnische Element gleichsam absorbir-
ten und sich assimilirten. 'Während im Süden Russlands das rus-
sische Element numerisch nur unbedeutende andere Elemente
sich zu assimiliren hatte, setzte sich dasselbe im Nord-Osten Russ-
lands unter den Finnen fest, und unterwarf sie nicht nur seiner
Herrschaft, sondern auch seinem nationalen Einflüsse, und zwar in
der Weise, dass die Aboriginer in die Nationalität der Eroberer auf-
gingen. Im Süden Russlands hingegen war es umgekehrt. Im Nor-
den trat das russische Element aktiv auf, hier im Süden verhielt es
sieb passiv; dort vollzog sich die Kreuzung und Assimilisation im
grossen Maassstabe, hier im bescheidenen. Aber doch sind ihre
Spuren im süd-westlichen Russland nicht wegzuleugnen.
Was die Pflege des Körpers anbetnf{t, so ist zu erwähnen, dass es in
Klein-Russland keine Badstuben gibt. Nur die Jugend badet in den
Flüssen. Die Wäsche wird wöchentlich gewechselt und es zeigt sich
das Bestreben, die Wohnungen reinlich und sauber zu halten.
Der Gesichtsausdruck des Klein^Russen ist ernst und sogar rauh ;
d^r der Frauen meistens weich, freundlich, mit einem etwas melan-
cholischen Anfluge. Der Klein-Russe spricht gewöhnlich langsam
und lakonisch, die Frauen dagegen zeichnen sich nicht durch diese
Eigenschaft aus: sie sind im Gegentheil recht gesprächig und
sprechen im Allgemeinen schnell; die Neigung zum ernsten Humor
erscheint auf jedem Schritt. Der Redeton der Frauen ist grössten-
theils ein gutmüthig-naiver. Ihr Scherz ist gewöhnlich kein beissen-
der, und ihre Reden durchklingt oft ein klagender Ton. Ueberhaupt
fällt eine gewisse Melancholie der Klein-Russen auf.
Der Klein-Russe ist langsam in seinem Gange und überhaupt in
seinen Bewegungen; er ist ziemlich apathisch und daher nicht unter-
3^
m
nehmend und tm Vergleich zum Gross-Russen konnte man ihn
träge nennen ; er arbeitet nicht aus Lust zur Arbeit, sondern nur,
weil das bittre «Muss* ihn treibt. Die Frauen dagegen sind reger,
emsiger, und weit mehr an Arbeit gewöhnt.
Der Verstand des Klein- Russen fasst langsam, dafür aber eignet
er sich das ein Mal Erfasste auf die Dauer an und bringt es sodann
mit Ernst und Tiefe in sich weiter zur Entwickelung. Er besitzt in
der Thal einen bellen Verstand, ist fähig zum spekulativen Denken,
zum logischen Urtheilen. Seine Bedächtigkeit kommt ihm dabei zu
Statten. Er bedenkt stets Dasjenige, was er sagt. Die I^bens-
bedingrungen haben diese Eigenthümlichkeit seines Wesens ent-
wickelt*
Sein Besitzthum besteht aus Streuländereien : seine Felder, liegen
in kleinen Parzellen hier und da zerstreut; so muss er sich denn mit
seiner Katriga (kleines Zelt) meist auf mehrere Tage von Hause
entfernen. Hier, wo er allein ist, höchstens einen kleinen Knaben bei
sich hat, gibt er sich in seinen Mussestunden seinen Gedanken hin.
Wer kein Vorurtheil geg^en den nationalen Klein-Russen hegt, muss
die Logik und das ernste Denken desselben wahrnehmen. Man
braucht nur mit den zahlreicfaen Sprüchwörtem der Klein-Russen
bekannt zu werden, um sich davon zu überzeugen, wie sehr sie zum
spekulativen Denken fähig sind. Gerade diese Befähigui^ zur Spe-
kulation im philosophischen Sinne, inmitten der schönen Natur
Klein-Russlands hat in den Bewohnern desselben ihr Vorstellungs-
vermögen etitwickelt, wodurch sich auch ihre Vorliebe zur Sym-
bolik, zu Bildern, zu Vergleichen erklart, und woher auch in den
Liedern der Klein-Russen und in andern Denkmälern der volles-
thümlichen Schöpfungen die Natur geistig belebt erscheint und
unter dem Symbol der verschiedenartigsten Erscheinungen des
menschlichen Lebens sich darstellt. Das hat eine ganze Welt von
Geistern geschaffen, unter denen es höchst «poetisch gedachte
gibt.
Die Empfindsamkeit der Klein Russen ist sogar Gegenstand des
Spottes geworden. Es ist leicht, die Klein-Russen und insbesondere
die Frauen zu Thränen zu bringen. Eine tragische Geschichte, ein
klagendes Lied rufen immer manch* tiefen Seufzer und so manche
Thräne des Mitgefühls für den Leidenden hervor. Klima und Natur
haben den Klein-Russen zum Gefühlsleben disponirt und dieses
äussert sich in allen Lebenserscheinungen . £fer Liebe Lust und Leid
zwischen den Jungen, FamMienanhänglichkett - zwischen den Ehe-
36?
gatten, Liebe zu den Kindern — in allem diesem äussert sich das
Gefühlsleben der Klein-Russen. Geht man im Sommer an Feier-
tagen durch ein Dorf» so sieht man wohl nicht wenige schnurr-
bärtige KIein»Russen, deren finstere Miene sich erhellte: man sieht
auf Schritt und Tritt die bärtigen Männer ihre Kleinen tragen und
liebkosen.
Das tiefe Gefühl und das Vorstellungsvermögen haben jene so
weithin zur Berühmtheit gelangte reiche Poesie und Musik der
Klein-Russen geschaffen. Ja, das klein-russische Volkslied ist schön,
wie nach seinem Inhalt, so auch in der Melodie.
Die klein-russischen Ansiedelungen sind mit Gärten bedeckt, fast
jedes Haus ist von einigen Bäumen umgeben. Die Fruchtgärten sind
mit Weiden umpflanzt, und im Gemüsegarten findet man jedenfalls
auch Blumen. Die Mädchen schmücken im Sommer den Kopf mit
Blumen ; trockene Blumen, zum Theil auch künstliche aus farbigem
Papier, zieren gewöhnlich auch die Heiligenbilder.
Bekanntlich sind die Klein-Russen sehr religiös und gottes-
fürchtig. Ihr Lyrismus in der Religion hat sie ziemlich gleichgiltig
in Hinsicht der Dogmatik gemacht. Fremd ist ihnen jeglicher
dogmatische Hader, der Raskol (Sektirerei) fand daher auch keine
Stätte bei ihnen. Die gross-russischen Raskolniki konnten, trotzdem
sie von Altersher inmitten der Klein-Russen leben, dennoch keine
Proselyten unter denselben finden. Fand aber das Sektenwesen je
unter ihnen Eingang, so war es nur in sehr geringem Maasse und
mehr in der Form des Rationalismus einiger protestantischen
Sekten.
Aber gerade diese Eigenthümlichkeiten des Klein-Russen, seine
Geneigtheit zu geistigem Spekuliren und seine Empfindsamkeit
haben andererseits in ihm einen Skepticismus entwickelt, der ihn
unentschlossen macht und seine Energie lähmt und sie haben dann
eine Ü-übe, sentimentale Stimmung in ihm erregt, in Folge deren er
oft zum Becher greift, um sein Leid in demselben zu ertränken. Das
Alles zusammengenommen erzeugt dann eine Apathie gegen
die Erscheinungen des Lebens, welcher auch die gebildeten
Klein-Russen nicht fremd sind. .
Daneben ist aber dem Klein-Russen wiederum eine gewisse
Willenskraft nicht abzusprechen. Ihm als Skeptiker fällt die
Fassung eines Entschlusses schwer ; hat er aber einmal einen Ent-
schluss gefasst, so wird er nicht leicht von seinem Vorhaben ab*
lassen. Das hat auch den Anlass gegeben, ihn für eigensinnig zu
i6S
halten. Er stimmt nicht leicht einer fremden Meinung bei und hält
beharrlich an seinem «Jiyqqe CBoe jiäTaH9, uixi» nyxc« xaTane»*
fest. Dank diesem Starrsinn hat der KleinRusse seine Religion,
seine Nationalität, seine Sprache beibehalten. Doch diese Neigung
des Klein-Russen, fest bei dem iSeinigen zu beharren, hartnäckig
seinen gefassten Entschluss zu verfolgen — führt im öffentlichen
Leben natürlich oft zum Zwiespalt, zu Streitigkeit, zum Mangel an
Einheit im Handeln. Seine Prozesssucht, wie sie im rStrctt des Iwan
Iwanowitsch mit Iwan Nikiforowitsch» dargestellt ist, ist ein un-
widerlegliches Faktum.
Der Klein-Russe schätzt seine eigene Persönlichkeit hoch; die
Vorstellung von derselben hat sich in früherer wie in späterer Zeit
stark ausgebildet. Seine Liebe zur Freiheit, die im Kosaken-
thum, jenem demokratischen Ritterthum, ihren Ausdruck findet,
hat seine Erklärung in dem hohen Werthe, den er seiner Persönlich-
keit beilegt. Aber andererseits hat dieser Umstand den Klein-
Russen auch der Fähigkeit der Association beraubt. Es ist wahr,
die Kosaken standen im Kampfe zusammen, traten ein für ihre per-
sönliche Freiheit, ihre Familie, ihr Eigenthum, ihre Religion; doch
nie vermochten sie sich dauernd zu organisiren und waren darum
nie selbstständig. In alten Zeiten, vor Askold und Dir, zerfielen ihre
Vorfahren in Geschlechter, und ein Geschlecht erhob sich wider das
andere; als dann die 2^it der Volksversammlungen kam, stritt
Gebiet wider Gebiet; in der Folge, als sie die Verheerun^n der
Tataren erdulden mussten und in beständiger Furcht vor den Un-
gläubigen schwebten, wurden dieKlein-Russen solidarischer untersteh.
Der Druck Polens und sein Bestreben, die Klein*Russen zu unterjochen,
sein Angriff* auf ihre Nationalität und ihren Glauben erweckten den
Gemeinsinn in den Klein-Russen. Aber das war lediglich die Folge
des äusseren Druckes und war durch die Nothwendigkeit gemein-
samer Abwehr hervorgerufen. Indessen hörten auch damals die per-
sönlichen Interessen nicht auf, grell zu Tage zu treten. Die immatri*
kulirten Kosaken waren bereit, auf Grund der ihnen verheisscnen
Adelsrechte ihre Nationalität zu opfern ; das Kosaken-Oberhaupt,
durch die Wahl des Volkes emporgehoben, stand nicht an, die ein-
fachen Kosaken zu Leibeignen zu machen, was auch in der Folge
geschah. Der Kosakenälteste des linken Dnjcprufers verhielt sich an-
fangs feindselig zum demokratischen Moskau; doch als er des, von
' Besser ein eigener Lappen, als ein fremdes Haus.
369
Peter III. verliehenen Privilegiums, welches die persönlichen Rechte
des Adels erhöhte und die Rechte der Leibeigenschaft sanktionirte»
theilhaftig wurde, wurde er vollständig russisch. Aber es blieb doch
wie vordem; die klein-russische Intelligenz, vornehmlich durch die
Adeligen repräscntirt, ist auch noch bis heutzutage vom Geiste des
Individualismus und vom Mangel an Interesse für Angelegenheiten
des Gemeinwesens durchdrungen. In jedem Kreise gibt es eine be-
trächtliche 2^1 Adeliger, die eine ordentliche Bildung genossen
haben, aber sie ziehen sich von der öffentlichen Thätigkeit zurück,
sind indifferent gegen dieselbe. Sie kritisiren wohl, aber lieben es
nicht, mitzuwirken; daher ist das Landschaftswesen der klein-russi-
schen Gouvernements bei weitem nicht auf einer solchen Stufe, wie
es der Fall sein könnte, wenn die klein-russische Intelligenz sich we-
niger apathisch zu den gemeinsamen Interessen verhielte, wenn das
Gemeinwesen über die Individualität gestellt würde. Zwist über-
haupt, Parteigeist sind eine charakteristische Eigenschaft des Klein-
Russen; auch Mazeppa sprach das schon aus:
Sie ziehen nicht an einem Joch :
Der nach rechts, ein anderer nach links,
Und doch sind sie Brttder — wie wunderbar!
Die Idee von der eigenen Persönlichkeit erzeugte eine aristokra-
tische Richtung, daher die höheren Klassen West-Russlands sich
polonisi'ren liessen, die polnische Civilisation, als die für sie spezi-
fisch aristokratische, annahmen. Die höchste Klasse wurde polnisch
in Folge des stark entwickelten Individualitätsbewusstseins. Polen
x^war der klassische Boden der Adelsfreiheit, die polnische Civilisa-
tion war eine aristokratische und zwar eine so aristokratische, wie
sie es nur sein konnte in einem Lande, wo der Adelsstolz das Prin-
zip der Adelsfreiheit in's Absolute, bis zum «liberum veto» steigerte.
Bemerkenswerth ist es, dass das Kosakenoberhaupt, ohne polonisirt
zu sein, mit der polnischen Republik sympathisirte, so in den Zeiten
Wygowskij's und Mazeppa's. Das Volk selbst aber und seine Führer
wandten sich weg von dieser oligarcbischen Republik, wo das Volk
deih Adel, das Allgemeine dem Persönlichen zum Opfer gebracht
worden war. Die Volksführer, unter ihnen Bogdon Chmelnizkij,
begriffen, dass die Schwerkraft des Volkes zum stamm- und glau-
bensverwandten Russland und zudem auch desshalb hinneige, weil
dort keine Stätte für die Oligarchie war; dort florirte nicht die Adels-
reiheit zum Nachtheil des Volks, dort herrschte anstatt der macht-
BÜ8S. BBYUB. BD. Zm« 24
370
losen Königsgewalt, welche die Schwachen und Bedrückten nicht
zu schützen vermochte, die kraftvolle Zarenmacht, vor welcher alle
gleich waren. Und unter diese machtvolle Zarenhand beugte sich
das klein-russische Volk. Die höchste Klasse, wie gesagt, wurde
polnisch, und glaubt noch bis zum heutigen Tage an ihren Polonis-
mus.
Im jetzigen Volksleben geht die Idee des persönlichen Werthes
durch alle Erscheinungen des Lebens. Die Zerstückelung der Fa-
milien und das Streben eines jeden Sohnes, nach seiner Verheira-
thung vom Vater sich zu trennen, seine Unlust zu wirthschaftlichen
Associationen — mit einem Wort, die, bis in die äusserste Konsequenz
entwickelte Persönlichkeits-Idee schädigt den ökonomischen Fort-
schritt: sie zersplittert die persönlichen und materiellen Kräfte; da-
her befinden sich die Klein-Russen in einer solchen Abhängigkeit
von den Juden und sind selbst so wenig in ökonomischer Hinsicht
entwickelt.
Der bei den Klein-Russen ausgebildete Persönlichkeits Begriff hat
dazu geführt, dass die Stellung der Frauen bei ihnen eine bessere
ist, als in Gross-Hussland. Hier kennt auch die Frau ihre persön-
liche Würde, und auch hierzu hat der Lyrismus der Klein-Russen
beigetragen. In der Jugend machen sie den Frauen den Hof, be-
singen sie in ihren Liedern und heirathen aus Neigung. Das mildert
die untergeordnete Stellung des Weibes. Wir werden darüber ein-
gehender sprechen, wenn wir von der F'amilie reden. Dieselbe
Persönlichkcits-Idee hat in der Sphäre des Besitzthums zu Ehizel-
wirthschaften, nicht zum Gemeindebesitz geführt.
Gehen wir nun zu den sittlichen Eigenschaften der Klein-Russen
über, so können wir nicht unerwähnt lassen, dass man ihm Ver-
schlossenheit und Listigkeit zuschreibt. Gestehen wir aber auch
ein, durch die historische Vergangenheit und durch die beständigen
Bedrückungen hervorgerufenes gewisses Misstrauen der Klein-Rus-
sen zu, so können wir sie doch nicht der listigen Verschlagenheit
bezichtigen; eher könnte man ihnen Offenherzigkeit zuschreiben.
Zeigen sie auch dem «Pan« gegenüber kein Vertrauen, — was über-
haupt da der Fall ist, wo sie eine List gegen sich voraussetzen, —
so sind sie dagegen in ihren Beziehungen unter einander treuherzig,
aufrichtig und gutmüthig-naiv.
Wir haben auf das Gefühlsleben und einige Manifestationen des-
selben bei den Klein-Russen hingewiesen. Diese Eigenschaft führt
u. A. zu einer lyrischen Anhänglichkeit an die Heimath, an den Ort
37»
■
des Wohnsitzes. Daher leidet der aus seiner Heimath heraus-
gerissene Klein-Russe stets an Heimweh; Belege dafür haben wir in
einer Menge von Liedern. Es ist zu bemerken, dass der gewöhn-
liche Klein-Russe die Heimath fast stets im engeren Sinne begreift:
er versteht darunter sein Dorf, wo seine Verwandten und Freunde
leben, wo seine Liebste weilt. Daher ist es ihm auch so schwer, sich
selbst nur auf eine geringe Entfernung von seiner Heimath zu tren-
nen. Die dortige Natur bietet ihm genug, um auch zu Hause satt zu
werden; es ist für ihn desshalb nicht nöthig, in fremden Gegenden
seinen Unterhalt zu suchen.
Das Festkleben an der Scholle und seine ausschliessliche Beschäf-
tigung mit dem Ackerbau bedingten eine Einfachheit seiner Ge-
wohnheiten, eine Eingeschränktheit seiner Bedürfnisse, eine Genüg-
samkeit mit Wenigem, was seinerseits wiederum in seiner sittlichen
und ökonomischen Lebensordnung zum Ausdruck kommt. Hieraus
entspringt das Fehlen jeglichen Unternehmungssinnes und der Rou-
tine in seiner Wirthschaft. Der Klein-Russe führt seine Wirthschaft
gerade so, wie es vor Jahrhunderten geschah. Zur Gewerbs- und
Handelsthätigkeit hat er keine Neigung; er beschäftigt sich bloss
mit den, für^s bäuerliche Leben unumgänglichen Gewerben und
auch dabei sind seine Handgriffe höchst primitiv und roh. Das
von ihm Angefertigte zeichnet sich nicht durch Eigenartigkeit und
Geschmack aus. Nur das Joch («jipMo») des Salzführers («HyMain>»)^
dieses einzigen Repräsentanten des kommerzionellen Unterneh-
mungsgeistes der Klein-Russen, ist mit Mustern verziert. Wenn sein
Geschmack, sein ästhetisches Gefühl sich irgendwo äussert, so ist es
in der Kleidung. Besonders hübsch sind die Stickereien und Aus-
schnitte auf den Hemden, welche dem Geschmack der klein- russi-
schen Frauen alle Ehre machen.
Des Sinnes für Handelsunternehmungen entbehrt der Klein-Russe
durchaus. Dafür sind Raschheit des Handelns, Beweglichkeit, Kom-
bination und schnelles Benützen der Umstände nothwendige Bedin-
gungen ; aber alle diese Eigenschaften gehen dem Klein Russen ab.
Schwer stellt er sich auf denjenigen Standpunkt, von welchem
aus er die Constellation der Umstände benützen könnte. Ihm ist der
Handel nicht sympathisch, da derselbe mit Uebervortheilung ver-
knüpft ist. Ja er übersteigt seine Kräfte, da ihm die Suade abgeht.
Man braucht den Klein-Russen nur auf einem Jahrmarkte zu sehen:
er ruft keine Käufer an und sogar wenn man ihn fragt, womit er
handele, gibt er gleichsam nur widerwillig Auskunft. Wenn er den
34*
37^
Preis seiner Waare genannt und man ihm weniger gibt, antwortet er
phlegmatisch: «auch das ist ein Groschen». Auch hierin^ wie in Vie-
lem, steht die Frau, in Folge ihrer Beweglichkeit, höher. Die klein-
russischen Händlerinnen sind flink, klug, berechnend und überhaupt
recht unternehmend.
Bei denjenigen Kosaken des Poltawa^schen und Tschernigöw'-
schen Gouvernements, welche Läden besitzen, führen gewöhnlich
die Frauen das Geschäft. Sogar in den Städten des süd-weßtlichen
Gebiets ist die Kleinbürgerin sehr oft Geschäftsfrau. In früherer
Zeit lag der ganze Branntweinhandel, ehe er ausschliesslich in die
Hände der Juden überging, in den Händen der Frauen, und die
«Schenkwirthin* wird oft in den klein-russischen Liedern gefeiert.
Die Ausbildung der oben erwähnten Idee des persönlichen Wer-
thes bewirkt auch in der Familie ein Streben der einzelnen Glieder
nach ökonomischer Selbstständigkeit ; das lockert später die ver-
wandtschaftlichen Bande, so fest dieselben auch bis zur Erreichung
der Volljährigkeit sind. Die elterliche Macht hat dann, wenn sie
auch noch geehrt wird, keine besondere Autorität für die eine Ehe
eingehenden Kinder, ob es nun die Söhne sind, welche einen eige-
nen Herd gründen, oder die Töchter, welche ihrem Manne in die
Ehe folgen. Der Sohn knüpft in einem solchen Falle ökonomische
Beziehungen weit öfter mit Andern an, als mit seinen Verwandten.
Dieses erzeugt ein, bei den Klein-Russen stark entwickeltes Nach-
barschafts- und Freundschaftsverhältniss, welches oft stärker ist, als
die verwandtschaftlichen Bande. Diese geringe Autorität der elter-
lichen Macht hat zur Folge, dass die erwachsenen Töchter eine ge-
wisse Selbstständigkeit geniessen, die ein, auch in^s Gewicht fallen-
des Moment bei ihrer Verheirathung bildet j xlenn obwohl zu deren
Eintritt in die Ehe auch die Einwilligung der Eltern nöthig ist, so
zwingen doch andererseits diese nur selten ihre Tochter zu einer
Heirath mit einem ungeliebten Manne.
Das Familienleben ist durchweg ein sittliches; sehr selten er-
scheinen die Männer in der Ehe treulos, und die Fälle sind verein-
zelt, wo ein Mädchen vor der Ehe seine Ehre verliert.
Der Klein-Russe achtet seine Frau in weit höherem Grade, als der
Gross-Russe, sie ist ihm viel mehr Gefährtin, Freundin, als es, be
letzterem der Fall ist, sie schaltet im Hause nach eigenem Er-
messen, sie fährt mit dem Manne zusammen auf den Markt, um die
Produkte der Land- und Hauswirthschaft zu verkaufen.
Die ziemlich berechtigte Stellung, welche die Frau neben dem
373
Manne einnimmt, legt ihr auch eine Fülle von Arbeit auf. Sie be-
sorgt das ganze Hauswesen, füttert das Vieh, trägt Wasser und
Holz, heizt die Stube, melkt Kühe und Schafe, sie beaufsichtigt und
pflegt die Kinder, sie besorgt den Gemüsegarten, sie bereitet den
Hanf und den Flachs für's Spinnen vor — kurz sie thut Alles, sie ar-
beitet ohne alle Frage doppelt soviel als der Mann, aber sie klagt
nicht darüber, ihre Stellung bereitet ihr Freude, sie ist die Herrin
des Hauses, sie erfährt keinen Tadel, keine Vorwürfe und Krän-
kungen von der Schwiegermutter ^
Die klein-russische Frau steht unbestritten in jeder Hinsicht höher,
als der Mann. Unter den schwierigsten Verhältnissen "des kommu-
nalen Lebens ist sie wiederholt als aktives Glied der Gesellschaft
aufgetreten. So erschien einmal in einer Ansiedlung die Behörde
mit Landmessern behufs Abtheilung der Ländereien, und keiner
aus dem Volke hatte Lust sich mit den Werkzeugen auf den Fel-
dern einzustellen; als man ihnen drohte, wollten einige Männer
nachgeben; da traten die Frauen dazwischen, nahmen ihnen die
Werkzeuge weg und trieben die Eingeschüchterten fort. Es gab
Fälle, wo an Bauern Exekutionen vollzogen werden sollten; die
Weiber stellten sich vor ihre Männer, und dem Militärchef blieb
nichts anderes übrig, als einen Theil seiner Mannschaften dazu
zu verwenden, die PVauen von ihrer Einmischung zurückzuhalten.
Wir selbst haben es nicht nur ein Mal gesehen, wie vor dem Ge-
meinde- und sogar Friedens-Gericht die Frau mit ihrem Manne er-
schien, um ihn zu vertheidigen oder für ihn Fürsprache einzulegen.
Die Genügsamkeit in den Bedürfnissen und der Mangel an Unter-
nehmungsgeist führen dazu, dass selbst die reichen Kosaken und
Bauern in der Einrichtung ihrer Wohnung, in ihrer Nahrung und in
ihrer Lebensweise überhaupt sich wenig von den minder Be-
mittelten unterscheiden. Sie bringen ihr Geld nicht in Umsatz, son-
dern verwahren es in Kisten oder vergraben es in der Erde. Der
Reiche hilft dem Armen mit Darlehen gegen Verpfändung eines
Stückes Landes, «bi> aacTaoy», welches dann der Kreditor benutzt.
Da das Land um einen Spottpreis verpfändet wird, so erhält der
Gläubiger durch den Ertrag des verpfändeten Landstückes oft recht
bedeutende Zinsen. Wenn der reiche Mann aus dem Volke sein
Kapital überhaupt realisirt, so geschieht es allenthalben zur Erwer-
bung von Grundbesitz, zur Vcrgrösserung seines Besitzthums.
• Vgl. ül^cr diese den Gegensatz bei den Gross-Rassen. «Kuss. Revue» Bd. X,
S. 289 u. ff. und Bd. XI, S. 231 a. ff.
374
Der Klein-Russe ist im Allgemeinen stolz und egoistisch; Belei-
digungen erträgt er nicht leicht und ist rachsüchtig, wenn ihm eine
schwere Beleidigung widerfahren ist. Spott berührt ihn nicht, denn
er ist selbst ein Humorist, und versteht es selbst zu witzeln. Aber
Entehrung bringt ihn auf und erbittert ihn. Ungestraft lässt er sich
nicht entehren und um seinen guten Ruf bringen. Er hält sogar
das für eine Beleidigung, wenn ein junges Mädchen, welches ihm
ihr Wort zur Eheschliessung gegeben, ihm absagt. Vornehmlich
rächt sich der Klein-Russe für die Beleidigung seines Weibes und
überhaupt einer geliebten Person; hieraus blickt sogar eine gewisse
Ritterlichkeit hervor.
Dieser persönliche Zartsinn und die Verabscheuung alles Cyni-
schen äussert sich auch in den Schmähworten der Klein-Russen,
die sich nicht durch einen solchen Cynismus auszeichnen, wie die
der Gross^Russen. Ihre Schmähungen bestehen in Verfluchungen ;
sie wünschen dem betreffenden Menschen oder ihm nahestehenden
Personen, namentlich seinem Vater, das Widerfahren irgend eines
bösen Unglücks. In ihrem gegenseitigen Verkehr sind die Klein-
Russen rücksichtsvoll; das «Sie» ist bei ihnen ganz gebräuchlich; einen
verheiratheten Mann nennen sie «Onkelchen» (AflAbKOin»»), eine ver-
heirathete Frau «Tantchen» («TixKoio»), alte Leute «Grossvater«
und «Grossmutter» («AiAOM'b« b «6a6oK)»).
Dabei ist der Klein-Russe sehr gefällig, er plaudert gern, und
auf Schritt und Tritt begegnet uns sein Humor. Er ist ein grosser
/ Freund des Gesanges und die Schalmei ist in Vieler Händen. Fast
in jedem Dorfe gibt es mehrere Musikanten. Geige und Schellen-
trommel sind die verbreitetsten Instrumente, doch kommen auch
Cymbeln vor. Die Bettler spielen die Leier; dieses sind die «Pan-
dorenspieler» des Dorflebens, wie auch das Kosakenthum seine «Kob-
saren» und «Banduristen» hatte. Die Leiermänner kennen aber
nur noch wenige der Kosaken-Balladen, die sie durch Tradition von
den Kobsaren überkommen haben. Sie singen geistliche oder saty-
rische Lieder. Die historische Tradition und die historischen Lie-
der sind aber im Aussterben. Die Schrecken der Leibeigenschaft
haben die frühere Geschichte unterdrückt und in Vergessenheit ge-
bracht
Befähigt für Musik und Poesie, wie es die Klein-Russen im hohen
Grade sind, haben sie aber fast keine Begabung für plastische
Künste ; in der Architektur sind sie nicht erfinderisch, Skulptur exi-
stirt bei ihnen fast gar nicht; sie verfertigen nur thönerne Pferd-
375
chen für ihre Kinder, die zum Blasen bestimmt sind. Die Malerei
stand früher bei den Klein-Russen in Ansehen, und es gab unter
ihnen Viele, welche sich damit beschäftigten ; obwohl es jetzt noch
manche Maler gibt, spielt diese Kunst doch heute bei ihnen keine
Rolle mehr. Ihre Bedürfnisse sind auch hierin sehr geringe.
Die Mildthätigkeit, wie überhaupt die Sympathie für Unglückliche^
ist bei den Klein-Russen recht stark entwickelt, daher denn das Loos
der Wittwen und Waisen ein nicht ganz trauriges ist. Solchen mit
der That zu helfen, ist, wie der Klein-Russe sagt, die Schuldigkeit
eines guten Menschen.
Ziehen wir nach dieser kurzen Charakteristik einen Vergleich
zwischen dem Klein-Russen und dem Gross-Russen, so ergibt sich,
dass ersterer Jen letzteren in geistiger, letzterer den ersteren in
praktischer Beziehung überragt. Bei den Gross-Russen ist der Be-
griff der Gemeinschaft, des Genossenschaftswesens, bei den Klein-
Russen der der Individualität stärker entwickelt. Daher, ergänzen
auch diese beiden russischen Nationalitäten einander. Das • Band
zwischen ihnen ist kein formelles, sondern ein materielles. Einige
unserer Publizisten lassen nicht gern einen Unterschied zwischen dem
klein-russischen und gross russischen Kultur-Typus gelten und verhal-
ten sich feindlich zu jedem Hinweise auf diesen Unterschied, da sie
glauben, dass es der Einheit schade. Aber sie haben Unrecht. Diese
beiden russischen Nationalitäten haben dennoch mehr Gemeinsames
als Verschiedenes; beide sind russische, beide sind rechtgläubige
Nationen; beide haben den einen «Weissen Zar*, welchen sie in
gleicher Weise lieben ; beide haben für die Grösse Russlands, die
es jetzt erreicht hat, gekämpft ; beide haben für russische Wissen-
schaft und Literatur gearbeitet. Die Unterschiede — es sind jene
obigen — sind aber nicht nur nicht schädlich, sondern vielmehr
nützlich; sie festigen das Band und machen den Klein-Russen und
den Gross Russen einander unentbehrlich. Die Unterschiede aus-
zugleichen, welche durch die Bedingungen der Natur und die ganze
frühere Geschichte hervorgerufen sind, ist unmöglich und unnöthig.
Der Klein-Russe war ein Russe und ist ein Russe. Nennt er sich
so auch nicht dort, wo er mit einem Gross-Russen zusammentrifft,
so weiss er es doch bestimmt dort, wo er mit einem Polen, Moldauer
und Ungarn zusammentrifft.
376
Zum Schlüsse seien uns noch einige Worte über die herrschende
Bevölkerung des klein-russischen Gebiets gestattet.
Dieselbe kann in drei Typen getheilt werden: den podolisch-gali-
zischen, den poleschtschukischen und den ukrainischen. Die Polesch*
tschuken bewohnen das «Polessje» des Kijew'schen und Wolhyni-
schen Grouvernements — die Gegend der Wälder und Sümpfe —
und das Podljassje, d. h. einen Theil des Gouvernements Sjedlez
und Grodno. Zu dem podolisch-galizischen Typus sind zu rechnen
die Bewohner des westlichen Wolhyniens und Galiziens ; sie bewoh-
nen in Russland die Kreise Kamenezk, Uschizk, Prokurowsk, Theile
der Kreise Starokonstantinowsk, Kremenezk, Dubensk, Wladimir-
Wolynsk und Cholmskaja Russj. Zum ukrainischen Typus ge-
hören die Bewohner des übrigen grösseren Theils des Kijew'schen
des mittleren Theils des Wolhynischen und des süd östlichen Theils
des Podolischen Gouvernements.
Diese Typen unterscheiden sich sowohl durch physische Eigen-
schaften als auch durch Sprache und Lebensweise. Die Ukrainer
sind hohen, die Podolier mittleren, die Poleschtschuken verhältniss-
massig kleinen Wuchses. Die Ukrainer sind vorherrschend stark
brünett, unter den Poleschtschuken gibt es verhältnissmässig mehr
Blonde. Die Hütten der letzteren sind rauchig, ungestrichen; die
andern haben geweisste Stuben. Der Poleschtschuke pflügt mit
dem Hakenpflug, die übrigen mit dem gewöhnlichen Pfluge. Ber
den Ukrainern spielen die Stiere eine grosse Rolle, bei den Podoliem
hat auch das Pferd in der Wirthschaft eine gewisse Bedeutung, bei
den Poleschtschuken ist dieses fast ausschliesslich in Gebrauch.
Die Farbe des Kittels der Ukrainer ist braun, der Podolen grau,
der Poleschtschuken weiss. Bei den Ukrainern sind die Hemden
ausgenäht, die Kittel dagegen ohne Stickerei; bei den Podoliem
umgekehrt; bei den Poleschtschuken sowohl Hemd als Kittel ohne
Stickerei. Bei den Poleschtschuken sind Tuchmützen im Gebrauch,
bei den übrigen nicht. Die Podolier tragen das Hemd über den
Hosen, die übrigen stecken es ein. Die ukrainischen Frauen tra-
gen Sommer-Corsets und Zitzröcke von greller Farbe. Die podo-
lischen Männer tragen langes Haar, die verheiratheten Frauen be-
schneiden es. In einigen Gegenden des «Polessje» lassen die Frauen
ihr etwas beschnittenes Haar auf die Schläfen herabhängen. Die
Poleschtschuken sind abergläubisch und stehen in ihrer geistigen
Entwickelnng niedriger als die Ukrainer und Podolier.
Nach der Sprache unterscheiden sich die drei Typen scharf von
377
einander. Der podolisch-galizische Dialekt zeichnet sich von den
übrigen hauptsächh'ch in grammatikalischer Beziehung aus» der po-
ieschtschukische von den beiden andern hauptsächlich in der Phonetik ;
im podolischen werden Formen gebraucht, wie sie in den andern
nicht vorkommen, wie z. B. «rxOAHBeM-b, xoAHBecb, xo^hjerchmo,
xoAH^Hcre, 6yAy SHaei» (anstatt 6yAy 3HaTH), BiHi> xo^HT-b (st. BiHi>
XOAHTb), Bini» CII A'&d (st. BlH-b AbSTbCfl)» pyKOB-b (st. pyKOK)), Mü (st.
Mene) u. s. w. Im poleschtschukischen geht i in yu, yo etc. über
(xyuHb, KyoHb St. xinb); ü in e (AHBHTbce, bohu Hocen» st. hocüti»)
u. s. w.
Die frühere Geschichte konnte nicht ohne Einfluss auf die Bevöl-
kerung bleiben. Je weiter nach Westen, um so stärker war der
Druck der Leibeigenschaft. Das Kosakenland erstreckte sich nicht
über Slutscha hinaus, und daher zeichnen sich die Ukrainer durch
eine grössere Selbstständigkeit und grösseres Scibstbewusstsein,
die Podolier und Wolhynier jenseits Slutscha durch ihre Unterwür-
figkeit aus; sie verbeugen sich tief, küssen den Schooss. Der klein-
russische Humor, welcher bei den Ukrainern glänzt, ist bei weitem
nicht so gross bei den übrigen Klein-Russen des süd*westlichen Ge-
Gebiets. Die Volkspoesie hat sich mehr erhalten und ist mannig-
faltiger bei den Ukrainern; desgleichen viele Gebräuche.
Abgesehen von diesen besonderen Eigenthümlichkeiten haben
die genannten drei klein-russischen Typen des süd-westlichen Ge-
biets mit allen übrigen Klein-Russen gleiche Weltanschauung, Ge-
bräuche, Sitten, Gewohnheiten, Denkmäler der Volksproduktion, die
Grundeigenthümlichkeit der Sprache u. dg^l. m. Was speziell die klein-
russische Bevölkerung des Lublin'schen und Sjedlez^schen Gouver-
vernements anbetrifft, so war sie dem mächtigen Einflüsse Polens
ausgesetzt. Sie als Griechisch-Unirte und Dank dem Fanatismus
der polonisirten Geistlichkeit, neigte stark hin zu äusserlichen Re-
ligionseinrichtungen katholischen Charakters. Das g^ilt namentlich
von der Bevölkerung des «Polessje». Im Königreich Polen erin-
nerte bis in die neueste Zeit hinein der g^echisch-uniirte Kultus
sehr wenig an den griechischen Ritus. Vieles war dem Katholizis-
mus entlehnt, polnische Gebele wurden abgesungen und Predigten
in polnischer Sprache gehalten. Das konnte nicht ohne Einfluss
auf di^ Bevölkerung bleiben, die, obgleich sie sich von der polni-
schen scheidet, doch nur geringe Beziehungen zu den übrigen Klein-
Russen hat. Sie haben nicht die Erinnerung des Kampfes ihrer
Mitbrüder mit den Polen bewahrt, sie kennen nicht die klein-russi-
37« _
sehen historischen Lieder. Es darf das nicht Wunder nehmen.
Fast fünf Jahrhunderte befand sich die «CholmskajaRussj» unter dem
Einfluss des Königreichs Polen. Man könnte sich eher darüber
wundern, dass die Ruthenen unter solchen Bedingungen nicht total
ihre Nationalität eingebüsst haben. Das ist übrigens wohl der Fall
gewesen bei fast der Hälfte derselben, welche aus der Union zum
Katholizismus übertraten und darauf polonisirt wurden. Es sind das
insbesondere, mit nur wenigen Ausnahmen solcher, welche die klein-
russische Sprache bewahrten, die Kleinbürger der Städte und
Flecken. Das Landvolk der Klein- Russen vom Königreich Polen
hat meist seine Sprache, Sitten und Gewohnheiten beibehalten.
Kleine Mittheilangen.
(Des Hrn. A. Majew zweite Fahrt nach Buchara),
welche er in diesem Jahre unternommen, dauerte 20 Tage: vom
»9. (21.) August bis zum 29. August (10. September). Bis Karschi
befand sich Hr. M. unter der Zahl der Mitglieder der zum Emir von
Buchara vom General Gouverneur von Turkcstan abgeschickten Ge-
sandtschaft. Aus Karschi wandte er sich über Husar in das Ge-
birge. Auf dieser Fahrt hat Hr. M. den geraden, direkten Weg,
welcher von Tenga-Charam zu dem grossen und wohlhabenden
Dorf Kuitar über den Pass Ak-Basch und durch das Kertschak-
Darja-Thal führt, erforscht. Der letztere, ziemlich bedeutende Fluss
war bis dahin gänzlich unbekannt; eben so noch ein anderer Fluss,
der Kuitan-Darja. Darauf erforschte Hr. M. noch einen andern
Weg: von Kuitan nach Schir-abad, über den Pass Tonga-dawal.
Dieser Pass windet sich durch das ganze grosse Kuitan tau Gebirge
(der südliche Endpunkt der Hissar-Kette) hindurch, lieber ein
anderes hohes Gebirge führt der Pass ChodschaUlkan.
Aus Schiz-abad begab sich Hr. M. zum Ssurchan, über welchen
er bei dem Dorfe Kakaity hinüberfuhr und setzte seinen Weg dar-
auf im Ssurchan-Tliale bis zu Regara und Soar-i-dschuja fort. Um
nicht auf den bekannten Wegen zurückzukehren, schlug Hr. M. die
Richtung nach Schachrissjabs ein, und zwar auf derhselbcn Wege,
den W. Oschanin im August dieses Jahres befahren. Dieser
höchst schwierige Weg führt aus Ssar-i-dschuja durch die Dörfer
Ssengri dagh, Bachtscha und Tasch-kurgan nach Jakobak. Dieser
Weg zieht sich grösstentheils längs Felsvorsprüngen dahin, die zu-
weilen kaum V4 Arschin breit sind, über dem rauschenden und
379
schäumenden Sengri-dagh-Darja herabhängen. In Schaar ange-
langt, verabschiedete sich Hr. M. von dem Emir von Buchara, in-
dem er seinen Dank für die ihm von den bucharischen Autoritäten
erwiesene Unterstützung aussprach, und kehrte am 30. August (11.
September) nach Taschkend zurück.
(Sse\ver20'w*s Reise nach Pamir.) Der bekannte Reisende
Dr. N. A. Ssewerzow, hat an den General-Gouverneur von Turke-
stan aus Kara-Kul vom 2. (14.) August ein Schreiben gerichtet, in
welchem er ausführlich über den Verlauf der Expedition nach Pamir
Bericht abstattet. Wir entnehmen demselben nach der «Turkestaner
Zeitung» folgende Angaben:
Nachdem in Marghelan die Vorbereitungen zur Expedition be-
endigt waren, begaben sich Hr. Ssewerzow und der Topograph,
Hr. Skassy, in den ersten Tagen des Mai nach Andidshan. Hier
bestimmte Hr. Skassy astronomisch den Ausgangspunkt, während
Hr. Ssewerzow sich an die wissenschaftliche Klassifizirung der zoo-
logischen Kollektionen machte, welche vom Dezember vorigen Jah-
res an durch den Präparator, Hrn. Skornjakow, gesammelt worden
waren. Darauf sandte Hr. Ssewerzow am 15. (27.) Mai Hrn. Skorn-
jakow, um weitere zoologische und botanische Sammlungen zu be-
schaffen, über die Städte Namangan und Tschust, den Ssyr-Darja
stromabwärts, bis nach Chodschend, wobei Hr. Skornjakow, den In-
struktionen des Hrn. Ssewerzow gemäss, auch einen Ausflug in die
Berge bei Tschust undChodschend machte und auch beide Ufer des
Ssyr-Darja durchforschte. Hr. Ssewerzow selbst schlug an demsel-
ben Tage mit Hrn. Skassy die Richtung nach N.O. ein, und setzte
bei Utsch-Kurgan über den Fluss Naryn, das Gebirge, welches
Tschatkal und Karassu von Usun-Achmat trennt, im Passe Mart
überschreitend, und schlug den Weg längs dem Flusse Naryn strom-
aufwärts ein, wo er an die bisher hoch auf keiner Karte verzeichneten
Flüsse Torkun und Toljtik kam. Hier wurde ein bis dahin unbe-
kanntes Gebirgsplateau des innersten Thian-Schan-Gebirges, zwi-
schen Usun-Achmat, Ssussamyr und Naryn untersucht, wobei Hr.
Skassy die Lücken in den bisherigen topographischen Aufnahmen
ausgefüllt, während Hr. Ssewerzow ausser den geologischen
Kollektionen noch höchst interessante Daten für die Geologie,
Urographie und überhaupt physische Geographie des durch-
forschten Plateau's gesammelt, für die Daten, welche für die wis-
senschaftliche Erforschung des Thian-Schan- Systems überhaupt
von wesentlicher Bedeutung sind. Es haben sich z. B. in diesem
System aus höchst entlegenen Perioden stammende Erhebungen
vorgefunden, welche der Ablagerung von Bergkalk vorausgingen;
ferner Granitmassen, welche noch eine Insel des silurischen Ozeans
gebildet und keine Spuren von Meeresablagerungen zeigen (Granite
bei Torkun und Toljuk) ; dann die ünwiderleglichsten Zeugnisse für
die. früher von Hrn. Ssewerzow beobachteten, aber heftig bestrit-
38o
tenen Spuren einer Gletscherperiode im Thian-Schan — eben die,
durch die Bewegung des Gletschers geritzten Preisen und Gerolle;
endlich hat Hr. Ssewerzow dort noch reiche Steinkohlen- und Stein-
salzlager gefunden und viele Höhenmessungen angestellt. Den
Rückweg schlugen die Herren Ssewerzow und Skassy etwas weiter
vom Naryn über Namangan ein, wobei Hr. Skassy die neuen astro-
nomischen Punkte auch mit Namangan und Andidshan verbunden,
während Hr. Ssewerzow den östlichen Theil des Ssyr-DarjarThales
unterhalb der Vereinigung, des Naryn mit dem Kara-Darja durch-
forscht hat.
Unterdessen war, in Abwesenheit des Hrn. Sserezow, Ende Mai,
der Botaniker der Expedition, Hr. Kuschakewitsch, nach Andidshan
gekommen und begann sofort die botanische Erforschung des Kara-
Darja-Thales und der in dasselbe von N.O. herabsenkenden Berge,
welche er bis zu einer Höhe von 8 — 9000 Fuss bestieg.
Mitte Juni trafen alle Mitglieder der Expedition wieder in Andid-
shan zusammen. Hr. Ssewerzow begab sich nach Marghelan, um
sich mit dem General Abramow, dem Chef des Gebiets, definitiv
über die Reise nach Pamir zu verständigen, welche man bis zur
Ausrüstung des Alai-Detachements, das aus Osch nicht vor Ende
Juni ausgerückt war, aufgeschoben hatte. Die Vorbereitungen des
Hrn. Ssewerzow zur Reise nach Pamir wurden namentlich noch^
in Folge der Ausrüstung grosser Detachements» durch den Mangel
an Fuhrwerken erschwert, Hr. Ssewerzow war desshalb gezwungen,
mehrmals zwischen Marghelan und Osch hin- und herzufahren, was
übrigens für die physisch-geographische Erforschung des Fer-
ghana-Thales nicht ohne Nutzen blieb, da Hr. Ssewerzow auf
seinen Fahrten stets andere Wege einschlug und Beobachtungen
anstellte. Erst am 5. Juli konnte die Expedition aus Osch, wo sich
derselben noch der Topograph Hr. Rudnjew zugesellte, ausrücken.
Die Arbeiten der Expedition wären folgendermaassen vertheilt:
Hr. Skomjakow wurde noch Ende Juni über den Pass Karakasyk
zum Detachement des Gen. Abramow abgeschickt, da man erwar-
tete, dass sich auf diesem Wege vielleicht die Möglichkeit darbieten
würde, in dem bisher noch gänzlich unbekannten Karategin geolo-
gische und botanische Kollektionen zu sammeln. Obgleich diese
Absicht nicht gelang, so hat Hr. Skomjakow doch höchst inter-
essante zoologische und botani.sche Sammlungen vom Unteren
(westlichen) Alai mitgebracht. Hr. Skassy hat sehr genaue und aus-
führliche geodätische Nivellirungsarbeiten von Osch aus über Gul-
tscha den Pass Taldyk und den Alai über Kisyl-Art zum Pamir,
quer durchschneidend, bis zum See Karakul ausgeführt, wobei er
die Höhe von über 600 Punkten genau bestimmte. Hr. Ssewerzow
selbst begab sich mit den Hrn. Kuschakewitsch und Rudnjew auf
einem anderen Wege in das Alai-Gebirgc, und zwar über den Pass
Artschat, welcher sich als viel weniger steil und schwierig erwiesen
hat, als Hr. Ssewerzow nach den ihm gewordenen Mittheilungen er-
wartet hatte. Beim AUi-Detachement, bei der Mündung des Flusses
38i
Kityn-art in den Kisyl-ssu, angelangt, trennten sich die Reisenden:
die Hrn. Kuschakewitsch und Rudnjew begaben sich über den
Kisyl-art zum See Kara-kul, wobei Hr. Rudnjew die topographischen
Aufnahmen der Alai-Iijcpedition des Jahres 1876 recht wesentlich
ergänzte, Hr. Ssewerzow wandte sich aber nach Osten, nach Irke-
schtau, zum Detachement des Gen. Abramow. Hier machte er zwei
kurze, aber interessante Exkursionen, in nördlicher und südlicher
Richtung von der Route A. Kuropatkin^s, in das Gebiet der
Quellen des Kaschgar-Darja, wobei er di^ südlichen Theile der,
den Thian-Schan mit Pamir verbindenden Gebirgszüge, sowie die
östliche Fortsetzung des Transalaischen Gebirgszuges untersuchte.
Am 31. Juli trafen endlich alle Mitglieder der Expedition am See
Kara-kul zusammen und begannen die Kollektionen zu ordnen, wel-
che besonders an Vögeln, Fischen, Insekten und Pflanzen sehr reich
sind.
Weiter ergibt sich aus dem Bericht des Hrn. Ssewerzow, dass
die Expedition am 3./15. August zum Sea Victoria aufzubrechen be-
absichtigte. Leider ist Hr. Rudnjew, welcher das rauhe Klima im Pa-
mir nicht vertragen kann, gezwungen gewesen, nach Taschkend
zurückzukehren^ so dciss die weiteren astronomischen und topogra*
phischen Arbeiten allein von Hrn. Skassy ausgeführt werdeu
müssen, was eine Einschränkung des ursprünglichen Programms
nothwendig zur Folge gehabt hat. Hr. Rudnjew wird unterdessen,
im Auftrage von Hrn. Ssewerzow, in Taschkend die, für die wissen-
schaftliche Bearbeitung der Untersuchungen der Expedition noth-
wendigen kartographischen Materialien sammeln und kopiren lassen.
RoTue Russischer Zeitsehriften.
«r Militär- Archiv! (Wojennij Ssbomik — BocHHuft C6opHHKi>.)
XXI. Jahrgang. 1878. Heft 7. Inhalt:
Erinnerungen an den polnischen Krieg vom Jahre 1831. (Aus den Memoiren von A^.
Ncjelow,) VI. — Die taktische Bedeutung des Terrains« Die Erforschung der Positio-
nen. I. Von G, Leer. — Fragmentarische Bemerkungen aus den Erfahrungen des letz-
ten Krieges. Von A, Pusyraoskij. — Die Vergangenheit und die Zukunft der Kaval«
lerie. I. Von P, SkobeUyn — Ein Paar Worte tlber die Patronwagen in den Regimen-
tern unserer Armee. (Aus den Erfahrungen des letzten Krieges.) — Eine kurze Cha-
rakteristik des grossen Thian-Schan- Gebirgszuges, Von L^ Kosienko, — Einige Tage auf
dem St. Nikolaus-Berge. (Erinnerungen an die Vertheidigung des Schipka-Passes.)
Vom Lieutenant des Regiments Orel Dazewitsch. — Bibliographie.
Heft 8. Inhalt:
Erinnerungen an den polnischen Krieg vom Jahre 1831. (Aus den Memoiren von N,
Nej'elow,) VII. — Die taktische Bedeutung des Terrains. II. Von G. Leer. — Die Ver-
gangenheit und die Zukunft der Kavallerie. II, Von P, Skobelzyn. — In Bezug auf Ab-
38»
steckung eiliger Feldbefestigungen auf Kommando. Von A, PljuünskiJ, — Die allge-
meine Wehrpflicht vier Jahre nach ihrer EinHihrang. Von Baron N. Witte, — Die
Avantgarde. I. Von A/. Tsitsckag<nv. — Bibliographie.
Heft 9. Inhalt:
Erinnerungen an den polnischen Krieg vom Jahre 183 1. (Aas den Memoiren von iV.
Nejelmv.) VIII, — Bemerkungen in Bezug auf einen Bericht von N. Nejelow über die
Aktion der Garde im Zarthum Polen im Jahre 1831. Vom Fürsten N. Golityn. — Vor
Plewna. (Praxis des Transch^e- Krieges.) Von A. Rttropatkin. — Die taktische Bedeu-
tung des Terrains. III. Von Cr. Leer. — Die Vertheidigung des Etruporschen Balkans
durch die Türken unter Mehemed Ali. Erzählung eines Augenzeugen. (Aus dem Deut-
schen übersetzt.) Von N. O, — Zur Frage der Ausrüstung mit Spaten. Von A^ Pljuzin-
skij\ — Das UraPsche Kosakenheer. Eine historische Skizze und das System der Ablei-
stung der Dienstpflicht. Von y, K^stenkü* — Die Avantgarde. II. Von Tschitsckagow,
— Bibliographie.
^Das Wort» (Sslowo — Cüobo). 1878. Heft 6. Inhalt:
Wunderliche Menschen. Von N. S/atawratskij, — Aus den Memoiren eines Londoner
Armenarztes. — Die ökonomische Theorie von Marx. III. Von ^, Stiert. — Am kaspi-
schen Meere. Rcisenotizen von A^. Kobylew, — Ein Bauerndrama. Eine Erzählung aus
Süd-Russland von L, Stammer, — Der Ragenkampf in der Habsburger Monarchie. I —
VI. Von W, Iss — ow. — Motive der russischen Belletristik. Von B, P — Die russi-
schen Finanzen in der letzten Zeit, Von W. A, — Die Partikularisten, Ultramontanen
und die Ministerkrisis in Deutschland. Von y. Brücke, -^ Gedichte. — Bibliographi-
scher Anzeiger.
Heft 7. Inhalt:
Die Wahnsinnige. Eine Erzählung aus dem Judenthum. Von (7. Bogrow, — Die Alt-
gläubigen. I — II. Von Jussow — Aus den Memoiren eines Londoner Armenarztes. —
England und Irland. I. Die irländische Nationalität. Von A. R, — Ein russischer Kri-
tiker über Häckel. Von B, LenskiJ, — Die literarische Richtung in der Malerei. Von
P, B, — Gelehrtp Unwissenheit. Von A, Golowatuhaw, - Astronomi<iche Neuigkeiten.
— Skizzen ausländischer Journalistik. > Eine triumphirende Stadt. Ein Brief aus Paris
von /'. Boborykin, — Briefe aus Italien. Von A, Leo. — Gedichte. — Bibliographi-
scher Anzeiger.
Heft 8. Inhalt:
Der Ursprung und die Entwickelung des Handels. Eine Skizze zur vergleichenden
Geschichte der Moral und des sozialen I^bens. Von M. Kulischer, — Verj^csscne Skiz-
zen des Lebens im Dorfe. Von N. Maximoiv. — Die Altgläubigen. III. Von Jussow,
Gesprungene Saiten. Skizzen von Baranujauitsch. — Der Lustspicldicliter Oslrow-
skij und dessen Nachfolger. I. Von P, Boborykin — Der Ragenkampf in der österrei-
chischen Monarchie. (Schluss.) Von W, Iss — ow, — Gelehrte Unwissenheit. (Schluss.)
Von A. Golo7vatschow, — Voltaire. Von Gicat, — Skizzen ausländischer Journalistik.
— Geographische Entdeckungen. — Ein temporärer Stillstand. Von V, Shukoxuskij,
— Nekrolog von M, Tshurilow, — Gedichte. — Neue Bücher. Von L, P — oiu,
«Der europäische Bote» (Westnikjewropy — B'fecTHHKT> EBponu.)
XIIL Jahrgang. 1878. Heft 7. Inhalt:
Drr Kampf ura*s Dasein. III. Von y, Metschnikow. — Aus alter Zeit, Erzählungen
und Erinnerungen. II. Beresai. Von A, L — Die mittel-asia tische Kultur und unsere
Politik in Ost-Turkestan. Reisenotizen von E. Schuyler. IV— VII. — Die letzten zehn
I^ben-^rjahre Proudhon's. IX — XI Von D — ew. Wissenschaft und Literatur im mo-
dernen England. VIII. Brief. Von A Regnard, - Das Etappen- I^zareth der GrossfUr-
stin Thronfolgerin im türkischen Kriege des Jahres 1877— 1878. Von A. Hehn. —
Rundschau im Inlande. — Der Welthandelsmarkt im Jahre 1877. Von \V. — Pariser
Briefe. — Paris und die Weltausstellung. I— VIII. - Gedichte. - Bibliographischer
Anzeiger.
Heft 8. InhaU:
Der Kampf nm*s Dasein. IV, Von y, Metschnikow, — Die letzten zehn Lebensjahre
383
Proudhon's. XII — XIII. Von i^ ew, — Skizzen und Erzählungen nach der Natur I —
VI, Von v<4. Krassnopolskij . — Die Nahrung der Menschen gegenwÄrtig und in Zu-
kunft Von A, Beketow — Die Klassen.sleuer yom finanziellen Standpunkt. I— III.
Von Z.. Tscherfiajav^ — Die Handwerkerverbände in England. Von IV, K. ~ Aus
den Erinnerungen eines Schrinstellers. Von A, E, — Der literarische Kongress in Pa-
ris. Von Z. Polonskij. — Rundschau im Inlande. — Auswärtige Politik- — Briefe aus
Berlin, London und Paris. — Anfänge literarischer Solidarität. — Bibliographischer
Anzeiger.
Unssische Bibliographie.
Exposition universelle de Paris en 1878. Commission charg^e de la coUection des
produits de Tagriculture et de Texportation forestiore en Russie pour Texposition de
Paris. Agriculture et dconomie rurale en Russie. Apergu statistique redig6 par J. Wil-
son, chef de la section de statistique au Departement de Tagriculture et de Tindustrie
rurale du Ministcre des Domaines. (Avec une carte des chemins de fer en Russie ) St.
Pbrg. 1878. 8<>. VIII -I" 129 S.
Nassyrow« K. Tatarisch-russisches Wörterbuch. Kasan. 1878. 8®. 120 S. (Tarap-
cKo-pyccKifl cjioBapb. CocraBüeHi» KaJts>MUM% HaoBipoiaun.)
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(Bacu&om, H. H. HcTopHKo-craTBcmHecKift onepirb ropoAa flcKOBa.)
Malyschew, K. Kursus des allgemeinen russischen Civilrechts. Bd. I. St. Pbrg.
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365 S. (AsapOBmn, S. Hcropi« BHsaHTÜCKaro npasa. H. II.)
Kene witsch, W. Bibliographische und historische Anmerkungen zu den Fabeln
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XV -{- 392 S. (SeHOBHTb, B. BH6iiiorpa«»HHecKiii h HCTopiiHecKiM npHMiiHaHiii rb 6ac-
HjiM-b KpujioBa. Ci> npHjioxceHiein» MaTepia/iOBi» aji" 6iorpa«iH M. A. Kpu^oea.)
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thum. 2. und letzte Lief. St. Pbrg. 1878. 8®. Seite 161 — 396. (PuMCxiii A'bflHiii MaAaHie
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MecKoe Ha/ioHceiiie «»oiieTUKu h iiop^ojioriH JiaTHHCiaro aauKa.)
Jahresbericht der Abtheilung für Artillerie beim technischen Marine-Komite fiir
1878. St, Pbrg. 1878. 8®. VII + 226 S. (OTMCTb apTHJiJiepiHcKaro OTAt-neHiH MopcKaro
TexHHHecvaro KoMBTera sa 1878 roAa.)
384
Berichtigung.
In dem ersten Abschnitt des, den Weinbau Russlands behandelnden Artikels («Russ.
Revue» Heft 8, S. 130) wurde erwähnt, dass die Phylloxera vastatrix, der verheerende
Rebenfeind, der im westlichen Europa den Weinbau in so beunruhigender Weise ge-
fährdet, auch an einigen Stellen in Russland (in der Krim, im Terek-Kumik 'sehen und
Rion-Schwazmeer-Gebiete) aufgetreten sei. Nach einer MittheUung des Departements
für Landwirthschaft und landwirthschaftltche Industrie im Domänen-Ministerium beruht
diese, dem ^Statistischen Jahrbuch» entnommene Nachricht auf einem Irrthuro und
haben sich die^an verschiedenen Stellen der russischen 'Weinbauregion aufgetretenen
Vermuihungen betreffs des Vorkommens der Phylluxera zum Glück nicht bestätigt. Die
russische «Landwirthschaftliche Zeitung« widmet in ihrer Jit 39 d. J. der Widerlegung
der obigen Nachricht einen eingehenden Artikel, in welchem sie auf den Ursprung der
umlaufenden Gerüchte zurückkommt und zu dem tröstlichen Schluss gelangt, dass einst-
weilen über die Existenz der Phyllozera in Russland nichts bekannt sei. D. Red.
In dem Aufsatze «Zur Literatur über Russisch- Turkestan» sind
folgende Druckfehler zu verbessern.
Im Artikel I und II (Bd. XII):
Se
ite 436 Zeile 9 von unten lies: nämlich statt wesentlich.
437
439
440
»
442
»
443
447
50
54
59
"54
158
170
»
176
182
183
184
252
»
»
»
9
»
»
»
6
15
14
19
II
7
9
18
9
14
9
I
20
8
10
II
12
3
14
16
6
7
8
»
»
9
» • aber statt Über,
oben • wirthschaftliche statt wissenschaftliche.
» 9 das statt diese,
unten » Stammes statt Namens,
oben > Ssaratow statt Ssamara.
unten > Dschulek statt Dschuleh.
oben - » der Fall sein wird statt der Fall war.
unten » Rasen statt Vasen.
Im Artikel IH (Bd. XHI):
oben » lastenden statt bestehenden.
• » Anbau statt Leben,
unten » Kurama statt Karama.
Im Artikel IV (Bd. XUI):
9
>
oben
»
Stäben statt Säbeln.
belustigend statt belästigend.
welchen statt welche.
Chttda^ar statt Chudojar.
hinter «nach 2 Uhr» ist einzuschalten «am frühen
Morgen»,
genommen wird statt wird genommen.
700 statt 7000.
Katty-Kurghan statt Watty Kurghan.
Lage statt Tage.
Im Artikel V (Bd. XIII):
oben » Tschemkend statt Taschkend.
unten > Karakurt statt Karkart.
eingeschlafen statt eingeschlossen.
»
9
unten
oben
unten
9
9
9
»
■
»
9
»
9
262
* In der Anmerkung muss es ttl)erall heissen: •unearthe</9 statt ^uncarUuä».
263 Zeile 14 von unten lies: oder auf statt oder auch.
269 » 4 » • • Khivan statt Chivan,
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Röttger.
AusBOJieHo ncHsypoio. C.-nerepCypri,, i3'ro Omi6pa 1878 roAa
Bachdnickerei von RöttgkrASchnbidbr, Newsky*Pro8pekt ^ $•
Die Bedeutung der einzelnen Gonvernements Bass-
lands hinsichtlich ihrer landnirthschaftlichen
Produktion.
Von
Friedrich Matthäi.
-^ ^^-
Der Beweis von der Bedeutung Russlands als Agrikulturstaat
kann wohl nicht vollständiger geliefert werden, wie durch eine, auf
statistische Daten basirte, Darlegung seiner landwirthschaftlichen
Produktionsverhältnisse und zwar nicht bloss den Quantitäten der
erzielten Ernten nach, sondern auch hinsichtlich des Werthes, der
durchschnittlich aus dem Feldbau und der Viehzucht gewonnenen
Produkte. So bedeutend nun auch die GesammtziiTer ist, welche
diese Produktion in- Zahlen ausdrückt, so tragen doch keineswegs
die einzelnen Gouvernements in gleichem Verhältnisse zur Erzie-
lung dieser Produktion bei. Dieses Verhältniss aber genau festzu-
stellen, ist eine Aufgabe der Statistik, welche bisher in systemati-
scher, die gewonnenen Resultate übersichtlich darstellender Weise,
noch kaum versucht worden ist. Wenn ich diesen Versuch hiermit
wage, so verhehle . ich mir keineswegs die damit verbundenen
Schwierigkeiten, ganz abgesehen davon, dass die statistischen Da-
ten, auf welche ich mich bei dieser Arbeit zu stützen gezwungen
bin, nach der Ansicht unserer Autoritäten als vollständig zuverlässig
nicht anzusehen sind, indem sich ihrer Sammlung schwer zu über-
windende Hindernisse entgegenstellen. Nach der Ansicht der im
Jahre 1872 Allerhöchst eingesetzt gewesenen Kommission zur Un-
tersuchung des dermaligen Zustandes der Landwirthschaft und
landwirthschaftlichen Produktion Russlands* bleiben namentlich die
* AoKJiaAi» BbicoMaftme ynpeiKAeHHoi Komniccia ajis BscjrfcAonaiiif HUH'biiimro no-
jioNccHix cejibciaro xoaalcraa ■ cejibcxoi npoMBsoAsrettMOCTM vb PoccIm. C-Üerep-
6ypn.. 1873«
RUSS. REVCB.BD.Xm. SJ
is6
ofAziell nachgewiesenen Ernteerträge nicht unerheblich hinter der
Wirklichkeit zurück, eine Ansicht, die auch Seitens des Statisti-
schen Central-Kdmite's bestätigt wird, indem es seinen Veröffentli-
chungen^ der jährlichen Emteerträgnisse, eine im gleichen Sinne
abgefasste Bemerkung vorausschickt und namentlich darauf hin-
weist, diass die Angaben über die Menge der Aussaat als um so
mangelhafter erscheinen müssen, als oft die Landwirthe, welche
weder Buch nochMaass führen, selbst keine genauen Kenntnisse über
die Menge des ausgesäeten Getreides besitzen. Und dennoch ist
diese Aussaatmenge von grosser Wichtigkeit bei Berechnung des
reinen Erntegewinnes, der doch nur maassgebend bei der Bestim-
mung des Werthes der jährlich erzielten lan.dwirthschaftlichen Pro-
duktion sein kann. Dennoch war ich gezwungen, mich bei meiner
Arbeit, der unten nachgewiesenen Quellen, als der einzigen uns jetzt
zu Gebote stehenden, zu bedienen. Ausserdem boten mir die Erläu-
terungen zum landwirthschaftlich-statistischen Atlas des europäi-
schen Russland^ (Ausgabe des Domänen-Ministeriums) ein sehr
schätzenswerthes, mit grossem Fleisse ausgearbeitetes Material, aus
welchem ich. die Angaben über Preise verschiedener Landespro-
dukte entnommen und das auch gewiss noch weitere Verwendung
gefunden haben würde, griffen nicht die in diesen^ Werke über den
Getreidebau und die Viehbestände Russlands veröffentlichten Daten
bis in die Mitte der Sechziger Jahre zurück, während die von mir
benutzten sich wenigstens auf die Jahre 1870 1872 beziehen.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es von grosser Wichtig-
keit ist, zu wissen, welchen Gouvernements Russland in erster Linie
seinen grossen Reichthum an den verschiedenen Produkten der
Landwirthschaft zu danken hat, welche unter ihnen in der Lage
sind mit ihren Ueberschüssen andere, an Feldprodukten Mangel lei-
dende Gouvernements zu versorgen, mit einem Worte, welche Gou-
vernements durch die Erzeugnisse ihres Bodens und ihrer Vieh-
zucht berufen sind den Nationalreichthum Russlands von Jahr zu
Jahr zu mehren und es dem letzteren möglich machen unter den
' CTaTHCTHHCciritt BpeMCHHBirb PocciIckoI Hiinepil. HaAaHie ueHTpa;ibHaro craTM-
CTHHCCKaro KoMüTera MuHHcrepcnia BHyrpcHHurb At.i'b. Cepi» II. BKinycm» Accütui.
C- nerepöypri». 1875.
' 06i»flCHeHii n» xosüHcTBeHHo-craTMCTHMecKoiiy Ar.iacy EiiponeflcKofl Pocciu. Ha-
j^anie («ferBeproe} AcnapraiieHTa SeMJieA'fcAia u CejibCKOH npoMMin^eHHOCTH Mhhh-
CTepcna rocyAApcneHHUxi» UMjmecTrb. CocraaMJii» crapaiil pcAKKTopi» Aenapra*
■eim H. BujibcoHi». C.-nerepÖyprb. 1869.
3«;
europäischen Staaten als Agrikulturstaat jene hervorragende Stelle
einzunehmen, die ihm heute seiner mächtigen landwirthschaftlichen
Produktion wegen widerspruchslos eingeräumt wird, einer Produk-
tion wegen, die es Russland gestattet, einen sehr bedeutenden Theil
seines Ueberschusses von Getreide verschiedener Art und von indu-
striellen Rohprodukten an die übrigen Staaten Europas abzugeben.
J)urch die vorliegende Arbeit sollen die nachstehenden 8 Fragen
eine möglichst zuverlässige Beantwortung finden, die, hervorgehend
aus einer geeigneten Kombination vorhandener statistischer Daten,
zugleich ein Gesammtbild der landwirthschaftlichen Produktion
nicht nur des ganzen europäischen Russland zusammengenommen,
sondern auch der einzelnen Gouvernements desselben bietet. Diese
Fragen lauten:
1. Welchen Ertrag liefert der Feldbau eines jeden einzelnen Gou-
vernements des europäischen Russland nach dem Quantum, wie
nach dem Werthe der verschiedenen Produkte?
2. Wie hoch beziffert sich der Werth derjenigen Produkte, wel-
che durch den Betrieb der Viehzucht in den einzelnen Gouverne-
ments erzielt werden?
3. VVie hoch der Werth der gesammten landwirthschaftlichen -
wie Industrie-Produkte, welche durch Verarbeitung landwirthschaft-
licher Rohprodukte gewonnen werden?
4 In welchen Gouvernements dominirt der Feldbau vor der
Viehzucht d. h. in welchem Verhältnisse übersteigen die Einnahmen
des ersteren die der letzteren oder umgekehrt?
5. Wie hoch stellt sich der Ernteertrag im Verhältniss zur Bevöl-
kerung eitles jeden Gouvernements und welches Quantum von Nah-
rungsmitteln wird pro Kopf der Bevölkerung erzielt?
6. Wie hoch stellt sich der Werth des Ertrages an Feldbau- wie
Viehzuchtprodukten im Verhältniss zur Bevölkerungszahl und wel-
eher Betrag dieses ermittelten Werthes entfällt auf den Kopf der
Bevölkerung?
7. Wie stellt sich die Stückzahl der verschiedenen landwirth-
schaftlichen Hausthiere zum Flächeninhalt der einzelnen Gouverne-
ments?
8. Endlich: Wie rangiren die einzelnen Gouvernements unter ein-
ander hinsichtlich der Höhe ihrer gesammten landwirthschaftlichen
Produktion?
Die nachfolgenden Zusammenstellungen umfassen je ein einzel-
25*
ncs Gouvernement, und bietet eine jede derselben die Beantwor-
tung der hier gestellten sieben ersten Fragen.
Die in diesen Zusammenstellungen aufgenommenen Getreide-Er-
trägnisse sind, nach den Angaben des letzten «Statistischen Jahrbu-
ches»,die durchschniltlichen Reinerträge der drei Jahre 1870 — 1872,
die letzten über welche offizielle Daten vorliegen.
Das dreijährige durchschnittliche, derselben Quelle entnommene,
Saatquantum ist von dem durchschnittlichen Brutto Ertrage in Ab-
rechnung gebracht worden, so dass die in den Zusammenstellungen
vorgeführten Zahlen, die reinen Durchschnittsernten darstellen. Die
in den einzelnen Gouvernements erzielten Erträge an Flachs und
Hanf sind gleich denen an Tabak und Sandzucker, dem Berichte
der Allerhöchst ernannten Kommission zur Untersuchung des ge-
genwärtigen Standes der Landwirthschaft und der landwirthschaftli
chen Produktion, erstere für das Jahr 1870, letztere im Durch-
schnitte der Jahre 1869 bis 1871 entnommen.
Grössere Schwierigkeiten bot die richt<ge Bemessung des Geld-
wei thes der erzielten Produkte, um so mehr als die Preise nicht nur
in jedem Gouvernement, sondern auch in den verschiedenen Jahren
sehr bedeutend variiren.
Damit der Nachweis des Werthes der erzielten Produktion der
einzelnen Gouvernements in ihrer Bedeutung für die gesammte
Landcsproiiuktion ein möglichst übereinstimmender werde, so sind
die durchschnittlichen Exportpreise (nach den offiziellen Ausfuhrta-
bellen) der Jahre 1870 — 1871 der Werthberechnung für die ver-
schiedenen Getreidesorten zu Grunde gelegt worden. Einer der
Hauptexportartikel nach dessen Preisen sich mehr oder weniger
jene der übrigen Getieidegattungen reguliren, ist der Weizen. Als
Werth eines Tschetwcrt Weizen sind (ebenfalls nach den Exportta-
bellen) als Durchschnittspreis 10 Rbl. angenommen und ist dadurch
die Möglichkeit geboten worden, grössere Preisdifferenzen, wo es
darauf ankommen sollte, den Werth der Getreideernten nach den
faktischen, in den einzelnen Gouvernements vorgekommenen Prei-
sen festzustellen, mit Leichtigkeit zu reguliren. Stellt sich z. B. im
Gouvernement Orenburg der Weizenpreis pro Tschetwert auf 7V1
Rbl., anstatt wie in den Uebersichten angenommen auf 10 Rbl., so
werden auch die Preise der übrigen Getreidearten dem entspre-
chend um 25 pCt billiger sein, und man hat nur nötliig, von der
Gesammtsumme des Werthes der aus dem Feldbau erzielten Pro-
dukte 25 pCt. in Abrechnung zu bringen, damit diese Gesammt-
werthsumme den erzielten Lokalpreisen entspricht. Stellt sich der
lokale Weizenpreis anstatt auf lo auf 12 Rbl.^ so sind der Ge-
sammtsumme 20 pCt. zuzurechnen etc. Um aber die Bedeutung der
einzelnen Gouvernements für die Gesammtproduktion des Landes
würdigen zu können, war es unerlässlich gleiche Preise für jede
Fruchtgattung in Rechnung zu stellen.
Nach den «Erläuterungen zum landwirthschaftlichen statistischen
Atlas des europäischen Russland» betrugen die Preise für Flachs in
den letzten Jahren des vorigen Dezenniens pro Berkowez je nach
den verschiedenen Sorten: in Riga 57— 90 Rbl., in St. Petersburg 38
bis 67 Rbl., in Archangelsk 40—100 Rbl.; nach den offiziellen Aus-
fuhrtabellen in den Jahren 1870 und 187 1 pro Pud 5 Rbl. 50 Kop.
In den nachfolgenden Zusammenstellungen sind die Flachspreise, in
Ansehung der ebenfalls, wenn auch in bedeutend geringerem Ver-
hältnisse produzirten Heede, deren Preis sich nach den Ausfuhr-
tabellen auf nur 2 Vt Rbl. stellt, auf 5 Rbl. pro Pud normirt worden.
Der Preis für Äi?«/' stellte sich Ende der Sechziger Jahre nach den
oben erwähnten Erläuterungen in St. Petersburg und Riga je nach
Sorte und Feinheit auf 25 — 44 Rbl. pro Berkowez, demnach auf 2 V<
bis 4 Rbl. 40 Kop. pro Pud, nach den offiziellen Exporttabellen in
den Jahren 1871 — 1872 auf 3 Rbl. 35 Kop. In den nachstehenden
Zusammenstellungen ist derselbe mit 3 Rubel berechnet worden.
In den meisten Gouvernements Russlands, welche überhaupt Ta-
bak produziren, kann der Preis für Rohtabak nicht höher wie durch-
schnittlich zu 2 Rbl. pro Pud veranschlagt werden. Eine Ausnahme
hiervon machen nur die Gouvernements Bessarabien, in welchen
nach den «Erläuterungen zum landwirthschaftlichen statistischen
Atlas des europäbchen Russland» der Preis zwischen 5 und 17 Rbl.,
und Taurien (Krim), in welchem der Tabakspreis nach denselben
Quellen zwischen 5 — 15 Rbl. schwankt. Für beide Gouvernements
ist daher der Durchschnittspreis des Tabaks mit 7 Rbl. pro Pud an-
genommen worden. Ausserdem werden noch durchschnittlich bes-
sere Sorten in den Gouvernements Chersson, Wolhynien und
Astrachan kultivirt, so dass der Preis fiir das erstgenannte Gouverne-
ment mit 5 und 4 Rbl., für das letztere aber mit 3 RbL pro Pud be-
rechnet werden konnte.
In den nachfolgenden Zusammenstellungen ist nicht das Quantum
und der Werth der produzirten Zuckerrüben, sondern nur der aus
jenen produzirte Sandsntcker nach Quantität und Werth, letzterer
durchschnittlich mit 5 Rbl. pro Pud, angeführt worden, weil über die
390
Menge des gewonnenen Sandzuckers weit sicherere Daten voflie-
gen. Die Produktion von Spiritus dagej^en ist ganz unberücksich-
tigt geblieben, weil in diesem Falle, das zu seiner Erzeugung ver-
wendete Quantum Getreide von den Ernteerträgnissen hätte in Ab-
rechnung gebracht werden müssen, was sich schwer durchführen
lässt. Der Werth des erzeugten Spiritus ist demnach in dem des
Getreides schon inbegriffen.
Was die Preise, resp» den Werth der Produkte aus der ViehzucJU
anbelangt, so musste auch hier ein übereinstimmender Modus ge-
sucht werden, da es unmöglich ist, für die einzelnen Leistungen
unserer Hausthiere Werthbestimmungen zu treffen, umsovveniger
als diese Leistungen selbst sehr verschiedenartige sind.
Bei Bestimmung des Werthes der Pferdezucht wurde angenom-
men, dass, wie in der Praxis meistentheils, wenigstens 60 pCt. der
vorhandenen Pferde Stuten sind, welche zur Nachzucht benutzt wer-
den. Da ein Füllen erst nach 3 Jahren als annähernd brauchbares
Arbeits- oder Wagenpferd gebraucht werden kann, so wurde der
jährliche Zuwachs an Füllen auf *\8 = 20 pCt. = S'5 des Gesammt
pferdebestandes angenommen. Als Durchschnittspreis für ein drei-
jähriges Pferd kann bei den jetzigen Pferdepreisen ohne Weiteres
50 Rbl. gerechnet werden. In Ansehung des Umstandes aber, dass
von den zur Welt kommenden Füllen ein bedeutender Theil zu
Grunde geht, auch viele Stuten keine Füllen werfen, so ist dieser
Abgang mit 40 pCt. berechnet, demnach der Preis anstatt auf 50
nur auf 30 Rbl. in Anschlag gebracht worden. Ein Pferdebestand
von 100 Stück würde daher einen jährlichen Brutto-Werth vonöooRbl.
d. i. an geleisteter Arbeitskraft und Nachzucht (*®75 = 20 X 30 =
600) repräsentiren, eine Annahme, die der Wirklichkeit sehr nahe
kommen dürfte.
Die gleiche Berechnung ist auch der Werthbestimmung für Rind-
vieh^ insoweit dasselbe Arbeits- oder Schlachtvieh ist, zu Grunde
gelegt worden, nur dass hierbei der Preis eines Stückes Vieh nicht
zu 30, sondern nur zu 20 Rbl. veranschlagt wurde; dagegen ist in
denjenigen Gouvernements, welche nur Milch-, resp. Zuchtvieh hal-
ten, der jährliche Brutto Milchnutzen einer Kuh, incl. Werth des
Kalbes auf 15 Rbl., oder auf einen Brutto-Ertrag von 25—35 Kop.
pro Wedro Milch veranschlagt worden, ein Ertrag, der in den mei-
sten Fällen sich bedeutend höher stellen wird, wie hier angenom-
men worden ist.
Als jährlicher Ertrag für ein Stück Landschaf sind i Rbl. 25 Kop.,
39^
für ein feinwolliges Schaf dagegen 2 Rbl. für erzielte Wolle und
Lamm in Rechnung gestellt werden, wobei angenommen, dass die
Hälfte der Lämmer entweder zur Zucht benutzt oder als Schlacht-
thiere verwendet werden kann.
Die Nutzung eines Scftweines ist durchschnittlich mit 8 Rbl. jähr-
lich in Rechnung gestellt, sei es nun, dass dasselbe zur Fleischpro-
duktion oder zur Zucht oder zu beiden Zwecken zugleich verwendet
wird. Da nur ausgewachsene Schweine bei der Zählung berücksich-
tigt werden, und von diesen die grösste 2^hl in Zuchtsäuen besteht,
so kann man annehmen, dass durchschnittlich auf eine Sau jährlich
4 Ferkel entfallen, die im Alter von einem Jahre pro Stück, selbst
dort, wo Schweine am billigsten sind, mit 2 Rbl. verkauft werden
können.
Die Beantwortung der übrigen Fragen ergibt sich aus den nach-
folgenden Zusammenstellungen von selbst, und werden am Schlüsse
dieser Arb'^it die sich aus derselben ergebenden Resultate zu wei-
terer Orientirung in übersichtlicher Weise zusammengestellt werden.
I. GoaTernemeiit Archangelsk.
Grösse: 13,794,19 geogr. Qu.-Meilen = 759,548,0 Qu.- Kilometer;
Bevölkerung: 281,112 Einwohner, von denen 0,4 auf den Qu.-Kilo-
meter entfallen.
Es wurden im Gouvernement Archangelsk jährlich produzirt :
a) an Erzeugnissen des Feldbaues \
Preis pr.Tschetw. Wcnhd.Prod.
Tschetwert. Rbl. Kop. in Rabel.
An Roggen , 49.667 6 75 335.252
» Gerste . 147,000 5 — 735.O0O
Zusammen an Getreide . 196,667
Kartoffeln 30.330 i 50 ^ji^^i^S
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 1)115,747
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 38,400 Stück, davon V» = 7,680 Stück,
Jahresertrag ä 30 Rbl 330,400
Rindviehbestand: 102,000 Stück Zucht- und Milchvieh,
Jahresnutzung 1 5 Rbl. pro Stück 1,530,000
392
Rubel.
Schafstand: 132,500 Stück Landschafe, Wollnutzen und
Lamm ä i Rbl. 25 Kop 265,625
Schweinebestand: 400 Stück ä Jahresnutzen prp Stück
durch Zuzucht und Fleisch 8 Rbl 3^200
Zusammen an Produkten der Viehzucht . 2,029,225
Die Produkte des Feldbaues und der Viehzucht des
Gouvernements Archangelsk repräsentiren demnach
einen Werth von 3,114,972
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide aller Art , 0,69 Tschetwert
■ Kartoffeln 0,107 •
Zusammen an Nahrungsmitteln . . 0,797 »
An Geldwerth: aus den Produkten des Feldbaues 3 R. 96 K.
» » * der Viehzucht 7 » 22 »
Aus der gesammten Landwirthschaft 11 R. 18 K.
Im Gouvernement Archangelsk übersteigt der Werth der Vieh-
zuchtprodukte den des Feldbaues um 913 478 Rbl. oder um ca. 82
pCt.
Es entfallen im Gouvernement Archangelsk
auf I Qu. -Meile auf i Qu.-Kilometer.
Stück. StUck.
Pferde . 2,7 0,5
Rindvieh 7,3 0,1
Schafe 9,6 0,1
2. Goayernement Astrachan.
Grösse: 4,076,68 geogr. Qu. »Meilen =; 224,471,4 Qu.-Kilometer;
Bevölkerung: 6oi)5i4 Einwohner, von denen 3 auf einen Qu.-Kilo-
meter entfallen.
Es wurden im Gouvernement jährlich produzirt:
393
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Preis pr. Tschctw. Werth d. Prod.
Tschetwert Rbl. Xop. in Rubel.
Roggen , . 47.666 6 75 321,745
Sommerweizen . . . . -. 207,333 10 — 2,073,330
Hafer 16.333 4 — 65.332
Gerste 9.666 5 — 48,330
Sonstiges Sommergetreide . ii,333 6 — 67,998
Zusammen Getreide . 292,331 2,576,735
Kartoffeln .....: 19,334 l 50 29,001
Pud
Tabak 904 3 — 2,712
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 2,608,448
b) an Erzeugnissen der Viehsuc/it:
Pferdebestand: 190,1 00 Pferde, davon Vö= 38, 020 Stück
im Werthe von 30 Rbl 1,140,600
Rindviehbestand : 470,000 Stück, grossentheils Schlacht-
vieh, davon V-s = 94,000 Stück ä 20 Rbl. . . • . 1,880,000
Schafstand: 1,461,200 Stück Landschafc, für Wolle und
Lämmer pro Stück i Rbl. 25 Kop. . . 1,826,500
» 2000 Stück feinwollige Schafe, für Wolle
und Lämmer pro Stück 2 Rbl 4,000
Schweine: 51,300 Stück für Nachzucht, resp. Mast pro
Stück 8 Rbl. Nutzung . . 410,400
Ziegen: 52,800 Stück für Nachzucht und Milch pro
Stück 2 Rbl. . 105,600
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht . 5,367,100
Die Produkte des Eeldbaues und der Viehzucht des
Gouvernements Astrachan rcpräsentiren demnach
einen Werth von ..,..'. 7,976»648
Hiernach entfallen auf einen Bewohner:
An ÖV/lr^/V/^ aller Art 0,48 Tschetwert
» Kartoffeln 0,03 •
Zusammen an Nahrungsmitteln ,. 0,51 *
An Geldwerth: Aus den Produkten des Feldbaues 4 R. 33 K.
• • » der Viehzucht 8 » 92 •
Aus der gesammten Landwirthscbaft • 13 R. 25 K.
394
Im Gouvernement Astrachan überwiegt der Werth aus den Pro-
dukten der Viehzucht den aus den Erträgnissen des Feldbaues um
2,758,652 Rbl. oder um 106 pCt.
Es entfallen im Gouvernement Astrachan
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. S'ück.
Pferde 46,6 1,1
Rindvieh. ...*.• 115,3 2,1
Schafe 358,9 65
Schweine • 12,5 0,2
Ziegen 12,9 0,2
3. GonTernement Bessarablen.
Grösse: 656,18 geogr. Qu.-Meilen = 36,131,2 Qu.-Kilometer;
Bevölkerung: 1,078,932 Einwohner, von denen 30 auf einen Qu.-
Kilometer entfallen.
Es werden im Gouvernement jährlich pröduzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Preis pr.Tschetw. Werth d. Prod.
Tschetwert Rbl. Kop. in Rubel.
Roggen 170,666 6 75 i,i5>»99S
Winterweizen .... 443,000
Sommerweizen .... 734 333
Hafer 99,000 4 — 396,000
Gerste. ...... 4ii,333 5 — 2,056,665
Buchweizen . , . . . 11,000 6 — 66,000
SonstigesSommergetreide 788,666 6 — 4»73^996
Zusammen an Getreide 2,657,998 20,175.989
Kartoffeln 111,000 i 50 166,500
Pud.
Tabak I29»357 7 — 905.499
Sandzucker ... . , . 42,583 5 — 212,918
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 21,460,906
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: i22,8ooStuck, davon ^'6 =24,560 Stück
im Werthe von 30 Rbl 736,800
Rindviehbestand: 378,700 Stück zur Milchnutzung
und'Arbeitsleistung durchschnittlich 15 Rbl. . . 5,680,500
10
4,430,000
7,343»333
395
Schafbestand : Rubel. -
Landschafe 865 ,000 Stück, pr. Stück Ertrag i R. 2 5 K. i ,08 1 ,2 50
Feinw.Schafe 269,cx)0 » » » » 2 » — • 538,000
Schweine: 179,000 Stück, pro Stück Nachzucht und
Mast 8 Rhl 1,432,000
Ziegen : 23,20oStück, pr. Stück Nachzucht und Mast 2 R. 46,400
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht . 9,5 14,950
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht des Gouvernements ßessarabien repräsentiren
demnach einen Werth von 30^975,866
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide aller Art ...... 2,46 Tschetwert
» Kartoffeln . 0, 10 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 2,56 »
An Geldwerth: aus den Produkten des Feldbaues 19 R. 89 K.
* • » der Viehzucht 8 » 82 »
Aus der ganzen Landwirthschaft 28 R. 71 K.
Im Gouvernement ßessarabien überwiegt der Werth der Produkte
des Feldbaues den der Viehzucht um 11,945*956 Rbl. oder um 126
pCt.
Es entfallen im Gouvernement ßessarabien
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer. -
Stück. Stück.
Pferde 187,1 3,39
Rindvieh 577,1 10,45 '
Schafe . , 1728,1 31,35
Schweine 272,7 4,95
Ziegen 35,4 0,64
4. GouTeroement Charkow-
Grösse des Gouvernements: 989,67 geogr. Qu.-Meilen = 54t493>9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,698,015 Einwohner, von denen 31
auf 1 Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im Gouvernement produzirt:
39g
a) an Erzeugnissen des Feldba$us:
Prein pr. Tschetw. Werth d, Prod.
Tscbetwert. Rbl. Kop. in Rubel.
An Roggen. ..... 1,328,333 6 75 8,966,247
» Winterweizen .... 144,666 10 — 1,446,660
» Sortimerweizen • . . 795, 000 10 — 7,950,000
Hafer 79».333 4 — 3» 165.332
Gerste 522,666 5 — 2,613,330
* ^uchweizen .... 233,666 6 — 1,401,996
» sonst: Sommergetreide . 193,666 6 — 1,161,996
Zusammen an Getreide. 4,009,330 26,705,561
» Kartoffeln 54ii333 ' 50 811,999
Pud. /
» Tabak 5».7Ö5 2 — 103,530
» Sandzucker. .... 441,848 5 — 2,209,240
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 29,830,330
b) an Erzeugnissen der Viehssucht:
Pferdebestand: 236,800 Stück, davon V» = 47,360 ä
30 Rbl 1,420,800
Rindviehbestand: 563,500 Stück, (zur Milchnutzung,
Arbeitsleistung und Fleischproduktion , durch-
schnittlich 1 5 Rbl. pro Stück) 8,452,500
Schafbestand :
Landschafe 679,400 Stück, Nutzung i R. 25 K. 849,250
Feinwol. Schafe 48 1,800 ♦ • 2 » — » 963,600
Schweine 424.700 Stück, Nutzung 8 R 3,397,600
Ziegen 6,300 » * 2 » 12,600
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht 15,096,350
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh«
zucht des Gouvernements Charkow repräsentiren
demnach einen Werth von ^ . 44,926^680
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide aller Art ...... 2,36 Tschetwert.
M Kartoffeln ...•••.. 0,51 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. • . 2,87 »
An Celdwerth: aus den Produkten des Feldbaues 17 R. 56 K.
» » » der Viehzucht 8 > 89 >
Aus der gesammten Landwtrthschaft 26 R. 45 K.
- \
Der Werth der Produkte des Feldbaues übersteigt im Gouvisme-
ment Charkow den der Viehzucht um 14,733,980 Rbl. oder ufrf 97
pCt
Es entfällt im Gouvernement Charkow
auf I Qu.- Meile. auf f Qii.-Kiloineter.
Stack. Stück.
Pferde 239,2 4,34
Rindvieh 569,3 10,34
Schafe Iii73,3 21,30
Schweine 429,1 7,79
Ziegen 6,3 0,01
5- Gonfernement Chergson.
Grösse des Gouvernements: 1,292,12 geogr.Qu.^Meilen "=7 1,148,0.
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,596,809 Einwohner, von denen 22
auf den Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im Gouvernement produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert
An Roggen S".333
» Winterweizen ^77f33i
» Sommerweizen J »2 16,333
» Hafer 381,666
» Gerste 479,666
Buchweizen .
sonstigem Sommergetreide . .
Zusammen an Getreide
Kartoffeln
109000
230.333
c
o
.£5
Tabak
3,205,664
342,333
Pud.
10,270 a 5 R.
Zusammen an Produkten des Feldbaues .
b) an Erzeugnissen der Vie/izuc/ii:
PferdebesUnd: 285,100 Stück, davon V» = 57»020 4
3oRbl
Rindviehbestand: 763,400 Stück, '/• Schlachtvieh, Vi
Arbeits- und Milchvieh. 381,700 Stück (Schlacht-
vieh), V» davon = 76,340 Stück ä 20 RbL . . •
Werth d.Prod.
in Rubel.
3,451,498
2,773.330
12,163,330
1,526,664
2.398,330
654,000
»•381,998
24.349, '50
5«3»5oo
5^350
24,914,000
1,710.600
1,526,800
3S4
381,700 Stück Arbeits- und Milchvieh, Nutzung
1 5 Rbl. pro Jahr . . . '. 5,725,500
Schaf bestand: . '
Landschafe 545,600 Stück, Nutzung i R. 25 K. M2,ooo
Feinw. Schafe 1,669,900 t « » 2 • — > 3,339^^00
Schweine 3121OOO Stück, Nutzung 8 R 2,496,000
Ziegen 20,000 » » 2 » 40,000
Zusammen aus den Erzeugnissen der Viehzucht . 15,520,700
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren demnach im Gouvernement
Chersson einen Werth von 40,434^7<'0
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide aller Art • 2,0 , Tschetwert.
» Kartoffeln 0,14 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. • . 2,14 »
An GeldwertJi: aus den Produkten des Feldbaues 15 R. 66 K.
» • » der Viehzucht 9 » 71 •
Aus der gesammten Landwirthschaft 25 R. 37 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen dem Werthe nach die
der Viehzucht im genannten Gouvernement um 9,393,300 Rbl. oder
um 65 pCt.
Es entfallen im Gouvernement Chersson
auf I Qtt.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 220,6 3,1
Rindvieh 590,8 10,7
Schafe I7i4?4 3^i
Schweine 241,4 4,3
Ziegen 15,4 0,2
6. Das Donlsche EosakeDgebiet.
Grösse des Gebiets: 2,912,16 geogr. Qu.-Meilen = 160,351,9 Qu.-
Kilometer; Bevölkerung: 1,086,264 Einwohner, von denen 7 auf l
Qu.Kilometer entfallen.
In diesem Gebiete wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des, Feldbaues :
Es liegen für die verschiedenen Getreidegattuhgci^ die im Gebiet
der Dpnischen Kosaken in den Jahren 1S70— 1872 zuna Anbau ge-
langten, kein^ spezialisirten Daten vor. Nach dem Berichte der
Allerhöchst ernannten Kommission zur Untersuchung des Zustan-
des der Landwirthschaft Russlands etc. wurden aber im Jahre 1871
in dem genannten Gebiet (nach Abzug des Samens) geemtet:
Werthd.Produk.
in Rabel.
An Wintergetreide 259,000 Tschetwert ä 8 Rbl. . 2,072,000
* Sommergetreide 1,008,000 » » 7 » . 7,056,000
1,267,000 » 9,128,000
(Von dem Sommergetreide entfallt der grösste Theil
auf Sommerweizen, wesshalb der Durchschnittspreis
des ersteren mit 7 Rbl. angenommen wurde.)
An Tabak 480 Pud ä 3 Rbl. 1^440
Zusammen aus den Produkten des Feldbaues . 9, 1 29,440
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 393,100 Stück, davon \h = 78,620 St.
ä 30 Rbl 2,358,600
Rindviehbestand: 1,625,600 Stück, vorzugsweise
Schlachtvieh, Vs = 325,120 Stück ä 20 Rbl. . . 6,502,400
Schafbestand:
Landschafe 2,893,100 Stück, ä i R. 25 K. Ertrag 3,616,375
Feinw. Schafe 120,900 » »2t — » - » 241,800
Zusammen aus den Erzeugnissen der Viehzucht . 12 719,175
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren demnach im Donischen Ko-
sakengebiet einen Werth von 21^848,615
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gebiets:
An Getreide aller Art I,i6 Tschetwert.
» Kartoflfeln — •
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 1,16 »
An Geldwert/i: aus den Produkten des Feldbaues 8 R. 41 K.
t • • der Viehzucht 1 1 » 70 •
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 20 R. 11 K.
Im Gebiet der Donischen Kosaken übersteigt der Werth der
Produkte der Viehzucht den der Feldbauprodukte um 3,589,735
Rbl. oder um ca. 40 pCt.
4ÖÖ
Es entfallen im genannten Gebiet
tnf I Qa..Meile. auf l Qu.-Kilometer.
Stück. ' Stück,
Pferde 134,6 2^
Rindvieh 550,2 10,1
Schafe 1,034,9 18.7
7. Das GouTernement Estland.
Grösse: 358,04 geogr. Qu.-Meilen = 19,714 Qu.-Kilometer; Be-
völkerungi 323,961 Einwohner, von denen 16 auf 1 Qu. Kilometer
entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
■Werihd.Prod.
in Rubel.
An Roggen . . . 296,000 Tschetw. ä 6 R. 75 K. 1,998,000
» Hafer .... 102,500 » » 4 • — » 410,000
» Gerste . . . 229,500 » » 5 • — • 1.147,500
628,000 •
» Kartoffeln . . 341,000 » • i » 50 » 511,500
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 4,067,000
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 68,300 Stück, davon Vö = 1 3.660 ä 30 R. 409,800
Rindviehbestand: 177,900 Stück (Milchvieh) 15 Rbl.
Ertrag pro Stück 2,668,500
Schafbestand: Landschafe 145,600 Stück ä i R. 25 K. 182,000
Feinw. Schafe 108,200 * » 2 • — • 216.400
Schweine: 46,800 Stück ä 8 Rbl. Ertrag 374,400
Ziegen : 2900 Stück ä 2 Rbl. Ertrag 5,800
Zusammen aus den Erzeugnissen der Viehzucht . 3,856,900
DieGesammt-Produkte desFeldbaues und der Viehzucht
repräsentiren] also im Gouvernement Estland einen
Werthvon ." 7,823,900
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,93 Tschetwert
» Kartoffeln • . . 1,05 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . . 2,98 »
b) Ah ErzeugnUsin der Viehzucht: Rubel.
Pferdebestand: 1 17,500 Stück, davon V» = 23,500 St.
ä 30 Rbl 705,000
Rindviehbestand: 420,400 Stück Milchvieh, durch-
schnittlich 1 5 Rbl. Ertrag pro Stück 6,306,000
Schafbest.: Landschafe 378,600 St.ä i R. 25 K.Ertr. 473.250
Feinw. Schafe 126,300 » »2 * — » » 252,600
. Schweine 256,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 2,054,400
Ziegen 7,600 > ■ 2 > » .... 15,200
Zttsamnien aus Erzeugnissen der Viehzucht . 9,806.450
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht zusammen, repräsentiren demnach im Gou-
vernement Grodno einen Werth von . • . . . 24,347^434
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . • . 1,97 Tschetwert.
» Kartoffeln 1,39 * »
Zusammen an Nahrungsmitteln •3.36 »
An Geldwerth aus den Erzeugnissen des Feldbaues 14 R. 41 K.
• • » der Viehzucht 9 * 75 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft • 24 R. 16 K.
Im (louvernement Grodno übersteigt der Werth der Produkte
des Feldbaues den der Produkte der Viehzucht um 4,734,534 Rbl.
oder um 48 pCt.
« •
' Es entfallen schliesslich im Gouvernement Grodno
rfuf I Qu.-Meile. auf 1 Qu.. Kilometer.
Stück. Siück.
Pferde 166,9 3,0
Rindvieh 597.2 io.8
Schafe 717,2 13,0
Schweine 364 8 6fi
Ziegen 107 0,2
9* GouTernement Jarosslaw.
Grösse des Gouvernements: 646,76 geogr. Qu.-Me]len = 35,612,6
Qo.-Kilometer; Bevölkerung: i »00 1,748 Einwohner, von denen 28
^uf I Qu .-Kilometer entfallen.
403 ,
Im genannten Gouvernement wurden produztrt:
a) An Erzeugnissen des Feldbaues:
Werthd.Pro4,
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 720,000
» Hafer 829,500
» Gerste 357iOOO
g 4,860,000
0 3.318,000
•g 1,785,000
1 9)903.000
Zusammen Getreide . 1,906,500
» Kartoffeln 547,666 }^ 821,499
Pud.
» Flachs 500,oooa3R. 1,500,000
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 12,284,499
b) An Erzeugnissen der VieJizucJit:
Fferdebestand: 167,400, davon V* •= 33,480 ä 30 Rbl. 1,004,400
Rindviehbestand: 294,200 Milch- und Zuchtviehpro-
duktion ä 1 5 Rbl. Ertrag 4,413,000
Schäfbestand : Landschafe 281,700 St.a1R.25K.Ertr. 352,125
Schweine: 1600 Stück ä 8 Rbl. Nutzung 12,800
Ziegen: 200 Stück ä 2 Rbl. Nutzung . 400
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht • 5,782,725
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren demnach im Gouvernement Ja-
rosslaw einen Werth von 18^067^224
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,90 Tschetwert.
> Kartoffeln 0,54 .»
Zusammen an Nahrungsmitteln . 2,44 »
An Geldwerth aus den Erzeugnissen des Feldbaues 12 R. 2S K.
* » * der Viehzucht 5 -» 77 •
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 18 R. 05 K.
Im Gouvernement Jarosslaw übersteigt der Werth der Feldbau-
produkte den der Viehzuchtprodukte um 6,501,764 Rbl. oder um
112 pCt.
26*
4ft4
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernement
auf I Qtt.-Meile. aaf i Qu«-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 258,8 4,7
Rinder . . . . . . . . 454,7 8,2
Landschafe 435 t 5 7i9
Schweine 2,4 0,0
10. Qoiifememeiit Jekaterinosslaw.
Grösse des Gouvernements: 1229,88 geogr. Qu.-Meilen= 67,720, 8
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,352,300 Einwohner, von denen 20
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im genannten Gouvernement produzirt :
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Wcrthd Prod.
in Rubel.
An Wintergetreidc * . 495,oooTschetw. ä 8 R, — K. 4,490,000
» Sommergetreide . 2,257,333 * • 7 • — * 159801,331
Zusammen an Getreide 2,752, 333 Tschetw. 20,291,331
An Kartoffeln . . . 222,000 » » i • 50 • 333,000
» Tabak .... 5,457 Pud »2» — * 10,914
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues • 20,635,245
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 155,600 Stück, davon V5 = 31,120
Stück ä 30 Rbl. . 933>6oo
Rindviehbestand: 673,600 Stück; Schlacht-, Zug- und
Milchvieh: *;♦ = 505,200 Stück Schlacht- und Zug-
vieh, davon V» =z 101,040 Stück ä 20 Rbl. . . . 2,020,800
und 168,400 Stück Milchvieh ä 15 R. Jahresnutzung 2,526,000
Schafbestand:
Landschafe 883,100 Stück ä i R. 25 K. Nutzung i, 103,875
Fein woli. Schafe 1,741,400 * .2*— • » 3,482,800
Schweine: 182,900 Stück ä 8 RbL Nutzung .... 1,463,200
Ziegen: 30^900 . » 2 • • .... 61,800
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 1 1,592,075
* Wie für das Douische Kosakengebiet, so fehlen auch für das Gouvernement Jeka-
terinosslaw Daten über die Anssaaten und Ernten der Yerschiedenen Getreidearten und
405
Rubd.
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der
Viehzucht repräsentiren demnach im Gouvernement
Jekaterinosslaw einen Werth von . '
82,287»320
Es entfallen sonach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,03 Tschetwert
* Kartoffeln 0,16 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .2,19 •
An Geldwerthi aus den Erträgnissen des Feldbaues 1 5 R. 26 K.
» » » der Viehzucht 8 • 75 *
Zusammen aus den Erträgnissen derLandwirthschaft 24 R. i K.
Im Gouvernement Jekaterinosslaw übersteigt der Werth der Pro-
dukte des Feldbaues den der Viehzuchtprodukte um 10,171,836 Rbl.
oder um 87 pCt.
Schliesslich entfallen im genannten Gouvernement
auf I Qa.-Meile.
auf I
Qu.-ICilometer.
Stttck.
Stttck.
Pferde . .
. . 126,5
2,3
Rindvieh
• . 54;.6
9>9
Schafe . . .
• 2133,9
38.7
Schweine . .
. 148.7
2.7
Ziegen . . .
2S.I
0,4
1 1. GonTemement Kaloga.
Grösse des Gouvernements: 561,59 geogn Qu.-Meilen oder
30,922,9 Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 996,252 Einwohner, von de-
nen 32 auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
liegen nvr GeMimmUngaben ttber Winter und Sommer-Getreide Tor. Da aach im Jeka-
terinosslaw'schen GouvememeDt beim Sommergetreidebau die Kaltar von Sommer-
weizen vorherrscht, so wurde auch hier der durchschnittliche Preis (ttr Sommergetreide
mit 7 Rbl. in R«chnuig gestellt
4o6
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werthd.Prod.
Tschetwert in Rubel
An Roggen 642,000
» Winterweizen . . . . . . . 2,746
* Hafer 810,000
* Gerste • . . • 194,000
» Buchweizen . . . . . . . • . 89,666
* sonstigem Sommergetreide • . . 70,333
4,233,500
g 27,460
1 3,240,000
o 970,000
^ J 537,996
2 421,998
^ 9,430,954
480,000
1,808,745
Kartoffeln* ........ 320,000
Pud.
Hanf 400,000 a 3 R. 1,200,000
Tabak 25*2 • 50
Zusam men an Erträgnissen des Feldbaues . 11,111 ,004
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 200,600 St., davon V»=40,I25 ä30R. i|203,750
Rindviehbestand : 1 76,900 Stück, Nutzung pro Stück
durchschnittlich 15 Rbl. ......... 2,653,500
Schafbestand: Landschafe 307,300 Stück ä l Rbl.
2$ Kop. Nutzung 460,950
Schweine: 143,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 1,150,400
Ziegen: 300 Stück ä 2 Rbl. Nutzung 600
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 5,469^200
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der 'Vieh-
zucht repräsentiren demnach im Gouvernement Ka-
luga einen Werth von ......... . 16,580,204
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . 1,81 Tschetwert.
* Kartoffeln 0,31 •
Zusammen an Nahrungsmitteln .2,12 »
hxkGtUhverth: ZM^ den Erzeugnissen des Feldbaues 11 R. 14 K.
» » » der Viehzucht 5 » 59 »
Zusammen aus der gesammten Landwtrthschaft 16 R. 7} K.
407
Der Werth der Feldbauprodukte übersteigt den der Viehzucht-
produkte im Gouvernement Kaluga um 5,641,804 Rbl. oder um 103
pCt.
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernement
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.- Kilometer.
Stück. Stttck.
Pferde. ....... 357,2 6,4
Rindvieh 314,9 5,7
Schafe 547,1 9,9
Schweine 256,0 4,3
12. GouTernement Kasan.
Grösse des Gouvernements: 1 157,12 geogr. Qu.-Meilen = 63,714,7
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,704,624 Einwohner, von denen 27 auf
1 Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeu£;nissen des Feldbaues:
TschetwerL
An Roggen 2,641,000
• Sommerweizen* 488,333
• Hafer 1,211,333
» Gerste ^60,333
» Buchweizen
< sonstigem Sommergetreide . . .
Kartoffeln
546,000
362,666
5,409.665
i53»333
c
o
^■^
2
'55
u
Werth d.Prod.
iQ Rubel.
17,826750
4.883.330
4.845.332
801,665
3,276,000
2>i7S>996
331809,073
227,777
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 34,036,850
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 429,100 Stück, davon V» = 85,820
Stück ä 30 Rbl
Rindviehbestand: 289,400 Stück Milchvieh ä 15 R.
Nutzung , , . . . t
2,574,600
3,341,000
Mm Jahre 1872 wurde auch etwas Wintervreizen kultivirt, wihrettd in den Jahren
▼orher kein Anbau eine» iolcben stattfand.
4o8
Schafbestand': Landschafe 1,060,300 Stück, pro Stück Rubel.
I Rbl. 25 Kop. Nutzung . 1*325,375
Feinw. Schafe 6,300 Stück, pro Stück 2 R. Nutzung 12^600
Schweine : 223,400 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . . 1,787,200
Ziegen: ' 70,400 » » 2 » 140,800
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 9» 181, 575
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Kasan einen
Werthvon 43,218,425
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An G!r/r^V/^ verschiedener Art . . . 3,17 Tschet wert
» Kartoffeln . , 0,09 a
Zusammen an Nahrungsmitteln • . 3,26 »
An Geldwerth: aus den Erzeugnissen des Feldbaues 19R. 96K.
* • * der Viehzucht 5 # 27 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 25 R. 23 K.
Der Werth der Feldbauprodukte übersteigt im Gouvernement
Kasan den der Viehzuchtprodukte um 24,855,275 Rbl. oder um
270 pCt.
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernement
auf X Qu.* Meile. auf X Qa.-Kilometcr.
Stttck. Stück.
370,8 6,^
250,1 4,5
921,7 16,7
193.0 3.5
60,8 1,1
Pferde .
Rindvieh
Schafe .
Schweine
Ziegen .
13. GoaTemement Kijew.
Grösse des Gouvernements : 926,03 geogr. Qu.-Meilen = 50,990» i
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 2,175,132 Einwohner, von denen 43
auf 1 Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
409
a) CM Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen 1,974,666
» Winterweizen i,346,cxx)
* Sommerweizen 7S>ooo
. Hafer 1,642,666
» Gerste 769,666
» Buchweizen 725,000
> sonstigem Sommergetreide . . . 613,333
Werthd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
13.328.995
. 13,460,000
S 750,000
o 6,570,664
I 3.848,330
g 4.350,000
S 3.679,998
45,987,987
1.599.999
(ll
Zusammen an Getreide . 7» 146,331
. Kartoffeln •. 1,066,666 )
Pud.
» Tabak 1,249 a 2 R. 2,498
* Sandzucker 3.»7i.794»5» 15,858,970
Zusammen an Produkten des Feldbaues • 63,449,454
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 196,400 Stück, davon V* = 39>28o ä
3oRbl 1,178,400
Rindviehbestand: 548,700 Stück, grossentheils Milch-
und Schlachtvieh ä 1 5 Rbl. Nutzung 8,230,050
Schafbestand:
Landschafe 837,700 Stück, Nutzung i R. 25 K. 1,047,125
Feinw. Schafe 45,000 » » 2 » — » 90,000
Schweine 381,700 Stück, Nutzung 8 R 3,053,600
Ziegen 35,000 » » 2 » 70,000
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht • 13,669,175
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Kijew einen
Werthvon 77,118,629
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . • . 3,28 Tschetwert.
» Kartoffeln 049 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. • . 3,77 »
An Geldwerth aus den Erzeugnissen des Feldbaues 29 R. 16 K.
• • » der Viehzucht 6 » 28 •
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 35 R. 44 K.
410
Der Werth der Produkte des Feldbaues übersteigt im Gouverne-
ment Kijew den Werth der Produkte der Viehzucht um 49,780,279
Rbl. oder um 364 pCt.
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernenient
auf I Qtt.-Meile. auf l Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde . 212,0 3,8
Rindvieh 592,5 10,7
Schafe 953,2 17,5
Schweine • 4i3fi 7A
Ziegen . 37,8 0,6
14- OoiiTernemeiit Eostroma.
Grösse des Gouvernements: 1538,15 geogr. Qi|. -Meilen =84,692,6
Qu.* Kilometer; Bevölkerung: 1,176,097 Eio wohner, davon 14 auf
I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt :
a) an Erzeugnissen des Feldbaues i
Tschetwert.
An Roggen 9^5.333
» Winterweizen , . 235
• Sommerweizen . , 102,000
• Hafer . . . . , 88opoo
• Gerste 260,666
» Buchweizen , . 206
B sonstigem Getreide 50,000
e
>*l
V
2,208,440
Kartoffeln 309,666
Pud
Flachs i,ooo,oooä5R.
Zusammen an Produkten des Feldbaues .
Werth d.Prod.
m Rubel.
6,178,498
2.350
1,020,000
3,520,000
1.303.330
1,236
300,000
12,325,414
464.499
5,000,000
17,789.913
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand : 224,200 Stück, davon Vs =44,840 Stück,
ksoRbl 1,344,200
411
Rubel.
Rindviehbestand: 415,600 Stück ä 15 Rbl. Nutzung • 6,225,000
Schafbestand: Landschafe 469,90oSt. ä i R. 25 K. Nutz. 587,375
Scbweinebestand : 15,500 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . 124,000
Zusammen an Produkten der Viehzucht . 8,280,575
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Kostroma einen
Werthvon 26,070,488
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An C^/y^i/^ verschiedener Art . . . 1,87 Tschetwert
• Kartoffeln 0,26 »
Zusammen an Nahrungsmitteln • . 2,13 »
An (z^i^zc/^r//i: aus den Erträgnissen des Feldbaues 15 R. 12 K.
• * s derViehzucht 7 » 4 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 22 R. 16 K.
Im genannten Gouvernement übersteigt der Werth der Feldbau-
produktion den der Produktion der Viehzucht um 9,509,340 Rbl.
oder um 114 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Kostroma
auf I Qu.-Melle auf i Qn.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde . ." 145,7 2,6
Rindvieh] . 269,7 4,8
Schafe 305,5 5,5
Schweine 10,0 0,i
15. GonTerDement Kowno.
Grösse des genannten Gouvernements: 738,08 geogr. Qu.-Meilen
= 40,640,9 Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,156,041 Einwohner, von
denen 28 auf i Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
412
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:^
Werthd.Prod.
Tschetwert. in Rubd.
c
An Roggen . 920,000 ^
» Winterweizen 91,000
• Sommerweizen 65,000
Hafer 619,000
Gerste 416,500 J-^ 2,080,000
Buchweizen 20,500
» sonstigem Sommergetreide . . . 114,500
»
6,210,000
910,000
8 650,000
o 2,476,000
V 123,000
g 687,000
Zusammen an Getreide 2,246,500
» Kartoffeln 903,000
Pud.
» Flachs 6oo,oooä5R. 3,000,000
13,136,000
1.354,500
Zusammen an Produkten des Feldbaues • 17,490,500
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 298,800 Stück, davon V^ = 59>7^ ^
30Rbl 1,792,800
Rindviehbestand t 518,600 Stück, (Milch- und Zucht-)
Nutzung 1 5 Rbl. pro Stück 7,779,000
Schafbestand:
Landschafe 378,500 Stück, Nutzung i R. 25 K. 473.125
Feinwol. Schafe 800 • » 2 » — » 1,600
Schweine 288,000 Stück, Nutzung 8 R 2,304,000
Ziegen 78,600 * * 2 » 157,200
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht 12,507,725
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Kowno einen
Werth von 39,998,325
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verchiedener Art . . . 1,95 Tschetwert.
s Kartoffeln 0,78
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 2,73 >
^ Die hier gegebenen Getreide-Erträge sind Durchschnittssablen der in den Jahren
1871 and 1872 gewonnenen Ernten; dagegen die fUr KartoflTela Durchschnittsertrige
der Jahre 1870- 187a,
413
An Geldwerth aus den Erträgnissen des Feldbaues 15 R. 13 K.
» • » der Viehzucht 10' » 82 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 25 R. 95 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen im genannten Gouver-
nement die Erträgnisse der Viehzucht dem Werthe nach um
4,982775 Rbl. oder um 39 pCt
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Kowno
auf I Qu.Meile. auf i Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 404,8 7,0
Rindvieh 702,5 12,7
Schafe 5i3,9 9.3
Schweine 390,2 7,0
Ziegen 106,4 1,9
16. Goavernemeiit Karlrad.
Grösse des genannten Gouvernements: 495,54 geogr. Qu.-Meilen
=: 27,286,0 Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 619,154 Einwohner, von
denen 23 auf i Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert.
Roggen ......... 544,066
«
130.333
7.333
401,666
404,666
467
45.666
Winterweizen
Sommerweizen
Hafer , .
Gerste • .
Buchweizen
sonstigem Sommergetreide . . .
1.534,797
Kartoffeln : . . 655,666
Pud.
Flachs 150,000a 5 R
Zusammen an Produkten des Feldbaues •
c
O
Werth d.Prod.
in Rubel.
3,676,49s
«,303.330
72,330
4,606,664
2,023,330
2,802
273.996
8,959.947
983.499
750,000
10,693,446
414
«
b) an Erzeugnissen der VieJtzucht:
Pferdebestand: 154,400 Stück, davon V6= 30,880 Stück
ä 30 Rbl ^ 926,400 .
Rindviehbestand: 445,100 Stück ä 15 Rbl. Nutzung . 6,667,500
Schafbestand: Landschafe 495,30oSt. ä i R.25K.Nutz« 619,125
B Feinw.Schafe 16,400 • • 2 • — » » 32,800
Schweine: 157,400 Stück Ji 8 Rbl. Nutzung .... 1,259,200
Ziegen: 7,700 » • 2 » » .... 15,400
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 9,520,425
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentirt im Gouvernement Kurland einen
Wcrthvon . . . , 20,213,871
Hiemach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,47 Tschetwert
» Kartoffeln 1,05 •
Zusammen an Nahrungsmitteln .3,52 »
An Geldwerth: Aus den Erträgnissen desFeldbaues 17 R. 27 K.
» » » . der Viehzucht 15 » 37 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft . 32 R. 64 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen im genannten Gouver-
nement die Erträgnisse der Viehzucht um 1,173021 Rbl. oder um
12 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Kurland
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde ....... 311,5 5,6
Rindvieh. ...... 898,5 16,3
Schafe 1032,6 18.7
Schweine '3^7,6 6,4
Ziegen ....... 15.S ^i^
17. Gourernement Kursk.
Grösse des genannten Gouvernements: 843,68 geogr. Qu.-Meilen
= 46,455,3 Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,954,807 Einwohner, von
denen 42 auf i Qu.-Kilometer entfallen.
4'5
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werthd.Produk.
Tschetwcrt. in Rubel.
An Roggen . 5,223,666
• Winterweizen 721,000
Sommerweizen 99tOOO
Hafer 5,n 8,333
Gerste 138,000
Buchweizen. 995^666
sonstigem Getreide 281,333
•
»
35»2S974S
7,210,000
J 990,000
o 20,473,332
•r 828,000
S! S. 973*996
g 1,687,998
P4
72.423,071
1,622,250
12,576,998
* Kartoffeln 1,081,500
Pud.
* Hanf. ^ 550,oooä3R. 1,650,000
* Tabak ii,325»2« 22,650
» Sandzucker 233,562*5 » 1,167,810
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 76,885,781
b) an Erzeugnissen der Viehzticht:
Pferdebestand: 602^00 Stück, davon \6 = 120,480 St.
ä 30 Rbl 3,614,400
Rindviehbestand : 3 52,800 St. (Milcti-, Zug-, Zucht- und
Schlachtvieh) '/a = 176,400 Zug- und Schlachtvieh,
davon ^5 = 35,280 ä 20 Rbl. und 176,400 ä 15 Rbl.
Nutzung, 3f3Si,6oo
Schafbestand :
Landschafe 955,900 Stück, ä i R, 25 K. Nutzung 1,194,875
Feinw. Schafe 65,800 » # 2 » — » » 131,600
Schweine: 407,500 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 3,260,000
Ziegen: 32,500 » * 2 • * .... 65,000
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 11^617.475
Die Gesammt- Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Kursk so-
nach einen Werth von 88,503,266
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 6,43 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,55 •
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 6,98 «
4i6
Aa Geldwertli aus den Erzeugnissen des Feldbaues 39 R. 33 K.
■ • • der Viehzucht 5 » 94 "»
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 45 R. 27 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen im genannten Gouver-
nement die der Viehzucht um 65,268,3o6Rbl. oder um 561 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Kursk
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kiloineter.
Stück. Stuck«
Pferde 714,0 12,9
Rindvieh 418,1 7,5
Schafe 1,211,0 21,9
Schweine 483,0 8,4
Ziegen 38,5 0,6
1 8. GoaTernemeiit Li? land.
Grösse des Gouvernements: 838,88 geogr. Qu.-Rfeilen = 46,190,9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,000,876 Einwohner, von denen 22
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im genannten Gouvernement produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues^:
An Roggen , .
» Winterweizen
. Sommerweizen
• Hafer , .
» Gerste 615,000
* sonstigem Sommergetreide . . . 236,000
Tschetwert.
1,999,500
38,500
77,000
552,000
3,518,000
» Kartoffeln 1,453,666
Pud.
• Flachs 1,500,000
Zusammen an Produkten des Feldbaues
o
V
VI
V
Wcrth d. Prod,
in Rubel,
13,496,625
385,000
770,000
2,208,000
3.075,000
1,416.000
21,350,625
2,180,499
7,500,000
31,031,124
* Pie folgenden Angaben sind die Dorcbschnlttsertiitge der Jahre 187 1 und 1872.
4t7
b) an Erzeugnissen der Viehzuchti Uybcl
Pferdebestand: i48,90oStück, davon V6=29,78oStück
iSoRbl , . . . 893,400
Rindviehbestand: 371,300 Stück ä 15 Rbl. Ertrag . . 5,560,500
Schafbestand :
Landschafe 261,500 Stück ä i R. 25 K. Nutzung 326,875
Feinw. Schafe 33,000 » » 2 « — « » 66,000
Schweine: 157,400 Stück ä 8 Rbl. Nutzung. . . . 1,259,200
Ziegen: 18,100 • • 2 » » .... 36,200
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 8,151,175
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentirt sonach im Gouvernement Liv-
land einen Werth von 39^182,299
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements :
An Getreide verschiedener Art . . . 3,54 Tschetwert
» Kartoffeln 1,45 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 4,99 >
An O/^ze/^r/i; aus den Erträgnissen des Feldbaues 31 R. 09 K.
> » » der Viehzucht 8 • 14 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 39 R. 23 K.
Es übersteigen im genannten Gouvernement die Erträgnisse des
Feldbaues die der Viehzucht um 22,879,949 Rbl. oder um 280 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Livland
auf I Qn.-Meile. auf I Qn.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 177,4 3,2
Rindvieh 442,6 8,0
Schafe . , 351,0 6,3
Schweine i87f6 3,4
Ziegen •...•••• 21,6 0,3
19. Das GoQTsrnement Minsk.
Grösse des Gouvernements: i6S9,i4geogr. Qu.-Meilen = 9ii357>3
Qu.-Kilometer; Bevölkerung! 1,182,230 Einwohner, von denen 13
auf I Qu.-Kilometer entfallen«
HUBS. RKVCB.BD.XUI. 27
\
4i8
Es wurden im genannten Gouveraement produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues i
Tschetwcrt,
An Roggen 915,666 '^
» Winterweizen ....... 53*666
9 Sommerweizen 80,666
» Hafer 479iOOO
» Gerste 279.600
% Buchweizen 191,000
» sonstigem Sommergetreide . . . 62,000
c
o
o
>•:
1,961,598
» Kartoffeln 1,101,666
Pud.
» Flachs 600,000
» Tabak ' . . . . 2,121
• Sandzucker 12,419
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues
V
'v
u
Wcrthd.Prod.
in Rubel.
6,180,745
536,660
806,660
1,916,000
1,398,000
1,146,000
372,000
12,356,065
1,652,499
' 3,000,000
4,242
62,095
17,074,901
1,221,600
6,096,000
457>ooo
193,200
2,570,400
69,200
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 203,600 St., davon Vs =40,720 ä 30 R.
Rindviehbestand: 406,400 Stück ä 15 Rbl. Nutzung .
Schafbestand :
Landschafe 365,600 Stück ä* i R. 25 K. Nutzung
Feinw, Schafe 96,600 » » 2 » — * *
Schweine: 321,300 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . , . .
Ziegen : 34,600 Stück ä 2 Rbl. Nutzung
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht . 10,607,400
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
Zucht repräsentirt im Gouvernement Minsk einen
Werthvon 27,682,301
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,65 Tschetwert
» Kartoffeln 0,93 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .
. 2,58
An Geldwerth: Aus den Erträgnissen des Feldbaues
• » * derViehzucht
14R. 44R.
8 • 97»
Aus der gesammten Landwirthschaft 23 R. 41 K.
4^9
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
6,467,501 Rbl. oder um 60 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Minsk
auf I Qu.»Meile, auf i Qu.-Kilometer,
Stück. Stttck.
Pferde 122,7 3,2
Rindvieh ^3^f7 4»4
Schafe 279,8 5,0
Schweine I93»6 3>5
Ziegen 20,8 0,3
20, Goaremement Mohilew.
Grösse des Gouvernements: 872,56 geogr. Qu.-Meilen =48,047,7
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 947,625 Einwohner, von denen 20
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im genannten Gouvernement produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwcrt.
An Roggen 728,000
. / 6666
38,666
796,000
257»333
293,000
35,000
» Winterweizen
» Sommerweizen .......
• Hafer
» Gprste
• Buchweizen
» sonstigem Sommergetreide . . .
2,154,665
» Kartoffeln • . . 1,603,666
Pud.
. Hanf 400,oooä3R
• Tabak 20 • 2 «
» Sandzucker ..♦.•...- 16,853 »5 »
c
u
o
Wcrth d. Prod.
in Rubel.
4.914,000
66fi6o
386,660
3,184,000
1,286,665
1,758,000
210,000
11,805,985
2,405,499
1,200,000
40
84,265
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 15^95,789
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 271,200 Stück, davon Vs =: 54,240
Stück ä 30 Rbl
1,627,200
27*
42Ö
Rubel.
Rindviehbestand: 320,800 Stück ä 15 Rbl. Nutzung . 4,812,000
Schafbestand:
Landschafe 3 1 9,200 Stück ä i R. 2 5 K. Nutzung 399>ooo
Feinwoll. Schafe 8,200 * » 2 » — » » 16,400
Schweine: 219,900 Stück k 8 Rbl. Nutzung .... 1,759,200
Ziegen: 3t»iOO ^ > 2 » » .... 62,200
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 8,676,000
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der
Viehzucht repräSLentiren im Gouvernement Mohilew
einen Werth von . 24^171,789
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,27 Tschetwert
» Kartoffeln 1,69 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,96 »
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 16 R. 35 K.
» » » der Viehzucht 9 » 16 *
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 25 R. 51 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
6,819,789 Rbl. oder um 78 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Mohilew
auf I Qa.-Meile.
auf I Qu.-Kilometer
Stück.
Stuck.
Pferde . .
. • . 310.6
5,6
Rindvieh
• . 367.6
6,6
Schafe . .
• . 37S.2
6,8
Schweine .
. . 252,1
4.5
Ziegen . .
• • 35.6
0,6
21. GouTemement MoskaiL
Grösse des Gouvernements: 604,81 geogr. Qu.-Meilen = 33,302,3
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,913,699 Einwohner, von denen 57
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im ^nannten Gouvernement wurden produzirt:
Werthd.Produk.
Tschetwert,
in Rubel.
351.500 1
•
4,172,625
464,500
s
1,858,000
32,000
0
160,000
35.500
"5
2I3|000
6,500
u
Ol
39.000
890,000
480,500 .
6,442,625
720,750
421
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:^
An Roggen • . .
» Hafer
* Gerste
» Buchweizen
« sonstigem Sommergetreide . .
» Kartoffeln
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 7>i63i375
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 250^000 Stück, davon ^5 = 50,000 St.
ä 30 Rbl 1,500,000
Rindviehbestand: 246,800 Stück, ä 15 Rbl. Nutzung . 3,702,000
Schafbestand :
Landschafe 278,400 Stück, ä i R. 25 K. Nutzung 348,000
Feinw. Schafe 400 * » 2 • — » » 800
Schweine: 20,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 166,400
Ziegen: 200 * * 2 ■ • .... 400
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 5,717,600
Die Gesammt- Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Moskau so*
nach einen Werth von 12^880^975
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art ... * 0,46 Tschetwert.
» Kartoffeln • 0,25 •
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 0,71 •
An Geldwerth aus den Erträgnissen des Feldbaues 3 R. 74 K.
• » • der Viehzucht 2 « 98 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 6 R. 72 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehsucht um
1,445,775 Rbl. oder um 23 pCt.
' Die Angaben ttber die Getreideprodnktion betreten die Jahre 187t und 187a.
422
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Moskau
auf I Qa*-Meile. auf i Qu.-Kiloineter.
Stück. Stück.
Pferde 413,3 7,5
Rindvieh. 408,0 7,4
Schafe 460,9 8,3
Schweine 34,3 0,6
Ziegen 0,3 0,00
22. GouTernement Nishnij-Nowgorod.
Grösse des Gouvernements: 931,16 geogr. Qu.-Meilen "= 51,272,5
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,271,564 Einwohner, von denen 25
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert
An Roggen 1,702,333
» Sommerweizen 245^000
» Hafer 1,019,666
. Gerste. »40,333
» Buchweizen 238,666
. . 1 76,000
> sonstigem Sommergetreide . .
Zusammen an Getreide
• Kartoffeln
Tabak
3»52i,998
325,000
Pud.
1,485 *J
c
o
Wcrthd.Prod.
in Rubel.
1 1,490,748
2,450,000
4,078,664
701,665
1,431,996
1,056,000
•5 21,209,073
^ 48/1500
2,966
Zusammen an Produkten des Feldbaues 21,699,539
»b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 241,700 Stück, davon 7» = 48,340 ä
30 Rbl. . • . . - ,
Rindviehbestand: 220,000 Stück, 4 15 Rbl. Nutzung .
Schafbestand :
Landschafe 494,600 St. ä i R. 25 K. Nutzung .
Feinwol. Schafe 3,800 » 2 » — » t
1,450,200
3,300,000
618,250
7,600
^ Im Durchschnitt der Jahre 186S— 1870.
^^
423
Rubel.
Schweine 56,100 Stück, ä 8 R. Nutzung 448,800
Ziegen 7,800 » » 2 » • 15,600
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 5,840,450
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Nishnij-Now-
, gorod einen Werth von 27,5395989
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,77 Tschetwcrt.
• Kartoffeln 0,27 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. • . 3,04 >
ATiGeldwerth:2L\xs den Erzeugnissen des Feldbaues 17 R. 06 K.
* » » der Viehzucht 4 » 59 •
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 21 R. 65 K.
Der Werth der Produkte des Feldbaues übersteigt im Gouverne-
ment Nishnij-Nowgorod den Werth der Produkte der Viehzucht um
15,859,089 Rbl. oder um 271 pCt.
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernement
aaf I Qn.-Meile. aaf i Qa.-Kilometer.
Stück. ^ Stück.
Pferde 259,5 47
Rindvieh 236,2 4,2
Schafe 535>2 9,7
Schweine 60|3 1,0
Ziegen 8,3 0,1
23. OonTernement Nowgorod.
Grösse des Gouvernements : 2,22 1 ,77 geogr. Qu.-Meilen = 1 22,337, i
Qu.- Kilometer; Bevölkerung: 1,011,445 Einwohner, von denen 8 auf
I Qu. -Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
4H
a) an Erzeugnissen des Feldbaues i
An Roggen . .
» Sommerweizen
• Hafer . . .
» Gerste . . .
Tfchetwert.
51I,CXX> '
3.666
9269000
68,666
23,000
c
o
0)
>•
CO
'53
u
» Buchweizen .
» sonstigem Sommergetreide .
1,555.332
» Kartoffeln 234,666
Pud
» Flachs 20,oooä5R.
Zusammen an Produkten des Feldbaues
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 209,900 Stück, davon V^ =4 1 »980 Stück
ä3oRbl
Rindviehbestand: 382,200 St. Milchvieh ä 15 Rbl. Nutz.
Schafbestand: Landschafe 243,oooSt. ä i R. 25 K. Nutz.
Schweinebestand : 28,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . .
Ziegen: 5.900 # > 2 » • . .
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht •
Wcrth d.Prod.
in Rabel.
3.5 16.750
36,660
3,704,000
343.330
78,000
138,000
7,816.740
352,000
100,000
8,268,740
1,259,400
5733,000
303.750
230,400
11,800
7.538.350
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt im Gouvernement Nowgorod
einen Werth von 15,807,090
Es entfallen sonach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,53 Tschetwert
» Kartoffeln 0,23 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . .
1,76
An Geldiverth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 8 R. 17 K.
♦ » » der Viehzucht 7 » 45 »
Zusammen aus den Erträgnissen derLandwirthschaft 15 R. 62 K.
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen demnach diejenigea
aus dem Ertrage der Viehzacht um 730,390 RbL oder um 9 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Nowgorod
auf I Qa.-Meile. anf i Qo.-KUometer.
Stück. Sttlck.
Pferde 94,0 1,6
Rindvieh ....... 172,0 3,1
, Schafe 109,3 i*9
Schweine 12,9 2,3
Ziegen 2,6 0,4
24. GoaTernement Olones.
Grösse des Gouvernements: 2,470,43 geogr. Qu.-Meilen =
136,045,7 Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 296,392 Einwohner, von de-
nen 2 auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen
» Sommerweizen
» Hafer
• Gerste
• sonstigem Sommergetreide • .
Zusammen an Getreide
• Kartofieln. '
Tschetwert.
125,000
440
172,000
59,000
1,160
357,600
52.333
d
O
>•;
Zusammen aus den Produkten des Feldbaues .
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 54,800 Stück, davon '/* = 10,980 St.
ä30Rbl
Rindviehbestand: 103,600 Stück ä 15 Rbl. Nutzung .
Schafbest.: Landschafe 84^900 St.,äi R. 2 5 K.Nutzung
Schweine 4,500 Stück ä 8 Rbl. Nutzung
Ziegen lOO 9 • 2 > * .....
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentirt demnach im Gouvernement
Olonez dnen Werth von
Werth d. Prod
in Rubel.
843750
4.400
688,000
245,000
6,960
t,788,iio
1,866,609
329,400
1,554,000
106,125
36,000
200
2,025.725
S^SM^tM
426
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art ^ . . 1,20 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,17 *
Zusammen an Nahrungsmitteln 1,37 • -
An Geldwerth: aus den Erzeugnissen des Feldbaues 6 R. 29 K.
» • » der Viehzucht 6 » 83 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft . 13 R. 12 K.
Die Erträgnisse der Viehzucht übersteigen im Gouvernement
Olonez die des Feldbaues um 150,1 16 Rbl. oder um 8 pCt.
Es entfallen schliesslich im genannten Gouvernement
anf I Qu.-MeUe. auf i Qu.'Kilomet^r.
Stück. Stück.
Pferde 22,1 0,4
Rindvieh 41,9 0,7
Schafe 34,3 0,6
Schweine 1,8 0,0
Ziegen — —
25. GoaTemement Orel.
Grösse des Gouvernements: 848,59 geogr. Qu.-Meilen = 46.725,9
Qu.-Kilomtter; Bevölkerung: 1,596,881 Einwohner» von denen 34
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Wcrtbd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 2,906,333
» Winterweizen 326,333
» Sommerweizen ...... 81,000
» Hafer 3»696,333
» Gerste 53,666
» Buchweizen 447*333
» sonstigem Sommergetreide . . • n 3,333
7,624,331
• Kartoffdn 1,080,666 i
c
19.617,748
3.263,330
g 810,000
o 1 1,089.332
-g 268,330
o 2,683,998
5 679.998
427
Pud. Rubel.
An Hanf i.550,oooä3R. 4,650,000
> Tabak 3,203 » 2 • 6,406
* Sandzucker 9,201 » 5 » 46,005
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 44,736,146
b) an Erzetignissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 407,400 St., davon 75=81,480 ä30R. 2,444,400
Rindviehbestand: 227,300 Stück ä 15 Rbl. Nutzung . 3,409,500
Schafbestand:
Landschafe 774,600 Stück ä i R. 25 K. Nutzung 968,253
Feinw. Schafe 8,000 » »2 * — » » 16,000
Schweine: 165,300 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 1,322,400
Ziegen: 4,500 Stück ä 2 Rbl. Nutzung 9,000
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 8,169^553
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren demnach im Gouvernement
Orel einen Werth von 52,906,699
Es entfallen daher auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . 4,77 Tschetvvert.
» Kartofieln . 0,68 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .5,45 »
AnGeldzuerth: aus den Erzeugnissen des Feldbaues 28 R. 01 K.
» » » der Viehzucht 5 » 1 7 ■
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 33 R. 18 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht
um 36,566,593 Rbl. oder um 447 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Orel
auf I Qu.-Meile. auf l Qu.- Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 480,0 8,7
Rindvieh 267,8 4,8
Schafe 922,2 16,7
Schweine 194,7 3,5
Ziegen 5,3 0,09
42S
26. GoaTernement Orenbarg.
Grösse des genannten Gouvernements; 3,475,37 geogr. Qu.-Meflen
= 1911364,0 Qu--Kilomcter; Bevölkerung: 900,547 Einwohner, von
denen 5 auf i Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tscbetwcrt,
An Roggen 188,666
» Winterweizen 3»775
» Sommerweizen 1,367,000
» Hafer 973,666
» Gerste. ......... 219,000
» Buchweizen 13.333
» sonstigem Sommergetreide • . . 105,333
Zusammen an Getreide 2,870,773
» Kartoffeln . , . . . . . . 87,666
s
o
'55
Ol
Wcrth d. Prod.
in Rubel.
1,273,495
37.750
13,670,000
3,894,664
1,095,000
79.998
631 1998
20,682,905
131,499
Zusammen an Produkten des Feldbaues . 20,814,404
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 580,600 Stück, davon */& = 116,120 ä
3oRbl 3»483.6oo
Rindviehbestand: 440,900 Stück, davon Va = 220,450
St. Schlachtvieh, V5 davon = 44,090 ä 20 Rbl. und
220,450 Milchvieh ä 1 5 Rbl. Nutzung
Schafbestand:
Landschafe 875,300 St. ä i R. 25 K. Nutzung .
Feiriwol. Schafe 5,200 » 2 • — » •
Schweine 64,500 Stück ä 8 R. Nutzung
Ziegen 59,500 * » 2 * »
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Orenburg
einen Werth von 30,226,079»
4,188,550
1,094,125
10,400
516,000
119,000
9.411,675
* Der entfernten östlichen Lage, der geringen Bevölkerungszahl und des Umstandes
wegen, dass Kxjporthifen mangeln, miiM def Wfcrlh der Produktion Im Orenburg'schcn
GonvememMit um 35 pCt. herabgoMCst werden, so dass sich demnach stellen wtrden:
429
«
Es entfalten demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An G^'/m(^ verchiedener Art . . . 3,16 Tschetwert.
4 Kartoffeln . 0,09 •
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 3,25 >
An Geldwerth aus den Erträgnissen des Feldbaues 23 R. 11 K.
» » » der Viehzucht lO » 44 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 33 R. 55 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
11,402,729 Rbl. oder um 121 pCt
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Orenburg
auf I Qa.-Meile. aaf 1 Qn.-KUometer.
Stück. Stück.
Pferde 167,0 3,0
Rindvieh 126,8 2,3
Schafe 253,3 4.5
Schweine 18,5 0,3
Ziegen 17,1 0,2
27. GouYernement PenM.
Grösse des Gouvernements: 705,37 geogr. Qu.-Meilen — 38,839,6
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,173,186 Einwohner, von denen 30
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
Das Erträgniss aus dem Feldbau auf 15,651,524 Rbl.
» » » der Viehzucht > 7»^5^)7S7 *
» » der gesammten Landwirthschaft auf 22,709,281 Rbl.
I
Es würden in diesem Falle demnach auf einen Bewohner des Gouvernements ent-
fallen :
Aus den Erträgnissen des Feldbaues .... 17 Rbl. 36 Kop.
• » » der Viehzucht .... 7 * 83 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 25 Rbl. 19 Kop.
430
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert.
An Roggen ......... 2,798,666
» Sommerweizen 3,070
• Hafer i,469?333
Gerste . " • .
Buchweizen
sonstigem Sommergetreide . . .
Zusammen an Getreide
Kartoffeln : . .
870
I43»333
604,333
5,019,605
227,333
Pud.
8,931
3,443
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues
c
O
CO
u
Tabak
Sandzucker
Werth d.Prod,
in Rubel.
18,891,195
30,700
S.877,332
4,350
859,998
2,425,998
28,089.573
341,000
17,862
17,215
28,465,650
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 459,8ooStück, davon 7^=9 1,960 Stück
ä30Rbl
Rindviehbestand : 278,600 Stück ä 1 5 Rbl. Nutzung .
Schafbestand: Landschafe 73 1,900 St. ä i R. 2 5 K.Nutz.
» Fein W.Schafe 106,000 • » 2 » — » »
Schweine: 196,300 Stück ä 8 Rbl. Nutzung ....
Ziegen: 3,000 » » 2 » » ....
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht .
2,758,800
4,179.000
914,875
212,000
1,570,400
6,000
9,641,075
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentirt sonach im Gouvernement Pensa
einen Werth von . . . , . ^ 38,106,735
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 4,28 Tschetwert
» Kartoffeln 0,19 >
Zusammen an Nahrungsmitteln • 4,47 »
An GeldwertJi: Aus den Erträgnissen desFeldbaues 24 R. 25 K.
» » • der Viehzucht 8 » 21 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft • 32 R« 46 K.
43 i
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
18,824,575 Rbl. oder umi95 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Pensa
auf I Qu.-Meile. auf i Qa.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 651,8 ii,8
Rindvieh. ...*.. 394,9 7,i
Schafe 1187,8 21,5
Schweine • 278,2 5,0
Ziegen 4,2 0,07
28. GonTemement Perm.
Grösse des Gouvernements: 6,032,31 geogr. Qu.-Meilen=332, 156,7
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 2,198,666 Einwohner, von denen 7
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert
An Roggen 1,863,000
9 Winterweizen* 3,000
- » Sommerweizen* 686,000
» Hafer* 2,623,500
» Gerste* . . 644,000
» Buchweizen* 26,000
• sonstigem Sommergetreide* . . 268,500
Zusammen an Getreide . 6,1 14,000
» Kartoffeln 353,333
Zusammen an Produkten des Feldbaues
Werthd Prod.
in Rubel.
12,575,250
30,000
c
6,860,000
0
10,494,000
V
'?
3,220,000
I 56,000
1,611,000
r*<
34,946,250
■
53O1OOO
35^76,250
b) an Erzeugnissen der Vieftzucht:
Pferdebestand: 832,100 St., davon V» = 166,420 St.
ä 30 Rbl 4,992,600
' Nur für das Jahr 1872.
' Im Darchschnitt der Jahre 1871 und 1873.
433
Ritidviehbestand : 788700 Stück, davon ^'i » 394,350 Rubel.
St. Schlachtvieh; davon ^6=78,870 Stück k 20 Rbl. l, $77,400
394,350 Stück Milchvieh k 15 Rbl. Nutzung . .
Schafbestand:
Landschafc 1^)48, 100 St ä i R. 25 K. Nutzung
Feinw. Schafe 1000 » • 2 • — » »
Schweine: 178,000 Stück k 8 Rbl. Nutzung . . .
Ziegen: 30,609 Stück k 2 Rbl. Nutzung ....
Zusammen an Erzeugnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produktion des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentirt demnach im Gouvernement
Perm einen Werth von 50,758,825
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . • . 2,78 Tschetwert.
5.9>5»2SO
1,310,125
2,000
1,424,000
61,200
IS.282,575
t
Kartoffeln 0,16
Zusammen an Nahrungsmitteln . 2,94 »
hxiGeldwerthizyxs den Erzeugnissen des Feldbaues 16 R. 13 K.
» > » der\nehzucht 6 » 95 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 23 R. 08 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
20,193,675 Rbl. oder um 132 pCt.
Es entfallen schliesslich im Gouvernement Perm
auf I Qtt.-Meile. auf t Qu.-KUoineter
Sittck. Stttck.
Pferde 137,9 2,8
Rindvieh 130^7 2,3
Schafe 172,9 3,1
Schweine 29,5 0,5
Ziegen 5,07 0,09
29. GouTernement Podolien.
Grösse des Gouvernements: 763,08 geogr. Qu.-Meilen = 42,01 7,6
Qu. -Kilometer; Bevölkerung: 1,933,188 Einwohner, von denen 46 auf
j Qu.-Kilometer entfallen.
433
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues;
An
»
»
Tschetwert.
Roggen 1,112,333
Winterweizen ^»327,333
Sommerweizen 188,666
Hafer 937,666
Gerste 654,333
Buchweizen 40J,333
sonstigem Sommergetreide .
504,666
c
o
Vi
Kartoffeln
5,126,330
642,666
Pud.
27,806a 3 R.
Tabak
Sandzucker . 635,253 »5
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues
b) an Erzeugnissen der Viehzucht*.
Pferdebestand: 251,900 Stück, davon V« = 50,5*0
Stück ä 30 Rbl. . ,
Rindviehbestand: 455,100 Stück, davon ';« Zug- und
Schlachtvieh — 341,325 Stück, davon Vs = 68,265
Stück ä 20 Rbl
'A = 1 13,775 St. Milch- und Zuchtvieh ä 15 R. Nutz,
Schafbestand : Landschafe 657,8ooSt. ä i R. 25 K. Nutz.
» Fein W.Schafe 170,500 » »2 » — » »
Schweine : 393,700 Stück ä 8 Rbl. Nutzung ....
Ziegen: 21,700 » » 2 » » ....
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht .
Die GesammtProduktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Podolien einen Werth von
Werthd.Prod.
in Rubel.
4,508,248
13.273,330
1,886,660
3,750,664
3.271,665
2,407,998
3.027,996
35,126,561
963,999
83,418
3,176,265
39.350,243
1,517,400
1,365,300
1,706,625
822,250
341,000
3,149,600
43400
8,945,575
48,295,818
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,65 Tschetwert
» Kartoffeln ......... 0,33 «
Zusammen an Nahrungsmitteln • 2,98 •
BU8S. RBYUX. BD. IUI,
aS
434
An Geldwerth: aus den Erzeugnissen des Feldbaues 20 R. 3 5 K.
• • • der Viehzucht 4» 62 ^
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 24 R. 97 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
30,404,666 Rbl. oder um 340 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Podolien
auf I Qu.- Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Slttck. Stück.
Pferde .
Rindvieh
Schafe .
Schweine
Ziegen .
330,1
596,3
1085,4
515,9
28,4
5,9
10,8
19,7
9,3
0.5
30. Oonyernement Poltawa.
Grösse des Gouvernements: 906,15 geogr. Qu.-Meilen = 49,895,4
Qü.-Kilometer; Bevölkerung: 2,102,614 Einwohner, von denen 42
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert.
An Roggen 2,651,333
» Winter Weizen 109,000
• Sommerweizen 770,000
• Hafer 1,037,333
• Gerste 798,333
• Buchweizen 6i3»333
' sonstigem Sommergetreide • . . 389,333
• 'r*
C
0^
O
CO
'53
6,368,665
Kartoffeln 843,666
Pud.
Tabak 5 57,753 i2R
Sandzucker 58,241*5 •
Wcrth d. Prod.
in Rubel.
17,896,498
1,090,000
7,700,000
4,149,332
3,991,665
3,679,998
2>33S,998
40,843,491
1,265,499
1,115,506
291,205
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 43,515,701
43S
b) an Erträgnissen der Viehzucht: Rubel.
Pferdebestand: 208,800 Stück, davon V» = 4^76o
Stück ä 30 Rbl 1,252,800
Rindviehbestand: 770. lOO Stück, davon Vt = 385,050
Stück Zucht-, Zug- und Schlachtvieh; hiervon Vs
= 77,010 Stück ä 20 Rbl 1,540,200
385,050 Stück Milchvieh ä 15 Rbl. Nutzung . . . 5,775,750
Schafbestand : Landschafe 1,300,200 St. ä i R. 25 K Nutz. 1,625,250
» Feinw. Schafe 519,800 * »2* — • • 1,039,600
Schweine: 485,100 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 3,880,800
Ziegen: 7,300 • • 2 * • .... 14600
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 15,129,600
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouvernement
PolUwa einen Werth von 58,644,701
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 3,02 Tschetwert
» Kartoffeln 0,40 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,42 •
An Geldwert/i: aus den Erzeugnissen des Feldbaues 20R. 69 K.
» • » der Viehzucht 7 • 19 #
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 27 R. 88 K
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
28,386,701 Rbl oder um 187 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Poltawa
auf I Qu.-MeUe. auf 1 Qu.^Kilomeler
Stück. Stuck.
Pferde 230,4 4,"
Rindvieh . , 849,8 15,4
Schafe 2008,4 36,5
Schweine 535»3 97
Ziegen ..*....• 8,0 - O^i
(Scbluss fo*gLj
M^
436
Die projektlrte Anthropologische Ansstellniig
in Moskau im Jahre 1S79.
Von
L. , S t i e d a.
Die Kaiserliche Gesellschaft der Freunde der Naturkunde, der
Anthropologie und der Ethnographie in Moskau beabsichtigt im
Sommer 1879 in Moskau eine Anthropologische Ausstellung in's Le-
ben zu rufen. Die Kaiserliche Genehmigung dazu ist bereits am
20. Mai 1877 erfolgt und seine Kaiserliche Hoheit der Grossfürst
Konstantin Nikolajewitsch hat das Ehrenpräsidium der Ausstellung
übernommen. Die Moskauer Gesellschaft hat ein Organisations-
Komite unter dem Vorsitz des Professors der Zoologie an der Mos-
kauer Universität, Hrn. Bogdanow^ ernannt, ausserdem hat das Ko-
mite in verschiedenen Städten des Russischen* Reichs, sowie des
Auslandes Bevollmächtigte gewählt, welche die Interessen der Aus-
stellung vertreten sollen.
Ueber die Art und Weise wie die Moskauer Gesellschaft zu dem
Vorhaben einer Ausstellung gelangt ist, sowie über die überaus
eifrige Thätigkeit des Organisations-Komite's und seiner einzelnen
Glieder gibt bereits ein stattlicher Quartband Bericht, welcher die
Protokolle der einzelnen Sitzungen des Komitees bis zum Schlüsse
des Jahres 1877, sowie wissenschaftliche Beilagen, enthält. Der be
treffende Band führt den Titel : Die Anthropologische Ausstellung der
K. Gesellschaft der Freunde der Naturkunde ^ Anthropologie und
Ethnographie. Sitzungsberichte des Organisations- Komite'* s^ heraus-
gegeben unter der Redaktion des Vorsitzenden des Komitees A, P. Bog-
danow. I. BandS Moskau 1877. 4®. 425 S. (Zugleich den Band
XXVII der «Iswestija^ der Moskauer Gesellschaft bildend.) Dieser
erste Band erschien in 5 Lieferungen ; an den drei ersten hat an
der Redaktion neben Bogdanow noch der inzwischen verstorbene
Sekretär des Organisations-Komite's N. K. Senger sich betheiligt.
Am 21. Januar 1872 hielt die von der Moskauer Gesellschaft zur Er-
richtung eines anthropologischen und zoologischen Museums bei der
> Vpn dem IL Bande sind bU jetst a Lieferangen erschienen.
437
Universität ernannte Kommission ihre erste Sitzung. Auf derselben
I
wurde der in der Moskauer Gesellschaft von Hrn. Professor Bogda-
now gestellte Antrag verlesen, der zur Einsetzung jener Kommission
geführt hatte. Professor Bogdanow hatte unter Anderem auf die
Nothwendigkeit hingewiesen, ein besonderes Katheder für Anthro-
pologie und ein dazu gehöriges Museum für Anthropologie bei der
Universität zu besitzen. Die Kommission, zu deren Präsident Hr.Bo^
danaw und zu deren Sekretär Hr. N. K, Senger gewählt wurde, sollte
unter Anderem auch nach dieser Richtung hin wirken.
Die Bemühungen der Kommission waren von Erfolg gekrönt ; es
wurden Mittel gefunden, um eine geeignete Persönlichkeit, Hm. N.
Aniitschin^ auf 3 Jahre in's Ausland zu senden, damit er sich gründ-
lich auf die spätere Lehrthätigkeit an der Universität vorbereiten
solle. Es wurden bei der Universität eine craniologische Sammlung
und ein craniometrisches Kabinet errichtet, doch waren damit allein
dem zukünftigen Lehrer der Anthropologie noch nicht völlig aus-
reichende Hülfsmittel zum Unterricht geliefert. Es musste jeden-
falls ein Anthropologisches Museum geschaffen werden. Um dies
zu erlangen, proponirte Hr. Bogdanow (6. Mai 1876) in der Sitzung
des Conseils der Moskauer Gesellschaft im Juli 1879 in Moskau eine
Ausstellung von anthropologischen Gegenständen zu veranstalten;
in der Idee, dass sich aus derselben ein anthropologisches Museum
herausbilden lasse. Die Proposition wurde angenommen und die
Kommission mit der nöthigen Ausführung betraut.
Vor allem wichtig und fördernd für das ganze Unternehmen war,
dass sich bald die dazu nöthigen Geldsummen fanden. Die Herren ^^f-
dorArtetnjewitsch Tereschtsclunko und Lasar SsolamonoTvüschPoljakow
brachten der Moskauer Gesellschaft, deren Mitglieder sie sind, eben
zum Zweck der Ausstellung, jeder die Summe von 10,000 Rbl. dar
— also im Ganzen 20,000 Rbl. als einmaliges Geschenk. Ausser*
dem stellte jeder von ihnen noch 10,000 Rbl. als zinsfreies Darlehn
der Gesellschaft zur Verfügung, mit der Bestimmung, dass das Dar-
lehen im Jahre 1879 aus den Einnahmen der Ausstellung oder aus
anderen Summen der Gesellschaft zurückerstattet werde.
Hiernach standen dem Ausstellungs-Komite 40,000 Rbl. zu Gebot,
und konnte man mit Energie an's Werk gehen. Es wurde daher
beschlossen die Genehmigung der Regierung zu der im Sommer
1 879 zu veranstaltenden anthropologischen Ausstellung einzuholen
und sobald die Genehmigung erfolgt sei, zur weiteren Ausführung der
Absicht zu schreiten.
43«
Am 20. Mai 1 877 geruhte S. Maj. der Kaiser nachfolgendes Reg«
lement Allerhöchst zu bestätigen.
Reglement fdr die toq der Kai«erliohen Moskaner Gesellsohaft der
Freunde der Naturkunde, Anthropologie und Ethnographie im
Jahre 1879 in Moskau bu veranstaltende Anthropologische Aus-
stellung.
1. Um das Publikum mit den Aufgaben der Anthropologie im
Allgemeinen, sowie mit den Aufgaben der Anthropologie Russlands
im Speziellen bekannt zu machen und um in Moskau ein möglichst
vollständiges Anthropologisches Museum zu errichten, iindet im
Sommer des Jahres 1879 in Moskau eine Anthropologische Ausstel-
lung statt.
2. Zur Ausstellung werden zugelassen :
1) Gegenstände, welche sich auf die Anthropologie der jetzigen
Volksstämme Russlands beziehen. (Anthropologie Russlands.)
2) Gegenstände, welche sich auf die vorgeschichtlichen Volksstämme
Russlands beziehen. (PraeMstarische Anthropologie,)
3) Gegenstände, welche sich auf die allgemeine Anthropologie und
auf die Systematik der Volksstämme beziehen. (Allgemeine An-
thropologie.)
3. Die zur Ausstellung zugelassenen Gegenstände sind in folgende
Gruppen zu ordnen :
i) Abhandlungen zur Anthropologie, Ethnographie und praehisto-
rischen Archäologie Russlands.
2) Karten über die Verbreitung der Volksstämme und der vorge-
schichtlichen Denkmäler.
3) Photographien einzelner Rassen; Ansichten von Lokalitäten,
welche für das Leben der einzelnen Völker charakteristisch sind^
Photographien und Zeichnungen von Kostümen , Hausgeräth,
Wohnungen, wie Scenen aus dem Leben früherer und noch jetzt
lebender Volksstämme.
4) Büsten und plastische Nachahmungen der verschiedenen Volks-
stämme«
5) Modelle von Wohnungen und Kostümen von Völkern der Vor-
zeit.
6) Gegenstände des häuslichen Lebens, des Kultus und des Ge-
werbes von Völkern der Vorzeit.
7) Statistische Tafeln über Geburten, Sterblichkeit etc.
439
8) Modelle von Kurganen und Gräbern.
9) Gegenstände, welche in alten Gräbern gefunden sind, oder
welche der vorgeschichtlichen Zeit angehören.
10) Geologische Profile und Karten solcher Lokalitäten, welche auf
den vorgeschichtlichen Menschen Bezug haben. Pläne, Modelle
und Zeichnungen von Höhlen.
11) Probestücke derjenigen Mineralien, aus welchen der vorgeschicht-
liche Mensch und die Ur- Völker ihre Werkzeuge anfertigten und
Karten der Verbreitung jener,
12) Proben von solchen Gewächsen und Pflanzen, welche für das
Leben der vorgeschichtlichen Völker wichtig waren.
13) Reste derjenigen Thicre, welche für die Lebensweise der vorge-
schichtlichen Volksstämme charakteristisch sind. Skelette und
Präparate jetzt lebender Thiere, welche zum Vergleich mit den
ausgegrabenen nöthig sind.
14) Apparate zu anthropologischen Untersuchungen.
15) Anatomische Präparate zum vergleichenden Studium der Ras-
sen ; anatomische Präparate zum Unterricht und zum Studium
der allgemeinen Anthropologie.
16) Resultate chemisch- technischer Untersuchungen von Gegenstän-
den der vorgeschichtlichen Archäologie.
17) Lehrhülfsmittel, um beim Vortrage der Geographie und Ge-
schichte in den mittleren und niederen Schulen die allgemeinen
Kenntnisse von den Rassen zu erläutern.
4. Ein besonderes Komite überwacht im Namen der Gesellschaft
die Organisation der Ausstellung.
5. Exponenten können sowohl Russen, als auch Ausländer sein.
6. Die Meldungen über Gegenstände dürfen nicht später als am
I. (13.) August 1878 stattfinden; die Sachen selbst dürfen nicht spä-
ter als am i. Januar 1879 abgeliefert werden«
7. Bei der Anmeldung ist anzugeben: Vor- und Familienname,
Beruf und Adresse des Exponenten ; die Zahl der zu sendenden Ge-
genstände mit Bezeichnung und wo möglich auch mit einer Be-
schreibung der einzelnen Gegenstände, einerlei, ob die Gegenstände
nur zur Ausstellung kommen, oder dem Museum der Gesellschaft ge-
schenkt werden.
8. Das Komite hat das Recht, die einem Exponenten gehörigen
Gegenstände unter die verchiedenen Gruppen der Ausstellung zu
vertheilen — zum Zweck der Systematisirung undUebersichtlicbkeit.
9. Nach Schluss der Ausstellung stellt das Komite den Expo-
nenten frei, innerhalb 6 Wochen ihre Gegenstände zurückzunehmen;
nach Abiauf dieser Frist werden die Gegenstände Eigenthum der
Gesellschaft, da die Depots des Komitees geschlossen werden und
die Thätigkeit des Komitees aufhört.
10. Das Konii(e ergreift alle Mittel zum Schutz* der Gegen-
stände, aber verantwortet nur für den Verlust derjenigen, welche
es mit besonderer Zustimmung unter seine eigene Verantwortung
genommen hat.
11. Die Exponenten haben während der ganzen Dauer der Aus-
stellung freien Zutritt in dieselbe.
12. Für ausgezeichnete Gegenstände werden nach dem Urtheile
der Experten-Kommission besondere Preise zuertheilt
13. Die Prebe bestehen in einem Anerkennnungsschreiben, oder
in Zeugnissen zur Erwerbung goldener, silberner und bronzener
Medaillen.
14. Die Experten-Kommission besteht aus den Gliedern der
Gesellschaft der Freunde der Naturkünde und der Deputirten an-
derer gelehrten Gesellschaften. — Das Resultat der Expertise wird
gedruckt.
15. Das Komite hat in Vollmacht der Gesellschaft das Recht, für
Darbringungen zum Besten des Museums besondere Zeugnisse zu
Erwerbungen von Medaillen auszustellen, doch ist dabei zu bemer-
ken, dass die Medaille für dargebrachte Geschenke zuerkannt wor-
den ist.
Da die Depots des Komitees erst am i. August 1878 geöffnet
werden, so wird die frühere Zusendung von Gegenständen, welche
für die Ausstellung bestimmt sind, nicht anders als mit besonderer
Zustimmung des Komitees zugelassen.
17. Diejenigen Exponenten, welche gesonnen sind, die von ihnen
ausgestellten Gegenstände zu verkaufen, werden ersucht, den Preis
an den Gegenständen selbst zu vermerken. Im Fall des Verkaufs
ül^ergibt das Komite dem Käufer einen Schein zum Empfang der
gekauften Gegenstände nach Schluss der Ausstellung, ebenso dem
Verkäufer einen Schein zum Empfang der Gelder, gleichfalls nach
Schluss der Ausstellung.
18. Die zur Ausstellung bestimmten Gegenstände sind an die
Moskauer Universität an die Adresse des Komitees der Anthropo-
logischen Ausstellung der Gesellschaft der Freunde der Naturkunde
zu schicken.
19. Nach Schluss der Ausstellung werden die Gegenstände ent-
441
weder den Herren Exponenten persönlich oder den von ihnen Bevoll-
mächtigten in Moskau ausgeliefert, wobei der vom Komite ausge-
stellte Empfangschein vorzuzeigen ist.
20. Das Komite übernimmt nicht die Rücksendung der ausge-
stellten Gegenstände nach Schluss der Ausstellung.
21. Das Komite behält sich das Recht vor, Modelle, Photogra-
phien oder Kopien von den ausgestellten Gegenständen anfertigen
zu lassen.
Ueber die Thätigkeit des Ausstellungs-Komite's geben nun die
erwähnten Sitzungs-Protokolle eingehend Auskunft. Wir theilen
aus denselben Folgendes mit. Da nur erst ein Band der Protokolle
— die letzte Sitzung, über welche berichtet wird, fand am 30. De-
zember 1877 statt — vorliegt, und unbedingt noch mehrere folgen
werden, so müssen wir auf eine nach Materien streng inhaltlich ge-
ordnete Uebersicht jetzt selbstverständlich Verzicht leisten. Wir
werden uns an die Reihenfolge der Sitzungsberichte halten, aus
denen am deutlichsten die ausserordentliche Thätigkeit des Komitees
und der einzelnen Mitglieder hervorgeht
In der Sitzung vom 2. März 1877 berichtet der Präsident ^^-
danow^ dass folgende Expeditionen, um Material zur Ausstellung
herbeizuschaflfen, projektirt seien: eine Expedition nach Turkestan,
zu welcher auch der General-Gouverneur v. KauiTmann seine Bei-
hülfe zugesagt hat, werde unter Leitung des Mitgliedes der Gesell-
schaft A, A. Tichomiraw und unter Betheiligung des Photographen
Panow unternommen werden; ferner eine andere Expedition in den
Norden von Russland durch den Assistenten des geologischen Museums
N, L Sograf\ eine dritte Expedition in den Kaukasus von den Hrn.
5. D, Filimonaw und N. S. Kerzelli\ eine vierte in das Wolga-
Gebiet und Astrachan durch Hrn. Karotnew\ ausserdem sei zu hof-
fen, dass auch Viv.N.K.SengerAch dazu bereit finden werde, die nord-
östlichen Gouvernements zu bereisen. Endlich theilt Hr. Bogdanow
mit, dass es ihm schon gelungen sei, einige ausländische Gelehrte
für die projekti rte Ausstellung zu interessircn : MariUUt in St Germaine
en Laye werde eine Sammlung von Gegenständen schicken, welche
die praehistorische Periode in Frankreich charakterisiren, Broca habe
eine Reihe Skelette verschiedener Altersstufen zugesagt, Hatny habe
versprochen eine Anzahl Kopien von den Büsten des Pariser natur-
historischen Museums .zu beschaffen.
In der Siizuug vom 22. Mai wurde beschlossen, durch eine von
dem Hrn. Präsidenten Bcgdanaw zusammengestellte Kollektion an
442
§ ■^— ^— ■■■ ■ ■■■IM-™ ■
der Pariser Ausstellung im Sommer 1878 Theil zu nehmen. Femer
wurde über die, den einzelnen Expeditionen zu Grund zu legenden
Programme berathen. Da die Kürze der Zeit es nicht mehr gestat-
ten dürfte, für die einzelnen Expeditionen besondere Spezial^ro
gramme auszuarbeiten, so hält der Präsident ÜT.Bogdanaw es für hin-
reichend, auf folgende Werke hinzuweisen :
1. Neumayer ^ Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf
Reisen, in welchen Spezialprogramme für Medizin (Dr. Friedel\ für
Ethnologie (Bastian)^ für Anthropologie und vorgeschichtliche Yox-
sxkiMVi%tVi(Virchow)^ für Photographie und Mikroskopie ('Dr. /^rä^M^^
enthalten seien.
2. Broccts Instruktion zu anthropologischen Untersuchungen (in
russischer Sprache mit Anmerkungen, herausgegeben von Bog-
danow).
3. DanvnCs bekanntes Werk über den Gesichtsausdruck, worin
sich ebenfalls Vorschriften zur Beobachtung findet.
Dabei spricht Hr. Bogdamnv den Wunsch aus, dass jede einzelne
Expedition zum Mindesten folgendes liefern werde :
I« Herbeischaffung von 30 —50 Schädeln.
2. Messungen von mindestens 20 Männern und Weibern, und
überdies an IG Neugeborenen, an 10 Kindern im Alter von 7 — 10
Jahren und 10 im Alter von (i — 12 Jahren.
3. Aufnahme von 30 Portraits in Profil und en face.
4« Ethnographische Gegenstände, um mindestens eine Gruppe
von 3 Personen darzustellen.
5. Einen Bericht über die Reise (Tagebuch).
6. Einen genauen Bericht über den untersuchten Volksstamm.
In der vierten Sitzung vom 3 1 . März sprach Hr. Fiümonow über die
Aufgabe, welche die Kaukasische Expedition zu erfüllen haben
werde^ und Hr. N. A, Bensenger verlas eine Abhandlung über die
von Montegazza^ Gilioli und Letumo aufgestellten Instruktionen zum
Studium der vergleichenden Psychologie (S. 63 — 73).
In derfiinften Sitzung (das Datum ist nicht angegeben) stellt Hr. G,
E. Sckurowskij ein allgemeines Programm für die Untersuchung von
Höhlen, welche Knochen enthalten, vor (S.82--88}. Nach einigen ein-
leitenden Worten werden die dabei nöthigen Werkzeuge und Appa-
rate, sowie auch die wissenschaftliche Methode der Untersuchung
angegeben (nach I. W. Stengel und Pengelly). Der Präsident Hr.
Bogdanaw übergab dem Komite eine genaue und ausführliche Zusam-
menstellung aller derjenigen Einzelfragen, welche bisher auf dem
443
vierten Russischen archäologischen Kongress auf dem Gebiet der
Anthropologie und vorgeschichtlichen Archäologie aufgeworfen
worden sind (S. 90 — 96) und versprach einen ähnlichen Bericht auch
über die ausländischen Kongresse; er sprach dann die Hoflfniing aus,
dass diese Zusammenstellungen nicht allein den auszurüstenden Ex-
peditionen von Nutzen sein dürften, sondern auch für den etwaigen
Kongress bei Gelegenheit der Ausstellung von 1879. In derselben
Sitzung stellt Hr. Sografy im Begriff die Expedition in den Norden
Russlands zu unternehmen, das Programm vor, welches er sich zur
Erforschung der Ssamcjeden des Gouvernements Archangel gemacht
hat. Es ist das Programm desshalb von grossem Interesse und
Wichtigkeit, weil dasselbe — auf Grundlage der bisherigen, in der
Literatur befindlichen, oft überaus zerstreuten Mittheilungen — ein
Resum^ der jetzigen Kenntnisse von den Ssamojeden gibt Es wurde
vom Präsidenten mit Recht betont, dass derartige Programme einen
grossen Werth hätten, nicht allein, weil aus ihnen eine richtige
Fragestellung sich ergebe, sondern auch, weil sie die wissenschaft-
liche Basis für weitere Forschungen böten.
Sechste Sitzung (das Datum fehlt) (S. 102 — 129). Hr. P. P. Petraw
las über die Aufgabe, welche das chemisch-technische Studium der
archäologischen und anthropologischen Gegenstände zu erfüllen
habe; er gibt in grossen Zügen den Gang der Entwickelung dieser
Frage der chemischen Untersuchungen mit Rücksicht auf Fellenberg,
Struvc, Göbel (Dorpat), Wibel (Hamburg). Er theilt die Gegenstände,
welche einer Analyse zu unterwerfen sind, in 3 Gruppen: i. metal*
lische, 2. irdene, 3. gläserne; bei anderen Gegenständen, z. B'
bei Steinwerkzeugen, kommt eine chemische Untersuchung erst
in zweiter Reihe in Betracht; hier sei die Bestimmung der Steinart
das Wichtigste.
In gleicher Weise, wie in der vorigen Sitzung ein Bericht über
die Ssamojeden eingeliefert worden war, wurde in tlieser Sitzung ein
Bericht von Hrn. A, y. Kelssijew über die Lappen gegeben (S. 1 1 1 — 1 1 4),
wozu Hr Bogdanaw noch ausführliche literarische Nachrichten brachte
(S. 1 14— 124) und einzelne Fragen noch genauer präzisirte, — und
ferner ein anderer Bericht des Hrn. A^. J. Sograf in Betreff der Sy*
fjanen (S. 123—126). Hr. KerzeUi gibt eine Ucbersicht der (auslän-
dischen) ethnographischen Abtheilung des öffentlichen Museums in
Moskau (S. 1 26 - 1 29).
In A^x siebenten Sitzung vom 25. Mai 1877 (S. 147— '78) konnte der
Präsident (S. 1 5 1 — 1 53) bereits Rechenschaft über die Reise des Hm.
444
N. y. Sografxn den Norden Russlands unter der Form einiger an ihn
gerichteten Briefe aus Jarosslaw, Wologda und Weliki j-Ust j ug ablegen ;
ferner verlas der Präsident einige Bemerkungen über eine, bei Gelegen-
heit der Ausstellung zu veranstaltende ^<:?flSf//-Kollektion der bekann-
ten Steinbilder «KamennijaBaby», da Photographien allein nicht aus-
reichend wären, und die Untersuchung jener Statuen von hohem In-
teresse für Anthropologen und Historiker sei (S. 155). Hr. G.D.FUiffUh
ncw theilt in kurzen Zügen das Programm mit, welches er für die
Untersuchungen im Kaukasus entworfen habe; er werde vor
allem sein Augenmerk richten auf die Gräber (Dolmen und Kurgane)
dann auf die Höhlen^ ferner zxA'^Pfahlbauteny alte Bauwerke (Thürme)
und auf die 5/^iii-^a^rif (S. 156—158). Das Protokoll enthält sehr
interessante Beiträge zur Kenntniss der Zigeuner, Hr. W. K. Po-
pandopulo bringt einen Aufsatz über die Sprache der Moskau*schen
Zigeuner, und der Präsident Hr. Bogdanow «Materialien zum Studium
der Zigeuner in anthropologischer Beziehung» (S. 161 — 176).
Schliesslich theilt der Präsident eine Uebersicht der in Moskau
lebenden Nicht-Russen mit, welche auf Grundlage der «statistischen
Mittheilungen über die Einwohner Moskau's nach der Zählung vom
12. Deziember 1871» zusammengestellt wurd^. Es sind 43 verschie-
dene Nationalitäten verzeichnet, nämlich:
I.Polen, 1800; 2. Serben, 16; 3. Montenegriner, 2; 4. Bolgaren, 29;
5. Czechen, 73; 6. aus Mähren stammend. 4; 7. Kroaten, 4; 8. Slova-
ken,6;9.Littauer, 129; iO.Letten,64; i I.Deutsche, 10,484; i2.Schwe-
den, 157; 13. Norweger, 4; 14. Isländer, 3; 15. Dänen, 47; 16. Eng-
länder, 654; 17. Schottländer, 5; 18. Holländer, 36; 19. Amerikaner,
40; 20. Franzosen, 1990; 21. Spanier, 13; 22. Portugiesen, 6; 23. Ita-
liener, 201 ; 24. Moldauer, 6; 25..Walachen, 8; 26. Griechen, 168;
27. Finnen, 168; 28. Esten, 33; 29. Karelen, 2; 30. Madgyaren, 29;
31. Türken, 20; 32. Tataren, 663; 33. Zigeuner, 217; 34. Juden,
55831 35. Araber, 11 ; 36. Perser, 36; 37. Armenier, 1059; 38. Grusi-
ner, 48; 39. Ossetiner, i; 40. Tscherkessen, 3; 41. Kalmücken, i;
42. Baschkiren, 2; 43. Bucharen, 19.^
Achte Süßung. 27. Juni 1877. Ausser einigen kurzen Berichten
über den weiteren Fortgang der Expeditionen in den Kaukasus (Ker-
seilt) und in den Norden (Sograf), sprach der Präsident über
die Ergebnisse seiner Reise in die oberen Wolga- Gegend, welche
* Es wurden an dieser, von uns nnr in gedrängtem Aussage mitgetheilten Tabelle aller-
lei AussteHnngen gemacht und die Rlcbtigkeit der Zahlen bezweifelt. Wir mttssen hier
auf eine Wiedergabe Terzicbten.
44S
er gemacht hatte, um sich mit einigen Persönlichkeiten^ zum Zweck
des Sammeins von anthropologischen Gegenständen, direkt in Ver-
bindung zu setzen.
Neuttie Sitzung. 22. Juli 1877. (S. 200 — 215.) Es wurden eine
Reihe Briefe und weitere Reiseberichte verlesen, und zwar: von
Hrn. Müaschewitz aus Tiflis, von Hrn. Kerzelli aus Pjatigorslg von
Hrn. Senger und Hrn. Sograf; auch der Präsident Hr. Bogdanaw
machte das Komite mit den Resultaten seines Besuches in Nowgo.
rod, St. Petersburg, Helsingfors und Dorpat bekannt
Zehnte, Sitzung. 22. August 1877. Unter den verschiedenen Mit-
theilungen sind folgende von Interesse. Auf Anregung des Präsi-
denten Hrn. Bogdanow wurden eine Reihe Abgüsse (Modelle) von
Schädeln des Museums der Moskauer Gesellschaft aus Papier-mach^
durch Hrn. Sewrjugin angefertigt, und zwar eine Sammlung von 44
Stück. Darunter befanden sich 17 Schädel aus Kurganen des Mos-
kauschen Gouvernements, 4 aus Kursker Kurganen, 3 aus dem
Gouv. Tschernigow, 2 aus dem Gouv. Ssmolensk, 2 aus dem Gouv.
Jarosslaw, 2 aus dem Gouv. Minsk, 2 aus dem Gouv. Poltawa, l aus
dem Gouv. Ssaratow, i aus dem Gouv. Tobolsk, 4 von der Küste
des Asow'schen Meeres, 3 von jetzigen Ai'no's und ein Abguss des
von Hrn. Sseliwanow geschenkten Schädels, weil man diesen Schä-
del von einigen Seiten her als aus der Steinzeit herstammend ange-
schen hatte, während er entschieden jüngeren Datums ist. Derartige
Kollektionen wurden mehrere gemacht und an verschiedene auslän-
dische Museen (London, Paris) versandt, worüber der Präsident Hr.
Bogdanaw eingehend Bericht erstattete.
Von grossem Interesse sind die Reiseberichte der Hm. Senger
und Sograf. Hr. N. K. Senger, Konservator am zoologischen Mu-
seum der Universität, hatte nur einen Monat (5. Juni — 5* Juli) auf
die Reise nach Archangelsk verwenden können, aber trotz der
Kürze dieser Zeit bedeutende Resultate erzielt. Er hatte einmal
allerlei Steingeräthe gesammelt, mehr als 50 Stück, Messer, Pfeile,
Schaber, Feikn, meist durch Kauf von den Bauern in Nishnaja-So-
lotniza; hier fanden sich auch Feuersteinsplitter in übergrosser An-
zahl, so dass eine Werkstätte von Steingeräthen zu vermuthen ist. Auffal-
lend ist unter den Steinprodukten ein Stück, welches deutlich die
Gestalt eines Fisclus oder die eines Seehundes mit einem Kopfe
hatte. Hr. Senger erblickt darin ein künstlerisches Erzeugniss des
Steinalters. Dann hat Hr. Senger eine Anzahl Sclüidel acquirirt, von
enen namentlich die in Solotniza gefundenen als sehr alt gelten
446
können ; ferner hat er eine Reihe Photographien mitgebracht, zum
Theil auf der Reise angefertigte, zum Theil in Archangelsk . ge-
kaufte; schon bei einer flüchtigen Durchsicht derselben ergibt sich,
- dass unter deti Uferbewohnern des Weissen Meeres der finnische
Typus vorheri'i^cht und der reine russische Typus selten aufstösst,
während dagegen bei der Landwirthschaft treibenden Bevölkerung
der anderen Kreise man häufiger rein russische Typen begegnet.
Dann hat Hr. Senget an 446 Männern und 88 Frauen Versuche
mit dem Dynamometer (von Schwabe) angestellt und eine grosse
Reihe anthropologischer Messungen gemacht. Zugleich hat er einige
werthvoUe Aufzeichnungen anderer Forscher erworben, und
zwar: l. ein Memoire des Fürsten Leonid Alexejewitsch Uchtofnsktj\
. in welchem authentische Nachrichten über den Aufenthalt der
Tschuden und über den Handel im Norden gemacht sind; 2. ein
Verzeichniss der Denkmäler und Ansiedelungen der Tschuden, zu-
sammengestellt vom Bibliothekar Iwanow in Archangelsk; 3. ein
Register aller Hügel, Erdaufh^ufungen, Steinhaufen und Höhleni
welche unter Hülfe des Sekretärs des Statistischen Komitees Hrn. Mi-
ckaücw aus den Akten des Stat. Komitees gezogen ist; 4. 3 Skizzen
überKarelien yonHvn. Dergaischew^ die Geschichte, die Ethnographie
und Geologie Kareliens behandelnd.
lix,N'%S€grafhBXXt die Reise in den Norden Russlands unternom-
men mit der direkten Absicht, die Ssamojeden anthropologisch zu
untersuchen. Sein hauptsächliches Reiseziel war die Halbinsel Ka-
nin gewesen, er hatte viel Ungemach gelitten und mehr als ein Mal in
offenbarer Lebensgefahr geschwebt. Dafür sind aber die gesammel-
ten Materialien auch schätzenswerth: zwei vollständige Skelette, 9
Schädel, eine Anzahl Gesichtsmasken, anthropologische Messresul-
tate von 50 Individuen (36 Männer, 14 Weiber), eine Anzahl Idole
(Rennthierköpfe auf Stangen), Waffen, Geräthe u. s. w. (S. 237 —
242.)
Weiter berichtete der Präsident Hr. Bogdanow über seinen Auf-
enthalt in Nishnij' Nowgorod und seine Betheiligung am Archäologi-
schen Kongresse in Kasan.
Hr. A. y. Kelssijew hatte einen Brief geschickt; er schreibt seine
Forschungen unter den Lappen gingen ihren steten Gang fort, er
habe mit vieler Mühe 8 Lappenschädel erworben und messe eifrig.
Ebenso waren Nachrichten von Hrn. KerzelU eingelaufen.
Elfte Sitsung. 19. September 1877. Ausser verschiedenen, rein gc-
9f bäftlichen Dingen, eingegangenen Geschenken lag ein vorläufiger
447
Bericht des Hrn. KerzeUi über seine Forschungen im Kaukasus (S.
278—281) vor.
Sowohl der Kürze des Aufenthalts (7. Juni — 15 August), als
auch der leicht erregbare Charakter der muselmännischen Bevölke-
rung Hessen nicht überall die gehofllen Resultate erzielen. Hr. Ker-
zeUi war begleitet von dem Künstler Sewrjugin^ der ungefähr 50
Gesichtsmasken (Ossetiner, Kalmücken, Nogaier, Perser) abnahm
und von 9 Steinbaben Abdrücke machte. Der Versuch Kurgane
aufzugraben, musste einige Mal, in Folge der dadurch erzeugten
Aufregung der Bevölkerung (Kabardiner), aufgegeben werden; Hr.
K. musste sich damit begnügen, die bereits gesammelten Schätze in
Tiflis zu untersuchen und das Gräberfeld von Samthawro (bei
Mzchet) zu inspiziren.
Einen Bericht über seine Erfolge in Kaukasien lieferte auch Hr.
FiHmancw (S. 282 — 283).
Ferner ist dem Protokoll dieser Sitzung ein weiteres Referat des
Hrn. Präsidenten Bogdanow, über die bisher auf den internationalen
Kongressen verhandelten Fragen aus dem Gebiete der Anthropologie
und vorgeschichtlichen Archäologie (S. 289 -296J beigefügt.
Zwölfte Sitzung. 10. Oktober 1877. Unter vielen kleinen Mitthei-
lungen zieht der interessante Bericht, welchen Hr. Nefedow (S. 320
— 322) über seine Ausgrabungen und Forschungen im Kreise Kassi-
ntaw (Gouv. Rjasan) eingeschickt hatte, die Aufmerksamkeit auf
sich. Hr. Nefedow hatte zuerst versucht, sich durch die Literatur über
die Gegend zu belehren, jedoch nur wenig gefunden. Seine eigenen
Forschungen gingen darauf aus: i. durch Aufgrabungen einiger
Kurgane die frühere Bevölkerung des Kassimow^schen Gebiets
kennen zu lernen; 2. durch anthropologische Messungen die Kassi-
nww^schen Tataren zu studiren. Beides ist ihm glücklich gelungen.
Das Gouvernement Rjasan war unzweifelhaft in früherer Zeit von
finnischen Stämmen bewohnt, deren spätere Schicksale durchaus
unbekannt sind. Man darf mit ziemlicher Sicherheit schliessen, dass
die ersten Einwohner der Kassimow'schen Gegend Meschtscheren
und Mordwinen gewesen sind. Bis auf den heutigen Tag heisst der
nord östliche Theil des Gouvernements Rjasan •iias Meschtscheren^
Land», Ein Volk der Meschtscheren existirt heute jedoch nicht
mehr. Die im Gouv. Orenburg lebenden Meschtscherjaken sind be-
kanntlich als ein türkischer Stamm anzusehen und schwerlich die
Nachkommen jener. Dass aber Mordwinen im Gouv. Rjasan lebten,*
44«
unterliegt keinem Zweifel, das bestätigen die Mordwinischen Orts-
namen und die Traditionen der Bauern.
Die Resultate der zahlreichen Aufgrabungen stimmen mit diesen
Vermuthungen. Es wurde ein Kurgan bei.m Dorfe Babenki und
eine Anzahl (73) in der Nähe der Stadt Kassimow und dem Dorfe
Popowskoje aufgedeckt: 50 Schädel, 14 ganze Skelette^ auch
allerlei Schmucksachen und Geräthe wurden gefunden.
Ausserdem gelang es nach Uebcrwindung mancher Schwierigkei-
ten die aus religiösen Rücksichten sich sträubenden mohammeda-
nischen Tataren von Kassimow, sowohl Frauen, wie Männer und
Kinder, zu photographiren. Es ist eine Kollektion von 6 Serien, jede
Serie aus 10 männlichen und 10 weiblichen Portraits bestehend, zu-
sammengebracht.
Hv.Kelssijew^ von seiner lappländischen Reise zurückgekehrt, legte
den Schluss seines Tagebuchs vor und gab dann ein übersichtliches
Referat (S 326 — 329) über den Gang seiner Reise und die dabei
überstandenen Strapazen. Unter den von ihm mitgebrachten Reise*
fruchten ist vor Allem ein Album mit vortrefflichen Zeichnungen zu
erwähnen, ausserdem eine grosse Menge ethnographischer Materialien ,
Kleider, Geräthe etc. Die Ergebnisse in Bezug auf Anthropologie
und Archäologie Lappland*s werden für die folgende Sitzung in
Aussicht gestellt
Hr. Bo^danow setzt den in einer früheren Sitzung eingeleiteten
BePicht über die im Jahre 1878 in Paris beabsichtigte, Ausstellung
anthropologischer Gegenstände fort (S. 330 — 334).
Dreizehnte Sitzung. 4. November 1877. Der Präsident zeigt den
schweren Verlust an, welchen das Ausstellungs-Komite durch den
Tod ihres Sekretärs Hrn. N. K. Setiger 2im 31. Oktober erlitten. Die
Verdienste des Vierstorbenen sind allen so sehr bekannt und das
Gedächtniss an ihn ist unter allen noch so lebendig, dass keine Noth-
wendigkeit vorUegt, sie aufs Neue aufzuzählen. Senger war ein
Mann der Arbeit und der That. Unter Anderem legt der Präsident
Hr. Bogdanow dem Komite seine Ansiebten über die Art und Weise
dar, in welcher die Moskauer Gesellschaft sich bei der bevorstehen-
den Pariser Welt-Ausstellung in der anthropologischen Abtheilung
betheiligen sollte. Es wird später auf die Betheiligung zurückge-
gangen werden, da es sich hier um vorläufige Berathungen handelt;
man beschloss zunächst, Hrn. Anutsc/Un zu ersuchen» den Empfang
^ud die Aufstellung der nach Paris zu befördernden Gegenstände
I^U übernehmen und ferner die Hrn. A A. Tereschtschenko und
449
N. K. Milajeiv\ zu Repräsentanten des Komitees bei Eröffnung der
Pariser Ausstellung zu ernennen.
Hr. Kelsjew erstattet einen Bericht über die Untersuchung der
Lappen. Er hat ein Vokabularium von ca. 200 Worten der lappischen
Sprache zusammengestellt j ferner in 1 1 verschiedenen Ortschaften
an 35 Individuen genaue Messungen auf Grundlage des Broca'schen
Systems ausgeführt; hat von 12 typischen Individuen Gesichts-
masken genommen und 28 verschiedene //b^rproben gesammelt.
Ausserdem glückte es 9 authentische Lappenschädel und ein voll-
ständiges'Skelett auszugraben ; ferner konnten 160 Steinwerkzeuge,
148 Pfeilspitzen und 11 Gewichte erworben werden; es wurden eine
Menge Zeichnungen und Aufnahmen gemacht, und eine grosse An-
zahl Photographien in Uleaborg gekauft, darunter 80 Portraits der
«Savolak* genannten Finnen.
Vierzehnte Sitzimg, 13. November 1877. Hr. Ujfalvy, der be-
kannte Pariser Ethnograph, befand sich, aus Central-Asien zu-
rückgekehrt, in Moskau, nahm an der Sitzung Theil und gab in
kurzen Worten eine Uebersicht seiner Reise und ihrer Ergebnisse
(S. 356 — 359), welche namentlich in Folge zahlreicher Messungen
als werthyoU erscheinen.
Eine Reihe kleiner Mittheilungen in geschäftlichen Angelegen-
heiten füllte den Rest der Sitzung aus.
Fünfzehnte Sitzung, 9. Dezember 1877. Graf A, J. Uwarow
beantwortete die an ihn gerichtete Frage, wo demnächst Kurgane
aufgegraben werden sollten. Als geeignet zur Aufdeckung bezeich-
nete er I. die Kurgane, welche auf der Insel Chortiza in der Nähe
der Stromschnellen im Dnjepr liege, sie sind entschieden interessant,
weil Konstantin Porphyrogenitus ausführlich beschreibt, wie die auf
dem Dnjepr Schiffenden, sobald sie die Stromschnellen passirt hatten,
auf der Insel zu opfern pflegten; 2. die Kurgane bei Kinbum\
3. alte Bulgarische Gräber. Zuerst solle man die Kurgane an dem
Ufer der Kama und Wolgc^ in der Umgegend der Ruinen des alten
Bolgary öffnen, dann das nördliche Ufer des Schwarzen Meeres
zwischen Dnjepr, Bug und Dnjestr untersuchen, ob hier nicht viel-
leicht Kurgane zu finden sind,' welche die Bulgaren auf dem Wege
zur Donau bis hier errichteten; schliesslich sei eine Erforschung
alter Gräber an den Ufern der Donau nothwendig. Wenn ein
Vergleich der von den genannten 3 verschiedenen Orten entnom-
menen Knochen, speziell der Schädel, dieselben Resultate gibt, so
würden wir dadurch eine Bestätigung der dunkeln Nachrichten ha-
BUI8, BBV CS. BD. xm« a9
41Ö
ben, welche die alten byzantinischen Schriftsteller über jenes Volk
uns gesammelt haben.
Weiter las Hr. Graf A. J, Uwaraw ein interessantes Memoire über
die chemisch-technologischen Untersuchungen der Bronze vorge-
schichtlicher Gegenstände (S. 357 — 359) vor.
Sechszehnte Sitzung. 30. Dezember 1877. Es ist die letzte,
über welche in dem vorliegenden ersten Bande berichtet wird. Wir
heben aus den vielen kleinen Mittheilungen nur eine Uebersicht her-
aus, welche Hr. Kerzelli über die Arten vieler, zur Ausstellung ein-
geschickten und gesammelten Gegenstände mittheilt. Es sind an
Schädeln, Skeletten und Knochen •
Werkzeuge aus Stein und Knochen .
Eiserne und bronzene Geräthe und an-
dere vorgeschichtliche Gegenstände
Büsten und Gesichtsmasken •
Abdrücke und Abgüsse von Stein-
baben und anderen vorgeschicht-
lichen Denkmälern
Modelle von Kurganen und Gräbern
Kostüme und Hausgeräthe (Ethno-
graphische Gegenstände . . , .
Photographien > • •
Es wurde in der Einleitung gesagt, dass die Moskauer Gesell-
schaft ausreichende Mittel bewilligt hatte, um Hcn. Anutschin einen
3-jährigen Aufenthalt im Auslande zum Zweck anthropologischer
Studien zu ermöglichen. Hr. Anutschin hatte sich in Folge dessen
zuerst daran gemacht, die verschiedenen anthropologischen und
verwandten Sammlungen und Kabinete in den grösseren und kleine-
ren Städten Europa's zu besuchen. Ueber diese seine Besuche hat er
in einer Reihe von Briefen und Berichten dem Ausstellungs-
Komite Mittheilung gemacht; diese sind unter verschiedenen
Titeln in der Reihe wie sie eingelaufen sind, also an verschiedenen
Stellen dem I. Bande einverleibt.
Wir stellen nur die Ueberschriften der Berichte und Briefe hier
zusammen, auf einen ausführlichen Auszug jetzt aus manchen Grün-
den verzichtend. Vielleicfit, dass sich derselbe nach allendlichem
Abschlüsse der Reiseberichte geben lässt.
I. Die russischen und ausländischen anthropologischen und etfa-
375 Nummerr
i(Nr.
1-375)
539
*
( »
1—539)
•
206
»
{ »
540-745)
60
»
( »
1—60)
12
•
( *
I— 12)
9
»
( f
1-9)
310
»
( »
1-310)
124
•
( »
I — 124)
s
451
nopfraphtschen Sammlungen. Vorläufige Bemerktingen (S. 35—61).
(St. Petersburg, Berlin, Paris.)
2. Briefe aus dem Auslande (S. 79—81). Einiges über die Berli-
ner Sammlungen und ihre Vorstände, enthaltend.
3. Anthropologische Bemerkungen in Briefen (S. 129 — 146), be-
sprechen Paris und die neuerrichteten anthropologischen Kurse.
4. Die anthropologischen Sammlungen. Reiseberichte (S. 194--
200). Das Museum von St. Germain en Laye, Musde d'Orfila und
Musöe Dupytrin werden beschrieben.
5. Die anthropologischen Sammlungen Londons. Reisebriefe (S.
215—228).
6. London und seine anthropologischen Merkwürdigkeiten. Ein
Bericht (S. 248—275).
7. Die belgischen und süd-deutschen anthropologischen Samm-
lungen. (S. 300 — 308.) Brüssel, Mainz, Frankfurt, München, der an-
thropologische Kongress in Konstanz.
8. Reisen in Sachsen und Böhmen zu anthropologischen
Zwecken. (S. 369 — 384.) Leipzig, Dresden, Prag.
9. Ergänzende Mitlhcilungen über die Museen St. Petersburgs
und Berlin. (Vortrag in der 15. Sitzung, 9. Dezember 1877.) (S. 389
-398^;
10. Ein Brief aus Wien (verlesen in der 16. Sitzung, 30. Dezem-
ber 1877). (S. 418—420.)
Uebersicht der rnssischen historischen Literatur
für die Jahre 1874-1876
Von
Prof. 'W. Jkonnikow.
(Schluss.)*
Bas Jahr 1876.
I. Materialien und Hülfsmi ttcl.
I . Leibowiisch, 5. L, Combinirtc Chronik, zusamnungestellt nach
allen bis jetzt erschienenen Handschriften der Chronik. Die erste Lie-
* Vgl. «Russ. Revue» Bd. XII, S 473 u. ff., Bd. XIII, S. 63 u. ff. und S. %^o u, ff:
Auch dieses Mal beschränken wir uns auf die Angabe der wichtigsten Werke und des
wesentlichsten Inhalts derselben. ^« '^^*
29*
45^
ferung umfasst die «Erzählung vergangener Zeiten» (noB'fecTb epe-
MeHHbix-b ji'fen»); der Herausgeber verspricht jedoch eine cUlge-
meine Chronik vorzulegen, in welcher alle Nachrichten nissischer
Chroniken, welche sich auf die Geschichte Russlands beziehen, ange-
führt und verglichen werden sollen. Diesem Plan gemäss sollen
alle Nachrichten, welche die Geschichte anderer Länder betreffen,
soweit dieselben nicht direkt auf die russische Geschichte Bezug
haben, wie z. B die in den alten historischen Chroniken oft vor-
kommenden Mittheilungen aus der Geschichte von Byzanz, von Bul-
garien, Polen, Litthauen u. s. w. fortgelassen werden. Ausnahmen
von dieser, in Zukunft zu beobachtenden Regel finden sich in dieser
ersten Lieferung hinsichtlich Polens und Litthauens, sowie auch der
Petscheneger, Polowzer u. A., da in diesem Falle die russischen
Chroniken die einzigen Quellen ihrer Geschichte sind. In den
Varianten sind nur solche Abweichungen angeführt, welche der be-
treffenden Stelle einen andern Sinn verleihen, nicht aber bloss solche,
welche allein vom philologischen Standpunkt von Interesse sind.
2. Urkunden des XIV,— XVL Jahrhunderts in Bezug auf die Ver-
waltung der lokalen Regierungs -Behörden, herausgegeben von Sagos-
kin, Sämmtliche, bis jetzt bekannt gewordenen Urkunden in Bezug
auf den betreffenden Gegenstand sind nach gewissen Rubriken ge-
ordnet, z. B. I. Einleitende Urkunden; 2. Bestimmungen hinsichtlich
der Organisation der Lokal-Verwaltung; 3.Maassnahmen zur Garantie
der Bevölkerung vor Ausschreitungen Seitens der Lokal- Verwal-
tung; 4. Bestimmungen über den Gehalt der Verwaltungsbeamten ;
5. Bestimmungen über die Steuereintreibung; 7. Bestimmungen
über Handel und Industrie; ferner: 8, über Polizeiwesen, 9. über
Kriminaluntersuchungen, u. s. w.
3. Chrestomathie zur Geschichte des Russischen Rechts, herausgege-
ben von Wladimirskij-Budanow. Dieses Werk besteht aus drei Bän-
den. Die erste Lieferung enthält die ältesten Denkmäler des Rus-
sischen Rechts; die früher erschienene 2. und 3. Lieferung brach-
ten das Gesetzbuch Kasimir IV., Iwan III. und Iwan IV. und einige
andere Rechtsalterthümer.
4. Russische historische Bibliothek, Bd. III, herausgegeben von der
Archäograp/üschen Kommission. Dieser Band enthält unter Anderem
Beschreibungen gottesdienstlicher Feierlichkeiten in der Uspenski-
schen Kathedrale in Moskau, ferner Inventare der genannten Kathe-
drale seit dem Beginn des XIII. Jahrhunderts bis zum Jahre 1701
und ein Inventar des Kirchenschatzes des Patriarchen Philaret. End-
lich ist von grosser Bedeutung ein in diesem Bande veröffentlichter
Auszug aus einer Chronik der Jahre 1563 — 1567, in welchem sich
offizielle Aktenstücke über den Verrath des Fürsten Kurbskij, über
die Institution der Opritschniki, und über die Beziehungen Iwan's
des Grausamen zu dem schwedischen König Erich XIV. vorfinden.
^.Aktenstücke über die ökonomischen undjuristisclien Verlüiltnisse der
Bauern im XVI. — XVIII, Jahrhundert, herausgegeben von der
Kgeu/schen Archäographischen Kommission. Die zwei Bände dieses
453
Werkes enthalten 371 Aktenstücke (der I. Band 185, der IL 186
Aktenstücke) in Bezug auf das Leben und die rechtliche Stellung
der Bauern in den süd-westlichen Gouvernements. Den Akten-
stücken ist eine Untersuchung des Hrn. Nowitzkij über den be-
treffenden Gegenstand beigegeben.
6—9. JaltrbtLch der Russischen historisdun GeseUsc/taft, Bd. XVII,
XVm und XIX. »
10— II. Archiv des Fürsten Woronzow. Bd. IX. und X. Der
XI. Band enthält hauptsächlich Briefe des Grafen S. Woronzow an
seinen Bruder, den Grafen A. Woronzow, aus den Jahren 1784 bis
1796. Graf S. Woronzow war in dieser Zeit bevollmächtigter Mini-
ster in Venedig und London. Die Briefe enthalten ausser den diplo-
matischen Mittheilungen auch noch Angaben über russischen Han-
del, russische Finanzen, über den Krieg in Schweden, über die fran-
zösische Revolution u. s. w. Eine Fortsetzung dieser Briefe bringt
der X. Band. Sie umfassen die Zeit von 1796- 1804. Neben den
Briefen über die Beziehungen zwischen England und Russland in
dieser Zeit enthält dieser Band auch Briefe der Kaiser Paul I. und
Alexander I. an den Grafen S. Woronzow und ein, an* den Kaiser
Alexander I. gerichtetes Memoire über das russische Heer.
12. Sammlung hütorisciur Materialien aus dem Archiv der /. Ab*
tlieilung der Eigenen Kanzlei S. Maj. des Kaisers. Dieses Archiv
enthält sehr viele geheime Aktenstücke zur Geschichte der drei
letzten Regierungen. Auf Befehl des Kaisers Alexander II. ist man
jetzt damit beschäftigt, die Aktenstücke aus der Regierungszeit des
Kaisers Nikolaus I. zu ordnen, während dasselbe früher schon bei
den Aktenstücken aus der Regierungszeit Alexander I. und Katha-
rina IL geschehen war. Der erste bis jetzt erschienene Band der
genannten «Sammlung» enthält ifl der ersten Abtheilung: Aller-
höchste Befehle, Erlasse , Reskripte und verschiedene Aktenstücke
(im Ganzen iio) aus dem Jahre i8i2; in der zweften: i. Reskripte
der Kaiserin Katharina an den Fürsten Potemkin aus dem Jahre 1785
über Reformen im Kaukasus und im Gebiet Astrachan; 2. Materia-
lien zur Geschichte des Krieges vom Jahre 18 12 und der darauflTol-
genden Ereignisse bis zum Jahre 181 5; 3. Aktenstücke über
Speranskij's Thätigkeit von 1818-- 1819; 4. das für die Ge-
schichte der Reaktion in den zwanziger Jahren höchst wichtige Me-
moire von Magnitzkij über die Volksbildung aus dem Jahre 1823; und
5. einen Brief von N. Nowossilzew an Araktschejew über die Ver-
waltung des Herzogthums Warschau, ferner einen Brief von Jei mo-
low an Araktschejew über die Organisation der Verwaltung im Kau-
kasus und die Korrespondenz zwischen Karasin und Araktschejew
über die philotechnische Gesellschaft.
13. Sammlung von Traktaten und Konventionen zwischen Russland
und den auswärtigen Mächten^ herausgegeben von F, Martens.
^ Der Inhalt dieser drei Bände ist bereits im X. Bande der cRussischcn Revue» S.
472 angegeben.
454
Bd. in. Diese Band bildet die Fortsetzung der früher veröffent-
lichten und in der u Russischen Revue», im VII. Bande (S. 557 bis
567) besprochenen Bände. Er enthält 38 Traktate aus den Jahren
1808—1815.
14. Chronik der jüngsten Vergangenfieit, Aus dem Archiv des Für-
sten Obolenskij'Neledinskij'Melei^kij, Unter den historischen Ma-
terialien sind hier von Bedeutung einige Nachrichten aus der Regie-
rungszeit der Kaiser Paul I. und Alexander I. und die Reskripte
und Briefe der Kaiserin Maria Feodorowna an Neledinskij-Meletzkij.
15. Das Gewohnheitsrecht der sibirischen Stämme, herausgegeben
von Ssamokwassow. Diese Untersuchung ist in den Papieren des
Senators Gube gefunden worden und enthält eine Kopie der in den
zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts auf Befehl der Regierung ge-
sammelten Materialien, welche einem besonderen Gesetzbuch für
die sibirischen Stämme zu Grunde gelegt werden sollten. In den
sieben Abschnitten des Werkes findet man Materialien zum Gewohn-
heitsrecht der Kalmücken und Tataren des Bij'schcn Kreises, der
Wogulen, Ostjaken, Ssamojeden, Tungusen, Burjaten, Jakuten und
Kirgisen.
16. Dcis Gewohnheitsrecht der^ seit alter Zeit im Gouvernement
Tomsk ansässigen Bauern. Dieses Werk des Fürsten Kostrow, nach
einem, von der Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft aufgestell-
ten Plane ausgearbeitet, enthält im ersten Abschnitt die civilrechtlL-
chen, im zweiten die kriniinalrechtlichen Bestimmungen und im drit-
ten Mittheilungen über das Leben, das Gerichts- und Strafverfahren
nach den Anschauungen des Volkes. Als Quellen haben dem Ver-
fasser gedient: i. seine eigenen Notizen, gesammelt vyährend eines
dreissigjährigen Aufenthalts in Sibirien überhaupt, und eines zehn-
jährigen im Gouvernement Tomsk insbesondere; 2. die Urtheils-
sprüche der Wolost-Gerichte, wobei über 3000 Entscheidungen des
genannten Gerichts durchgesehen worden sind, und 3. die im Ar-
chiv der Gouvernements-Verwaltung, des Gouvernements-Gerichts
und des geistlichen Konsistoriums in Tomsk aufbewahrten Akten-
stücke.
17. Klein-russische Votkssagen^ gesammelt von M. Dragomanow
und herausgegeben von der (nunmehr eingegangenen) «süd-westli-
chen Abtheilung» der Kaiserlich Russischen Geographischen Ge-
sellschaft. Die reiche Sammlung enthält: i. Sagen und Erzählungen
aus dem Bereiche der Naturerscheinungen; 2. abergläubische Ge-
bräuche und Vorbedeutungen; 3. Hexenwesen, besondere Gebete
und Parodien auf die letzteren; 4. Teufelssagen und Geschichten; 5.
vergrabene Schätze; 6. Todtencrscheihungen und Gespenster, u.
s. w.
18. Denkmäler der alten russischen Kunsttischlerei im Gouverne-
ment Wladimir, gezeichnet und herausgegeben von y, Golyschew.
Auf neun grossen Blätter gibt der Herausgeber in dieser Sammlung
Abbildungen verschiedener Gegenstände aus dem Hausinventar der
455
alten Russen, wie z. B. Abbildungen von Leuchtern, Stühlen, Ti-
schen, Gebetpulten, Schränken, Schreinen, Schlitten, u. s. w.
19. Lexikon der russisclien, im XVIIL und XIX, Jahrhundert ver-
storbenen Schriftsteller und Verzeichniss der seit 1725 bis 1825 er*
schienenen russischen Bücher^ herausgegeben von G. Gennadu Der
Verfasser gibt in seinem Werke nicht nur über russische Schrift-
steller und Bücher Nachricht, sondern auch über nichtrussische Bü-
cher, wenn sie in's Russische übersetzt worden waren.
IL Allgemeine Werke, Monographien und Untersuchungen.
20. J. Sobelin. Geschichte des russischen Lebens seit den ältesten
Zeiten, Bd. I. Dieser Band enthält 5 Kapitel mit 4 Beilagen. Der
Verfasser beginnt sein Werk mit einer Schilderung der Natur Russ-
lands, mit Berücksichtigung der Ethnographie, der Kolonisation und
der Handelsstrassen Russlands. Darauf geht er zu einer Untersu-
chung über Rurik und dessen Abstammung über. Die Waräger sucht
der Verfasser an der Baltischen Küste, bei den Slaven selbst, den Na-
men *Rusj* (Pycb) aber leitet er von dem sla vischen Rugien ab.
Dann wendet er sich der Ethnographie des alten Russland zu. Das
letzte Kapitel ist bereits einer Untersuchung über die ersten, in den
historischen Chroniken vorkommenden Nachrichten in Bezug auf
die älteste Geschichte Russlands und der Beschreibung der sozialen
Organisation des alten Russland gewidmet.
2\, D. Ilowaiskij. Geschichte Russlands. Bd. L Kijew'sclie Periode.
Der Verfasser beginnt seine Erzählung von jenem Zeitpunkt, da
Russland mit Byzanz Verbindungen anknüpft, indem er auch weiter
im Verlauf seiner Darstellung Byzanz besonders in den Vorder-
grund rückt. Er beschliesst diesen Band mit den Ereignissen, wel-
che der Mongolenherrschaft in Russland vorangingen. Wie das
Werk von J. Sabelin, zeichnet sich auch diese «Geschichte Russ-
lands» von D. Ilowaiskij durch Klarheit und Fasslichkeit in der Ent-
wicklung der dem Werke zu Grunde liegenden Anschauungen aus.
22. Gedeofww. Die Waräger und Russland, Bd. I und II. Dies
Werk ist bereits im Jahre 1846 geplant worden, aber erst jetzt,
nachdem bereits in den Jahren 1862 und 1863 in den Memoiren der
Akademie der Wissenschaften Bruchstücke veröffentlicht worden
waren, vollständig zur Ausführung gekommen. Hr. Gedeonow ist in
Bezug auf die Berufung der Waräger ein Anhänger der sogenannten
slavisch-baltischen Theorie, welche seit Lomonossow viele Verfech-
ter gefunden. Er hält an dem slavischen Ursprung der Waräger fest
und versucht denselben durch eingehende Untersuchungen über
Sprache, Gewohnheitsrecht und Sitten zu bekräftigen. Trotzdem ist
seine glänzende, zuweilen über das Ziel hinausschiessende Argu-
mentation nicht genügend, um die vielbesprochene Streitfrage end-
gültig zur Entscheidung zu bringen.
23. Borsakowskij. Geschichte des FürstentJmms Twer. Diese Unter-
456
suchung zerfällt in neun Kapitel, von denen das erste der Ethnogra-
phie, der Kolonisation und der Geographie des Fürstenthums, die
sieben andern einer ausführlichen pragmatischen Darlegung der
Ipolitischen Geschichte des Fürstenthums bis zu dessen Untergang
•-und das letzte Kapitel endlich einer Beschreibung der inneren
Zustande im Fürstenthum gewidmet ist. In besonderen Beila-
■gen \verden noch einige spezielle Fragen aus der politischen und
-atiis der Kirchengeschichte des Fürstenthums behandelt. In den No-
tizen, welche fast ein Drittel des ganzen Werkes einnehmen, ist ein
überaus reichhaltiges Material gesammelt.
24. Terpowskij. Die Erforschung der byzantinischen Geschichte und
deren teKdenziöse Anwendung auf die älteste Geschichte Russlands.
Der Verfasser spricht in diesem Werk von den Russen, welche bis
zum Ende des XVII. Jahrhunderts in Konstantinopel, und anderer-
seits von den Griechen, welche während derselben Zeit in Russ-
land gewesen und verfolgt dann in chronologischer Reihenfolge die
Uebertragung der Thatsachen byzantinischer Geschichte auf Russ-
land, und zwar seit den ältesten Zeiten bis zur Regierung Peters
des Grossen, wo plötzlich ein Umschwung in deu Anschauungen über
Byzanz und dessen kultur-historische Bedeutung für Russland ein-
trat. In diesem Werk finden sich gleichzeitig einige interessante
Auszüge aus byzantinischen Handschriften.
25. Kondakow. Geschichte der byzantinisc/ien Kunst und der byzan-
tinischen Ikoiwgraphie nach den Miniaturen grieclUscher Handschrif-
ten, Der Verfaisser weist zuerst auf die Bedeutung der Miniaturen
für die allgemeine Geschichte der byzantinischen Kunst und der by-
zantinischen Ikonographie hin, und geht dann zur Darstellung der
Geschichte der ältesten Periode der byzantinischen Kunst, ihrer
Blüthezeit und ihres Verfalls über, wendet sich darauf der zweiten
Periode (VI.— IX, Jahrh.) und der zweiten Blüthezeit (vom IX —
Xn. Jahrh.) zu und beschliesst sein Werk mit einer Schilderung der
letzten Periode (^XIII. Jahrh. bis zum Fall Konstantinopcls) und des
gänzlichen Verfalls der byzantinischen Kunst.
26. N. Sagoskin, Skizzen der Organisation und des Ursprungs des
Hof und Staatsdienstes im vorpetrinischen Russlaful. Das Werk ent-
hält drei Abschnitte: im ersten Abschnitt gibt der Verfasser eine
Skizze der Verhältnisse der Staatsbeamten in West Europa und im
alten Russland; den zweiten Abschnitt widmet er der Untersuchung
der Veränderungen, welche während der Moskauer Periode in jenen
Verhältnissen eingetreten, und im dritten endlich skizzirt er die Ele-
mente, welche in derMoskauer Periode einen Bestandtheil des ganzen,
im Staatsdienst stehenden Personals bildeten, indem er dieselben in
folgende Gruppen thefh: das Element der Nachkommen Ruriks
(186 Geschlechter), das litthauisch polnische Element (223 Ge-
schlechter), das Element anderer west-europäischer Völkerschaf-
ten (229 Geschlechter), das tatarische Element (120 Geschlechter)
und das Element anderer orientalischer Völkerschaften (36 Ge-
schlechter). Ausserdem weist der Verfasser noch 42 Geschlechter
457
lokalen russischen Ursprungs und 97 Geschlechter unbekannten Ur-
sprungs nach.
27. Mrotsc/iek-Drosdawskif. Die Verwaltung der russischen Ge-
biete im XVI IL Jahrhundert bis zur Einrichtung der Gouvernements,
Als Hauptquellen, aus denen er geschöpft, nennt der Verfasser die
im Moskauer Archiv des Justizministeriums aufbewahrten Akten-
stücke und die Gesetzsammlung. Er kommt in seiner Untersuchung
zum Schluss, dass jene Reform der Verwaltung nicht bloss in einer
einfachen Verpflanzung fremdländischer Institutionen bestand, son-
dern dass ihr eine, schon im X VIII. Jahrhundert ausgearbeitete Basis,
als welche die administrative Centralisation hingestellt worden war,
zu Grunde lag, wobei die früher überall bei den Verwaltungsbcam-
ten herrschende Idee des Dienstes speziell für die Person des jewei-
Hgen Herrschers der höheren Idee des Dienstes für das allgemeine
Wohl des Staates zum Opfer fiel.
28. Brandenburg. Materialien zur Gesciüchte der Artillerie- Ver-
waltung in Russland. «Dieses Werk enthält auf Grund von Akten
aus dem früheren Artillerie Prikas (Artillerie-Departement) eine
Untersuchung über die Organisation und über die Thätigkeit des-
selben. Von dem speziellen Werth, welchen dieses Buch für die
Geschichte des Militärwesens in Russland 'hat, abgesehen, findet
man in demselben auch mannigfache Mittheilungen von allgemeinem
Interesse, so z. B. über Schulen, Druckereien, Fabriken (nament-
lich über die Tula'sche Fabrik) u. s. w.
29. K. Pobedonoszew. Historische Untersuchungen und Aufsätze.
Unter den in diesem Bande veröffentlichten kleinen Artikeln dürfte
das meiste Interesse die •Skizze der Leibeigenscliaft in Russland bis
zum Ende des XVIII. Jahrhunderts» für sich beanspruchen, in wel-
cher besonders die rechtlichen Beziehungen scharf beleuchtet sind.
Der Skizze sind verschiedene Aktenstücke in Bezug auf d^n behan-
delten Gegenstand beigelegt. Ferner finden sich in diesem Bande
noch einige Prozesse aus der Kriminalpraxis des XVIII. Jahrhun-
derts.
30. Fürst A. Wassiltschikaw. Der Grundbesitz und der Ackerbau
in Russland und anderen europäischen Staaten}
31. -/4. Markewitsch. Jurij Krishanitsch und dessen literarische
Tliätigkeit Eine literar-historische Skizze, Der Verfasser gibt in
diesem Werk eine biographische Skizze des genannten Schriftstellers
und lässt derselben eine Untersuchung über die politischen, gramma-
tikalischen und anderen Werke von Jurij Krishanitsch folgen.
Als erster biographischer Versuch verdient dieses Werk volle An-
erkennung.
32. N, Kostomarow. Russische Geschichte in Biographien. Lief. VI.
Dieselbe enthält die Biographie Peters des Grossen, Mazeppas, des
Zarewitsch Alexei, des Fürsten Alexander Menschikow und des Erz-
* Dieses Werk ist bereits im X. Bande der «Russischen Revue> (S. 282 - 284) be-
sprochen worden.
458
bischofs Prokopowitsch. In Bezug auf Peter den Grossen weicht
der bekannte Historiker nicht unwesentlich von den andern Histori"
kern der letzten Zeit, Ustrjalow und Ssolowjew, ab. Die Ansicht äus-
sernd, dass die despotische Reform Peters des Grossen kein neues
Russland schaffen konnte, bemerkt Hr. Kostomarow, dass Peter,
der abstrakten Idee vom Staate hingegeben, zu seinem Volke im
Grunde zu wenig herzliche Zuneigung empfunden. «In seinen Au-
gen w, sagt Hr. Kostomarow, «war das Volk nur eine Summe von
Ziffern und ein Material, welches eben zur Bildung eines Staates gut
zu verwenden war*. Ungeachtet dessen hat er sich doch gerade
durch diese Idee um das russische Volk verdient gemacht.
Mazeppa schildert der Verfasser als einen, in Folge seiner Er-
ziehung allem Polnischen huldigenden Charakter; da er aber ein
Klein-Russe war, so schmeichelte ihm die Idee, seinem Vaterlande
politische Unabhängigkeit zu verschaffen. Er hatte aber ausser
Acht gelassen, dass die Masse des klein-russischen Volkes schon
desshalb zu Russland hinzuneigen bereit war, weil die ihr feindliche
Partei der Höherstehenden sich von Russland befreien wollte. Die-
ser Antagonismus im klein-russischen Volke selbst war denn auch
die Ursache, dass Mazeppas Plan misslang.
Als Motiv für die V^rurtheilung des Zarewitsch Alexei zum Tode,
führt Hr. Kostomarow an, dass Peter dem Sohne der Kaiserin Ka-
tharina den Thron und die Erbfolge sichern wollte.
Den Erzbischof Prokopowitsch bezeichnet der Verfasser als einen
der gebildetsten und geistig entwickeltsten Männer seiner Zeit.
33. 5. Ssolowjew, Geschichte Russlands seit den ältesten Zeiten, Bd.
XX VL In den beiden ersten Kapiteln dieses Bandes werden die Er-
eignisse der Jahre 1764 und 1765 geschildert, so z. Ja. die Angele-
genheit Mirowitsch, die Aufhebung der Hetmannswürde in Klein-
Russland, die Wahl des Stanislaus Ponjatowskij zum König von Po-
len, Maassnahmen zur Centralisation der Verwaltung, die Einwande-
rung deutscher Kolonisten, u. s. w. Im dritten Kapitel handelt der
Verfasser eingehend über den Einfluss der französischen Aufklä-
rung auf die russische Gesellschaft, über die Beziehungen der Kai-
serin Katharina 11. zu den Encyklopädisten, über die Erziehung des
Grossfürsten Paul Petrowitsch, über die Thätigkeit der Akademie
der Wissenschaften und der Moskauer Universität bis zum Tode
von Lomonossow und über die ersten Maassregeln der Kaiserin Ka-
tharina II. in Bezug auf den allgemeinen Volksunterricht.
34. Tratschewskij. Der Fürstenbund find die deutsche Politik^ Ka-
tharina ILf Friedrich IL und Joseph IL in den Jahren 1780 — 1786.
In dieser, auf Grund deutscher Archivmaterialien und bisher noch
nicht herausgegebener Aktenstücke aus dem Moskauer Hauptar-
chiv des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten bearbeiteten
Monographie wird der grosse Einfluss der russischen Politik auf die
west-curopäischen Angelegenheiten in jener Zeit dargethan.
35. A. N. Popow. Die Beziehungen Russlands zu den auswärtigen
Mäc/Uen vor Ausbruch des Krieges vom Jahre 1812. Für den Uisto-
459
riker ist dieses Werk namentlich durch die Zusammenstellung der di-
plomatischen Beziehungen zu den west-europäischen Mächten, wel-
che dem Bruche mit Frankreich vorangingen und eine Coalition ge-
gen Napoleon zur Folge hatten, von Bedeutung.
36. Nakko, GescJuchte Bessarabiens. Bd. II. Er enthält die Ge-
schichte dieses Gebiets vom Einfall de^ Batij bis zum Frieden von
Bucharest im Jahre 1812.
3 7 . Bogdanowitsch, Der orientaliscite Krieg von 1853 — 1856. 4
Bände. Als Materialien haben dem Verfasser die besten russischen
und ausländischen Werke, offizielle Berichte, Memoiren (darunter
auch bisher noch unedirte) und mündliche Mittheilungen vieler, an
jenem Kriege betheiligter Personen gedient. Als Ursachen des un-
günstigen Ausganges des Krieges stellt der Verfasser zum Theil die
mangelhafte Bewaffnung unserer Armee und die schlechte Inten-
dantur-Verwaltung hin, als Hauptgrund gibt er aber den Umstand
an, dass man im russischen Heere die günstigen Momente, welche
sich wiederholt darboten, um den Feind empfindlich zu schlagen,
nicht zu benutzen verstand. Dieses zu beweisen, bemerkt der Ver-
fasser, ist das Ziel seiner Arbeit gewesen.
38. L, Wessin. Historische Skizze über die Lehrbücher der allgemeinen
und russischefi Geographie seit Peter dem Grossen bis zum Jahre
1776. Durch geschickte Auswahl aus den früheren Lehrbüchern er-
mögUcht es der Verfasser, die Leser mit dem Standpunkt und den
Auffassungen jener Zeit, in Bezug auf geographischen Unterricht
und Staatsorganisation, bekannt zu machen.
39. A. Ssuc/unnlinaw. Geschichte der Russischen Akade^nie, Bd. III.
Wir finden in diesem neuen Bande die Biographien der Akademiker
S. Kotelnikow, A. Protassow, N. P. Ssokolow, P. B. Inochodzow und
A. K. Kononow. Ferner enthält dieser III. Band noch Angaben über
das akademische Gymnasium und die Universität, über verschiedene
andere Institute der Akademie, über die Thätigkeit der Letzteren,
welche sich namentlich in den wissenschaftlichen Expeditionen zur
Erforschung Russlands aussprach. Die Werke der genannten Aka-
demiker waren besonders Untersuchungen aus dem Bereiche der
Chemie, Mineralogie, Medizin, Mathematik, zum Theil auch der
Geographie und Ethnographie gewidmet. Bemerkenswerth ist, dass
sämmtliche oben genannten Akademiker aus den untersten Schich-
ten des Volkes hervorgegangen sind; sie haben ihre Vorbildung in
der Schule des TheophanProkopo witsch oder in geistlichen Seminaricn
erhalten, darauf den Kursus in der akademischen Universität absol-
virt und ihre Studien in Leipzig, Berlin, Leyden, Strassburg und
Göttingen vollendet.
40. Snamenskij. Handbuch der russischen Kirchengeschichte, Dieses
Buch erscheint jetzt in zweiter verbesserter Auflage, in welcher nun
die russische Kirchengeschichte bis zur Regierung des Kaisers Alexan-
der I. (bis zum Jahre 1801) fortgeführt ist. Es zeichnet sich durch
beachtenswerthen Reichthum an mitgetheilten Thatsachen und durch
möglichst sticngc Objektivität aus.
4^0
41. Rostilawow. Versuck einer Untersuchung über das Besiiztkum
und die Einkünfte unserer Klöster^,
42. Graf D. Tolstoi. Der römische Katltolizismus in Russland.
2 Bände. Nach einer kurzen Skizze der Beziehungen zwischen
Russland und Rom bis zum XVI. Jahrhundert beleuchtet der Ver-
fasser in eingehender Weisfe diese Beziehungen in der darauffolgen-
den Periode bis zum Regierungsantritt des Kaisers Alexander I.
43. Pachman. Geschichte dtr Kodifikation des Gvilrechts. Der
erste Abschnitt enthält eine Skizze der Kodifikations-Arbeiten im
byzantinischen Kaiserreich, bei den Slaven und in West-Europa; im
zweiten Abschnitt die Geßchichte der Kodifikations-Arbeiten in
Russland bis zum Jahre 1826 und dann im dritten Abschnitt den wei-
teren Fortgang derselben vom Jahre 1826 an.
Pie grnsinischen Yolksfest^.
Das grusinische Volk hängt sehr an seinen Kirchenfesten. Ange-
fangen von der Thomas woche (Woche nach Ostern) bis zum No-
vember führt das Volk von Zeit zu Zeit periodische Wanderungen
von einer, durch Jahrhunderte geweihten Oertlichkeit zur andern
aus. Wer als unbetheiligter Zuschauer die Wanderungen solcher
Menschenmassen ansieht, wäre versucht zu glauben, dass das Volk
sich zu einem Jahrmarkte versammle. Der gemeine Mann begibt
sich dahin mit seiner ganzen Familie auf Arben (Wagen), die mit
Teppichen gedeckt sind. Edelleute schaaren sich zu Pferde zusam-
men. Es kommt auch vor, dass ein ganzer Haufen Fussgänger,
ohne Ansehen des Standes — Fürsten, Edelleute, Mann und Weib,
barfuss des Weges dahinzieht, hinter ihm Dienstleute, beladen mit
aller Art Lebensmitteln für drei, vier Tage; Pferde, bepackt mit
Körben von Federvieh; Schafe, Kühe oder gemästete Ochsen, alle
zur Darbringung von Opfern bestimmt, werden mitgeführt. Die
Mehrzahl der frommen Verehrer oder Verehrerinnen des erwählten
Heiligen trägt am Halse eiserne Ringe, sogenannte «scharna»
(«Maale»).
Leute mit solchen Maalep gelten für freiwillige Diener des er-
wählten Heiligen, dem sie sich für eine gewisse Zeitdauer durch ir-
gend welches Gelübde verbunden; zum Zeichen der übernommenen
Verpflichtung tragen sie am Halse jene eiserne Kette oder Ring.
Nach Ablauf eines Jahres oder mehr begeben sie sich zum
* ICixi ausführliches Referat nach diesem Werk gaben wir bereits im IX. Bande der
«Russ. Revue» S. 491 — 512. D. Red.
4^1
Kirchenfest, um im Gebet sich ihrer Knechtschaft zu entäussern.
Nach Darbringung eines Opfers in Gestalt eines Widders oder Stie-
res werden auch jene Maale abgelegt.
Die Kirche selbst ist gefüllt mit freiwilligen Gaben, bestehend aus
kleinen Silber- und Goldgegenständen, den eben erwähnten Ketten,
Ringen, zahlreichen Spindeln mit Garn u.a verschiedenartigen Sachen.
Nicht selten ist selbst die ganze Kirche ringsum mit Garn umwun-
den. In Sswanethien, Ossethien und Thuschethien sind die Kirchen
angefüllt von dargebrachten Pfeilen, Bogen und Tur- (Copra cauca-
sica) oder Hirschgeweihen. In Anbetracht aller jenen, in diesen Kir-
chen aufbewahrten Öpfei^gaben möchte man annehmen, dass, wenn die
KathedralenGrusiensimX.,XI. undXII. Jahrhundert den grusinischen
Königen als Bildergallerien gedient, die kleineren Kirchen in Folge der
in ihnen gefeierten Feste wahre Nationalmuseen gewesen sein müssen.
Noch heute zeigt man in der Mzchether Kathedrale ein goldgestick-
tes und mit einer im höchsten Grade kunstreichen, im XV. Jahrhun-
dert von der Hand der Gemahlin des Königs Alexander, des Erneu-
erers der Mzchether Kathedrale, mit einer Inschrift im Kirchenstyl
versehenes Leichentuch. Dort findet sich auch ein Abendmahlskelch
aus gegossenem Golde, dargebracht vom Könige Heraklius II. und
auf mehr als 4000 Rbl. geschätzt, mit herrlich gravirter Kirchenin-
schrift, ferner eine Kelchdecke in Goldstickerei, dargebracht von
der Königin Tuta, Mutter Wachtong VI., des Gesetzgebers.
Eine historische Erforschung der örtlichen Kirchenfestc würde
uns zu einer genaueren Kunde der alten grusinischen Mythen füh-
ren, die uns viel kostbare Daten für die Entscheidung der wichtigen
historischen Frage über das Verbreitungsgebiet des grusinischen
Volkstammes und dessen vermuthete Verwandtschaft mit der indo-
germanischen Rage (nach den Forschungen von ßopp und Rosen)
bieten würde. In dieser Beziehung sind die Spuren der Verehrung
heiliger Eichen sehr instruktiv.
So, z. B., führt das Mzchether Tempelfest grusinisch den Namen
ssweti-zchowloba (Lebenspendende Säule). Die grusinische Legende
behauptet, dass an der Stelle, wo heutzutage die Kirche steht, es
vormals eine gigantische Eiche gab, die allnächtlich von einer Feu-
ersäule erleuchtet wurde. Das Volk verehrte diese heilige Eiche.
Nach der Taufe des Königs Mirian ward die heilige Eiche abge-
hauen und an ihrer Stelle erst eine hölzerne, dann aber eine stei-
nerne Kirche erbaut. So lautet die Aussage eines achtzigjährigen
Greises in Mzcheth, die er daselbst dem Verfasser dieser Zeilen vor
sechs Jahren gethan. Die christliche Volkssage aber, wie sie der-
selbe von einer mzchether Nonne gehört, verwandelt im Gegensatze
zu der Kartliss-zxhowreba, den grusinischen Annalen, diese Eiche
in eine Kiefer oder Libanon Ceder. Aus diesen Erzählungen ist
deutlich ersichtlich, wie die heidnische Anschauung allmälig chri-
stianisirt wird.
Die erwähnte Nonne erzählte diese Legende in folgender Weise:
«Ein reicher Höfling, Elios mit Namen, seiner Abstammung nach ein
462-
Hebräer aus der Mzchether Kolonie, führte einen Karavanenhandel
mit Jerusalem. Da brachte es denn der Zufall mit sich, dass er zur
Zeit der Kreuzigung des Heilandes in Jerusalem und Augenzeuge
dieses Ereignisses war. Eins d^ Kleidungsstücke Christi, sein Un-
terkleid oder Chiton, ward durch das Leos dem Elios zu Theil.
Nach Mzcheth heimgekehrt, berichtete Elios in den schwunghafte-
sten Ausdrücken und mit Farben, die den tiefsten Glauben ein-
flössten, über Leiden und Sterben des Heilandes. Die Schwester des
Elios nimmt beim Auspacken der, von ihrem Bruder aus Jerusalem
mitgebrachten Sachen des Heilandes Unterkleid und drückt es mit
solcher Inbrunst an die Brust, dass sie auf der Stelle den Geist auf-
gibt. Da es den Verwandten nicht gelang, Christi Unterkleid den
Händen ihrer verschiedenen Schwester zu entwinden, begruben sie
dieselbe mit dem Chiton zusammen unter eirier riesigen Kiefer. Als
dann im IV. Jahrhundert das grusinische Volk das Christenthum an-
genommen, weiset die heilige Nina nach sechstägigem Gebet dem
Volke den Ort, wo der Chiton des Herrn liegt, eben unter einer
riesigen Kiefer. Diese wird umgehauen und man findet unter ihr
das Unterkleid Christi. An dieser Stelle wird eine Kirche er-
baut, deren Mittelsäule aus jener kolossalen Kiefer ausgehauen
wird».
Gegenwärtig prangt an dem Orte, wo zu Anfang des vierten Jahr-
hunderts eine hölzerne Kirche mit der lebenspendenden Säule er-
richtet worden, die herrliche Kathedrale von Mzcheth, das schönste
Denkmal des Kartwelisch-byzantinischen Baustyls, mit einer Mittel-
säule und Kuppel. Am Tage des Kirchenfestes (1./13. Oktober) wer-
den vor jener Kolonne Gebete gehalten und Opfer dargebracht.
Wie die Nonne versichert, ist diese Mittelsäule am selben Orte
errichtet, wo vormals die lebenspendende Säule gestanden, die laut
der Ueberlieferung den Chrisam, das heilige Salböl gegeben, das
aber, in Folge des Besuches der Kirche durch eine Sünderin zur
Zeit ihrer Menstruation zu fliessen aufhörte.
In den angeführten Berichten alter Landesbewohner über den
ssweti-zchoweli (die lebenspendende Säule) zeigt sich deutlich eine
Anspielung auf den vorchristlichen Baumkiiltus.
Nachrichten von einer, der heiligen Eiche dargebrachten Vereh-
rung haben übrigens eine weitere Verbreitung. In Mingrelien führt
der im Kloster Martwili residirende Bischof noch heutzutage den
Titel Tschclumdideli^^ von tschchoni — Eiche, didi — gross, der
Oberpriester der grossen Eiche. In Sswanethien gibt es auf einer
Anhöhe, der Gemeinde Kai gegenüber, eine Kirche der heiligen
Kwirike, die, wie ein Sswaneth dem Verfasser an Ort und Stelle
versicherte, an der Stätte einer heiligen Eiche errichtet worden j die-
ser Eiche wurden vormals Kinder geopfert.
Die Kirchenfeste des Weissen Georg im Dorfe Azchuri in Kache-
' S. die Abhandlung «Heilige Haine und Bäume bei den Kaukasischen Völkern»
von E. Weidenbaum — in den Nachrichten der Kauk. Geogr. Ges., Bd. V (russ.).
463
ihien und des heil. Kreuzes in Alawerdi ebendaselbst werden, der
Ueberlieferung nach, im Centrum vormals existirender heiliger Wäl-
der gefeiert. Der Sage nach befand sich an Stelle der Kirche des
Weissen Georg früher das ausgemcisselte Bild des heil. Georg auf
einer, mitten im Walde stehenden, weissen Marmortafel. Deuten
nicht die Kirchen der Kwirike, Korka, Gerges und des heil. Georg,
die an verschiedenen Orten Kachethiens, unter den Ingiloi (cdie
Neubekehrten» — wie die vormaligen grusinischen Christen von
den muhammedanischeii Bewohnern genannt werden) des Sakataler
Bezirks, in Kartalinien und Imerethien auf eine, in jenen Gegenden
in heidnischer Zeit verbreitete Verehrung des Herkules? In dieser Be-
ziehung bildet die Vertauschung der Verehrung von Eichen mit
dem nationalen Kultus des heil. Georg und heil. Kreuzes eine sehr
bemerkenswerthe Erscheinung und die Untersuchung dieser Frage
müsste die Erforschung der alten grusinischen Mythe unzweifelhaft
zu höchst interessanten Resultaten führen. Bemerkenswerth ist es, dass
man beim Studium dieser Frage sogar das Verbreitungsgebiet der
Verehrung des heil. Georg und des heil, hölzernen lebenspenden-
den Kreuzes zu verfolgen vermag. Wenn man durch den Rhion und
die Kura eine Linie zieht, so herrschen nördlich von derselben,
selbst mit Einschluss von Gurien und der Küste des Lasistans die
Kirchenfeste zu Ehren des heil. Georg und des segenspendenden
hölzernen Kreuzes vor, während südlich von dieser Linie, im alten
Kappadocien, im südlichen Theile des Pontus und am Südabhange
des kleinen Kaukasus die Verehrung der Menü oder Maja — der
Göttin der Fruchtbarkeit der Erde oder . der Ernte verbreitet ist.
Diese Verehrung der Maja ging, wie es scheint, in der Folge in den
christlichen Kultus der heil. Maria über. Wer die Gegend des alten
Pontus bereiste, hatte mehr als einmal Gelegenheit, auf die Ruinen
alter heidnischer Tempel zu Ehren der Gottheit Ma zu stossen, de-
ren Feier, nach Texier, in verschiedenen Gegenden Kappadociens
und des mittleren Pontus in den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 15.
August fiel. Die christliche Weltanschauung übertrug, wie wir gese-
hen, in der Folge diese Feier auf den 15. August — den Tag der
Himmelfahrt Maria. Im obern Imerethien, im Bezirke von Ssatsch-
cheri des Gouvernements Kutalss gelten für Kirchenfeste bloss die
Tage der beiden vornehmlich verehrten Nationalheiligen: die
Feste Georgoba und Majoba oder Marioba (den heil. Georg und
der heil. Maja oder Maria zu Ehren). Nicht weit von Riso (Irisse) im
Türkischen Lasistan liegt am Ufer des Schwarzen Meeres das Dorf
Athina, Hierher retten sich die türkischen Schiffer zur Zeit des Un-
wetters. Dort, auf einer Anhöhe, stehen die Ruinen eines alten heid-
nischen Tempels. Der berühmte Geograph C. Ritter behauptete
schon in seiner Erdkunde, dass diese Benennung nicht griechisch
sei, sondern vom Namen einer Frau Athina abstamme, der zu Ehren
hier ein Tempel bestanden hätte. In Grusien gibt es den Frauenna-
men Tfuna, In der Landessprache bedeutet T/Una die Morgeiiröthe,
woher das grusinische Wort dina oder dila — der Morgen, her-
464
kommt Noch heutzutage wird von der grusinischen Bevölkerung
das Lied Atfiina-tltina, das im Munde des Landvolks in Adila-dila
verändert worden — ein Lied zu Ehren des Morgens, gesungen. In
diesem Liede wird wirklich der Morgen — die Erscheinung des
Lichts in Gestalt eines lieblichen Weibes, der Thina, verherrlicht.
Eine Festlichkeit zu Ehren dieser Thina besteht noch heutzutage
im Lasistan; ist aber das grusinische W ol^sWtA AdiUidila — das
Lied zu Ehren des Morgens, nicht vielleicht eine spätere Modifika-
tion des Hymnus auf jene Naturerscheinung?
Im Dorfe Bandsa in Mingrelien herrscht der Gebrauch, am Oster-
tage eine Eiche mit der Wurzel auszureissen, in Ermanglung einer
Eiche aber wird irgend ein anderer Baum entwurzelt. Im Dorfe
yiori im Ssamursakan gibt es eine Kirche des heiligen Georg,
in welcher der Heilige an seinem Tempelfeste selber verpflichtet war,
sein Opferthier, einen ungezähmten Bullen, herbeizuführen. Der
Ueberlieferung nach brachte der Heilige vormals in Wirklichkeit
alljährlich regelmässig am Morgen seines Tempelfestes den Bullen
herbei ; doch hörte, wie man sagt, dieses Wunder seit der Einver-
leibung des Ssamursakan in's K\itaisser Gouvernement auf.
Jenes Wunder geschah aber folgendermaassen: die Kircheneinfrie-
digung ward verschlossen und den Schlüssel nahm der Igumen (He-
gumenos, Abt) zu sich. Am Morgen, wenn der Abt sich zur Früh-
messebegab, umdasThor der Kircheneinfriedigung zu öfi"nen fand man
im Innern derselben den, dem heiligen Georg zum Opfer erkorenen
Bullen vor. Das Volk erzählt sich, dass einstmals ein namhafter
Molla, in der Absicht, es koste was es wolle, den Glauben an dieses
Wunder des heiligen Georg zu beseitigen und das Volk von Ssamur-
sakan in seiner muhammedanischen Religion zu befestigen, behaup-
tete, der heilige Georg vermöge auf keinen Fall seinen (des Mollas)
ungezähmten Bullen herbeizuführen, woher er, zur Widerlegung des
volksthümlichen Glaubens an den heiligen Georg, selbst die Nacht
über in der Einfriedigung der Kirche bis auf den Morgen ohne das
Auge zuzuthun, verbleiben wolle. Wie gross war das Erstaunen
des Volkes von Ssamursakan, als es am folgenden Morgen
den Molla, dem Willen des heiligen Georg gemäss, für seinen Zwei-
fel an der Macht des Heiligen von seinem eigenen Jatagan durch-
bohrt und seinen ungezähmten Bullen dennoch in der Kircheneinfrie-
digung umhergehen fand. Gewöhnlich erstach man den vom hei-
ligen Georg von Ilori herbeigeführten Bullen nach der Morgenmesse
und vertheilte sein Fleisch stückweise, wie Reliquien. Nach einem
Stückchen Fleisch vom Ochsen des heiligen Georg von Ilori sand-
ten nach Abchasien ihre Eilboten die Fürsten von Mingrelien, Gu-
rien und Sswanethien. Der Verfasser hatte selbst Gelegenheit, ein
Stückchen Fleisch von diesem Opferthiere bei einem der Fürsten
von Mingrelien in trockenem Zustande aufbewahrt zu finden.
Gehen wir nun an eine Beschreibung der Feier des Tages des
:£
466
Krug wirft; man führt ihm ein Schaf vor — er sengt ihm an der
Stirne das Haar ab und spricht dabei:
cEmpfange es als Opfer von deinem Knechte Andreas, oder Peter
u. s. f.*
Hier steht auch der Diakon; an ihn treten Leute 'mit dünnen»
eisernen Reifen am Halse und anderen, «Scharna» genannten Maalen
heran; er schneidet ihnen mit der Scheere eine Haarlocke ab, nimmt
ihnen jene Maale ab und gibt Ihnen damit die Freiheit wieder. Dar-
nach ist, wer ein Gelübde gethan, jeglicher Verpflichtung dem Weis-
sen Georg gegenüber enthoben. Es erscheint ein Bauer, oflenbar ein
armer, da er bloss ein Huhn und einige Brodfladen vorstellt; auch
vop ihm wird das Geopferte in Empfang genommen, wobei der
Geistliche die übliche Formel hersagt nnd ein Stückchen Brod ab-
bricht Es ist keine Seltenheit unter den Opfernden einen muham«
medanischen Lesghier oder Tataren anzutrefl'en. Dort, bei der
Kirche, bildet eine Gruppe von Weibern in weissem Anzüge eine
Art von Prozession. Jede trägt am Halse eine eiserne, der Kirche
gehörige Kette, wenigstens ein Pud an Gewicht. Die Weiber rücken
langsam auf den Knieen vorwärts und befestigen von Zeit zu Zeit
an die Kirchenwand brennende Lichter; sie umwandeln die Kirche,
wie die Druiden um die heilige Eiche herumzogen; dabei umwindet
eine derselben die Kirche mit einem weissen Baumwollenfaden, die
Spindel in den Händen abrollend; ihnen folgt eine Menge von Wall-
fsäirern nach. In diesem Augenblicke erschallt der Ruf: «Platz ma-
chen, Platz machen» !
Man führt zum Geistlichen einen gemästeten Ochsen mit zwei
brennenden Kerzen auf den Hörnern.
Der Geistliche nimmt das Opfer in Empfang, sengt, dem Brauche
nach, dem Ochsen das Haar an der Stirne ab und entläst ihn. Dabei
bildet sich eine wahre Prozession zu Orte hin, wo der mit Kerzen
geweihte Ochs zum Opfer fallen soll!
. Der Opfernde wirft auf den Ochsen eine Seilschlinge ; in einem
Augenblicke schnürt die Schlinge dem Opfer den Hals zu und es
fällt auf die Erde. Das Volk ruft dazu:
«Heil deiner wunderthätigen Kraft, heiliger Weisser Georg; wie
schnell fühlte der Stier die Kraft des Heiligen ! Sofort sank er zu
Boden».
Man bohrt ihm einen Kinshal (Dolchmesser) in die Kehle. Wuth-
entbrannt erhebt sich der Stier; doch drei, vier Mann, sich auf den-
selben werfend, strecken das Opfer auf den Platz hin. Dabei entsteht
im Volke ein Murren; man hört die Ausrufe:
»Das Opfer war nicht von reinem Herzen gebracht, sonst hätte
das Thier sich nicht vom Platze gerührt*.
Mitternacht ist vorbei. Auf dem unermesslichen Räume um die
Kirche, in den Wäldern, auf den Rainen, in der Ebene flammen
zahllose Scheiterhaufen auf, von Zeit zu Zeit ertönen Schüsse.
Im Hofraume der Kirche, auf einer andern Seite, drängt sich das
Volk zusammen und bildet einen grossen Kreis. Alle stehen ent-
468
geordnet, Reigengesänge erschallen lassen. Inmitten dieses allge-
meinen Getöses und Lärmens erklingen am lautesten die durch-
dringenden Noten der Suma ....
(Aus der Zeitung «Kawkas», H 229 und 230,1878.)
Ble rnsslsche Gesetzgebung über die Tabaks-
bestenerang.
Die Russische Gesetzgebung über die Besteuerung des Tabaks
ist in der Verordnung vom 4. (16.) Juni 1871, theilweise modificirt
durch das Gesetz vom 6. (18.) Juni 1877, dargelegt. Wir werden zu-
nächst die Verordnung vom Jahre 1871 kurz besprechen und dann die
Veränderungen folgen lassen, welche im vergangenen Jahre einge-
führt worden sind.
Die Grund-Prinzipien dieser Verordnung, welche sich nicht
wesentlich von denen der früheren Gesetze aus den Jahren 1 861 und
1848 unterscheiden, sind zunächst der Hauptsache nach folgende:
Die Steuer wird in der doppelten Form einer von den Fabrikanten,
den Tabakshändlern en-gros und den Detaillisten jeder Kategorie be-
zahlten Patentsteuer und einer «Fabrikat-Steuer, deren Bezahlung
vermittelst der Banderollen festgestellt wird, erhoben. Der ausländi-
sche Tabak unterliegt einer Zoll-Gebühr.
Der Tabaksbau im Innern des Landes ist vollständig frei. Das
Gesetz fordert von den Pflanzern keine vorgängige Deklaration und
unterwirft dieselben keiner Ueberwachung; es gibt ihnen ausdrück-
lich das Recht, sich für ihren persönlichen Gebrauch Tabak zuzube-
reiten, uffter der Bedingung, sich zu diesem Zwecke nur eines ein-
fachen Messers zu bedienen und keinen komplizirten Apparat in
Anwendung zu bringen. Es ist den Pflanzern untersagt, den auf
diese Weise zubereiteten Tabak zu verkaufen.
In den polnischen Provinzen, die bis zum Jahre 1872 einem Spe»
zial-System unterworfen waren, welches mehrere Jahre hindurch das
des Monopols gewesen war, unterliegt der Tabaksbau folgenden
Bedingungen: Jeder, der Tabak anbauen will, muss vor dem
I . Mai unter Angabe des zu bepflanzenden Terrains bei der Erhe-
bungsstelle der indirekten Steuern eine Deklaration einreichen; die
Ausdehnung dieses Terrains muss sich auf wenigstens 140 Quadrat-
Faden belaufen. Während der Monats Juli stellen die Kommunal-
Behörden ein Verzeichniss der Tabakspflanzungen auf, welches von
Beamten der Verwaltung der indirekten Steuern verifizirt wird. Die
Pflanzer sind verpflichtet, bis zum i. Januar jedes Jahres die Erzeug-
4^9
nisse ihrer Ernte an die Tabaksfabrikanten des Inlandes zu verkau-
fen oder dieselben nach dem Auslande auszuführen. Tabak, welcher
nach diesem Termin keinen Absatz gefunden hat, wird auf Kosten
der Pflanzer in den, unter Kontrolle und Ueberwachung der Verwal-
tungsbehörden stehenden Niederlagen deponirt.
Der Handel mit Roh-Tabak, d. h. mit Blätter-Tabak ist zum gros-
sen Theil vollständig von jeder Kontrolle befreit; die gesetzlichen
Verordnungea erstrecken sich nur auf die Cirkulation der Waare und
auf den Handel in den Niederlagen; wir werden später im Einzelnen
zeigen, dass die Gesammtheit dieser Maassregeln nur ein sehr indirek-
tes Mittel bietet, um die den Fabriken gelieferten Tabaks-Quanti-
täten festzustellen, dass dieselbe aber dafür keine Garantie liefert,
dass aller im Lande erzeugte Tabak erst nach Zahlung der Steuer
in Gebrauch kommt.
Jeder Pflanzer hat das Recht, an Ort und Stelle Blätter-
Tabak an Jeden, sei er Tabakfabrikant oder nicht, zu verkaufen.
Die einzige Einschränkung bei diesen Verkäufen ist die, dass die-
selben nicht weniger als ein Pud betragen dürfen. Ferner haben
die Pflanzer unter derselben Einschränkung das Recht, die Erzeug-
nisse ihrer Ernte auf den Messen und Märkten unter der Bedingung
zu verkaufen, dass der Verkauf am öffentlichen Orte (vom Wagen
oder Karren aus) stattfindet. Der von den Pflanzern auf die Märkte
und Messen gebrachte Tabak muss von einem, von den Kommunal-
behörden ausgestellten Schein begleitet sein.
Jeder Kaufmann erster oder zweiter Gilde hat das Recht, Läden
für den en-gros- Verkauf von Rohtabak zu eröffnen ; ausser dem
Handels-Patente muss er ein Spezial-Patent erwerben, dessen Preis
unten angegeben werden wird. Diese Läden oder Niederlagen kön-
nen sowohl in- und ausländischen Rohtabak als auch Blätter-Tabak
und Tabaks-Fabrikate verkaufen (diese letzteren in Quantitäten
nicht unter 20 Pfund Tabak, lOOO Cigarren und 4000 Cigaretten)^
Blätter-Tabak darf nur in Quantitäten von 3 Pud und mehr ver-
kauft werden — inländischer an Jedermann ohne Einschränkung, aus-
ländischer ausschliesslich nur an Tabaksfabrikanten oder an Tabaks«
händler en-gros.
Die Tabaks-Niederlagen sind der Kontrolle der Verwaltung der
indirekten Steuern unterworfen; die Eigenthümer sind verpflichtet,
über Ab- und Zugang Buch zu führen und allmonatlich, sowie am
Schlüsse eines jeden Jahres, der Verwaltung Auszüge aus ihren Bü-
chern einzureichen. Jeder, für eine Niederlage bestimmte Tabaks-
transport muss von einem Schein begleitet sein, welcher in dem
Falle, wo der Ankauf direkt beim Pflanzer stattgefunden hat, von
der Kommunalbehörde ausgestellt ist. Kommt die Sendung von ei-
nem en-gros-Händler, so wird der betreffende Schein von der Ver-
waltung der indirekten Steuern ausgefertigt. Für die ausländischen
Tabake werden diese Begleitscheine durch, von der Zollbehörde
ausgestellte Passirscheine ersetzt.
Auf diese Weise kann kein Tabak ohne einen Beleg in eine Nie-
471
zeigt; auf diese Weise ist es dann möglich, die Quantität des, zur
Anfertigung von looo Stück jeder Sorte erforderlichen Tabaks zu
bestimmen.
Rauch- und Schnupf-Tabak, Cigarren und Cigaretten müssen in
der Fabrik selbst in Kisten, Schachteln oder geschlossenen Päck-
chen verpackt werden, auf welchen der Name des Fabrikanten oder
die Fabrikfirma, Netto-Gewicht und Stückzahl angegeben sind; jede
Schachtel (Kiste) oder jedes Packet muss mit einer Banderolle
umgeben werden.
Die zum Handel fertigen Fabrikate müssen in einem besonderen
Magazin aufbewahrt werden, welches nicht in unmittelbarer Ver-
bindung mit der Fabrik stehen darf. Die Fabrikanten dürfen di-
rekt aus diesen Magazinen nur Quantitäten von mindestens 20
Pfund Rauch- und Schnupf-Tabak, 1000 Cigarren und 4000 Ci-
garetten verkaufen. Die an die Detaillisten verkauften Waaren
müssen von einem Schein begleitet sein, welcher vom Fabrikan-
ten unterzeichnet ist und das Gewicht und die Art der Artikel an-
gibt.
Der Detail- Verkauf der Tabaks-Fabrikate kann in den Magazinen
und Tabaksläden, in Restaurants, an Büffets, in den Etablissements
zum Verkauf von Spirituosen, sowie durch Hausirer stattfinden.
Alle diese Verkaufsstellen und Personen müssen eine Patentsteuer
zahlen, deren Höhe je nach den Verkaufsbedingungen und der Be-
völkerüngs-ZiflFer des Ortes variirt.*
^ Der Tarif dieser Abgaben, wie ihn das Gesetz von 1877 f<eststellt ist, folgender:
1. Tabaks-Fabriken:
In den beiden Hauptstädten, in Riga, Odessa und in den polnischen Stildten 300 R.
In allen anderen Städten 150 R.
Orte.
Klassen«
I. n. m.
R« R« R«
2. Läden, welche den Verkauf inländischen Blätter-Tabaks en gros be-
treiben • 100 65 30
Läden, welche den Verkauf von inländischem und ausländischem
Blätter-Tabak und von ausländischem Fabrik-Tabak en gros be-
treiben 150 100 50
3. Läden, welche den Verkauf von inländischem Blätter-Tabak und von
in- und ausländischem Tabaksfabrikat en detail betreiben .... S^ 3S ^S
Verkaufslokale :
Für den Verkauf von inländischem Blätter-Tabak und Tabaksfisbrikat ao 15 lO
Für den Verkauf von inländischem Tnbaksfabrikat 15 10 5
4« Etablissements mit der Erlaubniss zum Einzel -Verkauf von Cigarren
und Cigaretten:
a) Weinkeller, Hotels, Caf6's, Konditoreien, Klubs und Restau-
rants 60 30 15
b) Brauereien, Branntweinschänken und Herbergen 30 15 10
c) Büffets in den Theatern, auf den Eisenbalm- und Dampf-
schiffs-Stationen • .«» 15 "*"
(Alle diese Etablissements bezahlen nur ein Drittheil der Steuer,
sobald sie den Verkauf von Cigarren und Cigaretten nicht stttok-
472
Die Lädenund Verkaufsstellen dürfen Tabak, Cigarren und Ciga-
retten nur in geschlossenen Schachteln (Kistchen) und Päckchen
verkaufen, welche mit der Banderolle versehen sind. Aller Vorrath
von Tabak, welcher dieser Vorschrift nicht entspricht, kann konfiszirt
werden. Jedoch ist es den Händlern gestattet, Schachteln von V«
Pfund Tabak jeder Sorte und Packete von lo Stück Cigarren offen
zu halten, um den Käufern Proben anbieten zu können.
Die Läden und Verkaufsstellen können von Verwaltungsbeamten
kontroUirt werden, welche das Recht haben, in denselben Nach-
suchungen anzustellen, um sich zu vergewissern, ob sich nicht Ta-
baks-Vorräthe ohne Banderolle darin befinden.
Das sind die wesentlichen Verordnungen des Gesetzes vom Jahre
1871. Dieses Gesetz, welches in mehr als einer Beziehung die Un-
vollständigkeit der Verordnung vom Jahre 1861 beseitigt hatte,
hat schon im ersten Jahre seiner Wirksamkeit das Resultat gehabt,-
dass die Einnahmen aus der Tabakssteuer in ziemlich bedeutendem
Maasse anwuchsen; dieselben stiegen von 8,400,000 Rbl. im Jahre
1871 auf 10,200,000 Rbl. im Jahre 1872. Während der folgenden
Jahre jedoch blieb die Einnahme unverändert, obwohl das den Fa-
briken gelieferte Tabaksquantum im Wachsen blieb; der Steuerertrag
des Jahres 1875 wies sogar im Vergleich zu dem Vorjahre eine Min-
der-Einnahme von 120,000 Rbl. nach.
Die vom Finanz-Ministerium gesammelten Nachweise boten
die Möglichkeit, diese Erscheinung zu erklären. Das Gesetz vom
Jahre 1871 hatte ebenso wie die früheren Verordnungen für die
Banderollen einen, dem Preise des Fabrikates proportionalen Tarif
in der Gestalt angenommen, dass die Steuer im Durchschnitt den
dritten Theil des Preises der besteuerten Waare ausmachte. Die Er-
fahrung hat aber gezeigt, dass das System einer Werth-Steuer ei-
nen Betrug zur Folge hatte, welchen die strengste Kontrolle fast
nicht im Stande war zu unterdrücken. Da die bessere oder schlech-
tere Qualität des Tabaks sich nicht durch den blossen Augenschein
erkennen lässt, so war den Fabrikanten die volle Möglichkeit gebo-
ten, niedrigere Banderollen bei Tabak, Cigarren und Cigaretten
besserer Qualität zu verwenden. Zwar waren sie hierbei genöthigt,
auf den Schachteln oder Päckchen den Banderollen entsprechende
niedrigere Preise anzugeben; aber sofern nur ihre Kunden und die
Händler in das Geheimniss eingeweiht waren, durfte es ihnen nicht
schwer fallen, die Waare zu ihrem wirklichen Preise an den Mann
zu bringen.
Die Händler verständigten sich ihrerseits in ähnlicher Weise mit
den Käufern. Die Behörde blieb solchen betrügerischen Manövern
webe, sondern nur in geschlossenen Schachteln und in Päck-
chen betreiben, welche verklebt und mit der Banderolle ver-
sehen sind.)
i. Htusirer von 15 bis 3 Rbl«
473
gegenüber fast machtlos. Das Gesetz untersagte zwar formell jeden
Verkauf von Tabak zu einem höheren, als dem, auf den Schachteln
und Päckchen verzeichneten Preise und bedrohte derartige Defrau-
dationen mit Strafe, aber es ist klar, dass solche Uebertretungen
fast nie nachgewiesen werden konnten. Das Gesetz gestattete
unter Anderem der Behörde, für eigene Rechnung sämmtliche in
einem Tabaksladen lagernden Waaren zu den, auf den Schachteln
und Päckchen genannten Preisen aufzukaufen; aber es war stets
riskirt, von diesem Mittel Gebrauch zu machen; auch griff man dazu
nur sehr selten und nur in Fällen, wo die Defraudation keinem Zweifel
unterlag. Wenn es schwer, ja fast unmöglich war, gegen solche
Defraudationen anzukämpfen, so war es andererseits sehr leicht, wahr-
zunehmen, in welchem grossen Maassstabe dieselben ausgeführt wur-
den und* zu erkennen, wie viel dem Staatsschatz dadurch verloren
ging. Dieser Verlust Hess sich klar dadurch konstatiren, dass die
Anwendung der für die besseren Tabaksorten bestimmten Bande-
rollen sich stetig verminderte und die Benutzung der Banderolle zu
niedrigem Preise wuchs. Es war allgemein bekannt, dass diese betrü-
gerische Praxis ganz offen gehandhabt wurde; die Tabakshändler hat-
ten sich so sehr daran gewöhnt, dass sie jedem beliebigen Käufer
Tabak und Cigaretten «mit niedrigerer Banderolle» offerirten.
Die vorerwähnte Bestimmung des Gesetzes vom Jahre 1871, nach
welcher der Tabak nicht unter dem auf dem Päckchen angegebenen
Preise verkauft werden konnte, hatte noch eine andere nachtheilige
Folge. Nach dem Tarif vom Jahre 1871 war der Rauchtabak
schlechtester Sorte einer Steuer von 4 Kop. pro Pfund unterworfen,
und konnte somit das Pfund nicht billiger als zu 12 Kop. verkauft
werden. Nun konnte aber nach den, bei den Fabrikanten gesam-
melten Angaben der Tabak schlechtester Sorte, welcher unter dem
Namen Machorka bekannt ist und ausschliesslich vom gemeinen
Mann geraucht wird, zu diesem Minimal-Preise nicht geliefert wer-
den, und daraus folgte, dass die Fabrikation dieser Tabaksorte, zum
Nachtheil der Staatsschatzes, vollständig fallen gelassen wurde; denn
der gemeine Mann benutzt fast ausschliesslich Blätter-Tabak, wel-
cher, wie wir oben sahen, von jeder Abgabe frei ist.
Um diesen beiden Uebelständen abzuhelfen hat das Gesetz von
1877 (in Kraft seit dem I.Januar 1878) für alle Tabakssorten, mit
Ausnahme der schlechtesten Qualität (Machorka)^ einen gleichförmi-
gen Tarif von 24 Kop. für das Pfund Rauch- und Schnupftabak, von
15 Kop., für 100 Cigaretten und von 60 Kop. für 100 Cigarren ange-
nommen. Der Machorka ist einer Steuer von 2 Kop. pro Pfund
unterworfen und darf, die Steuer miteingerechnet, nicht theurer als
20 Kop. pro Pfund verkauft werden.
Dieser, zu Gunsten des für den Gebrauch des Volkes bestimmten
Tabaks redüzirte Tarif wird, wie man annimmt, die Defraudation
nicht so erleichtern, als der graduirte Tarif von 187 1, da es nicht
schwer ist, diesen Tabak beim ersten Anblick von demjenigen zu
unterscheiden, dessen sich die bemittelten Klassen bedienen. Nichts-
474
destoweniger verordnet das Gesetz von 1877, dass der Machorka
nur in besonderen Fabriken oder wenigstens in Räumen zube-
reitet werde, welche von den, für die Fabrikation der besseren Ta-
bakssorten bestimmten Etablissements getrennt sind; ferner stellt
das Gesetz eine ganze Reihe von Ueberwachungsmaassregeln und
strafrechtlichen Bestimmungen fest, um den Missbräuchen vorzubeu-
gen, welche die Fabrikation und der Verkauf eines Tabaks nach
sich ziehen könnten, der einer zwölfmal geringeren Steuer unter-
liegt, als die anderen Tabaksfabrikate.
Nach den, zur Zeit der Einbringung des Gesetzentwurfes vom Jahre
1877 angestellen Berechnungen müssten die beiden erwähnten
Maassregeln, sowie die Erhöhung der Patentsteuer der Verkäufer
eine Mehreinnahme von 6,400,000 Rbl. ergeben.
Wir wissen nicht, ob diese Voraussetzungen sich erfüllt haben
und können gegenwärtig nur die, auf die Einnahme aus der Tabaks-
steuer nach den Budgets von 1872 — 1876 bezüglichen Zahlen an-
führen:
Patent- Bande- Geldstrafen und Zoll-
Steuer. rollen. Konfiskationen. Gebühren.* Im Ganzen.
Millionen Rubel.
/ ^ K
1872 1,264 8,944 26 ii4i6 11,651
.1873 1,251 9,089 28 3,382 11,760
1874 1,265 9,449 23 1,406 12,143
187 s 1,344 9,251 21 1,483 12,099
1876 10,518 2,788 13,305
Die Einnahme vom Tabak, deren im Jahre 1876 erhöhte Ziffer sich
auf den beträchtlichen, durch ausserge wohnliche Ursachen (Erhebung
der Zollgebühren in Gold seit dem Jahre 1 877) hervorgerufenen Im-
port von fremdem Tabak bezieht, tritt in der Gesammtheit der bud-
getmässigcn Einnahmen dieses Jahres (540,114,000 Rbl.) nur im
Verhältniss zu 2,4 pCt. auf. Zieht man nur die Bevölkerung des
europäischen Russland'^ in Betracht, so ergibt die Tabakssteuer eine
Einnahme von 20 Kop. pro Kopf. Nimmt man an, dass die Voraus-
setzungen des Finanz-Ministeriums sich rechtfertigen und dass die
Tabaksteuer mit Einschluss der Zollgebühren in diesem Jahre 20
Millionen einbringt, so würde der Ertrag dieser Steuer in der
Gesammteinnahme unseres Budgets 3,7 pCt. nicht überstei-
gen und der Durchschnittsbetrag pro Kopf sich auf 30 Kop. be-
laufen.
Ohne hier auf die Frage eingehen zu wollen, ob und wie durch
eine Veränderung des bisherigen Systems eine Mehreinnahme aus
' Der auslfindische Tabak zahlt beim Import pro Pud: Blättertabak 14 Rbl., Rauch
tabak 26 Rbl. 40 Kop., Schnupftabak 35 Rbl. 20 Kop., Cigarren 38Rbr. Die Steuer'
von 14 Rbl. fiir Blättertabak wird seit 1877 erhoben, früher betrug die Steuer 4 Rbl.
20 Kop. pr. Pud.
' 65 Millionen nach der Zählung von 1870.
475
der Tabakssteuer zu erzielen sei, beschränken wir uns darauf, auf
die fehlerhaften Seiten unseres fiskalischen Systems hinzudeuten. Es
scheint uns übrigens, dass die einfache Darlegung unserer Gesetzge-
bung dieselben genügend hervortreten Hess, und wir halten es für
kaum nothwendigy uns noch des Breiteren darüber auszulassen.
Es ist vollständig klar, dass ein Besteuerungs-Verfahren, wel-
ches sich darauf beschränkt, nur die Fabrikation eines besteuerten
Artikels und. den Verkauf des Fabrikats der Kontrolle zu unterwer-
fen, dem Fiskus nur unter der Bedingung ernste Garantien bietet,
dass der zu besteuernde Artikel im Rohzustande für den Verbrauch
nicht geeignet ist und dass die Fabrikation ein Verfahren oder
Apparate erfordert, welche ein einzelnes Individuum nicht anwenden
könnte, ohne die Aufmerksamkeit der Steuer- Beamten auf sich .zu
ziehen.
Diesen Bedingungen entsprechen die alkoholischen Getränke und
der Zucker; somit lassen sich diese Artikel unter Gestattung der
freien Cirkulation sowie des Körner- und Rübenhandels wirksam be-
steuern. Ganz anders steht es mit dem Tabak, dessen Eigenschaf-
ten durch das Fabrikations-Verfahren nur sehr wenig verändert
werden können. Nur die Anfertigung von Cigarren und Schnupfta-
bak bereiten einige relative Schwierigkeiten. Was den Rauchtabak
betrifft, so ist derselbe gewissermaassen schon Fabrikat, sobald die
Fermentation der Blätter beendet ist. Sobald also unsere Gesetz-
gebung sich der Ueberwachung des Tabaksbaues begibt und den
Verkauf sowie, die Cirkulation des Tabaks in Blättern zulässt,
verzichtet sie freiwillig auf einen Steuerertrag von all dem Tabak,
welcher nicht in den Fabriken bearbeitet wird. Unsere Gesetze ent-
halten wohl eine Reihe von strafrechtlichen Verordnungen betreffs
jder Pflanzer, welche Tabak ausserhalb der Fabriken präpariren etc.,
aber es ist vollständig klar, dass diese Verordnungen kein anderes
Schicksal haben können, als das, ein todter Buchstabe zu bleiben;
um sie wirksam zu machen, müsste man Tausende von Aufsichtsbe-
amten haben und auch dann würde es noch tausend Wege geben,
um sich der Kontrolle zu entziehen.
Diese Bemerkungen beziehen sich hauptsächlich auf den vom
Volke konsumirten Tabak; der gemeine Mann bedient sich be-
kanntlichi nicht nur in den Tabaksbau treibenden Provinzen, son-
dern auch in den nördlichen Gouvernements, des Tabaks in Blät-
tern. Dieser, dem Fabrikationsverfahren nicht unterworfene Tabak
bleibt von aller Besteuerung frei. Das Gesetz von 1877, welches die
Fabrikation des unter niedrigerer Banderolle verkauften billigen Ta-
baks gestattet und welches zugleich die, sich auf den Handel mit
Blättertabak beziehenden gesetzlichen Verordnungen nicht abgeän-
dert hat, dürfte nach unserem Ermessen keine grossen praktischen
Resultate aufweisen können; welche Gründe könnte in \Virklichkeit
der Bauer haben, Tabak unter Banderolle zu kaufen, wenn er,
sich Tabak von einer vielleicht etwas geringeren Qualität steuerfrei
verschaffen kann?
47^
Es lässt sich leicht mit Zahlen nachweisen, wie beträchtlich die
Quantitäten sind, welche in Folge unseres fiskalischen Systems sich
der Besteuerung entziehen. Nach, vom Finanz-Ministerium gesam-
melten Angaben wurden im Jahre 1874 in den Provinzen des euro-
päischen Russlands mit Einschluss der polnischen Gouvernements
2,600,000 Pud Tabak geerntet. Diese Zahl basirt auf den Angaben
der Communalbehörden, welche, wie es unter ähnlichen Umständen
immer der Fall ist, die wirklichen Zahlen tendenziös heruntersetzen ;
wird doch auch geltend gemacht, dass in Wirklichkeit die jährliche
Tabaks-Produktion in Russland nicht weniger als 3,500,000 Pud be-
trägt. Um indessen nicht den Vorwurf der Uebertreibung auf uns
zu laden, werden wir an der offiziellen Ziffer von 2,600,000 Pud
festhalten.
Während desselben Jahres 1874 wurden vom Auslande 248,000
Pud Tabak in Blättern importirt; unser Export nach dem Auslande
beHef sich an Rohtabak und Fabrikaten auf 200,000 Pud. Nun ha-
ben im Jahre 1874 die Fabriken für den Konsum im Ganzen nur
1,263,696 Pud geliefert, so dass wenigstens 1,385,000 Pud Tabak
ohne Besteuerung konsumirt sein müssen.
Nach unserer Meinung liegt in diesen Ziffern die beredteste Verur-
theilung unseres Steuer-Systems. Man darf nicht aus dem Auge ver-
lieren, dass mehr als die Hälfte des im Lande konsumirten Tabaks sich
zu einer Zeit der Besteuerung entzogen hat, wo der Steuersatz im
Prinzip nur den dritten Theil des Werthes des besteuerten Quantums
ausmachte und wo, wie wir eben gezeigt haben, die Defraudation,
welche in Folge des graduirten Tarifs in der Praxis grosse Dimen
sionen annehmen konnte, dahin zielte, den Steuersatz für die besse-
ren und mittleren Tabake herabzusetzen. Was würde erst gesche-
hen, wenn der Tabak bei uns mit der Hälfte seines Werthes odet
höher besteuert würde, wie es unter der einen oder der andern Form
in Frankreich, England und Oesterreich geschieht?
Kleine Mittheilnngen.
(Statistische Notizen über den Grundbesitz im Gou-
vernement Tula gegen Ende des Jahres 1877.) Die ge-
sammten Liegenschaften des Gouvernements nehmen eine Fläche
von 2,672,367 Dessjatinen 1378 Faden ein. Davon befanden sich:
Dessjatinen. Faden,
I. im Gemeindebesitz der Bauern 1,258,148 1558 oder 47,1 pCt.
II. im Einzelbesitz der Bauern. . 115,124 375 » 4,3 »
III. im Besitz von Personen ver-
schiedenen Standes und des
Staates 1^299,094 1845 » 48,6 »
477
Man zählte im Gouvernement 10,840 Gutsbesitzer, und zwar:
Bauern 5055 oder 46,7 pCt.
Edelleute ..... 3506
Kirchen und Klöster . 769
Kleinbürger .... 657
Kaufleute 480
Verschiedenen Standes 222
Geistlichen Standes • 151
32,3
7,0
6,1
4,4
2,1
Von der in der HI
Edelleuten . .
Kaufleuten . .
Bauern . . .
Dem Staat . .
Rubrik aufgeführten Dessjatinenzahl gehörten :
. 1,035,344 Dessj. 1932 F. oder 79,7 pCt.
87,833 * 592 » • 6,8 »
60,806 • 2087 » » 4?7 »
42,424 » 2360 * » 3,2 »
Kirchen und Klöstern 39,935 * 702 * » 3,1 »
Kleinbürgern . . . 19,340 * 872 » » i,5 ■
Pers. versch. Standes 9,106 » 2226 > » 0,7 »
.» geistl. ■ 4,252 * 674 » » 0,3 »
Somit befindet sich fast Vs des in der UI. Rubrik aufgeführten
Areals in den Händen des Adels. Durchschnittlich ist das Gut eines
Edelmanns gleich 295 Dessj., eines Kaufmanns — 162 Dessj., ein
Kirchen- und Klostergut — 51 Dessj., ein Gut von Personen ver-
schiedenen Standes — 41 Dessj., eines Kleinbürgers — 29 Dessj.,
ein Gut von Personen geistlichen Standes — 28 Dessj. und eines
Bauers — 12 Dessjatinen.
Literatnrbericht.
^peeHiH pocciQcKtJi cmiixomeopenin, eoffpauHhiH Kuptuen JUauuÄoeuMS. HsdaHiempemte
KOMMucciu neHamamn rocydapcmeeHUhixs FpaMoms u /loioeopoes^ cocmoRUfeü
npu ATocKoecKOMs pAaenoMS Apxueih AfuHUcmepcmea HuocmpaHHuxs /(ihJiö,
MocKBa 1878, 8®, 291 CTp.
Alt-rtissischi Lieder^ gesammelt von Kirscha Danilow. Dritter Abdruck^ herausgege-
ben von der Kommission zur Veröffentlichung von Staatsv ertrügen und Urkun-
den bei dem Aloskauer Hauptarchiv des Ministeriums der auswärtigen AngC'
legenheiten.
Dieses Liederbuch war schon längst eine bibliographische Selten-
heit geworden; da aber in der letzten Zeit die Nachfrage nach die-
ser Sammlung, welche für die Charakteristik alt-russischer Volks-
poesie von unschätzbarem Werthe ist, sich von Jahr zu Jahr steigerte,
hat sich die oben erwähnte Kommission jetzt bewogen gesehen,
das Buch neu herauszugeben und ist dadurch einem dringend ge-
478
I
fühlten Bedürfniss entgegengekommen. Das Original dieser Lieder-
sammlung ist leider verloren gegangen ; von A. Jakubowitsch, der
dasselbe zum ersten Mal im Jahre 1804 durch den Druck veröffent-
lichte, ging die Handschrift an den Reichskanzler, Grafen Rju-
mjanzow über, welcher im Jahre 18 18 durch den bekannten russischen
Alterthumsforscher K. Kalaidowitsch eine zweite Ausgabe veran-
stalten Hess. In dem Verzeichniss von Handschriften des Grafen
aber, welche später an das Rjumjanzow^sche Museum gelangten,
ist sie nicht angeführt, und damit auch jede weitere Spur ihres Ver-
bleibens verloren.
Der Sammler Kirscha (klein-russische Form des Namens Kirill)
Danilow war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kosak und hat wohl,
wie K. Kalaidowitsch auf Grund einiger Lieder annimmt, die alt-
russischen Lieder in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts
gesammelt. Ferner spricht K. Kalaidowitsch auch die Vermuthung
aus, dass Danilow die Lieder nicht immer selbst niedergeschrieben,
sondern zuweilen auch die Ueberreste alter Volkslieder benutzt und
dieselben sogar leider umgearbeitet habe. Die Sammlung enthält
61 Lieder. In dem grösseren Theil derselben wird von dem Ruhm
des Fürsten Wladimir und der Helden seiner Umgebung gesungen.
In den andern Liedern finden wir dann neben den sagenhaften Hel-
den russischer Vergangenheit Jermak, den Eroberer Sibiriens, die
Zaren Iwan IV., Alexei Michailowitsch, dessen Sohn, den Zarewitsch
Peter Alexewitsch, «den ersten Imperator in der Welt», u. s. w. er-
wähnt und besungen. Endlich sind auch einige Lieder rein lyri-
schen Inhalts zu verzeichnen, so z. B. Nr. 52, — was Erfindung,
Sprache und Stimmung betrifft, eines der schönsten Lieder , der
Sammlung.
Die vorliegende dritte Ausgabe der «Alt-russischen Lieder* ist
dem Andenken des in Gott ruhenden Grossfürsten Cesarewitsch
Nikolai Alexandrowitsch gewidmet, welcher eine besondere Vor-
liebe für alt-russische Dichtung besessen und auch diese Samm-
lung von Kirscha Danilow sehr hoch geschätzt. Ein Exemplar der
Ausgabe dieser Lieder vom Jahre 181 8 mit eigenhändigen Rand-
bemerkungen des Grossfürsten befindet sich noch im Besitz des
Akademikers Th. Busslajew, welcher dem Grossfürsten russische
Literatur vortrug.
Kevae Russischer Zeitschriften.
cjournal des Ministeriums der Wegeverbindungen» (Shurnal Mini-
sterstwa Putei Ssoobschtschenija — ^ypHa;n> MHHHCxepcxBa riyreft
CoOÖmeHlH). 1878. Heft 7. Inhalt:
Auszug aus dem Allerhöchsten Bericht des Ministeriums der Wegeverbindungen für
die Jahren 1869 — 187a (Fortsetzung). — Beilagen zu den Protokollen des Kongresses
479
von Repräsentanten der Dampfschifflahrts- und Barken-Schlfffahrtsunternehmungen. —
Skizzen vom Don. V» Charakter der SchiffTahrt auf dem Don, Von O, Gamalitzkij, —
Das Eisenbahnwesen in England. Von C?. Makko. — Brutto-Einnahme und die Zahl
der beförderten Passagiere und Waaren im April und Mai 1878. — Ueber das Maxi-
mum der auf einer Bahn zu befördernden Züge.
Heft 8. Inhalt:
Auszug aus dem Allerhöchsten Bericht des Ministers der Wegeverbindungen für die
Jahre 1869- 1872 — Die Wolga, I. Die historische Bedeutung der Wolga, Von JS,
Ssokolowskij. — Die niederländischen Eisenbahnen. Von A. Jaquemin, — Die Brutto-
Einnahmen und der Verkehr auf den russischen Eisenbahnen im Jahre 1878. — Das
Wasser, das Heizmaterial und die Dampfkessel. — Technische Notizen.
. «Das alte Russland* (Russkaja Sstarina — PyccKaa CTapana.)
Herausgegeben und redigirt von M. J. Ssentewskij, ix. Jahrgang 1878.
Hefl 7. Inhalt:
Erinnerungen von T, Passek. XXXV. — Georg Nowitzki]. Eine biographische
Skizze (Schluss). ^ Memoiren yon I. St. Shirkowitsch. XXII — XXm. — Iwan Kon-
stantinowitsch Aiwasowskij. IV — V. — Der Aufruf an das russische Volk zum Kampf
gegen die Türken im Jahre 1684. Mitgetheilt von K, fViskowatow, — Die Besetzung
der Dardanellen im Jahre 1783. — Die Belagerung von Bajazit im Jahre 1877. — Das
Testament des Fürsten Jurij De&pota Senowitsch. •— Notizen.
Heft 8. Inhalt:
Aufzeichnungen des Soldaten Pamphil Nasarow aus den Jahren 1792 — 1839. Mitge-
theilt von W, Lestwizyn, — Memoiren des Protojerei Johann Winogradow aus den Jah-
ren 1800 — 1802. Mitgetheilt von M. Platonow, — Das Tagebuch des Pastors Johann
Huber. Mitgetheilt von P, von Götz. — Erinnerungen des Prälaten Butkewitsch aus
den Jahren 1830— 183 1. — Skizzen, Erzählungen und Erinnerungen. II, Von E — v, —
J. Lelewel als Kritiker der «Geschichte des russischen Staates» von Karamsin. — Ge-
nealogische Tafel der Familie Romanow-Jurjew-Sachaijin vom XIII. Jahrhundert ab
bis zum Jahre 16 13. — Bibliographischer Anzeiger.
Heft 9. Inhalt:
Lebensgeschichte des Kosaken Iwan Magrin. 1770 — 1850. I — IV. Mitgetheilt von G,
Magrin. — Memoiren von I. St. Shirkowitsch. XXIV, — J, Lelewel als Kritiker der
«Geschichte des russischen Staates» von Karamsin (Schluss). — Skizzen, Erzählungen
und Erinnerungen. HI, Von E — v, — Iwan Konstantinowitsch Aiwasowskij. VI— X, —
Historische Materialien und Notizen. — Bibliographischer Anzeiger.
«Russisches Archiv» (Russkij Archiv — PyccKiö ApxHBi).
1878. Heft 7. Inhalt:
Der erste Krieg der Russen mit den Türken. Eine Erzählung über die Belagerung
von Tschigirin im Jahre 1678. Mitgetheilt vom Archiroandriten Leonid, — Ein Brief
von A. P. Wolynskij an den Fürsten Menschikow aus dem Jahre 1721. Mitgetheilt von
G. Atexandrow, — Briefe der Kaiserin Katharina II. : i. an den Feldmarschall Fürsten
Golizyn; 2. an den Hetman Grafen Rasumowskij; 3. an einen Unbekannten über Frie-
drich den Grossen; Notizen der Kaiserin über Krim'sche Angelegenheiten, und histori-
sche und autobiographische Bemerkungen. — Aus den Briefen des Archimandriten
Fotij an die Grftfin A. A. Orlow. Mitgetheilt von D. Blagaioo, — Ein Brief des Grafen
Perowskij an A. J. Bulgakow. — Die Adresse der Montenegriner an die Kaiserin Elisa-
beth Petrowna über die Unterwerfung unter russische Oberhoheit. — Briefe von A. S,
Chomjakow an A. F. Hilferding.
Heft 8. Inhalt:
Die Vertheidigung von Kamtschatka und Ost-Sibiriens gegen die englisch- französi-
sche Flotte in den Jahren 1854 und 1855. Mitgetheilt von P, Schumacher. — Die russi-
sehe und englische Politik. Ein Brief des Fürsten W. Shukowskij an den Grafen S. F.
Paskewitsch Eriwanskij. Mitgetheilt von P. Jefremow, — Ueber die Handschriften von
Dubrowriuj, MitgetheUt von A* Wassiltschikovt, — Die Abenteuer des Mönchs Paliadij
48o
Lawrow (aus den Original- Akten), DaF Tagebuch von Lawrow. — Grimm und Frau
von Epinay, Mitgetheilt von y, Grot, — Aus den Erinnerungen des General-Prokureurs
Fürsten A. A, Wjasemskij. — Ein Zug aus dem Leben des Patriarchen Nikon. —
Neue Einzelheiten aus dem Leben von A. P, Jermolow.
Russische Bibliographie.
Die Arbeiten der Amu-Daija-Expedition. . Lief. 3. Hydrographische Arbeiten am
Flusse Amu und im Delta desselben im Jahre 1874. Bericht des Kap. Lieut. Subow.
St. Pbrg. 1878. 8^. 31 S. und 3 Tabellen. (TpyAu Aiiy-AapbHHCKot »xcneAuuiH. Bun.
3. rBAporpa4>HHecm paöoru na p-brfe Aiiy h bi> es AC^bii bi 1874 r« Orqen» xan.-
jieiiT. 8y6oBa.)
Russisch-Deutscher Eisenbahnverband. Statistische Tabellen der Fratihtbewegung im
direkten Verkehr im Jahre 1876. St.Tbrg. 1878. 187 S. (Pycciro-repMaHcicitt xeJitaHo-
Aopt>3iCHut coioB-b, CTdTBCTHHecKifl Ta^JiBUbi ABExceuiü rpyaoBi» npxMaro pyccKO-rep-
MaHCKaro coo6meHia bi> 1876 roAy*)
Apercu des dix premi^res ann^es de Texploitation du chemin de fer Nicolas par la
grande Soci6t6 des chemins de fer Russes. St. Pbrg. 1878. 8^ 25 S.
Acta Horti Petropolitani, Tomus V. Fasciculus IL St. Pbrg. 1878. 8**. S. 287—680.
OWBJannikow, A. Geographische Skizzen und Bilder. Bd. L Die Wolgagegend.
St. Pbrg. 1878. 8^. III -|- 341 S. (ObO£HSHXOB%, A. reorpa<»HHecKie OMepxii h xap-
THHM. T. II. OqepxH H XapTUHU nOBO;i3iCbfl.)
t
Taganzew, N. Kursus des russischen Kriminalrechts. Allgemeiner Theil. Buch I.
Die Lehre vom Verbrechen. Bd. II. St. Pbrg. 1878. 8®. 326 + VIII S. (Tarasitevb,
H. 0. Kypci> pyccxaro yroAOBHaro npasa. HacTb oön^as. Kh. I. y^euie o npecTyn;ie-
Hin. Bun. IL)
Das russische Gesetz vom i. Januar 1864 über die Gouvernements- und Kreis-Land-
schafts-Institutionen mit den Ergänzungen und der Kodifikation vomj. 1876, so wie
einem, die Motive betreffenden Anhange. Mitau. 1878. 8^ X -|- 226 S.
Wassiljew, J. Historisch-statistische Skizze der Stadt Pskow. Pskow. 1878. 8^ II
-|- 102 S. (BacHJlL6B%, H. HcTopHxo-CTaTHCTHHecKift OHepKi> ropoAa UcxoBa.)
Wodowosow, W. Erzählungen aus der russischen Geschichte. Lfg. I. St. Pbrg.
1878. 8^. 199 -{- n S. (BOAOBOBOFb, B. Paacxaau hbi» pyccxoft ucTopiu. Bun. I.)
Moltschanow, A. Zwischen Frieden und Kongress- Briefe an die «Neue Zeit*
aus Konstantinopel, Ismid, von den Prinzen-Inseln, aus den Dardanellen, Gallipoli,
San-Stefano und Philippopel. St. Pbrg. 1878. 8®. 544 S. (MojraaHOBl, A. McÄAy mh-
poiTb H KOHrpeccoM-b. llucbMa Bi> «HoBoe BpeMx» ii3i> KoHcraHTHHonoJu, IlaMBAa« ci»
IIpBHi^eBbix'b OcTpoBOBi», Bai> A^pAaueAAi», FaajiBnojiB, CaB-b-CTe^^aHo u <I>HJiunno.
noAi.)
Oordon, A. Die Vertretung im Civilrecht. St. Pbrg. 1878. 8^ Xm + 434 S.
(FopAOHl) A. üpeAcraBBTeiibCTBo bi» rpasKAaucxoMi» npast.)
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Röttger.
AosBOJieHo ueHsypoK). C.-neTep6ypn>, i8-ro IIosi6p« 1878 roAa*
Bachdruckerei von Röttger & Schneider, Newsky-Prospekt M 5.
Die Bedeutung der einzelnen GouTernements Russ-
lands hinBichtlich ihrer landwirthschaftlichen
Produktion.'
Von
Friedrich Matthäi.
(Schluss.)'
31. GoayeFiieiuent Pskow.
Grösse des Gouvernements: 793,70; geogr.Qu.-Meilen =43 703,5
Qu.- Kilometer; Bevölkerung: 775,701 Einwohner, von denen 18 auf
I Qu.-Kilometer entfallen. ^
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues \
Wcrihd.Prod.
•
Tschetwert.
in Rubel.
An Roggen ......
657,666 a
6 R. 75 K.
4.437.245
• Winterweizen . .
2,500 »
10 * — »
25,000
• Sommerweizen . , . .
3.666 .
10 * — »
36,660
• Hafer .......
570,333 •
4 * — »
2,281,332
• Gerste
150,333-
5 * — *
751,665
» Buchweizen ....
24,333 •
6 . ^ *
145,998
» sonstigem Sommergetreid
e 72,000 »
6 . — .
432,000
Zusammen an Getreide
, 1,480,831
8,109.900
' Im ersten Theil dieses Artikels Bd. XI, Seite 431, Gouvenununt Moskau ist xu
lesen •
Werth in Rbl.
An Erzeugnissen des Feldbaues: an Roggen 8,372,625 anstatt 4,172,625
Zusammen an Getreide 4^642,625 » 6,442,625
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues 5»3^3t375 * 7«i^3i375
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft . . . .11,080,975 > 12,880,975
An Qeldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues . . 2 R. 80 K. » 3 R. 74 K«
Zusammen aas der gesammten Landwirthschaft ....5R. 78K • 6R.72K.
Schliesslich: die Erträgnisse der Viehzucht übersteigen die des Feldbaues um
354,225 Rbl. oder um 6 pCt.
Seite 429 desselben Heftes: Gouvernement Nowgorod ist zu lesen: Es entlillen auf
1 Qu.-Kilometer: Schweine 0,2 anstatt 2,3.
* Vgl. «Russ. ReVmea Bd. XI, S. 385 u. fi.
SU88«. JUBYOB. BD. Xm. 3 1
* Tschetwert. Rubel.
An Kartoffeln 249,000 a iR. 50K. 373.500
Pud
» Flachs 2,000,000 * 5 * — » 10,000,000
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 18,483400
b) an Erzeugnissen der ViehzucJU:
Pferdebestand: i74,30oStück, davon V5= 34 »860 Stück
ä 30 Rbl 1,045,800
Rindviehbestand: 345,900 St. (Milchvieh) .ä 15 R. Nutz. 5,188,500
Schafbestand: Landschafe i79,70oSt. ä i R. 25 K. Nutz. 224,625
» Feinwoll Schafe 300 »»2t — » * 600
Schweine: 73,200 Stück ä 8 Rbl. Nutzung 585,600
Ziegen: 3,iOO * » 2 » » 6^200
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 79051^325
Die Gesammt-Produkte des Feldbaues und der Vieh-
zucht repräsentiren im Gouvernement Pskow einen
Werth von 26,534,725
Es entfallen sonach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art ... 1,90 Tschetwert
■ Kartoffeln 0,32 *
Zusammen an Nahrungsmitteln . . 2,22 •
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 23 R. 82 K*
» » » der Viehzucht 9 » 9 »
Zusammen aus den Erträgnissen derLandwirthschaft 32 R. 91 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen diejenigen der Vieh-
zucht um 9702,575 Rbl. oder um lio pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Pskow
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Ktlometer.
Stack. Stück.
Pferde 219,6 3,9
Rindvieh 435.8 7.9
Schafe 226,7 4,1
Schweine 92,2 I98
Ziegen 3,9 0,07
. j-
___483
32. QouTernemeBt Rjasan.
Grösse des Gouvernements: 764,55 geogr. Qu.-Meilen = 42,098,3
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,477,433 Einwohner, von denen 35
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugiiissen des Feldbaues:
An Roggen 2,373,333
■ Winterweizen 28,000
• Sommerweizen 24,666
» Hafer 2,462,000
• Gerste 57»333
» Buchweizen 360,333
» sonstigem Sommergetreide . . . 239,000
e
Wcrthd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
16,019,998
280,000
^ 246,000
o 9.848,000
286,665
2,161,998
1434,000
'S
^ 30,276,661
922,500
Zusammen an Getreide . 5i 5441665
» Kartoffeln 615,000 ,
Pud.
» Hanf 250,oooä3R. 750,000
> Tabak. 14,715 »2» 29,430
> Sandzucker Si9-4I3*5' 41097,065
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues • 36,075,656
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 381,900 St., davon Vfi=76,38o ä30R. 2,291,400
Rindviehbestand: 265,900 St. Milchvieh ä 15 R. Nutz. 3,988,500
Schafbestand:
Landschafe 822,800 Stück ä I R. 25 K. Nutzung 1,028,500
Feinw. Schafe 4,300 • »2 * — • » 8,600
Schweine: 162,100 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . . 1,296,800
Ziegen: 1,100 Stück ä 2 Rbl. Nutzung 2,200
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 8,616,000
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Rjasan einen Werth von 44,6919656
Es entfallen sonach auf einen Einwohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . 3,75 Tschetwert.
* Kartoffeln 0,41 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .4,16 »
31*
484
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 24 R. 41 K.
» » » der Viehzucht 5 > 83 >
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 50 R. 24 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die Erträgnisse der
Viehzucht um i26,i30,i56 Rbl. oder um 262 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Rjasan
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.- Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde. ....... 499,5 94
Rindvieh 360,8 6,3
Schafe, I08i,8 19,6
Schweine . 212,0 3,8
Ziegen 1,4 0,02
33* GouTernemeiit St Petersburg.
Grösse des Gouvernements: 817,00 geogr. Qu.-Mdlen = 44,986,6
Qu. -Kilometer; Bevölkerung: 1,326,875 Einwohner, von denen 29 auf
I Qu. -Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werth d. Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 256,500 ä 6 R. 75 K. 1,728,000
Hafer yiT-poo » 4 » — » 1,508,000
Gerste 81,000 » 5 » — » 405,000
» sonstigem Sommergetreide . 3.750 • 6 » — » 22^500
Zusammen an Getreide 618,250 3*663 500
» Kartoffeln 440,000 » i » 50 • 660,000
Zusammen aus den Erträgnissen des. Feldbaues . 4,323,500
b) an Erzeugnissen der Viehzuchtx
Fferdebestand : 120,500 Stück, davon V« = 24,100
Stück ä 30 Rbl 723,000
Rindviehbestand: 153,000 St. (Milchvieh) ä 15 R. Nutz. 2,295,000
Schafbestand: Landschafe 67,500 St. ä i R. 25 K. Nutz. 84,375
Schweine : 8000 Stück ä 8 Rbl. Nutzung 64,000
Ziegen: iioo » »2 » » 2,200
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 3>i68,575
405
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der Rubel.
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouvernement
St. Petersburg einen Werth von 7,491,075
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 0,46 Tschetwert
• Kartoffeln 0,33 €
Zusammen an Nahrungsmitteln •
. 0,79
An Ge/divertA: 2LUS den Erträgnissen des Feldbaues
» • • der Viehzucht
3R.2SK.
2 « 38 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 5 R. 63 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen diejenigen der Vieh-
zucht um 389,925 Rbl. oder um noch nicht ganz 10 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement St. Petersburg
auf I Qu.-Meile. auf i Qiu-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 147,49 2,6
Rindvieh
. . . . 187,27
3,4
Schafe . .
• . • 82,61
1,5
Schweine .
• . . 9,79
o,i
Ziegen . <
. . . . 1,34
0,02
34. GonTernement SsaniAra.
Grösse des Gouvernements: 2,831,56 geogr.Qu.-Meilen=i55,9i3,9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,837,081 Einwohner, von denen 12
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert
An Roggen 2,272,666
* Sommerweizen 2,191,333
» Hafer 1,116,333
» Gerste. 167,666
» Buchweizen 265,333
» sonstigem Sommergetreide . . . 799f333
Zusammen an Getreide . 6,812,664
• Kartoffeln 232,000
Pud.
» Tabak 3io,887ä2R
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues
Q
Oi
o
«I
V
'C
u
Ol
WeTtlid.Prod.
in Rubel.
1 5.340,49s
21.913,330
4,465,332
838,330
2,121,998
6^895,998
$»,575,483
348,000
621.774
52.545,257
486
b) an Erträgnissen der Vtekeucßii: ^ Rubel .
Pferdebestand: 775,000 Stück, davon V* =^ 155,000 ä
3oRbl 4,650,000
Rindviehbestand: 472,100 Stück, davon V^ = 236,050
Schlachtvieh, davon V^ = 47f2iO Stück ä 20 RbL . 944,200
236,050 Stück Milchvieh 15 Rbl. Nutzung. . . . 3,540,750
Schafbestand :
Landschafe 1,685,800 St. ä i R. 25 K. Nutzung. 2,107,250
FeinwoU. Schafe 88,300 » 2 » — » » 176,600
Schweine 187,900 Stück, ä 8 R. Nutzung 1,503,200
Ziegen 49,600 * » 2 » • 99,200
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 13,021,200
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau wie aus der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ssamara einen Werth von 65,566,457
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . , 3,70 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,12 •
Zusammen ao Nahrungsmitteln. . . 3,82 »
An Geldwerth:^Ms den Erträgnissen des Feldbaues 28 R. 76 K.
» » » der Viehzucht 7 * 08 •
/ ^^^
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 35 R. 84 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen jene der Viehzucht
um 37,871,707 RbL oder um 258 pCt.
Schliesslich entfallen im Gcmvernement Ssamara
auf I Qu.-Meile. auf i Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 273,7 4,9
Rindvieh 159,6 3,0
Schafe . 626,5 11,3
Schweine • 66,3 1,2
Ziegen 17,5 0,3
35- Gouvernement Ssaratow.
Grösse des Gouvernements: 1,534,47 geogr. Qu.-Meilen=84,402,i
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,751,268 Einwohner, von denen 2i
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
4»;
Es wurden im genannten Gouvernement produzirt (im Jahre
1872)»:
a) Oft Erzeugnissen des Feldbaues:
Werlhd.Prod.
Tscbetwert. in Rabel.
An Roggen . 3,502,000
» Winterweizen —
• Sommerweizen 1,244,000
» Hafer 2,203,000
» Gerste 728,000
♦ Buchweizen 375,ooo
» sonstigem Sommergetreide ... 774,000
23.538,500
« 12,440,000
0 8,812,000
S 3,640,000
1 2,250,000
g 4,644,000
cn
'S
^ 55,324,000
580,000
An Getreide zusammen . 8,826,000
» Kartoffeln 386,666
Pud.
» Tabak 20,601 ä2R. 41,202
» Sandzucker' 2,979^5» 141895
Zusammen an J£rträgnissen des Feldbaues . 55*960,097
b) an Erträgnissen der Viehsucht:
Pferdebestand : 424,800 Stück, davon V& = 84,960 ä
3oRbl 2,548,800
Rindviehbestand: 572,100 Stück, davon V2 Zug- und
Schlachtvieh = 286,050 Stück; davon Vs = 57»2io
Stück k 20 Rbl 1,144,200
286,050 Stück Milchvieh ä 15 Rbl. Nutzung ... 4*290,750
Schafbestand :
Landschafe 1,052,300 St. ä i R. 25 K. Nutzung . 1,315,375
Fein woll. Schafe 497,300 » 2 » — » • . 994,600
Schweine: 318,900 Stück ä 8 R. Nutzung 2,551,200
Ziegen: 18,400 • • 2 » • 36,800
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht 12,881,725
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ssaratow einen Werth von 68^841,812
* Für die Jahre 1870 und 1871 liegen nur summarische Angaben vor, welche aller-
dings bedeutend geringere Aussaaten wie Erträgnisse aufweisen.
' Im Durchschnitt der Jahre 1868— 1870.
488
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements!
An Getreide verchiedener Art . . . 5,04 Tschetwert.
4 Kartoffeln 0,22 >
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 5,26 »
An Geldzvrrt/i : Sius den Erträgnissen des Feldbaues 31 R. 95 K.
» • » der Viehzucht 7 » 35 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 39 R. 30 K.
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen diejenigen aus der
Viehzucht um 41,076^022 Rbl. oder um 275 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ssaratow
auf I Qu,-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 276,8 5,0
Rindvieh 372,8 6j
Schafe 1,009,8 18,3
Schweine 207,8 3,7
Ziegen 19,9 0,2
NB. In den Jahren 1870 und 1871 stellt sich das Gesammt-Ernte-
ergebniss an Getreide im Gouvernement Ssaratow bedeutend niedri-
ger als im Jahre 1872, dessen Erträgnisse der obigen Zusammen-
stellung zu Grunde gelegt werden mussten. Will man aber von den
einzelnen Getreidesorten absehen, so wurden durchschnittlich der 3
Jahre 1870 - 1872 nach Abzug der Saat geerntet:
Tschetwert. Wcrth in Rubel.
An Winterroggen 2,583,666 ä 6 R. 75 K ' 7,439,745
» Sommergetreide 4,268,666 durchschn. 6 R. 27 K; 26,768,535
6,852,332 44,208,280
Hierzu die übrigen Produkte des Feldbaues mit , 636,097
GibtGesammt-Ertrag aus den Produkten des Feldbaues 44,844,377
Es entfällt hiernach auf einen Einwohner des Gouvernements
An Getreide verschiedener Art . . . 3,91 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,22 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .4,13 «
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 25 R. 60 K.
* * * » der Viehzucht 8 > 44 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 34 R. 4 K.
4^9
Hiernach würde das Erträgniss aus dem Feldbau dasjenige aus
der Viehzucht nur um 29,960,302 Rbl. oder um 201 pCt über,
steigen.
36. Gonyerneineiit Sslmbirsk.
Grösse des Gouvernements: 898,86 geogr. Qu.-Meilen — 49,493,6
Qu.-Kilometer ; Bevölkerung: 1,205,881 Einwohner, von denen 24
auf I Qu.-Kilometer entfallen. * .
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
VTerth d.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 2,246,333 ä 6 R. 75 K. 15,162,748
» verschiedenem Sommer-
getreide (Hafer, Gerste,
Sommerweizen, Buchwei-
zen, etc • . 1,979,000 • 5 » 10 > 10,092,900
Zusammen an Getreide . 4,225,333 25,255,648
» Kartoffeln 600,000 900,000
Pud
» Tabak 7,323 14.65Ö
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues . 26,170,304
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 31 1,900 Stück, davon Vö=62,38oStück
ä3oRbl, 1,871,400
Rindviehbestand: 255,500 Stück Milch- und Zuchtvieh
ä 1 5 Rbl. Nutzung . . . . , 3,832,500
Schafbestand: Landschafe 72 5, 500 St. ä i R. 2 5 K. Nutz. 906,875
» Feinw. Schafe 48,800 » » 2 » — » » 97,600
Schweine: 87,300 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 698,400
Ziegen: 6,500 » • 2 » » . • . . 13,000
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 7)4i9>775
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouvernement
Ssimbirsk einen Wcrth von . . , 88^690,079
49ft
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . • . 3,50 Tschetwert
» Kartoffeln 0,49 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,99 »
An Geldwerth ; Aus den Erträgnissen des Feldbaues 2 1 R. 70 K.
» > » der Viehzucht 6 • 15 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 27 R. 85 K.
Die Erträge des Feldbaues übersteigen demnach die der Vieh«
zucht um J 8,073,029 Rbl. oder um 200 pCt
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ssimbirik
auf I Qn.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 347,0 6,3
Rindvieh. ...'.. '284,2 5,1
Schafe 861^ 15,6
Schweine * 97t* 1^7
Ziegen 7,2 0,1
37* Oonveniemeiit Ssmolensk.
Grösse des Gouvernements: 1,017,77 geogr. Qu.-Meilen= 56,041,1
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,140,015 Einwohner, von denen 20
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen , . 678,000
» Wintcrweiz^n 2,767
• Sommerweizen 29,666
Hafer 1. 198,333
Gerste 231,666
Buchweizen 72,000
» sonstigem Sommergetreide , . . 83,000
Wcrth d. Prod.
Tschetwert in Rubel.
4,576.500
27,670
5 296,660
^ 4,793.332
1.158,330
^ 432,000
«2 498,000
c
4»
t4
^ 11,782,492
504,999
Zusammen an Getreide . 2,295,432
Kartoffeln 336,666
Pud.
Flachs 400,000a 5 R. 2,000,000
Hanf 450,000 »3 » 1,350,000
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues • ^5|637>49i
491
b) an Erträgnissen der Viehzuckt: kubel.
Pferdebestand: 363,100 Stück, davon V* = 72,620
Stück ä 30 Rbl
Rindviehbestand: 354.400 Stück ä 15 Rbl, Nutzung
Schafbestand: Landschafe 45 1,500 St. ä i R. 25 K.Nutz
Schweine: 184,100 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . .
Ziegen: 6.300 » » 2 * • ...
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht
2,178,600
5,316.000
564,375
1,472,800
12,600
9,644375
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ssmolensk einen Werth von 25,281,866
Eis entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,01 Tschetwert
» Kartoffeln 0,29 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 2,30 »
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 13R. 7iK.
» • * der Viehzucht 8 • 46 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 22 R. 17K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen diejenigen der Vieh-
Zucht um 5.993,1 16 Rbl oder um 62 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ssmolensk
auf I Qu.-Meile. auf 1 Qn.-Kilometer.
StUck, Stuck.
Pferde 356.7 6,4
Rindvieh . , 348,2 6,3
Schafe 443 »6 8,0
Schweine. . . . . .... 180,9 3^3
Ziegen ..'....• 6,1 0,1
38. Goa?ememeiit Tambow.
Grösse des Gouvernements: 1,208,07 geogr. Qu.-Meilen = 66,519,9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 2,150,971 Einwohner, von denen 32
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
49^
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werthd.Prod.
Tschctwcrt in Rubel.
An Roggen S»7«o,333
» Winterweizen I42»333
9 Sommerweizen 201,666
Hafer 4t790,666
Gerste 44,606
» Buchweizen 596,666
* sonstigem Sommergetreide . . 792^000
38.544.748
d ».423.333
« 2,016.666
o 19,162,664
•I 223,330
o 3.579.99Ö
4.752,000
^ 69702,737
3,68 1 ,000
•
Zusammen an Getreide • 12,278,330
» Kartoffeln • 2454,000
Pud.
Hanf i50,oooä3R. 450,000
Tabak 36,620*2 » 73.240
Sandzucker I04,827b5» 521,135
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 74,428,1 12
b) an Erträgnissen der Viehsucht:
PferdebesUnd: 850,900 St., davon Vö = 170,180 St.
ä3oRbL 5»i0S,400
Rindviehbestand: 472,100 Stück, (Milch* und Zucht-
vieh) ä 1 5 Rbl. Nutzung, 7,081,500
Schafbestand:
Landschafe 1,615,700 St. ä i R. 25 K. Nutzung . 2,019,625
Feinw. Schafe 192,700 » » 2 • — » » . 385,400
Schweine: 383,900 Stück ä < Rbl. Nutzung .... 3,071,200
Ziegen: 8200 Stück ä 2 Rbl. Nutzung 16,400
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 171679,525
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Tambow einen Werth von 92407^637
Es entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 5,70 Tschetwert.
> Kartoffeln 1,14 •
Zusammen an Nahrungsmitteln . 6,84 »
AxiGeldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 34 R. 60 K.
> » » der Viehzucht 8 » 22 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 42 R. 82 K.
493
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
57,748,587 Rbl. oder um 326 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Tambow
anf I Qu.-Meile. auf i Qa.-Kiloroeter
Stück. Stück.
Pferde 704,3 12,7
Hornvieh 390,8 7,1
Schafe i>496,9 27^2
Schweine 3i7i7 5i8
Ziegen , 6j 0,1
39- Oonfemement Taarten.
Grösse des Gouvernements: 1,1 1 1,06 geogr. Qu.-Mcilen =61, 178,3
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 704,997 Einwohner, von denen 12
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Es wurden im genannten Gouvernement produzirt :
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werth d. Prod.
Tschetwert in Rubel.
An Roggen . 3^9,000 ^
» Winterweizen 135,666
» Sommerweizen ....... 950,666
Hafer 180,000
Gerste 378,333
Buchweizen —
sonstigem Sommergetreide . . . 102,666
Zusammen an Getreide . 2,076,331
Kartoffeln • . 9^333
c
2,220,750
1,356,660
J 9,506,660
o 720,000
^1 1,891,665
22 615,996
t4
^ 16,311,731
137,000
Pud
Tabak 4i,oS6>»5R. 205,430
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues • 16,654,161
b) an Erträgnissen der Viehsucht:
Pferdebestand: 173,100 Stück, davon Vs = 34,620
Stück ä 30 Rbl 1,038,600
Rindviehbestand: 389,100 Stück Zug- und Schlacht-
vieh, davon V» = 77)820 Stück ä 20 Rbl. NuUung . 1,556/^00
' Durchschnittlich der Jahre 1868, 1869 und 1871.
494
Schafbestand : Rubel.
Landschafe 994,6ooStück äiR.25K.Nutzung 1,243,250
Feinwoll. Schafe 2,891,700 * »2*-—» » 5,783,400
Schweine: 118,100 Stück ä 8 Rbl Nutzung .... 944,800
Ziegen: 64,900 ■ » 2 » » .... 129,800
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 10,69^3,250
Die Gesammt-Produktion aus .dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt im Gouvernement Taurien
einen Werth von 27,350,411
■
Es entfallen demnach auf eineti Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,94 Tschetwert
» Kartoffehi 0,12 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,06 »
An Geldwerihi aus den Erträgnissen des Feldbaues 23 R. 62 K.
■ * » der Viehzucht 15» 17*
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 38 R. 79 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
5 957,91 1 Rbl. oder um ca. 56 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Taurien
i
luf I Qu. -Meile.
auf I Qu.-Kilometcr
. Stück.
Stack.
Pferde . . • ,
Hornvieh . . .
Schafe . . • .
Schweine . . .
1557
. 3S0.2
3,497.8
106,2
3,8
6,3
63.1
J.9
Ziegen . . . .
58,4
1,0
40. Oonvernement Tschernigow.
Grösse des Gouvernements: 951,68 geogr. Qu.-Meilen = 52,40214
Qu.*KiIometer; Bevölkerung: 1,659,600 Einwohner, von denen 32
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
495
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Wcrthd.Prod
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen i,533»333
» Winterweizen 12,333
» Sommerweizen 23,333
• Hafer 667,000
» Gerste 103,000
• Buchweizen 578,666
» sonstigem Sommergetreide . . . 66,000
10,349998
d 123.330
5 233,330
0 2,668,000
l| 515,000
1 3.61 1.996
g 396,000
^ 17,897,654
1,268,000
Zusammen an Getreide . 2,983,665
Kartoffeln 845,333
Püd.
Hanf 700,00033 R. 2,100.000
Tabak 983,311*2 • 1,966,622
Sandzucker 260,363*5» 1,301,815
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 24,534,091
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 389,200 Stück, davon V« = 77»840 St.
ä3oRbl 2,335,200
Hornviehbestand: 412,700 Stück, davon V« Schlacht-
und Arbeitsvieh =206, 3 50 Stück davon ^6=41, 270
Stück ä 20 Rbl 824,400
206,350 Stück Milchvieh ä 20 Rbl. Nutzung . . . 4,127,000
Schafbestand : Landschafe 730,500 St., ä i R. 25 K. Nutz. 91 3> 1 25
Feinw. Schafe 46,900 » »2 * — » » 93,800
Schweine: 384,700 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 3,077,600
Ziegen: 43» 500 t • 2 » » .... 87,000
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht 11,458,125
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Tschernigow einen Werth von 85,992^216
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An C^/lr^^& verschiedener Art ... 1,79 Tschetwert.
> Kartoffeln 0,49 •
Zusammen an Nahrungsmitteln .2,28 »
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 14 R. 78 K.
• • » der Viehzucht 6 » 90 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 21 R. 68 K.
496
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
J3>075,966 Rbl. oder um 1 14 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Tschernigow
auf I Qu.-Meile. auf l Qu. •Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde ' 409,0 7,4
Hornvieh 433i7 7»^
. Schafe 817,1 14,8
Schweine 404,3 7,3
Ziegen 45,7 0,8
4^- Gonyernement Tala.
Grösse des Gouvernements: 562,36 geogr. Qu.- Meilen = 30,965,3
Qu. -Kilometer; Bevölkerung: 1,167,878 Einwohner, von denen 3 8
auf I Qu«-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt;
An
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert.
Roggen 2,530,666
Winterweizen ,.,.... 27,333
Sommerweizen , 12,000
Hafer 3,3i9»ö6ö
Gerste 21,000
Buchweizen . 311,666
sonstigem Sommergetreide . . . 80,666
c.
o
cn
'55
»
•
Zusammen an Getreide . 6,302,997
Kartoffeln 627,000
Pud.
Hanf 400,oooä3R.
Tabak 47^536 *2 »
Saodzucker ........ 105,886*5»
Werth d.Prod.
in Rubel.
17,081,99s
273.330
120,000
13,278,664
105,000
1,869,996
32,972,981
940,500
1,200,000
95,072
529^430
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 35i737,983
b) aus den Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 339, 500 St., davon Vft =67,900 St ä3oR.
Rindviehbestand : 1 77,900 St. Milchvieh ä 1 5 Rbl. Nutz.
Schafbestand :
Landschafe 656,800 Stück ä i R. 25 K. Nutzung
Feinw. Schafe i7i2oo » » 2 » — » »
2,037,000
2,668,500
821,000
34.400
497
Rubel.
Schweine: i io,8oo Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 886,400
Ziegen : 500 Stück ä 2 Rbl. Nutzung 1,000
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht 6^448,300
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Tula einen Werth von 42,186,283
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 5,39 Tschetwert
» Kartoffeln 0,53 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .5,92 »
An Geldwerth : Aus den Erträgnissen des Feldbaues 30 R. 60 K.
• • » ' der Viehzucht 5 • 22 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 35 R. 82 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
29,289,683 RbL oder um 461 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Tula
auf I Qtt.-Meile, auf i Qu.-KUometer.
Stück. Stttck.
Pferde 633,7 10,9
Rindvieh 3i6f3 5>7
Schafe 1198,5 21,7
. Schweine I97>0 3,5
Ziegen 0,8 0,01
42. CtouTernement Twer.
Grösse des Gouvernements: 1186,46 geogr. Qu.-Meilen=65,329,8
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,528,881 Einwohner, von denen 23
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
BUBf . BBYUl. BD. Zm. 33
498
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen
» Sommerweizen
» Hafer
» Gerste
» Buchweizen
- » sonstigem Sommergetreide
Zusammen an Getreide
» Kartoffeln
Tschetwcrt.
850,666
S.OOO
1,106,666
254i333
22,333
25.000
2,263,998
405,000
c
JQ
O
\-
Werthd.Produk.
in Rubel.
5»74i,995
50,000
4,426,664
1,271,665
i33»99«
150,000
11,774,322
607,500
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 12,381,822
1,783,800
6,693,000
507,875
99,200
2,200
9.086,075
b) an Erträgnissen der Vielizucht:
Pferdebestand : 297,300 Stück, davon ^5 = 59460 St
ä 30 Rbl - . .
Hornviehbestand : 446,200 St. Milchvieh ä 1 5 R. Nutz
Schafstand: Landschafe 406,300 St. ä 1 R. 25 K. Nutz
Schweine: 12,400 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . .
Ziegen: 1 100 » » 2 » » ...
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt- Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Twer einen Werth von 21,467,897
Es entfallen demnach auf einen Einwohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art. . . 1,48 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,26 •
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 1,74 >
An GeldTverth aus den Erträgnissen des Feldbaues 8 R. 09 K.
• » • der Viehzucht 5 » 94 *
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 14 R. 03 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
3,295,747 RW. oder um nahe an 36 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Twer
amf I Qu..MeiIe.
S:uck.
Pferde 250,5
Hom\-ieh 376»2
Schafe 34^.4
Schweine t(X4
i 0^9
auf I vJa,-Kilomctcr,
Siuck.
4.5
6.8
6.2
0.1
Q.OI
.i
499
43- OouYemement Ufa.
Grösse des Gouvernements: 2, 21 2, 23'geogr.Qü.-Meilen= 121,811,8
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,364,925 Einwohner, von denen 11
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) afi Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschetwert,
An Roggen ......... 2,362,333
» Sommerweizen 525,666
. Hafer 1,240,000
• Gerste • . 118,333
• Buchweizen 238,666
» sonstigem Sommergetreide . . . 419,666
Zusammen an Getreide 4,904,664
• Kartoffeln : . . 319,000
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues
Werth d. Prod
in Rubel.
Preise wie oben.
'5.745748
5,256,660
4,960 000
591,665
1 .43 ' .996
2,517.996
30,504,065
478,500
30.982,565
b) an Erträg^iissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 559,500 Stück, davon ^/s •= 1 1 1,900 St.
ä 30 Rbl , . . .
Hornviehbestand: 307,700 Stück, davon ^;4 Schlacht-
vieh = 230,775, davon V* =46,155 Stück ä 20 Rbl.
V* Milchvieh = 76,925 Stück ä 15 Rbl. Nutzung
Schafbestand :
Landschafe 853,300 Stück ä i R. 25 K. Nutzung
Feinw. Schafe 2,200 * * 2 * — » »
Schweine: 156,200 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . .
Ziegen: 181,800 » • 2 » » . . . .
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht .
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ufa einen Werth von
3.357.000
923,100
1,153.875
1,066,625
4,400
1 ,249,600
363,600
8,ll8,2DO
39, »00,765 »
' Vom Gouvernement Ufti gilt dasselbe wiie vom Gonvernement Orenbnrg; auch hier
ist der Alisatz der Produkte des Feldbaues, wie namentlich auch der Viehzucht, in Folge der
östlichen Lage und des Mangels an ExporthAfen sehr erschwert, so dass man von den
32»
Soo
Es entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements :
An Getreide verschiedener Art . . . 3,59 Tschetwert
» Kartoffeln 0,23 >
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,82 »
An CV/dTze/^r/A; aus den Erträgnissen des Feldbaues 22 R. 69 K.
» • » der Viehzucht 5 » 94 » *
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 28 R. 63 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
22,864,365 Rbl. oder um 281 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ufa
anf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 252,9 4,5
Rindvieh 138,6 2,5
Schafe . , 386,6 7,0
Schweine 70,6 1,2
Ziegen 82,1 1,5
•
44- Ooayernement Wllna.
Grösse des Gouvernements: 771,97 geogr. Qu.-Meilen = 42,507,1
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: i,00i)909 Einwohner, von denen 24
auf I Qu. 'Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
obeti nachgewiesenen Erträgen 25 pCt. in Abrechnung bringen kann. Es würden sich
hiemach stellen :
Die Erträgnisse ans dem Feldbau auf 33,236,924 RU.
t » »der Viehzucht • 6,088.650 >
Zusammen aus der Landwirthschaft 29,325,574 RbU
Anf einen Bewohner des GouTemements entfällt hiemach:
An Gildwerik: ans den Erträgnissen des Feldbaues # 17 Rbl. 02 Kop».
» « » . der Viehzucht . 4 c 46 »
ZBMiDmea aas den ErtrlgntMen der Landwirthschaft 2 1 Hbl. 48 Kop,
501
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen i>447.333
» Winterweizen 87,000
» Sommerweizen 55^606
hafer 824,333
Gerste 295,000
Buchweizen 82,666
* sonstigem Sommergetreide . . . 58,666
»
Werthd.Prod.
Tscheiwert. in Rubel.
9,769,498
870,000
i 556,660
•g i,47S.ooo
495,996
351,996
c
1)
^ 16,816,482
1,384,500
Zusammen an Getreide . 2,850,331
» Kartoffeln 923,000 ^
Pud.
» Flachs 400,000 a 5 R. 2,000,000
» Tabak 20 » 2 « 40
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 20,201,022
b) an Erträgnissen der Vießizucht:
Pferdebestand: 154,400 Stück, davon Vs = 30,880 St.
ä 30 RbL 926,400
Hornviehbestand : 289,800 Stück Milchvieh ä 1 5 Rbl.
Nutzung 4»347,ooo
Schafstand: Landschafe ^15,500 St. ä i R. 25 K. Nutz. 266,375
Feinw. Schafe 11,000 » »2 • — » » 22,000
Schweine: 256,400 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . . 2,051,200
Ziegen: 37,000 * • 2 • » .... 74,000
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 7,686,975
Die Gesammt-Froduktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Wilna einen Werth von 27,887,997
Es entfallen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,84 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,92 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,76 *
An GeldwertJi: aus den Erträgnissen des Fel(i(baues 20 R. 16 K.
» » » der Viehzucht 7 • 67 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 27 R. 83 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
12,514,047 Rbl. oder um 162 pCt.
SÖ2
Schliesslich entfallen im Gouvernement Wilna
auf I Qu.-Meile.
Stück.
Pferde 200,0
Hornvieh 37 SA
Schafe 293,4
Schweine 332,i
Ziegen ....... 47,9
auf I Qu. •Kilometer.
Stück.
3.6
6,8
5,3 .
6,0
0,8
45- Ooaveruenient Witebsk.
Grösse des Gouvernements: 820,27. geogr. Qu. -Meilen =4 5, 166,4
Qu.- Kilometer; Bevölkerung: 888,727 Einwohner, von denen 20 auf
I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produ^irt :
a) an ErzeJignissen des Feldbaues:
Tschetwert.
An Roggen 668,333
» Winterweizen 12,666
* Sommerweizen . , 46,333
• Hafer . . . . ,
» Gerste 1 • •
» Buchweizen
» sonstigem Sommergetreide . . •
Zusammen an Getreide .
518.333
329,666
51,000
81.333
o
. 1,707,664
• Kartoffeln 674,666
Pud
. Flachs 6oo,oooä5R.
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues
b) an Erzeugnissen dir Viehzucht:
Pferdebestand: i75,30oStück, davon V^rz 35 1O60 Stück
ä 30 Rbl
Hornviehbestand: 345,300 St. Milchvieh & 15 R. Nutz.
Schafbestand: Landschafe 288,200 St. ä i R. 25 K. Nutz.
» Feinwoll. Schafe 2,200 » . 2 ■ — » »
Schweine: i68,6oo Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . .
Ziegen: 31,300 • • 2 » • . . . .
Zusammen aus dem Erträgni.sse der Viehzucht .
Werih d. Prod.
in Rubel.
4,511,248
126,660
463,330
1.573*332
^648»330
306,000
487.998
9,116,898
1,012,000
3,000,000
13,128,898
1,051,800
5,179,500
360,250
4,400
1,348,800
62,600
8,007,350
Die Gesammt-Produktiön aus dem Feldbau und der Rubel.
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement Wi-
tebsk einen Werth von ,21,136,248
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,92 Tschetwert
• Kartoffeln . . 0,75 » ,
Zusammen an Nahrungsmitteln . . 2,67 •
An Geldwerüi: aus den Erträgnissen des Feldbaues 14 R. ^]^ K.
* * » der Viehzucht 9 » 01 »
AusdenErträgnissendergesammtenLandwirthschaft 23 R. 78 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
5,121,548 Rbl. oder um nahe an 64 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Witebsk
Auf I Qa. -Meile, aaf i Qu.-Kilometer,
Stück. Stück.
Pferde 213,7 3.» '
Rindvieh 420,0 Tfi
Schafe 353,9 6,4
Schweine ^. . 205,5 3»7
' Ziegen 38,1 0,7
46. OoDTernement Wjatka.
Grösse des Gouvernements: 2,780,58 geogr.Qu.-Meilen=i 53,106,6
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 2^06,024 Einwohner, von denen 16
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Wtjrthd.Prod.
Tschetwert, in Rubel.
An Roggen 4,007,666
Winter weizen^ ....... I4»750
Sommerweizen 63,666
Hafer 3,801,666
Gerste 573.000
• Buchweizen ........ 68,666
» sonstigem Sommergetreide . . . 134,666
»
Zusammen an Getreide • 8,664,080
Kartoffeln. 426,000
27>05 1,745
d 147,500
^ 636,666
o 15.206,664
1,865,000
411,996
807.996
CO
'S
^ 46,127,567
639,000
* Winter Weizen wurde nur in uen Jahren 1870 mit 2000 Tschetw. Ertrag und iSya
mit 38,000 Tschetwr, Bratto*£rlnig gebaut.
504
Pud. Rubel.
An Flachs i, 200,000k 5 R. 6,000,000
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues 52,766,567
b) an Erträgnissen der ViehzuclU:
Pferdebestand: 686,100 St., davon V5=i37»220 ä 30 R. 4,1 16,600
Homviehbestand: 979,600 Stück, davon dic5 Hälfte =
489,800 St. Schlachtvieh, davon Vs = 97 ,960 St ä
2oRbl 1^959,200
und 489,800 Stück Milchvieh ä 1 5 R. Nutzung • . 7»347>ooo
Schafbestand:
Landschafe 1,455,200 Stück ä i R. 25 K. Nutzung 1,819,000
Feinw. Schafe 400 » » 2 » — • » 800
Schweine: 3ii>500 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 2,492,000
Ziegen: 64,600 Stück ä 2 Rbl. Nutzung^ 129,200
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 17,863,800
Die Gesammt-Prodüktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Wjatka einen Werth von 70,630,367
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . 3,60 Tschetwert.
* Kartoffeln 0,17 •
Zusammen an Nahrungsmitteln . 3,77 »
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 21 R. 93 K.
» » » der Viehzucht 7 » 42 •
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 29 R. 35 K.>
' Wegen des Mangels an geregelten Absatzwegen, grosser Entfernung der Export-
häfen etc. und schwacher Berölkerung stellen sich die Durchschnittspreise der rerschie-
denen landwirthschaftlichen Produkte im Gouvernement Wjatka nicht unbedeutend nie»
driger, wie in andern russischen Gouvernements Aus diesem Grunde wird es der
Wirklichkeit mehr entsprechen, wenn von den oben nachgewiesenen Erträgen, gleich
wie bei den Gouvernements Orenburg und Ufa 25 pCt. in Abrechnung gebracht
werden.
Hiemach wttrde sich der Werth der landwirthschaftlichen Erträge im Gouvernement
Wjatka wie folgt stellen :
Erträgnisse ans dem Feldbau 39) 574^92 S ^^^
• » der Viehkücht .... 13,397,850 »
Gesammterträge mm der Landwirthschaft 52,972,775 Rbl.
505
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen die der Viehzucht
um 34,902,767 Rbl. oder um 19S pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Wjatka
auf I Qa.-Meile. auf i Qu.- Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde ........ 246,7 ' 4,4
Hornvieh. ...... 352,3 6^
Schafe 523,5 9,5
Schweine 112,0 2,0
Ziegen 23,2 ' 0,4
47- GoaTernemeiit Wladimir.
Grösse des Gouvernements: 887,27 geogr. Qu.-Meilen=: 48,85 5,8
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,259,923 Einwohner, von denen 26
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erträgnissen des Feldbaues:
Werlhd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 856,000 ^
» Sommerweizen ,...,.. 50,666
• Hafer 927,666
Gerste 15,000
Buchweizen S3>333
> sonstigem Sommergetreide .... 22,100
Zusammen an Getreide . 1,954,765
» Kartoffeln • . 298,666
5,778,000
g 506,660
3,710,664
a 75.000
5 499*998
Sj 132,600
.0
o
10,702,922
448,000
Pud.
Flachs 840,000 ä 5 R. 4,200,000
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 15,350,922
b) an Erträgnissen der Vie/izucht:
Pferdebestand: 260,100 Stück, davon Vs = 52,020
Stück ä 30 Rbl 1,560,600
Hiervon würde auf den Kopf der Bevölkerung des Gouvernements Wjatka entfallen:
Aus den Erträgnissen des Feldbaues . . 16 Rbl. 44 Kop.
» » » der Viehzucht . . 5 » 56 »
Zusammen aus den Ertrignissen der Landwirthschaft 22 Rbl. — Kop.
5o6
Hornviehbestand: 302,600 St. Milchvieh ä 15 R. Nutz
Schafbestand: Landschafe 322,200 St. äi R.25K.Nutz
Schweine: 34,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . .
Ziegen: 9,100 » * 2 • * ...
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Wladimir einen Werth von
Rubel.
4,539,000
402,750
278,400
18.200
6,798,950
22449,872
Es entfallen sonach auf einen Einwohner des Gouvernements:
An G^f/r^/V/f verschiedener Art . . . 1,55 Tschetwert
» Kartoffeln 0,23 »
. Zusammen an Nahrungsmitteln .. 1,78 »
An Gddwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 12 R. 18 K.
» » » der Viehzucht 5 ■ 39 -♦
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 1 7 R. 57 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
8,551,972 Rbl. oder um 129 pCt.
Schhesslich entfallen im Gouvernement Wladimir
auf I Qu. -Meile.
auf I
Qu.-Kilometer
Stück.
Stack.
Pferde . .
. . 293,1
5,3
Hornvieh
. . 307,2
6,2
Schafe . .
• • 363»!
«
6,6
Schweine .
• • 39,2
0,7
Ziegen . .
. . IO,2
0,2
48. GouTornement Wolhynlen.
Grösse des Gouvernements: 1,304,66 gcogr. Qu.-Meilen=7 1,838,7
Qu.-Kilometcr; Bevölkerung: 1,719,890 Einwohner, von denen 24
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:*
* Die nachstehenden Angaben beziehen sich auf die Jahre 1871 und 1872, da »oKbo
/iir das Jahr 1870 fehlen«
507
a) an Erseugnissen des Feldbaues^:
Werth d. Prod V
Tschetwert. in Rabel.
An Roggen 1,304,000
» Winterweizen 534»ooo
» Sommerweizen 70,000
Hafer 987i500
Gerste. . 49^,500
• Buchweizen 3S3»500
» sonstigem Sommergetreide . . . 200,000
8,802,000
d 5,340,000
^ 700,000
o 3>9SO,ooo
A 2,452,500
2,121,000
1,200,000
^ 24,565,500
901,500
Zusammen an Getreide 3>939»500
♦ Kartoffeln 601,000
Pud.
* Tabak. . . 35x023ä4R. 140,092
• Sandzucker 131,962*5 • 659,810
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 26,266,902
b) an Erträgnissett der Viehzucht:
Pferdebestand: 358,100 Stück, davon 7» = 71,620 St.
ä 30 Rbl 2,148,600
Hornviehbestand: 519,300 Stück, davon V« Schlacht-
vieh=:259,650 St., hiervon V5 = 51,930 St. ä 20 R. 2,038,600
259,650 Stück Milchvieh ä 15 Rbl. Nutzung . . . 3^894,750
Schafbestand : Landschafe 569,700 St., ä i R. 2 5 K. Nutz. 712,125
Feinw. Schafe 316,600 » *2 » — * » 633,200
Schweine: 417,100 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . . . 3,336,800
Ziegen: 25,100* » » 2 » '* ..... 50,200
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht 10,665,675
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Wolhynien einen Werth von 36,933,677
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener. Art . . . 2,29 Tschetwert.
* Kartoffeln 0,35 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 2,64 »
An Geldzuerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 15 R. 27 K.
» » » der Viehzucht 6 * 20 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 21 R. 47 K.
5o8
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
15,601,227 Rbl. oder um 146 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Wolhynien
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.>Kilometer*
Stück. Stück.
Pferde 274,4 4,9
Hornvieh 398,0 7,2
Schafe 679»3 12^4.
Schweine 3>9*7 5,8
Ziegen . . : 19,2 0,3
49- Ooayenienient Wologda.
Grössedes Gouvernements: 7,313,91 geogr. Qu.-Meilen=402,725,2
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 1,003,039 Einwohner, von denen 2
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erträgnissen des Feldbaues:
An Roggen . .
• Sommerweizen
. Hafer . . .
• Gerste . . .
Zusammen an Getreide
Kartoffeln
Tschetwert
539»ooo
28,000
582,666
2i9>333
»»368,999
106,666
Pud.
%i
o
PL,
Wcrth d. Prod,
in Rubel.
3,644,250
280,000
2,330,664
1 ,096,665
7.351,579
160,000
Flachs 620,000a 5 R. 3,100,000
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 10,61 1,579
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 210,800 Stück, davon V& = 42,160
Stück ä 30 Rbl
Hornviehbestand: 480,600 Stück Milch- und Zuchtvieh
ä 1 5 Rbl. Nutzung
Schafbestand : 408,800 St. Landschafe ä i R. 2 5 K. Nut;^.
Schweine: 45,100 Stück ä 8 RbL Nutzung ....
Ziegen: 200 » • 2 • • .^ . . .
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht .
1,264,800
7,209,000
511,000
360,800
400
9,346,000
509
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der Rubel.
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Wologda einen Werth von 19,957,579 *
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,36 Tschetwert
» Kartoffeln 0,10 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . 1,46 »
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues loR. 58 K.
» • » der Viehzucht 9 • 3 1 »
Zusammen a. d. Erträgn. d. gesammt. Landwirthschaft 19R. 89K.
Die Erträge des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
1,265,579 Rbl. oder um 13 pCt
Schliesslich entfallen im Gouvernement Wologda
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer
Stück.
Stuck.
Pferde
. . . 28,8
0,5
Rindvieh • , . . .
. . . 65,5
1,2
Schafe
. . • 55.9
1,0
Schweine
. . . 6.0
0,1
Ziegen . . • . .
. . • 0,0
0,0
50. Goayeniemeiit Woron^h.
Grösse des Gouvernements: 1,196,56 geogr. Qu.-Meilen = 65,885,9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 2,153,696 Einwohner, von denen 33
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
' Mangel an Absatzwegen und Exporth&fen, exponirte nördliche Lage, und selbst
noch Mangel an Eisenbahnen und eine äusserst geringe lokale Bevölkerung bedingen
für alle landwirthschafllichen Produkte verhältnissmässig nur niedrige Verkaufspreise,
so dass sich im Gouvernement Wologda die Werthberechnung der landwirthschafl-
lichen Produkte nach Abzug von 25 pCt. des oben nachgewiesenen Werthes wie folgt
stellen würde :
Erträgnisse aus dem Feldbau .... 7,958,685 Rbl.
» • der Viehzucht .... 7,009,500 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 14,968,185 Rbl.
Es entfaUen demnach auf einen Bewohner des Gouvernements :
An Geldertrag: aus den Erträgen des Feldbaues ... 7 Rbl. 93 Kop.
* » > der Viehzucht ... 6 > 98 »
Zusammen aua der gesammten Landwirthschaft . 14 Rbl. 91 Kop.
I
5IO
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erträgnissen des Feldbaues:
Tschetwert.
An Roggen 2,144,666
t Winterweizen 410,666
» Sommerweizen 731,666
» Hafer 2,099,666
. . 223.333
. . 424,333
. . 383.000
» Gerste
» Buchweizen
» sonstigem Sommergetreide
Zusammen an Getreide
» Kartoffeln
c
o
u
» Tabak . .
» Sandzucker
6,417*330
8371OOO
Pud.
54,081 ä2R.
ioi,33S*5*
Werthd.Prod.
in Rubel.
14,476,495
4,106,660
7,316,660
8,398,664
1,116,665
1,697,332
2,298,000
39,410,476
1,255,500
108,162
506,675
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . 41,280,813
b) an Erträgnissen der Vieltzucht:
Pferdebestand: 585,900 St., davon V» = 117,180 St.
ä3oRbl
Hornviehbestand: 638,300 Stück, davon die Hälfte =
319,150 Stück Schlacht- und Arbeitsvieh, davon V»
= 65,830 Stück ä 20 Rbl
Milchvieh 319,150 Stück ä 15 Rbl. Nutzung . .
Schafbestand:
Landschafe 1,436,100 St. ä i R. 25 K. Nutzung
Feinw. Schafe 427,200 » # 2 » — » »
Schweine: 443,300 Stück ä 8 Rbl. Nutzung . . .
Ziegen: 33,900 Stück ä 2 Rbl. Nutzung ....
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouvernement
3,SI5»400
1,316,600
4,787,250
1,795,125
854,400
3,546,400
67,800
15.882,975
Woronesh einen Werth von .
. ••
57,103,788
Hiernach entfallen auf einen Einwohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,98 Tschetwert.
» Kartoffeln 0,38 •
Zusammen an Nahrungsmitteln «3936 »
S"
hnGeldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 19 R. 16 K.
» » * der Viehzucht 7 » 37 »
Zusammen a. d. Ertrag, d. gesammt. Landwirthschaft 26 R. 53 K.
Die Erträge des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht un^
25,397,838 Rbl. oder um 159 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Woronesh
auf I Qu. -Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 489,6 8,9
Hornvieh 533,4 9,7
Schafe 1,557,2 28,3
Schweine 370,4 6,9
Ziegen 28.3 0,5
ZARTHUM POLEN.
51. Gonveinemeut Kaiisch.
Grösse des Gouvernements: 206,55 geogr. Qu.-Meilen = 11,373,5
Qu.-Kilomcter; Bevölkerung; 669,261 Einwohner, von denen 59
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:^
Tsclietwert.
An Roggen Z\2jS66
» Winterweizen 231,000
■ Sommerweizen 4.733
» Hafer 562,666
» Gerste 201,000
» Ruchweizen 72,000
» sonstigem Sommergetreide . . . 124,000
o
V
Vi
'53
An Getreide zusammen . 2,008,065
Kartoffeln 2,110,333
Pud.
Sandzucker^ 94,935 a 5 R.
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues •
Wcrthd.Prod.
in Rubel.
5*485,495
2,310,000
47,330
2,250,664
1,005,000
432,000
744,000
12,274,489
3,165,500
494,675
15*934,664
* Tabaksbau unberücksichtigt geblieben, weil Tabaksproduktion 1872 nur 28 Pud.
' Im Durchschnitt der Campagnen 1872/73 und 1873/74.
b) a3is den Erträgnissen der Viehzucht:^
Pferdebestand: 69,897 Stück, davon V* = I3t979 St.
ä 30 Rbl 4i9»370
Hornviehbestand: 127,225^ Stück Milchvieh ä 15 Rbl.
Nutzung. . 1,908,375
Schafbestand:
Landschafe 166,831 St. ä i R. 25 K. Nutzung . 208,539
Feinwoll. Schafe 469,093 » 2 » — » • . 938,186
Schweine: 129,488 Stück ä 8 R. Nutzung 1,055,904
Ziegen: 826 » » 2 » * 19652
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht 4,532,026
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Kaiisch einen Werth von 20,466^690
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verchiedener Art . • . 3,00 Tschetwert.
* Kartoffeln 3,15 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 6, 1 5 »
An GeldwerthiZMS den Erträgnissen des Feldbaues 23 R. 80 K.
» » » der Viehjsucht 6 • jj •
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 30 R. 57 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
11,402,638 Rbl. oder um 251 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Kaiisch
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 338,4 6, i
Hornvieh 615,9 ii»2
Schafe 3*078,7 55,9
Schweine 626,9 11,3
Ziegen. 4,0 0,07
* Für das Jahr 1871 nach der Schrift: CTaTHCTHnecKoe onacaHie X^apcraa noju»CKaro
no orpacJMirb npoMuoueHHOCTH KiitiODuurb iHa<ieHie au HuTeHAaincKaro BtAOBCXBa.
C-Üerep^yppb. 1873.
* Ausserdem noch 26,496 Kllber.
513
52. Gouvernement Kjelze.
Grösse des Gouvernements: 183,29 geogr. Qu.-Meilen = 10,092,6
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 518,730 Einwohner, von denen 51
auf I Qu.-Kilonieter entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Tschctwert
An Roggen 286,333
» Winterweizen 167,666
» Sommerweizen 17,666
» Hafer 361,666
» Gerste 210,333
. . 12,000
. . 75,666
c
o
4i
» Buchweizen
» sonstigem Sommergetreide . .
Zusammen an Getreide
• Kartoffeln
>••
4>
«0
'S
1,231,330
824,666
Pud.
i5,252ä5R.
» Sandzucker*
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues .
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 63,600 Stück, davon 7» = 12,720 a
30Rbl
Rindviehbestand: 170,900 Stück ä 15 Rbl. Nutzung .
Schafbestand :
Landschafe 157,600 St. ä i R. 25 K. Nutzung.
FeinwoU. Schafe 213,300 » 2 » — » ^
Schweine 85,000 Stück, ä 8 R. Nutzung
Ziegen 1900 » » 2 » •
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht .
Werthd.Prod.
in Kübel.
1,932748
1 ,676,660
1 76,660
1,446,664
1,051,665
72,000
453*996
6,810,393
1,237,000
76,260
8,123,653
381,600
2,563tS«>
197,000
426,600
680,000
3,800
4.252,500
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Kjelze einen Werth von * 12^376,163
' Im Durchschnitt der Campagnen 1871/73 und 1873/74.
BU88. BEVOS. BD. XUI.
33
•
_SI4
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art. • . 2,37 Tschetwert.
» Kartoffeln 1,59 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 3,96 »
An Geldwerth : dMS den Erträgnissen des Feldbaues 15 R. 66 K.
» » » der Viehzucht 8 » 20 •
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 23 R. 86 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht
um 3,871,153 Rbl. oder um 91 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Kjelze
auf I Qu.-Mßile. auf i Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 34^,9 3,6
Hornvieh 932,4 16,9
Schafe 2023,5 36,7
Schweine 463,7 8,4
Ziegen 10,3 0,18
53- tionvemement Ijablin.
Grösse des Gouvernements: 305,79 geogr. Qu.-Meilen — 16,837,7
Qu.-Kilometerj Bevölkerung: 707 098 Einwohner, von denen 42 auf
I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
Werthd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
3,559*498
c 2,966,600
S 46,660
l 1,874,664
,- 1,256,665
639,996
759,996
An Roggen 527033
» Winterweizen 296,666
Sommerweizen 4,666
Hafer 468,666
Gerste . 251,333
Buchweizen 106,666
sonstigem Sommergetreide . . . 126,666
Zusammen an Getreide . 1,781,996
Kartoffeln 1,457033
Pud.
Tabak 393 ä2R. 786
Sandzucl^r* . .•.•... 16,390» 5» 81,950
Zusammen an Erträgnissen des Feldbaues . I3i372»875
^ 11,104,139
2,186,000
' Im Durchschnitt der Campagnen 1872/7^ und 1873/74.
5»5
b) an Erträgnissen der Viehzucht: Rubel.
Pferdebestand: 111,300 Stück, davon V» = 22,260
Stück ä 30 Rbl. 667,800
Rindviehbestand: 245,100 St (Milchvieh) ä 15 R. Nutz. 3,676,500
Schafbestand: Landschafe 1 50,000 St. ä iR.|2 5 K. Nutz. 182,800
* Feinw. Schafe 337,800 » » 2 * — • » 675,600
Schweine: 134,800 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 1,078,400
Ziegen: 900 .• » 2 * » .... 1,800
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 6,282,600
Die Gesammt-Produktion aus den Erträgnissen des Feld-
baues und der Viehzucht repräsentirt sonach im Gou-
vernement Ljublin einen Werth von 19,656,476
Hiernach entfallen auf einen Einwohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . , 2,52 Tsphetwert
» Kartoffeln 2,o6 «
Zusammen an Nahrungsmitteln .4,58 •
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 18R. 91 K.
• • » der Viehzucht 8 « 88 »
Zusammen a. d.Erträgn. d. gesammt. Landwirthschaft '27 R. 79 K.
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen die aus der Vieh-
zucht um 7,090,275 Rbl. oder um ca. 113 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ljublin
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
363,9 6'6
804,8 14,5
Pferde .
Rindvieh
Schafe .
Schweine
Ziegen .
1595,2 28,9
440,8 8,0
2,9 0,05
54- Oonvernement Lomsha.
Grösse des Gouvernements: 219,51 geogr. Qu.-Meilen = 12,086,9
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 489,699 Einwohner» von denen 41 auf
I Qu.-KHometer entfallen.
33*
5i6
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) mi Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen . .
* Winterweizen
» Sommerweizen
» Hafer . . .
» Gerste . . .
Tschetwert.
472,000
6,666
283,333
109,333
54,000
94.333
c
o
>•;
1)
1,130.998
.52
Buchweizen
sonstigem Sommergetreide . . .
Zusammen an Getreide .
Kartoffeln 1,099,000
Pud.
Tabak 225 ä2R.
Sandzucker* 12,650» 5 »
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues .
WerIhd.Prod,
in Rubel.
3,186,000
1,113-330
66,660
1,133,332
546.665
324,000
565,998
6,935.985
1,648,500
450
63,250
8,648,185
412,230
1.534,84s
'96,559
2 1 2,930
1,007,704
4,364
3,368,632
b) an Erträgnissen der Viehzucht:"^
Pferdebestand: 68,705 St , davon V/s = 13,741 ä 30 R.
Hornviehbestand: 102,323 St.* (Milchv.) ä 15 R.Nutz.
Schafbestand: Landschafc 157,247 St. a1R.25K.Nutz.
Feinwollige Schafe 106,465 » » 2 • - » •
Schweine: 125,963 Stück ä 8 Rbl. Nutzung ....
Ziegen: 2182 Stück ä 2 Rbl. Nutzung
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Lomsha einen Werth von 12,016,817
Es entfallen sonach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 2,30 Tschetwert.
• Kartoffeln , • . 2,24 *
Zusammen an Nahrungsmitteln .4,54 •
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 17 R. 66 K.
* * » der Viehzucht 6 » 86 »
Zusammen aus der gesammten Landwirthschaft 24 R. 52'K.
* Im Durchschnitt der Campagnen 1872/73 und 1873/74.
' Dem Jahre 1871 nach CTaTBcni<iecKoe onicame etc.
* Ausserdem noch 20,949 Kälber,
5»7
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
5,279,553 Rbl. oder um 156 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Lomsha
Pferde .
Hornvieh
Schafe .
Schweine
Ziegen .
auf I Qu.-Meile.
auf I
Qu. -Kilometer.
Stück.
Stück.
• 312,9
5,6
. 466,1
8,4
. 1,201,3
21,8
. 573,8
10,4
9»9
0,1
55- GouTernement Piotrkow.
Grösse des Gouvernements: 222,45 geogr. Qu.-Meilen — 12,249,0
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 682,495 Einwohner, von denen 56
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
An Roggen . .
» Winterweizen
• Sommerweizen
• Hafer . . .
Gerste . . .
Tscheiwert.
506,000
115,333
5,666
565,000
190,666
45,666
69,000
1,497.331
CO
ä3
Buchweizen
sonstigem Sommergetreide . . .
Zusammen an Getreide .
» Kartoffeln 2,258,666
Pud
» Tabak ii5ä2R
• Sandzucker^ 85,471 »5»
c
O
Wcrlhd.Prod
in Rubel.
3.415,500
M53»330
56,660
2,260,000
953.330
273,996
414,000
8,526,816
3,388,000
230
427,355
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues . 12,342,401
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 65,400 Stück, davon Vs — 13,080 Stück
ä3oRbl
Hornviehbestand: 178, 500 St. Milchvieh ä 15 Rbl. Nutz.
392,400
2,677,500
* Durchschnittlich der Campagnen 1872/73 und 1873/74,
518
Rubel.
Schafbestand: Landschafe 237,40081. ä i R.25 K. Nutz. 296,750
» Feinw. Schafe 209,700 » »2 » — * » 419,400
Schweine: 79,500 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 636,000
Ziegen: 2,400 > » 2 » » .... 4,800
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 4,426,850
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Piotrkow einen Werth von . . . , 16,769,251
Es entfallen hiernach auf einen Bewohner des Gouvernements:
An GV/y^iVÄf verschiedener Art . . .- 2,19 Tschetwert
* Kartoffeln 3,30 •
Zusammen an Nahrungsmitteln . 5,49 »
An Geldwertlii aus den Erträgnissen des Feldbaues 18 R. 08 K.
» » » der Viehzucht 6 » 48 *
Zusammen a. d. Erträgn.d.gesammt.Landwirthschaft 24 R. 56 K.
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen die aus der Vieh<
Zucht um 71915,551 Rbl. oder um 178 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Piotrkow
auf I (Ju.-Meile. auf i Qu.-Kilometei'.
Stück. Stück.
Pferde 293,9 5,3
Hornvieh . . . • . . 802,4 I4»S
Schafe 2,009,8 36,5
Schweine 357,3 6,4
Ziegen 10,7 0,18
56. Gouvernement Plotzk.
Grösse des Gouvernements: 197,55 geogr. Qu.- Meilen = 10,877,7
Qu. -Kilometer; Bevölkerung: 471,938 Einwohner, von denen 43
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
519
a) an Erzeugnissen des Feldbaues \^
Werthd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen. 861,666
» Winterweizen ....... 349,666
• Sommerweizen 4>400
» Hafer 814,666
» Gerste. . 247,000
1 Buchweizen 60,333
• sonstigem Sommergetreide . . . 165.666
c
5,816,245
3,496,660
^ 44>ooo
o 3,258,664
1,235,000
361,998
993*996
.22
'53
^ 15,206,563
3,376,000
Zusammen an Getreide . 2,503,197
» Kartoffeln 2,250,666
Pud.
• Sandzucker' 371915215R. 189.575
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues . 18,772,138
b) an Erzeugnissen der Viehzucht:
Pferdebestand : 68,600 St., davon Vs = 13,720 St. ä3oR. 41 1,600
Hornviehbestand : 202,200 St. Milchvieh ä 1 5 Rbl. Nutz. 3,033,000
Schafbestand:
Landschafe 149,300 Stück ä i R. 25 K. Nutzung 186,625
Feinw. Schafe 268,200 » » 2 » — * * 536,400.
Schweine: 106,000 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 848,00a
Ziegen: 1,800 » » 2 » > .... 3f6oo-
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht . 5,019,225
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Plotzk einen Werth von 28,791,363'
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . 5,30 Tschetwert
» Kartoffeln 4^76 >
Zusammen an Nahrungsmitteln . 10^06 Tschetwert
An Geldwerth: aus den Erträgnissen des Feldbaues 39 R. 77 K.
» » » der Viehzucht lO » 63 »
Zusammen a. d.Erträgn. d. gesammt.Landwirthschaft 50 R. 40 K.
' Tabaksproduktion blieb unberücksichtigt, weil die Produktion 1872 nur 6 Pud
betrug.
' Durchschnittlich der Campagnen 1872/73 und 1873/74.
520
Die Erträgnisse aus dem Feldbau übersteigen die aus der Vieh-
zucht um 13,752,913 Rbl. oder um 272 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Plotzk
auf I geogr. Qu.-Meile auf i Qu.-Kilometcr
Stück. Stück.
Pferde . 347,2 6,3
Hornvieh 1023,5 18,7
Schafe 2,113,3 3^,5
Schweine 5 36» 5 9J
Ziegen 9,1 0,16
57- GouTernement Radom.
Grösse des Gouvernements: 224,33 geogr. Qu.-Meilcn = 12,352,1
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 532,466 Einwohner, von denen 43
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:^
Tschetwert,
An Roggen 482,333
» Winterweizen I56>333
• Sommerweizen 1,060
» Hafer 595iOOO
» Gerste 26j^666
» Buchweizen 17,000
» sonstigem Sommergetreide . . . 102,000
O
u
Zusammen an Getreide 1,621,392
» Kartoffeln ........ 912,333
Pud.
» Sandzucker^ 86,654 ä 5 R.
Werthd.Prod,
in Rubel.
3»2S 5,748
1.563.330
10,600
2,380,000
i.338»330
102,000
612,000
9,262,008
1,368,500
433,270
Zusammen aus den Erzeugnissen des Feldbaues . 1 1,063,778
b) aus den Erträgnissen der Viehztuht:
Pferdebestand: 62,600 Stück, davon V* = 12,520 St.
ä30Rbl 375.600
Hornviehbestand: 166,500 Stück Milchvieh ä 15 Rbl.
* Nutzung 2,497,500
' * ^ftbakiprcxluktioii blieb unberücksichtigt, weil die rroduktion 1872 nur 32 Pud
betrag.
' |m Durclischnitt der Ounpagnen 1872/73 und 1873/74.
_._52i
Schafbestand: Rubel.
Landschafe 144,500 St. ä i R. 25 K. Nutzung . 180,625
Feinwoll. Schafe 173,700 » 2 • — » • . 347,400
Schweine: 82,100 Stück a 8 R. Nutzung 656,800
Ziegen: 700 * » 2 » » 1,400
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht 4)059,325
Die Gesammt-Produktion aus dem F*eldbau und der
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouv«rnement
Radom einen Werth von 15,123403
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . ■ . . 3,04 Tschetwert.
s Kartoffeln 1,71 »
Zusammen an Nahrungsmitteln. . . 4,75 »
AtiGeldwerthidiUS den Erträgnissen des Feldbaues 20 R. JJ K,
» • * der Viehzucht 7 » 62 *
Zusammen a.d.Erträgn.d. gesammt. Landwirthschaft 28 R. 39 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
7,004.453 Rbl. oder um 172 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Radom
auf I Qu.- Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 279,0 5,6
Hornvieh 742,2 13,4
Schafe 1,418,4 25,7
Schweine 365,9 6,6
Ziegen 3,1 0,05
58. OoaYernement Ssedletz.
Grösse des Gouvernements: 260,32 geogr. Qu.«Meilen = 14,334,0
Qu.-Kilometer j Bevölkerung: 504,606 Einwohner, von denen 35
auf I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
522
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:
• *
Tschetwert,
An Roggen ....,..«. 428,666
» Winterweizen 99,000
» Sommerweizen 3f500
. Hafer 344,333
» Gerste • . 126,666
» Buchweizen 72,333
• sonstigem Sommergetreide . . . 51,000
a
O
o
(0
PL,
Zusammen an Getreide 1,125,498
• Kartoffeln : . • 918,000
Pud.
Tabak 2,682ä2R
Sandzucker' 56,110*5»
Werth d. Prod
in Rubel.
2,893.495
990,000
3S.00O
».377,332
633.330
433.998
306,000
6,669,155
1,377,000
5,364
280,550
Zusammen aus den Erträgnissen des Feldbaues . 8,332,069
318,750
b) an Erträgnissen der Viehtsucht: *
Pferdebestand: 53,127 Stück^ davon */6 = 10,625 St.
ä30Rbl , . . .
Hornviehbestand: 278,920 Stück'; davon 63,017 Stück
Bullen und Zugochsen; davon Vft =12^603 Stück
ä 20 Rbl. Nutzung
und 215,913 Stück Kühe ä 15 Rbl. Nutzung . . .
Schafbestand : (Landschafe und feinwollige Schafe zu-
sammen) 354,027 St. durchsch. ä i R. 60 K. Nutz
Schweine: 118,725 Stück ä 8 Rbl, Nutzung. . • .
Ziegen: unbekannt.
Zusammen an Erträgnissen der Viehzucht .
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ssedletz einen Werth von . . 13^757,817
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements :
An Getreide verschiedener Art . . . 2,23 Tschetwert
» Kartoffeln 1,72 t
Zusammen an Nahrungsmitteln .
252,060
3,238,695
566,443
949,800
5,425,748
3»95
* Im Dnrchschnitt der Campagnen 1872/73 und 1873/74.
' Nachstehende Daten entstammen dem Berichte des Gouvemears an die Regierung«
' Ausser diesen noch 44,23$ Stück Jungvieh und 21,250 Stück Kälher.
j-dS
5^3
An 6>/^/ze/^r^^; aus den Erträgnissen des Feldbaues 16R. 51 K.
» » » der Viehzucht 10 • 75 »
Zusammen aus den Erträgniss. der Landwirthschaft 27 R. 26 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
2,906,321 Rbl. oder um 53 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ssedletz
auf I Qu.-Meile. auf i Qu.-Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 204,0 3,7
Rindvieh . 1,071,4 19,4
Schafe . , i,359»9 24,7
Schweine 456,0 8,2
59. GoaTemement Ssowalki.
Grösse des Gouvernements: 227,94 geogr. Qu.-Meilen = 12,550,8
Qu.-Kilometer; Bevölkerung: 424,489 Einwohner, von denen 42
auf 1 Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
a) an Erzeugnissen des Feldbaues:^
Tschetwert,
An Roggen 714,333
169,333
4,733
» Hafer
* Gerste
» Buchweizen .......
» sonstigem Sommergetreide . .
Zusammen an Getreide
» Winterweizen
> Sommerweizen
586,333
223,666
1 7,000
69.333
. 1,784,731
* Kartoffeln ^295,333
O
'53
Wcrthd.Prod,
in RubeL
4,821,748
1.693,330
- 47,330
2,345,332
1,118,330
102,000
415,998
10,544,068
1,943,000
Zusammen aus den Erzeugnissen des Feldbaues . 12,487,068
b) an Erträgnissen der Viehzucht:
Pferdebestand: 96,000 Stück, davon Vs = 19,200 St.
ä 30 Rbl 576,000
* Tabaksproduktion blieb unberücksichtigt, weil die Produktion im Jahre 187a nur 8
Pud betrug.
5*4
Rindviehbestand : 105,900 Stück Milchvieh ä 15 Rbl. I^ubel.
Nutzung 1,588,500
Schafstand: Landschafe 166,000 St. ä l R. 25 K. Nutz. 207,500
Feinw. Schafe 34,700 » » 2 ■ — » » 69,400
Schweine: 130,100 Stück a 8 Rbl. Nutzung .... 1,040,800
Ziegen: 2,200 » • 2 • • . . • • 4»400
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht • 3,486,600
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt sonach im Gouvernement
Ssuwalki einen Werth von 15«973,668
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 4,20 Tschetwert.
» Kartoffeln 3,05 »
Zusammen an Nahrungsmitteln .7,25 »
An GeldwertJi: aus den Erträgnissen des Feldbaues 29 R. 41 K.
» » » der Viehzucht 8 • 21 »
Zusammen aus den Erträgnissen der Landwirthschaft 37 R. 62 K.
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
9,000,468 Rbl. oder um 25$ pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Ssuwalki
auf I Qu.-Meile. auf 1 Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 414,5 7,5
Hornvieh 458,0 8,4
Schafe 880,5 15,9
Schweine 575»i io>3
Ziegen 9,6 0,17
60. GonveraeiMeiit Warschaa.
Grösse des Gouvernements: 264,46 geogr.Qu.-Meilen=r 14,562,2
Qu.- Kilometer; Bevölkerung: 925,639 Einwohner, von denen 64 auf
I Qu.-Kilometer entfallen.
Im genannten Gouvernement wurden produzirt:
525
a) an Erzeugttissen des Feldbaues \
Wcrlhd.Prod.
Tschetwert. in Rubel.
An Roggen 649.333
» Winterweizen 158,000
• Sommerweizen .,.,... 2,200
» Hafer . . . . , 527,000
. • Gerste 1 • • io^333
• Buchweizen 37»333
» sonstigem Sommergetreide . . . y2^€^6
4,379>398
1,580,000
^ 22,000
o 2,108,000
506,665
223,998
c
g 435.996
^ 9,256,057
2,811,500
Zusammen an Getreide . i)557iS65
• Kartoffeln i»874.333 J
Pud
► Tabak 2,3i2ä2R. 4,624
* Sandzucker^ 655.993*5 » 3,279,965
Zusammen an Erzeugnissen des Feldbaues . 15,353,146
b) an Erträgnissen der ViehzucIU:
Pferdebestand: 81,200 Stück, davon V6 = > 6,240 Stück
ä 30 Rbl 487,200
Hornviehbestand: 291,900 St. Milchvieh ä 15 R. Nutz. 4,378,500
Schafbestand: Landschafe 177,400 St. ä iR. 25 K.Nutz. 221,750
» FeinwoU. Schafe 41 5,400 » » 2 » — » » 830,800
Schweine: 130,400 Stück ä 8 Rbl. Nutzung .... 1,043,200
Ziegen: 1,100 • » 2 » » .... 2^200
Zusammen aus den Erträgnissen der Viehzucht . 6,963,650
Die Gesammt-Produktion aus dem Feldbau und der
Viehzucht repräsentirt demnach im Gouvernement
Warschau einen Werth von 22,315,796
Hiernach entfallen auf einen Bewohner des Gouvernements:
An Getreide verschiedener Art . . . 1,67 Tschetwert
• Kartoffeln 2,02 »
Zusammen an Nahrungsmitteln . . 3^69 »
An Geldiverih: aus den Erträgnissen des Feldbaues • 16 R. 58 K.
* » » der Viehzucht 7 . 52 »
Aus den Erträgnissen der gesammten Landwirthschaft 24 R. i o K.
* Im Durchschnitt der CaatMgMn 1872/73 and 1873/74.
526
Die Erträgnisse des Feldbaues übersteigen die der Viehzucht um
8,388,496 Rbl. oddr um 120 pCt.
Schliesslich entfallen im Gouvernement Warschau
auf I Qu. -Meile auf i Qu. -Kilometer.
Stück. Stück.
Pferde 307,0 5,5
Rindvieh 1 1103,7 20,0
Schafe 2,241,5 40,7
Schweine 493»o 8,9
Ziegen 4>i 0,07
Nachdem in den vorstehenden Tabellen die Produktionsverhält-
nisse (1er einzelnen Gouvernement^ in übersichtlicher Weise zusam-
mengestellt worden sind, erübrigt noch, auf Grund dieser Tabellen,
die Beantwortung der Eingangs gestellten acht Fragen.
1. Frage. Welchen Ertrag liefert der Feldbau eines jeden einseinen
Oouvemements des europäischen Hussland nach dem Quantum« wto
niEkoh dem Werthe der Tersohiedenen Produkte?
An Getreide verschiedener Art werden im gesammten europäischen
Russland, nach Abzug des Samens, 200,703,000 Tschetw. produzirt ;
davon entfällt das grösste Quantum auf das Gouvernement Kursk
mit I2|576,900 Tschetw. Diesem zunächst stehen die Gouverne-
ments Tambow mit 12,278,300 Tschetw., Wjatka mit 8,664,000
Tschetw., Orel mit 7,624, 300 Tschetw., Kijew mit 7, 146,300 Tschetw.,
Ssaratow mit 6,852,300 Tschetw., Ssamara (6,812,600 Tschetw.)
Woronesh (6,417,300 Tschetw.), Poltawa (6,336,800 Tschetw.), Tula
(6,302,900 Tschetw.) und Perm (6,114,000 Tschetw.). Ein Quantum
von 5 Vt Mill. bis 5 Mill. Tschetwert wird produzirt in den Gouver-
nements Rjasan, Kasan, Podolien und Pensa; ein solches von 5 — 4
Millionen Tschetw. in den Gouvernements Ufa, Ssimbirsk und Char-
kow; von 4—3 Millionen in den Gouvernements Wolhynien, Livland,
Nishnij-Nowgorod und^ Cherson; von 3 — 2 Mill. Tschetw. in den
Gouvernements Tschernigow, Orenburg^ Wilna, Jekaterinosslaw,
Bessarabien, Plotzk, Ssmolensk, Twer, Kowno, Kostroma, Mohilew,
Taurien und Kaiisch; von 2 — i Million Tschetwert in den Gouver-
nements Minsk, Wladimir, Kaluga, Ssuwalki, Ljublin, Witebsk, Ra-
dom, Warschau, Nowgorod, Kurland, Piotrkow, Pskow, Wologdia» im
_ 528
KowDOy Minsk und Witebsk (ä 600,000 Pud), Jarosslaw (500,000 Pud),
Ssmolensk und Wilna (ä 400,000 Pud), Kurland (150,000 Pud),
Grodno (100,000 Pud) und Nowgorod (20,000 Pud). Obgleich auch
in den meisten übrigen Gouvernements Russlands und des Zarthums
Polen Flachs gebaut wird, so fehlen hierüber doch alle statistischen
Daten. Der Flachs bildet hier keinen Handelsartikel und wird nur
für den eigenen Bedarf produzirt.
Han/y von welchem die Gesammtproduktion Russlands 4,850,000
Pud beträgt, wird in grösserem Verhältnisse nur in den Gouverne*
ments Orcl (1,550,000 Pud Ertrag), Tschernigow (700,000 Pud),
Kursk (550,000 Pud), Ssmolensk (450,000 Pud), Kaluga, Mohilew
und Tula (ä 400,000 Pud), Rjasan (250,000 Pud) und Tambow
(150,000 Pud) kultivirt. Sein Anbau ist in der Abnahme begriflfen.
Mit der Tabakskultur befassen sich eine grössere Reihe von Gou-
vernements. Dem Quantum nach wird der meiste Tabak erzielt in
den Gouvernements: Tschernigow (983,300 Pud), Poltawa (557,700
Pud),Ssamara (3 10,800 Pud) und Bessarabien (129,300 Pud), dann fol-
gen die Gouvernements: Woronesh (54,000 Pud), Charkow (51,700
Pud), Tula (47, 500 Pud), Taurien (41,000 Pud), Tambow (36,600 Pud),
Wolhynien (35,000 Pud), Podolien (27,800 Pud), Ssaratow (20,600
Pud), Rjasan (14,700 Pud), Kursk (1 1,300 Pud) und Chersson (10,200
Pud). Weniger als 10,000, aber mehr wie 1000 Pud werden gewonnen
in den Gouvernements Pensa (8,900 Pud), Ssimbirsk, Jekaterinosslaw,
Orel, Ssedletz, Warschau, Minsk, Nishnij-Nowgorod und Kijew.
Endlich produziren noch Tabak, wenn auch in einem Quantum von
weniger wie looo Pud die Gouvernements Astrachan, Ljublin,
Lomsha, Piotrkow, Kaluga, Mohilew und Wilna. Die jährliche
Gesammtproduktion berechnet sich im Minimum in den genannten
Gouvernements durchschnittlich auf 2,367,630 Pud.
Die Sandzuckerproduktion Russlands betrug in den Jahren 1870
bis 1871 durchschnittlich 7,212,390 Pud. Am meisten davon wurde
produzirt im Gouvernement Kijew (3,171,700 Pud), dann in den
Gouvernements: Rjasan (819,400 Pud), Warschau (655,900 Pud), Po-
dolien (635,200 Pud), Charkow (441,800 Pud), Tschernigow (260,600
Pud), Kursk (233,500 Pud) ; dann folgen die Gouvernements: Wol-
hynien, Tula, Tambow und Woronesh (mit 100 — 131,900 Pud),
schliesslich mit einer Produkten von unter 100,000 Pud die
Gouvernements: Kaiisch 94,900 Pud), Radom, Piotrkow, Poltawa
Ssedletz, Bessarabien, Plotzk, Mohilew, Ljublin, Kjelze, Lomsha,
Minsk, Orel, Pensa und Ssaratow (2,900 Pud).
529
Der Werth der in allen Gouvernements des europäischen. Huss-
land gewonnenen Produkte des Feldbaues beziffert sich unter Zu-
grundlegung der Exportpreise auf 1,361,835,395 Rbl.> oder^ wenn
in den entfernt liegenden, verhältnissmässig gering bevölkerten^ mit
'Exporthäfen nicht in direkterVerbindpng stehenden, Gouvernements
Orenburg, Ufa, Wjatka und Wologda von diesen Exportpreisen ?ib-
gesehen, und der Preis aller Produkte für diese Gouvernements um
25 pCt reduzirt wird, auf 1,333,082,338 Rbl. Die an Feldbaupro-
dukten reichsten Gouvernements sind die Gouvernements: Kursk
(Werth 76,885,781 Rbl.), 7lM«^^w(74,428,ii2Rbl.), AS/Vw ($3,449,454
Rbl.), sowie, wenn wir den Werth der Produkte zu gleicher Höhe
annehmen, wie in den übrigen Gouvernements: Wjaika (52,766,567
Rbl.) und Ssamara (52,545,257 Rbl.). Dann folgen, dem Reichthum
der Feldprodukte entsprechend, die Gouvernements des europäischen
Russland und des Zarthums Polen in nachstehender Reihenfolge:
Mit einer Produktion im Werthe von 44,844,377 Rbl. bis 30,982,565
Rbl. die Gouvernements: Ssaratow, Orel, Poltawa, Woronesh, Podo-
lien, Rjasan, Tula, Perm, Kasan, Livland und Ufa. Mit einem Pro-
duktionswerth von 29,830,330 Rbl. bis 20,201,022 Rbl. die Gouver-
nements: Charkow, Pensa, Wolbynien, Ssimbirsk, Chersson, Tscher-
nigow, Nishnij-Nowgorod, Bessarabien, Jekaterinosslaw, Orenburg
und Wilna.
Mit einem Produktionswerth von 18,772,138 Rbl. bis 10,611,579
Rbl. die Gouvernements: Plotzk, Pskow, Kostroma, Kowno, Minsk,
Taurien, Kaiisch, Ssmolensk^ Mohilew, Warschau, Wladimir,
Grodno, Ljublin, Witebsk, Ssuwalki, Twer, Piotrkow, Jarosslaw
Kaluga, Radom, Kurland und Wologda.
Mit einem Produktionswerth von 9,129^440 Rbl. bis 5,363,375
Rbl. das Donische Kosakengebiet und die Gouvernements: Lomsha,
Ssedletz, Nowgorod, Kjelze und Moskau.
Mit einem Produktionswerth von weniger als 5 Millionen Rbl. die
Gouvernements: St. Petersburg, Estland, Astrachan, Olonez und
Archangelsk.
2. Frage. Wie hodh besiffl^rt sich der Werth doxjeniiren Produkte,
welche durch den Betrieb der Viehsaoht in den einselnen Gtouver-
nements ersielt werden P
Dieser Werth ist aus den vorstehenden Tabellen für jedes ein-
zelne Gouvernement ersichtlich und wurde die Werthssumme nach
den bereits angegebenen Normen bestimmt, welche der Rechnung
RUSS.RBYUS.BD. zin, 34
5S0 .
zu Grunde liegen. Die nachgewiesenen Summen dürften der Wirk-
lichkeit um so mehr entsprechen, als die angegebenen Viehbe-
stände als niedrigste Minimalzahlen anzusehen sind, wesshalb auch
bei Bestimmung der Berechnungsnormen hierauf Rücksicht genom-
men werden musste.
Nach den vorstehenden Tabellen ergibt sich als Gesammtwerth
der im europäischen Russland erzielten Viehzuchtprodukte die
Summe von 526,126,884, resp. 514,941,964 Rbl.
Den höchsten Ertrag an Viehzuchtprodukten haben aufzuweisen
die Gouvernements: Wjatka (unter der Annahme derselben Vieh-
Produktenpreise wie in den übrigen Gouvernements, 17,863,800
Rbl.), Tambow (17.679,525 Rbl.), Woronesh (15,882,975 Rbl.),
Chersson (15,520,700 Rbl.), Perm (15,282,575 Rbl.), Poltawa
(15,129,600 Rbl.) und Charkow (15,129,600 Rbl.)
Einen Produktionswerth von 13,669,175 Rbl. bis 10,607,400 Rbl.
weisen in der Reihenfolge der Höhe der Produktion auf die Gouver-
nements: Kijew, Ssamara, Ssaratow, das Donische Kosakengebiet,
die Gouvernements: Kowno, Kursk, Jekaterinosslaw, Tschernigow
Taurien, Wolhynien und Minsk.
Einen Produktionswerth von 9,806,450 Rbl. bis 7,051,000 Rbl.
die Gouvernements: Grodno, Ssmolensk, Pensa, Kurland, Bessara-
bien, Orenburg, Wologda, Kasan, Twer, Podolien, Mohtlew, Rjasan,
Kostroma, Orel, Livland, Ufa, Witebsk, Wilna, Nowgorod, Ssim-
birsk und Pskow.
Ein Produktionswerth von 6,963,650 Rbl. bis 5,019,225 Rbl.
wird erzielt durch den Viehbestand der Gouvernements: Warschau,
Wladimir, Tula, Ljublin, Nishnij-Nowgorod, Jarosslaw, Moskau, Ka-
luga, Ssedletz, Astrachan und Plotzk.
Den geringsten Ertrag aus den Produkten der Viehzucht (zwi-
schen 4,532,026 Rbl. und 2,029,225 Rbl.) weisen auf die Gouverne-
ments: Kaiisch, Piotrkow, Kjelze, Radom, Estland, Ssuwalki, Lom-
sha, St. Petersburg, Archangelsk und Olonez.
Es handelt sich bei dieser Reihenfolge lediglich um die Höhe des
Ertrages in den einzelnen Gouvernements, nicht aber um die Höhe
des Viehstandes im Verhältniss zur Ausdehnung des Grund und Bo-
dens, von welchem Verhältniss später die Rede sein wird und durch
dessen Feststellung ganz andere und weit bezeichnendere Anhalte-
punkte hinsichtlich der landwirthschaftlichen Kulturentwickelung
der einzelnen Gouvernements gewonnen werden.
53X
8. Frage. Wie hoch beslirert sioh der Werth der geeammten land-
wirthsohaftliohen wie Industrie-Prodnktei welche durch die Yerar-
beitnng landwirthschaftlioher Bobi>rodiikte gewonnen werden?
Es wurde schon Eingangs erwähnt, dass wir von landwirthschaft.
liehen Produkten hier nur den Sandzucker in Rechnung stellen kön-
nen, indem bei der Inrechnungziehung des erzeugten Spiritus, der
Stärke etc. das Rohprodukt, aus welchem jene erzeugt werden, von
den Erzeugnissen .des Feldbaues in Abrechnung gebracht werden
müssten, wozu es an genügenden statistischen Daten fehlt. Viele
Brennereien, Stärkefabriken etc. beziehen ihr Rohmaterial aus
anderen Gouvernements, und würde in diesem Falle bei Berech-
nung der Spiritusausbeute etc. der Werth der Produktion dieser
Gouvernements niedriger erscheinen als jener, in welchen dieses
Rohmaterial verarbeitet wird, ohne dass eine Richtigstellung mög-
lich wäre.
Der Gesammtwerth der in den einzelnen Gouvernements des eu-
ropäischen Russland und des Zarthums Polen erzielten Produkte
des Feldbaues, der Viehzucht und der Rübenzuckerfabrikation re-
präsentirt nach der obigen Zusammenstellung der Produktionsver-
hältnisse der einzelnen Gouvernements die respektable Summe von
1^87,962,279 Rbl. oder, in Berücksichtigung der oben erwähnten
Preismodifikation in vier nord-östlichen GrouvernementSi die Summe
von 1,848,024,302 Rbl., wovon auf die Gouvernements des Zar-
thums Polen 172,246,135 Rbl. entfallen. Der Werth der land-
wirthschaftlichen Produkte der Gouvernements des europäischen
Russland würde sich demnach nach Abrechnung des auf die
polnischen Gouvernements entfallenden Werthes auf 1,715,716,144,
resp. 19675,778,167 Rbl. stellen. Nach dem Berichte der Allerhöchst
ernannten Kommission zur Beurtheilung des gegenwärtigen Zustan-
des der Landwirthschaft und der landwirthschaftlichen Produktion
Russlands wird für die russischen Gouvernements (mit Ausschluss
Polens) der Werth der gesammten landwirthschaftlichen Produkte
mit 1,392,136,000 Rbl. berechnet, wovon 1,300,377,000 Rbl. auf
das Getreide und die Kartoffeln und nur 91,759,000 Rbl. auf
sämmtliche übrigen landwirthschaftlichen Produkte entfallen sollen,
zu welchen ausser allen Produkten der Viehzucht, wie nachgewiesen,
noch 10,530,000 Pud Flachs, 4,850,000 Pud Hanf, 2,361,530 Pud
Tabak und 6,148,000 Pud Sandzucker gehören, welche genannte
Posten allein schon einen Qeldwerth ypn über 100 Mill. RbL reprä-
34*
S3^
sentiren. Sollten sich aber obige 91,759,000 RbL nur allein auf den
Werth der Produkte der Viehzucht beziehen, so bedarf es wohl kei-
nes besondem Nachweises, dass ein aus:
15,611400 Stück Pferden,
21,408,800
35,143,200
10,153,500
9,050,800
1,180,400
Hornvieh,
Landschafen,
feinwolligen Schafen,
Schweinen und
Ziegen
in Summa aus 92,548,100 Stück bestehender Viehstand eine hö-
here jähriiche Einnahme liefern muss, wie 91^759,000 Rbl.
Nach den obigen Zusammenstellungen sind, sowohl an Produkten
des Feldbaues wie der Viehzucht, unter allen russischen Gouverne-
ments die reichsten die Gouvernements: Tambow (mit einem Pro-
duktionswerth von 92,107,637 Rbl.), Kursk (mit einem solchen von
88,503,256 Rbl.)f Kijew (mit 77,118,629 Rbl.) und, wenn von der
mehr erwähnten Werthmodifikation abgesehen wird, Wjatka (mit
einem Produktionswerth von 70,630,367 Rbl., resp. 52,972,775
Rbl.).
Als die nächstreichsten Gouvernements, mit einem Produktions-
werth von 68,841,812 RbL bis 50,758,575 Rbl., sind in absteigender
Reihenfolge zu nennen die Gouvernements: Ssaratow, Ssamara, Pol-
tawa^ Woronesh, Orel und Perm;
mit einem Produktionswerth von 48,295,818 bis 30,226,079 Rbl.
die Gouvernements: Podolien, Charkow, Rjasan, Kasan, Tula, Cher-
sson, Livland, Ufa*, Pensa, Wolhynien, Tschernigow, Ssimbirsk,
Jekaterinosslaw, Bessarabien und Orenburg*;
mit einem Produktionswerth von 29,998,225 bis 20,213,871 Rbl
die Gouvernements: Kowno, Wilna, Minsk, Nishnij-Nowgorod^ Tau-
rien, Kostroma, Pskow, Ssmolensk, Grodno, Mohilew, Plotzk, War-
schau, Wladimir, das donische Kosakengebiet, die Gouvernements
Twer, Witebsk, Kaiisch und Kurland ;
mit einem Produktionswerth von 19,957,579 bis 11,080,975 Rbl.
die Gouvernements Wologda', Ljublin, Jarosslaw, Piotrkow, Kaluga,
Ssuwalki, Nowgorod, Radom, Ssedletz, Kjelze, Lomsha und Moskau ;
* Ab^sehen von der tnehrerwähnten Werthmodifikation fUr lAndwirthschailliche
533
endlich mit einem Produktionswerth von 7,975,548 bis 3,144,972
Rbl. die Gouvernements: Astrachan, Estland, St. Petersburg, Olonez
und Archangelsk.
4. Frage. In welchen Oonvememente dominirt der Feldbau vor der
Viehiucht, d. h. in welchem VerhftltniMe übersteigen die Einnahmen
des enteren die der letateren, oder ungekehrt P
Nur in den nachbenannten 5 Gouvernements übersteigt der Werth
der Produkte der Viehzucht den der Produkte des Feldbaues und
auch hier nur in zwei Gouvernements in grösserem Verhältnisse: im
Gouvernement Astrachan um 106 pCt., in dem Gouvernement Ar-
changelsk um 82 pCt., im Gebiete der donischen Kosaken um
40 pCt. und in den Gouvernements Olonez und Moskau um 8 und
6 pCt. In allen übrigen Gouvernements dominirt der Feldbau in
sehr starkem Verhältnisse; so übersteigt der Werth der Feldbau-
produkte den der Viehzuchtprodukte im Gouvernement Kursk um
561 pCl., in Tula um 461 pCt., in Orel um 447 pCt, in Kijew um
364 pCt, in Podolien um 340 pCt, in Tambow um 326 pCt., in Ufa
um 281 pCt., in Livland uin 280 pCt., in Plotzk um 272 pCt., in
Nishnij-Nowgorod um 271 pCt., in Kasan um 270 pCt., in Rjasan
um 262 pCt., in Ssuwalki und in Ssamara um 258 pCt, in Kaiisch
um 251 pCt., in Ssimbirsk um 200 pCt., in Pensa und Wjatka um
195 pCt etc. Nur in wenigen Gouvernements übersteigt der Werth
der Produkte des Feldbaues den der Viehzucht in geringerem Ver-
hältniss, so im Gouvernement Estland um 5 pCt., in Nowgorod
9 pCt, in St. Petersburg 10 pCt., in Kurland 12 pCt„ in Wologda
13 pCt., in Twer 36 pCt., in Kowno 39 pCt, in Grodno 48 pCt., in
Taurien 56 pCt. und in Minsk um 60 pCt. — In diesem grossen
Uebergewicht des Feldbaues über die Viehzucht liegt namentlich in
den zentralen, westlichen und nord-östlichen Gouvernements, dem-
nach in allen Gouvernements, in welchen die Düngung des Bodens
eine Kulturbedingung ist, eine der Hauptschwächen der russischen
Landwirthschaft, deren Beseitigung mit allen zu Gebote stehenden
Mitteln angestrebt werden sollte.
6. Frage. Wie hoch stellt eich der Ertrag im Yerhiltniea sur BerlKl«
kerung einet Jeden Qoavememente und weldhee Quantum Ton Nah«
rungamitteln wird pro Kopf der BeySlkerung enielt?
Der erste Theil dieser Frage wird gleichzeitig mit Frage 6 beant-
wortet werden. Was den zweiten Theil derselben anbelangti so er-
S34
gibt sich, dass durchschnittlich auC den Kopf der Gesammtbevöl-
kerung Russlands (70»045,9S8 Einwohner) entfallen: an Getreide
2,865 Tschetw., an Kartoffeln: 0,616 Tschetw., zusammen 3,481
Tschetw. Dieser Durchschnittsertrag wird in den nachfolgenden
Gouvernements erreicht: in Archangelsk, in Astrachan, in Bessara-
bien, in Charkow, in Chersson, im Donischen Kosakengebiet, in Est-
land, in Grodno, in Jarosslaw, in Jekaterinosslaw, in Kaluga, in Kasan
in Kostroma, in Kowno» in Minsk, in Moskau, in Nishnij-Nowgorod,
in Nowgorod, in Olonez, in Orenburg, in Perm, in Podolien, in Pol-
tawa, in Pskow» in St. Petersburg, in Ssmolensk, in Taurien, in
Tschernigow, in Twer, in Witebsk, in Wladimir, in Wolhynien, in
Wologda und selbst in Woronesh, obgleich sich unter diesen Gou-
vernements solche befinden, die, wie z. B. Poltawa, Charkow, Woro-
nesh etc., reiche Getreideernten liefern, und an Getreide mehr als
die oben pro Kopf durchschnittlich entfallenden 2,865 Tschetwert
produziren. Da sie aber nur einen verhältnissmässig sehr geringfügi-
gen Kartoffelertrag aufzuweisen haben, so bleiben sie hinsichtlich
der Produktion von Nahrungsmitteln dennoch hinter den Mittel-
zahlen zurück.
Der höchste Ertrag von Nahrungsmitteln (Getreide und Kar-
toffeln) pro Kopf der Bevölkerung wird erzielt in den Gouvernements:
Plotzk (10,06 Tschetw.), Ssuwalki (7,25 Tschetw.), Kursk (6,95
Tschetw.), Tambow (6,84 Tschetw.), Kaiisch (6, 1 5 Tschetw.), Tula
(5,92 Tschetw.), Piotrkow (5,49 Tschetw.), Orel (5,45 Tschetw.) und
Ssaratow (5,26 Tschetw.). Dieses Ueberge wicht verdanken die pol-
nischen Gouvernements ihrem ausgedehnten Kartoffelbau.
Den Ertrag von 4,99 bis 4,16 Tschetwert pro Kopf erzielen die
Gouvernements: Livland, Radom, Ljublin^ Lomsha, Pensa und Rja-
san, die beiden letzteren in Folge starker Getreideproduktion.
Den Ertrag von 3,99 bis 3,04 Tschetwert pro Kopf erzielen die
Gouvernements: Ssimbirsk, Mohilew, Kjelze, Ssedletz, Ssamara, Ufa,
Kijew, Wjatka, Wilna, Warschau, Kowno^ Poltawa, Grodno, Woro-
nesh, Kasan, Orenburg, Taurien und Nishnij*Nowgorod.
Den geringsten Ertrag an Nahrungsmitteln liefern pro Kopf der
Bevölkerung die Gouvernements: Twer (1,94 Tschetw,), Wladimir
(1,78 Tschetw.), Nowgorod (1,76 Tschetw.), Wologda (1,46
Tschetw.), Olones (1,37 Tschetw.), das Donische Kosakengebiet
(1,16 Tschetw.)» St. Petersburg und Archangelsk (ä 0,79 Tschetw.),
Moskau (0,71 Tschetw.) und Astrachan (0,57 Tschetw.).
Die hier nicht genannten Gouvernements rangiren zwischen der
S3S
letzten und vorletzten Gruppe mit einem Ertrage von 2 — 2,9
Tschetw. an Nahrungsmitteln vom Kopf der Bevölkerung.
Wird jedoch vom Kartoffelertrage abgesehen und nur der Ertrag
an Getreide berücksichtigt, so rangiren die Gouvernements wie
folgt: Kursk (643 Tschetw.), Tambow (5,70 Tschetw.), Tula (5,39
Tschetw.), Plotzk (5,30 Tschetw.), Ssaratow (5,04 Tschetw.), Orel
(4i77 Tschetw.) und Ssuwalki (4,20 Tschetw.); dann folgen mit
einen Ertrag von 3,75 bis 3,0 Tschetw. in absteigender Reihenfolge
die Gouvernements: Rjasan, Ssamara, Wjatka, Ufa, Livland, Ssim-
birsk, Kijew, Kasan, Orenburg, Radom, Poltawa und Kaliscb, und
mit einem Ertrage von 2,98 --2,0 Tschetw. die Gouvernements:
Woronesh, Taurien, Wilna, Perm, Nishnij-Nowgorod, Podolien, Lju*
blin, Kurland, Bessarabien, Kjelze, Charkow, Lomsha, Wolhynien,
Mohilew, Ssedletz, Piotrköw, Jekaterinosslaw, Ssmolensk und Cher«
sson. Die letzte Stelle nehmen auch in dieser Beziehung ein die
Gouvernements: Archangelsk (0,69 Tschetw.), Astrachan (0,48
Tschetw.), und Moskau und St. Petersbui^ (ä 0,46 Tschetw.), letz*
tere beiden nicht nur wegen der an und für sich schon nicht erheb-
lichen Produktion, sondern auch in Folge der, ihnen angehörenden
stark bevölkerten beiden Hauptstädte des Landes. Die hier nicht
speziell genannten Gouvernements rangiren zwischen der letzten
und vorletzten Gruppe.
6. Frage. Wie hoch stellt sich der Werth des Xrtrsge« an Feldban«
wie an ViehBUchtprodukten im Verhältnist bot Bevölkerungisahl
und welcher Betrag dieses ermittelten Werthes entfällt auf den
Kopf der Bevölkerung ?
Den grössten Werthbetrag an Erzeugnissen der gesanmiten Land-
wirthschaft pro Kopf der Bevölkerung erzielen die Gouvernements :
Plotzk (50 Rbl. 40 Kop), Kursk (45 Rbl. 27 Kop.), Tambow (42
Rbl. 82 Kop.)y Ssaratow (39 Rbl. 30 Kop.), Livland (39 Rbl. 23
Kop.), Taurien (38 Rbl. 79 Kop.), Ssuwalki (37 RbL 62 Kop.), Ssa-
mara (35 Rbl. 84 Kop.), Tula (35 Rbl. 82 Kop.), Kijew (35 Rbl. 44
Kop.), Orenburg* (33 Rbl. 55 Kop.), Orel (33 RbL 18 Kop.), Pakow
(32 RbL 91 Kop.), Pensa (32 Rbl. 46 Kop.), Kaiisch (30 RU. 57
Kop.) und Rjasan (30 RbL 24 Kop.).
Hiemach folgen mit einem Erträgniss von 29 RbL 35 Kop» bis 25
* Abgesehen von der mehr erwähnten WerthmodifikaUon dfr UndvirtkichalUidien
Prodokte.
536
Rbl. 23 Kop. die Gouvernements: Wjatka,^ Bessarabien, Ufa,* Ra-
dom, Poltawa, Ssimbirsk, Wilna, Ljublin, Ssedletz, Woronesb, Char-
kow, Kowno, Mohilew, Chersson und Kasan; mit einem Erträgniss
von 24 Rbl. 97 Kop. bis 20 Rbl. 11 Kop. die Gouvernements: Podo-
lien, Piotrkow, Lomsha, Estland, Jarosslaw, Grodno, Warschau, Je-
katerinosslaw, Kjelze, Witebsk, Minsk, Perm, Ssmolensk, Kostroma^
Tschernigow, Nishnij-Nowgorod, Wladimir und das Donische Kosa-
kengebiet; mit einem Erträgniss von 19 Rbl. 89 Kop. bis 15 Rbl. 62
Kop. die Gouvernements : Wologda, ^ Jarosslaw, Wladimir, Kaluga,
Twer und Nowgorod;
mit einem Erträgniss von unter 1 5 Rbl. pro Kopf der Bevölke-
rung die Gouvernements : Astrachan, Olonez, Archangelsk, Moskau
(5 RbL 78 Kop.) und St. Petersburg (5 Rbl. 63 Kop.)
7. Frage. Wie stellt sich die Stüoksahl der verBchiedenen landwirth-
aohaftliohea Hausthiere som Flächeninhalt der einselnen Gk>uveme-
ment0?
Am Schlüsse einer jeden der vorstehenden Tabellen ist die Stück-
zahl der pro Qu.-Kilometer in jedem einzelnen Gouvernement ent-
fallenden Pferde, des Hornviehs, der Schafe, Schweine und Ziegen
berechnet worden.
Hiernach entfallen pro Qu.-Kilometer:
Die meisten Pferde:
in den Gouvernements: Kursk (12,9 Stück), Tambow (12,7), Tiila
(10,9), Rjasan (9,4), Woronesh (8,9)^ Ssuwalki (7,5), Moskau
(7,4), Tschernigow (7,4), Pensä (7,1), Kowno (7,0), Kasan {ß^y\
Ljublin ißjS), Kaluga (6,4), Ssmolensk (6,4), Ssimbirsk (6,3),
Ptetzk (6,3) und Kaiisch (6,1 Stück).
Die wenigsten Pferde:
in den Gouvernements : Olonez (0,4 Stuck), Archangelsk und Wo-
logda {0,5), Astrachan (1,1) und Nowgorod (i,6 Stück).
Die grosste Anzahl Hornvieh:
in den Gouvernements: Warschau (20,0 Stück), Ssedletz (iS),4),
Plotzk (18,7), Kjelze (16,9), Kurland (16,3), Poltawa (154), Lju-
blin und Piotrkow (14^5), Radom (13^), Kowno (12,7), Kaiisch
(11,2), Podolien und Grodno (10^8), Chersson und Kijew (10,7)9
Bessarabien (10^), Charkow (10,3) und im Donischen Kosaken-
gebiet (10,1 Stück).
537
Die geringste Anzahl Hornvieh:
in Archangelsk (o,i Stück), Olonez (0,7), Wologda (1,2), Astra-
chan (2,1), Orenburg und Perm (2,3}, Ufa (2,5) und Ssamara
(3,0 Stück).
Die grösste Anzahl Schafe :
in den Gouvernements: Taurien (63,1 Stück), Kaiisch (S5,9),
Warschau (40,7), Plotzk (38,9), Jekaterinosslaw (38,7), Poltawa
und Piotrkow (36,5), Kjelze (36,4), Chersson und Bessarabien
(31,1), Ljublin (28,9), Woronesh (28,3), Tambow (27,2), Radom
(25,7% Ssedletz (24,7), Kursk (21,9), Lomsha (21,8), Tula (21,7)
und Charkow (21,3 Stück).
Die geringste Anzahl Schafe :
in Archangelsk (0,1 Stück), Olonez (0,6), Wologda (1,0), St. Peters-
burg (1,5), Nowgorod (1,9) Perm (3,1), Pskow (4,1), Orenburg
(4,5) und Minsk (5,0 Stück).
Die gross te Anzahl Schweinex
in den Gouvernements: Kaiisch (11,3 Stück), Lomsha (10,4), Ssu-
walki (10,3)^ Poltawa (9,7), Plotzk (9,4), Podolien (9,3), Warschau
(8,9), Kursk und Kjelze (8,4), Ssedletz (8,2), Ljublin (8,0), Charkow
{j,i)i Kijew (7,4), Tschernigow (7,3) und Woronesh (6,9 Stück).
Die geringste Anzahl Sclnveine:
imGebiet der Donischen Kosaken, in den Gouvernements: Archan-
gelsk, Olonez und Jarosslaw (0,0 Stück), St. Petersburg, Twer,
Wologda und Kostroma (0,1 Stück), Nowgorod und Astrachan
(0,2), Orenburg (0,3), Perm (0,5), Moskau (0.6), Wladimir (0,7)
und Nishnij -Nowgorod (1,0 Stück).
Die grösste Anzahl Ziegen :
in den Gouvernements: Kowno (1.9 Stück), Ufa (ii5), Kasan (1,1)
und Taurien (1,0 Stück).
Die geringste Anzahl Ziegen:
in Wologda, Archangelsk und Ssedletz (0,00), Estland, Grodno,
Moskau, Tula und Twer (0,01).
Wird aber von den einzelnen Viehgattungen abgesehen und der
gesammte Viehstand nach Stücken Grossvieh (= i Stück Pferd
= I Stück Hornvieh = 10 Stück Schafe = 8 Stück Schweine =10
Stück Ziegen) berechnet, so rangiren nach ihrem Viehreichthum die
Gouvernements Russlands in nachstehender Reihenfolge : Warschau
(30,68 Stück Grossvieh), Plotzk (30,07), Ssedletz (27,82), Kjelze
53«
(25)23), Kurland (24,59), Foltawa (24157), Piotrkow (24,26), Kaliscfa
(24,20), Ljublin (23,99), Tambow (23,25), Kursk (22,70), Radom
(22,40), Woronesh (22,34), Kowno (21,89), Pensa (21,68), Podolien
(19,88), Tula (19,20), Ssuwalki (18,60), Rjasan (18,13), Charkow
(17,69), Tschernigow (17,67), Lomsha (17,49)1 Bessarabicn (17,48),
Chersson (1746), Kijew (17,23), Jekatermosslaw (16,44), Grodno
(15,94), Moskau (15,80), Taurien (15,74), Orel (15,61), das Donische
Kosakengebiet (14,37), Wolhynien (14,09), Ssaratow (14,1), Estland
( 1 3,95), Ssmolensk( 13,92), Jarosslaw|( 13,69), Kaluga (13,62), Mohilew
(13,52), Kasan (13,41), Ssimbirsk (13,18), Witebsk (12,57), Pskow
(12,44), Livland (12,28), Wladimir (12,26), Wjatka (12,04), Twer
(11,93), Wilna (11,76), Nishnij-Nowgorod (10,00), Ssamara (9,21),
Kostroma (7,96), Minsk (7,56), Ufa (7,00), St. Petersburg (6,16),
Orenburg (5,80), Perm (5,48), Nowgorod (4,95), Astrachan (3,89),
Wologda (1,81), Olonez (1,16) und Archangelsk (0,61).
8. Frage. Wie rangiren die einaelnen Gouvernements unter einander
hinsiohtlioh der Höhe ihrer geeammten landwirthachaftlichen Pro-
duktion?
Hinsichtlich der Höhe ihrer gesammten landwirthschaftlichen Pro-
duktion rangiren die Gouvernements wie folgt:
Tambow, Kursk, Kijew, Wjatka^, Ssaratow, Ssamara, Poltawa,
Woronesh, Orel, Perm, Podolien, Charkow, Rjasan, Kasan, Tula,
Chersson, Livland, Ufa^ Pensa, Wolhynien, Tschernigow, Ssimbirsk,
Jekaterinosslaw, Bessarabien, OrenburgS Kowno, Wilna, Minsk,
Nishnij-Nowgorod, Taurien, Kostroma, Pskow, Ssmolensk, Grodno,
Mohilew, Plotzk, Warschau, Wladimir, das Donische Kosakenge-
biet, Twer, Witebsk, Kaiisch, Kurland, Wologda^, Ljublin, Jaross*
law, Piotrkow, Kaluga, Ssuwalki, Nowgorod, Radom, Ssedletz,
Kjelze, Lomsha, Moskau, Astrachan, Estland, St. Petersburg, Olonez
und Archangelsk.
* Abgesehen von der mehrerwähnten WerUunodUikmion filr die UndwirthaduLft«
liehen Produkte.
S39
Ueber die AnsflUirniig des Belehs-Budgets Tom
Jahre 1877.
Nach dem^Kechenschaftsberichte des Reichs-Kontrolleurs
von
Dr. AHred Schmidt
Da es eiae bekannte Thatsache ist, dass Kriegsjahre in jeder Be*
Ziehung ungünstig auf die wirthschaftliche Lage eines Volkes wir-
ken, so natürlich auch auf die Staatseinnahmen, die ja immer, so zu
sagen, ein Produkt der Volks wirthschaft im engeren Sinne sind; die-
sem verminderten Einiliessen der Einnahmen stehen dann auch noch
regelmässig vermehrte Ausgaben» bedingt durch eben jene selben
Kriegsverhältnisse, gegenüber. Traten diese Erscheinungen bereits
beim Budget- Abschluss fiir das Jahr 1876 zu Tage, wie wir dies seiner
Zeit in unserem Referat über dasselbe (vgl. «Russ. Revue» Bd. XI,
S. 557 u. ff.) hervorgehoben, so ist dies in noch viel höherem
Grade beim Budget- Abschluss Tür das Jahr 1877 ^^^ ^^^^ gewesen;
überwogen 1876 die ReicAsaus£^a6en (ordentliche) die Rekhsemnah'
nun (ordentliche) um 5,538,368 Rbl., so 1877 "^i 30,003,211 Rbl.
Ehe wir zur Betrachtung der Ausführung des Budgets für das
Jahr 1877 übergehen, schicken wir noch eine kleine Tabelle über
die Reichseinnahmen und Ausgaben seit dem Erscheinen der Reichs-
kontrollberichte (1866) voraus.
Einnahmen Ansgmben Die Einnahmen ergaben
(Tansende Rubel.) ^!^S^ ^^ Ausgaben
1866
352,896
413,298
— 60,603
1867
419,838
424,904
— 5,066
1868
421,560
441,282
— 19,722
1869
457,496
468,798
— 11,302
1870
480,559
485.482
— 4,923
1871
508,188
499.735
+ 8,453
1872
523,057
523.077
— 0,020
»873
537,942
539,140
- 1,198
1874
557,734
543,317
+ 14,417
1875
570,493
543,222
+ 33.271
1876
559,263
573,107
— 13.844
1877
548,831
585,04s
— 36,214
Die Einnahmen des Jahres 1877 waren auf 558,205,223 Rbl. ver-
anschlagt worden, effektiv sind aber nur 548,830,831 Rbl. einge-
kommen, was 9,374,392 Rbl. oder 1,68 pCt weniger, als veran-
S40
schlagt worden, ausmacht, gegen die efTektiven Einnahmen des Jah«
res 1876 stehen die des Jahres 1877 um 10,431,861 oder 1,86 pCt.
zurück. 1876 hatten dagegen die effektiven Einnahmen den Voran-
schlag doch noch um 0,45 pCt. überstiegen, gegen die effektiven
Einnahmen des Jahres 1875 aber waren sie sogar um 2,99 pCt zu-
rückgeblieben.
Aus folgenden 35 Einnahmeposten stellt sich die Gesammtein-
nahme zusammen; die beistehenden Ziffern beziehen sich auf den
effektiven Ertrag des Postens im Jahre 1877. Die Positionen folgen
in jeder Kategorie nach der Grösse ihres Betrages:
Effektiv ein- Mehr oder weniger
gekommen gegen d. Voranschlag gegen 1876
A) Steuern: R u b e l.
1) Getränkesteuer. . 189,676,512 —2,867,587 —1,664,611
2) Direkte Steuern
gCopf-, Grund- und
ebäudesteuer) . 116,998,379 — 1,672,872 — 1,442,348
3) Zoll 52,065,434 — 5,450,560 —19,024,140
4) Handels- und Ge-
werbesteuer. . . 14,444,645 — 501,355 — 399,210
5) Tabakssteuer . . 12,017,952 + i:39i»9S2 + 1,500,361
6^ Salzsteuer . . . 10,163,725 — 968,853 —1,283,408
7) Stempelsteuer . . 9,365,965 — 234,035 — 681,101
8) Rübenzuckersteuer 6,775,820 -f 973,320 -f- 1,7^2,823
9) Eintragungs- und
Kanzleigebühren . 6,709,125 — 1,000,875 — 269,6x9
10) Passgebühren . . 2,629,052 — 93,948 -f 95,416
11) Schifffahrtsabgaben 674,220 — 60.913 — 3.831
12) Chausseegeld . . 322,452 -f 162,326 + 148,001
13) Nicht besonders be-
nannte Abgaben , 2,425,042 — 46,988 — 154,683
424,268,323 —10,370,394 —21,396,350
B) Regalien:
14) Post 12,364.195 + 1,432,802 + 1,465,342
15) Telegraphen . . 6,738,655 + i,347i655 + ^383t7S8
16) Bergwerke . • . 2,711,687 4. 230,029 — 366,703
17) Münze .... 1,930,384 — 1,819,011 — 1,^83,079
23,734,921 + i.i9i»475 + 799,318
Q Erträgnisse der
Staatsgüter:
18) Forsten .... 9730,225 — 744,377 + 238,470
19) Theilpachtungen
(Mühlen , Fische-
reien u. s. w.) . . 5,912,685 + 32,172 — 153,099
54J
20) Verkauf von Staats-
Immobilien . . . 4,217,188 — 457,864 — 75^857
2 1) Hüttenbetrieb und
Bergbau . . . • 3,818,509 — 44^,375 + 817,791
22) Eisenbahnen ; . 1,511,861 — 2,430,708 — 156,216
23) Grundzins und an-
dere Abgaben der
Kronsbauern und
Ansiedler auf den
Kronsländereien in
den baltischen Pro-
vinzen 696,821 — 18,860 — 12,827
25,887,289 — 4,066,012 + 658,262
D) Verschiedine Ein-
nahmen:
24) Obligationszahlun-
gen Seitens der ]Q-
senbahnen . . . 16,200,410 -f- 67,966 4. 4,102,357
25) Zufällige Einnahm. 8,246,300 -|- 4»I3I f 1,009,560
26) Zahlungen von den
Selbstverwaltungs-
körpern aus den
Kommunalabgaben
an die Staatskasse.
27) Einnahmen aus
Transkaukasien
28) RückersUtt.Staats-
darlehen ....
29) Zinsen von der Kro-
ne gehörigen Kapi-
talien, Gewinne von
Bankoperat. u. s. w»
30) Verkauf von Krons-
inventar und wirth-
schaftlichen Pro-
dukten des Staates
3 1 ) Einnahmen a. land-
wirthschaftlichen u.
technisch. Etablis-
sements d. Staates,
sowie für, von der
Regierung heraus-
gegebene Bücher
und Journale . . 1,089,756 — 12,548 -f 46,393
32) Strafgelder . . . 75«»237 — 133,376 — 181,223
71964.157
— 735,784
+ 2,502,343
7,122,120
— 245,507
- 369,939
5,004,826
+ 1.952,967
— 1.793,900
2,402,407
— 600,169
- 380,293
2,258,412
-1- 835,161
+ 554,851
542
33) Zahlungen der Pri-
vatschiüerinKrons-
anstalten. • . •
34) Zeitweilige Zollab-
gaben für beson-
dere Zwecke • •
35) Durchgehende Ein-
nahmen (recettes
d'ordre) .
451,194 + 8,846 + 22,936
135,542 — 164,458
208,032
• •
23,313.937 + 2,893,310 + 4,201,856
Im Ganzen .
74,940,298
548,830,831
-f 3,870,539 91506,909
— 9,374-392 —10,431,861
Von diesen 35 Einnahmeposten haben 13 mehr, als für sie veran-
schlagt worden, ergeben, und zwar zusammen 11,332,638 Rbl., die
übrigen 22 dagegen weniger, zusammen 20,707,030 Rbl. Gegen
ihren effektiven Ertrag im Jahre 1876 sind doch noch 14 Einnahme-
posten um zusammen 19,872,258 Rbl. gestiegen, die übrigen 21 Po-
sten aber zusammen um 30,304,119 Rbl. zurückgegangen. Ihren
Voranschlag haben am bedeutendsten übertroffen, um mehr als
I MilL Rbl. : die recettes d'ordre (um 2,89), die rückerstatteten Staats-
darlehen (um 1,95), die Einnahmen von der Post (um 143), die Ta-
bakssteuer (um i»39), die Telegraphen-Einnahmen (um 1.35);
hinter demselben blieben aber um dieselbe Summe zurück: der Zoll
(um 5,45)9 die Getränkesteuer (um 2,87), die Einnahmen von den
Eisenbahnen um (2,43), die von der Münze (um 1,82), die direkten
Steuern (um 1,67) und die Eintragungs- und Kanzleigebühren (um
1,001). Gegen den effektiven Ertrag im Jahre 1876 wiesen eine
Steigerung von um mehr als i MilL Rbl. folgende Einnahme-
posten auf: die recettes d'ordre (um 4,20), die Obligationszahlungen
Seitens der Eisenbahnen (um 4,10), die Zahlungen von den Selbst-
verwaltungskörpern aus den Kommunalabgaben (2,50), die Runkel-
rübenzuckersteuer (um 1,78), die Tabakssteuer (um 1,50), die Ein-
nahmen von der Post (um 1,47), vom Telegraphen (um 1,38) und
die zufalligen Einnahmen (um i,Oi); eine Verminderung hingegen
um dieselbe Summe : der Zoll (um 19,02), die zurückgezahlten Staats-
darlehen (um 1,79)9 die Einnahmen von der Münze (um 1,68), die
Getränkesteuer (um 1,66), die direkten Steuern (um 1,44) und die
Salzsteuer (um 1,28).
Betrachten wir nun die wichtigsten Einnahmeposten etwas ein-
gehender, wobei wir die Ursachen, die ihre Steigerung oder Ver-
minderung bedingt, speziell hervorheben wollen«
Die bedeutendsten Ueberschüsse in Bezug auf ihren Ertrag im
Vorjahre gewährten, abgesehen von den durchgehenden Einnah-
men, die mZaMungen der Eisenbahngesellscfurften für ihre ObUge^
Honen>^ welche gegen das Vorjahr 4,102,357 Rbl. und gegen ihren
Voranschlag 67,966 Rbl. mehr ergaben. Diese verstärkten Stählungen
wurden bedingt durch grössere Rentabilität einiger Eisenbahnlinien^
544
Als Grund hiervon muss das, am 6. Juni 1877 Allerhöchst bestätigte
Reichsraths-Gutachten über die am i. Januar 1877 erfolgte Einfüh-
rung eines erhöhten Banderollen-Tarifs angesehen werden. Diese in
Aussicht stehende Erhöhung der Abgabe veranlasste eine verstärkte
Tabaksproduktion, um den Tabak noch unter bestehender niedrigerer
Banderolle in den Kauf gelangen zu lassen.
Die Einnahmen von der •PosU und den ^c Telegraphen* hatten
1877 gegen 1876, erstere 1,465,342 Rbl., letztere 1,383758 Rbl. und
gegen ihren Voranschlag erstere 1,432,802 Rbl. und letztere
1,347,655 Rbl. mehr ergeben. Als wesentlicher Grund für diese
Steigerung ist der Einfluss des Krieges anzusehen.
Die bedeutendste Mindereinnahme im Jahre 1877, sowohl gegen
den Ertrag v. l876als auch gegen ihren Voranschlag weisen die •Zölle»
(Einnahmeposten 3 und 34) auf. Hinter ihrem Ertrage im Jahre
1876 sind sie um 19,232,172 Rbl. und hinter ihrem Voranschlage
um 5,615,024 Rbl. zurückgeblieben; erklärt wird dieses ausser-
ordentlich starke Sinken des Ertrages dadurch, dass, in Folge der
auf den i. Januar 1877 festgesetzten Inkrafhretung des Gesetzes vom
IG. November 1876 über die Erhebung des Zolles in Goldvaluta,
Ende Dezember 1 876 der Import zollpflichtiger Waaren grossartige
Dimensionen annahm und ausserdem auch noch alle auf Lager be-
findlichen Waaren vor dem Antritt des Jahres 1877 verzollt wurden,
somit bereits 1876 ein nicht unbedeutender Betrag an Zoll einfloss,
der bei sonst normalen Verhältnissen faktisch erst 1877 eingegan-
gen wäre. Der für Rechnung des Jahres 1877 bereits 1876 eingelau-
fene Zoll darf auf ca. 12 Mill. Rbl. angenommen werden. (Näheres
hierüber in unserem Handelsbericht für das Jahr 1876^ «Russ. Re-
vue» Bd. XII, S. 115 u. ff.). Zieht man diese 12 Mill. Rbl. mit in Be-
tracht, so wären die 2^lleinnahmen im Jahre 1877 nicht nur nicht
hinter denen im Jahre 1876 zurückgeblieben, sondern hätten sie so-
gar noch übertroffen. Dasselbe gilt auch von ihrem Voranschlage,
der vor Publizirung des Gesetzes über die Erhebung des Zolles in
Gold festgesetzt worden war.
Die ^zurückgezahlten Staatsdarlehen» erreichten ihren Ertrag von
1876 um 1,793,900 Rbl. nicht, ihren Voranschlag überstiegen sie
dagegen um 1,952,967 Rbl. Der Mehrertrag gegen den Voran-
schlag ist eine Folge grösserer Rentabilität einiger EisenbahnUnien,
so namentlich der Grossen russischen Eisenbahngesellschaft und der
Dünaburg-Witebsker-Linie,die esden betreffenden Gesellschaften er-
möglichte, grössere Rückzahlungen zu machen. Das Zurückbleiben
gegen den Ertrag im Vorjahre erklärt sich aus dem Umstände, dass
die Grosse russische Eisenbahngesellschaft der Krone 1876 zur end-
giltigen Regulirung ihres Schuldverhältnisses 3,614,780 RbL gezahlt
hatte, 1877 aber eine solche Zahlung nicht mehr zu erfolgen
brauchte.
Die Einnahme aus der •Münze* war hinter der des Vorjahres um
54Ö
Herbeigeführt wurde dieses Resultat wohl zumeist durch eine, vom
Kriege bewirkte Verminderung der im Jahre 1877 efTektuirten
Käufe und Verkäufe und sonstiger, der Stempelgebühr unterliegen-
der Abmachungen.
_ »
Betrachten wir nun die Ausgaben in derselben Weise, wie es mit
den Einnahmen geschehen.
Die Gesammtausgaben waren nach der Budgetvorlage für das Jahr
1877 mit 552,196,701 Rbl. veranschlagt worden, haben aber eflfek-
tiv .1,014,372,899 Rbl. betragen; da jedoch von dieser Summe
429,328,089 Rbl. auf ausserordentliche Ausgaben entfallen, welche
wir weiter unten getrennt für sich betrachten werden, so kommt auf
die ordentlichen Ausgaben die Summe von 585,044,810 Rbl. Diese
Ziffer ist denn auch den folgenden Vergleichen überall zu Grunde
gelegt worden. Die 585,044,810 Rbl. übersteigen die Ausgaben des
Voranschlags um 32,848,110 Rbl. oder 5,99 pCt. und die effektiven
Ausgaben im Jahre 1876 (573,107,058 Rbl.) um 11,937,753 Rbl.
oder 2 pCt., während die Ausgaben des Jahres 1876 gegen 1875
um 29,885,537 Rbl. oder 5 V* pCt. gestiegen waren. Ihren Voran-
schlag hatten die effektiven Ausgaben 18/6 um 22,448,709 Rbl.
oder 474 pCt. überstiegen. Wir lassen die Ausgabeposten in der
Ordnung folgen, wie sie im Budget aufgeführt sind.
1. Das
2. Die
3. Der
4. Das
5.
6.
7.
8.
9.
10.
II.
13.
»
n
»
»
13. »
14. Die
15. •
f6. »
Reichskreditsystem
höchsten Reichsbehörden . ,
heilige Synod
Ministerium des Kaiserl. Hofes
» Auswärtigen
• Krieges .
der Marine . .
• Finanzen .
» Domänen .
des Innern
der Volksaufklämng
» Wegeverbindun
gen , . .
» » Justiz . .
Reichskontrolle
Gestütverwaltung
Civilverwaltung Transkaukasiens,
Im Ganzen
Effektive
Ausgaben
R
115,086,33a
2,634,233
10,063,773
9,479.051
3.862,788
190,087,258
28,102,116
84,066,332
i9»707,490
54,074,818
15,660,762
26,691,701
15,488,298
2,222,680
768,875
7>048,304
Die effektiven
Gewährte Ausgaben 1877
Supplementär- betrogen
Kredite gegen die 1876
u b
18,078,696
634,820
23,746
2,509.774
2,041,030
399,376,882
6,609,217
28,334,559
1,383,979
2,607,309
83,477
l.
+
+
5 741 517
27,386
190,383
2,149,942
620,308
217,018
993,« «6
+ 3.767,466
— 71,847
+ 421,599
4- 472,092
+
+
«8,543,542 + 2,176,928
548,064 — 102,528
33,550 + 37,961
7,000 — 64,943
40,967 + 150,047
585,044,811 480,856,61a +11,937175$
54f
Im Verhältniss zu den efTektiven Ausgaben im Jahre 1876 haben
sich im Jahre 1877 ^^^ Ausgaben bei 10 Verwaltungszweigen zu-
sammen um 14,571,417 Rbl. vergrössert und bei 6 zusammen um
nur 2,633,664 RbL vermindert.
Wir wollen nun im Nachfolgenden die hervorragendsten Momente»
welche bei den wichtigsten Verwaltuogszweigen eine Vermehrung
der Ausgaben veranlasst haben, näher hervorheben, unter spezieller
Berücksichtigung der Ausgaben des Jahres 1877 gegen die des Jah-
res 1876.
Am stärksten sind im Jahre 1877 gegen 1876 die Ausgaben des
^Rtichskrediisysiems* gestiegen, nämlich um 5,741,517 Rbl. und
gegen den Voranschlag um 6,040,137 Rbl. Hervorgerufen wurde
diese Mehrausgabe durch den Umstand, dass im Jahre 1877 die erste
Zinszahlung für die 5 pCt Reichsbankbillete 4* Emission in der
Höhe von 5,065,042 Rbl. zu erfolgen hatte.
Es folgt hierauf das ^Finamministeriuin^^ dessen Ausgaben gegen
das Vorjahr 3,767,466 Rbl. und gegen den Voranschlag 7,182,067
Rbl. mehr betragen haben. Bedingt wurden dieselben in "erster
Reihe durch die bereits bei den Einnahmen erwähnte Accise-Rück-
erstattung im Betrage von 3,306,177 Rbl. für exportirten Zucker,
nächstdem durch eine Mehr- Ausgabe von 2,241,380 Rbl. für den An-
kauf von Gold und Silber und von 521,109 Rbl. für vermehrte Dar-
lehen an Privatpersonen. Vermindert haben sich die Ausgaben in
diesem Ministerium bei den Subsidienzahlungen an Aktiengesell-
schaften um 1,105,304 Rbl., hauptsächlich weil die Russische Dampf-
schifffahrts- und Handelsgesellschaft in Folge der Blokade der Hä-
fen des Schwarzen Meeres, ihre Fahrten einstellen musste, und bei
denHülfsgeldern an, auf unbestimmte Frist entlassene Untermilitärs,
um 953,931 Rbl., da solche Entlassungen 1877 sistirt wurden.
Das •Ministerium der Wegeverbindungen» verausgabte 1877 ge-
gen 1876 mehr 2,176,928 Rbl. und gegen den Voranschlag mehr
8,127,920 Rbl. Eine sehr bedeutende Zunahme erfolgte in den Ga-
rantiezahlungen an die Eisenbahngesellschaften theils in Folge des
Sinkens unseres Wechselkurses, theils aber auch wegen der Be-
triebseröflfnung einiger garantirter Eisenbahnlinien, so der Fasto-
wer, der Orenburger und der Weichsel-Bahn, sowie einer, von Neuem
gewährten Garantie für die Aktien der Eisenbahnlinie Moskau-Brest;
alle diese Zahlungen machten zusammen eine Mehrausgabe von
2,440,032 Rbl. erforderlich.
Die nachfolgende Tabelle zeigt, welchen Eisenbahngesellschaften
auf Grund der ihnen gewährten Staatsgarantien, Subsidien während
der letzten fünf Jahre und in welcher Höhe, ausgezahlt worden sind
35*
548
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122 a
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So B
8 I
549
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass zu den bereits 18/6 auf
eine Garantie Anspruch besitzenden Gesellschaften 1877 noch vier
neue hinzugekommen sind : Grjasi-Zaryzin, Fastow^ Orenburg und
die Weichselbahn, denselben wurden 1877 Subsidien im Betrage
von 8 1 4, 1 7 2 Rbl. ausgezählt.
DdiS •Marine-Ministerium» verausgabte gegen 1876 993,1 16 RbL
und gegen den Voranschlag 2,264,238 Rbl. mehr. Diese Summe
ist das Resultat aus grossen Mehr- und Minderausgaben \ zu ersteren
gehört ein Darlehen im Betrage von 2,241,390 Rbl. an die Baltische
mechanische Werkstatt und Werft für den Bau von eisernen Fahr-
zeugen; zu letzteren: 552,432 Rbl., die weniger verausgabt wurden
als Gehalte an Meister und Lohn an Arbeiter und 8oo,ooo Rbl., die
1876 zum Ankauf der angeführten Werkstatt verwandt worden
waren und 1877 ganz in Wegfall kommen.
Die Steigerung der Ausgaben im ^Ministerium des Aeussem» ge«
gen 1876 um 620,308 Rbl. und gegen den Voranschlaig um 888,219
Rbl. wurde einerseits durch das Sinken unseres Wechselkurses her-
beigeführt, was eine Mehrausgabe von 335,000 Rbl. erforderte^ aa^
dererseits aber auch durch manche nöthig gewordene ausserordent*
liehe Ausgaben einiger unserer Konsulate, für welchen Zweck
301,912 Rbl. ausgegeben wurden.
Leider fehlen im Rechenschaftsbericht die Angaben darüber, in
welchen Ausgabezweigen das ^Ministerium des Hofes^ seine Aus-
gaben um die beträchtliche Summe von 2,149,943 Rbl. vermin*
dert hat.
Ein sehr wichtiges Moment unseres Ausgabe-Budgets bilden die
Supplementar-Kredite^ denen in unserer Finanzwirthschaft stets eine
besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden ist und die man stets
bestrebt war, nach Möglichkeit zu verringern. Dass Letzteres mit
Erfolg geschehen, zeigt nachstehende kleine Tabelle, aus welcher
zu ersehen ist, dass mit Ausnahme der, von uns schon gleich zu An*
fang als anormal bezeichneten Jahre 1876 und 1877, die Supple*
mentar-Kredite seit 1869 von Jahr zu Jahr nicht nur in ihrem pro-
zentualen Verhältnisse zu den, durch den Voranschlag gewährten Kre-
diten, sondern auch in ihrer absoluten Höhe konstant abgenommen
hatten :
Gewährte
In Protenten
Supplementar^Kredite. des VoranicUagi.
1869-
37,181,880 Rbl. S'/spCt.
1870
35,801,426 1
7»/« .
I87I
35,698,066 .
7«/, .
1872
34,488,164 .
7Vi .
1873
26,367,822 .
5V« •
1874
33.695,125 '
4V« •
1875
15,703,821 .
2»/« •
1876
21,616,803 1
3'/* »
1877
33»392.074 "
5»/i •
550
Die Summe von 32,892,074 Rbl. gewährter Supplementar-l^edite
des Jahres 1877 erhalten wir aus der, in der Tabelle S. 546 angege-
benen Summe sämmtlicher gewährter Supplementar-Kredite im
Betrage von 480,856,612 Rbl., wenn wir von derselben erstens
441,115,001 Rbl. für ausserordentliche Ausgaben, auf die wir noch
zurückkommen werden, und zweitens noch 4»849,537 Rbl. ab-
ziehen, welche letztere Summe von dem Kriegs- und dem Marine-
Ministerium aus ihrem Reservefond bestritten werden muss. Die
sich alsdann ergebende Summe von 32,892,074 Rbl. macht 5^/4 pCt
der durch den Voranschlag gewährten Kredite (552,196,701 Rbl.)
ausi 1876 war dieses Prozentverhältniss nur 3'/4 gewesen. Der Pro-
zentsatz von 5^/4 ist sehr hoch und seit dem Jahre 1872, wo derselbe
7Vt betrug, nicht vorgekommen, findet aber seine sehr natürliche
Erklärung in den aussergewöhnlichen* politischen und finanziellen
Verhältnissen des Jahres 1877. Nachfolgende Tabelle weist die
Supplementar-Kredit-Forderungen, nicht nach den Verwaltungs-
Organen, sondern nach gemeinsamen Zwecken gruppirt, auf, und
zwar vergleichsweise für die fünf letzten Jahre:
Die Supplementar-Kredite betrugen:
1873. 1874. »875. 1876. 1877.
Rubel«
I. Fttr Schlangen der
StaatsrAnleibcn . . • 3,i88,353 ^64,978 — 394i9H 5i49lt450
3. Fflr Ausgaben, hervor-
gerufen durch ausseror-
dentliche Umstände . 7,051,508 8,997,45a 5,350,460 5,052,621 4,778,644
3« Für Darlehen und Un>
teitttttzungen an Privat-
personen , in Folge von
Mitsemten, Feuerschä-
den etc. 794.J97 727»«54 102,531 26,644 387f963
4. Fflr Ausgaben,die nach
dem Voranschlag wohl
annäherungsweise be-
stimmt werden, bei de-
nen sich aber später die
approximat Schätzung
in Folge höherer Preise
und anderer Gründe
als zu niedrig ergeben 10,858,261 5,809,726 5,409,103 10,632,488 l8,302|228
5. Für Ausgaben zur Be-
soldung ausseretatmäs-
siger Beamten . . . 214,033 X53»53S 59i«47 350,^4 I4»«3S5
6. Für Sr. Majestät zur
Verfügung gestellte
Summen 720,426 76^t44i i|077|074 957t^9 ^^S%1^
7. Für den Unterhalt. neu
eröffneter und fiir die
Erhöhung der Etats
früher bereits eröffneter
Regierungsbehörden . 822,819 1,156,418 433|^73 764«III S9I|X97
8. Für Belohnungen, Un-
terstützungen nnd Dar-
lehen an Civilbeamte
und ^mitärpersonen . Xi590,i42 3,437t97i 11620,387 i,3Hi709 Si8,S3i
55»
9* Für Neubauten und an-
dere Unternehmungen ,
die nach dem Schluss
des Budgets entstanden 2,128,083 SiS^SiSSO "iö5«i446 2,113,013 1,565,017
26,367,822 23,695,125 15,703,821 21,616,80432,892,074
Diese Tabelle zeigt, dass die Summe der 1877 gewährten Supple-
mentar-Kredite gegen das Vorjahr bei 6 Posten sich verringert hat,
bei 3 hingegen bedeutend in die Höhe gegangen ist, am stärksten
beim vierten Posten, was durch die, in einer solchen Höhe noch nie
vorgekommene Rückerstattung der Zucker-Accise für in*s Ausland
exportirten inländischen Zucker und durch das Sinken unseres
Wechselkurses zu erklären ist; nächstdem bei Posten i «Zahlungen
für Rechnung der Staatsanleihen*. Der Grund hierfür lag in der 1877
zum ersten Male zu leistenden Zinszahlung für die 5 pCt. Reichs«*
bankbillete 4. Emission; die Steigerung bei Posten 3 rührt theil«
weise von den, den Landschaften, in welchen sehr zahlreiche Mili«
täreinberufungen stattgefunden hatten, gewährten Subsidien hen
Es erübrigt uns nur noch, ein Paar Worte über die im Jahre 1876
eflfektuirten * ausserordentlichen Ausgaben* zu sagen, ehe wir zur
Darlegung der Bilanz schreiten.
Wie schon erwähnt, wurden zur Bestreifung der, durch den
Kriegs- und die politischen Ereignisse des Jahres 1877 hervorgerufenen
ausserordentlichen Ausgaben durch gewährte Supplementar-Kredite
441,115,001 Rbl. assignirt, von denen effektiv 1877 429,328,089 Rbl.
verausgabt worden sind, und zwar für folgende Zwecke:
Dazu bereits 1876.
Rubel. Rubel.
Für
»
»
»
»
»
GehaltCi Diäten u. s. w. . .
Equipirungen
Fourage . •
Proviant .......
Militär- und Frachtentransporte
Bauten und andere, durch die Ak
tion der Armee veranlasste Arbeiten
Geschütze und Gewehre . . . .. ,
die Deckung der Kursdifferenz beim
Ankauf von Gold für die Armee . .
das Sanitätswesen
Anschaffung von Pferden . . . .
unvorhergesehene Ausgaben im Kau-
kasischen und Turkestanischen Mili-
tärbezirk
ausserordentliche Ausgaben . . .
Armirungsausgaben vom Marine-Mini-
sterium
Fahrten, Depeschen, Estaffeten . «
66,341,906
58,479,880
54.5 19*925
37,674,289
4,572,782
7,837,543
3,981,712
6,324,726
5,406,393
29,419,039 —
22,324,162 9^071,422
18,906,229
11,621,718
10,616,632
1,035,105
7,522,845
5,617,873 1,388,665
5,318,159 399,453
4,287,712 1,503,412
2,993,238 —
55g
Für 2^1ungen an die rumänische Regierung
fiir Lieferungen etc. an unsere Armee 11984,047 —
B die Einberufung der Untermilitärs zum
Dienst 1,628,987 781,071
> die Zivilverwaltung in Bulgarien • • 638,083 —
> sonstige verschiedene Ausgaben . , i »845 ,695 1,172,984
Im Ganzen • 429,328,089 50,998,115
480,326,203
Zur Deckung dieser, durch den Orientalischen Krieg herbeige-
führten ausserordentlichen Ausgaben im Betrage von 480,326,203
Rbl. (bis zum i. Januar 1878) haben folgende Mittel gedient: der
Ertrag aui der 4. Emission 5 pCt. Reichsbankbillete, der 5 pCt.
Orient- Anleihe und der 5 pCt. auswärtigen Anleihe vom Jahre 1877.
Der zu erwartende Ertrag aus der 4. Emission der Reichsbank-
billete im Betrage von 91^761,951 Rbl. ist im L^aufe des Jahres 1877
voll eingekommen, von der Orient- Anleihe wurden bis zum i. Januar
1878 153,832,390 Rbl. und von der auswärtigen Anleihe 64,441,998
Rbl. realisirt, im Ganzen also 310,036,339 Rbl. Die hiernach zur
Deckung der gesammten ausserordentlichen Ausgaben (480,326,203
Rbl.) noch fehlende Summe im Betrage von i70,289r864Rbl ist von
der Reichsbank entliehen worden.
Aus den, über die Ausgaben gegebenen Mittheilungen ergibt sich
folgendes Resultat:
An Krediten nach dem Voranschlag und an Supplementar-Kre-
diten für die gesammten Reichsausgaben (ordentliche, wie ausser-
ordentliche) waren im Jahre 1877 11033,053,313 Rbl. eröffnet worden,
von dieser Summe wurden effektiv verausgabt 1,014,372,899 Rbl.,
es verbleibt demnach ein disponibler Rest an Krediten von
18,680,413 Rbl., von diesen aber dürfen, laut Budgetordnung, das
Kriegs- und das Marine-Ministerium 2,093,099 Rbl. zur Vergrösse-
rung ihres Ausgabebudgets im nächsten Jahre speziell für sich
beanspruchen, .da ihre, bei der Staatskasse disponibel gebliebenen
Kredite so viel betragen, so dass die Summe der bedingungslos dis«
ponibel gebliebenen Kredite 16,587,314 Rbl. beträgt.
Wir gelangen nun zur Bilanz des Budget-Abschlusses für das Jahr
1877, welche sich folgendermaassen gestaltet :
Die effektiven Gesammtausgaben haben für das Jahr 1877, wie
wir gesehen, 1,014,372,899 Rbl. betragen; von dieser Summe kom-
men aber, wie bereits erwähnt, 429,328,089 Rbl. auf ausserordent*
liehe Ausgaben, während ferner 6,210,769 Rbl. von den Ministerien
des Krieges und der Marine aus ihrem Reservefond bestritten worden
sind, so dass 578,834,042 Rbl. durch die ordentlichen Einnahmen des
Jahres 1877 hätten gedeckt werden müssen. Da aber die gesammten
effektiven Einnahmen des Jahres 1877, wie wir wissen, nur 548^830,831
Rbl. betrugen, so ergibt der Budget-Abschlüss für das Jahr 1877
ein Ueberwiegen der Ausgaben über die Einnahmen, oder mit an-
deren Worten, er schliesst mit einem Defizit von 30,003,211 RbL —
554
verblieben, effektiv kamen aber nur 40,466,047 Rbl., d. h. 1.366^294
Rbl. oder 3 V4 pCt. weniger ein, als erwartet worden; 1876 hatte
der Rückstand 5 pCt. betragen. Von früheren Rückständen sind
160,033 Rbl. in Folge verschiedener Ursachen ganz gestrichen wor-
den, so dass sich die Rückstände im Jahre 1877 um 1,206,261 Rbl.
vergrössert haben und am i. Januar 1878 demnach 18,220,233 RbL
betrugen; von dieser Summe schuldeten die Gutsbesitzer 965,509
Rbl.'Für Rechnung der Ablösungssummen sind im Laufe des Jahres
1877 von der Reichsbank folgende Ausgaben bestritten worden:
I. für Zinszahlungen im Ganzen 37,246,977 Rbl. und zwar a) für
5-prozentige Bankbillete 16, 5 30,203 Rbl., b) für die Ablösungsscheine
1,121,996 Rbl., c) für die 5 Va-prozentige Rente 6,059,774 Rbl. und
d) für die Anleihen der früheren Leihbanken 13,535,004 Rbl.; 2. für
Amortisation im Ganzen 6,359,749 Rbl. und zwar a) 5-proz. Bank-
billete 3,290,050 Rbl., b) 5V2-proz. Rentenscheine 660,700 Rbl. und'
c) Anleihen der früheren Leihbanken 2,408,999 Rbl.; 3. Gehalte und
Gratifikationen an die Beamten, welche die Ablösungsoperationen
führen 376,164 Rbl., und 4. verschiedene Ausgaben 76,720 Rbl. —
im Ganzen 44,059,610 Rbl.* ,
C) Die Rückstände in den Einnahmen des ReiclisschatzamUs,
Am I.Januar 1877 betrug das Guthabenen des Reichsschatzamtes
422,673,899 Rbl., dazu kamen im Laufe des Jahres 1877 ^^ neuen
Forderungen 86,892,528 Rbl. hinzu, an alten wurden 30,214,309 RbL
bezahlt, und 9,456,703 Rbl. auf Allerhöchsten Befehl, als auf eine
Rückzahlung aussichtslose Summe^ aus dem Guthaben ganz gestri-
chen^ so dass das Guthaben des Reichsschatzamtes am i. Januar
1878 469,895,414 Rbl. betrug. Von diesen Summen schulden dem
Reichsschatzamte die Eisenbahngesellschaften über zwei Drittel,
nämlich 315,292,079 Rbl., ihre Schuld hatte sich im Jahre 1877 um
38,533,536 Rbl. vergrössert. Die Rückstände der eigentlichen
Reichseinnahmen betrugen am i. Januar 1878 97,868,404 RbL
gegen 100,506,406 RbL am i. Januar 1877, also hatten s\t um
2,628,002 RbL abgenommen. Den Rest von 56,734,932 RbL bilden
verschiedenartige Schulden, wie z. B. nicht zurückgezahlte Dar-
lehen, Zahlungen für nicht eingehaltene Lieferungskontrakte, noch <
nicht vorgestellte Abrechnungen u. dgl. m.
D) Die Staatsschulden.
Die gesammte Staatsschuld betrug ami.Januari877 1,941,590,224
RbL Für die Umrechnung der Anleihen in ausländischer Valuta in
Rubel ist der Tages-Durchschnittskurs vom 30. Dezember 1877
(i23'/4 Cents holl. und 24 V« Pence = i Rbl.) zu Grunde gelegt wor-
den. Im Laufe des Jahres 1877 kamen hinzu 200,700,000 RbL und
15,000,000 Pfd. Sterl.y letztere machen nach dem angeführten Kurse
146,938,775 Rbl. aus. Für diese Summe sind zwei Anleihen ge-
schlossen und 700,000 Rbl. repräsentiren eine Schuld an die StPeters-
* Eine ausführlichere DarsteUung über den Stand der Ablösangsoperationen werden
wir im i. Heft des nächsten Jahrgangs bringen. D. Red.
S5S
burger Städtische Kreditgesellschaft, welche der Staat beim Ankauf
von Liegenschaften mit übernahm.
Die neuen, Anleihen wurden unter nachstehenden Bedingungen
kontrahirt: r. Die 5 pCt. Orientanleihe im Betrage von 200,000 ^OCX)
Rbl.Avurde auf Grund eines Allerhöchsten Ukases vom 17. Mai 1877
in'^s Reichsschuldenbuch eingetragen. Realisirungspreis 90 pCt.
Tilgungsfrist 49 Jahre. 2. Die auswärtige 5 pCt. Anleihe vom Jahre
1877 ^^ Betrage von 15,000,000 Pfd. Sterl. ist auf Grund eines
Allerhöchsten Ukases vom 27. Mai 1877 in's Reichsschuldenbuch ein-
getragen. Diese Anleihe ist im Auslande laut einer Abmachung mit
dem Bankhause Mendelsohn & Co. in Berlin, durch Verkauf der
Obligationen zu 74 pCt. realisirt worden. Die Tilgung hat auf dem
Wege jährlicher Ziehungen im Laufe von 37 Jahren, vom i. Juli 1878
ab gerechnet, zu erfolgen.
Von früheren Schulden sind im Laufe des Jahres 1877 für 15,282,521
Rblgetilgt worden; so dass sich die gesammte Staatsschuld am
I.januari878 auf 2,273,946,479 Rbl. berechnet. Die umstehendeTa-
belle J zeigt, aus welchen Anleihen sich diese Summe zusammenstellt .
E) Die Spezialfonds.
Die Gesammtsumme aller unter Verwaltung der Regierung
stehenden Spezialfonds betrug am i. Januar 1877 177,400,533 Rbl.
Im Laufe des Jahres 1877 kamen hinzu 28,236,542 RbL — gegen
1876 (26,381,855 Rbl.) 1,854,687 Rbl. mehr; verausgabt wurden
18,497,641 Rbl.— gegen 1876 (17,208,234 Rbl.) 1,289,407 Rbl. mehr,
so dass am i. Januar 1878 die Gesammtsumme aller Spezialfonds
191,585,258 Rbl, betrug, d.h. 14, 184,720 Rbl. mehr, als am i.Jan. 1877.
Folgende Ausgaben wurden aus diesen Fonds, je ihrer Bestim-
mung nach, bestritten :
1. Pensionen und Unterstüzungen an Civilpersonen, welche den
Staatsdienst verlassen, und an Invaliden 4,136,986 Rbl.
2. Unterstützungen und Entschädigungen bei Feuerschäden,
Missemten, Viehseuchen u. s. w. 3,157,714 Rbl.
3. Für Bauten und Unterhalt von Regierungsgebäuden, Kirchen»
Monumenten u. s. w. 1,705,452 Rbl.
4. Unterhalt von Lehranstalten, und Stipendien 2,506,909 Rbl.
5. Unterhalt von, der Regierung gehörenden landwirthschaftlichen
Anstalten, Typographien, Laboratorien u« s. w. 1,605,634 Rbl.
6. Gehalte und Gratifikationen der Beamten, welche diese Fonds
verwalten 1,650,106 Rbl.
7* Für Einquartirungen 528,660 Rbl.
8. An GratiAkationen für die Ersatzmänner im Militär 1,35 1,635 Rbl.
9« Für verschiedene Publikationen, Prämien für Erfindungen und
wissenschaftliche Werke, Bibliotheken und Museen 377,696"RbL
10. Unterstützungen an Beamte und ihre Angehörigen 306,467 Rbl.
1 1. Zur Verbesserung des Unterhaltes der Anrestanten 770,823 Rbl.
12. Unterhalt von Asylen und Betten in Krankenhäusern 275 ,795 RbL
13. Verschiedene Ausgaben 122,764 RbL
556
Stand der gesammteii I
I
3
3
4
5
6
7
8
9
10
II
12
»3
14
«5
i6
17
i8
19
20
31
32
«3
«4
«5
36
37
38
«9
A)Ve zinBliohe Schulden.
Erste Holländische Anleihe • .
Sechsprozentige Anleihe
Anmerk, Diese beiden Schulden wurden 1817 und 18 18 aus vier Anleihen gebild
denen die i. und 4. sur Tilgung der Assignaten kontrahirt wurden, die 2. zur
lung der Schuld des Reichsschatzamtes an die Kriegs- und Marine-Ministerien
3. zur Umwandlung in unkündbare Billete unantastbarer Kapitalien, die sich
Kreditinstitutionen und dem Reichsschatzamte befanden und Behörden nnd V
tigkeitsanstalten gehörten.
Erste (Unfprozehtige Anleihe zur Einlösung der Assignaten ••••...,
Zweite » • • » » »
Dritte » • » Deckung ausserordentlicher Ausgaben • .
Vierte > » » Verstärkung der Mittel des Reichsschatzamtes
Erste vierprozentige » * » » » » »
Zweite » • zum Bau der St. Petersburg-Moskauer Eisenbahn
Dritte » »»»» > « »
Vierte » »»»» > » »
Fünfte » »»»» »•» »
Erste viereinhalbproz. • » » » » • »
Fünfte fönfprozentige » zur Verstärkung der Mittel des Reichsschatzamtes
Sechste • •»»»»» »
Vierprozentige Rentenbillete, um den Personen, die Einlagen in den Banken hatten, ei
theilhaftere Anlage ihrer Kapitalien zu ermöglichen
Dreiprozentige Anleihe zur Verstärkung des Umwechslungsfonds der Kreditbillete
Zweite viereinhalbprozentige Anleihe, um dem Reichsschatzamte die Rückerstattttng vo
men, die es zur Unterstützung der Bankinstitute veraasgabt hatte, als die E
denselben in Masse gekündigt wurden, zu ermöglichen
Fünfprozentige unantastbare Billete der inneren unkündbaren Schuld
Vierprozentige Metalliques zur Verstärkung der Mittel der Reichsbank
Siebente fünfprozentige Anleihe zur Verstärkung des Umwechslungsfonds der Krdditbil
Fünfprozentige Reichsbankbillete zur Verstärkung der Kasse der Bank
Erste Englisch-Holländische Anleihe zur Verstärkung der Mittel des Reichsschatsamtei
Erste Prämien-Anleihe, um der Reichsbank die ^fittel zu geben ihre Operationen sc
theil der einheimischen Industrie zu erweitem und den Ausbau der wichtigstei
bahnen zu fordern
Zweite Prämien- Anleihe, zum Ausbau des Eisenbahnnetzes
Zweite Englisch-Holländische Anleihe zur Sicherstellung der auswärtigen Zahlnns
Reichsschatzamtes
Fünfprozentige Reichsbankbillete zur Tilgung der im Umlauf befindlichen Kreditbillete
Fünfprozentige Reichsbankbillete zur Deckung der, durch die politischen Verhältnisse
gerufenen ausserordentlichen Ausgaben « • • • •
Orient-Anleihe zur Deckung der durch den Krieg hervorgerufenen ausserordentlich«
gaben
FttnQ[Mroientige auswärtige Anleihe vom Jahre 1877 tum selben Zwecke ...-••.
«
nid «m 1. Januar 1878.
S57
II'
S M
lO.
lüiufiiss.
2.
Jahr.
in
M
c
Ursprüngliche
Höhe der
Anleihe.
Zurückge«
zahlt bis
zum Jahre
1877.
6.
Zurückge-
zahlt im
Jahre 1877.
Höhe der
Schuld am l.
Januar 1878,
8.
Gulden
Rubel
1798 u. 1815
1817
»
»
f. Sterling
Rubel
r. Sterling
Rubel
»
; Sterling
Rubel
Gulden (
>f. Sterl.j
Rubel
Gulden \
•f. Sterl.l
Rubel
. Sterling
1820
1822
1831
1832
1840
1842
1843
1844
1847
1849
1854
1855
1859
1860
»
1862
1863
1864
1866
1869
1876
1877
S
6
7«
7>
51,100,000
94,639 727
40,106,000
43.000.000
20,000,000
20,000,000
25,000,000
8,000.000
8.000,000'
12,000,000
14000,000
5,500,000
50000.000
50,000,000
154,138,802
7.000.000
6- 500 000
288,377
60000,000
15,000000
10,000.000
47 933,000
1. 93 7,800
100,000000
100,000,000
31,357,000
3,342,600
15000,000
100,000,000
200.000,000
15.000,000
30,000,000 5oaooo
48,725467 454,797
20.788,020
9,640,490
19.986,000
i9;99i'5oo
20,000.000
6,550.000
6 475,000
9,125,000
9,600,000
2,860,000
17,588,000
6,246,500
276,903
2,366.800
1,460,000
1 1,597*700
843050
6,809,000
375,200
5.330,000
4,780.000
3.457,000
368,500
1,215,000
191,365
441,280
625.000
200,000
200,000
300,000
350.000
110,000
478000
39,500
186.300
100,000
1,063.800
92400
820,000
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19,126,615
32,918,230
14.000
8,500
4,375,000
1.250000
1,325,000
2.575000
4 050.000
2.530,000
31.934,000
43714,000
153,861,899
4,446 900
4,940,00p
«88,377
47*338,500
15,000,000
9.064.550
40,304.000
1,629400
94 090,000
94,670 000
27,414,000
2,922 200
«3,575,000
99.000.000
200.000,000
15.000.000
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B) Sohulden im Lande selbst sa yersohiedenen Zeiten kontrshirt
Reichs-Schatzbillete (Serien)
Schulden kontrahirt bei verschiedenen Institutionen und Personen
C) Unyersinsliobe Schuld.
Reichs-Kreditbfllete
Anmerk. Am I.Januar 1877 betrug die Schuld 735,222,035 Rbl., nach Abzug deri
den Metallfond gedeckten 180,535,803 Rbl. verblieben 554,686,222 Rbl.; cum
nuar 1878 verblieben im Umlauf 734,772,025 Rbl., nach Abzug der durch den M
fond gedeckten 180,085,803 Rbl. noch 554,686,222 Rbl.
D) Frühere Anleihen des Zarthnms Polen, in der Folge vom BeiohsiOli
amt übernommen
S u m mft •
In Rubeln .
Anmerk, Die Umrechnung der ausländischen Valuta ist zum Durchschnittskuise vob
Dezember 1877 gemacht worden, d. h. 123'/« Cents und 24V> Pence = i Ruhe
rechnet.
Zu dieser, gleichfalls dem Rechenschaftsberichte der Reichskon-
trolle entnommenen, wenn auch in der Zasammenstellung ein wenig
modifizirten Tabelle, sei noch Folgendes bemerkt: Die Rubrik 10
enthält die Verzinsung, wie sie der Regierung, gemäss dem Realisi-
rungspreise der betretenden Anleihe, zu stehen kommt. Bei zwei
von den aufgeführten Anleihen: der ersten holländischen (J\| I der
Tabelle) und der ersten fünfprozentigen vom Jahre 1820 (Jiß 3)
dißeriren die Angaben der Kontrolle (also auch unserer Tabelle)
über ihre ursprüngliche Höhe mit den Angaben in allen sonstigen
Dokumenten. Die ursprüngliche Höhe der ersten Holländischen
Anleihe (Rubrik 5) ist mit 51,100,000 Gld. angegeben, während sie
50,600,000 Gld. betragen hat. Woraufhin die erstere Summe von der
Kontrolle angegeben wird, ist aus dem Rechenschaftsberichte nicht
zu ersehen, der am i. Januar 1878 verbleibende Betrag (Rubrik 8) der
Anleihe stimmt aber wieder mit den Angaben über diese Anleihe in
anderen Dokumenten, so dass die, zu viel angegebenen 500,000 Gld.
in dem bereits amortisirten Betrage der Schuld aufgegangen sind«
Ganz dasselbe gilt auch von der ersten fünfprozentigen Anleihe,
deren ursprüngliche Höhe in unserer, laut Kontrollbericht zusam*
inengestellten Tabelle (Rubrik $) mit 40,106,000 Rbl, angegeben
559
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Jahr.
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Ursprüngliche
Höhe der
Anleihe.
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zahlt bis
zum Jahre
1877.
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zahlt im
Jahre 1877.
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Höhe der
Schuld am i.
Januar 1878.
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216,000,000
2,987,51«
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130.390,000 40,266900 1,806,000 88,318,000 —
— - I — 54,280400 7'330ySoo| 481.400. 46,468.500; —
2,659,873,983
370,644983
15,282.521 2,273,946479
4
ist, während nach allen anderen Dokumenten dieselbe rund 40 Mill.
Rbl. betragen hat. In der Rubrik 8 finden wir noch nicht amorti-
sirte Beträge von der dritten und vierten fünfprozentigen Anleihe,
obgleich dieselben, da sie 1831 und 1852 auf 37 Jahre kontrahirt
wurden, i. d. J. 1868 und 1869 bereits ganz getilgt sein mussten; jene
Beträge: 14,000 und 8,500 Rbl. bestehen also in bisher nicht zur
Zahlung vorgewiesenen Billeten, die wohl, aller Wahrscheinlichkeit
nach, im Laufe der Zeit verloren gegangen, verbrannt oder sonst
auf irgend eine Weise vernichtet worden sind, wesshalb sie auch
bei allen weiteren Ausführungen als vollständig amortisirt angese-
hen und daher nirgends mit aufgenommen worden sind. Abweichend
von den, in der Tabelle angegebenen Daten ist ferner im Wei-
teren stets die ursprüngliche Höhe der ersten Holländischen Anleihe
mit 50,600,000 Gld. und die der ersten fünfprozentigen Anleihe vom
Jahre 1820 mit 40 Mill. Rbl. angenommen worden. — Die, unter X 33
angegebenen Anleihen des Zarthums Polen sind aus dem Kontroll-
bericht zusammengestellt und als eine für sich bestehende Schuld
betrachtet worden. Von diesen letzteren Anleihen ist der Betrag von
199,661 Rbl. von der zum I.Januar 1878 verbliebenen Höhe der
Schuld (Rub. 8) unverzinslich.
S6o
Der grösseren Uebersichtlicbkeit halber sind nun alle Anlei-
hen Russlands nach ihrem Charakter in der Tabelle 11 zusammenge-
fasst worden. A) in auswärtige Anleihen: a) mit bestimmtem Tilgungs-
termin, b) ohne einen solchen, und B) in Innere Anleihen: a) mit
bestimmtem Tilgungstermin, b) ohne einen solchen« — Was die
Tilgungstermine der auswärtigen Anleihen anbelangt, so ist die
erste Holländische Anleihe {Ji i der Tabelle I) auf die längste Zeit*
dauer geschlossen, nämlich auf loi Jahre, nächst dieser die zweite
viereinhalbprozentige Anleihe (J^ 17): auf 67 Jahre; dann folgen:
die erste viereinhalbprozentige Anleihe (J^ 12) auf 50 Jahre, die fünf
vierprozentigen Anleihen {HJi 7 — 1 1) auf 40 Jahre^ und endlich auf
den kürzesten Termin von nur 37 Jahren die beiden EngUsch-
Holländischen Anleihen und die auswärtige Anleihe vom Jahre
1877 (}^}t 22, 25, 29). Die Tilgungstermine der inneren Anleihen
sind folgende: Auf die längste Zeitdauer sind hier die beiden Prä-
mien-Anleihen (im 23, 24) kontrahirt worden, nämlich auf 60 Jahre»
zum nächst längstenTermin, 49 Jahre, sind die fünfprozentigen Reichs-
bankbillete vom Jahre 1863 (K 21) und die Orientanleihe {}t 28) emit-
tirt worden, auf diese folgen die Metalliques der Reichsbank (M 19)
mit einem Tilgungstermin von 41 Jahren und mit dem kürzesten von
37 Jahren, wie bei den auswärtigen Anleihen, ist die Emission der
Reichsbankbillete vom Jahre 1869 und 1876 \itJt 26, 27) eflfektuirt
worden. Was die Reichsschatzbillete {Jt 30) anbetrif!t, so werden
dieselben stets in Serien für je 18 Mill. RbL auf die Dauer von 8 Jahren
emittirt, doch mit dem Vorbehalt, dass nach eingetretener Tilgungs-
frist die zu tilgenden Serien durch Emission neuer Serien er-
setzt werden; die am I.Januar 1878 in Umlauf befindlichen Serien
(CCXI— CCXXII) datiren aus den Jahren 1869— 1873, 1875 und
1876. Die Tilgungstermine für die bei veschiedenen Personen und
Institutionen kontrahirten Schulden (K 31) und den Polnischen An-
leihen {Nt 33) sind so mannigfaltige und vielfach mit so komplizirter
und spezieller Berechnung verbunden, dass eine Aufzählung der-
selben zu weit führen würde.
Für alle im Laufe des Referates vorkommenden Umrechnungen
ausländischer Valuta in Metall-Rubel und in Kredit-Rubel, sowie der
Metall-Rubel in Kredit-Rubel sind folgende Kurse zu Grunde gelegt
worden: a) bei allen Umrechnungen ausländischer Valuta in Metall-
Rubel der Normalwerth, d.h. der holländische Gulden ist = 51,9
Kop. ; das Pfund Sterling = 628 Kop. und der Franken = 25 Kop.
Met. gerechnet worden; b) bei allen Umrechnungen in Kredit-Rubel
der Durchschnittskurs vom 30. Dezember 1877, wie dies auch im
Rechenschaftsbericht der Reichskontrolle geschehen, derselbe war
für die holländische Valuta 123^/4 Cents, für die englische 24* /•
Pence und für die französische 255 V« Centimes für den Rubel Kred.;
hiernach stellt sich der Werth des holländischen Gulden = 81 Kop.,
des Pfund Sterlings = 980 Kop., des Franken = 39 Kop, und des
Metall-Rubel, nach dem Kurs k vue auf London berechnet, = IS5)8
Kop. Kred.
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Zur Erläuterung der Tabelle II sei erwähnt, dass von den, auf Rubel
lautenden auswärtigen Anleihen diejenigen als Metall-Anleihen an«
gesehen worden sind, deren Coupons auf irgend eine ausiän-
dische Valuta lauten. In der 4. Rubrik «Amortisationsquote für das
Jahr 1878» sind nur diejenigen Kapitalbeträge aufgeführt, welche
alljährlich obligatorisch zurückgezahlt, d. h. durch Ziehungen getilgt
werden müssen, nicht aber auch die, welche die Reichskasse frei-
willig durch Ankauf von Papieren amortisirt; in der Rubrik 5 aber
ist die gesammte Verzinsung verzeichnet. Zur genaueren Informi-
rung darüber, welche einzelnen Anleihen wir zu jeder Kategorie
gerechnet, sind in der Rubrik 6 die J\6J£ für die betreffenden Anlei-
hen der Tabelle I angegeben.
Es ergibt sich nun aus Tabelle 11, dass Russlands Verpflichtungen
dem Auslande gegenüber für seine eigentlichen Staatsanleihen —
Anleihen, die in das Staatsschuldenbuch eingetragen sind — an Ka-
pitalrückzahlung und Verzinsung für das Jahr 1878 in: a) $.42y^goo
Gulden hoU. oder 2,817,080 Rbl. Met., b) 2,878,198 Pfd. Steri. oder
18,075,083 Rbl. Met, c) 2,325,939 Rbl. Met., d) 4,804,494Rbl. Kred.
also zusammen in 23,218, 102 Rbl. Met. und 4,804,499 Rbl. Kred. be-
stehen. Dem Inlande gegenüber betragen die Verpflichtungen
4,259,995 Rbl. Met. und 54,202,513 Rbl. Kred., im Ganzen also
27,478,097 Rbl. Met. und 59,006,012 Rbl. Kred.
Von den eigentlichen Staatsschulden gehen wir nun zu denjeni-
gen Schulden der Regierung über, die letztere für Rechnung Dritter
eingegangen ist, es sind dies die Anleihen, welche für die Ablö-
sungsoperationen und für Eisenbahnbauten kontrahirt wurden.
A) Die Ablösungsoperationcn.
Leider fehlen bis jetzt alle genaueren Daten über den Stand der,
zum Zwecke der Ablösung emittirten Papiere pro i. Januar 1878.
Aus dem, von der Hauptverwaltung der Ablösungsoperationen ver-
öfi'entlichten Berichte lässt sich nur ersehen, dass den Bauern seit
Beginn der Ablösungsoperationen, d. h. seit dem 27. Oktober 1861,
zum Zweck der Ablösung Vorschüsse im Betrage von 710,105,166
Rbl. ertheilt und auf Grund dieses Guthabens der Regierung fol-
gende Schulden eingegangen worden sind:
Rubel.
1. Von der Regierung übernommene Schuld der Guts-
besitzer an die frühercnLeihbanken imBetrage von 295,319,448
2. Emission von Ablösungsscheinen für I9l)548»350
3. Zweite Emission von 5 pCt. Reichsbankbilleten für 137,714,500
4. Emission von 5V2 pCt. Rentenscheinen für , . . 82,241,499
5. Eflektuirte Rückzahlungen in Baargeld für . . . 3,155,618
6. An Strafgeldern, Publikationen und sonstigen Aus-
gaben 125,751
Im Ganzen . 710,105,166
$63
Der erwähnte Bericht enthält nun ^ keine weiteren Daten über
die jährliche Verzinsungs- und Amortisationsquote dieser Schulden ;
für das Jahr 1877 finden wir jedoch im Reichskontrollbericht fol-
gende Angaben:
i) An Zinsen wurden gezahlt: für 5 pCt. Bankbillete 16^530,^03
Rbl., für jdie Schuld der Gutsbesitzer an die früheren Leihbanken
I3»555i004 Rbl., für 5*/« pCt. Rentenscheine 6,059,774 Rbl. und für
Ablösungsscheine 1,121,996 Rbl. — im Ganzen 37,246,977 Rbl.
2) Amortisirt wurden: 5 pCt. Bankbillete für 3,290,050 Rbl.» Schuld
der Gutsbesitzer an die früheren Leihbanken für 2,408,999 Rbl.
und 5*/i pCt. Rentenscheine für 660,700 Rbl. — im Ganzen 6,359,749
Rbl. 3) Für anderweitige Ausgaben (Gehalte der Beamten u. s. w.)
finden sich 452,884Rbl. ; die effektuirten Gesammtausgaben betrugen
also 44,059,610 Rbl.
Im Reichskontrollberichte ist der Betrag der, den Bauern seit
Beginn der Ablösungsoperationen bis zum 1 4 Januar 1878 ertheilten
Vorschüsse, abweichend von der oben angegebenen und von der
Hauptverwaltung der Ablösungsoperationen veröffentlichten Summe,
mit 708,321,818 Rbl. verzeichnet; der Unterschied soll in der un«
gleichartigen Rechnungsführung beider Institutionen seine Erklärung
^nden. Die Rückstände bei den Ablösungszahlungen der Bauern
betrugen am i. Januar 1878 laut dem Rechenschaftsbericht der
Reichskontrolle 18,380,316 Rbl.
B) Du EisenbaJinanleihen.
Die, bereits unter den eigentlichen Staatsanleihen zum Ausbau
der St. Petersburg-Moskauer Linie erwähnten Anleihen (cf. ^ 8 — 12
der Tabelle I), welche direkt von der Regierung für eigene Rechnung
kontrahirt wurden, kommen in den folgenden Ausführungen nicht in
Betracht, weil es sich hier nur um diejenigen, von dem Staat kontra-
hirten Anleihen handelt, derenBestimmung in derErtheilung von Vor-
schüssen zu Eisenbahnbauten an verschiedene Gesellschaften lag.
Den Betrag dieser Schuld müssen die Eisenbahngesellschaften dem
Staate abzahlen, und zwar entweder durch Ueberlassung ihrer Obli-
gationen und Aktien an die Regierung, oder durch Baarzahlungen an
die Inhaber der, vom Staate emittirten Eisenbahnobligationen. Der
Staat bleibt jedoch der Debitor, woher diese Anleihen denn doch
als Staatsanleihen betrachtet werden müssen, wenn sie auch nur für
Rechnung der einzelnen Eisenbahngesellschaften emittirt wurden; es
bildet daher auch ihre jährliche Amortisation und Verzinsung einen
Ausgabeposten des Reichsbudgets. Wie sich die Abrechnungen zwi-
sclien den Eisenbahngesellschaften und der Regierung am i. Januar
1878 gestaltet haben, werden wir weiter unten sehen; hier soll nur
von den Verpflichtungen die Rede sein, die der Staat übernommen.
Die uns an dieser Stelle beschäftigenden Anleihen sind die bei-
den Emissionen der 4 pCt. Obligationen der Nikolai- Bahn und die
Emissionen der konsolidirten Eisenbahnobligationen.
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Vorstehende Tabelle HI gibt sowohl über die ursprüngliche Höhe
jeder Anleihe, als auch über ihren Stand am i. Januar 1878, sowie
über das Jahr» wann eine jede kontrahirt worden ist, über ihren TiU
gungstermin, ihren Realisirungspreis und über die jährliche Amor-
tisations« und Verzinsungsquote Aufschluss.
Bei der Betrachtung der eigentlichen Staatsanleihen sahen wir,
dass Russlands Verpflichtuneen dem Auslande gegenüber, in Bezug
auf Kapitalrückzahlung und Verzinsung seiner auswärtigen Anleihen,
im Jahre 1878 sich auf 23,218,102 Rbl. Metall und 4,804, 499 Rbl.
Kred. stellten; laut Tab.III. kommen nun noch 27,656,943 Rbl. Met.
hinzu, so dass jene Verpflichtungen dadurch auf 50,875,040 Rbl. Met,
und 4,804,499 Rbl. Kred. angewachsen sind. Da im Laufe des
Jahres 1878 keine neuen auswärtigen Anleihen kontrahirt wurden,
so können diese Ausfuhrungen auch für das künftige Jahr, oder
einfach bis zur Kontrahirung neuer Anleihen gelten, da, was KapitaV
rückzahlung und Verzinsung, namentlich in ihrer Gesammtheit, an-
betrifft, keine grossen Veränderungen vorkommen können. Denn
nimmt auch bei manchen Anleihen die jährliche Amortisationsquote
zu, so vermindert sich doch bei allen Anleihen die jährliche Einzah«
lung. Ebenso wenig liegt die Gefahr eines Rückganges in den Zoll-
einnahmen vor, sondern man darf bei ihnen, dem gewöhnlichen
Gange der Dinge nach, eher auf eine Steigerung, als auf eine Ab-
nahme in ihrem Ertrage rechnen.
Wir gestatten uns nun noch einige Worte bezüglich der Verände-
rungen im Stande unserer inneren Anleihen im Laufe des Jahres 1878.
Es sind zu den bestehenden Anleihen noch vier neue hinzugekom-
men : die zweite fünfprozentige Orientanleihe im Betrage vort 300
Mill. Rbl. und drei Emissionen kurz terminirter Reichsschatzschuld-
scheine vom 10. März, 4. April und 31. Oktober, jede Emission im
Betrage von 50 Mill., da jedoch der Tilgungstermin ein sechs-
monatlicher ist, so müssen zwei Emissionen, die al pari realisirt und
mit4Vs pCt. verzinst wurden, bereits wieder getilgt worden sein;
diese beiden Emissionen fallen also, als amortisirt, weg, es verbleibt
demnach nur die dritte Emission, die al pari emittirt worden und mit
4 pCt. verzinst wird, ihre Verzinsung beträgt demnach i MiÜ. Rbl.
Die zweite Orient-Anleihe ist zu 93 pCt. realisirt und auf 49 Jahre
kontrahirt worden, ihre Verzinsung für den Staat beträgt 5 pCt.,
gemäss dem Realisirungspreise 5,38 pCt; Tür die Amortisation sind
jährlich V« pCt. von der ursprünglichen Höhe der Anleihe bestimmt,
also I Va Mill. Rbl., dieselbe erfolgt durch Ankauf, so lange die Obli-
gationen unter pari stehen, auf dem Wege von Ziehungen, sobald
der Preis an der Börse über pari steigt.
Wenn wir Alles Vorhergehende in Berücksichtigung ziehen (mit
Ausschluss des Kapitalschuldbestandes der Ablösungsoperationen,
5^7
da wir über die Höhe dieser Schuld am i. Janur 1878 leider keine
Daten besitzen), so ergibt sich für den Stand unserer gesammten ver-
zinslichen Staatsanleihen (die unverzinsliche Staatsschuld — das Pa-
piergeld — haben wir bei allen unseren Ausführungen unberück-
sichtigt gelassen) Folgendes: Der Kapitalschuldbestand der inneren
Anleihen betrug am i. Januar 1878 nach Tab. II S. 561 68,046,217
Rbl. Met. und 983,353,980 Rbl. Kred., von ersteren mussten im
Laufe des Jahres 1878 1,542,439 Rbl., von letzteren 5,501,142 Rbl.
amortisirt werden, auf der anderen Seite aber kommen zum Bestände
35oMill. Rbl. Kred. hinzu — die zweite Orientanleihe mit 30oMill. RbL
und die 3. Emission kurzterminirter Reichsschatzschuldscheine mit
50 Mill. Rbl. — so dass der Kapitalschuldbestand der inneren An-
leihen am I. Januar 1879 im ungünstigsten Falle 66,503,778 Rbl. Met
und 1,327,852,838 Rbl. Kred. betragen wird. Die Amortisationsquote
der inneren Metallanleihe, sowie die Verzinsung derselben haben im
Jahre 1878 keine Veränderung erlitten, wir nehmen sie desshalb auch
für i879in dergleichen Hohean, erstere mit i, 542,439 Rbl. und letzter^
mit 2,71 7,5 56Rbl. Die Amortisationsquote der inneren Kreditanleihen
ist hingegen im Laufe des Jahres 1878 um 1 V« Mill. Rbl. (jährlich
zu amortisirender Betrag der zweiten Orientanleihe) und die Verzin-
sung in Kredit-Rubeln um 16 Mill. Rbl. (15 Mill. Rbl. Zinsbetrag für
die zweite Orientanleihc und i Mill. Rbl. Zinsbetrag für die dritte
Emission kurzterminirter Reichsschatzschuldscheine) gestiegen; er-
stere stellt sich daher für das Jahr 1879 ^^^ 7,001,142 Rbl. und letz-
tere auf ca. 64,701,371 Rbl. Die Daten der vorstehenden Tab. II,
welche übrigens nur auf annähernde Richtigkeit Anspruch machen,
geben uns Aufschluss über den Sta^d der gesammten Staatsschuld
Russlands (auswärtige und innere verzinsliche Anleihen) am i. Januar
1879, sowie über den muthmaasslichen Amortisations- und Verzin-
sungsbetrag im Jahre 1879. Hierzu muss noch bemerkt werden,
dass der Stand der Schuld am i. Januar 1879 nach dem Stande der
Schuld am i. Januar 1878 berechnet worden ist, indem fdie Amorti-
sationsquote für das Jahr 1878 in Abzug gebracht, dort jedoch, wo
solche neu zugekommen, hinzugefügt worden, u. s. w. Die Obli-
gationen der Nikolai-Eisenbahn, sowie die konsolidirten Eisenbahn-
obligationen sind bei der Bestimmung der Kapitalschuld und der
Amortisations- und Verzinsungsquote mit in Betracht gezogen wor-
den« Was die, für Rechnung der Ablösungsoperationen contrahirten
Schulden anbelangt, so sind dieselben aus den weiter oben ange-
führten Gründen in den Kapitalbestand am i. Januar 1879 nicht mit
aufgenommen, dagegen ist aber der auf sie entfallende Amortisa-
tions- und Verzinsungsbetrag in die Amortisations- und Verzin-
sungsquote für das Jahr 1879 eingeschlossen worden.
Zum Schluss wollen wir nun versuchen, ein Bild von dem Stande
der Abrechnufigen swisc/un den EisenbahngeselUctiafUn utid der
568
Regierung zu entwerfend Es handelt sich hier sowohl um die, Sei-
tens der Regierung aus dem Ertrage der emittirten konsolidirten
Eisenbähnobllgationen den Eisenbahngesellschaften zum Ausbau
ihrer Linien gewährten Darlehen, als auch um die, von der Regie*
rung auf eigene Rechnung zu einem bestimmten Kurse von den
Eisenbahngesellschaften übernommenen Obligationen und Aktien
derselben. Eine Darlegung des Schuldstandes einer jeden einzelnen
Eisenbahngesellschaft würde jedoch zu weit führen, wir betrachten
daher im Nachfolgenden nur den Stand der Abrechnungen aller
Eisenbahngesellschaften zusammen. Vorher aber möchten wir
noch alle Eisenbahnlinien aufführen, zu deren Ausbau die Consols
emittirt wurden ; die Linien folgen nach der Höhe des auf sie ent*
fallenden Betrages :
Pfä. Sterl«
1. Odessa - . • 7»S9ii200
2. Moskau-Kursk 6,645,632
3. Libau-Romny 0,071,505
4. Koslow-Woronesh-Rostow 4»948,273
5. Kijew-Brest 41869,360
6. Losowo-Sewastopol * . . • . 3 «920.400
7. Rjashsk-Wjasma 3,584,920
8. Rostow-Wladikawkas . • 3*266,592
9. Tambow-Ssaratow 3|225,745
10. Moskau-Brest 3,124,800
11. Orenburg 3,083,400
1 2. Morschansk-Ssysran 2,792,346
13. Grjasi-Zarizyn • . . . 2,584758
14. Weichselbahn * • 2,490,000
15. Charkow-Nikolajew 2,242,560
16. Fastowo , . . . 1,763,520
17. Poti-Tiflis ' 1,694,500
18. Baltische (Dorpat) 753^680
19. Moskau-Jarosslaw (Wologda) 704,000
20. Mitau 541,632
2|. Nowotorshok . • . • : 529,568
22. Riga-Dünaburg (Bolderaa) 495f3^
23. Schuja*Iwanowo (Iwanowo-Kineschma) . . . 407,808
24. Brest-Grajewo * 252,106
Im Ganzen • 67»S939^5
* Wir verweisen den Leser in Betreff dieses Gegenstandes auf die im «St. PeCersbttr-
ger Kalender fUr 1879» ^^'^ gleichzeitig in den «Statistischen und andern wissenschaft-
lichen Mittheilongen aas Russland» XU Jahrgang enthaltenen: «Uebersicht der Anlage«
Kapitalien (am i. Januar 1878) und der Antheile des Staates an den Eiienbahnnmer»
nebmiingen in Rassland (am i. Januar 1879)1 sosammengestellt toii 5. TasUrskemhsMj.
D.Red.
Stud der AbreehBimgen zwiacken der Begienmg mti
Tib.
Bestand der Sobald Seitens der EfsenbshngesellBehaften an du
Beieluselutiamt am 1- Janaar 1878.
Höbe der
Schuld am 1.
Jux» 1877.
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Höliedet
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S_7I
len ElseobahiigeBellsehafteii am 1. Jaaoar 1876-
Die Schuld der Eisenbahngesellschaften an das Reichsschatzamt
ist hiernach im Laufe des Jahres 1877 um 39.532,536 Rbl. oder um
14,3 pCt. angewachsen. Die ganze Summe von 315,292,079 Rbl.
ist sonach, wenn auch in einer Reihe von Jahren, aus den allge-
meinen Rcichseinnahmen gedeckt worden; doch darf man Angesichts
der wachsenden Rentabilität der Eisenbahnen hoffen, dass diese
Rückstände, wenn auch nicht in ihrem ganzen Betrage, so doch zum
grössten Theil, von den Gesellschaften dem Rcichaschatzamte all-
mälig bezahlt werden.
Zum Schluss fuhren wir noch alle die Eisenbahngesellschaften
auf (im Ganzen 30], welchen eine staatliche Garantie für ihre Zins-
zahlungen und Amortisationen gewährt worden ist.
1. Grosse Russische Eisenbahn- 5. Rjasan-Koslow.
gesellschaft. 6. Grjasi-Zarizya.
2. Moskau-Rjasan. 7, Lodz.
3. Moskau-Jarosslaw. 8. Rjashsk-Wjasma.
4. Kursk-Iüjew. g, Losowo-Sewastopol.
S72
10. Morschansk-Ssysran. 21. Baltische Bahn.
11. Poti-Tiflis. 22. Riga-Dünaburg.
12. Wolga-Don. 23. Orcl-Witebsk.
13. Rjashsk-Morschansk. 24. Mitau.
14. Rostow-Wladikawkas. 25. Warschau-Bromberg.
15. Orel-Grjasi. 26. Schuja-Iwanowo.
16. Charkow-Nikolajew. 27. Warschau-Terespol.
17. Moskau-Brest. 28. Fastowo.
18. Kursk- Charkow- Asow. 29. Orenburg.
19. Koslow-Woronesh-Rostow. 30. Weichselbahn.
20. Dünaburg-Witebsk.
Die diesen 30 Eisenbahnlinien gewährte staatliche Garantie be-
trägt 481,824 Pfd. Sterling, 18,614,975 Rbl. Met. und 9,546,686 Rbl.
Kred. (in diese Summen sind auch die Zahlungen für die beiden
Emissionen der 4 pCt. Obligationen der Nikolai-Bahn im Betrage
von 7,200,000 Rbl. eingeschlossen). Im Jahre 1877 sind effektiv
für Rechnung dieser Garantien 16,069,890 Rbl. ausgezahlt worden.
Diese letztere Summe macht von der Gesammtsumme der Garan-
tien 43,270,642 Rbl. Kred. (nach Umrechnung der Pfd. Sterl. und
der Metall-Rubel in Kredit-Rubel zu den bereits mehrfach vorgekom-
menen Kursen vom 30. Dezember 1877) 39,2 pCt. aus, oder, wenn
man die der Grosseh Russischen Eisenbahngesellschaft gewährte
Garantie im Betrage von 7,200,000 Rbl. für die Obligationen der
Nikolai-Bahn ausschliesst, da sie nicht mehr beansprucht wird, von der
sich alsdann ergebenden Gesammtgarantie im Betrage von 36,070,642
Rbl. Kred. — 44,5 pCt.; 1876 hatten die faktisch ausgezahlten Ga-
rantien 39,4 resp. 49,0 pCt. aller gewährten Garantien ausgemacht,
obgleich die erstere Summe nur 14,535,420 Rbl. betragen hatte,
was sich durch den tieferen Stand unseres Kredit-Rubels 1877 gegen
1876 erklären lässt. Von den aufgeführten 30 Eisenbahngesell-
schaften haben 1877 nur die ersten fünf (1870 waren es die sieben
ersten gewesen) gar keine staatlichen Garantien beansprucht; bei
den übrigen Bahnen schwankt die effektive Zahlung der Regierung
an die Gesellschaften zwischen 10 — 100 pCt. der denselben gewähr*
ten Garantien. Für die drei letzten von den in der Tabelle aufge-
führten Bahnen sind 1877 zum ersten Male Garantiezahlungen zu
machen gewesen, da die Fastowo-Bahn erst am 26. November 1876,
die Orenburger am i. Januar 1877 und die Weichselbahn am 1 8.
August 1877 dem Verkehr übergeben worden sind. Endlich sei
noch bemerkt, dass im Jahre 1877 das auf Metall-Rubel lautende
Aktienkapital von fünf EisenbahngeseÜschaften, nämlich der Fa-
stower, der Orenburger, der Weichselbahn, der Uralischen und der
Rjashsk-Morschansker Bahn — in der Höhe von zusammen
25,860,545 Rbl. in ein solches auf Kredit-Rubel lautend im Betrage
von 32,8421677 umgewandelt worden ist.
573
Kleine Mlttheilnngen.
(Zur HandelsschilTfahrt auf der L.ena.) Wie sehr sich
von Jahr zu Jahr in Sibirien der Handelsverkehr steigert, beweisen
unter Anderem folgende, vom tReg.-Boten» mitgetheilten, Daten
über die Handelsschifffahrt auf der Lena. Von den Landungsstellen
des Gouvernement Irkutsk im Bassin der Lena sind nach Eröflhung
der Navigation des Jahres 1878 abgegangen: 169 Barken, 20 Halb-
barken, 90 Handels-PauiskiV86 Karbase ^ i7Flösse und 135 Waaren«
böte, im Ganzen 517 Schiffe und Böte, auf welchen sich 3633
Dienende und Arbeitende befanden. An Frachten wurden gelichtet:
1,051,910 Pud, 250 Stück Hornvieh, 104,400 Eimer Spiritus und
5 Fässer mit gesalzenem Fisch. Das Ganze (mit Ausnahme von,
ihrem Werthe nach nicht bestimmten 23,000 Pud) repräsentirt einen
Werth von 4,488,075 Rbl. Die Hauptfracht bildete Getreide, wovon
,859,960 Pud (um 99,358 Pud mehr als im Jahre 1877) eingenommen
worden sind. Das Getreide (von der Ernte des Jaihres 1877) kam
hauptsächlich aus dem Kreise Balagansk. Im Vergleich mit dem
vorigen Jahre beträgt die Differenz zu Gunsten des Jahres 1878: an
Schiffen — 52, an Arbeitern — 89, an Frachten (ohne Spiritus) —
72,967 Pud und an Werth — 1,172,747 Rbl.
(Aktiengesellschaften.*) Im Laufe des Jahres 1877 wurden
im Ganzen 25 Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von
22,575,000 Rbl. Kred. und 628,000 Rbl. Met. bestätigt. Von diesen
25 Gesellschaften waren 22 Handels- und Industriegesellschaften mit
einem Grundkapital von 20,825,600 Rbl. Kred. und 628,000 Rbl.
Met. (die durchschnittliche Grösse einer Gesellschaft betrug dem-
nach 946,591 Rbl.)^ und 3 Dampfschifffahrts-Gesellschaften mit einem
Grundkapital von 1,750,000 Rbl. Kred. (die durchschnittliche Grösse
dieser Gesellschaften stellt sich auf 583,333 Rbl.). Im Laufe des
Jahres 1877 stellten 2 Gesellschaften mit einem ursprünglichen Ka-
pital von 700,000 Rbl. Kred. ihre Operationen ein. Bei 5 Eisen-
bahngesellschaften (Fastowo, Orenburg, Weichselbahn, Ural und
Rjashsk-Morschansk) sind ihre, in der Gesammtheit auf 25,860,545
RbL Met. lautenden Aktienkapitale in solche auf 32^842,677 Rbl.
Kred. lautende umgewandelt worden.
* Eine Art flachgehender kleiner Barken.
' Kleine Ruderschiffe.
• Vcrgl. «Russ. Revue*, Bd. XII, S. 102.
574
Mit Berücksichtigung aller, im Laufe der Zeit vorgekommenen
Veränderungen im Bestände des Grundkapitals der einzelnen Gesell-
schaften gab es zum i. Januar 1878 in ganz Russland 614 Aktien-
gesellschaften mit einem Grundkapital von 779» 3 34,65 8 Rbl. Kred.
und 1,263,891,894 Rbl. Met. Von diesen Kapitalbeträgen kommen
auf Kommerz-Banken — 87,400,cxx> Rbl. Kred. ; auf Agrar-Banken
— 35,078 Rbl. Kred.; auf Handels- und Industrie-Gesellschaften —
395,407,000 Rbl. Kred. iind 41,678,000 RbL Met; auf Versiche-
rungs-Gesellschaften — 42,240,900 Rbl. Kred.; auf Dampfschiff-
fahrts-Gesellschaften — 49,859,000 Rbl. Kred. und 3,600,000 Rbl.
Met. und schliesslich auf Eisenbahn-Gesellschaften — 169,349,058
Rbl. Kred. und 1,218,613,894 Rbl. Met. A. S.
(Die Goldausbeute in Finland.) Die seit dem Jahre 1 870
im Thale des Flusses Ivalo (im finnischen Lappland) im Betrieb be-
findlichen Goldwäschereien haben folgende Resultate ergeben:
Im Jahre 1870 wurden gewonnen 19,1352 Kilogr.
» I87I
56,6921
» 1872
55,0743
• 1873
32,0474
• 1874
22,5935
- 187s
16,9785
» 1876
9,9100
• 1877
6,9720
Im Ganzen 219,404 Kilogr.
Setzt man den Werth eines Kilogr. Gold = 3,200 Francs, so wird
der Werth des in acht Jahren gewonnenen Goldes ungefähr 702,093
Francs betragen.
In der angegebenen Zeit sind 35,000 Kubikmeter Goldsand in
82,437 Arbeitstagen verwaschen worden, so dass auf einen Tag
durchschnittlich 0,424 Kubikmeter kommen. Um ein Kilogramm
Gold zu gewinnen, mussten 160 Kubikmeter Sand verwaschen
werden.
Der Goldgehalt des Sandes schwankte zwischen 0,000331 und
0,000470 pCt. (durchschnittlich 0,000375 pCt.). (In loo Pud Gold-
sand war das Maximum 174 Doli und das Minimum 122 Doli). Die
an den Staat zu entrichtende Abgabe beträgt 5 — 10 pCt. vom ver-
waschenen Golde und bildete für acht Jahre 13,347 Kilogr. oder ge-
gen 42,702 Francs. Die Gesammteinnahme des Staates für acht
/ahre (Patente, Steuern etc.) belief sich auf 102,260 Francs. Ein Ar-
>eiter konnte pro Tag 0,0097—0,00016 Kilogr. oder durchschnittlich
0,002575 Kilogr. (= 87« Francs) verwaschen. Der Arbeitslohn be-
trug 3 Vi bis 5 Francs.
575
Die geringe Goldausbeute in Lappland hängt namentlich von dem
ungleichmässigen Vorkommen des Goldes im Sande ab. Dieser
Sand muss oft aus Felsenspalten hervorgeholt werden, wobei kom-
plizirtere, mit Pferden oder Wasser getriebene Waschwerke in An-
wendung gebracht werden müssen, da es unmöglich erscheint, sich
der Kanäle zu bedienen.
Die grösste in Ivalo gefundene Goldstufe hatte ein Gewicht von
0,06325 Kilogramm.
BeYue Russischer Zeitschriften.
«Der europäische Bote» (Westnik Jcwropy — B'ibcTHHK'B Esponu.)
XIII. Jahrgang. 1878. Heft 9. Inhalt:
Vergessene Oekonomi sten. Zur Charakteristik der neuesten politischen Oekonomie«
I — IV. Von G, Slonimskij^ — Die zehn letzten Lebensjahre Proadhon*s (Schlust).
Von D — ev, — Zwei Monate in Gabrowo. Erinnerungen an den Krieg von 1877 bis
1878. Von P. PjassetzkiJ, -7 Bäuerliche Schwindler. I— X. Eine Erzählung von A.
Krasnopohkij. — Die Einkommensteuer vom finanziellen|Standpunkt. IV — XII. Von Z.
Tschemjajew. — HippolyteTaine als Historiker Frankreichs. X — XII. Von W, Guerrier.
— David Friedrich Strauss. Eine biographische Skizze. I— III. Von JC. Arssenjew»
— Der Panslavismus in Vergangenheit und Gegenwart. HL Von A. Py^in, — Der
literarische Kongrcss in Paris, W\ — XIV. Von /,. Pohnski/. — Rundschau im In-
lande.
«Militär- Archiv» (Wojennij Ssbornik — BoeHHufi C6opHiiKi>.)
XXI. Jahrgang. 187S. Heft 10. Inhalt:'
Erinnerungen an den polnischen Krieg des Jahres 183 1 (aus deti Memoiren von A^«
Nejelow). X. — lieber die Mittel zur Verminderung der Verluste bei In&nterie^AttA-
ken vom Standpunkte der Eigenthümlichkeiten des Gewehrfeuers. Von fV, Tscheby»
schew. — Bemerkungen Über Kavallerie. I. Von N, Koslow, — Zur Frage über den
Zustand des MilitairJngenieurwesens in unserer Armee während des Krieges von
1877 — 1878. Von A, Pljuzinskij, — Die Aktion vor Plewna (Auszüge aus dem Werk
des Kapitäns Thilo von Trotha). Von N* Ssuchotin, — Das Uralische Kosakenheer.
Eine historische Skizze, mit Berücksichtigung der Absolvirung der Militärpflicht. IL
Von J, Kostenko. — Die Avantgarde- Abtheilung. (Erinnerungen aus dem letzten Feld-
zug). (Schluss). Von M, Tschitschagow. — Bibliographie. — Chronik.
«Das Wort» (Sslovvo — CjiOBo). 1878. Heft9 und 10. Inhalt:
Jeder für sich. Ein Roman in zwei Büchern. Erstes Buch. I — XXXVI. Von P.
ßoborykin. — Im Waldreich. I - IV. Von /'. Wologdin. — Der Kampf um's Dasein
und die politische Organisation. Von M, Kulischer, — Die Sterblichkeit als Mittel der
natürlichen Zuchtwahl. Von M, TschuriUw, — Ursprung und Entwickelung des Han-
dels und der Handel sklassen. Von M, Kulischer, — Das letzte Wort der Boargeoisie-
moaophxe. Von B. Lensk^. -- Die AutoreOf ihre Rechte und Lage. Von P. Boho^
rykin. — Ueber die Bestehuiigeii zwischen Schule und Haas. Von Tk^ B. — Der
Lnstspiddichter Ostrowskij. (Schluss.) Von P, Büborykm. — Die ph]rsiologiachcn
Grundlagen der Poesie. Von G. T^^ktj. -* Gedichte.
Russische Bibliographie«
Rigaer Handels-Archiv. Heft IL Riga. 1878. 8®. S. 84—141.
Poletika, J. Die moderne Richtung der Philosophie und einige ihrer Prinzipien.
St Pbrg. 1878. 8*. (üoienott, S. CoBpenemoe nanpaucHie •■JU>co«iB.)
Ssubbotin, A, Kursus der industriellen Oekonomie und der Handelsgeographie in
Verbindung mit einer Statistik des Handels und der Industrie in Russland und in den
bedeutendsten Staaten der Welt. St. Pbrg. 1878. 8^ 328 S. (CylMtonan, A. Kypcb
npoMumjieHHOi sKOHOMia a KomepHecKoft reorpa^ia, bi> cann cb ToproaonpoHum-
JiCMROi CTancTBKot Poccia a rjiaBirfciniaxi» rocyAapcrvb nipa.)
Barssokow, N. E. M. Strojew's Leben und Wirken. St. Pbrg. 1878. 8». VIEL +
668 S. (Bftpcyxmb E. SKasab a rpyAU E. M. CTpoeaa.)
Hebräische Bibliothek. Historisch-literarisches Sammelweric. Bd. VI. St. Pbrg. 1878.
8^ 64 -f- 159 + 176 -f- 21 S. (Eapetcnui BadJUoTeaa, Hcropaao-JUiTepaTypBua
C6opHarb. .T. VI.)
Historisch-juristische Materialien aus den im Central-Archiv zu Witebsk aufbewahrten
AktenbÜchem der Gouvernements Witebsk und Mohilew. Herausgegeben unter Redak-
tion des Archivarius Ssasonow. L^. 9. Witebsk. 1878. 4^ 546 -f VII S. (Ucto-
paKO-iopBAaqecide aarepiajibi, asBüeqeHHue asi» atTOBuxi» KHan* rytiepail BareöCKOl
B MoraJieBCKot, xpaHsnoixca bi> neHTpaju>Hoa'b apxavb bi BaTe6cir^ a asAaHHue nOA'b
pcAaicnieio apxaiiapiyca CaSOHOBa. Bbin. 9.)
Materialien zur Geologie Russlands. Herausgegeben von der St. PetersbVirger Kaiser-
lichen Mineralogischen Gesellschaft. Bd. VUI. St. Pbrg. 1878. 8^ 224 S. mit 15 litho-
graphirten Tabellen. (Marepiaau aju reojioria Poccia. MsAauie HanepaTopcaaro C.-
nereptfyprcxaro MaHepajioraqecxaro 06a(ecTBa. T. VIII.)
Jahrbuch der Kaiserlichen Russischen Historischen Gesellschaft. Bd. XXm. St.
Pbrg. 8®. Vni + 734 S. (CÖopaaiTb Hanepa-ropcaaro PyccKaro HcTopavecKaro 06me-
CTBa. T. XXm.)
AntonowitSOh, W. Historische Skizze des GrossfÜlrstenthums Litthauen bis zur
Mitte des XV. Jahrhunderts. Lfg. i. Kgew. 1878. 8^ 156 S. (AHlOSOBK^n, B. B.
0<iepn> acTopia BCJiaxaro KKxacecTBa üaTOBCxaro ao no;iOBaHbi XV. CTOJi'feTui.
Bbin. I )
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Carl Röttgbr.
AosBOACHO neusypox). C.-neTepÖyprb, 30T0 AcKaöpa 18 78 roAa.
Bnchdruckerei von Röttoer ft Schnbidbr^ Newskj-Protpekt H $•