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Full text of "Russische Revue"

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.  *     •••-*/ 


ßüSSISCHE  EEYÜE 


MONATSSCHRIFT 


FOr    die   KUNDE    RUSSLANDS 


Herausgegeben 


▼on 


Oarl  IROttg^r« 


XIIL   BAND. 


i^A 


m 


ST.  PETEBSBÜBG 

Kaiserliche  Hofbuchhandlung  H.  SCHMITZDORFF 


1878 


STANflMO  üNivminY 


-»  w  • 


V,  13 


^    '^^^^^yy^y^,'^yy^.''^^y^^^  y  yyyy  yy  y  y  yy  y  y  y  ^  y  y  y  y  y  y^  ^  y  ^.y  y  r  . 

/(osBOJieHo  qeiiaypoK).  —  6,*neTep6yprb,  30-ro  A^KaÖpn  1878  roA^. 

'    '     •    '    ■•/yyyyyyyy.'yy^y-.'-yyyyy  y^y-^yyy  y  y^  /-  y  y  y-y    -  ^-  y  y  y  ■         f-  y  y  y  .^  j 


Budidnickerei  von  Röttger  &  Scunüdbr,  Newskij-Prospekt  H  5. 


0 


Inhalts -Verzeichnisse 


i^^ytOiUu   ^Ci      ^t  Seite: 
_,,^Statistische  Uebcrsicht  der   NIontanindustrie  Ru^slands 

in  den  Jahren  1868 — 1876.   V ovi  C,  Skalkowsky    .     .  i —  40 
..^^ur Literatur  überRussisch-Turkestan.  Von  YroLAlexan- 

der  Petz/ioldt  . 40 —  63 

152—185 
.251 — 269 

^üebersicht  der  russischen  historischen  Literatur  für  die  -^^^-^ 
Jahre    1874— 1876.  Von  Prof.    W.  Ikonnikan;.    Das 

Jahr  1 874  (Schluss) 63 —  78 

Das  Jahr  1875 270—279 

V      1^    ^^76      .     .     .     .     • 451—460 

Die   wissenschaftlichen  Expeditionen  der  Kaiserlichen 

Geographischen  Gesellschaft  im  Jahre  1877       ...  78—86 
Der  Weinbau  Russlands  mit  statistischen  Nachweisen 

aus  den  Jahren  1870 — 1873.     Von  y.  v.  Bock    .     .     .  97 — 130 

^^                                  loOfl  237—251 

WU^  320—34  5 

^JVltslavische  Kreuz-  und  Rebensagen.  Von  Prof.  A/exan^  ^r^^ 

der  Wesselofsky   .     .    TT 130— 152 

Die  zoologische  Reise  von  J.  W.  MuschkeUnu  nach  dem 

Alai  und  nach  Pamir  im  Jahre  1877 185 — 191 

^^Fürst  W.  W.  Golizyn  (1643  — 1714).  Eine  biographische 

Skizze.    V^oviVvoi,  A,  Brückner       .     • 193  —  223 

289—320 
Karategin.    Ein  Beitrag  zur  Kunde  von  Central- Asien. 

Von  G.  Arandarenko 223 — 236 

^^in  neues  Werk  über  den  Krimkrieg 345 — 361 

>^Kurze  Charakteristik  der  Klein-Russen.     Von  J,  Tschn- 

bifiskij  . 361 — 378 

^JDie  Bedeutung  der  einzelnen  Gouvernements  Russlands 
hinsichtlich  ihrer    landwirthschaftlichen    Produktion. 

YonF.Matthäi 385—435 

481-538 
Die  projektirte  Anthropologische  Ausstellung  in  Moskau 

imJaÄre  1879.  Von  Prof.  Z.  5/^^ 436 — ^451 

^JMe  grusinischen  Volksfeste           460 — 468 


Seite. 

Die  russische  Gesetzgebung  über  die  Tabaksbesteuerung  468 — 476 
Ueber  die  Ausführung  des  Reichs-Budgets  vom  Jahre 
1877.    Nach  dem  Rechenschaftsberichte  des  Reichs- 
Kontrolleurs.     Won^T.  Alfred  Schmidt. 539 — 572 

Kleine  Mittheilungen: 

Der  Handel  mit  Scbafepehen  imRrebeSchuja,  Gouvernement  Wladimir, 

im  Jahre  1877 86 

Die  Tabaksproduktion  in  Russland  inilen  Jahren  1873 — 187$      ...  87 

Käsehandel  und  Käsebereitung  in  Russland 88 

Die  Thätigkeit  der   Kaiserlich  Philantropischen  Gesellschaft  in  den 

Jahren  i874-*t876    « • 279 — 280 

Zur  Statistik  der  Güterbewegung  im  Gouvernement  St  Petersbnzg  in  den 

Jahren  1867— 1876 •    •    .  280—283 

Des  Hm,  A.  Majew  zweite  Fahrt  nach  Bucharm •    •     •  378—379 

Ssewerzew*8  Reise  nach  Pamir •    .    •  379"38l 

Statistische  Notizen  ttber  den  Grundbesitz  im  Gouvernement  Tula  gegen 

Ende  des  Jahres  1877      •     .     • 476 — 477 

Zur  Handelsschifffahrt  auf  der  Lena 573 

Aktiengesellschaften 573 

Die  Goldausbeute  in  Finland 574 

Literaturbericht: 

Russisches  ency9lopädisches  Wörterbuch,  herausgegeben  von  y,  N, 

Beresin 89—91 

Jahresbericht  der  «Kaiserlich  Freien  Oekonomischen  Gesellschaft»  fUr 

1877 91—93 

Die  Erdkunde  von  C  Ritier.    Uebersetzt  im  Auftrage  der  Kais.  Russ. 

Geogr.  Gesellschaft,  mit  Ergänzungen,  welche  eine  Fortsetzung  des 

Werkes  von  Ritter,  auf  Grund  der  vom  Jahre  1832  an  veröffentlichten 

Materialien    •     , .  191—192 

Eine  Skizze  der  Geschichte  der  MUitärgerichts-Institntionen  in  Russland 

bis  zum  Tode  Peter*s  des  Grossen  von  M.  P,  Rosenheim      ....  282 — 284 

^^^t-mssische  Ueder,  gesammelt  von  Kirscka  Doniiow  ..••••  477-~'478 

Revue  Russischer  Zeitschriften 93 — 95 

284—286  381—383  478—480  575 

Russische  Bibliographie  .    .    95—96  192  287—288  383  480  576 

Berichtigung  zum  Artikel:  «Der  Weinbau  Russlands» 384 

Druckfehlerverzeichniss  zum   Aufsatz:    «Zur  Literatur  Aber  Russisch* 

TurkesiTan»    « •  384 


statistische  Uebersieht  der  Montanindustrie 

Rnsslands 

in  den  Jahren  1868—1876.* 

Von 

C.  Skalkowsky. 

Bergingenieur,  Sekretär  des  wissenschaftlichen  Komite*s  beim  Berg-Departement. 

I.  Allgemeine  Bemerkungen. 

Russland  ist  in  Bezug  auf  Masse  und  Verschiedenheit  der  Metalle 
und  Mineralien,  die  sein  Boden  enthält,  ungewöhnlich  reich.  Der  Ural, 
der  Altai  und  das  Gebirge  von  Nertschinsk,  welches  als  die  Fort- 
setzung des  letzteren  betrachtet  werden  kann,  müssen  zu  den  metall- 
reichsten Gegenden  der  Erde  und  besonders  zu  denjenigen  gerech- 
net werden,  welche  die  grösste  Aussicht  auf  Unerschöpflichkeit  bie- 
ten. Man  gewinnt  hier  Gold,  Piatina,  Silber,  Kupfer,  Blei  und  Eisen. 
Wenn  die  Goldgewinnung  aus  den  Alluvialbildungen  des  Ural  auch 
einst  aufhören  sollte,  so  scheint  das  Gold  in  denen  Sibiriens,  wo  man 
beständig  neue  entdeckt,  unerschöpflich  zu  sein.     Was  die  goldfüh- 


*  Wir  verweisen  zugleich  auf  die,  in  den  «Statistische  und  andere  wissenschaft- 
liche Mittheiiungen  aus  Russland  VII.  Jahrgang»  veröffentlichte  Arbeit  des  Hm. 
V.  BocV:  «Uebersieht  der  Berg-  und  Hüttenproduktion  Russlands  in  den  letzten  12  Jah- 
ren 1860—1871»  und  auf  die  in  der  «Russ.  Revue»  publizirten  Arbeiten:  Band  II« 
S.  369 — 372:  Die  russische  Montanindustrie  im  Jahre  187 1.  Band  IV.  S.  30 — 52:  Die 
Steinkohlen-,  Torf-  und  Naphtba-Gewinnung  in  Russland  in  den  Jahren  1860  -  1871. 
Von  J.  von  Bock,  Band  VII.  S.  523— 557,  Band  VIII.  S.  236-266:  Die  Fortschritte 
der  geologischen  Beschreibung  Russlands  in  den  Jahren  1873  ^^^  1^74*  Von  Prof. 
Barbot  de  Mamy.  Band  IX.  S.  445 — 449 :  Der  Handel  mit  Metallen  und  Produkten 
der  Montanindustrie  Russlands  im  Jahre  1874.  Band  X.  S.  522  —  550,  Band  XL  S.  35 
bis  60:  Die  Fortschritte  der  geologischen  Beschreibung  Russlands  im  Jahre  1875.  Von 
Prof.   Barbot  de  Marny.    Band  XI.  S.  269 — 277 :   Die  Montanindustrie   Russlands  im 

Jahre  1875.  ^*  ^««1- 

IUm.  Bevve.  Rd.  XIII  I 


renden  Gänge  anbetrifft,  so  werden  sie  erst  in  neuester  Zeit,  und 
7.war  ausschliesslich  im  Ural  exploitirt. 

Das  Piatina,  obgleich  ein  steter  Begleiter  des  Goldes  in  allen  Ab- 
lagerungen, zeigt  selbstständige  nur  an  einem  Orte  des  Ural,  aber 
es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  man  deren  noch  mehr  in  Sibirien 

■ 

entdeckt. 

Silber  muss  sich  in  grossen  Mengen  in  den  Thälern  des  Altai  und 
in  denen  von  Nertschinsk  finden,  die  kaum  erst  von  wenigen  Reisen- 
den besucht  sind,  und  deren  geologische  BeschafTenheit  denjenigen 
Gegenden  analog  ist,  in  denen  Bergwerke  [bereits  exploitirt  werden. 
Dasselbe  gilt  voni  Blei.  Herrliche  Kupfererze  kommen  nicht  nur 
im  Ural  und  Altai,  sondern  auch  im  Kaukasus,  in  Finland  und  in 
den  Kirgisensteppen  vor.  Was  die  Eisenerze  anbetrifft,  so  würden 
allein  diejenigen,  welche  man  am  Ural  kennt,  zu  einer  unbegrenzten 
Ausbeute  hinreichen,  ausserdem  kommen  dieselben  im  Ueberfluss 
in  einzelnen  Theilen  des  Altai,  bei  Nertschinsk,  in  einzelnen  Gouver- 
nements Central-  und  Süd-Russlands,  im  Königreich  Polen,  in  Fin- 
land, im  Norden  Russlands  etc.  vor.  Die  Zinkgruben  im  Königreich 
Polen  sind  vielleicht  die  reichsten  Europa^s. 

An  Mineralprodukten  hat  Russland  gleichfalls  einen  Ueberfluss. 
Das  Vorkommen  von  Edelsteinen  im  Ural,  Altai  und  Nertschinsk, 
die  enormen  Steinsalzablagerungen,  die  zahlreichen  Salzseen,  Stcin- 
kohlenbassins,  die  kaum  erforscht  sind,  aber  zu  den  ausgedehntesten 
der  Erde  gehören,  die  reichen  Petroleumquellen  im  Kaukasus  etc. 
setzen  Russland  unter  die  ersten,  an  Mineralprodukte  reichsten  Län- 
der. Ungeheure  Wälder  umgeben  diese  Mineralschätze  und  können 
(neben  der  Steinkohle)  zur  Erweiterung  ihrer  Exploitation  genügen. 
Der  jährliche  Verbrauch  der  Hüttenwerke  ist  im  Jahre  1872  auf 
2,216,895  Kubikfaden  Holz  und  auf  102,423,100  Pud  Holzkohle  be- 
rechnet worden.  Die  Bevölkerung,  obgleich  dünn  in  den  entfernten 
Gegenden,  genügt  bereits  für  die  Arbeiten  und  für  eine  beträchtliche 
Produktion  und  ist  im  Zunehmen. 

Die  Hüttenindustrie  ist  noch  weit  davon  entfernt,  allen  seinen 
Bedürfnissen  zu  genügen.  Indessen  ist  dieser  Zustand  nur  ein  augen- 
blicklicher; denn  Alles  berechtigt  zu  der  Hoffnung,  dass  in  Kurzem 
Russland  in  der  Montanindustrie  wieder  den  ehrenvollen  Platz  ein- 
nehmen wird,  den  es  am  Ende  des  vorigen  und  zu  Anfang  des  jetzi- 
gen Jahrhunderts  in  Europa  besass. 

Zu  den  Ursachen,  welche  die  Entwicklung  der  Hüttenindustrie 
verzögert  haben,  muss  gerechnet  werden: 


1.  Die  (1861  aufgehobene)  Leibeigenschaft,  deren  Arbeit  wenig 
produktiv  ist,  so  wie  der  Besitz  und  die  Verwaltung  der  Hütten  in 
den  Händen  von  Grundeigenthümern  und  nicht  in  denen  von  Indu- 
striellen. 

2.  Der  Mangel  an  Eisenbahnen  und  in  Folge  dessen  auch  der 
Mangel  an  Bestellungen  von  allem  Eisenbahnmaterial.  Der  Bau  von 
Eisenbahnen  hat  in  Wirklichkeit  erst  im  Jahre  1866  begonnen  und 
hauptsächlich  mit,  aus  dem  Auslande  importirtem  Material. 

3.  Die  fast  ausschliessliche  Anwendung  von  vegetabilischem 
Brennstoff  in  den  Hüttenwerken.  Man  benutzte  die  Steinkohle  nur 
in  den  Hütten  Süd-Russlands,  theilweise  in  Polen  und  in  St.  Peters- 
burg. 

Der  einzige  Zweig  der  Montanindustrie,  der  von  obigen  Ursachen 
nicht  beeinträchtig^  worden  ist,  ist  die  Goldgewinnung,  die  seit 
dreissig  Jahren  sich  beständig  weiter  entwickelt.  Uebrigens  möch- 
ten wir  bemerken,  dass  diese  Zeit  des  Stillstandes  in  unserer  Montan- 
industrie ihre  Einwirkung  nur  auf  die  Quantität  der  Produkte^  nicht 
aber  auf  ihre  Qualität  zeigt,  denn  was  die  letztere  betrifft,  so  ist 
unsere  Hüttenindustrie,  mit  kaum  einigen  Ausnahmen,  hinter  der 
anderer  Länder  nicht  zurückgeblieben. 

Heute  können  alle  Umstände,  welche  die  Entwickelung  gestört 
haben»  als  beseitigt  betrachtet  werden.  Die  Leibeigenschaft  ist  auf. 
gehoben;  der  Betrieb  der  Werke  ruht  schon  meist  in  den  Händen 
von  Industriellen ;  die  Uebelstände  der  früheren  Berggesetze  ver- 
schwinden von  Tag  zu  Tag.  Ausserdem  hat  die  stetig  zunehmende 
Ausbreitung  unseres  Eisenbahnnetzes  (19,281  Werst,  ohne  Finland 
zu  rechnen)  schon  verschiedene  Werke  für  Herstellung  von  Schie- 
nen, Lokomotiven,  Waggons  etc.  entstehen  lassen. 

Das  Aufsuchen  und  Studium  der  Steinkohlen,  an  denen  unser 
Land  so  reich  ist,  wird  mit  grossem  Eifer  fortgesetzt,  und  man  be- 
ginnt bereits  dieselbe  im  grossen  Maassstabe  zu  exploitiren  und  zu 
verwenden. 

Der  Gegenden,  die  reich  an  den  verschiedensten  Bergwerken 
sind,  sind  Viele,  am  bemerkenswerthesten  aber  ist  der  Reichthum 
des  Bodens  in  folgenden  Gouvernements.  In  erster  Linie  stehen  die 
Gouvernements  Perm,  Orenburg  und  Ufa,  die  vom  Ural  durch- 
schnitten werden;  dann  die  von  Wjatka,  Nishnij -Nowgorod,  Tam- 
bow,  Wladimir,  Rjasan,  Pensa,  Kaluga,  Tula,  Orel,  Olonez,  Minsk, 
Wilna,  Jekaterinoslaw  und  das  Land  der  donischen  Kosaken.  In 
Finland:   die  Gouvernements   Wiborg,  Abo,   Nyland,  Kuopio.     In 


Sibirien  t  die  Gouvernements  Tomsk,  Jenisseisk,  Jrkutsk,  das  trans- 
baikalische  und  das  Amur-Gebiet.  Im  Kaukasus:  die  Gouverne^nents 
Baku,  Tiflisy  JelissaWetpol,  das  Terek-  und  das  Kuban-Gebiel  und 
im  Königreich  Polen  sind  die  Gouvernements  Piotrkow,  Kjelzr .  Ra- 
dom,  Ljublin  für  die  Montanindustrie  die  wichtigsten.  Das  iierg- 
departement  veröfTentlicht  alljährlich  (unter  der  Redaktion  des  Ver- 
fassers der  vorliegenden  «Mittheilungen*)  die  Nachweise  über  die 
Produktion  der  Berg-  und  Hüttenwerke  seines  Ressorts,  und  diese 
Daten  gewähren  möglichst  genaue  Auskunft  über  diesen  Zweij  der 
russischen  Industrie.  Der  internationale  Kongress  in  Haag  hat  RubS- 
land  die  Arbeiten  der  internationalen  Bergwerks-,  Hütten-  ur  i  :ia- 
linenstatistik  übertragen. 

2.  Technische  Fortschritte. 

Aus  der  Zahl  der,  in  der  russischen  Schmelzkunst  eingeführten 
wichtigen  Verbesserungen  können  wir  folgende  erwähnen : 

1.  Die  Darstellung  von  Gussstahl  im  grossen  Maassstabe  ui.J  <.'.ie 
von  Stahlgeschossen  von  grossem  Kaliber. 

2.  Die  Einfuhrung  von  Schmelzöfen  nach  Seemens,  Lundin  e«.c. 
und  die  Versuche  der  Darstellung  von  Stahl-  und  Stahlsch.enen 
nach  dem  Verfahren  von  Martin,  die  vollkommen  gelungen  sind. 

3.  Die  Anwendung  des  Bessemer-Prozesses. 

4.  Die  Herstellung  von  Gussstahlgeschützen  mit  einem  Kaliber 
von  20  Zoll|  nach  dem  amerikanischen  System. 

5.  Der  Bau  von  Panzerschiffen  wie  ihrer  Blendungen  und  von  I  o- 
komotiven. 

In  Bezug  auf  Güte  geniessen  das  russische  Eisen,  besonders  das 
Eisenblech,  und  das  Kupfer  einen  Weltruf. 

Der  bekannte  österreichische  Metallurg  Hr.  v.  Tunner  sagt  in  der 
Einleitung  seines  Buches  über  die  Montanindustrie  Russlands  Seite 
5:  «Zur  Ehre  der  russischen  Bergingenieure  muss  ich  jedoch  aus- 
drücklich hervorheben,  dass  sich  das  Zurückbleiben  in  der  Ei.^n'.n- 
dustrie  nur  auf  die  Grösse  der  Produktion  bezieht.  Ich  war  wi.  kli>.h 
angenehm  überrascht,  sowohl  in  der  Ausstellung  zu  St.  Petersburg; 
wie  auf  den  einzelnen  Hütten  alle  die  neueren  und  neuesten  Ver- 
besserungen und  Erfindungen  in  der  Technik  des  Eisenwesens  re- 
präsentirt  zu  sehen,  und  theilweise  so  vollkommen,  dass  sie  in  allen 
anderen  Staaten  als  mustergiltig  angesehen  würden*. 

Dieses  Lob  ist  vollständig  durch  den  Beifall  bestätigt  worden,  den 


s__ 

sich  die  Produkte  der  Staats-  und  Privathüttenwerke  auf  den  Welt- 
ausstellungen in  Wien  1873  und  in  Philadelphia  1876  erworben. 

Die  Technik  des  Goldwaschens  bleibt  in  Nichts  hinter  der  von 
Kalifornien  und  Australien  zurück  und  eine  besondere  Aufmerksam- 
keit *  erdient  die  beständig  zunehmende  Ausbeute  des  goldführen- 
den Quarzes  im  Ural. 

Da^  Bergdepartement  entsendet  beständig  Ingenieure  nach  West- 
Eurooa  und  Amerika,  um  sich  in  der  Bergwissenschaft  zu  vervoll- 
kc  umnen. 

3.  Kenntniss  der  Geologie  des  Landes. 

Das  Bergdepartement  leitet  die  geologischen  Arbeiten  in  Russ- 
land. Hr.  Akademiker  v.  Helmersen  hat  eine  geologische  Karte  von 
Rüssland  zusammengestellt  und  die  verschiedenen  Auflagen  dersel- 
ben sind  durch  die  neuesten  Forschungen  vervollständiget  worden  ^ 
Unter  den  bemerkenswcrthesten  geologischen  Arbeiten  der  russi- 
schen Bergingenieure  sind  zu  erwähnen  die  Karte  der  Steinkohlen- 
foimtttion  am  Ural  von  Hrn.  Prof.  Moeller,  der,  unterstützt  von  meh- 
reren Ingenieuren,  mit  der  Ausarbeitung  einer  noch  ausführlicheren 
Karte  derselben  Gegend  beschäftigt  ist;  die  Karte  des  Steinkohlen- 
bassiis  des  Donez  von  Antipow,  Sheltonoschkin  und  Wassiljew  für 
die  östliche  Hälfte  und  die  von  Nossow  für  die  westliche  Hälfte  des 
Ba^ns;  die  geologische  Karte  des  Kaukasus  von  Hrn.  Abich,  die 
jef  xt  durch  die  geologischen  Expeditionen,  welche  die  Verwaltung 
der  Bergvölker  des  Kaukasus  unternommen,  vervollständigt  wor- 
den ASt  Auf  diese  Weise  ist  bereits  eine  genaue  Beschreibung  ge- 
^  isse^r  Gegenden  der  Gouvernements  Baku,  Eriwan,  Kutaiss,  des 
Terekgebiets  und  der  .Gegend  von  Ssuchum  veröfTentlicht  worden. 
Dif:  Ligenieure  Hr.  Struve  und  Hr.  Lahusen  arbeiten  an  einer  de- 
tai  Uli  .en  Karte  des  Kohlenbassins  in  Central-Russland,  welche  sich 
auf  ihre  eigenen  Untersuchungen  stützt.  Die  Hrn.  Ingenieure  Karpin- 
ski ,',(iebauer  uäd  Brusnitzin  sind  mit  der  Ausführung  einer  ähnlichen 
Karte  für  die  Ostseite  des  Urals,  die  noch  wenig  untersucht  worden 
ist  beschäftigt  Hr.  Karpinskij  hat  ausserdem  den  südlichen  Ural, 
die  Gnjuvemements  Pskow  und  Charkow  untersucht.  Femer  heben 
wir  n,x:h  hervor  die  geologischen  Arbeiten  der  Hrn.  Jeremejew  und 

t  Geologische  Karte  von  Kussland  (reoJioruqecicai  Kapra  Poccih).  Mit  Text  in  deut- 
scher und  russischer  Sprache.  St.  Pbrg.  1873.  Verlag  der  Kaiserl.  Hofbuchhandlung 
II.  Sei  oitzdorfll 


Lahusen  im  Gouvernement  Twer;  die  von  £arbot  de  Marny  in  den 
Gouvernements  Astrachan,  Chersson,  Podolien,  Wolhynien,  Woro- 
nesh^  etc.  und  im  Norden  Russlands;  dann  die  Leistungen  der  Hrn. 
Jerofejew  und  Kusnezow  über  die  Petroleumquellen  und  Schwefel- 
lager an  der  Wolga;  diejenigen  von  Hrn.  Moeller  in  der  östlichen 
Fermformation  Russlands  und  bei  Nishnij-Nowgorod.  Dann  sind 
weiter  noch  zu  erwähnen  die  Arbeiten  der  Mineralogischen  Gesell- 
schaft in  den  Gouvernements  St.  Petersburg,  Kasan,  Olonez,  Ssim- 
birsk;  diejenigen  von  Hrn.  Romano wskij  über  das  Moskauer  Stein- 
kohlenbassin, über  die  Krim,  die  Wolga,  das  Gouvernement  Oren- 
bürg,  das  Königreich  Polen,  die  Gegend  des  Kuban-Gebiets;  die 
von  Hrn.  Muschketow  über  den  Ural ;  der  Hrn.  Domguer,  Franzke- 
witsch,  Kutschinskij  u.  A.  über  das  Granitgebiet  des  südlichen 
Russland;  des  Hrn.  v.  Helmersen  über  die  Braunkohlen-  und  Bern- 
steinlager im  Nord- Westen  Russlands.  Ausserdem  sind  noch  vielfacher 
Bohrungen  in  verschiedenen  Gegenden  des  Reiches,  hauptsächlich 
auf  Steinkohle  und  Steinsalz,  zu  erwähnen. 

Bergingenieure  machen  auf  Staatskosten  Studien  und  Untersu- 
chungen im  Amurgebiet,  auf  der  Insel  Sachalin,  und  in  den  weiten 
Gebieten,  die  zuletzt  in  Central-Asien  erworben  worden  sind,  so  im 
Chanat  Chokand,  in  der  Provinz  Kuldsha,  in  der  Gegend  von  Sa- 
markand  und  im  Lande  der  Turkmenen.  Man  baut  hier  bereits 
Kohlenbergwerke.  Unter  den  Bergingenieuren,  die  sich  bei  die- 
sen Arbeiten  auszeichneten,  sind  zu  erwähnen  die  Hrn.  Romanowskij, 
Muschketow,  Barbot  de  Marny,  Tatarinow,  Anopow,  Koeppen, 
Mischenkow,  Nikolskij,  Koschkul,  Dawydow  etc. 

Diese,  übrigens  noch  unvollständigen  Mittheilungen  zeigen,  dass 
die  bis  jetzt  in  Russland  unternommenen  geologischen  Forschungen 
recht  zahlreich  sind;  indessen  entbehren  sie  eines  gemeinsamen 
Planes  und  das  Bergressort  sieht  die  Nothwendigkcit  voraus,  iii 
St.  Petersburg  ein  geologisches  Institut  zu  gründen,  welches  dem 
«Geological  Survey»  in  London  und  der  «Geologischen  Reichsan- 
stalt» in  Wien  ähnlich  sein  solP. 


'  Wir  glauben  nm  so  mehr  hoffen  zu  dürfen,  dass  die  Errichtung  eines  solchen  Insti- 
tuts, fUr  welches  sowohl  Hr.  v.  Helmersen  als  auch  der  unlängst  verstorbene  Prof. 
Barbot  de  Marny  lebhaft  eingetreten  sind,  bei  eintretendem  Frieden  bald  stattfinden 
werde,  als  der  Hr.  Minister  d«^r  Reichsdomänen  der  Sache  die  wärmste  Theilnahmc 
schenkt.  Die  Red. 


4.  Bildungswesen. 

Das  Bergressort  veröfTentlicht  seit  dem  Jahre  1825,  das  monatlich 
erscheinende  cBergjournal»,  und  pubUzirt  ausserdem  verschiedene 
Werke  über  die  Geologie  Russlands,  über  Metallurgie,  Mechanik 
und  Statistik  des  Bergwesens.  Das  Berginstitut  in  St.  Petersburg, 
welches  1773  gegründet  wurde,  ist  1865  nach  dem  Vorbilde  der 
ausländischen  Bergakademien  umgestaltet  worden.  Es  umfasst  zwei 
Fakultäten:  für  Berg-  und  Hüttenwesen.  Es  ist  aufs  Reichhaltigste 
mit  allen  Hülfsmitteln  ausgestattet.  Die  Zahl  der  Professoren  betrug 
1876  — 1877  an  26  und  diejenige  der  Studirenden  335.  In  Jekateri- 
nenburg»  Barnaul  und  Lissitschansk  gibt  es  Bergschulen,  um  Aufse- 
her und  Steiger  heranzubilden  und  in  jedem  Bergwerksdistrikt  eine 
technische  Schule.  Die  Schulen  wurden  1876  von  657  Schülern  be- 
sucht; ausserdem  hat  man  1877  eine  neue  Steigerschule  gegründet, 
die  mit  der,  im  Süden  gelegenen  Steinkohlengrube  von  Korssun, 
vereinigt  ist.  Das  chemische  Laboratorium  des  Finanzministeriums, 
sowie  die  Laboratorien  von  Jekaterinenburg,  Barnaul,  TiSis,  Nowo- 
tscherkask  und  Taschkend  beschäftigen  sich  mit  Mineralanalysen 
und  solchen  der  Minenprodukte. 

5.  Gesetzgebung  und  Zolltarif. 

Das  Bergdepartement,  welches  früher  zum  Finanzministerium  ge- 
hörte, ressortirt  seit  dem  Jahre  1874  zum  Domänenministerium, 
dessen  Chef,  der  Staatssekretär  Walujew,  der  Entwicklung  der 
Montanindustrie  einen  starken  Impuls  gegeben  hat.  Die  Berggesetze 
sind  der  Gegenstand  der  Arbeiten  einer  ad  hoc  ernannten  Spezial- 
kommission  geworden.  Das  Bergdepartement  ist  theilweise  um- 
gestaltet worden.  Im  Jahre  1870  wurde  ein  neues  Gesetz  für  die 
Goldwäschereien  publizirt,  ferner  wurden  veröffentlicht  verschiedene 
Gesetze  über  die  Ausbeute  des  goldführenden  Quarzes,  über  das 
Eigenthumsrecht  des  Erdinnern  im  Königreich  Polen,  über  die  Ver- 
äusserung  aller  Petroleumquellen  und  einiger  Staatshütten  und 
Bergwerke  im  Ural  und  in  Polen.  Alle,  dem  Staate  gehörigen  Gold- 
minen und  Salzwerke  sind  bereits  Privatleuten  zur  Exploitation 
übergeben  worden.  In-  einzelnen  Gegenden  hat  man  eine  spezielle 
Bergwerkspolizei  eingerichtet  und  man  arbeitet  an  einem  neuen 
Berggesetz. 

Den  Grundprinzipien  nach  ist  die  Bergge^etzgebung  in  Russland 


f 

t 


8 

sehr  liberal  und  gestattet  die  Einmischung  des  Staates  in  die  Privat- 
industrie nur  in  wenigen  Fällen,  da  auch  das  Erdinnere  meistens 
dem  Grundeigenthümer  gehört.  Im  Jahre  1869  sind  die  Bergwerks- 
abgaben bedeutend  ermässigt  worden;  1874  hob  man  die  Abgabe 
vom  Piatina  auf  und  1876  diejenige  vom  Golde  und  den  Mineralpro- 
dukten, wie  auch  die  des  Erdöls  1877.  Die  Bauern,  welche  zu  den 
Bergwerken  gehörten,  haben  1861,  zur  Zeit  ihrer  Emanzipation, 
Land  zuertheilt  erhalten,  während  die  Bergwerks-  und  Hüttenarbei- 
ter einer  grossen  Anzahl  von  anderen  Vortheilen  theilhaftig  wurden. 
Ihre  Lage  ist  im  Allgemeinen  eine  befriedigende.  Der  Mangel  an 
Arbeitern,  der  sich  überall  fühlbar  gemacht  hat,  Hess  den  Tagelohn 
bedeutend  steigen.  Die  Arbeiter  interessiren  sich  immer  mehr  für 
Spar-  und  Leihkassen,  die  von  dem  Bergressort  errichtet  wurden. 
In  den  Staatshüttenwerken  gab  es  1876  an  17  Spar-  und  Leihkassen, 
die  6448  Mitglieder  zählten  und  ein  Grundkapital  von  ca.  254,800 
Rubel  besassen. 

Die  Bergingenieure  sind  gleichfalls  gut  bezahlt  und  ausser  den 
gewöhnlichen  Pensionen,  die  selbst  diejenigen  Kronsingenieure  er- 
halten, welche  im  Privatdienst  stehen,  haben  sie  noch  eine  spezielle 
Unterstützungskasse,  die  von  der  Regierung  reich  dotirt  ist.  Ihr 
Kapital  belief  sich  1877  auf  die  Summe  von  1,297,417  Rubel. 

Den  Erzeugnissen  der  Montanindustrie  und  den  Metallarbeiten  ge- 
genüber vertritt  Russland  im  Allgemeinen  den  Schutzzoll.  Es  exi- 
stirte  indessen  eine  Ausnahme  für  Maschinen,  die  früher  zollfrei 
einkommen  konnten,  aber  seit  dem  Tarif  von  1868  mit  einer  Abgabe 
von  höchstens  7*/«  pCt.  besteuert  werden.  Dieses  Schutzzollsystem 
erreicht  nicht  seinen  Zweck,  weil  die  ausländischen  Metalle  und 
Metall- Fabrikate  und  die  Maschinen,  die  für  im  Bau  begriffene 
Eisenbahnlinien  bestimmt  sind  wie  für  mechanische  Werkstätten, 
seit  1861  keinen  Eingangszotl  bezahlen.  Um  der  einheimischen 
Industrie  einen  energischeren  Schutz  zu  gewähren  hat  die  Regie- 
rung augenblicklich  nicht  nur  die  freie  Einfuhr  von  Metallen  und 
Eisenbahnbestandtheilen  aufgehoben,  sondern  hat  auch,  um  zur 
Darstellung  von  Stahlschienen  und  Lokomotiven  in  Russland  zu  er- 
muthigen,  Prämien  ausgesetzt.  Ausserdem  hat  die  Regierung  grosse 
Bestellungen  zu,  für  die  Industriellen  höchst  vortheilhaften  Preisen 
gemacht.  Endlich  hat  die  Bestimmung,  die  Zollabgaben  seit  dem 
I.Januar  1877  >"  Gold  statt  in  Papiergeld  bezahlen  zu  müssen,  die 
Maassregeln  des  Schutzzolles  vervollständigt. 


6.    Russlands    Handel    mit    den   Produkten    der   Montan- 
industrie. 

Die  einheimische  Produktion  genügt  nicht  der  gegenwärtigen 
Nachfrage  in  Russland,  wesshalb  die  Nothwendigkeit  vorhanden  ist 
aus  dem  Auslande  und  besonders  aus  England,  Deutschland  und  Bel- 
gien Metalle,  Mineralien  u.  s.  w.  einzufuhren. 

Der  auswärtige  Handel 'R^xss\^xi^LS  im  Jahre  1876  zeigt  folgende 
Ziffern: 


Import 


Piatina     .  . 

Kupfer     .  . 

Blei     .     .  . 

Zink    .     .  . 

Gusseisen  . 
Schmiedeeisen 

Stahl  .     .  . 

Petroleum  . 

Salz    .     .  . 

Steinkohle  . 


Metallfabrikate 
Maschinen   .     .     . 
Gold-   und  Silber- 
fabrikate .     .     . 


aus  Europa 
Pud. 

357*644 
1,354.229 

36,724 

2,965.032 

8,622,736 

10,320,349 

2,622,486 

17,279,925 

88,189,206 

Rubel. 
26,825,336 

27,^54,897 


aus  Asien 
Pud. 

1,091 

9.769 
851 

4,900 

3.164 

3.193 
696 

48,55s 

Rubel. 

133.952 
60,039 


Export 
nach  Europa    nach  Asien 


Pud. 

66 

12,304 


380 

858,546 

4,330 

2,919 

34,475 

f 

Rubel. 
140,149 
127,023 


Pud. 

6,622 

240 

105,107 

94,948 

10.343 
90,354 
13.835 

Rubel. 
293,710 


501,387  1,344  424,425 


1,650 


Unter  den  Erzeugnissen  der  Montanindustrie,  die  von  Kuropa  aus 
eingeführt  werden^  sind  Steinkohle,  Gusseisen,  Schmiedeeisen,  Stahl, 
Kupfer  und  Salz  die  wichtigsten.  Nach  den  einzelnen  Ländern  ver- 
theilt  zeigt  der  Import  von  1876  folgende  Daten: 

Ousseisen.         Pud. 
England    ....       1,920,267 
Deutschland.     .     .  561,282 

Schweden  u.  Norwegen  214,029 

Italien 48,303 

Belgien  u.  Holland  7.937 

Schmiedeeisen. 
Deutschland .     .     .       3.469,666 


Steinkohle. 

Pud. 

England    .... 

63,467,021 

Deutschland .     .     . 

22,606,138 

Oesterreich   .    ..     . 

1,054,384 

Türkei 

415.232 

Frankreich     .     .     . 

90,097 

Italien 

17,980 

Belgien     .... 

1,220 

10 


Pud. 

England  ....  2,987,677 
Belgien  u.  Holland  1,250,933 
Frankreich    .     .     .  64,676 

Schweden  u.  Norwegen  39,734 
Oesterreich   .    .     .  3  3 1465 

Stahl-  und  Stahlsohienen. 
England    ....       5»283;332 
Deutschland .     .     .       2,493,594 
Belgien  u.  Holland        1,208,938 
Rumänien      .     .     .  358,894 

Frankreich    .     .     .  79,316 

Schweden  u.  Norwegen     3S»2o6 

Kupfer. 

England   .     .     .     .  177,129 


Deutschland 
Frankreich 
Holland 
Oesterreich 

Deutschland 
England   . 
Oesterreich 
Spanien     , 
Portugal    . 
Schweden  u. 
Rumänien 
Italien  .     . 
Frankreich 


Pud. 

125,115 

22,736 

1,368 

1,223 


SalE. 


.  .  7,024,501 
.  .  4,690,004 
.     .       1,540,168 

•     •       1.433.63 1 

.     .         S97i3" 
Norwegen   203,218 

.     .  87.394 

.     .  66,719 

66,446 


Belgien  und  Holland  sind  zusammen  angeführt,  weil  Holland,   mit 
Ausnahme  des  Kupfers,  wahrscheinlich  belgische  Metalle  exportirt. 


Innerer  Handel. 

Für  den  inneren  Handel  mit  den  Bergwerksprodukten  ist  der 
Jahrmarkt  von  Nishnij-Nowgorod  der  Hauptstapelplatz  aller  Hütten 
des  Ural  und  der  meisten  Hütten  aus  den  Umgegenden  Moskaus. 
Die  Metalle  kommen  auf  dem  Wasserwege  dahin  entweder  stromab- 
wärts oder  stromaufwärts  auf  der  Wolga,  der  Oka,  der  Kama,  der 
Wjatka,  der  Belaja  und  der  Tschussowaja. 

Während  der  letzten  zehn  Jahre  hatte  der  Handel  auf  dem  Jahr- 
markt von  Nishnij-Nowgorod  folgende  Gestalt:  1867  hatte  der 
Metallhandel  nur  einen  geringen  Erfolg.  Die  Preise  hielten  sich  zwar 
auf  der  Höhe  des  Vorjahres,  aber  alle  Gattungen  Eisen  wurden  in 
den  meisten  Fällen  auf  Kredit  verkauft.  Die  Eisen-  und  Kupfer- 
geräthe,  die  gewöhnlich  von  den  Fersern  und  Armeniern  sehr  ge- 
sucht sind,  fanden  unter  ihnen  nur  wenig  Käufer ,  und  gleichfalls 
nicht  gegen  Baarzahlung,  sondern  gegen  Austausch  mit  ihren  ein- 
heimischen Waaren,  die  dieses  Jahr  auch  keinen  Absatz  fanden. 
Auch  sanken  die  Eisen-  und  Stahlgeräthe  um  3  bis  5  pCt  im 
Preise,  und  die  aus  Kupfer  um  2  bis  4  pCt.  Mit  dem  Jahre  1868  be- 
gann die  Nachfrage  nach  Eisen  zu  steigen,  ebenso  etwas  der  Preis 
für  dasselbe,  obgleich  der  Import  zunahm.  Ein  besonderer  Umstand 
trug  zur  Erhöhung  des  Preises  bei :  fast  alles  Eisen  befand  sich  in 


II 

den  Händen  von  2  oder  3  Grosshändlern.  Ebenso  wurden  die  Eisen- 
und  Stahlsachen  um  4  bis  ^  pCt.  theurer.  Dagegen  lieferte  der 
Kupferhandel  die  schlechtesten  Resultate,  in  Folge  des  niedrigen 
Preises  für  englisches  Kupfer  in  St.  Petersburg.  In  der  That  hatte 
das  ausländische  Kupfer  nur  einen  Eingangszoll  von  60  Kop.  per 
Pud  zu  bezahlen, .  während  die  russischen  Fabrikanten  für  das  ihrige 

1  RbL  50  Kop.  pro  Pud  Abgabe  bezahlten,  ohne  die  Transport- 
kosten zu  rechnen.  Dieselben  beschlossen  daher  auf  dem  Jahrmarkt 
nur  den  3.  Theil  ihrer  Waare  zu  verkaufen.  Ebenso  wie  das  Kupfer 
sanken  auch  zu  gleicher  Zeit  die  Kupferfabrikate  um  2  bis  5  pCt.  im 
Preise.  Diese  Zustände  dauerten  noch  1S69  fort,  so  dass  der 
Kupferhandel  unbelebt  blieb  mit  einer  neuen  Preiserniedrigung  von 

2  bis  3  pCt.  Da  jedoch  die  Nachfrage  nach  Eisen  das  Angebot 
überstieg,  so  hatten  alle  Gattungen,  desselben  einen  ausgezeichneten 
Absatz  mit  einer  Preiserhöhung  von  5  bis  10  pCt.  Obgleich  die  An- 
fuhr von  Gusseisenfabrikat  sich  verdoppelt  hatte,  so  wurden  sie 
dennoch  vortbeilhaft  verkauft,  während  die  Fabrikate  aus  Schmiede- 
eisen und  Stahl  wie  immer  leicht  Absatz  fanden  und  zwar  um  5 
pCt.  theurer,  als  im' vorhergehenden  Jahre.  Da  1870  die  Hütten 
nicht  das  gewöhnliche  Quantum  Schmiedeeisen  geliefert  hatten,  so 
hob  sich  der  Preis  desselben  um  5  bis  15  pCt,  was  auch  auf  die 
Fabrikate  aus  Schmiedeeisen  und  Stahl  Einfluss  hatte  und  den  Preis 
derselben  um  8  bis  11  pCt.  steigen  Hess.  Der  Kupferverkauf  war 
gleichfalls  vortbeilhaft,  da  der  Preis  gegen  das  Vorjahr  um  3  bis  5 
pCt.  stieg.  1871  ging  der  Grosshandel  mit  Eisen  sehr  gut,  alle 
Hüttenprodukte  wurden  baar  und  um  10,  15  und  noch  mehr  pCt. 
theurer  bezahlt;  der  Detailhandel  war  ziemlich  still.  Dasselbe  galt 
von  allen  Metallfabrikaten,  die,  ausser  einem  schnellen  Absatz,  wie- 
(fer  höhere  Preise  erzielten :  Gegenstände  aus  Schmiedeeisen  und 
Stahl  um  3  bis  5  pCt.,  aus  Kupfer  um  2  bis  4  pCt.  Dagegen  blieb 
das  Kupfer  aus  den  Hütten  des  Altai  (72,000  Pud)  unverkauft  in 
Folge  seiner  angeblich  schlechten  Qualität,  wie  andererseits  das 
Kupfer  aus  verschiedenen  Hütten,  das  dem  Handelshause  Wogau 
u.  Co.  (35,000  Pud)  gehörte,  trotz  eines  gewissen  Rabattes, 
keine  Abnehmer  fand.  Obgleich  der  Markt  von  1872  sich  durch 
eine  enorme  Zufuhr  von  Eisen  aller  Gattungen,  4,522,000  Pud, 
(1,120,000  Pud  mehr  als  im  Vorjahr)  bemerklich  machte,  so  wurden 
dennoch  alle  Parthien  wie  auch  die  Fabrikate  aus  Schmiedeeisen  bis 
aufs  Letzte  zum  Preise  von  1871,  die  Bleche  sogar  40  Kop.  pro  Pud 
theurer,  verkauft     Das  Kupfer  in  Barren  (32,155  Pud)  wurde  vom 


12 

Hause  Wogau  u.  Co.  erworben  und  stieg  in  Folge  dessen  sein  Preis 
um  2  Rbl.  pro  Pud.  Ebenso  stiegen  die  Kupferfabrikate  um  lo  bis 
15  pCt.  im  Preise.  Das  Jahr  1873,  obgleich  für  die  meisten  Artikel 
ungünstig,  war  sehr  günstig  für  das  Eisen,  wie  die  vorhergehenden 
Jahre.  Obgleich  die  Zufuhr  (5,480,000  Pud)  diejenige  von  1872  fast 
um  I  Million  überstieg,  so  wurde  das  Eisen  vollständig  verkauft  mit 
einer  Preiserhöhung  für  Schmiede-  und  Blecheisen.  Die  Handels- 
stilte  verhinderte  nicht,  dass  die  Fabrikate  aus  Schmiedeeisen  und 
Stahl  um  15  bis  25  pCt.  im  Preise  stiegen. 

Die  Gegenstände  aus  Kupfer  fanden  um  5  bis  10  pCt.  theurer, 
einen  befriedigenden  Absatz,  wie  auch  das  Kupfer  in  Barren,  das 
um  2  Rbl.  pro  Pud  theurer  war  als  1872,  in  Folge  einer  Verminde- 
rung der  Hüttenproduktion  und  der  Zufuhr. 

1874  zeichnete  der  Markt  sich  nicht  durch  Belebtheit  aus.  Es 
wurde  etwas  weniger  Eisen  angeführt,  als  früher  (im  Ganzen 
5,257,000  Pud  für  10  Millionen  Rbl.)  und  in  Folge  der  schwachen 
Nachfrage  fand  eine  grosse  Parthie  von  168,000  Pud  keinen  Käufer. 
Im  Allgemeinen  war  der  Preis  um  10  pCt.  niedriger  als  1873. 

Bleche  verloren  50 — 60  Kop.  und  Schmiedeeisen  20 — 30  Kop. 
pro  Pud.  Die  Zufuhr  von  Kupfer  stieg  bedeutend  (38,570  Pud),  es 
fand  aber  keinen  günstigen  Absatz.  Die  Metallfabrikate  fielen,  aus 
Mangel  an  Nachfrage,  um  15—25  pCt.  gegen  das  Vorjahr,  mit  Aus- 
nahme der  Kupferfabrikate,  die  vortheilhaft  verkauft  wurden  1874 
nahm  die  Zufuhr  von  Eisen  wieder  zu  (5,764,000  Pud  für  12  Millionen 
Rubel),  es  fand  vollständigen  Absatz,  mit  Ausnahme  des  Eisens  aus 
Staatshütten.  Der  Preis  für  Bleche  und  Schmiedeeisen  war  um  20 
bis  40  Kop.  niedriger  als  im  Vorjahre.  Die  Ausfuhr  von  Kupfer  in 
Barren  beziffert  sich  auf  44,252  Pud,  aber  sein  Preis  fiel  um  10  Kop. 
pro  Pud,  nachdem  es  schon  im  Vorjahre  50  Kop.  pro  Pud  verloren 
hatte.  Es  wurde  nur  der  achte  Theil  verkauft,  während  das  Kupfer 
vom  vorigen  Jahrmarkt  ohne  Käufer  blieb.  Der  Handel  mit  Eisen- 
und  Stahlfabrikaten  war  ziemlich  still  und  10 — 1 5  pCt.  billiger  als 
im  Vorjahr.  Dagegen  wurden  Kupferfabrikate  vortheilhaft  verkauft. 
1876  stieg  die  Ausfuhr  von  Eisen  bis  auf  5,677,70oPud  für  10,758,000 
Rubel,  aber  eine  bedeutende  Parthie,  im  Werth  von  1,321,800  Rbl. 
fand  keinen  Absatz,  während  die  Preise  noch  mehr  fielen.  Von 
66,958  Pud  Kupfer,  die  auf  den  Markt  gebracht  waren,  fand  ein 
grosser  Theil,  trotz  einer  neuen  Preisermässigung,  keinen  Absatz. 
Die  Geschäfte  in  Eisen-  und  Stahlfabrikaten  waren  gering  und  um 
5  -^7  pC^-  billiger,  als  im  Vorjahr.  Der  Handel  mit  Kupferfabrikaten 


war  belebter,  obgleich  ebenfalls  zu  niedrigen  Preisen,  in  Folge  des 
Preisrückganges  im  Auslande. 

0 

7.  Staatseinnahmen  aus  der  Montanindustrie. 

Die  Staatseinnahmen  aus  der  Montanindustrie  sind  aus  nachfol- 
genden Tabellen  ersichtlich,  deren  hauptsächliche  Daten  dem  Budget 
des  Bergdepartements  entnommen  sind.  Dieses  Budget  gibt  indessen 
lange  nicht  alle  Quellen  der  Staatseinnahmen  dieser  Gattung  an, 
denn  die  Einnahmen  aus  den  Hütten  des  Altai  und  von  Nertschinsk 
und  ein  bedeutender  Theil  der  Goldabgaben  (403,343  Rbl.  im  Jahre 
1876)  gehen  in  die  Kasse  des  kaiserlichen  Kabinets;  die  Bergwerks- 
abgaben des  Kaukasus  und  die  Accise  für  Mineralöl  gehören  zu  den 
Einnahmen  des  Spezialbudgets  dieses  Landes;  die  Einnahmen  für 
Prägung  der  Münzen  und  für  das  Recht  der  Salzgewinnung  gehören 
dem  Finanzministerium ;  die  Abgaben  für  den  Anthrazit  am  Don 
kommen  zum  Kapital  der  Donischen  Kosaken  (67,892  Rbl.  im  Jahre 
1876);  die  Bergwerksabgaben  in  Finland  gehören  dem  Staatsschatze 
des  Grossfürstenthums  etc.  Unter  den  Einnahmen,  die  im  Budget 
des  Bergdepartements  angeführt  sind,  haben  nur  die  aus  den  Berg- 
werksabgaben, aus  den  Hütteneinnahmen  und  den  Arbeiten  für  den 
Staat  ein  allgemeines  ökonomisches  Interesse.  Diese  Einnahmen 
betrugen  während  der  letzten  fünfjährigen  Periode: 

Einnahmen  aus  den  Staats/tütten. 


. 

Bestellungen  für  das 

Jahre. 

Bergwerksabgaben. 

Hütten- 
einnahmen. 

Kriegs   und  Marine- 
■    ministerium  im  Be- 
trage von 

1872 

Rubel 

2,867,684 

4,576,481 

4,127,015 

»873 

» 

2,905709 

4,756,481 

3,652.457 

1874 

> 

2,898,960 

3,694,262 

4,325,740 

*  1875  - 

9 

2,711,390 

4,074.338 

3,289,083 

1876 

■      . 

3,078,398 

3,196,257 

2,850,525 

8.  Fortschritte  in  der  russischen  Montanindustrie. 

Die  Afontanindustrieist  seit  den  ersten  Versuchen,  welche  in  der  Mitte 
des  17.  Jahrhunderts  gemacht  wurden,  erst  am  Anfange  des  vorigen 
J«ihrhunderts   ein  wichtiger  Produktionszweig  in  Russland  geworden. 


u 


Btf  rar  Regietung  der  Kaiserin  Elisabeth  eatvackeite  sich  cfiesc  In- 
dastiie  sAr  schnelL  Die  folgende  Periode  bis  1860  kann  vcgen 
poliüscfaer  und  ökonomischer  Ursachen  als  eise  des  SdUstandes  be- 
trachtet werden.  In  der  letzten  Zeit  hat  die  Montanindustrie  ange- 
fangen sich  wieder  immer  schneller  zu  entwickln.  Die  fortschrei- 
tende Bewegung  in  dieser  Industrie  ist  aus  folgender  Tabelle 
der  letzten  50  Jahre  ersichtlsch: 


Jahre.   GolH, 


Silber« 


I 


.  ^    Kupfer.  '  Gttsseisen.    Sceinkoble. 
tina.  *^       j 


Sa!r.       '  Xaphtha. 


1830 

3S3 

1282 

185$ 

393 

1212 

IK40 

458 

1280 

1845 

1307 

:  1192 

1850 

1454 

1068 

185$ 

1649 

1043 

1860 

1491 

1070 

1865 

1576 

1084 

1870 

2155 

868 

1875 

«995 

601 

107  238.99s 

105    240004 

108    280.918 

I  ,  260,048 

9  i  393t6i8 

—    1378,618; 

61  1315,693 

«39  i  253-037 

119    306,387 

94  ;  222,291 


IL  169.328* 
ia5oo,i46 
i«33«i5«o 
IM32,645' 

13.892-325 
15-310.616 

18,174,125 
16,046,191 

«9i503407 
23255,068  ; 


I   600,000. ~'f**'393: 
.1         •         23^500,000; 

875000.27,195,512 

?         1 55*476,527 
3,160/xxi   24^29,009 

2.500,000  32,224^53 

8.000,000  26,109*602 

12.679,311  29058,933; 

22.163.107  29X>  13,458 

79,444.328 !  37,591,399 


26l/)00 

348.956 
337.009 
327,166 
255000 

? 

554-291 
«.704^55 
8,174,340 


Um  diese  Ziffern  richtig  zu  würdigen  muss  man  in  Betracht 
ziehen^  dass  bis  zum  Jahre  1862  das  Bergdepartement  weder  über 
die  Bergwerksproduktion  in  Finland  noch  in  Polen  Daten  sammelte 
noch  veröffentlichte,  wesshalb  diese  Länder  in  obiger  Tabelle  nicht 
mit  aufgenommen  sind. 

9.  Statistische  Uebcrsicht  der  Bergwerksproduktion  in 

Russland^ 

Die  Tabellen,  welche  wir  im  Folgenden  geben,  sind  der  abgekürzte 
Inhalt  der  Daten,  die  jährlich  von  dem  Bergdepartement  veröffent- 
licht werden.  Es  ist  zu  erwähnen,  dass  diese  Daten  nun  immer  voll- 
ständiger und  genauer  werden;  die  Organisation  der  Statistik  der 
Montanindustrie  begegnet  in  Russland  bedeutend  mehr  Schwierig- 
keiten, als  in  andern  Ländern,  wegen  der  ungeheuren  Ausdehnung 
des  Terrains,  auf  dem  die  Bergwerke  liegen  (einige  sind  bis  10  und 
12,000  Kilometer  vom  Centrum  des  Reichs  entfernt)  und  weil  einige 
von  ihnen,  die  an  den  äussersten  Grenzen  Russlands  liegen,  Bcsi. 
tzern  gehören,  welche  nicht  einmal  der  russischen  Sprache  mächtig 
sind. 


•   I  Pud  =•  Kilogr.    16,3808;    i   Pfund  =  Kilogr.  0,40952;    1   S«lolnik  =  Milligr. 
4265;  1  Doli  =  Milligr.  44. 


IS 


a)  Goldproduktioii  aus  Goldwäschereien. 

Jahre. 

Zahl  der  Orte 

Verwaschener  Goldsand  i 

1867 

878 

968,423,325 

1868 

4 

99J 

I 

1,177,288, 

,244 

1869 

1129 

1.054,570,392 

1870 

1208 

•    t 

983475,095 

1871 

978 

i,08r,5i8, 

,424 

1872 

1055 

1,044,927,585 

1873 

IO18 

954,648,764 

1874 

IO3S 

937.578,045 

1875 

109? 

1,007,293,492 

1876 

II3Ö 

1,022,543,362 

Gewonnenes  Gold. 

Jahre. 

Pud. 

PAmd. 

Solotnik. 

Doli 

1867 

1649 

23 

30 

29 

1868 

I7II 

16 

50 

81 

1869 

2006   . 

25 

72 

8 

1870 

2156 

23 

16 

16 

1871 

2399 

37 

78 

8 

1872 

2330 

30 

88 

58 

1873 

2024 

29 

30 

79 

1874 

2027 

4 

45 

70 

187s 

199s 

29 

44 

37 

1876 

2054 

3 

63 

36 

Die  Schwankungen  der  Goldgewinnung  in  den  verschiedenen 
Golddistrikten  während  der  letzten  fünfjährigen  Periode,  gehen  aus 
folgender  Tabelle  hervor.  Die  Ausbeute  betrug: 

In  den  Goldw&schereien 

der  Krone 1 30 

des  Kabinets  des  Kaisers  •     .     . 
von  Privatpersonen: 

im  östlichen  Sibirien  .     .     . 
»  westlichen      »       .     .     : 

.'  Ural 

in  Finland 

Der  geographischen  Lage  nach  vertheilte  sich  die  Goldproduk- 
tion in  Russland  im  Jahre  1876  auf  nachstehende  Gouvernements 
und  Gebiete  wie  folgt: 


1872 

1873 

1874 

1875 

1876 

P 

.  u 

d. 

' 

130 

ni 

90 

70 

63 

165 

158 

163 

159 

153 

1567 

1347 

1392 

1393 

143  t 

176 

144 

138 

120 

120 

283 

262 

241 

252 

286 

3 

2 

I 

I 

V« 

i6 


Jakutsk    .     • 
Jenisseisk  und  Irkutsk 
Transbaikalien 
Perm  .     .     . 
Amur .    .     . 
Orcnburg.     . 
Tomsk     .     . 
Küstengebiet 
Ssemipalatinsk 
Akmollinsk  . 
Uleaborg .     . 


Zahl 
der  Orte. 

35 
336 

64 
197 

10 
263 
126 

3 

24 

6 

9 


Gewonnenes  Gold 


Pud. 
627 

38S 

176 
171 
109 
107 
12 
II 


Pfund. 
21 

36 

35 
22 

27 

23 
12 

14 
27 

37 
23 


Die  Konzessionen  zum  Goldwaschen  nahmen  1874  einen  Flächen- 
raum von  2,514,495  Faden  Länge,  d.  h.  5028  Werst,  ein.  Unter  die- 
sen Konzessionen  waren  die  im  östlichen  Sibirien  mit  1,464,430  Fa- 
den, die  im  westlichen  mit  516,090  und  die  vom  Ural  mit  533,975 
Faden  beziffert. 

Seit  dem  Jahre  1753,  wo  die  Goldproduktion  in  Russland  anfing, 
bis  1876  einschliesslich,  sind  in  Russland  67,132  Pud  und  33  Pfund 
Gold  gewonnen  worden. 

Der  ausserordentlich  niedrige  Wechselkurs  einerseits,  und  ande« 
rerseits  das  hohe  Agio,  so  wie  die  Aufhebung  der  Goldabgaben  und 
die  definitive  Uebergabe  der  Staatswerke  in  die  Hände  von  Privat- 
personen, haben  den  Konzessionären  im  letzten  Jahre  enorme  Vor- 
theile  gebracht.  Die  Goldproduktion  hat  sich  im  Jahre  1877  bis  auf 
2430  Pud  gehoben,  mit  einem  approximativen  Werthe  von  40  Mil- 
lionen Rubel. 

Um  diese  Ziffer  recht  zu  würdigen  muss  man  in  Betracht  ziehen, 
'dass  die  Goldgewinnung  aus  den  Wäschereien  der  Krone  nur  13 
Pud  ergeben  hat  d.  h.  50  Pud  weniger  als  1876,  und  die  des  Kabi* 
nets  des  Kaisers  142  Pud  betrug.  Die  übrigen  2275  Pud  sind  von  Pri- 
vatwerken geliefert  worden,  welche  letzteren  1877  um  437  Pud 
mehr  als  1876  ergeben  haben.  Die  Goldproduktion  der  Privaten  ver- 
theilt  sich  folgendermaassen:  auf  das  östliche  Sibirien  entfallen  1793 
Pud,  auf  den  Ural  353  Pud,  auf  das  westliche  Sibirien  129  Pud.  Es 
muss  hierbei  bemerkt  werden,  dass  in  diesem  Jahre  die  Goldproduk- 
tion noch  zunimmt,  da  die  oben  genannten  Vortheile  die  Konzessio- 
näre veranlassen  werden,  den  Kreis  ihrer  Goldwäschereien  noch 
mehr  zu  erweitern,  was  im  östlichen  Sibirien  nur  dann  möglich  ist. 


t7 

wenn  man  sich  bei  Zeiten  mit  Arbeitern  und  Lebensmitteln  verse- 
hen kann. 


b)  Piatina. 

Anzahl  Verwaschener  Piatinasand  Gewonnenes  rohes  Piatina 
Jahre.        der  Orte.  in  Pud,  Pud.  Pfiind.    Solotnilu 

1867  —  11,607,050  109  9  56 


1868 

— 

18,070,650 

132 

23 

47 

1869 

6 

13,678,700 

142 

39 

91 

1870 

6 

9,609,150 

118 

38 

33 

1871 

6 

10^^0,650 

125 

6 

56 

1872 

.5 

8,252,900 

93 

39 

68 

1873 

6 

7,620,300 

96 

9 

85 

1874 

5 

9,954,800 

122 

39 

42 

1875 

7 

9,091,000 

94 

7 

44 

1876 

5 

10,370,100 

96 

8 

48 

Alles  Piatina  ist  0>n  Privatpersonen  im  nördlichen  Theile  des 
Gouvernement  Perm,  und  snvar  theilweise  aus  dem  Goldsande  ge. 
Wonnen  worden.  Früher  wurde  das  Piatina  in  der  St.  Petersburger 
Münze  raffinirt;  jetzt,  wo  die  Abgabe  auf  dasselbe  aufgehoben  wor- 
den ist,  wird  der  grösste  Theil  des  Piatina  im  rohen  Zustande  in's 
Ausland  exportirt. 

c)  Silber  und  Blei. 

Anzahl  der  silberhaltigen  Geförderte  Erze 
Bleierzgruben.  in  Pud. 


1867 

— 

2,588404 

1868 

29 

2,873,486 

1869 

17 

3.083,375 

1870 

26 

2,116,404 

I87I 

23 

2,177.540 

1872 

25 

1,886,457 

187s 

19 

1,883,152 

1874 

22 

2,065,541 

1875 

24 

1,580,410 

1876 

24 

2,096/532 

KaM.Bffu.Bl.ZUI. 

i8 


.,  Ansabl  Geschmolzenes  Erzquantttm 

•'*  ^'  der  Silberhütten.        'der  Oefen.  in  Pud. 

1867  7  —  2,774,828 

i868         9        120        3,143^608 

1869  8        123        2,400,717 

1870  10       130       2,066,792 

1871  9  130  1,892,636 

1872  8  110  2,134,119 

1873  7  120  1,906^25 

1874  7  119  2,079,868 

1875  8  103  1,839,826 

1876  7  III  2,146,728 

Aus  dem  Erz  gewannen 

Silber  Blei 

■'*  '•             .      Pud.          Pfund.      SoloUük.  Pud.              Pfund. 

1867  IIO6      5      9  105,917     39 

1868  1092      18      3  100,224    .  33 

1869  768  23  SO  65,092  15 

1870  867  30  68  100,653  20 

1871  828  30  27  107,963  26 

1872  752  5  44  74,662  19 

1873  606  21  44  57,605  26 

1874  720  14  80  81,150  12 

1875  601  4  69  66,059  38 

1876  683  18  —  71,277  23 

Von  dem  gewonnenen  Quantum  lieferten  in  den  5  Jahren  1 872 
bis  1876: 

Diemtten  '«^*       '^^\    '«^^       *«75      .876 

Pud. 

der  Krone 20        11         23        23         26 

des  kaiserlichen  Kabinets   .     .     .     732       595       693       567      658 
der  Privatindustrielleo    ....     —        —  4        11        — 

Der  geographischen  Lage  nach  vertheilt  sich  die  Silber-  und  Blei- 
gewinnung 1 876  in  Russland  unter  die  verschiedenen  Gouvernements 
wie  folgt: 

Anzahl  der        Silber  Blei 

Hütten.      Pud.     Pfund.         Pud. 

Tomsk 5        616        3        58,499 

Transbaikalien .    \    \ i  41       17  5^77 

Terek-Gebiet    .  v i  25       37  7,701 


»9 


Produktion  der  Münzhof  e. 

Oeprägte  Münse  für  die  Summe  von 

Anzahl 

der 

Mfinzliöfe 

Gold 

Silber  zum 
Mfinzfuss  von 

83V«/96 

Silber  zum 

Münzfuss  von 

48/96 

Kupferne 
Scheidemünze 

Total 

Rubel. 

Rubel. 

Rubel. 

Rubel. 

Rubel. 

1867—2 
1868-2 
1869—2 
1870—2 
187I— 2 
1872  —  2 
1873-2 
1874 — 2 
1875—2 
1876—2 

20,67 1  »688 

17,510,015 
20,526,895 

26,368,016 

4,600,024 

12,669,025 

i5>687,955 

25.554,315 
21,509,025 

53,754,736 

130,015 
800,000 
300,005 
400,039 
900,015 
1,000,005 
700,007 
700,005 
700,005 

3>i74,oi4 

3,226,003 
4,000,002 
6,000,961 
5,000,003 
5,220,498 
3,500,001 
4,501,002 
4,366,002 
4,400,001 
7,230,004 

2,000.000 
1,848,250 
1,819,900 

1,767,587 
534,207 

1,000,000 

1,000,000 

1,000,000 

1,364.800 
1,219,801 

26,027,706 

24.158,317 
28,647,761 

33.535.643 
11,254,744 

18,169,031 

2 1 ,888,963 

31,620,321 

37.973.831 
65.368,55s 

Produktion  der  Münzhofe  im  Jahre  1876. 

ux#  Quantum       Im  Betrage  von 

M  ü  n  z  h  ö  f  e.  p^^  p^^^^  g^j        j^^^j       j^^ 

A)  St.  Petersburg. 
1.  Zubereitete  Metalle. 

Reines  Gold 5717  28  34  80,193,876  25 

»      Silber 1966  30  82     1,774,968  68 

8.  Geprägte  Münsen  Anzahl  der  Stücke. 

a)  aus  Gold. 

Dukaten 63,008         194,694  72 

Halbimperiale 10,400,008     53,560,041  20 


— 

53,754,735  92 

b)  aus  Silber. 

Stücke  zu  I  Rbl.  zum  Münzfuss  von  83  V« 

2,251,008 

2,251,008  — 

*        »  5^^op.  •         »            »     » 

1,058,008 

529,004  — 

4          9  25**           *              *' 

1,616,008 

404,002  — 

— 

3,174,014  — 

*        » 2oKop.zumMünzfussvon48 

22,405,008 

4,481,001  60 

»        *ij»       »          »          »» 

1,362,008 

2,043,001  20 

»       »10»»          »          »» 

6,840,008 

684,000  80 

•        >5**         *          '* 

440,002 

22,000  40 

7,230,004  — 

8* 


20 


Quantum      Im  Betrage  von 
Pud.     Pfund.       Rubel.      Kop 

c)  aus  Kupfer  17,020  —         851,000  94 

65»009,754  86 

B)  yekaUrinenburg. 

Kupfermünzen     von     verschiedenem 
Werthe 7,376  —         368,800  — 

—    —         368,800  ~ 
Total  65,368,554  86 

SL  Petersburg.  Anwüü  der  Stücke  Pud.  Pfund.   Sol. 

Medaillen. 

a)  aus  Gold 2,330  7      45        4 

b)  »    Silber 26,328         25       11       68 

c)  >    Bronze 14,484        34        8      93 

Wir  schliessen  an  diese  Tabellen  einige  Notizen  über  das^  seit  dem 
Jahre  i70O  bis  auf  die  neueste  Zeit  in  Russland  geprägte  Quantum 
Gold  und  Silber.  Von  1700  — 1777  wurde  in  Moskau  geprägt.  In 
diesem  Zeitraum  wurden  geschlagen:  an  Goldmünzen  von  1701  bis 
1759  für  die  Summe  von  1,829,300  Rbl.,  davon  11,000  Rbl.  in  gol- 
denen 7«  Rubelstücken  (ä  50  Kop.)  und  161,000  Rbl.  in  Rubel- 
stücken; an  Silbermünzen:  von  1700 — 1777  für  die  Summe  von 
66,550,000  Rbl.  Im  Jahre  1738  wurde  der  Münzhof  in  St.  Peters- 
burg eingerichtet  und  bis  1838,  d.  h.  während  eines  ganzen  Jahr- 
hunderts, wurden  Goldmünzen  von  verschiedenem  Werthe  für  die 
Summe  von  66,358,000  Rbl.  und  Silbermünzen  für  243,512,000  Rbl. 
geprägt.  Von  1838 — 1877  hat  sich  die  Ausgabe  von  Goldmünzen 
bis  auf  774,860000  Rbl.  und  die  von  Silbermünzen  bis  auf 
172,558,000  Rbl.  gehoben.  Folglich  sind  im  Ganzen  in  Umlauf  ge- 
setzt worden  von  1700—1877  für  843,047,300  Rbl.  in  Gold-  und  für 
482,620,000  Rbl.  in  Silber  Münzen^  was,  den  ganzen  Betrag  auf  Sil- 
ber ausgerechnet,  die  Summe  von  1,350,958,719  Rbl.  ausmacht. 
Ausserdem  hat  man  seit  1828— 1845  ^^  Russland  Piatinamünzen 
ä  3,  6  und  10  Rbl.  für  die  Summe  von  4,250,000  Rbl.  geprägt;  die- 
selben sind  aber  fast  ganz  der  Circulation  entzogen  und  einge- 
schmolzen worden  l 

I  Nur  im  Innern  des  Reiches  begegnet  man  auch  heute  noch  in  vereinzelten  Fällen 
den  Plattnamttnzen.  D.  Red. 


21 


d)  Kupfer. 

Anzahl 

Gefördertes  Qnantnin           Anzahl  der 

Verschmolzenes 

Jahr. 

der  Gruben. 

an  Kupfererzen         Knpfer- 
in  Pnd.                hfllten. 

Oefen. 

Enqnantnm 
in  Pnd. 

1867 

— 

7,7^Z,7^i           — 

— 

7,734,779 

1868 

229 

8,097,155            43 

190 

7,975,706 

1869 

98 

8,028,728               39 

250 

7,975,706 

1870 

7» 

6,392,622               39 

262 

7,190,213 

1871 

77 

6,222,759               35 

247 

6,384,154 

1872 

81 

5.93I.I33               32 

225 

5,848,795 

1873 

64 

5,975,690              25 

234 

5.191,931 

1874 

77 

5,205,18s               26 

258 

4.271,723 

1875 

79 

5,515,081               25 

235 

4,877,556 

1876 

71 

6,340,543               23 

Kupferproduktum. 

233 

5,394,222 

In  Barren 

In  Blechen 

Jahr. 

Pnd. 

Pnd. 

1867 

257,317 

18,259 

1868 

268,078 

30,949 

1869 

259.803 

21,597 

1870 

308,440 

29,642 

1871 

260,007 

21,277 

1872 

227,376 

15,723 

1873 

223,282 

18,971 

1874 

199,527 

22,190 

187s 

222,769 

■ 

29,142 

1876 

236,452 

23,341 

Geographisch  vertheilte  sich  die  Kupferproduktion  1876  auf  die 
Gouvernements  und  Gebiete  wie  folgt: 


Perm  .  . 
Jelissawetpol 
Ufa.  .  . 
Tomsk,  . 
Akmollinsk 
Tiflis  .  . 
Orenburg  • 


Anzahl  der 
Hütten. 

Kupferproduktion 
Pud. 

4 

73,702 

5 

52,903 

4 

I 

I 

37,537 

33,645 
28,126 

2 

I 

4,52s 
2,408 

22 


Nyland .    .    . 
Eriwan .     .     . 
Ssemipalatinsk 
Wjatka     .     . 
Jekaterinoslaw 


Anzahl  der 
Hütten. 

I 

I 

I 

I 

I 


Kupferproduk  tion 
Pud. 

1,287 

900 

739 
546 

135 


Die  Produktion  der  letzten  fünf  Jahre  in  den  verschiedenen  Ge- 
genden ist  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich.  Es  lieferten : 


1872         1873        1S74         187s 

Pud. 

14,671     12^769    9,197       1,811 
39»8i5     3Si350  35i350    27,530 


1876 


1.784 
33.645 


Die  Hatten 

der  Krone 

des  Kais.  Kabinets.     . 

der  Privatindustriellen : 

im  Ural 115,020  107,362  93,560  122,673  112,409 

in  den  Kirgisensteppen     23,398     23,336  24,508     30,164    28,865 

im  Kaukasus  .     .     .        33i25i     43132036,615     40,112     58,328 

in  Finland  ....  1,121       1,146       296         479       1,287 

»  Süd-Russland .     .  —  —         —  —  135 


0 

Zinn. 

Anzahl 

Gefördertes  Erzqnantum 

Ansaht  der 

Prodttzirtes  Zinn 

Jahr. 

der  Groben. 

Pud. 

Hütten.        Oefen. 

.    Pud. 

1869 

213,000 

I                  2 

1,020 

1870 

66,292 

I                   2 

1,033 

187I 

22,909 

I                   2 

475 

1872 

21,445 

I                   2 

263 

1873 

5.936 

I                   2 

130 

1874 

4.596 

—                — 

— 

1875 

231 

—                — 

— 

Das  Gouvernement  Wiborg  lieferte  allein  Zinn  in  Russland,  aber 
in  Folge  der  Erschöpfung  der  Grube  in  Pitkaranda  ist  die  Produk- 
tion keine  beständige. 


/;  Kobalt  und  Nickel. 


Jahr. 
1867 
1868 
1869 


Anzahl  der  Bergwerke 
Kobalt.        Nickel. 

I  — 

I  — 

I  — 


Gefördertes  Erzquantum  in  Päd 
Kobalt  Nickel. 

5,220  — 

9,000  — 

7715  — 


23 


Aniahl  der 

Bergwerke 

Gefördertes  ErEquantum  inPud 

Jahr. 

Kobalt 

Nickel. 

Kobalt. 

Nickel. 

1870 

I 

— 

1,249 

— 

187I 

I 

— 

649 

— 

1873 

— 

I 

— 

2,893 

1874 

— 

I 

— 

28,584 

187s 

— 

I 

— 

22,933 

1876 

I 

I 

460 

10,580 

Ansaht  der 

Hatten              Nickelspeise  Nickelmetall   Nickelo: 

Jahr. 

Kobalt. 

Nickel. 

Pud. 

Pud. 

Pud. 

1867 

I 

— 

1,306 

— 

— 

1868 

I 

— 

2,447 

— 

— 

1869 

I 

— 

1,560 

— 

— 

1870 

I 

— 

306 

— 

— 

1874 

— 

I 

— 

26 

106 

1875 

— 

2 

— 

136 

483 

1876 

I 

2 

188 

248 

— 

Die  Kobalterze  wurden  gewonnen  und  bearbeitet  im  Gouverne- 
ment Jelissawetpol  im  Kaukasus  und  die  des  Nickels  im  Gouverne- 
ment Perm  im  Ural. 

g)  Zink. 


Anzahl 

GeiSrdeites  ZinkerrqaMitnm 

Jalu. 

der  Bcrgwetfce* 

Pod. 

1867 

— 

1,157,400« 

1868 

10 

1,526,928» 

1869 

— 

2,457.741 

1870 

6 

2,666,754 

187I 

6 

2,629,477 

1872 

6 

4.388.345 

1873 

7 

4,394,882 

1874 

9 

6,141,105 

1875 

6 

4,027,208 

1876 

6 

3.742,415 

'  Die  Daten  fehlten  fUr  mehrere  Privatbergwerke, 


H 


Auahl  der 

Masse  des 

HUten. 

Oefen. 

geschmolzenen  Erzes   gewonnenen  R 

J«Jir, 

Pud. 

Pud. 

1867 

4 

— 

1,971,288' 

180,263 

1868 

4 

88 

2,111,676* 

198,259 

1869 

4 

56 

1,668,733 

221,328 

1870 

3 

128 

2,117,318 

230,776 

I87I 

4 

141 

1.665,495 

166,581 

1872 

3 

91 

1,459,663 

188,144 

1873 

3 

91 

1,995,627 

206,037 

1874 

3 

91 

2,118,011 

251,811 

1875 

3 

88 

2,318,491 

243,280 

1876 

3 

127 

2,649,848 

282,198 

Jahr. 

Anzahl  der  Walzwerke.        Gewalztes  Zink  in  Päd. 

1867 

• 

23,629 

1868 

\                           ] 

3S»8i2 

1869 

30,000 

1870 

26,844 

1871 

30,000 

1872 

30,510 

1873 

37>9i6 

1874 

30,000 

1875 

30,000 

1876 

23,362 

AUe  2Snkhütten  und  Walzwerke  befinden  sich  im  Gouvernement 

Piotrkow  in  Polen. 

AJ  Eisen. 

Gussfisen. 

Anzahl  Gefördertes  Eisenerzqtiantuin 


Jahr. 

der  Eisenengroben. 

Pud. 

1867 

— 

36,849,139 

1868 

1,033 

41.235,575 

1869 

1,165 

42,596,508 

1870 

1,283 

48,763,156 

1871 

1,180 

48^471,967 

1872 

1,270 

54,510,434 

1873 

1,196 

55,047471 

1874 

1,387 

57,021,784 

1875 

1,346 

64,945,155 

1876 

1,311 

61,735,785 

*  Die  Daten  fehlten  fllr  mehrere  Prlvatbergwerke. 


25 


Anzahl  der             Ge«ehmolc.Erzett.Schlackeninasse 

Jahr. 

SehmeUhtttten. 

Hochöfen. 

Pud. 

1867 

— 

— 

37.003.329 

1868 

«37 

— 

43,048,318 

1869 

155 

241 

43,701,469 

1870 

164 

24s 

48,464,114 

1871 

'53 

244 

48,329,281 

1872 

150 

242 

52,176,174 

1873 

155 

24s 

51.533,242 

1874 

157 

247 

5 1,649,066 

1875 

156 

250 

55,774.227 

1876 

151 

254 

59,306,028 

a)  Gnsseisenproduktion. 

In  Blöcken 

In  verschiedener  Form       Im  Ganzen 

Jahr. 

Pud. 

Pnd. 

Pnd. 

1867 

14,642,724 

2,910,169 

17.552,893 

1868 

16,600,101 

3,187,644 

19,727,745 

1869 

16,943.956 

3,159,908 

20,103,864 

1870 

i8,S574»2 

3,401,914 

21,959,326 

1871 

18,834,383 

3,099,606 

21,932,989 

1872 

21,046,677 

3,328,956 

24,374,956 

1873 

19,970,066 

3494,241 

23,464,307 

1874 

19,855.709 

3,357.063 

23,212,772 

1875 

22,571,539 

3,489,784 

26,061,323 

1876 

23,302,057 

3,654,793 

26,956,850 

Von  dem  im  Jahre  1876  produzirten  Quantum  Gusseisen  sind 
25,935,453  Pud  mit  Holzkohle  und  1,021,397  Pud  mit  mineralischem 
Brennstoff  hergestellt. 

Die  Gusseisenproduktio'n  während  der  letzten  fünf  Jahre  in  den  ver- 
schiedenen Gegenden  ist  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich.  Es  lieferten : 


Die  Htttten  der  Krone  .  .  . 
9  »  in  Polen  •  .  . 
»        •       d.  Kais.Kabinet8 

»       ^      vonPrivatindust. : 
im  Ural      ..•..•• 
in  Central-Russland      •    . 

im  Kaukasus 

»  Westen  und  Süden     . 
in  Sibirien     •••••• 

>  Polen 

im  Gouvernement  Olonez. 
in  Fiiihuid 


1872 
Pud. 


1873 
Pud. 


1874 
Pud. 


1875 

Pud. 


1876 

Pud. 


21396,328 
284,565 

91*839 

14,893487 
3,503»945 

513,789 
150.812 

1,402.240 
M27,9S« 


8,311,819 

294,877 
81,682 


2,233,309  2,467,669 

261,887   3*7,247 

73,825   107,123 


12,378,597  12,859,644  15,390,378 


31674,645 

631,596 
232,173 

«,630,554 
1,428,374 


3,5H,779  3632,854 
171503' 


940.141 

160,380 

1,608,326 

5  574 
1,417.384 


942.401 

396,496 
1,610.352 

1,190,963 


2,941,694 
368,637 

101,988 

16,100,229 
3.368,247 

1,161,874 
249,107 

1492,113 
42,981 

1,498,569 


26 


Geographisch  vertheilt  sich  die  Gusseisenproduktion  1876  auf  die 
verschiedenen  Gouvernements  folgendermaassen : 

Anzahl  der  Gosseisenprodnktion 

Hütten.  Hochöfen.  in  Päd. 

Perm 43  71  13,939453 

Ufa 8  13  2,467,927 

Radom 20  28  1,375,203 

Kaluga 14  18  it3i7>oio 

Wjatka 6  12  1,313,249 

Nishnij-Nowgorod  .     .      6  10  1,234,065 

Jekaterinoslaw    .     .    .      i  2  1,021,397 

Orenburg .....       3  6  704,920 

Kuopio 6  7  609,966 

Piotrkow 8  10  341,600 

Abo 3  3  3<^>777 

St  Michel 3  4  249»39o 

Tambow 2  j  238,024 

Rjasan 3  3  208,727 

Nyland 4  4  207,258 

Wladimir 2  3  184,760 

Kjelze  ......      3  4  I73>920 

Olonez 3  3  167,265 

Irkutsk I  2  161,110 

Tula I  -  I  122,935 

Uleaborg 2  2  112,797 

Wiborg 2  2  91.892 

Jenisseisk i  i  87,997 

Wilna 2  2  84,777 

Transbaikalien  .     .    .      i  i  71  >  100 

Orel I  I  62,726 

Wolhynien     ....       3  3  56,000 

Tomsk I  I  30,888 

Wologda 2  2  12,131 

P)  Produktion  von  Schmiedeeisen  nnd  Stahl. 

Eism  in  Barren 

nnd  Stangen  etc.     Alle  Arten  Bleche      Summe  des  Eisens 

Jahr.                      Pnd«  Pud.  Pud. 

1867                     —  —                     11,457,645 

1868     10,513,860  3.«73i009     13.650,869 


27 


Biten  in  Barren 

• 

nnd  Stangen 

etc.      Alle  Arten  Bleche      Snnune  des  Eisens 

Jahr. 

Pud. 

Pud. 

Pud 

• 

1869 

11,241,170 

3,204,941 

14,446, 

411 

1870 

".97MS9 

3,246,449 

15,217,908 

187I 

12420,096 

3,086.317 

15,506, 

413 

1872 

13,043,881 

3.324.595 

16,368,476 

1873 

12,026,281 

3.559.106 

15.585,387 

1874 

H.301,375 

3.673,745 

17,97s. 

120 

1875 

14,842,45 

I 

3,705,208 

18,547,659 

1876 

13.853.076 

4,016,229 

«7.869,305 

Schmiede-  und  GossttaU 

« 

Jahr. 

Pud. 

Anzahl  der  Stahlöfen 

867 

• 

382,554 

— 

868 

568,885 

707 

869 

439,970 

405 

870 

536,086 

495 

871 

442,241        • 

372 

872 

511,727 

813 

873 

546,033 

472 

874 

469,718 

711 

* 

87s 

789,253 

828 

876 

1,093.757 

Anzahl  der 

681 

Eisen-  nnd    ^ 
StaM&briken.     : 

0  e  1 

'  e  n 

Jahr. 

Pnddel- 

Raflinir- 

Schmiele.  Kat 

aloniscl 

1868 

209 

434 

597 

876 

34 

1869 

202 

370 

568 

904 



1870 

214 

425 

669 

924 



1871 

214 

401 

644 

895 



1872 

207 

475 

737 

833 

— 

«873 

203 

522 

710 

840 

14 

1874 

207 

524 

731 

913 

13 

1875 

216 

531 

754 

846 

12 

1876 

207 

504 

760 

861 

14 

Die  Eisen-  und  Stahlproduktion  der  Jahre  1872 — 1876  in  den 
verschiedenen  Bergwerksdistrikten  ist  aus  folgender  Tabelle  er« 
sichtlich.  Es  lieferten  Gusseisen: 


28 


Die  Hütten  der  Krone  .  .  . 
»  »  in  Polen ... 
»        •      d.  Kais.  Kabinets 

•        •      von  Pritatindttst : 

im  Ural 

in  Central-Russland  .    .   . 

im  Kaukasus 

in  Sibirien 

»  Sttd-Russland   .... 

9  Polen.   •       

>  den  übrigen  Bezirken 

•  Finland 

Die  5/^zMabrilcation 


In  den  Etablissements : 
des  Staats  .  .  . 
desKaiserl.  Kabinets 

der  Privatindustriellen : 

im  Ural     . 

in  Sibirien 

in  den  übrig.Bezirken 

in  Finland 


•     . 


•     •     • 


187a 

Pud. 

7«3»3«6 
85,672 
29.120 

9,287,606 

1,835689 

862 

130,41a 

818,364 

a»7oa,755l 
754,67oj 

betrug  in 
1872 

Pud. 


158,239 
1,007 

93.784 
1,560 

257,137 


1873 
Pud. 


668,890 
99,776 
23484 

8,993601 
1,870.506 

14^724 
162^667 

949»975 
1,986.468 


1874 

Pud. 

688,773 
70.640 

39,363 

9,784,083 
i,5i9<56o 

131.416 

705.778 

1,042,090 

3»349,i88 


1875 
Pud. 


778,406 

94,751. 
35179 


1876 
Pud. 


829,159 

89.543 
45,420 


10,403,945  «0,036,993 
1,596,196  1.764,503 


149,069  189,119 

998,600  1,246921 

«,097,033'  994085 

2,482,210  1,858,937 


688,266!     938,5361     912,270     814.631 
derselben  Zeit: 


1873 

Pud. 


1874 
Pud. 


1875 
Pud. 


1876 

Pud. 


.      . 


Die  jEirx^fabrikation  vertheilt 
maassen: 


180,081   175,516  236,116    67,791 
906         911  756       1,001 

63,275     63,401   104,095  278,459 

329         908         478         348 

301,442  286,042  447,808  700,838 

—  —  —  2,943 

sich  geographisch   1876  folgender- 


GouTcmements. 


Anzahl  Produzirtes 
der     Scbmiede- 
HüUen.  eisen  in  Pud. 


Perm 

Jekaterinoslaw .     . 
Wjatka  .     .     .     . 

Ufa 

Nishnij-Nowgorod 
St.  Petersburg . 
Radom    . 
Orel  .     . 
Orenburg 
Rjasan    . 
Kaluga   . 
Kuppio   . 


76  7,937*544 

I  1,127,010 

10  1,029,375 

9  984,097 

8  908,809 

4  898,817 

17  731,294 

I  698,614 

4  541,270 

I  367,854 

3  347,386 

4  263,699 


Anzahl  Produzirtes 

Gouvernements. 

der 

Schmiede- 

K 

[ütten. 

eisen  in  Pnd. 

Abo   ..... 

7 

231,716 

Ljublin    .... 

3 

202,504 

Nyland   .... 

.    8 

193.056 

Wladimir    .     .     . 

2 

174.943 

Don 

I 

119,911 

Irkutsk    .     .     . 

.     I 

97,583 

Kjelze     .    .    • 

.  10 

95.897 

Jenisseisk     .    .     . 

I 

9».536 

Uleaborg    .    .     . 

I 

70,816 

Wolhjnaien .    .    . 

>     I 

65,150 

Tambow     .    •    . 

.    2 

64,763 

Piotrkow     .    .    . 

13 

5  ».437 

29 


Anzahl  Produzirtes- 

Anzahl  Produzirtes 

Gouvernements. 

der 

Scbmiede- 

Gouvernements 

der 

Schmiede- 

Hütten. 

eiseninPud. 

Hütten. 

eisen  in  Pud. 

Nowgorod  .     . 

I 

50,968 

Wologda     .    . 

•     3 

"»394 

Wilna.     .     .     . 

I 

46,136 

Tomsk    .     .     . 

I 

11,320 

Transbaikalien . 

I 

34,100 

St.  Michel   .     . 

I 

9.328 

Tawastehus.     . 

•    3 

29,693 

Plozk.     .     .    . 

I 

2,500 

Wasa.     .     .     . 

•     3 

16,313 

Olonez   .     .     . 

I 

1,115 

Die  5/itf^produktion  vertheilte  sich  im  selben  Jahre  folgender- 
maassen: 


Gouvernements. 

SL  Petersburg    .     .     . 

Perm 

Nishnij-Nowgorod   .     . 

Ufa        

Orenburg 

Wjatka 

Kuopio 

Nyland 

Transbaikalien     .     .     . 
Irkutsk 


Anzahl  der    Produzirter  Stahl 
Hütten.  Pud. 


2 

534,522 

7 

220,009 

3 

166,316 

6 

99i55i 

I 

26,669 

I 

2,021 

2 

1,643 

I 

■ 

1,300 

I 

1,001 

I 

348 

7)  Produktion    von    Fabrikaten    aus    Schmiedeeisen,    Gusseisen    und 

Kupfer  etc. 

Die  russischen  Hütten  produziren  eine  grosse  Anzahl  von  gussei- 
sernen, schmiedeeisernen  und  kupfernen  Fabrikaten.  Man  fabrizirt 
Waffen,  baut  Maschinen  und  eiserne  Schiffe;  die  Einzelheiten  dieser 
Produktion  sind  jedoch  für  die  eigentliche  Statistik  der  Montanindu« 
strie  von  keinem  grossen  Interesse,  weil  900  Etablissements,  die 
auch  Eisen  und  Gusseisen  verarbeiten,  nicht  in^s  Bergdepartement 
ressortiren.  Es  ist  ferner  zu  bemerken,  dass  in  Russland  nicht  nur 
die  Hütten  und  Fabriken  Metallarbeiten  verfertigen,  sondern  dass, 
während  des  Winters,  in  einzelnen  Gegenden  die  Bauern  ganzer  Di- 
strikte sich  ausschliesslich  mit  solchen  Arbeiten  beschäftigen.  Auch 
repräsentiren  die  beifolgenden  Ziffern  nur  einen  kleinen  Theil  der 
Metallarbeiten  in  Russland.  Man  produzirte  in  den  Hütten : 


30 


4 

^zahl       Anzahl 

Verarbeitetes  Gass-  und  Schmiedeeisen 

J»'«'-     H« 

der             der 

in  Herdfrisch- 

in  Flamm- 

im 

erdfrisdi-  Flamm- 

öfen 

frischöfen 

Ganzen 

öfen,      frischöfen. 

Pud. 

Pud. 

Pud.« 

1867 

—            — 

1,161,252 

482,125 

i|643,377 

1868 

156            82 

1,220,378 

534,814 

1,755,192 

1869 

152          93 

1,454,009 

3171I35 

1,762,164 

1870 

161          82 

».343,891 

388,454 

1,964.742 

1871 

151          83 

1,324,944 

476,225 

i,933»099 

1872 

}79         84 

1.490,012 

457,289 

2,036,300 

1873 

191          88 

1,517.257 

471,867 

2,451,060 

1874 

181          97 

1,590,303 

570,162 

2,626,061 

1875 

259          97 

»,777.358 

529,001 

2,774,174 

1876 

184          95 

».964,357 

710,366 

2,986,410 

Jahr. 

Eifensachen. 

Kupfer«  und 

Sensen. 

T/)komotiven  und 

» 

Stahlsachen. 

eiserne  Schiffe. 

Pud. 

Pud. 

Stück. 

Pttd. 

1867 

414.579 

11,276 

32,550 

— 

1868 

461,086 

31,672 

30,500 

22,625 

1869 

691,716 

24,926 

41,090 

23.3»7 

1870 

958,634 

53.885 

33,440 

18,160 

187I 

852,779. 

36,813 

33,750 

11,464 

1872 

1,150,522 

39,027 

28,400 

15,602 

1873 

949,427 

10,883 

34,035 

»»,8x3 

1874 

756,188 

8,426 

20,000 

13,008 

1875 

1,603,167 

49,078 

20,000 

3,760 

1876 

1,986,250 

»4,174 

30,000 

20,783 

Kanonen  ans 

Stahl 

Gnsseisen     ArtUlerie-Manition  Kalte  Waffen 

Jahr. 

Pttd. 

Pud. 

Pud. 

Pnd. 

1867 

5,626 

67,076 

260,521 

8,419 

1868 

6,115 

72,627 

408,006 

»7.749 

1869 

20,527 

54,704 

430,243 

28,597 

1870 

32,889 

40,527 

442,026 

39467 

1871 

46.175 

5  »485 

405,831 

40,708 

1872 

19.274 

62,376 

391,489 

43,904 

1873 

15,685 

»9.325 

541,342 

22,127 

«  Die  Differenz  zwischen  den  einzelnen  Summen  und  der  Totalsumme  rührt  daher, 
weil  in  der  Totalsnmme  auch  das  verarbeitete  Gusseisen  angenommen  worden  ist,  von 
dem  man  nicht  weiss  in  welchen  Oefen  es  fiibrizirt  wurde. 


3» 


Jahr. 

1874 
1875 
1876 


Kanonen  ans 
Stahl  Guaaeiaen     Artaierie-Munition  Kalte  Waffen 

Pud.  Pud.  Pud.  Pud.' 


18.653 

78,38s 
11,319 


35.285 

65.525 
44358 


517,852 

595.329 
635426 


29.727 
22,198 
44,023 


Was  die  Produktion  von  Metallsachen  in  den  Hütten  anbetrifft, 
die  nicht  zur  Bergverwaltung  gehören,  so  sammelt  darüber  das  Han- 
dels- und  Manufaktur-Departement  des  Finanzministeriums  die  Da- 
ten. Dieselben  sind  von  den  statistischen  Provinzialkomite's  zu- 
sammengestellti  aber  leider  nicht  genau  und  bei  weitem  nicht  voll- 
ständig. Ausserdem  werden  sie  selten  veröffentlicht.  Wir  lassen  die- 
jenigen von  1875  folgen: 


Fabriken  nnd  Hüttenwerke. 


Anzahl 
derselben. 


Giessereien 122 

Eisenhütten     .......  269 

Maschinenwerkstätten  * .     «     .     .  1 30 
Fabriken  von  Instrumenten,  Waf- 
fen, Federn  und  Schlössern     .  144 
Kupfer-  und  Bronzehütten.     .     .  141 

Glockengiessereien 28 

Drahtziehereien  und  Fabriken  von 

kleinen  Metallarbeiten    .    .    .  18 
Fabriken     für    Schmucksachen, 

Goldarbeiten  und  Plattiren  .     .  27 
Spinnereien  und  Walzwerke  für 

Goldsachen 52 

Total .    .  93 1 


Sonune 

der  Produktion 

Pud. 

3.126,576 

2,042415 

28,127,893 

5.589»853 
5,068,886 

853*051 


Anzahl 
der  Arbeiter, 

6,285 

«»957 
29,339 

1 1,406 

4,98  s 
384 


1445,889  1,062 

1,687,864  1,273 

i.3;8,974  1,175 


49,321,401 


57,866 


Jahr. 
1867 
1868 


i)  Mineralische  Brennstoffe. 


Anzahl  der  Graben. 


Totalprodnlction 
Pud. 

26,596,215 
27,532,141 


*  Za  dieier  Kategorie  gehören  augenscheinlich  die  Tenchiedenen  Reparaturwerk- 
•litten,  die  Schifiswerflen  u.  s.  w. 


32 


/ 

Totalprodaktion 

Jahr. 

Anzahl  der  Graben. 

Pud. 

1869 

248 

36,736,148 

1870 

193 

42,230,589 

187I 

327 

50,654,552 

1872 

348 

67,022,742 

1873 

332 

71,486,328 

1874 

303 

78,813,137 

1875 

504 

104,348,067 

1876 

640 

111,272,448 

Die  Produktion  der  verschiedenen  Arten  des  Brennstoffs  ist  aus 
folgender  Tabelle  ersichtlich : 


Braunkohle  und  bitumi< 

SietnkoUe 

Anthrazit 

nöser  Schiefer 

Jahr. 

Päd. 

Pud. 

Pud. 

1867 

19,613,026 

6,903,189 

80,000 

1868 

21,925.657 

5.455,141 

150,141 

1869 

24,871,106 

11,064,248 

800,794 

1870 

28,661,490 

13.017,371 

551728 

187I 

35,009,156 

14,190,455 

1,454,941 

1872 

45,076,324 

20,262,302 

1,684,116 

1873 

44.537,625 

24.704.675 

2,244,028 

1874 

52,419,779 

23,714,063 

2,679,295 

1875 

76,551.713 

25.728,732 

2,067,622 

1876 

76,210,736 

33,274,467 

1,787,245 

Die  Produktion  der  verschiedenen  Bassins  während  der  Jahre 
1872 — 1876  ergibt  sich  aus  folgender  Tabelle: 


Kohlenbassins. 


187a 
Pud. 


1873 
Pud. 


1874 
Pud. 


187s 
Pud. 


1876 
Pud. 


Centnü-Russland  .... 
Kijew-Jelissawetgrad    . 

Donez 

Ural 

Königreich  Polen      .    .    . 

Kaukasus 

Kusnesk 

Kirgisensteppen    .... 

Sachalin 

Tnrkestan 


9»047,596 

9.200000 

910.436 

1,600,000 

36,907.289 

37767.855 

683,043 

972,627 

17,288,920 

»0495-432 

191,080 

215,978 

280,160 

315,752 

614.730 

496.404 

102.090 

118,570 

97400 

403f7«o 

14,819.213 

1.365,251 

34,989,154 

1,223,827 

24,550.783 

223,000 

355192 

671.963 
181,010 

415.700 


23,658,606 
1.093,110 

50.861,414 
1,278,892 

24*903^09 

377,145 
J56.450 

832.464 

95,898 

4i5|000 


20677,346 

1453.478 
58,422,953 

1*075,567 
27.668,407 

333000 
294.976 
872,623 
122,166 
3481932 


33 


Die  Produktion  der  verschiedenen  Sorten  zeigen  folgende  Ta- 
bellen: 

Steinkohle. 


1872 

1873 

1874 

1875 

1876 

Jd  a  s  s  1  n  s* 

Pud. 

Pud. 

Pud. 

Pud. 

Pud. 

Central-Russland  .    . 
Donez   ..... 

Ural 

Königreich  Polen .    . 
Kaukasus  .... 

Kuznezk 

Kirgisensteppen    .    . 
Sachalin    .    . 
Turkestan ..... 

9,047.596 
16.644,987 

683,043 
16,566,320 

140,000 

280,160 

614,730 

102,090 

97,400 

9.200,000 

12,963,180 

972,627 

19,892.382 

175,000 

3*5.752 

496,404 
118,570 

403.710 

14,819,213  23,658,606  20  677,346 

11.275,091  25,708,031  25,148486 

1,223,827    1.278,892    1,075,567 

23.302.783  23  985.587  27.387,640 

175.000      34378$      333,000 

355,192       256,450      294,976 

671,963      832.464      872,623 

181,010        95,898       122,166 

415,700      392,000      298,932 

Anthrazit 

Donez       |20,262,302|24.704  675|23,7 14,063125,728,732133,174,467 

Braunkohle  und  bituminöser  Schiefer. 


Kjiew-Elissawetgrad 
Königreich  Polen  .    . 

Kaukasus 

Turkestan 


910.436 

722.600 
51,080 

1,600,000 
603,050 

40,978 

"~* 

^■~ 

«•365,2511  1,093  "o  1,453-478 

1,248.000,  918,152  280,767 

8.000  33-360'  ? 

58,044  23,000'  50,000 


Geographisch   vertheilt   sich  die  Gesammtproduktion   im  Jahre 
1 876  folgendermaassen : 


Gouvernements  und  Gebiete.        Pud . 


Don     .     .  . 

Piotrkow  .  . 
Jekaterinoslaw 

Tula    .     •  . 

Rjasan.     .  . 

Kijew  .     .  . 

Perm    .     .  . 
Akmalinsk 


41,964,529 
27,668,407 
16,458,424 
13,224,846 
7,452,500 

1,453,478 

1,075,567 
872,623 


Gouvernements  und  Gebiete. 

Kuldsha  . 
Tomsk.  . 
Kuban .  . 
Küstengebiet 
Kutaiss  . 
Syr-Darja . 
Estland     . 


Pud. 

298,932 

294,976 

281,000 

122,166 

52,000 

50,000 

3,000 


Jahr. 

1867 
1868 
1869 

1870. 
Bnas.  B6TM  Bd  XIII. 


k)  Petroleum. 

Anzahl  der  Brunnen. 


771 


Gewonnenes  Petroleum. 
Pud. 

998,905 

i.;53.984 
1,685,229 

1,704.455 


u 


Ucwontwncs  Pctrolmm 

Jahr. 

Anzahl  der  Bruniien. 

Pud. 

187 1 

697 

1.375.523 

1872 

733 

1.535.98» 

1873 

636 

4,176,885 

1874 

567 

5,208,710 

187s 

1032  255 

8,174,440 

1876 

—     — 

> 

• 

Geographisch  vertheilte  sich  diese  Produktion  im  Jahre  1875  fol- 
gendermaassen: 

GouTemements  and  Gebiete.  Päd. 

Baku 6,265,728 

Transkaspien 1,400,000 

Tiflis 131,847 

Kuban 228,488 

Terek-Gebiet 21,160 

Taurien  •    •    .    .    ,    •    •    .    .  20,000 


Daghestan  .    .    . 

6,217 

EetroleutndesHUatüm. 

Gewinnung. 

Jahr. 

Anzahl  der 

Minenlfil. 

Verschiedene  Produkte. 

Fabriken. 

Pnd. 

Pud. 

1872 

62 

518,546 

5.076 

1873 

99 

1,254,441 

4».IOO 

1874 

HO 

1,460,596 

56,487 

1875 

106 

2,227,704 

41.769 

1876 

— 

? 

> 

• 

1877  hat  die  Produktion  von  Petroleum  und  Mineralöl  zugenom- 
men und  hat  das  erstere  die  Summe  von  1 2  Millionen  Pud  und  das 
zweite  die  von  4  Millionen  Pud  im  Gouvernement  Baku  erreicht. 

l)  Salzproduktion. 


Gewonnenes  Salz. 

Gewonnenes  Salz. 

Jahr. 

Pud. 

Jahr. 

Pud. 

1867 

44,228,075 

1872 

39,7«  2,3  II 

1868 

36,798,253 

1873 

50.398,710 

1869 

39,876,926 

1874 

46,947,518 

1870 

36,114,580 

1875 

37.991.399 

1871 

28,254,530 

'     1876 

42,508,217« 

*  FOr  Tranikankaiten  fehlen  die  Daten, 


3$ 


Die  Gewinnung    der  verschiedenen   Sorten    ist    aus    folgender 
Tabelle  ersichtlich. 


•  •  • 


Steinsalz    . 

Salz  durch  Verdunstung  ge 

Wonnen 

Salz  aus  den  Salzseen  .    .    , 


1872 
Pud. 


1873 
Pud. 


1874 
Pud. 


187s 
Pud. 


1876 
Pud. 


4.647,926 

",979,711 
23,084,864 


3,036,686 
",546.053 


3,334199 
13,481,706 


4,006,388 
14,489,582 


»3,424,257 


35'8i5,97i|30,i58,6i3J  19,495  429 
Geographisch  vertheilte  sich  die  Salzgewinnung  1876  folgender- 


maassen: 


Steinsalz. 


Pud. 


Astrachan     .     .     .       1,520,450 

Ural 1,017,156 

Eriwan  (1875)    .     .  972,830 


Salz  durch  Verdunstung  gewonnen. 

Pud. 

Perm    .     .     . 
Wologda .     . 


Irkutsk.  .  • 
Charkow  .  . 
Jekaterinoslaw 
Jenisseisk  .  . 
Archangelsk . 
Warschau.  . 
Transbaikal  ien 


11,978,522 
386,452 

355,897 

324,59s 
182,482 

75,140 
66,03 1 
40,000 


Aus  den  Salzseen. 

Pud. 
12,007,328 


Taurien  .  .  . 
Astrachan  .  . 
Don  .... 
Kirgisensteppe  . 
Chersson  .  .  . 
Tobolsk  .  .  . 
Tomsk.  .  .  . 
Uralsk.  .  .  . 
Baku  (187s)  .  . 
Stawropol  .  . 
Daghes'tan  (1875) 
Kuban.  .  .  . 
Jenisseisk .  .  . 
Jakütsk  .  .  . 
Transbaikalien  . 


10,311,214 

1,138,161 

839,881 

734,163 

419,886 

345,969 
342,000 

323,000 

267,475 

100,000 

72,687 

58,702 

8,000 

888 


151I38 

*In  der  neuesten  Zeit  hat  man  durch  Behrungen  enorme  Lager 
Steinsalz  in  den  Gouvernements  Charkow  und  Jekaterinoslaw  ent- 
deckt. 

m)  Chromeisenstein. 

(lewonnener  Chromeisenstein. 


Jahr. 

Anzahl  der  Gruben 

Päd. 

1867 

2 

86,877 

1868 

5 

41,084 

1869 

2 

66,831 

1870 

9 

600,024 

1871 

6 

450.973 

3* 


3<ä 


Gewonnener  ChromeUenttein. 

Jahr. 

Anzahl  der  Gruben. 

fnd. 

1872 

7 

372,549 

1873 

,    9 

391,809 

1874 

•    6 

316,561 

1875 

8 

209,848 

1876 

4 

58.167 

Gewonnen  wfrd  der  Chromeisenstein  in  den  Gouvernements  Perm, 
Orenburg  und  Ufa. 

nj  Graphit. 


Jahr. 

Anzahl  der  Graben. 

:pud. 

1867 
1868 

I 
2 

4,ooo 
5,i68 

1873 

1874 
1875 

1876 

I 
I 

4 
3 

2,000 

4,178 

18,500 

7.100 

rinnt  den 

Graphit  bei  Ssemipalatinsk  und  Perm. 

öj  Schwefel. 

Jahr. 

Anzahl  der  Gruben. 

Erhaltene  rohe  Masse 
Pud. 

1872 

1873 
1874 

1875 

1876 

I 
I 
I 
I 
I 

70,400 

675,020 
> 

• 

Jahr. 

Anzahl  der  Schmelzwerke. 

Mäste  des  Schwefel*. 
Pud. 

1873 
1874 
1875 
1876 

I 
I 

I 
I 

3,439 
20,660 

31.100 

18,379 

Man  gewinnt  den  Schwefel  im  Gouvernement  Kjelze  und  ausser 
.  dem  in  neuester  Zeit  im  Daghestan. 


37 


lo.   Anzahl  der  Arbeiter  und  der  Unglücksfälle  in    den 
Bergwerken,  Hütten  und  Goldwäschereien. 

Aneahl  der  Arbeiter. 

Jahr.        In  den  Bergwerken  und  Hatten.  In  den  Gold  wäschereien. 

1867  172,815'  38.274* 

1868  153,280  56,261 

1869  147*348  63482 

1870  1541I97  69,186 

187 1  157,028  67,854 

1872  173.Ö08  70.358 

1873  177425  66,634 

1874  181,841  62,528 

1875  194,636  73,354 

1876  219,591  Gs,\6^ 

Die  folgende  Tabelle  zeigt  die  21ahl  der  Arbeiter  in  den  Bergwer- 
ken, Hütten  und  Goldwäschereien  pro  1876;  für  die  Salzarbeiter  feh- 
len diese  Angaben.  Femer  gibt  die  Tabelle  die  Zahl  der  durch  Un- 
glücksfälle Verwundeten  und  Getödteten  im  selben  Jahre  an : 


I 


A)  In  'den  Berg-  und  Hüttenwerken 

Anzahl  der  Arbeiter.  Verwundete.   Getödtete. 
Im  Ural: 

des  Staats 23,783  2  35 

der  Privatindustriellen    .            109,790  27  57 

133,573  29  92 

In  Central- Russland  .    .    .              36,325  12  127 
In  Süd-  und  West-Russland : 

des  Staats 689  —  — 

der  Privatindustriellen    .              17,286  41  9 

17,97s  41  9 
In  Polen: 

des  Staats 2,502  i  4 

der  Privatindustriellen    •              10,602  14  3 

131IO4  15  7 

In  Finland i>924  ?  ? 

Im  Gouvernement  Olonez: 

des  Staats if097  —  3 


38 

Anzahl  der  Arbeiter.  Verwundete.   Getödtetc 

In  St.  Petersburg: 

des  Staats 1,768  1 

der  Privatindustriellen    .  3f378  j 

SM6  3  13 

In  Sibirien: 

des  Kaiserl.  Kabinets.     .  4^521  —  — 

der  Privatindustriellcn    •  i»9J3  ?  ^ 

6,434  —  — 

Im  Kaukasus: 

des  Staats 295  —  —        . 

der  Privatindustriellen    .  2,881  2  — 

In  den  Kirgisensteppen  und 

Turkestan 977  9  — 

Total  220,091  III  251 

B)  In  den  Goldwäscher cun. 

Im  Ural: 

des  Staats 3,248  ) 

der  Privatindustriellen    .  24,814  j 

28,062  18  I 

In  West-Sibirien: 

des  Kaiserl.  Kabinets.    .  2,238  —  — 

der  Privatindustriellen    .  29,246  20  — 

31,484  20  — 

In  Ost-Sibirien 6,581  4  — 

In  Finland 40  —  — 

Total    66,167  42  I 

Somit  belief  sich  die  Gesammtsumme  der  Arbeiter  im  Jahre  1876 
auf  285,758.  Die  im  Jahre  1876  konstatirte  Anzahl  von  Unglücks- 
fällen in  den  Gruben  und  Hütten  betrug  410.  Es  folgt  daraus,  dass 
auf  1000  Arbeiter  1^5  verui^lückt  sind. 

Die  Ursachen  der  konstatirten  Unglücksfölle  im  Jahr  1 876  klassi- 
fizirt  sich  folgendüitnaassen: 


39 


In  den  Bergweriieii«   In  den  Htttten. 


Explosionen  und  Brandschäden   .    .  1 1  33 

Erstickt  und  ertrunken 15  5 

Durch  Hinunterfallen 36  i 

Einsturz 51  — 

Kontusionen  und  Verwundungen .     .  25  169 

Brüche 3  36 

Verschiedene  Ursachen 10  2 

Es  fehlen  indessen  einige  Daten  in  den  obigen  Angaben«  Wenn 
man  diese,  theilweise  unvermeidlichen,  Lücken  auszufüllen  versuchte, 
würde  man  approximativ  die  Zahl  aller  Berg-  und  Hüttenarbeiter  in 
Russland  auf  270,000,  und  inklusive  der  in  den  Salinen  beschäftig- 
ten iUf  mehr  als  300,000  beziffern  können.  Rechnet  man  ferner  auf 
jeden  Arbeiter  eine  Familie  von  5  Personen,  so  würde  sich  daraus 
folgern  lassen,  dass  ungefähr  i  Va  Millionen  Einwohner  oder  1,8  pCt. 
der  ganzen  Bevölkerung  Russlands  sich  mit  der  Montanindustrie  be- 
schäftigen. 

Die  Daten  über  die  Zahl  der  Unglücksfalle  in  der  Montanindustrie 
sind  zum  ersten  Mal  1874  gesammelt  worden;  sie  sind  noch  unvoll- 
ständig und  gestatten  noch  keine  Schlüsse.  Um  diesen  Mangel  abzu- 
helfen, sind  die  beaufsichtigenden  Ingenieure  und  Inspektore  mit 
amtlichen  Anweisungen  und  Vorschriften  versehen  worden,  welche 
für  die  Folge  sowohl  genauere  und  vollständigere  Angaben  als  auch 
eine  richtigere  Klassifizirung  der  Unglücksfälle  erwarten  lassen. 


II.  Anzahl  der  mechanischen  Motoren  und  ihrer  Kräfte  in 

den  Berg-  und  Hüttenwerken. 

Es  besitzen  die  Dampfmaschinen  und  hydraulischen  Motoren  in 
Russland  eine  Kraft  von 

Jahr.  PferdekrUte. 

1871  54,373 

1872  53,392 

1873  54,132 

1874  59,649 
187s                                    6?,I7Q 


40 


1876  waren  auf  den  Berg-  und  Hüttenwerken  thätig: 

Dampfmaschinen 

Hydraulische  Motoren 

Anzahl. 

Pferdekräfte. 

Anzahl. 

Pferdekräfte. 

Im  Ural    ..... 

In  Central-Russland     . 

165 

5,806 

142 

2,450 

In  Süd-  und  West-Russ- 

land  

163 

5.655 

I 

25 

In  Polen 

108 

3.504 

123 

1,078 

Bei  Olonez    .... 

8 

216 

16 

383 

In  Finland 

71  - 

Bio 

199 

1,049 

In  Sibirien 

15 

227 

57 

576 

In  den  Kirgisensteppen 

und  in  Turkestan     . 

10 

162 

— 



Im  Kaukasus.     •     .     . 

9 

134 

18 

91 

In  St.  Petersburg    .     . 

85 

2,964 

3 

170 

Total    913  27,561 

Die  Totalsumme  der  Pferdekräfte  65,717. 


2,050 


38,156 


Zur  Literatur  über  Bussisch-Tarkestan. 

Von 

Alexander  Petzholdt 

(Fortsetzung). 


m. 


Wir  begleiten  jetzt  Hrn.  Schuyler  auf  seiner  weiteren  Reise  im 
russischen  Turkestan.  Er  verlässt  Taschkend  und  geht  nach  Samar- 
kand,  von  da  über  Dschisak  und  Uratübä  nach  Chodschend,  und 
kommt  durch  den  Kurama-Kreis  wieder  nach  Taschkend  zurück. 
Der  Beschreibung  dieses  Theiles  der  Reise  ist  das  sechste,  siebente 
und  achte  Kapitel  (S.  225 — 335)  gewidmet,  womit  der  erste  Band 
des  Schuyler'schen  Buches,  wenn  man  von  den  weiter  oben  erwähn- 
ten  drei  Anhängen  (S.  337 — 411)  absieht',  seinen  Abschluss  erhäjt. 


*  Veigl.  «Russ.  Revue»  Bd.  Xn  S.  433  u.  ff. 
'  Vergl.  «Russ.  Revuen  Bd.  XII  S.  438. 


41 

Der  Weg  (die  damalige  Poststrasse)  von  Taschkend  nach  Samar- 
kand  führt  den  Reisenden  über  Tschinas  am  Syr-Darja  durch  die 
«Hungersteppe»,  uiid  weiter  über  Dschisak  und  durch' den  tief  einge- 
schnittenen,  «Dschilan-uti»  genannten,  Felsenengpass  in  das  Thal  des 
Serafschan-Flusses,  nach  dessen  Durchfuhrtung  Samarkand  alsbald 
erreicht  wird. 

In  Bezug  auf  Tschinas,  wo  die  Ueberfahrt  über  den  Syr-Darja 

# 

stattfindet,  bemerkt  Hr.  Schuyler,  dass  dieser  neugegründete  Ort 
(und  Festung)  bis  jetzt  nur  eine  Ansiedelung  von  Kosaken  geblie- 
ben sei,  während  man  doch  bei  seiner  Gründung  die  Erwartung 
hegte,  er  werde  ein,  für  den  Handel  wichtiger  Stapelplatz  werden ; 
dass  Schiffe  der  Aral-Flotille  sehr  unregelmässig  hierher  kommen, 
und  dass  durch  die  Schwierigkeit  in  der  Beschiffung  des  Syr  auch 
Privatgesellschaften  der  Muth  benommen  wurde,  Tschinas  als  Sta- 
pelplatz zu  benutzen.  Die  Ueberfahrt  über  den  FIuss  mittelst 
Prahms,  die  ich  meinerseits  sehr  gut  organisirt  und,  trotz  der  Mäch- 
tigkeit des  Stromes,  schnell  und  präzis  von  Statten  gehen  sah,  hat 
nicht  Hrn.  Schuyler's  Beifall;  es  bedurfte  dieselbe  bei  der  Unge- 
wandtheit  der  kirgisischen  Bootsleute  mehr  als  eine  Stunde  Zeit. 

Die  «Hungersteppe»  fand  der  Reisende,  da  es  erst  Maimonat  war, 
noch  grün,  so  dass  ihm  der  traurige  Anblick,  den  dieser  Landstrich 
bei  vorgerückterer  Jahreszeit  darbietet,  für  diesesmal  erspart  blieb. 
Der  Umstand,  dass  man  auf  Spuren  alter  Bewässerungskanäle 
stösst,  woraus  man  hat  abnehmen  wollen,  dass  in  früheren  Zeiten 
diese  Hungersteppe  zu  Kulturzwecken  benutzt  worden  sei,  hat  für 
ihn  nicht  die  gleiche  Beweiskraft,  weil  die,  ebenfalls  schon  in  alter 
Zeit  bewirkte  Anlage  noch  jetzt  bestehender  Cisternen,  um  die  Rei* 
senden  mit  Wasser  zu  versorgen,  damit  gewissermaassen  im  Wider- 
spruch zu  stehen  scheint;  es  würden  ja  diese  Cisternen,  wenn  die 
Strasse  durch  bewohntes  und  von  Kanälen  bewässertes  Land  ge- 
führt hätte,  überflüssig  gewesen  sein.  Dass  das  russische  Gouverne- 
ment den  Beschluss  gefasst  hat,  diese  Steppe  durch  einen  grossen 
Kanal  zu  bewässern  und  später  zu  besiedeln,  und  dass  man  bereits 
angefangen  hat  an  einem  solchen  Kanal  zu  arbeiten,  bleibt  natürlich 
nicht  unerwähnt,  obschon  Hr.  Schuyler  die  Ausführbarkeit  zu  be- 
zweifeln scheint,  denn  es  heisst  auf  Seite  227:  «Man  hat  da  in 
Taschkend  ein  Projekt,  die  Steppe  durch  einen  grossen,  von  dem 
Syr-Darja  oberhalb  Chodschend  abzuleitenden  Kanal  zu  bewässern, 
und  Ingenieure,  welche  die  Oertlichkeit  untersucht  haben,  erklären 
die  Sache  für  ausführbar,  da  der  Syr  ein  Gefäll  von  ungefähr  i 


43 

nicht  lange  dauerte  es,  so  erblickte  unser  Reisende  vor  sich: 
«Lehmdächer,  von  mächtigen  blauen  Kuppeln  und  hoch  in  die  Luft 
aufstrebenden  Thürmen  überragt,  und  wusste,  dass  er  das  berühmte 
Samarkand  erreicht  hatte».  (S.  233.) 

Nun  folgt  zuerst  eine  kurze  Geschichte  Samarkand's  und  eine 
Schilderung  der  Stadt,  wie  sie  sich  noch  zur  Zeit  Baber's  vor  bei- 
nahe 400  Jahren  darstellte,  wo  sich  noch  viel  von  ihrer  früheren 
Grösse  und  Schönheit  erhalten  haben  muss  (S.  236  —  241),  welcher 
Schilderung  sich  die  Erzählung  des  Herganges  bei  der  Eroberung 
der  Stadt  durch  die  Russen  im  Jahre  1866  anschliesst  (S.  241 — 247). 
Mit  besonderer  Ausführlichkeit  wird  dabei  der  Vertheidigung  der 
Festung  von  Samarkand  gegen  die,  zur  Wiedereroberung  unter  Jura 
Bek  von  Schehrisebs  herbeigekommene  feindliche  Armee  gedacht; 
Hr.  Schuyler  bezeichnet  diese  Vertheidigung  nicht  mit  Unrecht  als 
eine  der  glänzendsten  und  glorreichsten  russischen  Waffenthaten  in 
Asien.  —  Von  Seite  247  an  wird  dann  das  heutige  Samarkand  be- 
schrieben. Zuerst  die  Moscheen,  denkwürdige  Gräber  (vor  Allen 
/Timur's  Grab)  und  Medressen,  der  ehemalige  Palast  des  Emir  mit 
dem  berühmten  Kök-tasch,  u.  s.  w.  —  Den  Bazar  findet  Hr.  Schuy- 
ler verhältnissmässig  unbedeutend,  viel  kleiner  als  den  von  Tasch- 
kend  und  Chodschend,  obschon  gross  genug  für  die  30,000  Men- 
schen, welche  die  Bevölkerung  des  heutigen  Samarkand  ausmachen. 
Neben  Hindus  und  Juden  sieht  man  auch  viele  Afghanen,  und  nicht 
selten  begegnet  man  Derwischen,  denen  der  Besuch  der  Stadt  nur 
gestattet  ist,  um  Almosen  zu  erbitten,  während  ihnen  untersagt  ist 
hier,  wie  früher  geschah,  öffentlich  zu  predigen  oder  Gebete  herzu- 
sagen. Es  wurde  Hrn.  Schuyler  von  maassgebender  Seite  mitge- 
theilt,  dass  dieses  Verbot  dadurch  veranlasst  worden  sei,  weil  unbe- 
obachtet vorübergehende  Offiziere  häufig  solche  Predigten  mitan- 
hörten, in  denen  Stellen  vorkamen,  wo  eine  alte  Legende  erzählt 
wird,  nach  welcher  das  Volk  seines  gottlosen  Lebens  wegen  von 
den  Ungläubigen  seiner  Freiheit  beraubt  ward,  und  welche  mit  dem 
Aufrufe  zur  Busse  endigen,  weil  Busse  das  einzige  Mittel  zur  Ver- 
jagung der  Ungläubigen  sei.  [Hr.  Schuyler  besuchte  ein,  ausserhalb 
der  Stadt  gelegenes  Etablissement  solcher  Derwische  und  liess  sich 
von  ihnen  gegen  Bezahlung  ihre  gottesdienstlichen  Gesänge  und 
Tänze  vorführen.  Er  meint  wohl  mit  vollem  Rechte,  dass  die  ganze 
Sache  weiter  nichts  als  eine,  des  Gewinnes  halber  aufgeführte,  Komö- 
die sei.  Zu  den  nicht  am  Wenigsten  interessanten  Einwohnern 
Samarkands  rechnet  er  auch  die  Juden,  welche  jetzt  unter  der  rusai« 


4S 

Auch  scheine  er  mit  der  Behandlung,  welche  ihm  von  Seiten  der 
russischen  Autoritäten  widerfahre,  nicht  ganz  zufrieden.  So  sagte 
er  einmal,  ziemlich  bitter,  dass  ihm,  als  er  das  erste  Mal  nach  Tasch- 
kend  kam,  die  Equipage  des  General-Gouverneurs  zur  Verfügung 
gestellt  worden  sei;  dass  er  bei  einem  zweiten  Besuche  nur  einen 
gewöhnlichen  Wagen  gehabt  habe;  dass  er  aber,  als  er  zum  dritten 
Mal  kam,  habe  zu  Fuss  gehen  müssen. 

In  Samarkand  war  es  auch,  wo  Hr.  Schuyler  zum  ersten  Mal  den 
russischen   Soldaten    in  Central-Asien    ordentlich    kennen    lernte. 
Selbstverständlich  hatte  er  schon  viele  Soldaten  in  Taschkend  und 
anderwärts  gesehen,  jedoch  immer  nur  auf  der  Strasse  und  zwar 
häufig  betrunken;  hier  aber  in  Samarkand  war  es,  wo  er  sie  in 
Barraken,  im  Lager,  beim  Exerziren,  bei  der  Arbeit  beobachtete. 
Hr.  Schuyler  geht  nun  (S.  264  u.  ff.)  auf  die  Beschreibung  des  ganz 
reizenden  Lebens  ein,  welches  er  während  seiner  zwei  späteren  Be- 
suche von  Samarkand,  wo  er  mit  seinem  Freunde  T.,  dem  Lager- 
kommandanten, das  Zelt  theilte^  in  dem,  ausserhalb  der  Stadt,  in 
einem  grossen  Garten  aufgeschlagenen  Lager  führte,  eine  Beschrei- 
bung, die  in  mir  die  angenehmste  Rückerinnerung  an  gleichen  Ge- 
nuss  wach  rief,  da  auch  ich  Gelegenheit  hatte,  während  meiner  An- 
wesenheit in  Samarkand  im  Jahre  1871  dieses  Lagerleben  von  seiner 
heitersten  Seite  kennen  zu  lernen.     Mit  Allem,  was  er  hier  sieht,  ist 
er  sehr  wohl  zufrieden,  und  ganz  besonders  gefällt  ihm  die,  dem 
warmen  Klima  angemessene,  Kleidung  der  Soldaten:   «Die  Soldaten 
tragen  hier  weisse  baumwollene  oder  leinene  Blousen,  und  weite,  aus, 
mit  Cochenille  oder  Granatapfel  karmosinroth  gefärbtem  Schafledcr 
gefertigte  Beinkleider,  welche  in.  die  Stiefel  gesteckt  werden.  Es  ist 
das  nicht  nur  eine  malerische,  sondern  auch  für  den  Soldaten  sehr 
passende  Uniform ;  der  Soldat  ist  freier  Herr  seiner  Bewegungen, 
und  sieht  viel  kräftiger  und  männlicher  aus,  als  es  der  Fall  ist,  wenn 
er  die  schlecht  kleidende  (ill^fitHng)^  aus  grobem  Tuche  schlecht 
gemachte  Winteruniform  trägt».  —  Hr.  Schuyler  knüpft  an  diesen 
militärischen  Exkurs  die  Bemerkung,  dass  ein-  oder  zweimal  im 
Jahre  diejenigen  Soldaten,  deren  Dienstzeit  abgelaufen,  mit  ihren 
Weibern  und  Kindern  auf  Kronskosten  nach  Hause  geschickt  wer- 
den, und   beschreibt  den,   entschieden  spasshaften,  auf  Kameelen 
stattfindenden  Abmarsch  einer  solchen  Karawane.     Es  kommt  ihm 
seltsam  vor,  dass  man  sich  von  Seiten  des  Gouvernements  nicht  be- 
müht, diese  Soldaten  nebst  ihren  Weibern  zu  veranlassen,  als  Kolo- 
nisten hier  zu  bleiben.     Viele  würden  gern  bleiben,  wenigstens  eine 


46 

Zeitlang;  allein  sie  werden  durch  den  Umstand,  dass  sie  das  Recht, 
auf  Kronskosten  heimtransportirt  zu  werden,  verlieren,  wenn  sie  sich 
nicht  zur  sofortigen  Heimreise  entschliessen,  zum  schnellsten  Weg- 
gehen genöthigt. 

Einige  Bemerkungen  über  die  russische  Gesellschaft  und  über 
die  Beamtenwelt  Samarkand's  machen  den  Beschluss  dieses,  über 
Samarkand  handelnden  Abschnittes  und  zugleich  des  sechsten 
Kapitels. 

In  Betreff  des  ersten  Punktes  heisst  es  auf  S.  266:  «Die  russische 
Gesellschaft  Samarkand's  ist  sehr  klein,  und  es  gibt  bis  jetzt  nur  erst 
wenig  neue  Häuser.  Nichtsdestoweniger  ist  an  der  äusseren  Seite 
der  Citadelle  ein  neues  Stadtviertel  abgesteckt  worden,  in  welchem 
allmählig  Strassen  und  Häuser  entstehen.  Während  meiner  Besuche 
erschien  diese  ganze  Gegend  voll  Staub  und  Verwirrung.  Es  exi- 
stiren  nur  2  oder  3  Kaufleute  und  die  Bevölkerung  besteht  aus  Offi- 
zieren und  Beamten  und  anderen  zur  Armee  gehörigen  Personen ; 
und  da  nur  2  oder  3  Offiziere  verheirathet  sind^  so  ist  die  russische 
Gesellschaft  ziemlich  eben  so  maskulin,  wie  die  der  Eingeborenen. 
In  diesen  abgelegenen  Gegenden  wird  die  Hochzeitsfeierlichkeit 
durchaus  nicht  für  eine  Sache  grösster  Wichtigkeit  gehalten,  und  die 
Gesellschaft  ist  nicht  in  der  Lage,  es  damit  zu  streng  nehmen  zu 
dürfen».  Was  aber  den  zweiten  Punkt  anbelangt,  so  liest  man 
auf  derselben  Seite  Folgendes :  «Es  ist  unmöglich,  dass  man  den 
auffälligen  Unterschied  zwischen  der  Administration  von  Samarkand 
und  jener  von  Taschkend  übersehen  sollte.  Beinahe  allen  Beamten, 
so  scheint  es,  liegt  die  Wohlfahrt  des  Landes  am  Herzen,  und  fast 
alle  sind  mit  Ernst  bei  ihrer  Arbeit.  Sie  sind  zum  grössten  Theil 
noch  Nachbleibsel  der  sogenannten  «Tschernjajew-Leute*,  da  viele 
von  ihnen  unter  diesem  General,  zur  Zeit  seines  ersten  Feldzuges 
in  Central- Asien,  dienten.  So  z.  B.  der  General  Abramow,  der  jetzige 
Kommandant  der  Provinz*,  welcher  als  Stabskapitän  begann,  aber 
durch  seine  grosse  Tapferkeit  und  durch  die  Wucht  des  Angriffs 
(•dash»)  in  allen  seinen  Kämpfen  es  dahin  brachte,  den  Rang  eines 
General-Majors  nebst  einer  Menge  von  Orden  und  Dekorationen  zu 
erlangen.  Er  ist  ein  äusserst  thätiger  Mann,  der  alles,  was  das  Land 
angeht,  wohl  kennt.  Ich  glaube  nicht,  dass  irgend  ein  zu  seiner 
Verwaltung  gehöriges  Dorf  existirt,  welches  er  nicht  besucht  hat. 
Er  ist  eifrig  bemüht,  sich  immer  genau  selbst  zu  informiren,  ob  alles 

i  Ich  muss  hierbei  bemerken,  dass  General  Abramow  jeUt  nicht  mehr  in  Samar- 
kand residirU  Er  ist  jetzt  Kommandant  des  Ferghana-Gebiets  (des  ehemaligen Chokand). 


4; 

gut  geht,  und  obschon  sein  Wille  in  Samarkand  Gesetz  ist,  weil  die» 
ftir  das  übrige  Turkestan  maassgebenden  administrativen  Bestim- 
mungea  in  dieser  Provinz  noch  keine  Geltung  haben,  so  ist  er  doch 
ängstlich  darauf  bedacht,  stets  gerecht  und  im  Geiste  des  russischen 
Gesetzes  zu  verfahren,  wobei  er  eine  kräftige  Unterstützung  in  Män- 
nern findet,  welche  das  Volk,  mit  welchem  er  zu  thun  hat,  genau 
kennen».  In  gleich  rühmender  Weise  spricht  sich  Hr.  Schuy- 
1er  über  den  damaligen  Stadthauptmann  von  Samarkand,  einem 
Muselmann  von  baschkirischer  Abkunft,  aus,  dessen  Art  und  Weise, 
die  städtischen  Angelegenheiten  zu  verwalten,  Hr.  Schuyier  gute 
Gelegenheit  hatte,  zu  beobachten,  weil  er  während  seines  ersten 
Aufenthaltes  in  Samarkand  die  Gastfreundschaft  dieses  [Herrn  ge- 
noss.  Ueberhaupt  scheint  sich  Hr.  Schuyier  in  Samarkand  äusserst 
wohl  befunden  zu  haben,  denn  er  sagt  (S.  235):  «Ich  blicke  auf  Sa- 
markand mit  Grefühlen  ganz  besonderen  Wohlgefallens  zurück,  und 
betrachte  es  als  einen  der  Plätze  in  der  Welt,  wohin  ich  zu  jeder 
2^it  und  unter  irgend  welchem  Vorwande  mit  Freuden  zurück- 
kehren würde». 

Das  siebente,  «Das  Serafschan^Thal»  überschriebene  Kapitel 
bringt  zuerst  eine  Beschreibung  zweier,  von  Hrn.  Schuyier  von  Sa- 
markand aus  nach  Urgut  unternommenen  Exkursionen,  an  welche 
sich  eine  kurze  Darlegung  der,  südlich  und  süd-östlich  von  Samarkand 
liegenden  Gebirgsgegenden,  sowie  der,  in  diesen  Gegenden  seit  1870 
ausgeüöhrten  militärischen  Expeditionen,  welche  zur  Einverleibung 
dieser  Landstriche  in  das  russische  Turkestan  führten,  anschliesst ; 
dann  aber  eine  Besprechung  der  landwirthschaftlichen  Verhältnisse 
des  mittleren  Serafschan-Thales  speziell  und  des  russischen  Turke- 
stan im  Allgemeinen,  eine  Besprechung,  durch  welche  dieses  Kapitel 
des  Schuyler^schen  Buches  zu  einem  der  inhalt-  und  lehrreichsten 
Abschnitte  wird. 

Was  zunächst  die  beiden  nach  Urgut,  einer  süd-östlich  von  Samar- 
kand am  Gebirgsabhange  liegenden  Stadt  von  10,000  Einwohnern, 
unternommenen  Ausflüge  anbelangt,  so  waren  es  reine  Vergnügungs- 
partien, zu  denen  sich  Hr.  Schuyier  in  Folge  des  Andrängens  seiner 
Freunde  entschloss.  Er  hatte  insbesondere  bei  der  zweiten  Exkur- 
sion, wo  er  den  General  Abramow  begleitete,  Gelegenheit  zu  erfah- 
ren, wie  es  während  der  Reise  eines  so  hochgestellten  Mannes 
landesüblich  hergeht.  Ich  lasse  Hrn.  Schuyier  selbst  reden.  «Noch 
ein  zweites  Mal  (so  heisst  es  auf  S.  272  u.  ff.)  war  ich  in  Urgut,  als  ich 
von  Buchara  zurückkam  i  allein  es  war  das  eine  ceremonielle  Staats- 


48 

Visite,  denn  ich  kam  mit  dem  General  und  einem  Dutzend  Offizieren, 
und  eine  Schwadron  Kosaken  eskortirte  uns.  Dieser  Besuch  war 
kaum  weniger  interessant  als  der  frühere,  obschon  ganz  anderer  Art. 
An  den  Halteplätzen  fanden  sich  ausgebreitete  Teppiche,  auf- 
geschlagene Zelte  und  fertige  Mahlzeiten  vor ;  überall  kamen  uns 
Deputationen  entgegen,  und  zur  Zeit,  als  wir  die  Stadt  erreicht  hat- 
ten, bildeten  wir  einen  grossen  feierlichen  Zug,  der  durch  den,  von 
ihm  aufgewirbelten  Staub  nicht  viel  zu  unserem  Vergnügen  beitrug. 
Wir  nahmen  diesmal  von  einem  anderen  und  grösseren  Garten  Be- 
sitz, und  hatten  des  Generals  Küche  und  Köche  mit  uns,  ein  grosses 
Lager  bildend.  Hier  verblieben  wir  drei  Tage  und  verbrachten  die 
Morgen  mit  weiten  Spaziergängen  und  mit  Bergsteigen,  die  Nach- 
mittage mit  dolce  Jar  nienie  (Eigentlich  sagt  Hr.  Schuyler:  •happy 
indolence»^  was  wohl  am  besten  durch  «glückliche  Faulheit»  zu  über 
setzen  sein  würde),  die  Abende  mit  Gespräch  und  Kartenspiel.  Am 
ersten  Tage  wurden  wir  durch  Deputationen  aus  der  Stadt  und  den 
benachbarten  Ortschaften,  welche  grosse  Präsentirteller  mit  Süssig- 
keiten,  Nüsse  und  Früchte  und  viele  geschriebene  Dankadressen 
überreichten,  lange  von  unserem  Mittagsmahl  abgehalten,  und  nur 
der  Besuch  der  Hindus  gewährte  vielleicht  das  gfösste  Vergnügen, 
weil,  abgesehen  von  ihrer  interessanten  Haltung  und  Gestalt,  sie  uns 
in  zarter  Berücksichtigung  dessen,  was  uns  angenehm  sein  möchte, 
einen  mächtigen  Sack  ausgezeichneter  Kartoffeln  als  Geschenk 
brachten.  Eine  jede  Deputation  zog  sich,  nachdem  sie  empfangen 
worden  war,  etwas  zurück  und  setzte  sich  auf  die  Erde,  während  die 
übrige  Bevölkerung  nach  und  nach  herbei  kam  und  sich  im  Hinter- 
grunde aufstellte.  Dadurch  erhielt  unser  Mittagsmahl  den  Charakter 
einer  gewissen  Feierlichkeit,  denn  wenn  man  von  einigen  Tausend, 
in  tiefem  Schweigen  verharrenden  Menschen  scharf  beobachtet  wird, 
so  ist  Einem  beim  Bissen  gerade  so  zu  Muthe,  als  vollzöge  man  eine 
hohe  Funktion».  —  Offenbar  amüsirte  sich  Hr.  Schuyler  während 
der  ersten  Exkursion  viel  besser,  da  es  weniger  Ceremonie  und 
mehr  Kurzweil  gab;  auch  lernte  er  schon  unterwegs  die  sogenannte 
tBaiga^^  jene  grosse  mittel-asiatische  Volksbelustigung,  die  ihm  zu 
Ehren  von  50  Reitern  ausgeführt  ward,  kennen,  besuchte  in  Urgut 
den  Bazar,  wo  gerade  Bazartag  war,  und  gab  die  Veranlassung,  dass 
eine  andere  mittel-asiatische  Volksbelustigung,  der  «Tanz  der  Kna- 
ben», nicht  wie  gewöhnlich  am  Abend  bei  künstlicher  Beleuchtung, 
sondern  mitten  am  Tage  in's  Werk  gesetzt  ward.  Die  Gesellschaft 
hatte  sich  nämlich  vom  Bazar  aus  in  einen  grossen  Garten  begeben^ 


49 

wo  sich  eine  Anzahl  Theebuden  befand;  hier  lagerte  sie  sich  am 
Rande  eines  Teiches  im  Schatten  hoher  Ulmen  und  Platanen,  und 
Hess  sich  von  einem  reizend  aussehenden,  in  Seide  gekleideten  Kna* 
ben  den  Thee  reichen.  «Da  sich  aber  (so  heisst  es  auf  S.  271)  her- 
ausstellte, dass  der  Knabe  ebensowohl  ein  Tänzer  als  Theeverkäufer 
war,  und  da  wir  merken  Hessen,  dass  wir  nichts  gegen  eine  kleine 
Unterhaltung  einzuwenden  hätten,  so  kam  noch  ein  zweiter  Knabe 
herzu;  alsbald  erschienen  auch  3  oder  4  Musikanten  mit  ihren  plum- 
pen Tambourins,  und  beim  ersten  Schall  der  Instrumente  begann 
sich  der  Garten  mit  Volk  zu  füllen.  Die  Buden  wurden  zugemacht, 
der  Bazar  leerte  sich,  und  in  kurzer  Zeit  war  unser  Garten  voll  eifri- 
ger Zuschauer,  welche  sich  in  langen  Reihen  überall  um  den  Teich 
herumsetzten  und  selbst  den  oberen  Rand  der  Mauern  und  die 
Dächer  der  umgebenden  Gebäude  dicht  bedeckten.  Gewiss  ein 
höchst  malerischer  Anblick.  Ein  Tanz  folgte  dem  andern ;  gelegent- 
lich kamen  Bettler  und  baten  um  Almosen;  und  das  Volk,  wahr- 
scheinlich um  sich  für  das  am  hellen  Tage  und  an  so  belebtem 
Platze  ungewöhnliche  Schauspiel  dankbar  zu  beweisen,  bewarf  uns 
mit  Rosen.  Die  abscheuliche  Hitze  auf  der  Strasse,  verbunden  mit 
der  Anziehungskraft,  welche  das  Schauspiel  auf  uns  ausübte,  machte 
uns  nur  um  so  bereitwilliger^  unseren  Aufbruch  zu  verzögern;  es  ver- 
flossen zwei  bis  drei  Stunden,  ehe  wir  uns  geneigt  fühlten,  uns  von 
unseren  Kissen  unter  den  Platanen  zu  erheben  und  uns  wieder  in  den 
Sattel  zu  schwingen,  u.  s.  w.  > 

Die  Lage  von  Urgut,  am  Nordhange  der,  im  Süden  von  Samar- 
kand  sich  hinziehenden  Gebirgskette  ist  für  Hrn.  Schuyler  Ver- 
anlassung zur  Einschaltung  eines  geographischen  Exkurses,  dessen 
Gegenstand  der  Betrachtung  vorzugsweise  der  obere  Serafschan- 
Laüf,  und  das  linksseitig  gelegene  Gebirgsland  von  Kohistan  ist  (S. 
274 — 279),  woran  sich  eine  Schilderung  der  hier  so  häufig  statt- 
gehabten Unruhen  und  der  zur  Bekämpfung  derselben  unter- 
nommenen militärischen  Expeditionen,  namentlich  der  im  Jahre 
1 870  unternommenen  sogenannten  •  Iskander  -Köl  -Expedition  » , 
schliesst  (S.  279—284).  Seitdem  ist  zwar  der  so  eben  genannte 
Landstrich  dem  russischen  Turkestan  einverleibt  worden,  allein 
nach  Hrn.  Schuyler's  Meinung  kann  der  Zi^tand  dieser  Gebirgs- 
districkte  noch  nicht  als  ein,  in  jeder  Beziehung  vollkommen  be- 
friedigender betrachtet  werden. 

Weiterhin  (und  zwar  von  S.  284  an)  wendet  sich  Hr.  Schuyler 

zur  Betrachtung  des  Serafschan  in  seinem  mittleren  und  unteren 
Bwp*  !«?«•.  ]id.xm.  ^ 


so 

Laufe»  und  der  Umstand,  dass  insbesondere  die  von  dem  Serafschan 
in  seinem  Mittellaufe  durchströmte  Thallandschaft  als  die  frucht- 
barste Gegend  von  ganz  Mittel- Asien  angesehen  werden  tnuss,  gibt 
Hrn.  Schuyler  Veranlassung,  sich  über  die  Vertheilung  des 
fruchtbaren  Landes  nicht  bloss  im  Serafschan-Thale,  sondern  im 
russischen  Turkestan  überhaupt,  über  die  Bedingungen  der  Frucht- 
barkeit des  Landes,  über  die  Art  den  Ackerbau  zu  betreiben,  über 
die  verschiedenen  Feldfrüchte,  über  die  mittel-asiatischen  Verhält- 
nisse des  Grundbesitzes  und  über  die  auf  dem  Grundbesitze  beste- 
henden Steuern  und  Abgaben  weitläufiger  auszusprechen. 

Anlangend  die  Vertheilung  des  kulturfahigen  Landes,  so  macht 
Hr.  Schuyler  allem  zuvor  die  Bemerkung,  dass  in  Mittel-Asien,  im 
Vergleich  zur  Grösse  des  ganzen  Landes,  nur  sehr  wenig  kulturfahi- 
ger  Boden  vorkommt,  und  dass  es  möglich  sei,  dass  man  selbst  in 
der  fruchtbarsten  Gegend  Central-Asiens,  nämlich  im  mittleren  Se- 
rafschan-Thale,  lange  Strecken  durchreiten  könne,  ohne  auch  nur 
ein  einziges  grünes  Plätzchen  zu  erblicken.  Ueberhaupt  würde  eine 
Karte  von  Central-Asien,  in  welche  man  das  Ackerland  mit  Sorgfalt 
eingezeichnet  hätte,  ebenso  instruktiv  sein,  wie  sie  sonderbar  ausse- 
hen würde;  man  würde  nur  schmale,  den  Flüssen  und  dem  Fusse 
der  Gebirge  entlang  sich  hinziehende  grüne  Streifen  wahrnehmen. 
Hr.  Schuyler  findet,  dass  die  Menge  ackerfahigen  Landes  des  ge- 
sammten  russischen  Mittel-Asiens  (mit  Ausschluss  des  russischen  An- 
theiles  der  Kysyl-Kum  Steppe)  nur  auf  iVio  pCt.  zu  veranschlagen 
sei,  und  ist  der  Meinung,  dass  man  daraus  entnehmen  könne,  wie 
werthlos  dieser  junge  russische  Besitz  ist.  «Nach  der  Einnahme  von 
Taschkend  (so  heisst  es  auf  S.  285)  glaubte  man,  dass,  weil  die 
Russen  nun  zur  Kornkammer  Central-Asiens  gekommen  seien,  die 
Armee  keinen  anderweitigen  Stützpunkt  brauche,  und  dass  Fourage 
und  Proviant  mit  viel  geringeren  Kosten  als  zuvor  beschafft  werden 
könnten;  allein  schon  dieser  kleine,  durch  die  russische  Armee  be- 
wirkte Zuwachs  zur  Bevölkerung  des  Landes  steigerte  die  Korn- 
preise derartig,  dass  man  in  vielen  Gegenden  die  Kultur  der  Baum- 
wolle zu  Gunsten  des,  grösseren  Gewinn  bringenden,  Kornbaues  auf- 
gab; und  dass  man,  was  noch  mehr  sagen  will,  in  Folge  der  fak-- 
tisch  nicht  ausreichenden  örtlichen  Produktion,  den  grössten  Theil 
des,  der  Armee  nöthigen  Kornes  von  Wemoje,  Kopal  und  aus  dem 
südlichen  Sibirien  herzubrachte».  Ich  will  die  Richtigkeit  der 
Schuyler'schen  Schätzung  in  Betreff"  der  Menge  vorhandenen 
Ackerlandes  nicht  weiter  bekritteln,  sondern  nur  darauf  aufmerk- 


sam  machen^  dass  erstens  bei  dieser  Schätzung  das  so  fruchtbare 
Ferghanä- Gebiet  (das  ehemalige  Chanat  Chokand)  ausser  Be* 
tracht  blieb,  weil  dessen  Einverleibung  in  das  russische  Turkestan 
zur  Zeit  der  Abfassung  des  Schuyler'schen  Buches  noch  nicht 
erfolgt  war,  und  dass  zweitens  die,  von  Hr.  Schuyler  erwähnte  Stei- 
gerung der  Kornpreise  recht  wohl  durch  viele  andere  Umstände, 
auf  die  ich  jedoch  hier  nicht  weiter  eingehen  will,  bedingt  sein 
kann;  allein  die,  von  Hr.  Sdhuyler  aufgestellte  Behauptung,  dass  die 
central-asiatischen  Besitzungen  wegen  der  geringen  Menge  Acker- 
landes für  Russland  werthlos  seien,  scheint  mir  doch  äusserst  ge- 
wagt.  Auf  Grundlage  meiner  eigenen  Kenntniss  Turkestans  bin  ich 
überzeugt,  dass  es  noch  zahlreiche  Stellen  gibt,  wo  bisher  unbenutz- 
tes Land  kulturfahig  gemacht  werden  kann,  sei  es  durch  Neuanlage 
kleinerer  oder  grösserer  Bewässerungssysteme,  sei  es  durch  ökono- 
mischere Ausnutzung  der  bereits  bestehenden  Wässerungsanlagen, 
wodurch  natürlich  die  Produktionskraft  des  Landes  gehoben  wer- 
den muss;  wie  ich  denn  auch  fern  davon  bin  anzunehmen,  wie  Hr. 
Schuyler  es  thut,  dass  nämlich  Turkestan  die  höchste  Stufe  der  ihm 
möglichen  Entwickelung  bereits  erreicht  habe,  und  dass  es,  so  lange 
es  von  den  jetzt  dort  lebenden  Volksstämmen  (die  er  demnach  für 
verbesserungsunfahig  zu  halten  scheint)  bewohnt  werde,  sich  nicht 
weiter  entwickeln  könnet 

Was  die  Bedingungen  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  betrifft,  so 
ist  unter  denselben  die  Bewässerung  des  Landes  von  solch  hervor- 
ragender Wichtigkeit,  dass  ihr  gegenüber  alle  anderen  Umstände 
verschwinden  oder  doch  nur  als  äusserst  nebensächlich  erscheinen. 
Von  dem  Standpunkte  der  Bewässerung  aus  betrachtet,  ist  aber  das 
mittel-asiatische  Kulturland  zweifacher  Art:  entweder  lieget  es  ent- 
lang dem  Gebirge  und  wird  durch  die  Frühlings-  und  Herbstregen 
befruchtet,  oder  es  wird  künstlich  bewässert.  Im  ersten  Falle  heisst 
solches  Land  •laltni»^  im  zweiten  Falle  aber  ^obi»  oder  €abi».  Hr. 
Schuyler  sagt  in  Betreff  der  Verschiedenheit  beider  Arten  von 
Ackerland  sehr  richtig  (S.  286  u.  ff.):  «Obgleich  die  Za/i»i-Lände» 
reien,  welche  die  ausgedehnteren  sind,  zumal  in  günstigen  Jahrgän- 
gen grosse  Massen  von  Getreide  produziren,  und  auf  ihnen  der 
Hauptverlass  zur  Ernährung  d^r  Bevölkerung  beruhti  so  haben 
doch  die  C7^-Ländereien,  was  den  Reichthum  und  die  Fruchtbar- 
keit, die  Zuverlässigkeit  der  Ernten  und  die  Verschiedenheit  der 

*  Bfan  veigleiclie  das  in  meinem  ersten  Artikel  mitgetheilte  c  Schlusswort*   Hm. 
Schuylcr's.  «Rnss.  Revue»  Bd.  XII  S.  438  u«  ff. 

4* 


52 

auf  ihnen  erzeugten  Produkte  anlangt,  auf  den  Wohlstand  und  die 
Gesittung  (civiUsaüon)  des  Landes  den  bei  Weitem  grössten  Ein- 
fiussi.  Im  Schuyler^schen  Buche  folgt  nun  eine  Darstellung 
des  im  Serafschan-Thale  durchgeführten  Bewässerungssystems, 
dessen  Einrichtung  und  Handhabung  unstreitig  als  Muster  für  alle 
derartigen  Anlagen  dienen  kann,  und  in  Betreff  welches  Hr.  Schuy- 
1er  mit  vollem  Rechte  sagt:  «Hier  ist  jeder  Tropfen  Wasser  werth- 
voU,  und  ohne  mehr  Wasser  ist  hier  schwerlich  noch  Platz  für  einen 
neu  hinzukommenden  Bewohner». 

In  Betreff  der  Art  und  Weise,  wie  der  Ackerbau  betrieben  wird, 
wird  zunächst  angeführt,  dass  der  kleine,  nur  4  oder  5  Acker  Landes 
besitzende  Landmann  hauptsächlich  darauf  ausgeht,  seinem  Lande 
durch  sorgfältige  Kultivirung  möglichst  hohe  Erträge  zu  entnehmen, 
und  zvtrar  ohne  dasselbe  brach  liegen  zu  lassen,  während  die  grösse- 
ren Grundbesitzer  eine  modifizirte  Dreifelderwirthschaft  zur  An- 
wendung bringen.  Das  Brachfeld  wird  mit  Winterweizen  oder 
Gerste  bestellt;  im  nächsten  Jahre  wird  nach  der  Ernte  das  Feld 
abermals  gepflügt  und  für  eine  zweite  Ernte  mit  Hirse,  Sesam,  Lin- 
sen, Möhren  oder  Mohn  besäet;  im  dritten  Jahre  baut  man  als 
Sommerfrucht  Reis,  Sorghum,  Baumwolle,  Lein»  oder  Gemüse- 
pflanzen. Es  ist  jedoch  gewöhnlich,  dass  man  das  Feld,  wenn  es 
für  Reis  oder  Baumwolle  vorbereitet  war,  noch  ein  zweites  Jahr  für 
dieselbe  Feldfrucht  benutzt.  Der  Luzerne  wird  ein  besonderes  Feld 
eingeräumt,  auf  welchem  sie  10 — 12  Jahre  verbleibt,  und  reiche  Er- 
träge gibt  u.  s.  w. 

Nun  folgt  die  Aufzählung  der  verschiedenen  Feldfrüchte.  Da 
werden  zuerst  die  verschiedenen  Getreidearten  der  Reihe  nach 
durchgenommen,  als  dasind:  Weizen,  in  vier  Arten,  und  Gerste; 
vom  Hafer  wird  gesagt,  dass  er  in  Central-Asien  nicht  fortkommen 
will;  Roggen  ist  erst  ganz  neuerdings,  und  zwar  in  kleiner  Menge, 
zum -Gebrauch  für  die  Russen  angebaut  worden;  Sorghum,  in  seinen 
Körnern  Pferdefutter,  in  seinen  grünen  Schossen  gutes  Futter  für 
Rindvieh,  in  seinen  Blättern  Schafsfutter,  in  seinen  trockenen  Sten- 
geln Brennmaterial,  also  äusserst  nützlich.  Ferner:  Mais,  obschon  nur 
in  geringer  Menge;  Hirse  in  drei  Arten;  Reis.  Besonders  bemerkt 
wird,  dass  im  Serafschan-Thale  ungefähr  25  pCt.  des  bewässerten 
Landes  mit  Weizen  und  ungefähr  67«  pCt.  mit  Gerste  besäet  wird, 
dass  jedoch  der  Gesammtbetrag  an  Weizen,  welcher  die  Hauptbrot- 
frucht  der  Einwohner  ist,  nicht  ausreiche,  und  dass  daher  der  Ueber- 
schuss  von  auf  Lalmi\MA  geerntetem  Weizen  (wenn  überhaupt  ein 


53 

solcher  Ueberschuss  sich  herausstellt)  herbeigeschafft  werden  muss, 
damit  nicht  Hungersnoth  entsteht.  In  Betreff  der  Grösse  der  Ge- 
treideernten in  anderen  Theilen  Central- Asiens  sagt  Hr.  Schuyler, 
dass  es  ihm  unmöglich  gewesen  sei,  detaillirte  Angaben  zu  erhalten, 
bei  welcher  Gelegenheit  er  seiner  üblen  Laune  über  die  mangelhafte 
Statistik  des  Landes  freien  Lauf  lässt,  obschon  er  sich  der  Worte 
eines  Anderen  bedient  (S.  293)*.  —  Hierauf  wird  auf  S.  294  u.  ff.  die, 
über  die  cental-asiatischen  Kulturpflanzen  abgehaltene  Revue  mit 
den  nicht  zum  Getreide  zählenden  Pflanzen  fortgesetzt.  Sesam, 
Mohn,  Lein  und  Hanf  werden  nur  ihrer  Samen  wegen  zur  Oelgewin- 
nung  angebaut,  obgleich  man  die  Hanfstengel  bisweilen  zur  Anfer- 
tigung von  Stricken  benutzt.  Krapp  wird  nur  im  Bezirke  von  Katty- 
Kurghan  und  in  einigen  Theilen  von  Schehrisebs  gebaut.  Tabak 
findet  sich  in  kleiner  Menge  in  vielen  Gegenden  Mittel-Asiens  vor, 
allein  er  ist  keineswegs  von  guter  Qualität;  der  beste  kommt  von 
Karschi  und  Namangan.  Auf  russischem  Territorium  wird  er,  mit 
Ausnahme  der  Provinz  Ssemiretschensk,  von  den  Russen  nur  wenig 
kultivirt.  Baumwolle.  Der  ausserordentlichen  Wichtigkeit  dieser 
Kulturpflanze  ist  es  zuzuschreiben,  dass  sie  von  Hrn.  Schuyler  aus- 
führlicher behandelt  wird,  als  die  übrigen  Pflanzen  (S.  294—296). 
Als  Anhang  zu  dem,  über  den  Ackerbau  Gesagten  wird  endlich  noch 
auf  den  Gartenbau  Bezügliches  zur  Sprache  gebracht.  Die  Gärten 
und  deren  Erzeugnisse  haben  den  entschiedenen  Beifall  des  Hrn. 
Schuyler.  «Die  Gärten  (so  heisst  es  auf  S.  296  u.  ff.)  sind  die  bevor- 


*  Dieser  «Andere»  (Hr.  Schuyler  sagt  von  ihm,  dass  er  ein  Beamter  sei,  der  eine 
Zeitlang  eine  hohe  SteUung  in  Turkestan  einnahm)  schreibt :  «Alles  was  wir  Über  das 
*LAnd  wissen,  besteht  aus  vereinzelten  Beschreibungen  verschiedener  Lokalitäten  und 
aus  Berichten  über,  von  unseren  Truppen  ausgeführten  Rekognitionen.  Was  aber  die 
statistischen  Nachrichten  anbelangt,  wie  sie  uns  von  Zeit  zu  Zeit  von  den  Distrikts- 
Chefs  mitgetheilt  werden,  so  sind  dieselben  so  vag  und  oberflächlich,  und  bisweilen 
sich  selbst  so  widersprechend,  dass  es  unnütz  ist,  überhaupt  davon  zu  sprechen.  Die, 
an  verschiedenen  Orten  Mittel-Asiens  eingerichteten  sogenannten  statistischen  Komites 
existiren  bloss  auf  dem  Papier.  Im  Jahre  1868  wurde  ein  Allgemeines  Statistisches 
Komite  für  Central-Asien  gebildet;  es  war  jedoch  nicht  im  Stande,  seine  Aufgabe  zu 
erfüllen,  Dank  der  völligen  Unwissenheit  der  Glieder  der  lokalen  Administration,  von 
denen  die  erforderlichen  Auskünfte  nicht  zu  erhalten  waren.  Im  Jahre  1869  wurden 
auf  Verordnung  des  General-Gouverneurs  statistische  Komites  in  den  verschiedenen 
Provinzen  ^0^//ij/^  eingesetzt.  Das  im  Jahre  1870  in  der  Syr-Darja-Provinz  gebildete 
Komite  erliess  an  die  Beamten  der  Lokaladministration  ein  Circular  mit  Fragen,  die 
Statistik  der  von  ihnen  verwalteten  Lokalitäten  betreffend ;  allein  diese  Fragen  bezogen 
sich  auf  Details,  weiche  nur  allgenveinc  Heiterkeit  erregten.  Auch  die  Beantwortung 
gestellter  Fragen  Hess  vieles  zu  wünschen  übrig,  U.  s.  w.» 


i 


54 

zugten  Aufenthaltsorte  zur  Sommerzeit,  und  sie  dürfen  es  auch  sthr 
^wohl  sein.    Nirgends  gibt  es  so  viele  Früchte,  und  von  einigen  Ar- 
"^  ten  kana  man  sagen,  dass  sie  nirgends  besser  angetroffen  werden. 
Die  Aprikosen  und  Nectarinen  können,  meiner  Meinung  nach,  un- 
möglich von  anderswoher  übertroffen  werden.    Pfirsiche,  obgleich 
kleiner,  sind  wohlschmeckender  als  die  besten  Pfirsiche  Englands, 
äe  werden  jedoch  von  den  Pfirsichen  Delaware's  weit  überragt. 
Die  grosse  blaue  Pflaume  von  Buchara  ist  durch  ganz  Asien  berühmt. 
Die  Kirschen  sind  meistens  klein  und  sauer.   Die  besten  Aepfel  kom- 
men aus  Chiwa  oder  aus  Susak  (im  Norden  der  Stadt  Turkestan), 
und  die  kleinen  weissen  Birnen  von  Taschkend  sind  in  ihrer  Art  aus- 
gezeichnet.   Die  Quitte  wird  wie  bei  uns  nur  der  Conserven  und 
Marmeladen  wegen,  oder  um  die  Suppe  zu  würzen,  kultivirt   Neben 
den  Wassermelonen  gibt  es  hier  im  gewöhnlichen  Leben  zehn  Arten 
von  früh-  und  sechs  Arten  von  spätreifenden  Melonen,  deren  jede 
eine  Bereicherung  unserer  Gärten  sein  würde.     Von  Weintrauben 
habe  ich  mir  dreizehn  Sorten  notirt,  die  meisten  von  ausserordent- 
licher Güte.    U.  s.  w.» 

Das  was  Hr.  Schuyler  über  die  mittel-asiatischen  Verhältnisse  des 
Grundbesitzes  zu  sagen  hat  (S.  297  u.  ff.)  wird  folgendermaassen  ein- 
geleitet:   «Die  Frage  nach  dem  Rechte  des  Grundbesitzes  in  Mittel- 
Asien  ist  eine  Frage  von  allergrösster  Wichtigkeit;  erstens,  weil  es 
den  Russen  weder  gestattet  ist,  Land  zu  kaufen  noch  Kolonien  an- 
zulegen, bevor  nicht  irgend  eine  Art  gesetzlicher  Bestimmung  in  Be- 
treff des  Eigenthumsrechts  an  Grund  und  Boden  getroffen  worden 
ist,  und  zweitens,  weil  in  allen  darauf  abzielenden,  von  russischen 
Beamten  entworfenen  Projekten  offen  oder  stillschweigend  voraus- 
gesetzt wird,  dass  das  Recht  des  Besitzes  von  Gnmd  und  Boden  auf' 
den  Staat  übergegangen  ist,  und  dass  dem  zu  Folge  das  Gouverne- 
ment das  Recht  habe,  die  bisherigen  Besitzer  aus  ihrem  Besitze  zu 
vertreiben,  oder  die  Rechtstitel  des  Besitzes  nach  Belieben  zu  än- 
dern. Nun  hat  aber  in  allen  Theilen  Mittel- Asiens  bis  jetzt  auch  nicht 
die  Spur  eines  kommunalen  Eigenthumsrechts  aufgefunden  werden 
können,  und  theoretisch  waren  die  Rechte  des  Grundbesitzes  den- 
selben, in  allen  muselmännischen  Ländern  Geltung  besitzenden  Re- 
geln unterworfen,  obschon  vielleicht  in  der  Praxis  durch  gewisse  lo- 
kale Bedingungen  abgeändert».  Hr.  Schuyler  fuhrt  nun  die  verschie- 
denen Arten  des  Landbesitzes,  wie  solche  nach  muselmännischem 
Rechte  bestehen,  auf;  zeigt,  wie  irrig  die  Ansicht  ist,  welcher  zu 
Folge  man  alles  Land  als  wirklich  dem  Staate  gehörig  und  alle 


55 

Gntndbemtzer  nur  als  Pächter  oder  als,  mit  ihrem  Eigenthum  beim 
Staate  zu  Lehn  Gehende  betrachtet;  meint,  dass  eine  neue  Gesetz- 
gebung in  Betreff  des  Eigenthumsrechts  gar  nicht  nöthig  sei,  und 
verwirft  die  bisher  aufgestellten,  darauf  bezüglichen  Projekte  als  un- 
bedacht und  ungerecht.  «Ich  weiss  nicht  (so  lässt  sich  Hr.  Schuyler 
auf  S.  302  vernehmen)  ob  man  derartige  Vorschläge  einer  Manie 
nach  Veränderung  und  Reform,  oder  einer  angeborenen  Unfähig- 
keit, die  Grundlagen  persönlicher  Freiheit  und  des  Rechts  auf  Be- 
sitz zu  verstehen,  zuschreiben  soll.  Es  gebührt  sich  jedoch  auszu- 
sprechen, dass  diese  Vorschläge  durchaus  nicht  von  Staatsmännern 
ausgegangen  sind  (die  russischen  Staatsmänner  haben  bis  jetzt  der 
Lage  der  Dinge  in  dem  so  weit  abgelegenen  Turkestan  nur  geringe 
Aufmerksamkeit  zugewendet),  und  dass  sie  insgesammt  bis  jetzt 
vom  Reichsrath  immer  zurückgewiesen,  oder  wieder  zurückgezogen 
wurden.  Sie  sind  das  Machwerk  von  Militärpersonen,  oder  subalter- 
ner Beamten,  die  eine  verantwortliche  offizielle  Stellung  erlangt  ha- 
ben, oder  einiger  junger  Leute,  welche,  weil  sie  vielleicht  vom  Ale- 
xander-Lyzeum, also  einer  Anstalt  graduirt  worden  sind,  die  Staats- 
männer ausbilden  soll  und  die  alma  mater  des  Fürsten  Gortschakow 
war,  sich  einbilden,  dass  sie  durch  diesen  Umstand  allein  schon 
nothwendiger  Weise  ebenso  grosse  Staatsmänner  sind,  wie  dieser 
ausgezeichnete  Mann.  Den  turkestanischen  Beamten  wäre,  ehe  sie 
so  entscheidende  Schritte,  wie  vorgeschlagen  worden  sind,  thun, 
anzurathen,  sich  eine  Lehre  zu  nehmen  an  den  für  Indien  durch 
Lord  Cornwallis  getroffenen  gesetzlichen  Bestimmungen  des  Eigen- 
thumsrechts,  welche  jetzt  als  ebenso  ungerecht,  wie  in  ihren  Folgen 

schädlich  anerkannt  worden  sind». «Ich  bin  überzeugt,  dass 

jeder  Versuch,  die  turkestanischen  Grundbesitzer  zu  Pächtern  der 
Regierung  zu  machen,  die  grösste  Unzufriedenheit  erregen  und  die 
Russen  in  eine  so  schwierige  Lage  bringen  wird,  dass  selbst  eine 
noch  stärkere  militärische  Besatzung  des  Landes,  als  jetzt,  zur  Auf- 
rechthaltung der  Ordnung  nicht  ausreichen  wird». 

An  die  Betrachtung  der  Eigenthumsrechte  von  Grund  und  Boden 
schliesst  sich  die  Besprechung  der  am  Grundbesitz  haftenden  Steu- 
ern an  (S.  303  u.  ff.).  Da  wird  zuerst  gezeigt,  welcher  Art  diese 
Abgaben  unter  der  einheimischen  Regierung  waren  und  wie  sie  ein- 
gesammelt wurden.  Der  Art  nach  waren  es  nämlich  entweder  Geld- 
abgaben, die  nach  der  Grösse  des  bebauten  Landes,  oder  Abgaben 
in  natura^  die  nach  der  Grösse  der  Erträge  bemessen  wurden,  und 
*/6  der  Gesammtemte  betrugen.    Besonders  interessant  ist  die  Art, 


5Ö 

wla  (Ho  letit|{ananntc  Abgabe  eingetrieben  wurde.  «In  einem  jeden 
I  )iiitrlkto  war  ein  Ueamtefi  Srrker  genannt,  angestellt,  welcher  mit 
einer  groMon  Aniahl  von  Gehülfen,  Schreibern  und  Feldmessern 
ilio  kultivirtcn  Lluidercicn  während  des  Sommers  inspizirte,  über  die 
(•rOMO  der  in  Kultur  genommenen  Feldflächen  und  über  die  muth- 
iu«iAMlichc  (irüsse  der  ICrträgc  Konto  (Uhrte,  und  endlich  nach  der 
Krnte  den,  der  Regierung  tukommenden  Theil  des  Kornes  ( Vs  der 
ticManuuternte)  in  Kmpfang  nalmi.  Seine  Besoldung  erhielt  er  in  Ge- 
]«UU  einer  AddltionalAbgabc,  welche  auf  Vto  dessen,  was  der  Re- 
^iciung  lukaui«  festgestellt  war  Durch  dieses  System  wird  aber  der 
AuUms  gegeben  sur  Verheimlichung  des  wahren  Emtebetrages  von 
Seiten  der  Kingeborcnen»  und  tu  grossen  Erpressungen  von  Seiten 
\lcr  IWantten.  Der  StrJttr  wird  von  den  reicheren  Leuten,  von  de- 
nen er  MCh  bestechen  lässt»  nur  einen  Theil  der  Abgabe  erhellen, 
während  er  von  den  armen  Leuten  weit  mehr  nimmt,  als  sie  zu  ge- 
IvcA  xerprtichtet  sind«  Im  Nachstehenden  theile  ich  einen  authenti- 
schen Kall  n\it«  wie  er  sich  unter  der  russischen  Administration  zu» 
tu^.  Auf  dem  Dreschplatze  eines  kleinen  Grundl>esitzers  lagen  320 
l^und  Uetceiiie«  IVr  Steuereinnehmer  kam  an  und  nahm  zuerst  den 
vi<^<ten  Vhcil  l\u  skh  selbst«  Sein  Gehulfe  nahm  ebenfalls  seiaea 
ll^v^xxhiUichen  TheiL  scuicn  «AermelwlU,  da  er  aber  zu  diesem  Be- 
hüte emei\  Kock  mit  sehr  weiten  Aermcin  angexogen  hatte,  so  t>e- 
Ihm  sich  \he;K^  •  AeitueNxC!»  aut  '  •  der  ganzen  Ernte,  d.  h.  axif  40 
I^IuikI  l Vf  K^ur  des  Iman  nahm  gletchfalU  40  Pfd.  di  es  gebriuchlxcat 
i^t  auch  \len  IVaem  der  Kirche  einen  Andietl  lur^i^escdkes. 
t^h<iMfev>  luhtt)  vJcf  Schnnber  cm  Achte**.  Hierui:  legte  der  ces  Sem- 
etCMMUchuKTt  tv^Witettdc  Backer  rvei  klesae  Kucnem  aix:  öes 
l\v^Sbi|<^s»  \iiviut  thux  ^eätane^  wuruc  .>?  F>i.  rj.  rnttax/a^  Der 
tV«N«it*.j^^  w.S:tt<tchte  dem  Sceceressoeäisser  sizc  öer  cnen  riaoc 
N^v  tN'tV.  ^«i^trvttsS  er  »  der  oaBdenen  Kami  cssea  F.x^srsSl:k  ine^r. 
Mk  >iivvc^va  t^^  c^k:^i^  «ucce  cc  SSi  es&r^äc&ucies.  £nse  jiitfiz-- 
V^Vc  J:^e^J*et•Jt  <i  jry>7  jhFWÄÄA-  ^ceacece  \vy  vMx  Serker  ca  zinr 
^tc>*<  ^ttli.-cnie'  uoc  ;:«itc  Mucie  a!£&  unu  ^räxc&c  iar^  ncac  3ur  «c 
t>u<tc.  M.Hicet*i  «VLfvc  ;Kxifc  cceoiretn  rom  Diee  CK^aiiet.  £s  '^üe- 
>ca  ^VDkfco:^  %ctt  ccit  jrjv'cua^icasM  uc  r\i  aur  ?c  rM  iferc  - te- 
'nr*  ^duK^utt  »vitve-  :T'4ii  icrjdütg   sx  z  riieae  ^^Kieit   ■»'.•vvtt    : 

;»Kf  Ha  v'e«  .sci^GC  V^cii  j^oer  S'.-rtce  fercüeir.     Es  vsr  l:«c  üescm 
iki^<iitCQit  >^c  .ktf&ili^  .äu$  oer  r  jmxwirrt  sex  acnc  »sc^^ol 


57 

es  ihm  geglückt  war  den  grössten  Theil  seiner  Ernte  schon  vorher 
heimlich  auf  die  Seite  zu  brii)gen>.  -^  Es  muss  hierzu  bemerkt  wer- 
den, dass  der  im  Vorstehenden  mitgetheilte  Fall  sich  im  Seraf- 
schan-Thale  zu  einer  Zeit  ereignete,  wo  die  Einverleibung  dieses 
Gebietes  in  das  russische  Turkestan  noch  unentschieden  war;  man 
hatte  die  bisherigen  Einrichtungen,  wie  sie  unter  der  bucharischen 
Regierung  bestanden,  vorläufig  noch  gelten  lassen.  Diese  Zustände 
dauerten  von  1868 — 1871,  von  welcher  Zeit  ab  diese  Methode  der 
Einsammlung  abgeschafft  ward.  Die  Serker  kamen  in  Wegfall,  und 
die  Einsammlung  der  Abgaben  ward,  wie  in  den  übrigen  Theilen 
des  russischen  Turkestan,  den  Ortsbehörden  übertragen,  wobei  sich 
sogleich  eine  Vermehrung  der  Steuereinnahmen  herausstellte,  weil 
der  Serker  mit  seinen  Gehülfen  nicht  mehr  stehlen  konntet  Man 
geht  übrigens  mit  der  Idee  um,  alle  diese  Abgaben  in  Zukunft  nicht 
mehr  in  natura^  sondern  in  Geld  zu  erheben. 

Im  achten  Kapitel  (S.  308 — 335)  beschreibt  Hr.  Schuyler  seine 
Rückreise  von  Samarkand  nach  Taschkend..  Er  schlägt  dabei)  wie 
bereits  bemerkt  worden  ist,  einen  anderen  Weg  ein,  als  den^  welchen 
er  gekommen  war,  indem  er  bei  Dschisak  die  durch  die  Hunger- 
steppe führende  Poststrasse  verlässt,  um  auf  einem  Umwege^  über 
Uratübe  und  Chodschend  und  von  da  durch  den  Kurama-Kreis  nach 
Taschkend  zurückzugelangen. 

Uratübö,  eine  Stadt  mit  mehr  als  10,000  E.,  gefällt  unserem  Rei* 
senden  gar  wohl.  Er  schildert  ihre  Lage  und  die  Aussicht,  welche 
man  von  den  jetzt  zerbröckelnden  Wällen  der  alten  Festung  über 
Stadt  und  Umgegend  geniesst,  als  ganz  reizend,  und  fand  bei  seinen 
Bazarbesuchen  die  Einwohner  äusserst  freundlich  und  gern  bereit^ 
sich  auf  Gespräche  einzulassen.  Als  besondere,  von  ihm  auf  dem 
Bazar  beobachtete  Merkwürdigkeit  werden  die  grünen,  mit  silbernen 
Nägeln  beschlagenen  Reiterstiefeln  genannt,  und  grosse  Holzschuhe 
mit  drei  starken  hölzernen,  unten  nüt  Nägeln  beschlagenen  Fussge« 
stellen,  welche  von  den,  den  Bazar  dieser  Stadt  häufig  besuchenden 
Galtscha's  der  benachbarten  Gebirge  und  aus  Karategin  getragen 
werden.  Ebenso  gefällt  ihm  Chodschend  sehr  gut.  c  Chodschend  (so 
heisst  es  auf  S.  314)  macht  unter  allen  mittel-asiatischen  Städten  bei- 


'  Im  Jahre  1871  mussten  diese  Steuereinnehmer  mehr  als  165,000  Rbl.  zurückzah. 
len,  als  Ersatz  für  das  was  sie  gestohlen  hatten. 

'  Dieser  «Umweg* ,  den  auch  ich  bei  meiner  Rückkehr  von  Samarkand  nach  Tasch- 
kend gerne  eingeschlagen  hätte  (was  jedoch  aus  Mangel  an  Pferden  unterblieb),  ist  jetzt 
der  «Hauptweg*,  d.  h.  die  mit  Stationen  versehene  Poststrasse  geworden. 


5^ 

nahe  den  angenehmsten  Eindnick,  was,  wie  ich  glauben  möchte, 
theils  seiner  Lage  am  Ufer  des  Flusse^  theils  dem  geselligen  und 
Vergnügungen  liebenden  Charakter  seiner  Bewohner,  welche  der 
grossen  Mehrzahl  nach  Tadschiks  sind,  zugeschrieben  werden 
muss».  Hr.  Schuyler  rühmt  die  freundschaftliche  Aufnahme,  welche 
er  bei  dem  Stadthauptmann,  Baron  Nolde^  fand,  unter  dessen 
Aegide  er  Moscheen  und  Schulen  besuchte,  die  Bekanntschaft  eini- 
ger Kadi's  machte,  durch  den  Bazar  ritt  u.  s.  w. ;  fügt  aber  doch  hin- 
zu, dass  die  ihn  begleitende  grosse  Suite  lästig  und  bei  seinen  Nach- 
forschungen hinderlich  gewesen  sei.  Später  jedoch,  als  er  auf  seiner 
Reise  nach  Chokand  abermals  nachChodschend  kam  und  einige  Tage 
daselbst  verweilte,  hatte  er  bessere  Gelegenheit  sich  überall  umzu- 
sehen. Der  Bazar  erscheint  ihm  im  Verhältniss  zur  Stadt  (30,000  E.) 
gross,  und  obschon  auf  demselben  kein  bedeutender  Handel  mit 
irgend  einer  Spezialität  betrieben  wird,  so  ist  er  doch  für  denjenigen, 
welcher  das  Leben  der  Leute  kennen  lernen  will,  ein  ausserordent- 
lich interessanter  Platz.  Leider  erfahrt  man  aber  von  den  durch 
Hm.  Schuyler  hier  gemachten  Studien  in  seinem  Buche  nichts, 
wohl  aber  wird  mit  Ausführlichkeit  der  wichtigen  Rolle  gedacht, 
welche  Chodschend  im  Jahre  1875  während  des  Krieges  mit  Cho- 
kand spielte  (S.  316  u.  flf.). 

Der  Umstand,  dass  25  Meilen  (englisch)  südlich  von  Chodschend, 
bei  Kokine-sai,  die  dem  Oberst  Fowitzki  gehörigen  Steinkohlen- 
lager vorkommen,  deren  Abbau  trotz  des  schwierigen  Transportes 
durch  das  Gebirge,  des  dadurch  bedingten  hohen  Preises  und  des 
geringen  Verbrauches  der  Kohle  doch  noch  mit  einiger  Lebhaftig- 
keit betrieben  wird,  ist  für  Hm.  Schuyler  Veranlassung,  das  Vor* 
konmien  von  Steinkohlen  in  den  westlichen  Tbeilen  des  russischen 
Turkestan  insbesondere,  und  die  mineralischen  Vorkommnisse  der- 
selben Gegenden  überhaupt  zur  Sprache  zu  bringen  (S.  319—^323), 
wobei  vorzüglich  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  des  Hrn.  Prof. 
Romanowsky,  welcher  im  Jahre  1874  im  Auftrage  der  Regierung 
Turkestan  geognostisch  bereiste,  benutzt  werden. 

Was  die  Steinkohle  anbelangt,  so  hat  die  Regierung  weder  Geld 


'  Wenn  Ilr.  Schnyler  von  diesem  Baron  Nolde  aussagt,  dass  er  aus  den  Ostseepro  - 
viniea  stamme  und  an  der  Universität  Dorpat  studirt  habe  (flir  den  Fall  nämlich,  dass 
man:  *had  bten  educated  at  the  University  0/ Dürpat»  nicht  anders  deuten  kann,  als: 
er  ist  Student  gewesen»),  so  beruht  diese  Aussage  wahrscheinlich  auf  einem  Irrthum. 
Wenigstens  habe  Ich  den  Namen  diestf  Herrn  im  Ai^m  meadimkum  dkscr  Univtrittftt 
ganz  vergeblich  gesucht 


59 

noch  Mühe  gescheut,  um  gute  Kohlenb^er  aufzusuchen,  allein  bis 
jetzt  sind  die  Erwartungen,  die  man  anfanglich  in  Betreif  des  Reich- 
thums  dieser  Gegenden  an  Kohlen  hegte,  nicht  erfüllt  worden. 
Unweit  Chodschakend,  ungefähr  60  Werst  nord-östlich  von  Tasch- 
kend  fand  man  ein  schmales  Kohlenlager,  allein  die  Kohle  war 
schwer  zu  gewinnen  und  noch  obendrein  schlecht.  Das  am  Borol- 
dai  aufgefundene,  60  Werst  von  Tschemkend,  160  Werst  von 
Taschkend  und  ebenso  weit  von  dem  Landungsplatze  am  Syr-Darja 
bei  der  Einmündung  des  Arys  entfernte,  nach  seinem  Entdecker 
das  Tatarinow^sche  genannte  Steinkohlenlager,  wurde  eine  Zeitlang 
auf  Kosten  der  Regierung  abgebaut,  allein  der  Betrieb  der  Gruben 
wurde,  obschon  die  Kohle  gut  war,  eingestellt,  weil  der  Transport 
der  Kohlen  zu  theuer  zu  stehen  kam.  Das  dem  Oberst  Fowitzki 
gehörige  Steinkohlenlager  ist  das  einzige,  im  Augenblick  noch  im 
Betriebe  stehende,  obschon  der  Verbrauchsrayon  der  hier  gewon- 
nenen Kohle  wegen  der  Kostspieligkeit  des  Transportes  ein  nur  sehr 
beschränkter  bleiben  und  nicht  weit  über  Uratüb^  und  Chodschend 
hinausgehen  wird.  Hr.  Prof.  Romanowsky  bezeichnet  übrigens,  ge- 
stützt auf  die  geognostischen  Verhältnisse  der  betreffenden  Gregend, 
noch  eine  Anzahl  anderer,  Taschkend  näher  liegender  Punkte,  wo 
man  wahrscheinlich  gute  Kohlen  finden  würde,  allein  man  müsste 
sich  doch  erst  durch  Bohrversuche  von  der  Richtigkeit  solcher  Ver- 
muthungen  überzeugen. 

Bleierze,  und  zwar  sehr  reiche,  kommen  im  Karatau,  nicht  sehr 
weit  von  der  Stadt  Turkestan,  vor.  Dieselben  wurden  schon  seit 
langer  2^it  von  den  Eingebornen  benutzt,  obschon  mit  grosser  Ver- 
schwendung, denn  es  ergab  sich,  dass  die,  von  der  Ausschmelzung 
dieser  Erze  durch  die  Eingebornen  zurückgebliebenen  Schlacken 
noch  volle  31  pCt.  Blei  enthielten.  Die  von  einem  russischen  Kauf* 
mann  unternommene,  etwas  schwierige  Bearbeitung  dieser  Minen  ist 
aber  wieder  eingestellt  worden.  Bleierze  von  gleichem  Reichthum 
hat  Hr.  Romanowsky  im  Karama-Kreise  zu  Karamasar,  einige  20 
Werst  nordwestlich  von  Chodschend,  aufgefunden,  er  berechnet, 
dass  aus  den  hier  vorkommenden  Erzen  jährlich  für  35,500  Rbl. 
Blei  gewonnen  werden  können,  vorausgesetzt,  dass  das  zum  Aus- 
schmelzen der  Erze  nöthige  Brennmaterial  nicht  höher  als  20  Kop. 
pro  Pud  zu  stehen  komme,  dass  auf  die  Dauer  von  24  Jahren  ein 
jährlicher  Absatz  von  28,000  Pud  Blei  zum  Preise  von  i  ^'g  Rbl.  per 
Pud  garantirt  werde^  und  dass  man  während  der  ersten  3  Jahre  auf 
die  nöthigen  berg-  und  hüttenmännischen  Anlagen  die  Summe  von 


6o 

88,500  Rbl.  verwende.  Obgleich  ich  nicht  wetss^  welcher  Grund 
für  Hm.  Schiiyler  vorlag,  diese  detaillirte  Berechnung  in  sein  Buch 
aufzunehmen,  so  möchte  ich  doch  beinahe  glauben,  dass  es  nur  der 
Curiosität  wegen  geschehen  ist.) 

Roth-  und  Brauneisenerze,  sowie  Eisenocker  finden  sich  häufig 
ebenso  Anzeichen  von  Kupfererzen;  allein  es  ist  unmöglich  diesel- 
ben abzubauen,  weil  die  betreffenden  Fundorte  schwer  zugänglich 
sind  und  weil  es  an  passendem  Brennmaterial  fehlt. 

Gold  wird  im  oberen  Serafschan  und  Tschirtschik  gefunden,  je- 
doch in  so  geringer  Menge,  dass  sich  die  Arbeit  des  Aufsuchcns 
nicht  bezahlt  macht. 

Steinsalz  wurde  früher  unweit  Samgar,  nord-östlich  von  Chod- 
schend,  gewonnen;  vielleicht  dass  man  durch  Bohrung  neue  Lager 
aufschliesst. 

Reiche  Naphthaquellen  finden  sich  zu  Mai-Bulak,  einige  30 
Werst  von  Namangan^  Hr.  Schuyler  meint,  dass  diese  Naphtha 
j-echt  leicht  zu  Wasser  nach  Chodschend,  wenn  nicht  gar  nach 
Taschkend  gebracht  werden  könne,  und  zwar  in,  die  jetzige  Nach- 
frage weit  übertreffenden  Quantitäten.  Der  Kaufmann  Feodorow 
habe  vom  Chan  von  Chokand  die  Konzession  zur  Bearbeitung  dieser 
Naphthaquellen  gegen  Zahlung  von  10  pCt.  erhalten,  allein  es  ist 
ihm  (wie  auch  mir)  nicht  bekannt,  ob  diese  Bearbeitung  jetzt  schon 
begonnen  habe^ 

Hr.  Schuyler  setzt  jetzt  die  Beschreibung  seiner  Reise  fort  (S. 
323  u.  ff.).  Er  verlässt  Chodschend  und  überschreitet  den  Syr-Darja 
mittelst  Prahmes,  da  die  von  einem  Privatunternehmer  erbaute 
Brücke  damals  noch  nicht  fertig  war,  und  gelangt  durch  gebirgiges 
Land  und  über  hochgelegene  Steppen  in  die,  von  den  Flüssen  An- 


'  Hr.  Schuyler  fkllt  hier  gewissermaassen  aus  seiner  Rolle.  Indem  er  im  Obigen  nur 
von  dem  Mineralreichthum  des  Rassischen  Turkestan  (nach  den  Grenzen  vom  Jahre 
1873,  der  Zeit  seiner  Reise,  und  noch  obendrein  mit  vorläufigem  Ausschluss  der  östli- 
chen Theile  des  Landes)  sprechen  will,  durfte  er  eigentlich  die  Naphthaquellen  von 
Mai-Bulak  bei  Namangan  gar  nicht  mit  anßihren,  da  Chokand  damals  noch  nicht  zu 
Russland  gehörte.  Was  die  mineralbchen  Vorkommnisse  Chokands  (des  jetzigen  russi- 
schen Ferghana-Gebiets)  so  wie  des  östlichen  Theiles  des  russischen  Turkestan  an- 
langt, so  ist  davon  erst  im  zweiten  Bande  des  Schuyler  *schen  Werkes  die  Rede. 

•  Hr.  Schuyler  hält  es  bei  der  Erwähnung  Feodorow's,  den  er  einen  tmining  sptcu- 
lator*  nennt,  für  nöthig,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  nian  es  mit  der  im  «(7^^- 
^fl/A/Vfl/J/fl^a«W»  (Januarheft',  1875)  enthaltenen,  auf  den  übertriebenen  Berichten 
Feodorow's  beruhenden  Schilderung  der  mineralischen  Rcichthümer  CentralAsiens 
dnrchans  nicht  so  genau  nehmen  dttrfft. 


6i 

gren  und  Tschirtschik  durchströmten  und  durch  unzählige  Fluss- 
arme und  Kanäle  bewässerten  Niederungen,  in  denen  ein  ausseror- 
dentlich starker  Reisbau  getrieben  wird.  Das  Durchführten  des  tie- 
fen und  reissenden  brückenlosen  Tschirtschik'  macht  gfrosse  Mühe, 
und  geschieht  in  derselben  Weise,  wie  bereits  beim  Serafschan  er- 
wähnt worden  ist.  Die  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses  liegende 
Ortschaft  Kuiljuk  ist  die  Residenz  des  Kurama^schen  Kreischefs, 
der  hier  ein  elegantes  Haus  (beinahe  ein  Palast)  mit  grossen  Gärten 
und  gut  unterhaltenen  Anlagen  hat,  und  gar  kein  Hehl  daraus 
macht,  dass  er  die  Kosten  keineswegs  aus  seinem  2400  Rbl.  betra- 
genden Gehalte  zu  bestreiten  vermag. 

Hr.  Schuyler  befindet  sich  jetzt  mitten  im  Kurama-Kreise,  der, 
was  Reichthum  und  dichte  Bevölkerung  anlangt,  nur  von  dem  Se- 
rafschan-Kreise  übertroffen  wird.  Die  Bevölkerung  dieses  Kreises 
besteht  neben  reinen  Usbeken  und  Kirgisen  aus  den  Abkömmlin- 
gen einer  Mischung  verschiedener  central-asiatischer  Volksstämme 
(woher  auch  der  Name  •Kurama»  d.  h«  «gemischt»).  Sie  ist  durch- 
aus sesshaft,  da  jedoch  die,  von  den  Flüssen  Angren  und  Tschir- 
tschik bewässerten  Landestheile  im  Verhältniss  zu  der  dort  vorhan- 
denen Volksmenge  nicht  gross  genug  sind,  so  ist  ein  ansehnlicher 
Theil  der  Bevölkerung  genöthigt,  sich  mit  Viehzucht  zu  beschäfti- 
gen. Die  Art  und  Weise,  wie  diese  Viehzucht  hier  betrieben  wird, 
beschreibt  Hr.  Schuyler  auf  S.  325  u.  ff.* 

Den  Schluss  des  achten  Kapitels  und  zugleich  des  ersten  Bandes 
des  Schuyler'schen  Werkes  bilden,  wenn  man  von  den  3  bereits 
weiter  oben  angezeigten  <Appendices»  absieht,  einige,  das  Klima 
Turkestan's,  so  wie  die  verschiedenen  einheimischen  Zeitrechnun- 
gen, die  Jahres-,  Monats-,  Wochen-  und  Tages-Eintheilungen  ange- 
hende Bemerkungen.  Nur  von  den  erstgenannten,  das  Klima  betref- 
fenden Bemerkungen,  möge  hier  noch  die  Rede  sein. 

Hr.  Schuyler  sagt  da  (S.  326  u.  ff.),  dass  es  zwar  seine  Schwierig- 

'  Jetzt  ist  eine  Brücke  vorhanden. 

*  Ilr.  Schuyler  führt  unter  den  hier  gehaltenen  Thieren  auch  die  fettschwänzigen 
Schafe  an,  und  bemerkt,  dass  die  bei  diesen  Thieren  so  charakteristische  Fettansamm- 
long  bisweilen  sehr  bedeutend  sei.  Wenn  er  aber  hinzufügt,  die  Erzählung,  dass  es 
Schafe  mit  so  mächtigem  Fettschwanze  gebe,  dass  das  Schaf  denselben  auf  Rädern  mit 
sich  herum fohren  müsse,  sei  die  Uebertreibung  irgend  eines  •story-teller»  d.  h.  «Ge- 
schichtenmachers», oder  (wenn  man  will)  «Lügners«,  oder  «Windbeutels»,  so  sehe  ich 
mich  genöthigt  zu  erklären,  dass  ich  ein*  oder  zweimal  solche  Schafe  gesehen  und  über 
den  possirlichen  Anblick  herzlich  gelacht  habe;  zwar  nicht  in  Turkestan,  wohl  aber  im 
Kaukasus  oder  im  südlichen  europäischen  Russland. 


62 

keit  habe,  eine  genaue  Kenntniss  in  Betreff  des  mittel-asiatischen 
Kiima's  zu  gewinnen,  da  man  erst  seit  1873  suigefangen  habe,  in 
Central-Asien  meteorologische  Beobachtungen  in  systematischer 
Weise  anzustellen;  dass  es  aber  dennoch  möglich  sei,  sich  wenig- 
stens eine  allgemeine  Vorstellung  davon^  zu  verschaffen,  wenn  man 
die,  von  einzelnen  Privatpersonen  an  verschiedenen  Orten  angestell- 
ten Thermometerbeobachtungen  benutzt.  Im  Allgemeinen  ist  das 
Klima,  besonders  in  den  nördlichen  Theilen  des  Landes,  ein  merk- 
lich kontinentales,  d.  h.  also,  es  herrscht  hier  jm  Sommer  grosse 
Hitze  und  im  Winter  grosse  Kälte;  allein  es  lassen  sich  doch  Unter- 
schiede herausfinden,  nach  denen  man  innerhalb  des  russischen 
Turkestan  so  ungefähr  vier  verschiedene  klimatische  Zonen  aufstellen 
kann. 

Die  nördliche  Zone,  welche  sich  nach  Süden  etwa  bis  zu  45*  N- 
B.  erstreckt,  umfasst  den  unteren  Lauf  des  Syr-Darja  bis  zum  Fort 
)i  2  und  den  unteren  Lauf  des  Ili.  Es  herrscht  hier  im  Allgemeinen 
ein  kaltes  Klima,  und  die  Aprikose  und  Weinrebe  kommen  nicht 
fort.  An  der  äussersten  Westgrenze  dieser  2k)ne,  bei  Kasalinsk,  ist 
die  mittlere  Jahrestemperatur  4.  6,9^  Celsius,  während  sie  an  der 
äussersten  Ostgrenze,  bei  Kopal,  -f.  7,6^  C.  beträgt.  Der  Schnee 
bleibt  ungefähr  3  Monate  liegen.  Der  Sommer  dauert  in  Kasalinsk 
5  Monate  ohne  Regen  und  ist  ausserordentlich  heiss;  während  bei 
Kopal  die  Hitze  des  Sommers  durch  die  Nähe  der  schneebedeckten 
Gebirge  und  durch  die  vom  Balchasch-See  blasenden  Westwinde 
gemässigt  wird. 

An  die  vorhergehende  Zone  grenzt  im  Süden  die  Aprikosen* Zone 
an.  Sie  umfasst  Perowsk, Turkestan,  Aulie- Ata  und  Wernoje.  Wemoje 
hat  eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  +  7®  C  (allerdings  nur  nach 
im  Jahre  1861  angestellten  Beobachtungen).  Die  Trauben  kommen 
in  Wernoje  zur  Reife,  sind  aber  von  weit  geringerer  Güte,  als  die  süd. 
lieber  wachsenden.  Der  NVinter  ist  in  dieser  Zone  kürzer,  als  in  der 
vorhergehenden,  aber  die  Winde  sind  viel  heftiger.  Der  Winter  ist 
ungefähr  derselbe,  wie  in  Mittel-Deutschland,  obschon  das  Quecksilber 
bisweilen  bis  auf  — 34^  C.  sinkt,  und  im  Sommer  bis  auf  ^37^0.  (im 
Schatten)  steigt. 

Die  Pfirsich-  und  Mandelzone  umschliesst  Mankend,  Tschemkend, 
Taschkend,  Tokmak,  den  Distrikt  von.Kuldscha,  Uratüb6,  Dschisak 
und  den  Serafschan-Distrikt.  Südwärts  von  Taschkend  braucht  die 
Weinrebe  während  des  Winters  nicht  mehr  bedeckt  zu  werden.  Der 
Distrikt  von  Kuldscha,  obschon  weit  nördlicher  liegend,  wird  von 


63 

ailea  Seiten  durch  kobe  Gebirge  geschützt  und  erhält  dadurch  sefne 
verhältnissmässig  hohe  Temperatur;  die  mittlere  Jahrestemperatur 
beträgt  4-  9,8^  C.y  und  es  ist  daher  hier  möglich,  Aprikosen,  Pfirsiche, 
Weintrauben,  Granatäpfel  und  andere  zarte  Früchte  zu  kultiviren*  • 
Die  mittlere  Jahrestemperatur  von  Taschkend  betrug  (nach  den  im 
chemischen  Laboratorium  während  der  Jahre  1872,  1873  und  1874 
angestellten  Beobachtungen)  +  13,6*,  I3,4*  und  13,1*  Celsius.  Der 
Taschkendsche  Winter  ist  kurz,  und  der,  etwa  während  eines  Monats, 
fallende  Schnee  schmilzt  schnell.  Bisweilen -fallt  das  Thermometer 
im  Winter  bis  auf  — 21®  C  und  steigt  im  Sommer  bis  auf  -f  43*  C. 
(am  Schatten). 

Die  vierte  Zone  endlich  umfasst  das  Thal  von  Chodschend  und 
alle  jene  kleinen  Gebirgsthäler  im  Süden  des  42'  N.  B.  Hier  kommt 
sogar  die  Pistazie  fort. 

Von  dem  zu  Nukus  am  Amu-Darja  eingerichteten  meteorologi- 
schen Observatoriuin  lagen  Hrn.  Schuyler  nur  die  vom  Juli  bis  No- 
vember 1874  angestellten  Beobachtungen  vor.  Die  Temperatur 
war  während  dieser  Monate  ungefähr  dieselbe,  wie  in  Taschkend ; 
der  höchste  Stand,  welchen  das  Quecksilber  erreichte,  war  4.  42^  C. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Uebersicht  der  russischeB  historischen  Literatur 

für  die  Jahre  1874-1876 

Von 

Prof.  >V.  Jkonnikow. 

(Fortsetzung.*) 


Das  Jahr  1874. 

14.  Tagebuch  A.  W.Chrapowizkifs.  1782—1793,  nac/i  dem  Manu- 
Skript^  mit  einer  Biographie  und  einem  erklärenden  Register  von  Niko- 
lai Barssukow.  St.  Petersburg*. 

15.  Erzählungen  aus  dem  polnischen  Alterthum.  Memoiren  des 
XVIII.  Jahrhunderts  von  Jana  Duklan  Ochotskij.    Nach  den  von 

•  Vgl,  tRuss.  Revue»  Bd.  XII,  S.  473  u.  flf. 

•  S.  darttber  -Russ.  Revue»  Bd.  VII  S]   139  —  164  u.    193—214,  den  Artikel  von 
Fjrof.  Brttdcner :  Zur  Charakteristik  der  Kaiserin  Katharina. 


64    ._ 

ihm  hinterlassenen  Manuskripten  herausgegeben  von  %  Krascliewskij, 
Band  I.     Uebersetzung  aus  dem  Polnischen.     St.  Petersburg. 

Diese  Memoiren  liefern  ein  reiches  Material  für  die  Sittenge- 
schichte Polens  zur  Zeit  der  Theilung  und  geben  lebendige  Charak- 
teristiken  der  damaligen  bedeutendsten  Männer,  die  an  der  Spitze 
der  Truppen  und  der  Administration  der  betreffenden  Gebiete  stan- 
den. Die  Erzählungen  reichen  bis  zum  Tode  Kaiser  Alexander  I., 
die  kurzen  Bemerkungen  bis  zu  den  dreissiger  Jahren.  Beilagen 
enthalten  Auszüge  aus  den  Memoiren  des  Abbate  Ochotskij  (eines 
Onkels  des  Autors),  Severin  Bukar*s,  Chrshonstowskij^s  und  eine  bio- 
graphische Skizze  des 'gelehrten  Priesters  Dmochowskij.  In  der 
Uebersetzung  ist  Mehreres  weggelassen  worden. 

i6.  MuraivjeW'Karskijy  N.  iV.,  Die  Türkei  und  Egypten  von,  1832 
^«1833.    Theil  L  Das  Kriegstfieater. 

17.  Memoiren  des  Protohierej^s  T.  A.  WercJunvskij\  der  in  den  Jah- 
ren 1845 — 48  abhommandirt  war^  die  Orütodoxie  in  den  Tscliemi" 
gauf  sehen  und  StaroduV sehen  altgläubigen  Possads  zu  reorganisiren. 
Kasan. 

18.  Historisch-politische  Briefe  und  Auf  Zeichnungen  während  des 
Krieges  von  1853 — 1856,  von  M,  P.  Pogodin.     Moskau. 

Letztgenanntes  Werk  betrifft  die  Periode  von  1838 — 43,  doch  haupt« 
sächlich  die  Jahre  1853 — 56  und  berührt  die  slawische  Frage  mit 
Bezug  auf  Europa  und  Russland  und  die  äussere  Politik  Russlands 
(1813—53),  ^*^  der  Autor  für  eine,  im  höchsten  Grad  fehlerhafte 
und  von  verderblicher  Wirkung  auf  die  innere  Politik  hält,  weil  sie 
enorme  Ausgaben  für  die  Armee  erforderte  und  somit  in  demselben 
Maasse  die  Befriedigung  der  inneren  Bedürfnisse  des  Landes  un- 
möglich machte.  Die  westlichen  Revolutionen  spiegelten  sich  un- 
günstig in  den  Universitäten,  in  der  Literatur  und  dem  gesellschaft- 
lichen Leben  wie4er.  Der  Verfasser  kämpft  für  die  Freiheit  der 
Bauern,  für  die  Freiheit  des  Wortes,  für  die  Oeffentlichkeit,  Volks- 
bildung u.  s.  w.  Von  einem  vernünftigen  Konservativen  geschrie- 
ben, dienen  die^e  Briefe  und  Aufzeichnungen  dem  künftigen  Histo- 
riker als  unentbehrliches  Material  zur  Darstellung  der  russischen 
Gesellschaft  am  Vorabend  des  Falles  von  Ssewastopol  und  der  dar- 
auffolgenden Reformen.  Sie  sind  im  Jahre  1860— 61  im  Auslande 
erschienen. 

Zum  Schluss  der  Uebersicht  über  die  Quellen,  die  im  Jahre  1874 
erschienen  sind,  sei  noch  erwähnt: 

19.  Erzählungen  der  jüdischen  Schriftsteller  voti  den  Chasarcn  und 
dem  Chasarenreich^  gesammelt^  übersetzt  und  erklärt  von  A,  y.  Mar' 
kavy.  Lief.  I  St.  Petersburg.  Separat- Abdruck  aus  den  Arbeiten 
der  orientalischen  Abtheilung  der  russischen  archäologischen  Gesell- 
schaft'. 

Unabhängig  von  der  schon  genannten  Publikation  der  Wilna*schen 
Kommission,  muss  hier  eine  Edition  erwähnt  werden,  die  auf  Kosten 


'  S.  «Rass.  Reme»  Bd.  X,  S.  310  u.  ff«  und  Bd.  XI,  S«  143  o.  ff. 


65 

des  Wilna^schcn  Lehrbezirks  gedruckt  ist  und  ein  wesentliches  Hülff;- 
mittel  beim  Lesen  der  Akten  des  nord-westlichen  Gebiets  und  des 
Königreichs  Polen  bildet. 

20.  Wötterbuch  der  alten  Akten-Spraclte  des  nordwestlichen  Gebiets 
und  des  Königreielis  Polen,  zusammengestellt  von  N,  Gorbatschewskij\ 
Wilna. 

Die  Aktensprache  des  Gebiets,  welches  unter  der  Herrschaft  Polens 
stand,  stellt  ein  Gemisch  von  russischen,  polnischen  und  lateinischen 
Wörtern  und  Ausdrücken  dar,  die  in  Folge  der  Vermischung  und 
anderer  Ursachen  eigenartige  Formen  und  eine  eigenartige  Termino- 
logie erhalten  haben,  die  häufig  einer  speziellen  Erklärung  bedürfen. 
Die  juristischen  Begriffe  und  Formen  sind  nicht  wenig  verwirrt. 
Weiter  findet  sich  eine  Reihe  von  Benennungen  der  Aemter,  Wür- 
den, Maasse,  Münzen,  Kleider,  Wochen  und  Feiertage,  durch  welche 
die  gerichtlichen  Beziehungen  bestimmt  wurden  u.  s.  w. 

Alles  das  ist  vom  Autor  berücksichtigt  und  auf  Grundlage  der 
Akten  und  von  Spezial-Arbeiten  für  jeden  Zweig  der  Terminologie 
besonders  erklärt. 

Ein  ähnlicher  Versuch  war  vor  einigen  Jahren  von  Hrn.  Nowjtzkij,  in 
den  Universitäts- Nachrichten,  mit  einem  terminologischen  Wörter- 
buch des  Süd-westlichen  Russlands,  aber  in  kleineren  Dimensionen, 
gemacht  worden.  (Wörterbuch  der  juristischen  Termini  in  der  alten 
Akten-Sprache  des  süd-westlichen  Russlands.) 


II.  AllgemeineWerke,  Monographien  undUntersuchungen. 

Fortsetzungen  erschienen  im  Jahre  1874  von  folgenden,  schon 
früher  begonnenen  Ausgaben : 

2 1 .  Hülfsmittel  zur  Erlernung  der  russischen  GescIUchte  nach  der 
kritischen  Methode  von  Jw.  W,  Laschnjukow.  Kijew.  Liefg.  II. 

Die  erste  Lieferung  war  1S70  erschienen  und  enthielt  die  Biogra- 
phie des  verstorbenen  Autors  und  kurze  geschichtliche  Abrisse  bis 
zur  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  mit  ganz  besonderem  Hinweis  auf 
den  innern  Zustand  der  Gesellschaft.  Die  zweite  Lieferung  ist  ein 
Separat-Abdruk  einer  Reihe  von  Artikeln  aus  den  Universitäts- 
Nachrichten  (1869 — 73).  Ohne  eine  vollständige  Darstellung  der 
Geschichte  zu  enthalten,  gibt  sie  umständliche  Abrisse  der  Zeit  von 
Iwan  III.,  Wassilij  Iwanowitsch,  Iwan  Grosnij  und  Boris  Godunow. 
Mit  hauptsächlicher  Berücksichtigung  der  politischen  Beziehungen 
führt  der  Autor  die  wesentlichsten  Meinungen  über  streitige  Fragen 
an  und  lässt  dann  seine  eigene  Ansicht  folgen.  Die  zweite  Ab- 
theilung dieser  Lieferung  enthält:  cAbrisse  der  Historiographie», 
darunter  die  Annalen  (der  Autor  hält  Nestor  für  den  Verfasser  der 
Annalen  in  ihrem  ganzen  Umfang),  Memoiren  von  Russen  (beson- 
ders von  Kurbskij  und  Kotoschichin)  und  Ausländern  (Baer,  Olearius), 
Uebersicht  der  Bearbeitungen  der  Geschichte  (Tatischtschew,  Lo- 
monossow, Karamsin,  Polewoi).     Den  Schluss  macht  eine  biogra- 

i«ii.U«TM.Bd.XIII.  e- 


66 

phische  Skizze  «Wladimir  Monomach»,  die  abgeschlossenste  und 
gelungenste  Skizze  in  dieser  Lieferung. 

22.  Die  russische  Geschichte  in  Biographien  ihrer  bedeutendsten 
Männer  von  N.  Kostomarow.   Lief.  I — V.    St  Petersburg  1873 — 74. 

In  diesen  5  Lieferungen  ist  die  Geschichte  Russlands  von  Wladi- 
mir dem  Heiligen  bis  zur  Regierung  Sophiens  fortgeführt.  Die  An- 
sichten Kostomarow's  über  einzelne  Persönlichkeiten  und  Epochen, 
die  er  in  dieser  Arbeit  berücksichtigt,  sind  mehr  oder  weniger  aus 
seinen  früheren  Untersuchungen  bekannt.  Die  künstlerische  Bear- 
beitung hat  auch  dieser  neuen  Arbeit  allgemeine  Verbreitung  ver- 
schafft. 

23.  Geschichte  der  russischen  Kirche  in  der  Periode  ihrer  Theüung 
in  zwei  Metropölitan-Eparchien,   Band  VII,  Theil  II.    St.  Petersburg. 

Im  zweiten  Theil  des  VII.  Bandes  betrachtet  der  Autor  die  Klöster 
und  die  geistliche  Literatur  in  der  Periode  von  1240 — 1589.  Fol- 
gende Schriftsteller  sind  berücksichtigt:  Pachomij  Logothet,  Genna- 
dij von  Nowgorod,  Joseph  Wolokolamskij,  Fürst  Wassian  Patrikejew, 
Maxim  der  Grieche,  Metropolit  Daniel,  Metropolit  Makarius,  Syl- 
vester. 

Diese  Arbeit  des  Metropoliten  Makarius,  wie  auch  die  vorher- 
gehenden Bände,  haben  wegen  der  Fülle  des  neuen  Materials  Bedeu- 
tung. Der  Autor  benutzt  beständig  die  handschriftlichen  Materia- 
lien der  russischen  Kirchen-Bibliotheken,  wie  auch  seiner  Eigenen 
reichhaltigen  Bibliothek.  Ucbrigens  enthält  dieser  Band  weniger 
Daten,  als  die  übrigen.  Der  Autor  bemüht  sich  die  bekannten 
«Josephiten»  zu  vertheidigen,  die  in  der  politischen  und  Kirchen- 
Geschichte  Russlands  im  XVI.  Jahrhundert  eine  wichtige  Rolle  ge- 
spielt haben. 

24.  Geschichte  Russlands ^  von  S.  Ssolawjew.  Band  XXIV.  Moskau. 
Dieser  Band  behandelt  die  letzten  Jahre  der  Regierung  Elisabeth 

Petrowna's,  die  Zeit  des  siebenjährigen  Krieges.  Der  Autor  beginnt 
mit  einer  eingehenden  Untersuchung  der  Ursachen,  welche  einen 
Wechsel  im  west-europäischen  Bündniss,  d.  h.  den  Abschluss  einer 
Allianz  zwischen  Oesterreich  und  Frankreich  hervorgerufen  haben. 
Als  entscheidendes  Ereigniss  bezeichnet  er  den  Abschluss  einer 
Allianz  zwischen  Preussen  und  England.  Solcher  Gestalt  tritt  die 
Beleidigung  der  Pompadour  durch  Friedrich  II.,  die  lange  Zeit  für 
den  Hauptanstoss  zu  dieser  Thatsache  galt,  in  den  Hintergrund. 
Andererseits  waren  die  Nothwendigkeit,  den  «plötzlich  König  Gewor- 
denen» zu  schwächen  und  seine  früheren  Versuche,  durch  die  Alt- 
gläubigen und  die  Befreiung  des  früheren  Kaisers  Iwan  Antonowitsch 
in  Russland  Unruhen  zu  stiften,  genügend  starke  Motive  zur  Theil- 
nähme  an  dem  allgemeinen  europäischen  Krieg.  Die  Lage  des 
Kanzlers  Bestushew,  der  mit  Zuversicht  auf  die  Engländer  hoffte, 
war  eine  sfehr  kritische.  Gegen  die  Feldherrn,  denen  die  Leitung 
des  Krieges  übertragen  warfApraxin,  Fermor,  Ssaltykow,  Buturlin), 
wendet  sich  der  Verfasser  mit  grosser  Strenge.  «Alle  vier»,  bemerkt 
er,  «hatten  keine  Fähigkeiten  za  Höchstkommandireaden»«  Daulurch 


beseitigt  er  auch  die  Ansicht,  als  ob  Apraxtn  in  seinen  Handlungen 
von  St.  Petersburg  und  dem  Einfluss  Bestushew's  abhängig  gewesen. 
Die  Neigung  des  Letzteren  zu  England  und  seine  Bemühungen,  eine 
Annäherung  an  Frankreich  zu  verhindern,  erscheinen  als  die  Haupt- 
ursachen der  in  St.  Petersburg  gegen  den  Kanzler  eingeleiteten 
Intrigue.  Demungeachtet  war  die  Befürchtung  eines  Regierungs- 
wechsels (in  Folge  der  krankhaften  Anfälle  der  Kaiserin)  und  die 
Sympathie  des  Thronfolgers  für  Friedrich  bekannt  und  mussten 
auch  auf  die  Handlungsweise  der  Feldherren  wirken. 

Von  anderen  Fragen  treten  die  Beziehungen  Polens  klar  hervor, 
in  denen  man  schon  die  Lage  dieses  Landes  unter  Katharina  II.  vor- 
aussehen kann. 

Die  Darstellung  ist  nach  Jahren  geordnet;  jedem  Jahr  ist  ein  be- 
sonderes Kapitel  gewidmet,  den  Schluss  bildet  eine  Darstellung  der 
Thatsachen,  die  auf  die  innere  Lage  Russlands  Bezug  haben.  Dar- 
unter sind  die  beständigen  Unruhen  der  Bauern  und  die  Frage  über 
Verwaltung  der  Kirchen-Güter  hervorzuheben. 

Wenn  auch  der  vorliegende  24.  Band  das  frühere  System  der  Ver- 
theilung  des  Materials,  beibehält,  so  zeichnet  sich  derselbe'  doch 
durch  grosse  Einheit  aus,  da  sich  die  Ereignisse  selbst  klar  neben 
der  Hauptfrage  gruppiren,  was  man  von  den  früheren,  der  Regierung 
Elisabeth's  gewidmeten  Bänden  nicht  sagen  kann.  Eine  allzu  ein- 
gehende Vertheilung  des  Materials  zersplittert  die  Facta,  nöthigt  oft 
zu  Wiederholungen,  und  das  wiederum  führt  zu  einer  Anhäufung 
von  vielen  kleinen  Thatsachen,  namentlich  bei  Darstellung  von  Be- 
sonderheiten des  inneren  Lebens;  dadurch  wird  die  richtige  Beleuch- 
tung des  Bildes  und  die  strenge  Einheit  der  Erzählung  beeinträch- 
tigt. Die  Anfügung  der  handschriftlichen  Dokumente  und  statisti- 
scher Daten  als  Beilagen  könnte  einige  dieser  Mängel  beseitigen, 
was  in  Hinsicht  auf  die  bevorstehende  Darstellung  einer  so  wichtigen 
Epoche  wie  die  Zeit  Katharina  II.  es  ist,  wünschenswerth  wäre. 

25.  i4.  Petrow.  Der  Krieg  Russlands  mit  der  Türkei  und  den  pol- 
nischen Konföderirten  von  1769 — 1774.  Zusammengestellt  Tiach  bisher 
meist  unbekanntem  handschriftlichem  Material,  III —  V.  Mit  Plänen. 
St.  Petersburg. 

Die  beiden  ersten  Bände  dieser  Arbeit  erschienen  schon  im  Jahre 
1866.  Die  1874  herausgegebene  Fortsetzung  umfasst  die  Zeit  von 
1771 — 74  und  enthält  eine  eingehende  Darstellung  der  Aktion  der 
russischen  Truppen  unter  Rumjanzew,  Ssuworow  und  Dolgorukow 
an  der  Donau,  in  Polen  und  in  der  Krim,  wie  auch  der  russischen 
Flotte  im  Archipelagus.  Ausserdem  berücksichtigt  der  Autor  die 
diplomatischen  Beziehungen  Russ^ands  mit  den  fremden  Mächten, 
die  mit  der  Theilung  Polens  und  dem  Vertrage  von  Kainardshi  ende- 
ten, in  eingehender  Weise.  Die  vielen  hier  verarbeiteten,  bisher 
nicht  veröffentlichten  Materialien  aus  den  Archiven  des  Ministeriums 
der  auswärtigen  Angelegenheiten  und  dem  des  Generalstabs,  wei- 
cher letztere  bekanntlich  reich  an  Materialien  für  die  Kriegsge- 
schichte i3ty  gibt  der  Arbeit  besonderes  Interesse.    Neben  der  mil- 

5* 


68 

tärisch^n  Bedeutung  hat  das  Werk  auch  ein  allgemeingeschichtliches 
Interesse. 

Als  Beilagen  sind  dem  IV.  und  V.  Bande  der  Schriftwechsel,  die 
Türkei  betreffend,  Reskripte  und  Notizen  für  Rumjanzew  (1772 — 74) 
beigefügt.  In  dem  Text  selbst  citirt  der  Verfasser  viele  interessante 
Stellen  aus  den  Handschriften,  welche  auf  die  >tichigsten  Fragen  der 
damaligen  Politik  Bezug  haben. 

26.  Denkmäler  des  russischen  Alterthums  in  den  westlichen  Gouver- 
nements des  Reic/is,  Auf  Allerhöclisten  Befehl  herausgegeben  von  P. 
N.  Batjuschkow.   Lief.  VI.   Text  mit  18  Zeichnungen. 

Diese  Lieferung  bildet  mit  der  vorhergehenden  V.  ein  Ganzes. 
Die  vier  ersten  Lieferungen  waren  Wolhynien  gewidmet,  die  V.  und 
VI.  behandelt  die  Geschichte  Wilna's.  Besondere  Aufmerksamkeit 
verdient  der  werthvoUe  Artikel  des  Professors  der  St.  Petersburger 
Universität  W.  G.  Wassiljewskij :  «Abriss  der  Geschichte  der  Stadt 
Wilna».  Dem  Autor  standen  auch  noch  nicht  veröffentlichte  Mate- 
rialien zu  Gebote. 

In  der  V.  Lieferung  war  die  Geschichte  Wilna's  bis  zum  Anfange 
des  XVn.  Jahrhunderts  fortgeführt,  die  VI.  schliesst  mit  dem  Jahre 
1795,  also  der  Zeit  der  vollständigen  Einverleibung  des  Gebietes  ab. 
Die  erläuternden  Artikel  über  die  Stadt  Wilna  bis  1523,  über  die 
Trümmer  des  Schlosses  u.  s.  w.  stammen  aus  der  Feder  Hilde- 
brandt^s.  Zum  Schluss  ist  ein  Artikel:  «Einige  Worte  über  die  Denk-^ 
mäler  im.  westlichen  Russland*  und  ein  eingehendes  alphabetisches 
Register  angefügt. 

Die  Ausstattung  des  Werkes  (Tafeln  in  Folio  in  Chromolithogra- 
phie) ist  musterhaft. 

In  enger  Beziehung  zu  unserer  alten  Geschichte  steht  das 
Werk  von 

27.  A,  Kotljarewskij.  Die  Rechts- Altert/mner  der  baltisciun  Slaven. 
TheilL   Prag. 

Dieses,  «einen  Versuch  eines  vergleichenden  Studiums  des  slavi- 
schen  Rechts»  darstellende  Werk  behandelt  folgende  Fragen:  i.  Auf- 
gaben und  Methode  der  Untersuchung.  Quellen.  2.  Land  und 
Leute.  3.  Rechts-Alterthümer.  Gewohnheit.  Gesetz.  Verfügungen 
der  Obrigkeit.   4.  Familienleben.    5.  Eigenthum.   6.  Verträge. 

Eine  besondere  Beilage  enthält:  «Materialien  für  die  slavische  Ge 
schichte  und  das  slavische  Alterthum.  —  i.  Die  Erzählung  von  Otto 
von  Bamberg». 

Die  Untersuchung  Kotljarewskij's,  fern  von  vorgefassten  Ansich- 
ten über  die  Bedeutung  und  die  Geschichte  der  Slaven,  gewährt  ein 
reichhaltiges,  wissenschaftlich  gesichtetes  Material  für  das  verglei- 
chende Studium  der  älteren  Periode  der  russischen  Geschichte.  Die 
Untersuchung  der  Geschichte  und  des  Rechts  der  baltischen  Slaven 
kann,  hinsichtlich  der  Geschichte  der  nowgorodschen  Slaven,  beson- 
dere Bedeutung  haben,  da  in  der  historischen  Literatur  die  Ansicht 
von  der  nahen  Verwandtschaft  mit  den  baltischen  Slaven  existirt. 

28.  Veber  die  Ugrer,  die  in  Mittel-  und  Nord'Russland,  in  Finkmd 


69 

% 

und  im  nördlichen  Theil  Skandinaviens  bis  zur  Ankunft  der  jetsigen 
Eimvolmer  gelebt  haben.    Von  D.  P.  Europäus,     St.  Petersburg. 

Schon  im  Jahre   1868  veröffentlichte  der  Verfasser  über  diese 
Frage  einen  Artikel  im  «Journal  des  Ministeriums  der  Volksaufklä- 
rung •>  sich  vorzugsweise  auf  die  geographischen  Benennungen  der 
bezeichneten  Gegend  stützend.    Die  neueste  Broschüre  dient  als 
Antwort  auf  eine  der,  auf  dem  archäologischen  Kongress  in  St. 
Petersburg  aufgeworfenen  Fragen,  und  basirt  auf  den  bezüglichen 
Untersuchungen,  auf  geographischen  Benennungen,  philologischen 
Kombinationen  und  persönlichen  Beobachtungen  des  Autors  und 
bestätigt  seine  früheren  Ansichten,  dass  vor  Ankunft  der  Siaven  in 
dieser  Gegend  nicht  eigentlich  ein  finnischer,    sondern  ein  ugrischer 
Stamm  gelebt  habe,  zu  dem  die  Ungarn,   Ostjaken  und  Wogulen 
gehören.     Der  Autor  meint,  die  «archäologische  Erforschung  dieses 
ganzen  Gebiets  werde  wahrscheinlich  diese  Daten  in  kurzer  Zeit 
zum  Eigenthum  der  Wissenschaft  machen  und  den  alt-historischen 
Zusammenhang  zwischen  Russland,  Finland,   Skandinavien  und  Un- 
garn  zeigen   und  das  lebhafteste  Interesse  von   Europa  und  der 
ganzen  civilisirten  Welt  erwecken».     In  seinen  weiteren  Auseinan- 
dersetzungen wendet  sich  der  Autor  gegen  Castren,  der  für  die  Hei- 
math des  ganzen  finnischen  Stammes  den  Altai  hält.     Bis  hierher 
kann  man  mit  den  vielen  Schlüssen  des  Autors  übereinstimmen. 
Seine   weiteren  Bemerkungen    über  den  Ausgang   des    ugrischen 
Stammes,  wie  auch  anderer  Völker  aus  Ober-  und  Mittel- Afri:  a  sind 
jedoch  nichts  mehr  als  Hypothesen,  die  übrigens  neulich  auch  der 
bekannte  dänische  Gelehrte  Worso  in  seinem  Werke:   «Russlands 
og  det  Skandinaviske  Nordens  Bebyggelse  og  aeldeste  Kulturfur- 
gold»  ausgesprochen  hat,  das  den  Ansiedelungen  und  den  ältesten 
Kulturbeziehungen  Russlands  und  der  skandinavischen  Welt  gewid- 
met ist.     Die  Uebertragung  dieser  Arbeit  ist  im  «Boten  der  Gesell- 
schaft für  altrussische  Kunst*  begonnen  worden. 

Dem  Artikel  des  Hrn.  Europäus  sind  zwei  Karten  angeschlossen, 
eine  allgemeine  Karte,  darstellend  die  Verbreitung  der  finnisch-unga- 
rischen Völker  in  alter  Zeit  nach  Norden,  und  eine  Karte  des  Gebiets 
des  Weissen  Meeres,  mit  den  Ugrischen  Benennungen  der  Gegen- 
den. Man  ersieht  daraus,  däss  im  Nord- Westen  dieses  Gebiets,  in 
dem  bis  jetzt  von  der  finnischen  Tschudja  bewohnten  Gebiet,  fin- 
nische Namen  ohne  jede  ugrische  Beimischung  beginnen,  im  ugri- 
schen Gebiete  aber  keine  finnischen  Benennungen  mit  finnischen, 
nicht- ugrischen  Endungen  vorkommen. 

29.  Nachrichten  der  Kaiserlichen  Gesellschaft  von  Freunden  der 
Naturkunde,  Antropologie  und  Ethnograp/üe.  Band  XIIL  Lief.  2. 
Arbeiten  der  ethnographischen  Abtheilung.  Buch  11  L  Lief.  2.  Von  K. 
A,  Popow.     Moskau. 

Diese  Arbeit  gibt  eine  umständliche  und  vollständige  Beschrei- 
bung der  von  den  Syrjanen  bewohnten  Gegend  und  enthält:  Nach- 
richten über  den  Ursprung  der  Syrjanen,  ihre  Sprache  und  Bezie- 
hungen "zu  den  Finnen^  der  Prozess  der  Russifizirung ;  das  Leben  des 


alten  iPerms ;  einen  Abriss  der  Geschichte  und  Geographie  des  syr- 
janschen  Gebiets;  die  Natur  und  Kommunikationswege;  die  natür- 
lichen Reichthümer  der  Gegend;  die  physischen  und  moralischen 
Eigenschaften  der  Syrjanen;  ihre  Sprache  und  Entstehung  der 
Völksliteratur;  Aberglauben  und  Vorurtheile;  häusliches  Leben  und 
häusliche  Gewohnheiten,  Feld-  und  Gemüsebau  und  Viehzucht; 
Thier-  und  Vogelfang;  Fischfang  und  andere  Gewerbe;  Handels- 
beziehungen; allgemeine  Schlüsse. 

Neben  der  systematischen  Darstellung  hat  diese  Arbeit  noch  Be« 
deutung,  weil  der  Verfasser  alle  Nachrichten  über  ^die  Geschichte 
der  Gegend  darin  gesammelt  hat,  die  in  30  grossen  Bänden  im  nicht- 
offiziellen Theil  der  Wologda'schen  Gouvernements-Zeitung  zer- 
streut, und  für  einen  grossen  Theil  der  Forscher  unzugänglich  sind. 
Doch  andererseits  muss  man  es  dem  Autor  zum  Vorwurf  machen, 
dass  er  Untersuchungen,  wie  die  speziellen  Arbeiten  von  Sjögren 
nicht  beachtete.  Die  eigenen  Schlüsse  des  Autors  sind  nicht  immer 
richtig. 

30.  Arbeiten  der  Naturforscher- Gesellschaft  bei  der  Kaiserliclun 
Universität  Kasan,  Band  IV.  Nr,  2.  Materialien  für  vergleic/unde 
Anthropologie^  von  N,  Malijew,  Ka^an. 

3 1 .  Materialien  für  die  Antl^ropologie  des  östlichen  Gebiets  Russ* 
lands.     Mit  photographischen  Abbildungen. 

Diese  Arbeit  enthält  eine  Untersuchung  von  Schädeln  von  Tsche- 
remissen,  Wotjaken  und  Tartaren  im  Zusammenhang  mit  Messungen, 
die  an  lebenden  Individuen  dieser  Stämme  gemacht  sind.  Die  zweite 
Hälfte  der  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  einer  «Anthropologischen 
Skizze  der  Wotjaken*.  Eine  Reihe  von  Tabellen  enthält  ausführ- 
liche Messungen  von  Schädeln  lebender  Individuen  in  den  Grenzen 
von  Ost-Russiand. 

32.  Mainow.  Eine  Fahrt  zum  Onega-See  und  nach  Kardien. 
St  Petersburg. 

Ein  Separat  Abdruck  aus  dem  Journal  «Snanije« ;  eine  interessante 
historisch-ethnographische  Skizze. 

33.  Der  Kaukasus  in  archäologischer  Beziehung.  Von  Ad.  Berger. 
Tiflis. 

Dieses  lebendig  und  anziehend  geschriebene  Buch  gibt  eine  histo- 
rische Uebersicht  der  Alterthümer  des  Kaukasus  und  Transkau- 
kasiens  und  berücksichtigt  die  Pfahlbauten,  die  Städte,  Denkmäler, 
Kirchen,  Klöster,  Gräber  und  Inschriften. 

34.  Geschichte  Bessarabiens  seit  der  ältesten  Zeit^  von  Alexei  Nakko. 
Band  I.  Lief.  i.  1873.   Lief.  2.  1874.    Odes.sa. 

Diese  beiden  Lieferungen  enthalten  die  Landesgeschichte  wäh- 
rend der  scythischen  und  griechisch-römischen  Periode;  die  schon 
erschienene  3.  Lieferung  ist  der  Epoche  der  Völkerwanderung  ge- 
widmet. Leider  hat  der  Autor  nicht  auf  die  Quelle  verwiesen,  wie- 
wohl er  einige  im  Text  erwähnt. 

35.  Ueber  den  Einfluss  de$  Kampfes  sswischen  den  Völkern  und 


7t 

Ständen  auf  die  Gestaltung  des  ms  suchen  Reichs  in  der  vorntongoli- 
sehen  Periode.     Vtni  M.  Satyrkewitsch.    Moskau. 

Der  Charakter  dieser  Arbeit  ist  historisch-juridisch.  Der  Inhalt  ist 
nach  folgenden  Kapiteln  gegliedert:  I.  Geschichte  der  Ansiedelung 
und  des  gesellschaftlichen  Zustandes  der  Völker  im  Osten  Europa's 
vor  Rurik.  U.  Die  warägisch--russische  Bevölkerung  und  ihre  anfäng- 
lichen Beziehungen  zu  den  Bojaren  und  Fürsten  der  altslavischen 
Städte,  m.  Bildung  einer  neuen  gewerbtreibenden  Bevölkerung  in 
den  altslavischen  Städten  und  ihre  anfängliche  Verfassung.  IV.  Der 
Kampf  der  neuen  sesshaften  Bevölkerung  mit  den  umherschweifen- 
den Völkern,  Bildung  neuer  Städte  und  eines  Bauernstandes  vor  den 
Mongolen.  V.  Der  Kampf  der  sesshaften  Bevölkerung  mit  den 
nomadisirenden  Völkern  und  Bildung  eines  süd-russischen  Staates 
und  einer  süd-russischen  Nationalität.  VL  Die  russische  Staatsord- 
nung zur  Zeit  Swjatopolk's,  Monomach 's  und  Mstislaw's.  VIL  Die 
Auflehnung  der  Bojaren  und  Bewohner  der  Possade.  VIII.  Ueber 
den  Einfluss  der  Auflehnung  der  Städte  auf  die  kommunale  und 
politische  Lage  der  städtischen  und  ländlichen  Bevölkerung  und  auf 
die  Fürstenmacht  in  Beziehung  zu  ihr.  IX.  Zersetzung  des  Bundes- 
staates. Das  dominirende  Reich  des  Nordens.  Beginn  des  Feu- 
dalismus im  Süd- Westen  und  Nord-Osten. 

Das  Interesse  dieser  Arbeit  besteht  in  dem  eigenartigen  Versuch, 
die  gegenseitigen  Beziehungen  der  verschiedenartigen  Elemente  in 
der  ältesten  Periode  der  russischen  Geschichte  auf  der  Basis  sehr 
sorgfältig  gesammelter  faktischer  Daten  zu  beleuchten.  Für  einen 
besonders  wichtigen  Theil  des  Werkes  halten  wir  die  Darstellungen 
über  den  Einfluss  der  ältesten  Beziehungen  zum  Osten  auf  die  Ent- 
faltung des  Bürgersinns  im  nord-westlichen  Russland  und  über  die 
Entwickelung  und  Bedeutung  der  Städte  in  dieser  Periode,  wenn 
man  auch  mit  den  bezüglichen  Schlüssen  nicht  immer  übereinstim- 
men kann.  Das  Endresultat  des  Autors  besteht  darin,  dass  «in  den 
letzten  Jahren  der  vormongolischen  Periode,  in  der  Zeit,  als  sich  im 
Osten  noch  Ueberbleibsel  bundesstaatlicher  Beziehungen  vorfanden 
und  im  Norden  sich  ein  dominirendes  Reich  bildete,  in  anderen 
Th eilen  des  russischen  Gebietes  nicht  nur  Keime  und  Bestrebungen  auf- 
traten, aus  denen  feudale  Monarchien  hervorgehen  mussten,  sondern 
sich  auch  Centrert  bildeten,  von  denen  eine  eroberungssüchtige  Be- 
wegung zur  gewaltsamen  Einigung  Russlands  auf  feudaler  Basis  aus- 
ging». Im  Ganzen  verdient  die  Arbeit  volle  Aufmerksamkeit;  doch 
müssen  manche  Ansichten  und  Vergleiche  des  Autors  als  willkürlich 
bezeichnet  werden. 

36.  Die  weltlichen  erzbischöflichen  Beamten  im  alten  Russland. 
Van  N.  Kapterew.     Moskau. 

Der  Autor  erklärt  die  Erscheinung  eines  Instituts,  wie  es  die  welt- 
lichen erzbischöflichen  Beamten  sind,  die  mit  ihren  weitgehenden 
Rechten  im  alten  Russland  eine  Eigenthümlichkeit  nur  des  russi- 
schen kirchlichen  Lebens  darstellen,  das  von  jedem  äusseren  Einfluss 
unabhängig  war.     Die  Entstehung  dieses  Instituts  war  auf  dem  ge- 


räumigen  Landbesitz  und  der  weitreichenden  Jurisdiktion  gegründet, 
welche  die  Repräsentanten  der  Kirche  im  alten  Russland  genossen.  Der 
Typus  dieses  Beamtenthums  bildete  sich  nach  dem  Muster  der  weltli- 
chen Verwaltung.  Der  Verfasserschildert  die  erzbischöflichenJBeamten 
nach  den  Gruppen:  i.  Beamte,  welche  verschiedene  Zweige  der  Epar- 
chial-Verwaltung'leiteten;  2.  Beamte,  welchen  die  Verwaltung  des 
erzbischöflichen  Hofes,  der  Ländereien  und  der  Bauernangelegen- 
heiten oblag;  3.  Beamte,  die  ausschliesslich  Hotämter  beim  Erz- 
bischof bekleideten  und  keinen  Antheil  an  der  Verwaltung  nahmen. 
Dann  gibt  der  Verfasser  noch  eine  Beschreibung  der  Befehle  der 
Patriarchen  und  Bemerkungen  über  die  Befehle  anderer  Eparchial- 
Erzbischöfe. 

Als  Material  benutzte  der  Autor  hauptsächlich  schon  veröffent- 
lichte Akten. 

37.  Der  Priester  Sylvester  von  Blagoweschtscliensk  und  seine  Schrif- 
ten. Eine  Untersuchung  von  Golockivastow  und  vom  Arcßumandriten 
Leonid,   Moskau. 

Der  Autor  selbst  hat  nur  bis  zur  10.  Seite  (im  Jahre  1849)  ge- 
schrieben, doch  ist  das  Werk  nach  seinem  Plan  fortgesetzt  (1873). 
Da  die  Untersuchung  auf  die  Erzählung  Kurbskij's  gegründet  ist,  so 
gibt  sie  in  ihren  Schlüssen  wenig  Neues  und  gehört  zu  der  Kategorie 
von  Werken,  die  in  Sylvester  nur  einen  Helden  und  Urheber  der 
besten  Zeit  der  Regierung  Iwan  IV.  sehen.  Weit  wichtiger  sind  die 
Beilagen  zum  Buche,  obwohl  ein  grosser  Theil  derselben  schon 
veröffentlicht  ist.  Zwei  Sendschreiben,  die  da  Platz  gefunden  haben, 
geben  ein  werthvolles  Material  zur  Beleuchtung  damaliger  Anschau- 
ungen über  die  höchste  Gewalt,  so  wie  auch  zur  Geschichte  der 
Eroberung  Kasans  und  des  Charakters  der  Verwaltung  jenes  Ge- 
biets. 

38.  P.  A.  Kulisch.  Geschichte  der  Wiedervereinigung  Russlands. 
I.  und  II.     St.  Petersburg. 

Der  erste  Theil  dieses  Werkes  enthält  die  Darstellung  der  Ansie- 
delung des  südlichen  Russlands  durch  polnische  Kolonisten  und  der 
russischen  Kolonisation  am  unteren  Dnjepr  durch  Kosaken,  die  als 
Vertheidiger  der  Kolonisation  gegen  die  Tartaren  erscheinen.  Wei- 
ter sind  die  gegenseitigen  Beziehungen  der  verschiedenen  Elemente 
der  Bevölkerung  (nationalen,  kirchlichen  u.  s.  w.)  bis  zum  Beginn 
des  Kosaken-Schljachta-Krieges  berücksichtigt.  Der  zweite  Band 
umfasst  diesen  Krieg  bis  zur  Wiederherstellung  einer  rechtgläubigen 
Hierarchie  in  Kijew  (1620). 

Der  Autor  selbst  bemerkt,  seine  Arbeit  sei  nur  eine  «Skizze 
dessen,  wie  seiner  Meinung  nach  eine  Geschichte  seiner  Heimath 
geschrieben  werden  müsse«;  doch  bekennt  er,  doss  ihre  Mängel 
offen  daliegen  und  zwar  «das  Skizzenartige  einiger  Theile  und  der 
Mangel  eines  gleichen  Verhältnisses  unter  ihnen«,  was  auch  richtig 
ist.  Den  Autor  beschäftigen  die  einzelnen,  an  der  Spitze  der  Volks- 
bewegung stehenden  Personen  wenig,  sein  ganzes  Interesse  ist  auf 
diese  Bewegung  selbst  gerichtet.  So  ist  denn  in  seiner  Erzählung  das 


n 

dominirende  Element,  welches  der  Epoche  Leben  und  Physiognomie 
verleiht — das  Kosakenthum,  welches  er  aber  idealisirt.  Er  behauptet 
mit  Entschiedenheit,  die  «Kosaken  hatten  nicht  nur  relig^iöse,  son- 
dern auch  politische  Tendenzen».  Sie  waren  Vertheidiger  ihres 
Hauses  und  nach  dem  Kriege  verschmolzen  sie  mit  der  übrigen  Be- 
völkerung; die  Kirche  zog  darauf  das  Kosakenthum  zu  ihrer  Ver- 
theidigung  heran,  doch  geschah  diese  Vertheidigung  unbewusst. 
Die  Kosaken-Korporation  sah  die  Sicherung  ihrer  Zukunft  durchaus 
nicht  im  Bau  von  Kirchen  und  in  der  Errichtung  von  Schulen,  son- 
dern im  Schwert  und  im  Raub.  Mit  der  in  das  Gebiet  einziehenden 
Ordnung  wurden  sie  überflüssig.  Das  Kosakenleben  trug  einen  aus- 
gesprochen negativen  Charakter  und  nie  einen  positiven,  wie  einige 
Historiker  es  darstellen,  oder  genauer,,  es  hatte  immer  einen  berech- 
nend-materiellen Charakter,  aber  nie  eineaspekulirend-geistlichen». 
Der  Autor  spricht  sich  energisch  gegen  die  in  der  Bearbeitung 
der  Geschichte  «seiner  Heimath*  herrschenden  Richtung  aus.  #In 
unserem  Publikum  ist  nach  Kritik  keine  Nachfrage,  es  begnügt  sich 
mit  der  Wahrscheinlichkeit  historischer  Monographien  und  hat  das 
Gefühl  für  historische  Wahrheit  in  dem  Grad  verloren,  dass  es  mit 
Stimmen-Majorität  manchmal  den  Anekdoten- Erzähler  zum  Histori- 
ker stempelt*.  Diese  Bemerkung  wird  bei  der  Lektüre  des  Buches 
klar  (Bd.  11),  wo  in  den  Anmerkungen  auch  die  literarischen  Gegner 
des  Autors  enthüllt  werden.  Darauf  kann  man  übrigens  bemerken, 
dass  der  leidenschaftliche,  polemisirende  Ton,  der  in  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  d&  Gegenstandes  hineingetragen  ist,  dieser 
selbst  am  meisten  schadet.  Durch  diese  polemisirende  Richtung 
hat  das  ganze  Buch  ohnehin  gelitten,  welches  wegen  der  originellen  An- 
schauung des  Autors  trotzdem  Aufmerksamkeit  verdient,  besonders 
da  er  nicht  ermangelte  von  dem  bedeutenden  handschriftlichen  Ma- 
terial Gebrauch  zu  machen.  Der  Verf.  verspricht  noch  einen  Band 
Materialien  für  die  Geschichte  der  Wiedervereinigung  Russlands 
herauszugeben  und  ausserdem  ein  Sammelwerk,  enthaltend  sämmt- 
liche  kritische  Bemerkungen,  die  auf  des  Gegenstand  seiner  Unter- 
suchung Bezug  haben.  Zur  Betheiligung  an  dieser  «kritisch-biblio- 
graphischen Arbeit  für  die  Geschichte  der  Wiedervereinigung  Russ- 
lands» fordert  er  alle  geeigneten  Kräfte  auf.  Bei  einer  solchen  Ein- 
theilung  der  Arbeit  und  Darstellungsweise  darf  man  natürlich  er- 
warten, dass  die  Publikation  des  Hauptwerkes  des  Autors  sich  noch 
unendlich  in  die  Länge  ziehen  wird. 

39.  Der  Staat  und  die  Volksbildung  in  Russland  im  XVIII.  Jahr- 
hundert, Van  Wladimir skij'Budanow.  Theil  I.  Das  System  der  pro- 
fessionellen Bildung  von  Peter  I.  bis  Katkaritta  II,  Jaroslaw. 

Eine  genaue  Analyse  dieses  Buches  habe  ich  in  den  Universitäts- 
nachrichten für  das  Jahr  1874  üt  12  veröffentlicht. 

40.  Russische  Frauen.  Biograpltische  Umrisse  aus  der  russischen 
Geschichte.  Von  D.  Mordawzew,  4  Bände.  L  Frauen  vor  Peter  dem 
Grossen.  IL  Frauen  der  ersten  Hälfte  des  XVIIL  Jahrh.  III.  Frauen 
der  zweiten  Hälfte  des  XV HL  Jahrh.  IV  Frauen  des  XIX.  Jahrh. 


74 

Trotz  des  Umfanges  dieses  Werkes  macht  der  Autor  «weder  auf 
Selbstständigkeit  historischer  Forschung  über  die  Lage  der  Frau  in 
der  Geschichte  Russlands,  noch  auf  spezielle  Bestimmung  der  histo- 
rischen Rolle  jeder  der  Frauen  Anspruch,  denen  historische  Un- 
sterblichkeit zu  Theil  geworden«.  Sein  Buch  ist  «nichts  anderes,  als 
eine  systematische  Darstellung,  geeignet  zur  allgemeinen  Lektüre». 
Somit  erscheint  der  Autor  als  Darsteller  wichtiger  Fragen  der 
russischen  Geschichte  in  populärer  Form,  wie  er  das  schon  in  seinen 
früheren  Arbeiten  gezeigt  hat.  Die  Darstellung  ist  leicht  und  allge- 
mein verständlich.  ' 

Was  die  Wahl  des  Materials  betrifft,  so  können  wir  derselben 
nicht  vollkommen  beistimmen.  So  bemerkt  der  Verf.  im  ersten 
Bande,  dass  er  einige  Persönlichkeiten  (z.  B.  J.  Lasarewskij  u.  A.), 
die  einen  mehr  literarischen  Typus  repräsentiren  oder  mit  dem  Ge- 
biet der  Aufklärung  in  Verbindung  stehen,  übergangen  habe,  und* 
doch  füllt  er  eine  Reihe  von  Seiten  mit  Namen,  deren  nur  die  Chro- 
nisten Erwähnung  thun,  oder  von  denen  man  nur  sagen  kann:  sie 
lebten  und  starben.  Die  Biographie  einer  Julie  Lasarewskij  dient 
mehr  zur  wahren  Veranschaulichung  des  Zeitgeistes,  als  es  die 
flüchtigen  historischen  Notizen  vermögen.  Doch  der  Autor  hat  so- 
gar solche  Züge,  wie  das  Leben  der  Bojarin  Morosow  ohne  Berück- 
sichtigung gelassen,  welches  wegen  des  Zusammenhanges  einer  russi- 
schen Frau  des  XVII.  Jahrhunderts  mit  der  religiösen  Bewegung 
sehr  charakteristisch  ist^  obwohl  dafür  Materialien,  wie  Bearbeitun- 
gen existiren.  Nicht  weniger  wesentliche  Auslassungen  bemerken 
wir  auch  in  den  folgenden  Bänden.  Der  zweite  Band  zeigt,  dass  der 
Autor  sich  mit  dem  Material  begnügt  hat,  das  ihm  die  Literatur  der 
6oer  Jahre  geliefert  und  dass  er  den  späteren  Publikationen  keine 
Aufmerksamkeit  geschenkt  hat.  In  Folge  dessen  ist  auch  die  Bio- 
graphie der  Schwester  des  Kaisers  Peter  II.  ausgefallen,  wodurch  in 
den  Biographien  der  Menschikow,  der  Dolgorukow's  und  anderer 
ihrer  Zeitgenossinnen  eine  wesentliche  Lücke  entsteht.  Die  Mängel 
der  Arbeit  machen  sich  namentlich  in  Biographien,  wie  in  der  Ka- 
tharina's  IL  und  der  Daschkow  fühlbar,  bei  denen  sich  der  Autor 
nicht  bemüht  hat,  die  biographischen  Züge  von  den  allgemein 
historischen  Daten  zu  trennen.  So  stellt  er  denn  als  Charakteristik 
Entwürfe,  Verfügungen,  Dekrete  hin  und  berührt  die  literarischen 
Arbeiten  Katharina's,  ihren  Briefwechsel  mit  literarischen  und  poli- 
tischen Grössen  gar  nicht.  Ebenso  wenig  betrachtet  er  Katharina 
als  Verfasserin  von  Entwürfen  u.  s.  w.  Eine  Einwirkung  der  letzten 
Edition  ihrer  Papiere  auf  seine  Arbeit  ist  nicht  bemerkbar.  In  der 
Biographic  der  Daschkow  glaubt  der  Autor  allzusehr  ihren  eignen 
Erzählungen.  In  der  Reihe  der  Frauen  des  XIX.  Jahrhunderts  ver- 
missen wir  die  Fürstin  Lieven,  die  Gräfin  Rostoptschin,  Frau  J.  A. 
Chwostow  geb.  Ssuschkow,  die  Verfasserin  der  bekannten  Memoi- 
ren, ausserdem  bekannt  durch  ihre  literarischen  Verbindungen,  also 
die  russischen  Frauen^  welche  die  Folgen  des  Jahres  1825  erfuhren 
und  schon  einen  Platz  in  der  Poesie*gefunden  haben. 


75 

41.  Kaisir  yoann  Antan^wiisch  und  seine  Verwandten,  ^1741— 
lioj)^  Van  A.  G.  Brückner.  Moskau  ^ 

In  der  lebendigen  und  umständlichen  Darstellung  des  Prof. 
Brückner,  worin  die  Schicksale  der  Familie  Braunschweig  behandelt 
sind,  verdient  die  Beschreibung  der  Ankunft  des  ehemaligen  Kai- 
sers iit  Schlüssdburg  die  meiste  Aufmerksamkeit.  EHe  Sache  Miro- 
witsch ist  mit  besonderer  Umständlichkeit  dargestellt^. 

42.  Bemerkenswerthe  Reichthümer  von  Privatpersonen  in  Russland, 
OekonantischJüstorische  Untersuchung  von  y,  P.  Kamowitsch.  St.  Pe- 
tersburg. 

Der  Autor  betrachtet  die  verschiedenen  Mittel  der  Bereicherung 
Seitens  Privatpersonen,  den  Zusammenhang,  in  welchem  der  Reich- 
thum  mit  dem  Staatsdienst  steht,  den  vom  Reichthum  gemachten 
Gebrauch,  die  Abhängigkeit  der  Reichthümer  von  politischen  Kata- 
strophen, den  von  alten  Zeiten  herrührenden  Reichthum  und  die 
Bereicherung  in  neuer  Zeit  und  endlich  den  Reichthum  verschiede- 
ner Familien.  Die  interessante  Darstellung  des  Buches  wird  durch 
UnvoUständigkeit  beeinträchtigt,  besonders  in  dem  Theile,  der  die 
Reichthümer  einzelner  Personen  und  Familien  behandelt.  Der 
Autor  hat  nicht  alles  ihm  zu  Gebote  stehende  Material  benutzt^ 

43.  Historische  Betrac/itung  der  Gründung  von  Schulen^  Lehranstal- 
ten und  gelehrten  Gesellschaften,  von  1625 — 1855.  Zusammengestellt 
von  N.  A.  Lebedew.  St.  Petersburg. 

Dieses  Werk,  obwohl  nur  zum  Nachschlagen  bestimmt,  lässt  auch 
in  dieser  Hinsicht  Vollständigkeit  vermissen.  Uebrigens  ist  Von 
demselben  schon  eine  neue  Ausgabe  mit  einigen  Ergänzungen  er- 
schienen. 

44.  Geschichte  der  russischen  Akademie.  Von  M.  P,  SsiuhomUnow. 
Lfg.  /.  St.  Petersburg. 

Die  Arbeit  Ssuchomlinow's  nimmt  unter  den  historischen  Mono- 
graphien des  Jahres  1874  eine  der  ersten  Stellen  ein.  Nach  der  un 
erwartet  unterbrochenen  Arbeit  des  Akademikers  Pekarskij,  füllt 
diese  Arbeit  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  Lücke  in  der  Ge- 
schichte der  russischen  Aufklärung  des  XVII.  Jahrhunderts  aus.  Das 
Werk  hat  aber  auch  eine  selbstständige  Bedeutung,  indem  es  eine 
Fülle  von  interessanten  neuen  Angaben  enthält  und  sich  durch  die 
Darstellung  selbst  auszeichnet.  Nach  einem  Ueberblick  der  Einrich- 
tungen, die  der  Akademie  vorangingen,  folgt  die  Geschichte  dersel- 
ben nach  den  verschiedenen  Regierungen,  deren  Geist  und  Charak- 
ter sich  in  ihr  «sehr  bestimmt»  äusserte.  Ihre  selbstständige  Exi- 
stenz verlor  diese  Akademie,  wie  bekannt,  unter  Nikolai  I. 

Die  erste  Periode  der  russischen  Akademie  umfasst  die  Zeit  von 
1783 — 1796,     Die  erste  Lieferung  ihrer  Geschichte  enthält  nur  die 


*  Vergl.  «Russ.  Revue»  Bd.  V.  S.  97—147,  213—256,  309 — 345.    Bd.  VIII.  S.  364 

—3^ 

*  Eine  Receiision  dieser  Arbeit  enthält  das  «Alte  und  Neue  Russland*.  J^  5. 

*  Ein  ausführliches  Referat  über  dieses  Buch  (von   Prof.  Brückner)  findet  sich  im 
«Historischen  Taschenbuch»  herausg.  von  W.H.Riehl.  V.Folge  VII.  Jahrgang.  D.Red, 


{ 


76 

Biographie  des  Präsidenten  der  Akademie,  des  Fürsten  J.  R.  Dasch- 
kow,  und  ihrer  Mitglieder  aus  dem  geistlichen  Stande^  unter  denen 
der  Metropolit  Gabriel,  der  gewesene  Vertreter  der  Geistlichkeit  in 
der  Kommission  zur  Zusammenstellung  eines  Gesetzbuches,  hervor- 
tritt; ferner  der  im  Auslande  erzogene  Damaskin,  der  Herausgeber 
von  Lomonossow's  Schriften,  der  Protohierej  Alexejew,  bekannt 
durch  seine  originelle  Ansichten  über  kanonische  Fragen,  besonders 
über  das  Mönchthum.  Die  Bedeutung  dieser  Biographien  liegt 
darin,  dass  der  Autor  die  literarische  und  allgemeine  Thätigkeit  der 
Mitglieder  der  Akademie  betrachtet  und  so  ein  kostbares  Material 
für  die  Geschichte  der  russischen  Gesellschaft  im  XVIII.  Jahrhundert 
liefert. 

45.  Das  Leben  des  General- Lieutenant  Fürsten  Madatow, 

46.  Das  Leben  des  Grafen  M.  N,  Murawjew  im  Zusammenhang 
mit  den  Ereignissen  seiner  Zeit,  bis  zu  seiner  Ernennung  zum  Gotwer- 
neur  von  Grodno,  Bibliographische  Skizze  von  D.  A,  Kropotaiu. 
St.  Petersburg. 

In  den  acht  Kapiteln  des  Werkes  behandelt  der  Verfasser  die 
Genealogie  der  Familie  Murawjew,  die  Erziehung  und  den  Zustand 
der  Moskauer  Universität  im  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts,  die 
Gründung  der  mathematischen  Gesellschaft '  durch  Murawjew,  seine 
Theilnahme  am  Kriege  im  Jahre  181 2,  an  den  Maassnahmen  gegen 
die  Hungersnoth  im  Gouvernement  Smolensk,  an  geheimen  Gesell- 
schaften, deren  Organisation,  seinen  Dienst  im  nord-westlichen  Ge- 
biet<als  General- Gouverneur  und  Gouverneur  und  seine  Stellung  zum 
polnischen  Aufstande  im  Jahre  1831. 

Der  Verfasser  hat  bei  seiner  Arbeit  die  Akten  über  die  Empörung 
des  Ssemenow'schen  Regiments  (gegen  6000  Bogen)  benutzt,  ausser- 
dem Dokumente  über  die  Theilung  Polens  im  Moskauer  Archiv  der 
äusseren  Angelegenheiten  und  Papiere  über  den  Aufstand  von  1831 
im  ehemaligen  Archiv  des  Departements  der  Militär-Ansiedelungen. 
Zudem  hat  er  sich  im  Archiv  des  Reichsraths,  des  Kriegsministe- 
riums, der  Volksaufklärung,  des  Innern,  des  Wilna'schen  General- 
Gouverneurs  u.  A.  beschäftigt  und  auch  Gelegenheit  gehabt,  die 
Akten  in  Sachen  der  Dekabristen  benutzen  zu  können.  In  den 
Beilagen  liefert  er  werthvoUe  Materialien,  z.  B.  das  Statut  der 
mathematischen  Gesellschaft,  eine  von  ßestushew-Rjumin  im  Jahre 
1824  mit  den  polnischen  Verschworenen  abgeschlossene  Konven- 
tion, u.  s.  w. 

Doch  vermochte  der  Verfasser  nicht  ganz  auf  der  Höhe  der  Lei- 
denschaftlosigkeit,  zuweilen  nicht  einmal  der  einfachen  Objektivität 
zu  bleiben.  Obwohl  ihm  wichtiges  Material  zu  Gebote  stand,  legte  er 
doch  nicht  das  in  sein  Werk,  was  unmittelbar  auf  seinen  Helden  Be- 
zug hat,  sondern  stellt  statt  dessen  lange  Untersuchungen  über  die 
Theilungen  Polens  an. 

47.  Geschichte  der  Belokriniz^ sehen  Hierarchie.  Von  N,  Ssubbotin, 
Theil  I.   Moskau. 


n_ 

Der  Verfasser  dieses  Werkes  ist  durch  seine  Artikel  über  die  Ge- 
schichte der  Sektirer  bekannt. 

Die  beiden  ersten  Kapitel  behandeln  die  Versuche  der  Sektirer, 
sich  Bischöfe  zu  schaffen  (seit  1730),  und  die  Nothwendigkeit,  in's 
Ausland  überzusiedeln,  in  Folge  der  vom  Kaiser  Nikolaus  ergriffenen  . 
Maassregeln.  Die  Kapitel  3  —  5  sind  den  Ansiedelungen  der  Sek- 
tirer in  Oesterreich,  dem  Belokriniz'schen  Kloster  und  den  Be- 
ziehungen der  Sektirer  zur  Österreichischen  Regierung,  hinsichtlich 
der  Bischofswürde,  gewidmet.  In  den  Kapiteln  6 — 8  werden  ihre 
Beziehungen  zu  den  russischen  Sektirern  in  derselben  Frage  und 
im  Osten  behandelt.  Der  Verfasser  war  in  der  Lage  das  reiche 
Belokriniz'sche  Archiv  und  Werke  benutzen  zu  können,  die  ihm 
von  Personen,  welche  den  dortigen  Ereignissen  nahe  standen,  zur 
Disposition  geteilt  waren.  Uebrigens  zeichnet  auch  dieses  Werk 
nicht  durch  die  in  solchen  Werken  nöthige  Leidenschaftlosigkeit  aus. 

48.  Ein  Kampf  auf  Leben  und  Tod  mit  neuen  historischen  Ketzereien. 
Von  Pogodin .     Moskau . 

Diese  Schrift  enthält  gesammelte  polemische  Artikel  des  Autors 
gegen  Ilowaiskij  und  besonders  gegen  Kostomarow  anlässlich  der 
von  ihnen  in  der  Literatur  erhobenen  Streitfragen  über  den  Ursprung 
Russlands,  der  Führer  während  des  Interregnums  u.  s.  w. 

49.  Feter  Mogila  und  Jesaias  Kopinskij.     Von  Golubjew.    Moskau. 
Der  Autor  benutzt  das  vorhandene  Material  der  russischen  und 

polnischen  Literatur, 

50.  Die  Schicksale  der  Union  in  der  russisciten  Eparchie  Cliolm. 
Von  Nil  Popow.   Moskau. 

Ungeachtet  des  geringen  Umfangs  dieser  Arbeit,  welche  die  Ge- 
schichte der  Cholm*schen  Eparchie  von  ihrer  Entstehung  bis  auf  die 
Gegenwart  skizzirt,  ist  sie  reich  an  Daten  und  zeichnet  sich  durch 
sorgfältige  Darstellung  der  Frage  und  durch  Hinweise  auf  die  ein- 
schlägige Literatur  aus. 

51.  Die  Kijew'sche  Architektur  des  X. — XII.  Jahrhunderts.  Von 
Prof,  P.  A.  Laschkarew.   Kijew. 

Dieses  Referat  verlas  der  Autor  auf  dem  dritten  archäologischen 
Kongress  Er  berücksichtigt  die  Ueberbleibsel  kirchlicher  alter 
Zeit,  hervortretende  Züge  des  Kijew'schen  Stils,  die  Mittel  und  den 
Plan  des  Baues  damaliger  Kirchen. 

52.  Der  religiöse  Charakter  der  russischen  Herrscher  des  XVIII 
Jahrhunderts.    Von  F.  Tenwwskij.   Kijew. 

53.  Gesammelte  Werke  von  A.  Hilferding,  Theil  IV.  St. Petersburg. 
Dieser  Band  enthält  die  zweite  Ausgabe  der  Geschichte  der  bal- 
tischen Slaven. 

54.  Historisch' statistische  Beschreibung  der  Tsc/iemigow" sehen 
Eparchie.    Vom  Bischof  FilareU  Tschernigow. 

Der  statistische  Theil  des  Werkes  ist  schwach,  der  historische, 
jedoch  enthält  sowohl  Nachrichten,   wie  Dokumente,  die  über  di<^ 
Geschichte  und  das  Leben  der  Eparchie  Aufschluss  geben.  Die  ein- 
zelnen Theile  des  Werkes  sind:   i.  Allgemeine  UebersichtjL  2.  das 


Jt 


■v^^.' 


78 

Haus  des  Tschernigow*schen  Erzbischofs,  die  Seminarien  und  Schu- 
len; 3.  die  Mönchsklöster;  4.  die  Nonnen-  und  geschlossenen  Klöster; 
5  — 7.  Beschreibung  der  Kreise  der  Tschernigow'schen  Eparchie. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Die  wissenscbaftlichen  Expeditionen  der  Kaiser- 
lichen Bn88l8ehen  Geographischen  Gesellschaft  im 

Jahre  1877. 


Die  Unternehmungen  zur  Erforschung  noch  unbekannter  Gegen- 
den, so  namentlich  Mittel-Asiers  und  des  an  Russland  grenzenden 
nord-westlichen  Theiles  der  Mongolei  standen  auch  im  vorigen  Jahre 
im  Vordergründe  der,  von  der  Geographischen  Gesellschaft  begün- 
stigrten  Expeditionen.  Ausserdem  sind  von  der  Gesellschaft  noch 
mehrere  andere  Forschungsreisen  in  verschiedene  Gegenden  des 
Reichs  angeregt  und  zum  Theil  auch  ausgerüstet  worden.  Es  wer- 
den in  dem  Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  folgende 
Expeditionen  angeführt: 

1 .  Des  Obersten  Prshewalskij  Reise  zum  Lob*Nor  und  nach  Tibet 
Der  Verlauf  der  Reise  zum  Lob-Nor  ist  den  Lesern  der  «Russischen 
Revue  >  aus  dem  ausführlichen  Bericht  im  vorigen  Heft  dieser  Zeit- 
schrift bekannt  geworden  (S.  561  u.  ff.);  was  jedoch  die  zweite  Ex- 
pedition betrifft,  die  Hr.  Prshewalskij  im  August  des  vorigen  Jahres 
in  der  Absicht  unternommen,  über  Gutschen  und  Chami,  und  dann 
über  Zaidam  und  Lasa  vorzudringen,  wo  er  im  Mai  oder  Juni  dieses 
Jahres  einzutreffen  hoffte,  so  musste  der  Reisende,  durch  Krankheit 
gezwungen,  nachdem  er  die  Reise  bereits  angetreten,  dieselbe  für*s 
Erste  wieder  aufgeben,  um  seinen,  von  der  Expedition  zum  Lob- 
Nor  noch  angegriffenen  Körper  zu  stärken. 

2.  Die  Expedition  des  Hm.  G.  H  Potanin  in  die  7tord-wesÜiche 
Mongolei.  Der  Winter  des  Jahres  1876 — 1877  traf  diese  Expedition, 
über  deren  Anfang  die  «Russische  Revue»  im  X.  Bande  S.  90  be- 
richtet, in  Kobdo,  und  erst  am  20.  März  wurde  es  Hrn.  Potanin, 
nachdem  die  Schneestürme  aufgehört,  möglich,  seine  Reise  fortzu- 
setzen. Den  einen  Theil  der  Mitglieder  seiner  Expedition  sandte  er 
über  Kuko-Chota  in  die  Stadt  Uljassutau  (welche  als  Vereinigungs- 
punkt bestimmt  war)  und  begab  sich  selbst  mit  den  übrigen 
Mitgliedern  über  das  Altai-niro-GebirgCi  welches  im  Pass  Ulen- 
Dala  überschritten,  und  durch  die  wassere  und  vegetationslose  Wüste 
Gobi,  welche  in  zwei  Tagen  durchzogen  wurde,  nach  Chami,  wo 
die  Reisenden  am  11.  Mai  anlangten.  Nachdem  sie  sich  eine  Zeit- 
lang in  Chami  aufgehalten,  traten  sie,  zuerst  4uf  dismselben  Wege, 


__  79 

die  Rückreise  an.  Am  östlichen  Endpunkt  des  Thian-Schan,  am 
Fuss  des  Karlyk-Tagh,  wandten  sie  sich  dann  nach  Osten,  kamen 
wieder  durch  die  Wüste  Gobi,  stiegen  durch  den  Bergpass  Kernuru- 
Daban  über  den  Altai,  dann  über  den  Taimur-Ola  und  erreichten 
am  13.  Juli  Uljassutau.  Von  dieser  Stadt  wandte  sich  Hr.  Potanin 
zuerst  nach  Norden  zum  See  Kossohol  und  dann  von  diesem  nach 
Westen  zur  Stadt  Ulangom,  welche  er  am  i.  November  erreichte. 
Am  5.  November  begab  sich  Hr.  P.  wieder  zurück  nach  Kobdo,  um 
die  dort  zur  Aufbewahrung  gelassenen  Kollektionen  zu  holen,  wäh- 
rend sich  einige  andere  Mitglieder  der  Expedition  mit  dem  Gepäck 
nach  Bijsk  begaben.  Als  Resultat  dieser  Expedition  werden  unter 
Anderm  reichhaltige  Sammlungen  von  Gebirgspflanzen  aus  dem 
Thian-Schan  und  Altai,  und  ausserdem  meteorologische  Beobach- 
tungen über  die  Windrichtungen  in  dem  durchforschten  Theil  der 
nord-westlichen  Mongolei,  über  die  Regenmenge,  u.  s.  w.  bezeichnet. 

3.  Die  ethnographische  Expedition  des  Hrn.  Modnow  in  die  Gou- 
vemetnents  des  Wolga-Bassins  zur  Erforschung  des  Mordwinen-Stam- 
mes. Das  Ziel  dieser  Expedition,  über  welche  wir  bereits  im  X.  Bde. 
der  «Russischen  Revue»  S.  273 — 274  berichtet,  bestand  in  der 
Sammlung  von  Materialien  zur  Anthropologie  und  Ethnographie  des 
finnischen  Stammes  der  Mordwinen.  Hr.  Mainow  hat  zu  dem  genann- 
ten Zwecke,  nachdem  er  Mitte  Mai  von  St.  Petersburg  aufgebrochen 
war,  eine  Rundreise  durch  2 1  Kreise  der  Gouvernements :  Nishnij 
Nowgorod,  Ssimbirsk,  Kasan,  Tambow,  Ssaratow,  Ssamara  und 
Pensa  gemacht.  Er  hat  in  diesen  Gegenden  an  501  Individuen  bei- 
derlei Geschlechts  zwischen  10  und  60  Jahren  Messungen  angestellt, 
um  annähernd  den  Typus  des  Stammes  feststellen  zu  können,  eine 
Kollektion  von  sieben  Schädeln  gesammelt,  an  26  Stellen  das  Stam- 
mesleben der  Mordwinen  genau  erforscht,  40  literarische  Erzeugnisse 
national  mordvinischer  Dichtung  aufgezeichnet,  die  Existenz  ver- 
scltiedener  Zjveige  des  Stammes  festgestellt,  eine  bedeutende  Anzahl 
von  Materialien  zur  Grammatik  der  mordvinischen  Dialekte  gesam- 
melt und  die  Angaben  der  ethnographischen  Karte  von  Rittich  ge- 
prüft, welche  sich  fast  stets  als  genau  und  richtig  erwiesen.  Gegen- 
wärtig Ist  Hr.  Mainow  mit  der  Verarbeitung  des  von  ihm  gesammel- 
ten Materials  beschäftigt. 

4.  Expedition  zur  Erforschung  der  sibirisclun  Wasserwege.  Die 
Initiative  dieser  Expedition^  gebührt  dem  erblichen  Ehrenbürger 
A,  W.  Ssibirjakow,  welcher  ein  Kapital  von  7000  Rbl.  zu  diesem 
Zweck  gespendet.  Als  die  Aufgabe  der  Expedition  ist  für's 
Erste  die  Erforschung  der  Verbindung  der  Flüsse  Ob  und  Jenissei 
vermittelst  der  Flüsse  Ket,  Loroovata,  Jaseva,  dem  Kleinen  und 
Grossen  Kas  hingestellt  worden.  Nachdem  eine,  zur  Ausarbeitung 
eines  Programms  für  die  Erforschung  der  sibirischen  Wasserwege, 
eingesetzte  Kommission  in  dem  verflossenen  Jahr  jenes  Ziel  festge- 
stellt, ging  man^  nachdem  das  Ministerium  der  Wegeverbindungen 


'  Vgl.  «Russische  Revue»  BcL  X,  S.  383. 


8o 

seinerseits  eine  Geldunterstützung  zugesagt,  an  die  Ausführung  der 
Expedition,  welche  sich  unter  Leitung  des  Barons  B  A.  Aminow 
im  Februar  dieses  Jahres  nach  Sibirien  begeben  hat. 

5.  Die  geologische  Reise  des  Hm.  Muschketow  in  das  Alai-Gebirge 
und  nach  Pamir.  Diese  Expedition,  ausgerüstet  auf  Kosten  des 
General-Gouvernements  von  Turkestan,  bildet  eine  Fortsetzung  der 
früheren  geologischen  Reisen  des  Hrn.  Muschketow  in  Turkestan  in 
den  Jahren  1874—1875.  In  der  Zeit  vom  Juli  bis  zum  Oktober  hat 
der  genannte  Reisende  das  ganze  Gebiet  zwischen  Marghelan,  Osch, 
Alai  und  Pamir  durchforscht  und  mit  der  Untersuchung  der  Tschat- 
kal'schen  Berge  seine  Reise  beendigt,  welche  den  ersten  Versuch 
der  Erforschung  des  geognostischen  Baues  jener  Gebirgsländer 
bildet.  Gegenwärtig  ist  Hr.'  Muschketow  mit  der  Verarbeitung  der, 
auf  den  verschiedenen  Reisen  niedergeschriebenen  Beobachtungen 
beschäftigt*. 

6.  Reise  dts  Hm.  H,  A.  Ssewerzow  zum  Alai  und  nach  Pamir. 
Ueber  diese  Reise  haben  wir  unseren  Lesern  im  4.  Heft  dieses  Jahr- 
gangs der  cRussischen  Revue»  (Bd.  XII,  S.  394)  in  der  Hittheilung: 
«Eine  neue  Expedition  nach  Pamir»  berichtet 

7.  Die  Reise  des  Hm,  I.  S.  Poljakow  an  den  06,  in  das  Kusnes- 
kische  Gebirge  und  an  den  Balkascft^See.  Die  Resultate  der  Reise 
des  Hrn.  Poljakow  an  den  Ob  sind  den  Lesern  aus  einem  ausführ- 
lichen Referat  im  ersten  Heft  dieses  Jahrgangs'  bekannt;  zur  Ergän- 
zung fügen  wir  einige  Worte  über  die  beiden  anderen  Reisen  hinzu. 

In  das  Kusnezkische  Gebirge  hatte  sich  Hr.  Poljakow  im  Auftrage 
der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  begeben,  um  die 
Wahrheit  der  Mittheilung  zu  prüfen,  dass  sich  dort  ein  vollständiges 
Mammuth-Skelett  befände.  *  Es  erwies  sich,  dass  man  irgend  eine 
Steinart,  für  Mammuthsknochen  gehalten.  Der  Reisende  wid- 
mete sich  darauf  der  Untersuchung  der  Flora  und  Fauna  an  den 
nördlichen  Abhängen  des  Gebirges.  Darauf  begab  er  sich  über 
Mariinsk,  Tomsk  und  Bamaul  in  das  westliche  Altai-Gebirge  und 
dann  zum  Balkasch-See,  von  wo  er  eine  reichhaltige  Sammlung  von 
Fischen  und  Amphibien,  aus  dem  Bassin  des  letzteren  See's,  mit- 
brachte. Als  ein  wichtiges  Ergebniss  dieser  Reisen  ist  die  Schluss- 
folgerung des  Hrn.  P.  aus  seinen  Beobachtungen  anzuführen,  wonach 
Humboldt's  Ansicht,  dass  in  neuerer  Zeit  eine  Verbindung  des  Aral- 
Kaspischen  Bassins  mit  dem  Ob-Bassin  oder  mit  dem  Eismeer  ver- 
mittelst eines  Flusses  bestanden,  von  Hrn.  Poljakow  als  hinfällig  be- 
zeichnet wird,  und  zwar,  weil  sowohl  topographische  Thatsachen 
als  auch  die  ganze  Fauna  und  die  geognostischen  Formationen  einer 
solchen  Annahme  widersprächen. 

8.  Die  Nivelürung  Sibiriens.    Die  im  vorigen  Jahre,  unter  Leitung 


*  Eine  ausführlichere  MittUeflnng  über  diese  Reise  brin^n  wir  nach  dem  Bericht 
der  Geographischen  Gesellschaft  im  nächsten  Hefte  der  «Russischen  Revue». 

Die  Red. 
'  «Die  Bewohner  des  Ob.»     «Ross.  Revue»  Bd.  XII,  S.  44—64. 


8i 

I 

des  Hrn.  L.  A.  Bolschow,  Obersten  vom  Generalstab,  unternom- 
mene Nivellirung  Sibiriens  von  der  Kimilteiskaja  Stanitza  bis  Ir- 
kutsk  und  dann  weiter  bis.  zum  Baikal-See  steht  im  unmittelbaren 
Zusammenhange  mit  den  schon  im  Jahre  1875  von  der  Geographi- 
schen Gesellschaft  bewirkten  Arbeiten.  Das  ganze,  zur  Nivellirung 
bestimmte  Gebiet,  von  der  Swerinogolowskaja  Stanitza  bis  Irkutsk, 
wurde  damals  in  fünf  Bezirke  getheilt;  die  Arbeiten  in  den  ersten 
vier  Bezirken  wurden  auch  im  selben  Jahre  von  Hrn.  H.  W.  Mosch- 
kow  zu  Ende  geführt.  Im  fünften  Bezirk  mussten  die  Arbeiten  je- 
doch im  Herbst  1875  des  frühen  Winters  wegen  eingestellt  werden, 
und  zwar  bei  der  Kimilteiskaja  Stanitza,  ungefähr  250  Werst  vor 
Irkutsk.  Da  im  folgenden  Jahre  die  Mittel  zur  Fortsetzung  der  Ar- 
beit fehlten,  so  konnten  dieselben  erst  im  Jahre  1877  wieder  aufge- 
nommen werden.  Hr.  Bolschow  hat  sie  nun,  unter  Beihülfe  des 
Militär-Topographen,  Hrn.  Kramorew,  zu  Ende  geführt.  Als  das 
wichtigste  Resultat  ihrer  Messungen  kann  die  genaue  Bestimmung 
der  absoluten  Höhe  von  Irkutsk  und  des  Baikal-See's,  welche  bis  jetzt 
noch  keineswegs  sicher  feststand,  hervorgehoben  werden.  Nach 
ihren  Angaben  ist  die  absolute  Höhe  von  Irkutsk  15 10  Fuss  (früher 
nahm  man  1200  Fuss  an),  und  die  absolute  Höhe  des  BaikaUSee's, 
in  der  Nähe  der  Angara,  1589  Fuss. 

-9.  Die  Untersuchungen  des  Hm.  J.  H.  Smimaw  über  den  Erdmag- 
netismus, Im  verflossenen  Jahre  hatte  Hr.  Smimow  auf  seiner 
siebenten  und  letzten  Reise  die  Gouvernements:  Archangelsk,  Olo- 
nez,  Wologda  und  theilweise  auch  St.  Petersburg  und  Nowgorod 
besucht,  und  daselbst  an  verschiedenen  Punkten  Beobachtungen 
über  den  Erdmagnetismus  angestellt.  Die  sieben  Reisen,  welche 
Hr.  Smimow  im  Verlauf  der  letzten  Jahre  zu  dem  angeführten  Zweck 
unternommen,  haben  ihm  nun  die  Möglichkeit  gegeben,  unter  An- 
lehnung an  die  Angaben  anderer  Forscher,  auf  der  Karte  den  Lauf 
der  isogonischen  und  isoklinischen  Linien  zu  bezeichnen.  Ein,  von 
ihm  der  Geographischen  Gesellschaft  vorgestellter  Abriss  der  bedeu- 
tendsten Ergebnisse  seiner  Forschungen  wird  in  den  «Nachrichten 
der  Geogr.  Gesellsch.»  zum  Abdruck  kommen. 

10.  Die  Reise  des  Hm.  A.  y.  Wojeikow  in  dets  Gouvernement  Ssor 
mara.  Im  Juli  des  vorigen  Jahres  hatte  Hr.  Wojeikow,  zum  Zweck 
hypsometrischer  Messungen  eine  Reise  nach  dem  sogenannten  • 
«Ssamarskij  Luk»  (caMapcKifl  JiyK'b)  unternommen;  damit  bezeich- 
net man,  jenen  halbinselartig  von  der  Wolga  umschlossenen  Theil 
des  Gouvernements  Ssamara,  zwischen  Stawropol  und  Ssysran,  wo 
die  Wolga,  wie  in  einem  weiten  Bogen  (jiyKi»),  von  der  einen  zur  an- 
dern Stadt  fliesst.  Die  absolute  Höhe  vieler  Punkte  auf  diesem 
•Luk»  ist  noch  gänzlich  unbekannt;  dies  veranlasste  Hm.  Wojei- 
kow den  hypsometrischen  Untersuchungen  seine  ganz  besondere 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Er  begann  seine  Beobachtungen  am 
Ufer  der  Wolga,  etwa  40  Werst  oberhalb  Ssamara.  Die  Höhe 
betruf^ ; 


82 

1.  Am  Ufer  der  Wolga 50  russ.  Fuss. 

2.  Auf  dem  höchsten  Punkt  (3  Werst  vom  Ufer)  .  I128 

3.  Bei  der  Fabrik  der  Gebrüder  Wojeikow  .     .     .  1044 

4.  An  der  Grenze  des  Waldes  zwischen  der  Fabrik 
und  dem  Dorfe  Askul  . 686 

5.  Bei  dem  Dorfe  Askul 59S 

6.  An   der,    eine   Werst  entfernten   Schlucht    im 
Westen  von  Askul 361 

7.  Auf  der  Besitzung  der  Fürstin  Dolgorukij,  zwi- 
schen Askul  und  Beresowoi  Ssolonez  .   - .     .     .  518 

8.  Auf  der  letzten  Abstufung  auf  dem  Wege  zum 
Ufer,  gegenüber  dem  Dorfe  Jekaterinowka  .     .  132 

9.  Am  Ufer  der  Wolga  (bei  Ssysran) 38 

11.  Die  Reise  des  Hrn.  RajtiOskij  nach  Riga,  Dieselbe  hatte  die 
Erforschung  der  Handelsbewegung  in  Riga,  namentlich  des  Export- 
handels dieser  Stadt,  zum  Ziel.  Es  ergibt  sich  aus  den,  von  Firn. 
Rajewskij  gesammelten  Nachrichten,  dass  der  Export  dieser  Stadt  in 
den  letzten  zehn  Jahren  um  ein  bedeutendes  gestiegen  ist,  aber  nur 
in  Bezug  auf  den  Export  von  Getreide  und  Holz;  dagegen  hat  sich 
die  Ausfuhr  von  Hanf  und  Flachs  ein  wenig  vermindert.  Es  wur- 
den alljährlich  durchschnittlich  ausgeführt  in  den  Jahren: 

1861—65  1871—75 

Hanf 2,350,000  Pud  2,320,000  Pud 

Flachs 1,260,000     *  1,240,000     * 

Leinsaat 1,900,000     »  2,300,000     * 

Roggen,  Hafer,  Gerste     2,400,000     »  10,600,000     * 

Holz     ......     9,100,000  Kub.-Fuss  25,600,000  Kub.-Fuss 

In  Bezug  auf  den  Getreideexport  bemerkt  Hr.  Rajewskij,  dass  sich 
grosse  Schwankungen  innerhalb  der  einzelnen  Jahre  bemerkbar 
machen;  die  Ausfuhr  von  Weizen  ist  aber  ebenso  unbedeutend  ge- 
blieben, wie  früher.  Die  Zahl  der  Exporthäuser,  die  auch  früher 
nicht  erheblich  war,  hat  sich  nicht  vergrössert;  auch  jetzt  pflegen 
sie  nur  noch  in  grossen  Partien  Geschäfte  zu  machen.  Die  Ursache, 
dass  sich  die  Handelsoperationen  in  Riga  trotzdem  nicht  in  dem 
Grade  gesteigert  haben,  wie  man,  nach  der  Verbindung  dieser  Stadt 
mit  dem  russischen  Binncnlande  durch  die  Eisenbahn  erwartete, 
liegt  nach  Hrn.  Rajewskij  zum  Theil  darin,  dass  durch  die  Eisen- 
bahnen auch  der  Königsberger  Hafen,  dessen  Navigationsperiode 
eine  längere  ist,  dem  Handel  mit  dem  Binnenlande  erschlossen  wor- 
den ist. 

12.  Die  Reise  des  Hm,  Miklucha-Maklai  an  den  Stillen  Ozean, 
Zum  Abschluss  seiner  Forschungsreisen  im  Stillen  Ozean  ^  hatte  sich 
Hr.  Miklucha-Maklai  noch  im  Jahre   1876  zum   dritten  Male  nach 


*  Vergl.  «Kuss.  Revue«  bd.  X.  S.  91—92. 


_  83 

Neu-Guinea  begeben.  Dort  war  er  inmitten  der  halbwilden  Bevöl- 
kerung ungefähr  anderthalb  Jahre  geblieben  und  hatte  erst  im  Januar 
dieses  Jahres  die  Möglichkeit  gefunden,  nach  Singapore  zurückzu- 
kehren, wie  das  ein  kurzes,  von  ihm  abgefertigtes  Telegramm  be- 
sagt. Alle  weiteren  Nachrichten  über  seine  Reise,  und  die  Resultate 
seiner  Beobachtungen  fehlen  noch  bis  jetzt. 

13.  Die  Expedition  des  Akademikers  A,  v.  Middendotf  zur  Unter- 
suchung der  landwirtschaftlichen  Verhältnisse  int  russischen  Türke- 
stan.  Diese  Expedition  verdankt  ihre  Anregung  dem  General-Gou- 
verneur von  Turkestan,  von  Kauffmann,  welcher  sich  durch  die  Ver- 
mittelung  der  «Geographischen  Gesellschaft»  an  den  Akademiker 
Middendorf  mit  dem  Vorschlag  wandte,  in  Turkestan  Untersuchun- 
gen über  den  genannten  Gegenstand  anzustellen,  damit  die  Mittel 
zur  Förderung  der  Landwirthschaft  in  jenen  Gegenden,  auf  Grund 
eingehender  Beobachtungen,  festgestellt  werden  könnten.  Die  Vor- 
bereitungen zur  Expedition  zogen  sich  jedoch,  nachdem  der  be- 
rühmte Reisende  eingewilligt,  die  Leitung  derselben  zu  übernehmen, 
so  sehr  in  die  Länge,  dass  dieselbe  erst  im  Dezember  vorigen  Jahres 
St.  Petersburg  verlassen  konnte.  In  Begleitung  des  Akademikers 
Middendorf  befindet  sich  Hr.  S.  Ssmirnow,  der  sich  bereits  durch  bo- 
tanische Forschungen  in  Central- Asien  bekannt  genriacht  hat.  * 

14.  Die  Fahrt  des  Schifies  ^Satja*  vom  Jenissei  Hoch  St,  Peters- 
bürg,  I^eses  Schiff,  ausgerüstet  von  Hrn.  M.  K.  Ssidorow  und  unter 
dem  Kommando  des  Kapitäns  Schwanenberg  stehend,  verfolgte 
eigentljch  ein  rein  ökonomisches  Ziel ;  die  ausserordentlichen  Um- 
stände aber,  unter  denen  die  Fahrt  vor  sich  ging,  sowie  das  auf  der- 
selben gesammelte  Material,  haben  zu  einer  ausführlicheren  Schil- 
derung der  Fahrt  in  dem  Jahresbericht  der  «Geographischen  Gesell- 
schaft» Veranlassung  gegeben. 

Hr.  W.  Ssidorow  hatte  schon  i.  J.  1876  in  Jenisseisk  ein  Schiff 
bauen  lassen,  welches  dazu  bestimmt  war,  die  Handelsbeziehungen 
zwischen  dem  sibirischen  Norden  und  dem  Europäischen  Russland 
auf  dem  Wasserwege  zu  eröffnen. .  Dieses  Schiff  —  es  hiess  «Nord- 
licht» (Ssevemoje  Ssijanije)  —  kam  auf  dem  Jenissei  bis  zu  den  Ma- 
lobrechow'schen  Inseln  (70®  48' nördlicher  Breite),  wo  es  zu  über- 
wintern gezwungen  war.  Der  Steuermann  des  Schiffes,  Hr.  Numme- 
lin,  holfite  mit  Frühlingsanbruch  des  folgenden  Jahres  seine  Reise 
fortsetzen  zu  können,  aber  durch  den  Eisgang  und  die  Frühlings- 
fluthen  wurde  sein  Schiff  ganz  zertrümmert  und  auf  das  hohe  Ufer 
hinaufgeworfen,  wo  es  zwei  Werst  weit  vom  Strombett  stecken 
blieb. 

Der  Winter  in  der  rauhen  Gegend  war  eine  Zeit  schwerer  Prüfung 
für  die  Bemannung  und  kostete  den  vier  Matrosen,  welche  mit  Hrn. 
Nummelin  waren,  das  Leben.  Von  hoher  Bedeutung  sind  die,  in  dieser 
Zeit  von  Hrn.  Nummelin  täglich  drei  Mal  notirten  meteorologißchen 


.*  Hr.  Akademiker  Middendorf  ist  inzwischen  am  24.  Juni  wieder  in  St«  Petersburg 
eingetroffen.  D.  Red* 

6^ 


84     ^ 

Beobachtungen.  Sic  beginnen  am  I2.  September,  wo  das  Thermo- 
meter schon  — 4^  R.  zeigte.  Zwei  Tage  später  trat  Thauwetter  ein, 
welches  einige  Wochen  anhielt,  wobei  die  Temperatur  zwischen 
4-  2,s^  und  -[-  4®  schwankte.  Am  23.  September  richteten  sich  Hr. 
Nummelin  und  seine  Genossen  in  dem  Bretterhaus,  in  welchem  sie  den 
Winter  zubringen  musstcn,  so  wohnlich  als  möglich  ein,  nachdem 
sie  vorher  vor  dem  Hause  eine  Menge  nassen,  geflössten  Holzes  als 
Heizmaterial  aiffgeschichtet  hatten.  Am  4.  Oktober  begannen  die 
Fröste,  welche  über  sechs  Monate  anhielten,  da  das  Thermometer 
erst  am  26.  April  zum  ersten  Mal  über  den  Gefrierpunkt  stieg.  Am 
8.  Oktober  war  das  Eis  auf  dem  Jenissei  bereits  so  stark,  dass  man 
ungefährdet  den  Fluss  überschreiten  konnte.  Im  Verlauf  des  gan- 
zen Monats  Oktober  schwankte  die  Temperatur  zwischen  — 2®  und 
— 15^  R. ;  und  war  zwei  Mal  bis  auf  —18**  resp.  20®  R.  herabgesun- 
ken. Im  November  stieg  die  Kälte  bis  auf  — 23^  R.,  und  am  10. 
November,  nachdem  die  Sonne  verschwunden,  d.  h.  die  ununter- 
brochene Polarnacht  angebrochen  war,  sank  die  Temperatur  bis  auf 
— 30®  R-  und  hielt  sich  so  imgefähr  anderthalb  Wochen,  wobei  das 
Quecksilber  nicht  selten  gefror.  Gegen  den  20.  November  wurde 
es  wieder  wärmer,  die  Temperatur  stieg  sogar  bis  auf — 11,5°  R  ,  dann 
aber  fiel  sie  wieder  bis  auf  —-20  und  — 270  R.,  indem  sie  zuweilen 
auf  kurze  Zeit  wieder  bis  auf  — 140  R.  stieg;  am  13.  Dezember 
wurde  es  wieder  so  kalt,  dass  das  Quecksilber  getror.  Dieser  starke 
Frost  hielt  eine  ganze  Woche  an.  Gegen  Ende  Dezember  schwankte 
die  Temperatur  zwischen  — 200  und  — 300  R.  In  den  ersten  Tagen 
des  neuen  Jahres  1877  blieb  das  Quecksilber  wieder  vier  Tage  ge- 
froren, und  erst  am  7.  Januar  zeigte  sich,  nach  fast  zwei  Monaten,  wie- 
der die  Sonne.  Das  Thermometer  zeigte  nun  sogar  -  90  R.,  erhielt 
sich  aber  nur  ein  Paar  Tage  auf  dieser  Höhe,  denn  am  14.  Januar 
war  das  Quecksilber  wieder  gefroren.  Am  17.  Januar  zeigte  das 
Thermometer  darauf  —60,  fiel  aber  in  der  zweiten  Hälfte  des  Januar 
wfeder  bis  aaf  —240  und  sogar  auf  — 320.  —  Eine  solche  Kälte  hielt 
auch  den  ganzen  Februar  an,  wo  das  Quecksilber  ein  Paar  Mal  ge- 
fror; ebenso  war  es  in  den  ersten  Tagen  des  März:  das  Quecksilber 
gefror  am  2.,  4.  und  zum  letzten  Mal  am  6.  März.  Nach  der  Tag- 
und  Nachtgleiche  wurde  der  Winter  gelinder,  aber  nur  auf  kurze 
Zeit;  am  IG.  März  zeigte  das  Thermometer  — 70,  aber  nach  dem  14. 
März  fiel  die  Temperatur  wieder  bis  unter  30*  R.  Im  April  wurden 
die  Schwankungen  heftiger;  die  Temperatur  stieg  zuweilen  von 
— 250  bis  auf  — 6^,  Am  26.  April  endlich  stieg  das  Quecksilber  im 
Thermometer  zum  ersten  Mal  über  den  Gefrierpunkt.  Vom  3.  Mai 
'  31^  ging  die  Sonne  nicht  mehr  unter,  trotzdem  findet  sich  noch  am 
5.  Mai  eine  Temperatur  von  — 100  verzeichnet.  Erst  vom  19.  Mai 
an  fiel  die  Temperatur  nicht  mehr  unter  den  Gefrierpunkt.  Die 
letzte  Notiz  in  Nummelin's  Journal  ist  vom  14.  JuH  datirt,  wo  das 
Thermometer  um  Mittag  +1 10  R.  zeigte. 

Das  Schiff  hatte  in   dieser  Zeit,  bis  zur  halben   Masthöhe  mit 
Scluiee  bedeckt,  am  Ufer  gelegen.     Die  enorme  Schneelast  hatte 


85 

es  sich  so  stark  gesenkt,  dass  sich  im  Unterraum  des  Schiffes  ein 
Leck  zeigte;  am  22.  April  stand  das  Wasser  in  demselben  i'/a  Fuss 
hoch.  Das  Eis  war  ungefähr  10  Fuss  dick  und  das  Schiflf  in  einer 
Höhe  von  drei  Faden  mit  Schnee  umgeben.  Die  vier  Matrosen 
waren  unterdessen  dem  rauhen  Winter  unterlegen;  Nummelin  selbst, 
der  nun  allein  geblieben,  war  krank  und  dem  Tode  nahe.  Da  er- 
schien zu  seiner  Rettung  der  Steuermann  Meiwald  mit  drei  Arbei- 
tern. Am  2.  Mai  gelang  es  ihnen  endlich  beide  Borde  des  Schiffes 
schneefrei  zu  machen;  am  5.  Mai  erhob  sich  jedoch  ein  ungemein 
starker  Schneesturm,  der  das  Schiff  wieder  mit  Schnee  überdeckte. 
Anfang  Juni  setzte  sich  das  Eis  desjenissei  in  Bewegung,  und  am 
6.  Juni  stieg  das  Wasser  in  dem  Fluss  so  rasch  und  so  hoch,  dass 
dass  das  Schiff  i  V«  Werst  vom  Ufer  stecken  blieb.  Das  geschah 
am  8.  Juni.  Am  Tage  vorher  hatten  Nummelin  und  seine  Gefähr- 
ten auf  dem  Dach  eines  kleinen  Hauses  Zuflucht  vor  dem  Wasser, 
welches  eine  Höhe  von  16  Fuss  über  dem  Normalstand  erreicht 
hatte,. suchen. müssen,  auf  diesem  Dache  blieben  sie  acht  Tage.  Nur 
mit  Mühe  gelang  es  ihnen  etwas  Provision  und  Brennholz  auf's  Dacii 
hinaufzuschaffen,  welches  nur  um  einen  Fuss  aus  dem  Wasser  her- 
vorragte. Für  den  Fall,  dass  das  Wasser  noch  höher  steigen  sollte, 
hatte  man  ein  kleines  Boot  an  das  Dach  gebunden.  Tag  und  Nacht 
war  die  kleine  Schaar  beschäftigt,  die  Eisschollen,  welche  das  Haus, 
wie  viele  andere  Häuser,  fortzureissen  drohten,  vom  Hause  fortzu- 
stossen.     Das  Schiff  selbst  war  ganz  zertrümmert. 

Am  II.  Juni  begann  das  Wasser  zu  fallen^  am  25.  Juni  konnten 
sich  die  Schiffbrüchigen  vom  Dach  in  das  Haus  hinablassen^  wel- 
ches im  Innern  vom  Wasser  natürlich  schlimm  zugerichtet  war.  Am 
folgenden  Tage  zeigte  sich  endlich  Rauch  in  der  Ferne  und  bald 
darauf  kam  der  kleine  Dampfer  «Alexander»  auf  welchem  sich  Kap. 
Schwanenberg  mit  einem  Matrosen  befand. 

Nach  langem  Suchen  gelang  es  dem  Kapitain  ein  anderes,  gleich- 
falls in  Jenisseisk  gebautes  Schiff,  welches  noch  kleiner  war,  als  das 
zertrümmerte,  das  Schiff  «Sarja»,  zu  kaufen.  Nachdem  dasselbe  ge- 
hörig ausgerüstet  war,  brach  Schwanenberg  von  den  Malobrechow'- 
schen  Inseln  auf.  Am  9.  August  gelangte  man  endlich  aus  der  Mün- 
dung des  Jeniss'ei  in  das  Karische  Meer.  , 

Am  12.  August  gelangte  die  ♦Sarja»  zu  der  Insel  Belij,  welche 
bis  jetzt  noch  kein  Seefahrer  betreten  hatte.  Dort  pflanzte  man  zwi- 
schen Steinen  die  russische  Flagge  auf  und  hinterliess  eine  Flasche 
mit  zwei  Zetteln  in  russischer  und  englischer  Sprache.  Auf  der  Insel 
sah  man  Spuren  von  Rennthieren  und  Bären.  Am  13.  August  nahm 
die  «Sarja»  den  Kurs  auf  den  Matotschkin  Schar,  konnte  aber  der 
dichten  Eismassen  wegen  nicht  an's  Ufer  gelangen,  so  dass  Kapt. 
Schwanenberg.  durch  die  Karische  Pforte  zu  gehen  beschloss  und 
dieselbe  am  18.  August  auch  passirte,  wobei  die  «Sarja»  jedoch  die 
ganze  Zeit  Gefahr  lief  an  den  Felsenriffen,  an  welche  das  Eis  das 
Schiff  andrückte,  zerschellt  zu  werden.  Nur  Dank  der  grossen  Gei- 
stesgegenwart Schwanenberg's  und  Nuihmelin's  gelang  es  das  Schiff 


86 


ohne  Unfall  durchzubringen.  Von  da  ging  die  Fahrt  ruhig  von  Stat- 
ten, nur  an  den  Ufern  Norwegens  hatte  die  «Sarja»  noch  ein  Paar 
Stürme  durchzumachen.  Am  30.  August  kam  die  «Sarja»  nach  drei- 
wöchentlicher Fahrt  nach  Wardöe  und  endlich  am  19.  November 
nach  St  Petersburg« 


Kleine  SUtthellnngen. 


(Der  Handel  mit  Schafspelzen  im  Kreise  Schuja,  Gou  v. 
Wladimir,  im  Jahre  1877.)  Mit  der  Bearbeitung  von  rohen  , 
Schafsfellen  zu  Schafspelzen  beschäftigen  sich  gegenwärtig  im  Kreise 
Schuja  mehr  als  30  Dörfer  mit  ca.  5000  Personen.  Ein  Vergleich 
mit  der  Produktion  der  verschiedenen  Jabl'e  wird  am  deutlichsten 
zeigen,  welche  bedeutende  Dimensionen  der  Handel  mit  Schafspelzen 
in  Schuja  angenommen.  Im  Jahre  1854  sind  daselbst  900,000 
Rohfelle  für  70 — 80  Kop.  pro  Stück  angekauft  worden ;  die  Bear- 
beitung der  Felle  kostete  7 — 8  Kop.  pro  Stück ;  das  verarbeitete 
Fell  wurde  verkauft  für  i  Rbl.  10  Kop.  bis  i  Rbl.  20  Kop.  das  Stück; 
für  das  Nähen  eines  Soldaten-Halbpelzes  wurde  12 — 15  Kop.  ge- 
zahlt; die  fertigen  Halbpelze  wurden  zu  2  Rbl.  20  Kop.  bis  2  Rbl. 
50  Kop.  verkauft;  wähend  des  Jahres  sind  an  verschiedenen  Klei- 
dungsstücken 275^000  Stück  und  gegen  100,000  Paar  warmer  Fell- 
handschuhe, im  Ganzen  im  Werthe  von  1,000,000  Rbl.  angefertigt 
worden.  Im  Jahre  1860  sind  1,300,000  Rohfelle  für  80 — 90  Kop. 
das  Stück  angekauft  worden;  die  Bearbeitung  kostete  9 — 10  Kop., 
das  bearbeitete  Fell  i  Rbl.  10  Kop.  bis  i  Rbl.  30  Kop.,  das  Nähen 
*I2 — 15  Kop.,  die.  fertigen  Halbpelze  2  Rbl.  50  Kop.  bis  3  Rbl.  Im 
Ganzen  waren  375,000  Pelze  und  125,000  Paar  Fellhandschuhe  im 
Werthe  von  1,715,000  Rbl.  verfertigt  worden.  Im  Jahre  1870 
betrug  die  Zahl  der  zum  Preise  von  70 — 80  Kop.  das  Stück  ange- 
kauften Rohfelle  i,8oQ«ooo,  die  Bearbeitung  derselben  kostete  10 
bis  12  Kop.,  das  bearbeitete  Fell  i  Rbl.  10  Kop.  bis  i  Rbl.  30  Kop., 
das  Nähen  15 — 16  Kop ,  die  fertigen  Halbpelze  2  Rbl.  20  Kop.  bis 
2  Rbl.  50  Kop.  Es  sind  im  Verlauf  des  Jahres  400,000  Pelze  und 
100,000  Paar  Fellhandschuhe  im  Werthe  von  2,500,000  Rbl.  ange- 
fertigt worden.  Im  Jahre  ^ijj  sind  2,500,000  Rohfelle  angekauft 
worden  zu  80  Kop.  bis  i  Rbl.  50  Kop.  das  Stück,  die  Bearbeitung 
kostete  9 — 14  Kop.,  das  bearbeitete  Fell  i  Rbl.  20  Kop.  bis  2.Rbl . 
das  Nähen  15 — 35  Kop.,  die  fertigen  Halbpelze  2  Rbl.  20  Kop.  bis 
4  Rbl. '  Im  Ganzen  waren  gegen  600,000  Pelze  und  gegen  60,000 
Fellhandschuhe  im  Werthe  von  3,300^000  Rbl.  verfertigt  worden. 


*  Gegen  Ende  des  Jahres  1877  waren  die  Preise  In  Folge  der  starken  Nachfrage  auf 
Halbpelze  fUr  die  Soldaten  auf  dem  KriegsschanplaUe  stark  in  die  Höhe  gegangen. 


87 


*(Die  Tabaksproduktion  in  Russland  in  den  Jahren 

1873-1878.») 


1873 


Des- 
^atin. 


Pud. 


1874 


Des- 

sjatin. 


Pud. 


1875 


Des- 

sjatin. 


Pud. 


1875  mehr 

od.  weniger 

als  1873. 


Geb 


Aslrachao 
Ttcssarabien  . 
Charkow   •    . 
Chersson    .    . 
Doniscb.  Kofmk 
Grodno      .    . 
Jekaterinoslaw 
Kijcw     .    .    . 
Kursk     .    .    . 
Ijublin  .    .    . 
Minsk    .    .    . 
Mohilew    •    . 
Nishnij-No  wg  orod 
Orel   .... 
(^renburg 
Pcnsa     .    .    • 
Perm      .    .    . 
Piotrkow    .    . 
Plozk      .    .    . 
Podolien    .    . 
Poltawa      .    . 
Kjasan   .    .    . 
Ssamara     .    . 
Ssaratow    .    . 
Ssedlez      .    . 
Ssimbirsk  .    . 
Smolensk  .    . 
Stawropol    mit    dem 
Terek*  und  Kuban 
-  Geb.     .    .    . 
TamboWi  .    . 
Taurien      .    . 
Tschemigow 
Tula  ,        .    . 
Warschau  .    . 
Wilna     .    .    . 
Wjatka      . 
Wolhynien    . 
Woronesh 
West-Sibirien 


2,582 

1,433 
264 

10 

49 

119 

21 

285 
98 

4« 

'/»•! 
28 

46 

10 

2 

14* 

424I 

11.416 

215 

5.418 

56 


390 

76,917 
60,419 

I.415 

901 

2,167 

5,510 
870 

14  100 

1.383 

3.595 
20 

2.345 
4,044 

655 
12,178 

800 

74 
990 

19.816 

559.521 
19,281 

363,088 
4.71 1 


52         4,859 


1,425'      95,936 


804 

16,322 

418 

109 

'/• 

373 
764 
961 


30,194 
859  006 

43,920 

2^474 

^^ 

27.646 
59.248 
42,871 


3 
2,528, 
1,066 

387 
13 

49! 

io6[ 

26' 

294 1 
230 

19 
•/lo 

70 

149 

10 

87 
10 

21 

9 
440 

U,2l8 

216 

5,916 

53 
4 

71 

2 


1,423 
542 

745 

17,141 
420 

'  106 

I 

395 
926 

1,164 


621 

66.934 
46.690 

2,217 
'  901 

1.983 
4.172 
1.090 

14,275 

745 

487 

20 

3,273 
9,158 

I,220i 

15,873 
800 

1,286 

852 

16.673 

442.946 

17,950 
456,117 

7,743 
140 

6.569 
157 


92.575 

45,179 
24,708 

157  292 

43,946 
4.014 

75 

33327 
87.721 

3»,7i3 


3 
2924 
1,093 

3^1  r 

9 

49 

56 

18 

277 

•/« 

»8. 

4 

24 
160 

Iii 

90. 

13 

6 

12 

356 
I2y^84j 

3»5 
6,058 

31 

67 

7 


1,581 
686. 

9031 
17,238 

239! 
48, 

3; 

397, 
681! 


414  + 


113,930 
;8,65i 
2,827 


3< 


+ 

960I-I-' 

1,905 

»,549  - 
1,141  -f- 

13,304 
60 

717 

170  i- 

2,424  + 
I3i>67-|- 

1,020  4- 


16,406 

1,770 

686 

761 

13,280 

365,699 
27,529 

445  507 
2,910 

7,343 
642 


104,122 

52,200 

31,801 

647,546 

15.473 

.    «,380 

20 

175 
35,662 

66,454 


Total  .    . 


43*7662,320,440 


45,86o'2,64i,438J46,245J  2,030,599 


4- 

4- 


4- 
+ 


24 

37,013 
21,768 

1,412 

59 
262 

3,961 
271 

796 

1,323 

1,878 

150 

79 
9.1 18 

365 
4,228 

970 
612 
229 

6,536 

193,822 

8,248 

82,419 

1,801 

2,484 
7,642 


-I-  8,186 

-t-  52,200 

f  1,607 

—  211 ,460 

—  28,447 

—  94 

—  4 

+  »75 

-f-  8,016 

4*  7  206 

—  42,871 


—289,841 


*  Vgl.  «Rassische  Revue»  Bd.  III,  Seite  $79,  und  Bd.  VI,  .Seite  411— 412. 


8S 

(Käsehandel  und  Käsebereitung  in  Russland.)  In  den 
letzten  Jahren  hat  sich  im  nissischen  Handel  namentlich  ein  Export- 
Artikel  bedeutend  emporgeschwungen  —  der  Handel  mit  rtissi' 
schent  Käse,  Noch  vor  zehn  Jahren  konnte  der  in  Russland  bereitete 
Käse  nicht  einmal  im  Innern  des  Reichs  vollauf  zum  Absatz  gelan- 
gen. Gegenwärtig  hat  sich  jedoch  dieser,  für  die  russische  Land- 
wirthschaft  überaus  vortheilhafte  Zweig  der  Produktion,  Dank  den 
Bemühungen  N.  Wereschtschagin's  und  den  ihm  gewährten  Unter- 
stützungen vonseiten  der  Regierung  so  rasch  entwickelt,  dass  der  Ex- 
port von  Käse  während  der  Jahre  1873'— 1876  um /arj/ 68  J/i/^^- 
stiegen  ist..  Im  Jahre  1873  betrug  der  Export  von  Käse  im  Ganzen 
221  Pud  im  Werthe  von  681  Rbl.  Der  Käse  gelangte  damals  nur  in 
sehr  kleinen  Partien,  und  zwar  meist  über  die  Landgrenze,  dann 
aber  auch  über  Odessfa  und  Kertsch,  in*s  Ausland.  So  wurden  aus 
Odessa  in  die  Türkei  5 1  Pud  zum  Preise  von  2  Rbl.  pro  Pud'expor- 
tirt,  über  Kertsch  gingen  19  Pud  in's  Ausland,  über  fünf  Zollämter 
an  der  Landgrenze  aber  151  Pud.  Das  war  im  Grunde  weiter  nichts, 
als  ein  zufalliger  Austausch  von  Lebensmitteln  zwischen  den  Grenz- 
bewohnern benachbarter  Staaten.  Im  folgenden  Jahre  (1874)  stieg 
der  Export  von  russischem  Käse  schon  bis  auf  795  Pud,  im  Jahre 
1875  bis  auf  21 19  Pud  und  endlich  im  Jahre  1876  bis  15,014  Pud. 
Während  im  Jahre  1873  der  Durchschnittspreis  3  Rbl.  8  Kop.  pro 
-Pud  betrug,  war  er  im  Jahre  1876  bis  auf  6  Rbl.  46  Kop.  pro  Pud 
gestiegen.  Im  Jahre  1875  wurde  zum  ersten  Mal  eine  grössere  Partie 
^  Käse  —  1225  Pud  —  aus  Kronstadt  nach  England  ausgeführt;  der 
Preis  war  ein  sehr  niedriger:  2  Rbl.  pro  Pud,  was  sich  wohl  dadurch 
erklären  lässt,  dass  es  ein  erster  Versuch  des  Exportes  einer  grösse- 
ren Partie  von  Käse  war  und  dass  sich  die  Verkäufer  dadurch  wei* 
tere  Bestellungen  zu  sichern  wünschten.  Der  Versuch  gelang  so  gut, 
dass  im  folgenden  Jahre  bereits  4483  Pud  zum  Preise  von  13  Rbl. 
80  Kop.  pro  Pud  nach  England  ausgeführt  wurden.  In  demselben 
Jähre  wurden  auch  aus  Odessa  grössere  Partien  exportirt,  im  Gan- 
zen 8589  Pud  im  Werthe  von  25,768  Rbl.,  davon: 

in  die  Türkei  .     .     .     3936  Pud  im  Werthe  von  1 1,801  Rbl. 
nach  Frankreich  .     .     3885     »     »         *         «     11,655    » 
»     Italien.     .     .     .       700     •     »         *         »      2^100    * 

Das  waren  die  ersten  bedeutenderen,  in  die  genannten  Länder 
exportirten  Partien  russischen  Käses,  und  auch  hier  werden  in  Be- 
zug auf  den  niedrigen  Durchschnittspreis,  ca.  3  Rbl.  pro  Pud,  die- 
selben Gründe  entscheidend  gewesen  sein,  wie  oben  bei  der  ersten 
Käsesendung  nach  England. 

Was  die  Käsebereitung  betrifft,  so  bildet  den  Hauptmittelpunkt 
der  Käsefabrikation  der  Kreis  Kort^chewa  im  Gouvernement  Twer. 
Im  Jahre  1876  besass  jener  Kreis  5  Käsereien  auf  genossenschaftli- 
cher Grundlage  mit  69  Arbeitern ;  daselbst  waren  aus  52,cxx>  Pud 
Milch  5500  Pud  Käse  ^Chester)  bereitet  worden,   welcher  zu  7  Rbl. 


• 


» 


So  Kop.  bis  8  Rbl.  pro  Pud  verkauft  wurde.  Diese  Käsereien  produ- 
zirten  somit  für  ca.  40,000  Rbl.  Die  Konten  betrugen  durchschnitt- 
lich für  ein  Pud  Käse: 

Milch 4  Rbl.  35     Kop. 

Kosten  der  Bereitung —  •     74»  i 

Verlust  bei  verdorbenem  Käse  .     .     .     .     .     .  —  »       3,0 

Reitionte  der  Käserei —  »       9,6 

Verpackung  des  Käses —  »21,2» 

Transport  nach  St.  Petersburg —  »     5^»^     » 

•         aus  St.  Petersburg  nach  England .     .  —  »     34,0     • 

Kommission —  »     23,5     » 

Zinsen  vom  Anlage-Kapital —  »     10,5     » 

Transfert- Spesen  etc —  »25,0» 

~  Total ^^^     \      6  Rbl.  85'   Ko^T 

Abgesehen  von  diesen  Käsereien  auf  genossenschaftlicher  Grund- 
lage, besitzt  der  Kreis  Kortschewa  noch  zwei  andere,  Privatbesitzern 
gehörende  Käsereien;,  die  eine  produzirte  580  Pud  Käse  zum  Preise 
von  6  Rbl.  pro  Pud  und  140  Pud  Butter  zu  9  Rbl.  prq  Pud;  die  an- 
dere 475  Pud  Käse  zu  7  Rbl.  pro  Pud  und  120  Pud  Butter  zu  10 
Rbl.  pro  P_ud. 


Literstnrbericlit. 


yHueepcumema  H:  H.  BepeauHUMS. 

Russisches  encyclopäaisches    Wörterbuch^  herausgegeben  von  J.  N,  Beresin^   Professor 
an  der  St,  Petersburger  Universität. 

Wie  Wir  in  der  neuen  Aera  in  Russland  (seit  Beendigung  des 
Krimkrieges)  einen  grossen  Aufschwung  auf  allen  Gebieten  des  gei- 
stigen und  materiellen  Lebens  des  Volkes  finden,  so  auch  auf  dem 
Gebiete  der  Volksbildung:  die  Staatsregierung  wie  auch  die  Gesell- 
schaft hat  in  dieser  Zeit  Grosses  geleistet.  Wir  brauchen  nur  auf 
die  rastlose  Thätigkeit  des  Ministeriums  der  Volksaufklärung  in  Be- 
treff d^r  Errichtung  neuer  Schulen,  der  Erweiterung  bestehender 
Schulen,  der  Verbesserung  und  Erweiterung  der  Schulprogramme, 
der  Förderung  wissenschaftlicher  Gesellschaften  hinzuweisen,  attf 
das  grosse  Anschwellen  der  Literatur  sowohl  auf  den  Gebieten  der 
Fach>yissenschaften  als  auch  auf  dem  der  allgemeinen  Bildung. 
Eine  ganze  Reihe  von  Zeitschriften,  von  populären  Schriften  etc.  ge- 
währt, dem, -der  Schule  entwachsenen  Theil  der  Bevölkerung  die 
Möglichkeit,  den  Kreis  der  erworbenen  Kenntnisse  zu  erweitern  und 
zu  vertiefen. 


90 

Hierbei  machte  sich  eine  Lücke  in  der  Literatur  empfindlich  fühl- 
bar: es  fehlte  an  einem  encyclopädischen  Werk,  das  dem  Wissens- 
durstigen die  Möglichkeit  bot,  ohne  Mühe  und  Zeitverlust  sich 
schnell  über  eine  betreuende  Frage  zu  orientiren.  Die  grosse  Be- 
deutung dieses  Bildungsmittels  ist  in  West-Europa  schon  längst  er- 
kannt. Eine  grosse  Anzahl  solcher  allgemeiner  encyclopädischcr 
Werke  ist  in  allen  westeuropäischen  Kultursprachen  vorhanden  und 
sie  finden  einen  bedeutenden  Absatz.  Fast  in  keinem  Hause  der 
gebildeten  Stände  fehlt  ein  solches  Werk.  Selbst  Völker  mit  gerin- 
gem Sprachgebiet  besitzen  ein  solches  Bildungsmittel:  unter  den 
slavischen  Stämmen  können  wir  hier  die  Polen  und  die  Czechen 
nennen. 

Das  grosse  russische  Volk  besass  bis  vor  Kurzem  kein  irgendwie 
genügendes  und  vollständiges.  Die  beiden  gross  angelegten  Werke 
dieser  Art,  das  von  Plüscher  und  das  •  Encyclopädische  Wörter- 
buch» (3HUHfüioneAHHecKifi  C;ioBapb)  sind  noch  lange  nicht  voll- 
cn4et,  das  Wörterbuch  von  Startschewskij  und  das  von  Toll  ent 
sprechen  den  heutigen  Bedürfnissen  in  keiner  Weise. 

Es  gebührt  dem  Professor  der  hiesigen  Universität  Hrn.  J.  Berc- 
sin  das  Verdienst,  diese  Lücke  unter  den  russischen  Bildungsmittcln 
beseitigt  zu  haben:  seit  1873  S'^^  ^^  unter  dem  obengenannten  Titel 
sein  grosses  encyclopädisches  Wörterbuch  heraus,  das  in  Kurzem 
zu  Ende  geführt  sein  wird.  Es  ist  auf  sechszchn  Bände,  die  in  Lie- 
ferungen erscheinen,  angelegt. 

Wie  es  der  Titel  bereits  andeutet,  wird  in  diesem  Werke  insbeson- 
dere auf  Russland  Aufmerksamkeit  verwandt.  In  ausführlicher 
Weise,  wie  es  der  Rahmen  des  Wörterbuches  gestattet,  werden  die 
Geschichte,  Geographie,  Ethnographie,  Statistik  Russlands,  die  Ge- 
schichte der  russischen  Literatur  und  Künste,  die  Gesetzgebung, 
Verwaltung,  Handel,  Gewerbe  etc.  etc.,  wie  andererseits  auch  das 
Thier-  und  Pflanzenreich  und  das  gesammte  Naturlcbcn  Russlands 
behandelt.  Sodann  wird  auch  die  slavische  Welt  und  endlich  — 
wegen  der  bedeutungsvollen  und  für  die  russische  Kulturentwicke- 
lung wichtigen  Beziehungen  Russlands  zu  Byzanz  —  die  byzantini- 
sche Geschichte  und  Kultur  in  grösserer  Ausführlichkeit  besprochen. 
Demnach  dient  dieses  Lexikon  auch  als  eine  wichtfge  Ergänzung  zu 
den  zahlreichen  west-curopäischen,  in  denen  der  russischen  und  der 
slavischen  Welt  überhaupt  nur  ein  geringer  Raum  geboten  wird. 

Wenn  schon  der  Name  des  Herausgebers  für  die  Gediegenheit  des 
Gebotenen  bürgt,  so  wird  ein  Jeder,  der  auch  nur  flüchtig  einen 
Band  durchblättert,  sich  bald  davon  überzeugen,  in  wie  vortrefT- 
lieber  Weise  die  dem  Unternehmen  gestellte  Aufgabe  gelöst  ist. 
Es  muss  Solches  um  so  höher  veranschlagt  werden,  als  die  Heraus- 
gabe eines  russischen  Werkes  dieser  Art  mit  ungleich  grösseren 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hat,  als  die  Herausgabe  eines  solchen 
Werkes  in  irgend  einer  anderen  Kultursprache.  Der  Kreis  der  Per- 
sonen, die  zur  Mitarbeiterschaft  herangezogen  werden  könnte,  ist 
ein  weit  beschränkterer  als  in  West-Europa;  dabei  sind  gerade  die- 


9} 

jenigen  Partien  des  Lexikons,  auf  die  der  Herausgeber  besonders 
sein  Augenmerk  —  Russland  und  überhaupt  die  slavische  Welt  — 
richtet,  zuiü  grossen  Theil  noch  wenig  bearbeitet.  Die  Bearbeitung 
einer  Reihe  von  Artikeln  war  keine  einfache  kompilatorische  Arbeit, 
sondern  sie  erforderte  häufig  eine  selbstständige  wissenschaftliche 
Untersuchung.  So  tragen  denn  auch  manche  Artikel  den  Charakter 
wissenschaftlicher  Monographien. 

Je  grösser  die  Schwierigkeiten  sind,  die  sich  diesem  grossartigen 
Unternehmen  entgegenthürmen  und  die  nur  seltene,  unermüdliche 
Thatkraft  und  eiserner  Fleiss  überwinden  kann,  um  so  höher  ist  das 
Verdienst  zu  veranschlagen,  welches  sich  der  Herausgeber  um  die  Bil- 
dung seines  Volkes  erwirbt.  Es  ist  —  bei  dem  Mangel  hierzu  geeig- 
neter Schriften  —  äusserst  schwierig,  sich  über,  auf  Kussland  bezüg- 
liche Fragen  zu  orientiren;  nur  mit  grosser  Mühe  und  bedeutei^dem 
Zeitaufwand  lässt  sich  aus  zerstreuten  Werken  das  Gewünschte  zu- 
sammensuchen, und  dabei  muss  noch  Kritik  geübt  werden,  die  nicht 
Jedermanns  Sache  ist  —  hier  hilft  nun  Professor  Beresin's  Werk 
in  vortrefflicher  Weise.  Der  praktische  Werth  des  Lexikons  wird 
noch  dadurch  bedeutfsnd  erhöht,  dass  in  den  betreuenden  Artikeln 
die  jüngste  Vergangenheit  besonders  ausführlich  behandelt  wird. 

Es  sei  uns  schliesslich  noch  gestattet,  einen  kleinen  Uebelstand, 
der  übrigens  niit  dem  Erscheinen  einer  jeden  neuen  Lieferung  sich 
stetig  vermindert,  zu  vermerken.  Das  Werk  erscheint  nicht  fort- 
laufend nach  dem  Alphabet.  Der  Herausgeber  war  hierzu  gezwun- 
gen: sollte  das  Erscheinen  des  Werkes  sich  nicht  ungebührlich  ver- 
zögern, so  mussten  diejenigen  Lieferu/igen,  für  welche  das  Material 
druckbereit  vorlag,  auch,  abgesehen  von  der  Reihenfolge  des  Alpha- 
bets, sogleich  erscheinen.  So  ist  es  denn  auch  dem  Herausgeber 
möglich  gewesen,  trotz  der  grossen  Schwierigkeiten  die  Lieferungen 
ohne  Verzögerung  und  Unterbrechung,  die  bei  derartigen  Werken 
so  leicht  und  so  häufig  entstehen,  erscheinen  zu  lassen.  J.  K. 


yahresberichi  der  €  Kaiserlich  Freien  Oekonomischen  Gesellschaft»  für  1877. 

In  der  landzuirtlischaftlichenAbÜieilung  der  Gesellschaft  bildeten  die 
Untersuchungen  über  die  Humuserde  (Hepuo3eMi>-Schwarzerde)  den 
Hauptgegenstand  der  Thätigkeit.  Das  Mitglied  der  Gesellschaft,  Hr. 
W.  W.  Dokutschajew,  hatte  im  Verlauf  der  vier  Sommermonate 
den  Süd-westlichen  Theil  im  Bereiche  des  Gebietes  der  Schwarzerde 
bereist,  dort  gegen  200  Proben  derselben  gesammelt  und  verschie- 
dene diesbezügliche  Mittheilungen  eingezogen.  Die  Verarbeitung 
der  letzteren,  so  wie  die  physikalisch-chemische  und  mikroskopische 
Untersuchung  der  mitgebrachten  Erdgattungen  kann  erst  nach 
der  zweiten  Fahrt,  die  Hr.  Dokutschajew  in  diesem  Sommer  zu 
unternehmen  beabsichtige,  definitiv  zum  Schlüsse  gelangen. 

Ferner  hat  sich  diese  Abtheilung  eingehend  mit  den  Fragen  über 
die  Beseitigung  der  Schwierigkeit,  gute  Samen  zu  erhalten,  und  über 


9^ 

die  Mittel,  die  zur  Ermässigung  der  hohen  Preise  für  Samen  beitra- 
gen könnten,  beschäftigt.  Die  Abtheilung  hat  in  dieser  Beziehung 
beschlossen,  eine,  Allen  zugängliche  Station  zur  Prüfung  der  Samen 
bei  sich  zu  begründen,  zuweilen  in  der  Gesellschaft  kleine  Ausstel- 
lungen von  Samen  zu  veranstalten,  und  die  russischen  Landwirthe 
mit  verschiedenen  Pflanzenarten  näher  bekannt  zu  machen,  um  sie 
zu  veranlassen,  dieselben  bei  sich  zu  kultiviren.  Die  Ausarbeitung 
des  Projektes  für.  eine  Samen-Station  wurde  Hrn.  W.  M.  Jakowlew, 
welcher  dasselbe  bereits  eingereicht,  übertragen.  Die  erste  Samen- 
Ausstellung  hat  hier  am  31.  Oktober  vorigen  Jahres  stattgefunden. 
Endlich  wären  noch  einige  minder  wichtige  Arbeiten  in  Bezug  auf 
Viehzucht,  Forstwesen,  Bienenzucht,  Fischzucht,  etc.  zu  erwähnen, 
unter  denen  namentlich  des  Hrn.  Professor  Kessler  Untersuchung 
•  lieber  dte  ökononuschen  Mittel  zum  Schutz  und  zur  Vermehrung 
unseres  Reuhthums  an  Fischen*  hervorzuheben  ist. 

In  der  Abtheilung  für  ^technische  landwirtfiscfiaftliche  Produktion» 
zieht  besonders  die  Fortsetzung  der  Arbeiten,  in  Bezug  auf  eine,  von 
Hrn.  K.  K.  Weber  noch  im  Jahre  1876  gemachte  Mittheilung  <  Ucbcr 
die  Lage  der  Flachsindustrie  in  Russland  und  über  die  Mittel  zur 
Förderung  derselben»  die  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Eine  Folge  des 
Interesses,  welches  diese  Arbeit  geweckt,  war  die  Berufung  eines 
Kongresses  der  Flachsspinner,  welcher  im  März  des  vorigen  Jahres 
abgehalten  worden.  Ihm  folgte  in  diesem  Jahre  ein  zweiter.  Es 
wurde  bestimmt,  dass  diese  Zusammenkünfte  alljährlich  stattfinden 
sollen. 

Ferner  sind  in  dieser  Abtheilung  die  <lerselben  vorgestellten  Ma- 
schinen und  Geräthe,  so  wie  auch  technische  Mittheilungen  über 
dieselben,  der  Prüfung  unterzogen  worden. 

In  der  Abtheilung  für  landwirthschaftliche  Statistik  und  politische 
OekononUe  war  noch  im  Jahre  1876  die  Frage  wegen  der  Heraus- 
gabe einer  «  Uebersicht  der  Thäti^keit  der  Landschafts  Institutionen 
seit  ihrer  Begründung»  und  eines  *yahrbuclis  der  Landschafts-Insti- 
tutiofien»  angeregt  worden.  Für's  Erste  hat  sich  die  Abtheilung  auf 
die  Herausgabe  des  letzteren  «Jahrbuchs»  beschränkt  und  dafür 
3000 — 5000  Rbl.  assignirt.  Die  Redaktion  des  «Jahrbuchs»  hat  Hr 
Prof.  Andrejewskij  übernommen,  und  lag  dasselbe  gegen  Ende  des 
Jahres  im  Manuskript' schon  fertig  vor.  Es  soll  in  2400  Exemplaren 
gedruckt  werden. 

Das,  bei  der  «Freien  ökonomischen  Gesellschaf t  >  bestehende 
•Konnte  für  Volksbildung*  (KOMHxeTt  rpaMOTHOcra)  hatte  in  dem 
verflossenen  Jahr  insofern  seinen  Wirkungskreis  erweitert,  als  es  un- 
entgeltlich in  die  Kriegslazarethe  Bücher  und  periodische  Schriften 
für  die  kranken  und  verwundeten  Krieger  versandte.  Sonst  hat  es, 
wie  auch  in  früheren  Jahren,  viele  der  ärmsten  Volksschulen 
mit  Büchern,  einigen  Zeitschriften  und  Hülfsmitteln  für  den  Unter- 
richt versorgt.  Bis  zum  31.  Dezember  1877  hatte  das  Komite  gegen 
30,000  Bände  im  Betrage  von  ungefähr  1 5,000  Rbl.  versandt. 


93 

Die  Kommission  für  Zusammenstellung  einer  «Umschau  auf  dem 
Grebiete  der  Unterrichtsbücher  für  die  russische  Volksschule«  (06- 
sop-h  pyccKoß  HapoAHO-yHQÖHOft  jiBTepaTypBi)  hat  auch  in  dem  Ver- 
flossenen Jahre  ihre  Thätigkeit  fortgesetzt.  * 

In  der  periodischen  Zeitschrift  der  Gesellschaft:  «Arbeiten  der 
Kaiserlich  Freien  Oekonomischen  Gesellschaft»  (TpyAbi  ÜMnepa- 
TopcKaro  BojiBHaro  dKOHOMHHecKaro  OömecTBa)  sind  im  vorigen 
Jahre  zwei  neue  Rubriken  begründet  worden:  «Landwirthschaftliche 
Rundschau»  und  «Umschau  auf  dem  Gebiete  der  landwirthschaft- 
liehen  Literatur».  Die  besondere  Bestimmung  der  beiden  Rubriken 
ergibt  sich  aus  deren  Ueberschriften.  Die  meisten  der  im  verflos- 
senen Jahre  in  jener  Zeitschrift  veröfientlichten  Artikel  gehörten  in 
die  erste,  «Landwirthschaft»  überschriebene  Abtheilung.  Unter  den 
andern  Abtheilungen  hat  sich  namentlich  die  für  «Bienenzucht»  all- 
gemeinen Beifalles  zu  erfreuen  gehabt,  indem  selbst  aus  den  entfern- 
testen Gegenden  des  Reiches,  und  zwar  sehr  oft  sogar  aus  den 
Kreisen  der  bäuerlichen  Bevölkerung,  Fragen  und  sonstige  Zuschrif« 
tcn  bei  der  Redaktion  einliefen. 

Die  Bihliotluk  der  Gesellschaft  zählte  am  i.  Januar  1878  —  20,813 
Bände  (Bücher  und  Zeitschriften). 

Aus  dem,  im  Jahre  1878  begründeten  Impf-lnstütU  der  Gesell- 
schaft sind  52,800  Lymph-Röhrchen,  viele  Impf-fnstrumente  und 
Anweisungen  zum  Impfen  versandt  worden.  Im  ImpMnstitute  selbst 
sind  7445  Personen  geimpft  worden. 

Die  Gesellschaft  bestand  im  vorigen  Jahre  aus  22  Ehren-,  486 
wirklichen  und  761  aktiven  Mitgliedern.  Die  Ausgaben  beliefen  sich 
auf  20,830  Rbl.  Das  Besitzthum  der  Gesellschaft  repräsentirt  einen 
Wcrth  von  558,266  Rbl.* 


Bevue  Russischer  Zeitschriften. 


«Das  alte  Russland»  (Russkaja  Sstarina  —  PyccKaii  CrapHHa). 
Herausgegeben  und  redigirt  von  M.  y,  Sseniewslüj.    ix.  Jabrgang  1878. 

Heft  4,  Inhalt: 

Innocenz,  Erzbischof  von  Chersson  und  Taurien.  1800— 1857.  II,  HUtorisch-biogra- 
phische  Skizze.  —  Fürst  Xaver  Drutzkoi-Ljubetzkij,  Finanzminister  des  Zarthums 
Polen,  später  Mitglied  des  Reichsraths.  1777 — 1846.  Eine  historisch-biographische 
Skizze  von   O,  A.   Prshezlawskij.  —  Der  Maler  Aiwasowskij  und  dessen  42jährige 


'    Dieses  Buch  ist  inzwischen  im  Mai  dieses  Jahres  erschienen.  Die  Red. 

'  Eine  Uebersicht  der  Thätigkeit  der  «Kaiserlich  Freien  Oekonomischen  GescIU 
schalt*  seit  ihrer  Begründung  im  Jahre  1765  bis  auf  die  Gegenwart  hoffen  wir  in  einem 
der  nächsten  Ilcfle  der  t  Russischen  Revue»  zu  bringen.  Die  Red. 


94 

künstlerische  Thäligkeit.  I— JTI.  —  Erinnerungen  des  Dr.  A.  Hcnrici  an  den  orientali- 
schen Krieg  von  1853 — 1856.  —  Genealogische  Tafel  des  jetzt  regierenden  lianscs 
Romanow. 

Hefts.  Inhalt: 

K.  W.  Tschewkin.  Eine  Skizze  seiner  Verwaltung  des  Ministeriums  der  Wegcverbn- 
düngen.  Von  H.  Sselifontow.  —  St.  Petersburg  im  Jahre  177a.  —  Die  Leiden  des 
Pastors  Zeider  im  Jahre  1800,  von  ihm  selbst  niedergeschrieben.  —  Fürst  Xaver  Drut«- 
koi-Ljubetzkij.  Von  O,  PrshezlmoskiJ.  —  Erinnerungen  von  T.  Passek.  —  Die  Por- 
Iralts  von  N.  Gogol  und  die  Zeichnungen  zu  seinen  Werken,  Von  P.  Jt/remoiv.  — 
Klefne  Erzählungen  und  Bemerkungen. 

Heft  6.  Inhalt: 

Skizzen,  Erzählungen  und  Erinnerungen.  Mitgethcilt  von  E — v,  —  Ze«!arewits<h 
Konstantin  Pawlowitsch  in  Wershbna  am  21.  Nov.  1830.  Von  einem  Augenzeugen.  — 
Andrei  Nikolajewitsch  Karamsin  in  der  Affaire  vom  16.  Mai  1854.  Mitgctheilt  von  IVi- 
stenhof,  —  Erinnerungen  des  Dr.  Henrici  nn  den  orientalischen  Krieg  von  1853 — 
1856.  (Schluss.)  —  Georg  Nowitzki].  Eine  biographische  Skizze  von  M,  Ssakoioiisch, 
—  Zur  Geschichte  der  Kolonisation  des  westlichen  Kaukasus  in  den  Jahren  1861 — 
1863.  Mitgetheilt  von  M,  Wenjukow^  —  Notizen. 

«Journal  des  Ministeriums  der  Volksaufklärung»  (Shurnal  Mini- 
sterstwa  Narodnago  Prosweschtschenija  —  )KypHa.;i'b  MüHecTepcTHa 

HapOAHaro    npOCB-femenifl).       1878.     Heft 4.     Inhalt: 

Die  Sage  von  der  -Schönen  im  Palast  und  die  russische  Öylina  von  dem  Sonnen  reich. 
Von  A,  Wessehioski/\ — Die  Geschichte  der  Bulgaren  im  Lichtedes  historischen  Werk  es  von 
K-  Irecck.  Von  IV,  Afakuschcw. —  Kritische  und  bibliographische  Bemerkungen. —  Der 
Rechenschaftsbericht  der  physisch-mathematischen  und  der  historisch- philologischen 
Abtheilungen  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  für  die  Jahre  1876  und 
1877.  —  Nachrichten  über  die  russischen  LehrauFtalten.  —  l-eber  die  Betheiligung  der 
städtischen  Kommunen  in  Russland  an  der  Sache  der  allgemeinen  Volksbildung.  — 
AbtheiluHg  filr  klassiseke  Philologie.  —  Observationes  rhetoricae  in  Demosthenem.  Von 
y,  Lunlak.  —  Etymologische  Bemerkungen  von  Sckönfferg.  Ueber  cnihil  aliud»  bei  Ci- 
cero. —  Bericht  der  St.  Petersburger  Gesellschaft  für  klassisch«  Philologie  und  Pädago- 
gik für  die  Jahre  1874—1877. 

Heft  5.  Inhalt: 

Bemerkungen  Über  einige  ausländische  Schriftsteller  des  XVII.  Jahrhunderts,  welche 
über  Russland  geschrieben.  Von  £,  ^osudskij,  —  Ueber  die  Grundbegriffe  der  Psy- 
chologie. VonA/*.  $tracho7u. — Die  Geschichte  der  Bulgaren  im  Lichte  des  historischen  Wer- 
kes von  K.  Irecek.  Von  W.  Makuscheiu.  —  Kritische  und  bibliographische  Noti/en.  — 
Nachrichten  über  die  Thätigkeit  der  russisdien  Lehranstalten.  —  Abthülung  fitr  klassi- 
sche Philologie,  —  Medea,  Tragödie  von  EurißideSy  übersetzt  von  /).  TichonaiuiUch. — 
Klassische  Bibliographie.  —  Protokoll  der  Sitsung  der  Gesellschaft  für  klassische  Phi- 
lologie und  Pädagogik  am  28.  Februar  1878. 

*DaS  Wort»  (Sslowo  —  CjIOBO).  1878.  Heft  5.  Inhalt: 

Eine  Idealistin.  (Schluss.)  Eine  Novelle  von  A,  Sfazeunisck,  *-  Die  Entwerthun^ 
des  bäuerlichen  Eigenthums.  Von  B  LenskiJ,  —  Gedichte  von  S,  Posntr  und  A.  Ol- 
ehin.  —  Die  Reise  nach  Frateschti.  Reiseerinnerungen  von  E.  Iioanew,  —  Russlands 
finanzielle  Zustände  im  Rechnung^ahre  1876.  Von  A.  .^.— Brittische  Interessen  im  Ori- 
ent. Von  S,  Janshula,  —  Gedanken  Über  die  Kritik  literarischer  Schöpfnngskraft.  Von 
B.  7,  f—  Die  Aufgaben  der  Volksliteratur.  Von  P,  Topomin.  —  Wissenschaftliche 
Chronik.  —  Das  vervi-aiste  Theater,  Ein  Brief  aus  Moskau. 

♦Militär- Archiv t   (Wojennij   Ssbornik  —  BoeHHuft   C6opH0Ki>). 

XXI.  Jahrgang.  1878.  Heft  5.  Inhalt: 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  im  Jahre  1831.  IV.  Aus  den  Memoiren  von 
N,  D,  Nijelow.  —  Einige  praktische  Ergebnisse  det  letzten  Krieges.  L  Von  Baron  L . 
^iäiieler,  —  Unser  Infanterie-Fronte-Reglement.    I.    Von  N.  S,  —  Der  Charakter 


95 

der  türkischen  Befestigutigen  in  Plewna.  —  Leih-  und  Sparkassen  im  Militär-Ressort. 
Von  r.  Ifuöan^  —  Die  Bevölkerung  und  das  Territorium  der  Kos;iken  im  europäischen 
und  asiatischen  Russland.  (Schluss.)  Voii  H.  Krassnaw,  —  Karategin.  Von  G,,A. 
Arandannko,  —  Das  Gefecht  bei  Elena  und  bei  Slataritza.  I.  Von  Z,  B.  —  Biblio- 
graphie. 

Heft  6.  Inhalt: 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  im  Jahre  1831.  II.  Aus  den  Memoiren  von  H^ 
D,  Nejdow.  —  Unser  Infanterie-Fronte-Reglement.  II,  (Schluss.)  Von  N.  S.  —  Einige 
praktische  Ergebnisse  des  letzten  Krieges.  (Schluss  )  Von  Baron  Z.  Seddelfr,  —  Ge- 
danken tlber  das  Gefecht  und  die  Vorbereitungen  dazu  im  Frieden.  Von  L,  L.  —  Von 
dem  Nutzen  der  Figurscheiben.  Von  Ryschkewitsch^  —r-  Der  Fluss  Amu-Dar)a.  Von  Z. 
KosUnko.  —  Das  Gefecht  bei  Elena  und  Slataritza.  ü.  Von  L.  B.  —  Bibliographie. 

«Der  europäische  Bote»  ( Westnik  Jewropy  —  B'fecTHHin»  Eßponü.) 

Xm.  Jahrgang.  1878.  Heft  5.  Inhalt: 

Die  Domänenbauem  in  Russland  im  XVIII.  Jahrhundert.  Eine  historische  Skizze. 
I — IV.  Von  M,  Ssimnüskij.  —  Molifere  als  Satiriker  und  Mensch.  Ein  literarisches  Por- 
trait von  A,  Wesselowskij  —  liippolyte  Taine  als  Historiker  Frankreichs.  V — IX.  Von 
W,  Gucrr'ur.  —  Anna  Karenin  und  Lew  in.  Literarisch  kritische  Skizzen.  (Schluss.) 
Von  W.  Stankaoitsch.  —  Der  spanische  Satiriker  Larra.  Von  M,  W,  —  Die  letzten 
Tage  eines  Staatsanwaltes.  (Schluss.)  Ein  Roman  von  W,  Pr — witsch,  —  Das  Alter 
der  slavischen  Idee  in  Kusslaud.  Von  A.  W — «.  —  Die  russische  Grundsteuer.  Von 
Tk.  Woroponow^  —  Rundschau  im  Inlande.  —  Auswärtige  Politik ;  Krieg  oder 
Frieden  ? 

Heft  6.  Inhalt: 

Die  Domänenbauern  in  Russland  im  XVIII.  Jahrhundert  Eine  historische  Skizze 
V — VII.  (Schluss  )  Von  W,  Ssemewskij,  —  Gedichte  von  A,  GoUnischtschew-Kutnstnv 
•  und  D,  D,  —  Aus  alter  Zeit,  Erinnerungen  und  Erzählungen.  I.  Von  A.  Z.  —  Die 
letzten  zehn  Lebensjahre  P.  Proudhon's,  I— VlII.  Von  D — ctv,  —  Die  mittel  asiatische 
Kultur  und  unsere  Politik  im  Orient.  I — III.  Von  y.  Fitssel.  —  Bulgarien  während  di  s 
Krieges,  Erinnerungen  und  Notizen.  VIII,  Von  E,  Uiin,  —  Rundschau  im  Inlande.  ^- 
Die  gegenseitigen  Beziehungen  der  Slaven.  Von  A.  P.  —  Auswärtige  Politik, 


Russische  Bibliographie. 


Schriften  der  Kaiserlichen  Russischen  Geographischen  Gesellschaft.  Ethnographische 
Abihcilung.  Bd.  VIII.  Herausgegeben  unter  Redaktion  von  P.  Mfttwejew.  St.  Pbrg. 
8**.  XV  -|-  191  +  299  -(-  20  -j-  103  id.  (3anHCKii  IlMnepaTopcKaro  pycciraro  reorpa? 
«uHecxaro  o6mecTBa.  Ho  OTA'i^eHiio  8THorpa4>iu.  T,  VIII.  IIoai*  peAaanieio  AliücTBu- 
TCjibHaro  q^iena  fl.  A.  MftTB'fcaBa.) 

Dubrowin>  N.  Der  orientalisehe  Krieg  von  1853— 1856  St.  Pbrg.  1878.  8",  X-f 
506  S.  (Ayi^pOBHHlb  H.  BocroHHaa  BottHa  1853 — 18^6  roAom*.) 

Wyleshinskij,  B.  Chemische  Technologie  organischer  StoflFe.  St.  Pbrg.  1878.  8®. 
191  +  174  +  159  +  100  -f  62  +  316  +  195  -f  59  S.  und  62  Tafeln.  (BhUtMNH- 
CRÜ,  B.  XnmiHecKaa  TexHOJioria  oprauHHeciciixi»  aemecTBi».) 

Beresin,  E.  Eine  Skizze  über  militärische  Entfernungsmesser.  St.  Pbrg.  1878.  8®. 
XVI  -^  194  S.  und  rv  Tafeln.  (SepeSNl»,  E.  Onepini  Boemaarb  AaJii>HOMtpoBi>.) 

Kotomin,  A.  Praxis  des  St  Petersburger  KommerzgerichU  für  1877.  SL  Pbrg. 
1878.  8^  I  +  XXI  +  337  S.  (KOTOna%,  A.  M.  Hpaimnca  C.-ncTcp6yprcniro  Kom- 
pHJieecxaro  cyAa.) 


96 

Homanowskij,  G  D.  Materialien  zur  Geologie  von  Turkestnn.  i.  Kfg.  Geologi- 
sche und  paläontologische  Skizze  des  nordwestlichen  Thian-Schan.  St.  Pbrg.  1878.  4". 
yin  -{-  167  S.  mit  30  Tabellen.  (PoHAHOBOBÜ,  V.  ff.  MaTepiajiu  4.1a  rcojioriu  Typ- 
aecTaHCKaro  apaa.) 

Atlas  statistique  et  forestier  de  la  Russic  d^Europe,  redig^  sous  la  redaction  de  P. 
Wereoha  et  A.  Matern.  Publik  par  la  «Soci^t^  forcstiere».  St.  Pbrg.  1878.  8  Kar- 
ten und  I  S.  Text. 

'  Tarohanow,  J.  Kursus  der  Physblogie-.  St.  Pbrg.  1878.  8^  XXXIV  +  267  S. 
Erster  Hand.  (TapxaHOBl,  H.  F.  Kypcb  «RaioJioriH.) 

Jahrbuch  des  Archäologischen  Instituts.  Herausgegeben  unter  Redaktion  von  "N, 
KalatsohOW.  l.Buch.  St.  Pbrg.  1878.  8^  V-f-3i6S.  (C6opHiiKi>  Apxeojiorune- 
cKaro  HHCTHTyra.  KuHra  nepaaa.  HsAana  noAi>  peAasuiel  H.  Kan^Ba.) 

'  MatweJeWt  J-  Der  internationale  statiitische  Kongress.  Eine  historisch-kritische 
Studie.  I.  Die  Brüsseler  Session  des  Kongresses  1878.  8^.  230  S.  (KaTBitoBk,  H.  Mc- 
3KAyHapoAHbifl  CTaTucTHsecKiM  Kourpeccb.     I.  BpiocceJibcsaa  ceccia  Kourpecca.     Hctu- 

pnKO  KpBTUHeCldl  9TI0A1>.) 

Akten,  herausgegeben  von  der  Archäographischen  Kommission  in  Wilna.  4^  Hd.  IV. 
XXI  -^  649  S.  (Aktu,  adAaBaeMbie  BaJiCHCKOio  Apxeorpa«H*iecKoio  KOMMvccieio.) 

Sitzungsberichte  der  gelehrten  estnischen  Gesellschaft  zu  Dorpat  im  Jalirc  1877. 
Dorpat.  1878.  8**.  IV  -f-  190  S. 

liiMenko,  K.  Die  Naphtha- Produktion  nach  den  neuesten  Angaben.  St.  Pbrg. 
1878.  8^  XVI  -|-  281  S.  und  X  Tabellen.  (JlHOeHIO,  K.  He^TiHoe  npoHaeoACTiio,  co- 
crasaeHHoe  no  HOBtimuicb  AaHHUjrb.) 

Apergu  dea  travaux  de  la  Sodöt^  Imperiale  Economiqne  de  St-Pötersbourg  depuis  sa 
fondatlon  en  1765  jusqu  a  not  jours.  St.  Pbrg.  1878.  8^.  40  S. 

Materialien  zu  einer  Klimatologie  des  Kaukasus;  herausgegeben  von  dem  metcrcolo- 
gischen  Observatorium  in  Tiflis  unter  Redaktion  von  A.  MoritB.  Erste  Abthrihiug. 
Metereologische  Beobachtungen.  Bd.  IL  Lfg.  i.  Tiflis.  1878.  8^  96  S.  Lfg.  2.  192  S. 
(MaTepiaau  Aoa  cocraBJieiiia  KJumaroJioriH  KaBicaaa,  co6paHHbie  b  HSAaBaeHuc  Th4>- 
jiHCKOK)  ♦iiaii<iecicoio  otfcepeaTopiex),  noAi»  pyKOBOACTBon-b  A.  KopHl|ft.) 

Der  russische  Graveur  Tschemessow.  Ileliographische  Kopien  von  seinen  Gravüren. 
Herausgegeben  von  A.  HowlliakiJ.  III  -}'  I3  S.  Text  und  17  Gravüren.  (PyccKili 
rpaiiepi»  HeMeoon*.  rciiorpa^aHecxia  xoniH  cb  ero  npoMaaeAeHii.  HsAauic  J(.  A.  Po- 

BMBexaro.) 

Sohujjataohenko,  A.  P.  Vorlesungen  über  die  Sprengstoffe.  Sl  Pbrg.  1878.  8". 
477  S.  (luyjunSMIOi  A.  Kypcb  o  BspueHaTuxi»  cocTaaax'b  ) 

KalatSOhew,  N.  Archiv  des  Archäologischen  Instituts.  Erstes  Buch.  St.  Pbr^. 
1878.  8*^.  VU  -f-  38  +  186  4-  9a  4-  I  S.  mit  a  Zeichnungen.  (Xajawn,  H.  C6op- 
HHKi»  ApxeoaoniHeacaro  HHCTHTyra.) 

Golnbew,  A.  N.  Nekrassow.  Biographie  desselben  und  eine  kritische  Skizz.c  sei- 
ner Dichtung.  St.  Pbrg.  1878.  8^  153  S.  (roxyto«,  A.  H.  A.  Heapacoa-b.  Biorpa- 
«ia  H  KpaTHHecxil  otfsopi»  ero  noasia.) 

Grot,  J.  Bemerkungen  Über  das  Wesen  einiger  Laute  der  russischen  Sprache.  St. 
Pbrg.  1878.  8^  22  S.  (Fp0V%,  M.  3airfaTiH  o  cymHOCTH  Htroropurb  SBjrvorh  pyc- 
caaro  aausa.) 


Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Röttger. 
AoaaojieHo  ueuaypoio.     C-Üerep^ypn» ,  14-ro  Ijoju  1878  roAa. 
ßochdruckerci  von  Rüttorr  h  Sciinridrr,  Newsky-Prospekt  H  5. 


Der  l^einban  Basslands 


mit 

statistischen  Nach\veisen  aus  den  Jeüiren  1870 — 1873.* 


Auf  Grundlage  des,  vom  internationalen  Kongress  zu  Haag  1869 
gefassten  Beschlusses  über  die  Zusammenstellung  einer,  alle  Wein- 
bau treibenden  Länder  umfassenden  Weinbaustatistik,  arbeitete  das 
russische  statistische  Central-Komite  ein  Programm  über  die,  den 
Weinbau  Russlands  betreffenden  Fragen  aus,  welches  diese  Be- 
hörde den  statistischen  Komitees  aller  süd-russischen  Gouverne- 
ments zur  Beantwortung  einsandte.  Aus  den,  auf  diese  Anfragen 
beim  statistischen  Central-Komite  eingelaufenen  Antworten  und  aus 
der,  über  den  Weinbau  Russlands  vorhandenen  Literatur  geht  her- 
vor, dass  behufs  der  Gewinnung  von  Traubenwein  in  nachstehenden 
Gouvernements,  Bezirken  und  Gebieten  Weinbau  betrieben  wird:  in 
den  Gouvernements  Podolien,  Bessarabien,  Chersson,  Taurien,  Jeka- 
terinoslaw,  Astrachan,  Sstawropol,  Kutaiss,  Tiflis,  Jelissawetpol, 
Baku  und  Eriwan;  in  den  Bezirken  des  Schwarzmeer-Gebietes  und 
von  Ssuchum,  im  Gebiet  der  Donischen  Kosaken,  im  Kuban-,  Te- 
rek-,  Daghestan-,  Ural-,  Ssemiretschinsk-  und  Syr-Darja-Gebiet. 
Ueber  den  Weinbau  des  Gouvernements  Jekaterinoslaw  und  der 
Gebiete  Uralsk,  Ssemiretschinsk  und  Syr-Darja  gibt  es  nur  äusserst 
wenig  Data.  Die  Weinbau  treibenden  Gegenden  der  übrigen  hier 
genannten  Gouvernements,  Gebiete  und  Bezirke  können  in  folgende 
13  natürliche  Gebiete  gruppirt  werden: 

Das  I.  oder  Bessarabische  Gebiet  umfasst  die  Bassins  der  Flüsse 
Dnjestr  und  Pruth  und  das  zwischen  diesen  beiden  Flüssen  gelegene 
Areal,  und  zwar  die  Kreise:  Mohilew,  Jampol  und  Olgopol  im  Gou- 


*  BoK9^  if.  M  Eptuoß9y  r,  EHHorpa^apcTBO  h  BHHOA^^ie  bt.  Pocciii  et.  1870 — 1873 
TOfiMXh,  CTaTHCTaqecKitt  BpeMCHHurb  PoccillCKoft  HiiiiepiH.  BunycKi»  151.  C.-IIeTep- 
6yprb,  1877  r. 

BT780«  BBTUX«  BD.  Zm.  7 


98 

vememcnt  Podolien,  Tlraspol  und  Odessa  im  Gouvernement  Cher- 
son  und  sämmtliche  Kreise  des  Gouvernements  Bessarabten. 

Das  n.  oder  Krimsche  Gebiet  umfasst  die  Halbinsel  Taurien  oder 
Krim,  namentlich  den,  längs  dem  Ufer  des  Schwarzen  Meeres  gele- 
genen  Landstrich  und  die  Thäler  der  in  das  Schwarze  und  Asow- 
sche  Meer  mündenden  Flüsse  und  zwar  in  den  Kreisen  Eupatoria^ 
Ssimferopol,  Jalta  und  Feodossia. 

'  Das  in.  oder  Dänische  Gebiet  umfasst  einen  Theil  des  Flussbas- 
sins des  Don  in  den  Kreisen  I.  und  II.  des  Gebietes  der  Donischen 
Kosaken. 

Das  IV.  oder  Astraehansche  Gebiet  umfasst  die  Kreise  Astrachan 
und  Krassnij-Jar  im  Gouvernement  Astrachan. 

Das  V.  oder  Kubarische  Gebiet  umfasst  die  Bassins  der  Flüsse 
Kuban,  Beisug,  Kirpili,  Kotschati,  die  Halbinsel  Taman  und  die  Um- 
gegend von  Jeisk  in  den  Kreisen  Batalpachinsk,  Maikop,  Jekaterino- 
dar,  Temrjuk,  Jeisk  des  Kuban-Gebietes. 

Das  VI.  oder  Kutnä^sc/te  Gebiet  umfasst  das  Bassin  des  Flusses 
Kuma  in  den  Kreisen  Pjatigorsk  und  Nowogrigorjewsk  im  Gouver- 
nement Stawropol. 

Das  VII.  oder  das  Terek-KunUksche  Gebiet  umfasst  die  Bassins 
der  Flüsse  Terek  und  Sundscha,  so  wie  auch  die  Kumiksche  Ebene 
in  den  Bezirken  Kisljar,  Grosnij  und  Chassaw-Jurt  im  Terek  Gebiete. 

Das  Vni.  oder  DagJiesiansche  Gebiet  umfasst  den  Strand  des  Kas- 
pischen  Meeres  im  Bereiche  des  Daghestan-Gebietes  und  die  Fluss- 
bassins des  letzteren,  namentlich  des  Andjischen  und  Awarschen 
Kojsu  in  den  Bezirken  Temir-Chan-Schura  und  Darginsk  des  nörd- 
lichen Daghestan,  im  Bezirk  Kajtago-Tabassaransk  und  in  der  Stadt- 
halterschaft Derbent  des  südlichen  Daghestan;  in  den  Bezirken  And- 
jisk  und  Awarsk  des  westlichen  Daghestan  und  in  dem  Gunibschen 
Bezirke  des  mittleren  Daghestan. 

Das  IX.  oder  RionSckwarzmeet' Gebiet  umfasst  den  Strand  des 
Schwarzen  Meeres  im  Gouvernement  Kutaiss,  im  Schwarzmeer- 
und  Ssuchum-Gebiet  und  die,  in  dem  genannten  Gouvernement 
und  Bezirken  befindlichen  Flussbassins,  namentlich  des  Rion  und 
anderer,  in  das  Schwarze  Meer  mündenden  Flüsse. 

Das  X.  oder  Kura'sc/ie  Gebiet  umfasst  den  grössten  Theil  des 
Bassins  des  Flusses  Kura  mit  Ausschluss  der  Nebenflüsse  Alasan 
und  Araxes  in  den  Kreisen  Achalzych,  Gori,  Duschet  und  Tiflis  im 
Gouvernement  Tiflis,  und  in  den  Kreisen  Katach,  Jelissawetpol  und 
Schuscha  im  Gouvernement  Jelissawetpol. 


99 

Das  XI.  oder  Kachetinische  oder  Alasan-Airitschaiscke  Gebiet  um- 
fasst  das  Bassin  des  Flusses  Alasan  und  dessen  Nebenfluss  Airi- 
tschai  in  den  Kreisen  Signach  und  Telan  des  Gouvernements  Tiflis, 
den  Sakatalschen  Bezirk  und  den  Kreis  Nucha  des  Gouvernements 
Jelissawetpol. 

Das  XII.  oder  Araxes^Gebiei  umfasst  das  Bassin  des  Flusses  Ara- 
xes  in  den  Kreisen  Etschmiadsin,  Eriwan  und  Nachitschewan  im 
Gouvernement  Eriwan,  den  Kreis  Sangesursk  und  den  südlichen 
Theil  des  Kreises  Schuscha  des  Gouvernements  Jelissawetpol. 

Das  XIII.  oder  das  Schemacha-Gektschaische  Gebiet  umfasst  die 
Kreise  Schemacha  und  Gektschaisk  des  Gouvernements  Baku. 


Oesehichtliches  Aber  den  Weinbau  In  Bossland^  Geographische 
Yerbreitnng  der  Weinrebe,  Kultur-  und  Klimatische  Yerhältnisse. 

Die  Weinrebe  wurde  schon  in  den  ältesten  Zeiten  auf  dem  Terri- 
torium, welches  gegenwärtig  den  südlichen  Theil  Russlands  bildet, 
kultivirt.  Die,  südlich  des  Kaspischen  Meeres  gelegenen  Länder  wer- 
den für  die  Heimath  der  Rebe  gehalten*.  In  ihrer  Nachbarschaft 
befand  sich  auch  das  Vaterland  des  semitischen  Stammes  oder  einer 
seiner  Hauptzweige.  Von  hier  aus  begleitete  die  Rebe  die  semiti- 
schen Völker  zum  untern  Stromlaufe  des  Euphrats  und  nach  Sy- 
rien, wo  später  die  Semiten  sesshaft  wurden  und  eine  selbstständige 
Kultur  entwickelten,  die  älter  war,  wie  jene  der  arischen  Völker. 
Aus  Syrien  verbreitete  sich  die  Rebe  über  ganz  West-Asien  bei  den 
Völkern  des  arischen  Stammes:  den  Lydiern,  Frigern,  Medern 
und  bei  andern,  von  Osten  nach  Westen  vorgerückten  Iranern.  Aus 
Klein-Asien  gelangte  die  Rebe  nach  Griechenland.  Zur  Zeit  Homer's 
und  Hesiod's  hatte  die  Kultur  der  Rebe  in  Griechenland  schon  eine 
solche  Verbreitung  gefunden,  dass  ihre  Heimath  bereits  vergessen 
worden  war  und  sie,  wie  auch  ihr  Produkt,  der  Wein,  und  wie  alles 
Gute  der  Gottheit  zugeschrieben  wurde.  Die  Verpflanzung  der  Re- 
ben aus  Klein-Asien  nach  Griechenland  muss  hier  erwähnt  werden, 
weil  sie  von  hier  aus  schon  einige  Jahrhunderte  vor  Christo  in  die, 
am  Strande  des  Schwarzen  Meeres  entstandenen  altgriechischen 
Kolonien  gelangten.  In  Transkaukasien  aber  bestand  der  Weinbau 
schon  lange  vor  der  Gründung  dieser  letzteren,  was  trotz  des  Man- 

•  Hehn,  V,  Kulturpflanzen  und  Hausthiere  in  ihrem  Uebergang  aus  Asien  nach  Grie- 
chenland und  Italien,  sowie  in  das  übrige  Europa.  S.  67  u.  fil 


100 

■ 

gels  an,  den  Weinbau  direkt  betreffenden  Angaben,  schon  aus  der, 
in  den  ältesten  Zeiten  hohen  allgemeinen  Kultur  dieser  Länder  ge- 
schlossen werden  kann.  (S.  Haxthausen:  Transkaukasien.) 

Der  Kaukasus,  das  höchste  Gebirge  der  alten  Kulturwelt,  ist  für 
die  Geschichte  der  Menschheit  von  ganz  unermesslicher  Bedeutung. 
An  dieses  Gebirge  knüpfen  viele  Völker  ihre  ältesten  Sagen.  Eine 
noch  jetzt  in  Transkaukasien  verbreitete  Sage  erzählt,  dass,  als  die 
Sündfluth  im  Abnehmen  begriffen  gewesen,  der  Kaukasus  zuerst 
aus  dem  Wasser  hervorgetaucht  sei;  auf  ihm  soll  die  Arche  an  der 
Spitze  seines  höchsten  Berges,  des  Elborus,  auf  festen  Boden  ge- 
stossen  sein  und  habe  dadurch  die  Bergspitze  gespalten;  dann  aber 
sei  sie  weiter  geschwommen  und  habe  sich  auf  den\  Berge  Ararat 
niedergelassen. 

Nach  den  Worten  der  Schrift*  soll  Noah,  nachdem  er  die  Arche 
auf  dem  Berge  Ararat  verlassen,  Weingärten  gepflanzt  haben  und 
kannte  er  bereits  die  Herstellung  der  Weines.  Schon  zu  Zeiten 
Noah's  war  demnach  nicht  nur  der  Weinbau,  sondern  auch  die 
Kelterung  des  Weines  den  semitischen  Völkern  bekannt. 

In  den  ältesten  Zeiten,  in  welcher  sich  die  Sage  von  der  Ge- 
schichte nicht  scharf  trennen  lässt,  war  der  östliche  Landstrich  am 
Kaspischen  Meere  von  grosser  geschichtlicher  Bedeutung.  Hier 
befand  sich  das  Urland  der  Persischen  Weltmonarchie,  das  wahre 
Iran,  ein  Name,  welcher  später  auf  ganz  Persien  überging.  Mitten 
in  diesem  eigentlichen  Iran,  am  untern  Stromlauf  des  Cyrus  (Kur), 
befand  sich  das  heilige,  priesterliche  Land  Magon ;  ein  Theil  des- 
selben, die  jetzige  Magon'sche  Wüste,  war  damals  durch  künstliche 
Berieselung,  von  der  noch  jetzt  Spuren  sichtbar  sind,  ein  ungemein 
fruchtbares  Land,  während  jetzt  diese  Wüste  nur  zeitweise  von  No- 
maden besucht  wird. 

Fast  bis  zum  Beginn  der  christlichen  Zeitrechnung  wurde  Trans- 
kaukasien von  keinem  Kriege  berührt.  Allein  weder  Gewerbe  noch 
Handel  wurden  daselbst  von  den  Ureinwohnern  des  Landes,  den 
Iranern  und  Medern  betrieben,  deren  Charakter  sich  nicht  dazu 
eignete,  sondern  von  einem  fremden  Volke  Tschin,  indo-süd west- 
chinesischer oder  indo-serischer  Abstamung,  welches  aus  ferner 
Heimath  verdrängt,  hier  Aufnahme  fand.  Die  alten  Chroniken- 
schreiber, u.  A.  der  Armenier  Moses  von  Chorene  schildern  das  Volk 
Tschin  oder  die  Seren  als  ein  mildes,  friedliches  Kulturvolk,  Kanäle 


'   I.  Buch  Moses.  Kap.  9  V.  20,  21. 


lOI 

■y* 


bauend,   Ackerbau,   Gartenbau  und  Weinbau,   sowie  Gewerbe  und 
Handel  treibend.  Leider  gibt  es  keine  direkten  Nachweise  darüber,  ob 
das  Volk  Tschin  den  Weinbau  inKaukasien  schon  vorgefunden,  oder 
aber  denselben  dort  eingeführt  habe.  Wenn  einerseits  bereits  bewie- 
sen ist,  dass  die  Entdeckung  der  Weinbereitung  wie  auch  die  Gewin- 
nung von  Alkohol  aus  Brot-  und  anderen  Früchten  den  semitischen 
Stämmen  angehört^,  so  ist  andererseits  auch  bekannt,  dass  in  China 
und  Ostindien  Spiritus  aus  Palmen,   Datteln  und  Reis  schon  in  den 
ältesten  Zeiten  gewonnen  wurde,  worüber  u.  A.  auch  Strabo   be- 
richtet.    Daher  ist  die  Annahme,  dass  die  Destillation  des  Spiritus 
wie  auch  die  Bereitung  des  Weins  sowohl  von   den  Indo-Chincsen 
wie  auch  von  den  semitischen  Stämmen  West-Asiens  selbstständig 
entdeckt  worden   seien,    nicht  unwahrscheinlich.     Im  Centrum  von 
Transkaukasien,    dessen    Weinreichthum    schon   von   Strabo''    be- 
schrieben wird,   nennt  Herodot  die  Saspiren,   die  schon  im  Heere 
des  Xerxes  dienten.    Haxthausen^  hält  sie  mit  den  späteren  Iberiern 
und  den  jetzigen  Georgiern  für  identisch,  doch  ist  über   ihren  Ur- 
sprung in  der  Wissenschaft  noch  Nichts  festgestellt.     Darüber,  dass 
das  Gewerbe  und  Handel  treibende  Volk  Tschin  auch  dem  Weinbau 
obgelegen,  dürfte  kein  Zweifel  herrschen. 

Auf  der  Taurischen  Halbinsel  existirte  der  Weinbau  auch  seit 
uralter  Zeit;  schon  sieben  Jahrhunderte  vor  Christo  entstanden  hier  alt- 
griechische  Kolonien,    die   mit  dieser  Kultur   gut  vertraut  waren. 
Dies  gilt  namentlich   von  den  Irakliten,   die  das  westliche  Seeufer 
Tauriens  kolonisirten  und  von  den  Mileten,  welche  auf  dem  östlichen 
Ufer  die  Kolonien  Theodosia,  Nimea  und  Panticopea  gründeten.  Da 
am  Flusse  Don  in  seinem  unteren  Laufe  alt-griechische  Amphoren 
gefunden   worden  sind,  so  glaubt  man,   dass   um  dieselbe  Zeit  die 
Griechen  auch  hier  den  Weinbau  eingeführt  hatten.     Später,    wahr- 
scheinlich im  111.  Jahrhundert  vor  Christo  wurden  von  den  Griechen 
Weingärten  im  Bereich  des  jetzigen  Bessarabiens  angelegt.     Nach 
Strabo  blühte  schon  bei  der  Entstehung  des  Bosphorischen  Reiches 
der  Weinbau   am  Strande  des  Schwarzen    Meeres,    besonders    zu 
Zeiten  des  bosphorischen  Königs  Leucon  und   nach  dem   Sturze 
Mithridates  Eupator's   bis   zum   ersten  Jahrhundert    nach  Christo. 
Während  der  Herrschaft  der  Römer   blühte  der  Weinbau   in  allen 


*  Hehn^  1.  c.  S.  22. 

'  Strabo^  Giograph.  XI,  Kap.  4. 

'  Haxthamen^  Transkaukasien.  Bd.  II.  S«  io8. 


102 

Thälern  der  Krim ;  als  aber  die  Taurische  Halbinsel  eine  Beute  der 
Nomadenvölker  wurde  und  zuletzt  von  den  Tataren  erobert  worden 
war,  sank  hier  die  Kultur  der  Rebe  sehr  bedeutend. 

Mit  der  Zerstörung  Dioscaria's  wanderte  auch  der  asiatische 
Tauschhandel  nach  Georgien  und  Armenien,  wo  er  besonders  zwischen 
Tiflis  undEriwan  aufblühte.  Im  I  V.Jahrhundert  nach  Christo  existirten 
bereits  zwei  christliche  Reiche  in  Transkaukasien,  Georgien  und  Ar- 
menien, in  denen  der  Weinbau  sehr  verbreitet  war.  Mit  dem  Verfall 
des  Handels  im  VII.  Jahrhundert  und  der  Herrschaft  der  Mohamme- 
daner, welche  kategorisch  den  Genuss  des  Weines  verboten,  wurden 
in  Transkaukasien  die  Traditionen  früherer  Zeiten  zerrissen  und 
verfiel  die  Kultur  des  Weinbaues  sehr  schnell.  Gleichzeitig  wanderte 
auch  der  ehemals  so  blühende  asiatische  Tauschhandel  nach  Norden 
zum  Wolgastrom. 

Die  Genueser,  die  vom  XI,  bis  zum  Ende  des  XV.  Jahrhunderts 
am  Strande  des  Schwarzen  Meeres  Handel  trieben  und  Kafia  (Theo- 
dosia)  undSoldea(Sudag)  besetzt  hielten,  förderten  die  Weinkultur  in 
Alupka,  Jalta,  Simeis,  Limena  und  an  vielen  anderen  Orten  der 
südlichen  Küste  Tauriens,  ebenso  in  Bessarabien,  wo  im  Mittelalter 
der  Weinbau  zu  einer  grossen  Ausdehnung  gelangte.  Zu  Ende  des 
XV.  Jahrhunderts  aber  wurden  alle  genuesischen  Kolonien  am  Ufer 
des  Schwarzen  Meeres  von  den  Türken  erobert  und  von  dieser  Zeit 
an  verfiel  daselbst  wieder  der  Weinbau  fast  gänzlich. 

Transkaukasien  bildete  im  Mittelalter ,  nachdem  die  Türken  das 
Byzantinische  Reich  erobert,  das  Streitobjekt  zwischen  Persern  und 
Türken,  welche  Letztere,  nachdem  sie  Armenien  und  Georgien 
erobert,  den  westlichen,  die  Ersteren  aber  den  östlichen  Theil  be- 
setzt hielten.  Unter  der  elenden,  barbarischen  Verwaltung  beider 
Staaten  sank  auch  die  Urbevölkerung  Transkaukasiens  immer  mehr 
in  Barbarei,  wobei  die  hohe  Kultur  des  Landes  bald  zerstört  wurde. 

Am  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  gelangte  die  Kultur  der  Rebe 
aus  dem  östlichen  Theil  Transkaukasiens,  aus  Schemacha,  durch 
persische  Kaufleute  nach  Astrachan.  Der  Weinbau  blühte  hier  so 
rasch  auf,  dass  schon  bald  nach  Anlage  der  ersten  Weingärten 
dortige  Trauben  dem  Zarenhause  nach  Moskau  zugestellt  wurden. 
Im  XVn.  Jahrhundert  wurden  auf  Befehl  des  Zaren  Alexei  Michaile- 
witsch  Winzer  aus  Astrachan  an  den  Terek  versetzt,  um  den  dor- 
tigen Winzern  die  Art  der  Anpflanzung  der  Rebe,  wie  auch  jene  der 
Weiterverbreitung  zu  lehren.  Zur  Zeit  Peters  des  Grossen  wurde  die 
Entwickelung  des  Weinbaues  an  den  Flüssen  Don  und  Terek  in 


103 

den  Gebieten  der  Don'schen,   Terek' sehen  und  Greben'schen  Ko- 
saken besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt. 

Nachdem  Russland  zu  Ende  des  XVIII.  und  zu  Anfang  des 
XIX.  Jahrhunderts  die  Halbinsel  Taurien,  Bessarabien  und  Trans- 
kaukasien  erobert  hatte,  fiel  ihm  ein  grosses,  Weinbau  treibendes 
Territorium  zu,  in  welchem,  wie  oben  erwähnt,  diese  Kultur  schon 
seit  den  ältesten  Zeiten  existirte.  Zu  Ende  des  vorigen  und  im  An- 
fange dieses  Jahrhunderts  wurden  Weingärten  an  den  Flüssen  Kuban 
und  Kuma  in  dem  Gebiete  Kuban  und  dem  Gouvernement  Stawro- 
pol  angelegt.  Endlich,  erst  zu  Anfang  der  zweiten  Hälfte  unseres 
Jahrhunderts,  fiel  Russland  noch  ein  bedeutendes  Weinbau  treiben- 
des Gebiet  zu  —  der  südlichq  Theil  Turkestans,  wo  aber  wegen  der 
ausschliesslich  mohammedanischen  Bevölkerung,  welche  schon  im 
VIII.  Jahrhundert  zum  Islam  übergetreten  war,  trotz  des  guten  Ge- 
deihens der  Rebe,  wenig  Wein  gezogen  wird.  Grössere  Ver- 
breitung erlangte  der  Weinbau  hier  erst  mit  dem  Erscheinen  der 
russischen  Kolonisten. 

Die  nördliche  Grenze  des  Weinbaues  beginnt  im  westlichen  Theile 
Süd-Russlaiids  im  Gouvernement  Wolhynien  unter  dem  51^  n.  Br.; 
gegen  Osten  allmälig  fallend,  durchstreicht  dieselbe  die  Gouverne- 
ments Kijew,  Poltawa,  Charkow,  Jekaterinoslaw,  geht  dann  über  Sa- 
repta  (Gouvernement  Ssaratow)  und  über  die  Festung  Saraitsckikow 
in  s  Ural-Gebiet.  Weiter  gegen  Osten  fällt  die  Grenze  noch  bedeuten- 
der; so  reifen  z.  B.  im  Gebiete  Ssemiretschinsk  im  Thale  des  Ili- 
stromes  die  Trauben  selbst  unter  dem  45®  n.  Br.  nicht  vollständig. 
Obgleich   im    Bassin    des   Amurstromes  und    im   Ussuri-Gebiete^ 
zwischen  dem  46^  und  42®  n.  Br.  in  Laub-  und  gemischten  Wäldern 
die  wilde  Rebe  (vitis  amurensis  Rupr.)  vorkommt,  so  sind  doch  die 
Trauben  sauer   und   erreichen   kaum  die  Grösse  der  Sauerbeere. 
Uebrigens  haben   die  Trauben  im   südlichen   Theile  des  Ussuri- 
Gebietes,  besonders  an  den  steilen  Abhängen  des  Japanischen  Meeres 
einen  besseren  Geschmack.     Besonders  üppig  wächst  hier  die  Rebe 
in  den  Wäldern,  wo  sie  sich  an  der  Erde  ausbreitet  und  dieselbe 
mit  einem  zusammenhängenden  grünen  Teppich  überzieht,  oder  wo 
sie  sich^  ähnUch  den  Lianen  der  Tropen,  auch  an  den  Gesträuchen 
und  Bäumen  windet. 

Als  die  äussersten  nördlichen  Grenzen  der  Kultur  der  Tafel-Reb- 


^  Ifaximowic^  PrimiÜM  florae  Amurensis.  St,Peter:>burg  1S59.  S'^9i  S. 394»  5.397. 


104 

Sorten  bezeichnet  Beketow*  Kijew  (50^  28'  n.  Br.  und  48®  11'  östl.L.) 
und  Charkow  (50**  0,3'  n.  Br.  S3^  54'  östl.  L);  nach  seinen  Bestim- 
mungen beginnt  die  Grenze  des  geregelten  Weinbaues  im  Gouver- 
nement Wolhynien  unter  dem  50®  n.  Br.  und  streicht,  gegen  Osten 
fallend,  auf  Katterburg  (Gouvernement  Wolhynien),  Berditschew 
(49®  54'  n.  Br.  46®  15'  ö.  L.)  und  Chodorow  am  Dnjepr  im  Gouver- 
nement Kijew,  Poltawa  (49®  35'  n.  Br.  52®  14'  ö.  L.),  Starobelsk 
(49*  1 5'  n.  Br.,  56*  34'  ö.  L.)  im  Gouvernement  Charkow,  Staniza 
Pjatiisbjanskaja  (48^  35'  n.  Br.  61^  7  ö.  L.)  im  Gebiete  der  Doni- 
scheii  Kosaken,  Sarepta  (48®  31'  n.  Br.,  62®  13'  ö.  L.)  im  Gouver- 
nement Ssaratow,  Gurjew  (47®  7'  n.  Br.  69®  38'  ö.  L.)  im  Gebiete 
Uralsk,  und  Wernoje  (43«  i&  n.  Br.,  94«  38'  ö.  L.)  im  Gebiete  Sse- 
miretschinsk. 

In  den  hier  verzeichneten  nördlichen  Grenzdistrikten  des  Wein- 
baues trifft  man  nur  selten  Weingärten  an,  indem  die  Reben  für  den 
Tischgebrauch  hier  nur  in  Obstgärten  kultivirt  werden.  Allein  auch 
selbst  der  Süden  dieses  Grenzgebietes  kann  kaum  als  Weinbau  trei- 
bend bezeichnet  werden,  da  die  vorhandenen  physikalischen  Ver- 
hältnisse sowie  die  bedeutende  Höhe  über  dem  Meeresspiegel  den 
Weinbau  nicht  gestatten.  Obgleich  die  Forschungen  nach  dieser 
Richtung  hin  spärlich  sind,  so  scheint  doch  die  Rebe  die  grösste  ab- 
solute Höhe  an  der  südlichen  Grenze  Transkaukasiens  gefunden  zu 
haben.  Hier  beobachtete  sie  Hr. tarrot*  auf  einer  Höhe  von  5000 
Fuss  über  dem  Meeresspiegel  in  den  später  (1840)  zerstörten  Gärten 
des  Klosters  St.  Jakob  im  Thale  Achuri,  am  nördlichen  Abhänge 
des  grossen  Ararat.  Im  östlichen  Theile  von  Transkaukasien  steigt 
die  Rebenkultur  nur  auf  eine  geringere  Höhe  und  in  der  Umgegend 
von  Stawropol  reifen  die  Trauben  selbst  bei  einer  Höhe  von  nur 
1880  Fuss  über  dem  Meeresspiegel  nicht  jedes  Jahr.  Im  Gouver- 
nement Bessarabien  erreichen  die  höchst  gelegenen  Weingärten  in 
der  Ortschaft  Wodeni  im  Kreise  Soroki  nur  die  absolute  Höhe  von 
1 160  Fuss.  Die  auf  der  Taurischen  Halbinsel  gelegenen  überstei- 
gen nicht  eine  absolute  Höhe  von  1000  Fuss,  und  die,  in  den  übrigen 
Theilen  des  europäischen  Russland  befindlichen  erreichen  nicht  ein- 
mal diese  Höhe.  Nur  im  asiatischen  Russland,  im  Gebiete  Turkc- 
stan,  gibt  es  höher  gelegene  Weingärten,  wie  z.  B.  in  Ssamarkand 
bei  2344',  inKuldsha  bei  1700',  in  Taschkend  bei  1621' über  dem 
Meeresspiegel. 

•  Beketow,  A.,  Botanische  Umrisse  (russisch).  Moskau  185S  S.  71—91. 
'  Panot,  Reise  zum  Ararat  Bd.  I,  S.  76. 


I05 

Nicht  nur,  dass  durch  die  eben  erwähnten  Umstände  dem  Wein- 
bau in  Süd-Russland  eine  engere  Grenze  gezogen  wird,  es  eignen 
sich  auch  die  zahlreichen  Steppenländereien  des  südlichen  Russland 
sowohl  ihrer  klimatischen,  wie  ihrerBodenverhältnisse  wegen-nichtzur 
Kultur  der  Rebe.  Das  süd-russische  Steppengebiet  umfasst  einen  Flä- 
chenraum von  60,000  geographischen  DMeilen  und  während  es  in  sei- 
nem westlichen  Theile,  dem  fruchtbarsten,  eine  Hochebene  bildet^ 
besteht  der  weit  grössere  östliche  Theil  aus  grossen,  von  Hügeln  und 
niedrigen  Bergen  durchschnittenen  Ebenen,  die  sich  von  1000  bis 
4000'  über  dem  Meeresspiegel  erheben.  Der  Boden  dieser  enormen 
Steppe  besteht  aus  Tschornosem  (Schwarzerde),  Lehm,  Sand,  stel- 
lenweise selbst  aus  Flugsand  und  Salzgrund.  Seit  uralter  Zeit  gehörte 
diese  Steppe  den  Nomaden  Völkern  und  der  östliche  grössere  Theil 
wird  noch  jetzt  von  diesen  Völkern  eingenommen.  Hieraus  erklärt 
es  sich  schon,  dass  der  Weinbau  daselbst  keine  Stätte  findet. 

Die  Weinbau  treibende  Region  Russlands  wird  daher  durch  nie- 
drige Gebirge  und  Vorgebirge,  grosse  Flussbassins  und  durch  die 
Strandgegenden  der  Meere  und  Seen  gebildet.  Allein  hier  werden 
viele,  für  den  Weinbau  geeignete  Strecken  zu  anderen  landwirth- 
schaftlichen  Zwecken  verwendet  oder  liegen  auch  gänzlich  unbe- 
nutzt da,  grösstentheils  aus  dem  Grunde,  weil  die  lokale  Bevölkerung 
die  Bedeutung  und  den  Nutzen  des  Weinbaues  noch  nicht  erfasst 
hat. 

Die  Weinrebe  wird  in  Russland  auf  den  verschiedenartigsten 
Bodenarten  kultivirt,  einerseits  auf  üppigem,  sehr  fruchtbarem 
Tschornosem  und  Schlammboden,  andererseits  noch  auf  magerem 
Lehmboden,  selbst  auf  Sand-  und  sogar  auf  salzhaltigem  Boden.  Nur 
auf  Flugsand,  auf  stark  salzhaltigem  Boden  und  auf  Sumpfland  kön. 
nen  keine  Reben  kultivirt  werden.  Der  beste  Boden  hierzu  soll  kalk- 
oder  mergelhaltiger  Lehm  sein,  wie  denn  überhaupt  eine  gewisse 
Beimischung  von  Kalk  im  Boden  dem  Weinbau  günstig  ist.  Als 
schlechtester  Boden  gilt  der  salzhaltige  Thon,  der  nicht  nur  viel 
Dünger  erfordert,  sondern  auch  einer  starken  Bewässerung  bedarf. 
Als  allgemeine  Regel  kann  gelten,  dass  Rebsorten,  die  aus  Gegen- 
den mit  einer  höheren  mittleren  Temperatur  stammen,  einen  frucht- 
baren, üppigen,  feuchten  und  warmen  Boden,  dagegen  Reben  aus 
Gegenden  mit  einer  kälteren  mittleren  Jahrestemperatur  einen  ma- 
gern, trockenen  und  kälteren  Boden  verlangen.  Uebrigens  werden 
fast  in  jeder,  Wein  bauenden  Gegend  einzelne  Bodenarten  besonders 
bevorzugt  und  werden  solchen  sogar  besondere  Eigenschaften  der 


io6 

auf  ihnen  wachsenden  Reben  zugeschrieben.  So  z.  B.  werden  am 
Süd-Ufer  der  Krim  Reben  sowohl  auf  schwarzem  Thonschiefer- 
boden,  der  aus  zerstörtem  Liasschiefer  besteht,  wie  auch  auf  schwe- 
rem Thonboden  von  gelber  und  rother  Farbe,  dem  Stücke  von  ooli- 
tischemKalk  beigemengt  sind,  kultivirt,  doch  wird  letzterem  Boden  der 
Vorzug  gegeben.  Auf  der  Kumikschen  Hochebene  im  Terek-Gebiete 
wird  der  steinige,  kalkhaltige  Boden  für  der  Rebe  am  meisten  gün- 
stig gehalten.  Am  westlichen  Abhänge  der  Achalzych-Imeretischen 
Gebirge  im  Bereiche  des  Gouvernements  Kutai'ss  wird  besonders 
guter  Rothwein  aus  Trauben  bereitet,  die  auf  kalkhaltigem  Thon- 
boden und  auf  merglichcm  Boden  wachsen,  der  auf  Felsarten  der 
oberen  Kreideformation  auflagert,  etc. 

Die  Weingärten  werden  sowohl  auf  hoch  und  niedrig  gelegenen 
Ebenen,  wie  an  schwach  geneigten  und  steilen  Abhängen  von  Hü- 
geln und  Bergen  angelegt;  im  letzteren  Falle  werden  steilere  Ab- 
hänge durch  künstliche  Terassen  dieser  Kultur  zugänglich  gemacht, 
wodurch  auch  gleichzeitig  der  Boden  gegen  Abschlämmen  durch 
Sturzregen  mehr  Schutz  findet  und  weniger  ausgewaschen  wird. 
In  Kachetien  gibt  es  im  Alasan-Thäl  Weingärten,  welche  ohne 
Terassen  selbst  bei  einer  Steigung  von  35®  angelegt  sind,  während 
in  Transkaukasien  und  der  Krim  schon  weit  weniger  steile  Wein- 
berge mit  Terassen  versehen  werden.  Bei  Anlage  von  Weingär- 
ten wählt  man  vor  kalten  Winden  möglichst  geschützte  Stellen, 
und  da  der  Süden  Russlands  vorzugsweise  den  kalten  und  trockenen 
Ost- Winden  preisgegeben  ist,  so  meidet  man  fast  überall  hierbei  die 
östlichen  und  nord-östlichen  Abhänge.  Nur  in  trockenen  Gegen- 
den, in  welchen  die  Weingärten  an  Dürre  leiden,  wird  die  Anlage 
derselben  an  Süd-Abhängen  gemieden.  So  sind  z.  B.  in  Bessarabien, 
wo  es  nur  unbewässerte  Weingärten  gibt,  die  meisten  derselben 
nach  Osten  und  Nord-Osten,  ja  sogar  nach  Norden  gerichtet;  be- 
wässerte Weingärten  aber  und  besonders  solche,  welche  Dessert- 
weine liefern,  legt  man  nur  an  südlichen,  süd-östlichen  und  süd-west- 
lichen  Abhängen- an,  da  dort  die  Reben  am  meisten  den  ihnen  so 
nöthigen  Sonnenstralilen  ausgesetzt  sind. 

Bei  Anlage  von  Weingärten  muss  selbstverständlich  den  lokalen 
klimatischen  Verhältnissen  die  grösste  Aufmerksamkeit  geschenkt 
werden,  da  der  Wuchs  der  Rebe,  die  Eigenschaften  der  Trauben 
und  des  daraus  erhaltenen  Weines  in  strenger  Abhängigkeit  von 
denselben  stehen.  Selbst  die  sorgfältigste  Pflege  kann  der  Rebe 
nicht  ersetzen,  was  ihr  die  Strahlen  der  Mittagssonne  geben.  Hierin 


107 

liegt  der  Hauptgrund  von  dem  sich  geltend  machenden  Unter- 
schiede in  den  Eigenschaften  der  Trauben  einer  und  derselben  Reb- 
sorte. Auch  hindern  die,  in  Süd-Russland  häufig  eintretenden  kalten 
Nächte,  trotz  der  starken  Tageswärme  nur  zu  häufig  das  volle  Aus- 
reifen der  Trauben.  Aus  vieljährigen  Beobachtungen  ist  bekannt, 
dass  bei  Mitteltemperaturen  von  +>  8,75®  C.  im  Jahr,  von  +  i®  C.  im 
Winter  und  von  +  18,5®  C.  im  Sommer  die  Rebe  während  des  Win^ 
ters  keine  Bedeckung  verlangt  und  einen  guten  Wein  gibt.  Doch 
wo  die  Rebe  zum  Winter  bedeckt  oder  vergraben  wird,  dort  gibt  sie 
auch  bei  einer  niedrigeren  mittleren  Jahrestemperatur  gute  Trauben. 
Durch  die  Arbeiten  des  Hrn.  Rykatschew,  der  die  mittleren  Tempera- 
turen an  38  Punkten  der  süd-russischen  Weinbauregion  feststellte, 
ist  nachgewiesen,  dass  die  Mitteltemperatur  des  Sommers  die  für 
den  Weinbau  erforderliche  Norm  überall  übersteigt.  Auch  die 
Mitteltemperatur  des  Jahres  entspricht  der  Norm  und  übersteigt  die- 
selbe an  35  Punkten  und  bloss  an  3  Punkten  stellt  sie  sich  niedriger ; 
was  aber  die  Mitteltemperatur  des  Winters  betrifft,  so  wird  die  ge- 
nannte Norm  nur  an  12  Punkten  überstiegen,  an  den  übrigen  26 
Punkten  ist  sie  bedeutend  niedriger.  Natürlich  muss  die  Rebe  in 
allen  solchen  Gegenden  Während  des  Winters  bedeckt  oder  vergra- 
ben werden.  Dies  ist  in  der  That  auch  der  Fall  in  Bessarabien,  wo 
nur  die,  im  südlichsten  Theil  gelegenen  Weingärten  während  des 
Winters  unbedeckt  bleiben,  in  den  Kreisen  Simferopol  und  Eupa- . 
toria  des  taurischen  Gouvernements,  am  Don  im  Gebiete  der  Doni- 
schen Kosaken,  im  Gouvernement  Astrachan;  in  ganz  Ciskaukasien 
in  den  Bassins  der  Flüsse  Kuma,  Kuban  und  Terek;  im  nördlichen, 
mittleren  und  westlichen  Daghestan;  im  Kreise  Achalzych  des 
Gouvernements  Tiflis;  auf  der  Kartalinischen  Ebene  im  Kreise  Gori; 
im  Bassin  des  Araxes,  im  Bereiche  des  Gouvernements  Eriwan  und 
endlich  im  Gebiete  Turkestan,  mit  Ausschluss  seines  südlichen 
Theiles. 

In  allen  übrigen  Weinbau,  treibenden  Gegenden  Russlands  werden 
die  Reben  im  Winter  nicht  bedeckt  und  leiden  auch  nicht  durch  den 
Winterfrost.  Früh  eintretende  Herbstfröste  sind  nur  den  unreifen 
Trauben  schädlich,  nicht  den  reifen;  dagegen  wirken  aber  die  häufig 
vorkommenden  Frühjahrsfröste  verderblich  auf  Rebe  und  Traube 
und  berauben  die  Winzer  nur  zu  oft  ihrer  ganzen  Ernte.  Es  ist  auch 
bemerkt  worden,  dass  namentlich  in  den  niedrig  gelegenen  Gegen- 
den die  Reben  mehr  vom  Frost  leiden,  wie  an  hoch  gelegenen  Stel- 
len und  auf  steilen  Abhängen. 


io8 

So  sehr  auch  die,  zur  rechten  Zeit  gefallenen  Regenmengen  der 
Rebe  nützen,  so  sehr  schaden  sie  ihr  aber  auch  während  einiger 
Perioden  ihrer  Entwickelung,  besonders  während  der  Blüthczeit, 
der  F'ruchtbildung  und  der  Traubenreife,  in  welch  letzterem  Falle 
der  Winzer  oft  gezwungen  wird,  die  Lese  selbst  vor  vollkommener 
Ausreifung  der  Trauben  zu  beginnen.  Wenn  zu  Anfang  des  Som- 
mers nach  reichlichem  Regen  Dürre  eintritt,  und  besonders  wenn 
dieselbe  noch  von  einem  trockenen  Ost-  oder  Nord-Ostwinde  be- 
gleitet ist,  so  vertrocknen  nicht  nur  die  Rebenblätter,  sondern  auch 
die  Trauben  selbst.  In  Süd-Russland  sind  Strichregen  vorherrschend, 
anhaltende  Regen  bilden  nur  seltene  Ausnahmen;  desshalb  leiden 
die  Weingärten  häufig  an  anhaltender  Dürre,  die  auch  den  Trauben 
grossen  Schaden  bringt,  indem  dieselben  klein  und  fleischig  bleiben 
und  eine  harte  Haut  bekommen,  die  ihre  vollständige  Reife  ver- 
hindert. 

Nach,  in  Süd-Russland  angestellten  Beobachtungen  ist  man  zu  dem 
.Schluss  gelangt,  dass  die  Quantität  der  atmosphärischen  Nieder- 
schläge in  der  Richtung  von  West  nach  Ost  geringer  wird  und  dass 
der  Mangel  an  Schnee  und  Regen  in  Süd-Russland  dadurch  bedingt 
werde,  dass  der  nach  Russland  gelangende  Süd-Westwind  bereits 
schon  in  West-Europa  den  grössten  Theil  seiner  Feuchtigkeit  ver- 
loren habe.  Theils  wird  aber  auch  der  Mangel  an  Niederschlagen 
den  in  Süd-Russland  herrschenden  trockenen  Ostwinden,  theils  auch 
der  waldlosen  Oberfläche  dieses  I-andstriches  zugeschrieben.  Doch 
muss  ein  solcher  einseitiger  Schluss  für  voreilig  gehalten  werden, 
weil  er  sich  auf  eine  zu  geringe  Anzahl  von  Beobachtungen  stützt, 
die  noch  dazu  an  nur  sehr  wenig  Beobachtunspunkten  angestellt 
worden  sind.  Auch  differiren  die,  aus  früheren  Beobachtungen  ge- 
zogenen Mittelzahlen  bedeutend  mit  den  in  neuester  Zeit  ange- 
stellten. Desshalb  können  noch  keine,  für  den  Weinbau  stichhaltigen 
Schlüsse  aus  den  vorhandenen  Daten  über  die  Niederschläge  ge- 
zoiren  werden,  obijlcich  solche  Daten  tjerade  für  den  Weinbau 
Kusslands  von  der  gnissten  Wichtigkeit  wären. 

Der  Weinbau  befindet  sich  in  direkter  Abhängigkeit  von  der 
Feuchtigkeit  des  Bodens  und  der  Luft;  je  geringer  diese  letztere,  desto 
dringender  wird  das  Bedurfniss  nach  künstlicher  Bewässerung  der 
Weingärten.  Um  aber  dieselben  berieseln  zu  können,  ist  Wasser 
erforderlich.  An  Wasser  jedoch  leiden  selbst  heute  viele  Gegenden 
Kussiands  Mangel,  von  welchen  mit  Sicherheit  bewiesen  werden 
kann,   dass  ilort   früher  Wasser  vorhanden  und   sogar  an   viden 


109 

Orten  schon  zur  Bewässerung  der  Weingärten  benutzt  worden  war. 
Die  Frage,  wesshalb  im  grössten  Theile  Süd-Russlands  der  Boden 
im  Vergleich  zu  früheren  Zeiten  trockner  geworden,  ist  noch  lange 
nicht  gelöst.  Es  ist  wohl  nicht  zu  bestreiten,  dass  die  Vernichtung 
der  Wälder  im  Allgemeinen  eine  sehr  ungleichmässigc  Vertheilung 
der  Niederschläge  zur  Folge  hat  und  daher  stellenweise  zur  Ursache 
der  Trockenheit  wird;  die  Hauptursache  der  allmäligen  Verminde- 
rung des  Wassers  in  einigen  Gegenden  muss  aber  wohl  in  den 
lokalen  Erhebungen  und  Senkungen  des  Bodens  gesucht  werden, 
über  welche  Erscheinungen  jedoch  in  Süd-Russland  die  Beobachtun- 
gen fehlen. 

So  sehr  auch  ein  beständig  feuchter,  ja  morastiger  Boden  der 
Rebe  schadet,  so  viel  nützt  ihr  andererseits  in  trockenen  Gegenden 
berieseltes  Land.  Eine  rechtzeitige,  vorsichtige  Berieselung  der 
Weingärten  befestigt  die  Rebe  und  dient  zum  Pfand  einer  guten 
Lese.  In  berieselten  Weingärten  trägt  selbst  der,  für  die  Weinkultur 
weniger  günstige  Boden  noch  gesunde  Reben  und  liefert  eine  gute 
Lese,  wozu  für  gewöhnlich  gar  kein  Dung  nöthig  ist.  Es  fragt  sich 
aber,  ob  die,  auf  diese  Weise  den  Weingärten  durch  das  Wasser  zu- 
geführten Nahrungsstoffe  auch  dann  genügen,  wenn  der  Boden  arm 
an,  für  die  Weinreben  erforderlichen  Nahrungsstoffen  ist.  Obgleich 
in  dieser  Beziehung,  namentlich  in  Süd-Russland,  hinsichtlich  des 
Gehaltes  der  dortigen  Gewässer,  noch  keine  erschöpfenden  Unter- 
suchungen angestellt  worden  sind,  und  daher  auch  noch  sehr  wenig 
quantitative  Analysen  des  Flusswassers  vorliegen,  so  lässt  sich  doch 
schon  im  Voraus  mit  Bestimmtheit  sagen,  dass  dergleichen  Unter- 
suchungen sehr  ungleiche  Resultate  zu  Tage  fördern  und  grosse 
Verschiedenheiten  aufweisen  werden.  Dadurch  lässt  sich  auch  der 
verschiedene  Einfluss  der  Berieselung  auf  die  Rebe  erklären  j  dess- 
gleichen  auch  die  vorgekommenen  Fälle,  dass  trotz  der  Berieselung 
der  Weingärten  die  Lese  derselben  von  Jahr  zu  Jahr  geringere  Re- 
sultate liefert.  Nur  in  solchen  Fällen,  d.  h.  bei  vollkommener  Ver- 
armung des  Bodens,  nimmt  man  gewöhnlich  Zuflucht  zur  Düngung 
desselben.  Anders  verhält  es  sich  in  solchen  Gegenden,  wo  die 
klimatischen  Verhältnisse  keine  künstliche  Bewässerung  der  Rebe 
verlangen.  Dort  muss,  wenn  der  Boden  erschöpft  ist  und  keine  ge- 
nügenden Lesen  gibt,  gedüngt  werden  und  geschieht  dies  jährlich 
oder  nach  Verlauf  von  2,  3  oder  mehr  Jahren.  Doch  gibt  es  auch 
solche  Gegenden,  wo  selbst  unberieselte  Weingärten  nie  gedüngt 
werden.     In  diesen  Gegenden  lässt  man  die  Weingärten  einfach  ein- 


HO 

gehen,  sobald  eine  vollständige  Ausnutzung  des  Bodens  eingetreten 
ist  und  legt  auf  einer  neuen  Stelle  Weingärten  an. 

Ausschliesslich  unberieselte  Weingärten  kommen  nur  in  Bessara- 
bien,  im  Rion-Schwarzmeer-  und  im  Kurischen  Gebiete  vor,  aus- 
schliesslich berieselte  gibt  es  nur  in  einem,  dem  Araxes-Gebiete;  in 
allen  übrigen  Weinbau  treibenden  Gegenden  gibt  es  sowohl  be- 
rieselte, wie  unberieselte  Weingärten.  In  dem  westlichen  Theile 
Transkaukasiens,  besonders  im  Strandgebiete  des  Schwerzen  Mee- 
res leiden  die  Reben  auf  vielen  Stellen  an  zu  grosser  Feuchtigkeit 
des  Bodens,  und  wenn  sich  hier  die  Rebenkultur  heben  soll,  so 
wird  ohne  Zweifel  zu  dem  Meliorationsmittel  der  Trockenlegung 
und  Drainage  gegriffen  werden  müssen.  '  Dagegen  ist  wieder  in  sehr 
trockenen  Gegenden  der  Weinbauregion,  besonders  im  östlichen 
und  südlichen  Transkaukasien,  die  künstliche  Berieselung  der  Wein- 
gärten eine  unumgängliche  Bedingung  der  Rebenkultur,  da  in  sehr 
vielen  Gegenden  der  Weinbau  nur  unter  dieser  Bedingung  betrieben 
werden  kann.  Hierzu  bieten  die  vorhandenen  Kanäle  und  Wasser- 
adern eine  willkommene  Gelegenheit  und  es  steht  zu  erwarten,  dass 
mit  Benutzung  derselben  sich  der  Weinbau  in  jenen  Gegenden  noch 
bedeutend  ausbreiten  werde.  In  Transkaukasien  sind  Wasserlei- 
tungen zur  künstlichen  Berieselung  seit  den  ältesten  Zeiten  vor- 
handen und  besonders  viel  haben  die  Perser  für  diesen  Zweck  ge- 
than.  Sie  haben  in  vielen,  selbst  über  io,000  Fuss  hoch  über  dem 
Meeresspiegel  gelegenen  Gegenden  Wasserleitungen  angelegt,  von 
denen  jetzt  noch  Spuren  vorhanden  sind,  und  von  denen  aus  die  Be- 
rieselung von  Feldern  und  Weingärten  erfolgen  konnte.  Leider  sind 
viele  dieser  Wasserleitungen  zerstört,  verunreinigt  und  versandet,  aber 
gleichzeitig  mit  ihrer  Vernichtung  sind  auch  bedeutende,  früher 
sehr  fruchtbare  Strecken  in  unfruchtbare  Wüsten  verwandelt 
worden. 

Bei  künstlicher  Berieselung  der  Weingärten  ergiesst  sich  das 
Wassser  entweder  aus  den  Kanälen  direkt  über  die  ganze  Oberfläche 
derselben,  oder,  was  häufiger  der  Fall,  es  wird  in  mehr  oder, weniger 
tiefe  kleine  Kanäle  geleitet,  welche  die  ganze  Oberfläche  durch- 
streichen. Nach  einem,  noch  von  den  Persern  stammenden  Gebrauch 
wird  die  Berieselung  der  Felder  und  Weingärten  von  Bevollmächtig- 
ten, die  von  der  Bevölkerung  gewählt  werden,  geleitet.  Doch  auch 
bei  einer  derartigen  Ordnung  kann  eine  regelmässige  Vertheilung 
des  Wassers  nur  in  dem  Falle  stattfinden,  wenn  es  möglich  ist,  zu 
jeder  Zeit  genau  zu  wissen,  i)  wie  gross  die  zur  Verfügung  stehende 


III 

Quantität  des  Wassers  ist  und  2)  ob  das  Wasser  namentlich  zu 
solchen  Weingärten  gelangt,  welche  am  meisten  des  Wassers  be- 
dürfen. In  Betreff  der  ersten  Bedingung  fehlt  es  ganz  an  genauen 
Daten;  was  die  zweite  betrifft,  so  beruht  Alles  auf  dem  guten  Willen 
Derjenigen,  welche  die  künstliche  Berieselung  verwalten.  •  Daher 
bildet  auch  im  Kaukasus  die  Benutzung  des  Rieselwassers  den 
Gegenstand  ewigen  Streites  und  trotzdem,  dass  der  Gebrauch,  in 
einigen  Gegenden  selbst  das  Gesetz,  sich  bestrebt  haben,  die  Be- 
nutzung *des  Wassers  zu  regeln,  so  entscheidet  hierbei  doch  nicht 
selten  das  Recht  des  Stärkeren.  Einem  solchen  traurigen  Zustande 
der  künstlichen  Berieselung  der  Weingärten  kann  nur  dann  abge- 
holfen werden,  wenn  die  künstlichen  Wasserleitungen  vom  Gesetz 
streng  geschützt  werden  und  wenn  zugleich  eine  strenge  Aufsicht 
der  Bassins  und  Schleusen  eingeführt  wird. 


Bebenknltnr.  Traubenlese*  Die  Terschledeiien  Bebsorten,  ihre 
Krankheiten  und  Feinde.  Grosse,  Bearbeitnngskosten  und  Er- 
trag der  Weingärten,  Preise  der  Weintranben  und  deren  Ein- 

flilir  nach  Bnssland. 

Die  Rebe  wird  in  Russland  in  besonderen  Weingärten  ohne  oder 
mit  Zwischenkulturen  gepflanzt,  wo  sie  in  mehr  oder  weniger  regel- 
mässigen Reihen  gesetzt  und  an  Pfählen,  Stangen  oder  anderen 
Stützen  befestigt  wird.  In  solchen  Weingärten  finden  sich  nicht 
selten,  wie  dies  meist  auch  in  Ungarn  der-  Fall  ist,  in  grösserer  oder 
geringerer  Anzahl  Obst-  und  andere  Bäume  oder  Sträucher  mitten 
unter  den  Rebenpflanzungen,  oder  diese  umgürtend.  In  dem  Rion- 
und  Schwarzmeer-,  dem  Schemacha-Gektschaischen  und  im  Daghe- 
stan'schen  Gebiete  —  im  letztgenannten  Gebiete  doch  nur  in  der 
Ortschaft  Karabudachkent  im  Bezirke  Temir-Chan-Schura  —  wird 
die  Rebe  an  hohen  Bäumen  gezogen,  und  zwar  nicht  in  besonderen, 
regelmässig  angelegten  Weingärten,  sondern  in  Hainen,  Gärten  und 
Feldern  an  Obst-,  Oel-,  Maulbeer-  und  anderen  Bäumen,  die  meh- 
rere Faden  weit  von  einander  abstehen.  Ausserdem  wird  die  Rebe 
auf  Terassen,  an  Lauben  oder  in  Guirlandcn,  an  den  Wegen,  Häu- 
sern, Zäunen  u.  s.  w.  gebaut. 

Als  reine  Pflanzungen  ohne  Zwischenkultur  von  Obst-  und  andern 
Bäumen  etc.  wird  die  Rebe  nur  in  den  Weingärten  des  Gebiets 
Kachetien  kültivirt;  in  allen  übrigen  Weinbau  treibenden  Gegenden 


112 

werden  die  Weingärten  sowohl  rein,  wie  mit  Zwischenkulturen  an- 
getroffen. In  der  Krim  und  an  der  Kura  werden  in  den  neu  angeleg- 
ten Weingärten  keine  Obstbäume  zwischen  den  Reben  gepflanzt, 
weil  die  Winzer  in  den  genannten  Gegenden  bereits  die  Ueberzeu- 
gung  gewonnen  haben,  dass  die  Reben  durch  den  Schatten  der 
Bäume  leiden;  dies  ist  auch  der  Grund,  warum  manche  Win- 
zer in  ihren  alten  Gärten  die  Bäume  aushauen.  In  anderen  Gärten, 
besonders  in  Bessarabien  und  im  Gouv.  Eriwan,  werden  aus  demsel- 
ben Grunde  nur  Pfirsiche  und  Aprikosen  gepflanzt;  wo  sich  daselbst 
ausser  ihnen  noch  andere  Bäume  befinden,  da  stehen  letztere  so, 
dass  ihr  Schatten  nicht  die  Reben  trifft.  In  vielen  Weingegenden 
pflanzt  man  Obst--  und  andere  Bäume,  so  wie  Sträucher  um  die 
Weingärten  herum,  um  letztere  vor  den  Stürmen  zu  schützen.  Im 
Rion-Schwarzmeergebiet  schützt  man  die  Weingärten  vor  den  dort 
herrschenden  Ostwinden  durch  schmale,  fünf  und  mehr  Faden 
breite  Waldstreifen,  Sacarc  genannt,  die  nie  von  einer  Axt  berührt 
werden. 

Von  den,  in  den  Weingärten  und  um  dieselben  herum  gepflanzten 
Bäumen  und  Sträucher  haben  folgende  Arten  die  grösste  Verbrei- 
tung: im  Süden  des  europäischen  Russlands  und  in  Ciskaukasien  — 
Birnen-,  Aepfel-,  Kirschen-,  Süsskirschen-,  Pflaumen-  Oelbäume  (in 
der  Krim),  ferner  Pfirsiche,  Aprikosen  und  Mandelbäume  (Derbent), 
Maul-  und  Nussbäume,  Stachelbeer-  und  Johannisbeersträucher, 
Weidenbäume,  Pappeln  etc.  Jn  Transkauka^ien  werden  dagegen 
ausser  den  genannten  Bäumen  noch  angetroffen:  die  Quitte  (Cydo- 
nia  vulgaris),  der  Granatapfel  (Punica  granatum),  Eleagnus  porten- 
sis,  die  Hcrlitzen  (Cornus  mascula)  etc.  In  Gegenden,  in  welchen  sich 
die  Reben  an  hohen  Bäumen  winden,  werden  dieselben  vorherr- 
schend an  der  Erle  (Rion-Schwarzmecr-Gebiet)  oder  am  schwarzen 
Maulbeerbaum  (Schemacha^Gekschaisches  Gebiet),  seltener  aber  an 
Obst-  und  Maulbeerbäumen  (Rion-Schwarzmeer  Geb.)  oder  am 
Granatapfel,  der  Pappel,  Karagadsch,  Kisilagatsch,  der  Weissbu- 
che, Eiche  und  andern  Bäumen  gezogen.  Unter  den  Obst-  und  an- 
dern Bäumen  und  Sträuchern  betreibt  man  in  den  Weingärten  eini- 
ger Gegenden  auch  den  Gemüsebau  (Astrachansches  Gebiet)  und 
den  Luzernenbau  (Araxes  Gebiet)  oder  kultivirt  andere  Pflanzen.  Im 
Rion-Schwarzmecr-Gebiete  finden  sich  die,  unter  dem  Namen  «Ma- 
glari»  bekannten  Weingärten,  das  sind  mit  Mais,  (Kukurutz)  Gomi 
(Panicum  italicum)  und  anderen  Pflanzen  bebaute  Felder,  in  wel- 
chen  zerstreut  und  in   einer  Entfernung   von   3 — 5    Faden  hohe 


Bäume  stehen,  welche  von  den  Weinreben  umrankt  werden.  Die 
anderen,  mit,  an  niedrigen  Stangen  gezogenen  Weinreben  bestande- 
nen Weingärten  führen  den  Namen  «Dablari».  Hohe  Spalierreben, 
die  geschlossene  Rebenalleen  bilden,  werden  «Taravelli»  genannt. 

Die  Anpflanzung  und  Verjüngung  der  Weingarten-Anlagen  ge- 
schieht mittelst  Schnittreben,  Setzlingen  und  Stecklingen  und  nur 
im  Don'schen  Gebiete  werden  die  Weingärten  mit  grossen  Reben 
oder  deren  Gipfeln  angepflanzt.  Zur  Anlage  neuer  Weingärten  be- 
nutzt man  vorzugsweise  Schnittreben,  seltener  Setzlinge,  zur  Ver- 
jüngung von  Weingärten  sowohl  Stecklinge  wie  Setzlinge,  mitunter 
aber  auch  Schnittreben.  In  vielen  Lagen  des  Daghestan'schen,  Rion- 
Schwarzmeer-,  des  Kura'schen  und  des  Kachetinskischen  Gebietes 
werden  neue  Weingärten  mit  Schnittreben  bepflanzt,  dabei  aber 
zwischen  denselben  grosse  Zwischenräume  gelassen,  die  im  3.  oder 
4.  Jahre  mit,  von  den  Schnittreben  abgesenkten  Nebenreben  ausge- 
füllt werden.  Die  leeren  Stellen  in  den  Weingärten,  wo  die  gesetz- 
ten Schnittreben  nicht  gefasst  haben,  werden  gewöhnlich  mit  Setz- 
lingen bepflanzt.  Um  eine  Rebart  durch  eine  andere  zu  ersetzen,  ist 
in  einigen  Gegenden  (Bessarabien,  Krim,  Daghestan,  Araxes)  das 
Pfropfen  (Inoculiren)  gebräuchlich;  auch  wird  dieses  Verfahren  von 
einigen  Winzern  beim  Verjüngen  der  Weingärten  angewendet. 

Bei  Anlage  neuer  Weingärten  reinigt  man  zunächst  den  Boden 
von  Steinen,  Gesträuchen  etc.,  worauf  er  i — 3  Jahre  mit  Mais,  Wei- 
zen, Baumwolle  und  andern  ähnlichen  Gewächsen  bebaut  wird 
(Bessarabien,  Rion-Schwarzmeer-,  Kachetien  und  Schemacha-Gek- 
tschai-Gebiet).  Vor  dem  Setzen  der  Schnittlinge  wird  das  Land  ent- 
weder aufgepflügt  (am  Don,  Kuban-,  Araxes-Geb.),  oder  ganz  auf- 
gegraben und  bearbeitet  (Bessarabien,  Krim,  Rion-Schwarzmeer- 
und  Schemacha-Gektschai-Geb.)  oder  es  werden  nur  Gruben  ausge- 
hoben (ebendaselbst)  oder  endlich  nur  parallel  laufende  Gräben  ge- 
zogen. Das  tiefere  oder  flachere  Umgraben  richtet  sich  nach  der 
Schwere  und  Qualität  des  Bodens.  Die  Breite  der  Gräben  beträgt 
iV« — 2  Arschin.  Beim  Umgraben  horizontaler  Strecken  wird  der 
Richtung  der  Gräben  keine  Aufmerksamkeit  geschenkt,  bei  Abhän- 
gen dagegen  werden  die  Gräben  parallel  dem  Verlauf  der  Abhänge, 
oder  in  senkrechter  Richtung  zu  dem  Verlauf  der  Abhänge  gestellt. 

Bei  neuen  Anpflanzungen  wendet  man  die  Schnittreben  verschie- 
denartig an.  Sie  werden  entweder  direckt  auf  die  für  sie  in  den 
Weingärten  bestimmten  Stellen  gepflanzt,  oder  man  zieht  sie  (Bessa- 
rabieni  Krim,  Astrachan,  Rion-Schwarzmeer-Geb.)  vorläufig  auf  i, 

Btrf».  SBTUB,  BD.  zm«  8 


"4 

2,  selbst  3  Jahre  in  Pflanzschulen  auf,  und  erst  wenn  sich  ihr  Wur- 
zelstock gut  entwickelt  hat,  werden  sie  an  ihre  Plätze  in  den  Wein- 
gärten verpflanzt.  In  einigen  Gegenden  von  Bessarabien,  im  Kache- 
tinskischen  und  im  Araxes-Gebiete  pflanzt  man  die  Schnittreben  in 
den  Weingärten  in  grösserer  Menge  als  erforderlich;  nach  ein  oder 
zwei  Jahren  verdünnt  man,  wie  nothwendig,  die  Pflanzung  und  be- 
nutzt die  hierbei  gewonnenen,  gut  angewurzelten  Stöcke  zum  Aus- 
füllen von  Fehlstellen.  In  der  Umgegend  der  Städte  Ackerman  und 
Kischinew,  auch  in  der  Krim  werden  die  Schnittreben  einige  Tage 
VQr  der  Verpflanzung  in,  mit  Wasser  angefüllten  Gräben  gehalten, 
um  besser  anzuwurzeln. 

Das  Absenken  der  Reben  erfolgt  wie  anderwärts.  Man  verwendet 
hierzu  einzelne  Zweige  so  wie  auch  ganze  Stöcke.  Die  Senker  wer- 
den in  Bessarabien  ihrerseits  oft  wieder  gesenkt,  um  dorthin  geleitet 
zu  werden,  wo  man  deren  z.  B.  zur  Ausfüllung  von  Lücken  etc.  be- 
darf. In  der  Regel  erfolgt  das  Senken  im  Frühjahr,  in  einigen  Thei- 
len  der  Krim  und  in  der  Umgegend  von  Astrachan  aber  auch  im 
Herbst.  Ebenso  erfolgt  das  Bepflanzen  der  Weingärten  grossen- 
theils  im  Frühjahr,  nur  das  Donische  Gebiet,  in  welchem  man  die 
Herbstpflanzung  vorzieht,  macht  davon  eine  Ausnahme.  Die 
Schnittreben  setzt  man  entweder  in  senkrechte  Gruben  oder  legt  sie 
in  Gräben,  in  beiden  Fällen  werden  sie  bis  zur  Erdoberfläche  mit 
gut  gedüngter  Erde  umgeben,  die  festgetreten  und  nochmals  mit 
Dung  zugedeckt  wird,  auf  welchen  wieder  Erde  kommt.  Dies  Ver- 
fahren ist  besonders  im  Kura-Gebiete  und  Kachetien  üblich.  In 
einigen  Gegenden  wird  in  die  Gruben  feine  lockere  Erde  geschüt- 
tet, wobei  vor  der  Anpflanzung  auch  der  Boden  der  Grube  durch 
Auflockerung  und  Vermischen  mit  passender  Erde,  oder  durch  Dün- 
gung mit  gut  angefaultem  Mist  verbessert  wird  (Astrachan).  Die 
Schnittreben  werden  so  gepflanzt,  dass  immer  einige  Augen  über 
der  Oberfläche  des  Bodens  bleiben  (in  der  Krim  ein  Auge,  in  Ka- 
chetien zwei,  im  Schemacha-Gektschaischen  Gebiete  2 — 3,  in  Daghe- 
stan  3 — 4  Augen).  Bei  der  Anpflanzung  der  Schnittreben  in  Gniben 
wie  in  Gräben  werden  dieselben  einzeln  oder  paarweise  (letzteres  in 
Bessarabien,  Kuban,  Daghestan,  Schemacha),  auch  gruppenweise  zu 
3  Stück  (Araxes,  Schemacha- Gektschaisches  Geb.)  oder  endlich 
selbst  zu  4  und  niehr  Stück  (Donisches  und  Araxes  Geb.)  gesetzt. 

Bei  Anpflanzung  hoher  Reben  zum  Umranken  der  Bäume  wer- 
den die  Schnittreben  im  Schemacha-Gektschaischen  Gebiete  oder 
die  Setzlinge  im  Rion-Schwarzmeer  Gebiete  neben  den  Bäumen,  an 


115 

welchen  man  die  Reben  ziehen  will,  in  Gruben  gesetzt;  dabei  findet 
eine  unregelmässige  Vertheilung  der  Reben  in  den  Weingärten 
statt,  da  die  Bäume  untereinander  verschieden  entfernt  stehen.  Bei 
der  Rebenkultur  herrscht  in  den  meisten  Weingärten  die  regel- 
mässigCi  reihenweise  Anpflanzung  der  Schnittreben  und  Setzlinge  vor. 
Nur  in  einigen  Weinbau  treibenden  Gegenden  werden  Weingärten 
angetroffen,  in  welchen  die  Reben  unregelmässig  angepflanzt  sind. 
Bei  regelmässiger,  reihenweiser  Anpflanzung  sind  die  Entfernungen 
zwischen  den  Reben  und  den  Reihen  sehr  verschieden,  was  von  der 
grösseren  oder  geringeren  Fruchtbarkeit  des  Bodens,  der  Art  der 
Reben  und  deren  Erziehung  und  einigen  anderen  Ursachen  ab- 
hängt. So  beträgt: 

Die  Entfernung  zwischen 
den  Reben     den  Reb- 
stockreihen 

ImBessarabischen  Gebiet:  Arschin.     Arschin. 

Weingärtenin  der UmgegendvonOdessa  i*/4  i*/* 

Neue  »         »    •  >  »  Ackerman  2 — 3  2 — 3 

Uebrige  »         »    »  »  »  »  2 — 3  bis  4 

■ 
Im  Krimschen  Gebiet: 

Am  Südstrande  des  Schwarzen  Meeres  i  ^s  i  Va 

Im  Astrachanschen  Gebiet 
»  Kubanschen  » 

•■  Daghestanschen      >     (nördl.  Daghestan) 
»  Kuraschen  > 

Im  Schemacha-Gektschaischen  Grebiet: 
In  Weingärten  mit  kurzen  Reben  i  V«  l  V« 

Die  Pflege  neuer  Anpflanzungen  besteht  in  den  ersten  Jahren  in 
einem  sorgfaltigen  Jäten  des  Unkrautes,  dort,  wo  die  Weingärten 
berieselt  werden,  in  reichlichem  Berieseln  und  im  Einkürzen  oder 
Verschneiden  der  Reben.  In  einigen  Gegenden  (namentlich  im  Ku- 
ra-Gebiet)  werden  die  jungen  Reben  im  nächsten  Frühjahr  noch  ge- 
düngt und  bedeckt  und  die  Düngung  im  Monat  Mai  wiederholt. 
Ebenso  im  zweiten  Jahr  zwei  Mal  in  den  Monaten  Februar,  März 
und  Mai.  In  anderen  Gegenden,  namentlich  im  Schemacha-Gek- 
tschaischen Gebiete  wird  bei  guten  Winzern  der  Boden  in  den  er- 
sten 3  Jahren  nach  der  Anpflanzung  auf  folgende  Art  gedüngt:  im 

8* 


i'/a- 

-1V4 

3-6 

•/7- 

2 

l'/i 
-1V7 

3 

I '/«— 2 

ii6 

Frühjahr  oder  Sommer  wird  auf  die  Oberfläche  der,  um  jeden  Reb- 
stock aufgelockerten  Erde  per  Rebstock  i  */a— 2  Pud  Rindermist  ge- 
legt und  darauf  wird  die  Stelle  um  den  Rebstock  berieselt.  Einige 
Winzer  bearbeiten  erst  die  Erde  und  berieseln  dann.  In  einigen  Ge- 
genden des  letztgenannten  Gebietes  werden  im  zweiten  und  dritten 
Jahre  ausser  dem  Jäten  des  Unkrautes  noch  die  Rebstöcke  behäu- 
felt, wobei  jedoch  kein  Dünger  gebraucht  wird.  Die  Rebstöcke,  die 
sich  aus  den  Schnittreben  gebildet  haben,  tragen  bereits  im  4.  oder 
5.  Jahre  nach  der  Anpflanzung  Trauben,  die  Setzlinge  und  Senkre- 
ben noch  früher,  schon  im  3.  und  in  einigen  Gegenden  der  Krim  so- 
gar schon  im  2.  Jahre. 

Bei  richtiger  Pflege  der  Weinstöcke  können  Weingärten  sehr 
lange  ohne  Verjüngung  gute  Lesen  geben.  Die  volle  Lese  tritt  bei 
jungen  Rebstöcken  erst  im  7.,  ja  oft  erst  im  10.  Jahre  ein  und  dauert 
selten  länger  als  30 — 35  Jahre,  meistens  aber  20—30  oder  auch  nur 
15 — 18  Jahre.  Uebrigens  kommen  auch  Weingärten  vor,  die  bei 
schlechter  Pflege  schon  nach  6  oder  7  Jahren  in  einen  solchen  Zu- 
stand gerathen,  dass  es  nöthig  ist,  die  Rebstöcke  auszuraufen,  den 
Weingarten  neu  aufzugraben  und  eine  neue  Rebenpflanzung  zu 
machen.  Bei  eintretender  Verringerung  der  Traubenproduktion 
muss  zur  Verjüngung  geschritten  werden.  In  vielen  Gegenden  des 
Krim*schen,  Astrachan'schen,  Rion-Schwarzmecr-,  Kura'schen  und 
Kachetinskischen  Gebietes  findet  das  Verjüngen  der  Weingartenan- 
lagen allmälig  statt,  wobei  schwache,  ausgetrocknete,  kranke  und 
überhaupt  schadhafte  Stöcke  durch  neue  Setzlinge  ersetzt  werden. 
In  einigen  Gegenden  erfolgt  die  Verjüngung  erst  nach  vollkom- 
mener Erschöpfung  der  Reben,  namentlich  im  Araxes-Gebiete,  oder 
es  findet  selbst  gar  keine  Verjüngung  der  alten  Rebstöcke  statt  und 
die  Rebstöcke  stehen  so  lange,  bis  sie  umkommen  oder  ausfrieren, 
was  namentlich  im  Don'schen  Gebiete  vorkommt.  Hochgezogene 
an  den  Bäumen  sich  schlingende  Reben  werden  nicht  verjüngt  bis 
zum  70.,  100.  und  selbst  150.  Jahre.  In  Bessarabien  werden  die 
alten,  beschädigten  Rebstöcke  bis  zur  Erde  abgeschnitten,  und  aus 
den  Wurzeln  solcher  Reben,  die  von  Zeit  zu  Zeit  von  der  sich  etwa 
zeigenden  Fäulniss  und  den  sich  anhängenden  Schmarotzern  gerei- 
nigt werden,  sprossen  neue  Sprösslinge,  die  nach  Verlauf  von  2 — 3 
Jahren  Früchte  tragen.  Hohe,  an  Bäumen  gezogene  Reben  werden, 
sobald  die  Gipfelzweige  solcher  Reben  einzutrocknen  beginnen  und 
der  Traubenertrag  abnimmt,  was  gewöhnlich  schon  im  15.— 18. 
Jahre  nach  ihrer  Anpflanzung  der  Fall  ist,  gegipfelt,  und  zwar  etwas 


"7 

höher  als  die  Hauptverzweigung  beginnt,  welche  etwa  2V2 — 3  Ar- 
schin über  dem  Erdboden  ihren  Anfang  nimmt.     Nachdem  solche 
hohe  Bäume  gegipfelt  und  eingekürzt  sind,  werden  die  Wurzeln  der- 
selben  gedüngt  und  darauf  geben  sie  wiederum  während  10 — 12 
Jahren  gute  Ernten ;  nach  Ablauf  dieser  Zeit  wird  dann  wieder  neuer- 
dings zu  eben  einer  solchen  Gipfelung  und  Düngung  geschritten  und 
auf  diese  Art  wird  so  lange  fortgefahren,  bis  die  Wurzeln  des  Reb- 
stockes ausfaulen  und  ihr  Hauptstamm  einzutrocknen  beginnt  und 
hohl  wird;  erst  dann  wird  zur  Verjüngung  der  Rebe  geschritten. 
Das  von  den  Weingärten  eingenommene  Areal  nimmt  fast  mit 
jedem  Jahre  zu;   nichtsdestoweniger  fand  in  den  letzten  Jahren  in 
einigen  Gegenden  des  Don'schen,  Tcrek'schen  und  Araxes-Gebietes 
die  Anlage  neuer  Weingärten   nur  in  sehr  geringen   Dimensionen 
statt.     In  den  Weinbau  treibenden  Gegenden,   in  welchen  der  Pilz 
Oidium  Tuckeri  verbreitet  war,  namentlich  in  der  Krim  und  Kache- 
tien  begann  mit  der  Abnahme  dieser  Rebenkrankheit  die  Ausdeh- 
nung der  Weingärten  besonders  stark   zuzunehmen.     So  z.  B,  ver- 
grösserte  sich  im  Kreise  Ssignach,  Gebiet  Kachetien,  in  den  letzten 
3  Jahren  das  Weingartenareal  um  8 — 10  pCt.     In  anderen  Gegen- 
den wirkte  die  Kolonisation  von,  zum  Weinbau  geeigneter  Strecken, 
namentlich  im  Kubanischen  Gebiete,  auf  die  Vergrösserung  der  Zahl 
der  Weingärten  und  zugleich  des  Weingartenareals,     Dasselbe  Re- 
sultat wurde   durch   eine  Reihe   anderer  Ursachen   herbeigeführt. 
Hiei  her  gehören  die  Wiederherstellung  des  Friedens  im  Kaukasus 
nach  der  Besiegung  Schamiis,  d.  h«  nach  1859,  besonders  in  Bezug 
auf  c*as  Terek-  und  Daghestan- Gebiet;  das  Verschwinden  der,  durch 
den  Rebenpilz  Oidium  Tuckeri  verursachten  Rebenkrankheit,  und 
die,  nach  und  nach  eintretende  Sicherung  beständigen  Weinabsatzes. 
Uebt  ihaupt  findet  die  Vergrösserung  der  Weingärten  nur  in  solchen 
Gegenden  nichr  statt,  deren  klimatische,  wie  volkswirthschaftliche 
Verhältnisse  dem  Weinbau  besonders  ungünstig  sind,  und  in  wel- 
chen die,  vom   Oidium   Tuckeri    der  Rebe    zugefügte   Krankheit 
herrscht,  namentlich  im  westlichen  Theile  Imeritiens  und  in  Migre- 
lien  im  Rion-Schwarzmeergebiete. 

Bei  neuen  Weingartenanlagen  benutzt  man  die  Schnittreben  und 
Setzlinge  vorherrschend  aus  benachbarten  Weingärten,  dann  aber 
auch,  wenn  auch  vielleicht  seltener,  aus  entfernten  bekannten  Wein- 
gärten des  nämlichen  oder  eines  andern  Gebietes.  In  Bessarabien 
werden  die  guten  Reben  aus  der  Umgegend  von  Ackerman,  aus  Ki- 
schenew  und  aus  der  Krim  bezogen,  auf  der  Kumik'schen  Ebene 


"9 

im  Schemacha-Gektschaischetv Gebiete,  lang  aufs — ^^  ^^^  mehr 
Augen  ebenfalls  im  Bessarabischen  und  Krim'schen,  dann  aber  noch 
im  Don'schen,  Kuban'schen,  Daghestan'schen,  Rion-Schwarzmeer-, 
Kura'schen  und  Kachetinskischen  Gebiete  geschnitten.  Die  Anzahl 
der  Triebe,  die  beim  Schnitt  zur  Fruchtbildung  nachbleiben,  ist  sehr 
verschieden  und  hängt  von  der  Gegend,  der  Rebenart,  der  Kraft  des 
Stockes  und  vom  Wüchse  der  Rebe  ab ;  in  einigen  Gegenden  (Krim, 
im  Rion-Schwarzmeer-,  dem  Kura'schen,  Kachetinskischen,  dem 
Schemacha-Gektschaischen  Gebiet)  lässt  man  2 — 3,  in  anderen  (Bess- 
arabien,  im  Don'schen,  Astrachan'schen  und  Daghestan'schen  Gebiet) 
4 — 5,  in  wieder  andern  (ebenfalls  Bassarabien  und  Astrachan)  6  bis 
10,  ja  sogar  auch,  wie  theilweise  im  Don'schen  Gebiete,  nicht  weni- 
ger als  16 — 20  Triebe  stehen.  Der  Rebenschnitt  zur  Fruchtbildung 
findet  in  den  Weingärten,  wo  hohe  Reben  an  Bäumen  gezogen 
werden,  nicht  statt.  Was  die  Zeit  dieses  Schnittes  anbelangt,  so  ist 
dieselbe  ebenfalls  verschieden.  Im  Bessarabischen,  Krim'schen, 
Kuban'schen,  Daghestan*schen,  Rion-Schwarzmeer-,  im  Kura'schen, 
Kachetinskischen,  Araxes-  und  Schemacha-Gektschaischen  Gebiete 
fällt  dieselbe  in's  Frühjahr,  in  einem  andern  Theil  des  Krim'schen,  im 
Don'schen,  Astrachan'schen,  Daghestan'schen,  Kura'schen  undTerek- 
Gebiete  in  den  Herbst.  Dem  schiefen  Rebenschnitt  wird  vor  dem  ge- 
raden der  Vorzug  gegeben.  Der  Schnitt  wird  mittelst  eines  Messers, 
Dolches  (Kaukasus)  oder  einer  Sichel  ausgeführt.  Der  Secateur 
und  andere  vervollkommnete  Instrumente  werden  nur  in  wenigen 
Weingärten  zum  Beschneiden  der  Reben  benutzt. 

In  einigen  Gegenden  Russlands  (Daghestan  etc.)  sind  die  Reben 
nicht  an  Pfählen  befestigt  und  liegen  ohne  jegliche  Stütze  am  Bo- 
den, in  anderen  (Araxes-Gebiet)  unterstützen  sich  die  Rebstöcke 
gegenseitig  und  nur  unter  besonders  schwer  mit  Trauben  beladenen 
Zweigen  werden  beim  Reifen  der  Trauben  Stützen  gestellt.  In  den 
meisten  Weingegenden  sind  jedoch  die  Reben  an  Pfählen  oder 
Stangen  befestigt.  In  der  Krim,  Astrachan  und  im  Rion-Schwarz- 
meer-Gebiete  sind  Spalierreben  anzutreffen,  im  Kura'schen  Gebiete 
sind  hochgezogene  Reben,  die  an  Eichenpfosten  befestigt  werden, 
welche  durch  Querstangen  verbunden  sind.  Solche  Pfosten  mit 
Querstangen  sind  auch  im  Don'schen  Gebiete  bei  jedem  Rebstock 
reihenweise  aufgestellt.  Im  Araxes-Gcbiete  werden  die  Reben  nicht 
selten  an  Rohr  befestigt,  das  in  Form  eines  Dreifusses  zwischen 
zwei  Rebstöcken  aufgestellt  wird.  In  der  Krim  werden  in  einigen 
Weingärten  die  Reben  an  Querstangen  gebunden,  welche  auf  spani- 


^20 

sehen  Reitern  aus  Reissig  aufsitzen.  Auch  in  der  Krim  und  in  Bess« 
arabien  sind  anstatt  der  Pfähle  und  Stangen  unter  den  einzelnen 
Zweigen  der  Weinstöcke  Stützen  gestellt,  oder  die  Rebstöcke  wer- 
den nur  unterbunden.  Bei  hohen  Reben,  welche  an  Bäumen  ge- 
zogen sind,  wird  die  junge  Rebe  an  den  Baum  gebunden,  den  sie 
umranken  soll.  Das  Aufbinden  erfolgt  in  einzelnen  Gegenden  nur 
einmal,  im  Frühjahr,  in  anderen  zweimal,  im  Frühjahr  und  im  Som- 
mer. Die  Befestigung  im  Frühjahr  wird  die  trockene,  die  im  Som- 
mer die  grüne  genannt.  Auch  selbst  drei  Mal  (ein  drittes  Mal  im 
Juli  oder  August)  werden  die  Reben  in  der  Krim  und  in  Kachetien 
angebunden.  Zur  Anfertigung  der  Pfähle  und  Stangen  und  anderer 
Rebenstützen  benutzt  man  in  der  Regel  Eichen-,  Weissbuchen-  und 
Eschenholz,  nicht  selten  auch  Akazien,  Weide,  Buche,  Linde,  Ka- 
stanie, Erle,  Maulbeere,  morgenländischen  Ahorn,  Rohr  und  andere 
Holzarten.  Als  Material  zur  Befestigung  von  Reben  dienen:  Bast, 
Stroh,  Reisig,  Weidenzweige,  Sprösslinge  von  wildwachsendem 
Hopfen,  in  Kachetien  nicht  selten  Clematis  vitalba,  die  Rinde  junger 
einjähriger  Wallnussbäume,  Pappeln,  Maulbeerbäume,  Pterocarya 
caucasica,  trockene  Weinreben  etc.  Die  Befestignng  der  Reben 
mit  Stricken  wird  nur  in  Bessarabien,  im  Astrachan^schen  und  Sche- 
macha-Gektschaischen  Gebiete,  und  das  nur  noch  selten  angetroffen. 
Auch  die  Befestigung  der  Reben  mit  Draht  findet  nur  in  einzelnen 
Weingärten  der  Krim  und  des  Rion-Schwarzmeer-Gebietes  statt. 

Was  die  Bearbeitung  der  Weingärten  und  die  Pflege  der  Reben 
anbelangt,  so  gehen  dieselben  schon  grossentheils  aus  den  vorange- 
gangenen Mittheilungen  hervor.  Es  soll  nur  noch  bemerkt  werden, 
dass  die  Frühjahrsarbeiten  beginnen,  sobald  keine  ernsten  Fröste 
mehr  zu  befürchten  sind.  Im  Frühjahr,  vor  oder  nach  dem  Befesti- 
gen der  Reben,  wird  der  Weingartengrund  umgegraben;  dabei  wird 
im  Krim'schen,  Don'schen  und^  Kura'schen  Gebiet  die  ganze  Ober- 
fläche des  Weingartens  umgegraben,  in  den  meisten  übrigen  Wein- 
gegenden werden  jedoch  nur  die  Stellen  um  die  Rebstöcke  behäufelt. 
Dort,  wo  im  Kaukasus  berieselt  wird,  so  wie  auch  in  der  Gegend  von 
Astrachan,  wird  nicht  umgegraben,  eben  so  werden  in  vielen  Gegen- 
den des  Kaukasus  die  Weingärten  erst  wieder  nach  Verlauf  von  meh- 
reren Jahren  mit  dem  Spaten  bearbeitet,  in  Kachetien  und  im  Kreise 
Tiflis  in  alten  überrieselten  Weingärten  mit  schwerem  lehmigen  Bo- 
den alle  5— 6  Jahre  und  in  den  berieselten  Weingärten  Kachetiens 
mit  leichtem  Boden  erst  nach  Verlauf  von  lO — ^^12  Jahren.  Die  Ka- 
chetiner  Winzer  graben  ihren  Boden  nicht  gerne  um,  weil  bei  ihnen 


121 

die  Ueberzeugung  herrscht,  dass  je  härter  der  Boden,  je  besser  der 
Wein  sei,  obgleich  man  wahrgenommen,  dass  im  umgegraj}enen  Bo» 
den  sich  die  Rebe  eine  Woche  früher  entwickelt.  In  Kachetien  und 
im  Sehern acha-Gektschaischen  Gebiete  vereinigt  man  mit  dem  Um- 
graben das  Düngen  der  Reben,  übrigens  findet  das  Düngen  auch  im 
Herbst  statt,  besonders  im  Rion-Schwarzmeer-Gebiete.  Ueber  das 
Düngen  der  Weingärten  wurde  bereits  oben  gesprochen. 

Im  Mai  und  während  des  Sommers  finden  in  den  Weingärten  fol- 
gende Arbeiten  statt:  das  Jäten  des  Unkrauts  (häufig  2 — 3  Mal), 
das  Behäufeln  der  Reben  im  Astrachan'schen  Gebiet,  das  Ausbre- 
chen überflüssiger  Schösslinge,  das  Putzen  der  Reben,  das  Gipfeln 
der  fruchttragenden  Reben  oberhalb  der  angesetzten  Trauben,  und, 
wo  es  berieselte  Weingärten  gibt,  das  Berieseln  derselben.  In  eini- 
gen Weingegenden  wird  die  Rebe  ein  oder  zwei  Mal  während  des 
Sommers  unterbunden  und  dort,  wo  die  Rebenpflanzungen  durch 
den  Pilz  Oidium  Tuckeri  leiden,  werden  die  Rebstöcke  ein,  zwei 
und  selbst  drei  Mal  im  Sommer  mit  Schwefelblüthe  bestreut.  Wäh- 
rend in  andern  Gegenden  das  Reinigen,  Ausputzen  und  Gipfeln  der 
Reben  während  des  Sommers  wenigstens  ein  Mal  vorgenommen 
wird,  unterbleibt  dasselbe  in  den  Weingärten  der  Kumik'schen 
Ebene  im  Terek-Kumik'schen  Gebiete  gänzlich.  Was  die  Beriese- 
lung anbelangt,  so  erfolgt  dieselbe  im  Astrachan'schen  5 — 6  Mal 
während  des  Sonmiers,  mit  Ausschluss  des  Zeitraumes  während  der 
Blüthezeit  Dagegen  findet  starke  Bewässerung  (3 — 5  Mal)  während 
der  Reifzeit  der  Trauben  statt,  um  das  Volumen  und  Gewicht  der 
Trauben  zu  vergrössern.  Während  in  andern  Gegenden  nur  3  Mal 
während  des  Sommers  berieselt  wird,  geschieht  dies  im  Kura'schen 
Gebiete,  im  Kreise  Achalzych,  bei  jungen  Rebanlagen  jede  Woche 
einmal;  ältere  Weingärten  werden  dagegen  monatlich  2  Mal  berie- 
selt, und  diese  Arbeit  8— IG  Tage  vor  der  Lese  ganz  eingestellt  In 
der  Stadt  Jelissawetpol  beginnt  man  mit  der  Berieselung  schon  im 
Monat  April  und  setzt  dieselbe  monatlich  einmal  fort  bis  einen  Mo- 
nat vor  der  Traubenlese,  Im  Gouvernement  Eriwan  und  im  Araxes- 
gebiet  berieselt  man  die  Weingärten  während  des  Sommers  4 — 5 
Mal  mit  schlammigem  und  dunghaltigem  Wasser.  Die  hochgezoge- 
nen Reben  werden  nur  i— »-2  Mal  berieselt.  Zur  künstlichen  Beriese- 
lung der  Weingärten  dienen  im  Astrachan'schen  Gebiet  Wasserhe- 
bemaschinen, die  den  Namen  Mühlen  oder  Tschigir  führen  und  die 
durch  Wind  oder  Pferde  in  Bewegung  gesetzt  werden. 

Das  Bestreuen   der  Weinstöcke   mit  Schwefelblüthe  gegen  die 


Verbreitung  des  Pilzes  Oidium  Tuckeri  hat  nur  in  der  Krim  grössere 
Verbreitung  gefunden,  in  den  übrigen,  von  diesem  Parasiten 
heimgesuchten  Weingegenden  wird  dieses  Mittel  von  nur  sehr  we- 
nig Winzern  gebraucht.  In  der  Krim  bestreut  man  die  Reben  zwei- 
oder  dreimal  im  Sommer;  das  efste  Mal  vor  der  Rebenblüthe,  dann 
nach  dem  Ansetzen  der  Früchte  und  zuletzt,  wenn  die  Reben  ge- 
gipfelt sind. 

Die  grosse  Traubenlese  findet  im  südlichen  europäischen  Russ. 
land,  in  Ciskaukasien  und  im  östlichen  Theile  Transkaukasiens  in 
den  Monaten  September  und  Oktober  statt  und  nur  im  westlichen 
Theile  des  letztgenannten  Gebietes  in  den  Monaten  Oktober  und 
November.  Die  Tafeltraubensorten  werden  2 — 4  Wochen  früher  ge- 
sammelt. Im  Astrachan'schen  Gebiet,  wo  meist  Tafeltraubensorten 
kultivirt  werden,  beginnt  die  Lese  schon  in  den  ersten  Tagen  des 
August  und  schliesst  in  der  zweiten  Hälfte  des  September.  In  vielen 
Gegenden,  besonders  in  den  Weingärten  der  Bauern,  beginnt  die 
Lese  vor  Ende  oder  schon  vor  Mitte  August  und  nicht  selten  zur 
Zeit,  wenn  die  Trauben  noch  nicht  ganz  reif  sind  (Don'sches,  Ku- 
banisches, Kachetinskisches,  Araxes  und  Schemacha-Gektschai'sches 
Gebiet).  Im  Dezember  wird  überall  mit  der  Lese  geschlossen.  Eine 
Ausnahme  bildet  nur  das  Rion-Schwarzmeer-Gebiet,  wo  die  letzte 
Lese  zu  Anfang  Dezember  beginnt  und  bis  zum  Ende  dieses  Mo- 
nats, selbst  bis  zu  Anfang  Januar  dauert.  In  diesem  Gebiet,  wie 
auch  in  Kachetien  wurde  bemerkt,  dass  die,  bei  später  Lese  gesam- 
melten Trauben  besonders  gute  Eigenschaften  besitzen. 

Bei  der  Traubenlese  werden  die  Trauben  von  den  Weinstöcken 
mit  Messern  abgeschnitten  und  in  Körbe,  kleine  Zuber,  hölzerne 
Schalen  und  in  kleine  Bastkörbe  gelegt.  Im  Astrachan*schen  Gebiet 
werden  die,  zur  Versendung  bestimmten  Tafeltrauben  in  10 — 20 
Pfund  haltende  Tönnchen  pder  in  kleine  Kisten  gepackt  und  mit 
Hirse  bestreut,  dann  aber  sofort  abgeschickt.  Aus  den  kleinen  Sam- 
melgefässen  werden  die  Trauben  im  europäischen  Russland  und  in 
Ciskaukasien  in  Zuber  oder  Kufen,  in  Transkaukasien  in  grosse 
Körbe  gelegt  und  in  solchen  nach  den  Kellerwirthschaften  ge- 
schafft. In  Kachetien  trägt  man  die  Trauben  dahin  in  Körben,  wel- 
che 4  Pud  Trauben  fassen.  Beim  Tragen  derselben  auf  dem  Rücken 
werden  die  Trauben  gedrückt  und  es  fliesst  aus  denselben  unter- 
wegs ein  Theil  des  Traubenmostes  aus.  Die  Traubenlese  erfolgt  in 
den  meisten  Gebieten  sehr  nachlässig:  die  angefaulten  Trauben 
scheidet  man  selten  von  den  guten  und  noch  häufiger  werden  Trau- 


12^ 

ben  von  ungleicher  Reife  in  einem  Gefässe  gesammelt.  Das  Sortiren 
der  Trauben  nach  Sorten  geschieht  mit  Ausnahme  weniger  guter 
Weingärten  und  des  Astrachan'schen  Gebietes,  wo  die  Tafeltrauben 
sortirt  werden,  höchst  selten,  und  selbst  die  rothen  Sorten  werden 
nicht  überall  von  den  weissen  geschieden. 

In  Russland  gibt  es  eine  grosse  Masse  verschiedener  Rebsorten, 
doch  in  jeder  Gegend  haben  nur  einzelne  derselben  eine  grössere 
Verbreitung.  Die  meisten  Sorten  sind  einheimische  oder  solche,  die 
seit  uralter  Zeit  eingeführt  und  bereits  stark  ausgeartet  sind.  Die 
ausländischen  Traubensorten  kultivirt  man  in  grosser  Quantität  und 
Verschiedenheit  in  der  Krim ;  in  den  übrigen  Gebieten  trifft  man 
dieselben  nur  in  guten,  grossen  Weingärten  an.  In  Folgendem  ge- 
ben wir  eine  summarische  Zusammenstellung  der  verschiedenen 
Rebsorten  in  den  verschiedenen  Gebieten,  unter  namentlicher  Be- 
nennung derjenigen,  welche  sich  durch  besonders  gute  Eigenschaf- 
ten auszeichnen: 

I.  Bessarabisches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  22  Sorten,  darunter  als  vorzüglich:  Belerd- 
che  (Pineau  roux),  Alvarna  (Muscadin  rose),  Telticuruk 
(Blanquette),  Tulgumek  (Gamet  blanc),  Alemtschach  (Pineau 
gris),  Tchausch,  Mjatka  (Chasselas  de  Provence). 

Rothe  Sorten:  7  Sorten,  darunter  als  vorzüglich:  Kabassia 
(Chasselas  rouge),  Serecsia  (Malvoisie  rouge)  und  Demerdji 
sia  (Bourguignon). 

IL  KrinCsches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  205  Sorten,  darunter  als  vorzüglich:  Albillo 
Castillan,  Blanc  Sömillon,  Chaouch  (Gros  blanc  preccoc  de 
Moldavie),  Giboulot  blanc,  Kischmisch  rond,  Madelaine 
blanche,  Muscet  blanc  de  Frontignan,  Muscat  rond  (Tokay 
musque),  Oporto  blanc  gros,  Pedro  Ximen^s,  Riesling,  San 
Colombano,  Tachly  Myskett,  Terr  Gulmek. 

Rothe  Sorten:  195  Sorten,  darunter  als  die  vorzüglichsten: 
Albourlah  (Kirmisi-Misk-Isyum),  Aleatico,  Bastardo,  Car- 
menet  noir,  Carmenet  Sauvignon,  Didi  Sapperavi,  Franc 
Pinot,  Gamai  gros,  Noir  de  Gimrah,  Grenache  noir  (Gra- 
naxe),  Lacrima  Christi,  Muscat  noir  hatif  d'Alicante,  Nerr^ 
de  la  Haute  Marne,  Kachetin'scher  Sapperavi,  Sirrah  petit, 
Tinta  da  Minha,  rother  Traminer,  Verdot  gros  und  Verdot 
petit. 


124 


in.  Doffsches  Gebiet, 


Weisse  Sorten:   4  Sorten,  darunter  die  vorzüglichsten:    La- 

danny  und  Puchljakowsky. 
Rothe    Sorten:    8    Sorten,    darunter    die    vorzüglichsten: 

Krassnostoppyi,  Zimljanskij  und  Kisilewji. 

IV.  Astrachan* sches  Gebiet. 

Weisse  Sorten:  5  Sorten,  darunter  die  vorzüglichsten: 
Chasselas  blanc,  Portohub,  Kischmisch  und  weisser  Unga- 
rischer. 

Rothe  Sorten:  4 Sorten,  darunter  der  vorzüglichste:  ungari- 
scher Schwarzer. 

V.  Kubanisches  Gebiet. 

Weisse  Sorten:  8  Sorten,  darunter  die  vorzüglichsten: 
Muscat  blanc  Lunel  und  Riesling. 

Rothe  Sorten:  11  Sorten,  davon  keine  besonders  hervor- 
zuheben. 

VI.  KumcCsches  Gebiet,   i  Sorte  Kosjisiskij. 

VII.   Terek'Kumik'sches  Gebiet. 

Weisse  Sorten:  4  Sorten,  ohne  besonderen  Wcrth. 
Rothe  Sorten:    3  Sorten,    darunter  als  die  besten:    Kara 
Isyum  und  Noir  de  Gimrah. 

VIII.  Daghestan^sches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  22  Sorten,  darunter  als  die  vorzüglichsten: 
Ach-Isyum,  Aschiltinsky,  Bachan  Zibil,  Giljabi,  Chatly, 
Tschechr-Zibil,  Tschirkatsky,  Riesling  und  Traminer. 

Rothe  Sorten:  15  Sorten,  darunter  beachtenswerth:  Gimrah 
noir  und  Tschagir-Isyum. 

IX.  Rion-Schwarzmeer^Gebiet. 

Weisse  Sorten:  i6Sorten,  darunter  als  die  besten:  Attinury, 
Kamury,  Sakmela,  Tetri-Kurdseni,  Zolikauri  und  Tschitschi- 
beschy. 

Rothe  Sorten:  26  Sorten,  darunter  besonders  beachtens- 
werth: Alexandreuly,  Djany,  Kweleby,  Kuhatscha(Kikitschi)y 
Krachuna,  Lägiiury,  Mtewandidy,  Mtschawery,  Orona,  Rko, 


äL 


125 

Rzchila,    Rzschila-ubany,    Sapperawi    (Sapperi),     Swanury, 
Torokutschy,  Tschawery  und  Schawi-Kabistoni. 

X.  Kurdsches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  30 Sorten,  darunter  als  die  besten:  Aragwis- 
piruy,  Budeschuri  (Zwei  Abas  Trauben),  Ganacharuly,  Goy- 
Isyum,  Goruly,  Digmuri-sabatono,  Katuri,  Mzwani  (Grün- 
beeren),  Rka-zitelli  (Rothhölzer)  und  Haristwala. 

Rothe  Sorten:  24Sorten,  darunter  als  die  besten:  Budeschur, 
Gagmamchruli,  Digmuri-sabatono,  Karaschiiaij  (Lakeni), 
Peradir  Sapperavi  (Saperau,  Färber). 

XI.  Kachetinskisches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  12  Sorten,  darunter  bcachtens werth :  Budi- 
schuri,  Kischmisch,  Mzwani  (Mtschknara)  und  Rkaziteli. 

Rothe  Sorten:  5  Sorten,  darunter  zu  nennen:  Sapperavi  und 
Schaawe-Kapito. 

XII,  AraxeS'Gebiet 

Weisse  Sorten:  14  Sorte«,  darunter  hervorzuheben:  Kisch- 
misch und  Kjarim-Kandi. 

Rothe  Sorten:  9  Sorten,  davon  die  besten:  Kischmisch  und 
Chardji. 

XIII.  Scftemacha-Gektsckaisches  Gebiet 

Weisse  Sorten:  12  Sorten,  darunter  als  die  vorzüglichsten: 
Kischmisch-Isyum.  Leyli-Isyum,  Machmudavi  und  Hungi. 

Rothe  Sorten :  10  Sorten,  darunter  als  die  besten:  Dava-gesi, 
Ketschamdjagi,  Sisach,  und  Schirwan-schachi  (Schirei). 

Vergleichende  Untersuchungen  über  die  Ergiebigkeit  der  Reb- 
sorten und  über  die  Eigenschaften  *des,  aus  denselben  erhaltenen 
Mostes  sind  nur  in  den  letzten  Jahren  im  Krim^schen  Gebiete  an- 
gestellt worden.  Diese  Untersuchungen  wurden  im  Laboratorium 
der  kaiserlichen  Weinbauschule  zu  Magaratsch,  vom  Chemiker  der- 
selben, H^rrn'  Salomon  und  dessen  Schülern,  den  Herren  Bruno, 
Woinow  und  Knjasew  ausgeführt.  In  folgender  Tabelle  sind  die 
Resultate  der,  in  den  Jahren  1871 — 1873  angestellten  Untersuchun- 
gen unter  Weglassung  der  sich  nicht  auf  alle  drei  Jahre  erstrecken- 
den, vorgeführt: 


Aus  dieser  Tabelle  ist  u.  A.  zu  ersehen,  dass  die  Sorte  Sapperavy, 
was  Ergiebigkeit  und  Zuckergehalt  betrifft,  zu  den  besten  rothen 
Sorten  gezählt  werden  kann.  Sehr  verbreitet  ist  diese  Sorte  in 
Kachetien,  dem  Rion- Schwarzmeer-  und  dem  Kura'schen  Gebiet. 
Obgleich  dieselbe  einen  bedeutenden  Säuregehalt  besitzt  und 
ein  ungunstiges  Verhältniss  der  Säure  zum  Zucker  enthält,  so 
ist  doch  dieser  Nachtheil  dadurch  leicht  zu  beseitigen,  dass  man 
zugleich  mit  Sapperavy  eine  andere  Rebsorte  kultivirt,  die  säurearm 
ist;  dabei  kann  diese  Sorte  weiss  oder  roth  sein,  da  der  Saft  von 
Sapperavy  eine  sehr  starke  dunkle  P'arbe  besitzt.  Auch  verlangt 
diese  Rebsorte  keine  besonders  günstigen  klimatischen  und  Boden. 
Verhältnisse.  In  Bezug  hierauf  bemerkt  Hr.  ZabeP,  Direktor  des 
kaiserlichen  Gartens  in  Nikita  und  der  Weinbauschule  in  Magaratsch 
in  der  Krim  mit  Recht,  dass,  ungeachtet  aller  dieser  Vorzüge, 
welche  Sapperavy  besitzt,  man  sich  nur  wundern  müsse,  dass  diese 


'  Anleitnng  tnm  Weinbau  (in  Tuuischet  Sprühe}. 


i2y 

Sorte  nur  eine  so  geringe  Verbreitung  sowohl  in  der  Krim»  als  auch 
in  den  anderen  Weingegenden  gefunden  habö.  Ueberhaupt  bemerkt 
Hr.  Zabel,  dass  in  Russland  gerade  den  lokalen  Rebsorten  viel  zu 
wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  werde,  und  es  sei  daher  zu  wün- 
schen, dass  Russland  in  dieser  Beziehung  Amerika  folgen  möchte, 
wo  der  Weinbau  nur  alsdann  festen  Fuss  gefasst  habe,  als  man, 
nachdem  man  sich  von  der  Untauglichkeit  aller  ausländischen  Sor- 
ten überzeugt  habe,  zur  Kultur  der  einheimischen  Sorten  geschritten 
sei.  Ausser  der  Eigenschaft  guten  Wein  und  gute  Tafeltrauben  zu 
geben,  ist  es  von  äusserster  Wichtigkeit,  dass  die  Rebsorten  gut 
den  Krankheiten  im  Allgemeinen  und  speziell  dem  Pilze  Oidium 
Tücken  widerstehen.  Leider  haben  sich  in  letzter  Hinsicht  die 
meisten  der  genannten  Sorten  nicht  befriedigend  bewährt.  So 
z.  B.  haben  von  diesem  Pilz  besonders  stark  die  Sorten  Bude- 
schuri,  Mzwani,  Swanuri  und  Sapperavy  gelitten.  In  Gegenden,  in 
welchen  die  Weingärten  besonders  stark  von  Oidium  Tuckeri 
heimgesucht  wurden  oder  noch  werden,  haben  solche  Trauben- 
sorten Verbreitung  gefunden,  die,  trotz  ihrer  sonstigen  vielen 
schlechten  Eigenschaften,  befähigt  sind,  der  genannten  Krankheit 
guten  Widerstand  zu  leisten.  Zu  solchen  Traubensorten  gehört 
Isabella,  die  gegenwärtig  im  Rion-Schwarzmeer-Gebiet  sehr  ver- 
breitet ist,  ungeachtet  dessen,  dass  diese  Sorte  hier  nur  einen  sehr 
sauren  Wein  gibt  und  bis  jetzt  auch  überhaupt  kein  gfuter  Wein  von 
ihr  erzeugt  werden  kann.  Noch  würden  von  den  Rebsorten,  die  der 
vom  Oidium  Tuckeri  herrührenden  Krankheit  widerstehen,  zu 
nennen  sein:  Krachuna  im  Rion-Schwarzmeer- Gebiet,  Tschinuri  im 
Kura'schen  Gebiet  und  Granaxa  in  der  Krim. 

Einsortige  Rebenpflanzungen  werden  nirgends  angetroffen;  in 
den  meisten  Weingärten  werden  sehr  verschiedenartige  Sorten  kul- 
tivirt,  die  dabei  meist  so  untereinander  gemischt  sind,  dass  es  kaum 
möglich  ist,  zu  bestimmen,  welche  von  diesen  Rebsorten  vorherr- 
schen. Diese  unliebsame  Vermischung  dieser  letzteren  findet 
hauptsächlich  dadurch  statt,  dass^  mit  wenig  Ausnahmen,  neue 
Weingartenanlagen  mit  solchen  Schnittlingen  und  Setzlingen  be- 
pflanzt werden,  die  gerade  aus  den  benachbarten  Weingärten  zu  er- 
langen sind;  theils  aber  auch  dadurch,  dass,  wenn  ein  Theil  der  jun- 
gen Reben  nicht  Wurzel  gefasst  hat,  auf  den  Platz  derselben  solche  * 
Setzlinge  gepflanzt  werden,  die  zur  Zeit  gerade  vorhanden  sind. 
Daher  werden  auch  nicht  selten  Weingärten  angetroffen,  in  welchen 
nicht  einmal  die'  Scheidung  der  rothen  von  den  weissen  Sorten 


128 

streng  durchgeführt  ist.  Fast  nur  in  Kachetien  und  im  Schemacha- 
Gektschaischen  Gebiete,  sowie  in  den  neuangelegten  Weingärten 
der  Krim  stehen  die  verschiedenen  Rebsorten  in  einem  gewissen 
Verhältnisse  zu  einander. 

Von  den  in  Russland  die  Reben  heimsuchenden  Krankheiten  ist, 
nach  der  Grösse  des  von  ihnen  angerichteten  Schadens  in  erster 
Linie  der  Pilz  Oidiuni  Tuckeri  zu  nennen,  der  schon  im  Jahre  1845 
in  England  vom  Gärtner  Tucker  bemerkt  und  nach  letzterem  be- 
nannt wurde.  In  Russland  trat  dieser  Pilz  zuerst  im  Jahre  1852  in 
Bessarabien  auf,  verursachte  aber  Anfangs  keinen  bedeutenden 
Schaden;  darauf  erschien  er  1853  in  der  Krim,  1854  im  Rion- 
Schwarzmeer- Gebiete,  1857  im  Kura'schen  Gebiet  und  in  Kachetien 
und  in  den  Sechziger  Jahren  endlich  im  Daghestan'schen  und  Sche- 
macha-Gektschaischen  Gebiete;  über  das  Auftreten  in  den  beiden 
letztgenannten  Gebieten  fehlen  genaue  Nachweise.  Bis  jetzt  wurde 
der  genannte  Pilz  noch  in  keinem  Weingarten  des  Don^schen,  Astra- 
chan'schen  und  Kuma'schen  Gebietes  bemerkt,  auch  ist  die  Verbrei- 
tung desselben  im  Bessarabischen,  Kubanischen,  Terek-Kumik- 
schen  und  Schemacha-Gektschaischen  Gebiete  bis  jetzt  keine  sehr 
bedeutende.  In  allen  übrigen  Weingegenden  hat  die  vom  Oidium 
Tuckeri  kommende  Krankheit  eine  mehr  oder  weniger  rasche  Ver- 
breitung gefunden,  so  dass  nach  Verlauf  einer  kurzen  Zeit  schon 
eine  beträchtliche  Anzahl  von  Weingärten  dadurch  gelitten  haben. 
Besonders  stark  war  dies  bei  den  Weingärten  am  Süd-Ufer  der 
Krim  der  Fall;  hier  nahm  diese  Krankheit  erst  wieder  im 
Jahre  1865  ab,  seitdem  man  begann,  die  Reben  mit  Schwefel- 
blüthe  zu  bestreuen.  Im  Rion-Schwarzmeer  Gebiet  verbreitete  sich 
der  Pilz  in  den  Jahren  1854 — 66  so  rasch,  dass  im  letztgenannten 
Jahre  bereits  die  meisten  Weingärten  dieses  Gebietes  von  ihm  her- 
fallen worden  waren.  Besonders  stark  haben  die  hohen,  an  den 
Bäumen  gezogenen  Reben  davon  gelitten,  weil  auf  der  Höhe  von 
einigen  Faden  den  Reben  gegen  die  AngrifTe  des  Pilzes  kaum  zu 
helfen  ist.  Daher  sind  auch  in  vielen  dieser  Weingärten  die  hoch- 
gezogenen Reben  durch  niedrige  ersetzt  worden,  und  wird  hierzu 
fast  ausschliesslich  die,  dem  Pilz  widerstehende  Rebe  Isabella  ge- 
wählt. Im  Kura^schen  Gebiet  trat  die  Krankheit  besonders  stark 
im  Jahre  1873  auf;  in  Kachetien  werden  seit  demselben  Jahre  durch 
sie  die  Weingärten  fast  jedes  Jahr  verwüstet,  besonders  stark  war 
dies  aber  in  den  Jahren  1863 — 1870  der  Fall,  worauf  der,  durch  den 


129 

Pilz  verursachte  Schaden  ein  geringerer  wurde,  so  dass  schon  in  den 
Jahren  1872— 1873  gute  Weinlesen  erzielt  werden  konnten. 

Die  charakteristischen  Merkmale  der  vom  Oidium  Tuckeri  der 
Rebe  verursachten  Krankheit  bestehen  im  Auftreten  eines  weissen 
oder  grauen  Schimmels  von  besonders  unangenehmem  Geruch  auf 
allen  grünen  Theilen  der  Rebe.  Unter  dem  Mikroskop  gesehen 
besteht  dieser  Schimmel  aus  dünnen,  verflochtenen  Fäden  mit  stel- 
lenweissen  Scheidewänden,  dem  sogenannten  Mizelium.  Der  schäd« 
liehe  Einfluss  des  Oidium  Tuckeri  wird  dadurch  bedingt,  dass  die 
Fäden  des  Mizeliums  sich  mit  besonderen  Verzweigungen  an  den 
Zellen  der  Traubenhaut  festsetzen  und  auf  diese  Weise  denselben 
die  Nahrung  entziehen.  Dadurch  wird  die  Traubenhaut  unfähig 
zu  wachsen  und  reisst  unter  dem  Drucke  des  sich  entwickeln- 
den Zellengewebes,  das  seinerseits,  durch  Verlust  des  für  ihn  nöthi- 
gen  Schutzes,  eintrocknet.  Wenn  die  Trauben  bald  nach  ihrer 
Blüthe  vom  Oidium  Tuckeri  erfasst  werden,  so  vergrössern  sie  sich 
nicht,  werden  hart,  schwarz,  verlieren  ihren  Saft  und  gehen  zu 
Grunde.  Sind  aber  beim  Auftreten  der  Krankheit  die  Trauben  be- 
reits gross  und  saftreich,  so  platzen  sie  und  ihr  Saft  fliesst 
aus.  Auch  die  vom  Schimmel  ergriffenen  Blätter  krümmen  sich, 
schrumpfen  zusammen,  vertrocknen  und  fallen  ab;  dabei  welkt  die 
Rinde,  ähnlich  wie  von  starker  Hit^.e,  schält  sich  und  fällt  stück- 
weise ab. 

Vom  Oidium  Tuckeri  haben  im  Rion-Schwarzmeer-,  imKura^schen 
und  Schemacha  Gektschaischen  Gebiete  vorherrschend  die  weissen 
Sorten  gelitten,  welche  sich  in  dieser  Beziehung  weniger  wider-» 
standsfähig  gezeigt  haben,  wie  die  rothen.  Von  Ersteren  soll  nur 
die  Sorte  Tschinuri  im  Kura'schen  Gebiete  dieser  Krankheit  wider- 
stehen. Gegen  Oidium  Tukeri  sind  viele  Mittel  vorgeschlagen,  von 
denen  jedoch  das  Bestreuen  der  Rebstöcke  mit  Schwefelblüthen 
das  wirksamste  ist.  Leider  wird  das  letztere  fast  nur  in  den  Wein- 
gärten der  Krim,  und  in  der  ersten  Zeit  nach  dem  Auftreten  des 
Pilzes,  in  den  Weingärten  Derbents,  im  Daghestan'schen  Gebiete  an- 
gewendet, in  anderen  Weingegenden  jedoch  findet  es  nur  ausnahms- 
weise statt. 

Von  d*  übrigen  Rebenkrankheiten  komipen  in  einigen  Gegen- 
den vor:  der  Brand,  die  Gelbsucht,  der  Rost  (in  Bessarabien  und 
dem  Kubanischen  Gebiet,  der  schwarze  Brand),  der  herzförmige  Pilz 
und  die  süsse  Fäulniss  im  Schemacha-Gektschaischen  Gebiet.  Ausser- 
dem leiden  in  vielen  Gegenden  die  Reben  während  des  Winters 

BU88.  BEYUB.  BP.  ZUI.  o 


130 

durch  strenge  Kälte,  auch  werden  sie  nicht  selten  durch  frühe 
Herbstfröste  und  starke  Frühjahrsfröste,  sowie  auch  durch  Dürre, 
Wind,  Hagel  etc.  geschädigt. 

Im  geringeren  Maasse,  als  von  den  genannten  Krankheiten  und 
ungünstigen  atmosphärischen  Einwirkungen,  leiden  die  Reben  von 
Insekten  und  anderen  Thieren.  Von  ersteren  sind  zu  nennen:  Apate 
sexdentata  (Krim),  Coccus  vitis  (Bessarabien,  Krim  und  Kache- 
tien);  Cryptocephalus  vitis  (Schemacha-Gektschaisches  Gebiet),  Ino 
ampolophaga  (Krim),  Lethrus  cephalotes  (Bessarabien),  Locusta 
vividis  (Kachetien),  Melolontha  vulgaris  (Bessarabien,  Don'sches 
und  Kuban'sches  Gebiet),  Phalaenoptera  zebrata  (Kachetien),  Phyl- 
loxera  vastatrix  (Krim,  Terek-Kumik'sches  und  Rion-Schwarzmeer- 
Gebiel),  Pyralis  vitis  (Bessarabien,  Kuban  und  Daghestan),  Rinchites 
bacchus (Bessarabien),  Tinea  ambiguella  (Bessarabien  und  Astrachan- 
sches  Gebiet).  Ausserdem  verursachen  verschiedene  Arten  von 
Fliegen  und  Wespen  und  anderen  Insekten  noch  Schaden.  Von 
den  übrigen  Thieren  schädigen  oft  genug  die  Dachse,  Füchse,  Ha- 
sen, Katzen,  Hunde  und  besonders  die  Vögel,  unter  diesen  Sper- 
linge, Drosseln,  Staare  etc.  die  Weingärten.  Gegen  die  oben  ge- 
nannten Insekten  werden  nur  selten  Schutzmittel  gebraucht,  die 
Vögel  und  andere  Thiere  verscheucht  man  durch  Schiessen,  Klap- 
pern etc.  J.  V.  Bock. 

(SchluBi  folgt.) 


AltsIftTische  Krenz-  nnd  Bebensagen. 


Die  europäischen  Sagen  vom  Kreuzbaume  bilden  bekanntlich 
einen  reich  ausgebildeten  Legendencyclus,  dessen  Sichtung  neuer- 
dings von  verschiedenen  Seiten  vorgenommen  worden  ist.  Ich 
brauche  nur  auf  Mussafia^s  schönen  Aufsatz  (Sulla  leggenda  del 
legno  della  croce),  auf  Schröder's  Zusammenstellungen  zu  verwei- 
sen, anderer  Forschungen  nicht  zu  gedenken.  Meine  eigenen  Unter- 
suchungen (CjiaBflHCKix  CKaaaniii  o  CoJiOMOH'b  h  KuroBpacb  u.  s. 
w.;  OnuTu  no  HCTopia  pasoHTin  xpHCTiaHCKofl  jiereHAu)  haben 
mir  öfters  Veranlassung  gegeben,  den  erwähnten  Cyclus  zu  be- 
rühren und  dessen  Entwickelung  weiter  nachzuforschen,  wobei  mir 


l_ilL_ 

die  einschlägige,  sehr  ausgebildete  slavische  Sage  zu  Gute  kam.  EHe 
folgende  Skizze,  die  sich  übrigens  um  nur  einigen  speziellen  Erör- 
terungen Raum  zu  geben  in  den  engen  Grenzen  einer  Episode  hall, 
möge  zugleich  auf  den  Gewinn  hinweisen,  den  die  europäische  For- 
schung auf  sagwissenschaftlichem  Gebiete  durch  Berücksichtigung 
des  slavischen  Materials  ziehen  kann. 

Die  Sagen  vom  Kreuzbaume  sind  auf  südslavischem  Boden  von 
altersher  eingebürgert,  wo  sie  nicht  nur  unter  Orthodoxen,  sondern 
auch  unter  den  Bogomilen  (wie;  die  südslavischen  Catharer  und  Pa- 
tarener  hiessen)  verbreitet  waren;  dem  Führer  der  letzteren,  dem 
Presbyter  Jeremias,  wird  sogar  die  Autorschaft  einer  Kreuzlegende 
ausdrücklich  zugeschrieben.  Die  Verwerfung  des  Kreuzzeichens  und 
des  Crucifixes  Seitens  der  Sektirer  ist  bekannt  und  sind  wir  zur 
apriorischen  Annahme  berechtigt,  dass  ihre  Rezension  der  Kreuz- 
sage von  der  orthodoxen  weit  abstand,  dass  die  handschriftlich  er- 
haltenen «bolgarischen  Fabeleien»  des  Popen  Jeremias  ihre  speziell 
sektirerische  Färbung  eingebüsst  und  nur  den  sagenhaften  Kern  ge- 
rettet haben  müssen,  soweit  nämlich  jene  handschriftlichen  Auf- 
zeichnungen für  einen  grösseren  orthodoxen  Leserkreis  bestimmt 
waren  und  eine  Ueberarbeituug  in  diesem  Sinne  wahrscheinlich  ma- 
chen. Die  theilweise  Herstellung  der  bogomiliscnen  Rezension  der 
Kreuzlegende,  die  ihrerseits  die  Ueberarbeitung  einer  älteren  christ- 
lichen sein  dürfte,  bleibt  der  hisitorischen  Induktion  und  dem  ver- 
gleichenden. Studium  des  ganzen  einschlägigen  Sagencyclus  vorbe- 
halten. Eine  derartige  Herstellung  ist  nun  in  dem  folgenden  Umriss 
beiläufig  versucht  worden. 

I. 

Der  Aufschwung  des  russischen  volksthümlichen  Religionismus 
im  XVII.  Jahrhunderte,  der  im  Sektirerwesen  seinen  lebendigen 
Ausdruck  fand,  musste  auf  literarischem  Gebiete  die  alte  Vorliebe 
Tür  die  Legenden,  apokryphen  Erzählungen  und  apokalyptischen 
Visionen  beleben  und  zu  neuer  geistigen  Produktion  in  dieser  Rich- 
tung anspornen. 

Die  hiermit  erwachte  Produktivität  war  in  verschiedener  Weise 
durch  das  bereits  vorhandene  Material  bestimmt:  es  entstanden  ei- 
nerseits neue  Erzählungen  legendarisch-didaktischen  Inhalts,  die, 
den  Stil  und  die  Tendenz  der  alten  religiösen  und  apokryphen 
Dichtung  nachahmend,   übrigens  auf  selbstständiges  SchafTen  hinzu- 

9* 


132 

weisen  scheinen  (so  namentlich  die  Legende  von  der  Herkunft  des 
Tabaks);  oder  es  wurden  auch  alte  apokryphe  Stofic  weiter  ent- 
wickelt und  das  selbstständige  Schaffen  auf  eine,  bestimmten  Zwecken 
angepasstc  Umwandlung  von  bekannten  christlichen  Fabeln  und  Vor- 
stellungen reduzirt.  Zu  dieser  letzten  Kategorie  gehört  die  altrussische 

^.^-^egende  vom  Ursprung  des  Weines. 

Ihre  Richtung  ist  eine  didaktische,   ihr  praktischer  Zweck  —  vom 
übermässigen  Trinken  abzumahnen.     Dass  die  alten  Russen  starke 

'^  Zecher  waren,  ist  durch  die  bekannte  Stelle  der  Chronik  verbürgt, 
wo  Fürst  Wladimir  seinen  Landsleuten  «die  Freude  an  Trinkgela- 
gen» nachrühmt;  sie  erklingt  noch  in  deren  epischen  Liedern,  die  häu- 
fig mit  der  Beschreibung  eines  Gastmahls  anheben,  wo  die  Recken 
sich  satt  trinken  und  dann  die  üblichen  "Prahlereien  unter  sich  be- 
ginnen. Dies  führte  zu  Exzessen  und  zu  wiederholten  Ermahnungen 
Seitens  der  Kirche '  und  der  kirchlich  gesinnten  Männer.  Wie  der 
heil.  Theodosius  und  der  Mönch  Jakob  im  XI.  Jahrhundert,  so  ei- 
fert noch  im  XVI.  die  russische  Haushaltungsregel  (/loMOCTpofl)* 
gegen  die  Trinksucht,  gegen  das  «sich  zu  Tode  trinken^,  was  der 
Kroate  Krizanic  an  den  Russen  des  XVII.  Jahrh.  beklagt.  In  altrus- 
sischen Handschriften  findet  man  hin  und  wieder  eine  «Rede  des 
heiligen  Basilius,  wie  man  sich  der  Trunksucht  enthalten  solle»  — 
augenscheinlich  das  Erzeugniss  eines  kirchlichen  Eiferers,  der  unter 
dem  Namen  des  bekannten  Heiligen  eine  grössere  Wirkung  zu  er- 
streben suchte.  Und  er  hat  das  zum  Theil  erreicht,  denn  die  religiö- 
sen Lieder  des  russischen  Volkes  wissen  von  einem  Trunkenbolde 
zu  singen,  der  durch  Fürbitte  der  heil.  Jungfrau  die  Kraft  gewinnt, 
seinem  losen  Treiben  zu  entsagen  —  und  dieser  bekehrte  Sünder 
heisst  noch  —  Basilius. 

Die  Legende  vom  Ursprung  des  Weins  gehört  in  die  Reihe  sol- 
cher schulmässig-populären  Erzeugnisse,  und  es  ist  nun  unsere  Auf- 
gabe deren  Quellen,  so  weit  es  sich  thun  lässt,  nachzuforschen. 

Der  Baum  «der  Erkenntniss  des  Guten  und  Bösen»,  von  dessen 
Frucht  Adam  genossen,  war,  nach  der  Lehre  einiger  Talmudisten, 
der  Weinstock.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  untersuchen,  in  wie 
weit  diese  Identifizirung  in  die  christliche  Symbolik  eingedrungen 
ist;  um  nur  bei  einem  russischen  Belege  stehen  zu  bleiben,  verweise 
ich  auf  das  Miniaturbild  einer  Uebersctzung  des  Cosmas  Indikopleu- 
stcs  (Hs.  vom  J.  1 542),  wo  Adam  und  Eva  an  den  Seiten  eines  Re- 


*  Vgl.  .Russ.  Revue»  Hand  IV,  S   1  u.  (l. 


133 

benstocks  dargestellt  sind,  während  eine  Schlange  sich  um  densel- 
ben windet*  Bei  den  Bogomilen  wird  diese  Vorstellung  um  so  eher 
Fuss  gefasst  haben,  als  ja  nach  ihrer  Meinung  der  Ursprung  des 
Weins  ein  dämonischer  war.  «Sie  lehren»,  heisst  es  in  einer  Hand- 
schrift, die  dem  verstorbenen  Prof.  Grigorovic  angehört  hatte,  «sie 
lehren,  dass  man  weder  Fleisch  essen,  noch  Wein  trinken  solle  .... 
weil  der  Wein  und  das  Weib  vom  Teufel  seien*».  Wirklich  er- 
scheint in  einem,  von  bogomilischen  Legenden  überfüllten  Schrift- 
stück, der  sogenannten  «Rolle  der  heiligen  Bücher»  (oder  Schrif. 
ten)',  der  Baum  der  Erkenntniss  —  als  Weinstock:  ^und  Er  (der 
Herr)  verbot  ihnen  (Adam  und  Eva)  von  der  Frucht  des  Wein- 
stockes zu  kosten»;  auch  die  «Epistel  des  Mönches  Athanasius,  zu 
Jerusalem  an  Panko :  vom  Baume  der  Erkenntniss  des  Guten  und 
Bösen>  zeigt  diese  Vorstellung  als  eine  unter  den  Bogomilen  ver- 
breitete. Athanasius  wirft  dem  Panko  seine  Vorliebe  für  die  bogomili- 
schen Legenden  vor:  «Man  berichtet  uns  von  dir,  dass  du  Viele 
über  den  Baum  der  Erkenntniss  des  Guten  und  Bösen  belehrst,  von 
dem  zu  kosten  Gott  Adam  verboten  hatte,  und  dass  du  sagst,  es  sei 
jener  Baum  der  Weinstock  gewesen.  Höre  was  die  Schrift  von  Eva 
sagt:  Und  das  Weib  schauete  an,  dass  von  dem  Baum  gut  zu  essen 
wäre  und  lieblich  anzusehen.  Was  ist  aber  des  Weinstocks  Lieblich, 
keit»?  Dieser  falschen  Auslegung  setzt  Athanasius  eine  andere,  aber 
auch  nur  als  eine  plausiblere,  entgegen^  die  des  heiligen  Athana- 
sius: dass  nämlich  der  Baum  der  Erkenntniss  ein  Feigenbaum  gewe- 
sen, wesswegen  er  auch  von  Christus  verflucht  ward*.  Also  wieder 
eine  Meinung,  die  in  jener  einiger  Talmudisten  ihr  Gegenstück  fin- 
det, welche  in  dem  Baum  der  Erkenntniss  den  Feigenbaum  sahen, 
weil  ja  die  Erzeitern,  nachdem  sie  von  der  verbotenen  Frucht  ge- 
nossen, aus  Feigenblättern  sich  ihre  Kleider  zusammengeflochten 
haben. 

Die  bogomilische  Auffassung  der  Rebe,   als  einer  dem  Teufel  ge- 


*  BycjiaeB-b,  OnepKM  I.  p.  617. 

*  Jagic,  Opisi  i  izvodi  iz  nckoliko  juznoslovinskih  rukopisa  T,  81  (aus  den  Sta- 
rine V). 

'  Vgl.  BycJiacBi»,  OnepKH  I,  615 — 618;  II^anoBi»,  HcTop  onepKu  HapoA"aro  Mipoco- 
lepiiaHi«  H  cyes-fepifl,  I,  91;  FlMnuH-b,  JIoxhmx  h  orpeneHHUii  ehhih  pyccKoft  CTa- 
pHHU  OÖ-baciieHia  m,  oaM.  ApeBHCtt  pyccK  ;imt.  (PyccKoe  Cjiobo,  1862,  J*  2,  2.  Arti- 
kel, p  5a  56);  nbinMH-fc  H  CnacoBiiH-b,  Oöaop-h  «ct.  caslb  JiHTepaxypT.,  p.  70  72; 
OoHcaHie  KHun»  h  pyKoaucefi  h  t.  4.    E   B   Bapcoaa,  crp.  22:  Cüobo  o  aaMaxia  Hcöa  « 

seM/in. 

*  najfSTHHiTR  crap.  pyccr.  jiht.  III,  84;  Jagic  1.  c   81. 


it 


U4 

hörigen  Pflanze,  findet  sich  in  einer  kleinen  apokryphen  Schrift,  wel- 
che in  einer  slavischen  Handschrift  den  Titel:  «Vision  des  Baruch» 
führt  und  deren,  Schluss  (göttliche  Segnung  der  Rebe)  eine  spätere 
Milderung  erfahren  zu  haben  scheint.  Sie  erzählt  folgendes:  Als  der 
Herr  seinen  Engeln  anbefahl,  den  Garten  in  Eden  zu  pflanzen, 
pflanzte  auch  Satanael  die  Rebe.  Von  ihrer  Frucht  hat  nun  Adam 
(gegen  Gottes  Verbot)  gekostet  und  wurde  mit  ihr  zusammen  ver- 
urtheilt.  Während  der  Sündfluth  ward  sie  von  den  Fluthcn  aus  dem 
Paradies  getragen  und  von  Noah  mit  Gottes  Segen  von  neuem  ge- 
pflanzt. So  ist  der  Fluch  von  ihr  genommen  worden,  aber  das  alte 
Uebel  haftet  noch  daran,  weil  Jeder,  der  ohne  Maass  vom  Weine 
trinkt,  in  mannigfache  Sünde  geräth^  Es  erscheint  demnach  die 
Rebe  als  eine  Pflanzung  Satanacls  und  zugleich  als  der  Baum  der 
Erkenntniss;  es  wäre  interessant,  in  Hinsicht  auf  die  später  mitzu- 
theilenden  Kreuzlcgenden,  dieselbe  als  Kreuzbaum  figuriren  zu  se- 
hen. Nun  erzählt  der  russische  Erzbischof  Antonius  (XII.  Jahrh.)  in 
seinem  Reiseberichte,  dass  er  in  Konstantinopel,  in  der  Kirche  des 
heil.  Michael,  ein  Crucifix  gesehen  habe,  welches  aus  dem  von  Noah 
gepflanzten  Weinstock  gefertigt  war.  Ob  dies^,  freilich  ungenü- 
gende Kunde  auf  eine  muthmaassliche  Rezension  der  Kreuzlegende 
führen  kann,  die  wir  die  bogomilische  nennen  dürften  (Rebe:  satani- 
sche Pflanzung;  Baum  der  Erkenntniss:  Kreuzbaum)  —  das  ist 
eine  Frage,  die  aus  dem  vergleichenden  Studium  der  slavischen 
Kreuzsagen  zu  beantworten  ist,  welche  bekanntlich  einige  bogomili- 
sche Episoden  aufgenommen  haben. 

Die  slavischen  Apokryphen  vom  Kreuzbaume^  erzählen  dessen 
Geschichte  in  folgenden  allgemeinen  Umrissen:  Als  Gott  der  Herr 
den  Paradiesgarten  pflanzte,  war  kein  Engel  dabei  ausser  Satanael, 
der  von  allen  Bäumen,  die  der  Herr  pflanzen  hicss,  Samen  entwen- 
dete und  dieselben  in  der  Mitte  des  Gartens  ausstreute.  «Da  sprach 
der  Herr:  Hier  werde  Ich  sein  und  Mein  Leib,  und  dies  wird  dir  zun> 
Banne  sein.  Da  ging  Satanael  hinaus  und  sagte  dem  Herrn:  Segne, 
was  wir  gepflanzt  haben.  Und  es  sprach  der  Herr:  Hier  bin  Ich  in 
der  Mitte  des  Paradieses.  Als  dann  Satan.iel  wieder  hineinf]^in<^,  um 
sich  den  von  ihm  gepflanzten  Baum  anzusehen,  wurde  er  schwarz 
und  der  Baum  bannte  ihn  aus  dem  Garten*.  —  Der  Paradiesbaum 
wächst  in  drei  Stämmen  empor:   der  eine  Stamm  ist  der  des  Herrn, 


•  OnMC.  pyKonuceli  Ciiii.  6u6ji.  otj.  II,  ?i  330. 

•  THXOHpaBOB-h,   riasi.  oxpcM.  pyccK.  nin,  I.  305  —  313;  Jagic,    Prilo/i  k.    Ilist.  kn. 
Dar.  hrvat.  i  srbsk.  p    28 — 34, 


«3S 

der  zweite  Adam's,  der  dritte  Eva's.  Nachdem  die  Erzeitern  sich  ver-. 
sündigt  hatten,  Wieb  der  erstere  Stamm  im  Paradiesgarten,  der. 
Theil  Adam's  fiel  in  den  Tigris,  den  Stamm  Eva's  schwemmten  aus 
Eden  die  Wässer  der  Sündfluth  —  wie  in  der  Vision  Baruch^s  ein 
Gleiches  von  SatanaePs  Weinstock  erzählt  wird.  Ist  vielleicht  der 
Weinstock  der  Stamm  Eva's,  die  von  dessen  verbotener  Frucht  ge- 
kostet hatte,  und  hätten  wir  diese  Fassung  auf  die,  dem  Popen  Jere- 
mias  zugeschriebene  Rezension  der  Kreuzlegende  zurückzuführen, 
im  Einklänge  mit  der  bogomilischen  Lehre:  dass  Weib  und  Wein 
vom  Teufel  seien? 

Die  weitere  Vergleichung  der  slavischen  und  europäischen 
Kreuzlegenden  in  ihren  verschiedenen  Redaktionen  dürfte  auf  diese 
Frage  einiges  Licht  werfen.  Hier  nur  einige  Andeutungen.  Die  sla- 
vischen apokryphen  Kreuzsagen'  schliessen  an  jeden  der  drei 
Stämme  oder  Theile  des  Paradiesbaumes  eine  eigene  Geschichte 
an.  Die  Stämme  Adam's  und  Eva's  wachsen  zu  Bäumen  empor,  die 
später  zur  Kreuzigung  des  frommen  und  des  ungetreuen  Räubers 
dienen;  nur  der  Stamm  des  Herrn  erscheint  im  eigentlichen  Sinne 
als  Erlösungs-  und  Kreuzbaum,  auf  dem  Christus  gekreuzigt  ward: 
ein  Zweig  davon  wird  vom  Erzengel  dem  Seth  eingehändigt  und 
daraus  dem  todtkranken  Adam  ein  Kranz  ums  Haupt  gewunden,  mit 
dem  er  auch  begraben  wird\  Daraus  wuchs  ein  hoher,  stattlicher 
Baum  empor,  dreifach  (in  drei  Stämme  gespalten)  und  zugleich 
eins:  ein  durchsichtiges  Symbol  der  einen  und  ungetheilten  Dreiei- 
nigkeit: die  Dreihcit  war  durch  die  drei  Arten  Bäume  versinnlicht, 
in  denen  occidentalische  und  einige  slavische  Kreuzsagen  die  Cy- 
presse,  die  Ceder  und  die  F'ichte  (oder  auch  die  Olive,  die  Palme  u. 
s.  w.)  erblicken;  die  Einheit  durch  das  wunderbare  Zusammenwach- 
sen der  Bäume,  von  dem  europäische  sowohl,  wie  slavische  Legenden 
zu  erzählen  wissen.  So  z.  B.  eine  slavische,  wo  Fichte,  Ceder  und 
Cypresse,  in  der  Entfernung  einer  Elle  von  einander  gepflanzt,  sich 
wunderbar  vereinigen*. 

Eine  andere  Fassung  der  Sage   lässt   wieder  den  Erlösungs-  und 
Kreuzbaum  aus  dem  Adamstheile  des  Paradiesbaumes  emporwach^ 


*  Vgl.  TuxoHpaBOH-b  und  Jngic  1.  c. 

*  Man  vgl  dieselbe  Erzählung  in  den  altUavischen  Ueberarbeitungen  der  Apokalyp- 
sis  Mosis  die  unter  den  Titeln:  rRede  von  Adam*  oder  «Eva's  BekenntnisS'  in  den 
Handschriften  erscheinen. 

'  Jagic,  Opisi  1  c.  p.  83,  Anm.  wo  auf  OnacaHie  pm.  Cbh.  6u6ä,  H  318,  ota  II, 
3,  594  verwiesen  wird.  Vgl.  Mussafia,  Sulla  leggenda  del  legno  della  croce  p    177 


sen.    Die  oben  angeführten  slavischen  Apokryphen  erzählen  von 
dem  Stamme  Adam's  Folgendes:  Seth  will  seines  Vaters  Andenken 
feierlich  begehen;  ein  Engel  zeigt  ihm  den,  in  den  Tigris  gerathencn 
Theif  des  Paradiesbaumes  (d.  h.  den  Antheil  Adam's),  und  Seth  ver- 
brennt ihn  bei  der  Todtenfeier.  Später,  als  Loth  sich  vergangen  hatte 
und  nun  Abraham  aufsucht  mit  der  Bitte,  er  möge  ihm  eine  Busse 
auferlegen,  ist  Abraham  ob  seiner  Sünde  ganz  entsetzt  und  legt 
ihm  eine  schwere  Aufgabe  auf:  er  solle  zum  Tigris  gehen  und  einen 
Feuerbrand  (von  Seth's  Feuerstätte)  holen.    Es  war  aber  ein  lebens- 
gefährlicher Gang,  weil  wilde  Thiere  die  Feuerstätte  hüteten.    Loth 
findet  dieselben  jedoch  eingeschlafen   und  bringt  den  Feuerbrand. 
Da  wunderte  sich  Abraham  und  gab  Loth  eine  andere  schwierige 
Aufgabe:  er  soll  jenen  Feuerbrand  auf  einem  Berge  pflanzen  und  . 
regelmässig  mit  Wasser,  welches  sehr  weit  entfernt  war,  begiessen. 
Wird  der  Feuerbrand  sprossen,  so  wird  die  Sünde   dir  vergeben, 
sagt  er  zu  ihat;  und  das  Wunder  geschieht  wirklich,  der  Feuerbrand 
aber  ward  zu  einem  stattlichen  Baume.  —  Diese  Erzählung  wird  in 
einer  Legende  vom  Erlösungsbaume,   die  in  altrussischen  Hand- 
schriften  unter  dem  Namen  des  Severianus  von  Gabala  vorkommt, 
an  den  Erlösungsbaum  angeknüpft   und  mit  einigen  Varianten  wie 
dergegeben,   die  ich  hier   anmerke:    Abraham   heisst   drei  Feuer- 
brande  holen,  die  er  in  einem  Dreieck  pflanzt,  so  dass  der  eine  vom 
andern  eine  Klafter  entfernt  ist.     Sie  keimen  und  wachsen  in   der 
Mitte  zusammen,  und  es  war  ein  Wunder  anzusehen,  dass  Wurzel 
und  Wipfel  dreifach,  der  mittlere  Theil  aber  eins  war.     Am  Holze 
dieses  Baumes  wurde  in  der  Folgezeit  Christus  gekreuzigt'. 

Endlich  war  noch  eineRezension  derSage  verbreitet, die  den  Kreuz- 
baum alsaus  jenem  Stamme  des  Paradiesbaumes  entsprossen  darstellte, 
der  sonst  den  slavischen  Apokryphen  als  Eva's  Theil  bekannt  ist.  So 
war  vielleicht  die  bogomilische  Rezension  gestaltet.  In  den  mehrfach 
genannten  slavischen  Apokryphen*  wird  von  Eva's  Theil  erzählt, 
dass  er  von  der  Sündfluth  fortgeschwemmt  wurde,  bis  er  bei  Mara's 
bittern  Gewässern  stehen  blieb.  Als  Moses  mit  seinem  Volke  gen 
Mara  kam,  fand  er  den  Baumstamm,  den  Gipfel  nach  unten  gekehrt, 
liegen,  und  pflanzte  ihn  nach  des  Engels  Gehciss  «kreuzweise»  in 
die  bittern  Gewässer,  die  sogleich  süss  wurden.  Der  Stamm  aber 
wurde   zu   einem   hohen  Baume.  —  Diese  Erzählung  von  dem,   Eva 

*  Vgl.  riaM.  crap.  pyccK.  ümt.  III,    p.  82 — 3;   IIop^tipbeBit,   AnoKpii«.  CKasaiii«   no 
pyicooMCSHi»  coJioBeiuon  ÖHöiiioTcicii,  p.  loi  — 103. 
'  V{;L  THXOHpaROH-h,  Ja^pc.  1.  c. 


vorstellenden  Theile  des  Paradiesbaumes  bildet  den  Eingang  zu 
einer  Kompilation  von  bogomilischen  Apokryphen,  welche^  nach 
meiner  Meinung,  von  einer  orthodoxen  Hand  zusammengestellt  und 
redigirt  worden  ist'  «Da  führte  Moses  die  Söhne  Israels  vom 
Rothcn  Meer,  und  als  sie  gen  Mara  kamen,  da  konnten  sie  von  dessen 
Wasser  nicht  trinken,  weil  es  sehr  bitter  war».  Da  zeigte  ihm  der 
Engel  Zweige  (oder  Stämme?)  *von  den  drei  Bäumen,  der  Ceder, 
der  Cypresse  und  der  Fichte.  Und  es  that  Moses,  wie  ihm  der 
Engel  anbefohlen,  und  nahm  die  drei  Bäume  und  wand  sie  zusammen 
und  pflanzte  sie  an  der  Quelle  jener  Gewässer,  und  sprach:  Dies  ist 
das  Bild  der  heiligen  Dreieinigkeit^  dies  wird  der  Erlösungsbaum, 
der  Lebensbaum  sein,  auf  diesen  Baum  wird  der  Heilige,  Wahrhaf- 
tige von  der  Hand  der,  ihrer  Erlösung  Harrenden  emporgehoben 
werden,  und  die  jüdischen  Aeltesten,  die  Priester  und  die  Vorsteher 
des  Volkes  werden  I/in  verurtheilen.  Der  die  ganze  Welt,  Todte 
und  Lebende  richten  wird.  Diese  Worte  hat  Moses  von  Christo 
prophezeit». 

Diese  Zusammenstellungen  legen  mir  die  Vermuthung  nahe,  dass 
in  der  bogomilischen  Rezension  der  Kreuzlegende  der  Kreuzbaum 
als  derjenige  erschien,  an  dem  sich  Eva  versündigt  hatte,  als  der 
«TheilEva's»  der  bekannten  slavischen  Kreuzsagen,  welche  manchen 
bogomilischen  Zug  bewahrt  haben,  freilich  gemildert,  aber  dennoch 
mit  der  christlichen  Auffassung  der  Bibel  schwer  vereinbar.  So 
stimmt  z.  B.  die  Sage  von  der  Pflanzung  des  Paradiesbaumes  durch 
Satanael  zu  dem  Hass,  den  die  Bogomilen  gegen  das  Crucifix,  den 
Kreuzbaum,  nährten,  der  nach  ihrer  Lehre  von  den  Dämonen  erson- 
nen worden  sei,  um  dem  Tode  des  Erlösers  zu  dienen.-  Dieser 
Baum  sei  der  Wcinstock  gewesen:  vom  Teufel  sind  der  Wein 
(d*  h.  die  Weinrebe,  der  Weinstock)  und  das  Weib,  lehrten  die  Bo- 
gomilen; in  Uebereinstimmung  damit  wird  in  der  Vision  des  Baruch 
erzählt,  dass  Satanael  den  Kebstock  im  Paradiesgarten  gepflanzt, 
welcher  später  von  der  Sündfluth  weggeschw^emmt  wird,  wie  solches 
andere  Legenden  vom  «Theil  Eva's»  behaupten,  d,  h.  wohl  von  dem 
Kreuzbaum  nach  der  Vorstellung  der  Bogomilen.  Wenn  letztere 
zu  ihren  Zwecken  ältere  christliche  Apokryphen  ausgebeutet  haben 
mögen,  so  weist  andererseits  die  oben  angeführte  Kompilation 
aus  bogomilischen  Sagen  —  Spuren  einer  orthodoxen  Ueberliefcrung 

•  S.  Jagic,    Opisi   1.  c.  p.  83— 95;   A.  IIonoBi»*   Ilepnoe   npH6aB;ieiiic  n»  oniicnHifO 
pyKon»iccü  H  KaTajiory  KHun.  uepxoHHott  ncnaTM  A.  M.  X.iyAOHa.     crp.  31 — 44. 
'  Racki,  Bogomili  i  patareni,  p.  195 — 196. 


..^ 


t38 

oder  Ueberarbeitung  auf.  Das  Trinitäts«?ymbol,  wie  es  in  der  Sage  von 
den  drei  Bäumen  ausgeführt  ist,  die  entweder  zusammenwachsen, 
oder  aus  dem  Kranze  Adam's  (oder,  wie  in  einigen  occidentalischen 
Legenden,  aus  dessen  Schädel,  aus  den  Samen  des  Paradiesbaumes, 
die  Seth  geholt  haben  soll)  entspriessen,  dürfte  wohl  kaum  ein 
bogomilisches  sein.  Ob  wir  nech  der  bogomilischen  Auffassung 
des- Symbols  auf  die  Spur  kommen  können? 

Erinnern  wir  uns  an  jene  Episode  der  slavischen  Apokryphen, 
wo  Satana^l  dargestellt  wird,  wie  er  von  allen  Samen  des  Herrn 
stiehlt  und  dieselben  in  Edens  Mitte  säet,  wie  er  dann  später  hinein- 
geht, um  den  Baum  zu  sehen,  den  er  gesät  hatte.  Dieser  Baum, 
den  wir  bereits  als  den  Erlösungs-  und  Kreuzbaum  kennen,  ent- 
sprie.sst  also  lius  vielerlei  Samen,  wie  es  noch  in  einer,  in  AltRuss- 
land  populären  Streitschrift  gegen  die  Lateinische  Kirche,  cder 
Unterredung  des  Panagioten  mit  dem  Azymiten»,  von  dem  Paradies- 
baum heisst,  dass  er  von  allen  Bäumen  und  Früchten  in  sich  aufge- 
nommen habe.  Ob  die  bogomilische  Rezension  der  Kreuzlegendc 
diese  Symbolik  ausgebeutet  hatte,  ist  schwer  zu  sagen  und  kön- 
nen darüber  nur  Vermuthungen  aufgestellt  werden.  Wie  die  bogo- 
milische Vorstellung  vom  Paradiesbaume  als  Weinstock  sich  im  Tal- 
mud wiederfindet,  so  bietet  die  Symbolik  einer  anderen  talmudischen 
Erzählung  eine  Parallele  zum  Bilde  eines,  aus  vielerlei  Samen  ent- 
sprossenen Paradiesbaumes,  wiederum  in  Verbindung  mit  Satan 
und  dem  Weinstock.  Als  Noah  die  Rebe  pflanzte,  gesellte  sich 
Satan  zu  ihm,  indem  er  bei  der  Rebe  ein  Schaf,  einen  Löwen,  einen 
Aflfen  und  ein  Schwein  schlachtete.  Daher  die  verschiedenen  Wir- 
kungen des  Weins:  trinkt  einer  davon  ein  wenig,  so  wird  er  wie  ein 
Schaf;  trinkt  er  mehr,  so  wird  er  zu  einem  Löwen  und  bei  weiterem 
Trinken  zu  einem  hüpfenden  Affen  und  einem  schmutzigen  Schwein. ' 
Diese  Erzählung,  die  in  die  Gesta  Romanorum  (c.  1 59)  und  in  an- 
dere mittelalterliche  Sammelwerke  überging',  ist,  vielleicht  durch 
Vermittlung  einer  muhammedanischen  Quelle,  zu  den  Tataren 
von  Nishnij-Nowgorod  gedrungen,  wo  sie  in  veränderter  Gestalt  er- 
scheint, da  der  Wein  augenscheinlich  dem  Branntwein  gewichen  ist. 
Als  der  Teufel  mit  der  Zubereitung  des  Weins  beschäftigt  war, 
mischte  er  Anfangs  Fuchsblut,  dann  Wolfs-  und  endlich  Schweins- 
blut  hinein.  Trinkt  davon  Jemand,  so  wird  seine  Stimme  eine  sanfte, 
seine  Augen  ölig  und  schmeichlerisch,  wie  die  des  Fuchses;  ein  wie- 

<  Fabricil,  Cod.  pnaiclcpigr.     Vet.  Test.  p.  275  Note. 
'  Oesterley,  Gesta  Horaanonim,  Note  zu  }k  159, 


isd 

derholter  Trunk  bekehrt  ihn  zu  grausamen  Wolfssitten,  weiter  aber 
wälzt  er  sich  im  Kothe,  wie  ein  Eber^  Am  schönsten  ist  diese  Sage 
in  einem  böotischen  Märchen  verarbeitet,  wo  die  talmudische  Fabel 
um  den  jugendlichen  Dionysos  spielt'.  Als  Dionysos  noch  klein 
war,  machte  er  eine  Reise  durch  Hellas,  um  nach  Naxia  zu  gehen; 
da  aber  der  Weg  sehr  lang  war,  ermüdete  er  und  setzte  sich  auf  ei- 
nen Stein,  um  auszuruhen.  Da  sah  er  zu  seinen  Füssen  ein  Pflanz« 
chen  aus  dem  Boden  spriessen,  welches  er  so  schön  fand,  dass  er 
sogleich  den  Entschluss  fasste,  es  mitzunehmen  und  zu  pflanzen.  Er 
hob  das  Pflänzchen  auf  und  trug  es  mit  sich  fort;  da  aber  die  Sonne 
eben  sehr  heiss  schien,  fürchtete  er,  dass  es  verdorren  werde,  bevor 
er  nach  Naxia  komme.  Da  fand  er  ein  Vogelbein,  steckte  das 
Pflänzchen  in  dasselbe  und  ging  weiter.  Allein  in  seiner  gesegneten 
Hand  wuchs  das  Pflänzchen  so  rasch,  dass  es  bald  unten  und  oben 
aus  dem  Knochen  herausragte.  Da  fürchtete  er  wieder,  dass  es  ver- 
dorren werde  und  dachte  auf  Abhülfe.  Da  fand  er  ein  Löwenbein, 
das  war  dicker  als  das  Vogelbein,  und  er  steckte  das  Vogelbein  mit 
dem  Pflänzchen  in  das  Löwenbein.  Aber  bald  wuchs  das  Pflänzchen 
auch  aus  dem  Löwenbein.  Da  fand  er  ein  Eselsbein;  das  war  noch 
dicker,  als  das  Löwenbein,  und  er  steckte  das  Pflänzchen  mit  dem 
Vogel-  und  Löwenbein  in  das  Eselsbein,  und  so  kam  er  auf  Naxia 
an.  Als  er  nun  das  Pflänzchen  pflanzen  wollte,  fand  er,  dass  sich  die 
Wurzeln  um  das  Vogelbein,  um  das  Löwenbein  und  um  das  Esels- 
bein fest  geschlungen  halten;  da  er  es  also  nicht  herausnehmen 
konnte,  ohne  die  Wurzeln  zu  beschädigen,  pflanzte  er  es  ein,  wie  es 
eben  war,  und  schnell  wuchs  die  Pflanze  empor,  und  trug  zu  seiner 
Freude  die  schönsten  Trauben,  aus  welchen  er  sogleich  den  ersten 
Wein  bereitete  und  den  Menschen  zu  trinken  gab.  Aber  welch' 
Wunder  sah  er  nun !  Als  die  Menschen  davon  tranken,  sangen  sie 
anfangs  wie  die  Vögelchen;  wenn  sie  mehr  davon  tranken,  wurden 
sie  stark  wie  Löwen,  und  wenn  sie  noch  mehr  tranken,  wurden  sie 
wie  die  Esel. 


II. 

Die  vorhergehende  Umschau  auf  dem  Gebiete  apokrypher  Sagen 
und  volksthümlicher  Märchen   hat   uns  den  Vorstellungskreis  aufge- 

^deckt,  in  welchem  die  altrussische/Legende  vom  Ursprung  des  Weins 

.  — • I 

*  AeaHacteB-b,  llap.  pyccK.  Jier.  S.  i8^^3. 

'  Hahn,  Griechische  und  Albanesische» Märchen.  I.  J\e  76.. 


140 

ihre  Wurzeln  geschlagen  hat.  Es  erübrigt  uns  nun  noch,  ihre  eigene 
Vorgeschichte  zu  besprechen.  Wie  in  der  Vision  des  Baruch  die  Ge- 
schichte der  Rebe  von  ihrer  Pflanzung  durch  Satanael  und  von  Eva's 
Versündigung  bis  Noah  fortgeführt  wird  (dass  der  Segen  Gottes 
kaum  in  die  ursprüngliche  Fassung  der  Sage  gehört,  ist  bereits 
bemerkt  worden),  und  die  talmudische  Legende  Noah  und  die  Rebe 
mit  Sataii  zusammen  nennt  —  so  auch  in  einer  eigenartigen  legen- 
darischen Episode,  welche  in  die  spätrussische  Redaktion  der  Reve- 
lationen  des  sogenannten  Methodius  Eingang  gefunden  hat^  Als 
Noah,  nach  des  Herrn  Geheiss,  die  Arche  auf  dem  aravitischen  (d. 
h.  arabischen  •=  Ararat)  Berge  heimlich  zu  bauen  angefangen,  ver- 
sucht der  Teufel,  der  das  Menschengeschlecht  von  ewig  her  hasst, 
Noah's  Frau.  Frage  deinen  Mann,  wohin  er  zu  gehen  pflegt,  sagt 
er  ihr.  Mein  Mann  ist  zurückhaltend,  antwortet  sie,  und  u  ird  mir 
es  nicht  gestehen.  Da  räth  ihr  der  Böse:  Es  gibt  eine  Pflanze,  die 
über  dem  Flusse  wächst  und  sich  um  einen  Baum  rankt;  nimm 
von  deren  Blüthen  und  säure  sie  mit  Mehl  ein,  und  gib  ihm  davon 
zu  trinken  —  so  wird  er  dir  Alles  sagen,  was  du  willst !  Die  Frau 
that,  wie  ihr  gerathen  war.  Als  Noah,  von  der  Arbeit  heimkehrend, 
zu  trinken  verlangt,  reicht  sie  ihm  jenen  Trank;  dieser  mundete 
ihm  so  sehr,  dass  er  zum  zweiten  und  zum  dritten  Male  darnach  ver- 
langte. Dann  sprach  er:  Dies  ist  der  zänkische  Hopfen,  dem  Weisen 
zu  Liebe,  dem  Narren  zum  Streit  und  zur  Knechtschaft.  Und  er  er- 
zählte seiner  Frau,  was  diese,  vom  Teufel  verführt,  von  ihm  erfah- 
ren wollte.  Als  er  sich  am  folgenden  Tage  zur  Arche  begibt,  um 
sich  die  Arbeit  anzusehen,  findet  er  sie  zerstört,  zur  Strafe,  dass  er 
sich  an  Gottes  Verbot  vergangen  und  seiner  Frau  sein  Thun  nicht 
verheimlicht  hatte. 

Diese  Legende  hat  in  Russland  eine  gewisse  Verbreitung  gefun- 
den und  ist  verschieden  variirt  worden.   Wenn  ich  von  diesen  Varia 

« 

tionen  die  jüngste  und  volksthümliche  zuerst  hervorhebe,  so  ge- 
schieht es  wegen  der  eigenthümlichen  Namenvermischung,  welche 
sie  bietet  und  welche  auf  die  genealogischen  Verhältnisse  des  ganzen 
Sagenkreises  einiges  Licht  wirft  Wir  sahen,  wie  die  Geschichte  des 
Kreuzbaums- Weinstocks  an  Adam  und  Eva  anknüpfte  und  weiter  bis 
Noah  fortgeführt  war.  In  einer  volksthümlichen  russischen  Legende* 
finden  sich  beide  Episoden  in  folgender  Weise  vermengt:  Gott  schafft 

'  TBXOHpaBOVb,   naM.  oTpen.  pyccc.  jiht.  II,   S.  249-  250;   id.  JIliTunucii   pyccRoU 
jiMT.  M  ApeiH.  T.  I,  1859,  MaTepbfjihi,  S.  158  -  160. 

'  AoaNacbf^r,  Hap.  pyccr,  Jier.  J^  48;  cf.  ib.  S.  49-— 50. 


Hl 

«Noah  den  Gerechten»,  damit  die<jerechtigkeit  in  die  Welt  ein- 
ziehe; dann  schafft  er  aus  seiner  Rippe  —  Eva;  darauf  folgt  die 
Erzählung  von  ihrer  Versündigung,  so  dass  Noah  die  Rolle  Adam's 
spielt,  und  weiter  erscheint  dann  die  oben  mitgetheilte  Sage  vom 
Hopfen. 

Letztere  hat  bereits  früher  in  die  russische  Bilderbibel  Eingang 
gefunden  und  auch  zu  einer  eigenen  Erzählung  den  Stoff  geliefert, 
die  wir  oben  allgemein  als  «die  Sage  vom  Ursprung  des  Weins*  be- 
zeichnet haben.  Der  eigentliche  Titel  ist  aber  ein  anderer:  «Geschichte 
^^^xArom  hochweisen  Hopfen»,  da  in  den  spätrussischen  Fassungen 
der  Hopfen  und  der  Branntwein  an  die  Stelle  der  Rebe  und  des 
Weins  getreten  sind.  Jene  Geschichte  erzählt  nun  von  einem 
Manne,  der  sich  unaufhaltsam  dem  Trünke  ergeben  hatte  und 
so  weit  kam,  dass  er  die  Kirche  vernachlässigte,  die  Gesell* 
Schaft  vernünftiger  Menschen  mied,  endlich  des  Verstandes  verlu- 
stig ging  und  in  blinde  Wuth  verfiel.  Als  er  später  zur  Besinnung  kam 
und  mit  Gottes  Hülfe  den  Weg  des  Heils  aufsuchte,  befreite  er 
sich  von  der  Trunksucht  durch  Enthaltsamkeit.  Er  fangt  den  «unge- 
stümen» Hopfen,  bindet  ihm  mit  starken  Fesseln  Hände  und  Füsse 
und  befragt  ihn  über  sein  Geschlecht,  seine  Herkunft  und  seine 
rühmlichen  Thaten.  Und  es  antwortete  der  hochweise  Hopfen:  Ich 
bin  von  hohem  und  ruhmwürdigem  Geschlechte,  bin  mächtig  und 
reich;  meine  Füsse  sind  zwar  dünn,  aber  meine  Arme  umfassen  die 
ganze  Erde.  Dies  sind  aber  meine  früheren  rühmhchen  Thaten.  Hier 
findet  sich  die  Geschichte  von  Noah  und  der  Arche  eingestreut,  die  der 
Hopfen  erzählt,  um  sich  weiterhin  mit  seiner  Kraft  und  Gewalt  über 
den  Menschen  zu  brüsten.  «Will  Jemand  meiner  theilhaftig  werden 
und  trinkt  er  eine  kleine  Schale,  so  gereicht  sie  ihm  zur  Gesundheit, 
die  zweite  zur  Fröhlichkeit,  die  dritte  zum  Labsal,  die  vierte  aber 
zur  Trunkenheit»  u.  s.  w.  Die  «Rede  von  der  Trunkenheit»,  die  sich 
in  einer  Handschrift  des  gnomischen,  die  «Biene»  betitelten  Sam- 
melwerkes erhalten  hat,  zählt  der  Schalen  sieben,  und  zwar  führt 
die  fünfte  —  zur  Trunkenheit,  die  sechste  in  des  Teufels  Bande, 
die  letzte  aber  zu  bitterm  Todt.  Dies  erinnert  einerseits  an  die  Er- 
mahnungen eines  russischen  Bischofs  des  XV.  Jahrhunderts  (Mat- 
thäus von  Sarai),  dass  man  einem  Klosterbruder  oder  Kirchendie- 
ner, die  man  bewirthet,  nicht  mehr  als  drei  Schalen  vorschlagen 
möge  —  andererseits  aber  an  die  verschiedenen  Eigenschaften  dec 
Weins,  wie  sie  in  der  talmudischen  und  tatarischen  Legende  und  im 
griechischen    Märchen    symbolisch    dargestellt    sind.  —  Die    Ge- 


142 

schichte  vom  hochweisen  Hopfen  isl  hiermit  zu  Ende:  nachdem  der 
bekehrte  Sünder  vom  gefangenen  Unholde  erfahren,  wie  er  sein 
Gebiechen  los  werden  könne,  lässt  er  ihn  laufen:  er  möge  zu  sei- 
nem Herrn  gehen,  dem  über  die  Trunkenheit  gesetzten  Teufel'. 

Eine  weitere  Entwicklung  dieser  Sage  auf  volksthümlichem  Bo- 
den und  mit  späterer  Vertretung  des  Hopfens  durch  den  Brannt- 
wein bietet  die  folgende  Erzählung,  die  sich  handschriftlich  findet 
und  in  den  heutigen  Volksschwänken  mehrfach  überarbeitet  er- 
scheint. Die  Anknüpfung  an  die  Legende  von  Noah  ist  eine  ganz 
lose.  Es  wird  erzählt,  dass  auf  den  arabischen  Bergen  (Ararat)  bis  in 
die  späte  Zeit  hinein  sich  jenes  Kraut  erhalten  hat,  woraus  der  be- 
rauschende Trank  für  Noah  bereitet  worden  ist;  der  neidische  Teufel 
lehrt  nun  auch  die  von  ihm  verführten  Menschen  Branntwein  zu  bren- 
nen. Nachdem  beide  sich  einen  schicklichen  Ort  an  den  Quellen  eines 
Flusses  gewählt  hatten,  lief  der  Teufel  nach  den  Burgen  und  holte  das 
besagte  Kraut,  d.  h.  den  Hopfen.  «Dann  wurden  die  Kolben  bereitet 
und  mit  Maisch  angefüllt,  darüber  Töpfe  umgeworfen  und  mit  Teig 
verkittet;  von  jenen  Töpfen  gingen  aber  Röhren,  welche  durch 
Kufen  liefen,  die  mit  Wasser  angefüllt  waren.  Als  dann  unter  den 
Kolben  Feuer  angezündet  war,  da  ging  das  giftige  Getränk  durch 
die,  in  die  Kufen  eingelegten  Röhren  heraus».  Da  verschwand  der 
Teufel;  der  Mann  aber  begab  sich  nach  der  nächsten  Stadt,  wo  er 
den  König  und  die  Leute  verführte;  von  daher  verbreitete  sich  jenes 
giftige  Getränk,  welches  man  heute  Branntwein  nennt,  nach  allen  Län- 
dern und  Städten,  nach  Konstantinopel  und  Lithauen  und  zu  den 
Deutschen  und  zuletzt  in  das  heilige  russische  Land^ 

Es  ist  interessant  zu  sehen,  wie  sich  das  Volk  diese  salbungsvolle 
rigöristische  Legende  zu  eigen  gemacht  hat.  In  Weiss-Russland  ist  sie 
folgendermaassen  umgestaltet  worden.  Eswar  einmal  ein  armer  Bauer; 
eines  Tages,  als  er  auf  seinen  Acker  ausgefahren  war  und  sein  letztes 
Stück  Brot  mitgenommen  hatte,  wurde  ihm  dasselbe,  während  er 
emsig  mit  Pflügen  beschäftigt  war,  von  einem  Teufel  entwen- 
det. Als  der  Bauer  nach  dem  Brote  greifen  wollte,  war  es  bereits 
fort.  Es  ist  doch  wunderlich,  sagte  er  zu  sich :  Niemand  ist  da  ge- 
wesen und  doch  finde  ich  mein  Brot  nicht.     Nun,  so   mag  es  dem 


'  Vgl.  Hycjiaeirw,  Osepicu  I,  S.  563  577,  und  561 ;  JI-kTonncM  pyccK.  ;iht.  m  ApesH. 
T.  I,  1859,  MaTepbi^iM,  S.  102 — 3.  In  einer  Erzählung  vom  Hopfen,  flaa.  crap.  pyccK. 
JiNT.  II,  S  447 — 9,  fehlt  die  Episode  von  Noah. 

'  ByciaeB-k  OnepsH  I,  367  —  8-  XlhinKHi»,  0<i.  aht.  mct.  noBtcTel  u  CEaiorb 
pyccsarb.  p.  204 ->  5. 


143 

Entwender  zum  Heile  gedeihen;  vor  Hunger  sterbe  ich  wohl  kaum! 
Als  der  Erzteufel  erfahren,  dass  der  Bauer  nicht  nur  nicht 
geschimpft,  sondern  auch  dem  Diebe  Heil  gewünscht  hatte,  ward 
er  darob  ungehalten  und  sandte  jenen  Teufel  auf  die  Erde  zurück: 
Gehe  hin  und  verdiene  dem  Bauer  sein  Stück  Brod!  Da  ver- 
wandelte sich  der  Teufel  in  einen  guten  Menschen  und  verdingte 
sich  bei  dem  Bauer  als  Arbeitsknecht.  Während  eines  heissen  Som- 
mers besäcte  er  einen  Morast  und  das  Korn  gedieh  beim  Bauer 
vortreflflich,  während  bei  Anderen  Alles  von  der  Sonne  versengt 
wurde;  in  einem  regnerischen  Sommer  säete  er  im  Gegentheil  auf 
Bergesabhängen,  und  während  bei  anderen  Alles  verloren  ging, 
hatte  er  eine  gute  Ernte:  des  Kornes  war  so  viel,  dass  man  nicht  wusste, 
was  mit  ihm  anzufangen.  Da  besann  sich  der  Teufel:  er  versuchte 
Branntwein  zu  brennen,  und  es  gelang  ihm.  Von  ihm  lernten 
die  Menschen  diese  Kunst  und  nun  wandert  das  bittere  Getränk  in 
der  ganzen  Welt  umher*. 

Anders  gefasst  tritt  die  Sage  in  der  humoristischen  Färbung  des 
klein- russischen  Schwanks  vom  dummen  Teufel  auf,  der,  um  den 
Menschen  einen  bösen  Streich  zu  spielen,  auf  das  Mittel  ver- 
fallt Branntwein  aus  Reisig  zu  brennen.  Er  zünd<;t  ein  so 
grosses  Feuer  an,  dass  der  Rauch  bis  in  den  Himmel  dringt. 
Scheint  es  euch  nicht,  als  ob  es  nach  Rauch  stinke?  fragt  der  Herr 
seine  Heiligen.  So  scheint  es  auch  uns,  aber  wir  wissen  nicht, 
woher  es  kommen  mag.  —  Der  Herr  sendet  den  heil.  Petrus  auf  die 
Erde,  um  sich  zu  erkundigen.  —  Was  machst  du  ds^}  fragt  er  den 
geschäftigen  Teufel.  —  Ich  braue  den  Menschen  einen  Trank,  da- 
mit sie  weniger  Wasser  trinken.  —  Da  bist  du  doch  ein  guter  Kerl ! 
Ist  das  Getränk  aber  auch  schmackhaft?  —  Schmecke  nun  selber! 
—  Petrus  thut's  und  da  er  des  Trinkens  nicht  gewohnt  war,  sinkt  er 
wie  betäubt  zur  Erde.  —  Da  er  lange  ausblieb,  sandte  der  Herr 
einen  zweiten  Kundschafter  aus,  den  heil.  Paul,  aber  auch  ihn  traf 
ein  gleiches  Schicksal.  Endlich  wird  auf  die  Erde  ein  Kosak  mit 
Lanze  und  Säbel  abgesandt,  der  heil.  Jurko  (der  ckleine»  heil. 
Georg).  Sein  Erstes  war,  dass  er  Petrus  und  Paul  so  derb  und  lange 
schüttelte,  bis  sie  zur  Besinnung  kamen;  dann  warfen  sich  alle  drei 
auf  den  Teufel  und  prügelten  ihn  so  tüchtig  durch,  dass  seine 
Borsten  flogen  und  die  Haut  Risse  zeigte.  Theuer  bezahlte  er  den  bö- 
sen Streich,  aber  auch  den  Menschen  ward  dieser  nicht  wohlfeil.  Lange 


*  ßopH<ieBcril,  Hap.  ciai.  pasciasu,  p.  167—182« 


M4 

sannen  sie  darauf,  wie  sie  aus  Reisig  Branntwein  brauen  könnten ; 
nun,  aus  Reisig  gelang  es  ihnen  eben  nicht,  aber  aus  dem  hcih'gen 
Brote  gedieh  er  vortrefflich.  Dies  eben  hatte  sich  der  Teufel  zum 
Ziel  gesetzt  \ 

III. 

Der  Russe  ist  ein  ebenso  starker  Zecher  geblieben  wie  zu  Fürst 
Wladimir's  Zeiten,  dessen  Helden  in  den  epischen  Liedern  regel- 
mässig Schalen  von  anderthalb  Eimer  Wein  ausleeren.  Die  strengen 
Ermahnungen  der  Kirche  und  der  Legende  haben  wohl  weniger  in 
seinem  Leben,  als  in  seiner  Phantasie  Wurzel  geschlagen,  die  in 
grausigen  Bildern  gewuchert  haben.  Die  Trinker  müssen  ewigen 
Qualen  verfallen,  heisst  es  in  einer  russischen  Volkslegende^;  Jen- 
seits müssen  sie  den  Teufeln  als  Lastthiere  dienen,  auf  denen  Wasser 
und  Holz  gefahren  wird';  diesseits  sind  sie  ihren  bösen  Streichen 
ausgesetzt,  werden  von  ihnen  auf  Abwege  geführt,  in  Sümpfe  ver- 
lockt* u.  s.  w.  In  einem  religiösen  Liede  von  Basilius  und  der  heil. 
Jungfrau  wird  die  Trunksucht  als  eine  der  Haupt-  und  Todtsünden 
geschildert;  ist  man  ihr  einmal  verfallen,  so  wird  es  schwer,  sich  von 
ihr  freizumachen ;  sie  klammert  sich  so  fest  an  den  Sünder  an,  sie 
reisst  ihn  so  hartnäckig  von  Fall  zu  Fall,  dass  ohne  Gottes  Hülfe 
ihm  keine  Rettung  möglich  ist.  Aus  diesem  Vorstellungskreise 
ist  ein  poetisches  Elrzeugniss  hervorgegangen,  zugleich  das  ein- 
zige,  auch  der  Form  nach,  dichterische  Denkmal  der  altrussischen 
Literatur,  welche  bekanntlich  der  Verskunst  abhold  war.  Ich  meine 
die,  dem  XVII. Jahrhundert  angehörende  Dichtung  «Vom  Unglücks- 
und Kummer-Schicksal,  wie  es  einen  Jüngling  unter  die  Mönchskutte 
gebracht  hat».  Schon  der  Titel  allein  zeigt  von  einer  volksthüm- 
lichen  Verarbeitung;  eben  die  eigenartige  Verquickuner  von  christ- 
lich-legendarischen mit  volksthümlichen  Elementen  dürfte  die  Auf- 
merksamkeit der  Forscher  dieser  Dichtung  zuwenden*. 

*  AparoMaHOBi»,  MajiopyccK.  Map.  npeAUiU  ■  paacKaau.  S    17^18. 
'  AoaKacbevk,  Hap.  pyccK.  Jier.  M  2 1 ,  S.  80 

'  1.  c.  Jll  37,  S.  90,  H  39,  S.  98;  vgl.  die  Anm.  zu  H  39. 

*  1.  c.  S.  183. 

*  Die  Dichtung  ist  mehrfach  herausgegeben  worden  und  hat  zu  verschiedenen  Er- 
örterungen Anlass  gegeben,  von  denen  ich  zum  Theil  abweiche.  Vgl.  riuaHHi»,  im 
CoBpeHeHHHrb,  1856,^  III;  id.  Markcri«  Hiia.  ABaAeMia  Hayrb,  1856;  KocroHapoa-b, 
IlaM.  crap.  pyccK.  jiht.  I,  S.  1^8)  HycjiaeB-fc,  OnepsH  I,  S.  $48—643:  IXostcTb  o 
Fopt  ■  3jiOHacTiR. 


t4S 

Schon  gleich  die  Eingangszeilen  sind  charakteristisch.  «Nach 
dem  Urtheil  Gottes»  unseres  Erlösers  Jesu  Christi,  des  Allerhalten- 
den,  waren  zu  Anfang  dieser  vergänglichen  Welt  Himmel  und  Erde, 
Adam  und  Eva  geschaffen*.  Der  Herr  befahl  ihnen,  im  heiligen 
Paradies  zu  wohnen  und  gab  ihnen  sein  göttliches  Gebot:  dass  sie 
von  der  Frucht  der  Rebe,  des  hehren  Paradiesbaumes,  nicht  kosten 
sollen : 

A^i»  HMi»  sanoBtAb  tfoacecTBCHHy: 

He  noBejrkai»  Bsyniam  n;ioAa  SBHorpaAHaro 

Orb  eACMcxaro  xpeaa  Bejiiucaro. 

Aber  sie  versündigten  sich  daran,  und  nun  wurden  sie  aus  Eden 
auf  «die  niedere  Erde»  verbannt.  Von  ihnen  stammt  das  böse  Men- 
schengeschlecht: gleich  von  Anfang  an  erwies  es  sich  als  ungehor« 
sam,  auf  des  Vaters  Lehre  unachtsam,  gegen  die  Mutter  nicht  ehr- 
erbietig.* J)aher  die  vielen  und  grossen  Trübsale,  die  der  Herr 
über  die  Menschen  sendet,  um  sie  strafend  zu  belehren  und  auf  den 
Weg  des  Heils  zu  lenken. 

Gegenüber  dieser  allgemein  gehaltenen  Einleitung  erscheint  die 
folgende  Erzählung  als  ein  «bispeU,  das  an  einem  einzelnen  Falle 
dartliun  soll,  was  von  allen  Menschen  gilt,  seitdem  sich  die  Erzeitern 
an  der  Rebe  versündigt  haben. 

Vater  und  Mutter  belehren  ihren  jungen  Sohn,  wie  er  ehrsam  und 
ohne  Noth  leben  und  tugendhafte  Werke  thun  solle.  Der  Inhalt 
dieser  Lehren  ist  der  allen  didaktischen  Werken  des  Mittelalters 
gemeinsame :  ein  Castoiement  des  Vaters  an  seinen  Sohn  ist  auch 
in  der  alt-russischen  Literatur  bekannt.  Nur  liegt  in  unserem  Falle 
der  Schwerpunkt  der  Belehrung  in  dem  Verbot,  Gastmähler  und  Ge- 
lage zu  besuchen,  zwei  Becher  statt  eines  zu  trinken,  mit  Würflem 
und  Schenkwirthen  Umgang  zu  pflegen.  Der  Jüngling  war  noch 
unvernünftig,  es  verdross  ihn,  sich  dem  Vater  zu  unterwerfen,  der 
Mutter  zu  gehorchen:  er  will  leben,  wie  es  ihm  eben  gefällt.  Bald 
hatte  er  50  Rubel  beisammen,  *  und  dazu  eben  so  viele  Freunde ; 
«nun  war  seine  Ehre,  wie  ein  voller  Fluss»;  man  drängt  sich  an  ihn 
heran,  man  rechnet  sich  zu  seinen  Nächsten  und  Verwandten.  Auch 
einen  lieben  Freund  hat  er  gefunden,  der  sich  ihm  zum  Wahlbruder 
aufwirft,  ihn  durch  allerlei  schöne  Reden  verfuhrt  und  ihn  endlich  in 
eine  Schenke  bringt.  Hier  reicht  er  ihm  einen  Becher  Wein,  eine 
Schale  mit  berauschendem  Biere.  «Trinke,  lieber  Wahlbruder  mein, 
sagt  er  ihm,  dir  zur  Freude,  zum  Labsal  und  zur  Gesundheit  (man 
erinnere  sich  an  die  drei  gesetzlichen  Schalen  der  russischen  Sage 

BUB8,  BBVÜE.  BD.  ZHI.  IQ 


146 

vom  Ursprünge  des  Weins).  Solltest  du  dich  betrinken,  so  lege 
dich  nur  schlafen,  wo  du  eben  bist,  und  setze  deine  ganze  HoiTnung 
auf  mich,  deinen  Wahlbruder r  ich  werde  dir  aufwarten  und  über 
dich  treue  Wacht  halten,  und  werde  dich  dann  zu  deinem  Vater  und 
Mutter  geleiten».  Da  traute  der  Jüngling  seinem  lieben  Freunde 
und  betrank  sich,  bis  er  die  Besinnung  verlor;  als  er  am  andern 
Tage  erwachte,  sah  er  sich  entblösst  und  beraubt:  da  liegt  er  auf 
der  Erde  ausgestreckt,  einen  Ziegelstein  unter  dem  Kopfe,  abgetra- 
gene Bastschuhe  zu  seinen  Füssen,  faule  Lumpen  anstatt  der  Bett- 
decke —  vom  lieben  Freunde  aber  auch  keine  Spur.  Da  grämte 
sich  der  Jüngling  und  wusste  nicht,  was  er  anfangen  sollte; 
er  schämte  sich,  seinen  Vater  und  Mutter,  seine  Nächsten  und  Ver- 
wandten aufzusuchen  —  und  nun  entschliesst  er  sich  in  die  weite 
Welt  zu  gehen.  Er  kommt  in  ein  fremdes  Land,  kommt  zu  einem 
Gastmahle,  das  mit  den  stehenden  Zügen  und  den  Farbe»  cfer  epi- 
schen Lieder  beschrieben  wird.  «Und  es  ging  der  Jüngling  zu  einem 
ehrsamen  Gastmahle,  schlug  das  Zeichen  des  heiligen  Kreuzes  über 
.sein  weisses  Angesicht,  verneigte  sich  vor  den  Heiligenbildern,  ver- 
beugte sich  tief  vor  den  guten  Leuten,  nach  den  vier  Seiten  hin.  Als 
jene  sahen,  dass  er  sich  schriftgemäss  bekreuzt,  fas3ten  sie  ihn  an 
den  Händen,  setzten  ihn  an  den  eichenen  Tisch,  nicht  auf  den  Haupt-, 
auch  nicht  auf  den  Untersitz,  sondern  in  der  Mitte,  wo  die  jungen 
Kaufleute  zu  sitzen  pflegen.  Als  das  Gastmahl  im  vollen  Gange  war, 
die  Gäste  trunken  und  heiter  waren  und  zu  prahlen  anfingen  —  da 
war  der  Bursche  der  einzige,  der  nicht  heiter  schien*.  Man  befragt 
ihn,  warum  er  so  traurig  und  bekümmert  sei,  weder  esse  noch  trinke, 
und  nicht  prahle.  Da  antwortet  der  Jüngling:  Hört,  ihr  Herren,  ihr 
guten  Leute,  was  ich  euch  von  meiner  grossen  Noth  klagen  will! 
Meinem  Vater  und  Mutter  war  ich  ungehorsam,  habe  mich  der 
Trunkenheit  ergeben;  darum  hat  Gott  der  Herr  seinen  Segen  von 
mir  genommen,  gegen  mich  seinen  Zorn  gewendet,  hat  über  mich 
diese  grosse  Armuth,  diesen  unheilbaren  Kummer  gesandt.  Dies 
ist,  warum  mein  Herz  traurig,  mein  weisses  Antlitz  kummervoll  ist ! 
Sagt  mir  nun,  belehrt  mich,  ihr  guten  Leute,  wie  ich  mein  Leben  in 
fremden  Landen,  unter  fremden  Menschen  einrichte,  wie  ich  mir 
liebe  Freunde  erwerben  kann! 

Die  Antwort  der  guten  Leute  ist  voll  von  jenen  Lehren  prak- 
tischer Weisheit,  die  Vater  und  Mutter  ihrem  Sohne  auf  den  Le- 
bensweg mitgaben.  Diesmal  aber  erweist  sich  der  Jüngling  geleh- 
riger:  er  begibt  sich  in  ein  fremdes  Land  und  weiss   sich  so  einzu- 


richten,  dass  er  wohlhabender  wird  als  zuvor;  schon  hat  er  sein 
Auge  auf  ein  Mädchen  geworfen,  welches  er  hetrathen  möchte — da  ist 
aber  auch  sein  Glück  zu  Ende.  Auf  einem  ehrsamen  Gastmahl  prahlt 
er  vor  seinen  Freunden  und  Gästen  damit,  dass  er  eine  grössere 
Habe  erworben,  als  er  sie  früher  besessen.  So  hatte  es  Gott  und  seine 
Sünden  zugelassen !  Faul  aber  ist  jedes  Prahlwort  und  dem  Men- 
schen zum  Verderben !  Als  das  cKummerschicksal»  den  Jüngling 
prahlen  hört,  bricht  es  in  folgende  Rede  aus:  Prahle  doch  nicht, 
Jüngling,  mit  deinem  Glücke,  brüste  dich  nicht  mit  deinem  Reich- 
thum!  Viele  hatte  ich  schon,  die  weiser  und  gewandter  waren  als 
du,  und  doch  habe  ich  sie  überlistet:  einem  herben  Geschicke  sind 
sie  verfallen,  haben  mit  mir  bis  an  ihr  Lebensende  gerungen,  konn* 
ten  mich  nicht,  mich  Kummerschicksal,  los  werden,  bis  sie  sich  in*s 
Grab  gelegt  hatten  und  die  Erde  ihnen  zum  Schutze  ward.  Erst  dann 
sind  von  ihnen  Armuth  und  Blosse  gewichen,  nur  über  ihrem  Grabe 
schied  ich  von  ihnen,  um  mit  neuem  Gekrächze  mich  anderen  anzu- 
schmiegen !  Ich  kann  nicht,  ich  Kummerschicksal,  ohne  Unterhalt  leben, 
mag  nicht  den  Prügeln  weichen,  habe  mein  Nest  und  Erbgut  unter 
den  Schlemmern  gefunden. 

Wie  haben  wir  dieses  «KummerschicksaU  aufzufassen?  Wir  " 
trafen  es  schon  früher  an,  unter  einem  weniger  drastischen  und 
volksthümlichen  Bilde:  wie  jener  liebe  Wahlbruder  den  Jüngling  in 
die  Netze  der  Sünde  und  der  Trunksucht  lockt,  so  übernimmt  von 
nun  an  dessen  Rolle  ein  halb  allegorisches,  halb  dämonisches  Ge- 
bilde, das  Kummerschicksal,  um  desto  hartnäckiger  seine  Beute  zu 
verfolgen.  Zunächst  flüstert  es  dem  Jüngling  in  einem  Traum- 
gesichte zu,  er  möge  von  der  beabsichtigten  Heirath  abstehen, 
der  Ehestand  sei  für  ihn  ein  gefährlicher,  da  seine  Frau  ihn  ver- 
giften werde;  er  thäte  besser,  wenn  er  in  die  Schenke  gehe  und  da- 
selbst seine  Habe  vergeude;  beneidenswerth  sei  das  Leben  der 
Entblössten,  Baarfüssigen:  keiner  quäle  sie,  keiner  thue  ihnen  was 
an,  auch  aus  dem  Paradiese  verjage  sie  Niemand;  wie  ein  Refrain 
klingen  die  zweimal  wiederkehrenden  Verse:  keiner  wird  mit  dem 
Armen  anbinden  und  der  Baarfüssige  braucht  den  Räuber  nicht  zu 
fürchten!  Und  der  Jüngling  folgt  dem  bösen  Rath:  er  vertrinkt 
alles,  was  er  hatte  und  geht  wieder  wandern,  da  er  sich  seinen  An- 
gehörigen nicht  zu  zeigen  vermag.  Er  gelangt  an  einem  Flusse  an,  hat 
aber  keinen  Heller,  um  die  Ueberfahrt  zu  bezahlen.  Da  bleibt  er 
den  ganzen  Tag  hungernd  an  dem  Ufer  sitzen  und  bricht  in  Klagen 
über  sein  Unglücksschicksal  aus,  welches  ihn  in  so  grosses  Elend  ge- 

10* 


24? 

stürzt  hatte*  Er  will  sich  ertränken  —  da  auf  einmal  erscheint  vor 
ihm,  hinter  einem  Steine  hervorspringend,  in  wilder  dämonischer 
Gestalt  das  Kummerschicksal:  •'Cs  ist  baarfuss,  entblösst,  kein  Fa- 
den ist  auf  ttim  zu  finden,  mit  Bast  bt  es  umgürtet,  ruft  mit  lauter 
Heldenstimme:  Warte  auf  mich,  Jüngling,  du  entgehst  mir  ja 
nicht;  suche  nicht  deinen  Tod  in  dem  reissenden  Fluss;  sei 
nicht  traurig  in  der  Noth:  wer  ihr  verfallen,  der  trauere  nicht, 
sonst  ist  es  aus  mit  ihm.  Erinnerst  du  dich  deines  früheren  Lebens, 
weisst  du  noch,  was  der  Vater  dich  lehrte,  wozu  die  Mutter  dich 
ermahnte?  Wer  auf  der  Eltern  Tugendlehre  nicht  horcht,  dem  lehre 
ich  sie,  ich  Kummerschicksal:  nicht  vor  einem  Lieben  wird  er  sich 
verneigen,  vor  einem  Feinde  wird  er  sein  Haupt  beugen  müssen! 
Und  es  redete  weiter  das  Kummerschicksal:  Unterwirf  dich  mir, 
dem  unlauteren  Kummerschicksal,  verbeuge  dich  vor  mir  bis  an  die 
feuchte  Erde:  es  ist  Nichts  in  der  Welt,  das  mir  an  Weisheit  gleich- 
komme! So  wirst  du  über  den  Fluss  gesetzt  werden,  gute  Leute 
werden  dich  nähren  und  dir  den  Trunk  reichen».  Als  der  Jüng- 
ling die  unabwendbare  Noth  sieht,  verneigt  er  sich  vordem  Unholde 
—  und  auf  einmal  wird  ihm  leicht  und  fröhlich  zu  Muthe;  er  springt 
auf,  geht  hüpfend  an  dem  schönen  Ufer  entlang,  singt  ein  heiteres 
Liedchen,  das  aber  von  der  ausgelassensten  Ironie  der  Verzweiflung 
durchzogen  ist: 

«Als  einen  Kummervollen  hat  mich  meine  Mutter  in  die  Welt 
gebracht,  hat  meine  Locken  mit  dem  Kamme  geglättet,  mich  in 
reiche  Kleider  gehüllt,  und  dann,  bei  Seite  gehend,  die  Handfläche 
über  den  Augen,  auf  mich  geblickt:  Wie  mag  doch  mein  Kindchen 
in  den  reichen  Kleidern  aussehen!  Das  Kindchen  aber  war  in  den 
reichen  Kleidern  über  jeden  Preis  erhaben!  Hätte  sie  mir  solches 
auch  mein  lebenlang  geweissagt!  Nun  weiss  ich  aber  ein  Anderes: 
es  wird  kein  Scharlach  ohne  den  Meister  gefertigt,  kein  Kind  ohne 
die  Mutter  getröstet,  kein  Trunkenbold  wird  in  Keichthum  leben, 
kein  Würfler  ehrsam  sein.  Die  Eltern  haben  mir  schnee weisse  Farbe 
angewünscht,  leider  bin  ich  als  ein  schwarzer  Feuerbrand  geboren». 

Das  Lied  gefiel  den  Fährleuten  so  sehr,  dass  sie  den  Jüngling 
unentgeltlich  hinübersetzten;  gute  Leute  geben  ihm  zu  essen  und  zu 
trinken  und  rathen  ihm:  zu  Vater  und  Mutter  zurückzukehren 
und  sie  um  ihren  Segen  zu  bitten.  Der  Jüngling  begibt  sich  auf 
den  Heimweg,  da  war  aber  das  Kummerschicksal  ihm  vorausgeeilt, 
begegnet  ihm  auf  dem  weiten  Felde,  krächzt  ihn  an,  wie  eine  Krähe 
den  Falken:    Du  entfliehst  mir  nicht!   Nicht  auf  eine  kleine  Stunde 


'49 

habe  ich  mich  an  dich  gefesselt,  will  mich  bis  zu  deinem  Tode  mit 
dir  abquälen!  Der  Jüngling  versucht,  wie  er  sich  vor  ihm  ver- 
bergen könnte  —  aber  vergebens.  tEr  fliegt  vor  ihm  in  Falken- 
gestalt —  das  Kummerschicksal  ihm  nach  als  weisser  Geierfalke;  er 
sucht  ihm  als  grauer  Wolf  in  weitem  Felde  zu  enschlüpfen  —  aber 
jenes  ist  bereits  da  und  hetzt  gegen  ihn  die  Windhunde ;  der  Jüng- 
ling wird  zum  Pfriemengras,  das  Kummerschicksal  eilt  ihm  nach  mit 
einer  scharfen  Sense  bewaffnet  und  verhöhnt  ihn :  « Wirst  noch  ge- 
schnitten werden,  liebes  Gras,  mähen  wird  man  dich  und  die  Winds- 
braut wird  dich  auseinander  wehen».  Nur  nach  vergeblichen  Mühen, 
sich  von  dem  dämonischen  Verfolger  zu  befreien,  besinnt  sich  der 
Jüngling  auf  den  «Weg  des  Heils» :  er  geht  in  ein  Kloster  und  wird 
Mönch.  «Das  Kummerschicksal  aber  ist  vor  den  heiligen  Thüren 
stehen  geblieben  und  kann  dem  Jüngling  nichts  mehr  anhaben». 

Russischen  Liedern  und  Märchen  ist  die  heidnische  Vorstellung 
von  einem  Verhängniss  oder  Geschick  geläufig,  das  dem  Menschen  an- 
geboren oder  angeheftet  wird,  ihm  auf  den  Fuss  folgt  und  nur  am  Grap 
besrande  ihn  verlässt  Wie  in  unserer  Dichtung,  wird  es  häufig  als  nackt 
und  entblösst  geschildert,  nur  einen  Gürtel  von  Bast  um  die  Hüfte. 
Sich  von  ihm  zu  befreien  ist  unmöglich.  Es  eilt  dem  Unglücks- 
menschen nach  in  den  Wald  und  in's  weite  Feld  und  auPs  blaue 
Meer,  als  Taube  oder  graue  Ente  oder  Nachtigall  gestaltet;  selbst 
im  Gotteshause  hat  man  vor  ihm  keine  Ruhe.  Diese  volksthüm- 
lichen  Bilder  und  nationalen  Farben  sind  nun  in  unserer  Dichtung 
einer  anderen  Vorstellung  dienstbar  gemacht,  die  wir  die  kirchlich- 
apokryphe nennen  möchten.  Die  dämonische  Macht,  die  bald  in 
Gestalt  eines  Wahlbruders,  bald  in  der  des  Kummerschicksals  auf- 
tritt und  den  Jüngling  zur  Trunksucht  verführt,  ist  der  alte  Erz- 
feind des  Menschen,  der  sich  des  Sünders  bemächtigt  und  ihm  unauf- 
hörlich nachstellt,  aber  von  ihm  weichen  muss,  sobald  er  die  Wege 
des  Heils  aufsucht.  Wie  der  Ungehorsam,  die  alte  Erbsünde,  den 
Jüngling  zu  Falle  gebracht,  so  sind  uns  der  Verführer  und  dessen 
Mittel  bereits  bekannt:  der  Verführer  ist  der  «über  die  Trunkenheit 
gesetzte  Teufel»,  der  ehedem  Adam  und  Eva  an  der  Rebenfrucht 
sich  versündigen  hiess.  Die  Parallele  ist  keine  von  uns  aufgestelte, 
da  sie  in  den  Anfangszeilen  unserer  Dichtung  bereits  angedeutet  ist: 
«Und  es  gab  ihnen  der  Herr  sein  göttliches  Gebot,  dass  sie  von  der 
Frucht  der  Rebe,  des  hehren  Paradiesbaumes,  nicht  kosten  sollen. 


ISO 


IV. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig  einer  vereinzelt  dastehenden  Weinsagc 
zu  erwähnen,  die,  auf  byzantinischem  Boden  entstanden,  einen  süd- 
slavischen  Uebcrsctzcr  oder  Uebcrarbciter  gefunden  hat.  Der  grie- 
chische Text  ist  mehrmals  gedruckt  und  neuerdings  von  Konstantin 

Sothas^  und  W.  Wagner^  wieder  herausgegeben  worden.     Die,   bis 

• 

Jetzt  bekannten,  gedruckten  wie  handschriftlichen  Fassungen  des- 
selben zeigen  ihn  bald  in  einer  ausführlichen,  bald  in  einer  kürzeren 
Gestaltung;  aus  der,  von  Hrn.  Danicic  herausgegebenen  serbisch-slove- 
nischen  Uebersetzung*,  die  allem  Anscheine  nach  einer  griechischen 
Vorlage  gefolgt  haben  muss,  ergibt  sich  eine  weitere  Folgerung:  dass 
wir  zwei  verschiedene  Rezensionen  der  byzantinischen  Erzählung 
anzunehmen  haben,  von  denen  eine  dur-ch  die  bekannten  griechi- 
schen Texte,  die  andere  durch  die  slavische  Uebersetzung  repräsen- 
tirt  wird.  Beiden  ist  die  Vorstellung  gemeinsam,  dass  der  Wein 
das  Blut  der  gerichteten  und  zu  Tode  verurthcilten  Traube  sei; 
beide  kehren  die  parodistische  Seite  des  byzantinischen  Gerichtswe- 
sens hervor,  seine  schwerfällige,  hochtrabende  Formalistik  mit  Un- 
billigkeit gepaart.  Diesen  allgemeinen  Gesichtspunkt  hat  nun  jene 
Rezension,  die  wir  zum  Unterschied  die  byzantinisch-slavische  nen- 
nen, insofern  modifizirt,  als  sie  die  Traube  aus  einer  falsch-ankla- 
gendcn  (wie  sie  in  den  griechischen  Texten  erscheint)  zur  fälschlich 
angeklagten,  und  weiter,  zu  einer  «heiligen»  macht,  ihre  Verurthei- 
lung  im  Lichte  des  Märtyrerthums  darstellt  und  das  ganze  zu  einer 
Parodie  der  Märtyrerlegende  umstempelt.  Es  mag  somit  diese  Re- 
zension eine  Klosterarbeit  sein,  aber  dass  sie  durchweg  als  ein 
Schwank  gedacht  und  ausgeführt  worden,  ist  mir  höchst  wahr- 
scheinlich. Auch  die  salbungsvolle  Warnung  am  Schlüsse,  wo  die 
Gefahren  des  Weingenusses  durch  die  Beispiele  Salomo's  und 
Sampson^s  illustrirt  werden,  darf  als  eine  parodistische  gelten*. 

Hier  der  Inhalt  der  slavischen  «Sage  von  dem  Kaiser  Quitte,  wie 
er  die  heilige  Traube  verurtheilt  und  dem  Tode  preisgegeben  hat»: 
Als  der  herrliche  Kydonische  Apfel  (Quitte)  Kaiser  war,  der  Apfel 

die  Hypatenwürde,  die  gelbe  Pomeranze  und  die  Citrone  die  des 

• 

'  In  der  Triester  griechischen  Zeitschrift  KXeio»,  1871. 

■  W.  Wagner,  Carmina  graeca  mcdii  acvi,  Leipz.  1874,  S.  199—201 :    Atrjr^oi;  töü 

•  Gedruckt  in  den  Starine,  11,  Agram  1870. 

*  Vgl.  Jagic,  Condcmnatio  uvac,  im  Archiv  C  slav.  Philologie   I,  61 1 — 617. 


..  .'S'  .  . 

Hegemonen  bekleideten  und  die  Birne  als  Gross-Protonotar  fungirte» 
da  kam  die  heitere,  heilige  Traube,  wehklagend  und  mit  lauter 
Stimme  rufend:  Erbarme  dich  meiner,  grosser  ky donischer  Apfel ! 
mein  Bruder,  die  Johannisbeere,  will  mich  tödten  und  mit  dem 
Schwerte  mir  das  Haupt  abschlagen.  Da  redete  der  hehre  Kai- 
ser: Vermagst  du  Zeugen  darüber  aufzuweisen?  Es  antwortete 
die  Traube*  Wohl  habe  ich  Zeugen^  die  ohne  Laster  und  glaubwür- 
dig sind:  die  Herrin  Nuss,  die  rauschende,  die  gelbe  Mandel  mit  der 
spitzigen  Nase,  die  schlechtnährende  Haselnuss,  die  süsse,  brodähn- 
liche Kastanie,  die  schwarzäugige,  aufblähende  Bohne,  die  sehnen- 
stärkende Kichererbse,  die  gute,  die  Armen  speisende  Lupine»  vor 
Allen  aber  die  Linse,  die  Haushälterin,  und  die  Olive,  die  gute 
Aebtissin. 

Als  der  hehre  kydonische  Apfel,  im  Garten  liegend,  solches  ge- 
hört, «ward  ihm  darüber  der  Magen  gelöst».  Alsbald  nahte  ihm,  in 
Purpurgewänder  gehüllt,  die  hochmüthige,  prahlerische  Zwiebel 
und  üel  plötzlich  mit  herben  Worten,  unter  heftigen  Bewegungen 
und  Thränen  und  hohen  Beschwörungen  über  die  Traube  her. 
Auch  sie  führt  ihre  Zeugen  vor:  ihren  Bruder,  deii  weissen,  dichten, 
aus  dem  Munde  stinkenden  Knoblauch,  den  grünen,  langbärtigen 
Schnittlauch,  den  Wahlbruder  Senf,  den  Meerrettig,  herben  Ge- 
schlechtes, und  den  ehrsamen  schwarzen  Syrer,  den  von  Allen  ge- 
liebten Protonotar  Pfeflfer,  und  schwört,  dass  die  heilige  Traube 
ihnen  Unrecht  angethan  und  sie  verläumdet  habe.  Da  rief  der 
kydonische  Apfel  mit  lauter  Stimme:  Wenn  sie  euch  ungerechter 
Weise  verläumdet  hat,  wie  ihr  Alle  sagt,  so  hänge  man  sie  an  ei- 
nem krummen  Baume  und  haue  sie  mit  einem  Messer  ab  und  trage 
sie  in  Körben  in  die  Presse,  wo  sie  mit  Füssen  stark  getreten 
werde;  ihr  Blut  aber  bewahre  man  an  einem  kühlen  Orte,  den  herz- 
erfreuenden Wein^  den  man  in  Bechern  trinken  soll  dem  ungerech- 
ten Verläumder  zum  Hohne.  Wer  aber  davon  zuviel  geniesst,  der 
verliere  den  Verstand  und  rede  unvernünftige  Dinge  und  wanke  von 
einer  Wand  zur  andern,  den  Zaun  auf  dem  Haufen  nicht  verfehlend 
und  den  rechten  Weg  nicht  findend,  und .  throne  lächerlicher  und 
ungeziemender  Weise  im  Kothe.  Dies  sind  die  üblen  Wirkungen 
des  Weins;  von  den  guten  brauche  ich  nicht  zu  reden:  er  ist  immer 
des  Scherzes,  der  Freude  und  Fröhlichkeit  voll,  stärkt  die  Alten, 
erfreut  die  Jungen,  ist  der  Liebe  Vermehrer  und  der  Verderber  der 
Seele!  O  weh!  Siehe  zu.  Liebster,  dass  du  das  Weintrinken  fliehst: 
der  Wein  hat  den  hochweisen  Salomo  einem  Weibe  aus  fremdem 


i5g 

Geschlechte  dienstbar  und  Gott  abtrünnig  gemacht  und  ihn  die 
Götzen  anbeten  lassen ;  der  Wein  hat  des  starken  Sampson  Weis- 
heit und  Kraft  gebrochen,  ihn  den  Feinden  ausgeliefert  und  seine 
Seele  in's  Verderben  gestürzt ! 

So  endet  diese  hübsche  Erzählung,  welche,  vielfach  an  euro- 
päische Travestien  erinnernd  ^  im  französischen  «Martyre  de  Saint 
Bacchus»^  eine  bedeutsame  Parallele  findet.  In  der  altrussischen  Lite- 
ratur, die  in  ihren  dämonologischen  Weinsagen  befangen  war  und 
damit  vollauf  zu  thun  hatte,  scheint  sie  kaum  bekannt  gewesen  zu 
sein.  Ich  bemerke  nur,  dass  die  erste  russische  literarisch-wichtige 
Satyre  des  XVL — XVII.  Jahrh.,  die  gegen  das  ungelenke  Justiz- 
wesen und  die  im  Leben  herrschende  Schikane  ivetteifert,  den 
Kaulbarsch  vor  einem  Gerichte  der  übrigen  einheimischen  Fische 
erscheinen  lässt,  welches  ihn  wegen  seiner  vielen  und  reellen  Vergehen 
zu  Tode  verurtheilt.  Wie  in  dem  byzantinischen  Schwanke,  wird 
auch  hier  die  weitläufige  gerichtliche  Procedur  parodirt,  die  mit  dem 
Siege  der  Schikane  endet,  weil  der  neckische  Bösewicht,  trotzdem 
er  von  seinen  eigenen  Zeugen  überführt  worden,  dennoch  entflieht 
und  dazu  seine  Richter  verlacht.  Dergleichen  mag  im  Leben  öfters 
vorgekommen  sein  und  die  Travestie  sich  von  selbst  geboten  haben, 
ohne  dass  wir  dabei  den  Einfluss  jenes  byzantinischen  Schwankes 
vorauszusetzen  brauchen.  Alexander  Wesselofsky. 


Zur  Literatur  über  Bussisch-Turkestan. 

Von 

Alexander  Petzholdt 

(Fortsetzung). 


IV.» 


Aus  dem,  m^ine  Besprechung  des  Schuyler'schen  Werkes  einlei- 
tenden ersten  Artikel  ist  es  hoffentlich  noch  in  der  Erinnerung  des 

'  Mmn  vgl.  z.  B.  die  Sermon  de  St.  Ognon,  Sermon  de  St  Raisin,  Vie  de  St.  Härene, 
glorieox  martyr  —  bei  Montaiglon,  Po6sies  fran^aises  des  XV.  et  XVI.  s.  I  S.  204  tu  ff.; 
S.  113  tt.  ff.;  S.  32$  n.  ff. 

*  Jttbinal,  Nouveau  rccueil  de  contes,  dits,  fabliaux  etc.  1.  S.  250—265. 

*  Vgl.  «Rttsa.  RcToe»  Bd.  XU  S.  433  u.  ff.,  S.  438  u.  9  u.  ]kl.  XUI,  S.  40  a.  ff. 


«S3 

• 

Lesers,  dass  der  Hauptzweck  der  Reise  des  Hm.  Schuyler  darin 
bestand,  nicht  nur  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse  des  rus- 
sischen Turkestan  kennen  zu  lernen,  sondern  auch  eine  Vergleichung 
anzustellen,  wie  sich  die  Lage  der  Eingeborenen  unter  russischer 
Herrschaft  zu  derjenigen  verhalten,  in  welcher  sich  die  noch  jetzt, 
unter  der  despotischen  Regierung  der  Chane  lebenden  Landesbe- 
wohner befinden.  Um  diesen  Zweck  so  weit  als  möglich  zu  errei- 
chen, war  ein  Besuch  jener  despotisch  regierten  Länder  unerlässlich. 
Hr.  Schuyler  entschloss  sich  daher,  ehe  er  zur  weiteren  Bereisung 
der  östlichen  Theile  des  russischen  Turkestan  schritt,  zuerst  das 
damals  dem  russischen  Reiche  noch  nicht  einverleibte  Chokand, 
und  dann  Buchara  zu  bereisen.  Der  Schilderung  der  Chokand*schen 
Reise  ist  das  neunte  Kapitel,  womit  der  zweite  Band  des  Schuyler- 
schen  Werkes  beginnt,  gewidmet  (S.  i — 60);  während  die  Beschrei- 
bung der  nach  Buchara  unternommenen  Reise  im  zehnten  Kapitel 
enthalten  ist  (S.  61 — 118). 

Reise  im  Chanat  Chokand. 

Hr.  Schuyler  trat  diese  Reise,  mit  einem  an  den  Chan  von  Cho- 
kand gerichteten  Empfehlungsschreiben  des  Generals  Kolpakowsky, 
d.  Z.  Stellvertreter  des  in  Chiwa  befindlichen  GeneraUGouverneurs 
versehen,  von  Chodschend  aus  an,  und  zwar  in  Gemeinschaft  mit 
Hrn.  F.,  welcher  behufs  des,  von  ihm  unternommenen  Baues  einer 
Brücke  über  den  Syr-Darja  in  Chokand  Holz  zu  kaufen  beabsichtigte. 
Begleitet  wurden  unsere  Reisenden  von  zwei  Dolmetschern,  einem 
reichen  Chodschendschen  Kaufmanne  Haba-Bai,  der  als  Agent  des 
Hrn.  F.  fungirte,  und  drei  Dschigiten  (berittenen,  bewaffneten 
Dienern),  und  da  ausserdem  noch  die  Fuhrleute  der  Gepäckwagen 
hinzukamen^  so  bildeten  sie  eine  Art  kleiner  Karawane. 

Man  ging  von  Chodschend  über  Kostakos  nach  dem  damaligen 
Chokand'schen  Grenzorte  Karatsch-Kum,  wo  man  einen  Aufenthalt 
nahm,  während  ein  Bote  nach  der  Festung  Machram  gesendet  ward 
um  die  Ankunft  der  Reisenden  daselbst  anzumelden.  In  Machram 
angekommen  begaben  sich  die  Reisenden  in  ein  Theehaus  des  Bazars 
(obgleich  sie,  da  sie  an  den  Chan  gerichtete  Briefe  b^sassen,  die 
Berechtigung  hatten,  von  der  Behörde  untergebracht  und  beköstigt 
zu  werden),  und  sogleich  erschien  der  Adjutant  des  Bek^^  von  zwei 

*  Unter  «ßek»  hat  man  den  Gouverneur  einer  Provinz  oder  eines  Landestheiles,  oder 
auch  nur  einer  ^tadt  oder  Festung  zu  verstehen,  pie^ks  werden  von  dem  Chan  eingesetzt 


_i54__ 

Männern  mit  langen  Säbeln  begleitet,  um  sich  zu  erkundigen,  woher 
man  käme  und  wohin  man  ginge.  Nachdem  diese  Leute  erfahren, 
dass  man  auf  dem  Wege  nach  Chokand  sei,  um  den  Chan  zu  sehen, 
entfernten  sie  sich,  kamen  jedoch  sehr  bald  mit  einem  Doslar-C/ian^ 
zurück,  dessen  Hauptverdienst  eine  grosse  Schlüssel  mit  Aprikosen 
war.  Die  Reisenden  sandten  hierauf  dem  Bek  ein  kleines  Geschenk, 
entschuldigten  das  Unterlassen  ihrer  Visite  mit  Müdigkeit  und  er- 
hielten als  Gegengeschenk  ein  billiges  seidenes  Gewand  von  der 
Form  unserer  Schlafröcke  und  den  Namen  Chalat  führend.  Eine 
solche  Verabreichung  von  Geschenken  und  Gegengeschenken  findet, 
um  das  gleich  hier  zu  bemerken,  überall  statt;  allerwärts,  wohin 
die  Reisenden  kommen,  müssen  sie,  um  nicht  gegen  die  Sitte  zu 
Verstössen,  Geschenke  austheilen  und  erhalten  als  Gegengabe  solche 
Chalat e,  bisweilen  auch  Geld  als  «Reisegeld  t ;  freilich  lässtHr.Schuy- 
1er  nicht  unerwähnt,  dass  in  der  Regel  das  Geschenk  werthvoUer  ist, 
als  die  Gegengabe,  und  dass  man  das  Geschenk  des  Gastes  mehr 
oder  weniger  als  eine  indirekte  Zahlung  für  genossene  Gastfreund- 
schaft zu  betrachten  hat. 

Machram,  als  Grenzfestung  von  einiger  Wichtigkeit,  hat  eine 
ständige  Garnison  von  500  Mann^  und  die  Reisenden  fanden  schon 
hier  Gelegenheit,  die  buntscheckige  Bekleidung  der  Chokand^schen 
Soldaten,  von  denen  mehrere  herzukamen,  um  die  Fremden  zu 
sehen,  kennen  zu  lernen.  Noch  am  selbigen  Tage  verliessen  sie 
Machram,  wo  übrigens  jeder  ihrer  Schritte  von  einer  Menge  neu- 
gieriger Beobachter  verfolgt  wordert  war,  und  gingen  nach  Kandba- 
dam'y  einer  Stadt  von  beträchtlicher  Grösse,  wo  sie  nächtigten, 
unter  der  offenen  Veranda  eines  Thcehauses  des  Bazar  ihre  Betten 
aufschlagend.  Der  letzte  Theil  des  Weges  von  Machram  nach  Kand- 
badam  war  sehr  hübsch,  da  derselbe  von  endlosen  Ciärten  umschlos- 
sen ward,  und  nicht  minder  schön  war,  als  sie  am  frühen  Morgen  die 

und  haben  eine  beinahe  absolute  Machtvollkommenheit.  Nfeistentheils  erhclien  sie 
die  Abgaben  (mit  Ausnahme  derjenigen,  welche  dem  Chan  selbst  zukommen)  für  sich^ 
sind  aber  filr  die  Verwaltung  ihrer  «Bekschaft»  dem  Chan  verantwortlich,  müssen  ihr 
Kontingent  zur  Armee  stellen  und  ein-  oder  zweimal  im  Jahre  dem  Chan  Geschenke 
machen.  Dasselbe  Verhältniss  findet  auch  in  Buchara  zwischen  den  Beks  und  dem 
Emir  statt,  was  gleich  hier  im  Voraus  erwähnt  werden  soll. 

*  Blit  dem  Namen  •Dostar-Chan*  wird  die  Mahlzeit  belegt,  welche,  der  einheimi- 
schen Sitte  gemäss,  einem  angereisten  Fremden  von  Seiten  der  Behörde  zugesendet 
wird.  Je  nach  der  Bedeutung  und  dem  Range  des  Reisenden  ist  natürlich  eine  solche 
Mahlzelt  von  sehr  verschiedener  Beschaffenheit 

'  Kanabadam  (nach  der  russischen  Karte  des  Oberstlieutenant  LJussilin). 


155 

^  — ' 

Stadt  verliessen,  der  Anblick  der  schneebedeckten  Gebirge  zur 
Rechten  und  anderer  Gebirgszüge  zur  Linken ;  allein  sehr  bald  ge- 
langten sie  auf  eine,  mit  Flugsand  bedeckte,  etwa  1 5  Werst  breite 
Ebene,  in  deren  Mitte  die  kleine,  aus  einigen  Lehmhäusern  be- 
stehende Ortschaft  Patar  liegt^  ohne  Baum  und  ohne  eine  Spur  von 
Grün,  scheinbar  verlassen.  Daraufkam  man  wieder  auf  kultivirtes 
Land,  passirte  das  sehr  hübsche  Dorf  Yaka-Tut,  und  erreichte  die 
Ortschaft  Bisch-aryk,  wo  man  sich  in  einer  Theebude  restaurirte, 
aber  doch  schon  um  2  Uhr,  trotz  der  grossen  Hitze,  aufbrechen 
musste,  um  Chokand  noch  vor  Thoresschluss  zu  erreichen. 

Nachdem  die  Reisenden  die,  über  einen  breiten  und  tiefen  Kanal 
gespannte  Brücke  passirt,  und  einen  langen,  durch  Reisfelder  hindurch 
führenden  Damm  überschritten  hatten,  gelangten  sie  in  dichter  be- 
siedeltes, zu  beiden  Seiten  der  Strasse  eingefriedigtes  Land;  es 
zeigten  sich  hin  und  wieder  Häuser  und  Buden,  bei  jedem  Schritte 
begegnete  man  aus  der  Stadt  zurückkehrenden  Leuten,  und  endlich 
erblickte  man  über  die  Gärten  hinweg  eine  hohe,  etwa  drei  Werst 
laiige  Lehmmauer,  vor  deren  Mitte  ein  halbkreisförmiges  Aussen- 
werk  angebracht  war,  hinter  welchem  sich  das,  in*s  Innere  der  Stadt 
Chokand  führende  Thor  befand.  Die  Reisenden  waren  also  in  Cho- 
kand angekommen,  wo  sie,  nachdem  sie  noch  vor  einigen,  innerhalb  der  • 
Stadtmauer  liegenden  Feldern  und  zerstreuten  Häusern  vorüberge- 
ritten waren  und  Kirchhöfe  und  Gärten  passirt  hatten,  eine  breite 
Strasse  erreichten,  welche  in  das  Centrum  der  Stadt  führte.  Kurz 
vor  Thoresschluss  langten  sie  im  Zekat^Sarai  an,  wo  sie  von  Hrn. 
S.,  einem  russischen  Kaufmann  und  Agenten  der  Firma  Pupyschew 
aufs  Gastfreundlichste  aufgenommen  wurden.  Dieser  2^kat Sarai 
wird  von  Hrn.  Schuyler  als  ein  grosses,  zweistöckiges,  einen  vier- 
eckigen Hof  umschliessendes  Gebäude  beschrieben,  worin  Hr.  S. 
6 — 8  Zimmer  und  Niederlagen  hat.  Es  ist  eine  Karavanserei  und 
wird  zugleich  als  Zollhaus  benutzt,  wo  alle  Güter  und  Waaren  auf- 
gestapelt werden  bis  der  betreffende  Zoll  erlegt  ist,  und  unsere  Rei- 
senden konnten  von  ihrer  Veranda  aus  die  Thätigkeit  der  Zollbe- 
amten beobachten.  Der  Mekhter  (oder  MechterF)  d.  h.  der  Chef  des 
2^11hauses  sass  nämlich,  mit  seinen  Beamten  sein  Amt  verwaltend, 
unter  einer  gerade  gegenüber  liegenden  Veranda  täglich  von  früh 
9  Uhr  bis  Nachmittags  5  Uhr,  und  den  ganzen  Tag  wurden  Güter 
gewogen  und  gemessen,  während  ein  Schreiber  alles  auf  lange 
schmale  Papierstreifen  notirte. 

Gleich  am  nächsten  Morgen  nach  ihrer  Ankunft  wufden  die  Rei- 


156 

% 

senden  zu  dem  Mekhter  berufen  und  nach  dem  Woher  und  Wohin 
befragt,  und  Hr.  Schuyler  wurde  genöthigt,  den  an  den  Chan  gerich- 
teten Brief  des  Generals  Kolpakowskij  vorzuzeigen,  damit  man  sich 
von  der  Existenz  desselben  überzeuge ;  zugleich  erfuhren  sie,  dass 
der  Chan  nicht  in  Chokand,  sondern  in  Namangan  sei,  und  dass  man 
ihnen  nicht  gestatten  könne,  so  ohne  Weiteres  dem  Chan  nachzu- 
reisen, es  müsse  vielmehr  dessen  Erlaubniss  dazu  eingeholt  werden, 
und  sie  hätten  daher  einige  Tage  hier  in  Chokand  zu  warten,  bis 
Nachricht  gekommen  sein  würde.  Ebenso  machten  die  Reisenden  die 
Bekanntschaft  des  Atalyk  Ata  Bek,  nach  dem  Chan  die  wichtigste 
Persönlichkeit  Chokand's  und  in  Abwesenheit  des  Chans  der  Regent 
der  Stadt.  «Ata  Bek  (so  spricht  sich  Hr.  Schuyler  über  diese  Per- 
sönlichkeit auf  S.  9  u.  flf.  aus)  schien  sehr  intelligent  und  gut  unter- 
richtet, that  viele  Fragen  Amerika  betreffend,  wobei  sich  erwies, 
dass  er  einige  elementare  Kenntniss  der  Geographie  besass,  und 
führte  mit  uns  eine  angenehme  Unterhaltung».  Er  gestattete  auch 
den  Reisenden  die  Besichtigung  der  in  den  letzten  20  Jahren  erbau- 
ten neuen  Festung,  in  welcher  ausser  dem  Palaste  des  Chans  noch 
eine  Anzahl  von  Gebäuden  sich  befanden,  darunter  auch  die  Münze 
und  das  Zeughaus.  Der  Palast  des  Chans,  grösser  und  prachtvoller 
als  irgend  ein  anderer  in  Mittel-Asien,  ist  ein  elegantes  zwei-  oder 
dreistöckiges  Gebäude,  mit  Thürmen  an  den  Ecken  und  zwei 
Thürmen  in  der  Mitte;  die  Front  ist  mit  glasirten  Ziegeln  belegt, 
weiss,  blau  und  grün,  und  entlang  dem  Karniess  ist  die  Inschrift  an- 
gebracht: «Erbaut  von  Mohammed  Chudajar  Chan,  im  Jahre  1287». 
Der  Eintritt  war  jedoch  während  der  Abwesenheit  des  Chans  und 
wegen  der  Anwesenheit  sehr  vieler  seiner  Frauen  nicht  erlaubt.  Da- 
gegen wurde  die  Münze  (wo  jedoch  die  Arbeiter  nicht  mit  Geldprä- 
gen, sondern  mit  der  Anfertigung  silberner  Zierrathen  für  Zügel  und 
Pferdegeschirre  beschäftigt  waren)  und  das  Zeughaus  besucht.  Hier 
sah  man  Kanonen  giessen  (besonders  auffallig  waren  12-pfündige 
Hinterlader  nach  einem  russischen  Modell,  aber  von  den  Eingebo- 
renen verbessert),  Flinten  anfertigen  u.  s.  w.  Mit  einiger  Zaghaftig" 
keit  (so  heisst  es  S.  11)  besuchte  ich  dieses  Zeughaus,  denn  in  dem, 
der  Schmiede  zunächst  gelegenen  Räume,  wohin  durch  die  halb- 
offene Thür  jeder  Zeit  Funken  sprühen  konnten,  waren  Leute  mit 
der  Anfertigung  und  dem  Füllen  von  Racketen  beschäftigt,  während 
das  Pulver  frei  auf  dem  Tisch  lag».  Uebrigens  bekommen  die  Ar- 
beiter keinen  regelmässigen  Lohn,  gewöhnlich  erhalten  sie  nur  Be- 


köstigung  und  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Gewand  (Chalai).  Bisweilen 
aber  ist  es  reine  Zwangsarbeit  und  sie  erhalten  gar  nichts. 

Da  die  Reisenden  mehrere  Tage  in  Chokand  bleiben  oiussten,  so 
hätte  Hr.  Schuyler  ausreichend  Zeit  gehabt,  sich  gründlich  überall 
umzusehen  und  Erkundigungen  einzuziehen^  wenn  nicht  mancherlei 
hindernde  Umstände  gewesen  wären.  Zu  diesen  hindernden  Um- 
ständen rechnet  Hr.  Schuyler  die  Hitze,  welche  das  Umherreiten  in 
der  Stadt  während  des  Tages  sehr  unbequem  machte,  und  den  zei- 
tigen Thorschluss  des  Bazar,  welcher  ihn  zwang,  um  7  Uhr  wieder 
zu  Hause  zu  sein  und  zu  bleiben,  da  es  ihm  nicht  einmal  gestattet 
war,  nur  um  die  Ecke  seiner  Wohnung  in  Zekat-Sarai  herum  nach 
dem  ChanSarai  zu  gehen,  wo  die  anderen  russischen  Kaufleute 
wohnten,  ja  selbst  auf  dem  platten  Dache  seiner  Wohnung  konnte  er 
nur  kurze  Zeit  die  Külile  des  Abends  geniessen,  denn  sobald  die 
Wache  im  Bazar  in  voller  Stärke  aufgezogen  war,  durfte  er  auch 
hier  nicht  länger  verweilen.  Dazu  kam  endlich  noch,  dass  er  bestän- 
dig verhöhnt  und  beschimpft  ward,  und  obschon  man  sich  nicht  an 
ihm  vergrifl*,  so  musste  er  doch  nothwendig  fortwährend  auf  seiner 
Hut  sein,  wodurch  das  Vergnügen,  sich  überall  umzusehen,  bedeutend 
gestört  ward. 

Zu  den  grössten  Merkwürdigkeiten  der  Stadt  zählt  Hr.  Schuyler 
die  Papierfabrik  (deren  Einrichtung  auf  S.  1 3  kurz  beschrieben  wird). 
Das  meiste,  vi  enn  nicht  sämmtliches  in  Central- Asien  verbrauchte 
Papier  wird  hier,  oder  in  der  kleinen  Ortschaft  Tscharku,  ebenfalls 
im  Chanat  Chokand,  angefertigt.  Das  Papier,  gewöhnlich  grau,  bis- 
weilen aber  auch  blassroth  oder  blau  gefärbt,  ist  sehr  fest  und  stark, 
und  ausgezeichnet  für  die  Gummitinte,  deren  sich  die  Eingeborenen 
beim  Schreiben  bedienen;  bei  den  Europäern  dagegen  ist  es  nur 
wenig  im  Gebrauch  und  die  Russen  müssen  das  ihnen  nöthige  Papier 
importiren. 

Der  Hauptbazar  der  Stadt  wird  ebenfalls  sehr  gerühmt.  «Er  ist 
(so  heisst  es  auf  S.  14)  der  bei  Weitem  bestgebaute,  den  ich  in  Cen- 
tral-Asien  gesehen  habe,  sehr  regelmässig,  alle  Strassen  sich  einan- 
der unter  rechtem  Winkel  kreuzend,  und  mit  sehr  vielen,  aus  ge- 
brannten Ziegeln  erbauten  Buden.  Die  Strassen  sind  breit,  und  das 
Ganze  ist  mit  einem  Dache  bedeckt,  welches  von,  hoch  über  die 
Häuser  hinausragendem  Gebälk  getragen  wird,  so  dass  der  Bazar 
beschattet  ist  und  eine  Fülle  frischer  Luft  von  allen  Seiten  herzukom- 
men kann».  Die  Bazare  der  Stadt  Chokand  sowohl,  so  wie  der  mei- 
sten anderen  Städte  des  Chanats  gehörcfti  dem  Chan,  der  sie  vor 


I. 


»S8 

einigen  Jahren  für  sich  selbst  in  Beschlag  nahm  und  die  Renten  für 
sich  selbst  bezieht.  Einige  kaufte  er,  obschon  er  verhältnissmässig 
nur  wenig  dafür  zahlte;  andere  dagegen  nahm  er  einfach  hinweg 
und  sagte  den  Eigenthümern,  sie  hätten  die  Bazare  lange  genug  be- 
scssen,  jetzt  aber  habe  er  die  Absicht  sich  dieselben  zu  Nutze  zu 
machen.  Hr.  Schuyler  fügt  hinzu,  dass,  wenn  einst  die  Russen  von 
Chokand  Besitz  ergreifen  sollten,  dieser  Umstand  von  grossem  Vor- 
theil  für  sie  sein  wird,  weil  die  Revenuen  der  Bazare  sogleich  Staats- 
eigenthum  werden,  während'in  den  meisten,  von  den  Russen  erober- 
ten Städten,  wie  in  Taschkend  und  Chodschend,  diese  Revenuen 
Privatpersonen  zugehören,  oder  nach  dem  Rechte  der  «Todten 
Hand»  (vaqf)  zu  irgend  einem  reh'giösen  oder  milden  Zweck  be- 
stimmt sind. 

Da  Hr.  Schuyler  mitten  im  Bazar  wohnte,  so  hatte  er  häufige  Ge- 
legenheit auf  demselben  herumzuwandem  und  sich  den  Verkehr  anzu- 
sehen, wobei  ihm  jedoch  nichts  Besonderes  auffiel;  alles  war  so  wie 
in  Taschkend,  auch  waren    die   ausgelegten  Waaren   von   keiner 
besseren  Art,  vielleicht  mit  Ausnahme  der  Reitpeitschen,  welche 
hier  in  Chokand  in  ganz  vorzüglicher  Qualität  angefertigt  und  sehr 
billig  verkauft  werden.  Sehr  belästigend  war  es  dagegen  anzusehen, 
wenn  Abends  7  Uhr  beim  Thorschluss  des  Bazar  die,  zum  nächtlichen 
Schutz  desselben  gegen  Diebe  und  Feuersgefahr  bestimmte  Wache 
aufzog  und  in  einzelnen  Abtheilungen  an  die  verschiedenen  Plätze 
vertheilt  ward.  Von  den  Soldaten,  aus  denen  die  Wache  bestand,  wa- 
ren kaum  zwei  gleichuniformirt  oder  gleichbewaffnet.  Einige  hatten 
Stäbe,  andere  gezogene  Gewehre,   oder  Musketen  mit  Steinschloss, 
oder  gewöhnlicher  noch  mit  Luntenschloss,  während  wieder  andere 
nichts  hatten,  als  die  landesübliche  Keule,  an  welcher  ein  runder 
Messingkopf  befestigt  ist.     Die  Offiziere  hatten  ausser  Schild  und 
Schwert  noch  Kommando-Stäbe.     Die  Bekleidung  war  bei  einigen 
Soldaten  die  landesübliche,  bei  anderen  war  es  eine  Mischung  der 
landesüblichen  mit  der  russischen,  obschon   die  eigentliche  regel- 
mässige Uniform  aus  einer  offenen  Jacke  und  Beinkleidern  bestand, 
deren  Farbe  offenbar  der  Wahl  eines  Jeden  überlassen  worden  war, 
wie  denn  auch  die  Zahl  und  die  Anordnung  der  Knöpfe  dem  Ge- 
schmack eines  Jeden  anheimgegeben  war.    Der  grösste  Theil  dieser 
Knöpfe   waren    russische   Militärknöpfe,    aber    auch    französische, 
deutsche  und  selbst  englische  wurden  bemerkt.... 

Zuletzt  kommt  Hr.  Schuyler  auf  die  Russen  in  Chokand  und  auf 
die  Stellung,  welche  sie  in  Chokand  einnahmen,  zu  sprechen.    «Die 


tS9 

damals  inChokand  sich  aufhaltenden  Russen  (so  heisst  es  auf  S.  12fr.), 
hauptsächlich  Agenten  und  Beamte  der  Pupyschew'schen  Handels- 
häuser und  der  Firmen  Bykowskij  und  Kolessnikow,  waren,  um 
Verhöhnungen  und  selbst  Misshandlungen  zu  vermeiden,  auf  der 
Strasse  gewöhnlich  wie  die  Eingeborenen  gekleidet.  Man  gestattete 
ihnen  nicht  in  irgend  einem  Theile  der  Stadt  nach  ihrer  freien  Wahl 
zu  wohnen,  sie  waren  vielmehr  auf  die  Sarai  s  (Karawansereien)  der 
Bazare  beschränkt,  und  es  war  ihnen  unmöglich,  sich  frei  unter  die 
einheimischeBevölkerung  zu  mischen.  Den  einheimischen  Kauileuten 
war  es  vom  Chan  untersagt,  Russen  in  ihr  Haus  zu  bitten,  und  als  ein- 
mal ein  russischer  Kaufmann  mehrere  seiner  einheimischen  Geschäfts- 
freunde zum  Mittagessen  einlud,  da  ward  dieser  Vorgang  von  Seiten 
der  Obrigkeit  von  Ckokand  mit  äusserstem  Missfallen  angesehen.  Ich 
kann  mir  nicht  helfen,  ich  muss  glauben,  dass  die  Sachlage  eine  andere 
sein  würde,  wenn  diese  Kaufleute  nicht  Russen,  sondern  Engländer 
oder  Amerikaner  wären,  sie  würden  sicherlich  nicht  Willens  sein, 
ein  solches  Leben  zu  führen,  zusammengepfercht  in  kleine  unbe- 
queme Zimmern,  jeder  Annehmlichkeit  des  Lebens  beraubt,  von 
Luxus,  wie  etwa  Postverbindungen  genannt  werden  könnten,  gar 
nicht  zu  sprechen.  Die  einheimische  Regierung  hat  die  Einrichtung 
von  Postrouten  innerhalb  ihrer  Territorien  energisch  abgelehnt,  und 
wenn  ein  Brief  von  Taschkend  nicht  durch  einen  expressen  Boten 
gebracht  wird,  so  muss  er  durch  irgend  einen  Eingeborenen  ge- 
schickt werden,  welcher  ihn  vielleicht  Tage  lang  vergisst,  oder  im 
Vorbeigehen  einfach  zur  Thür  hineinwirft,  gewöhnlich  im  verstüm- 
melten Zustande,  da  er  in  der  Regel  an  der  Grenze  oder  von  Seiten 
der  Stadtobrigkeit  geöffnet  worden  ist. 

Endlich  war  vom  Chan  Antwort  angelangt,  und  unsere  Reisenden 
erhielten  die  Erlaubniss,  zu  ihm  nach  Namangan  zu  kommen.  Er- 
freut brachen  sie  so  schnell  als  möglich  auf  und  verliessen  Chokand 
in  Begleitung  dreier  Beamten,  die  man  ihnen  mitgab\  und,  bis  sie 
völlig  zur  Stadt  hinaus  waren,  von  einigen  Soldaten  eskortirt. 

Der  Weg  führte  zuerst  nach  der,  18  Werst  entfernten  Ortschaft 
Buwandy  durch  Felder  und  Baumanpflanzungen,   und  gelegentlich 

*  Wenn  Hr.  Schuylcr  von  diesen  Beamten  später  (S.  22)  sagt:  «Die  Beamten,  welche 
sich  während  der  Reise  um  uns  zu  kümmern  hatten,  behandelten  uns  sehr  en  hagatelU 
{•in  a  vcry  offhand  way»\  und  da  sie  nichts  zu  unserer  Unterhaltung  herbeischaflten, 
so  waren  wir  in  Betreff  unserer  Amüsements  auf  uns  selbst  angewiesen»,  so  möchte  ich 
meinerseits  glauben,  dass  Ilr.  Schuyler  die  richtige  Sachlage  verkannt  hat.  Offenbar 
war  die  Aufgabe  dieser  Beamten  wesentlich  keine  andere  als  aufzupassenr 


i6o 

über  Kanäle  klaren  Wassers,  während  nördlich  wie  südlich  hohe 
Gebirge  sichtbar  waren;  und  von  da»  durch  eine  nackte  Steppe  Und 
Sandwüste,  welche  die  Stadt  Chokand  von  allen  Seiten  zu  umgeben 
scheint,  zu  einem  elenden,  aus  4  oder  5  Hütten  bestehenden  Dorfe, 
wo  die  Reisenden  am  Rande  eines  Teiches  ihr  Lager  aufschlugen, 
da  ihnen,  obgleich  sie  Gäste  des  Chans  waren,  kein  anderer  Platz 
offerirt  wurde.  Hier  erfuhren  sie  auch,  dass  der  Chan  Namangan  be- 
reits verlassen  und  nach  Balyktschi  gegangen  sei.  Am  anderen 
Tage  setzten  sie,  immer  noch  auf  der  Steppe  verbleibend,  ihre 
Reise  nach  Gur-tepe*  und  von  da  nach  Balyktschi  fort.  Etwa  8 
Werst  vor  Balyktschi,  zwischen  den  Ortschaften  HamaBulak  und 
Ming-Bulak,  hatten  die  Reisenden  eine  liebliche  Aussicht  nach  Nor- 
den. «Am  fernen  Hintergrunde  eine  hohe  Gebirgskette,  darunter 
Reihen  kleinerer  Berge,  im  Mittelgrunde  das  fruchtbare  Thal  des 
Syr-Darja  voller  Bäume  und  Dörfer,  während  Reisfelder  und  Schilf 
den  Vordergrund  einnahmen.  Jenseits  des  Flusses  sah  man  in  der 
Ferne  Namangan,  eine  der  bedeutendsten  Städte  des  Chanats,  und 
in  südlicher  Richtung  hatte  man  den  vollen  Anblick  der  Schnee- 
kette des  Alai#. 

Als  man,  am  Flussufer  hinziehend,  näher  an  Balyktschi  herankam, 
konnte  man  den  Zusammenfluss  des  schlammigen  und  ungestümen 
Naryn  mit  dem  ruhigen  und  klaren  Syr-Darja'  vortrefflich  beobach- 
ten und  erreichte  endlich,  bald  auf  von  dem  Flusse  zurückweichen- 
der  Strasse  zwischen  Lehmmauern  und  zahlreichen  Gärten,  bald 
wieder  auf  dem  Flussufer  genäherter  Strasse  marschirend,  bei  ein- 
tretender Dunkelheit  die  Stadt,  wo  man  erfuhr,  dass  der  Chan  aber- 
mals weiter,  nach  Utscli-Kurgan,  gegangen  war. 

Am  anderen  Morgen  brachen  die  Reisenden  frühzeitig  von  Balyk- 
tschi wieder  auf,  überschritten  auf  einer  niedrigen,  hinfälligen 
Brücke  den  Syr-Darja  und  kamen,  das  durch  seine  grosse  Frucht- 
barkeit berühmte,  zwischen  dem  Syr-Darja  und  Naryn  liegende 
Dreieck  durchschneidend,  nach  dem  nur  6  Werst  von  Utsch-Kur- 
gan  entfernten  kleinen  Dorfe  Haikowar,  wo  sie,  in  der  Hitze  bra- 
tend, den  ganzen  Tag  warten  mussten,  weil  die  Etiquctte  es  erforderte, 
dass  dem  Chan  ihre  Ankunft  hierselbst  angezeigt  und  angcfnigt 
werde,  ob  sie  weiter  gehen  könnten.     Endlich  kam  die  Antwort  zu- 

*  Bnr-tcpe  (nach  Ljussilin^s  Karte). 

■  Ich  muss  hier  bemerken,  dass  dieser  Syr,  <ler  von  <lcn  Ein;;cborncn,  nbschon 
fillschlich,  fUr  den  Ilauptfluss  gehalten  wird,  bei  den  Geo(>raphen  den  Namen  Tar 
führt. 


i6i 

gleich  mit  der  Nachricht,  dass  ein  Haus  für  die  Reisenden  bereit 
stehe  und  dass  man  neue  Teppiche  ausgelegt  habe,  dass  sie  aber 
besser  thun  würden  zu  warten,  bis  es  kühler  geworden  sei,  und  dass 
der  Chan  sie  am  nächsten  Morgen  empfangen  werde.  Man  setzte 
sich  demgep[iäss  gegen  5  Uhr  wieder  in  Bewegung  und  kam  auf 
entsetzlich  staubigem  Wege  durch  nackte  Steppen  an  das  Ufer  des 
Naryn,  der  hier  schlammig  und  reissend  einem  Wasserfalle  gleich 
über  die  Felsen  hintobt,  begegnete  auf  Schritt  und  Tritt  Soldaten 
uod  Dschigiten,  welche  Pferde  nach  dem  Fluss  zur  Tränke  führten, 
passirte  eioen  kleinen  Bazar,  jetzt  gedrängt  voll  von  Menschen  (der 
Chan  hatte  eine  grosse  Suite  mit  sich  gebracht)  und  wurde  nach  ei. 
nem  kleinen  Garten  geführt,  wo  eine  Röchst  drückende  Luft 
herrschte  und  der  auf  keinen  Fall  der  Ort  war,  welchen  man  ihnen 
versprochen  hatte.  «Der  ^/>:rrt  (einer  der  begleitenden  Beamten) 
sagte  uns,  dass  wir  uns  diesen  Abend  mit  Thee  begnügen  müssten, 
da  es  zu  spät  sei,  etwas  zum  Essen  zu  besorgen.  Lange  schon  hatte 
ich  mich  über  die  uns  zu  Theil  werdende  Behandlung  innerlich  em- 
pört und  mich  nur  aus  Furcht,  das  Geschäft  des  Hrn.  F.  zu  beein- 
trächtigen, zurückgehalten;  während  der  ganzen  Reise  machte  ich 
energische  Einwendung,  dass  es  uns  nicht  gestattet  war,  unsere  ei- 
genen Wege  zu  gehen  und  dass  wir  gezwungen  waren,  das  Gebot 
des  Mirza  unbedingt  zu  befolgen.  Die  unverschämte  Art  jedoch,  mit 
welcher  er  uns  die  letzte  Mittheilung  machte,  erregte  meinen  gan- 
zen Zorn;  ich  sagte  ihm,  dass  er  uns  allenthalben  davon  in  Kennt- 
niss  gesetzt  habe,  dass  wir  die  Gäste  des  Ghanas  seien ;  dass  ich  als 
solcher  eine  bessere  Behandlung  verlange  und  dass  ich  darauf  be- 
stehe,  ein  Abendessen  zu  erhalten;  dass  es  noch  früh,  erst  7  Uhr  sei, 
und  dass  ich  den  Bazar  noch  offen  gesehen  hätte.  Diese  Tonart 
blieb  nicht  ohne  Eindruck.  Der  Mirza  fing  an  sich  zu  entschuldigen, 
sagte,  dass  wir  in  etwa  3  Stunden  etwas  bekommen  würden,  und 
brachte  mir  bereitwillig  ein  Gericht  Kavap^y  welches  ich  mit  mei- 
nem Dolmetscher  allein  verzehrte,  da  die  Anderen  bereits  schlafen 
gegangen  waren».  Ich  habe  diesen  auf  S.  23  u.  ff.  des  Schuyler*- 
^.^schen  Buches  vorkommenden  Passus  in  seiner  ganzen  Ausführlich- 
keit mitgetheilt,  weil  daraus  ersehen  werden  kann,  wie  Hr.  Schuyler 
in  der  That  ziemlich  en  bagatelle  behandelt  wurde,  wie  aber  solchen 

*■  Kavap  ist  ein  Gericht  aus  kleinen,  am  Spiess  gebratenen  Stückchen  Hammelfleisch 
bestehend.  Wenn  übrigens  dieser  Kavap  dem  kaukasischen  Scheschlik  ähnlich  war,  so 
hat  sich  meiner  Meinung  nach  Hr.  Schuyler  über  sein  Abendessen  nicht  zu  beklagen 
gehabt.  Es  gibt  kaum  etwas  Delikateres. 

aU.SS.  REYL'K.  BD.  XIII.  1 1 


t6i 

Beamten  gegenüber,  die  in  der  Regel  eine  wichtigere  Kolle  sjpielen 
Wollen,  als  ihnen  zukommt,  ein  energisches  Auftreten  durchaus  am 
Platze  War.  Ebenso  möchte  ich  dem  Leser  mit  Hrn.  Schuyier*s  eige- 
nen Worten  die  Art  beschreiben,  wie  seine  Vorstellung  beim  Chan, 
die  für  den  frühesten  Morgen  angesetzt  war,  ablief.  «Nachdem  wir 
etwa  eine  Werst  weit  dem  Flussufer  entlang  geritten  waren  (so  heisst 
es  auf  S.  24)  kamen  wir  zu  einer  doppelten  Reihe  lächerlich  aussehen- 
der, kreuzbeinig  auf  der  Strasse  sitzender  Soldaten,  in  den  abge- 
schmacktesten Uniformen,  einige  mit  Luntenschloss-,  andere  mit 
Steinschloss-Musketen,  welche  meistens  in  der  Lage  von^««Präsen- 
tirt^s  Gewenr»«!  gehalten  wurden.  Wir  ritten  noch  eine  kleine 
Strecke,  mussten  absteigen,  und  verschiedene  Beamten  (Generale, 
wie  sich  später  ergab)  in  langen  dunkelfarbigen  Röcken,  mit  hoher 
Pelzmütze,  goldenen  Schildern  und  Schwertern  und  3  Epauletten 
(eine  auf  jeder  Schulter  und  eine  auf  der  Mitte  des  Rückens),  er- 
fassten  uns  sogleich  bei  den  Armen  ^  Wir  kamen  zur  Front  eines 
grossen  Gartens,  wo  in  der  Entfernung  von  100  und  mehr  Schritt 
unter  einem  grünen  Bucharischen  Zelte  3  weissbeturbante  Männer 
Sassen.  Welcher  von  ihnen  der  Chan  war,  konnte  ich  nicht  unter- 
scheiden».   «Das  Gefolge  rief  mit  lauter  Stimme  etwas,  wovon 

ich  nur  ••Chudajar  Chan  Kylsun»»  verstehen  konnte.  Wir  wurden 
aufgefordert,  unsere  Briefe  und  Geschenke  abzugeben,  und  unmittel- 
bar darauf,  schneller  als  wir  gekortimen,  zurückgebracht.  Dieses 
Verfahren  setzte  mich  in  das  grösste  Erstaunen,  da  ich  das  an  die- 
sen Höfen  herrschende  Ceremoniell  einigermaassen"  kannte  und 
vorausgesetzt  hatte,^  dass  es  nur  eine  vorläufige  Begrüssung  sei, 
nach  welcher  wir,  zu  dem  Zelte  vorgehend,  dem  Chan  persönlich 
vorgestellt  werden  würden.  Haba-Bai,  der  ein  geborener  Chokander 
war,  obwohl  er  seit  lange  schon  in  Chodschend  sich  niedergelassen 
hatte,  und  vielleicht  kein  ganz  reines  Gewissen  besass,  ward  von 
Furcht  und  Zittern  ergriffen,  da  er  glaubte,  er  werde  zu  sofortiger 
Hinrichtung  abgeführt;  und  selbst  Abdullah  dachte,  dass  man  uns 
in's  Gefängniss  schaffe.   Wir  wurden  jedoch,  nachdem  wir  durch  die 


*  Dass  Hm»  Schuylers :  9anä  immediaUly  cur  arms  were  seizeti  by  various  ofßciah» 
nicht  etwa,  wie  es  doch  naheliegend  scheint,  mit:  «und  verschiedene  Beamte  nahmen 
uns  schleich  die  Waffen  ab>  übersetzt  werden  darf,  geht  aus  einer  späteren  Stelle  des 
Buches  (S.  83)  hervor,  wo  von  der  Audienz  Hm.  Schuyler's  beim  Emir  von  Buchara  die 
Rede  ist.  Es  heisst  daselbst:  ^On  such  occasions  it  is  usual  for  the  masters  of  ctremo 
niis  io  drag  along  tJü  person  itfko  is  to  be  presenttd  to  the  Amir^  but  my  presemtation 
beimg  somemhat  informal ,  they  contented  themsehes  with  merely  touching  my  arm». 


»63 

^tize  Reihe  von  Soldaten  zu  Fuss  gegangen  waren,  nur  nacli  ei- 
nem, nahe  am  Ufer  liegenden  Hause  gebracht,  welches  gleichzeitig 
von  dem  Bek  von  Balyktschi,  wenn  er  den  Sommer  in  Utsch-Kur- 
gan  zubringt,  eingenommen  wird». 

•Im  Hause  angelangt,  führte  man  uns  in  ein  Empfangszimmer, 
wo  wir  auf  Stühlen  sassen,  während  der  Bek  uns  mittheilte,  dass  der 
Chan  ihm  befohlen  habe,  uns  Gastfreundschaft  zu  erweisen».  — 
«Die  schöne  Lage  des  Hauses,  nahe  am  Flusse,  und  der  grosse  Garten 
mit  seiner  Schattenfülle  erfreuten  uns  sehr.  Der  Bek  fragte  uns, 
was  wir  nöthig  hätten  und  sagte,  dass  alles  von  dem  Belieben  des 
Chan  abhänge,  dass  diesem  gegenüber  Niemand  wagen  dürfe, 
zuerst  irgend  eine  Angelegenheit  zur  Sprache  zu  bringen,  und  dass 
wir  daher  warten  müssten;  und  als  wir  ihm  bemerklich  machten, 
dass  wir  der  Meinung  wären,  der  Chan  habe  uns,  die  Ueberbringer 
von  Briefen  der  höchsten  Autoritäten  Taschkend's,  unschicklich 
behandelt,  weil  er  uns  nicht  persönlich  empfing,  so  wiederholte  er, 
dass  hier  alles  im  Beliebea  des  Chan's  stehe,  und  dass  weder  er  (der 
Bek)  noch  viel  weniger  irgend  ein  Anderer  es  wagen  dürfe,  den 
Chan  zu  bekritteln  oder  mit  ihm  zu  sprechen». 

Die  Reisenden  mussten  sich  also  mit  Geduld  wappnen  und  zum 
Warten  bequemen.  Es  heisst  bei  Hrn.  Schuyler  (S.  27):  «Wir  mussten 
früh  aufstehen,  denn  nach  Aufgang  der  Sonne  konnte  man  nicht 
mehr  im  Freien  schlafen,  und  hatten  den  ganzen  Tag  über  nichts  zu 
thun,  als  auf  dem  Rücken  zu  liegen  und  uns  mit  den  verschiedenen 
Hausbewohnern  zu  unterhalten,  oder  im  Garten  herumzugehen  und 
die  Beschäftigungen  der  Leute  mitanzusehen.  Es  war  das  eine  sehr 
gute  Gelegenheit,  den  Haushalt  eines  eingeborenen  reichen  Edel- 
mannes kennen  zu  lernen.  Hr.  Schuyler  schildert  nun  das  Thun 
und  Treiben  der  Leute  in  diesem  Hause,  und  theilt  (S.  29-  32)  in 
ziemlicher  Ausführlichkeit  mit,  was  er  während  der  Zeit  seines 
mehrtägigen  Wartens  in  Bezug  auf  viele  Eigenthümlichkeiten  und 
mancherlei  abergläubische  Gebräuche  der  Muselmänner  in  Erfah- 
rung brachtet 


*  Unter  dem,  von  Hrn.  Schuyler  Notirten  findet  sich  manches  Sonderbare,  wie  z.  B. 
Wenn  Du  niesest,  während  ich  Dir  etwas  sage,  so  ist  das  ein  Beweis,  dass  ich  Recht 
habe.  (Gerade  wie  bei  uns.)  —  Wenn  ein  Hase  über  den  Weg  eines  Reisenden  läuR, 
so  bedeutet  das  ein  Unglück.  (Ebenfalls  wie  bei  uns.)  —  U.  s.  w.  Wenn  einem  das 
Ohr  klingt,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  Jemand  gestorben  ist,  und  dann  wird  stets 
ein  Gebet  hergesagt  Dieses  Ohrenklingen  steht  übrigens  mit  einer  hübschen  Le* 
gende  in  Verbindung.     Im  Himmel  gibt  es  nämlich  einen  Baum,  auf  jedem  seiner 


164 

Endlich  war  alles  geordnet.  Die  Reisenden  erhielten  die  üblichert 
Chalate  zum  Geschenk  von  Seiten  des  Ch^n's,  und  es  wurde  ihnen 
gesagt,  dass  sie  kommen  und  sich  bedanken  müssten,  bei  welcher 
Gelegenheit  sie  auch  ihre  Reisepässe  erhalten  würden;  alsdann 
könnten  sie  ihres  Weges  in  Frieden  ziehen.  Diese  Abschiedsvisite 
wird  von  Hrn.  Schuyler  folgendermaassen  beschrieben:  «Wir  gingen, 
angethan  mit  unseren  neuen  Gewändern,  zum  Chan,  empfingen 
unser  Papierstückchen  mit  des  Chans  Siegel,  und  machten,  indem 
wir  dasselbe,  wie  uns  geheissen  ward,  zwischen  dem  ersten  und  zwei- 
ten Finger  der  rechten  Hand  hielten,  eine  tiefe  Verbeugung.  Wir 
waren  dieses  Mal  dem  Chan  viel  näher,  und  sahen,  dass  er  ein 
starker,  angenehm  aussehender  Mann  von  ungefähr  45  Jahren  war, 
mit  einem  braunen  Barte.  Er  hob  sogar  seine  Hand  zum  GrussU. 

Von  Utsch-Kurgan  aus  trennte  sich  Hr.  Schuyler  von  seinem  bis- 
herigen Reisegefährten  Hrn  F.,  welcher  nach  Namangan  ging,  und 
setzte  seine  Reise,  eine  süd-östliche  Richtung  nach  der  grossen,  von 
Utsch-Kurgan  36  Werst  entfernten  Ortschaft  Paita  einschlagend, 
allein  fort.  Der  Weg  führtp  im  Anfange  über  nackte  Steppen,  dann 
aber  durch  gut  bewässertes  und  gut  bebautes  Land,  und  überall  war 
man  mit  Ausbesserung  der  Strasse  eifrig  beschäftigt*.  Hr.  Schuyler 


BlXUer  ist  der  Name  einer  Seele  aufgeschrieben,  und  was  die  Menseben  «Olirenklingen» 
nennen,  das  ist  nichts  anderes,  als  das  Rascheln  eines  von  diesem  Baume  fallenden 
Blattes.  Ist  nun  das  Geräusch  in  Deinem  Ohr  dem  Glockengeläute  ähnlich,  dann  ist  es 
die  Seele  eines  Christen,  deren  Blatt  fiel,  und  dieser  stirbt;  und  für  einen  jeden  Glauben 
ist  das  Geräusch  ein  anderes. 

*  Der  in  persischer  Sprache  geschriebene  Reiscpass  des  Elrn.  Schuyler  lautete  wie 
folgt:  «An  alle  Hakims,  alle  Festungskommandanten,  alle  Beks,  alle  Amlakdars,  und 
alle  Serdars:  Durch  di^en  Befehl  sei  kund  und  zvl  wissen,  dass  ein  Russischer  Ame- 
rikanischer Gesandter  mit  seinen  Leuten  zum  Vergnügen  und  Zeitvertreib  reist,  lasset 
daher  diesen  Russen,  in  welches  Vilajet  und  Kischlak  er  auch  gehen  mag,  nichts  ge- 
schehen, was  dem  unserem  Gaste  zukommenden  Gastrechte  oder  seinen  Wünschen 
entgegen  wäre,  und  lasset  ihm  die  ihm  zukommende  Gastfreundschaft  erweisen,  ihn 
ansehend  (d.  h.  seinen  Stand  berücksichtigend),  und  lasset  keine  Narrenspossen  mit 
ihm  treiben  (*and  ict  masquerades  not  bc  made  of  him»)^  und  lasset  unpassende  Worte 
nicht  zu  ihm  gesprochen  werden*. 

'  Hr.  Schuyler  schreibt  (S.  36):  «In  den  kleinen  Ortschaften  trafen  wir  ein  halbes 
Dutzend  Reiter,  welche  alle  Einwohner  anwiesen,  den  Weg  zu  reinigen  und  in  Ord- 
nung zu  bringen,  weil  man  in  zwei  Tagen  den  Chan  erwartete.  Sobald  sie  einem 
Menschen  oder  Hause  nahe  kamen,  schrien  sie  so  laut  sie  konnten:  ««Seine  Majestät 
Chudajar-Chan  kommt.  Sehet  zu,  dass  der  Weg  eben  sei  und  dass  weder  Schlami|i 
noch  Unreinigkeit  da  ist**;  und  die  ganze  Strasse  entlang  wa^n  grosse  Haufen  Bauern 
beschäftigt,  die  Löcher  auszufüllen  und  alles  eben  und  gut  zu  machen*.  Ilr.  Schuyler 
meint,  er  sei  hierbei   an   das  Evangelium  Matthäi  erinnert   worden,   wo  von  Johannes 


16S 

sandte,  um  die  Wirkung  seines  Reisepasses  zu  prüfen,  einen 
Dschigit  mit  demselben  voraus  und  verlangte  zur  Wohnung  einen 
Garten  mit  gutem  Wasser,  Futter  für  die  Pferde  und  für  sich  ein 
Abendessen,  was  alles  pünktlich  gewährt  ward,  denn  an  der  Stadt- 
grenze erwartete  ihn  ein  Bote  und  geleitete  ihn  zu  einem,  dem 
Serdar  der  Stadt  gehörigen  Garten,  wo  auf  einer  Terrasse  Teppiche 
für  ihn  ausgebreitet  waren;  ein,  vom  Bazar  gekommener Thee-Knabe 
servirte  Thee  und  Melonen ;  und  zum  Abendessen  erhielt  er  Shurpa 
(eine  kräftige  Bouillon  von  Schafsfleisch)  und  Pillaw.  Wie  ihm  denn 
überhaupt  jegliche  Aufmerksamkeit  erwiesen  ward,  denn  der  Serdar 
führte  ihn  am  nächsten  Morgen  nicht  nur  durch  die  Stadt,  welche, 
da  gerade  Bazartag  war,  sich  mit  Landvolk  aller  Art,  Usbeken, 
Kiptschaken  und  Kirghisen  füllte,  sondern  gab  ihm  durch  fortwäh- 
rende Gärten  und  Dörfer  bis  zum  9yr-Darja  das  Geleite,  wo  er 
abwartete,  bis  Hr.  Schuyler,  auf  einem  hohen  Karren  sitzend,  die  3 
breiten  Flussarme  glücklich  passirt  hatte.  Von  da  ging  es  noch 
6  Werst  weiter,  fortdauernd  durch  Gärten,  bis  Andidschan  er- 
reicht ward. 

Auch  in  Andidschan,  eine  Stadt  von  20,CXX)  Einwohnern  und  nach 
Chokand  Hauptort  des  Chanats,  scheint  es  Hrn.  Schuyler  nicht 
schlecht  gegangen  zu  sein,  denn  obgleich  er  in  Betreff  der  ihm  am 
Bazar  angewiesenen,  aus  Haus  und  Hof  bestehenden  Wohnung  (es 
war  dieselbe,  welche Fedtschenko  bei  seiner  Chokand'schend Reise  be- 
wohnt hatte)  bemerkt,  dass  sie  in  Folge  des  mit  jedem  Lufthauche 
herbeigeführten  sehr  ekelhaften  Geruchs,  des  echten  mittel-asiatischen 
Bazar-Geruchs,  höchst  unangenehm  gewesen  sei,  so  sagt  er  doch 
(S.  42):  «Andidschan  machte  auf  mich  einen  sehr  angenehmen  Ein- 
druck ;  ob  das  nun  bedingt  war  durch  diese  malerisch  sich  darstellenden 
Strassen  und  vielen  Gärten,  den  einem  Landhause  so  ähnlichen 
Palast  des  Bek,  den  reissend  angeschwollenen  Kanal,  das  auf- 
geweckte und  muntere  Aussehen  der  Bevölkerung,  oder  durch  die 
grössere  Mannichfaltigkeit  der  Speisen,  das  weiss  ich  nicht;  wahr- 
scheinlich durch  alles  zusammen,  und  nicht  am  Wenigsten  durch 
das  Letzte».  Hr.  Schuyler  sali  sich  den  grossen  und  schönen 
Bazar,  verschiedene  Medressen  und  eine  Anzahl  hübscher,  aus  ge- 
brannten Mauersteinen  aufgeführte  Karawansereien  an,  die  besser 
waren,  als  die  von  ihm  in  Chokand  oder  in  Taschkend  gwehenen. 
Er  wurde  dabei  von  einer  Eskorte  Soldaten  und  Beamten  begleitet, 

dem  Täufer  gesagt  wird :    «Es  ist  eine  Stimme  eines  Predigers  in  der  Wttste,  bereite^ 
dem  Herrn  seinen  Weg  und  machet  richüg  seine  Steige». 


i66 

und  obschon  das  seine  freie  Bewegung  einigermaassen  hinderte, 
80  hatte  es  doch  auch  sein  Gutes,  weil  dadurch  die,  ihn  bei  jedem 
Schritt  umdrängende  Volksmenge  zurückgetrieben  ward.  Am  an- 
deren Tage  stellte  er  sich  dem  Bek  Nasr-Eddin,  dem  älteren  Sohne 
des  Chan\  vor,  und  zwar  fand  dabei  keine  besondere  Zeremonie 
statt.  Der  Bek  sass  in  seinem  Palast  am  Fenster;  man  verbeugte 
sich  und  g^ng  dann  näher  zu  ihm  heran  auf  die  Veranda,  wo  man 
während  der  Unterredung  stehen  bleiben  musste,  während  der  Bek 
im  Innern  des  Zimmers  sitzen  blieb.  Der  Bek,  der  Hrn.  Schuyler 
die  Hand  zum  Fenster  heraus  reichte,  gebot  ihm,  näher  an*s  Fenster 
heranzukommen.  Als  ihm  Hr.  Schuyler  mittheilte,  dass  er  noch  am 
selbigen  Tage  abzureisen  gedenke,  da  meinte  der  Bek,  das  ginge 
doch  nicht  gut  an ;  er  (der  Bek)  sei  20  Tage  in  Taschkend  gewesen, 
und  er  (Hr.  Schuyler)  müsse  doch  ebenso  lange  in  Andidschan 
bleiben ;  Andidschan  sei  ein  ganz  anderer  Ort  wie  Taschkend,  und 
man  müsse  sich  alles  ansehen;  sie  müssten  gute  Freunde  werden, 
u.  s.  w.  Als  ihm  Hr.  Schuyler  bemerklich  machte,  dass  seine 
Zeit  äusserst  beschränkt  sei,  dass  er  aber  den  heutigen  Tag  noch 
bleiben  wolle  und  als  er  ihm  einen  silbernen  Tabaksbehälter  in  Form 
eines  Hornes  schenkte,  da  leuchteten  seine  Augen  und  er  sagte  auf 
russisch:  «Zum  Andenken«!  Nach  einigen  Komplimenten  verbeugte 
sich  Hr.  Schuyler  und  fragte,  in  Uebereinstimmung  mit  der  herr» 
sehenden  Etiquette,  ob  es  ihm  erlaubt  sei,  sich  zu  entfernen,  was 
ihm  gnädig  gestattet  ward.  Er  wurde  in  ein  kleines  Zimmer  auf  der 
anderen  Seite  des  Hofes  geführt,  wo  des  Bck's  Haushofmeister  ihm 
eine  Tasse  Thee  und  einen  Dostar-Chan  vorsetzte,  weit  schlechteres 
Zeug,  als  er  jemals  von  irgend  einem  kleinen  Dorfbeamten  bekommen 
hatte.  Er  setzte  die  Tasse  nur  an  seine  Lippen,  als  ihm  der  Haus- 
hofmeister einen  schon  gebrauchten  Chalat  (a  second  Iiand  gawn) 
von  scharlachfarbiger  Seide  miv  Gold  durchschossen  brachte  (Andrei, 
Hr.  Schuyler's  Dolmetscher,  erhielt  ein  eben  solches  aber  ganz  ge- 
wöhnliches Gewand)  und  sagte,  er  könne  jetzt  gehen,  welche  Er- 
laubniss  er  sofort  benutzte,  nachdem  er  zuvor  nochmals  in  den  Hof 
gegangen  war,  um  sich  vor  dem  Bek  zu  verbeugen*.     Später  ward 


'  Hierbei  sieht  sich  Hr.  Schuyler  zu  nachstehender  Expectoration  genöthigt  (S.  40): 
«Ich  habe  hier,  wie  anderswo,  solche,  mich  doch  nur  persönlich  betreflende  und  schein- 
bar unbedeutende  Details  mitgetheiit,  weil  aus  ihnen  ein  Maassstab  fUr  den  Geist  und 
die  Gesinnung  der  Chokand* sehen  Autoritäten  in  ihrem  Verkehr  mit  den  Russen  ent- 
nommen werden  kann.  Obgleich  ich  als  Privatperson  reiste,  so  war  ich  doch  in*s  Land 
gekommen,  ausgerüstet  mit  einem  ausdittcklic^en  Empfehlungsbriefe  der  Russischen 


167 

Hr.  Schuyler  noch  benachrichtigt,  dass  ihn  der  Bek  sehr  gcm  am 
Abend  als  Freund  bei  sich  sehen  möchte,  dass  er  sich  aber  vor  sei- 
nem Vater,  der  heute  oder  morgen  kommen  würde  und  der  kein 
Freund  der  Russen  sei  und  es  nicht  wünsche,  dass  seine  Unterthanen 
mit  ihnen  umgingen,  fürchte. 

Von  Andidschan  ging  Hr.  Schuyler  nach  dem,  einige  40  Werst  in 
Süd-östlicher  Richtung  gelegenen  Usch  (oder  Osch).  Der  Weg  führte 
über  niedriges  Gebirge,  von  wo  man  eine  hübsche  Aussicht  in  das 
Andidschan-Thal  hat,  dann  durch  ein  kleines  Thal,  in  welchem  das 
DorfKaschgar  liegt;  von  da  wieder  hügeliges  Land,  wieder  ein 
hübsches  Thal  mit  Feldern  und  Bäumen  im  Vordergrunde,  weiter 
zurück  kleine  nackte  steile  Berge^  und  ganz  hinten  hohes  Gebirge, 
auf  welchem  jetzt  nur  noch  wenig  Schnee  lag.  Nachdem  die  Reisen- 
den in  dieses  Thal  gekommen  und  einen  kleinen  Fluss  überschritten 
hatten,  gelangten  sie  nach  der  Ortschaft  Hodschawat,  von  wo  aus  sie 
endlich,  bei  grosser  Hitze,  Usch  erreichten. 

In  Usch  überwies  man  Hrn.  Schuyler  ein  bequemes  Haus,  mit  ei- 
nem grossen  reinlichen  Hof,  nahe  bei  dem  sogenannten  «Thron 
Salomo's»,  ein,  mitten  in  der  Ebene  aufsteigender  Fels,  von  welchem 
die  Sage  geht,  dass  König  Salomo  sich  einstmals  hier  einen  Thron 
aufgerichtet  habe,  um  diesen  Theil  der  Welt  zu  überschauen.  Ein 
vierseitiges,  solides,  verziertes,  die  Spitze  des  Felsens  überragendes 
Grabmal  soll  Salomo's  Körper  enthalten.  Unterhalb  des  Felsens  be- 
findet sich  ein  grosser  Garten  mit  2  oder  3  Moscheen,  der  Aufent- 
haltsort einer  Brüderschaft  von  Einsiedlern,  welche  von  den  hierher 
kommenden  Wallfahrern  Geschenke  erhalten  Usch  ist  eine  grosse, 
zu  beiden  Seiten  des,  durch  eine  Brücke  überspannten  Ak*bura* 
Flusses  gelegene  Stadt.  Jenseits  lag  die  Festung,  diesseits  der 
grosse  Bazar,  welcher,  da  gerade  Bazartag  war,  mit  Volk  angefüllt 
war,  im  Uebrigen  aber  nichts  besonders  Bemerkens  wert  hes  enthielt. 

Von  Usch  aus  beabsichtigte  Hr.  Schuyler  nach  Usgend  (Oskend) 
und  nach  dem,  nach  Kaschgar  führenden  Terek-Dawan-Pass  zu  ge- 
hen, ja  er  hatte  sogar  die  Idee,  Kaschgar  selbst  zu  besuchen, 
wenn  er  den  Weg  praktikabel  finden  würde,  und  schwankte  nur, 
weil  er  nicht  früher  daran  gedacht  hatte  und  nun  keine  Empfeh- 


Autoritäten,  welche  vorausgesetzt  hatten,  dass  ein,  von  ihnen  dem  Chan  gegenüber 
ansgesprochener  Wunsch  ebenso  viel  sei  als  ein  Befehl,  und  dass  dem  einen  wie  dem 
anderen  ergebenst  gehorcht  werde.  Als  ich  nach  meiner  Rückkehr  nach  Tasckkend  die 
Vorkommnisse  meiner  Reise  wiedererzählte,  da  gab  sich  ein  grosses  Erstaunen  kund 
und  Mancher  ging  so  weit,  zu  behaupten,  dass  ich  stark  übertrieben  hätte». 


i68 

lungsschreiben  dorthin  besass.  Ebenso  hatte  er  den  Wunsch,  im 
Alai-Gebirge  sich  einige  Gletscher  anzusehen  und  wenn  möglich 
nach  Karategin  zu  gehen.  Allein  alle  diese  Pläne  wurden  durch  die 
Chokandschen  Behörden  vereitelt,  die  allerlei  Bedenken  hatten  und 
Ausreden  machten;  nur  nach  Naukat  gestattete  man  ihm  endlich  zu 
gehen,  welche  Erlaubniss  Hr.  Schuyler  annahm,  weil  er  hoffte,  es 
werde  ihm  von  dort  aus  verhältnissmässig  leicht  sein,  auch  ohne  Er- 
laubniss in's  Alai-Gebirge  zu  gelangen.  Hr.  Schuyler  verliess  daher 
Usch  unter  der  Führung  eines,  ihm  von  dem  Serkar  der  Stadt  beige- 
gebenen Dschigit,  und  kam  nach  dem,  auf  seiner  Karte  nicht  ange- 
gebenen kleinen  Städtchen  Arawan,  wo  er  zu  seinem  grössten  Aer- 
ger  von  der  Ortsobrigkeit  erfuhr,  dass  er  sich  gar  nicht  auf  dem 
Wege  nach  Naukat,  sondern  auf  der,  nach  Marghelan  führenden 
Strasse  befand.  Der  Dschigit  hatte  ihn  mit  Absicht  irre  geführt  und 
zwar,  wie  derselbe  jetzt  gestand,  auf  Befehl  des  Serkar.  Unter  sol- 
chen Umständen  war  weiter  nichts  zu  thun,  als  direkt  nach  Marghe- 
lan zu  gehen,  was  denn  auch  über  Ming-Tep^,  wo  genächtiget 
ward,  und  Kua-Kischlak  und  Yaka-Tut  geschah.  Von  Yaka-Tut  an 
bis  Marghelan,  eine  Strecke  von  etwa  12  Werst,  war  die  Gegend  ein 
kontinuirlicher  Garten,  und  Hr.  Schuyler  erreichte  die  Stadt,  vor 
deren  Thoren  er  von  einigen  Leuten  insultirt  wurde,  am  frühen 
Abend  unmittelbar  vor  Thorschluss. 

Marghelan  ist  eine  Stadt  von  30,000  Einwohnern  und  von 
einer  hohen  Mauer  umgeben.  Fast  in  jeder  Strasse  befinden  sich 
kleine,  im  persischen  Styl  erbaute  Kapellen  (Mazars)  mit  runden 
zwiebelähnlichen  Kuppeln,  Mosaikfronte,  und  vieler  in  Alabaster 
ausgePührter  erhabener  Arbeit,  was  der  Stadt  ein  freundliches,  hei. 
teres  Aussehen  gibt.  Der  wie  der  chokandische  Bazar  überdeckte 
Bazar  stank  fürchterlich.  Es  wurde  Hrn.  Schuyler  von  Seiten  der 
Behörde  ein  hübsches  Haus  mit  nettem  Hofe  und  kleinem  Blumen- 
garten angewiesen,  dabei  jedoch  erklärt,  dass^man  nichts  weiter  thun 
könne,  und  dass  er  sich  vom  Bazar  aus  auf  eigene  Rechnung  zu 
beköstigen  habe;  was  denn  auch  geschah.  Zwar  hatte  sich  Hr. 
Schuyler  vorgenommen,  den  ganzen  nächsten  Tag  noch  in  Marghelan 
zu  bleiben,  allein  die  ungastliche  Aufnahme  (er  bekam  von  Seiten 
des  Hausbesitzers  nicht  einmal  Theegcschirr  geliehen),  zu  welcher 
noch  der  Gestank  des  Bazars  während  der  Tageshitze  kam,  verdross 
ihn  so,  dass  er  am  nächsten  Tage  nach  dem,  nur  18  Werst  entfern- 
ten Duwana  und  von  da  nach  Kara-Tepd  weiter  ging.  Die  erste 
Hälfte  des  Weges  von  Marghelan   nach  Duwana  führte  sehr  angc- 


i6g 

nehm  durch  Gärten  und  Felder,  dann  aber  kam  man  auf  eine  voll- 
Icommen  nakte,  wasserleere  Steppe,  welche  sich  über  30  Werst  weit 
erstreckt.  In  dieser  Steppe  liegt  das  elende,  aus  einigen  Hütten 
bestehende  Duwana,  nur,  wie  man  sagt,  von  Derwischen  bewohnt. 
Kein  Baum  findet  sich  hier  und  selbst  das  Wasser  muss  aus  der 
Nähe  von  Marghelan  gebracht  werden.  Auf  der  Weiterreise 
nach  der  grossen  Ortschaft  Kara-Tepc  wurde  Hr.  Schuyler  gegen 
Abend  von  einem  heftigen  Sturm  und  Regen  betroffen,  so  dass 
er  durch  und  durch  nass  in  Kara-Tep^  ankam,  wo  es  ihm  nicht 
möglich  war,  ein  Unterkommen  zu  finden.  Der  Aksakal  (Orts- 
vorstand)  kümmerte  sich  gar  nicht  um  die  Reisenden,  sagte,  dass 
es  gar  nicht  seines  Amtes  sei,  ihnen  aufzuwarten,  und  gab  ihnen 
den  Rath,  auf  dem  Bazar  von  irgend  einer  Bude  Besitz  zu  ergreifen 
und  die  Leute  hinauszuwerfen  fü?  turn  the  people  out).  Hr.  Schuyler 
befolgte  diesen  Rath  und  nahm  die  Galleric  einer  Bude  in  Beschlag, 
als  er  aber  seine  nassen  Kleider  wechselte,  so  war  das  ein,  das 
mohammedanische  Schicklichkeitsgefühl  so  beleidigender  Akt,  dass 
er  dadurch  die  Verwünschungen  und  Schmähungen  der  gesammten 
Nachbarschaft  auf  sich  zog.  Darauf  verwehrte  man  ihm  Pillaw 
zu  kaufen  und  verweigerte  ihm  selbst  heisses  Wasser  zur  Theeberei- 
tung.  Nach  langem  Streit  musste  abermals  zum  Aksakal  geschickt 
werden,  der  aus  dem  Bett  geholt  ward  (es  war  schon  ziemlich  spät) 
und  die  Leute  der  nächsten  Bude  zwang,  das  Nöthige  herbeizu- 
schaffen. Da  das  Wetter  besser  geworden  war,  so  brach  Hr.  Schuy- 
ler um  Mitternacht  auf  und  erreichte,  in  Folge  der,  durch  den  Regen 
aufgeweichten  Wege  nur  langsam  vorwärtskommend,  nach  $  Uhr 
Morgens  Chokand,  wo  er,  wie  früher,  so  auch  dieses  Mal  bei  seinen 
Freunden  in  Zekat-Sarai  Unterkommen  fand. 

Von  Chokand  kehrte  Hr. Schuyler,  nur  einen  Tag  in  Chokand  blei- 
bend, um  seine  müden  Pferde  sich  etwas  erholen  zu  lassen,  auf  dem- 
selben Wege,  welchen  er  gekommen,  also  über  Machram  *,  nach 
einer  Abwesenheit  von  nahezu  einem  Monat  nach  Chodschend 
zurück. 


'  In  Machram  versuchte  Hr.  Schuyler  noch  einmal  die  Wirkung  seines  Reisepasses, 
und  es  war  ihm,  nach  den  schlimmen  Erfahrungen  der  letztvergangenen  Tage,  sehr  an  • 
genehm,  zu  fmden,  dass  er  von  Seiten  des  Bek,  den  er  jedoch  nicht  zu  Gesicht  bekam, 
gastfreundlich  aufgenommen  ward.  *Ich  erhielt  einen  grossen  Garten,  eme  Masse  von 
Früchten  und  ein  Abendessen.  Die  Einwohner  kamen  in  grosser  Anzahl,  um  mich  zu 
sehen,  und  da  ich  mir  vorgenommen  hatte,  um  Mitternacht  abzureisen,  so  legte  sich 
ein  Jeder  zum  Schlafen  auf  die  Terasse,  um  meinen  Aufbruch  abzuwarten». 


«Meine  Reise  (so  heisst  es  auf  S.  54)  war  in  vieler  Hinsicht  unaiv 
genehm,  aber  doch  nicht  ganz  nutzlos.  Ich  habe  erfahren,  wie  so 
eine  mittel-asiatische  Regierung  beschafien  ist,  und  habe  die  Grösse 
und  das  Wesen  des  Einflusses,  den  Russland  auf  seine  Nachbarn 
ausübt,  kennen  gelernt». 

Den  Schluss  dieses  neunten,  Hrn.  Schuyler*s  Bercisung  des  Cho- 
kand'schen  Chanates  umfassenden  Kapitels,  machen  Auszüge  aus 
einem  äusserst  interessanten  Briefe,  welche  ein  Eingeborener  im 
Jahre  1874  schrieb.  Dieser  Brief  handelt  über  die  gani  unglaub- 
lichen Erpressungen,  welche  sich  Chudojar-Chan  zu  Schulden  kom- 
men liess,  und  die  ganz  ohne  Zweifel  eine  der  Hauptursachen  der 
Unzufriedenheit  der  Bevölkerung  waren.  So  ein  asiatisches  Volk 
erträgt  Grausamkeiten  aller  Art,  selbst  das  Lebendigbegrabenwer- 
den  und  das  entsetzliche  Pfählen*,  ohne  Murren,, denn  es  ist  daran 
gewöhnt;  allein  wenn  Neuerungen  in  Betreff  der  Abgaben  und  Ver- 
mehrung derselben  eingeführt  werden,  wie  es  in  so  äusserst  raffi- 
nirter  Weise  von  Seiten  des  Chan*s  von  Chokand  geschah,  dann  be- 
ginnt es  zu  murren  und  schliesslich  zu  revoltiren. 

• 

Reise  nach  Buchara. 

«Meine  Bereisung  Buchara's  contrastirte  in  jeder  Beziehung  mit 
der  Bereisung  Chokand^s.  Buchara  war  nicht  so  schön,  aber  es  zeigt 
das  Gepräge  einer  älteren  und  mehr  ausgebildeten  Civilisation.  Die 
Bewohner  des  Landes  waren  liebenswürdig  und  hatten  feinere 
Sitten;  allein  sie  waren  auch  weniger  einfach  und  mehr  rusL  Meine 
Aufnahme  war  so,  dass  ich  sie  mir  nicht  besser  wünschen  konnte. 
Man  betrachtete  mich  nicht  wie  einen  fremden  Spion  und  behan- 
delte mich  nicht  mit  Gleichgültigkeit,  oder  wohl  gar  mit  Hohn;  im 
Gegentheil,  ich  wurde  wenigstens  äusserlich  als  ein  geehrter  Gast 
betrachtet,  und  Festlichkeiten  und  Vergnügungen  wurden  mir  zu 
Ehren  veranstaltet.  Die  Bucharen  wissen  bestimmt,  was  Gastfreund- 
schaft ist,  und  zeigten  mir  dieselbe  von  der  besten  Seite.  Bei  alle- 
dem glaube  ich  jedoch  nicht,  dass  sie  über  die  Russen  in  Wirklich- 
keit anders  denken,  als  die  Chokander;  sie  gaben  der  Sache  nur  einen 
anderen  Ausdruck.  In  Chokand  sprach  sich  das  durch  Rohheit  und 
Unhöflichkeit  aus;  in  Buchara  nahm  man  seine  Zuflucht  zur  ganzen 


'  Ueber  das  «Pfählen*  und  über  die  verschiedenen  anderen  in  Chokand  üblichen 
I^ibesstrafen  und  Hinrichtnngsarten  gibt  Hr«  Scbuyler  auf  S    16  weitere  Auskunft« 


17' 

Feinheit  der  Diplomatie^  \  Mit  Vorstehendem  leitet  Hr.  Schuyier  die 

.  Beschreibung  seiner  Buchara'schen  Reise  ein. 

Hr.  Schuyier  trat  diese  Reise  am  i6.  (28.)  Juli  von  Samarkand 
aus  an»  ausgerüstet  mit  Briefen  des  Generals  Abramow  an  die  Beks 
von  Kitab  und  Schaar,  sowie  an  den  Emir,  und  begleitet  vom  Ki* 
tab'schen  Polizeimeister,  welcher  von  Samarkand,  wo  er  mit  dem 
General  Abramow  zu  thun  gehabt,  nach  Hause  zurückkehrte.  Aus- 
ser seinem  Dolmetscher  Andrei  hatte  er  noch  einen  Kirgisischen 
und  Persischen  Dschigiten  bei  sich,  welcher  letztere  mit  der  Beauf- 
sichtigung des  Gepäckwagens  beauftragt  war. 

In  der,  von  Samarkand  nur  24  Werst  entfernten,  am  Nordfusse 
der  Samarkand-Gebirgskette  gelegenen  kleinen  Ortschaft  Kara-Tep^ 
ward  das  erste  Nachtquartier  abgehalten,  zu  welchem  Zwecke  von 
Seiten  der  Ortsobrigkeit  im  Garten  einer  Moschee  eine  Jurte  aufge- 
schlagen und  für  Thee  und  Pillaw  zum  Abendessen  gesorgt'  worden 
war.  Am  nächsten  Tage  wurde  das  obenerwähnte  Gebirge  selbst 
durch  den  5200  Fuss  hohen  Tachta  Karatschi-Pass  überstiegen,  wo. 
bei  man  von  der  Passhöhe  aus  sich  des  herrlichen  Anblicks  des 
Thaies  von  Schehrisebs  und  der  dahinter  aufragenden,  mit  Schnee 
bedeckten  Hissar-Gebirgskette  erfreute.  Kitab,  Schaar,  selbst  Jaka- 
bagh  und  Tschiraktschi  mit  den  umliegenden  Dörfern  waren 
deutlich  zu  erkennen,  obgleich'  sie  wegen  der  vielen  Baum-  und 
Obstgärten  mehr  da3  Aussehen  von  Wäldern,  als  wie  von  Städten 
hatten.  Der  Absteig  vom  Gebirge  auf  dessen  Südseite  war  sehr 
steil,  so  dass  er  zu  Fuss  geschehen,  und  das  Pferd  geführt  werden 
musste.  Man  war  jetzt  auf  Bucharischem  Grund  und  Boden  ange- 
kommen und  wurde  von  einer  20  Mann  starken  Eskorte,  welche  der 
Bek  von  Kitab  den  Reisenden  entgegengeschickt  hatte,  empfangen, 
auch  wurden  sogleich  Boten  nach  der  12  Werst  entfernten  Ort- 
schaft Kainar  vorausgesendet,  welche  die  Ankunft  der,  im  gemächli- 
chen Schritt  nachfolgenden  Reisegesellschaft  anmeldeten.  In  Kai- 
nar, wo  man  Mittags  anlangte,  natürlich  abermaliger  festlicher  Em- 
pfang von  Seiten  des,  von  einer  Suite  von  Dschigiten  begleiteten 
Serkar.  Hr.  Schuyier  ward  zu  einer,  für  ihn  aufgestellten  Jurte  gelei- 

.  tet  undTiatte  kaum  Zeit,  das,  nach  dem  staubigen  Ritte  nöthige  Wa- 
schen von  Gesicht  und  Händen  vorzunehmen,  als  schon  eine  Pro- 


*  Indem  Hr.  Schuyier  sagt:   «man  nahm  seine  Zuflucht  zur  ganzen  Feinheit  der 
Diplomatie«,   so  entwickelt  er  hier  auf  einmal  eine  Zartheit  der  Ausdrucksweise,  die 
man  von  ihm  gar  nicht  gewöhnt  ist;  er  hätte  einfach  sagen  sollen:  «man  log  in  der  un 
verschämtesten  W«^*;  ^^  ^^^e  die  reine  Wahrheit  gewesen. 


172 

Zession  mit  dem,  aus  verschiedenen  Süssigkeilen  und  Früchten  be- 
stehenden Dostar-Chan  erschien,  worauf  eiligst  grüner  Thee,  Suppe, 
gekochtes  Fleisch  und  Pillaw  aufgetragen  ward.  Nach  einstündiger 
Rast  brach  man  wieder  auf  und  erreichte  die  Ortschaft  Urus-Kisch- 
lak,  wo  eine  neue  Eskorte,  aus  den  Söhnen  des  Bek  von  Kitab  be- 
stehend, die  Reisenden  erwartete.  Wie  schon  in  den  vorhergegange- 
nen Fällen  so  auch  hier  Verbeugung  und  Händeschütteln,  gegensei- 
tige Erkundigung  nach  der  Gesundheit  und  dem  Wohlbefinden  der 
Angehörigen,  u.  s.  w. 

Von  hier  aus  wurde  die  Gegend  grün  und  einladend;  man  durch- 
fuhrtete  den  klaren,  dem  ganzen  Thale  bis  Karschi  hinab  Leben  und 
Fruchtbarkeit  gebenden  KaschkarDarja,  und  erblickte  vor  sich,  auf 
einer  kleinen  Bodenanschwellung,  den  crenelirten,  mit  Zinnen  verse- 
henen Lehrawall,  welcher  die  beiden  Zwillingsstädte  Kitab  und 
Schaar,  aus  denen  Schehriscbs  zusammengesetzt  ist,  umschliesst.  In- 
nerhalb dieses  Walles  befanden  sich  Obat-  und  Baumgärten,  und  es 
dauerte  eine  Weile,  ehe  man  die  eigentliche  Stadtmauer  von  Kitab 
erreichte. 

In  Kitab  selbst  musste  Hr.  Schuyler  eine  Anzahl  Strassen  und 
den  Bazar  durchreiten,  um  nach  seinem  Absteigequartier,  der  Resi- 
denz des  Polizeimeisters,  seines  bisherigen  Reisebegleiters,  zu  ge- 
langen, wo  ihm  die  ausgedehnteste  Gastfreundschaft  erwiesen  ward. 
Nun  folgt  auf  S.  64  u.  ff.  eine  ziemlich  ausfülyliche  Schilderung  der 
ihm  erwiesenen  Ehrenbezeugungen  und  Aufmerksamkeiten.  Auf 
den  Strassen,  welche  er  passirte  und  namentlich  auf  dem  Bazar  er- 
hob sich  Jedermann  und  grüsste  nicht  allein  achtungsvoll,, sondern 
auch  freudig.  Auf  dem  Balkon  seiner  Wohnung  waren  Teppiche 
und  seidene  Matratzen  und  Kissen  ausgelegt,  auf  denen  er  sich  be- 
haglich strecken  konnte;  der  von  den  Dienern  herzugebrachtc  Do- 
star-Chan bestand  aus  mehr  als  20  Gerichten;  und  alsbald  erschie- 
nen ein  Dutzend  Knaben,  die  Musik  ertönte,  das  Tanzen  der  Kna- 
ben begann  und  dauerte  ohne  Unterbrechung  ein  Paar  Stunden,  bis 
Hr.  Schuyler,  der  (wie  er  sich  ausdrückt)  bereits  fürstliches  Gebah- 
ren  angenommen  hatte,  huldvoll  die  Erlaubniss  zur  Beendigung 
gab.  Gegen  Abend  erfuhr  er,  dass  der  Bek  zu  seinem  Empfange 
bereit  sei.  Er  begab  sich  daher  nach  der  von  hohen  Lehmmauern 
umgebenen,  zwei  grosse  Höfe  und  verschiedene  Gebäude  enthalten- 
den Citadelle,  zu  welcher,  da  sie  auf  einem  künstlichen  Hügel  er- 
baut ist,  ein  steiler  Weg  aufwärts  führt.  Oben  wurde  er  von  ver- 
schiedenen Beamten  erwartet,  und  zur  Seite  so  wie  auf  den  bcnach- 


barten  Strassen  Spalier  bildende  Soldaten  salutirten  unter  Trom- 
petengeschmetter, während  eine  grosse  Volksmenge  hinterher 
drängte.  Beim  Eintritt  in  den  ersten  Hof  kam  ihm  der  Bek  entge« 
gen,  drückte  ihm  lebhaft  die  Hand,  fragte  nach  seiner  und  des  Ge- 
neral Abramow  Gesundheit,  und  führte  ihn  in  den  Empfangssaal, 
eine  schöne  grosse  Halle,  deren  Wände  mit  arabeskenartigen  Mu- 
stern stuckaturt  waren.  Die  rothüberzogenen  Stühle,  auf  welche  man 
sich  während  der  Unterhaltung  setzte,  waren  übrigens  »dieselben, 
welche  Hr.  Schuyler  in  seiner  Wohnung  beim  Polizeimeister  be- 
nutzt hatte,  denn  er  sah,  wie  ihm  dieselben  in  Prozession  nachgetra- 
gen worden  waren;  und  in  Betreff  der  Unterhaltung  selbst  wird  von 
unserm  Reisenden  angeführt,  dass  unter  Anderem  auch  die  Rede 
auf  Amerika  gekommen  sei  und  dass  der  Bek  so  wie  die  anderen 
Würdenträger  so  seine  eigenen,  freilich  sehr  unbestimmten  Ideen 
von  diesem  Lande  gehabt  habe,  da  er  zu  glauben  schien,  Amerika 
sei  ein  Ort,  etwa  so  gross  wie  Buchara,  und  die  Leute  seien  daselbst 
hauptsächlich  mit  Baumwollenkultur  beschäftigt.  Nach  abermaligen 
Komplimenten  uiid  Befragungen  nach  der  Gesundheit  ward  Hr. 
Schuyler  entlassen  und  erhielt  als  Geschenk  einen  rothen  Chalat 
von  Goldstoff,  wie  ihn  die  russischen  Priester  tragen,  während  der 
Dolmetscher  und  Dschigit  jeder  ein  seidenes  Gewand  bekam;  vor 
der  Thür  aber  erwartete  ihn  ein  anscheinend  sehr  schönes  Pferd  mit 
goldplattirtem  Zügel  und  gesticktem  Geschirr,  welches  sich  jedoch 
nach  Abnahme  von  Sattel  und  Zeug  zwar  als  ein  Argamak,  aber  als 
sehr  schwach  erwies,  und  vielleicht  nur  3  Pfund  Sterling  werth  war. 
Nach  der  Mahlzeit  erschienen  wiederum  die  tanzenden  Knaben;  da 
aber  Hr.  Schuyler  keinen  abermaligen  Tanz  wünschte,  so  Hess  man 
einige  ^ Maskaradas Aes»  (eingeborene  Komödianten)  kommen,  wel- 
che die  Gesellschaft  bis  spät  in  die  Nacht  mit  ihren  komischen,  dem 
Volksleben  entnommenen  Vorstellungen  und  mit  der  Nachahmung 
von  Thieren  amüsirten,  und  fortwährend  schallendes  Gelächter  der 
Zuschauer  hervorriefen.  Am  anderen  Tage,  nachdem  er  seine  Ge- 
gengeschenke an  den  Bek  gesendet*,   den  Bazar  besucht  und  viele 

*  Hr,  Schuyler  erzählt  hier,  dass  der  Bek  mit  dem  die  Geschenke  überbringenden 
Dolmetscher  eine  längere  Conversation  gehabt  und  sich  erkundigt  habe,  ob  Hr.  Schuy- 
ler nicht  etwa  ein  Verwandter  ües  Kaisers  sei,  denn  obgleich  er  wusste,  dass  er  ein 
Amerikaner  war,  so  schien  er  doch  zu  glauben,  er  sei  zugleich  ein  Russe.  Auch  habe 
der  Bek  bald  darauf  einen  Boten  gesendet  und  ihn  bitten  lassen,  dem  General  Abramow 
zu  schreiben,  wie  gut  seine,  hiesige  Aufnahme  gewesen  sei,  hinzufügend,  dass  er  (der 
Bek)  den  Brief  von  sich  aus  fortschicken  wolle. 


m 

Leute,  die  mit  ihm  sprechen  wollten,  empfangen  hatte,  begab  sicli 
der  Reisende  nach  dem  nur  9  Werst  entfernten  Schaar,  von  dem 
dortigen  Bek  mit  Ungeduld  erwartet. 

Der  Weg  von  Kitab  nach  Schaar  verläuft  zwischen,  in  hoher  Kul- 
tur stehenden  Gärten  und  Feldern,  welche  ringsum  mit  Bäumen 
bepflanzt  sind.  Empfang  an  der  Grenze  von  Seiten  des  Neffen  des 
Bek  mit  grosser  Suite,  Alle  in  Gallakleidung;  Begrüssung  und  gegen- 
seitiges Befragen  nach  der  Gesundheit.  Läufer  voran;  denn  hier  ist 
es  Braudh,  dass  hohe  Würdenträger  ihren  Pferden  Leute  voraus- 
gehen lassen.  Als  Hr.  Schuyler  den  Versuch  machte,  bei  den  Läu- 
fern vorüberzureiten,  da  folgte  Jedermann  seinem  Beispiele,  allein 
Keinem  gelang  es,  die  Läufer  zu  überholen.  Als  man  zur  Stadt  ge- 
langte, ward  das  Gedränge  sehr  gross,  verschiedene  Personen  kamen 
und  schüttelten  die  Hand,  sehr  viele  verbeugten  sich  sehr  tief, 
namentlich  die  Juden  und  Hindus;  und  bei  der  Festung,  wo  sich  der 
Palast  des  Bek  befindet  und  wohin  sich  Hr.  Schuyler  auf  ausdrück- 
lichen Wunsch  des  Bek  direkt  begab,  hatte  sich  eine  solche  Volks- 
menge angesammelt,  dass  die  Polizei  Mühe  hatte^  Ordnung  zu  er- 
halten. Am  Thor  der  Festung  Ehrenwache  und  Trompetenge- 
blase; innerhalb  derselben  zum  weiteren  Empfange  3— 400  Mann 
Soldaten  aufgestellt;  abermals  grosser  Tusch  von  Trommeln  und 
Trompeten  und  sogar  Kanonendonner  zur  Begrüssung.  Hier  stieg 
Hr.  Schuyler  vom  Pferde,  ward  von  zwei  ^usiasc/iis  (Befehlshaber 
über  100  Mann)  in  Empfang  genommen  und  in  den  inneren  Hof  des 
Palastes  geführt,  wo  ihm  der  Bek,  ein  alter  Mann  mit  zitternden 
Händen,  herzlich  grüssend  entgegenkam.  Man  setzte  sich  auf  einen 
grossen  Teppich,  welcher  über  die,  an  einer  Seite  des  Hofes  ange- 
brachte erhöhte  Plattform  ausgebreitet  war,  und  begann  eine  län- 
gere Unterhaltung,  bei  welcher  sich  der  Bek  ausserordentlich  ge- 
sprächig zeigte  und  scheinbar  alles  und  jedes,  was  Hrn.  Schuyler 
betraf,  wissen  wollte:  ob  er  mit  General  Kaufmann  zusammenkom- 
men werde?  wohin  er  zunächst  gehe?  wie  weit  Petersburg  sei?  wie 
viel  weiter  Amerika?  u.  s.  w.  «Unter  Anderem  (so  liest  man  auf 
S.  68)  fragte  er,  ob  es  wahr  sei,  dass  die  Russen  Chiwa  dem  Chan  . 
zurückgegeben  hätten,  c  «Jetzt,  (sagte  er)  nachdem  die  Russen 
Chiwa  genommen  haben,  haben  sie  alle  Städte  genommen,  die  sie 
überhaupt  nehmen  konnten.  Ich  vermuthe,  dass  ausser  England 
keine  einzige  mehr  übrig  ist.  Habt  Ihr  etwas  darüber  gehört?»  • 
Ich  antwortete  darauf  sehr  ernsthaft,  dass  ich  nicht  glaubte,  dass 
die  Russen  augenblicklich  die  Absicht  hätten,  diese  grosse  Stadt 


m 

zu  Erobern,  dass  jedoch  bei  Allah  jegliches  Ding  möglich  sei»; 
In  der  Zwischenzeit  hatte  man  den  DostarChan  von  mehr  als 
30  Gerichten  herbeigebracht,  und  es  ward  ausgezeichneter  grüner 
Thee  servirt  Als  Hr.  Schuyler  so  viel  gegessen  hatte,  als  es 
die  Höflichkeit  erforderte,  wurden  die  Gerichte  wieder  abge- 
tragen und  zu  ihm  nach  Hause  geschickt,  wo  er  sie  bei  seiner 
Ankunft  vorfand.  «Ich  kann  nicht  sagen  (so  lässt  sich  Hr. 
Schuyler  vernehmen),  dass  ich  darüber  traurig  war,  denn  die 
Kocherei  in  Schaar  war  bei  Weitem  die  beste,  welche  ich  in  Central- 
Asien  angetroffen  habe».  Mit  einem  mächtigen  Schimmel,  den 
ein  ungeheuer  grosses,  gesticktes  Tuch  bedeckte,  beschenkt,  verab- 
schiedete sich  Hr.  Schuyler  und  ward  in  das  Haus  eines  hohen  Be- 
amten geführt,  wo  für  ihn  Wohnung  eingerichtet  war,  und  wo  er  die, 
im  Palast  des  Bek  begonnene  Mahlzeit  fortsetzte,  nach  deren  Be- 
endigung er  wiederum  den  Tanz  von  10  Knaben  bis  spät  in  die 
Nacht  über  sich  ergehen  lassen  musste,  weil  die  Neffen  des  Bek  ge- 
kommen waren^  um  den  Abend  mit  ihm  zu  verbringen.  Am  näch- 
sten Tage  besuchte  Hr.  Schuyler,  begleitet  von  einigen  Beamten  zu 
Pferde  und  einem  Läufer  voran,  den  Bazar,  wozu  übrigens  die  Er 
laubniss  des  Bek  vorher  eingeholt  werden  musste.  Es  war  gerade 
Bazartag,  und  die  ganze  Stadt,  insbesondere  der  Bazar,  gedrängt 
voll  Menschen.  Mit  Ausnahme  eines  runden  Gebäudes  mit  radien- 
artig, vom  Centrum  ausgehenden  Passagen,  wo  feine  Baumwollen* 
und  Seidenwaaren  wie  auch  Kurzwaaren  verkauft  wurden,  glich 
dieser  Bazar  jedem  anderen  bisher  gesehenen,  und  jede  Handels- 
branche hatte  ihre  eigene  Lokalität.  Englische  Waaren,  mit  Aus- 
nahme dünner,  zu  Turbanen  gebrauchter  Musseiline,  wurden  nicht  be- 
merkt, dagegen  viel  russischer  bedruckter  Callico  und  andere  Baum- 
wollenwaaren;  der  grösste  Theil  der  ausgelegten  Gegenstände  war 
jedoch  einheimisches  Fabrikat.  Hr.  Schuyler  besuchte  dann  noch 
ein  Theehaus,  wo  er  einigen  Gauklenl  zusah,  die  mit  zahmen  Schlan- 
gen Kunststücke  machten,  Feuer  assen^  Messer  verschluckten  u.s.  w., 
und  verbrachte  den  Rest  des  Tages  zu  Hause,  dem  von  einem  Tam- 
burin begleitenden  Dutara-Spiele  und  Gesänge  zweier  Männer  zuhörend, 
und  im  Gespräch  mit  seinem  Wirthe  und  dessen  Freunden.  Er  erfuhr 
dabei,  dass  Schaar  90  Moscheen  und  3  Medressen  habe,  woraus  man 
auf  eine  Bevölkerung  von  ungefähr  20,000  Menschen  schliessen  kann 
während  das  etwas  kleinere  Kitab  ungefähr  15,000  Einwohner  hat; 
u.  s.  w.  Am  Abend  ward  schliesslich  noch  eine  grosse  Unterhal- 
tung von  Tänzen   und  Taschenspielern  ihm  zu  Ehren  arrangirt,  und 


zeitig  am  nächsten  Morgen  setzte  Hr.  Schuyler,  von  seinem  Wirth 
bis  zu  der  kleinen  Ortschaft  Scharmitan  begleitet,  seine  Reise  nach 
Tschiraktschi  weiter  fort.  Neun  Werst  von  Schaar  zu  einem  Halt 
eingeladen,  trinkt  er  in  einem  Garten  des  Emir  Thee.  In  Tschirak- 
tschi findet  der  Reisende  ebenfalls  gute  Aufnahme  und  Nachtquar- 
tier; Abends  Tanz  der  Knaben,  die  man  von  Schaar  hatte  kommen 
lassen,  da  es  in  Tschiraktschi  dergleichen  mcht  gab.  Mit  Sonnen- 
aufgang geht  es  weiter  nach  Karabak,  immer  im  grünen  Kaschka- 
Thale  abwärts;  rechts  der  Fluss,  bald  näher,  bald  weiter  entfernt. 
Gastliche  Aufnahme  in  Karabak.  Die  Reise  geht  weiter  nach 
Scham,  von  wo  bald  nach  2  Uhr  aufgebrochen  und  nur  in  Kanawat, 
9  Werst  vor  Karsclii,  ein  kleiner  Aufenthalt  wird  genommen,  um 
Thee  zu  trinken.  Fünf  Werst  vor  Karschi  begegnet  der  Reisende 
den  Gehülfen  des  Bek  mit  seiner  Suite;  allgemeine  Freude  und 
gegenseitige  Umarmung,  wobei  sich  jedoch  ein  Jeder  hütet,  durch 
zu  frühes  Absteigen  vom  Pferde  seiner  Würde  etwas  zu  vergeben. 
«Ich  hatte  (sagt  Hr.  Schuyler)  bald  gelernt,  in  welchem  Falle  ich 
zuerst  oder  zuletzt  abzusteigen,  oder  wo  ich  die  Bewegungen  des 
mir  entgegenkommenden  Würdenträgers  zu  beobachten  hatte,  und 
verstand  es  so  einzurichten,  dass  wir  unsere  Füsse  in  einem  und 
demselben  Momente  auf  die  Erde  setzten». 

Karschi  wird,  wie  beinahe  alle  mittel-asiatischen  Städte,  von  aus- 
gedehnten Gärten  umgeben,  was  hier  um  so  mehr  befremdet,  als 
der  Kaschka-Darja,  an  welchem  die  Stadt  liegt,  schon  lange  bevor 
er  die  Stadt  erreicht,  versiegt  (natürlich  nur  während  des  Sommers). 
Das  zur  Bewässerung  nöthige  Wasser  wird  von  Brunnen  geliefert, 
aus  denen  es  entweder  mit  der  Hand  oder  mittelst  roher  Wasser- 
schöpfmaschinen heraufgezogen  wird,  und  Hr.  Schuyler  sah,  als  er 
sich  der  Stadt  näherte,  längs  der  Strasse  viele  solche  Brunnen,  bei 
denen  fortwährend  Leute  beschäftigt  waren,  für  den  Gebrauch  der 
Reisenden  und  ihrer  Pferde  Wasser  zu  schöpfen  und  in  grosse 
Tröge  auszugiessen.  Auch  in  Karschi  fehlt  es  Hrn.  Schuyler  an 
nichts;  insbesondere  ist  er  mit  seiner  Wohnung  sehr  zufrieden,  weil 
das  Zimmer  einige  Stühle  und  einen  Tisch  von  anständiger  Höhe 
hatte,  während  anderwärts,  selbst  da,  wo  für  seine  Aufnahme  beson- 
dere Vorbereitungen  getroffen  worden  waren,  die  Sitze  nach  larfdes- 
üblichem  Brauche  stets  einen  Fuss  höher  waren,  als  der  Tisch. 

Karschi  ist  ein  Centrum  für  den  Handel  mit  Getreide,  welches  von 
allen  Punkten  des  so  fruchtbaren  Kaschka-Thales  und  selbst  aus  der 
Nachbarschaft  von  Hissar  hierher  gebracht  wird,  um  hauptsächlich 


nach  Buchara  weitergeschafft  zu  werden ;  ebenso  ist  hier  der  Haupt- 
markt  für  die  Waaren  der  Turkmenen,  hauptsächh'ch  für  deren  aus- 
gezeichnete Teppiche;  und  endlich  ist  Karschi  auch  ein  Stapelplatz 
für  Sklaven.  Hr.  Schuyler  verlangte  den  Sklavcnmarkt  zu  sehen 
und  ward  demgemäss  auch  hingeführt,  allein  es  waren  keine  Sklaven 
vorhanden,  wohl  aber  sagte  man  ihm,  dass  wahrscheinlich  am  nach« 
sten  Tage,  als  am  Bazartage,  Sklaven  zum  Verkauf  gebracht  wer- 
den würden.  Ueberhaupt  erschien  die  weitläufig  gebaute  Stadt  mit 
ihrem  bedeckten,  und  mit  gepflasterten  Strassen  versehenen  Bazar 
da  kein  Bazartag  war,  fast  wie  ausgestorben,  während  das  am  Markt- 
tage, wo  grosser  Handel  getrieben  wird,  ganz  anders  ist.  Auf  den 
Feldern  um  die  Stadt  herum  wird  viel  Mohn  und  Tabak  gebaut, 
welch  letzterer  als  der  beste  in  Central-Asien  gilt  Obgleich  Hr. 
Schuyler  den  Bek,  zweiten  Sohn  des  Emir,  nicht  zu  sehen  bekam, 
so  wurde  doch  der  übliche  Austausch  von  Geschenken  nicht  unter- 
lassen. Hr.  Schuyler  erhielt  5  schöne  Chalate  und  einen  Schim- 
mel, dessen  Geschirr  mit  Carneolen  und  Türkisen  besetzt  war.  Hr. 
Schuyler  sagt  in  Betreff  dieses  Pferdes  (S.  78):  «Das  war  ein  wirk- 
lich gutes  Pferd,  das  beste,  welches  ich  während  meines  Aufent- 
haltes im  Lande  geschenkt  bekam,  allein  es  ging,  als  ich  es  zum 
ersten  Mal  probirte,  mit  mir  durch  und  ich  hätte  beinahe  den  Hals 
gebrochen». 

Von  Karschi  aus  wendete  sich  Hr.  Schuyler  nach  Nord-Westen, 
um  auf  {geradem  Wege  nach  Buchara  zu  kommen.  Öald  nachdem 
er  die  Stadt  verlassen  hatte,  ward  das  jetzt  trockene  Flussbett  des 
Kaschka  auf  einer,  aus  Ziegelsteinen  erbauten  neunbogigen  Brücke 
überschritten.  Die  Bogen  waren  jedoch  zusammengestürzt  und  nur 
die  Pfeiler  stehen  geblieben,  über  welche  eine  Holzbahn  gelegt  war, 
in  Betreff  welcher  Hrn.  Schuyler  gesagt  wurde,  dass  sie  in  jedem 
Jahre  von  der  Frühlingsfluth  weggeschwemmt  und  wenn  das  Wasser 
gefallen  sei,  wieder  hergestellt  werde.  Nach  einem  Ritt  von  27 
Werst  durch  gut  angebautes  Land  kam  Hr.  Schuyler  nach  Karsan, 
wo  er  sein  Abendbrod  im  Garten  einer  Moschee  einnahm  und  näch- 
tigte, das  Schlafen  in  freier  Luft  aber  zum  ersten  Mal  beinahe  zu 
kalt  fand.  Ueberhaupt  wurde  die  Reihe  der  Reiseannehmlichkeiten, 
welche,  wie  aus  allem  hervorgeht,  Hrn.  Schuyler  bisher  im  hohen 
MaaSse  zufrieden  gestellt  hatten,  durch  die  von  Karsan  bis  Buchara 
zurückzulegende  Wegstrecke  unterbrochen.  Er  sagt  auf  S.  80  u.  ff.: 
«Es  ist  schwer,  die  Unannehmlichkeiten  der  Reise  von  Karschi  nach 
Buchara  zu  übertreiben.     Auf  der .  ganzen  Strecke  von  Karschi  an 

Bugs.  RKvrB.BD.xm.  la 


t78 

•  t 

gibt  es  absolut  nichts,  als  Sand  und  einige  wenige  Stationen  bei 
Brunnen  mit  schlechtem  Wasser,  welche,  wie  alles  Andere,  noch 
aus  der  Zeit  von  Abdullah  Chan  herstammen.  Die  Hitze  war  gross, 
und  ein  heftiger  Wind  bliess  uns  den  Sand  fortwährend  in  die  Au- 
gen und  Nasenlöcher,  und  machte  das  Reiten  sehr  ungemüthlich. 
Häufig  war  der  Weg  derartig  mit  Sand  überweht,  dass  er  gar  nicht 
mehr  zu  erkennen  war,  obwohl  man  gewöhnlich  in  der  Ferne  die 
Kuppel  einer  Cisterne  oder  irgend  einen  anderen  Naturgegenstand, 
durch  welchen  der  Weg  markirt  wurde,  erkennen  konnte.  Zum 
Glück  für  mich  waren  an  den  meisten  Stationen  Zelte  aufgeschlagen 
und  andere  Vorbereitungen  zu  meinem  Empfange  gemacht  worden, 
so  dass  an  reichlichem  frischen  Wasser,  an  Früchten  und  Lebens- 
mitteln kein  Mangel  war;  ich  hätte  ohne  diesen  Umstand  die  Reise 
sehr  schwierig  gefunden.  Ich  war  gezwungen,  am  Morgen  so  früh 
als  möglich  aufzubrechen,  während  der  Tageshitze  auf  irgend  einer 
Station  zu  rasten,  und  dann  am  Abend  die  Reise  weiter  fortzusetzen. 
Da  ich  den  Wagen  mit  dem  Gepäck  bei  mir  hatte,  so  konnte  ich 
mich,  wenn  ich  zu  ermüdet  war,  in  den  Wagen  legen  und,  durch  ein 
Stück  Filz  gegen  Sonne  und  Wind  geschützt,  ein  Wenig  schlafen».* 
Am  Morgen  des  zweiten  Tages  kam  Hr.  Schuyler  auf  der  Station 
Karaul  an,  woselbst  sich  eine,  in  leidlichem  Zustande  erhaltene  Kara- 
wanserei, aus  einer  Anzahl  gewölbter,  rund  um  einen  viereckigen 
Hofraum  liegender  Zimmer  bestehend,  befindet,  und  erfuhr  daselbst, 
dass  der,  auf  der  Reise  von  Buchara  nach  Schehrisebs  begriffene 
Emir  in  einer  Entfernung  von  noch  nicht  30  Werst  sein  Lager  auf- 
geschlagen habe*,  und  dass  er,  wenn  er  ihn  sehen  wolle,  entweder 

'  Aus  dem  oben  mitgetheilten  Passus  geht  zwar  unleugbar  hervor,  dass  ein  grosser 
Unterschied  obwaltet  zwischen  der  bisherigen  Reise  und  der  von  Karschi  nach 
Buchara;  allein  ich  muss  gestehen,  dass  ich  beim  Lesen  dieser  Stelle  ein  Lächeln  nicht 
unterdrücken  konnte.  Durch  seine  Klagen  verräth  Hr.  Schuyler  nur,  dass  er  ein  Neu- 
ling in  Betreff  des  Reisens  im  Orient  war;  ein  Jeder,  der  mit  derartigen  Reisen  nur 
einigermaassen  Erfahrungen  gemacht  hat,  wird  mir  beistimmen,  wenn  ich  behaupte, 
Hr.  Schuyler  habe,  anstatt  zu  klagen,  alle  Ursache  gehabt,  sich  zu  freuen ,  dass  er  die 
betreffende  Wegstrecke  unter  so  äusserst  günstigen  Verhältnissen  zurücklegen  konnte. 
Frisches  Wasser,  Früchte,  Speisen  und  schattiges  Zelt  in  der  Wüste !  was  will  niAn 
mehr? 

'  Hr.  Schuyler  schätzt  das  den  Emir  begleitende  Heer  auf  8000  Mann,  und  «sagt, 
dass  der  Emir  auf  seinen,  in  jedem  Jahr  nach  Karschi  und  Schehrisebs  unternommenen 
Reisen  jedesmal  von  einer  solchen  Armee  begleitet  werde,  nicht  sowohl  um  in  der- 
selben vorkommenden  Falles  einen  Schutz  zu  haben,  als  vielmehr  um  sich  ihrer  Treue 
zu  versichern  und  zu  verhüten,  dass  während  seiner  Abwesenheit  etwa  ein  onzufrie- 
4cner  Sohn  oder  ein  rebellischer  Bek  die  Armee  fUr  sich  gewinne,  und  ihn  von  der 


typ 

sogleidi  vorwärts  gehen  oder  in  Karaul  bis  zum  nächsten  Tage  auf 
die  Ankunft  des  Emir's  warten  müsse.  Das  Erste  vorziehend,  machte 
er  sidL,  trotz  grosser  Hitze,  auf  den  Weg  nach  dem  Lager,  wo  ihm 
ein  grünes  Zelt  angewiesen  und  sofort  Thee,  Früchte  und  Pillaw  ge- 
bracht wurde.  Hr.  Schuyler  erzählt  nun  umständlich,  welche  Ver- 
handlungen zwischen  ihm  und  dem  Taksaba^  statthatten,  ehe  es  um 
die  Mittagszeit  des  folgenden  Tages  zur  Audienz  beim  Emir  kam. 
Diese  Audienz  beschreibt  Hr.  Schuyler  folgendermaassen: 

«Der  Emir  kniete  ayf  einer  breiten,  niedrigen,  nur  einige  Zoll  über 
dem  Fussboden  erhöhten  und  mit  seidenen  Kissen  bedeckten  Bett* 
stdle,  welche  neben  einigen  Teppichen  und  Kissen  die  gesammte 
Ausstattung  des  2^1tes  bildete.  Als  ich  eintrat  (Hr.  Schuyler  er- 
wähut  im  Vorgehenden,  dass  alle  Beamten  draussen  blieben,  und 
dass  nur  er  mit  seinem  Dolmetscher  in's  Zelt  trat)^  wendete  er  sich 
zu  mir,  streckte  lächelnd  seine  Hand  aus,  ergriff  die  meinige^  und 
sagte:  c# General  Aman?**  (d.  h.  befindet  sich  der  General  wohl, 
den  General  Abramow  meinend,  von  welchem  Hr.  Schuyler  ein  Em- 
pfehlungsschreiben  überbracht  hatte);  ich  antwortete:  ««Aman»* 
(d.  h.  Er  befindet  sich  wohl).  Hierauf  gab  er  auch  dem  Dolmetscher 
die  Hand  und  liess  uns  sich  ihm  gegenüber  niedersetzen.  Da  ich 
voraussetzte,  die  Etiquette  verlange,  dass  er  zuerst  spreche,  so 
schwieg  ich  still  und  konnte  ihn  mit  Müsse  betrachten.  Er  war  ein 
grosser,  starker  Mann  von  bleichem  Aussehen,  mit  kleinen,  dunklen, 
unruhigen,  nach  allen  Richtungen  umherschauenden  Augen.  Sein 
Fleisch  erschien  sehr  welk  und  ungesund,  und  seine  Hände  zitterten 
fortwährend,  wie  man  mir  sagte,  in  Folge  zu  häufigen  Gebrauches 
von  Reizmitteln.  Sein  Bart  war  sehr  dunkel,  aber  ziemlich  dünn. 
Er  trug  einen  einfachen  grauseidenen  Chalat  und  einen  weissen  Tur- 
ban. Nachdem  ich  vergeblich  gewartet  hatte,  dass  er  sprechen 
würde,  wurde  mir  das  Stillschweigen  lästig,  und  ich  sagte: 

«Ich  kam  mit  einem  Briefe  vom  General  Abramow.» 

«cja,  ich  habe  ihn  empfangen»»  (antwortete  er). 


Hauptstadt  aueschliesse.  Gleichzeitig  liebe  es  der  Emir,  sich  an  den  Einwohnern  von 
Schehrisebs  zu  rächen,  indem  er  sie  den,  aus  der  Gegenwart  einer  so  bedeutenden 
Truppenmasse  hervorgehenden  Unbequemlichkeiten  und  militärischen  Erpressungen 
aussetzt 

*  Taksaba  ist  ein  Rang,  dem  unseres  Obersten  beinahe  gleichkommend.  Moham- 
med Scherif,  der  diesen  Rang  hatte,  war  ein  HauptzoUeinnehmer  und  hatte  nebenbei 
die  Stellung  eines  dienstthuenden  'Ceremonienmeisters ,  wenn  der  Emir  Fremde 
empfangen  wollte. 


l80 

«Ich  war  in  Kitab,  Schaar  und  Karschi,  wo  ich  sehr  gut  aufgenom- 
men ward  und  meine  Zeit  sehr  angenehm  verbrachte». 

««Es  freut  mich,  dass  es  Euch  gefallen  hat.  Ich  freue  mich,  dass 
Dir  gekommen  seid»» ! 

«Ich  wünsche  nun  nach  Buchara,  Kara-Kul  und  Tschardschui  zu 
gehen,  und  dann  zurück  nach  Samarkand. 

««Betrachtet  dieses  Land  als  das  Eurige,  und  reiset  wohin  Ihr 
wünscht  Geht  nach  Buchara,  Kara-Kul  und  Tschardschui,  und  seid 
unser  Gast,  und  verbringt  die  Zeit  angenehm.  Der  Taksaba  wird 
alles  für  Euch  arrangiren»». 

Ich  dankte  ihm  für  die  Erlaubniss  und  wartete  noch  einen  Augen- 
blick. Er  fing  an  unruhig  nach  der  Thür  zu  blicken ;  der  Taksaba  er- 
schien^  und  der  Emir  sagte:  ««Jetzt  geht»»,  worauf  wir  uns  sogleich 
verabschiedeten  » .  ^ 

Als  Hr.  Schuyler  seine  Sachen  packte,  um  weiter  zu  reisen,  ka- 
men noch  die  Geschenke  des  Emir's  an,  aus  4  Chalaten  und  einem 
mit  einer  reichen  Schabrake  belegten  Pferde  bestehend. 

Das  Lager  des  Emir's  war  nur  15  Werst  von  der  Stadtmauer  ent- 
fernt, und  schon  nach  3  oder  4  Werst  gelangte  man  zu  den,  die 
Stadt  umgebenden  Gärten  und  Feldern,  deren  Einfriedigungen 
besser  erschienen,  als  in  den  Vorstädten  von  Taschkend  und  Samar- 
kand,  während  die  Bäume  nicht  so  dicht  gepflanzt  waren.  Je  näher 
man  der  Stadt  kam,  um  so  zahlreicher  wurden  die  Leute,  denen 
man  begegnete;  Bauern,  Kaufleute  und  Mullahs,  zu  Fuss,  zu  Pferd, 
zu  EseL  Es  war  Bazartag,  und  Jedermann  war  mit  dem,  was  er  ge- 
kauft hatte,  beladen.  Man  passirte  Dorf  auf  Dorf,  und  die  ganze,  mit 
zahllosen  kleinen  Buden  und  Kaufläden  besetzte  Strasse  erschien 
wie  ein  einziger  langer  Bazar.  Endlich  erblickte  man  zur  Linken  die, 
von  ihren  grünen  Gärten  sich  abhebende,  blaue  Kuppel  der  Moschee 
Namasga,  und  hatte  die  hohen  Stadtmauern  vor  sich.  Man  ritt 
durch  das,  von  zwei  mächtigen  Thürmen  überragte  Thor  Sallia- 
Chani,  kam  durch  enge  macadamisirte  Strassen,  einem  Kanal  ent- 
lang, durch  den  Bazar,  wo  sich  eine  dichte  Volksmenge  um  die  Rei- 
senden schaarte  und  beinahe  den  Durchgang  versperrte,  passirte 
viele  Moscheen  und  Medresseen,  ritt  über  den  Rigistan  mit  seinen 
Marktplätzen,  erblickte  zur  Rechten  die  Citadelle,  und  gelangte  end- 
lich abermals  durch  viele  enge  Strassen  beinahe  bis  zur  Stadtmauer- 

*  Hr.  Schuyler  sagt,  dass  nach  seiner  Rückkehr  nach  Samarkand  von  Buchara  aus 
berichtet  worden  sei^  er  habe  des  Emir's  grosses  Misfallcn  erregt,  weil  er  ihm  bei  der 
Audienz  die  Iland  zu  stark  gedrückt  habe. 


i8i   _ 

I 

bei  dem  Ugjlan-Thore,  wo  steh  das,  für  Hrn.  Schuyler  zur  Wohnung 
bestimmte  Haus  befand. 

Hr.  Schuyler  gibt  nun  (S.  80  u.  ff.)  eine  Schilderung  seiner  häus- 
lichen Einrichtung  und  seiner  Lebensweise  während  seines,  eine  Wo- 
che dauernden  Aufenthaltes  in  Buchara.  Am  frühen  Morgen  werden 
Besuche  gemacht  oder  empfangen;  alsdann  reitet  er  durch  die 
Stadt  und  besichtigt  Moscheen,  Medresseen  und  andere  Merkwür- 
digkeiten, schlendert  auf  dem  Bazare  herum  u.  s.  w.,  und  zwar  stets 
mit  einer  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Begleitung  \  während  am 
Abende  beinahe  immer  Bekannte  bei  ihm  zu  Besuch  war«n,  und 
ihm  zu  Ehren  Unterhaltungen,  gewöhnlich  »Knabentänze*  arrangirt 
wurden.  Auch  unterlässt  es  Hr.  Schuyler  nicht,  zu  bemerken,  dass 
er  seinen  Dienern  Unterricht  in  der  Kochkunst  gegeben  habe,  um 
von  der  landesüblichen  Küche,  deren  er  schon  seit  Chokand  über- 
drüssig war,  so  viel  als  möglich  loszukommen. 

Die  Stadt  macht  auf  Hrn.  Schuyler  einen  mächtigen  und  sehr  an- 
genehmen Eindruck.  «Man  kann  nicht  die  Strasse  betreten  (so  heisst 
es  aufS.  88),  ohne  sogleich  zu  erkennen,  dass  man  sich  in  einer  Haupt- 
stadt befindet.  Wohlgekleidete  Leute,  auf  g\it  gepflegten  und  reich 
aufgezäumten  Pferden  gemächlich  reitend,  der  Marktplatz  besetzt 
von  Haufen  von  Müssiggängern,  selbst  die  Engigkeit  der  Strassen 
und  die  Höhe  der  Häuser,  die  zahlreichen  Bazare,  der  beständig  vor 
sich  gehende  grosse  Handelsverkehr,  welcher  jeden  Tag  zu  einem 
Bazartag  zu  machen  scheint,  zeigt,  dass  man  es  mit  einer  Metropole 
zu  thun  hat*.  Die  von  Hr.  Schuyler  ausführlicher  beschriebenen 
Gegenstände  sind:  d^v  Rigistan  (ein  grosser  öffentlicher  Platz  vor 
der  Citadelle),  die  Citadelle,  die  wichtigsten  Moscheen  und  Me- 
dressen,  die  Bäder,  die  Bazare  und  insbesondere  der,  inmitten  der 
Stadt  nahe  bei  der  Citadelle  liegende  Bazar  Ts/iar-su,  bei  welcher 
Gelegenheit  sich  Hr.  Schuyler  über  Buchara  als  mittel-asiatisches 
Handelscentrum  ausspricht,  und  sein  Befremden  nicht  unterdruckt, 
dass  er  zur  Zeit  nur  einen  einzigen  russischen  Kaufmann  in  Buchara 
vorfindet,  Hrn.  Schmelew,  Agent  der  Firma  Gebrüder  Rykow, 
welcher   zwei   kleine    Zimmer    im  Aim  Sarai  einnimmt   und   mit 

*  «Ausser  meinen  eigenen  Dienern  ^so  heisst  es  auf  S.  87)  waren  hier  noch  mehrere, 
dem  Hause  angehörige  Diener,  und  3  oder  4  Sekretäre  (Mirzai^  welche  spcrieU  fUr 
mich  zu  sorgen  und  den  Befehl  hatten,  mich,  wohin  es  auch  immer  sei,  zu  begleiten«  Sic 
waren  sehr  höflich  und  es  schien  nicht,  als  hätten  sie  gegen  die 'Besichtigung  irgend  ei- 
nes Theiles  der  Stadt,  oder  gegen  irgend  emen  von  mir  ausgesprochenen  Wunsch 
etwas  einzuwenden».  Und  doch  waren  es  sicher  nur  heimliche  Aufpasser. 


l82 

I    I 

BaumwoUenwaaren,  vorzüglich  aber  mit  Kurzwaaren  und  Luxus- 
artikeln handelt.  Von  Schmelew  erfährt  er  zugleich,  dass  der 
russische  Handel  beinahe  gänzlich  in  den  Händen  von  Tataren  liegt, 
und  durch  welche  Umstände  der  Aufschwung  des,  von  den  Russen 
betriebenen  Handels  verhindert  wird  (S.  95)  Einige  Auszüge  aus 
einem,  im  «Europäischen  Boten»  (B'fecTHHK'b  Eeponu)  März  1873 
veröffentlichten,  äusserst  beachtenswerthen  Berichte  Petrowskij's: 
«Meine  Reise  nach  Buchara»,  beschliessen  diesen  merkantilischen 
Exkurs  Hrn.  Schuyler's. 

Was  Hrn.  Schuyler's  öffentlichen  Verkehr  mit  den  Leuten  in 
Buchara  anlangt,  so  äussert  er  sich  im  Allgemeinen  nicht  unzufrie- 
den darüber.  Zwar  ward  er,  namentlich  wenn  er  den  Bazar  besuchte, 
stets  von  Volkshaufen  umringt,  wodurch  seine  freie  Bewegung^be- 
hindert  ward,  und  die  ihn  begleitenden  Mirza^s  mussten  das  Volk 
oft  zurückdrängen;  allein  man  behandelte  ihn  mit  Höflichkeit,  ob- 
schon  bei  Weitem  nicht  mit  demselben  Respekt  und  derselben 
Zuvorkommenheit,  wie  in  Scherisebs  und  Karschi,  wobei  Hr.  Schuy- 
ler  die  Bemerkung  macht,  dass  in  allen  Städten,  wo  sich  russische 
Truppen  auch  nur  einen  Tag  lang  aufgehalten  hatten,  das  Benehmen 
der  Einwohner  ein  weit  achtungsvolleres  gewesen  sei.  Nur  mit  dem 
Kusch  Begi  (Gross- Vezir),  mit  welchem  er  es  als  mit  dem  Stell- 
vertreter des  al^wesenderi  Emir  zu  thun  hatte,  und  mit  dessen 
Sohne,  dem  weiter  oben  genannten  Taksaba,  kann  er  nicht  fertig 
werden.  Von  ihnen  ward  er  für  einen  Spion  gehalten,  und  mit 
ihnen  hatte  er  zwei  Streitigkeiten,  welche,  da  sie  die  Verfahrungs- 
weise  der  Bucharischen  Diplomatie  kennzeichnen,  von  Hrn.  Schuyier 
mit  grosser  Weitläufigkeit  (S.  lOO — 112)  dargelegt  worden.  Ich 
gehe  jedoch,  den  Leser  auf  Hrn.  Schuyler^s  Buch  verweisend,  kurz 
über  diese  Sache  hinweg.  Der  eine  Fall  betraf  den  Ankauf  einesSkla- 
ven,  da  Hrn.  Schuyier  daran  gelegen  war,  den  Behörden  von  Tasch- 
kend,  welche  glaubten,  dass  der  Sklavenhandel  nicht  mehr  existire, 
das  Gegentheil  zu  beweisen.  Der  erste  Ankauf  eines  Sklaven  ward 
von  der  Behörde,  offenbar  aus  Furcht  vor  der  russischen  Regie- 
*rung,  hintertrieben,  und  nur  der  List  Hrn.  Schuylcr's  gelang  es,  den 
Ankauf  eines  zweiten  Sklaven  heimlich  zu  bewerkstelligen  *.     Der 


*  Hr.  Schuyier  brachte  diesen  7*  oder  8-jährigen  Knaben,  einen  Perser,  welcher  von 
den  Turkmenen  in  der  Nähe  von  Maimana  geraubt  worden  war,  und  welchen  er  mit 
7000  Tengas  (=r  21  Pfd.  St.)  bezahlte,  mit  nach  St.  Petersburg,  wo  er  zwei  Jahre  lang 
in  die  Schule  ging  und  Russisch  lesen  und  schreiben,  sowie  etwas  Deutsch  erlernte, 
später  aber  zum  Hof-Uhrmacher,  einem  achtbaren  Tataren,  in  die  Lehre  kam. 


...  ;83  _ 

andere  Fall  aber  bezog  sich  auf  die  von  Hrn.  Schuyler  beabsichtigte 
Reise  nach  Tschardschui,  wozu  er  sich,  wie  weiter  oben  gezeigt 
worden  ist.  vom  Emir  die  Erlaubniss  erbeten  und  auch  erhalten 
hatte.  Trotz  aller  Versuche  Hrn.  Schuyler's,  diese  Reise  durchzu- 
setzen, war  er  doch  gezwungen,  dieselbe  aufzugeben.  In  beiden 
Fällen,  die,  wie  bereits  gesagt,  von  Hrn.  Schuyler  sehr  ausführlich 
erzählt  werden,  entwickelten  der  Taksaba,  sowie  dessen  Vater,  der 
Kusch-Begi,  eine  solche  Fertigkeit  im  Vorbringen  von  Ausreden 
und  eine  solche  Lügenhaft i;[keit,  wie  sie  wohl  nur  bei  einem  Perser 
(der  Kusch-Begi  war  in  der  That  ein  ehemaliger  persischer  Sklave) 
vorkommen  können*. 

Hr.  Schuyler  verliess  Buchara,  und  ging  über  ßaha-Uddin,  Kujuk« 
Mazar,  Warganzi,  Bustan,  Malik,  Kermine,  Tasch-Kupriuk,  Mir  und 
Schirin-hatun  nach  Watty-Kurghan,  dem  ersten  russischen  Grenz- 
orte, wohin  ihm  General  Abramow  einen  seiner  Freunde  nebst 
Reisewagen  entgegengeschickt  hatte,  und  langte  wohlbehalten  in 
Samarkand  wieder  an. 

In  Baha-Uddin,  einem  von  Buchara  nur  9  Werst  entfernten 
Wallfahrtsorte,  hatte  Hr.  Schuyler  ein  Abenteuer,  das  einzige  auf 
seiner  ganzen  mittel-asiatischen  Rei.se,  zu  bestehen,  welches  von  ihm 
wie  folgt  erzählt  wird  (S.  113):  «Wir  fanden,  dass  hier  ein  Bazar  war, 
und  die  Strassen  waren  gedrängt  voll  von  Leuten  jeglichen  Standes 
vorwiegend  aber  von  Bettlern  und  Pilgern.  Als  ich  durch  die  Volles« 
menge  ritt,  ging  ein  anständig  gekleideter  Mullah  hart  an  meiner 
Seite;  er  hatte  einen  grossen  Stein  in  seiner  Hand  und  murmelte  so 
vor  sich  hin:  ««Lasst  mich  ihn  ordentlich  treffen,  und  er  wird  so- 
gleich todt  hinsinken,  und  es  wird  ein  Kaffir  (Ungläubiger)  weniger 
sein»».  Zum  Glück  hörte  das  der  Dolmetscher  und  ritt  sogleich  auf 
ihn  los,  worauf  der  Mullah  den  Stein  fallen  lie.ss  und  sich  eine 
Strecke  weit  zurückzog,  dann  aber  einen  anderen  Stein  aufhob  und 
damit  nach  dem  Dolmetscher  warf.  Jetzt  jagten  ihm  aber  der  Dol- 
metscher und  die  Dschigiten  nach  und  trieben  ihn  durch   einen 


'  Als  Hr.  Schuyler  nach  Samarkand  zurückkam,  erhielt  er  die  AbschriA  eines,  vom 
Kusch-Begi  an  den  General  Abramow  gerichteten  Schreibens,  worin  mit  Wohlgefallen 
von  Hm.  Schuyler's  Besuch  gesprochen  und  gesagt  wird,  er  (nämlich  Hr.  Schuyler) 
habe  den  Wunsch  ausgedrückt  nach  Tschardschui  zu  gehen,  und  die  Bucharische 
Regierung  habe  sich  beeifert,  ihm  in  jeder  Art  behülflich  zu  sein,  dass  er  jedoch,  als 
er  hörte,  der  Weg  dahin  sei  gefährlich,  aus  eigenem  Antriebe  auf  diese  Reise  ver- 
ziehtet  habe. 


.         i84 

Wassergraben   in*s   offene  Feld,   wo   sie   ihn    mit  ihren  Peitschen 
gründlich  durchhieben  und  halbtodt  liegen  Hessen  L 

In  Kermine  ward  Hrn.  Schuyler  von  Seiten  des  13  jährigen  Bek# 
eines  Sohnes  des  Emir,  eine  Aufnahme  in  ganz  ähnlicher  Weise, 
wie  es  früher  in  Kitab,  Schaar  u.  s.  w.  stattgefunden  hatte,  zu  Theil. 
Festlicher  Empfang,  Aufmarsch  von  Soldaten,  Trompetengeschmet- 
ter u.  s.  w.;  Geschenk  und  Gegengeschenk.  Hr.  Schuyler  erhielt 
nicht  weniger  als  7  Chalate,  so  schön,  wie  er  solche  nirgends  an- 
derswo erhalten  hatte;  einer  derselben  war  aus  Kaschmir-Stoff, 
gegen  30  Pfd.  St.  werth.  Hr.  Schuyler  dagegen  hatte  von 
Taschkend  für  diesen  Bek  einige  Spielsachen  mitgebracht,  unter 
anderen  eine  kleine  Trompete  und  einen,  durch  ein  Uhrwerk  in  Be- 
wegung zu  setzenden  Schnellläufer,  worüber  der  Bek  eine  grosse 
Freude  hatte,  jedoch  die  Sachen  sogleich  verdarb. 
''  Seine  Bucharischen  Reise- Ergebnisse  (meiner  unmaassgeblichen 
Ansicht  nach  nicht  eben  von  grosser  Bedeutung)  resümirt  Hr. 
Schuyler  in  nachstehenden  Schlusssätzen  (S.  118):  «Trotz  einiger 
Unbequemlichkeiten,  die  ich  hatte,  und  trotz  vieler  Streitigkeiten 
mit  den  Behörden,  blicke  ich  doch  mit  ausserordentlichem  Ver- 
gnügen auf  meine  Bereisung  Buchara's  zurück.  Nicht  nur^  dass  das 
Land  selbst  interessant  war,  auch  die  Regierung,  wie  misstrauisch 
und  argwöhnisch  sie  sonst  auch  sein  mochte,  that,  so  weit  es  sich 
um  die  Gastfreundschaft  drehte,  alles  in  ihren  Kräften  Stehende, 
um  meine  Tage  angenehm  zu  machen».  —  c Während  meiner  gan- 
zen Reise  hatte  ich  mich  bestrebt,  meine  Unabhängigkeit  aufrecht 
zu  erhalten,  hatte  mich  weder  in's  Bockshorn  jagen  noch  betrügen 
lassen,  und  hatte  darauf  bestanden,  dass  Keiner  sich  einbilde,  über 
.  mir  zu  stehen,  da  ich  mit  dem  Nationalcharakter  der  Leute  hin- 
reichend bekannt  war,  um  zu  wissen,  dass  je  mehr  Respekt  man 
fordert,  um  so  mehr  man  auch  empfängt.  Ich  hatte  die  Befr  cdi- 
gung,  mich  während  der  Rei^e,  ja  sogar,  oder  will  ich  lieber  sagen, 
ganz  besonders,  bei  meinen  Streitigkeiten  mit  dem  Taksaba,  zu 
amüsiren,  und  wohlbehalten  zurückzukehren». 

«Als  zwei  Monate  später  ein  russischer  Oberst  auf  seinem  Heim- 
wege von  Chiwa  durch  Buchara  kam  und  die  Beamten  fragte,  was 
vorgefallen  sei,  da  gab  man  ihm  zur  Antwort:    Ein  Amerikaner  war 


*  Hr.  Schayler  erfuhr  später,  dass  dieser  Mann,  behufs  der  Bestrafung,  gefänglich  ein 
gesogen  worden  war.  Ob  aber  eine  Bestrafung  wirklich  stattgefunden,  blieb  ihm  un- 
bekannt. 


i8S 

/ 

auf  lo  Tage  hier,  und  hielt  die  Leute  in  Buchara  vollständig  unter 
seiner  Kontrolle». 

(Schluss  folgt). 


Die  geologische  Reise  Ton  J.  W.  Mnschketow  lach 
dem  Alal  und  nach  Pamir  Im  Jahre  1877'. 


Die  geologische  Reise  nach  dem  Alai  und  Pamir,  welche  Hr. 
Muschketow.  im  Jahre  1877  im  Auftrage  des  General- Gouverneurs 
von  Turkestan  unternommen,  bildet  nur  die  Fortsetzung  der,  in  den 
Jahren  1874 — 1875  von  ihm  in  Turkestan  ausgeführten  geologischen 
Untersuchungen*.  Da  die  Reisen  Muschketow's  in  Turkestan  noch 
nicht  beendet  sind,  so  wird  eine  vollständige  Zusammenstellung  sei- 
ner Beobachtungen  erst  nach  Beendigung  derselben  im  Drucke 
erscheinen;  es  folgen  daher  vorläufig  nur  in  Kürze  die  Hauptresultate 
seiner  letzten  Untersuchungen  auf  dem  Alai  und  Pamir. 

Hr.  Muschketow  beendigte  die  Ausrüstung  dieser  Expedition  in 
Margelan,  wo  sich  die  Hauptverwaltung  des  Ferghana-Gebietes  be» 
findet.  Nachdem  er  die  mächtigen  Ablagerungen  des  Jura,  der 
Steinkohlen-,  Kreide-,  Naphthaführenden,  der  Tertiär  und  Posttertiär- 
formation, die  im  Süden  von  Margelan  und  besonders  vollständig 
in  der  Umgegend  der  Dörfer  Rischtan,  Utsch-Kurgan  u.  a.  entwickelt 
sind,  kennen  gelernt  hatte,  gelangte  er  bereits  im  Monat  Juli  in  das 
Dorf  Schach-Mardan,  das  in  einem  felsigen  Thale  gleichen  Namens 
in  einer  Höhe  von  4C00  Fuss  liegt  und  durch  das  Grab  des  Prophe- 
ten Ali,  der  von  den  Mohammedanern  hochverehrt  wird,  berühmt  ist. 
Dieses  Thal  durchschneidet  mächtige  Massen  von  Bergkaljc,  die  zu 
hohen  Bergen  ansteigen.  Vom  erwähnten  Dorfe  ging  der  Weg  des 
Reisenden  durch  die  Schlucht  Kara-Kasyk,  die,  je  näher  man  der 
Erhebungsaxe  des  Gebirges  von  Süd-Chokand  kommt,  immer  felsi- 
ger und  immer  schwieriger  zu  passiren  wird;  oft  schlängelt  sich  der 
kleine  Pfad,  der  den  hochtönenden  Namen  einer  Strasse  führt,  an 
steilen  Abhängen  von  grosser  Höhe  hin,  und  hängt  buchstäblich  über 
Abgründen  von  mehreren  hundert  Fuss  Tiefe.  Etwas  oberhalb  von 
Artscha-baschi  trifft  man  bei  einer  Höhe  von  10,000  Fuss  Baum- 
wuchs:  Wachholder,  Sandweiden,  Birken  u.  a.  wechseln  mit  krie- 
chendem Wachholdergestrüpp  ab.  Die  metamorphischen  Kalk- 
steine, die  sich  bis  Artscha-baschi  ununterbrochen  hinziehen,  haben 


'  Vgl.  «Russ.  Revue*  Bd.  XIII,  S.  80.  Wir  verweisen  den  Leser  zuglei<h  auf 
die  in  Bd.  IX,  S   535  u.  ff.  publizirte  Arl>eit  des  Hrn.  Kostenko. 

^  Sie  sind  auf  Grund  von  Beobachtungen  zusammengestellt,  die  dem  Sekretär  der 
Gesellschaft  eingeschickt  worden  sind. 


i86 

ihren  Platz  mächtigen  Ausläufern  von  mittelkörnigem  Syenit  und 
Diorit  mit  Gängen  eines  dichten  Diabases  abgetreten.  An  der 
Grenze  der  metamorphischen  und  krystallinischenGesteine  entdeckte 
Hr.  Muschketow  ein  kleines  Kupfererzlager.  Mit  der  Veränderung 
der  Gesteinsarten  verändert  sich  auch  das  Aussehen  der  Berge: 
felsige  Gipfel  zeigen  die  verschiedenartigsten  phantastischsten  Um- 
risse. Der  ausnehmend  steile,  steinige  Engpass  von  Kara-kasyk 
(14,500  Fuss)  durch  welchen  die  Expedition  das  süd  chokand'sche 
Gebirge  überschreiten  musste,  zeigte,  wie  unvortheilhaft  nach  dieser 
Seite  der  Reiseweg  ist.  Die  Untersuchung  kleiner  Gletscher*,  die 
hauptsächlich  auf.  der  Nordseite  des  Passes  liegen,  lehrte:  i)  dass 
diese  Gletscher  in  Folge  ihrer  geringen  Grösse  keine  regelmässig 
vertheilte  Moränen  tragen  und  2)  dass  sie  abnehmen,  da  einige  hun- 
dert Faden  unterhalb  der  jetzigen  Gletschergrenze  alte  Moränen 
liegen.  Die  Untersuchung  des  Bestandes  und  Charakters  der  alten 
Moränen  bestärkte  Hrn.  Muschketow  von  Neuem  in  der  Ansicht, 
dass  diese  Anhäufungen  nichts  Gemeinsames  mit  den  konglomerat- 
artigen Ablagerungen  haben,  die  in  allen  Thälern  des  Thian-schan 
so  verbreitet  sind  und  die  man  fälschlich  als  Beweis  der  Gletscher- 
periode im  Thian-schan  ansaht 

Vom  Pass  Kara-kasyk  stieg  die  Expedition  in's  Thal  Kok-ssu 
hinunter,  durch  welches  sie  auf  den  Alai  gelangte.  In  diesem  Thale 
sind'  die  Ausgänge  der  Diabase  und  Diorite  schön  entblösst  und 
werden  dieselben  nach  Westen  massiger;  sie  bedingen  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  den  Zusammenhang  des  süd-chokand'schen  und 
Transalaischen  Gebirges,  unterhalb  der  Mündung  des  Kok-ssu, 
Beim  Orte  Togurek-schiwer  wechseln  krystallinische  Gesteine  mit 
Thonschiefern,  auf  denen  diskordant  die  Schichten  der  Juraforma- 
tion lagern,  die  eine  grosse  Masse,  wenn  auch  schlecht  erhaltener 
Versteinerungen  aufweisen. 

Auf  Grund  der  Untersuchung  der  Ablagerungen  im  Thale  Alai 
gelangte  Hr.  Muschketow  zur  Ueberzeugung,  dass  dieses  hohe, 
hnggestreckte  Thal  (Höhe  8000—12,000  Fuss),  das  bereits  von 
Hrn.  Fedtschenko  sehr  glücklich  charakterisirt  wurde,  zu  der  Klasse 
von  Längsthälern  des  Thian-schan  gehört,  die  einst  als  Behälter  der 
Gebirgsgewässer  dienten  und  später  austrockneten,  wie  das  Tschot- 
kala-,  das  Kotschkapa-,  das  Dsehumgala-Thal  u.  A.  Sie  liegen  immer 
parallel  mit  den  angrenzenden  Gebirgszügen,  bilden  den  oberen 
Theil  grosser  Flussthäler  und  endigen  als  Schluchten,  so  verengt 
sich  auch  im  gegebenen  Falle  das  Alai-Thal,  welches  vom  Kysylssu 
unterhalb  der  Mündung  des  Kok-ssu  durchschnitten  wird,  so  sehr, 
dass  man  es  nicht  mehr  passiren  kann.  Solche  Thäler  sind  durch 
die  syklinale   Lage  der  geschichteten  Gesteinsarten  bedingt.     Als 


*  Sic  gehören  zur  Kategorie  derjenigen  Gletscher,  die  Studcr  Firngletscher  nennt. 

'  Siehe:  Kurzer  Bericht  des  Hrn.  Muschketow  über  die  geologische  Reise  in  Turke- 
stan  hn  Jahre  1875.  Schriften  der  Kaiserl.  St.  Pbrg.  Mincralog.  Gesellschaft  Bd.  XII, 
1877  S.  170.  Ebenso:  Auszug  aus  den  Berichten  der  Kaiserl.  Kussischen  Geologischen 
GescUscbafl  Bd.  XII.  1876,  S.  222.    Vgl.  auch  «Russ.  Revue»  Bd   XI,  S.  281. 


187 

Typen  solcher  früheren  Wasserbehälter  können  die  jetzigen  Seen 
des  Thian-Schan  dienen,  die  noch  nicht  austrocknen  konnten,  deren 
Eingehen  aber  überall,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  bemerklich 
ist,  wie  z.  B.  beim  Sson-kul,  Ssairam-nor,  Issyk-kul  und  selbst  beim 
Pamir'schen  Karapkul. 

Hr.  J.  W.  Muschketow  begab  sich  aus  dem  Alai-Thale  nach  Sü- 
den, indem  er  das  Transalaische  Gebirge  längs  dem  Tus-arassy- 
Pass,  der  reich  an  grossen  Steinsalzablagerungen,  besonders  am 
Flüsschen  Ukasyk,  ist,  durchschnitt.  Nach  den  Diluvial-  und  Juraab- 
lagerungen des  Alai  treten  bald  darauf  die  rothfarbigen  Sandsteine 
der  Trias  hervor,  die  erst  in  der  Mitte  des  Tus-arassy-Passes  aufhö- 
ren und  weiter  oberhalb  mit  den  Ausläufern  von  Diorit,  Epidotdto- 
rit,  Dioritschiefer  u.  a.  abwechseln  und  sich  ununterbrochen  zum 
Pass  von  Ters-agar  (10,000  Fuss)  hinziehen.  Dieser  Pass  ist,  ob- 
gleich von  einer  bedeutenden  absoluten  Höhe,  sanft  geneigt  und  be- 
quem  zu  passiren.  Seine  höchste  Stelle  bildet  eine  Ebene  mit  einem 
kleinen  See,  welcher  der  Ursprung  von  Quellen  ist,  die  sich  nach 
zwei  entgegengesetzten  Seiten  ergiessen:  in  den  Fluss  Kysyl-ssy 
zum  Alai  und  in  den  Fluss  Muk-ssu  zum  Pamir.  Beim  Flusse  Muk- 
ssu  treten  Granite  hervor,  die  weiter  nach  Süden  bald  aufhören  und 
wieder  mit  Diorit,  Chlorit,  und  anderen  Schiefern  abwechseln.  Von 
der  felsigen  und  dunkeln  Schlucht  Muk  ssu  heben  sich  nach  Süden 
mächtige,  schneebedeckte  Gipfel  ab,  die  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  eine  absolute  Höhe  von  2Q,ooo  Fuss  erreichen.  Da  Hr.  Musch- 
ketow nicht  die  Möglichkeit  hatte,  weiter  nach  Süden  längs  dem 
Muk-ssu  vorzudringen,  theils  wegen  des  Aufstandes  in  Schugnan 
und  Darwas,  in  Folge  des  Todes  des  Chan's  von  Kaschgar,  Jakub- 
Beg^  theils  aus  Mapgel  an  unentbehrlichen  Vorräthen,  so  kehrte  er 
auf  demselben  Wege  nach  dem  Alai-Thale  zurück  und  durchwan- 
derte dasselbe  auf  eine  Länge  von  100  Werst,  was  ihm  die  Möglich- 
keit verschaffte,  die  Ablagerungen  des  Alai  ausführlicher' zu  untersu- 
chen. Sie  sind  sehr  einförmig:  die  äusseren  Grenzen  des  Alai  beste- 
hen aus  Jura-  und  Triasschichten  und  die  Mitte  ist  ausgefüllt  mit 
den  neuesten  Diluvialconglomeraten,  mit  Sand  und  theilweise  mit 
Löss.  Im  Thale  Kysyl-art,  wohin  sich  Hr.  Muschketow  vom  Alai 
aus  in  der  Hoffnung  wandte,  den  See  Kara-kul  zu  erreichen,  gelang 
es  ihm  prächtige  Triasbildungen  recht  gründlich  zu  untersuchen  und 
eine  grosse  Anzahl  von  Versteinerungen  zu  sammeln. 

Der  Reisende  wanderte  durch  den  Pass  von  Kysylart  (14,200 
Fuss)  auf  dem  Transalaischen  Gebirge  bis  zu  den  Thälern  Kok- 
kum,  Kara-kum  und  endlich  bis  zum  berühmten  See  Kara-kui,  der 
auf  einer  Höhe  von  13,200  Fuss  liegt  Die  Triasablagerungen  bei 
Kysyl-art  werden  von  mächtigen  Diorit-  und  Epidotdioritgängen 
durchschnitten,  die  beim  See  Kara-kul  mit  Granitarten,  welche  den- 
jenigen von  Muk-ssu  ganz  analog  sind,  und  mit  metamorphischen 
Thon-  und  Glimmerschiefern  abwechseln.  Die  Untersuchung  der 
Umgebungen  des  Kara-kul  führte  Hrn.  Muschketow  zu  folgenden 
Schlüssen:    erstens   bildet   der  See  Kara-kul  ein  vollständig  ge- 


i88 

Schlossenes  Bassin,  das  keinen  einzigen  Abfluss  hat,  ähnlich  den  an- 
dern Seen  des  Thian-schan,  wie  der  Issykkul,  Ssairam-nor  u.  s.  w., 
obgleich  er  einige  kleine  Flüsse  aufnimmt,  von  denen  offenbar 
nicht  alle  beständig- fliessen;  zweitens  trocknet  der  See  Kara-kul  be- 
deutend aus:  er  war  vor  nicht  langer  Zeit  weit  grösser  und  bildete 
ein  zusammenhängendes  Bassin  mit  den  jetzt  ausgetrockneten 
Wasserbehältern  Kok-kum  und  Kara-kum,  was  beweist,  dass  die  Di- 
luvialablagerungen in  den  Thälern  Kara-kul,  Kok-kum  und  Kara- 
kum sich  gleichförmig  gebildet  haben;  drittens  stammen  die  An- 
flüge von  Salz,  die  man  an  den  Ufern  findet,  wenn  auch  das 
Wasser  etwas  salzig  ist,  doch  aus  den  Auslaugungen  aus  den  Trias- 
schichten her.  Der  Granit  der  Umgegend  von  Kara-kul  wird  nach 
Süden  hin  sehr  bald  von  metamorphischen  Schiefermassen  und  dem 
Trias  verdeckt.  Einzelne  Berggipfel  erreichen  keine  geringere  Höhe 
als  25,000  Fuss.  Was  die  Grösse  des  Kara-kul  anbetrifft,  so  beträgt 
seine  Länge  (von  S.  nach  N.)  nicht  mehr  als  40,  und  seine  Breite 
(von  O.  nach  W.)  nur  2 1  Werst 

Vom  See  Kara-kul  kehrte  Hr.  Muschketow  auf  dem  früheren 
Wege  nach  dem  Alai  zurück;  auf  dieser,  70  Werst  langen  Strecke 
zeigt  sich  nicht  der  geringste  Pflanzenwuchs,  dafür  ist  sie  reich  an 
verschiedenartigen,  grossartigen  Berggipfeln. 

Vom  Altai  reiste  Hr.  Muschketow  direkt  zur  Stadt  Osch  über  den 
kaum  passirbaren  und  bis  jetzt  noch  von  Niemandem  besuchten 
Pass  Dshiptyk  (ca.  15,000).  Die  Betrachtung  der  Gletscher  am 
Dshiptyk  bestätigte  vollständig  die  Schlüsse,  welche  der  Reisende 
aus  der  Untersuchung  derjenigen  des  Kara-kasyk  gezogen.  Zwei 
ganze  Tage  brauchte  Hr.  M.  um  auf  einem  kleinen,  steinigen,  über 
einem  Abgrunde  hängenden  Pfade  durch  die  Schlucht  Dshiptyk  zu  ge- 
langen. Der  Pass  selbst  besteht  aus  vertikal  aufgerichteten  Schichten 
vonThonschiefer  und  Puddingstein,  die  stellenweise  von  Syenitgängen 
durchschnitten  werden ;  vom  Thale  Chadsha-kel-ata  aber,  wo  Jura- 
bildungen beginnen,  erscheinen  Kalksteine  und  Puddingsteine  mit 
Eisenglanz  enthaltenden  Schwerspathadern,  und  bei  der  Mündung 
des  Flusses  Klein-Alai  treten  mächtige  Massen  von  Granit  und 
Diorit  auf,  die  von  Diabasen  und  Melaghyren  durchsetzt  sind.  Hier 
verengt  sich  die  Schlucht  buchstäblich  zu  einer  Spalte,  die  sich  1 5 
Werst  weit  hinzieht.  In  die  Stadt  Osch  kehrte  Hr.  M.  erst  Anfang 
August  zurück,  so  dass  er  mehr  als  einen  Monat  zur  Untersuchung 
der  geognostischen  Verhältnisse  des  Alai  und  Pamir  gebrauchte, 
wobei  er  sich  auf  einer  Höhe  von  8000  bis  15,000  Fuss  bewegte.  Die 
dünne  Atmosphäre,  die  niedrige  Lufttemperatur,  welche  besonders 
des  Morgens  bis  auf  —  8"*  R.  sank,  häufige  Regen  und  Stürme,  der 
Mangel  an  Brennholz,  besonders  auf  dem  Kara-kul,  erschwerten  die 
Untersuchungen  der  Reisenden  nicht  wenig. 

Von  der  Stadt  Osch  reiste  Hr.  M.  zum  Ferghanaschen  Gebirge, 
welches  das  Ferghana-Thal  von  Osten  verschliesst;  von  hier  aus 
ging  er  nach  Norden  auf  die  Tschatkalskischen  Berge,  deren  Unter- 
suchung seine  Arbeiten  im  Jahre  1875  mit  den  jetzigen  verbindet. 


i8ö 

Das  Ferghana-Gebirge  wird  hauptsächlich  aus  Diabasen  und  meta- 
morphischen  Schiefern  gebildet,  auf  denen  diskordant  sekundäre 
und  tertiäre  Bildungen  aufliegen.  Diese  Letzteren  erscheinen  sehr 
regelmässig  an  allen  Grenzen  des  Ferghana- Gebietes,  dessen  Mitte 
mit  mächtigen  Diluvialconglomeraten,  theils  auch  mit  Löss  und 
Sand  ausgefüllt  ist  Die  Sekundärbildungen  im  Ferghana-Gebiet^ 
enthalten  zahlreiche  Lagerstätten  nützlicher  Mineralien:  in  der  Jura- 
formation kommt  Steinkohle  am  Flusse  Naryn  vor,  nicht  weit  von 
Utsch-Kurgan,  bei  Usgent,  Arawan  u.  a.;  die  Kreideformation  ent- 
hält Naphthalager  bei  Maili,  Ssuaskent,  Aim-Kischlak,  Rischtan; 
Schwefellager  kommen  bei  I  ,okana  u.  a.  vor. 

Mit  der  Untersuchung  der  Tschatkalskischen  Berge  beendigte 
Hr.  M.  seine  Reise  und  kehrte  über  Taschkent  nach  St.  Petersburg 
zurück. 

Das  Resultat  dieser  Reise  besteht  in  dem  ersten  Versuch,  Auf- 
klärung zu  geben  über  den  geologischen  Bau  der  Famir'schen  Berg- 
massen. Es  erweist  sich,  dass  hauptsächlich  Granit,  metamorphische 
Thon-  und  Glimmerschiefer,  die  von  Schichten  der  Triasformation 
bedeckt  sind,  den  Bau  des  Pamir,  wenigstens  des  nördlichen  Theiles, 
oder  des  Pamir-Chorgosch  bilden;  die  Richtung  aller  Graniterhe- 
bungen ist  die  allgemeine  des  Thian-schan,  d.  h.  eine  ost-nord- 
östliche  oder  eine,  sich  dieser  Richtung  nähernde.  Nördlicher  vom 
Pamir  hören  die  Granite  bald  auf  und  schon  im  Transalaischen  Ge- 
birge herrschen  Diorite,  Epidatdiorite  u.  a.  vor,  die  auch  die  ost- 
westliche Richtung  der  Haupterhebungsachse  des  Transalaischen 
Gebirges  bedingen  und  daselbst  die  höchsten  Spitzen  mit  ewigem 
Schnee,  die  eine  Höhe  bis  zu  2 5, OCX)  Fuss  erreichen,  wie  der  Pik 
Kaufmann,  bilden.  Noch  nördlicher  herrschen  Sekundärformationen 
mit  grossen  Diluvialanhäufungen  vor. 

Im  Süd-Chokand'schen  Gebirge  erhalten  ausser  den  Syeniten, 
Dioriten,  metamorphischen  Schiefern  und  Bergkalksteinen  eine 
grosse  Verbreitung  die  Diabase  und  Melaphyre,  deren  Ausgänge 
die  lokalen  Gcbirgserhebungen  in  nord-westlicher  Richtung  bedin- 
gen, ebenso  wie  die  vorherrschende  Richtung  der  Granite  und 
Syenite  eine  ost-nord-östliche  ist.  Solche  Gebirgserhebungen  sind 
bemerkbar  z.  B.  in  den  Bergen  bei  Kara-muk,  die  das  Chokand'sche 
und  Transalaische  Gebirge  verbinden  und  zugleich  das  Thal  Alai 
bis  zur  undurchdringlich  engen  Schlucht  verschliessen ;  der  Fluss 
Kysyk-ssu,  der  diese  Schlucht  ausgewaschen,  erscheint  hier  als 
lärmender  Bergstrom  mit  zahlreichen  Kaskaden. 

Im  P'erghana-  und  im  Tschatkalskischen  Gebirge  erscheinen 
ebenso  mannigfaltige  Richtungen  verschiedener  Gesteine,  obgleich 
für  jede  gesonderte  Gesteinsgruppe  die  Richtung  der  Ausgänge 
mehr  oder  weniger  dieselbe  bleibt.  Somit  bleibt  hier  auch  ein 
Zusammenhang  zwischen  der  Richtung  und  Zusammensetzung  des 
Gebirges,  was  in  den  übrigen  Theilen  des  Thian-schan  schon  früher 

*  Die  Untersuchung  des  geolegischen  Baues  des  Ferghana-Gebietes  begann  Hr, 
G.  D.  Romanowskij  im  Jahre  1876. 


von  Hrn.  Muschketow,  auf  Grund  seiner  Untersuchung  des  nörd- 
lichen Thian-schan  bemerkt  wurde. 

Die  mannigfaltigen  Richtungen  der  Gebirge,  die  sich  in  ver- 
schiedenen geologischen  Perioden  gebildet,  bedingen  ausser  den 
lokalen  Erhebungen  auch  noch  die  Ungleichheit  der  Gebirgszweige 
und  den  Zusammenstoss  der  Gebirge,  indem  sie  die  Bildung  von 
solchen  Bergkesseln,  wie  der  Alai,  Kara-kul,  und  wahrscheinlich  der 
Rian-kul,  Sary-kul  u.  a.  begünstigten.  An  den  Stellen  des  Zusam- 
menstosses  der  Gebirgsketten  erscheinen  die  höchsten  Gipfel  und 
die  grösste  orographische  Verwirrung. 

Somit  konnte  Hr.  Muschketow  auf  der  ganzen  von  ihm  unter- 
suchten Strecke  keine  meridionale  Erhebungen  beobachten,  die  das 
Dasein  eines  meridional  gerichteten  Gebirges  —  des  Bolor  —  be- 
dingen könnten;  aber  auf  Grund  der  Identität  der  Zusammen- 
setzung, der  Richtung  und  geologischen  Alters  der  Pamir'schen  Ge- 
birge mit  dem  nördlichen  Thian-schan  kann  man  fast  von  der  Ab« 
Wesenheit  eines  solchen  meridioualen  Gebirges  überzeugt  sein.  Be- 
kanntlich ist  der  von  Alex.  v.  Humboldt  falsch  bestimmte  meridionale 
Bolor,  bereits  zur  Hälfte  verschwunden,  d.  h.  sein  nördlicher  Theil. 
Was  seine  südliche  Hälfte  anbetrifft,  so  hat  sich  die  Ansicht  von 
seinem  Vorhandensein,  Dank  den  Mittheilungen  der  Hrn.  Gordon, 
Shaw  und  Kostenko^,  befestigt;  von  ihnen  beobachtete  der  Erstere 
von  Osten  aus  und  der  Letztere  von  Westen  aus  eine  Reihe  von,  mit 
Schnee  bedeckten  Höhen,  (bis  zu  20,000  Fuss),  die  sich  von  N. 
nach  S.  hin^.ogen.  Es  ist  sehr  möglich,  dass  sowohl  der  Eine  wie  der 
Andere  meridional  gerichtete  Höhenzüge  gesehen,  aber  es  ist  noch 
unentschieden,  ob  diese  Höhen  ein  und  denselben  oder  verschiede- 
nen Gebirgen  angehören.  Auf  Grund  des  geologischen  Baues  des 
Alai  und  Pamir,  ebenso  wie  auf  Grund  der  von  Hrn.  Stolitschka  ge- 
sammelten geologischen  Daten,  findet  Hr.  Muschketow  keine  An- 
haltspunkte zur  Annahme  eines  vollständigen  meridionalen  Gebir- 
ges, dagegen  gehören  die  Höhenreihen,  die  von  Hrn.  Gordon  und 
Kostenko  gesehen  wurden  nach  der  Meinung  unseres  Geologen  zu 
verschiedenen  Gebirgen.  Ihre  Erscheinung  erklärt  er  damit,  dass 
nach  Osten  von  Kara-kul  das  Transalaische  Dioritgebirge,  (das  von 
W.  nach  O.  geht)  und  das  süd-chokandsche  Syenitgebirge  (das 
nach  O.-N.-O.  geht)  mit  dem  Ferghanaschen  Diabasgebirge  (das 
nach  N.-W.  steigt)  zusammenstossen,  wodurch  eine  kolossale  An- 
häufung von  Bergmassen  stattfindet,  die  sich  durch  den  Zusammen- 
stoss mit  dem  Pamir'schen  Granitgebirge  (nach  O.-N.-O  strei- 
chend) noch  vergrössert. 

Die  ganze  Höhenmasse  an  diesem  Kerbenpunkt  gehört  verschie- 
denen Gebirgen  an,  aber  von  Weitem,  von  welcher  Seite  wir  sie 
auch  betrachten,  von  Ost  oder  West,  machen  die  Silhouetten  der  am 
Horizont  zusammenflicssenden  einzelnen  Höhen  den  Eindruck  eines 
ganzen  Meridionalgebirges,  das  in  Wirklichkeit  nicht  existirt.  Mit 
einem  Worte,   die  Gewohnheit,  die   Richtung   von  Gebirgen  auf 

~~«  S/«RöM.  Revue»  Bd.  IX,  Seite  535—565. 


19» . 

Grund  des  äusseren,  scheinbaren  Aussehens  derselben,  ohne  Unter- 
suchung ihres  geologischen  Baues  zu  bestimmen,  hat  schon  mehr 
als  einmal  am  Thian-Schan  zu  Irrthüraer  Veranlassung  gegeben: 
nach  der  Meinung  des  Hrn.  Muschketaw  beruht  die  Annahme  eines 
Meridionalgebirges  Bolor  auf  opthischer  Täuschung,  während  für 
seine  Nichtexistenz  der  geologische  Charakter  des  Pamir,  des  Alai 
und  überhaupt  des  ganzen  nördlichen  Thian-Schan  spricht. 


Literatarbericht 


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SiMAceibörbHie  Aaiu  KapAa  Pummtpa,  teotpafui  cmpaus^  axodjtufuxa  es  cocma$9 
Pocciu  UAU  notpaHUHHUXB  C5  ue/o^  m.  e.  CuSupu^  KumaücKoü  ÜMnepiu^  T\pKt' 
cmaua^  HeaaeucuMoü  Tamapiu  u  Uepciu,  IlepeeedeHa  no  nopyHeuifo  HMnepamop' 
cKaio  pyccKato  reotpa^ixecKoto  Ofufecmea^  C8  donoAuexsjiMu,  CÄ/MaufUMu  npo' 
doAMeuUMS  Pummepoea  mpyda  ua  ocHoeattiu  MamepiaMd&%  oÖHapodoeaHHUXs  Ch 
\%7fl,'io  toda. 

Die  Erdkunde  von  C.  Pitter,  Geographie  der  zum  Bestände  des  Russischen  Reichs  ge- 
hörenden oder  der  an  dasselbe  grenzenden  Länder,  d,  h,  Sibiriens^  China* s^ 
TurkestanSy  der  unabhängigen  Tatar  ei  und  Persiens,  Ueber setzt  im  Au/trage 
der  Kaiserlich  Russischen  Geographischen  Gesellschaft^  mit  Ergänzungen,  welche 
eine  Fortsetzung  des  Werkes  von  Ritter^  auf  Grund  der  vom  Jahre  1832  an 
veröffentlichten  Materialien,  St.  Petersburg  1878.  8<*.  IV.  Bd. 

Der  vorliegende  IV.  Band  des  genannten  Werkes  ist  von  Hrn. 
P.  Ssemenow,  dem  verdienten  Vice-Präsidenten  der  Geographischen 
Gesellschaft,  und  dem  bekannten  Reisenden,  Hrn.  Potanin  heraus- 
gegeben und  ist  eine  durchaus  onginaie  Arbeit.  Er  enthält  die  Zu- 
sätze zu  dem  III.  Band  von  Ritter  s  Werk,  und  zwar  genau  in  der 
Reihenfolge  des  letzteren  Werkes,  eben  als  Ergänzungen  zu  den  ein- 
zelnen Paragraphen  desselben.  Hr.  Ssemenow  hat  seine  schätzens- 
werthe  Arbeit,  welche  im  Sammeln  und  in  der  Redaktion  des  ein- 
schlägigen Materials  bestand,  schon  im  Jahre  1862  begonnen,  aber 
erst  in  den  Jahren  1875  ^^'^  1876  unter  Beihülfe  des  Hrn.  Potanin 
vollenden  können.  In  dem  jetzt  erschienenen  IV.  Bande,  welcher 
die  Frucht  jener  Arbeit  bildet,  sind  alle  geographischen  Forschun- 
gen und  Entdeckungen  vom  Jahre  1832  bis  zum  Jahre  1876  berück- 
sichtigt und  sind  auf  Grund  derselben  die  Ergänzungen  zu  dem  Werke 
von  Ritter  bearbeitet  worden.  Der  Geograph  findet  in  demselben 
eine  Zusammenstellung  der  neuesten  Angaben  über  den  See  Saissan,  das 
obere  Sotysch-Thal,  über  dessen  Lauf  vom  Saissan-See  bis  zum  Altai- 
Gebirge,  über  dieThäler  der  Zuflüsse:  Kaldshura,  Katschuma,  Narym, 
Luchtarma,  Ulba,  Uba  und  über  einige  Theile  do^  Altai  (Ergänzung 
zu  $  41  des  III.  Bandes);  über  die  Gebirgsgruppen  und  Länder  am 
linken  Ufer  des  Irtysch  (Ergänzung  zu  S  42);  über  den  Altai  (Er- 
gänzungen zu  den  S§  43,  44  und  45);  über  das  Ssajan^sche  Berg- 
system und  über  den  südHchen,  das  Gouvernement  Jenisseisk  mit 
den  angrenzenden  Theilen  des  Chinesischen  Reichs  (Ergänzung  zu 
den  SS  46— 50).  Am  Schluss  des  Bandes  befindet  sich  noch  ein 
alphabetisches  Register  der  hauptsächlichsten  geographischen,  im 
III.  und  IV.  Bande  vorkommenden  Namen. 


19^ 

Dieses  Werk  ist  natürlich  für  Alle,  die  sich  der  geograpTiischen 
Erforschung  Asiens  hingegeben,  von  grossem  Werth,  da  sie  Alles 
in  demselben  vorfinden,  was  in  der  Wissenschaft  bisher  für  Rusisch- 
Asien  und  die  angrenzenden  Länder  geleistet  worden.  Dass  in  dem 
Werke  auch  vielleicht  mangelhafte  Angaben  sein  mögen,  darauf  weist 
schon  Hr.  Ssemenow  selbst  in  der  Einleitung  hin;  aber  auch 
die  Fehler  und  Mängel  des  Werkes  werden,  wie  Hr.  Ssemenow 
richtig  bemerkt,  der  Wissenschaft  Nutzen  bringen,  da  sie  die  Rei- 
senden zu  fleissigen  Untersuchungen  in  den  betreffenden  Gegenden 
anspornen  werden.  Als  Mängel  seines  Werkes,  welche  durch  künf- 
tige Forschungen  auszufüllen  wären,  führt  der  geschätzte  Verfasser 
namentlich  an:  die  wenig  ausreichenden  statistischökonomischen 
Angaben  über  den  Bergbau  im  Altai-Gebirge,  und  die  ungenügenden 
historisch-linguistischen  Untersuchungen  über  die  Sprache  der  im 
Ssajan-Gebirge  ansässigen  Stämme.  Hoffen  wir,  das  es  den  künf- 
tigen Forschungsreisenden  bald  gelingen  wird,  diese  nicht  unwe- 
sentliche Lücke  genügend  auszufüllen. 


Russische  Bibliographie. 


^■^.^^  •. 


IiitxmowBkiJ,  A.  Medizinisch-topographische  Beschreibung  des  Orenburgcr  Gou- 
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CKoe  onRcaHie  OpeH^yprcicott  rydepHiu.) 

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532  S.  (UlTeftHfopFB  0.  EspeMcicitt  h  xa.iAeIcintt  dTHMOJioruHecicitt  cüOBapb  xi»  khh- 
ram»  Berxaro  aas'feTa.  Tomi»  I   EHpefiCKo-pyccKift  ) 

DokutBChajew  W.  Die  Bildung  der  Flussthäler  im  Europäischen  Russland.  St. 
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qecicift  oMepK-b.) 

Archiv  des  Reichsraths.  III.  Band.  Die  Regierung  des  Kaisers  Alexander  I.  (1801  — 
1810.)  I.  Theil.  St.  Pbrg.  1878.  4^.  XXVil  -f-  %H  S.  2.  Theil.  St.  Pbrg.  4«.  L  f- 
1276  S.  (ApxHBT»  PocyAapcTBeHHaro  CoR-bra  Tojn>  Tpexitt  UapcrBOBaiiic  UMneparopa 
A;ieKCaHApa  I.  HacTk  1.  HacTb2.) 

Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Röttger. 
Ao3Bu.AeHo  aeHsypoK).  C.-nerepCyprk^  23-ro  ABrycra  1878  roAa 
Buchdnickerei  von  RÖTTOBR&  Schneider,  Newsky-Prospekt  Jh  5. 


Forst  W.  W.  Golizyn. 

(1643—1714.) 
Eine    biographische    Skizze. 

Von 

A.  Brückner. 


Einleitung. 

Je  entscheidender  für  die  Geschichte  Russlands  die  Reform- 
epoche Peters  des  Grossen  gewesen  ist,  von  desto  grösserem  Inter- 
esse ist  es  die  Genesis  jener  Reformideen,  deren  genialer  Vertreter 
der  gewaltige  Herrscher  gewesen  ist,  in  den  Jahrzehnten,  welche 
seiner  Regierung  vorausgingen,  zu  verfolgen.  Auch  vor  Peter  hat  es 
in  Russland  Anhänger  der  west-europäischen  Kultur  gegeben,  be- 
geisterte FortschrittsmlLnner,  welche  von  der  Berührung  Russlands 
mit  Europa  das  Heil  erwarteten,  strebsame,  lernfähige  und  lernbe- 
gierige Schüler  höhergebildeter  Nichtrussen,  liberalgesinnte  Patrio- 
ten, welche  vor  durchgreifenden  Neuerungen  nicht  zurückschraken 
und,  im  Gegensatze  zu  der  trägen  Masse  des  zäh  am  Bestehenden 
festhaltenden  Volkes,  bereit  waren,  mit  manchen  Traditionen  zu 
brechen,  neuen  Elementen  den  Zutritt  nach  Russland  zu  gestatten, 
ihr  Land,  ihr  Volk  der  Segnungen  des  politischen,  intellectuellen, 
moralischen  und  ökonomischen  Fortschritts  des  Westens  theilhaftig 
zu  machen. 

Zu  der  nicht  grossen  Anzahl  solcher  Männer  gehört  der  Fürst 
Wassilij  Wassiljewitsch  Golizyn,  dessen  Leben  und  historische  Be- 
deutung wir  in  der  folgenden  biographischen  Skizze  kurz  zu  schil- 
dern versuchen  wollen.  Es  ist  um  so  anziehender,  in  ihm  einen  Gei- 
stesverwandten Peters  des  Grossen  zu  erblicken,  als  er  keineswegs 
zu  dem  Kreise  Peters  gehört,  ja  vielmehr  dem  letzteren  im  gewissen 
Sinne  feindlich  gegenübersteht.  Die  politische  Rolle  Golizyn's  und 
diejenige  Peters  schlössen  einander  aus.    Zu  den  Bedingungen  einer 

RUS8.  RXYUS.  BD.  ZUI.  1 3 


t94 

erfolgreichen^  selbstständigen  Thätigkeit  des  jungen  Zaren  gehörte 
der  Fall  Golizyn's.  Hatte  der  Letztere  mehrere  Jahre  hindurch  bis 
1689  eine  Art  Regentenrolle  gespielt,  so  musste  er  mit  dem  Sturze 
.seiner  Freundin  und  Gönnerin,  der  Prinzessin  Sophie,  zu  Gunsten 
Peters  das  Feld  räumen,  den  Schauplatz  seiner  Thätigkeit  im  Mit- 
telpunkte des  Staates,  an  der  Spitze  der  russischen  Armeen  mit  der 
Einsamkeit  des  im  entferntesten  Norden  gelegenen  Verbannungsor- 
tes vertauschen. 

Ein  solch'  jäher  Wechsel  in  den  persönlichen  Schicksalen  russi- 
scher Staatsmänner  ist  im  17.  und  auch  wohl  im  18.  Jahrhundert  an 
und  für  sich  eine  nicht  ungewöhnliche  Erscheinung.  Golizyn  gehört 
In  jene  lange  Reihe  russischer  Machthaber,  welche  nach  schrecken- 
iosem  Genüsse  von  Pracht  und  Glanz,  Luxus  und  Einfiuss,  das 
Wohlleben  und  die  grossartige  historische  Rolle  ganz  plötzlich  auf- 
geben müssen,  um  den  Rest  ihres  Lebens  in  der  bescheidenen  oder 
gar  kümmerlichen  Existenz  in  menschenleeren,  wüsten,  unwirthli- 
chen  Gegenden  als  Verbannte  zu  vertrauern.  In  dem  Leben  der 
Matwcjew,  Golizyn,  Tolstoi,  Menschikow,  Ostermann,  Münnich,  Bi- 
ron  und  Anderer  wiederholt  sich  ein  solcher  Gegensatz  von  Glück 
und  Elend,  von  Reichthum  und  Armuth,  von  Höhe  und  Tiefe  nur 
mit  dem  Unterschied,  dass  es  einigen  Wenigen  von  diesen,  als  poli- 
tische Verbrecher  behandelten  Würdenträgern  gelingt,  nach  kürze- 
rer oder  längerer  Verbannung  heimzukehren.  Freunde  und  Ver- 
wandte wiederzusehen,  die  unterbrochene  politische  Thätigkeit  wie- 
der aufzunehmen,  wenn  nicht  ganz,  so  doch  zum  Theil  die  frühere 
Stellung  zu  erringen,  sich  wieder  mit  dem  früheren  Luxus  zu  umge- 
ben, während  die  Meisten  in  Schnee  und  Kälte,  in  Kummer,  Gram 
und  Entbehrung,  bei  einer  Lebensweise,  wie  rohe  Bauern  oder  as- 
ketische Mönche  sie  aus  Noth wendigkeit  oder  Neigung  zu  führen 
pflegten,  schneller  oder  langsamer  dem  Tode  entgegen  gingen. 
Letzteres  Schicksal  ist  auch  dem  Fürsten  Golizyn  zu  Theil  gewor- 
den. Die  Bildungsstufe,  welche  er  einnahm,  muss  ihn  dasselbe  dop- 
pelt schwer  haben  empfinden  lassen,  ein  Umstand,  welcher  nur  ge- 
eignet sein  kann,  die,  dem  Andenken  an  den  Mann  und  seine  Stel- 
lung in  der  Geschichte  Russlands  zu  zollende  Aufmerksamkeit  zu 
steigern. 

Noch  bei  Lebzeiten,  während  der  Verbannungszeit,  ist  Golizyn 
Gegenstand  der  Beachtung  in  der  historischen  Literatur  geworden. 
Jis  kam  ihm  zu  Gute,  dass  ein  diplomatischer  Agent,  welcher,  fran- 


«9S 

zösisch-polnische  Interessen  vertretend,  sich  einige  Monate  im 
Herbst  1689  in  Moskau  aufhielt,  Golizyn  persönlich  kennen  lernte 
und  voll  Bewunderung  über  die  reichen  Gaben  und  die  liebenswür- 
dige Persönlichkeit  des  Fürsten  war.  Die  in  den  Jahren  1698  bis 
1707  in  zwei  französischen,  einer  englischen  und  zwei  holländischen 
Ausgaben  erschienene  «Relation  curieuse  et  nouvelle  de  la  Mos* 
covie»  von  Neuville  ist  die  Quelle,  auf  welche  auch  die  spätere  Ge- 
schichtsforschung, so  oft  sie  sich  mit  W.  W.  Golizyn  beschäftigte, 
zurückzugehen  pflegte.  Hier  werden  wahre  und  erdichtete  Züge  aus 
seinem  Leben  erzählt.  Während  die  Schilderung  der  Eindrücke, 
welche  der  Umgang  mit  dem,  einer  Art  Grossvezierstellung  einneh- 
menden Golizyn  übte,  die  Darstellung  der  Reformentwürfe,  mit  de- 
nen er  sich  trug  und  welche  er  gesprächsweise  dem  Verfasser  der 
«Relation  curieuse»  mittheilte,  von  dem  grössten  Interesse  sind  und 
als  zuverlässige  Geschichtsquelle  angesehen  werden  können,  ver- 
dienten von  den,  zum  grössten  Theil  auf  Klatsch  beruhenden  Anga- 
ben über  Thatsächliches,  z.  B.  über  das  persönliche  Verhältniss  Go- 
lizyn^s  zur  Regentin  Sophie,  die  wenigsten  Glauben,  und  man  muss 
es  bedauern,  dass  spätere  Geschichtsforscher  auf  dieselben  zu  viel 
Gewicht  gelegt  haben. 

Minder  Zusammenhängendes,  aber  durchaus  Zuverlässiges  bietet 
eine  Menge  von  Notizen,  welche  den  Fürsten  betreffen,  in  dem 
Tagebuche  des  Generals  Gordon,  welcher  Jahre  lang  mit  ihm  auf 
vertrautem  Fusse  stand,  ihn  über  die  Verhältnisse  West-Europa's 
unterrichtete,  eine  Reihe  von  Feldzügen  mit  ihm  durchmachte  und 
unmittelbarer  Zeuge  seiner  Katastrophe  war. 

Eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von  Aktenstücken,  Privatbrie- 
fen und  Geschäftspapieren,  welche  den  Fürsten  Golizyn  betreffen, 
erschien  schon  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  Editionen,  wie  die 
Alt-Russische  Bibliothek,  welche  zur  Zeit  Katharina's  II.  von  Nowi- 
kow  herausgegeben  wurde,  sowie  in  der  neueren  Zeit  in  der  von 
der  «Moskauer  Gesellschaft  für  Geschichte  und  Alterthümer  Russ- 
lands» herausgegebenen  Zeitschrift  «Wremennik»,  ohne  dass  diese 
Akten  sehr  viel  Belehrendes  enthielten. 

Wie  man  auch  noch  Jahrzehnte  nach  dem  Tode  Golizyn's  sein 
Andenken  selbst  im  Westen  würdigte,  zeigt  eine  seltsame,  in  den 
Einzelnheiten  der  mitgetheilten  Thatsachen  und  Urtheile  eine  wunder- 
liche Mischung  von  Wahrem  und  Falschem  enthaltende  Flugschrift, 
welche  zur  Zeit  der  Kaiserin  Anna,  im  Jahre  1737,  erschien:  «Ge- 
spräche im  Reiche  der  Todten;  224.  Entrevue  zwischen  dem  Knees 

•3* 


\ 


196 

Basilio  Golizyn  und  dem  russischen  General  B.  von  Hochmuth, 
Leipzig  1737».  Jahreszahlen,  Angaben  über  Feldzüge  und  Schlach- 
ten und  die  dabei  verwendete  Truppenmenge  geben  ein  fast  komi- 
sches Durcheinander  von  Missverständnissen  ab.  Durch  einen 
grossen  Theil  der  Broschüre  zieht  sich  die  spasshafte  Verwech- 
selung des  Fürsten  W.  W.  Golizyn  mit  dessen  Vetter  Boris  Alexeje- 
witsch  Golizyn,  woraus  denn  wieder  eine  Fülle  von  Irrthümern  er- 
wächst. Immerhin  verdienen  einzelne  Angaben  in  diesem  Schrift- 
chen Beachtung.  Dasselbe  zeugt  davon,  dass  man  im  Westen  den 
russischen  Angelegenheiten  früherer  Zeit  gern  eine  gewisse  Auf- 
merksamkeit schenkte,  und  dass  der  Eindruck,  welchen  das  Wirken 
und  die  Persönlichkeit  Golizyn's  auf  seine  Zeitgenossen  geübt  hatte, 
kein  flüchtig  vorübergehender  gewesen  war. 

Genau  hundert  Jahre  später  erschienen  in  Russland  zwei  Biogra- 
phien Golizyn's.  Die  eine  hatte  den  dereinstigen  Vorsitzenden 
der  Moskauer  Gesellschaft  für  Geschichte  und  Alterthümer  Russ- 
lands, A.  Malinowskij  zum  Verfasser  und  ward  gedruckt  im  VII. 
Bande  der  von  diesem  gelehrten  Verein  herausgegebenen  «Studien 
und  Chroniken»  (Moskau  1837).  In  demselben  Jahre  erschien  in 
dem  zweibändigen  Werke  A.  Tereschtschenko's  «Versuch  der 
Uebersicht  des  Lebens  der  Würdenträger,  welche  die  Auswärtigen 
Angelegenheiten  in  Russland  leiteten»  (St.  Petersburg  1837)  eben- 
falls eine  Biographie  Golizyn's.  Beide  Arbeiten  enthalten  sehr 
dankenswerthe  Details,  zeugen  aber  von  sehr  schwach  entwickelter 
Kritik.  So  schenkt  namentlich  Tereschtschenko,  welcher  übrigens 
eine  sehr  bedeutende  Belesenheit  an  den  Tag  legt,  der  Schrift  Neu- 
ville's  unbedingten  Glauben.  Beide  Verfasser  ergehen  sich,  wie 
das  in  jener  Zeit  üblich  war,  in  den  stärksten  Ausdrücken  über  die, 
dem  Fürsten  Golizyn  als  Gegner  Peters  und  Anhänger  Sophiens 
zur  Last  gelegten  Verbrechen.  Polizei  und  Censur  trugen  damals 
dazu  bei,  die  sittliche  Entrüstung  zu  steigern.  An  allerlei  histori- 
schen Ungenauigkeiten  und  chronologischen  Verstössen  ist  in  bei- 
den Schriften  kein  Mangel. 

In  der  letzten  Zeit  hat  Hr.  Ustrjalow  in  seiner  «Geschichte  Peters 
des  Grossen»  neues  und  werthvolles  Material  über  Golizyn  mitgc- 
theilt,  Privatbriefe,  Gerichtsakten  und  sonstige  Geschäftspapiere, 
welche  insbesondere  in  die  Katastrophe  Golizyn's  einen  ungleich 
tieferen  Einblick  gestatten,  als  dies  bis  dahin  möglich  war. 

Aus  allem  diesem  Material  heben  wir  in  der  folgenden,  keines- 
wegs erschöpfenden  Skizze  nur  das  Wesentlichste  heraus. 


197 


Lanfbahn  bis  1682. 

Wassilij  Wassiljewitsch  Golizyn,  im  Jahre  1643  geboren,  stammte 
aus  einem  hochangesehenen  Geschlechte,  welches  seinen  Ursprung 
auf  die  ruhmreichen  Zeiten  Litthauen's  im  dreizehnten  Jahrhundert 
zurückführte.  Einer  seiner  Ahnen,  Michail  Iwanowitsch,  hatte  be- 
reits in  der  ersten  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhunderts'  dem  Gross- 
fürsten Wassilij  Iwanowitsch  in  den  Kämpfen  mit  Polen  sehr  wesent- 
liche Dienste  geleistet  und  seine  Treue  und  Ergebenheit  mit  acht- 
unddreissigjähriger  Haft  in  Polen  gebüsst ;  dessen  Sohn,  Jurij,  hatte 
insbesondere  gegen  die  Tataren  ruhmreich  gekämpft.  Der  Enkel 
Jurij's,  Wassilij,  wurde  mit  dem  Vater  des  ersten  Zaren  aus  dem 
Hause  Romanow,  dem  nachmaligen  Patriarchen  Philaret,  als  russi- 
scher Gesandter  (161 1)  nach  Polen  geschickt  und  hatte,  als  man 
161 3  zur  Wahl  eines  Zaren  schritt,  namentlich  unter  den  Geistlichen 
eine  Partei,  welche  ihn  gerne  auf  den  Thron  erhoben  hätte.  Er 
starb  kinderlos  in  polnischer  Gefangenschaft. 

Wie  alle  Golizyn's,  so  bekleidete  auch  der  Vater  unseres  Golizyn 
Wassilij  Andrej e witsch,  während  der  Regierung  der  ersten  2^ren 
aus  dem  Hause  Romanow  verschiedene  hohe  Posten.  Er  starb  1652, 
als  sein  Sohn  neun  Jahre  alt  war^  Geburt  und  Stellung  hatten  dem 
jungen  Manne  die  Laufbahn  vorgezeichnet.  Er  widmete  sich  dem 
Hofdienste,  begleitete  den  Zaren  Alexei  im  Jahre  1663  auf  einer 
Wallfahrt  zu  einem  Kloster  und  spielte  bei  Hofe  eine  hervorragende 
Rolle. 

Golizyn's  militärische  und  politische  Thätigkeit  begann  in  der  Zeit 
der  Regierung  des  Zaren  Feodor  Alexejewitsch  (1676 — 82).  In 
diese  Zeit  fällt  der  Abschluss  der  klein-russischen  Angelegenheit. 
Nachdem  in  dem  Frieden .  von  Andrussow  (1667)  Russland  nach 
Jahrzehnte  fortgeseztem  Kampfe  mit  Polen,  letzteres  genöthigt 
hatte,  Klein-Russland  wenigstens  links  vom  Dnjepr  abzutreten,  war 
diese  neuerworbene  Provinz  in  dem  Streite  zwischen  Türken  und 
Tataren  einerseits  und  Russland  andererseits  zum  Zankapfel  ge- 
worden. Der  Hetman  Doroschenko  hatte  die  Interessen  der  Orien- 
talen vertreten.  Es  entbrannte  ein  Kampf  um  die  Festung  Tschi- 
girin,  welche  Doroschenko,  nachdem  er  eine  Art  Vasall  des  Sultans 
gewesen  war,  den  Russen  übergeben  hatte.     Der  Kampf  der  Par- 

«  Vgl.  Tereschtschenko  a.  a.  O.  S.  131  u.  ff  Die  Genealogie  ausführlich  in  d. 
Alten  Russischen  Bibliothek,  Bd.  17,  S.  an  u.  ff.,  und  in  einem  besonderen  Werke 
von  Ssertschewskij,  welches  1853  in  St.  Petersburg  erschien. 


198 

teien  in  Klein-Russland  erforderte  eine  energische  Intervention  von 
Seiten  russischer  Beamten  und  Militärs.  An  diesem  Pacificirungs- 
werke  hat  Golizyn  Theil  genommen.  Es  galt  ferner,  das  Land  ge- 
gen die  Einfälle  der  Tataren  zu  schützen.  Golizyn  befestigte  Pu- 
tiwl  und  andere  Städte.  Als  die  Türken  1677  und  1678  Tschigirin 
belagerten  —  es  war  das  erste  Mal,  dass  die  Pforte  und  Russland 
unmittelbar  mit  einander  Krieg  führten  —  befand  sich  Golizyn  beide 
Mal  in  der  Armee,  welche  den  Belagerten  helfen  sollte.  Es  fehlte 
nicht  an  Belohnungen;  Golizyn  erhielt  allerlei  neue  Aemter  und 
Würden,  ward  in  den  Bojarenstand  erhoben,  empfing  kostbare  Ge- 
schenke an  Land  und  Bauern,  werthvollen  Gegenständen  und  Geld, 
auch  den  Stab,  die  sogenannte  Bulawä,  welche  einst  dem  Hetman 
Doroscheoko  gehört  hatte  ^ 

Schon  in  dieser  Zeit  hatte  Golizyn  Gegner.  Wir  hören  von  einer 
gewissen  Spannung  zwischen  ihm  und  dem  Oberfeldherrn  Romo« 
danowskij,  wegen  eines  Rangstreites.  Aus  Gordon^s  Tagebuch 
erfahren  wir,  dass  es  gefährlich  war,  Golizyn  einen  Besuch  zu 
machen,  weil  man  sich  dadurch  leicht  den  Zorn  des  Oberfeldherrn 
zuzog*.  Auch  mit  dem  neuen  Hetman  Klein-Russlands,  Ssamoilo- 
witsch,  haderte  Golizyn,  weil  Ssamoilowitsch  bei  seinem  Streite  mit 
dem  Oberfeldherrn  die  Partei  des  letzteren  ergriffen  hatte'.  Es  wird 
ferner  erzählt,  dass  Golizyn  bei  der  Wahl  eines  Sammelpunktes  für 
die  Truppen  anderer  Ansicht  gewesen  sei,  als  der  Hetman,  und  end- 
lich, dass  er  für  seinen  Sohn  Alexei  um  die  Hand  der  Tochter  Ssa- 
moilowitsch's  gebeten  habe  und  abschlägig  beschieden  worden  sei^ 

Dass  er  bereits  in  der  Regierungszeit  Feodor^s  wesentlichen  Ein- 
fluss  auf  die  auswärtige  Politik  Russland^s  geübt  habe,  wie  man  wohl 
gemeint  hat',  ist  zu  schlecht  bezeugt,  als  dass  man  auf  solche  Nach- 

*  Vgl.  d.  Einzelnheiten  bei  Tereschtschenko  a.  a.  O.  S.  135  u.  ff. 
'  Gordoii*s  Tagebuch,  herausg.  v«  Posselt,  Bd.  L,  S.  450. 

*  Gordon's  Tagebuch,%d.  II,  S.  180. 

^  Vgl.  Tereschtschenko,  S.  135«  Wie  Golizyn,  als  er  eine  Freudenbotschaft  an 
den  2^en  befördert,  gekränkt  wird,  indem  Andere  ihm  zuvorkommen,  so  dass  Golt- 
zyn's  Boten  keine  Belohnung  erhalten,  erzählt  Gordon,  I,  433. 

'  In  den  obenerwähnten  Gesprächen  im  Reiche  der  Todten,  rühmt  sich  Golizyn  in 
der  Entrevue  mit  dem  General  Hochmuth,  S.  1183,  er  habe  während  der  Regierung 
des  Zaren  Feodor  die  grösste  Rolle  gespielt;  der  König  Ludwig  XIV.  habe  an  ihn 
geschrieben  und  ihn  gebeten,  dahin  zu  wirken,  dass  Russland  nicht  mit  Schweden 
breche;  so  habe  denn  er,  Golizyn,  den  drohenden  Krieg  zwischen  Russland  und 
Schweden  rerhindert.  — •  Dieser  Zug  gehört  zu  den  mancherlei  gewagten  Einzelheiten 
der  Flogschrift)  welche  allerdings  durch  dergleichen  Ungeheuerlichketten  an  Interesse 
gewinnt. 


199 

richten  Gewicht  legen  dürfte.  Dagegen .  ist  sein  Verdienst  bei  Ab- 
schaffung des  zu  einem  chronischen  Uebel  gewordenen  Missstandes 
der  Rangstreitigkeiten  (Mestnitschestwo)  unzweifelhaft.  Man  darf 
ihn  als  einen  der  wichtigsten  Urheber  dieser  heilsamen  Reform  an- 
sehen. Es  galt  ein  Stück  mittelalterlichen  Unwesens  fortzuräumen, 
um  den  Interessen  des  modernen  Staates  den  Sieg  über  gewisse 
Vorurtheile  der  Grossen,  der  Beamten  und  Generale  zu  verschaffen. 
Man  wird  zugeben  müssen,  dass  diese,  in  die  letzte  Zeit  der  Regie- 
rung des  Zaren  Feodor  fallende  Maassregel  dem  Geiste  der  Reform- 
epoche Peters  des  Grossen  entsprach. 

Nicht  umsonst  hat  der  neueste  Geschichtschreiber  Russlands, 
Hr.  S.  Ssolowjew,  den  Abschnitt  seines  umfassenden  Werkes,  wel- 
cher «Russland  in  der  Reformepoche*  zum  Gegenstande  hat,  mit  der 
Regierung  Feodor's  begonnen.  Die  west-europäischen  Einflüsse, 
insbesondere  die  Einwirkung  polnischer  Sprache,  Literatur  und 
Sitte,  wird  in  dieser  Zeit  immer  stärker.  Der  überaus  kränkliche, 
aber  willensstarke  und  nicht  unbegabte  Zar  denkt  an  allerlei  Verän- 
derungen im  Staatshaushalt.  Dass  er  den  Rangstreitigkeiten  ein 
Ende  machte,  ist  eine  Epoche  in  der  Geschichte  des  russischen 
Heerwesens, 

In  den  Kämpfen  mit  Polen  und  Tataren  hatte  man  die  völlige 
Untauglichkeit  der  russischen  Militärorganisation  einsehen  gelernt« 
Auch  aus  Gordon's  Tagebuch  erfahren  wir,  wie  schlecht  es 
mit  der  Mannszucht  stand«  Zu  den  schlimmsten  Fehlern  der  russi- 
schen Offiziere  gehörte  die  Unfähigkeit,  sich  einem  höheren  Willen 
unterzuordnen.  Jeder  Militär  hielt  sich  im  Rechte,  den  Gehorsam 
zu  verweigern,  wenn  seine  Ernennung  für  irgend  einen  Posten  seinen 
Ueberzeugungen  von  den  ihm,  seiner  Vorfahren  wegen  zukommen- 
den Vorrechten  in  Betreff  der  einzunehmenden  dienstlichen  Stellung 
nicht  entsprach.  Die  zahllosen  Streitigkeiten,  welche  der  Anfang 
eines  jeden  Feldzugs  aufwies,  die  auf  der  genau  im  Einzelnen  fest- 
gestellten Untersuchung  der  Geschichte  des  Dienstes  der  Vorfahren 
begründeten  Klagen,  Rekriminationen  und  Denuncianten  der  Offi- 
ziere brachten  die  Regierung  nicht  selten  schon  während  des  sechs- 
zehnten Jahrhunderts  aus  der  Fassung.  Oft  erkannte  die  Regierung 
die  Berechtigung  solcher  Klagen  und  Bitten  an,  und  Hess  auf  Grund 
der,  in  den  Archiven  befindlichen  Dienstbücher  diese  Personalfragen 
genau  prüfen  und  entscheiden.  Oefter  aber  sah  die  Regierung,  durch 
den  dabei  unvermeidlichen  Zeitverlust,  durch  den  Aufenthalt,  den 
Erfolg  der  Feldzüge  in  Frage  gestellt  und  half  sich  dann  mit  der 


200 

^  - 

Erklärung,  dass  in  diesem  einzelnen  Falle,  für  diesen  Feldzug  Jeder 
unweigerlich  den  ihm  zugewiesenen  Posten  bekleiden  solle,  ohne 
dass  im  Prinzip  seinen  Dienstrechten  im  Verhältniss  zu  Kollegen 
oder  Vorgesetzten  dabei  zu  nahe  getreten  würde.  Solche  Ernen- 
nungen «ohne  Präjudiz»,  die  formelle  Erklärung,  dass  es  hierbei  sich 
um  eine  Art  von  «comment  suspendu»  handle,  waren  einerseits  eine 
Anerkennung  der  Gesetzlichkeit  des  ganzen  Missstandes  solchen 
endlosen  Haders,  andererseits  ein  kümmerlicher  Nothbehelf,  Man 
musste  weiter  gehen  und  mit  dem  Prinzip  brechen.  Das  geschah 
wesentlich  durch  die  Initiative  W.  W.  Golizyn's. 

Er  war  Mitglied  einer,  aus  Vertretern  verschiedener  Stände  zu- 
sammengesetzten Kommission,  welche  über  die  Reform  des  Heer- 
wesens zu  berathen  hatte,  und  zu  dem  Beschlüsse  kam,  dass  vor 
Allem  jenen  Rangstreitigkeiten  ein  Ende  gemacht  werden  müsse. 

Als  Berichterstatter  der  Kommission,  in  welcher  er,  wie  wir  an- 
nehmen dürfen,  die  Hauptrolle  wird  gespielt,  haben,  theilte  Golizyti 
dem  Zaren  dieses  Ergebniss  der  Berathungen  mit.  In  einer  feierli- 
chen Versammlung  der  Bojaren  und  höheren  Geistlichkeit  erörterte 
der  Zar,  nachdem  der  Kommissionsbericht  verlesen  war,  in  einer 
längeren  Rede,  deren  Wortlaut  erhalten  ist,  die  ganze  Frage.  Nach 
einer  kurzen  Berathung  beschloss  man  das  Archiv  der  Dienstregi- 
ster zu  verbrennen.  Die  Erkenntniss,  dass  ein  im  Prinzip  schädliches 
Institut  abgeschafft  werden  müsse,  scheint  allgemein  gewesen  zu 
sein.  Es  wird  von  keinem  Widerspruche  berichtet,  welcher  dem 
Kommissionsvorschlage  etwa  begegnet  sei.  Die  Reformidee  Goli- 
zyn^s  entsprach  dem  Charakter  der  Zeit,  in  welcher  das  Bewusstsein 
von  der  Nothwendigkeit  der  Reformen  immer  klarer  hervortrat. 
Man  hat  bemerkt,  dass  Golizyn  bei  diesem  Vorgange  eine  hochher- 
zige Selbstlosigkeit  an  den  Tag  gelegt  habe,  da  seine  Ahnen  lange 
Zeit  hindurch  stets  die  hervorragendsten  Stellen  innehatten,  er  also 
bei  Rangstreitigkeiten  fast  ausnahmslos  günstiger  gestellt  war,  als 
Andere.  Wie  dem  auch  sein  möge,  sein  Name  ist  an  eine  Maassre- 
gel geknüpft,  welche  von  loyalem  Sinne  für  politischen  Fortschritt 
zeugt*. 

Kurze  Zeit  darauf  starb  Feodor  Alexejewitsch.  Während  der 
Krankheit  des  Zaren  pflegte  ihn  seine  Schwester  Sophie.  Es  wird 
berichtet,   als  habe  ganz  besonders  W.  W.  Golizyn  dahin  gewirkt, 


'  Vgl.  d.  Gesch.  d.  Vorgangs  hei  Ssolowjew,  Gesch.  Russlands  Bd.  XIII,  S,  5I7• 
324',  Ustijalow,  Gesch.  Peter  d.  Gr.  ly  S.  290, 


20I 

dass  Sophie  eine  solche  Pflicht  übernahmt  Es  mag  sich  vielleicht 
in  jener  Zeit  ein  mehr  oder  minder  zärtliches  Verhältniss  zwischen 
dem  Fürsten  und  der  Prinzessin  entsponnen  haben.  Er  war  39  Jahre 
alt,  verheirathet  und  hatte  erwachsene  Kinder,  Sophie  zählte  25 
Jahr,  war  hochbegabt,  besser  gebildet  als  russische  Prinzessinnen  in 
jener  Zeit  zu  sein  pflegten,  und  von  Ehrgeiz  und  Herrschsucht  er- 
füllt. Manches  in  den  Erzählungen  von  diesem  Verhältniss  mag  der 
Wahrheit  nicht  entsprechen,  insbesondere  muss  Vieles  hierauf  Be- 
zügliche in  Neuville's  Schrift  als  grundloses  Gerücht  bezeichnet 
werden,  indessen  haben  die,  aus  den  späteren  Jahren  der  R^ent- 
schaft  Sophiens  stammenden  zärtlichen  Schreiben  der  Regentin  an 
den  Fürsten,  welche  Ustrjalow  den  Archiven  entnahm  und  in  sei- 
nem Werke  über  Peter  den  Grossen  mittheilte,  jeden  Zweifel  an  ei- 
ner glühenden  Leidenschaft  der  Prinzessin  für  Golizyn  beseitigt. 
Wir  werden  später  diese  Aktenstücke  mittheilen.  Gewiss  ist,  dass 
der  Verkehr  Sophiens  mit  dem  erfahrenen,  geschäftskundigen  Für- 
sten sehr  wesentlich  zu  ihrer  politischen  Ausbildung  beitragen 
musste.  Es  war  eine  Anomalie,  dass  ein  weibliches  Mitglied  des  2Ja- 
renhauses  in  die  Staatsgeschäfte  eingeführt  wurde.  Sophie,  welche 
in  den  Jahren  1682  bis  1689  Russland  regierte,  erschien  auf  ihren 
Beruf  vorbereitet.  Man  wird  nicht  läugnen  können,  dass  sie  in  dieser 
Zeit  Muth  und  Einsicht,  politischen  Takt  und  diplomatische  Ge- 
wandtheit an  den  Tag  legte,  dass  sie  den  an  sie  durch  ihre  Stellung 
gemachten  Anforderungen  gewachsen  war.  In  ihrem  ganzen  Wesen 
ist  eine  Reife  und  Entschlossenheit,  welche  in  auff'allendem  Gegen- 
satze steht  zu  der  Unmündigkeit,  Unwissenheit  und  Bedeutungslo- 
sigkeit, welche  andere  Frauen  der  höheren  russischen  Gesellschaft 
charakterisirten.  Wir  glauben  nicht  zu  irren,  wenn  wir  den  Umgang 
mit  Golizyn  als  Sophiens  politische  Schule  bezeichnen.  Indem  der 
Gang  der  gewöhnlichen,  hergebrachten  Ordnung  der  Dinge  durch- 
brochen wird,  vielleicht  durch  ein  unerlaubtes  Verhältniss,  hat  sich 
damals  in  Russland  ein  Akt  der  Frauenemanzipation  vollzogen.  So- 
phiens Name,  ihre  Rolle  in  der  Geschichte  Russlands  ist  eng  ver- 
wachsen mit  dem  Namen  und  der  historischen  Rolle  Golizyn's. 

Man  kennt  die  Stellung,  welche  Sophie  unmittelbar  nach  denj 
Tode  Feodors  einnahm.  Wir  dürfen  kaum  daran  zweifeln,  dass  sie 
gegen  die  anfänglich  durchgesetzte  Thronbesteigung  Peters,  mit 
Ausschluss  des  altern  Bruders  Iwan,  agitirt,  dass  sie  an  den  Blutta- 
gen im  Mai  {15.— 17.)  einen  wesentlichen  Antheil  gehabt  habe. 

*  Vgl.  Tereschtschenko  a,  a.  O.  S.  147, 


202 

Das  Ergebniss  war,  dass  nicht  Peter  allein,  welcher  einen  Monat 
lang  den  Namen  eines  Zaren  geführt  hatte,  sondern  Iwan  und  Peter 
zusammen  regieren  sollten,  dass  Sophie  Regentin  wurde. 

Wir  wissen  nicht,  welchen  Antheil  Golizyn  an  diesen  Elreignissen 
gehabt  hat.  Dass  unter  den  Opfern  der  Schreckenstage  im  Mai 
auch  der  einstmalige  Gegner  Golizyn's,  Romodanowskij,  angetroffen 
wird,  darf  uns  nicht  veranlassen,  ihm  einen  besonderen  Antheil  an 
dieser  Blutthat  zuzuschreiben.  Entscheidende,  verbrecherische 
Handlungen  waren  nicht  Sache  Golizyn's.  Nach  den  uns  vorliegen- 
den Materialien  ist  er  sowohl  bei  der  Krisis  des  Jahres  1682,  welche 
ihm  neben  der  Regentin  die  erste  Stelle  im  Reiche  eintrug,  als  auch 
bei  der  Verschwörung  des  Jahres  1689,  welche  seine  Verbannung 
zur  Folge  hatte,  im  Hintergrunde  geblieben.  Von  einer  besonderen 
Initiative  seinerseits  bei  diesen  Ereignissen  ist  nichts  zu  spüren.  An- 
dere Personen  erscheinen  als  die  wesentlich  handelnden.  Die  Woge 
der  politischen  Erschütterung  erhebt  ihn  so  hoch  im  J.  1682,  stürzt 
ihn  tief  im  J.  1689,  ohne  dass  er,  soweit  unsre  Kenntniss  dieser  Er- 
eignisse reicht,  seines  Glückes  Schmied  oder  seines  Falles  Urheber 
gewesen  wäre.  Vielleicht  hat  er  energischer  gehandelt,  durchgrei- 
fender agitirt,  als  wir  bei  dem  immerhin  nur  fragmentarischen  Mate- 
rial zu  erkennen  vermögen;  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  wir  in  Goli- 
zyn ein  Art  politischen  Hamlet*s  vor  uns  haben. 

Welchen  Antheil  auch  Golizyn  an  den  Vorgängen  im  Frühling 
1682  gehabt  haben  mag^  die  Erhebung  Iwans  auf  den  Thron,  So- 
phiens  Regentschaft  machte  ihn  zum  Grossvezir  Russlands.  Der 
Sieg  Sophiens  war  noch  während  der  Schreckenstage  entschieden ; 
erst  einige  Tage  später  endete  die  Alleinherrschaft  Peters  formell. 
Erst  Ende  Mai  wird  Iwan  Zar,  wird  Sophie  Regentin.  Aber  die  Er- 
nennung W.  W.  Golizyn's  zum  Minister  des  Auswärtigen  erfolgt 
bereits  den  16.  Mal  Also  unmittelbar  nach  der  Ermordung  Matwe- 
jew's,  des  hochgebildeten  Staatsmannes,  welcher  bis  zum  Jahre 
1676  diesen  Posten  innegehabt  hatte,  ward  Golizyn  dessen  Nachfol- 
ger. Erhielt  er  auch,  wie  neuerdings  Ssolowjew  auf  Grund  von  Ar- 
chivalien berichtet  hat,  den  formellen  und  hochklingenden  Titel 
eines  «Grosssiegelbe wahreres  und  eines  Verwalters  der  grossen  Ge- 
sandtschaftsangelegenheiten» erst  am  19.  Oktober  1683,  so  wurde 
ihm  doch  bereits  früher,  und  zwar  während  der  Schreckenstage  im 
Mai  1682,  die  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten  Russlands 
anvertraut. 

In  einer  Zeit,  da  Russland  mh  anschickt  ein  Glied  der  europäi- 


203 

sehen  Staatenfamilie  zu  werden,  da  die  diplomatischen  Beziehungen 
zu  West-Europa  an  Intensität  und  Umfang  zunehmen,  da  die  wich- 
tigsten Angelegenheiten  der  auswärtigen  Politik  Russlands,  die  Be- 
ziehungen zu  Schweden  und  Polen,  zu  Türken  und  Tataren  in  ein 
neues  Stadium  treten  sollten,  war  der  Posten  eines  Leiters  der  aus- 
wärtigen Politik  besonders  wichtig.  Wie  Matwejew  war  auch  Goli- 
zyn  durch  Neigung  und  Geschmack,  Bildung  und  Ueberzeugung 
Anhänger  der  nach  West-Europa  gerichteten  Politik.  Er  gehörte  zu 
den  sehr  wenigen  Russen,  welche  des  Lateinischen  vollkommen 
mächtig  waren.  Er  sprach  und  schrieb  lateinisch  so  fliessend,  dass 
er  für  den  Verkehr  mit  auswärtigen  Diplomaten  nicht  der  Vermitte- 
lung  der  Dolmetscher  bedurfte.  Wir  wissen,  dass  er  noch  vor  dem 
Jahre  1682  mit  den  in  Moskau  lebenden  Ausländern  einen  lebhaften 
Verkehr  unterhielt.  Wenn  wir  erfahren,  dass  seine  Schwieger- 
mutter, welche  um  seine  Gesundheit  besorgt  war,  ihm  den  Rath 
gab,  sich  an  den  Doktor  Laurentius  Blumentrost  zu  wenden,  wenn 
wir  sehen,  wie  er  sich  sehr  häufig  Gordon  zu  Tische  ladet  und  mit 
ihm  über  die  Angelegenheit  West-Europas  sich  eingehend  unterhält) 
so  dürfen  wir  vermuthen,  dass  Golizyn  in  ähnlicher  Weise,  wie 
Peter  der  Grosse  einige  Jahre  später,  es  verstanden  habe,  durch  den 
Verkehr  mit  den  Ausländern  den  Kreis  seiner  Kenntnisse,  Inter- 
essen und  Erfahrungen  sehr  wesentlich  zu  erweitern. 

Bildang  und  Lebensweise. 

Weisen  wir  auf  einige  Züge  dieser  internationalen  Stellung  Goli- 
zyn's  hin,  welche  im  Gegensatze  zu  dem  Chinesenthum  der  Alt- 
russen ihn  als  einen  Geistesverwandten  Peters  erscheinen  lassen. 

Hier  verdient  seine  Bekanntschaft  mit  dem  General  Gordon  Be- 
achtung. Gordon  war  mehr  als  viele  Andere,  in  Russland  lebende 
Ausländer  befähigt,  als  Lehrmeister  strebsamer  Russen  aufzutreten . 
In  den  neunziger  Jahren  ist  er  als  täglicher  Gesellschafter  des  jun- 
gen Zaren  in  höherem  Maasse  Peters  Lehrer  geworden.  In  Gordon's 
Tagebuch  spielt  W.  W.  Golizyn,  den  er  meist  nur  cour  Bojar» 
nennt,  eine  grosse  Rolle.  Bald  ist  einer  cgeheimen  Unterredung»  er- 
wähnt, welche  Golizyn  mit  Gordon  hatte  und  in  welcher  von  den 
Angelegenheiten  Klein-Russlands,  von  den  Beziehungen  zu  Kaiser 
Leopold  und  von  der  orientalischen  Frage  gesprochen  wurde*,  bald 
unterhält  sich  Gordon  mit  dem  Fürsten  über  die  Lage  der  Katholi- 

*  Posselt*s  Edition  des  Tagebuches  ü,  S.  4. 


204 

ken  in  Russland  und  sucht  durch  seine  Vermittelung  gewisse 
Rechte  und  Privilegien  für  die  Katholiken  zu  erlangen',  sehr  oft  ist 
Gordon  des  Fürsten  Tischgenosse  oder  reitet  mit  ihm  auf  die  Jagd; 
als  Gordon  sich  im  Jahre  1686  in  England  aufhält,  verschreibt  Goli- 
zyn,  welcher  mit  ihm  überhaupt  einen  lebhaften  Briefwechsel  unter- 
hält, durch  Gordon  eine  Anzahl  von  Offizieren,  Ingenieuren,  Feuer- 
werkern, Minirern  u.  s.  w.*  Es  ist  dieselbe  Erkenntniss,  dass  man 
der  westeuropäischen  Intelligenz,  der  ausländischen  Arbeitskräfte 
bedürfe,  welche  wir  auch  bei  Peter  dem  Grossen  finden.  Aehnlich 
wie  Peter  der  Grosse  sich  oft  mit  Gordon  über  das  Artilleriewesen 
unterhielt.  Versuche  mit  allerlei  Geschossen  anstellte,  mit  ihm  im 
chemischen  Laboratorium  allerlei  pyrotechnische  Studien  trieb,  so 
war  auch  Golizyn  zugegen,  wenn  Gordon  neue  Kanonen  oder  Mör- 
ser probirte  und  legte  ein  besonderes  Interesse  für  dergleichen  balli- 
stische Uebungen  an  den  Tag*.  Mehrmals  ist  in  Gordon's  Tagebuch 
von  eingehenden  Gesprächen  mit  Golizyn  über  England  die  Rede*. 
In  Bezug  auf  diesen  Gegenstand  gingen  die  Anschauungen  und 
Interessen  beider  Männer  nicht  zusammen.  Während  Gordon  als 
eifriger  Katholik  und  fanatischer  Anhänger  des  Hauses  Stuart  für 
Jakob  IL  schwärmte  und  bei  Gelegenheit  der  Revolution  von  1688 
voll  Hass  war  gegen  Wilhelm  III.,  war  Golizyn  •  geneigt,  für  den 
letzteren  gegen  den  ersteren  Partei  zu  nehmen.  Mit  dem  grössten 
Interesse  lauschte  Golizyn,  wie  wir  aus  Gordon's  Tagebuche  erfah- 
ren, den  Nachrichten,  welche  ihm  Gordon  über  allerlei  Vorkomm- 
nisse in  West-Europa  zu  bringen  pflegte. 

Wiederholt  erwähnt  Gordon,  der  Fürst  Golizyn  habe  bei  Aus- 
ländern, welche  in  der  deutschen  Vorstadt  wohnten,  alleriei  Festen, 
Hochzeiten  u.  dgl.  beigewohnt,  so  bei  Elias  Tabort  und  bei  Daniel 
Hartmann*.  Golizyn's  Sohn,  Alexei,  welcher  ebenfalls  eine  hohe 
Stellung  einnahm  und  dessen  Name  auf  dem,  die  Abschaffung  der 
Rangstreitigkeiten  verkündenden  Aktenstücke  zu  sehen  ist,  gab 
einst  ein  Fest,  zu  welchem  auch  Gordon  —  wir  dürfen  vermu- 
then  überhaupt  eine  Anzahl  Ausländer  —  geladen  war^ 

Den  Gesandten  der  Generalstaaten  behandelte  Golizyn  mit  beson- 

'*  Posselt's  Edition  des  Tagebuches  II,  S.  118. 
'  Vgl.  Gordon's  Tagebuch  II    142. 
»  Ebendaselbst  II,  205. 

*  Ebendaselbst  II,  226.  241. 

*  Ebendaselbst  II    167  u.  230. 
'  Elieiidaselbst  II,  244. 


205 

derer  Aufmerksamkeit.  Baron  Keller,  welcher  zu  den  anziehend- 
sten Illustrationen  der  deutschen  Vorstadt  gehörte,  berichtet  aus- 
fuhrlich über  seine  persönlichen  Beziehungen  zu  dem  Minister.  Es 
war  bei  der  Steifigkeit  des  russischen  Tones  im  Verkehr  mit  Aus- 
ländem, bei  der  Unzugänglichkeit  der  russischen  Würdenträger  für 
gewöhnlichen,  geselligen  Verkehr  eine  seltsame  Erscheinung,  dass 
Golizyn  im  Jahre  1683  eine  Einladung  des  Baron  Keller  zum  Diner 
annahm.  Er  erschien  mit  einem  Gefolge  in  vier  Karossen,  wurde 
glänzend  empfangen  und  bewirthet,  trank  auf  das  Wohl  der  Nieder- 
lande, sprach  den  Wunsch  aus,  dass  das  gute  Einvernehmen  Russ- 
lands mit  den  Generalstaaten  fortdauern  möge,  und  unterhielt  sich 
nach  aufgehobener  Tafel  mit  dem  Residenten  über  die  Miliz,  die 
Wehrkraft  und  den  Staatshaushalt  der  Generalstaaten.  Ein  ander- 
mal, es  war  im  Jahre  1687,  lud  er  sich  selbst  zum  Baron  Keiler  ein 
und  erschien  mit  einem  grossen,  etwa  hundert  Personen  zählenden 
Gefolge  von  Fürsten,  Generalen,  Offizieren,  Edelleuten  und  Dienern. 
Nachdem  er  an  der  Tafel  Platz  genommen  hatte,  bat  er  sich  ein 
Glas  Wein  aus,  um  auf  das  Wohl  und  Gedeihen  der  Generalstaaten 
zu  trinken.  Er  hielt  dabei  eine  längere  Rede.  Baron  Keller  ant- 
'wortete  mit  einem  Trinkspruche  auf  die  Gesundheit  ihrer  Zarischen 
Majestäten^ 

Auch  manche  Züge  einer  wohlwollenden  Behandlung  des  be- 
kannten Schweizers  Franz  Lefort  durch  Golizyn  werden  berichtet*. 
Nicht  umsonst  schrieb  Lefort  nach  Genf,  man  solle  von  dort  aus  an 
Golizyn  und  dessen  Sohn  Alexei  schreiben  und  um  die  Verleihung 
eines  höheren  Ranges  an  ihn,  Franz  Lefort,  bitten:  er  wurde,  als  es 
geschehen  war,  Oberst^.  Um  den  Fürsten  Golizyn  geneigt  zu 
machen,  Gordon,  welcher  Russland  zu  verlassen  wünschte,  nach 
England  zu  entlassen,  schrieb  das  Haupt  der  Familie  Gordon, 
der  Herzog  Gordon,  Gouverneur  Edinburgs,  einen  lateinischen 
Brief  an  Golizyn,  in  welchem  er  ihn  mit  Komplimenten  überschüt- 
tete*, was  übrigens  Golizyn  nicht  abhielt,  diesmal  in  der  Art  eines 
brutalen  türkischen  Paschas  Gordon  recht  schlecht  zu  behan- 
deln, ihn,  weil  Gordon  darauf  bestehen  wollte,  aus  russischem 
Dienste  entlassen  zu  werden,  mit  Schmähungen  zu  überhäufen  und 
den  verdienten  General  auf  einige  Wochen  zum  Fähnrich  zu  degradiren. 

*  Vgl.  KcUer's  Bericht  in  Posselt's  Werk  über  Lefort,  Bd  I,  S.  34I  und  370, 
'  El^endaselbst  S.  376. 

■  UstTJalow,  II,  15. 

*  Gordon's  Tagebuch,  II, 


±c>6 

Wie  liebenswürdig  und  entgegenkommend  aber  W.  W.  Goiizyn 
im  Verkehr  mit  Ausländern  sein  konnte,  erfahren  wir  besonders  aus 
der  «Relation  curieuse  et  nouvelle  de  la  Moscovie»,  deren  Verfasser, 
Neuville,   von   den   Eindrücken  seines  Verkehrs  mit  Goiizyn  be- 
richtet,    lieber  die  Russen  im  Allgemeinen  fällt  Hr.  Neuville  ein 
sehr  tadelndes  Urtheil.     Er  nennt  sie  Barbaren ;   sie  wüssten  nicht 
was  Bildung,  Anstand  und  gute  Sitte  sei;  er  bemerkt,  dass  nur  vier 
Russen  des  Lateinischen  mächtig  seien,  ein  Vorzug,  welchen  sie 
polnischen  Erziehern  zu  verdanken  hätten;   ohne  die  Ausländer! 
meint    Neuville,    deren    eine   grosse  Anzahl  in  Russland  lebten, 
könnten  die  Russen  nichts  unternehmen^  ausführlich  ergeht  er  sich 
über  die  Trunksucht,  den  Aberglauben,  die  Unreinlichkeit  und  Un- 
wissenheit der  Russen,   er   schildert   ihren   Gesichtskreis   als   be- 
schränkt, ^tadelt  ihren  Mangel  an  Unternehmungslust,  ihr  Festhalten 
am  Bestehenden.     Selbst  über  die  Naryschkin's,  die  Verwandten 
Peters  des  Grossen,  urtheilt  er  sehr  abfällig,  ebenso  wie  über  den 
Vetter  W.  W.  Golizyn's,  Boris  Alexejewitsch  Goiizyn,  den  er  als 
einen  Trunkenbold  bezeichnet,  welcher  jeder  Unterhaltung  höherer 
Art  unfähig  sei.     Um  so  überraschter  ist  Neuville,  in   einer  sol- 
chen Umgebung,  in  einer  solchen  Gesellschaft  einen  Mann  zu  fin- 
den, welcher  durch  geselligen  Anstand,   feine  Sitte,  vielseitige  Bil- 
dung  und   spezifisch  europäische  Lebensweise  ausgezeichnet  sei. 
Goiizyn  erschien  dem  französisch-polnischen  Diplomaten   als   ein 
weisser  Rabe.     Neuville  schreibt   nach  seiner   ersten  Begegnung 
mit  dem  Minister,  dieser  habe  ihn  so  empfangen,  dass  er,  Neu- 
ville geglaubt  habe^  am  Hofe  irgend  eines  italienischen  Fürsten  zu 
sein.     Die  in  lateinischer  Sprache  geführte  Unterhaltung  betraf  ver- 
schiedene   Ereignisse   West-Europa's,    wobei   Goiizyn    eine    über- 
raschende Sachkenntniss  an  den  Tag  legte,  welche  er,  wie  wir  wis- 
sen, dem  Verkehr  mit  Männern   wie  Gordon  verdankte;  als,  der 
russischen  Sitte  gemäss,  sogleich  nach  Erscheinen  des  Gastes,  dem. 
selben  Branntwein  präsentirt  wurde,  beeilte  sich  der  Wirth,  Goiizyn, 
seinem  Gaste,  Neuville,  vom  Trinken  abzurathen ,  welche  Thatsache 
denn  allerdings  auf  einen  totalen  Bruch  mit  der  in  Russland  herr- 
schenden Tradition  schliessen  lässt.   Im  Gegensatze  hierzu  bestand, 
wie   Neuville   gleich   darauf  erzählt,   die  ganze   Unterhaltung   bei 
Boris  Goiizyn,  als  er  diesen  besuchte,   im  Trinken.     An  einer  an- 
deren Stelle  seiner  Schrift  sagt  Neuville  von  W.  W.  Goiizyn,  er 
sei  einer  der  geistreichsten,  der  höflichsten  und  prachtliebendsten 
Fürsten  seiner  Zeit,  und  sein  Hauptvergnügen  sei  die  Konversation. 


Er  verachte  die  russischen  Grossen  wegen  ihrer  Unfähigkeit  und 
schätze  wahres  Verdienst  sehr  hoch. 

Neuville  schildert  ferner,  nachdem  er  selbst  Zeuge  der  Kata- 
strophe Golizyn's  gewesen  war,  die  Verdienste  des  Fürsten  in  Be- 
treff der  inneren  Verwaltung,  namentlich  in  Betreff  der  Aufklärung. 
Er  erzählt:  Golizyn  habe  grosse  steinerne  Häuser  aufführen  lassen, 
zwanzig  Gelehrte  aus  Griechenland  berufen,  schöne  Bücher  nach 
Russland  importirt,  den  Grossen  anbefohlen,  ihre  Kinder  studiren 
zu  lassen  und  ihnen  anempfohlen,  die  Erziehung  ihrer  Kinder  pol- 
nischen Lehrern  anzuvertrauen.  Gegen  die  Ausländer  sei  er  so 
liberal  gewesen,  wie  Niemand  vor  ihm,  indem  er  ihnen  gestattete, 
in's  Land  zu  kommen  und  dasselbe  nach  Belieben  wieder  zu  ver- 
lassend Auch  habe  er  den  Wunsch  ausgesprochen,  dass  die  russi- 
schen Grossen  sich  daran  gewöhnten,  in's  Ausland  zu  reisen.  Er 
habe  die  Absicht  gehabt,  eine  neue,  reguläre  Armee  zu  bilden,  an 
allen  ausländischen  Höfen  ständige  Residenten  zu  unterhalten,  in 
Russland  völlige  Gewissensfreiheit  zu  gestatten.  Er  trug  sich  mit 
den  hochfliegendsten  Entwürfen:  er  wollte  Wüsten  bevölkern,  Bett- 
ler reich  machen,  Wilde  zu  Menschen  umformen,  Feiglinge  in 
tapfere  Krieger,  Lehmhütten  in  steinerne  Paläste  verwandeln. 

Neuville  ist,  ganz  wie  auch  der  bekannte  Reisende  und  Missionär 
Avril,  in  seiner  Beurtheilung  Golizyn's  von  dem  Interesse  der  katho- 
lischen Kirche  beeinflusst.  Dass  der  Fürst  die  Rechte  der  Katho- 
liken auszudehnen  geneigt  war,  liess  ihn  in  den  Augen  der  Emissäre 
der  Kirche  als  das  Ideal  eines  Staatsmannes  erscheinen.  Ausdrück- 
lich lobt  Neuville  den  Fürsten  dafür,  dass  er  sich  gern  mit  den 
Jesuiten  unterhalten  habe.  Die  Katholiken  hatten  Ursache,  Goli- 
zyn's  Katastrophe  zu  beklagen.  Sie  waren  entzückt  darüber  ge- 
wesen, dass  er  seinem  Lande  die  «Gewissensfreiheit»  hatte  geben, 
d.  h.  den  Katholiken  freie  Religionsübung  hatte  bewilligen  wollen, 
und  mussten  es  nun  erleben,  dass  nach  dem  Sturze  Golizyn's  und 
Sophien's  eine  Art  Reaktion  eintrat  und  dass  in  der  ersten  Zeit  der 
eigentlichen  Herrschaft  Peters,  d.  h.  unmittelbar  nach  dem  Staats- 
streiche von  1689,  die  Jesuiten  verjagt  wurden.  Von  diesem  Stand- 
punkte aus,  musste  die  Katastrophe  Golizyn's  solchen  Beurtheilern, 
wie  Neuville,  als  ein  Unglück  erscheinen,  das  die  Welt  betroffen 
hatte.     Mit  ihm  schien  eine  Epoche   der  Reform  auch  in  Russland 

'  Die  unliebsame  Episode  mit  Gurdon,  deren  wir  oben  erwähnten,  zeigt,  dass  Coli- 
zyn*s  Liberalismus  gewisse  Grenzen  hatte,  wie  denn  überhaupt  Neuville  von  einiger 
Schönfärberei  nicht  frei  zu  sprechen  ist 


208 

eingeleitet  zu  sein ;  nach  ihm  konnte  man,  wie  Neuville  fürchtete, 
eine  Reaktion,  eine  Rückkehr  zum  Asiatenthum  erwarten.  Aus- 
drücklich  sagt  Neuville,  mit  Golizyn  habe  Moskau  Alles  verloren! 

Wenn  wir  aber  auch  Neuville's  Urtheil  als  überspannt,  befangen 
und  tendenziös  anerkennen  müssen,  so  geht  doch  aus  demselben 
unzweifelhaft  hervor,  dass  Golizyn  im  Verkehr  mit  Neuville  es  ver- 
standen hat,  dem  erfahrenen  Diplomaten,  dem  gebildeten  Vertreter 
der  west-europäischen  Kultur  zu  imponiren.  Neuville  bemerkt  aus- 
drücklich, dass  Golizyn  ihm  mancherlei  von  seinen  Absichten  und 
Entwürfen  mitgetheilt  habe.  Steht  auch  das,  was  während  der  Re- 
gentschaft Sophien*s  auf  dem  Gebiete  der  inneren  Reformen  ge- 
schah, nicht  irgendwie  im  Verhältniss  zu  den  hochfliegenden  Plänen, 
deren  bei  Neuville  erwähnt  wird,  so  zeugt  es  immerhin  von  einem 
gewissen  geistigen  Schwünge,  von  einem^  in  Russland  damals  nicht 
leicht  anzutreffenden  politischen  Idealismus,  dass  Golizyn  sein  Re- 
gierungsprogramm einem  Ausländer  gegenüber  so  beredt  und  an- 
ziehend zu  entwickeln  fähig  war.  Er  mochte  an  die  Möglichkeit 
der  Verwirklichung  seiner  Pläne  glauben;  während  seiner  Unter- 
redungen mit  Neuville  konnte  er  nicht  ahnen,  dass  seiner  Thätigkeit 
als  Hauptleiter  der  russischen  Politik  schon  so  bald  ein  Ziel  gesetzt 
werden  würde. 

Neuville  war  etwa  vier  Monate  in  Moskau.  Er  hatte  Gelegenheit, 
mancherlei  selbst  zu  beobachten.  Die  Eindrücke,  welche  er  von 
dem  Wirken  Golizyn's  empfing,  sowie  den  Inhalt  seiner  Gespräche 
mit  dem  Fürsten  theilt  er  an  manchen  Stellen  seiner  «Relation 
curieuse»  gelegentlich  mit. 

Wiederholt  spricht  er  von  der  prachtvollen  Ausstattung  des 
Hauses  Golizyn's.  Es  enthalte  die  kostbarsten  Hausgeräthe  und 
Luxusgegenstände;  ja,  dieses  Palais,  meint  er,  sei  eines  der  schön- 
sten in  Europa;  es  sei  mit  Kupfer  gedeckt,  reich  möblirt  und  mit 
werthvoUen  Gemälden  geschmückt.  Ein  ähnliches  Haus  lasse  der 
Minister  für  die  Gesandtschaftsbehörden  aufRihren.  Diese  Bauten, 
erzählt  Neuville,  hätten  auf  das  Publikum  gewirkt;  es  sei  dadurch 
Geschmack  fiir  schöne  und  solide  Gebäude  verbreitet  worden. 
Während  Golizyn  an  der  Spitze  der  Geschäfte  gestanden  habe,  er- 
zählt Neuville,  seien  nicht  weniger  als  3000  steinerne  Häuser  in 
Moskau  aufgeführt  worden;  auch  habe  er  über  die  Moskwa  eine  stei- 
nerne Brücke  bauen  lassen :  es  sei  die  einzige  steinerne  Brücke  in 
clem  ganzen  Lande:  der  Baumeister  sei  ein  polnischer  Mönch  ge- 
wesen, 


209 

So  etwas  stand  allerdings  im  schroffen  Gegensatze  zu  Allem,  was 
Neuville  in  Moskau  sonst  zu  sehen  Gelegenheit  hatte.  Er  bemerkt 
sehr  wegwerfend,  indem  er  der  häufigen  Feuersbrünste  erwähnt,  ein 
Haus  in  Moskau  sei  so  viel  werth  als  ein  cSchweinestalU  in  Deutsch- 
land oder  Frankreich,  und  berichtet  dabei  mit  Erstaunen»  was  vor 
ihm  auch  andere  Reisende  mit  Verwunderung  beobachtet  hatten, 
dass  man  die  hunderte  und  tausende  von  Häusern,  welche  alljährlich 
durch  Feuersbrünste  zerstört  würden,  leicht  ersetzen  könne,  indem 
auf  den  Märkten  der  Hauptstadt  stets  roh  gezimmerte  Häuser  zu 
kaufen  seien. 

Neuville  erwähnt  zweier  grosser  Entwür(e  Golizyn's,  welche  Be- 
achtung verdienen.  Er  erzählt,  Golizyn  habe  u.  A.,  um  Russland 
auf  die  Kulturhöhe  anderer  Staaten  zu  erheben,  den  leibeigenen 
Bauern  die  Freiheit  geben  nnd  ihnen  die  von  ihnen  bebauten  Grund- 
stücke als  Eigenthum  zuweisen  wollen,  worauf  denn  diese  Grund- 
stücke von  Staatswegen  nur  massig  besteuert  werden  sollten.  Er 
hat  ferner  die  reine  Geldwirthschaft  statt  der  bisher  vorherrschen- 
den Naturalwirthschaft  einführen  und  den  Export  des  in  dem  Staats- 
schatze zum  Theil  die  Stelle  des  Geldes  vertretenden  Pelzwerks, 
insbesondere  der  Zobelfelle,  zu  diesem  Zweck  fördern  und  steigern 
wollen. 

Dass  in  den  Unterredungen  Golizyn ^s  mit  Neuville  von  der 
Bauernemanzipation  gesprochen  wurde,  ist  allerdings  eine  beach- 
tenswerthe  Thatsache.  Peter  hat  nie  an  eine  derartige  Maassregel 
gedacht.  Es  hat  im  Gegentheil  während  seiner  Regierung  eine 
Verschlimmerung  der  Lage  der  leibeigenen  Bauern  stattgefunden. 
Sollte  Golizyn  in  der  That  sich  mit  dem  Entwurf  einer  solchen 
Reform  getragen  haben,  so  wäre  dieser  Fortschrittsgedanke,  wenn 
man  die  Zeitverhältnisse  berücksichtigt,  besonderer  Anerkennung 
werth.  Wir  wissen,  dass  zu  Ende  des  siebenzehnten  Jahrhunderts 
in  West-Europa,  etwa  England  und  Ober-Italien  ausgenommen,  die 
Hörigkeit  der  Bauern  noch  eine  ganz  allgemeine  Erscheinung  war. 

Zur  Zeit  Golizyn's  herrschte  eine  Art  Naturalherrschaft  in  Russ« 
land  vor.  Aus  Gordon's  Tagebuch  wissen  wir,  dass  die  auslän- 
dischen Militärs  einen  bedeutenden  Theil  ihres  Gehalts  in  Zobel- 
fellen erhielten;  die  Geschichte  der  Reisen  russischer  Gesandten 
nach  West-Europa  lehrt  uns,  dass  die  ihnen  mitgegebene  Baar- 
schaft  grossentheils  aus  Fellen  bestand.  Der  Gedanke,  durch  den 
gesteigerten  Export  von  Pelzwerk  baares  Geld  ih^s  Land  zu  bringen 
und  so  die  Geldwirthschaft  allgemeiner  zu  machen,  zeugt  ebenfalls 

BUIB,  BBTUB,  BD.  XUX.  I4 


2IO 

von  einer  gewissen  Vertrautheit  mit  den  damals  im  Westen  verbrei- 
teten national-ökonomischen  Theorien,  mit  einem  Gebiete,  auf  wel- 
chem Peter  dem  Grossen  Bedeutendes  zu  leisten  vorbehalten  war. 

Fernere  Entwürfe  Golizyn's  waren  an  den  Osten  geknüpft  Sibi- 
rien sollte  civilisirt  werden. 

Neuville  hatte  sogleich  bei  seinem  Erscheinen  in  Russland  einen 
Mann  kennen  gelernt,  dessen  Gesichtskreis  und  Bildung,  dessen 
Weltkenntniss  und  politische  Erfahrung  den  hochfliegenden  Inten- 
tionen des  Fürsten  Golizyn  entsprachen.  Es  war  der  Grieche  Spa- 
fari.  Bereits  in  der  Zeit  Feodor  Alexejewitsch*s  hatte  dieser,  durch 
Sprachkenntnisse  und  eine  etwas  abenteuerliche  Vergangenhait  aus- 
gezeichnete Emigrant  in  den  fortschrittlichen  Kreisen  der  höheren 
russischen  Gesellschaft  eine  gewisse  Rolle  gespielt  In  der  letzten 
Zeit  der  Regierung  des  Zaren  Alexei  war  Spafari  als  russischer  Ge- 
sandter in  China  gewesen.  Mit  dem  Freunde  und  Vertrauten  des 
Zaren  Alexei,  dem  strebsamen  und  gebildeten  Bojaren  Artamon 
Matwejew,  hatte  er  naturwissenschafliche  Studien  betrieben  und  den 
Sohn  Matwejew's  in  den  alten  Sprachen  unterrichtet  ^  Man  wusste 
von  ihm  in  der  Türkei,  von  wo  aus  hervorragende  Kirchenfürsten 
mit  ihm  in  Verkehr  standen'.  Mit  dem  gelehrten  Bürgermeister  von 
Amsterdam,  Nikolaus  Witsen,  stand  er  in  einem  Briefwechsel*. 
Während  der  Regentschaft  Sophien's  nahm  er  in  der  Gesandtschafts- 
behörde eine  bedeutende  Stelle  ein.  Ihm  war  der  Auftrag  gewor- 
den, den  französich-polnischen  Diplomaten  Neuville  zu  empfangen, 
ihm  während  des  Aufenthalts  in  Russland  Gesellschaft  zu  leisten. 
Auf  die  Gespräche  Neuville*s  mit  Spafari  lassen  sich  manche  An- 
gaben der  cRelation  curieuse»,  z.  B.  über  die  Feldzüge  Golizyn's  in 
der  Krim,  zurückfuhren.  Spafari  war  vor  Kurzem  wiederum  von 
einer  Reise  in  den  entferntesten  Osten  zurückgekehrt.  Bei  dem  da- 
mals sich  lebhaft  steigernden  Interesse  für  die  Geographie  und 
Ethnographie  Asien^s  war  es  begreiflich,  dass  Neuville  mit  grosser 
Spannung  den  Erzählungen  Spafari's  über  dessen  Reisen  lauschte. 
Von  ihm  erfuhr  er  nun,  dass  in  Betreff'  des  Handels  und  Verkehrs 
mit  China  grosse  Entwürfe  beständen:  durch  ganz  Sibirien  sollte  ein 
grosses  System  von  Postanstalten  errichtet  werden;  von  je  zehn  zu 
zehn  «Lieues»  sollte  ein  Posthaus  erbaut  werden;   man  hoffte  auf 

'  Ssolowjew,  Bd.  Xm,  S.  S38. 
•  Sscüowjew  Bd.  XTV,  S.  aas  u.  Bd.  XV,  S.  11$. 

'  Guerrier,  LeibniU  in  seinen  Beziehungen  zu  Peter  dem  Grossen,  St.  Petersbnrg  und 
Leipzig,  1S73  S.  Mg, 


211 

den  schiflFbaren  Flüssen  Sibiriens  eine  lebhafte  Schifffahrt  erstehen 
zu  sehen.  Indem  Neuville  diese  Bemerkungen  mittheilt,  fügt  er  hin- 
zu, dass  Spafari  in  seinen  Mittheilungen  über  diesen  Gegenstand 
einigermaassen  zurückhaltend  gewesen  sei  und  z.  B.  über  die  Topo- 
graphie Sibiriens  wenig  gesagt  habe,  weil  man  den  Weg  nach  China» 
namentlich  vor  den  Holländern,  geheimzuhalten  suche. 

So  hatte  denn  Neuville  den  Eindruck,  dass  mit  dem  Ministerium 
Golizyn  für  Russland  eine  neue  Aera  hätte  anbrechen  können,  wenn 
nicht  der  im  Jahre  1689  zu  Gunsten  Peter^s  eingetretene  Umschwung 
wie  mit  einem  Schlage  alle  die  an  das  Talent  und  die  Strebsamkeit 
Golizyn^s  geknüpften  Hoffnungen  vernichtet  hätte*. 

Wir  sind  in  der  glücklichen  Lage,  Neuville*s  Angaben  in  Betreff 
der  geistigen  Interessen  Golizyn*s  wenigstens  zum  Theil  durch  Ge- 
schichtsmaterialien unvergleichlich  zuverlässigerer  Art  kontrolliren 
zu  können  und  finden  allerdings,  dass  Golizyn's  Bildung  auf  einer 
überraschenden  Höhe  gestanden  haben  müsse.  Nicht  umsonst  s^ 
ein  anderer  Zeitgenosse,  welcher  damals  in  Moskau  lebte,  der  Sachse 
Georg  Adam  Schleusing :  Studien,  wie  Golizyn  sie  treibe,  seien  in 
Russland  sonst  «ein  seltenes  Wildpret»'. 

In  dem  Archiv  des  Justizministeriums  findet  sich  die  Schilderung 
des  Hauses  Golizyn  und  das  Verzeichniss  seiner  Bücher.  Offenbar 
war  Beides  bei  Gelegenheit  der  Katastrophe  im  Jahre  1689,  als  GoH- 
zyn's  Vermögen  konfiszirt  wurde,  zusammengestellt  worden. 

Von  der  Pracht  in  dem  Hause  Golizyn's  können  wir  uns  aus  dem 
Hinweise  auf  folgende  Luxusgegenstände  einen  Begriff  machen.  In 
einem  Saale  hing  eine  Art  Tellurium,  d.  h.  eine  Nachbildung  der 
Sonne  in  Gold,  eine  des  Mondes  in  Silber  in  Form  eines  künstlich 
gearbeiteten  Kronleuchters ;  da  gab  es  ferner  zwanzig  Bildnisse  von 
Personen  aus  der  heiligen  Geschichte  in  kunstvoll  geschnitzten  Rah- 
men. Vier  grosse  Bilder  aus  Deutschland  in  Rahmen  werden  noch 
besonders  erwähnt.  Golizyn  besass  eine  Sammlung  historischer 
Portraits:  Bildnisse  des  Grossfürsten  Wladimir  vonKijew,  des  2Uiren 
Iwan  IV.,  Feodor  Iwanowitsch,  Michail  Feodorowitsch,  Alexei  und 
der  Söhne  des  letzteren;  ausserdem  vier  Portraits  west-europäischer 
Fürsten.  An  den  Wänden  eines  Gemaches  hingen  fiinf  hohe  Spiegel, 


•  Die,  Golizyn  betreffenden  Ausführungen  Neuville's  sind  in  verschiedenen  Theilen 
der  «Relation  curieuse  et  nouveUe  de  Im  Moscovie»  (k  U  H^ye,  1699)  verstreut;  s.  ins- 
besondere  S.  16,  5$.  f7Si  215  u.  s.  w. 

*  Vgl.  den  Anhang  zu  Schleusing*s  Buch  über  die  beiden  Zaren  Iwan  und  Peter, 

Kap.  a. 

14* 


212 

deren  einer  einen  Schildpattrahmen  hatte.  Dieses  Gemach  hatte 
nicht  weniger  als  46  Fenster  mit  Glasmalereien.  Im  Schlafzimmer 
hingen  in  vergoldeten  Holzrahmen  auf  Leinwand  gemalte,  deutsche 
geographische  Karten,  ferner  gab  es  in  demselben  Gemache  vier 
Spiegell  zwei  Büsten  von  Mohrenköpfen,  ein  überaus  kunstvoll  aus 
Nussholz  gearbeitetes  Bett,  allerlei  Statuen,  Nachbildungen  von 
Vögeln  und  Gräsern.  Ueber  dem  Bett  war  ein  runder  Spiegel  be- 
festigt. Da  standen  mit  goldgepresstem  Leder  überzogene  Stühle 
und  mit  Sammet  überzogene  Lehnstühle.  Ferner  schmückten  Wand- 
und  Tischuhren  mit  Schlagwerk  in  kostbarem  Gehäuse  von  Schild- 
patt und  Fischbein,  sowie  von  rothem  Leder  die  Zimmer.  Eine 
Uhr  stellte  einen  Reiter  dar.  Allerlei  Schränke  oder  Kommoden 
mit  unzähligen  Schiebladen,  Tintenfässer  von  Bernstein,  physika- 
lische Instrumente  (Röhren  und  Schalen  mit  Quecksilber,  woran 
Kupferplatten  mit  Inschriften)  werden  erwähnt  Man  sieht,  der 
Minister  Sophien's  hatte  andere  Bedürfnisse,  andere  geistige  Interes- 
sen, als  die  gewöhnlichen  Bojaren  jener  Zeit. 

Unter  den  Büchern  und  Handschriften  in  der  Bibliothek  des  Für- 
sten finden  wir  historische  Schriften  aus  der  byzantinischen  Ge- 
schichte, theologische  Werke,  Grammatiken,  ein  polnisches  Buch, 
den  Koran,  eine  Art  diplomatischen  Handbuchs  («Buch  von  Ge. 
sandten«),  vier  deutsche  Bücher,  vier  handschriftliche  Werke  über 
die  Schauspielkunst;  acht  Kalender  von  verschiedenen  Jahren;  ein 
juristisches  Werk  über  Holland;  ein  deutsches  Gesangbuch;  eine 
Geschichte  der  polnischen  Sprache;  ein  Werk  über  die  Kunst, 
Pferde  zu  heilen;  ein  in  deutscher  Sprache  verfasstes  zoologisches 
Werk,  Chroniken  und  russische  Gesetzbücher  früherer  Zeit;  ein 
Handbuch  der  Feldmesskunde  in  deutscher  Sprache;  eine  Hand- 
schrift^ von  Jurij  dem  Serben»  K 

Die  Vielseitigkeit  der  Lektüre  Golizyn*s  ist  beachtenswerth.  Man 
sieht  freilich,  dass  der  Zufall  an  der  Zusammensetzung  dieser  Bücher- 
und  Handschriftensammlung  bedeutenden  Antheil  hatte,  aber  man 
muss  anerkennen,  dass  die  Mannigfaltigkeit  der  Stoffe  und  der  Spra- 
chen seiner  Bücher  auf  einen  sehr  ausgedehnten  Kreis  von  geistigen 
Interessen  schliessen  lassen.  Bibliotheken  waren  in  Russland  damals 
namentlich  in  russischen  Kreisen,  eine  so  gut  wie  völlig  unbekannte 
Sache.  Im  Palaste  des  Zaren,  in  Klöstern,  bei  einzelnen,  aus  Polen 
und  Griechenland  nach  Moskau  eingewanderten  Theologen  mochte 


*  Siolowjew :  Geschichte  RussUndt  Bd.  XIV,  S.  97  -  98. 


g^3 

man  wohl  einige  Bücher  finden;  von  den  russischen  Adeligen  moch- 
ten in  der  zweiten  Hälfte  des  siebenzehnten  Jahrhunderts  wohl  nur 
sehr  Wenige,  etwa  nur  solche  vereinzelte  Pioniere,  wie  Artamon 
Matwejew  oder  Wassilij  Golizyn,  überhaupt  mehrere  Bücher  be- 
sitzen, welche  die  verschiedensten  weltlichen  Stoffe  behandelten. 
Die  geistliche  Literatur  war  sonst  die  allein  herrschende. 

Besondere  Beachtung  verdient  in  dem  Katalog  die  Erwähnung 
der  «Handschrift  des  Serben  Jurij».  Wir  dürfen  kaum  daran  zwei- 
feln, dass  wir  es  hier  mit  den,  wenige  Jahre  vor  der  Regentschaft 
Sophien*s  in  Tobolsk  verfassten  Schriften  Jurij  Krishanitsch's  zu 
thun  haben,  welche  erst  in  der  allerneuesten  Zeit  zum  grössten 
Theil  durch  Hrn.  Bessonow  in  Moskau  herausgegeben  wurden. 
Diese  Schriften  stellen  eine  Art  Encyklopädie  der  Staatswissen- 
schaften dar,  enthalten  ein  grossartiges  Reformprogramm  fiir  Russ- 
lands politische  und  soziale  Entwickelung  und  zeugen  von  einer  all- 
umfassenden Bildung  des  Verfassers,  eines  Geistlichen,  welcher 
allerdings  seine  Lehrzeit  in  Italien  verbrachte,  ungemein  belesen 
und  kenntnissreich  war.  Krishanitsch's  Reformentwürfe  entspre- 
chen zum  Theil  der  Richtung,  in  welcher  Peter  der  Grosse 
wirkte.  Er  kann  als  ein  Geistesverwandter  und  Vorläufer  des 
genialen  Zaren  betrachtet  werden.  Seine  Schriften  bieten  eine 
unerschöpfliche  Fülle  geistiger  Anregung.  Wenn  Golizyn  auch 
gar  nichts  anderes  gelesen  hätte,  als  Krishanitsch's,  in  der  Ver- 
bannung zu  Tobolsk  verfasste,  Ausftihrungen,  in  denen  alle  den 
Staat  und  die  Gesellschaft,  das  internationale  Leben,  das  Recht  und 
die  Wirthschaft,  den  Handel,  die  Industrie  und  die  Landwirthschaft» 
die  Religion  und  die  Moral,  das  Heerwesen  und  die  Verwaltung  be- 
treffenden Fragen  erörtert  werden,  er  wäre  der  gebildetste  Russe 
seiner  Zeit  gewesen.  Diese  Schriften  waren  damals  sonst  so  gut 
wie  völlig  unbekannt,  nur  eines  Exemplars  dieser  Handschriften 
wird  in  den  Akten  der  Palastverwaltung  erwähnt,  eine  zweite  Er- 
wähnung ist  diese  in  dem  Katalog  der  Bibliothek  des  Fürsten 
Golizyn'. 

Der  Besitzer  eines  solchen  Hauses,  einer  solchen  Büchersamm- 
lung, der  gewandte  Gesellschafter,  welcher  ohne  alle  Schwierigkeit 


'  Den  deutschen  Lesern  ist  Krishanitsch  so  gut  wie  ausschliesslich  aus  einer  Abhand* 
lang  in  Bodenstedt*s  Fragmenten  bekannt.  Selbst  in  Russland  ist  die  Edition  der 
Schriften  Krishanitsch's  nur  wenig  beachtet  worden«  Meine  Abhandlung;  «Ein  Kleider. 
Reformprojekt  vor  Peter  dem  Grossen»  in  der  «Russ.  Revue»  Bd.  II.  S.  428  be- 
handelt einige  Seiten  der  bändereichen  Schriften  Krishanitsch*t. 


214 

in  dem  kosmopolitischsten  aller  Idiome  sich  ausdrücken  konnte,  der 
russische  Bojar,  welcher  ausnahmsweise  als  Europäer  mit  Europäern 
verkehrte,  musste  den  Ausländern  imponiren.  Mit  glänzenden  gei- 
stigen Mitteln  vereinigte  er  einen  wahrhaft  fürstlichen  Reichthuro* 
Seine  Schätze  hätten  ihm  gestattet,  einen  asiatischen  Pomp  zu  ent- 
wickeln, er  zog  die  Allüren  eines  west-europäischen  Grand  Seigneurs 
vor. 

Bei  Gelegenheit  des  Sturzes  Golizyn*s  ist  ein  Verzeichniss  seiner 
Güter,  Häuser  u.  dgl.  angefertigt  worden.  Im  Jahre  1689,  als  Goli- 
zyn  sich  am  Ziele  seiner  Laufbahn  befand,  gehörten  ihm  eine  Menge 
Dörfer  in  der  Nähe  von  Moskau,  ferner  ein  Dorf  in  der  Nähe  von 
Nishnij -Nowgorod.  In  Moskau  besass  er  ausser  seinem  grossen  Pa- 
laste noch  ein  Haus,  ferner  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Haupt- 
stadt zwei  Lustschlösser,  deren  eines  er  von  einem  Ausländer  ge- 
kauft hatte.  Dass  diese  letztere  Besitzung  von  Gartenland  umgeben 
war,  ist  aus  dem  Umstände  zu  ersehen,  dass  die  Regierung  dieses 
Grundstück  dem  Apotheker-Ressort  zu  dem  Zwecke  überliess,  da- 
mit dort  allerlei  Apothekergewächse  gezogen  würden.  Von  Inter- 
esse ist  es,  dass  dieses  Landhaus  sich  in  der  unmittelbaren  Nähe  der 
deutschen  Vorstadt  befand. 

In  dem  Verzeichniss  der  konfiszirten  Gegenstände  des  beweg- 
lichen Vermögens  Golizyn's  finden  wir:  Gold,  Silber,  Heiligenbilder, 
Edebteine,  kostbare  Kleidungsstücke,  Krystallgefässe;  ferner:  Pferde, 
Equipagen,  Zelte,  Tischgeräthe  und  Weine;  sodann:  WafTen,  Orgeln 
und  andere  musikalische  Instrumente;  endlich:  Betten,  Atlasdecken 
u.  s.  w. 

Welchen  Werth  diese  Gegenstände  repräsentiren,  kann  man  dar- 
aus ersehen,  dass  ein  Theil  derselben,  als  nach  Golizyn's  Tode  die 
Kinder  desselben  manche  der  konfiszirten  beweglichen  Habe  zu- 
rückerhalten sollten,  auf  Verfügung  der  Regierung  folgendermaassen 
geschätzt  wurde.  Da  gab  es  einen  Posten  von  Silbergeschirr  im 
Gewicht  von  5  Pud  oder  200  Pfund;  silbernes  Pferdegeschirr  für  die 
Summe  von  3541  Rbl.,  was  bei  dem  Sinken  der  Münzeinheit  in  den 
letzten  zwei  Jahrhunderten  auf  gegen  50,000  Rbl.  nach  gegenwär- 
tigem Geldwerthe  geschätzt  werden  muss^     Es  entspricht  diesen 


*  Die  Berechnang  ist  folgende:  ein  Tschetwert  Roggen  kostete  cur  Zeit  Golizyn*s 
$0  Kop. ;  gegenwärtig  nngefthr  8  Rbl.  Legt  man  also  den  Getreidepreis  dem  Geld* 
werth  zu  Gmnde,  so  darf  man  einen  Rnbel  von  1689  mit  15—16  multipliziren,  vm 
den  hentigen  Geldwerth  m  ermitteln« 


gi5 

Angaben,  welche  sich  in  Geschäftspapieren  finden,  wenn  Neuville 
erzählt,  dass  Goliz3m  400  silberne  Schüsseln  besessen  und  dass  man 
in  den  Kellern  seines  Hauses  100,000  Dukaten  in  baarem  Gelde  ge- 
funden habe.  —  Andere  berichten  von  grossen  Mengen  von  Louis- 
d'ors,  welche  im  Besitze  Golizyn's  vorgefunden  worden  seiend 

Aus  der  Geschichte  Golizyn^s  wird  ein  Zug  von  grossartiger 
Wohlthätigkeit  berichtet.  Man  erzählt,  dass,  ab  die  Bewohner  der 
Stadt  Tschigirin  im  J.  1677,  in  Folge  der  Wirren  in  Klein-Russland 
und  der, Angriffe  der  Türken,  verarmte,  Golizyn  eines  seiner  Güter, 
welches  sechszig  Bauernhöfe  zahlte,  verkaufte,  um  diese  verarmte 
Bevölkerung  Tschigirin's  zu  unterstützen'. 

Dass  sich  Golizyn  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  manchen  Theil 
seines  kolossalen  Vermögens  nicht  auf  rechtmässige  Weise  erwor- 
ben habe,  wird  sogar  von  seinem  Bewunderer  Neuville  zugegeben. 
Er  spricht  die  Vermuthung  aus,  dass  manche  der  in  Golizyn's  Besitz 
gefundenen  Gelder  und  Kostbarkeiten  von  dem  im  Sommer  1687 
gestürzten  Hetman  Ssamoilowitsch  herstammten,  so  dass  Golizyn, 
welcher  bei  der  Katastrophe  des  Hetman^s  nicht  unbetheiligt  war, 
diese  Dinge  widerrechtlich  an  sich  gebracht  habe.  Dass  Golizyn  von 
solchen  Ereignissen  Nutzen  zu  ziehen  verstand,  erfahren  wir  aus  fol- 
gendem aktenmässig  bezeugten  Umstände:  als  unter  Golizyn's  Au> 
spizien  an  Ssamoilowitsch^s  Stelle  Maseppa  zum  Hetman  gewählt 
wurde,  musste  der  Letztere  dem  Fürsten  Golizyn  ein  Geschenk  Von 
10,000  Rubeln  in  Dukaten  und  Thalern  machen,  welche  er  nach 
dem  Sturze  Golizyn's  als  ein  erpresstes  Geschenk  zurückerbat  und 
erhielt*. 

Unzweifelhaft  verdankte  Golizyn  den  grössten  TheU  seines  Reich- 
thums  seiner  Günstlingsstellung  während  der  Regentschaft  Sophi- 
en's.  Wir  wissen,  dass  er  bei  jeder  Gelegenheit,  bei  Feldzügen,  Frie- 
densschlüssen u.  s.  w.  ansehnliche  Belohnungen,  Dörfer,  Geld, 
werth volle  Gegenstände  erhielt.  Die  Prinzessin, '  welche  ihn  liebte, 
war  zur  Verschwendung  geneigt,  wenn  es  galt,  den  von  ihr  verehr- 
ten Mann  reich  und  glücklich  zu  machen. 

Man  hat  über  diese  persönlichen  Beziehungen  Golizyn's  zur  Re- 
gentin sehr  viel  gesprochen  und  geschrieben.  Aber  die  von  Neuville 
vorgebrachten  Erzählungen  scheinen  denn  doch  sehr  unzuverlässig 


*  Schleusing  a.  a.  O«  und  Gespräche  im  Reiche  der  Todten  a.  a.  O. 

*  Tereschtschenko,  S.  138. 

*  Ustrjalow,  Gesch.  P.  d.  Gr.  Bd.  I.  S.  310  und  356. 


2X6 

zu  sein  K  Nach  seinem  Sturze  ist  er  beschuldigt  worden,  er  habe 
sich  durch  Vermittelung  eines  Bauern  einen  Liebestrank  zu  ver- 
schaffen gesucht,  um  das  Herz  der  Prinzessin  zu  gewinnen,  und  hin« 
terdrein,  um  jede  Spur  dieser  That  zu  tilgen,  den  unglücklichen 
Bauern  verbrennen  lassen*.  Er  selbst  hat  diese  ganze  Geschichte  als 
völlig  aus  der  Luft  gegriffen  bezeichnet.  Auch  wissen  wir,  dass  Go- 
lizyn  im  Grunde  keiner  Zaubertränke  bedurfte,  um  der  Zuneigung 
der  Prinzessin  sicher  zu  sein.  War  Golizyn  abergläubisch,  so  theilte 
er  diese  Schwäche  mit  vielen  Zeitgenossen.  Die  Prinzessin  Sophie, 
der  belesene,  gelehrte  Geistliche  Medwedjew  und  Andere,  glaubten 
an  allerlei  Spuk  und  Zauber.  Ein  Wunderdoktor  aus  Polen,  weicher 
des  Zaren  Iwan  kranke  Augen  behandelte,  hatte  gelegentlich  auch 
den  Fürsten  W.  W.  Golizyn  zu  behandeln  und  äusserte,  nachdem  er 
den  Patienten  betastet  hatte,  Golizyn  liebe  das  Ausländische,  seine 
Frau  aber  liebe  er  nicht.  Derselbe  Arzt  soll  von  Medwedjew  be- 
fragt  worden  sein,  ob  die  Prinzessin  Golizyn  heirathen  werde,  ob  er, 
Medwedjew,  Patriarch  werden  würde  u.  dgl.  m.,  worauf  er  dann  das 
Abenteuerlichste  in  der  Sonne  gesehen  zu  haben  vorgab.  Ein  Die- 
ner Golizyn's  erkrankte  plötzlich  an  einer  Ohnmacht  und  band  als 
Heilmittel  dagegen  etwas  Erde  in  ein  Säckchen.  Er  wurde  beschul- 
digt, den  Fürsten  durch  Zauberei  verderben  zu  wollen,  weil  er  die 
Erde  dort  aufgelesen  hatte,  wo  Golizyn  gegangen  war,  und  weil  ein 
solches  «Sammeln  der  Spur»,  nach  damaligem  Volksglauben,  den 
Tod  des  Betreffenden  zur  Folge  zu  haben  pflegte.  Der  Unglückli- 
che wurde  grausam  gefoltert  und  bestraft*. 

So  stellt  denn  Golizyn  eine  eigenthümliche  Mischung  von  Be- 
schränktheit und  Aufklärung,  von  einer  gewissen  Grösse  und 
schmutziger  Habgier  dar.  Betrachten  wir  seine  Thätigkeit  während 
der  Regentschaft  Sophien's. 

Oolizyn  als  Staatsmann. 

Charakter  ^nd  Umfang  jener  hochfliegenden  Entwürfe,  deren  Go- 
lizyn in  seinen  Unterredungen  mit  Neuville  erwähnte,  entsprechen 
nicht  der  Thätigkeit  Golizyn ^s  als  Staatsmann,  insoweit  dieselbe  auf 

'  NeuviUe  behauptet  entschieden,  S.  159,  dass  Sophie,  Kinder  von  Golizjn  hatte, 
nnd  ihn  habe  heirathen  wollen. 

'  Der  bekannte  Sylvester  Medwedjew  hatte  sich  diese  Episode  von  einem  «Zauberer» 
erzählen  lassen.  Ustijalow  glaubt  daran  ;  s.  a.  a.  O.  11  S.  4S — 49  n   344. 

*  Vgl.  Ustijalow  a  a  O   S.  48—49  nnd  Malinowskij  a.  a.  O.  S.  St. 


217 

die  innere  Politik  gerichtet  war.  Allerdings  währte  die  Zeit  dieser 
Wirksamkeit  Golizyn's  nur  sieben  Jahre;  allerdings  musste  in  dieser 
Zeit  seine  Hauptaufmerksamkeit  den  Fragen  der  auswärtigen  Poli- 
tik gewidmet  sein;  allerdings  sah  er  sich  bei  Allem,  was  er  unter- 
nahm, von  Gegnern  bedroht,  welche  darauf  sannen,  ihm  zu  schaden 
—  ein  Umstand,  welcher  etwaigen  feformatorischen  Entwürfen 
nicht  günstig  sein  konnte  —  dennoch  dürfen  wir  uns  darüber  wun- 
dem^ dass  die  Geschichte  der  Gesetzgebung  und  Verwaltung  keine 
einzige  grundlegende  Maassregel,  keine  einzige,  eine  wesentliche 
Neuerung  einleitende  organische  Verordnung  aufweist. 

Dass  man  unmittelbar  nach  der  Krisis  im  Mai  1682,  also  sogleich, 
nachdem  die  erschütternden  Ereignisse  nach  dem  Tode  des  2^ren 
Feodor  Sophie  und  Golizyn  an  die  Spitze  der  Geschäfte  gestellt 
hatten,  zu  grossartigen  durchgreifenden  Maassregeln  hätte  schreiten 
können,  daran  war  nicht  zu  denken.  Die  ersten  Monate  der  Regent- 
schaft Sophien ^s  sind  mit  angestrengten  Versuchen  ausgefüllt,  nach 
den  Unruhen  endlich  eine  gewisse  Stille  und  Sicherheit  in  der 
Hauptstadt  und  im  Reiche  herzustellen.  Wir  dürfen  vermuthen, 
dass  Sophie  einen  Antheil  an  der  politischen  Rolle  hatte,  welche 
die  rebellischen  Strelzy  im  Mai  1682  spielten.  Jetzt  galt  es  den  ent- 
fesselten Sturm  zu  beschwören.  Es  folgten  im  Sommer  des  Jahres 
1682  die  Unruhen  der  Sektirer,  welche  die  öffentliche  Sicherheit 
bedrohten,  das  Bestehen  der  offiziellen  Kirche  in  Frage  stellten  und 
durch  ihre  trotzige  Haltung  die  Regentin  zu  strengen  Maassregeln 
nöthigten.  Ueber  die  Haltung  Golizyn*s  bei  diesen  Ereignissen, 
welche  der  Regentin  Gelegenheit  gaben,  männlichen  Muth,  imponi- 
rende  Beredsamkeit  zu  entfalten,  haben  wir  keine  Nachrichten.  Bald 
darauf  folgte  dann  jener  Versuch  des  Fürsten  Chawanskij,  eine  Art 
Militärdiktatur  aufzurichten,  der  Regentin  an  der  Spitze  der  Armee 
eine  gewisse  Konkurrenz  zu  machen:  der  Hof  rettete  sich  aus  der 
Hauptstadt  fort;  durch  allerlei  Ränke  lockte  man  den  Fürsten  Cha- 
wanskij und  dessen  Sohn  in  eine  Falle  und  Hess  sie  beide  enthaup- 
ten. Bei  der  hierauf  folgenden  Befestigung  des  Klosters  Troiza,  wo- 
hin Sophie  sich  begab,  hat  denn  W.  W.  Golizyn  wesentliche  Dien- 
ste geleistet.  Erst  nachdem  man  aus  den  verschiedenen  Theilen  des 
Reiches  die  Miliz  aufgeboten  hatte,  um  nöthigenfalls  gegen  die  re- 
bellischen Truppen  der  Hauptstadt  zu  kämpfen,  konnte  die  Regie- 
rung ihr  Dasein  als  gerettet,  sichergestellt  betrachten. 

So  waren  denn  die  Anfänge  der  Regierung  Sophien's  allzu  stür- 
misch, als  dass  man  an   innere  Reformen  gedacht  hätte.     Später 


21« 

musste  man  sich  sehr  eingehend  mit  der  baltischen  Frage,  mit  den 
Beziehungen  zu  Polen  und  den  Tataren  beschäftigen.  Die  inneren 
Erschütterungen  hatten  dazu  beigetragen,  das  Ansehen  des  Reiches 
im  Auslande  zu  mindern.  Während  man  allerlei  Symptome  einer 
revolutionären  Gährung  im  Innern  des  Reiches  zu  bekämpfen  hatte, 
Strelzy  und  Raskolniks,  Räuber  und  Kosaken  im  2^um  hielt,  musste 
man  Anstalten  treffen,  dass  Polen  von  solchen  inneren  Krisen  keinen 
Nutzen  zog.  Polen  lauerte  nur  auf  eine  Gelegenheit,  das  verlorene 
Klein-Russland  wieder  zu  erobern,  und  agitirte  dort  durch  zahlreiche 
Emissäre,  welche  durch  Versprechungen  und  Drohmigen  auf  die 
Bevölkerung  zu  wirken  suchten«  Da  musste  es  denn  als  ein  grosser 
Vortheil  erscheinen,  dass  Russland  gleich  in  den  ersten  Jahren  der 
Regierung  Sophien^s  durch  geschickte  Verhandlungen  mit  der  Geist- 
lichkeit in  Klein-Russland  und  mit  dem  Patriarchen  von  Konstantino- 
pel das  Recht  erhielt,  den  Metropoliten  von  Kijew  aus  eigener 
Machtvollkommenheit  zu  ernennen.  Dadurch  ward  eine  Einheit  der 
Kirche  hergestellt,  welche  die  Annexion  Klein-Russlands  vollendete. 
Ja,  man  erlangte  dadurch,  dass  die  Orthodoxen  in  Polen,  welche  in 
geistlichen  Angelegenheiten  von  dem  Kijewer  Metropoliten  ab- 
hingen, indirekt  unter  dem  Einflüsse  Moskau's  standen.  War  auch 
das  Hauptverdienst  bei  diesem  wichtigen  Ergebniss,  wie  aus  den 
Einzelnheiten  dieser  Angelegenheit  hervorgeht,  dem  Hetman  Ssa- 
moilowitsch  zuzuschreiben,  so  darf  man  doch  annehmen,  dass  auch 
Golizyn,  als  Leiter  der  auswärtigen  Politik  Russlands»  einen  wesent- 
Uchen  Antheil  an  diesem  Erfolge  hatte  ^ 

Im  Allgemeinen  war  die  Regierung  damals  der  Ueberzeugung, 
dass  man  mit  Schweden  und  Polen  Frieden  halten  müsse,  um  auf 
dem  Gebiete  der  auswärtigen  Politik  alle  Kraft  auf  eine  aggressive 
Bewegung  gegen  die  von  Süden  her  das  Reich  unablässig  bedrohen- 
den Tataren  zu  verwenden. 

So  hat  sich  denn  die  Regierung,  und  namentlich  der  Fürst  Goli- 
zyn, den  Vorwurf  der  Schwäche  und  allzugrossen  Nachgiebigkeit 
gegen  Schweden  zugezogen.  In  der  Zeit  Feodor's  hatte  Russland 
um  einige  Grenzgebiete  mit  Schweden  gestritten.  Diese  Verhand- 
lungen wurden  in  Moskau,  wo  eine  schwedische  Gesandtschaft  er- 
schien, fortgesetzt  und  von  Grolizyn  personlich  geleitet;  sie  endeten 
mit  einer  Bestätigung  des  Friedens  von  Kardis,  d.  h.  mit  einer  for- 


'  Die  Geschichte  dieser  Veriuuidlangen  bei  Ustijalow  I,  S.  138  u.  ff. 


219 

meUen  Verzichtleistung  auf  die  streitigen  Grenzgebiete  von  Seiten 
Russlands'. 

Spätere  Schriftsteller  haben  Golizyn  für  einen  solchen  Misserfolg 
verantwortlich  gemacht.  Malinowskij  geht  soweit,  zu  behaupten, 
Golizyn  hätte,  wenn  er  so  klug  gewesen  wäre,  die  damaligen  Un- 
ruhen in  Schweden  zu  benutzen,  leicht  einige  Ostseehäfen  für  Russ- 
land ertrotzen  können,  wodurch  dann  Peter  dem  Grossen  der  nor- 
dische Krieg  erspart  geblieben  wäre  (!).  Andere  gehen  noch  wei- 
ter und  behaupten,  Golizyn  sei  von  den  Schweden  bestochen 
worden*. 

Wichtiger,  als  die  Beziehungen  zum  Kurfürsten  von  Brandenburg, 
welcher  sich  bei  Russland  für  französische  Emigranten  (Hugenot* 
ten)  verwandte,  oder  als  die  Abfertigung  einer  russischen  Gesandt- 
schaft (Dolgorukij's)  nach  Frankreich,  welche  Voltaire  veranlasst 
hat,  dem  Fürsten  Golizyn  hohes  Lob  zu  spenden',  war  der  Ab- 
schluss  des  ewigen  Friedens  mit  Polen,  und  hier  hatte  Golizyn  un- 
zweifelhafte Verdienste  als  Diplomat 

Jahrzehnte  hindurch  hatte  der  Krieg  zwischen  Polen  und  Russ- 
land gewährt.  Sehr  oft  hatte  Russland  Tataren  und  Türken  gegen 
Polen,  ebenso  oft  Polen  Tataren  und  Türken  gegen  Russland  ge- 
hetzt Jetzt  endlich  meint  man  gemeinschaftliche  Sache  gegen 
Türken  und  Tataren  machen  zu  müssen.  Auch  die  Ereignisse  in  West- 
Europa  hatten  das  Interesse  an  der  orientalischen  Frage  gesteigert. 
DieRebellionTökeli*s,  welcher  in  ähnlicher  Weise  sich  mit  dem  Sultan 
gegen  Oesterreich  verband,  wie  kurz  zuvor  Doroschenko  sich  mit  der 
Türkei  gegen  Russland  vereinigt  hatte,  die  Belagerung  Wien's  durch 
die  Türken,  der  hervorragende  Antheil,  welchen  der  König  Jan  So- 
bieski  an  der  Rettung  der  Kaiserstadt  nahm  —  alles  dieses  veran- 
lasste Russland  zu  einem  energischen  Vorgehen  in  der  orientali- 
schen Frage.  In  der  Allianz  zwischen  Leopold  und  dem  Könige 
von  Polen  war  verabredet  worden,  die  Zaren  zum  Beitritt  zu  der- 
selben zu  veranlassen;  dieser  Wunsch  wurde  wiederholt^  als  die  Re- 
publik Venedig  dem  Bündniss  sich  anschloss.  Sobieski  schrieb  an 
die  Zaren,  es  sei  die  Zeit  gekommen,  die  Türken  aus  Europa  zu  ver- 
jagen. Russland  musste  empfinden,  dass  es  in  seinem  Interesse  lag, 
an  der  allgemeinen  Bewegung  gegen  die  Pforte  Theil  zu  nehmen. 
Siegte  die  Türkei  über  Oesterreich  und  Polen,  so  konnten  leicht  tür- 

'  Ustijalow  I,  S.  1 17  u.  ff. 

*  Teretchtschenko  S.  153.    Ustijalow  hat  keinen  Verdacht  geSussert 

'  VgU  dessen  Gesch.  Peters  d.  Gr.  frz.  Ausg.  v.  1803,  Bd.  I,  S.  iio. 


220 

kische  Armeen  vor  den  Mauern  Kijew^s  erscheinen,  siegte  Polen, 
so  war  für  Russland  das  Uebergewicht  dieses,  ohnehin  gefahrlichen, 
Nachbarstaats  zu  fürchten.  Es  gab  eine  Solidarität  der  Interessen 
Polens  und  Russlands. 

Aber  der  Gegensatz  der  beiden  Reiche  und  Völker  war  zu  andau- 
ernd und  tiefgehend  gewesen,  als  dass  man  zu  einer  Zeit,  wo  man  in 
Betreff  Klein-Russlands  und  Kijew's  nur  einen  Waffenstillstand  ge- 
schlossen, nur  ein  Provisorium  kreirt  hatte,  so  leicht  zum  Abschluss 
eines  ewigen  Friedens  gekommen  wäre. 

Immerhin  machte  Golizyn  seit  dem  Anfange  des  Jahres  1684  die 
energischsten  Versuche,  eine  Einigung  mit  Polen  zu  Stande  zu  brin- 
gen. Die  Einzelnheiten  dieser  Verhandlungen  sind  hier  nicht  von  In- 
teresse. Im  Januar  1684  trat  in  Andrussow  ein  Kongress  russischer 
und  polnischer  Diplomaten  zusammen:  die  Fragen,  wem  Kijew  ge- 
hören sollte  und  ob  man  sich  entschliessen  mochte,  gemeinsam  ge- 
gen die  Türken  vorzugehen,  bildeten  den  Gegenstand  der  Verhand- 
lungen in  neununddreissig  Sitzungen.  Diese  blieben  erfolglos. 

Golizyn,  welcher  nicht  unmittelbar,  persönlich  an  diesen  Ver- 
handlungen Theil  nahm,  beschäftigte  sich  in  Moskau  eingehend  mit 
der  orientalischen  Frage.  Er  besprach  sich  u.  A.  über  diesen  Gegen- 
stand mit  Gordon.  Beide,  Golizyn  und  Gordon,  hatten  Jahrzehnte 
lang  den  kleinrussisch-orientalischen  Vermittelungen  zu  folgen  Ge- 
legenheit gehabt;  beide  hatten  an  den  Tschigirin-Feldzügen  Theil 
genommen.  Gordon  hatte  durch  längeren  Aufenthalt  in  Klein-Russ- 
land,  namentlich  in  Kijew,  an  der  Grenze  der  Steppengegend,  über 
welche  hinweg  man  mit  den  Feinden  der  Christenheit  zusammen- 
stossen  musste,  eine  Fülle  von  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  er- 
worben. Er  war  während  seines  Aufenthaltes  in  diesen  Grenzlanden 
Zeuge  der  Verwüstungen  gewesen,  welche  die  Tataren,  mitten  im 
Frieden  in  russisches  oder  polnisches  Gebiet  einbrechend,  anzurich- 
ten pflegten.  Seine  militärische  Erfahrung  wusste  Golizyn  zu 
schätzen. 

Als  nun  Gordon,  auf  einige  Wochen  seinen  Aufenthalt  in  Klein- 
Russland  unterbrechend,  Anfang  1684  in  der  Hauptstadt  weilte, 
und  sehr  häufig  im  Hause  des  Fürsten  Golizyn  aus-  und  einging, 
veranlasste  der  letztere  Gordon,  ein  allgemein  politisches  Memoire 
über  die  eventuelle  Thunlichkeit  eines  Feldzuges  gegen  die  Tataren 
abzufassen. 

Dieses  Aktenstück  liegt  uns  vor.  Gordon  hat  es  in  seinem  Tage- 
buche seinem  ganzen  Inhalte  nach  mitgetheilt.    Es  ist  in  demselben 


221 

gewissermaassen  das  Programm  der  Geschichte  der  folgenden  Jahre 
beschlossen.  Hat  auch  Gordon,  indem  er  zuversichtlich  an  den  Er- 
folg einer  Aktion  gegen  die  Tataren  glaubte,  in  der  Hauptsache  ge- 
irrt, so  sind  manche  einzelne  Erwägungen,  welche  er  in  diesem  Me- 
moire vorbringt,  geradezu  devinatorisch  und  zwar  insbesondere  in 
Betreff  Golizyn's. 

Weisen  wir  daher  auf  die  wesentlichsten  Grundzüge  in  diesem 
Aktenstück  hin. 

Gordon  zählt  zunächst  alle  Argumente  gegen  den  Krieg  auf.  Da 
heisst  es:  «Während  der  Minderjährigkeit  der  Zaren  sind  die 
Reichsverweser  jederzeit  vorsichtig,  behutsam  und  wenig  geneigt 
gewesen,  einen  Krieg  anzufangen,  damit,  wenn  selbiger  unglücklich 
ausschlagen  sollte,  der  Monarch  in  reiferem  Alter  denen,  welche 
einen  Krieg  angerathen  oder  denselben  zum  wenigsten  nicht  gehin- 
dert hatten,  die  Schuld  nicht  beimessen  möchte.  —  Da  gegenwärtig 
zwei  Zaren  sind,  so  wird  der  Staat  dadurch  in  Parteien  getheilt,  und 
die  Uneinigkeit,  Eifersucht  und  Zwistigkeiten  der  Grossen  erzeugen 
Verwirrung  und  Unentschlossenheit  in  ihren  Berathschlagungen, 
welches  bei  einem  Kriege  grosse  Hmdernisse  verursachen  muss». 
Gordon  macht  ferner  auf  den  Geldmangel  in  dem  Staatsschatze,  auf 
die  schlechte  Disziplin  in  der  Armee  und  auf  andere  Umstände  als 
auf  Gründe  der  Erhaltung  des  Friedens  aufmerksam.  —  In  der 
zweiten  Hälfte  seines  Memoire*s  entkräftet  indessen  Gordon  alle 
diese  Argumente,  zählt  einige  Beispiele  auf,  aus  denen  hervorgehen 
sollte,  dass  auch  in  Zeiten  der  Minderjährigkeit  mehrerer  Könige 
erfolgreiche  Kriege  geführt  worden  seien;  die  Parteiungen  der 
Grossen  seien  ihrem  eigenen  Interesse  zu  sehr  entgegengesetzt,  als 
dass  sie  dieselben  nicht  selbst  überwinden  würden;  Geld  würde  man 
schaffen  können;  bei  der  Armee  müsse  man  für  strenge  Mannszucht 
sorgen ;  Belohnungen  und  Strafen  würden  entscheidend  wirken,  u. 
s.  w.  Gordon  zeigt  dann,  wie  die  diplomatischen  Beziehungen  Russ- 
land zu  einer  Aktion  nöthigten  und  hebt  hervor,  wie  man  tGott 
einen  angenehmen  Dienst  leisten»  werde,  wenn  man  das  Räuber- 
nest der  Tataren  zerstöre,  d«  h.  die  Krim  erobere  Der  Marsch 
durch  die  Steppe,  meint  Gordon,  biete  keine  so  grossen  Schwierig- 
keiten dar;  der  Erfolg  sei  mit  Sicherheit  zu  erwarten  ^ 

In  dem  letzteren  Punkte  war  Gordon  in  einem  unheilvollen  Irr- 
thum  befangen.   Der  Marsch  durch  die  Steppe  bot,  wie  die  späteren 


*  Gordon'i  Tagebuch,  II.  S.  4-  li. 


222 

Feldzüge  darthaten,  bei  den  damaligen  unvollkommenen  Verkehrs- 
mitteln und  der  mangelhaften  Militärverwaltung  fast  unübersteig- 
liche  Hindemisse  dar.  Daran  scheiterten  die  Unternehmungen  Go- 
lizyn's  einige  Jahre  später.  Um  so  begründeter  waren  Gordon^s,  in 
der  ersten  Hälfte  seiner  Memoiren  geäusserten  Besorgnisse,  welche 
wesentlich  Golizyn  betrafen.  Die,  wenige  Jahre  später  eintretenden 
Ereignisse  zeigten,  dass  Golizyn  als  «Reichsverweser»  dem  minder- 
jährigen Zaren  Peter  gegenüber  mit  den  Feldzügen  in  der  Krim  eine 
schwere  Verantwortlichkeit  auf  sich  geladen  hatte ;  der  Misserfolg 
der  Jahre  1687  und  1689  hat  in  erster  Linie  Golizyn's  Sturz  bewirkt; 
nicht  umsonst  hatte  Gordon  mit,  für  jene  Zeit  erstaunlicher  Frei- 
müt)iigkeit  von  den  Parteiungen  der  Grossen  ab  von  einem  Ergeb« 
niss  des  Umstandes,  dass  man  zwei  Zaren  habe,  und  als  von  einem 
Hindernisse  des  Erfolges,  gesprochen.  Später  oder  früher  musste 
der  Konflikt  zwischen  den  Parteien  Iwan  und  Peter  zu  einer  Krisis 
fuhren.  Golizyn  fiel  als  ein  Opfer  derselben.  Auch  die  Mängel  der 
Armeeverwaltung,  die  Lockerheit  der  Disziplin  hatte  Gordon  nicht 
ohne  Ursache  als  bedenklichen  Grund  gegen  eine  Aktion  bezeichnet. 
Sie  haben  wesentlich  zum  Scheitern  der  Feldzüge  der  Jahre  1687 
und  1689  beigetragen. 

Golizyn  scheint  auf  Gordon^s  Bedenken  mehr  Gewicht  gelegt,  als 
dessen  Optimismus  getheilt  zu  haben.  Er  liess.die  Unterhandlungen 
in  Andrussow  abbrechen  und  es  kam  erst  drei  Jahre,  nachdem  Gor- 
don zu  einer  Aktion  gegen  die  Krim  gerathen  hatte,  zu  einem  Ver- 
suche, in  dieser  Richtung  etwas  zu  unternehmen. 

Dagegen  liess  Polen  nicht  nach.  Im  Mai  1684  erschien  eine  pol- 
nische Gesandtschaft  in  Moskau,  welche  die  Aufgabe  hatte,  Russ- 
land zu  einem  Angriff  auf  die  Krim  zu  bewegen.  cDie  rechte  Hand 
des  Sultans  sollte  abgehauen  werden».  So  bezeichnete  man  die  ge- 
hoflfte  Eroberung  der  tatarischen  Halbinsel  Golizyn  erklärte  sich 
zur  Aktion  bereit  und  knüpfte  daran  nur  die  Bedingung  der  defini- 
tiven Abtretung  Kijew's  an  Russland.  Die  letztere  Stadt  war  in 
dem  Frieden  von  Andrussow  (1667)  nur  zeitweilig  den  Russen  über 
lassen  worden.  Diese  Forderung  Russlands  sowie  einige  Misserfolge 
der  Polen  in  dem  Kampfe  mit  der  Türkei  hatten  zur  Folge,  dass  die 
in  Moskau  gepflogenen  Unterhandlungen  (1684)  zu  keinem  Ab- 
schluss  kamen. 

Da  erschien  Anfang  1686  abermals  eine  polnische  Gesandtschaft 
in  Moskau.  Sieben  Wochen  lang  währten  die,  dazwischen  mehr- 
mals unterbrochenen  Unterhandlungen,   an  denen  Golizyn 


.j 


223 

Mal  unmittelbaren  und  persönlichen  Antheil  nahm.  Hier  zeigte  er 
ungewöhnliches  diplomatisches  Talent  Durch  eine  gewisse  Festig- 
keit, die  so  weit  ging,  dass  man,  als  die  polnischen  Gesandten  im 
Betreff  Kijew^s  nicht  nachgeben  wollten,  ihnen  Pferde  und  Equi- 
pagen für  die  unverzügliche  Abreise  zur'Verfügung  stellte,  verstand 
es  Golizyn,  die  Polen  mürbe  zu  machen.  Russland  erhielt  Kijew, 
wofür  es  allerdings  eine  Summe  von  146,000  Rbl.  zahlte;  die  Rechte 
der  Orthodoxen  in  Polen  wurden  gemehrt;  beide  Mächte  verpflich- 
teten sich  zu  einer  gemeinsamen  Aktion  gegen  den  Orient 

Der  Abschluss  dieses  «ewigen»  Friedens  mit  Polen  galt  für  ein 
ungeheueres  Ereigniss.  Golizyn  meinte,  die  Regentin  habe  sich 
damit  ein  unermessliches  Verdienst  um  das  Reich  erworben.  Ueber- 
reich  ist  er  dafür  belohnt  worden.  «Wir  haben»,  sagte  Sophie  in 
einem  Manifest,  «einen  für  Russland  so  ruhmreichen  Frieden  ge- 
schlossen. Russlands  Ruhm  erschallt  laut  bis  an  die  äussersten 
Grenzen  der  Welt  u.  s.  w.»  * 

Golizyn  befand  sich  auf  der  Höhe  seiner  historischen  Rolle,  sei- 
ner glänzenden  Stellung.  Nicht  ohne  Genugthuung  mochte  er  er- 
fahren haben,  dass  der  König  von  Polen  thränenden  Auges  die  Ra- 
tifikation des  Friedens  vollzogen  habe.  Ob  er  aber  im  Stande 
sein  werde,  erfolgreich  gegen  die  Tataren  zu  kämpfen»  war  eine 
Frage.  Golizyn,  der  Diplomat,  hatte  Grösseres  geleistet,  als  Goli- 
zyn, der  Feldherr  zu  leistet  berufen  war. 

(Scblats  folgt) 


Earategin'. 

Ein  Beitrag  zur  Kunde  von  Central-Asien 

von 

G.  Arandarenko. 


Das  in  der  Geographie  unter  dem  Namen  Karategin  bekannte 
Gebirgsland  liegt  zwischen  zwei   bedeutenden  Gebirgszügen,   der 

*  V^l.  üstijalow  m.  a.  O.  I,  S.  152—17«. 

'  Die  nachstehenden  MittheUungen,  welche  wir  nach  einem  aus  Samarkand  datirten 
und  im  «BoeHHul  CöopHUti»»  TerÖffenUichten  Artikel  des  Hm.  A.  wiedergeben, 
bemben  nach  den  Angaben  des  Hm.  Verf.  auf  Nachrichten,  welche  theils  von  Kara- 


224 

Hissar-  und  der  Darwas-Kette,  welche  die  Grenzscheide  zwischen 
den  Flüssen  Serawschan  und  Amu-Darja  bilden.  Im  Osten  grenzt 
Karategin  an  das  Ferghana-Gebiet  und  an  Kaschgar,  im  Süden, 
dem  Gebirgszuge  folgend,  an  das  unabhängige  Darwas,  im  Norden 
längs  der  Hissar  Kette  an  den  oberen  Matscha,  und  im  Westen  an 
den  oberen  Jagnob  und  an  Buchara.  Die  Ausdehnung  des  Gebtrgs- 
landes  beträgt:  in  äquatorialer  Richtung  gegen  1200  Werst,  in  me- 
ridionaler,  zwischen  den  beiden  Gebirgsketten,  36  Werst. 

Dieses  breite,  ziemlich  hohe  Plateau  wird  in  der  Richtung  von 
Osten  nach  Westen  von  dem  Flusse  Ssurch-ob  (rothes  Wasser), 
einem  rechten  NebenHuss  des  oberen  Amu-Darja,  durchschnitten. 
Der  Ssurch-ob  kommt  aus  dem  Alai-Gebirge  und  ist  der  bedeu- 
tendste Fluss  in  Karategin.  Auf  seinem  Laufe  nimmt  er  viele  Zu« 
flüsse  auf,  unter  denen  die  wichtigsten  sind:  Janku,  Jarchitsch,  Chait, 
Ssaluk-  Ssar-bug,  Mundshigarf  —  auf  dem  rechten  Ufer,  und  Mu- 
gau,  Chadyrion,  Kalja-Kon,  Wahija  oder  Chuljass  —  am  linken 
Ufer. 

An  den  Ufern  und  in  den  Schluchten  erblickt  man  selbst  an  den 
unbedeutendsten  Zuflüssen  grössere  und  kleinere  Ansiedelungen, 
deren  man  in  Karategin  gegen  400  zählen  kann.  Die  Residenz  des 
Regenten  (Scha)  ist  die  auf  einem  Hügel  am  rechten  Ufer  des 
Ssurch-ob  sich  ausbreitende  Ansiedelung  Harm  mit  340  Höfen. 
Unter  den  anderen  Ansiedelungen  sind  nur  noch  folgende  befestigt: 
Kaljai-ljabi-ob,  Jarchitsch,  Obi-Harm,  Schilmok,  Schinglitsch, 
Jafutsch,  Ssamssalyk-Boni  und  Ssufijam;  eine  jede  derselben  zählt 
etwa  100  bis  360  Höfe,  sie  sind  namentlich  als  militärische 
Vertheidigungsplätze  wichtig  und  bilden  auch  die  Mittelpunkte  der 
administrativen  Verwaltung,  an  deren  Spitze  ein  Hey  (Mir)  steht. 

Trotz  der  unbedeutenden  Breite  des  Flusses  Ssurch-ob  — 
dieselbe  beträgt  im  mittleren  Karategin  gegen  20  Faden  —  ist  über 
denselben  auf  seinem  ganzen  Laufe  nur  eine  einzige,  und  zwar 
hölzerne  Brücke,  bei  dem  Dorfe  Ssari-pul,  drei  Werst  unterhalb  der 
Residenz  Harm,  geschlagen.  An  allen  übrigen  Stellen  passiren  die 
Bewohner  den  Fluss  schwimmend,   und   zwar   mit  Beihülfe   eines 


teglnem,  die  im  Serawschan-Thale  häufig  verkehren,  erlangt,  theils  aber  dnrch  Ein- 
gebome,  welche  man  speziell  dieses  Zweckes  wegen  nach  Karategin  sandte,  ein- 
gesammelt wurden.  Sie  werden  daher  immerhin  auf  einen  gewissen  Grad  von  Zuver- 
lässigkeit Anspruch  machen  dürfen  und  bei  dem  gänzlichen  Mangel  an  Daten  über  jene 
terra  incognita  gewähren  sie  trotz  ihrer  Dürftigkeit  ein  nicht  unerhebliches  Interesse. 

D.  Red. 


22$ 

ledernen  Sackes  (gup8sar)|  in  welchen  die  Kleidungsstücke,  und 
zuweilen,  wenn  dieser  Sack  gross  genug  ist,  Handelsartikel 
hineingepackt  werden.  Die  Oberkleider  ablegend,  pflegen  die 
Karateginer  den  Sack  aufzublasen,  sich  dann  reitlings  auf  denselben 
zu  setzen  und  so  über  den  Fluss  hinüberzuschwimmen.  Diese 
Ueberfahrt  geht  sehr  rasch  von  Statten.  Am  anderen  Ufer 
angekommen,  entleert  der  Schwimmer  den  gupssar  und  setzt  dann 
seine  Reise  fort.  In  den  grösseren  Dörfern,  wie  z.  B.  in  Pulding, 
Kaljai-ljabi-ob,  50  Werst  oberhalb  Harm,  sind  besondere 
Landungsstationen  eingerichtet,  wo  man  für  eine  unbedeutende 
Entschädigung,  z.  B.  für  eine  Schaale  Früchte,  Mehl,  Korn  oder 
Oel,  einen  gupssar  beliebiger  Grösse  erhalten  kann.  Diese  originelle 
Art  des  Uebersetzens  ist  nur  bei  den  Bewohnern  am  Flusse  Ssurch- 
ob  gebräuchlich;  auf  den  übrigen  kleineren  Zuflüssen  befinden  sich 
überall  hölzerne,  von  den  Bewohnern  selbst,  ohne  Unterstützung  der 
Regierung,  erbaute  Brücken. 

Mit  den  benachbarten  Ländern  (Darwas,  Kafamigen,  Matschai 
Ferghana)  ist  nur  im  Sommer,  vom  halben  Mai  bis  zum  halben  Sep- 
tember, über  die,  12 — 14,000  Fuss  hoch  liegenden  Gebirgspässe 
(agba)  eine  Kommunikation  möglich.  Uebrigens  sind  diese  Wege 
auch  im  Sommer  nur  sehr  schwer  zu  passiren.  Im  Winter  werden 
die  Pässe  durch  ungeheure  Schneemassen  vollkommen  verweht  und 
versperrt. 

Der  Weg  längs  dem  Flusse  Ssurch-ob  aufwärts,  von  Beni-Ssufijan 
an,  ist  an  den  Stellen,  wo  über  die  kleinen  Flüsse  Brücken  geschla- 
gen sind,  überall  gut;  Räderfuhrwerke  sind  aber  auch  in  diesem 
Theile  von  Karategin  gänzlich  unbekannt.  Man  bedient  sich  zum 
Transport  der  Lasten  sowohl,  als  auch  zur  Beförderung  der  Reisen- 
den, der  Maulesel,  Pferde  und  Ochsen. 

Wie  man  annehmen  muss,  liegt  der  mittlere,  am  dichtesten  bevöl- 
kerte Theil  von  Karategin  über  6500  Fuss  hoch  über  dem  Meeres- 
spiegel und  zeichnet  sich  durch  ein  ziemlich  rauhes,  schneereiches 
Klima  aus.  Den  Aussagen  der  Karateginer  und  der  Bewohner  des 
Serawschan-Thales  zufolge,  beginnt  der  Winter  daselbst  mit  dem 
ersten  Schneefall  um  Mitte  Oktober  und  dauert  bis  Mitte  Mai.  Jeden 
Winter  fällt  der  Schnee  bis  gegen  zwei  Faden  hoch,  worauf  dann 
auch  der  Verkehr  zwischen  den  einzelnen  Dörfern  auf  fünf  Monate 
gänzlich  aufhört. 

Wie  gross  die  Kälte  daselbst  und  wie  hoch  die  mittlere  Tempera- 
tur im  Sommer  ist,  kann  nicht  genau  bestimmt  werden ;  aus  den 

süss.  BBYUB,  BD.  Zm.  15 


226 

Aussagen  der  Eingeborenen  lässt  sich  jedoch  schliessen»  dass  die 
Winterfröste  daselbst  stärker  sind,  als  im  benachbarten  Matscha* , 
d.  h.  dass  die  Temperatur  im  Winter  dort  bis  gegen  — 40^  R.  fällt. 

Diesem  Klima  gemäss  haben  auch  alle  Dörfer  etwas  ungemein 
Einförmiges.  Die  Wohnhäuser  haben  alle  sehr'  dicke  Wände  (bis 
gegen  2Vs  Arschin),  und  sind  kaum  4V8  Arschin  hoch;  sie  bilden, 
dicht  neben  einander  stehend,  grosse  Höfe,  welche  in  seltenen  Fäl- 
len noch  eine  eben  so  dicke  Schutzmauer  besitzen.  Die  meisten 
Gebäude  sind  unten  von  Holz,  der  obere  Theil  ist  aus  Ziegeki  und 
Lehm  gebaut.  Sonst  sind  diese  Dörfer  ebenso  angelegt,  wie  die 
von  Matscha,  mit  denselben  gewundenen,  oft  plötzlich  abgegrenzten, 
zwei  Arschin  breiten  Strassen  und  dem  grossen  Platz  vor  dem  mo- 
hammedanischen Bethause.  Im  Allgemeinen  jedoch  sehen  diese  Dör- 
fer, wegen  der  vielen  Fruchtgärten,  die  erst  im  oberen  Lauf  des 
Serawschan,  in  einer  Höhe  von  7000  Fuss  über  dem  Meeresspiegel 
aufhören,  ungleich  freundlicher  aus,  als  die  von  Matscha.  Es  ist 
überhaupt  die  Vegetation  in  Karategin  eine  äusserst  opulente.  Die 
Abhänge  der  Berge  und  der  Schluchten  sind  dicht  mit  Nussbäumen, 
Ahorn,  Ebereschen,  Aepfel-  und  Birnbäumen,  Wachholder  und  an- 
deren Gewächsen  bestanden.  In  den  Wäldern  hausen  Bären  (Chirs), 
Panther  (Palan),  Schakale,  Wölfe  (Gurk),  Füchse  (Ruba),  Luchse 
(Sselsussion)  und  Marder  (Dalja).  In  den  höher  gelegenen  und 
weniger  bewaldeten  Theilen  finden  sich  wilde  Schafe  (ovis  rignei 
Blyth)  vor  und  in  den  felsigten  Abhängen  Perdix  graeca  und  Mega- 
loperdix  Nigelii. 

Die  in  den  Dörfern  selbst  und  an  den  Grenzen  der  Aecker  ange- 
legten Fruchtgärten  sind  angefüllt  mit  Maulbeerbäumen  (Tut), 
Aprikosen-,  Pfirsich-,  Kirschen-,  Aepfel-  und  Nussbäumen,  zwischen 
denen  sich  Berberisten,  Johannisbeer-  und  Heckenrosensträucher 
zeigen.  Weintrauben  findet  man  nur  in  einigen  Dörfern  des  süd- 
liehen  Karateg^n.  Die  Aprikosen  und  die  anderen  Früchte  wer- 
den schon  im  Juni  reif,  nur  die  Pfirsiche  gelangen  erst  im  September 
zur  Reife. 

Den  Hauptreichthum  des  Landes  bildet  jedoch,  von  den  noch 
unberührten,  im  Schooss  der  Erde  liegenden  Mineralien  abgesehen, 
der  fruchtbare  und  steinfreie  Boden  an  den  Ufern  der  Flüsse  und 
an  den  Abhängen  der  Berge,  durch  welchen  der  Ackerbau  sehr  bc- 

*  Matscha.  ein  dicht  bevölkerter  Landstrich  am  oberen  Serawschan,  ist  im  Jahre 
1870  nach  der  Beendigung  der  wissenschaftlichen  Iskander-Kul  Expedition,  mit  Tu r- 
kestan  vereinigt  worden. 


2g; 

gÜQStigt  und  auch  die  Viehzucht  —  es  werden  daselbst  Ziegen, 
Pferde,  Schafe,  Hornvieh  gehalten  —  wesentlich  ermöglicht  wird. 
Unter  den  natürlichen  Reichthümern  müssen  ferner  noch  die  Salz- 
gruben (Koni-Rugan)  in  den  Bergen  angeführt  werden,  im  Nord- 
westen aus  Harm,  in  der  Gegend  von  Matscha,  dessen  Einwohner 
gleichfalls  von  hier  ihr  Salz  beziehen,  indem  sie  bloss  dem  Aufseher 
der  Salzgruben  je  eine  Arschin  eines  schmalen  Baumwollengewebes 
(Karbjas)  für  je  4  Pud  Salz,  die  sie  auf  einen  Maulesel  aufladen  kön- 
nen, entrichten.  Der  Aufseher  gibt  seinerseits  einen  Theil  der  er- 
haltenen Abgabe  dem  Regenten. 

Die  grosse  Anzahl  von  wilden  Nussbäumen  gestattet  den  Einwoh- 
nern in  grosser  Menge  Brennöl  zu  bereiten,  welches  nach  Hissar, 
Kuljaba,  Darwas  und  Matscha  geschickt  wird.  Der  Reichthum  an 
wilden  Thieren  in  den  Wäldern,  und  an  Flussottern  gewährt  den 
Bewohnern  gleichfalls  grosse  Vortheile  durch  den  Handel  mit  Bären-, 
Fuchs-  und  Otternfellen.  Endlich  sind  noch  die  Goldwäschereien 
im  Frühling  und  im  Herbst  an  den  Ufern  des  oberen  Amu-Darja 
zu  erwähnen.  Die  dort  gewonnenen  Goldkörner  haben  gewöhnlich 
die  Grösse  einer  Linse. 

Die  Einwohner  bestehen  aus  Tadshiken  und  im  nördlichen  Theil 
aus  nomadisirenden  Kirgisen.  Die  Tadshiken  sind  eher  hohen  als 
mittleren  Wuchses,  Muskeln  und  Brust  sind  stark  entwickelt,  der 
Körper  kräftig  gebaut.  Das  Haar  meist  schwarz  (obgleich  auch 
rothes  und  kastanienbraunes  Haar  auftritt),  ist  dicht,  die  Haut 
dunkel,  die  Augen  sind  in  der  Regel  schwarz,  doch  zuweilen  auch 
grau  und  blau.  Die  Gesichtszüge  sind  regelmässig  und  ausdrucks- 
voll, die  Stirn  ist  hoch,  die  Nase  gross  und  gerade.  Die  Sprache 
ist  ein  Dialekt  des  Persischen  mit  einigen  nationalen  Eigenthümlich- 
keiten.  Der  Dialekt  der  Bewohner  des  Serawschan-Thales  ist  dem- 
jenigen der  Karateginer  so  ähnlich,  dass  der  gegenseitige  Austausch 
von  Mittheilungen  unbehindert  von  Statten  geht;  da  ausserdem  in 
Karategin  eine  genügende  Anzahl  von  Schulen  besteht,  so  versorgt 
Karategin  auch  das  Serawschan-Thal  mit  einer  bedeutenden  Zahl 
von  Imam's,  MuUah's  und  Mektobdaren  (Lehrern). 

Was  die  Sitten  und  Gebräuche  der  Karateginer  betrifft,  so  unter- 
scheiden sie  sich  kaum  von  denen  des  Bergvolkes  Matscha.  Die 
drei  Hauptereignisse  des  Lebens:  die  Verehelichung,  die  Einführung 
der  Söhne  in  die  Lehre  Mohammed's  und  das  Begräbniss  haben  den- 
selben Charakter,  wie  in  Matscha. 

Der  Verehelichung  geht  die  Werbung  voranj^d.  h.  die  Verab- 

15* 


22S 

redung  mit  den  Eltern  der  Braut  unter  Beihülfe  einiger  Greise  aus 
dem  Kreise  der  Verwandten  oder  der  Nachbarn  des  Bräutigams» 
welche  als  Freiwerber  (sautschi)  zu  den  Eltern  der  Braut  entsandt 
werden.    Wenn  diese  letzteren  ihre  Einwilligung  geben,  werden  die 
Freiwerber  aufgefordert  im  Fremdenzimmer  (migmanchan)  zu  blei- 
ben und  werden,  je  nach  den  Mitteln  der  Eltern  der  Braut,  mehr  oder 
weniger  reichlich  bewirthet.    Nachdem  sie  darauf  dem  Bräutigam 
die  Einwilligung  angezeigt,  müssen   sie  nach  drei  oder  vier  Tagen 
sich  zum  zweiten  Mal  in  das  Haus  der  Braut  aufmachen,  [aber  nicht 
anders  als  in  Begleitung  von  8 — lo  Nachbarn,  welche  ihnen  mit 
Schüsseln  voll  Kuchen,  Milchgrütze,  Reis,  getrockneten  Früchten 
und  anderen  Esswaaren  folgen.     Alle  Gäste  setzen  sich,  an  ihrem 
Bestimmungsort  angekommen,  nieder,  sprechen  leise  ein  kurzes  Ge- 
bet vor  sich  hin  und  bringen  darauf,  alle  gleichzeitig,  laut  ihren  Glück- 
wunsch dar.     Die  mitgebrachten  Gaben  werden  in  die  Frauenkam- 
mer getragen^  von  wo  sie  nach  kurzer  Zeit,  vollkommen  zugerichtet, 
wieder  in  das  4**remdenzimmer  zur  Bewirthung  der  Abgesandten  ge- 
langen.    Die  Letzteren  treten  nun  sogleich  in  Unterhandlung  in 
Bezug  auf  den  mochra^  d.  h.  den  Kaufpreis  der  Braut.   Ueber  diesen 
Punkt  pflegt  man  in  der  Regel  sehr  rasch  in's  Reine  zu  kommen. 
Gewöhnlich  gibt  der  Bräutigam,  wenn  er  eben  nicht  zu  den  Reichen 
gehört,  als  mochra:  3  Pferde,  3  Ochsen,  3  Flinten,  3  Stück  Seiden« 
zeug,  3  Stück  Baumwollenzeug,  3  Batmane  (24  Pud)  Mehl,  einen 
Ochsen  zum  Schlachten,  und  dann  noch  der  Braut  als  Geschenk: 
einige  Arschin  Kattun  für  Hemd  und  Beinkleider,  4  Arschin  Tuch 
zur  Jacke  (koltascha  genannt),    2  baumwollene  oder  halbseidene 
Tücher  (rumal)  und  2  Paar  Ueberschuhe.    Am  Abend  des  zur  Trau- 
ung (nikoch)  bestimmten  Tages,  versammeln  sich  im  Hause  der 
Eltern  der  Braut  die  Nachbarn,  oder  auch  sämmtliche  Dorfbewohner; 
dann  kommt  der  Bräutigam  mit  seinen  Gefährten,   worauf  sich  Alle 
niedersetzen.     Der  gleichfalls  erschienene  Mullah  richtet  dann  an 
die,  sich  in  einem  Nebenzimmer  befindende,  Braut,  durch  zwei  ihrer 
Bevollmächtigten  (podar  vokil),  die  Frage,  ob  sie  den  —  er  nennt 
den  Namen  des  Bräutigams  —  aus  freien  Stücken  heirathe,  und 
wiederholt  die  Frage,  nachdem  er  eine  bejahende  Antwort  erhalten, 
dem  Bräutigam  gegenüber,  indem  er  sich  gleichzeitig  auch  nach  dem 
Kaufpreise  erkundigt.     Nachdem  er  die  Trauungsakte  (nikot  chat), 
in  welche  auch  die  Ausgaben  des  Bräutigams  bei  der  Trauung  ein- 
geschlossen sind,  zusammengestellt,  spricht  er  ein  Gebet  (chudba)> 
womit  die  Trauungsceremonie  zu  Ende  ist     An  diesem  Abend 


229 

werden  sowohl  die  Männer,  als  auch  die  Frauen  in  der  Frauenkammer 
reichlich  mit  Nudeln  (ugra)  in  saurer  Milch,  mit  Milchgrütze  und  zu- 
letzt mit  Reis  bewirthet.  Gegen  lo  Uhr  Abends  wird  das  Mahl  be- 
endigt, der  Bräutigam  erhält  von  den  Eltern  der  Braut  einen  langen 
Chalat  und  begibt  sich,  von  seinen  Gefährten  mit  frohen  Liedern 
begleitet,  in  sein  Haus,  und  zwar  eine  halbe  Stunde  früher,  als  die, 
von  den  Frauen  des  Dorfs  geführte,  junge  Frau  unter  Fackelbeleuch- 
tung in  das  Haus  ihres  Mannes  gebracht  wird.  Hier  stellt  der  junge 
Mann  in  einem  besonders  hierfür  durch  einen  Vorhang  abgetheilten 
Zimmer  seiner  Frau  anheim,  die  Nacht  mit  ihren  Gefährtinnen  zu- 
sammenzubleiben, die  von  dem  Hausherrn  überaus  freigiebig  be- 
wirthet werden.  Am  andern  Tage  wird  aus  dem  Hause  der  Braut 
die  Aussteuer,  die  sie  erhalten,  gebracht,  wofür  die  Neuvermählten 
ihren  Dank  in  Form  kleiner  Geschenke  abtragen. 

Eine  andere  Gelegenheit  zu  Festlichkeiten  bietet  das  Fest  der  Be- 
schneidung (toichat-nassyr),  die  zwischen  dem  8.  und  lO.  Lebens- 
jahre vorgenommen  wird.  Zu  diesem  Fest,  welches  mit  grossem 
Aufwand  gefeiert  wird,  werden  nicht  nur  alle  Bewohner  desselben 
Dorfes,  sondern  auch  die  der  umliegenden  Dörfer  eingeladen.  Bei 
den  Reichen  versammelt  sich  auf  diese  Weise  oft  eine  Schaar  von 
circa  300  Gästen  (Männer,  Frauen  und  Kinder),  welche  reichlich  mit 
Fleischspeisen  bewirthet  werden.  Die  Festlichkeiten  dauern  drei 
Tage,  die  Beschneidung  ^vird  aber  im  Stillen  erst  nach  der  Abreise 
sämmtlicher  Gäste  vollzogen.  Die  Festlichkeit  kommt  dem  Haus- 
herrn in  der  Regel  auf  ungefähr  20  Hammel,  2  Batmane  Reis,  12 
Schafe  etc.,  oder  auf  circa  140  Rbl.  zu  stehen. 

Die  Gedächtnissfeier  bei  Begräbnissen,  wobei  an  die,  auf  dem 
Friedhofe  Anwesenden  je  eine  Arschin  Kattun  oder  Baumwollen- 
oder Seidenzeug,  zur  Erinnerung  an  den  Verstorbenen,  vertheilt 
wird,  findet  am  dritten  Tage  nach  der  Bestattung  statt;  auch  hier 
werden  die  Gäste  wieder  reichlich  bewirthet. 

Der  Aufwand  bei  der  Beschneidung,  Hochzeit  und  Beerdigung 
bildet  die  Hauptausgabe  der  Karateginer;  sonst  sind  sie,  in  Bezug 
auf  ihren  täglichen  Bedarf,  sehr  genügsam,  und  zwar  sowohl  was  die 
Nahrung,  als  auch  was  die  Kleidung  und  das  Wohnhaus  betrifft. 
Die  ganze  Kleidung  des  Karateginers  besteht  aus  einem  baumwol- 
lenen Hemd  und  eben  solchen  Beinkleidern,  aus  dem  täglich  zu 
Hause  getragenen  wollenen  Chalat  und  wollenen  Pluderhosen.  Alles, 
was  er  überhaupt  trägt,  die  Stiefel  nicht  ausgenommen,  ist  von  der 
Familie  im  Hause  während  des  langen  Winter3  verfertigt 


230 

Die  Hauptcrwerbsquelle  der  Karateginer  bildet  der  Landbau.  Sie 
gewinnen  so  viel  Getreide,  dass  sie  stets  die  Möglichkeit  besitzen, 
dasselbe  für  einen  ganz  geringen  Preis  nach  auswärts,  nach  Hissar, 
Darwas  und  Matscha  zu  verkaufen. 

Alles  Ackerland  ist  Eigenthum  der  Bewohner,  welche  dafür  der 
Regierung  eine  Steuer  in  der  Höhe  von  o,i  pCt.  des  Ertrages  ent- 
richten. Ungeachtet  der  relativ  grossen  Bevölkerung  finden  sich 
Einwohner,  welche  lOO — 200  Dessjatinen  besitzen.  Bei  einem  sol- 
chen Umfang  des  Ackerlandes  pflegt  der  Besitzer  auch  10 — 20  Paar 
Hornvieh  und  6 — 12  Arbeiter*  zu  halten,  welche  letztere  für  neun 
Monate  Arbeit  gewöhnlich  ein  Mal  neue  Wäsche,  einen  alten  Rock, 
zwei  Paar  Stiefel,  ein  Pferd  und  Nahrung  für  die  ganze  Familie  er- 
halten. Für  das  Winterkorn  wird  das  Ackerland  zwei  Mal  aufge- 
pflügt, in  der  zweiten  Hälfte  des  September  wird  dann  Weizen  und 
Gerste  ausgesäct;  für  das  Sommerkorn  wird  das  Land  nur  ein  Mal 
gepflügt,  worauf  gegen  Ende  März  Flachs,  Gerste,  Weizen  und  Erb- 
sen gesäet  werden.  Ausserdem  wird  nach  fünfmaligem  Aufackern 
mit  guter  Düngung  Klee  gesäet  und  auch  Zwiebeln,  Melonen  und 
Arbusen  gesteckt.  In  der  Mitte  des  Monats  Juli  findet  die  Ernte  für 
den  Sommer-  und  Winterweizen  und  für  die  Gerste  statt;  d^nn  fol- 
gen bis  Ende  September  die  übrigen  Getreide-  und  Gartenfrüchte, 
Der  Ertrag  der  Ernte  pflegt  ein  sehr  beständiger  zu  sein,  das  Win- 
terkorn und  der  Flachs  geben  das  20. — 25.  Korn,  das  Sommerkorn 
das  8. — 12.  Korn.  Das  Getreide  wird  entweder  an  trockenen  Stel- 
len in  tiefen  Gruben  oder  in  Scheuern,  wo  es  sich  10 — 15  Jahre  hält, 
aufbewahrt. 

Es  gibt  in  Karategin  keine  Einwohner  ohne  Ackerland.  Ein 
Jeder  ist  verpflichtet,  sein  Ackerland,  welches  nicht  länger  als  drei 
Jahre  brach  liegen  darf,  zu  bebauen,  wenn  er  nicht  Gefahr  laufen 
will,  dass  dasselbe  von  der  Regierung  eingezogen  wird. 

Die  Obstzucht  bildet  einen  Seitenzweig  der  Bodenkultur,  bringt 
aber  keinen  grossen  Gewinn,  da  die  Früchte  meist  von  den  Eigen- 
thümern  der  Obstgärten  selbst  aufgebraucht  werden.  Obgleich  die 
Viehzucht  relativ  eine  ziemlich  bedeutende  ist,  so  gibt  es  daselbst 
doch  kaum  reiche  Viehstände,  weil  es  des  rauhen  Winters  wegen 
unmöglich  ist,  das  Vieh  auf  die  Weide  zu  treiben,  für  fünf  Monate 
aber  das  nöthige  Futter  zu  beschaffen,  fällt  ziemlich  schwer.    Daher 

*  Bei  grösseren  Wirthschaflen  pflegt  man  auch  zur  Hülfe  auf  ein  Mal  50 — 60  Nach- 
barn aufzufordern ,  welche  von  dem  Eigenthümer  des  Ackerlandes  nur  Speise  und  Trank 
fttr  den  Arbeitstag  erhalten,     Sklaven  hat  es  in  Karategin  nie  gegeben. 


23J 

zeugt  es  schon  von  einem  bedeutenden  Reichthum,  wenn  ein  Kara- 
teginer  lo  Paar  Ochsen,  lo  Kühe,  200  Hammel,  300  Schafe  und 
8 — 10  Pferde  besitzt.  Maulesel  gibt  es  nur  wenig,  sie  werden  so- 
wohl bei  den  Fahrten  als  auch  bei  der  Arbeit  durch  Pferde  und 
Ochsen,  von  denen  ein  jeder  Karateginer  wenigstens  zwei  besitzt, 
ersetzt. 

Einen  weiteren  Erwerbszweig  bildet  die  Jagd  auf  Bären,  Füchse, 
Marder,  Luchse,  welche  mit  Hunden  gehetzt  werden,  auf  Fluss- 
ottern, welche  mit  Fangeissn,  um  welche  Fleisch  als  Lockspeise  ge- 
legt wird,  gefangen  werden.  Die  Geldgier  der  Regenten  jedoch, 
welche  ein  jedes  Fell  für  den  halben  Preis  für  sich  erwerben,  drückt 
den  Gewinn  auf  ein  Minimum  herab. 

Unter  den  Produkten  der  Hausindustrie,  die  ausschliesslich  im 
Winter  beschafft  werden,  sind  die  Baumwollengewebe  hervorzu- 
heben, welche  auf  den  benachbarten  Märkten  gegen  Vieh  und 
Brennöl  eingetauscht  werden ;  ferner  werden  noch  wollene  Röcke, 
Pumphosen  aus  Hammelwolle,  Säcke,  kleine  Teppiche  und  Fang- 
leinen verfertigt;  die  zuletzt  angeführten  Sachen  kommen  jedoch 
nicht  auf  den  Markt. 

Die  topographische  Isolirtheit  von  Karategin,  dessen  Einwohner 
nur  während  der  Sommerzeit  mit  den  benachbarten  Ländern  in 
Berührung  kommen,  ist,  wie  leicht  begreiflich,  nicht  ohne  Einfluss 
geblieben  auf  den  Charakter  der  Bewohner  und  der  Handels- 
beziehungen Karategin's.  Wenn  die  Karateginer  auch  slolz  darauf 
sein  können,  dass  Diebstahl  und  andere  Verbrechen  aus  Habsucht 
bei  ihnen  unbekannt  sind,  dass  das  Vieh  auch  in  den  entfernteren 
Gegenden  ohne  viel  Aufsicht  auf  die  Weide  getrieben  wird,  dass 
die  Thüren  in  den  Häusern  in  der  Regel  stets  offen  bleiben^  so 
stehen  die  Karateginer  andrerseits  noch  auf  einer  sehr  niedrigen 
Stufe  geistiger  Entwickelung.  Sie  haben  nicht  die  geringste  Vor- 
stellung von  Längenmaassen,  ihre  Zeitrechnung  ist  auf  den  grossen 
mohammedanischen  Festtagen  basirt,  ferner  besitzen  sie  auch  kein 
Handelsmaass  und  haben  keine  eigene  Münze.  Die  silbernen 
Münzen  des  benachbarten  Hyssar  kennen  nur  sehr  Wenige  unter 
ihnen.  Bazare  kommen,  selbst  in  den  grössten  Ansiedelungen,  nicht 
vor,  wie  es  denn  auch  dort  keine  Verkaufsstätten  gibt  Die 
Nahrungsmittel  werden  gegenseitig  in  freundschaftlichem  Ein- 
vernehmen ausgeliehen,  (wobei  die  Kopfbedeckung  als  Hohlmaass 
zu  gelten  pflegt),  oder  auch  gegen  Vieh  und  Produkte  der  Haus- 
industrie ausgetauscht.     Die  sartischen,  hyssar'scben  und  kaschgar'- 


23^ 

sehen  Kaufleute,  welche  im  Sommer  mit  Eisen,  Kattun,  Seidenzeug, 
Kämmen,  Spiegeln,  Seife,  Kleidungsstücken  etc.  dorthin  kommen, 
nehmen  bei  ihren  Bekannten  Quartier  und  bemühen  sich,  ihre 
Geschäfte  noch  vor  dem  Anbruch  des  Winters  zu  beendigen.  Ein 
Theil  der  Waaren  wird  dem  Regenten  (Scha)  und  den  bei  ihm 
Dienenden  für  fSeld  verkauft,  das  Meiste  aber  gegen  Vieh,  Thier- 
felle  und  Häute  eingetauscht.  Dieser  Austausch  findet,  unter  Ver- 
mittelung  mehrerer  Einwohner,  auf  Grund  der  Werthbestimmung 
der  auszutauschenden  Waaren  statt,  wobei  eine  chokand'sche 
Silbermünze  im  Werthe  von  20  Kop.  als  Einheit  angenommen  wird. 
Die  Preise  sind  nun  ungefähr  folgende:  i  guter  Hammel  kostet  —  f 
Rbl.  80  Kop.,  I  Schaf  —  i  Rbl.  20  Kop.,  das  Fell  eines  grossen 
Bären  (2V4  Arsch,  lang)  —  3  Rbl.,  das  beste  Fuchsfell  —  80  Kop., 
das  beste  Marderfell  —  i  Rbl.  60  Kop.,  i  Flussotter  —  10  Rbl.,  i 
Luchs  — .  3  Rbl.,  I  Pferd  —  6  bis  24  Rbl.,  i  Ochs  —  6  bis  15  Rbl., 
I  Kuh  —  3  bis  8  Rbl.,  i  Huhn  —  5  Kop.,  10  Pfund  Butter  —  30 
Kop.,  IG  Pfund  Baumöl  —  22  Kop.,  6  Pud  Weizen  —  52  Kop.  oder 
4  Arschin  Bäumwollenzeug,  4  Pud  Gerste  —  42  Kop.  oder  3 
Arschin  desselben  Zeuges,  6  Pud  Hanfsaat  —  i  Rbl.  4  Kop.  oder  8 
Arsch,  jenes  Zeuges,  10  Pfund  Watte  —  i  Rbl.  80  Kop.  Die  Ein- 
fuhr-Artikel werden  ziemlich  hoch  abgeschätzt;  so  wird  z.  B.  für 
eine  Dshura*  Alatsch  (eine  Art  Baumwollenzeug),  welche  an  Ort 
und  Stelle  60  Kop.  kostet,  ein  Hammel  im  Werthe  von  i  Rbl.  80 
Kop.  gegeben;  eben  so  werden  auch  andere  Waaren  um  das 
Doppelte  und  Dreifache  theurer  abgeschätzt,  als  sie  an  Ort  und 
Stelle  kosten.  Die  Einwohner  von  Matscha  bringen  nach  Karategin 
über  die  Gebirgspässe:  Pakschif  (12,000  Fuss)  und  Jarchitsch 
(13,400  Fuss)  fast  ausschliesslich  Weizen,  Gerste  und  Salz,  welche 
sie  gegen  die,  während  des  langen  Winters  angefertigten  Gewebe 
eintauschen.  Dabei  wird  folgendes  Maass  als  Einheit  angenommen : 
7  Haf-Taki  (so  heisst  die  in  Karategin  gebräuchliche  Kopf- 
bedeckung) =  20  Pfund,  d.  h.  112  Haf  Taki  =  i  Batman  =  8  Pud. 

An  nomadisirenden  kirgisischen  Stämmen:  Kissek,  Knessary  und 
Avgat,  zählt  man  gegen  5000  Zelte.  Im  Sommer  halten  sie  sich  am 
oberen  Lauf  der  Flüsse  Sonk  und  Karaguscht-chan  auf,  im  Winter 
aber  steigen  sie  bis  in  die  Thäler  des  Ssurch-ob  herab,  indem  sie 
ihre    zahlreichen    Heerden    (von    Pferden,    Kameelen,    Hammeln, 

*  Zuweilen  wird  in  Karategin  nach  folgendem  Maass  gemessen  :  vom  Halse  längs  der 
horizontal  ausgestreckten  Hand  bis  zu  den  Fingerspitzen  —  i  Gjas  -=  i'/«  Arschin;  4 
Gjas  =  I  Kari  (5  Arschin);  4  Kari  =  i  Dshura  (20  Arschin). 


333 

« 

Schafen,  Hornvieh)  in  den  unteren  Abhängen  der  Berge  lassen,  wo 
der  dort  ununterbrochen  wehende  Wind  diese  Abhänge  mehr  oder 
weniger  schneefrei  erhält. 

Die  Tradition  sagt,  dass  die  ersten  Ackerbauer  und  die  Stamm* 
Väter  der  jetzigen  Bevölkerung  die  Kirgisen  Kara  und  Tegin 
gewesen  seien,  von  denen  auch  das  Land  seinen  Namen  erhalten 
hat;  gegenwärtig  beschäftigen  sich  die  nomadisirenden  Kirgisen  in 
Karategin  sehr  wenig  mit  Ackerbau.  Wenn  es  auch  unmöglich  ist, 
die  2^it  zu  bestimmen,  wann  aus  einer  nomadisirenden  eine  sess- 
hafte,  ackerbautreibende  Bevölkerung  geworden,  so  ist  doch,  ange- 
sichts der  Entwickelung  des  Ackerbaues  in  Karategin,  anzunehmen, 
dass  die  dortigen  Bewohner  schon  einige  Jahrhunderte  mit  der 
Bodenkultur  vertraut  sind.  Ueber  die  Geschichte  von  Karategin  ist 
auch  nichts  bekannt  Aus  allen  Erzählungen  klingt  stets  der  eine 
Grundton  hindurch,  dass  Karategin  bis  zum  Jahre  1868  vollkommen 
unabhängig  gewesen  sei  und  unter  der  oligarchischen  Verwaltung 
eines  Scha  .aus  den  Nachkommen  Alexander's  von  Macedonien 
gestanden  hätte.  Da  es  aber  stets  sehr  viele  Prätendenten  dieser 
Art  gab,  so  rief  der  Tod  des  Scha  beständig  Fehden  hervor,  welche 
endlich  in  dem  Volke  das  Verlangen  nach  einer  festeren  Staats- 
ordnung wachriefen.  Andrerseits  harrten  aber  auch  die  benach» 
harten  Fürsten  von  Buchara  und  Chokand  des  günstigen  Augen- 
blicks, um  Karategin  ihren  Besitzungen  einzuverleiben.  Das  gelang 
dem  jetzt  regierenden  Emir  von  Buchara  Musafar-Chan. 

Im  Jahre  1868  versuchte  der  unabhängige  Regent  des  Kuljab, 
Ssary-Chan,  mit  Karategin  ein  Schutzbündniss  gegen  den  Emir  von 
Buchara  abzuschliessen.  Aber  der  damalige  Scha,  Musafar,  hielt  das 
Bündniss  für  zu  gefahrvoll  für  ^ich  und  schickte  den  betreflfenden 
Brief  des  Ssary-Chan  nach  Buchara.  Ueber  diesen  Treubruch 
empört,  brach  Ssary-Chan  in  Karategin  mit  bewaffneter  Macht  ein 
und  nahm  Musafar  gefangen.  Da  aber  gleichzeitig  auch  der  Emir 
von  Buchara  gegen  Ssary-Chan  in's  Feld  zog,  so  war  der  Letztere 
gezwungen,  nach  Kuljab  zurückzukehren,  um  sein  eigenes  Land  zu 
vertheidigen  und  den  gefangenen  Scha,  Musafar,  als  seinen 
Regenten  in  Karategin  einzusetzen.  Anderthalb  Monate  später 
wurde  Karategin  von  einem  andern  Gegner^  von  den  chokand'schen 
Truppen  unter  Schir-Ali  eingenommen,  während  der  Emir  von 
Buchara  gleichzeitig  Kuljab  eroberte.  Ssary-Chan  gelang  es  nach 
Kabul  zu  entfliehen,  Musafar-Scha  wurde  aber  als  Kriegsgefangener 
dem  Chan  von  Chokand,  Chudojar,  übergeben. 


234 

Aber  auch  Schir-Ali  blieb  nicht  lange  in  Karategin.  Als  sich  die 
Truppen  des  Emir  von  Buchara»  nach  der  Einnahme  von  Kuljab, 
der  befestigten  Stadt  Obi-Charm  näherten,  floh  Schir-Ali  mit 
seinem  kleinen  Detachement  nach  Chokand,  die  Bucharen  besetzten 
Karategin  und  setzten  auf  Befehl  des  Emirs  Mahomet-Rachim-Spuk 
als  Regenten  ein.  Seitdem  steht  Karategin  in  voller  Abhängigkeit 
von  Buchara  und  wird  eben  so  verwaltet,  wie  die  andern,  zu  Buchara 
gehörenden  Provinzen. 

Das  administrative  Personal  besteht  zunächst  aus  neun  Mir's,  welche 
an  der  Spitze  der  neun  Bezirke  stehen,  in  welche  Karategin  einge- 
theilt  wird,  und  zwar:  Kaljai-ljabi-ob,  Ssakkau,  Chait,  Harm, 
Ssary-Pul,  Schulmak,  Schinglitsch,  Machsari-Ssir,  Obi*Harm  und 
Mundshigarf.  In  einem  jeden  dieser  Bezirke  befinden  sich  80 — 140 
kleinere  oder  grössere  Ansiedelungen.  Diese  Bezirke  werden  wie- 
der in  Dog's  oder  Gemeinden  (zu  5 — 10  Dörfern)  unter  einem  Mir- 
Gosor  eingetheilt  Den  letzteren  Beamten  stehen  endlich  in  einem 
jeden  Dorf  die  Arbab's  oder  Dorfältesten  zur  Seite.  Die  Mir's  wer- 
den unmittelbar  vom  Scha  aus  der  Zahl  seiner  Verwandten  oder  der 
ihm  Nahestehenden  ernannt;  die  Mir-Gosor  werden  vom  Scha  aus 
den  Einwohnern  des  betreffenden  Bezirkes  erwählt;  die  Arbab  end- 
lich werden  von  den  Dorfbewohnern  frei  gewählt,  müssen  aber  in 
ihrem  Amt  vom  Mir  bestätigt  werden.  Alle  diese  Beamten  erhalten 
eine  bestimmte,  vom  Regenten  festgesetzte  Entschädigung  für  die 
Mühen  ihrer  Verwaltung,  und  zwar:  der  Mir  die  Steuern  von  6 — 10 
Dörfern,  der  Mir-Gosor  von  2—3  Dörfern,  der  Arbab  aber  nur  20 
Pud  Getreide  und  was  ihm  sonst  an  freiwilligen  Gaben  für  Aufrecht- 
erhaltung der  Ordnung  im  Dorfe  zufliesst. 

Für  juristische  Angelegenheiten  und  Streitfragen  besitzt  jeder 
Bezirk  einen  Kasi  (Richter)  und  zwei  Mufti.  Sie  erhalten  kein  be- 
stimmtes Gehalt,  sondern  bloss  eine  gesetzlich  normirte  Entschädi- 
gung für  jede,  ihnen  zur  Entscheidung  vorgelegte  Angelegenheit. 
Ferner  gehört  zu  den  Amtspersonen  noch  der,  eben  so  wie  der  Mir- 
Gosor  von  der  Regierung  besoldete  Rais,  der  über  die  Sittlichkeit 
der  Karateginer  und  über  die  Befolgung  der  Gebote  des  Koran  zu 
wachen  hat 

Von  der  Bevölkerung  werden  endlich  noch  frei  gewählt  die 
Imam's  (Priester)  und  die  Mochtobdaren  (Volksschullehrer). 

Die  nomadisirende  Bevölkerung  steht  unter  der  Oberherrschaft 
der  Aeltesten  des  Geschlechts,  welche  administrative  und  richter- 
liche Gewalt  über  die  zu  dem  betreffenden  Geschlecht  Gehörenden 


235 

besitzen ;  sie  verantworten  auch  für  die  Entrichtung  der  Steuer,  bei 
deren  Eintreibung  ein  Theil  ihnen  selbst  zufällt.  Die  nomadisiren- 
den  Kirgisen  unterliegen  nicht  der  Wehrpflicht,  welche  nur  die  an- 
sässigen Karateginer  zu  leisten  haben.  Die  Letzteren  treten  übrigens 
sehr  gern  in  die  Reihen  der  Krieger  (Nauker)  ein,  da  sie  eigentlich 
(mit  Ausnahme  der  aus  300  Mann  bestehenden  Garnison  in  Harm) 
nur  nominell  in  den  Listen  fungiren,  keine  Kriegsdienste  zu  ver- 
richten haben  und  nur  einmal  im  Jahre  nach  Harm  zusammenberu- 
fen werden,  wo  der  Scha  eine  kleine  Revue  über  sie  abhält  und 
höchstens  kleine  Schiess-  und  Kavallerie -Uebungen  veranstaltet. 
Die  Zahl  solcher  Nauker  betrug  nach  den  Listen  1876  —  4000,  ein 
Drittel  davon  bildeten  die  mit  Luntenschlossgewehren  bewaffnete 
Infanterie  (Kara-Alaman);  die  andern,  die  Kavallerie  ( Asnag),  welche  mit 
den  verschiedenartigsten  Waffen,  mit  Luntenschlossgewehren,  mit 
Säbeln  und  sogar  mit  einfachen  Stöcken,  die  oben  einen,  mit  Eisen  be- 
schlagenen Knopf  besitzen,  versehen  sind.  Artillerie  gibt  es  in  Ka- 
rategin gar  nicht.  Pulver  bezieht  man  aus  Buchara  und  Kaschgar. 
Eine  Uniform  existirt  für  die  Nauker  nicht,  ein  Jeder  erscheint  in 
seiner  Landestracht.  Denjenigen,  die  keine  Waffen  besitzen,  wer- 
den solche  von  der  Regierung  geliefert.  Alle  Nauker,  selbst  die 
300  in  der  Festung  Harm  garnisonirenden,  müssen  selbst  für  ihren 
Unterhalt  sorgen.  Ein  jeder  Nauker  erhält  von  der  Regierung  jähr- 
lich zwei  Chalate  und  8 — 16^  Pud  Getreide.  Die  höher  gestellt 
ten  Nauker  ^  welche  auf  Befehl  des  Emirs  von  Buchara  vor  vier 
Jahren  daselbst  eingeführt  worden  sind,  erhalten  ein  höheres  Gehalt, 
und  zwar:  der  Tschui-agas,  zwei  halbseidene  Chalate  und  40  Pud 
Getreide;  der  Mirachur,  drei  seidene  Chalate  und  108  Pud  Ge- 
treide; der  Tokssoba,  drei  Shawl-Chalate,  380  Pud  Getreide  und  40 
Hammel. 

Den  Hofstaat  des  Karateginischen  Scha  bilden :  i  Schigaul  (Refe- 
rent über  die  eingekommenen  Gesuche  und  Vollstrecker  der  Ent- 
scheidungen des  Scha);  i  Mochram-Baschi  (Haushofmeister);  i  Mi- 
rachur (Stallmeister);  I  Bakaul-Baschi  (Küchenmeister);  i  Mirsa- 
Baschi  (ältester  Schreiber);  i  Baba-Ischa  (Rath  des  Scha  und  Er- 
zieher seiner  Söhne);  12  Batscha  (Knaben,  welche  den  Scha  auf  der 
Jagd  mit  Falken  und  Hunden,  sowie  auch  auf  seinen  Fahrten  be- 
gleiten). 

'  Im  bucharischen  Heere  gibt  es  1 2 mililärische Rangklassen:  i.  Tschuragas,  2.Mirsa, 
3  Dschiwatscli,  4.  Karaul-Begi,  5.  Mirachur  (Kapitän),  6.  Tokssoba,  7.  Ischik-Aga- 
Baschi,  8.  Heg,  9.  Dotcha  (General),  10.  Parvonatschi,  ii.  Atalyk,  und  12.  Duvan-Begi. 


236 

■ 

Der  festgesetzten  Ordnung  gemäss  erscheinen  alljährlich,  sobald 
der  Emir  von  Buchara  nach  Hissar  oder  Schahrissjebs  kommt,  der 
Scha  von  Karategin  zur  Begrüssung  (Dagaissaljam)  und  [bringt  ihm 
als  Geschenk  dar:  100  Säbel,  18  Bärenfelle,  18  Marderfelle,  18  Fluss- 
otter, 18  Luchsfelle,  18  Fuchsfelle,  18  wollene  Chalate  (Karatschek- 
men),  18  wollene  Pluderhosen  (Schim),  18  angeschirrte  Pferde,  18 
Ballen  Chalate  (Baktscha),  18  grosse,  aus  Nussholz  gedrechselte  Scha- 
len. Dies  Alles  wird  von  dem  Volke,  unabhängig  von  den  konstan- 
ten Steuern,  von  denen  der  Emir  nichts  erhält,  eingetrieben. 

Die  Einkünfte  des  Scha  bestehen:  i.  aus  dem  Zehnten  von  jeder 
Getreideart;  2.  aus  der  Viehsteuer  bei  den  sesshaften  Karategi- 
nern,  welche  jährlich  i  Hammel  pro  Hof  ohne  Rücksicht  auf  die 
Grösse  des  Viehstandes  zu  entrichten  haben;  3.  aus  dem  Seket  der 
nomadisirenden  Bevölkerung,  welche  von  jeder  Viehgattung  (mit 
Ausnahme  der  Kameele)  den  zwanzigsten  Theil  erlegen  muss,  und 
4.  aus  den  Zolleinnahmen.  Die  Gesammtsumme  der  Einkünfte  des 
Scha  lässt  sich  jedoch  wegen  mangelnder  Angaben  nicht  näher  be- 
stimmen. 

Gegenwärtig  zählt  man  in  Karategin,  was  die  ackerbautreibende 
Bevölkerung  betrifft,  ungefähr  400  Ansiedelungen  mit  36,672 
Höfen.  Rechnet  man  durchschnittlich  6  Personen  pro  Hof  —  man 
findet  daselbst  Familien  von  4 — 12  Personen  —  so  wird  sich  die  Ge- 
sammtzahl  der  ackerbautreibenden  Karateginer  beiderlei  Ge- 
schlechts auf  ca.  382,000  Individuen  beziffern  lassen.  Da  daselbst 
Grundeigenthümer,  welche  weniger  als  5  Dessj.  Land  besitzen, 
nicht  vorhanden  sind  und  es  dagegen  Viele  gibt,  welche  50  Dessj. 
Land  besitzen,  können  wir  15  Dessj.  pro  Hof  als  Durchschnittszahl 
annehmen;  die  Grösse  des  Ackerlandes  würde  dann  über  1,000,000 
D^ssj.  betragen. 

Diese  kurzen,  bloss  aus  kritisch  gesichteten  Aussagen  der  Kara- 
teginer und  der  Bewohner  der  angrenzenden  Länder  geschöpften 
Angaben  bezeugen  zur  Genüge,  wie  lohnend  eine  besondere  Expe- 
dition in  dieses  mittcl-asiatische  Gebirgsland  wäre. 


*37 


Der  Weinban  Russlands 

mit 

statistischen  Nach\veisen  aus  den  Jahren  1870— 1873. 

(Fortsetrung). 


Ueber  die  Grösse  des  Weingartenareals  gibt  es  keine  genauen 
Data  und  über  den  Kaufwerth  desselben  existiren  nur  für  einzelne 
Gegenden,  und  auch  für  diese  nur  annähernde  Angaben.    Im  Rion- 
Schwarzmeer-Gebiete  gibt  es  40,864  Dessj.  Weingartenareal  (33,39 
pCt.  des  Gesammtweingartenareals)  und  schwankt  der  Preis  pro 
Dessjatine  in  den  Kreisen  Kutaiss  und  Scharopansk,  je  nach  der 
Güte  der  Gegend,  zwischen  200  und  500  Rbl.,  im  Kreise  Osurgeti 
(Gorischer  Rayon)  zwischen  7$  und  200  Rbl.  und  in  den  Kreisen 
Ratschin  und  Letschgum  zwischen   1 50 — 800  Rbl. ;  im  Bessarabi- 
schen  Gebiet  zählt  man  29,973  Dessj.  (24,49  pCt.)  zu  Preisen  von 
40 — 1000  Rbl.  im  Kreise  Ackerman,  von  50—600  Rbl.  im  Kr.  Ki- 
.schinew,  von  100  Rbl.  im  Kr.  Orgecn,  von  350 — 450  Rbl.  (für  beste 
Gärten)  im  Kr.  Benderi,  von   50 — loo  Rbl.  (mit  schlechterer  und 
mittlerer  Qualität)  im  Kr.  Jassi  und  von  40—200  Rbl.  im  Kr.  Sso- 
roki;  im  Kachetinischen  Gebiet  gibt  es,  mit  Ausnahme  des  Sakatal- 
schen  Bezirks  und  des  Kreises  Nucha  imGouv.Jelissawetpol,  für  wel- 
che die  Daten  fehlen,   20,104  Dessj.  (16,43  pCt.)  zum  Preise  von 
300—4000  Rbl.;  das  Kura'sche  Gebiet  umfasst  ein  Areal  von  7714 
Dessj.  Weingärten  (6,30  pCt.),  doch  sind  bei  dieser  Angabe  im 
Kreise  Achalzych  nur  2  Ortschaften  berücksichtigt  worden;   die 
Preise  stellen  sich  im  Kreise  Gori  auf  100 — 200  Rbl.  und  im  Kr. 
Duschet  auf  50 — 400  Rbl.  per  Dessj.;  im  Terek-Kumik'schen  Geb. 
beträgt  das  Weingartenareal  6607  Dessj,  (5,40  pCt),  Preise  per 
Dessj.  im  Kr.  Kisljar  200 — 800  Rbl.,  im  Kr.  Chassaw-jurt  400—600 
Rbl.;  im  Araxes-Gebiet  (Gouv.   Eriwan)  beträgt  das  Weingarten 
areal,  mit  Ausnahme  der  Kreise  Sangesursk  und  Schutcha  im  Gouv. 
Jelissawetpol,  über  welche  die  Daten  fehlen:  5583  Dessj.  (4,56  pCt.) 
im  Preise  von  500—1000  Rbl.  (Kr.  Eriwan),  von  750^1500  Rbl. 


238 

(Kr.  Nachitschewan)  und  von  300 — 1000  Rbl.  (Kr.  Jetschmiadsin); 
im  Krim'schen  Gebiet  (Gouv.  Taurien)  beträgt  das  Areal  4674 
Dessj.  (3,82  pCt.)  im  Preise  von  1000— 3CX)0  Rbl.  (Kr.  Feodossia), 
von  1000 — 1500  Rbl.  (Kr.  Simferopol)  und  von  300 — 3000  Rbl.  (im 
Kr.  Jalta);  Daghestan^sches  Gebiet:  Areal  mit  Ausnahme  eines 
Theiles  von  West-,  Süd-  und  Mittel-Daghestan,  über  welche  Daten 
fehlen,  1955  Dessj.  (1,60  pCt.);  die  Preise  stellen  sich  hier  auf  ca. 
1000  Rbl.  per  Dessj.  (Derbent)  und  auf  700—1500  Rbl.  (West- 
Daghestan)j  Kuma'sches  Gebiet:  Areal  1640  Dessj.  (1,34  pCt), 
Preise  per  Dessj.  300—800  Rbl.;  Don'sches  Gebiet  (mit  Aus- 
nahme der  Stanitzen  Konstantinowskaja  und  Semikarakorskaja) 
Areal  1505  Dessj.  (1,23  pCt.)  im  Preise  von  ca.  500  Rbl.  per 
Dessj.;  SchemsCcha-Gektscbaisches  Gebiet  Areal  1441  Dessj.  (iyi8 
pCt.)  im  Preise  von  120 — 500  Rbl.  (Schemacha);  Kubanisches  Ge- 
biet, Areal  218  Dessj.  (0,18  pCt.)  und  Astrachan'sches  Gebiet, 
Areal  92  Dessj.  (0,08  pCt.  des  Gesammtweingartenareals).  Preisan- 
gaben für  letztbenannte  Gebiete  fehlen.  Das  gesammte  Weingarten- 
areal Russlands,  über  welches  Angaben  vorliegen,  beziffert  sich 
demnach  auf  122,370  Dessjatinen. 

Hieraus  ergibt  sich  das  Weingartenareal  des  Rion-Schwarzmeer-^ 
des  Bessarabischen  und  Kachetinischen  Gebietes  als  das  beträcht- 
lichste (Vi  des  ganzen  Weingartenareals),  darauf  folgen  das  Kura- 
sche, Terek-Kumik'sche  und  Krim'sche  Gebiet  (Vft),  während  die 
übrigen  6  Gebiete  von  unbedeutender  Ausdehnung  sind.  Den  höch- 
sten Kaufwerth  besitzt  der  Weingartengrund  in  Kachetien,  am  Süd- 
strande der  Krim  und  im  Kreise  Feodossia  im  Gouv.  Taurien,  wo 
der  schlechteste  Weingartengrund,  mit  700 — 1000  Rbl.,  der  beste 
mit  3 — 4000  Rbl.  bezahlt  wird.  Am  niedrigsten  steht  der  Weingar- 
tengrund im  Bessarabischen  Gebiete  (mit  Ausschluss  der  Städte 
Ackerman,  Kischinew  und  Benderi)  im  Kaufpreise  40—200  Rbl. 
per  Dessj.,  dann  im  Kreise  Osurgeti  (Kutai'ss)  und  endlich  in  den 
Kreisen  Gori  und  Duschet  im  Gouv.  Tiflis  (loo — 300  Rbl.  per 
Dessj.).  In  den  übrigen  Weinbau  treibenden  Gegenden  variirt  der 
Preis  für  schlechtere  Lagen  von  120— 750  Rbl.,  für  mittlere  von 
180 — 1250  Rbl.  und  für  die  besten  von  350  —  1500  Rbl. 

Auch  Betreffs  der  jährlichen  Ausgaben  für  den  Weinbau  gibt  es 
nur  für  einige  Gegenden  Daten«  Nach  diesen  Letzteren  betragen 
dieselben  für  die  Bearbeitung  und  Unterhaltung  einer 


23$ 


Davon  entfallen 
Dessjatine       auf  die  Traubenlese 
Weingartengrund         per  Dessj. 
Rubel.  Rubel. 


Ol  Bessarabischen 

Gebiet 

35     —»65 

5 

-15 

»   Krim*schen 

7j    — i6o 

7 

— 10 

»   Don'schen 

171/2—  88V2 

2V« 

>   Astrachan'schen 

bis  370 

25 

>   Kubanischen 

66    —131 

6 

»   Kuma'schen 

32     -  43 

2 

—  3 

»   Terek-Kumik'schen 

27     —HO 

7 

—10 

»   Daghestan'schen 

40    — 126 

5 

—  20 

»   Rion-Schwarzmeer 

5    —  70 

— 

»  Kura'schen 

bis  116 

12 

—20 

»   Kachetinischen 

*   238 

— 

*   Araxes 

18     —HO 

3 

—  10 

»   Schemacha-Gektschar 

sehen 

4—92 

I« 

1 

/2-  7 

Bei  dieser  Berechnung  sind  alle  Arbeiten  in  den  Weingärten  als 
von  bezahlten  Arbeitern  ausgeführt,  in  Anschlag  gebracht.  In  Wirk- 
lichkeit werden  aber  viele  dieser  Arbeiten  von  den  Winzern  eigen- 
händig oder  durch  ihre  Angehörigen  ausgeführt,  wesshalb  auch  dann 
die  Unkosten  für  solche  Arbeiten  wegfallen;  auch  werden  manche 
Weinbergsarbeiten  nicht  mit  Geld  bezahlt.  Daher  stellten  sich  in 
Wirklichkeit  die  Unkosten  der  Bearbeitung  einer  Dessjatine  Wein- 
landes geringer,  als  die  oben  angeführten. 

Die  Grösse  oder  Quantität  der  Traubenlese  ist  ebenfalls  aus  Man- 
gel an  vollständigen  Daten  nicht  genau  zu  bestimmen.  In  folgen- 
der Tabelle  sind  nur  Mittelzahlen  der  Lese  von  einer  Dessjatine  und 
der  Traubenlese  überhaupt  in  Pud  und  Prozenten  für  das  Jahr  1870 
enthalten: 


Bezeichnung  der  Weinbau  treibenden 
(Icbiete, 

Bessnrabisches  Gebiet: 

Gouvernement  Bessarabien   . 
»  Cherson     .     . 

»  Podolien    .     . 


Durchschnittliche 

Traubenlese 

per  Dessjatine. 

Pud 


•      • 


•      • 


194,5 
116,5 

278 


Im  Ganzen  betnig  die 
Trauberdese. 


Pud. 


4,280,948 

240,328 

43,368 


pCt. 

19,23 
1,08 

0,12 


4,564,644    20,51 


240 

Durchschnittliche 
Bezeichnung  der  Weinbau  treibenden  Traubenlese  Im  Ganzen  betrug  die 

Gebiete.  per  Dessjatine.  Traubenlese. 

Rion'^chwarBfneer^Gebiet:  Pud.  Pud.  pCt. 

Gouvernement  Kutaiss     .     .    •     ,  123^  4,362,900  i9f6o 

Bezirk  Suchum 96  69,300  0,31 

Schwarzmeer-Kreis 20  40,000          0,18 

—  4,472,200        20,09 

Kachetinisches  Gebiet: 

Gouvernement  Tiflis  (Kreise:  Sig- 
nach und  Telaw) 200  4)020,8oo         18,06 

Kurä^sches  Gebiet: 

Gouvernement  Tiflis' 231  1,688,916  7,59 

»    Jelissawetpol*   ....     287,5  492,522^  2,21 

2,181,438  9,80 

Terek'KumtKsches  Gebiet: 

Gebiet  Terek 333,3  2,151,425  9,67 

AraxeS'Gebiet: 
Gouvernement  Eriwan      ....     320  1,848,300  8,31 

KrinCsches  Gebiet: 
Gouvernement  Taurien*    .     .     .    ,     300  1,402,200  6,30 

KumcLSches  Gebiet: 

Gouvernement  Stawropol ....     350  574,000  2,58 

DaghestarCscIus  Gebiet 340,66  510,000*         2,29 

'  Von  einer  Dessjatine  Weingartengnuid  mit  hohen,  an  Bäumen  gezogenen  Reben 
(Maglari)  betrug  die  Lese  im  Mittel  in  den  Kreisen  Kuta'£ss  und  Charopan,  Ratschin 
und  Letschgum  100  Pud,  in  den  Kreisen  Sugdidi  und  Senak  nur  '/lo  Pud,  im  Kreise 
Osurgeti  20  Pud ;  in  gewöhnlichen  Weingärten  mit  niedrig  gezogenen  Reben  (Dablari) 
dagegen,  in  den  Kreisen  Kutaiss  und  Charopan  aoo,  in  den  Kreisen  Ratschin  und 
Letschgum  350,  in  den  Kreisen  Sugdidi  und  Senak  165  und  in  dem  Kreise  Osurgeti 
200  Pud. 

'  Im  Kreise  TiAis,  ohne  deutsche  Kolonien  per  Dessjatine  200  Pud,  in  den  deut- 
schen Kolonien  aber  508  Pud  per  Desijatine;  im  Kreise  Gori  durchschnittlich  400  Pud, 
im  Kreise  Achalzych  nur  100  Pud. 

'  Im  Gouvernement  Jelissawetpol  mit  Ausschluss  der  deutschen  Kolonien  per  Dessja- 
tine 360  Pud;  in  den  deutschen  Kolonien  474  Pud. 

^  Um  die  Traubenlese  im  Krim'schen  Gebiet  xu  bestimmen,  wurde  angenommen, 
dass  aus  55  Pud  Trauben  ein  Eimer  (Wedro)  Traubensaft  su  erhalten  ist,  dabei  sind 
2  pCt.  auf  den  Verbrauch  als  Bure  abgerechnet 

*  Bxcl.  West-Daghestan,  wo  per  Dessjatine  400  Pud  Ertrag. 


«41 


Durchschnittliche 
Bezeichnung  der  Weinbau  treibenden  Traubenlese 

Gebiete.  per  Dessjatine. 

Sshemacha-Gektschaisches  Gebiet:  Pud. 

Gouvernement  Baku     ......  198,5 

Gebiet  der  Donischen  Kosaken     .     .  i  lo* 

Kubanisches  Gebiet  .     .     .     .    ,     .  168^ 

Astrachan* sches  Gebiet 195 


Im  Ganzen 

betrug  die 

Traubenlese. 

Pud. 

pCt. 

266,336 

1,20 

213,781 

0,96 

32.23s 

0,15 

17.932 

0,08 

Im  Ganzen    .     .      —  22,255,291       100,00 

Aus  der  vorstehenden  Tabelle  und  deren  Anmerkungen  ist  er- 
sichtlich, dass  die  Lese  im  Jahre  1870  von  16—508  Pud  per  Dessja- 
tine betrug.  Die  grösste  Ernte,  im  Mittel  über  300  Pud  pro  Dessj., 
erzielten  West-  und  Nord-Daghestan^  die  Kreise  Gori  und  Jelissa- 
wetpol  (Kura-Geb.),  der  Kreis  Ssoroki  (Bessarabien),  der  Kr.  Eriwan 
(Araxes-Geb.),  das  Kuma^sche  Geb.,  das  Terek-Kumik^sche  Geb. 
und  der  Kreis  Jeisk  (Kuban-Geb.).  Die  geringste  Ernte  hatten  einige 
Gegenden  des  Rion  -  Schwarzmeer  -  Gebietes  ,  namentlich  der 
Schwarzmeer-Bezirk  und  die  Kreise  Zugdidi,  Senak  und  Osurgeti 
des  Gouvernements  Kutaiss,  wo  die  Weingärten,  besonders  die  mit 
hohen,  an  Bäumen  gezogenen  Reben,  sehr  stärk  von  Oidium 
Tuckeri  zu  leiden  hatten.  Die  Lese  betrug  im  Jahre  1870  in  allen,  in 
der  Tabelle  angegebenen,  Gegenden  22,255,291  Pud;  sie  war  über- 
haupt geringer  ausgefallen  wie  gewöhnlich,  da  in  vielen  Gegenden 
die  Reben  stark  durch  Oidium  Tuckeri  gelitten  hatten.  « 

Nur  ein  geringer  Theil  der  Reben,  etwa  10  pCt«  der  Gesammt- 
ernte,  wird  nicht  gekeltert.  Dieser  Theil  der  Lese  wird  zum  Theil 
als  Traube  verbraucht,  zum  Theil  zur  Branntwein-,  Dschaba-  und 
Narbeck-Fabrikation  benutzt.  In  den  meisten  Weingegenden  kosten 
die  Trauben  40  Kop.  bis  i  Rbl.  20  Kop.  pro  Pud  und  im  Araxes- 
und  Schemacha-Gektschaischen  Gebiete  25  oder  27  Kop.  bis  40 
und  55  Kop.  Höhere  Preise  bestehen  nur  für  einige  besonders  gute 
Traubensorten,  namentlich  im  Don'schen  Gebiete,  wo  die  Puchlja- 
kow'schen  Trauben  75  Kop.  —  i  Rbl.  50  Kop.,  die  Zimljan'schen 
rothen  und  weissen  Trauben  mit  i  Rbl.  —  3  Rbl.  50  Kop.  per  Pud 
bezahlt  werden.  Im  Astrachan'schen  Geb.  kostet  das  Pud  Trauben 
bis  2  Rbl.  50  Kop.  und  mit  Verpackung  in  Kisten  und  Tonnen,  wo- 
bei die  Trauben  mit  Hirse  eingestreut  werden,  4  Rbl.     In  der  Krim 

*  Im  I.  Donischen  Bezirk  i8l  Pud,  im  2.  39  Pud  Ertrag  pr.  Dessjatine. 
'  Im  Kreise  Jeisk  340  Pud,  im  Kreise  Jekaterinodar  99  Pud,  in  den  Kreisen  Temrjuk 
and  Batalpaschinsk  112  und  121  Pud  Ertrag  per  Dessjatine. 

EUSS.  REVUE,  BD.  Xm,  16 


242 


werden  die  Trauben  aus  den  Weingärten  am  Südstrande  in  den 
nächsten  Städten  mit  7,  10 — 15  Kop.  per  Pfund  bezahlt.  In  Odessa 
kosten  die  Trauben  aus  der  Umgegend  5 — 7  Kop.  pro  Pfund»  aus- 
ländische dagegen  8— 10  Kop.  In  der  Ortschaft  Kamenka,  Gouv. 
Podolien,  Kr.  Olgopol  werden  die  Trauben  aus  den  Weingärten  des 
Fürsten  Witgenstein  mit  12—15  Kop.  per  Pfund  verkauft.  Die 
Trauben  werden  meist  schon  in  den  Weingärten  von,  oft  von  weit 
herkommenden,  Aufkäufern  gekauft  oder  in  die  nächsten  Ortschaf- 
ten und  Städte  auf  den  Markt  gebracht.  Die  Ausfuhr  von  Trauben 
aus  den  betreffenden  Weinbaugebieten  findet  nur  in  geringem  Ver« 
hältnisse  statt,  und  zwar  aus  Bessarabien  nach  Podolien,  Chersson 
und  Kijew,  aus  der  Krim,  hauptsächlich  aus  dem  Sudagthal  und 
vom  Südstrande  der  Krim,  jedoch  nur  in  geringen  Quantitäten, 
nach  Moskau  und  St.  Petersburg*;  aus  Astrachan  geht  ein  grosser 
Theil  der  dort  produzirten  Trauben  in  die  Wolga-Gouvernements 
und  aus  Derbent  im  Gebiete  Daghestan  werden  die  Trauben  der 
Rebsorte  Risch-Baba  in  bedeutender  Quantität  von,  aus  Astrachan 
und  Ssaratow  kommenden  Aufkäufern,  nach  den  an  der  Wolga 
gelegenen  Gouvernements  ausgeführt. 

Ausser  den  eigenen  braucht  Russland  noch  grosse  Quantitäten  aus 
dem  Auslande  gebrachter  Weintrauben.  Die  folgende  Tabelle  zeigt 
die  Traubeneinfuhr  nach  Russland  über  die  europäische  Grenze  für 
die  Periode  1853 — 1874: 


Im  Ganzen  wurden  über  die  euro- 

Darunter Trauben  über  die 

päische  Grenze  Trauben  nach 

Häfen  des  Schwarzen  und 

Jahre. 
Quintennien. 

Russland  eingeführt. 

Asow*8chen  Meeres. 

" 

Quantität. 

Preis. 

Zoll. 

Quantität 

Preis. 
Rubel. 

Zoll. 

Pud. 

Pf. 

Rubel. 

Rubel. 

K. 

Pud. 

Pf. 

Rubel. 

X. 

1853—1857 

5422 

10 

98.425 

16,191 

60 

42 

10,        166 

51 

60 

Durchschnittl.  p.  Jahr 

1.084 

30 

19,685 

3,238 

32 

8 

02          33 

1032 

1858— 1862 

18.681 

17 

352-812 

37.365 

35 

494 

19     2,771 

991 

45 

Durchschnittl.  p.  Jahr 

3,736 

23 

70,562 

7,473 

7 

100 

04 

554 

198 

39 

1863— 1867 

40,524 

SI 

511,295     81,043 

41 

697 

31 

6,844 

1,399 

95 

Durchschnittl.  p.  Jahr 

8,106 

02 

102,259^    16,208 

68 

140 

06 

1.369 

279 

99 

1868— 1872 

122,655 

08 

i»5i7^993  160,977 

82 

3.155 

16 

39.998 

4.032 

76 

Durchschnittl.  p.  Jahr 

24532 

00 

303»599i    32,195 

56 

631 

3 

8.000 

806 

55 

1873 

37,234 

23 

316690I    39,238 

20 

8,388 

38 

110,912 

10.89a 

40 

1874 

48,046 

I 

662;o6o 

60,550 

38 

14,916 

»5 

197,357 

i9'375 

25 

*  Neuerdings  sind  durch  Versendung  der  Trauben  mit  den  Post-  und  Passagierzttgen 
in  besonderen  Obstwaggons,  Vorkehrungen  getroffen ,  dass  nicht  nur  grössere  Partien 
von  Weintrauben  und  anderem  Obste  versendet  werden  können,  sondern  dass  auch  der 
Transport  schneller  und  ohne  Gefahr  fUr  die  zuversendende  Waare  etfolgen  kann. 


243 

Die  2^Ieii  vorstehender,  nach  den  Ausweisen  über  den  auswär- 
tigen Handel  Russlands  für  die  Jahre  1853 — ^^74»  zusammenge- 
stellter Tabelle,  sowie  die  aus  denselben  abgeleiteten  Durchschnitts- 
zahlen zeigen  die  rasche  und  bedeutende  Vergrösserung  der  Wein- 
trauben-Einfuhr und  der  gleichzeitig  damit  wachsenden  Zölle.  Die 
Einfuhr  der  Trauben  über  die  asiatische  Grenze  nach  Russland,  so- 
wie auch  die  Ausfuhr  von  Trauben  aus  Russland  sind  so  unbedeu- 
tend, dass  darüber  keine  Daten  gesammelt  werden.  Der  Eingangs- 
zoll für  ausländische  Trauben  beträgt  i  Rbl.  30  Kop.  pr.  Pud. 

Die  Tranbenkelternng  nnd  Welnbereltnng.     Fabrikation  Ton 

Dsehaba,   Narbeck^    Drogak^   Gwino-Saadiero    und   Traaben- 

Kwas.  Kellerwirthscliaft.  Mostprodaktioiu  Weinanalysen,  Wein- 

handel.  Nebennutzimgeii.    TorzOglicliste  mssisclie  Weine. 

Wie  wir  gesehen  haben  wird  der  grösste  Theil  der  Trauben  ge- 
keltert, wobei  letztere  höchstens  nur  nach  der  Farbe  sortirt  werden. 
Das  Presshaus  besteht  entweder  aus  einem,  auf  Pfosten  ruhenden 
Dache,  oder  aus  einem  hölzernen,  nicht  selten  auch  steinernen,  bei 
vielen  Winzern  im  Weingarten  selbst  gelegenen  Gebäude;  doch 
werden  auch  in  einigen  kleineren  Weingärten  die  Trauben  gar  nicht 
sortirt  und  unter  freiem  Himmel  gekeltert.  Die  Trauben  presst 
man  in  Kübeln,  Fässern,  Trögen,  hölzernen  und  steinernen  Kasten 
(Arakast)  fast  überall  mit  den  Füssen,  die  gewöhnlich  nackt  sind. 
Im  Don'schen  Gebiete  tritt  man  die  Trauben  mit,  in  Basteln,  und  in 
den  deutschen  Kolonien  des  Kura^schen  Gebietes  mit,  in  grosse 
Stiefel  mit  eisernen  Nägeln  gesteckten  Füssen  aus.  Im  Terek- 
Kumik'schen  und  Daghestan^schen  Gebiete  schlagen  viele  Winzer 
vorläufig  die  Trauben  mit  Harken  von  den  Zweigen,  und  in  Bess- 
arabien  und  in  der  Krim  reinigt  und  presst  man  die  Trauben  nicht 
selten  mittelst  Schaufeln,  Rebelmaschinen  oder  Traubenmühlen; 
darauf  werden  die  Trauben  mit  Füssen,  oder  wenn  die  Quantität 
gering  ist,  mit  Händen  und  Stöcken  in  Bottichen  gepresst.  Die  von 
den  Zweigen  abgeschlagenen  Trauben  werden  in  leinene  Säcke  gelegt, 
die  im  Bessarabischen  und  Daghestan'schen  Gebiet  eine  Länge  von 
I  und  eine  Breite  von  0,75  Meter  haben.  Im  Rion-Schwarzmeerge- 
biet  legt  man  unter  die  Trauben  auf  den  Boden  des  Pressgefässes 
Zweige  und  Ruthengeflechte.  In  Kachetien  wird  der  Boden  des 
Pressraumes  mit  einer  Schicht  kleinblättriger  Zweige  bedeckt,  um 
die  Weintraubentrester  im  Pres.sraume  zurückzuhalten.     Den  erhal- 

i6* 


^44 

tenen  Most  schöpft  man  entweder  aus  dem  letzteren  aus,  oder  lässt 
ihn  durch  eine  passende  Oeflfnung  desselben  in  die  Gährungsbot- 
tiche,  Gährungsfässer,  Gährungsspunde,  Tonnen,  Kübel,  in  Trans- 
kaukasien  in  grosse  thöneme  Krüge  und  im  Araxes-Gebiete  in  Re- 
servoire abfliessen.  Die  beiden  letzteren  sind  in  der  Erde  eingegra- 
ben. Im  Rion-Schwarzmeer-Gebiete  bleibt  der  Most  durch  längere 
Zeit  auf  den  Traubentrestem  im  Pressraume  stehen.  Der  beim 
Pressen  der  Trauben  entstehende  Brei  oder  die  Traubentrester  kom- 
men bei  den  meisten  Winzern  noch  unter  die  Presse  und  der  aus 
ihnen  gepresste  Traubensaft  wird  dem  Moste  zugesetzt 

Gute  Winzer,  wie  solche  fast  in  jeder  Weingegend  angetroffen 
werden,  pressen  die  Trauben  nach  den  neuesten  Anforderungen  der 
Weinfabrikation:  sie  sortiren  die  Trauben,  lesen  aus  ihnen  die  verdor- 
benen und  unreifen  aus,  legen  die  sortirten  Trauben  auf  ein  Sieb,  wel- 
ches aus,  unter  scharfem  Winkel  sich  kreuzenden  hölzernen  Stäbchen 
besteht,  und  durch  welches  nur  Trauben  einer  gewissen  Grösse  pas- 
siren  können.  Der  Rahmen  eines  solchen  Siebes  ruht  auf  den  Wän- 
den eines  Bottichs  mit  doppeltem  Boden,  von  welchem  der  obere 
durchlöchert  ist.  Die  Trauben,  welche  nicht  in  den  Bottich  gelangt 
sind^  werden  mit  Händen  durch's  Sieb  gerieben,  der  die  Stielchen 
und  Zweige  zurückhält,  wobei  ein  grosser  Theil  der  Traub^  zer- 
drückt wird.  Der  auf  den  zweiten  Boden  des  Bottichs  sich  ansam- 
melnde Most  wird  in  Fässer  abgelassen,  die  zerdrückten,  wie  auch 
die  kleineren  Trauben,  welche  unzerdrückt  durch  das  Sieb  durch- 
gehen, kommen  unter  die  Presse. 

Aus  dem  Traubenmost  wird  weisser,  rother,  Dessert-,  Liqueur- 
und  moussirender  Wein,  wie  auch  Dschaba  und  Narbeck  angefer- 
tigt, und  aus  den  Traubentrestem  wird  ein  leichtes  Getränk,  Trau- 
benkwas  und  Gwino-Saudiero,  welches  schwachem  Wein  ähnlich  ist, 
fabrizirt. 

Bei  der  Bereitung  des  weissen  Wein's  wird  der  Traubenmost  ent- 
weder sofort  nach  dem  Pressen  der  Trauben  von  den  Trauben- 
trestem in  Tonnen  oder  Krügen  abgegossen,  in  welchen  er  lo  Tage 
bis  6  Wochen  gährt,  oder .  der  Most  bleibt  auf  den  Trestem  und 
gährt  mit  diesen  zusammen  3 — 20  Tage.  Im  ersten  Falle  werden 
weder  Krüge  noch  Tonnen  vollgegossen  und  nur  leicht  bedeckt, 
damit  die,  bei  der  Gährung  frei  werdende  Kohlensäure  freien  Aus- 
tritt hat.  Diese  Art  der  Weinbereitung  findet  fast  allenthalben 
statt.  In  den  besten  Kellerwirthschaften  Bessarabiens  und  der  Krim 
wird  der  in  die  Tonnen  abgezogene  Most  nach  24  Stunden  in  andere 


345 

Tonnen  umgefüllt  und  dadurch  vom  Bodensatz  getrennt.  Dort,  wo 
der  Most  auf  den  Traubentrestern  gährt  (Rion-Schwarzmeer-Gebiet), 
bleibt  er  3 — 4  Tage  in  dem,  mit  Brettern  festverschlossenen  Press - 
räume,  doch  hat  jede  Gegend  ihre  besonderen  Eigenthümlichkeiten. 
So  werden  z.  B.  im  Araxes-Gebiet,  um  die  Gährung  zu  fördern,  zu 
dem,  in  Krügen  abgegossenen  Moste  etwa  3 — 4  Pfd.  Trester  auf 
jede  30  Eimer  Most  zugesetzt.  Sobald  die  Gährung  eingetreten, 
wird  der  Most  von  den  Trestern  abgegossen. 

Bei  Bereitung  von  Rothwein  werden  dem,  aus  dem  Pressraume 
abgegossenen  Moste  Trester  zugesetzt,  mit  denen  er  in  offenen  Ge- 
lassen 3  Tage  bis  6  Wochen  gährt.  Beim  Beginn  der  Gährung 
(nach  2 — 3  Tagen)  wird  der  Most  im  Donischen,  Kura'schen  und 
Araxes-Gebiete  l  — 2mal  täglich  mit  den  Trestern  verrührt,  um  den 
Gährungsprozess  zu  verlangsamen  und  das  Sauerwerden  zu  verhin- 
dern; dadurch  soll  der  Wein  eine  grössere  Haltbarkeit  und  eine 
dunkle,  im  Handel  geschätzte  Farbe  erhalten.  In  Kachetien  bleibt 
der  Most  nur  3—7  Tage  auf  den  Trestern,  damit  er  nicht  ap  Fär- 
bung verliert;  in  Bessarabien,  der  Krim,  dem  Donischen  und  Kuma- 
schen  Gebiet  bleibt  der  Most  16 — 20  Tage  auf  den  Trestern,  je 
nach  dem  Grade  der  Färbung  und  dem  milderen  oder  herberen 
Charakter,  den  man  den  Weinen  geben  will.  Auch  wiederholte 
Pressungen  unter  Zusatz  frischer  Trauben  werden  angewendet.  Im 
Schwarzmeer-Gebiete  presst  man  die  Trauben  dreimal,  bevor  man 
den  Most  in  die  Krüge  ausschöpft. 

Weinstöcke,  deren  Trauben  zur  Bereitung  von  Dessert-,  Liqueur- 
und  moussirenden  Weinen  bestimmt  sind,  werden  eine  Woche  vor 
der  Lese  von  den  überflüssigen  Blättern  befreit  und  die  Trauben- 
stiele werden  mittelst  Zangen  gedreht  oder  zusammengekniffen,  um 
den  Zuckergehalt  der  Trauben  zu  vergrössern.  Die  geschnittenen 
Trauben  setzt  man  der  Sonne  aus  oder  sie  werden  2—3  Wochen 
in  Scheunen,  unter  Dächern  etc.  bei  freier  Luftcirkulation  gehalten, 
wo  sie  täglich  gewendet  und  wobei  beim  Sortiren  unreife  Beeren  ent- 
fernt werden.  Die  in  den  Bottichen  zerdrückten  Beeren  bleiben  in 
denselben,  wegen  Aufnahme  der  ätherischen  Oelci  18—24  Stunden 
und  darauf  gelangt  die  ganze  Masse  unter  die  Presse.  Der  gewon- 
nene Most  wird  schon  nach  12  Stunden  vom  Bodensatz  abgegossen 
und  zur  möglichsten  Dämpfung  der  Gährung,  die  wegen  des  grossen 
Zuckergehaltes  der  Liqueurweine  besonders  heftig  ist,  häufiger  um- 
gegossen, wie  die  gewöhnlichen  weissen  oder  rothen  Weine.     Aus 


246 

i^/a — 2  Pud  Trauben  kann  man  einen  Eimer  weissen,  und  aus  gegen 
2  Pud  solcher,  einen  Eimer  rothen  Dessertwein  fabriziren. 

Zur  Bereitung  von  Dschaba  oder  Tschoba,  Dschafa,  Musseies 
wird  im  Terek-^Kumik^schen,  Daghestan^schen,  Rion-Schwarzmeer-, 
Kura^schen  und  Schemacha-Gektschai'schen  Gebiete  der  Most  nach 
Verlauf  von  5  Stunden  nach  dem  Pressen  in  kupfernen  Geschirren 
10 — 14  Stunden  gekocht.  Zur  Klärung  des  Mostes  kocht  man  den- 
selben im  Terek-  und  Daghestan'schen  Gebiete  mit  weissem  Thon; 
Der  gekochte  Most  Dschaba  wird  in  Tonnen  oder  Krüge  gegossen, 
in  welchen  derselbe  i  */» — 3  Monate  gährt.  Dschaba  ist  ein  sehr 
starkes  Getränk,  das  vorzugsweise  von  den  Mohammedanern  ge- 
trunken wird,  und  das  sich  bei  guter  Bereitung  selbst  in  offenen  Ge- 
fassen  längere  Zeit  erhält.  Drei  Eimer  Traubenmost  geben  einen 
Eimer  Dschaba. 

Narbeck  (Duschab,  Bekmes)  wird  im  Terek-Kumik'schen,  Daghe-* 
stan'schen,  Kura'schen  und  Schemacha-Gcktschai^schen  Gebiete  fast 
ebenso  wie  Dschaba  angefertigt,  hur  wird  der  Most  längere  Zeit  ge- 
kocht, und  zwar  so  lange,  bis  er  sich  in  eine  syropsdicke  Masse 
verwandelt  hat.  Man  benutzt  auch  den  Narbeck  ähnlich  wie  den 
Syrop  oder  Honig,  und  im  Kura'schen  Gebiet  dient  er  zur  Anfer* 
tigung  des  Scherbettes.  Ein  Pud  Narbeck  erhält  man  aus  5  Pud 
Most. 

Aus  Traubentrestern  bereiten  einige  Weinwirthe  Bessarabiens 
Traubenkwas  oder  Getränke,  die  schwachen  Weinen  ähnlich  sind, 
und  die  im  Donischen  Gebiet  den  Namen  Drugak  führen,  im  Rion- 
Schwarzmeer-Gebiet  aber  Gwino-Saüdiero  heissen.  Bei  Bereitung 
solcher  Getränke  wird  auf  die  Weintrester  Wasser  gegossen,  mit 
welchem  die  ersteren  einige  Tage  gähren ;  vor  dem  Abgiessen  eines 
solchen  Aufgusses  von  den  Trestern  vermischt  man  denselben  im 
letztgenannten  Gebiete  mit  Most  oder  etwas  Wein  von  der  Trauben- 
sorte Sapperavi. 

Abgesehen  davon,  dass  einige  Weinwirthe  die  nachbleibenden 
Traubentrester  zur  Essigbereitung  benutzen,  dienen  dieselben  weit 
allgemeiner  zur  Branntweinfabrikation,  dann  aber  auch  als  Viehfutter 
und  Dünger,  doch  gibt  es  auch  solche  Wirthe,  welche  die  Trester 
ganz  wegwerfen. 

In  den  meisten  Gegenden  wird  der  Most  als  solcher,  und  zwar 
schon  von  der  Presse  weg,  den  Weinhändlern  verkauft,  und  nur  ein 
geringer  Thcil  kommt  nach  gänzlich  vollendeter  Gährung,  d.  h. 
nach  Verlauf  von  2 — 3  Monaten  in  den  Handel.    Ein  noch  gerin? 


247 

gerer  Theil,  hauptsächlich  der  zur  eigenen  Konsumtion  bestimmte, 
wird  einer  geregelteren  Kellerwirthschaft  unterzogen.  Die  ver- 
schiedenen Arten,  wie  die  Gährung  vorgenommen  wird,  wurde 
schon  besprochen.  Viel  Gewicht  legt  man  selbstverständlich  auf 
die  Temperatur  des  Gährungsraumes  und  hält  auf  möglichst  geringe 
Schwankungen  derselben.  In  der  Krim  hält  man  während  der  ersten 
Gährungsperiode  eine  Temperatur  von  i6 — 20®  als  die  geeignetste. 
Doch  schenkt  man  wiederum  dieser  Temperatur  oft  keine  Aufmerk- 
samkeit, und  CS  kommt  auch  vor,  dass  dieselbe  während  der  Nacht 
auf  +  8^  sinkt  und  die  Gährung  stehen  bleibt. 

Bei  Behandlung  der  Weine  in  der  Kellerwirthschaft  wird  vorzugs- 
weise auf  Reinlichkeit  und  den  guten  Zustand  der  Geschirre  ge- 
sehen,-die  monatlich. 2 — 3Mal  nachgefüllt  werden.  Der  Wein  wird 
gereinigt  und  2 — 3  Mal  im  Jahre  umgefüllt.  Viele  kaukasische  Wein- 
wirthe  füllen  den  Wein  während  des  Jahres  nur  einmal,  im  Dezem- 
ber oder  Januar,  um,  in  Bessarabien,  am  Don  und  im  Terek- Gebiet 
geschieht  dies  im  März  oder  April.  Am  Südstrande  der  Krim  er- 
folgt das  Umfüllen  dreimal,  und  zwar  bei  Weissweinen  im  Dezembert 
März  und  September,  bei  Rothweinen  im  Januar,  März  und  Septem- 
ber. Dessertweine  werden  in  der  Krim  im  ersten  Monat  dreimal, 
im  zweiten  zweimal,  darauf  bis  zum  Januar  oder  März  einmal  monat- 
lich umgefüllt.  In  Kachetien,  wo  der  Wein  bereits  nach  1 7« — 2 
Monaten  als  genügend  ausgereift  gilt,  bleibt  er  bis  zum  Dezember  in 
leicht  bedeckten  Krügen.  Soll  er  im  Winter  nicht  verkauft  werden, 
so  wird  er  in,  mit  Fliessen  festverschlossene  Krüge  gegossen  und 
den  Weissweinen,  zur  Färbung  Nussblätter,  den  Rothweinen  Trau- 
bentrester  zugesetzt,  und  die  Fliessen  oder  Krüge  mit  einer  V2  Ar- 
schin hohen  Erdschichte  bedeckt.  Bleibt  der  Wein  bis  zum  folgen- 
den Sommer  im  Keller,  so  erfolgt  im  Januar  nochmalige  Umfüllung 
und  erst  dann  Verschüttung  der  festgeschlossenen  Krüge  mit  Erde. 

Zum  Reinigen  bedient  man  sich  in  Bessarabien,  in  der  Krim,  im 
Donischen  und  Terek-Kumik'schen  Gebiet  des  Fischleims,  aber 
auch  noch  in  der  Krim  Lenö^s  Gelatine  und  in  Bessarabien  zuweilen 
der  Holzkohle.  Auch  benutzt  man  in  der  Krim  und  im  Terek-Ge- 
biet  zum  Reinigen  der  Rothweine  Eiweiss.  Am  Don  versüsst  man 
den  Wein  nach  der  Klärung  im  März  oder  April  und  füllt  ihn  in 
Flaschen,  in  welchen  er  bis  zum  Verkauf  gut  verkorkt  gehalten 
wird.  Schwache  Weine  lässt  man,  um  ihnen  mehr  Stärke  zu  geben, 
nicht  selten  ausfrieren.  In  der  Umgegend  von  Kisljar  versetzt  man 
die  Weine,  nach  der  im  Vorjahr  erfolgten  Reinigung,  mit  Spiritus. 


248 

Die  erste  stürmische  Gährung  findet  in  der  Regel  in,  meist  in  den 
Weingärten  selbst  gelegenen  Baulichkeiten  statt,  die  aus  einer 
Scheune  oder  aus,  auf  Feilern  ruhendem  Dache  bestehen;  von  hier 
aus  erst  kommt  der  junge  Wein  in  die,  gewöhnlich  in  den  Wohn- 
gebäuden liegenden,  Keller.  In  der  Krim  sind  bei  einigen  Wein- 
wirthen  die  Weinwirthschaften  über  den  Kellern  eingerichtet.  Zu 
Kellerwirthschaften  dienen  Gebäude  meist  aus  Holz,  aber  auch  aus 
Stein.  In  Kaukasien  werden  dieselben  ohne  Fenster  angelegt 
(Maran,  Marani),  mit,  unter  dem  Dache  zur  Luftreinigung  an- 
gebrachten Oeffnungen,  die  gleichzeitig  genügendes  Licht  einlassen. 
Die  Südseite  solcher  Gebäude  wird  fast  immer  aus  Ziegeln  oder 
Stein  gebaut,  und  hier  liegt  auch  der  Pressraum.  Mit  Hülfe  eines 
geneigten  Bodens  fiiesst  von  hier  aus  der  ^lost  durch  Rinnen  in  die, 
vor  diesem  Raum  eingegrabenen  Krüge.  Der  Boden  dieses  Press- 
raumes ist  häufig  cementirt  oder  besteht  aus  Kalk  und  Sand.  Die 
Pressen  sind  sehr  verschiedenartig,  aber  meist  einfacher  Kon- 
struktion ;  nur  bei  guten  Weinwirthen  Bessarabiens  und  der  Krim 
finden  sich  eiserne  Pressen  neuester  Konstruktion  von  Mabil, 
Dingler  u.  A.,  die  grossentheils  aus  der  Schweiz  und  Oesterretch 
verschrieben  werden.  Weinerhitzungsapparate  für  Rothwein  finden 
sich  nur  in  einigen  Kellereien  der  Krim  und  Bessarabiens,  des- 
gleichen Filtrirapparate  zur  Weinklärung  (Krim).  Gährungsbottiche, 
Tonnen  etc.  werden  meist  aus  Eichenholz  angefertigt,  in  den 
deutschen  Kolonien  des  Kura-Gebietes  aber  aus  Fichtenholz.  In  den 
Weinwirthschaften  Transkaukasiens  wird  hölzernes  Geschirr  nur 
selten  angetroffen;  dort  herrschen  thönerne  Krüge  von  verschie- 
dener Grösse  vor,  sogar  oft  von  riesenhaften  Dimensionen.  Beson- 
ders zeichnen  sich  alte  Krüge  durch  ihre  Grösse  aus.  Sie  erreichen 
leine  Höhe  von  9  Fuss  bei  einem  Durchmesser  von  6  F.  und  fassen 
an  10,000  Flaschen.  Sie  bilden  ein  kunstvolles  Produkt  der  lokalen 
Töpferei  und  sind  ihre  Wände,  ungeachtet  ihrer  Grösse,  doch  nur 
Va — sV/a  Zoll  stark.  Alle  Weinwirthe  Transkaukasiens,  mit  Aus- 
nahme der  des  Araxes-Gebietes,  die  den  Wein  in  Krügen  anfertigen 
und  aufbewahren,  vergraben  die  Krüge  bis  an  den  Hals  in  die  Erde. 
Dabei  werden  grosse  Krüge  vor  dem  Eingraben  von  aussen  mit 
einer  Schicht  Kalk  und  Steinchen  bedeckt,  um  den  Wänden  mehr 
Festigkeit  zu  geben.  Vor  dem  Eingraben  der  Krüge  wird  in  den- 
selben Reissig  verbrannt  und  nach  Entfernung  der  Asche  werden 
die  innern  Wände  mit  frischem  Ochsenblut  bestrichen. 

Die  Gefasse,  Bottiche,  Tonnen,  Krüge  etc.  werden  im  Allgemeinen 


349 

nachlässig  gehalten.  Nur  vor  dem  Pressen  werden  sie  mit  heissem 
Wasser  gereinigt.  Schwefeln  der  Gefässe  findet  nur  ausnahmsweise 
statt;  nicht  einmal  vom  Schimmel  und  Weinstein  pflegt  man  sie  zu 
reinigen.  Im  Rion-Schwarzmeer-Gebiet  werden  die  gerdnig^ten 
Krüge  von  einigen  Wirthen  mit  Wachs,  im  Araxes-Gebiet  mit 
Schaaffett  bestrichen.  Aus  den  Kellern  transportirt  man  den  Most 
im  Araxes-Gebiet  in  Schleuchen  (Burdück)  aus  Schaf-  und  Ochsen« 
häuten;  dabei  legt  man  in  den  obern  Theil  dieser  Schleuche  ein 
Rohr  ein,  damit  sie  bei  der  Gährung  des  Mostes  nicht  reissen. 

Die  meisten  russischen  Weine  sind  wegen  nachlässiger  Behand- 
lung und  durch  den  Umstand,  dass  der  grösste  Theil  derselben  zu 
früh  in  den  Handel  kommt,  von  schlechter  Qualität.  Im  Handel 
unterscheidet  man  die  Weine  grossentheils  nur  nach  der  Farbe; 
seltener  tragen  sie  die  Namen  ihrer  Produktionsgegenden,  der  Reb- 
sorten oder  auch  der  Produzenten.  Die  Weine  der  kleinen  Wirthe, 
die  ihre  Trauben  nicht  sortiren,  verderben  oft  schon  nach  wenigen 
Monaten.  Farbe,  Geschmack  und  Geruch  solcher  Weine  sind  unbe- 
stimmt und  widerlich.  In  Folge  von  Beimischung  fauliger  Trauben 
und  Erde  schmecken  auch  die  Weine  oft  faulig.  Langes  Gähren  der 
Weine  auf  den  Trestem  liefert  bittere  Weine,  wie  solche  oft  in  eini- 
gen Gegenden  Transkaukasiens  vorkommen.  Im  Kreise  Kasach  des 
Kurischen  Gebietes  werden  fast  alle  Trauben  nur  von  Armeniern 
angekauft,  die  sie  sehr  nachlässig  behandeln;  eine  Woche  nach  dem 
Pressen  wird  der  Most  nach  Tiflis  gebracht  und  dort  unter  dem 
Namen  Kachetinischer  Matschari  im  Kleinhandel  zu6— /Kop.  per 
Flasche  verkauft. 

Etwas  bessere  Eigenschaften  besitzen  die  meisten,  im  Bessarabi- 
schen,  Krim'schen,  Donischen,  Astrachan'schen ,  Kuban'schen, 
Kuma'schen  und  Terek-Kuminsk'schen  Gebiete  produzirten,  wie 
auch  solche  Weine,  welche  aus  Wirthschaften  Transkaukasiens 
stammen,  in  welchen  die  Trauben  wenigstens  nach  der  Farbe  sortirt 
werdert.  Zu  guten  Weinen  können  dieselben  noch  immer  nicht  ge- 
zählt werden,  weil  ihnen  das  Bouquet  mangelt  und  sie  keinen  ange- 
nehmen Geschmack  besitzen;  auch  sind  sie  nicht  selten  schwach, 
wässerig  und  sauer.  Solche  Weine  werden  schon  oft  im  zweiten 
Jahre  schimmelig,  erhalten  einen  faulen  Geschmack  und  es  tritt  ein 
Zäh-  und  Sauerwerden  ein.  Zur  Verbesserung  des  Geschmackes, 
und  um  sie  zum  Transport  tauglicher  zu  machen,  werden  solche 
Weine  mit  Spiritus  versetzt,  oder  man  lässt  einzelne  derselben  aus- 
frieren oder  macht  Schaumweine  aus  ihnen;  letztere  sind  aber  häufig 


250 

mit  einem  Beigeschmack  behaftet  und  haben  kein  bestimmtes  Bou- 
quet.  Fast  jedes  Weinbaugebtet  liefert  zu  derartigen  Weinen  sein 
Contingent. 

Von  den  sorgfaltig  angefertigten  und  gut  gehaltenen  Weinen  sind 
einige  Sorten  ihrer  guten  Eigenschaften  wegen  bekannt.  Die  besten 
Weine  sind  die  aus  getrockneten  Trauben  hergestellten  Dessert- 
weine, doch  auch  andere  Dessert-,  wie  auch  Weiss-  und  Rothweine 
besitzen  Eigenschaften,  die  sich  bei  guter  Kellerpflege  noch  mehr 
ausbilden.  Leider  bleibt  die  Quantität  derselben  immer  eine  ver- 
hältnissmässig  geringe.     Die  bekanntesten  dieser  Weine  sind: 

Im.Be8sarabischen  Gebiet:  Bordeaux,  Burgunder,  Rheinwein,  Sau- 
terne,  Riesling  und  Muscat. 

In  <ier  Krim:  Madeira,  Muscatsec,  Muscat,  Muskat  lunel,  Isabella, 
Malaga,  Lafitte,  Bordeaux,  Pinot  Fleri,  Aleatio,  rother  Oporto, 
Alicante,  Catalogne,  Rother  Tischwein  der  besten  Weinwirthe, 
Riesling,  Sauterne,  Traminer,  Tokay,  Pedro-Xim^n^s,  Orleans,  Pi- 
not blanc,  weisser  Oporto,  Albillo-Castillan  und  weisser  Tischwein. 

Im  Donischen  Gebiet: '  Puchljakow^scher,  Dolgoje,.  Rasdorskoje, 
Krugloje^Kotschatowskoje,  Ladonnoje,  Kisilewoje,  Krasnostopoje, 
Zimljanskoje  und  Bulanoje. 

Im  Astrachan'schen  Gebiet:  Rother  süsser,  aus  gedörrter  ungarischer 
Traube,  Sauterne- Yquem  aus  gedörrter  Traube  und  Haut-Sau- 
terne  aus  Kischmisch. 

Im  Kuban'schen  Gebiet:    Riesling,  Bordeaux,  Muscat  und  tsabella. 

Im  Terek-Kumik'schen  Grebiet:  Wein  der  besten  Weinwirthe  auf 
der  Kumik'schen  Ebene,  besonders  Schaumwein  aus  gedörrten 
Trauben. 

Im  Daghestan'schen  Gebiet:  einige  Weine  aus  den  Weingärten  der 
Statthalterei  Derbent,  besonders  solche,  welche  aus  Krim'schen 
Sorten  hergestellt  sind. 

Im  Rion-Schwarzmeer-Gebiet:  Sherry  aus  der  Traubensorte  Am- 
lachu,  Wlodjetelskoje,  Swir'scher,  Satschcher'scher,  Kopitnar^scher, 
Zolikour'scher,  Ubisischer,  Gore'scher,  Bosleb'scher,  Kipianow - 
scher,  Chimschet,  Zeschschet,  Sadschawash'scher,  Lichaur'scher, 
Odschale^scher,  Tamok'scher,  Abedat'scher  und  Nachunow'scher. 

Im  Kura'schen *Gebiet :  Atenisgurno,  Ksowrischer,  Dampalin'scher, 
Muchran'scher,  Dzalischer,  Saguram'scher  und  Ardschakel'scher. 

Im  Kachetinischen  Gebiet:  Kachetinischer. 

Im  Araxes-Gebiet:    Dampalin'scher,   Duglun'scher,   Parakiar'scher, 


25' 

Akulis'scher,  Wagarschapat^scher,  Aschtarak'scher  und  Etschmi- 
adsin'scher. 
Im  Schemacha-Gektschai'^chen  Gebiet:  Matrasinscher^Sserehrjakow- 
scher,  Gürdschewan^scher,  Sagian^dcher  und  Kerkent'scher. 

Die  Eigenschaften  der  Weine  lassen  sich  nur  durch  sorgfaltige 
Analysen  bestimmen;  leider  gibt  es  aber  in  Betreff  russischer  Weine 
nur  eine  geringe  Anzahl  solcher  Analysen,  schon  deshalb,  weil  die 
besten  Weine  gar  nicht  verschickt,  sondern  an  Ort  und  Stelle  kon- 
sumirt  werden.  Alle  Untersuchungen  russischer  Weine,  die  in  Folge 
der  Ausstellungen  in  Moskau  (1864)  und  in  Odessa  (1870)  ausgeführt 
sind  (und  noch  heute  im  Laboratorium  der  Kaiserlichen  Weinbau- 
schule  zu  Magaf  atsch  beständig  ausgeführt  werden),  sind  von  Hrn. 
Sokalskij  ^  im  Berichte  über  die  in  Odessa  stattgefundene  Aus- 
stellung der  Werkzeuge  und  Produkte  des  Weinbaues  und  von  Hrn. 
Sälomon'  in  den  Materialien  zur  Statistik  der  Weinproduktion  in  der 
Krim,  in  russischer  Sprache  veröffentlicht  worden. 

J.  V.  Bock. 

(Schluss  folgt.) 


Zur  Llteratar  über  Bnssisch-Torkestan. 

Von 

Alexander  Petzholdt 

(Schluss.) 


V.» 


^Von  seiner  Bucharischen  Reise  nach  Taschkend  zurückgekehrt, 
begab  sich  Hr.  Schuyler  in  die  östlichen  Theile  des  russischen  Tur- 
kestan  (Kuldscha  mit  eingeschlossen)  und  kehrte  von  dort  über 
Ssemipalatinsk  durch  das  westliche  Sibirien  (über  Omsk,  Petropaw- 
lowsk  undTroizk)  nachOrenburg  und  St.  Petersburg  zurück,  woselbst 


'   CoKOAbcKtüy    Onen»  oo   BUCTttK'k  MiiorpaAapciMi   ■   BVBOA'bjiii,    6uBiiiei  vb 
OAcccfe  BT.  1870  roAy.  .         • 

'  CaAOMOMSj  Marepiajiu  aju  crnracntu  bbhhoI  npoHunuseHHocni  Wh  Kpuiiy. 

»  Vgl.  «Russ,  Revuen  Bd.  XII.,  S.  433  u.  ff.,  438  u.  ff.,  Bd.  XIII.,  S.  40  u.  ffl,  152  u.  ff. 


252 

er  am  3.  (15.)  November,  also  nach  einer  Abwesenheit  voii  beinahe 
8  Monaten,  wieder  anlangte.  Der  Schilderung  dieses  Theiles  dcir 
Reise  ist  das  elfte  und  zwölfte  Kapitel  des  Schuyler'schen  Buches 
(S.  1 19—201  des  zweiten  Bandes)  gewidmet. 

Hr.  Schuyler  verliess  Taschkend  am  28,  August  (9.  September), 
und  gelangte,  bei  Taschkend  die  grosse,  nach  Orenburg  führende 
Strasse  verlassend,  auf  der  sich  nach  Osten  abzweigenden,  nach 
Wemoje  führenden  Poststrasse  zuerst  nach  Aulie- Ata,  einer  am  Talas 
liegenden  kleinen  Stadt,  die  nur  in  sofern  Bedeutung  hat,  als  sie  Kreis- 
stadt und  der  Marktplatz  für  die,  im  benachbarten  Gebirge  in  grosser 
Anzahl  wohnenden  Kirgisen  ist  Obgleich  die^  früher  zu  Chokand 
gehörige  Stadt  seit  der  Besitznahme  durch  die  Russen  an  Bevöl- 
kerung und  Verkehr  zugenommen  hat,  so  ist  es  bis  jetzt  noch  im- 
mer ein  zerstreut  und  schübig  {^scAaMy»)  aussehender,  beinahe 
foauiploser,  auf  die  nackte  Steppe  hingesetzter  Ort.  Früher  hatte 
man  die  Idee,  Aulie^Ata  zum  administrativen  Centrum  der  Provinz 
zu  machen,  und  General  Kaufmann,  als  er  1867  nach  Turkestan  kam, 
schwankte,  ob  er  Aulie-Ata  oder  Taschkend  zur  Hauptstadt  wählen 
sollte.  Den  Besuch  einer  grossen  kirgisischen  Festlichkeit,  die 
in  einigen  Tagen  30  Werst  von  Aulie-Ata  entfernt  im  Gebirge  statt- 
finden sollte  und  wozu  ihn  der  Kreischef  einlud,  lehnte  Hr.  Schuyler 
ab,  obschon  er  nicht  ungern  etwas  mehr  von  den  Kirgisen  gesehen 
hätte,  welche  ihm  jetzt,  nachdem  er  die  Sarten  kennen  gelernt  hatte, 
als  Muster  von  Einfachheit,  Mannhaftigkeit  und  Tugend  erschienen. 
Er  meinte  aber^  dass  ihn  Besseres  erwarte. 

Beim  Fortschritt  der  Reise  über  Merke,  Ak-su  und  Pischpek  nach 
Tokmak  befand  sich  unser  Reisender,  trotz  der  giftigen  Spinnen,  vor 
denen  er  einen  ziemlichen  Respekt  gehabt  zu  haben  scheint*,   doch 


'  Bei  Merke,  wo  ein  kleiner  militärischer  Posten,  aber  sonst  weiter  nichts  Merk- 
würdiges ist,  äussert  sich  H/.  Schayler :  eich  hatte  nicht  Lust^  länger  hier  zu  bleiben, 
als  n<Hhtg  war,  um  meine  Mtttagsmahlzeit  eiasünehmen,  wegen  der  Xarakmt  Spinnen, 
welche  eine  Plage  dieser  Gegend  sind  und  Ton  deren  giftigen  Eigenschaften  ich  öfter 
gehört  hatte».  Hr  Schuyler  nimmt  diese  Gelegenheit  wahr,  um  eine  Episode  fiber  einige, 
inTurke^n  vorkommende,  mehr  oder  weniger  gefärchtete Spinnen  einzuschalten  (S.  123 
bis  126).  Vom  Karkurt  (Latrodecies  lugubris)^  den  ich  meinerseits  nur  in  einem 
todten  Exemplare,  welches  mir  der  General  Kolpakowsky  schenkte,  gesehen  habe, 
heisst  es  bei  Hm.  Schuyler,  dass  er  nicht  breiter  als  ein  Fingernagel  ist,  aber  mehrere 
Fuss  hoch  springen  könne  und  das  bei  Weitem  giftigste  einheimische  Gewürm  sei.  Von 
Ansehen  schrecklicher,  obschon  weniger  tödtlich  (so  heisst  es  weiter)  sind  die  Taran- 
teln und  Phalangen.  Die  Tarantel  (Lyc^sa  simgüriensis)  ist  schwarz  nnd  hat  einen,  mit 
dunkelbratinen  nnd  sdhwarsen  Haaren  bedeckten  Körper  von  der  Grösse  eines  Tauben- 


»53 

ganzwohly  denn  man  liest  auf  S«  123:  c Im  Norden  des  Gebirges 
glaubte  ich  eine  ganz  andere  Luft  zu  athmen.  Ich  hatte  den  Fanar 
tismus  und  das  beschränkte  Leben  der  sesshaften  Bevölkerung  Ceh- 
tral-Astens  hinter  mir  und  befand  mich  wieder  in  der  Steppe,  in 
einer  äusserst  gesunden  und  reizenden  Gegend.  Zur  Rechten  fort- 
während die  herrliche  Alexander-Gebirgskette  mit  rieten  Gipfetn 
weiss  von  Schnee.  Fast  bei  jedem  Schritt  kreuzte  ich  kleine,  von 
den  Bergen  herabrieselnde  Bäche,  für  die  Ricfatigkdt  des  aken  Na- 
mens dieser  Gegend  «Ming-Bulak»  '  (Tausend  Quellen)  Zeugniss 
ablegend.     Der  Weg  gut,  die  Pferde  frisch  u.  t.  «r.« 

Von  der  am  linken  Ufer  des  Tschu-Flusses  liegenden  Kreisstadt 
Tokmak  aus  unternahm  Hr.  Schuyler,  seinen  Reisewagen  isnd  Gi^ 
pack  zurücklassend;  im  leichten  Postkarren  eine  Exkursion  nach 
dem  Issyk-Köl.  Der  Weg  führte  den  Reisenden  hinter  Tokmak, 
ebenso  wie  es  bereits  vor  Tokmak  der  Fall  gewesen  war,  durch  sum- 
pfiges, mit  Schilf  bewachsenes  Land  nach  der^  nur  einige  Werst 
oberhalb  Tokmak  befindlichen  Fuhrt  des  reissenden  und  tri^eri- 
schen  Tschu,  welcher  unter  der  Leitung  eines  ortskundigen  Kosaken 
ohne  Unfall  durchfahren  wurde,  von  da  auforärts  durch  die,  die  Alex- 
ander-Kette von  der  Parallel-Gebirgskette  des  transitischen  Alatau 
trennende  grosse  Buam-Schlucht,  wo  Hr.  Schigrler,  von  der  Dunkel- 
heit überrascht,  auf  der  Poststation  Kok-Masnak  nächtigte,  um  am 
anderen  Morgen  den  höchsten  Punkt  des  Buam-Passes  bei  der  Sta- 
tion Kute-Maldy  zu  überschreiten  und  auf  sanft  abfallenden,  bald 
mit  Gras,  bald  mit  Schilf,  bald  mit  grobem  Kies  bedeckter  Ebene 
nach  der,  volle  3  Werst  vom  Rande  des  See^-s  liegenden  Poststation 
Turai-Gyr  zu  gelangen.  Hier  verbrachte  er  den  Tag,  bis  Jiach 
Sonnenuntergang,  wo  er  skh  inach  Kute-Maldy,  -und  am  anderen 
Tage  nach  Tokmak  zurückbegab,  sehr  froh,  dass  sein  Aufenthalt  am 
See  vom  herrlichsten  Wetter  begünstigt  worden  war.  Auf  S.  1 28 
bis  132  t heilt  Hr.  Schuyler  seine,  sowie  die  von  Andern  am  See  ge- 
machten Beobachtungen  mit,  knüpft  daran  eine  'kurze  Schilderung 


eies.  Die  Phalange  (die  in  zwei  Arten :  Sol^ga  araneoides  und  5«  intrepida  vor- 
kommt) ist  gelblich  oder  röthlich  braun,  ebenfalls  mit  langen  Haaren  bedeckt;  wenn 
aber  Hr.  Schuyler  Ton  ihr  sagt,  dass  sie,  wenn  sie  umherspasiert,  so  gross  wie  swei 
Fäuste  erscheint  (•seems  as  large  as  <me*s  two  fists*)^  so  bin  ieb  der  Meinung,  dass  der 
betreffende  Beobachter  eine  ausserordentlich  stark  ▼ergriVssemde  Brille  gehabt  haben 
muss.  Die  grösste  der  Ton  mir,  freilich  ohne  Brille  beobachteten  Phalangen  war  im 
Körper  nur  etwas  über  zwei  2^11  lang.  Vgl.  meine:  «Umschau  u.  s.  -w.»  S.  80  '(wo 
von  der  Phalange)  und  S.  15a  (wo  Ton  der  Tarantel  die  Rede  ist). 


»54 

des  Thiän-Schan  (S.  132 — 135),  und  spricht  dann  in  gleicher  Kürze 
über  die,  die  Nachbarschaft  des  Issyk4Cöl  und  überhaupt  die  Thäler 
des  Thian-Schan,  ebenso  das  Alai-Gebirge  und  den  Pamir  im  Süden 
von  Chofcand  bewohnenden  Kara-Kirgisen,  von  den  die  Steppen  be- 
wohnenden Kaisak-Kirgisen  wohl  zu  unterscheiden  (S.  13s — 139). 
Da  über  alle  soeben  angeführten  Dinge  von  Hrn.  Schuyler  nur 
in  äusserster  Kürze  verhandelt  wird»  und  da  noch  obendrein  dem 
Verfasser  die  Autopsie  abgeht,  so  lasse  ich  mich  meinerseits  hier 
nicht  weiter  darauf  ein. 

Bei  seiner  Rückkehr  nach  Tokmak  fand  Hr.  Schuyler  ein  grosses 
Lager  der  Kära-Kirgisen  vor,  und  erfuhr,  dass  eine  ausserordentliche 
Gerichtssitzung  der  Bä^  des  Tokmak'schen , und  Issyk-Köl'schen 
Kreises  abgehalten  werde.  «Die  Bii  (so  heisst  es  auf  S.  140),  insge- 
sammt  dicke,  sitarke,  wohlaussehende  Männer  sassen  unter  einem 
grossen  Filzzelt  rund  umher  auf  der  Erde  \  in  der  Mitte  befand  sich 
ein  kleiner  Tisch,  an  welchem  der  russische  Kreischef  seinen  Platz 
hatte,  wsäirend  der  Dolmetscher  mit  seinen  Schriftbündeln  auf 
einem  Stuhle  nebenbei  sass.  Die  Verhandlungen  zeichneten  sich 
durch  Regelmässigkeit  und  gute  Ordnung,  aus.  Kläger  und  Ver- 
theidiger  brachten  ihre  Sache  vor,  wo  nöthig  durch  Zeugen  imter- 
stützt.  I£erauf  referirte  der  Dolmetscher  dem  Kreische^  um  was 
es  sich  der  Hauptsache  nach  handelte  und  machte  eine  kurze 
Bemerkung  in  seinem  Buche;  nach  einer  Berathung  der  Bii,  erst 
eines  jeden  Kreises  besonders,  und  dann  j beider  Kreise  zu- 
sammen, wurde  die  Entscheidung  in.  dasselbe  Buch  eingetragen 
unter  Beifügung  der  Siegel  der  Bii>.  Hr.  Schuyler  ergreift  diese 
Gelegenheit,  um  sich  über  das  Institut  der  Dolmetscher,  wie 
es  augenblicklich  beschaffen  ist,  auszusprechen.  «Im  Allgemeinen 
(so  lässt  er  sich  auf  S.  141  vernehmen)  sind  diese  Dolmetscher  eine 
traurige  Bande  (<a  sorry  set»),  was  im  Hinblick  auf  die  grosse  An- 
zahl von,  in  russischem  Dienste  stehenden  Asiaten  und  der  zur  Er- 
lernung der  orientalischen  Sprachen  in  Russland  bestehenden  aus- 
gezeichneten  Anstalten   befremdend  ist.     Mit  Ausnahme   einiger 


*  BH  ist  der  Name  des  einheimischen  Richters.  Ein  einzelner  Bii  hat  das  Recht 
ttber  Streitsachen  zu  entscheiden,  welcl^e  nicht  ttber  100  Rbl.,  5  Pferde  oder  50  Schafe 
hinausgehen ;  Sachen  bis  zu  einem  zehnmal  grösseren  Betrage .  entscheidet  ein  Conseil 
der  Bii  (noch  grössere  Streitsachen  unterliegen  der  Entscheidung  der  russischen  Ge- 
richtsbehörden) ,  während  ausserordentliche  Versammlungen  der  Bii,  wie  im  vorlie- 
gende Fall,  abgehalten  werden,  um  Streitigkeiten  zwischen  den  Kirgisen  verschiedener 
Administrations  Bezirke  in  Betracht  zu  nehmen. 


Beamten,  welche  guten  Unterricht  genossen,  sind  es  Tataren,  welche 
nach  diesen  Theilen  Asien^s  kamen,  um  ihr  Glück  zu  machen,  oder 
Kirgisen,  welche  man  von  der  Steppe  auflas,  oder  frühere  Dschi- 
giten.     Persisch  verstehen  sie  gewöhnlich  nicht,  von  dem  Usbek- 
schen  Dialekt  haben  sie  nur  unvollkommene  Kenntniss,  und  noch 
geringere  vom  Russischen.     Bisweilen  sind  es  nur  Kosaken,  welche 
weder  lesen  noch  schreiben  können  und  die  Landessprachen  einfach 
aus  dem  täglichen  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  erlernten.     Kein 
Wunder,  wenn  von  solchen  Dolmetschern  sehr  auflallige  und  selbst 
amüsante  Versehen  begangen  werden*.     Hr.  Schuyler  theilt  meh- 
rere derartige  Fälle  mit,  unter  Anderem  den  folgenden  Fall,  der  in 
Samarkand  kein  kleines  Aufsehen  erregte.     i£in  Sarte  kam  zum 
Richter  und  klagte,  dass  ihm  einer  seiner  Nachbarn,  Nur  Moham- 
med, bei  Gelegenheit  der  Inbrandsteckung  des  Hauses  des  Kalian- 
Muscha,  in  Folge  von  Nachlässigkeit  vier  Acker  ihm  gehörigen  rei- 
fen Weizens  verbrannt  habe.     Der  Richter,  in  der  Meinung,   dass  es 
sich  hier  um  die  Entscheidung  zweier  Fälle  handele,  gab  sogleich 
Befehl,  den  Nur  Mohammed  festzunehmen,  und  als  er  im  weitern 
Verlaufe  der  Verhandlungen  fragte,  wesshalb  Kalian-Muscha  nicht 
erschienen  wäre,  um  Zeugniss  abzulegen,  da  ward  ihm  gesagt,   dass 
Kalian-Muscha  zur  Zeit  des  Hausbrandes  mit  seiner  ganzen  Familie 
verbrannt  sei.     So  unerhörte  Abscheulichkeit  regte  den  Richter  im 
hohen  Grade  auf,   und  es  dauerte  einige  Zeit,  ehe  er  durch  die  ver- 
einten   Anstrengungen   mehrerer  Dolmetscher  zur  Ueberzeugung 
kam,  dass  eine  schlechte  Dolmetschung  stattgefunden  habe,  dass 
nämlich  Kalian-Muscha  der  Name  einer  grossen,  Getreide  fressenden 
Ratte  sei,  und  dass  der  Versuch,  das  Nest  des  Thieres  durch  Feuer 
zu  zerstören,  das  Verbrennen  des  Weizens  verursacht  habe*.  — 
«Das  Schlimmste  bei  dem  gegenwärtigen  System  der  Dolmetscher 
ist,  dass  diese  Leute  iher  Stellung  benutzen  können,  um  Russen  und 
Eingeborene  zu  hintergehen,  wobei  insbesondere  die  Letzteren  stark 
büssen  müssen,  indem  man  ihnen  die  russischen  Befehle  falsch  über» 
setzt  und  unter  dem  Vorgeben,  die  Sache  in  Ordnung  bringen  zu 
wollen,  Geld  erpresst». 

Von  Tokmak  kehrte  Hr.  Schuyler,  da  der  Kastek-Pass  schon  seit 
längerer  Zeit  nicht  mehr  zum  Fahren  benutzt  wird,  nach  Pischpek 
zurück,  und  überschritt  bei  der  Station  Konstantinowska  auf  ausge- 
zeichneter Brücke  den  seichten,  schlammigen  und  für  die  Schifffahrt 
gänzlich  untauglichen  Tschu  \    Die  Poststraßse  streng  einhaltend  er- 

*  Hier  wird  des  von  dem  Hrn.  Kopylow,  einem  Agenten  des  Hrn.  Kuinezow,  ange- 


256 

reichte  er  endlich  Wemoje,  Hauptstadt  und  Sit^  des  Gouver- 
neurs der  turkestan'schen  Provinz  Ssemiretschensk.  Die  auf  diesem 
Wege,  50  Werst  vor  Wemoje  liegende  Poststation  Usun-Agatsch» 
Hm.  Schuyler^s  letztes  Nachtquartier  vor  Wemoje,  gibt  ihm  Veran- 
lassung zur  Einschaltung  einer  Beschreibung  der  hier  1860  stattge- 
fundenen Schlacht,  in  welcher  der  General  (damals  Oberstlieute- 
nant) Kolpakowskij  mit  800  Mann  und  6  Kanonen  eine,  aus  19,000 
Chokandero  und  Kirgisen  bestehende  Armee  total  zerstreute  und 
damit  die  Macht  des  «Weissen  Zaren»  im  Norden  des  Alatau  für 
immer  begründete. 

Wemoje  y^ird  von  Hm.  Schuyler  foigendermaassen  beschrieben 
(S.  145):  «Wemoje,  früher  nur  ein  russischer  Vorposten,  hatte  1871 
mehr  als  12,000  Einwohner.  Die  einzelnen  Theile,  aus  denen  Wer- 
noje  besteht  (2  Kosakenstanitzen,  die  alte  Stadt,  die  neue  Stadt  und 
die  tatarische  Vorstadt),  obschon  sie  in  schneller  gegenseitiger  Ver- 
schmelzung begriffen  sind,  geben  der  Stadt  ein  etwas  zerstreutes 
Wesen,  nichts  desto  weniger  aber  hat  sie  in  jeder  Weise  das  Ausse- 
hen einer  blühenden  mssischen,  oder  vielleicht  besser  gesagt,  sibiri- 
schen Stadt,  und  steht  im  vollkommenen  Gegensatze  zu  allen  Städ- 
ten auf  der  Südseite  des  Gebirges.  Die  Strassen  sind  breit  und  re- 
gelmässig, die  Häuser  mebtentheils  im  russischen  Styl  erbaut.  Hier 
gibt  es  Läden  mit  auffallenden  und  malerischen  Aushängeschildern, 
grosse,  der  Regierung  gehörige  Gebäude,  schmutzige  kleine  Gast- 
häuser, einen  Klub,  und  alles,  was  sonst  noch  zu  einer  russischen 
Stadt  gehört  Der  Ort  ist  so  schnell  aufgeschossen,  dass  man  ihn 
jetzt  fast  überall  neu  in  Ziegeln  aufbaut,  und  nach  10  Jahren  wird  er 
viel  solider  und  stattlicher  erscheinen.  Es  ist  jedoch  die  Bevölke- 
rung, welche  Wernoje  von  anderen  russischen  Städten  unterschei- 
det, denn  es  finden  sich  hier  alle  Volksstämme  dieses  Theiles  von 
Asien  vor,  Sarten,  Tataren,  Kirgisen,  Kalmücken  und  Chinesen, 
selbst  einige  Afghanen.  Insbesondere  fallen  die  Kalmücken  mit 
ihren  braunen  Gesichtern  und  langen  Zöpfen,  auf  Kühen  und  Och- 
sen reitend,  dem  Reisenden  sogleich  auf,  und  mahnen  ihn,  dass  er 
sich  den  Grenzen  China's  nähert;  und  in  der  That  sind  es  kalmücki- 
sche und  chinesische  Arbeiter,  auf  welche  man  sich  hier  am  meisten 
veriässt.  Der  Handel  mit  allerlei  Waaren  ist  im  starken  Wachsen, 
und  der  Verkehr  mit  der  Steppe,  der  früher  seinen  Hauptsitz  in 
Kopal  hatte,  hat  sich  jetzt  nach  Wernoje  gewendet;  dazu  kommt 

ftdlten,  aber  missglackten  Versuchet  einer  Beschiffuog  dieses  Flusses  ausfiihrlicher  ge- 
dacht (S.  142  o.  fU)- 


257 

noch,  dass  die  Karawanen,  welche  früher  ohne  Aufenthalt  Wernoje 
passirten,  jetzt  gewöhnlich  hier  ihre  Reise  unterbrechen  und  biswei- 
len diesen  Platz  benutzen,  um  das,  was  sie  gebracht  haben^  von  hier 
aus  zu  vertheilen.  Ebenso  haben  sich  hier  einige  chinesische  Kauf* 
leute  etablirt,  und  man  sagte  mir,  dass  sie,  in  Folge  ihrer  Sparsam- 
keit und  ihres  Fleisses,  den  grösseren  Theil  des  Handels  in  ihre 
Hände  bekommen  haben,  sehr  zum  Verdruss  der  etwas  nachlässi« 
gen  Russen.  Hier  gibt  es  Sägemühlen,  Ziegeleien,  Branntweinbren- 
nereien, Bierbrauereien,  und  man  bemerkt  in  jeder  Hinsicht  einen 
Unternehmungsgeist,  der  den  von  Taschkend  in  so  bedeutender 
Weise  überragt,  dass  man  es  durchaus  nicht 'dem  blossen  Um- 
stände, dass  Wernoje  um  lO  Jahr  älter  ist,  zuschreiben  kann.  Hier 
gibt  es  zwei  russische  Schulen,  eine  Schule  für  muselmännische 
Kinder,  eine  Gewerbeschule  zur  Ausbildung  von  Handwerkern  und 
guten  Arbeitern,  und  eine  Garten-  und  Obstbauschule.  Die  Mittel  ^ 
zum  Amüsement  bietet  der  Klub  und  der  öffentliche  Garten.  Dieser 
Garten,  ein  von  der  Gartenbauschule  gepflegtes  Grundstück,  ist 
schon  jetzt  ein  angenehmer  Versammlungsort,  und  wird  mit  der 
Zeit  allerliebst  sein.  Gegenwärtig  verdankt  er  sein  Grün  zumeist 
halbwilden  Apfelbäumen  und  der  Weinrebe,  obschon  ich  auch 
einen  hübschen  Blumenflor  vorfand.  Auf  der  einen  Seite  des  Gar. 
tens  steht  ein  Pavilloni  welcher  zur  Sommerzeit  vom  Klub  benutzt 
wird,  und  wo  einmal  wöchentlich  ein,  in  Russland  so  wohl  bekannter 
«musikalischer  Familien-Abend •  abgehalten  wird,  mit  Illumination, 
Musik,  Tanz,  Abendessen  und  dem  ewigen  Jeralasch  (Epajiaiin») 
und  Preference^  ohne  welche  Kartenspiele  es  dem  nichttanzenden 
Theil  der  Gäste  unmögüch  ist,  eine  vergnügte  Stunde  hinzubrin- 
gen». 

Wie  anderwärts  so  macht  Hr.  Schuyler  auch  hier  in  Wernoje  eine 
Menge  Bekanntschaften,  an  deren  Spitze  der  General  Rossitzkij 
steht,  der  in  Abwesenheit  des  General  Kolpakowskij  Gouverneur 
der  Provinz  war.  So  lernt  er  unter  Anderen  Hrn.  Kusnezow,  den 
Typus  eines  sibirischen  Kaufmanns  kennen,  dessen  Unternehmun- 
gen nicht  nur  für  Wernoje,  sondern  auch  für  Taschkend  sehr  nütz- 
lich waren';  ferner  einen  Hrn.  ßerinzew,  ebenfalls  ein  russischer 
Kaufmann,  obwohl  von  einer  weit  höheren  Bildung,  als  man  ge- 
wöhnlich bei  Leuten  dieser  Klasse  findet.  Hr.  Schuyler  erhielt  von 
ihm  viele  Aufklärung  über  den  Handel  des  Orts   und   über  dessen 

•  Ilr.  Kusnezow,   dem  auch   ich   während   meiner  Anwesenheit  in  Wernoje   manche 
Freundlichkeit  und  Gefälligkeit  verdanke,  ist  jetzt  gestorben. 

RUIS.  KEVUE.BP.Xm.  1? 


258      * 

Beziehungen  zu  Kaschgar  und  der  Steppe«  Er  war  es  auch,  der  Hrn. 
Schuyier  bei  den  chinesischen  Kaufleuten  einführte,  die  viele 
Freunde  zu  haben  schienen,  da  während  seines  Besuches  verschie- 
dene Russen  und  Sarten  vorsprachen,  um  eine  Pfeife  Opium  zu  rau- 
chen. Hr.  Schuyier  fand  den  Vorgang  des  Opiumrauchens  so  inter- 
essant, dass  er  sich  zuletzt  entschloss,  selbst  einen  Versuch  zu  ma- 
chen; da  er  jedoch  nur  wenige  Züge  that,  so  kam  er  mit  einem 
leichten  Kopfweh  davon.  Ausführlich  wird  der  Prozess  des  Opium- 
rauchens auf  S.  147  u.  ff.  beschrieben. 

Hr.  Schuyier,  nachdem  er  von  den  mancherlei  Persönlichkeiten, 
mit  denen  er  in  Wernoje  bekannt  geworden  i.st,  gesprochen  hat,  er- 
greift die  Gelegenheit,  um  sein  Urtheil  über  den,  die  Provinz  kom- 
mandirenden  und  verwaltenden  General  Kolpakowskij,  den  er  je- 
doch nicht  hier  sondern  in  Taschkend  kennen  gelernt  hatte,  abzuge- 
ben, ein  Urtheil,  welches  an  Wärme  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt. 
Nach  vorausgeschicktem  kurzen  curriculum  vitae  des  Generals, 
heisst  es  (auf  S.  ^149  u.  ff.):  cKein  anderer  Mensch  ist  mit  dem 
Lande,  welches  er  verwaltet,  so  durch  und  durch  bekannt,  wie  der 
General  Kolpakowskij.  Mit  einer  ausgezeichneten  Konstitution  be- 
gabt und  von  nicht  zu  erschütternder  Energie,  hat  er  jeden  Theil 
des  Landes  besucht,  ganze  Tage  im  Sattel  zubringend,  wobei  er  so 
unermüdlich  ist,  dass  er  von  den  Kirgisen  den  Spitznamen :  «cDer 
eiserne  Sitz»»  erhalten  hat.  Dabei  versteht  er  das  Volk,  und  ob- 
schon  er  selten  seine  Fertigkeit  zeigt,  so  kennt  er  doch  die  kirgisi- 
sche Sprache  gut  und  kann  daher  schwer  getäuscht  werden.  Einmal 
schon  rettete  er  bei  Usun-Agatsch  die  ganze  Provinz  für  Russland, 
und  wenn  irgendjemand  im  Stande  ist,  die  Bestechlichkeit  («corrup- 
tion»)  in  Turkestan  zu  unterdrücken,  das  Vertrauen  der  Eingebore- 
nen zu  den  Russen  wiederherzustellen  und  die  grossen,  schon  so 
lange  gebrachten  und  anscheinend  im  Wachsen  begriffenen  Op- 
fer an  Menschen  und  Geld  zu  veringern,  so  ist  er  der  Mann  dazu. 
Schon  ein  kurzer  Aufenthalt  in  Ssemiretschensk  reicht  hin,  einen  Je- 
den zu  überzeugen,  welch^  ungeheurer  Unterschied  zwischen  der 
Verwaltung  dieser  Provinz  und  der  Beamtenwirthschaft  in  Tasch- 
kend besteht*. 

Hr.  Schuyier  vetlässt  Wernoje  und  hat  bei  dem  weiteren  Fort- 
gange  der  Reise,  wie  es  auch  schon  vor  Wernoje  der  Fall  war,  viel- 
fache Gelegenheit,  russische  Kolonien  zu  sehen.  Der  grösste  Theil 
dieser  Kolonien  liegt  am  Nordfusse  der  Alexander-Kette,  in  der 
Nähe  von  Tokmak,  an  der  Nord-  und  Ostküste  des  Issyk-Köl,   an 


259 

der  grossen,  von  Wernoje   nach  Ssergiopol  führenden  Strasse.     Sie 
sind  überhaupt  auf  die  Provinz  Ssemiretschensk  beschränkt,   wäh- 
rend die,  westlicher  gelegenen  Theile  des  russischen  Turkestan  der 
russischen  Kolonisation  bis  jetzt  verschlossen   blieben,  was   zum 
Theil  mit  dem  Umstände  zusammenhängt,  dass  hier  die  Frage  nach 
dem  Besitzrechte  von  Grund  und  Boden  noch  der  Lösung  harrt.  Hr. 
Schuyler,  der  auf  seinem  Wege  viele  solche  Kolonien  passirte,  hielt 
bei  einigen  an  und  liess  sich  mit  den  Bauern,  die  grösstentheils  aus 
den  Gouvernements  Woronesh,  Tambow  und  Ssaratow  hierher  über- 
siedelten, in  Unterhaltung  ein.     «Sie  schienen  mit  ihrem  Geschicke 
durchaus  zufrieden,  und  es  ist  gewiss,  dass  sie  es,  was<]as  rein  phy- 
sische Wohlbefinden   und  die  Befreiung  von  Abgaben  betrifft,   hier 
viel  besser  haben,  als  es  im  europäischen  Russland  der  Fall  war.  Sie 
erhielten  ihre  Ländereien  entweder  umsonst,  oder  zu  einem  niedri- 
gen Preise,  der  erst  innerhalb  längerer  Zeitperioden  zurückgezahlt 
zu  werden  brauchte,   und  waren  auf  Jahre  hinaus  von  Abgaben  und 
Leistungen  befreit.     Die  Reise  hierher  machten  sie  auf  ihr  eigenes 
Risiko,   gewöhnlich  mit  ihren   eigenen  Pferden  und  Ochsen.     Die 
Fruchtbarkeit  des  Landes  und  die  an  so  weit  abgelegener  Landes- 
grenze mögliche  persönliche  Unabhängigkeit  hat  nicht  verfehlt,   die 
Einwanderung  mehr  und  mehr  hierher  zu  lenken,   so  dass  sich  wäh- 
rend der   zwei   oder  drei   letzten  Jahre  die  Zahl  der  Kolonisten  be- 
trächtlich vermehrte.   Wenn  in  russischen  Zeitungen  von  einer  Aus- 
wanderung nach  Central-Asien  die  Rede  ist,  so  bezieht  sich  das  im- 
mer nur  auf  die  hiesige  Gegend  und  keineswegs  auf  die  westlichen 
Theile  Turkestans».  —  Uebrigens  unterscheidet  Hr.  Schuyler  mit 
Recht  zwischen  diesen  Kolonien  russischer  Bauern  und  den  Nieder, 
lassungen  der  Kosaken:    cDie  ersten  waren  freiwillig,  die  letzten  er- 
zwungen.    Sobald  nämlich  diese  Gegenden  von  Russland  annektirt 
worden  waren,  fand   man  es  für  nöthig,  Kosakenstationen  einzurich- 
ten, damit  doch   eine  Bevölkerung  da  sei,  welche  den  Boden  bear- 
beitete und  gleichzeitig  im  Stande  war,  kirgisische  und  chokandische 
Angriffe  abzuweisen;   um   aber  diese  rein  kosakische  Bevölkerung 
noch  mehr  zu  verstärken,  so  nahm  man  von  verschiedenen  Gegen- 
den Russlands  Bauern  und  schickte  sie  hierher,   gab  ihnen  die  zum 
Bau  der  Häuser  und  zum  Betriebe  der  Landwirthschaft  nöthigen 
Mittel,  verborgte  sie  mit  Waffen,  sagte  ihnen,  dass  sie  von  jetzt  ab 
im  Dienste  der  Krone  ständen  und  betrachtete  sie  geradezu   als  Ko- 
saken». In  Betreff  dieser,  in  eben  beschriebener  Weise  angesiedelten 
Kosaken  und  zu  Kosaken  gemachten  Bauern  war,  wie  Hr.  Schuyler 

17* 


26o 

auf  S.  1 5 1  sagt,  bemerkenswerth,  dass  ihm  ihre  Stellung  weit  weni- 
ger unabhängig  geschienen  habe,  als  die  der  gewöhnlichen  russi- 
schen Bauern,  und  dass  sie  ein  fauleres  und  weit  nichtsnutzigeres 
Leben  führten,  indem  sie  der  Jagd  oder  ihren  Vergnügungen  im 
Schnapsladen  nachgingen,  während  die  Sorge  um  alles  Uebrige  den 
Weibern  überlassen  bleibt. 

Die,  70  Werst  nördlich  von  Wernoje  stattfindende  Ueberfahrt  über 
den  Ili  gibt  Hrn.  Schuyler  Veranlassung,  sich  über  diesen  Fluss  und 
über  dessen  Schifibarkeit  zu  äussern  (S.  152  u.  ff.),  wobei  er  darauf 
hinweist,  wie  vortheilhaft  es  sein  müsse,  wenn  man  diese  Wasser- 
strasse namentlich  zum  Transport  von  Steinkohlen  von  Kuldscha 
nach  Wernoje  benutzen  wollte,  i  Pud  ausgezeichnete  Kohle  kostet 
jetzt  in  Kuldscha  5  oder  6  Kopeken,  während  i  Faden  (Saslun) 
Holz,  dessen  Brennwerth  60  Pud  Kohle  gleich  ist,  in  Wernoje  auf 
15  Rub.  zu  stehen  kommt;  es  würden  daher  die  Wohnungen  und 
Fabriken  in  Wernoje  so  wie  viele  andere  Ortschaften  mit  weit  billi- 
gerem Brennmaterial  versorgt  werden  können,  und  man  hätte  nicht 
nöthig,  die  Wälder  des  Landes  zu  devastiren. 

Auf  guter  Poststrasse*  gelangt  Hr.  Schuyler  nach  der,  1 10  Werst 
vom  Ili-Uebergange  entfernten  Poststation  Altyn-Imel,  von  wo  aus 
er  seine  Bereisung  des  Kuldscha-Distrikts  antritt  und  wohin  er  wie- 
der zurückkehrt^  um  seine  Reise  über  Kopal  und  Ssergiopol  fortzu- 
setzen. 

Das  Städtchen  Kopal  mit  seinen  5000  Einwohnern  erscheint  ihm 
wohlgebaut,  mit  geräumigen  hölzernen  Häusern.  Früher  fand  hier 
ein  lebhafter  Verkehr  mit  der  Steppe  statt,  seit  sich  jedoch  derselbe, 
der  Hauptsache  nach,  nach  Wernoje  gezogen  hat,  hat  Kopal  an  Be- 
deutung verloren;  bei  der  Station  Arganaty  besteigt  er  eine  Anhöhe 
und  hatte  von  derselben  aus  am  frühen  Morgen  einen  guten  Blick 
(•agood  glimpse»)  auf  den  Balchasch-See,  vteicher  ghmpse  den  An- 

'  Sonderbar!  Von  einer  der  Stationen  dieser,  von  Wernoje  nach  Kopal  u.  s.  w.  füh- 
renden Poststrasse  sagt  Hr.  Schuyler,  ohne  jedoch  dieselbe  namhaft  zu  machen  (S.  152): 
■  Vor  einer  derselben  befanden  sich  zwei,  aus  Stein  ausgehauene,  menschliche  Figuren 
darstellende  Denkmale  C«m^;f»w/;//j»^,  wie  dergleichen  in  der  Steppe  des  südlichen 
Russlands  oft  gefunden  werden  und  in  Betreff  welcher  man  vermuthet,  dass  sie  von 
den  alten  Skythen  herstammen*.  Ich  sah  aber  meinerseits  zwei  solche,  von  mir  in  mei- 
ner «Umschau  u.  s.  w.»  S.  34  u.  ff.  beschriebene  und  abgebildete  SteinfTguren  vor  der 
Poststation  Targap  stehen.  Diese  Poststation  liegt  aber  westlich  von  Wernoje  auf  der 
nach  Taschkend  führenden  Poststrasse,  also  auf  ganz  entgegengesetzter  Seite. 

'  Der  Bereisung  des  Kuldscha-Distriktes  ist  ein  besonderes  Kapitel  (das  zwölfte  des 
Schuyler*schen  Buches,  S.  156 — 201)  gewidmet. 


26l 

lass  gibt,.dass  sich  Hr.  Schuyler,  obschon  in  äusserster  Kürze,  über 
diesen  See  ausspricht;  Ssergiopol  endlich,  das  von  über  looo  Rus- 
sen bewohnte  Grenzstädtchen  Turkestans,  wird  von  Hrn.  Schuyler, 
ohne  dass  er  dafür  einen  bestimmten  Grund  anführt,  ein  elender 
Weiler  (•awretcJud luzfnleU)  genannt;  und  damit  liat  Hrn.  Schuyler's 
Reise  in  Turkestan  ihr  Ende  erreicht. 

Von  Ssergiopol  geht  Hr.  Schuyler,  wie  schon  weiter  oben  ange- 
merkt worden  ist,  nach  Ssemipalatiosk  und  Omsk*,  und  von  da,  durch 
das  westliche  Sibirien,  über  Petropawlowsk  und  Troizk  u.  s^  w., 
nach  St.  Petersburg  zurück. 

# 

Reise  nach  Kuldscha. 

Altyn-Imel  (=  goldener  Sattel)  ist  der  Name  der  Einsattelung 
oder  des  Gebirgspasses,  über  welchen  der,  von  der  gleichnamigen 
Poststation  östlich  abbiegende  Weg  nach  Kuldscha  iührt.  Dieser 
Weg,  der  früher  nur  Reitweg  war  und  von  mir  1871  noch  als  sol- 
cher benutzt  werden  musste,  ist  seit  der  Okkupation  Kuldscha*s 
von  Seiten  der  Russen  ein  mit  Stationen  besetzter  Fahrweg  gewor- 
den und  kam  als  solcher  Hrn.  Schuyler,  welcher  unter  solchen  Um- 
ständen die  Strecke  Altyn-Imel  nach  Kuldscha  fahrends  zurücklegen 
konnte,  zu  Gute.  Freilich  scheint  man  bei  der  Einrichtung  derStations- 


'  In  Betreff  der  Reise  von  Ssemipalatiosk  nach  Omsk  heisst  es  (S.  155):  «Zuletzt 
kam  ich  nach  Ssemipalatinsk,  der  ansehnlichen  Stadt  eines  Distriktes,  die  jedoch  mehr 
das  Gepräge  einer  tatarischen,  wie  russischen  Stadt  besitzt  und  in  welcher  mich  der 
Regen  einige  Tage  zurückhielt;  hierauf  setzte  ich,  nach  abermaliger,  mit  vieler  Schwie- 
rigkeit verbundenen  Ueberfahrt  über  den  Irtysch  meine  Reise  längs  des  linken  Ufers 
dieses  Flusses  langsam  fort,  da  ich  fortwährenden  Aufenthalt  hatte,  weil  die  Postpferde 
von  einer  Kaschgar*schen  Gesandtschaft  in  Anspruch  genommen  wurden,  bis  ich  end- 
lich Omsk  erreichte».  Hierbei  ist  mir  der  Umstand,  dass  Hr.  Schuyler  den  circa  100 
Meilen  langen  Weg  von  Ssemipalatinsk  nach  Omsk  auf  einer  linksseitig,  vom  Irtysch 
befindlichen  Poststrasse  zurücklegt,  ausserordentlich  auffallig  gewesen.  Als  ich  zwei 
Jahre  früher  von  Ssemipalatinsk  nach  Omsk  ging,  da  lief  die  Poststrasse  dem  rechten 
Ufer  des  Flusses  entlang;  und  wenn  ich  auch  sehr  wohl  ^eiss,  dass  die  Verlegung  einer 
Poststrasse  in  Russland,  und  vollends  in  Sibirien,  keine  grosse  Sache  ist,  so  bleibt  es 
immerhin  befremdlich,  dass  eine  so  lange  Strasse  mit  über  30  Stationen  verlegt  wurde. 
Da  müssen  doch  äusserst  zwingende,  mir  jedoch  durchaus  unbekannte  Gründe,  obge- 
waltet haben.  Wahrscheinlich  ist  es,  dass  sich  Hr.  Schuyler  irrt,  da  die  neueste,  amt- 
lich herausgegebene  Postkarte  den,  zwischen  Ssemipalatinsk  und  Omsk  laufenden 
Posttrakt  genau  so  verzeichnet,  wie  ich  im  Jahre  1871  auf  demselben  gefahren  bin,  also 
auf  dem  rechten  Ufer  des  Irtysch  hinlaufend ;  linksseitig  dieses  Flusses  gibt  es  gar 
keinen  Postweg. 


262 

gebäude  vorläufig  noch  sich  mit  dem  Einfachsten  begnügt  zu  haben^ 
denn  es  heisst  bei  Hrn.  Schuyler  in  Betreff  der  Station  Koibyn  (der 
vierten  nach  Altyn-Imel),  dass  dieselbe  aus  einer  rohen  Hütte  be- 
standen habe  (S.  157),  «aus  welcher  wir  schliesslich  einen  Russen 
und  einige  Kalmücken  herausholten  \  welche  uns  nach  vielem  Trö- 
deln mit  frischen  Pferden  versorgten». 

Der  Aufstieg  zur  Passhöhe  ist  ein  äusserst  bequemer,  da  sich  der 
noch  obendrein  ganz  ebene  Weg  nur  nach  und  nach  hebt ;  dafür  ist 
aber  der  jenseitige  Abstieg  steil  und  verläuft  zwischen  Felsen- 
schluchten, in  denen  ein  kleines  Gewässer  hinabrieselt.  Alsdann 
kommt  man  auf  eine  grosse,  zu  beiden  Seiten  von  Gebirgen  einge- 
fasste  wasserlose,  nur  im  Frühjahr  grüne  Steppe,  wo  Hr.  Schuyler, 
ausser  kleinen  Rudeln  von  Antilopen  (Antilope  Saigä)  und  einem 
alten  grauen  Wolf,  nichts  Lebendiges  erblickte;  dann  abermals  durch, 
zwischen  niedrigen  Bergen  liegende  Schluchten,  und  abermals  auf 
eine  Ebene,  auf  welcher  man  sehr  bald  das,  in  reichbewässerter  Ge- 
gend liegende  Borochudsir  erreicht,  hinter  welcher  Ortschaft  die, 
ehemals  Russland  von  China  scheidende  Grenze  verläuft. 

Hr.  Schuyler  war,  nachdem  er  Borochudsir  verlassen,  auf  dem 
Territorium  der  früher  zu  China  gehörigen,  später  eine  kurze  Reihe 
von  Jahren  ein  unabhängiges  Chanat  bildenden,  jetzt  von  den  Rus- 
sen okkupirten  Ili-Provinz  angelangt,  deren  Hauptstadt  Kuldscha 
das  Ziel  seiner  Reise  bildete,  und  hatte  sofort  Gelegenheit,  einen 
Einblick  in  die  entsetzliche  Verwüstung  des  Landes,  die  Folge  der, 
von  Seiten  der  Landesbewohner  gegen  China  ausgeübten  Revolten, 
sowie  der  daraus  sich  entwickelnden  gegenseitigen  Bekriegung  der 
veschiedenen,  das  Land  bewohnenden  Völkerstämme,  zu  gewinnen. 
*Die  nächste  Tagesreise  (so  heisst  es  bei  Hrn.  Schuyler  (S.  157)  war 
eine  schmerzlich  interessante  (*of  painfulinterest*)^  weil  man  aller- 

*•  Hr.  Schuyler  sagt:  •/rom  which  %ue  at  last  uncarthed  a  Kussian  eU,*^  und  ich  muss 
anerkennen,  dass  der  Ausdruck  *at  last  uncarthed*  ein  überraschend  wohlgewählter 
ist,  weil  damit  angedeutet  wird,  dass  die  Hütte  eine  halbunterirdische  war,  in  deren 
Raum  sich  die  Leute,  gegen«die  Hitze  Schutz  suchend,  verkrochen  hatten,  und  woraus 
sie,  weil  ohne  Zweifel  eingeschlossen,  erst  nach  längerem  Rufen  und  Schreien  an*s 
Tageslicht  gebracht  werden  konnten.  Mir  steht  bei  dem  Ausdrucke  •at  last  uncarthed • 
das  Bild  lebhaft  vor  Augen,  wie  der  alte  Kosak  mit  seinem  bezopften  Untergebenen  der 
Höhle  entsteigt  und  langsam,  weil  über  die  Störung  verdri esslich,  an  das  Besorgen 
frischer  Pferde  geht.  Ueberhaupt  ist  das  Schuyler'sche  Buch  reich  an  ungewöhnlichen, 
die  betrefiende  Sache  oder  Situation  aber  stets  in  schlagendster  Weise  bezeichnenden 
Ausdrücken,  was  den  Reiz  der  Lektüre  des  vortreftlich  geschriebenen  Buches  ansehn- 
lieh  vermehrt. 


26y 

wärts  auf  Ruinen  und  Verfall,  die  Merkmale  des  letzten  Aufstandes; 
stiess,  wie  auf  vertrocknete  Kanäle,  auf  verlassene  Felder,  auf  ein- 
gegangene Wälder,  auf  niedergerissene  und  zerstörte  Städte,  in 
denen  noch  vor  lO  Jahren  eine  gesittete  und  äusserst  arbeitsame 
Bevölkerung  ihr  Obdach  hatte.  Hr.  Schuyler  passirt  eine  Anzahl 
solcher,  in  Ruinen  liegender  Städte,  welche  er  kurz  beschreibt*, 
kommt  nach  Tschin-tscha-cho-si,  einer  Stadt,  welcher,  weil  sie 
hauptsächlich  von  Muhammedanern  bewohnt  war,  nichts  weiter  ge- 
schehen war,  und  gelangt  von  da  ohne  Aufenthalt  nach  dem  nur 
i8  Werst  entfernten  Suidun^  wo  er  bei  dem  Kapitän  Boschowitsch, 
einem  in  russischen  Diensten  stehenden  Montenegriner,  gastfreund- 
liche Aufnahme  findet. 

Am  nächsten  Morgen  war  Hrn.  Schuyler's  erste  Beschäftigung, 
sich  die  Stadt  zu  besehen,  die  ihm  sehr  wohl  gefällt.  In  Betreß  der 
Gebäude  und  Einwohner  stellt  er  zunächst  eine  Vergleichung  mit 
Taschkend  an,  die  keineswegs  zum  Vortheil  Taschkends  ausfällt. 
«Statt  enger^  krummer  Gassen  gibt  es  hier  breite,  gerade,  von  Bäu- 
men beschattete  Strassen;  statt  der  fensterlosen,  aus  Lehm  aufge- 
führten Häuser,  deren  nackte  Wände  uns  in^s  Gesicht  starren^  wir 
mögen  uns  wenden  und  drehen,  wie  wir  wollen,  gibt  es  hier  nette 
Gebäude,  aus  hübsch  verzierten  und  gut  geformten  Ziegeln  aufge* 
baut,  mit  Dachpfannen  gedeckt,  und  mit  vergitterten  Fenstern  und 
Hallen  versehen;  anstatt  der,  in  lange  unförmliche  Ueberwürfe  ein- 
gewickelten, das  Gesicht  hinter  einem  schwarzen  Rosshaarschleier 
verbergenden  weiblichen  Gestalten  sieht  man  hier  kräftige,  gesunde» 
lachende,  über  ihre  Marktangelegenheiten  plaudernde  Fraut^n,  mit 
glänzend  orangefarbigen  Ringelblumen  im  wunderbaren  Haarputz 
oder  auch  der  kokett  kleinen  Mütze,  was  gegen  das  Indigoblau  des 
Kleides  gut  absticht.     Statt  der  Sarten  und  Usbekea  im  Schlafrock 


*  Kurz  hinter  Akkend  (ebenfalls  eine,  in  Rainen  liegende  Stadt)  führt  die  Strasse 
hart  unter  den  Mauern  von  Tshin-pan-dsi  vorüber.  Die  Stadtmauern  standen  zwar 
noch,  allein  im  Innern  der  Stadt  war  .kein  einziges  Haus  stehen  geblieben.  Hart  am 
Thor  bemerkte  Hr.  Schuyler  einen  breiten  Stein  mit  chinesischer  «Mandschu«  und 
arabischer  Inschrift,  welche  er  sorgfölig  kopirte,  in  der  Meinung,  dass  sie  vielleicht 
interessant  sein  möchte.  Als  er  sich  aber  diese  Kopie  später  übersetzen  Hess,  da  ergab 
es  sich  zu  seinem  grossen  Amüsement,  dass  er  sich  die  Mühe  gegeben  halte,  das  Aus- 
hängeschild eines  früheren  Beamten  zu  kopiren,  wobei  er  gleichzeitig  erfuhr,  dass  wäh- 
rend der  chinesischen  Herrschaft  ein  jeder  Beamte  verpflichtet  war,  seinen  Namen  und 
Titel  in  grossen  Buchstaben  über  der  Thür  seines  Hauses  angeschrieben  zu  haben. 
In  vielen  Fällen  waren  diese  Aushängeschilder  nur  gemalt,  beim  reichen  Manne  aber 
waren  sie  in  Stein  gehauen. 


264 

(Chalat)  und  Turban,  begegnet  man  hier  Chinesen  und  Dunganen 
im  wattirten  Unterrocke,  kurzer  Jacke,  mit  langem  Schnurrbart  und 
Zopf».     Ein  Spaziergang  auf  dem  obern  Rande  der  Stadtmauer,  der 
die  Breite  eines  Fahrweges  besass,  verschaffte  Hrn.  Schuyler  sehr 
rasch  einen  UeberWick  über  die   Stadt,  welche  nach  demselben 
Plane,  wie  die  übrigen  befestigten  Städte  des  Landes  aufgebaut  ist. 
Die  Stadt,  nahezu  ein  Quadrat  bildend,  wird  von  einer  hohen,  dicken 
Mauer  umgeben,  deren  Seitemvände  aus  Ziegeln  solid  aufgemauert 
sind.     Eine  Brustwehr  läuft  rings  um   den  oberen  Mauerrand,  und 
in  der  Mitte  einer  jeden  Seite  befindet  sich  ein  Thor,  von  einer  halb- 
kreisförmigen Bastion  beschützt'.     Ausserhalb  der  Stadtmauer  be- 
findet sich  kein  Graben,  sondern  es  nehmen  Gärten  und  Ortschaften 
sogleich  ihren  Anfang.     Von  den  4  Thoren  aus  durchziehen  zwei 
breite,  einander  rechtwinkelig  sich  kreuzende  Strassen  die  Stadt, 
und  jedes  der  so  gebildeten  Stadtviertel  hat  dann  seine  besonderen 
engeren  Strassen  und  Gässchen.     Alle  Gebäude  sind  aus  Ziegeln 
erbaut,  und  ihre  äussere  Seite  ist  oftmals  mit  breiten,  hübsch  ver- 
zierten Ziegelplatten  belegt.     Die  Ecken  der  mit  Ziegeln  gedeckten 
Dächer^  sind  gewöhnlich  nach  Art  einer  Hutkrämpe  aufwärts  gebo- 
gen und  mit  Drachen  oder  anderen  Thieren  verziert.     Die  Fenster- 
öffnungen sind  stets  durch  ein  hübsches  Gitterwerk  verschlossen, 
dessen  innere  Seite,  statt  des  Glases,   mit  dünnem  Oelpapier  über- 
zogen ist.     So  ungefähr  beschreibt  Hr.  Schuyler  die  Baulichkeiten 
der  Stadt.    Besonderes  Interesse  erregte  bei  ihm  der  Bazar,  welcher 
den  grössten  Theil  einer  der  grossen,  die  Stadt  durchkreuzenden 
Strassen  oder  besser  Baumalleen,  einnimmt.     «Ausser  kleinen,  zu 
beiden  Seiten  befindlichen  Läden  gab  es  da  noch  eine  Menge  Bu- 
den, welche  entweder  mit  viereckigen,  aus  Strohmatten  gefertigten 
Sonnenschirmen  bedeckt,  oder  ganz  offen  waren,  so  dass  der  Handel 
hier  unter  freiem  Himmel  vor  sich  ging.     Hier  war  alles  anders,  als 
im  übrigen  Central- Asien,  nicht  nur  die  zum  täglichen  Gebrauche 
bestimmten  Gegenstände,  sondern  selbst  die  zum  Verkauf  ausgelegten 
Vcgctabilien.  Hier  gab  es  Beeten,  grosse  Eierpflanzen,  Zwiebeln  und 
andere,  in  Tasclikend  unbekannte  Vegetabilienj   grosse  Laibe  eines 
leichten,  sehr  weissen  und  also  sehr  unschmackhaften  Brodes;  aber 
immerhin  doch  wirkliches  Brod  und  nicht  Kuchen,  u.  s.  w.» 

Von  Suidun   aus  unternahm  Hr.  Schuyler  zwei  Exkursionen,  und 
zwar  die   eine  nach  den   nur  1 5  Werst  südlich  von  Suidun  entfern- 

*  Der  Leser  findet   in   meiner  «Umschau  u.  s.  w.»  S.  130  u    ff.   den   Grundriss   und 
die  äussere  Ansicht  einer  solchen  .befestigten  Stadt  abgebildet  und  beschrieben. 


Jl 


265 

ten  Ruinen  von  Neu-Kuldscha  (auch  Chinesisch-Kuldscha  genannt), 
der  ehemaligen  Hauptstadt  der  Provinz,  die  andere  dagegen  nach 
dem,  in  viel  grösserer  Entfernung  von  Suidun,  in  einer  Meereshöhe 
von  über  7000  Fuss  liegenden  Gebirgssee  Sairam  Noor. 

Auf  S.  162  u.  ff.  wird  die  erste  dieser  Exkursionen,  welche  Hr. 
Schuyler  in  Begleitung  des  Kapitäns  Boschowitsch  sowie  des  Orts- 
vorstehers (Aksakal)  von  Suidun  und  einiger  Diener  machte,  be- 
schrieben. Diese,  ehemals  von  75,000  Menschen  bewohnte,  jetzt  in 
einen  Schutthaufen  verwandelte  Stadt  bietet  einen  grauenvollen 
Anblick  dar,  und  als  Hr.  Schuyler  dem  Aksakal  gegenüber  sich  über 
die  Verödung  der  Platzes  aussprach,  da  gab  derselbe  zur  Antwort: 
cDieser  Platz  ist  verflucht,  hier  wird  niemals  Jemand  wieder  wohnen», 
und  fügte  kichernd  hinzu,  er  selbst  sei  der  Anführer  der  Dunganen 
gewesen,  welche  die  Stadt  einnahmen.  Das,  was  er  in  dieser  Be- 
ziehung auf  Befragen  sonst  noch  mittheilte,  lautete  kurz  und  bündig: 
«Wir  belagerten  die  Stadt  zwei  Jahre  lang,  und  nahmen  sie  endlich. 
Früh  befanden  sich  in  derselben  75,000  Menschen  mit  der  Armee j 
am  Abende  war  nicht  eine  Seele  am  Leben  geblieben».  Viele 
wurden  ohne  Weiteres  massakrirt;  viele  todteten  erst  ihre  Familien 
und  dann  sich  selbst,  und  viele  liefen  in  die  Steppe,  aber  nur  um 
dort  niedergehauen  zu  werden,  oder  in  wenigen  Tagen  des  Hunger- 
todes zu  sterben. 

Hr.  Schuyler  schaltet  hier,  ehe  er  weiter  geht,  eine  ziemlich  lange 
(S.  164 — 188)  Episode  ein,  in  welcher  er  eine,  wenn  auch  nicht  mit 
Erschaffung  der  Welt,  so  doch  mit  dem  zweiten  Jahrhundert  vor 
Christi  Geburt  beginnende  und  bis  zur  Eroberung  desLandes  durch  die 
Küssen  im  Jahre  1 871  fortlaufende  kurze  Geschichte  des  Hi-Thales 
bringt,  in  welche  Geschichte  zugleich  alles  das  mit  eingeflochten 
wird,  was  er  über  die  verschiedenen,  das  Land  bewohnenden  Volks- 
stämme zu  sagen  für  angemessen  flndet.  Eine  Folge  solchen  Ver- 
fahrens ist  die  ziemlich  stiefmütterliche  Behandlung,  welche  dem 
ethnologischen  Theil  dieser  Episode  zu  Theil  geworden  ist  und  es 
äusserst  schwierig  macht,  darauf  Bezügliches  im  Auszuge  hier  wie- 
derzugeben. Ich  verweise  daher  in  diesem  F'alle  den  Leser  auf  Hrn. 
Schuyler's  Buch  (S.  169  —  174)  oder  auf  meine  «Umschau  u.  s.  w.», 
wo  auf  S.  347 — 354  von  der  sesshaften  Bevölkerung  des  Ili-Thales, 
und  auf  S.  31 1  u.  ff.  von  den  Kalmücken  die  Rede  ist. 

Ebenso  übergehe  ich  die  von  Hrn.  Schuyler  auf  S.  188  -  192  ge- 
schilderte zweite  Exkursion,  welche  er,  wie  bereits  bemerkt  worden 
ist,  von  Suidun  nach  dem  Sairam-Noor  unternahm,   mit  Stillschwei- 


266 

gen,  weil  sie,  ganz  abgesehen  davon,  dass  man  über  das  Motiv,  wel- 
ches Hrn.  Schuyler  zu  diesem  Ausfluge  beweg,  nicht  das  Geringste 
erfährt,  auch  im  Uebrigen  ohne  irgend  ein  besonders  bemerkens- 
werthes  Resultat  bleibt. 

Hr.  Schuyler  verlässt  endlich  Suidun  und  kommt  nach  dem,  öst- 
lich von  Suidun  in  einer  Entfernung  von  30  Werst  gelegenen  Alt- 
Kuldscha  (auch  Tatarisch  -Kuldscha  genannt).  Dieses  Kuldscha  war 
zur  Zeit  der  chinesischen  Herrschaft  der  Sitz  der  Verwaltung  der 
muhammedanischen  Bevölkerung  des  Landes,  wurde  nach  dem  Um- 
stürze der  chinesischen  Macht  von  den  Rebellen  zu  ihrer  Haupt- 
stadt gemacht  und  ist  jetzt  der  Centralort  der  russischen  Verwal- 
tung der  Ili-Provinz*. 

Dem  äusseren  Aussehen  nach  hat  die  Stadt  Kuldscha,  obschon 
sie  in  einem  grösseren  Maassstabe  aufgebaut  ist,  sehr  viel  Aehnlich- 
keit  mit  Suidun.  Sie  bildet  nahezu  ein  Quadrat  von  ca.  1  Vs  Werst 
Seitenlänge,  und  wird  von  einer  hohen  Mauer  umgeben,  die  oben  so 
breit  ist,  dass  man  darauf  fahren  kann.  Zwei  breite,  in  der  Mitte  der 
Stadt  sich  kreuzende  Strassen  theilen  auch  hier  wie  in  Suidun  die 
Stadt  in  4  Theile,  von  denen  ein  jeder  durch  zahlreiche  kleine 
Strassen  und  Gässchen  durchzogen  wird.  Bei  näherer  Betrachtung 
erkennt  man  jedoch,  dass  dieses  Kuldscha  sich  den  ursprünglichen 
Charakter  einer  tatarischen  Stadt  erhalten  hat  und  dass,  wenn  man 
zwei  Moscheen  und  einige  grosse  Regierungsgebäude  ausnimmt,  im 
Uebrigen  nur  leichte  Spuren  einer  chinesischen  Architektur  zu  be- 
merken sind.  Die  Häuser  sind  sämmtlich  aus  Lehm  aufgebaut  und 
haben  platte  Dächer,  gerade  so  wie  in  den  usbekischen  Ländern 
Central-Asiens.  Selbst  der,  in  der  Citadelle  liegende  Palast  zeigt,  mit 
Ausnahme  der  Fenstervergitterungen  und  der  Wandmalereien  we- 
nig, was  auf  einen  chinesischen  Geschmack  zurückgeführt  werden 
kann.  Der  grösste  Theil  der  langen,  unmittelbar  an  der  Seite  der 
Citadelle   liegenden  Strassen  des  Bazar-Kutsche  wird  von  grössten- 

*  Es  muss  der  Leser  daran  erinnert  werden,  dass  nach  der  Einnahme  des  Landes  von 
Seiten  der  Rassen  (im  Jahre  1871)  der  chinesischen  Regierung  durch  das  russische  Mi. 
nisterium  des  Auswärtigen  von  der  Okkupation  dieser  Provinz  Mittheilung  gemacht 
ward,  bei  der  Erklärung,  dass  man  diese  Provinz  an  China  zurückzugeben  bereit  sei, 
sobald  China  durch  Hersendung  einer  hinreichenden  Macht  im  Stande  sein  würde,  sich 
gegen  erneute  Ausbrüche  von  Rebellion  zu  schützen  und  überhaupt  Ruhe  und  Ordnung 
im  Lande  zu  erhalten.  Da  das  aber  bis  jetzt  noch  nicht  der  Fall  war,  so  ist  die  Frage, 
ob  diese  Provinz  für  immer  bei  Russland  verbleiben  und  also  anektirt  werden  soll  oder 
nicht,  eine  noch  offene ;  es  kann  daher,  genau  genommen,  vorläufig  nur  von  einer  rassi- 
schen «Administration»  des  Landes  die  Rede  sein. 


:jä 


26; 

theils  kleinen  und  unbedeutenden  Buden  der  Tarantschi  eingenom- 
men, während  ein   anderer,   ausserhalb  der  Stadtmauer  liegender 
Bazar  den  Dunganen  und  Chinesen  eingeräumt  ist.  Hier,  auf  diesem 
Bazare  sind  die  Mehrzahl  der  Buden  geräumiger  und  viel  bequemer, 
als  in  Taschkend,   und   der  Kaufmann   wird  von  seinen  Kunden 
durch  einen  Ladentisch  oder  doch  wenigstens  durch  ein  Geländer 
getrennt.     Ausser  diesen  Buden  oder  Läden  gibt  es  hier  noch  eine 
Menge  Krämer,  welche  ihre  Waaren  auf  einem,  von  einem  Gestell 
unterstützten  Brett  ausgelegt  haben,  während  wieder  Andere  ambu- 
lante Händler  sind,   welche  ihren  Kram  in  einer  um  ihren  Nacken 
geschlungenen  Trage  mit  sich  herumführen.     Von,  aus  der  Zeit  der 
chinesischen  Herrschaft  herrührenden  Sachen  konnte  Hr.  Schuyler 
nur   noch    Kleinigkeiten   auftreiben^    da    alle   werthvollen   Gegen- 
stände, wie  Porzellan  oder  Bronze-Sachen,  bald  nach  der  Eroberung 
des  Landes  entweder  schon  von  den  Russen,  oder  von  chinesischen 
Kaufleuten  aufgekauft  und   von  Letzteren   nach  China   zurückge- 
schickt worden  waren«     Nur  Dinge  von  geringem  Werthe  waren 
noch  zu  haben,  wie  z.  B.  Essbestecke,  Pantoffeln,  Brillen,  Mandari- 
nenknöpfe, Bogen  und  Pfeile  u.  s.  w.  —  Hr.  Schuyler,  der  während 
seines   Aufenthaltes    in    Kuldscha    die  Gastfreundschaft    des,    im 
Schlosse  in  der  Festung  wohnenden  Kommandanten  der  Provinz, 
des  Obersten  Wartmann,  genoss,  hatte  bei  seinem  Umherstreifen  in 
der  Stadt  einmal  den  Vortheil,  von  dem  Aksakal  der  Stadt,  Buschri 
Haupj,  einem  Tarantschi,  begleitet  zu  werden.     «Ueberall  (so  heisst 
es  auf  S.  194),  wohin  wir  auch  kamen,  schien  es,  als  stehe  man  in 
grosser  Scheu  vor  ihm,  und  man  erklärte  ihm  sogleich  im  Detail 
eine  jede  Sache,  die  ich  zu  untersuchen  wünschte;   allein   so  ange- 
nehm mir  auch  seine  Begleitung  war,   so  flng  ich  doch  an  zu  über- 
legen, dass  es  vielleicht  nicht  die  beste  Art  meiner  Einführung  sei, 
um  das  Vertrauen  der  Eingeborenen  zu  gewinnen».     Hr.  Schuyler 
zog  es  daher  vor,  meistentheils  allein  auszugehen,  in  die  Buden  zu 
gucken,   Werkstätten   und   Moscheen   anzusehen,   über   die  Bazare 
und    Marktplätze   zu   schlendern,    den    Spielen    der   Kinder    zuzu- 
schauen,   oder  sich  die  Tarantschi-Frauen  in  ihren  blauen  Kleidern 
und  hübschen  gestickten  Mützen  zu   betrachten,   alles   ohne   von 
einem  Beamten  wie  Buschri  Haupi   begleitet   zu  sein.     Das  Ueble 
bei  der  Sache  aber  war,  dass  es  jetzt   mit  der  Dolmetschung  Noth 
hatte,  da  immer  zwei  Dolmetscher  nöthig  waren,  einer,  der  Russisch 
und  Tarantschisch,   und  ein  anderer,  der  Tarantschisch  und  Chme- 
sisch   sprechen  konnte.  —  Natürlich   blieb   auch    das   Chinesische 


268 

Gasthaus  nicht  unbesucht  und  Hr.  Schuyler  beschreibt  dasselbe,  so 
wie  die  dort  eingenommene,  ihn  im  hohen  Grade  zufriedenstellende 
Mahlzeit  sehr  ausführlich  (S.  195  u.  ff.)*.  Und  ebenso  wenig  fehlte 
es  an  Musik,  Tanz  und  Komödie,  da  Buschri  Haupi  auf  Befehl  des 
Oberst  Wartmann  eines  Abends  einige  chinesische  Musikanten  und 
Komödianten  herzubrachte.  Der  Verlauf  dieser  Abendunterhaltung 
wird  auf  S.  196  u.  ff.  beschrieben.  —  Das  wären  so  ungefähr  Hrn. 
Schuyler's  Erlebnisse  in  Kuldscha. 

Der  Reisende,  nachdem  er  auf  Seite  197  u.  ff.  auf  die  grossen 
Hülfsquellen  des  augenblicklich  zwar  in  seiner  Volksmenge  sehr 
reduzirten  Landes  hingewiesen  hat,  kommt  am  Ende  seiner  Mitthei- 
lungen zu  nachstehendem,  sehr  bemerkenswerthen  Schluss:  «Fast 
alles,  was  ich  im  Ili-Thale  gesehen  habe,  lässt  mich  glauben,  dass  es 
unter  den  neuerdings  von  den  Russen  eingenommenen  asiatischen 
Provinzen  die  allerreichste  ist.  Bei  der  gegenwärtigen  Unentschie- 
denheit  der  Verhältnisse,  insofern  sich  die  Russische  Regierung 
noch  nicht  darüber  ausgesprochen  hat,  ob  sie  diese  Provinz  behal- 
ten oder  den  Chinesen  zurückgeben  will,  ist  eine  russische  Kolonisa- 
tion nicht  gestattet.  Während  Kuldscha  den  Russen  ein  reiches 
Arbeitsfeld  darbietet,  so  darf  man  doch  bezweifeln,  ob  es  russischen 
Bauern  mit  ihrer  Sorglosigkeit  ^««w/A  their  skiftless  /iabits>)  geWn- 
gen  werde,  ebenso  viel  aus  dem  Lande  zu  machen  und  eine  ebenso 
grosse  Bevölkerung  zu  ernähren,  als  es  bei  den  Chinesen  mit  ihrem 
haushälterischen  Wesen  und  ihrem  wohlorganisirten  System  der 
Landwirthschaft  der  Fall  war.  Nichtsdestoweniger  scheint  es  der 
einzige  Theil  Mittel-Asiens  zu  sein,  welcher  die  auf  ihn  verwendeten 
Ausgaben  immer  wieder  bezahlt  machen  wird,  und  es  würde  aus 
ökonomischen  und  anderen  Gründen  sehr  unklug  erscheinen,  wenn 
sich  Russland  noch  länger  mit  der  Idee  einer  Rückgabe  an  China 
befassen  wollte,  selbst  in  dem  Falle,  dass  China  im  Stande  wäre,  eine 
hinreichend  grosse  Armee  zur  Aufrechthaltung  der  Ordnung  in  der 
ihm  wiedergegebenen  Provinz  zu  beschaffen.  Gegenwärtig,  wo  die 
Russen  eine  nur  kleine  Garnison  im  Lande  haben,  wird  die  Bevölke- 
rung nur  durch  den  gegenseitigen  Hass  der  sie  zusammensetzenden 
verschiedenen  Rassen  darniedcrgehalten.  Als  zur  Zeit  meines  Besu- 
ches das  Gerücht  von  der  Annäherung  einer  chinesischen  Armee 
und  von  der  baldigen  Räumung  des  Landes  Seitens  der  Russen  sich 
verbreitete,   da  hörte  ich   einen  Tarantschi   sagen:    ««Sobald    die 

'  Es  ist  dieses  Gasthaus  dasselbe,  welches  auch   von  mir  zwei  Jahre  vorher  besucht 
wurde,  worüber  man  meine  «Umschau  u.  s.  w.»  S.  149  u.  ff.  vergleichen  kann. 


-.< 


269 

t 

Russen  den  Rücken  gewendet  haben,  so  werden  wir  alle  Chinesen 
und  Dunganen,  die  noch  übrig  geblieben  sind,  massakriren»»;  und 
anderseits  haben  die  wenigen,  noch  in  Kuldscha  wohnenden  Chine- 
sen oft  erklärt,  dass,  im  Fall  die  Russen  das  Land  verlassen,  sie  ent- 
weder denselben  vorangehen  oder  sie  begleiten  werden*. 

Das  dreizehnte  Kapitel  des  Schuyler'schen  Werkes  (S.  202 — 257) 
behandelt  die  Verwaltung  des  russischen  Turkestan  (*  Tlie  Russian 
Administration^),  Obgleich  dasselbe  ganz  ohne  Zweifel  einen  der 
pikantesten  Abschnitte  des  ganzen  Buches  bildet,  so  stehe  ich  doch 
an,  auf  seinen  Inhalt  näher  einzugehen,  weil  ein  grosser  Theil  des 
von  Hrn.  Schuyler  Vorgebrachten  jetzt  nicht  mehr  volle  Geltung 
hat. 

Ebenso  verzichte  ich  auf  eine  Besprechung  des  vierzehnten  und 
fünfzehnten  Kapitels  (S.  258 — 327  und  S.  328—386),  womit  das 
Schuyler'sche  Werk  schliesst. 

Der  wesentliche  Inhalt  des  vierzehnten  •The  Russian  foreign 
policy  in  Asia»  überschriebenen  Kapitels  gipfelt  in  der  Behauptung, 
dass  erstens  dem  Vorrücken  Russlands  in  Central-Asien  kein  be- 
stimmtes Eroberungsgelüst  zu  Grunde  liege,  sondern  dass  dieses 
Vorrücken  ein  von  den  Verhältnissen  erzwungenes  sei,  und  zwei- 
tens, dass  Russland  noch  gar  nicht  an  denjenigen  Grenzen  ange- 
kommen ist,  wo  es  naturgemäss  stehen  bleiben  kann  ^ 

Das  fünfzehnte  Kapitel  endlich  bringt  unter  der  Uebcrschrift^ 
•  The  Chivan  canipaign  and  its  cansequences^y  eine  Schilderung  der 
Beziehungen  Russlands  zu  Chiwa  vor  dem,  im  Jahre  1873  unternom- 
menen Feldzuge,  und  bespricht  den  Feldzug  selbst,  so  wie  die  Fol- 
gen desselben.  Ein  weiteres  Eingehen  auf  den  Inhalt  dieses  Kapitels 
kann  meinerseits  um  so  füglicher  unterbleiben,  als  dem  Leser  dieser 
Zeitschrift  die  Schmidt'schen,  denselben  Gegenstand  vortrefflich  be- 
handelnden Artikel  bereits  bekannt  sind^. 


*  Ich' habe  weiter  oben  schon  Gelegenheit  gehabt  darauf  hinzuweisen,  dr'  -  ich  diese 
Ansicht  Hrn.  Schuyler's  vollkommen  theile.  Man  vergleiche  den  dritten  •i^te  Zukunft 
des  Landes*  überschriebenen  Abschnitt  meines  Buches:   «Umschau  u.  s.  w.»    S.  377 — 

396. 

•  «Die  Expedition  gegen  Chiwa  im  Jahre  1873.  Nach  den  Quellen  bearbeitet  von 
Dr.  Emil  Schmidt».  «Russ.  Revue»,  Bd.  IV  (1874)  S.  289—339,  und  Bd.  V  (1874)  S. 
1—48  und  S.  148 — 206.  Auch  als  Separatabdruck  erschienen  unter  gleichem  Titel. 


270 


Uebersicht  der  rnssisctaen  historischen  Literatnr 

für  die  Jahre  1874-1876 

Von 

Prof.  ^V.  Jkonnikow^. 

(Fortsetzung.*) 

Das  Jahr  1876. 
I.  Materialien  und  HülfsmitteL 

Die  meisten  der  im  Jahre  1875  erschienenen  Materialien  zur  russi- 
schen Geschichte  sind  von  wissenschaftlichen  Vereinen  und  Regie- 
rungs-Institutionen herausgegeben  worden. 

1.  Ergänzungen  zu  historischen  Akten^  Bd.  IX,  herausgegeben 
unter  Redaktion  von  H,  Kalatsciuw  und  A,  Timofejew  von  der  Ar- 
chäographischen  Kommission.  Dieser  Band  bildet  den  dritten  und 
letzten  Theil  der  Aktenstücke  aus  der  Zeit  des  Zaren  Fedor  Alexe- 
jewitsch.  Er  enthält  unter  Anderem  Aktenstücke  zur  zweiten  Hei- 
rath  des  Zaren  Fedor,  Angaben  über  militärische  Befestigungen, 
über  die  Ausrüstung  des  Heeres,  statistische  und  topographische 
Mittheilungen  über  russische  Städte,  Aktenstücke  zur  Geschichte 
des  Adels,  Nachrichten  über  die  Staats-Ausgaben  und  Eitinahmen, 
über  Gewerbe  und  Industrie,  über  den  Handel,  ferner  über  die  Be- 
ziehungen zu  den  Generalstaaten,  u.  s.  w. 

2.  Aktenstücke  zur  Gesclüchte  des  südlichen  und  westliclim  Russ- 
land^  Bd.  VIII,  herausgegeben  unter  Redaktion  von  N,  Kostontaraw. 
Dieser  Band  umfasst  die  Zeit  vom  20.  Nov.  1668  bis  zur  Mitte  Juli 
1669.  Die  hier  veröffentlichten  Aktenstücke  sind  hauptsachlich  der 
Persönlichkeit  des  Hetman's  Peter  Doroschenko,  seinen  politischen 
Plänen  in  Bezug  auf  Klein- Russland,  und  seinen  Beziehungen  zu 
Moskau,  zum  Hetman  Mnogogreschnij,  zu  den  Saporoshern,  Tata- 
ren und  Türken,  ferner  den  Beziehungen  des  Metropoliten  Joseph 
Tukalskij,  des  Erzbischofs  Lazarus  Baranowitsch  und  Anderer  zu 
Moskau  gewidmet.  In  der  Beilage  zu  diesem  Bandb  befinden  sich 
noch  Materialien  zur  Geschichte  Klein-Russlands  von  1649— 1657, 
und  zwar  in  Bezug  auf  den  Krieg  des  Hetman  Chmelnitzkij  mit  den 
Polen,  au!  die  Beziehungen  der  Türkei  zu  Klein-Russland  und 
Moskau,  und  auch  auf  das  Verhältniss  zwischen  Klein-Russland  und 
Moskau. 

•  Vgl.  «Russ.  Revue.,  Bd.  XII,  S.  473  -479  und  Bd.  XIII,  S  63  -  78.  Wir  führen 
im  Ft>lgenden  der  Kürze  halber  nur  die  wichtigsten  Werke  an  und  gehen  nur  das  We- 
sentlichste des  Inhalts  derselben  wieder,  so  wie  wir  auch  die,  in  nicht-russischer 
Sprache  erschienenen  oder  aus  anderen  Sprachen  übersetzten  \Verke  ganz  unberück- 
sichtigt lassen.  Die  Red . 


271 

3.  RussiscAe  historische  Bibliothek^  Bd.  II,  herausgegeben  unter 
Redaktion  von  A,  Titnofejew,  Die  Aktenstücke  dieses  Bandes  be- 
ziehen sich  auf  die  Ereignisse  der  Periode  von '1 350  bis  1650»  ins- 
besondere aber  auf  die  Zeit  vom  Ende  des  XVI«  Jahrh.  bis  zum  An- 
fang des  XVII.  Jahrhunderts.  Man  findet  hier  Materialien  zur 
Geschichte  der  russischen  Kirche  und  des  russischen  Klosterwesens, 
ferner  zur  Geschichte  Sibiriens  (Kolonisirung,  Städtebau,  innere 
Verwaltung,  etc.),  Nachrichten  über  diplomatische  Beziehungen, 
über  die  Staatseinnahmen,  die  Marktpreise,  den  Handel,  und  auch 
juristische  Denkmäler.  Bemerkenswerth  ist  endlich  ein  Aktenstück 
aus  dem  Jahre  1634  über  einen,  mit  dem  Holländer  Fandrygin  ab- 
geschlossenen  Kontrakt  behufs  Zustellung  von  30,000  Kanonen- 
kugeln über  die  schwedische  Landgrenze  und  über  Archangel. 

4.  Historisch-juristische  Materialien,  ausgezogen  aus  deUy  im 
Central'Archiv  zu  Witebsk  befindlichen  Aktenbüchem  der  Gouveme- 
ments  Witebsk  und  Mohilew.  In  den  6  bisher  erschienenen  Bänden 
finden  sich  Ausweise  über  die  Einnahmen  und  Ausgaben  der 
Stadt  Mohilew,  welche  sehr  wesentliche  Angaben  zur  Geschichte 
der  ökonomischen  Entwicklung  des  Gouvernements  Mohilew  ent- 
halten, ferner  einzelne  Angaben  über  die  städtische  Bevölkerung 
mit  Bezug  auf  die  verschiedenen  Klassen  derselben.  Die  juristischen 
Materialien  bieten  reichhaltigen  Stoff  in  Bezug  auf  das  Kriminal- 
und  Civilrecht  jener  Zeit.  Als  das  interessanteste  Aktenstück  muss 
dasjenige  über  einen  Prozess  aus  dem  Jahre  1677  hervorgehoben 
werden;  es  ergibt  sich  aus  demselben,  dass  damals  noch  das  Ordal 
der  Wasserprobe  in  Anwendung  zu  kommen  pflegte,  wobei  an- 
genommen wurde,  dass  der  Angeklagte  schuldlos  ist,  wenn  er  auf 
den  Grund  geht,  und  schuldig,  wenn  er  sich  schwimmendauf  der 
Oberfläche  des  Wassers  erhält.  Wie  aus  den  Prozessakten  ver- 
schiedener Art  hervorgeht,  standen  damals  der  Sachsenspiegel,  das 
Magdeburger  Recht,  das  Litthauische  Statut  bei  allen  Parteien  in 
hohem  Ansehen,  da  sich  sowohl  das  Gericht,  als  auch  die  streiten- 
den Parteien  stets  auf  dieselben  berufen. 

5.  Archiv  der  Abtheilung  für  russische  Sprache  und  Literatur 
bei  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften.  Bd.  XII. 
Dieser  Band  enthält  die  Fortsetzung  des  Werkes  des  Akademikers 
Sresnewskij:  «Mittheilungen  über  unbekannte  und  wenig  bekannte 
Denkmäler»;  die  hier  betrachteten  Denkmäler  gehören  dem  IX.  bis 
XVI.  Jahrhundert  an.  Ferner  veröffentlicht  in  diesem  Bande  Hr. 
Nossowitsch  eine  Sammlung  weiss-russischer  Sprüchwörter. 

6.  Materialien  zur  Geschichte  des  Pugatschew^ sehen  Aufstandes^ 
herausgegeben  vom  Akademiker  J,  Grot,  Die  hier  veröffentlichten 
Materialien  sind  grösstentheils  dem  Reichsarchiv  entnommen  und 
beziehen  sich  auf  die  letzte  Periode  des  Aufstandes  und  auf  die  Ge- 
fangennahme Pugatschew^s. 

7.  Systematischer  und  alphabetisclier  Katalog  der  in  den  perio- 
disclun  Schriften  und  Archiven  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wis- 
senschaften  verößentlic/Uen^  sowie  auch  einzeln  von  der  Akademie  her* 


2^2 

ausgegebenen  Aufsätze  von  der  Zeit  der  Gründung  der  Akademie  bis 
zum  Jahre  1872.  Bd.  IL  In  diesem  Bande  sind  die  in  russischer 
Sprache  erschienenen  Aufsätze  in  systematischer  Reihenfolge  nach 
den  Gebieten  der  Wissenschaft,  zu  welchen  sie  gehören,  aufgeführt. 

8.  Jahrbücher  der  Kaiserlichen  Gesellschaft  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde  in  Odessa.  Bd.  IX.  Er  enthält:  in  der  Abtheilung 
für  Archäologie  einen  Aufsatz  von  Hrn.  Buratschkow  über  «Die 
Lage  der  Stadt  Karkiniges  und  die  von  derselben  geprägten  Mün- 
zen», in  welchen  einige  Nachrichten  alter  Historiker,  namentlich 
Herodot's,  näher  beleuchtet  werden;  in  der  Abtheilung  für  Ge- 
schichte einige  wenig  bedeutungsvolle  historische  Denkmäler;  in  der 
Abtheilung  für  Geographie  die  «Reise  eines  türkischen  Touristen 
am  östlichen  Ufer  des  Schwarzen  Meeres»,  eine  aus  dem  XII.  Jahr- 
hundert stammende  Reisebeschreibung;  endlich  bringt  dieser  Band 
auch  eine  Reihe  von  Materialien  zur  Geschichte  der  klein- russischen 
Saporoger,  der  Verwaltung  von  Süd-Russland  durch  Potemkin,  Do- 
kumente in  Bezug  auf  den  Tod  des  Kaisers  Alexander  I.  und  einige 
kurze  Nachrichten  über  archäologische  Funde  im  Süden  Russlands. 

9.,  10.  und  II.  Archiv  der  Kaiserlich  Russischen  historischen  Ge- 
.sellschaft\  Bd.  XIV,  XV  und  XVI.  Der  XIV.  Band  bringt:  «Histo- 
rische  Mittheilungen  über  die  von  der  Kaiserin  Katharine  IL  einge- 
setzte Kommission  für  Ausarbeitung  eines  Projekts  zu  einem  neuen 
Gesetzbuch».  Sich  an  die,  im  IV.  und  VIII.  Bande  des  Archiv's 
vorangegangenen  •  Mittheilungen»  anschliessend,  enthält  dieser 
Band  die  Debatten  über  geistliche  und  Justizreformen.  Man  dis- 
kutirte  einerseits  über  Mittel  zum  Schutz  gegen  die  Uebergriffe  der 
Geistlichkeit,  und  andererseits  über  die  Verbesserung  des  Justiz- 
wesens. Einzelne  Deputirte  schlugen  die  Einführung  der  Friedens- 
richter-Institution nach  englischem  und  holländischem  Muster,  sowie 
eines  für  alle  Stände  gleichen  Rechtes  vor.  —  Der  XV.  Band  bringt 
neben  einigen  Briefen  des  Kaisers  Paul,  welche  von  geringem  histo- 
rischem Interesse  sind,  die  von  Prof.  Hermann  herausj^egebenen, 
dem  Berliner  Staatsarchiv  entnommenen  Relationen  des  Baron 
G.  Mardefeld,  des  damaligen  preussischen  Gesandten  am  russischen 
Hofe.  Sie  umfassen  die  Zeit  vom  31.  Januar  1721  bis  zum  23.  Fe- 
bruar 1730.  Dann  enthält  dieser  Band  noch  Briefe  des  Fürsten 
Repnin  aus  der  Zeit  seiner  Gesandtschaft  in  die  Türkei  (1775),  fer- 
ner eigenhändige  Briefe  der  Kaiserin  Katharina  II.  an  den  Vice- 
Kanzler  Grafen  Ostemiann  über  die  Beziehungen  zu  Schweden  in  den 
Jahren  1770 — 1780,  bisher  unedirte  Briefe  von  Voltaire  an  den  F'ür- 
sten  D.  Golizyn,  der  im  Jahre  1762  — 1768  Vertreter  Russlands  in 
Frankreich  war,  und  endlich  fünf  Briefe  des  P'ürsten  D.  Golizyn  an 
den  Vice-Kanzler  A.  Golizyn,  welche  ein  sehr  charakteristisches 
Material  für  die  Zeit  nach  dem  Regierungsantritte  Katharinas  II.  ent- 
halten. Der  Fürst  D.  Golizyn  war  unter  Anderem  einer  der  Ersten 
in  Russland,   der   auf  die  Nothwendigkeit  der  Aufhebung  der  Lcib- 


•  Vgl,  ^Russische  Revuen,  Bd.  X,  S.  470 — 472. 


273 

■ 

eigenschaft  hinwies.  —  Der  XVI.  Band  ist  unter  der  Redaktion  des 
Historikers  Kostomarow  herausgegeben  und  enthält  Auszüge  aus 
dem  Familienarchiv  des  Fürsten  Repnin.  Sie  umfassen  die  Zeit  von 
1794 — 96,  als  Feldmarschall  Fürst  H.  Repnin  Oberkommandeur  der 
Truppen  und  General-Gouverneur  von  Litthauen  war.  Sein  Brief- 
wechsel mit  Katharina  IL  und  einigen  hervorragenden  Persönlich- 
keiten ihrer  Regierung  enthält  viele  interessante  Einzelheiten  zur 
Geschichte  der  Beziehungen  zwischen  Polen  und  Russland  in  den 
Jahren  1794— 96.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  namentlich  ein 
Brief  des  Fürsten  Besborodko  an  den  Fürsten  Jlepnin,  in  welchem 
von  den  Motiven  die  Rede  ist,  welche  Russland  dazu  bewogen,  an 
der  Theilung  Polens  theilzunehmen  (S.  57—61). 

12.  Archiv  des  Reiclisratlis.  Band  IV,  Theil  i  und  2.  Dieser  neue 
Band  enthält  Aktenstücke  zur  Geschichte  des  Kaisers  Alexander  I.  in 
den  Jahren  1810 — 1825,  und  zwar  namentlich  in  Bezug  auf  die  Pro- 
jekte zu  neuen  Gesetzen. 

13.  Archiv  des  dirigirenden  Senats,  herausgegeben  von  P.  Bara» 
now.Bö,  IV, 

14.  Sammlung  von  Staatsverirägen  und  Konventionen.  Von  F,  Här- 
tens. Bd.  ir-^, 

15.  Materialien  zur  Geschichte  des  Raskol  in  der  ersten  Zeit  des 
Entstehens  desselben,  Bd.  I,  Theil  I.  Dieser  Band  gibt  Nachricht 
von  den  Persönlichkeiten,  welche  in  der  ersten  Zeit  des  Auftretens 
der  russischen  Dissidenten  eine  Rolle  gespielt,  und  von  den  Ereig- 
nissen, welche  das  Auftreten  derselben  zur  Folge  gehabt. 

16.  Russland  und  England  in  den  Jahren  1553 — 1593.  Die  ersten 
vierzig  Jahre  der  Beziehungen  zwischen  Russland  und  England. 
Diese,  von  Hrn.  J,  Tolstoi  veröffentlichten,  den  Archiven  zu  Moskau, 
London  und  Oxford  entnommenen  82  Aktenstücke  bilden  einen 
werthvollen  Beitrag  zur  Würdigung  Iwan^s  des  Grausamen,  Boris 
Godunow's  und  zur  Beleuchtung  der  Beziehungen  zwischen  Russ- 
land und  den  west-europäischen  Mächten  in  jener  Zeit. 

1 7.  Materialien  zur  Geschichte  der  russischen  Flotte.  Herausgege- 
ben von  77/.  Wesselago*, 

18.  und  19.  Archiv  des  Fürsten  Woronzow,  Bd.  VII.  und  VIII. 
Djsr  VII.  Band  der,  dem  Familienarchiv  des  genannten  Fürsten  ent- 
nommenen, Dokumente  enthält  Materialien  in  Bezug  auf  die  Be- 
ziehungen zwi.schen  Russland  und  den  west-europäischen  Mächten 
in  den  Jahren  1746 — 175 St  sowie  auch  zur  Geschichte  des  Krieges 
zwischen  Russland  und  Preussen  unter  Elisabeth  Petrowna.  Der 
VIII.  Band  bringt  den  Briefwechsel  zwischen  dem  Grafen  Woronzow 
(dem  ehemaligen  Gesandten  in  London)  und  dem  Grafen  Rostoptschin 
aus  den  Jahren  1791  — 1825.  Mart  findet  in  diesem  Briefwechsel 
viele  interessante  Details   über  die  P'ürsten  Potemkin,  Subow,  Bes- 


»  Vgl.  «Russische  Revue-,  Bd.  XII,  S.  588—590. 
^  Vgl.  •Russische  Revue*,  Bd.  VII,  S.  557—567. 
^  Vgl.  «Russische  Revue»,  Bd.  X,  S.  97. 

BU8S.  REVUE.  BD.  Xm.  l8 


^74 

borodko,  über  polnische  Angelegenheiten,  über  politische  Beziehun- 
gen unter  Kaiser  Paul,  u.  s.  w. 

20.  Ein  Denkmal  vergangener  Zeiten^  oder  kurze  historische  Notizen 
über  vergangene  Ereigfusse  und  im  Volke  kursirende  GerüclUe.  Von 
A,  Bolotow.  Der  erste  Theil  dieses  Werkes  enthält  flüchtige  Be- 
merkungen über  Persönlichkeiten,  Sitten,  Ereignisse  und  Gerüchte 
aus  der  Zeit  Katharinas  11. ;  der  zweite  Theil  ist  ausschliesslich  den 
Ereignissen  des  Jahres  1796  gewidmet,  und  endigt  mit  dem  Tode 
der  genannten  Kaiserin.  Bolotow  war  ein  aufmerksamer  und  ge- 
wissenhafter Beobachter,  der  auch  eines  gewissen  kritischen  Gefühls 
nicht  entbehrte,  woher  seine  Mittheilungen  für  die  Geschichte  seiner 
Zeit  von  wesentlichem  Interesse  sind. 

21.  OreVschc  Alterthihner,  Herausgegeben  von  Puparew,  Man 
findet  hier  spezielle,  verschiedenen  Archiven  im  Gouvernement  Orel 
entnommene  Materialien  zur  Geschichte,  Statistik  und  Verwaltung 
jenes  Gouvernements  aus  den  Jahren  1714 — 1783. 

22.  Das  Buch  von  den  KijevJ sehen  Helden.  Eine  Sammlung  von 
24  Bylinen  des  altkijew'schen  Epos.  Herausgegeben  von  W,  Ave- 
narius.  Das  Buch  ist  mit  einer  literarischen  Einleitung,  Bemer- 
kungen und  einem  Sach-  und  Namensregister  versehen. 

23.  Historische  Lieder  des  klein-russischen  Volks.  Mit  Erläute- 
rungen herausgegeben  von  W,  Antono^vitsch  und  M.  Dragomatunv, 
Bd.  II.  Die  hier  in  diesem  zweiten  Bande  veröffentlichten  18  Volks- 
lieder stammen  aus  der  Periode  des  Kampfes  des  Hetman's  Chmel- 
nizkij  mit  den  Polen. 

24.  Alt-russische  Münzen,  Eine  Sammlung  des  Grafen  E,  Hütten- 
Czapskij.  Diese  Sammlung  besteht  aus  800  Münzen  von  der  älte- 
sten Zeit  an  bis  zum  Jahre  17 16. 

25.  Historisc/te  Untersuchung  über  die  russischen  periodischen 
Schriften  und  Sammelwerke  für  die  Jahre  1 703  —  1803.  Herausgege- 
ben von  A.  Neystrojew.  Das  Werk  gibt  ein  ausführliches  Verzeich- 
niss  von  135  periodischen,  in  russischer  Sprache  in  Russland  im 
XVIII.  Jahrhundert  erschienen  Schriften,  mit  einleitenden  und  er- 
läuternden Bemerkungen. 


II.  Allgemeine  Werke,  Monographien  undUntersuchungen. 

26.  Memoiren  der  Gesellschaft  von  Freunden  kaukasischer  Archäo- 
logie, I.  Buch,  herausgegeben  unter  Redaktion  von  A,  Berge  und 
/?.  Bakradse.  Es  enthält  ausser  den  Nachrichten  über  die  Thätigkeit 
der  Gesellschaft  folgende  zwei  interessante  Beiträge:  i.  «Der  Kau- 
kasus in  archäologischer  Beziehung*'  von  A.  Berge;  2.  *Der  Kau- 
kasus in  den  alten  geistlichen  Denkmälern»  von  D.  Bakradse,  Der 
Verfasser  schildert  darin  in  alphabetischer  Reihenfolge  die  Kirchen 
und  Klöster  des  Kaukasus  und  die  in  ihnen   sich   befindenden  Altcr- 

*  Vgl.  «Russ.  Revue»,  Bd.  XIII,  S.  70. 


275 

thümer  vom  IV. — XIX.  Jahrh.  Ferner  sind  diesem  Bande  drei  Ab- 
bildungen beigefügt:  a)  eines  Steines  mit  griechischer  Inschrift  aus 
dem  Jahre  75  nach  Chr.  Geb.,  b)  eines  mit  hebräischer,  und  c)  eines 
mit  keilförmiger  Inschrift. 

27.  Moskau,  Atisfiihrliche  historische  und  archäologische  Be- 
Schreibung  der  Stadt,  Bd.  I.  Herausgegeben  von  A,  Martynow,  Dies 
Werk  enthält  eine  Schilderung  des  alten  Moskau  in  topographi- 
scher, ethnographischer,  historischer  und  juristischer  Beziehung, 
mit  einem  Plan*  von  Moskau  aus  dem  Jahre  1739  und  einem  Pano- 
rama der  Stadt  im  XVIII.  Jahrhundert. 

28.  Die  Metalle,  Metallprodukte  und  Mineralien  im  alten  Russland^ 
verfasst  von  Chmyraiv^  ergänzt  von  B,  Skalkowskij,  Den  Werth 
eines  interessanten  Beitrages  zur  Geschichte  des  russischen  Berg- 
wesens besitzend,  umfasst  dies  Werk  die  Geschichte  des  Bergbaues 
in  Russland  vom  IX.  Jahrhundert  ab  bis  zu  Peter  dem  Grossen,  und 
enthält  wichtige  Angaben  über  Münzenprägung,  Waffenfabrikation, 
und  überhaupt  über  russische  Montanindustrie  in  der  angegebenen 
Zeit. 

29.  Jakoiolew,  W  Die  religiösen  Sagen  des  alten  Kijew.,  Der  Ver- 
fasser, welcher  schon  im  Jahre  1872  einige  Denkmäler  russischer 
Literatur  aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  als  Beilage  zu  diesem 
Werk  herausgegeben,  neigt  sich  in  seiner  Auffassung  der  alten 
Legendenbücher  der  Ansicht  zu,  dass  dieselben  nicht  bloss  einen 
rein  literarischen,  sondern  auch  einen  gewissen  historischen  Werth 
besitzen,  eine  Ansicht,  die  auch  der  bekannte  Forscher  auf  dem 
Gebiete  alt-russischer  Literatur,  Hr.  Busslajew,  vertritt 

30.  Untersuchungen  utid  Bemerkungen  des  Fürsten  M,  Obolcnskij 
in  Bezug  auf  russische  und  slcnvische  Alterthümer,  In  diesen,  in  Folge 
des  Todes  des  Verfassers  nicht  zu  Ende  geführten  t Untersuchun- 
gen und  Bemerkungen*  findet  man  kleinere  wissenschaftliche  Er- 
örterungen über  einige  Detailfragen  russischer  und  slawischer  Alter- 
thumskunde,  so  z.  B.  über  den  Verfasser  der  ältesten  russischen 
historischen  Chronik,  über  das  ursprüngliche  slawische  Alphabet, 
über  die  Begründung  der  Stadt  Obolensk,  u.  s.  w. 

31.  Janisch^  N,  Die  Nowgoroder  Chronik  und  deren  Moskauer  Re- 
daktionen. Der  Verfasser  ist  der  Ansicht,  dass  die  ursprünglichen 
Nowgoroder  Chroniken  in  späterer  Zeit,  während  der  sogenannten 
Moskauer  Periode  absichtlich  entstellt  und  verstümmelt  worden 
sind,  worauf  dann  eine  andere  Art  der  Bearbeitung  und  der  Schilde- 
rung historischer  Ereignisse  in  Nowgorod  üblich  wurde j  als  auf  ein 
charakterisches  Beispiel  für  die  letztere  Art  der  Darstellung  weist 
der  Verfasser  auf  den  Sophien-Wremennik  (historische  Chronik) 
hin. 

32.  Russland und  Asien.  Eine  Sammlung  von  historischen,  ethno- 
graphischen  und  geographischen  Untersuchungen  und  Aufsätzen  *  von 

W,  Grigorjczv, 

*  Vgl.  «Russ.  Revue»,  Bd.  VlII,  S.  lOi  — 103. 

18* 


33«  Historisch-literarische  Rtindsctiau  über  die  alt-russischen  polemi- 
schen Schriften  gegen  die  Lateiner  (XI— XV).  Von  A,  Popow,  Das 
Werk  des  Hrn.  Popow  bringt  eine  eingehende  Beschreibung  alt- 
russischer polemischer  Denkmäler  bis  zum  XV.  Jahrhundert,  denen 
in  einem  anderen  Bande  eine  Untersuchung  über  die  russischen 
polemischen  Schriften  gegen  die  Protestanten,  Katholiken  und  Uni- 
aten  im  XVL — XVII.  Jahrhundert  folgen  soll.  Der  Verfasser  spricht 
in  der  Einleitung  die  Meinung  aus,  dass  die  strenge  Verurtheilung 
der  religiösen  Vorstellungen  des  lateinischen  West-Europa,  welche 
in  byzantinischen  Schriften  von  dem  Geiste  der  Intoleranz  erfüllt  ist, 
viel  zu  der  Entfremdung  Russlands  von  den  allgemein-europäischen 
Bestrebungen  und  Ideen  beigetragen  hat. 

34.  Prilcshajcw^  E.  Die  Sophien- Kirchenkasse  in  Nowgorod,  Diese 
Skizze  bildet  einen  Auszug  aus  einem  grösseren  Werke  des  Ver- 
fassers «Skizzen  aus  der  Kirchengeschichtc  des  Grossen  Nowgorod« 
und  enthält  werthvoUe  Angaben  über  das  alte  F'inanzsystem  der 
Nowgoroder  Eparchie  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert. 

35.  Pogodin^  M.  Die  siebzehn  ersten  Lebensjahre  Peters  des  Gros- 
sen, Dieses  Werk  zerfällt  in  zwei  Theile.  Der  erste  Band  enthält  eine 
folgerechte  Erzählung  der  Ereignisse  von  der  Zeit  der  Trauung  des 
Zaren  Alexei  bis  zur  Feststellung  der  Alleinherrschaft  Peters  des 
Grossen,  der  zweite  —  eine  Reihe  kleiner  Untersuchungen  über  ein- 
zelne, diese  Periode  betreffenden  Fragen.  Ausser  den  bereits  von  den 
Histoiikern  Ustrjalow,  Ssolowjew,  Sabclin  u.  Anderen  verwertheten 
Materialien  hat  der^  Verfasser  auch  die  von  H.  Jessipow  zusammenge- 
stellte, aber  noch  nicht  veröffentlichte  Sammlung  von  Auszügen  aus 
Archivakten  in  Bezug  auf  die  Regierung  Peters  des  Grossen  benutzt. 
Einen  grossen  Werth  besitzt  namentlich  der  zweite  Thcil  dieses 
Werkes,  und  zwar  insbesondere  durch  die  Untersuchungen  über  die 
Quellen  zur  Geschichte  der  Verschwörung  der  Strelzy,  über  die 
Entstehungsgeschichte  der  Verschwörung,  über  die  Beziehungen 
der  letzteren  zu  der  Bewegung  im  Raskol,  über  die  Hinrichtung  der 
Fürsten  Chowanskij  u.  s.  w.  Diese  Untersuchungen  sind  sehr  reich 
an  scharfsinnigen  Bemerkungen  und  an  gewichtigen  polemischen 
Entgegnungen. 

36.  Petrozuskij,  S.  Ueber  den  Senat  zur  Zeit  Peters  des  Grossen, 
Eine  historisch-juristische  Untersuchung^, 

37.  Ditjatin,  P,  Die  russisclie  Städteverwaltung.  Bd.  I.  Die  Ge- 
schichte der  Verwaltung  der  russischen  Städte  bis  zum  Tode  der 
Kaiserin  Katharina  II.  schildernd,  spricht  der  Verfasser  die  Ansicht 
aus,  dass  die  russischen  Städte  nur  etwa  bis  zum  XIII.  Jahrhundert 
den  Charakter  mittelalterlicher  Municipien  besassen.  Darauf  aber 
begannen  sie  allmälig  die  Bedeutung  autonomer  Einheiten  zu  ver- 
lieren; bis  dahin  einen  einheitsvollen,  politischen  Organismus  reprä- 
sentirend,  sanken  sie  nun  auf  die  Stufe  bloss  steuerpflichtiger  Ge- 
meinden herab.  Erst  durch  die  neue  Städteordnung  vom  Jahre  1785 

*  Vgl.  «Russische  Revue»,  Bd.  X,  S.  95—97. 


erhielten  die  Städte  theilweise  die  frühere  Bedeutung  wieder.  Das 
Werk  des  Hrn.  Ditjatin  zeichnet  sich  durch  grosse  Klarheit  in  der 
Darlegung  des  betreffenden  Gegenstandes  aus. 

38.  Ssolowjew,  S.  Geschichte  Russlands  seit  den  ältesten  Zeiten. 
Bd.  XXV.  In  den  drei  Büchern  dieses  Bandes  wird  die  Geschichte 
der  Regierung  Peters  III.  (i.  Buch)  und  der  beiden  ersten  Jahre 
(1762  und  1763)  der  Regierung  der  Kaiserin  Katharina  II.  (2.  und  3. 
Buch)  behandelt.  Von  grossem  Interesse  sind  namentlich  die  bei- 
den letzten  Bücher,  in  welchen  von  den  Unruhen  unter  den  Bauern, 
von  der  ersten  Verschwörung,  von  der  Frage  über  denReichsrath,  über 
die  einzuschränkende  Anwendung  der  Folter,  über  die  ausländischen 
Kolonisten,  über  die  ersten  diplomatischen  Beziehungen,  u.  s.  w.  die 
Rede  ist.  Höchst  ausführlich  erzählt  der  Verfasser,  auf  Grund  neuer, 
ihm  zur  Verfügung  gestellter  Aktenstücke,  die  Geschichte  der 
Thronbesteigung  der  Kaiserin  Katharina.  Als  Beilagen  enthält 
dieser  Band  unter  Anderem  die  Relationen  Keyserling's  aus  War- 
schau, eigenhändige  Briefe  der  Kaiserin,  und  einen  Brief  Frie- 
drich II.  an  Katharina  II. 

39.  SsucJwmlinow^  M,  Geschichte  der  Russisclien  Akademie.  2.  Lief. 
Die  erste  Lieferung  enthielt  die  Biographien  der  geistlichen  Mitglie- 
der der  Akademie,  diese  zweite  Lieferung  enthält  die  Biographien 
der  weltlichen  Mitglieder,  und  zwar  der  Akademiker  S.  Rumowskij, 
S.  Lepechin  und  N.  Oserezkowskij.  In  der  Biographie  des  Ersteren 
finden  sich  unter  Anderem  beachtenswerthe  Mittheilungen  über  die 
akademische  Universität  und  über  die  Studenten  im  XVIII.  Jahr- 
hundert. Aus  der  Biographie  des  Akademikers  Lepechin  erfahren 
wir  Einiges  über  den  Zustand  des  akademischen  Gymnasiums  im 
XVIII.  Jahrhundert,  über  die  Resultate  einer  wissenschaftlichen 
Expedition  durch  Russland^  an  welcher  auch  der  Akademiker  Lepe- 
chin theilgenommen,  und  über  die  wissenschaftliche  Thätigkeit  des- 
selben. In  der  Bipgraphie  des  Akademikers  Oserezkowskij  endlich 
findet  man,  neben  einer  ausführlichen  Schilderung  seines  Wirkens, 
auch  Materialien  in  Bezug  auf  einige,  unter  der  Regierung  des  Kai- 
sers Alexander  eingeführte  Acnderungen  in  den  Statuten  der  Aka- 
demie der  Wissenschaften,  der  Universität  und  der  Censur. 

40.  Wesselago.^  7h.  Skizzen  zur  Geschichte  der  russischen  Marine, 
Mit  Plänen,  Zeichnungen  und  einem  Porträt  Peters  des  Grossen.  I. 
Bd.  Nach  einem  historischen  Ueberblick  über  die  russische  Marine 
bis  zum  XVII.  Jahrhundert,  geht  der  Verfasser  zu  einer  eingehenden 
Beschreibung  der  russisclien  Asow'schen,  Baltischen  und  Kaspi- 
schen  Flotte  unter  Peter  dem  Grossen  über,  wobei  er  ausführlich 
über  die  Grösse  der  Flotte,  über  die  damals  herrschenden  Marine- 
gesetze, über  den  Zustand  der  Hydrographie  und  über  den  Unter- 
richt in  der  Marine- Wissenschaft  Mittheilung  macht.  Dem  Verfasser 
haben  bei  seiner  Arbeit  viele  neue  Archiv-Materialien  zur  Ver- 
fügung gestanden. 

41.  Rittich y  A.  Der  ethnographische  Bestand  der  Kontingaitc  der 
russischen  Armee  und  der  männlicfien  Bevölkerung  Russlands,     Mit 


278 

Hülfe  statistischer  Tabellen  beleuchtet  der  Verfasser  in  diesem 
Werke  ausführlich  das  Verhältniss  der  einzelnen  Stämme  Russlands 
in  ethnographischer  Beziehung.  Es  findet  sich  in  dieser  Unter- 
suchung ein  sehr  reichhaltiges  statistisches  Material. 

42.  Nakko,  A,  Geschichte  Bessarabiens  seit  den  ältesten  Zeiten,  Bd. 
I,  Buch  3.  Dieselbe  umfasst  die  Periode  von  der  Herrschaft  der 
Gothen  bis  zum  XIII.  Jahrhundert. 

43.  Jakuschkin^  A.  Das  Gewohnheitsrecht,  Materialien  zur  Biblio- 
graphie des  Gewohnheitsrechtes,  Lfg.  I.  Obgleich  dieses  Werk  nicht 
streng  in  das  Gebiet  der  historischen  wissenschaftlichen  Literatur 
gehört,  so  kann  die  Geschichtswissenschaft  in  Bezug  auf  die  älteren 
Zeiten  gerade  in  den  Rechtsalterthümern  ein  überaus  reichliches  Ma- 
terial zur  Charakteristik  einer  bestimmten  Periode  vorfinden;  inso- 
fern hat  auch  dieses  Werk  das  Recht  hier  berücksichtigt  zu  werden. 
In  der  Einleitung  spricht  der  Verfasser  im  Allgemeinen  über  die 
praktische  und  historische  Bedeutung  der  Volkssitten  und  Ge- 
bräuche, und  stellt  dabei  den  zu  beobachtenden  Standpunkt  fest. 
Darauf  geht  er  zu  den  Materialien  selbst  über,  welche  streng  syste- 
matisch geordnet  sind. 

44.  Aristow,  N,  Ueber  die  historische  Bedeutung  der  russischen 
Räuberlieder.  Nach  einer  Skizze  des  russischen  Räuberwesens  in 
Russland  bis  zum  XVIII.  Jahrhundert,  wendet  sich  der  Verfasser 
seinem  eigentlichen  Gegenstand  zu  und  stellt  Untersuchungen  über 
die  historische  Basis  der  betreffenden  Lieder  an,  über  die  Orte, 
welche  in  den  Liedern  vorkommen,  über  die  Ursachen  der  Ent- 
stehung der  Räuberbanden,  über  die  Beziehungen  zur  Bevölkerung, 
u.  s.  w. 

45.  Magazin  für  Staatsivissenschaften,  Herausgegeben  unter  Re- 
daktion von  W,  Besobrasow.  Bd.  II*.  Der  vorliegende  Band  enthält 
zwei  beachtenswerthe  Aufsätze  historischen  Inhalts,  und  'zwar: 
I.  «Die  Versammlungen  der  Stände  (seMCKie  coöopu)  in  Moskau» 
von  J.  Ssergejewitsch,  und  2.  «Momente  aus  der  Geschichte  der 
Pressgesetzgebung»  von  A.  Foinitzkij.  Des  erstere  Aufsatz  bietet 
eine  Untersuchung  über  jene  Versammlungen  im  Vergleich  mit 
ähnlichen  Versammlungen  in  Frankreich  und  England,  der  an- 
dere eine  vergleichende  historische  Uebersicht  der  in  den  anderen 
europäischen  Staaten  und  in  Russland  erlassenen  Bestimmungen  in 
Bezug  auf  die  Presse. 

(Fortsetzung  fol^t.) 


*  Vgl.    Russische  Revue»,  BJ.  XI,  S.  90— 93- 


279 


Kleine  Mlttheilnngen. 


Die  Thäligkeit  der  KLaiserlich  Philantropischen  Gesell- 
schaft in  den  Jahren  1874'^1876.  Diese  Gesellschaft  wurde 
auf  Allerhöchsten  Befehl  am  i6.  Mai  i802  unter  der  Regierung  des 
Kaisers  Alexander  I.  gegründet.  Ihre  Thätigkeit  war  in  den  ersten 
14  Jahren  ihres  Bestehens  allein  auf  St.  Petersburg  beschränkt;  erst 
im  Jahre  1816  wurde  es  der  Gesellschaft  gestattet,  ihren  Wirkungs- 
kreis zu  erweitern  und  auch  in  anderen  Städten  des  russischen 
Reichs  Filialen  zu  eröffnen.  Seitdem  hat  sie  sich  mächtig  empor- 
geschwungen und  über  das  ganze  Reich  verbreitet.  Wir  entnehmen 
dem  Bericht  der  Gesellschaft  für  die  Jahre  1874 — 1876  folgende,  die 
segensreiche  Thätigkeit  derselben  kennzeichnenden  Angaben. 

Die  Zahl  der  Armen,  welche  Unterstützungen  erhielten  oder 
anderweitig  versorgt  wurden,  betrug  durchschnittlich  in  einem  jeden 
Jahre  der  Periode ; 


I8I6— 1825    . 

.     4,039 

1846— 1855    . 

.    24,293 

1826— 1835    . 

.     17,212 

1856— 1865    . 

.    24,189 

1836— 1845    . 

•   25,359 

1866— 1875    . 

.     6sjS6 

Der  Etat  der  Einnahmen  und  Ausgaben  bclief  sich  während  der- 
selben zehnjährigen  Perioden  durschschnittlich  jährlich  auf: 


Einnahmen. 

Ausgaben. 

I8I6— 1825    . 

.     153,792  Rbl. 

130,080  Rbl 

1826—1835    • 

•     313,967     • 

265,390    » 

1836— 1845   . 

281,418     • 

273,746    » 

1846-^1855    . 

•     367,858     • 

337*256    • 

1856— 1865    . 

.     509.236     • 

412,109    » 

I 866     I 876     . 

.     813,816     » 

738,600    * 

Im  Jahre  1876  betrug  die  Zahl  der  Armen,  für  welche  die  Gesell- 
schaft Sorge  trug  —  88,964;  die  Einnahmen  bezifferten  sich« auf 
9^,487  Rbl.;  die  Ausgaben  auf  1,039,344  Rbl.  Von  1816— 1876 
smd  somit  im  Ganzen  1,692,741  Arme  in  verschiedener  Weise  unter- 
stützt worden,  wofür  bei  einer  Einnahme  von  25,537,086  Rbl.  — 
22,691,910  Rbl.  verausgabt  worden  sind.  Demnach  besass  die  Ge- 
sellschaft am  I.Januar  1877  (nach  Abzug  einiger  kleiner  Summen, 
die  nicht  ihr  direktes  Eigcnlhum  bildeten)  ein  Kapital  von  2,754,372 
Rbl.  Die  der  Gesellschaft  gehörenden  Immobilien  repräsentiren 
ferner  einen  Werth  von  9,702,448  Rbl.  Endlich  besitzt  sie  noch 
29,1 14  Dessjätinen  Land  im  Werthe  von  826,590  Rbl.,  von  welchen 
sie  eine  Einnahme  von  41,524  Kbl.  bezieht. 


28o 

Der  Umfang  der  Thätigkeit  der  Philantropischen  Gesellschaft 
erstreckte  sich  zu  Anfang  des  Jahres  1877  über  die  beiden  Haupt- 
städte und  1 3  Gouvernements  (Chersson,  Jaroslaw,  Kaluga,  Kasan, 
Kostroma,  Minsk,  Moskau,  Pensa,  Rjasan,  Tschernigow,  Ufa,  Wla- 
dimir, Woronesh);  bei  der  Ausübung  der  Wohlthätigkeit  betheilig- 
ten sich  über  2200  Personen. 

Im  Jahre  1876  unterhielt  die  Gesellschaft  im  Ganzen  72  Wohlthä- 
tigkeits- Anstalten  und  ausserdem  13  Kirchen.  Unter  den  Ersteren 
befanden  sich: 

a)  27  Erziehungsanstalten  mit  2325  Lernenden.  Der  Unterhalt 
dieser  Anstalten  kostete  340,482  Rbl.; 

b)  22  Armenhäuser  mit  1424  Personen,  für  deren  Unterhalt 
112,503  Rbl.  verausgabt  wurden; 

c)  6  MedizinaUnstitute,  in  denen  49,344  Personen  ärztliche  Hülfe 
zuTheil  geworden  ist;  die  Ausgaben  beliefen  sich  hier  auf  28, 573  Rbl.; 

d)  17  Wohlthätigkeits-Institute  verschiedener  Art,  wie  z.  B.  Ko- 
mite's,  Nähmaschinen-Werkstätten,  Frauen-Asyle  etc.  Hier  sind 
27,993  Personen  Unterstützungen  mannigfacher  Art  zu  Theil  ge- 
worden; die  Ausgaben  betrugen  95,000  Rbl. 

Der  Unterhalt  der  1 5  Kirchen  kostete  20,393  Rbl. 

Den  Mittelpunkt  der  Thätigkeit  der  Gesellschaft  bildete  auch  im 
Jahre  1876,  wie  früher,  St.  Petersburg;  dann  folgen  Moskau  und  die 
anderen  Städte  des  Reichs.  Von  den  88,964  Personen,  über  welche 
sich  in  jenem  Jahre  die  Fürsorge  der  Philantropischen  Gesellschaft 
erstreckte,  kommen  auf  St.  Petersburg  —  49,511,  auf  Moskau  — 
19,301  und  auf  die  übrigen  Städte  —  20,152  Personen. 


Zur  Statistik  der  Güterbewegung  im  Gouvernement 
St  Petersburg  in  den  Jahren  1867—1876.  Hr.  A,  Stein, 
Mitglied  der  Kaiserlich  Russischen  Geographischen  Gesellschaft,  hat 
unlängst  eine  interessante  Broschüre  in  Bezug  auf  den  in  der  Ueber- 
Schrift  bezeichneten  Gegenstand  herausgegeben ^  welches  ein  in 
vielen  Beziehungen  höchst  wichtiges  statistisches  Material  enthält. 
Wir  entnehmen  derselben  folgende  Hauptangaben: 

Die  Zahl  der,  in  der  zehnjährigen  Periode  1867 — iSjö^m 
Gouvernement  St.  Petersburg  von  dem  Bezirksgericht  bestätigten 
Kaufbriefe  betrug  3062,  denen  zufolge  762,291  Dessjatinen  in  an- 
dere Hände  übergegangen  sind ;  somit  hat  fast  der  fünfte  Theil  des 
ganzen  Areals  des  St.  Petersburger  Gouvernements  seine  Besitzer 
gewechselt.  Während  dieser  Periode  nahm  die  Güterbewegung  von 
Jahr  zu  Jahr  zu:  Während  im  Jahre  1867  im  Ganzen  34,107  Dcssj. 


*    IIlTettH-b,    Vi,  A.     CraTBCTHxa  KyiUH-npo^ancH    noaen&sbHoil    coGcTBetmocTH   bi> 
C.-neTep<iyprcKoB  ryÖepHiii  aa  1867—1876  toab. 


28l 

verkauft  worden  waren,  stieg  diese  Zahl  im  Jahre  1876  bis  auf 
83,846  Dessj.;  im  folgenden  Jahr  sank  sie  zwar  bis  auf  72,316  Dessj., 
stieg  aber  nach  drei  Jahren  wieder  bis  auf  125,719  Dessjatinen. 

Weiter  ergibt  es  sich ,  wenn  wir  die  Güterbewegung  in  Bezug  auf 
die  verschiedenen,  dabei  betheiligten  Stände  betrachten,  dass  die 
metsten  und  dabei  die  grössten  der  verkauften  Güter  dem  Adel  ange- 
hört, und  zwar  49,15  pCt.  der  verkauften  Güter  und  83,50  pCt.  vom 
gesammten  verkauften  Areal ;  durch  Kauf  erworben  haben  sie  da- 
gegen nur  23,71  pCt.  der  verkauften  Güter  und  46,75  pCt.  des  ge- 
sammten verkauften  Areals.  Die  durchschnittliche  Grösse  der  ge- 
kauften Güter  beträgt  490  Dessjatinen. 

Die  Zahl  der  Güterverkäufer  aus  dem  Bauernstände  beträgt 
15,94  pCt.,  der  Güterkäufer  28,12  pCt;  die  von  den  Bauern  ver- 
kauften Güter  betragen  0,93  pCt.  des  gesammten  verkauften,  und 
die  von  ihnen  gekauften  Güter  10,59  pCt.  des  gesammten  käuflich 
erworbenen  Areals.  Die  durchschnittliche  Grösse  der  verkauften 
Güter  ist  gleich  14,53  Dessj.,  ^^^  gekauften  93,55  Dessjat.  Diese 
Zahlen  weisen  somit  auf  eine  relative  Vermehrung  des  bäuerlichen 
Besitzthums  und  zum  Theil  auch  auf  eine  Erhöhung  des  bäuerlichen 
Wohlstandes  hin. 

Die  meisten  der  adeligen  Güter  sind  in  die  Hände  der  sogenannten 
csfädtischen  Stände»,  ropoACRiH  cocJiosiü,  (Ehrenbürger,  Kleinbür- 
ger, Kaufleute  etc)  übergegangen.  Die  Zahl  der  Verkäufer  beträgt 
in  dieser  Gruppe  28,55  pCt.,  der  Käufer  42,63  pCt.;  auf  die  Ver- 
käufer dieser  Gruppe  kommen  14,38  pCt.  des  gesammten  verkauften 
Areals,  und  auf  die  Käufer  42,41  pCt.  des  gesammten  gekauften 
Areals.  Die  durchschnittliche  Grösse  eines  verkauften  Gutes  be- 
trug hier  116,80  Dessj.,  eines  gekauften  242  Dessjatinen. 

Verschiedene  Institutionen,  sowie  auch  Eisenbahnen  haben 
6,40  pCt.  der  Güter  und  2,19  pCt.  des  gesammten  Areals  verkauft 
und  4,54  pCt.  der  Güter  und  4,54  pCt.  des  gesammten  Areals  ge- 
kauft. Die  durchschittliche  Grösse  eines  verkauften  Gutes  kam 
-gleich  85,25  Dessj.  und  eines  gekauften  13,43  Dessjatinen. 

Es  ist  somit  in  den  beiden  Gruppen  der  adeligen  Besitzer  und  in 
derjenigen  der  verschiedenen  Institutionen  die  2Jahl  der  Käufer  ge- 
ringer als  die  der  Verkäufer,  und  zwar  in  der  ersteren  um  52  pCt, 
in  der  letzteren  um  30  pCt.  Umgekehrt  ist  in  den  beiden  anderen 
Gruppen  der  städtischen  Stände  und  des  Bauernstandes  die  Zahl  der 
Käufer  grösser  als  die  der  Verkäufer,  und  zwar  in  der  ersten  Gruppe 
um  54  pCt„  in  der  andern  um  76  pCt.  Was  ferner  die  Grösse  des 
käuflich  erworbenen  und  des  verkauften  Areals  betrifft,  so  ist  das 
erstere  bei  der  Gruppe  der  Bauern  um  1040  pCt.  und  bei  der 
Gruppe  der  städtischen  Stände  um  217  ^Qx,  grösser  als  das  letztere; 
kleiner  ist  dagegen  das  erstere  als  das  letztere  bei  der  Gruppe  der 
adeligen  Besitzer  um  44  pCt.  und  bei  derjenigen  der  verschiedenen 
Institutionen  um  89  pCt. 

In  Bezug  auf  die  Gruppe  der  adeligen  Besitzer  ist  zu  bemerken, 
dass  hier  in  den  fünf  Kreisen  des  St.  Petersburger  Gouvernements: 


282 

Gdow,  Luga,  Nowoladoga,  Schlüsselburg,  Jamburg,  durchschnittlich 
die  gekauften  Güter  grösser  waren  als  die  verkauften»  dagegen  in 
den  drei  anderen  Kreisen:  St.  Petersburg,  Peterhof,  Zarskoje  Sselo 
kleiner.  Die  von  den  städtischen  Ständen  und  den  Bauern  käuflich 
en\orbenen  Güter  sind  in  allen  Kreisen,  mit  alleiniger  Ausnahme 
des  St.  Petersburger  Kreises,  durchschnittlich  grösser  als  die  ver- 
kauften. In  der  Gruppe  der  verschiedenen  Institutionen  sind  nur 
die  in  den  Kreisen  St.  Petersburg  und  Jamburg  gekauften  Güter 
grösser  als  die  verkauften. 

Aus  der  Gesammtzahl  der  verkauften  Güter  und  des  gekauften 
Areals  sind  an  Besitzer  anderer  Stände  übergegangen  in  den 
Kreisen : 

Güter.  Areal. 

Gdow 59,89  pCt.  49,00  pCt. 

Jamburg 46,80  *  26,71 

Luga 46.37  *  31^08 

Nowoladoga 43>S4  *  49,oo 

Zarskoje-Sselo ,     .     .     .  37,83  »  48,36     » 

Schlüsselburg 32,86  *  20,39     * 

Peterhof 26,47  *  38,40 

St.  Petersburg 13149  ■  32,56 

Durchschnittlich     .     .  27,30  ■  28,69     » 

Bemerkenswerth  ist,  dass  die  Zahl  der,  auf  dem  Wege  der  Auk- 
tion verkauften  Güter  von  Jahr  zu  Jahr  abnimmt,  sie  beträgt  18,25 
pCt.  von  der  Gesammtzahl  der  verkauften  Güter.  Am  geringsten 
war  die  Zahl  der  verauktionirten  Güter  in  den  Kreisen  Gdow, 
St.  Petersburg  und  Jamburg.  Was  endlich  im  Allgemeinen  die 
Grösse  der  verkauften  Güter  betrifft,  so  herrschte  fast  nur  in  zwei 
Kreisen:  St.  Petersburg  und '  Peterhof,  der  Verkauf  kleinerer  Land- 
parzellen  bis  zu  10  Dessj.  vor,  in  den  anderen  Kreisen  daijegen  hat- 
ten die  Güter  meist  eine  Grösse  von  über  10  Dessj.  bis  zu  looo 
Dessjatinen. 


• 


» 


Literatiirbericlit. 


PoiemeüMs  M,  fJ.  OnepKS  ucnwpiu  eoenuo'cydeCuuxs  yHpeoKdemü  es  Pocciu  do  konhuhu 
Ilenipa  BeAUKaio. 

Kosenhelm^  M.  P.   Kitte  Skizze  der  Geschichte  ihr  Militäti^erichts-Tnstiitttiotiett  iti  Ru<^- 
iaiid  bis  zttttt  Tode  Peters  des  Grossett,     St.  Pbg    1878.  8".  VI  -|-  376  S. 

Die  Initiative  zu  diesem,   für  die  allgemeine  Geschichte  des  russi- 
schen Reichs  höchst  wichtigen  Werke  des  Hrn.  Rosenheim  gebührt 


283 

dem  Kriegsministerium.  Der  vorliegende  Band  umfasst,  wie  schon 
der  Titel  besagt,  die  Geschichte  der  militärischen  Jurisdiktion  bis 
Peter  dem  Grossen,  unter  dessen  Regierung  ein  selbstständigcs  Mi- 
litärgericht organisirt,  und  ein  spezielles  Gesetzbuch  für  dasselbe 
herausgegeben  wurde.  Der  Verfasser  entwirft  zuerst  eine  kurze 
Skizze  der  militärischen  Jurisdiktion  im  vorpetrinischen  Russland, 
geht  darauf  zur  Zeit  Peter  des  Grossen  über  bis  zum  Militär- 
Reglement  (BOHHCKiö  ycTaBt)  vom  Jahre  1716,  welches  er,  sowie 
auch  das  Marine-Reglement  (MopcKofl  ycTaet)  vom  Jahre  1720, 
einer  eingehenden  Erörterung  unterwirft,  führt  dann  die  Verbesse- 
rungen desselben  auf,  um  welche  Peter  der  Grosse  später  Sorge 
getragen,  und  schliesst  endlich  mit  einem  allgemeinen  Ueberblick 
auf  den  Zustand  der  militärischen  Jurisdiktion  bei  dem  Tode  Peters 
des  Grossen. 

Obgleich  im  vorpetrinischen  Russland  eigentlich,  wenn  man 
von  den  Strelzy  absieht,  kein  reguläres  stehendes  Heer  bestand,  so 
machte  sich  im  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  doch  schon  das  Be- 
dürfniss  nach  einer  festeren  militärischen  Organisation  fühlbar.  So 
erschien  in  Russland  im  Jahre  1621  ein,  noch  auf  Grund  eines  Be 
fehls  des  Zaren  Wassilij  Iwanowitsch  Schuiskij  aus  dem  Lateini- 
schen übersetztes  Werk:  «Ueber  das  Heerwesen,  die  Artillerie  und 
andere  zur  Kriegswissenschaft  in  Beziehung  stehende  Dinge»  (ycTam> 
o  paTHbix  L,  nyuiKapcKUx-b  h  ApyrHxi»  Adbüi»,  KacaiomHXCfl  ao  BoeH- 
Hoft  HayKH);  auf  Geheiss  des  Zaren  Alexei  Michailowitsch  wurde 
ferner  ein  Reglement  für  den  Infanterie  Dienst  (YneHbe  h  XHTpocTb 
paTHaro  cxpoeHia  n'fexoTHbixi»  JiiOÄefl)  ausgearbeitet;  ausserdem 
wurden  auch  einige  Bestimmungen  in  Bezug  auf  militärische  Iuris- 
diktion  in  das  Gesetzbuch  vom  Jahre  1849  aufgenommen,  so  Kap.  VII : 
«Ueber  den  Militärdienst  im  Moskauer  Reich»  (O  cjiyHCö'fe  BCflKdx-b 
paTHUxi»  jiiOAefl  MocKOBCKaro  rocy^apcxBa),  Kap.  VIII:  «Ueber  die 
Strelzy»  (O  cxp'fejibuax'b)  und  Kap.  XXIV:  »Ueber  die  Atamane 
und  Kosaken  •  (O  axaManax-b  h  KoaaKax-b).  Diese  Bestimmungen 
waren  höchst  unklar,  unsystematisch  und  unvollständig.  Erst  als 
Peter  der  Grosse  im  Jahre  1716  jenes,  nach  ausländischem  Muster 
zusammengestellte  Reglement  herausgab,  erhielten  alle  Bestim- 
mungen über  die  militärische  Jurisdiktion  eine  präzisere,  regelrechte, 
systematische  Form.  Dieses  Reglement,  bis  zu  seinem  Tode  unab- 
lässig verbessert,  übergab  er  seinen  Nachfolgern  in  folgender 
Form.  Es  bestanden  vier  Arten  des  Militärgerichts:  i.  Das  höhere 
oder  Generalitäts-Militärgericht  für  Vergehen  der  höheren  Militär- 
personen, für  besonders  wichtige  Vergehen  oder  von  ganzen  Trup- 
pentheilen  begangene  Vergehen.  2.  Das  niedere  Militärgericht  für 
Stabs-  und  Oberoffiziere,  und  für  Untermilitärs  bei  minder  wichtigen 
Vergehen.  3.  Das  rasch  entscheidende  (cKopop'feuiHTeJibHuft  cyAi») 
Gericht,  dessen  Bestand  derselbe  war,  wie  bei  dem  niederen  Militär- 
gericht, und  welches  sich  nur  durch  die  Schnelligkeit  des  Gerichts- 
verfahrens von  demselben  unterschied ;  es  kam  nur  in  Kriegszeiten 
zur  Anwendung.  4.  Das  Offiziersgericht.  Ausserdem  waren  in  gewissen 


-^  284 

Fällen  auch  Disziplinarstrafen  und  sogar  die  Todesstrafe  ohne  ge- 
richtliches Erkenntniss  gestattet.  Das  juristische  Element  bei  den 
Militärgerichten  bestand  aus  dem  General-Auditeur,  dem  General- 
Auditeur-Lieutenant,  dem  Ober-Auditeur  und  dem  Regiments- 
Auditeur.  Die  Strafen  waren  in  sechs  Kategorien  getheilt:  i.  Leichte 
Körperstrafen;  2.  schwere  Körperstrafen;  3.  Todesstrafen;  4,  leichte 
Ehreitistrafen ;  5.  schwere  Ehrenstrafen;  und  6.  Geldstrafen. 


Beyne  Bnssischer  Zeitschiifteii. 


«Russisches    Archiv»     (Russkij    Archiv   —    PyccKiß    ApxHB'b). 

1878.     Heft  4.     Inhalt: 

Briefe  der  Kaiserin  Katharina  II.  an  die  l^andgräfm  Karoline  von  Hessen-Darmstadt. 
—  Projekt  zur  Hebung  des  russischen  Handels  mit  Asien  über  Chiwa  und  Buchara. 
Eine  Notiz  von  G.  S,  IVinskif,  —  Professor  Evers  nach  den  Memoiren  von  //,  IV, 
Batalin,  Mitgetheilt  von  Z>,  Rjabinin.  —  Erinnerungen  des  Dr.  Seidlitz  an  den  türki- 
schen Feldzug  des  Jahres  1829.  —  Schicksale  eines  LivlHnders  in  St.  Petersburg. — 
Ein  Brief  von  Krusenstem  an  O.  Ribas.  —  Briefe  über  die  lateinische  Sprache  im 
Kollegium  zu  Charkow  im  Jahre  1877.  Mitgetheilt  von  L.  Maziewitsch. 

Heft  5.  Inhalt: 

Eine  Schrift  von  J.  Nepljujew  über  die  Organisation  des  Urarschen  Kosakenhecres 
während  der  Regierung  der  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna.  Von  II,  Witewskij.  —  Der 
Feldzug  nach  Chiwa  im  Jahre  1829.  Ein  Brief  des  Grafen  W.  A.  Perowskij  an  A,  J. 
Bulgakow. — Aus  den  Papieren  von  S.  Scliewyrew.  —  Die  Russen  im  Archipel  im  Jahre 
1771,  Eine  Notiz  von  Pomjalo-vshij,  —  Ein  Brief  des  Admirah  Spiridow  an  die  Be- 
wohner der  Insel  Syros,  —  Aus  den  Memoiren  von  A.  S.  Laschkarew  (die  Flucht  des 
Königs  Ludwig  aus  Holland  im  Jahre  18 10).  —  Das  neue  Testament  in  kleinrussischer 
Sprache.  Eine  Notiz,  von  J,  Pawlowskij,  —  Bemerkungen  des  Metropoliten  Philaret 
über  das  kanonische  Recht. 

« 

Heft  6.  Inhalt: 

Vierzehn  Briefe  der  Kaiserin  Maria  Fedorowna  an  den  Ober  Kammerherrn,  Fürsten 
A,  M.  Golitzyn  (1796 — 1802).  Mitgetheilt  von  M,  W.  Ohsufjau.  —  Aus  den  Er- 
innerungen von  Scrgei  Pawlowitsch  Schipow.  —  Fürst  W.  A.  Tscherkaskij.  Er- 
innerungen von  P,  A.  J,  Bessonmo.  —  Die  letzten  Tage  und  der  Tod  W.  A.  Tscher- 
kaskij (mit  Auszügen  aus  seinen  Briefen).  —  Reval.  Erinnerungen  von  F.  /.,  Ljah- 
k(Ko  (1822  1825).  —  Schick.sale  eines  Livländers  in  St.  Petersburg.  —  Ein  Brief  des 
Grossfürstcn  Alexander  Pawlowitsch  an  Plestschejew.  Mitgetheilt  von  \V.  Jeropkin,  — 
Ein  Brief  des  Kaisers  Paul  an  den  Gouverneur  von  Rjasan  Ssonin.  —  Ein  Brief  des 
Grafen  Th.  W.  Rostoptschln  an  die  GrossfUrstin  Katharina  Pawlowna.  —  Ein  Brief  des 
Malers  A.  Iwanow  über  sein  Christusbild. 

♦Journal  des  Ministeriums  der  Wegeverbindungen»  (Shurnal  Mini- 
sterstwa  Putci  Ssoobschtschenija — )KypHajib  MnuHCTcpcxBa  Ilyrett 

CoOÖmeHIH).    1878.  Heft  4.  Inhalt: 

Auszug  aus  dem  Bericht  des  Mininisters  der  Wegeverbindungen  für  die  Jahre 
1869 — 187a.  (Fortsetzung.)  —  Don-Skizzen,  lll.  Der  untere  Lauf.  Von  O.  Gamalitzkij, 


28$ 

-—  Vergleichende  Uebersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben  der  russischen .  Eisen- 
bahnen im  Jahre  1876.  Von  A,  Lischin,  —  Die  Roggenbeförderung  auf  den  russischen 
Eisenbahnen  im  Jahre  1876.  (Fortsetzung.)  Von  IV,  Stankowskij,  —  Tabelle  der  im 
März  1878  auf  den  Eisenbahnen  nach  St.  Petersburg  eingeführten  Lasten.  —  Die 
Brutto-Einnahme  der  russischen  Eisenbahnen  im  Dezember  1877  und  im  Jahre  1877.  — 
Der  Kanal  auf  dem  Missisippi  bei  der  Stadt  Keokuk  im  Staate  Jowa.  (Schtuss.)  Von 
0,  Dara^an,  —  Versuch  einer  regelrechten  Bestimmung  der  Grösse  der  Eisenbahnzüge 
und  der  Schnelligkeit  ihres  Ganges  bei  verschiedenen  Neigungen.  Von  K.  Prietz.  — 
Ueber  die,  von  der  technischen  Kommission  des  deutschen  Eisenbahn* Verbandes  vor- 
geschlagenen Normen  zur  Bestimmung  der  Qualität  des  Stahls  und  des  Eisens.  Von 
A.  G,  —  Technische  Notizen,    Von  N,  Tsc/uiikowskij. 

Heft  5.  Inhalt: 

Auszug  aus  dem  Bericht  des  Ministers  der  Wegeverbindungen  für  die  Jahre  1869  bis 
1872.  (Forlsetzung.)  —  Das  Institut  der  Ingenieure  der  Wegeverbindungen  im  Jahre 
1877,  —  Ueber  Pensions-,  Leih-  und  Sparkassen  bei  Eisenbahnen.  —  Die  Roggen- 
beförderung  auf  den  russsischen  Eisenbahnen  im  Jahre  1876.  (Schluss.)  Von  IV, 
Stankowskij.  —  Die  Brutto-Einnahmen  der  russischen  Eisenbahnen  und  die  Zahl  der 
auf  ihnen  beförderten  Passagiere  und  Waaren  im  Januar  und  Februar  1878.  —  Tabelle 
der  im  April  1878  auf  der  Neva  und  auf  den  Eisenbahnen  nach  St.  Petersburg  ein- 
geführten lösten.  —  Versuch  einer  regelrechten  Bestimmung  der  Grösse  der  Eisen- 
bahnzüge und  der  Schnelligkeit  ihres  Ganges  bei  verschiedenen  Neigungen.  Von 
A'.  Prktz.  —  Die  Regeneration  der  Produkte  des  Brennens.  Von  A,  Lischin.  —  Ueber 
die  Nivellirungs-Arbeiten  auf  dem  Kaukasus  zum  Zweck  eines  Eisenbahnbaues.  Von 
7.  Cliodsko, 

Heft  6.  Inhalt : 

Auszug  aus  dem  Bericht  des  Ministers  der  Wegeverbindungen  für  die  Jahre  1869  bis 
1872.  (Fortsetzung.)  Sitzungs-Protokolle  des  Kongresses  der  DampfschiflTahrts-  und 
Barkeiischifffahrts-Unternehmens.  —  Kurze  Uebersicht  der  Wasserwege  im  Europäi- 
schen Russland.  Von  A\  iV,  Michailow,  Don-Skizzen  IV.  Der  physische  Charakter 
des  Don.  Von  0,  GamaliizkiJ.  —  Bemerkungen  über  die  Beförderungsfähigkeit  der 
Eisenbahn  Grjasi-Zarizin.  Von  A''.  Kulshitiskij,  —  Die  Brutto-Einnahmen  der  russi- 
schen Eisenbahnen  und  die  Zahl  der  auf  ihnen  beforderten  Passagiere  und  Waaren  im 
März  187S.  —  Tabelle  der  im  Mai  1878  nach  St.  Petersburg  auf  der  Newa  und  auf  den 
Eibenbahiien  eingeführten  Lasten.  —  Ueber  Flussregulirungen.  Von  /*'.  von  Zur- 
MuhUn,  —  Technische  Notizen.  Von  N.  Tschaikowski/. 

•  Das  alte  und  neue  Russland»  (Drewnjaja  i  Nowaja  Rossija  — 

/ipeBHHH  H  HoBan  TocciH).     1878.  Heft  4..  Inhalt: 

Züge  nationaler  Selbstständigkeit  in  der  altrussischen  Architektur.  (Schluss.)  Von 
y,  S.  Saiu'iin,  —  A.  W.Kolzow.  Ill — IV.  Eine  biographische  Skizze  von  Th.De-PouU, 

—  Die  Angelegenheit  des  Seconde-Majors  Dershawin.  Von  S.  M,  SchpiieivskiJ,  — 
Eine  Episode  aus  dem  Leben  von  Krekschin.  Von  y.  ^^.  ycssipow.  —  üeber  einen 
Feld/ug  nach  Afghanistan.  —  Kleine  Notizen  und  Berichtigungen. 

Heft  5.  Inhalt: 

A,  W.  Kolzow.  V — VI.  Eine  biographiFche  Skizze  von  77/.  Dc'Poulc.  —  Von  der 
Scheksna  bis  zum  Kubenskischen  See,  Reiseskizzen  von  /*'.  Arsscnjav,  —  Die 
Schlacht  bei  Kamenitza  im  Mai  1809.  Von  P,  Rowinskij,  —  Die  unfreiwillige  Monchs- 
weihe  bei  unseren  Vorfahren  bis  zum  XVII.  Jahrh.  Von  V rof ^Aris/oio,  —  Kritik  und 
Bibliographie.  —  AU  Gr.  Iljinskij.  Von  Prof.  Aristow,  —  Kleine  Notizen  und  Be- 
merkungen. 

—  -   lieft  6.  Inhalt: 

Von  der  Scheksna  bis  zum  Kubenskischen  See,  Reiseskizzen  von  F,  Arssenjeiv.  — 
A.  W.Kolzow.    VII— VUL     Von    Th     De- Po u/e.   -  J.V.  Oiamoiin  (1606—1638). 


286 

Von  M.  Puziilih.  —  Russland  und  die  Königin  Viktoria  während  des  Krim-Fcldzuges  und 
der  Zeit  des  Pariser  Traktots.  Von  N,  Firssow.  —  Die  unfreiwillige  Mönchswethe  bei 
unseren  Vorfahren  bis  zum  XVIT.  Jahrh.  II.  Von  Prof,  Aristow.  —  Ueberreste  der 
alten  Vermessung  in  Russland.  Von  A,  Ssaweljew,  —  Kleine  Notizen  und  Be- 
merkungen. 

«Journal  des  Ministeriums  der  Volksaufklärung»   (Shurnal  Mini- 
sterstwa  Narodnago  Prosweschtschenija  —  Äypnaji'b  MHHHcrepcTBa 

HapoAHaro    npOCB^meHiÄ).      1878.     Heft  6.    Inhalt: 

Ueber  die  Grundbegriffe  der  Psychologie.  (Schluss.)  Von  P,  Strackow.  —  Gegen- 
stand, Aufgabe,  Ziel,  Umfang  und  Unterricht  der  klassischen  Philologie.  Von  P,  Mo- 
d€sto7u,  —  Die  historisch-geographischen  Nachrichten  von  Herberstein.  Von  E,  Sa- 
myslowskij.  —  Patrik  Gordon  und  dessen  Tagebuch.  (Schluss.)  Von  Prof.  Brückner.  — 
Kritische  und  bibliographische  Notizen.  —  Nachrichten  über  die  russischen  Lehr- 
anstalten. —  Abtheilung  für  klassische  Philologie:  Zur  Frage  über  die  griechischen 
Verbalformen.  Von  A,  Nauck,  —  Protokoll  der  Sitzung  der  St.  Petersburger  Abtheilung 
des  Vereins  für  klassische  Philologie  und  Pädagogik  am  28.  März  1878. 

Heft  7.  Inhalt: 

Die  Schulen  und  die  Aufklärung  in  der  Patriarchen-Periode.  Von  G,  Markaivitsch. — 
Die  byzantinischen  Chronisten,  als  Quelle  zur  Geschichte*  der  südlichen  Slaven  in  der 
Periode  der  Vernichtung  ihrer  Selbstständigkeit.  Von  G,  Katschanowskij,  —  Bemer- 
kungen über  das  Gewohnheitsrecht.  Von  Y,  Leonto-ivitsch,  —  Kritische  und  bibliogra- 
phische Bemerkungen.  —  Die  Kaiserliche  Oeffentliche  Bibliothek  im  Jahre  1876.  — 
Nachrichten  über  die  Unterrichtsanstalten.  —  Abtheilung  für  klassische  Philologie,  Ob- 
servationcs  antiphontcae.  Von  V,  Jcmstedt,  —  Die  Arbeiten  in  dem  Russischen  Philo- 
logischen Verein  in  Leipzig. 

Heft  8.  Inhalt: 

Auszug  aus  dem  Allerunterthänigsten  Rechenschaftsbericht  des  Ministers  der  Volks- 
aufklärung für  1876.  —  Montenegro,  Von  D,  Bakitsch,  —  Der  Einfluss  des  römischen 
Kaiserthums  auf  die  Literatur.  Die  römische  Literatur  unter  Tibcrius.  Von  IV.  Motle- 
stow,  —  Kritische  und  bibliographische  Bemerkungen.  —  Unsere  pädagogische  Litera- 
■  tur.  —  Auszug  aus  dem  Bericht  des  Kurators  des  kaukasischen  Lehrbezirks  für  das 
Jahr  1877.  —  Nachrichten  über  die  Untcrrichlsanstallen.  —  Abtheilung  für  klassische 
Philologie,  Die  Stellung  der  Frau  in  der  (Gesellschaft  und  in  der  Familie  bei  den  alten 
Römern.  Von  K,  Ilölbe.  —  Homer 's  Odyssee  mit  Bemerkungen  von  y,  Meyer,  Lfg.  I. 
Erster  und  dritter  Gesang. 


Russische  Bibliographie. 


-«-'•••   y    •- 


Pawlischtschew,  N.  J.,  Werke.  Bd.  I.  Die  polnische  Anarchie  unter  Jan  Kasimir 
und  der  Krieg  um  die- Ukraine.  St.  Pbrg.  1878.  8".  Vlll  -(-  262  S.  mit  Portraits  und 
I  Karte.  (IlaBJnilltevfc,  H.  H.,  Co4iiHeHi)i.  Tomi>  I.  IIoAiCKaii  aHapxin  npu  Hirh  Ka3u- 
MMpii  M  BottHa  3a  yipaftHy.) 

Skalkowskij,  K.,  Im  Lande  der  Bedrückung  und  <ler  Freiheit.  Reise-Kindrücke- 
St.  Pbrg.  1878.  Ö*^  X4-415S.  (CBftJMOBOSiit,  K.,  Bi>  CTpaHt  ura  u  cboöoam. 
IlyTeaua  BntnaTJi'feHiji.) 


28y 

Stratilatow,  J.,  Die  Artillerie.  Für  die  Schüler  der  Junker-Schule  in  Twer.  Bd.  II. 
Das  Pulver.  Twer  1878.  8^  76  -|-  113  4"  3  S.  (OTpaTUnTOBK,  H.,  ApTHjuepia  mm 
lOHKepoBi»  TBepcKaro  y«MJiHiiui.  HacTb  11.  FIopoxi».) 

Minajew,  J.,  Skizzen  aus  Ceylon  und  Indien.  Reisenotizen  eines  Russen.  Erster 
Theil  St.  Pbrfir.  1878.  8^  V  +  285  S.  Zweiter  Theil.  St.  Pbrg.  1878.  8^  244  S. 
(]faiEaOB%,  H.  P.«  GhepiH  IXeftJiOHa  h  HiiAiH.  Hai»  nyreBbirb  saMliTOKi»  pycciaio.)  , 

IiUkanin,  A.,  Die  Bevölkerung  des  Kreises  Ochansk  des  Gouvernement  Perm 
nach  Ständen,  Altersklassen  und  Familienstand.  St.  Pbr?.  1878.  8^.  58  S.  (JlysaHm, 
A.,  HaceJiCHie  OxaHCxaro  y^a^a  no  cocjiOBiun>,  BoapacTam»  h  ccHettHOHy  cocTasy.) 

Sresnewskjj,  J.,  DieFriaulischenSlaven.  St.Pbrg.  1878.  8^  91S.  (CpeSHeBCKitt, 
H.  H.,  <l>piy^bCKic  C;iaiiflHe.) 

Englische  Minenversuche  und  Sperrungen  gegen  Minen.  St.  Pbrg.  1878.  8^. 
IV  -f-  49  S.  (AHr;iiflCKie  onuTu  hbai»  nBHaMH  h  aarpavAeuifliiH  npoTHBi»  hhxi>.) 

Brandt,  A.,  Materie  und  Form.  St.  Pbrg,. 1878.  8^  21  S. 

PotOZkij,  J.>  Die  türkischen  Flinten  während  des  Krieges  vom  Jahre  1877.  Ein 
Vergleich  der  türkischen  mit  der  russischen  Bewaffnung.  St.  Pbrg.  1878.  8^. 
28  S.  und  3  Tafeln.  (ÜOTOipÜft,  A.,  TypenKix  pyxbs  bo  Bpeiifl  boMhm  1877  r. 
CpaBHCHiü  Typeuicaro  BoopyxceHiji  ci>  pyccKBin».) 

Ljubowskij,  A,.  Juristische  Monographien  und  Untersuchungen.  St.  Pbrg.  1878. 
8^  X  -|-  35  S   (JboOOBOBiJk,  A.,  lOpuAHHecKi]!  MOHorpa^iu  u  uacjiiiAOBaHiji.) 

Haage,  B.,  Die  Atomtheorie  der  neueren  Chemiker.  St   Pbrg.  1878.  8^  34  S 

Janshul,  J.,  Brittische  Interessen  im  Orient.  St.  Pbrg.  1878.  8^.  23  S.  (jIh- 
MfJPby  H.,  BpMTaucKic  HHTepeccbi  Ha  BocTorb.) 

• 

Russische  Bibliothek,  VIII.  Bd.  Ausgewählte  Erzählungen  von  M.  Ssaltykow 
(N.  StSChedrin).  St.  Pbrg.  1878.  12^  VUI+438S.  (PyccKan  Uu6AiomeKa, 
TOMi>  VIII.   M.  E.  CaJRUKOKb,  (H.  H^ffpSKB). 

Kursus  des  russischen  Civilrechts.  Bd^I.  Allgemeiner  Theil.  Die  Lehre  von  den 
Quellen  des  Rechts.  Odessa.  1878.  8^*.  112  S.  (Kypcb  pyccKaro  rpaxcAaiiCKaro  npasa. 
T.  I.  OCuvan  nacTb.  yseHie  o(n»  McroHHHiaxi»  npasa.) 

Starkow,  A.  Zur  Frage  über  die  Integration  Ifniarcr  Differentialgleichungen  mit 
veränderlichen  Cocfficienten.  Odessa.  1878.  8®.  71  S. 

Medizinisches  Archiv,  herausgegeben  von  der*  Kaiserlichen  Kaukasischen  Mcdizini- 
sehen  Gesellschaft.  Lfg.  26.  TiÜis.  1878.  8^  V  +  95  +  18  H- 17  +  13  S.  mit  6  Plänen. 
(MeAimuHcicifl  CöupHiiirb,   usAaBaeMhiü  IiifnepaTopcKHMi>  KaBKaacKUMi»  MeAimuiicKuin> 

OömeCTUOMT..) 

Joannissiani,  A.  Borshom  und  dessen  mineralische  Quellen.  Tiflis.  1878.  8^ 
105  -|-  II  S.  (loaHHHOiaHH,  A.  BopMconi»  u  ero  MUHepayibHMc  uctomiiiiku.) 

Gholmskij,  Dr.  Metcreologische  Beobachtungen  in  Pensa  im  Jahre  1877.  Pcnsa, 
1878.  8'^.  42  S.  (XoJDICKilk,  il-pi».  MeTepeojioriiMecKiji  Ha6;iioAeHi)i^  nponaBOAimhiH  bi» 
r.  Ilcn3l>,  BT.  1877  r.) 

Statiblisches  Jahrbuch  für  das  Gouvernement  Witebsk  für  das  Jahr  1878.  "Witebsk. 
1878.  8".  420  S.  Herausgegeben  laut  Verfügung  des  Wilebsker  Statistischen  Koniile's 
von  A.  SsementOWSkij .  (IlaMüTHaa  KHU}KKa  BhtcöckoI  lyCcpiiiii  11a  1S7S  r.  Co- 
craB^icHa  A.  GOMOHTOBCBimb  110  pacnopflxceHik)  BuTc6cKaro  CTaTMCTUMccKaro  Komh- 
Teia.) 

Aktenstücke  zur  Geschichte  von  Süd-  und  West-Russland,  gesammelt  und  herausge- 
geben von  der  Archäologischen  Kommission.     Bd.  X.     St.  Pbrg.,    1878,    4".     877  S. 


288 


(Aktu,   oTHOCsmiecii  ki»  BcropiH  K)xHott  h  3anaAHOit  Poccin,  coöpaniiue  h  BSAftBRue 
Apxeo.ioriiMecKoio  KoMUHcieio.) 

Bziga,  F.  Vergleichende  etymologische  Tabellen  der  slavischen  Sprache:  des 
Alt'Slavisohen,  des  Russischen,  Polnischen,  Lushizko-Serbischen,  Tschechischen,  Sla- 
visch-Serbischen  und  Bulgarischen.  St.  Pbrg.  1878.  4^  VII  +  243  +  XV  S.  (FSHTl, 

9.      CpaBHHTeübHhlff  »THllOilOrUHeCKiil  TaÖJIimU  CJiaBUHCKHXl»  5l3blKOB'b:    ApeBHe-cjiaBiH- 

cKaro,   pyccKaro,   no/ibCKaro,   jiy}Kiimco-cep6cKaro,   nemcKaro,  ciiaeaHCKO^cepÖCKaro  n 
6ojirapcicai  o.) 

Blioch,  J.  Der  Einfluss  der  Eisenbahnen  auf  die  ökonomische  Lage  Russlands.  Bd. 
IV.  der  auswärtige  Handel.  St.  Pbrg.  1878  4«.  IX  +  215  S.  mit  2  Tabellen.  (BjD[ioz%| 
H.  BjiiflHie  TKeü-feaKuxi.  AOpors  Ha  9KOHOHH<iecKoe  cocTonHie  Pocciu.) 

BucharOW,  D.  Russland  und  die  Türkei.  Ueber  den  Anfang  der  politischen  Be- 
ziehungen zwischen  beiden  Reichen  bis  zum  Londoner  Traktit  vom  13125  März  1871. 
Eine  historische  Skizze.  St.  Pbrg.  1878.  8^  4  +  236  -f-  2  S.  (ByzapOBl,  Ä-  Poccia  m 
Typaisi.  O61*  BOSHHKHOBeHiu  no.auTH-'.ecKHX'b  MexcAy  hhhu  oTHomemfi  ao  JioHAOiiCKaro 
TpaKTaxa  13/25  Mapra  1871  r.) 

Firogow,  W.  Untersuchungen  zur  Römischen  Geschichte,  namentlich  im  Gebiet 
der  III.  Dekade  des  Titus  Livius.  St.  Pbrg.  1878.  II  +  284  S.  (ÜMporOBl,  B.  Mac^ij- 
AOsaHiii  no  puMCKofi  iiCTopiii,  npeuMyu;ecTneiiHo  hi>  o6AacTM  Tpcrbefl  AeKaAU  JlnBia.) 

Kolomnin,  S;  Allgemeine  medizinische  Skizze  des  serbisch-türkischen  Krieges  von 
1876  und  der  Arriergarde  der  Armee  in  Bessarabien  und  Rumänien  während  des  türki- 
schen Krieges  von  1877.  L  Lfg.  St.  Pbrg.  8®.  II  +  97  S.  (KoJEOMHHHl,  C.  Oömü  Me- 
AMiuiHCKift  OHepiTb  cepCo-rypeuKott  boIhu  1876  r.  m  Tbi;ia  apMiii  bi>  Beccapaöin  h  Py* 
VMHiH  Bo  BpeMx  TypcuKOtt  BoftHbi  1877  r,\ 

Tschemersin,  A  Die  Türkei,  deren  Grösse  und  deren  Verfall.  Historische  und 
militärische  Skizzen.  Bd.  I.  St.  Pbrg.  1878.  8°.  VII  -f"  349  ^.  ""^^  2  Karten.  C^OHOIh 
VHWbf  A«  TypuiH,'  ea  MoryoiecTBO  u  pacnaACHie.  McropiiMCCKie  u  Boeimue  onepKH.) 

Russische    historische    Bibliothek ,    herausgegeben    von   der   Archäologischen   Kom- 
mission. Bd.  V,  Aktenstücke  aus  dem  Iwerskischen  Swjatooserski'schcn  Kloster  1582 — 
1706,  herausgegeben  vom  Archimandrit  LQOnid.   St.  Pbrg.    1878.   8".    II  -j     1138  S. 
(PyccKBH  ucTopuHecKaa  6iiOJiioTeKa,  M3AaBaeMaii  Apxeorpa4»u4ecKoio  KuuMucieio.    T.  V. 
AxTbi  HnepcKaro  CBHrooaepcvaro  MOHacTMpM,    1582 — 1706,    co6paHHbie   apximaiiApii- 

TOMi,  JleoHflAoiTb.) 

MeitwagO,  A.  Die  Kriegsflotten  der  Gegenwart.  Englische  Kreuzer  und  Panzer* 
schiflc  und  die  französische  Panzerflolte.  St.  Pbrg.  1878.  4**.  65  S.  (MepTBarO,  A.  Co- 
BpeMeiiHhie  BoeHiibie  4>;iOTbi.  AurTiifiCEie  Kpeftcepu  h  6poiieHOCbi  u  <s>paHuy3CKii  6po- 
Heifociiiaft  4>JiOT'b.) 

Tsohishow,  N.  Die  Quelle  und  die  Formen  des  Rcclit.^.  Warbcliau.  1878.  8«.  III 
-j    255  S.  (^[hsobIi  H.  McT04Huic-b  H  «fopMbi  npaHa.) 

Ssamokwassow,  D.  Geschichte  des  russischen  Rechts.  Bd.  I.  Beginn  des  politi- 
schen Ixjbens  der  all-rus.sischcn  Slaven.  Lief.  I.  Literatur,  (Quellen,  Methoden  wissen- 
schaftlicher <^uellenerforschung.  Warschau.  1878.  8".  XII  -\-  364  S.  (G&MOKBMOVfcf  A. 
llcTopin  pyccxaro  npasa.  T.  I.  liana^io  nojiuTUMecKaro  6biTa  ApcBHe-pyccKuxi»  cJiaBXH-b. 
Bhiu.  I.  JIuTeparypa,  hctohiihku,  MexoAM  yneHOft  paapaoorKM  iictohhukobi». 


Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Köitger. 
Ao3BOJieHo  ueHsypoK).  C.-Herepöyprb,  15-ro  CeiiraÖpM  1878  roAa 
Bachdruckerei  von  RÖTTGKR&  Sc II NEIDER,  Newsky-Prospekt  M  5. 


Fürst  W.  W.  GoUzyn. 

(1643-1714.) 
Eine    biographische    Skizze. 

Von 

A.  Brückner. 

(Schluss.)* 

•^  y  ^  .-  y 

Oolizyn  als  Feldherr. 

Ueber  Golizyn's  militärische  Talente  haben  wir  sehr  wenige  Nach- 
richten. Was  wir  von  seinem  Anthcil  an  den  Feldzügen  in  Klein- 
Russland  in  den  siebenziger  Jahren  wissen,  ist  kaum  der  Rede  werth. 
Dass  er  in  dieser  Zeit  reich  belohnt  worden  war,  ist  kein  Maassstab 
für  seine  eigentlichen  Verdienste  als  Heerführer. 

Jetzt  aber,  als  man  nach  langem  Zögern  sich  zum  Kriege  mit  den 
Tataren  entschloss,  als  man  sogleich  nach  dem  Abschlüsse  des 
«ewigen»  Friedens  mit  Polen,  wobei  man  sich  zur  Aktion  gegen 
den  Islam  verpflichtet  hatte,  sich  mit  Vorbereitungen  zu  dem  Feld- 
zuge in  die  Krim  beschäftigte,  sollte  sich  zeigen,  was  Golizyn  als 
Militär,  als  Oberfeldherr  zu  leisten  vermöge. 

Die  Ereignisse  haben  gelehrt,  dass  seine  unglückselige  Fcldherrn- 
roUe  seinen  Sturz  eingeleitet  hat.  Für  Golizyn  bot,  abgesehen 
von  dem  Wagniss  einer  militärischen  Rolle,  die  Abwesenheit  von 
der  Hauptstadt  grosse  Gefahren  dar.  Er  wusste,  dass  er  viele  Feinde 
habe.  Wer  so  hoch  stand,  so  viel  Macht  und  Einfluss  hatte,  sich  so 
unbedingt  der  Gunst  der  ersten  Person  im  Reiche,  der  Prinzessin 
Sophie  erfreute,  wie  Golizyn,  dem  konnte  es  nicht  an  Neidern  und 
Gegnern  fehlen.  Er  scheint  sich  einer  solchen  Gefahr,  welche  mit 
seiner  Abreise  aus  dem  Mittelpunkte  des  Reiches  stieg,  wohl  be- 
wusst  gewesen  zu  sein. 

Schon  sein  hervorragender  Antheii  an  der  grossen  Maassregel  der 
Abschaß'ung  der  Rangstreitigkeiten    musste   viele   Anhänger   alter 

*  Vgl.  -Russ.  Revue»  Bd.  XIII.  S.  193  u,  ff. 
BUSB,  BSYUE.  BD.  Xm.  I9 


2go 

Familieninteressen  gegen  Golizyn  aufbringen.  Sehr  bald,  nachdem 
er  unter  dem  Zaren  Feodor  diese  Reform  durchgesetzt  hatte,  nahm 
er  als  Günstling  der  Regentin,  als  erster  Beamter  im  Reiche  eine 
Stellung  ein,  welche  ihm  gestattete,  alle  Aemter,  sowohl  bei  der 
Civilverwaltung  als  bei  der  Armee,  nach  seinem  Gutdünken,  ohne 
Rücksicht  auf  Familienansehen  oder  persönliche  Interessen  der  Be- 
werber, besetzen  zu  können.  Er  wird  von  einer  solchen  Machtbe- 
fügniss  ohne  Zweifel  sehr  ausgedehnten  Gebrauch  gemacht  haben. 
Es  wird  berichtet,  dass,  als  Golizyn  nach  den  Bluttagen  des  Mai 
1682  die  Offizierstellen  bei  den  Regimentern  der  Strelzy  neu  und 
zum  Theil  durch  tüchtige  Parvenu's  besetzte,  er  sich  dadurch  den 
Unwillen  des  noch  in  den  Reminiscenzen  der  «Mestnitschestwo» 
(Rangstreit)  befangenen  Adels  zuzogt  Ueberhaupt  brachte  er  durch 
Vergebung  von  Aemtern  Viele,  welche  Berücksichtigung  zu  ver- 
dienen meinten,  ohne  ernannt  zu  werden,  gegen  sich  auf.  Dass  er 
selbst  eine  Menge  Aemter  für  sich  in  Anspruch  nahm,  in  seiner  Per- 
son eine  grosse  Anzahl  von  Funktionen  vereinigte,  als  Chef  einer 
ganzen  Reihe  von  Behörden  thätig  war  und  auch  wohl  aus  einer 
solchen  Stellencumulirung  materiellen  Vortheil  für  sich  zog,  mochte 
dazu  beitragen,  die  Zahl  seiner  Gegner  zu  mehren.  In  Verhält- 
nissen, wo  öflfentliche  Moral  und  öffentliche  Meinung  so  gut  wie 
nichts  galten,  persönliche  Macht,  Bestechlichkeit  und  Intrigue  das 
Meiste  zu  entscheiden  pflegten,  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  Golizyn, 
schon  um  seine  Stellung  wenigstens  zeitweilig  zu  befestigen,  bei  der 
Aemterverleihung  in  erster  Linie  seine  Freunde  und  Anhänger  be- 
dachte. Selbst  sein  Bewunderer,  Neuville,  berichtet,  er  habe  alle 
Stellen  mit  seinen  Kreaturen  besetzt.  Er  war  eine  Partei;  er  hatte 
es  mit  entgegengesetzten  Parteien  zu  thun.  Bei  solchen  Zuständen 
ist  die  persönliche  Anwesenheit  im  Mittelpunkte  der  Geschäfte,  wo 
man  jede  Gefahr  eher  erkennen,  jeden  feindlichen  Schachzug  erfolg- 
reicher belauern  kann,  von  grossem  Werthe. 

Es  entsteht  daher  die  Frage:  wie  kam  es,  dass  Golizyn  sich  ent- 
schloss,  seine  Zukunft  an  das  Hazard$piel  eines  Feldzugs  zu  knüp- 
fen, den  Aufenthalt  in  der  Residenz,  an  der  Seite  der  Regentin,  in- 
mitten der  Verwaltung,  der  innern  und  auswärtigen  Politik  gegen 
das  Lagerleben  zu  vertauschen?  Wenn  wohl  vermuthet  worden  ist, 
dass  der  Durst  nach  Ruhm,  die  Sucht  nach  einem  neuen  Titel  ihn 
bestimmte,  sich  an  die  Spitze  des,  gegen  die  Tataren  ausrückenden 


*  Vgl.  Malinowskij  a.  a.  O.  S,  72, 


'/' 


^01 

Heeres  zu  stellen,  so  ist  für  eine  solche  Annahme  um  so  weniger 
ein  Grund  vorhanden,  als  der  in  diesem  Falle  gewiss  glaubwürdige 
Neuville  ausdrücklich  berichtet,  Golizyn  habe  den  Oberbefehl  über 
die  Armee  nur  ungern  übernommen  und  hätte  sich  gern  von  einer 
solchen  Verpflichtung  losgemacht.  Wie  dem  auch  sein  mochte: 
gewiss  ist,  dass  ein  siegreicher  Feldherr  an  der  Spitze  der  aus  der 
Krim  heimkehrenden  Truppen  ihm  weniger  Gefahr  bot,  als  ein  Miss- 
erfolg der  ganzen  Unternehmung,  wenn  er  als  Feldherr  die  Leitung 
derselben  für  sich  allein  in  Anspruch  nahm.  In  dem  Maasse,  als 
überdies  der  Verlauf  des  Feldzuges  eine  gewisse  Unfähigkeit  Goli- 
zyn's  für  die  Leitung  militärischer  Operationen  an  den  Tag  legt, 
lässt  sich  kaum  vermuthen,  dass  Golizyn  sich  für  ein  militärisches 
Genie  gehalten  und  aus  persönlicher  Neigung  die  Feldherrnrolle 
übernommen  habe. 

Wir  müssen  es  uns  versagen,  auf  die  Einzelnheiten  der  militäri- 
schen Operationen  der  beiden  Feldzüge  in  den  Jahren  1687  und 
1689  einzugehen.  Das  Ergebniss  war  in  beiden  Fällen  ein  völliges 
Scheitern.  Statt  die  Krim  zu  erobern,  kehrte  man  1687  um,  ehe 
man  selbst  die  Landenge  von  Perekop  erreicht  hatte  und  ohne,  dass 
man  auch  nur  des  Feindes  ansichtig  geworden  wäre.  Im  Jahre 
1689  kam  es  nach  einigen  Scharmützeln  in  der  Nähe  der  Landenge 
von  Perekop  zu  Verhandlungen  zwischen  Golizyn  und  den  Tataren, 
welche  auf  den  Feldherrn  ein  übles  Licht  werfen. 

Beschränken  wir  uns  bei  der  Darstellung  dieser  Vorgänge  auf  die- 
jenigen Züge,  welche  Golizyn  betreffen. 

Schon  die  Langsamkeit  und  Unpünktlichkeit  des  Erscheinens  der 
Truppentheilc  an  den  Sammelpunkten  schob  den  Beginn  der  Cam- 
pagne  hinaus  und  licss  nichts  Gutes  erwarten.  In  manchen  Fällen 
aber  Hess  der  Mangel  an  Disziplin  auf  eine  gewisse,  direkt  gegen 
Golizyn  gerichtete  Animosität  der  russischen  Offiziere  schliessen. 
Einen  tiefen  Einblick  in  diese  Verhältnisse  gewähren  GoHzyn's,  wäh- 
rend des  Feldzuges  an  Schaklowitij  gerichteten  Briefe,  welche 
Ustrjalow  mitgetheilt  hat.  Hier  beklagt  sich  der  Fürst  bitter  über 
die  Eigenmächtigkeit  der  Edell.eute,  welche  sich  den  Anordnungen 
nicht  fügen  wollten;  es  sei  nichts  als  Ungehorsam  und  Widerspen- 
stigkeit bei  den  «Rittmeistern*.  Er  bat  um  ausgedehnte  Vollmach- 
ten zur  Bestrafung  der  Störrischen  und  berief  sich  dabei  auf  Bestim- 
mungen, welche  bereits  in  der  Zeit  des  Zaren  Feodor  in  Betreff  der 
Disziplin  erlassen  worden  waren.  Er  will  Macht  haben,  solche 
Strenge  zu  üben,  dass  «Alle  zittern  sollen».   Namentlich  einigte  Glie- 


292 

• 

der  der  alten  Geschlechter  der  Dolgorukij's  und  Schtscherbatow's 
brachten  ihn  auf:  er  verlangte,  dass  ihnen  zur  Strafe  ihre  Güter  kon- 
fiszirt  werden  sollten.  Allerdings  hatten  sich  diese  zu  einer  sehr 
kecken  Demonstration  gegen  den  Oberfeldherrn  hinreissen  lassen. 
Um  zu  zeigen,  dass  sie  an  keinen  Erfolg  des  Eeldzuges  glaubten, 
erschienen  sie  bei  der  Armee  in  einem  seltsamen  Aufzuge.  Sich 
selbst  und  ihre  Pferde  hatten  sie  in  schwarze  Tücher,  also  in  Trauer- 
gewänder gehüllt.  Golizyn  musste,  wenn  anders  er  der  Demora- 
lisation des  ganzen  Heeres  vorbeugen  wollte.  Strenge  üben.  Daher 
verschaffte  er  sich  durch  Vermittelung  Schaklowitij's  ausgedehnte 
Vollmachten ;  er  war  bald  in  der  Lage,  so  energisch  aufzutreten, 
dass  die  Schuldigen  sich  vor  dem  Machthaber  beugten,  und  um 
Verzeihung  baten  ^ 

Gordon  hatte  1684  in  seinem  Gutachten  die  Gefahren,  welche  der 
Marsch  durch  die  wasserlosen  Steppen  bot,  unterschätzt.  Bei  dem 
Ungeheuern  Tross,  der  kolossalen  Anzahl  von  Pferden,  welche  die 
Armee  mit  sich  führte,  stellte  sich  bald  entsetzlicher  Wassermangel 
ein.  Sowohl  in  Gordon's  Tagebuche,  als  in  Lefort's  Briefen,  welche 
Posselt  mitgetheilt  hat,  sind  die  Leiden  geschildert,  welche  der 
Marsch  mit  sich  brachte.  Lefort  macht  dem  Oberfeldherrn  dabei 
den  Vorwurf,  dass  er  diese  Leiden  gemehrt  habe,  indem  er  nicht 
gestattete,  dass  die  verschiedenen  Truppentheile  von  dem  einmal 
vorgeschriebenen  Wege  abwichen^.  Krankheiten  und  Sterblichkeit 
rieben  einen  Theil  der  Armee  auf.  Lefort  schreibt:  »Der  Seigneur, 
unser  Fürst,  war  in  Verzweiflung,  nicht  nach  Perekop  gelangen  zu 
können.»  ....  «Unser  Generalissimus  war  ausser  sich,  und  ich  kann 
Euch  versichern,  er  weinte  bitterlich» * 

Das  Schlimmste  war  der  Steppenbrand,  welcher  die  letzten  W^as- 
serreste  in  der  Einöde  vernichtete  und  den  Mangel  an  Futter  für  die 
Pferde  verursachte.  Die  Kosaken  und  auch  der  Hetman  Ssamoilo- 
witsch  sind  beschuldigt  worden,  verrätherischer  Weise  das  Steppen- 
gras augezündet  zu  haben.  Dieses  hat  wesentlich  zum  Sturze  des 
Hetman's  beigetragen,  den  Golizyn  nicht  bloss  geschehen,  sondern, 
wie  man  vermuthen  darf,  gerne  geschehen  Hess.  Wir  haben  keinen 
Grund  an  die  Schuld  Ssamoilowitsch's  oder  der  Kosaken  zu  glau- 
ben. Eher  könnte  man  vermuthen,  dass  Tataren  den  Steppenbrand 
verursacht  hätten,  um  das  Vorrücken   der  Russen   zu  verhindern. 

*  Ustrjalow,  I.  S.  347—350. 

*  Posselt,  Lefort,  I.  S.  373. 

*  PosRclt,  Lefort  I,  S   373  -  374. 


293 

Gewissermaassen  nur  als  ein  Kuriosum  wollen  wir  anführen,  dass 
auch  wohl  der  Fürst  Gohzyn  selbst  beschuldigt  worden  ist,  den 
Steppenbrand  herbeigeführt  zu  haben  ^ 

Das  Ergebniss  war,  dass  man  umkehrte,  nachdem  man  bis  zum 
Karatschokrak  (etwa  200  Werst  oder  30  Meilen  von  der  Landenge 
Perekop)  vorgedrungen  war.  Golfeyn  hatte  Eile,  nach  Hause  zu 
gelangen.  In  Moskau  hatte  man  während  seiner  Abwesenheit  gegen 
ihn  allerlei  Ränke  geschmiedet.  Kaum  hatte  er  die  Hauptstadt  ver- 
lassen, als  sein  gefährlichster  Gegner,  der  Fürst  Tscherkasskij, 
gegen  ihn  zu  agitiren  begann.  Auch  den  Einfluss  des  Patriarchen 
scheint  Golizyn  gefürchtet  zu  haben.  Nicht  umsonst  zeugen  die 
zahlreichen,  an  Schaklowitij  gerichteten  Briefe  Golizyn's  von  einer 
gewissen  Aufregung,  Unruhe,  Verstimmung,  Spannung.  Stets  wie- 
derholt er  die  Frage,  ob  es  nicht  Ränke  gebe,  ob  die  Gegner  nicht 
wiederum  böse  Anschläge  ersinnen ;  oft  fragt  er,  was  man  von  ihm 
rede;  als  er  einst  auf  dem  Marsche  bei  einem  Gelage  ausser  der  Ge- 
sundheit des  Zaren  auch  diejenige  der  Prinzessin  ausgebracht  hatte, 
fragte  er,  welchen  Eindruck  dieses  in  der  Hauptstadt  gemacht  habe; 
dazwischen  verlangt  er,  man  solle  diese  oder  jene  Persönlichkeit 
entfernen;  er  lauscht  allerlei  Gerüchten  über  die  gegen  ihn  ge- 
sponnenen Ränke,  fordert  seinen  Freund  auf,  nur  ja  wachsam  zu 
sein  und  bittet  ihn^  zur  Belohnung  ein  bedeutendes  Geldgeschenk 
anzunehmen.  Als  Schaklowitij  im  Auftrage  der  Regentin  zum 
Heere  reiste,  welches  bereits  auf  der  Rückkehr  begriffen  war,  äus- 
serte Golizyn  seine  Unzufriedenheit,  dass  Schaklowitij  durch  Ver- 
lassen der  Hauptstadt  den  Ränken  seiner,  Golizyn's,  Feinde  Spiel- 
raum gönne*. 

Fast  scheint  es,  als  habe  auch  die  Prinzessin  Sophie  gefürchtet, 
dass  Golizyn^s  Feinde  siegen  würden,  wenn  er  nach  einem  solchen 
Misserfolge  heimkehrte.  Sie  schickte  ihm  Schaklowitij  mit  der 
Weisung  entgegen,  wenn  möglich  wieder  umzukehren,  durch  die 
donischen  Kosaken  die  Krim  von  der  Seeseite  anzugreifen,  die  klein 
russischen  Kosaken  vom  Dnjepr  aus  operiren  zu  lassen  oder  wenig- 
stens durch  Errichtung  von  Forts  im  Süden  die  Grenze  zu  sichern'. 


*  Vgl.  Schleusing  a.  a.  O.  < Durch  heimliche  Korrespondenz  mit  den  Tataren  hat  er 
die  Haide  in  Brand  stecken  lassen.  Die  Meisten  von  der  russischen  Armee  erstickten 
im  Rauche» .  In  den  «Gesprächen  im  Reiche  der  Todten»  erzählt  Golizyn  genau  die 
Geschichte  dieser  Verrätherei,  S,  1184. 

'  Vgl.  Ustijalow  I.  S.  346  u,  flf. 

*  Akten  die  Angelegenheiten  der  Krim  betreffend,  bei  Ssolowjew,  Bd«  XIV.  S.  41. 


294 

Golizyn  konnte  nicht  daran  denken.  Er  erledigte  nur  die  Ange- 
legenheit, welche  den  Sturz  Ssamoilowitsch's  und  die  Erhebung  Ma- 
seppa's^  betraf,  wobei  er,  wie  oben  bereits  bemerkt  wurde,  auf 
seinen  materiellen  Vortheil  bedacht  war,  sich  von  Maseppa  be- 
schenken Hess,  vielleicht  aus  dem  konfiszirten  Vermögen  Ssamoilo- 
witsch's  sich  Einiges,  wie  man  ihm  vorwarf,  aneignete,  und  eilte 
nach  .der  Hauptstadt. 

Die  Regentin  deckte  mit  ihrer  Gunst  den  unglücklichen  Feldherrn 
gegen  alle  Feinde.  Er  ward  reich  belohnt.  Er  erhielt  eine  schwere 
goldene  Kette,  eine  Denkmünze  im  Werthe  von  300  Dukaten,  1000 
Bauernhöfe  und  andere  reichliche  Geschenke.  Die  dreistesten  offi- 
ziellen Lügen  sollten  den  totalen  Misserfolg  beschönigen.  In  Mani- 
festen sprach  man  von  errungenen  Siegen*.  Er  war  vorläufig  so 
mächtig  wie  zuvor. 

Man  wollte  den  Versuch  einer  Eroberung  der  Krim  wiederholen, 
aber  nicht  sogleich.  Zunächst  errichtete  man  im  Jahre  1688  ein  Fort  am 
Ausflusse  der  Ssamara  in  den  Dnjepr.  Der  Plan  dieses  Forts  war 
von  einem  holländischen  Ingenieur  entworfen.  Auch  Gordon  musste 
bei  dieser  Gelegenheit  sein  Urtheil  abgeben.  Man  sieht,  dass 
Golizyn  bei  der  Errichtung  von  Bogorodizk,  in  ähnlicher  Weise  wie 
Peter  bei  der  Eroberung  und  Befestigung  Asow's  und  der  Grün- 
dung Taganrog*s,  west-europäische  Intelligenz  zu  Rathe  zog.  Die 
Maassregel  war  zweckmässig  und  heilsam.  Man  bedurfte  solcher 
vorgeschobener  Posten  im  Süden,  welche  einerseits  bei  Feldzügen 
gegen  die  Tataren  als  Stützpunkte,  Lagerplätze  und  Niederlagen 
von  Lebensmitteln  und  Kriegsgeräth  dienten,  andererseits  den  fort- 
während wiederholten  Raubzügen  der  Tataren  zu  steuern  geeignet 
sein  konnten.  Noch  ehe  dieses  Fort  vollendet  war,  schleppten  die 
Tataren  bei  einem,  in  das  russische  Gebiet  unternommenen  Raub- 
zuge (im  März  1688)  nicht  weniger  als  sechszigtausend  Menschen 
als  Gefangene  fort.  Um  so  lächerlicher  ist  die,  bei  Gelegenheit  des 
Sturzes  Golizyn's  gegen  ihn  im  Publikum  erhobene  Anklage,  er 
habe  1688  die  Festung  Bogorodizk  bauen  lassen,  um  die  Truppen, 
insbesondere  die  Strelzy,  zu  Grunde  zu  richten'.     Solche  Dinge 


'  Dass  er  die  Wahl  beeinflusste,  s.  bei  Ustrjalow  und  Ssolowjew. 

•  Vgl.  die  GeseUsammlung  Bd.  II.  Jl6  1258,  Baron  Keller  übernahm  es  in  Holland 
Nachrichten  über  den  angeblichen  Sieg  Golizyn's  zu  verbreiten ;  s.  Posselt,  Lefort  1, 
S.  389.  Auch  nach  Polen  sandte  man  solche  lügenhafte  Berichte,  s.  Terescbtschenko 
a.  a.  O.  S.  163 — 164.     S.  ebendort  die  abenteuerlichen  Gerüchte  io  Wien. 

*  Vgl.  Gordon*s  Tagebuch  I.  S.  306.  Gordoa,  welcher  die  Sache  beurtbeilen  konnte, 


295 

können  als  ein  Maassstab  für  die,  im  Volke  gegen  Golizyn  herrschende 
Aminosität  und  zugleich  als  Warnimg  in  Betreff  anderer  über  ihn  in 
Umlauf  gesetzter  Gerüchte  dienen. 

Inzwischen  schien  die  orientalische  Frage  in  eine  neue  Phase  ein- 
treten zu  wollen.  Es  geschah  Mancherlei,  was  Russlapd  zu  energi- 
scherem Vorgehen  veranlassen  konnte.  Die  Venetianer  und  die 
Oesterreicher  errangen  bedeutende  Vortheile  im  Kampfe  mit  den 
Türken,  die  ersteren  in  Morea  und  Dalmatien,  die  letzteren  in 
Ungarn;  der  ehemalige  Patriarch  von  Konstantinopel,  Dionysius, 
liess  durch  den  Archimandriten  des  Klosters  zum  heil.  Paul  auf  dem 
Berge  Athos,  Jesajas,  melden,  jetzt  sei  die  richtige  Zeit,  die 
Christen  zu  befreien.  Alle:  Serben,  Bulgaren,  Moldauer  und  Walla- 
chen hofften  auf  Russland.  Der  Hospodar  der  Wallache!,  Schtscher- 
ban,  sandte  ein  Schreiben,  in  welchem  er  die  Hoffnung  aussprach, 
dass  Russland  das  Türkenjoch  brechen  werde.  Aehnliches  schrieb 
der  Patriarch  von  Serbien,  Arsenius.  Schtscherban  lud  die  russische 
Armee  ein,  an  die  Donau  zu  kommen;  er  wollte  selbst  für  ein 
Hülfskorps  von  70,000  Mann  sorgen,  und  stellte  die  Wahrscheinlich- 
keit bedeutender  Erfolge  in  Aussicht.  Dabei  schilderte  er  den  Hass 
der  dortigen  Bevölkerung  gegen  Oesterreich,  wie  denn  auch  die 
Geistlichen  jener  Gegenden  in  ihren,  nach  Russland  gesandten 
Schreiben  vor  den  Katholiken  warnten. 

Man  sieht:  es  gab  im  Jahre  1688  genau  dieselbe  Veranlassung  auf 
Erfolge  zu  rechnen,  wie  im  Jahre  171 1,  wo  Kantemir  dem  Zaren 
Peter  den  Sieg  als  wahrscheinlich  vorstellte.  Es  war  auch  im  J.  1688 
unmöglich,  sich  allen  "solchen  Anregungen  gegenüber  gleichg^ültig 
zu  verhalten.  Wir  dürfen  annehmen,  dass  Golizyn  bedeutenden  An- 
theil  an  dem  Schreiben  gehabt  habe,  welches  die  beiden  Zaren, 
Iwan  und  Peter,  an  den  Hospodaren  der  Wallachei,  Schtscherban, 
richteten,  und  in  welchem  sie  ihn  aufforderten  mit  seinen  Truppen 
gegen  die  am  Dnjepr  gelegenen  türkischen  Festungen  zu  ziehen. 
Doch  hatten  sich  inzwischen  die  Verhältnisse  geändert;  Schtscher- 
ban war  gestorben  und  sein  Neffe,  Konstantin,  beschränkte  sich 
darauf,  das  Schreiben  der  Zaren  niit  allgemeinen  Redensarten  zu 
beantwortend  Schlimmer  noch  war  es,  dass  man  erfuhr,  der  Kaiser 
und  Polen  seien  im  Begriff,  mit  der  Türkei  Frieden  zu  schliessen. 

Da  war  es  denn,  wo  die  russische  Regierung,  ihre  Macht  und  Be- 
bemerkt dazu :  «Eine  schlechte  Erfindung,  welche  weder  Grund  noch  Wahrscheinlich- 
keit hatte». 

*  Nach  bisher  unbekannten  Archivalien  Ssolowjew,  Bd.  XIV,  S.  54. 


296 

deutung  überschätzend,  sich  zu  grossen  Entwürfen  hinreissen  Hess. 
In  den,  die  polnischen  Angelegenheiten  betreffenden  Akten  im 
Hauptarchiv  zu  Moskau  hat  sich  das  Konzept  zu  einer,  an  den  russi- 
schen Gesandten  in  Wien,  Wosnizyn,  abzusendenden  Instruktion 
gefunden,  in  welcher,  für  den  Fall  eines  Friedensschlusses  mit  der 
Pforte,  Russland  folgende  Forderungen  macht:  alle  Tataren  sollen 
aus  der  Krim  nach  Klein-Asien  übersiedeln  und  die  Krim  soll  an 
Russland  abgetreten  werden;  ebenso  sollen  alle  Türken  und  Tataren 
aus  der  Gegend  von  Asow  entfernt  und  Asow  selbst  soll  den 
Russen  abgetreten  werden.  Ferner  verlangte  Russland,  wenn  nicht 
Abtretung,  so  doch  wenigstens  Schleifung  der  türkischen  Festungen 
Kasikerman,  Otschakow-  u.  A.;  endlich  die  Freilassung  aller  russi- 
scher Gefangener  und  als  Entschädigung  für  die,  durch  tatarische 
Ueberfälle  verursachten  Verluste,  die  Zahlung  von  zwei  Millionen 
Dukaten*. 

Ustrjalow  untersucht  die  Frage  nicht,  ob  eine  solche  Instruktion 
abgesandt  wurde,  oder  ob  dieses  Aktenstück  nur  Entwurf  war  und 
Entwurf  blieb.  Wenn  Golizyn  an  diesem  Hirngespinst  Antheil  hatte, 
was  denn  doch  sehr  wahrscheinlich  erscheint,  so  kompromittiren 
solche  Rodomontaden  ihn  in  Betreflf  seiner  diplomatischen  Fähig- 
keiten noch  mehr,  als  die  beiden  Feldzüge  von  1687  und  1689  ihn 
als  Feldherrn  in  einem  keineswegs  heroischen  Lichte  erscheinen 
lassen.  Selbst  Katharina  11.  hat  nach  den  grossen  Erfolgen  im  ersten 
türkischen  Kriege  nicht  solche  Forderungen  an  die  Pforte  zu  stellen 
gewagt.  Der  Frieden  von  Kutschuk-Kainardsche  zeugt  von  Mässi- 
gung  im  Vergleich  mit  den  Ansprüchen  der  Prinzessin  Sophie  in 
jenem,  von  Ustrjalow  entdeckten  Aktenstücke.  Man  denke  nur  ^n 
den  Ausgang  des  kurz  zuvor  unternommenen  Feldzugs  in  die  Krim! 

Trug  man  sich  mit  grossen  Entwürfen,  so  musste  man  den  Ver- 
such eines  Feldzugs  in  den  Süden  wiederholen.  So  kam  es  denn 
zur  Unternehmung  des  Jahres  1689.  Wieder  begegnen  wir  dem 
Fürsten  Golizyn  an  der  Spitze  des  russischen  Heeres  und  dem  Gene- 
ral Gordon  an  der  Seite  des  Fürsten.  Hatte  man  1687  den  Fehler 
gemacht,  zu  spät  aufzubrechen  und  in  Folge  dessen  mit  der  Sonnen- 
glut in  der  Steppe,  als  dem  schlimmsten  Feinde,  zu  kämpfen  ge- 
habt, so  eröflfnete  man  1689  die  Operationen  bereits  im  Winter. 
Man  marschirte  bei  Kälte  und  Schnee  aus  der  Hauptstadt  und  hatte 
dann  in  der  Steppe  allerdings  nicht  mit  Wassermangel  zu  kämpfen- 


*  Vgl.  Ustrjalow,  I,  S.  217. 


297 

Auch  kam  es  diesmal  wirklich  zum  Zusammenstoss  mit  den  Fein- 
den.    Aber  auch  diesmal  gab  es  keinen  Erfolg. 

Eine  grosse  Zahl  von  Berichten  Golizyn's  an  die  Zaren  und  die 
Regentin  über  alle  Einzelnheiten  des  Feldzugs,  welche  Ustrjalow 
mitgetheilt  hat,  Gordon's  Tagebuch,  Lefort's  Briefe,  Sophiens  Er- 
zählungen an  Neuville,  Korb's  sorgfältig  gesammelte  Nachrichten 
und  andere  Quellen  gewähren  uns  einen  Einblick  in  den  Charakter 
dieser  militärischen  Unternehmungen.  Hiernach  gewinnen  wir  den 
Eindruck,  dass  Golizyn  von  einer  argen  Schönfärberei  in  seinen  Be- 
richten nicht  freizusprechen  ist.  Jedes  militärische  Ereigniss  wurde 
zu  einer  grossartigen  Aktion  aufgebauscht.  Die  Regierung  war 
im  Jahre  1689  noch  mehr  als  im  Jahre  1687  darauf  bedacht,  der 
Mitwelt  Sand  in  die  Augen  zu  streuen  und  von  grossen  Siegen  zu 
reden,  wo  ein  totales  Fiasko  vorlag. 

Am  16.  Mai  stiess  man  mit  den  Tataren  zusammen  und  zwar  in 
dem,  bereits  in  der  Nähe  von  Perekop  gelegenen  «Schwarzen  Thal*. 
Die  russische  Artillerie  zeigte  sich  dem  Feinde  überlegen  j  dagegen 
erwiess  sich  die  russische  Reiterei  als  durchaus  unzulänglich.  Im 
Ganzen  gab  es  wohl  in  sofern  einen  gewissen  Erfolg,  als  die  Tataren 
ebenso  schnell  verschwanden,  wie  sie  gekommen  waren  und  zu- 
nächst am  andern  Tage  den  Angriflf  nicht  zu  erneuern  wagten.  In 
seinem  Bulletin  schildert  Golizyn  dieses  Treffen  grosssprecherisch 
als  eine  gewaltige  Schlacht,  während  doch  schon  aus  seinen  Anga- 
ben über  die  Verluste  hervorgeht,  dass  die  ganze  Aflfaire  nicht 
irgendwie  als  eine  wichtige  oder  entscheidende  angesehen  werden 
kann'. 

Hatte  man  schon  nach  dem  ersten  Feldzuge  in  den  offiziellen 
Manifesten  von  allerlei  Siegen  gefabelt,  so  nahm  man  den  Mund 
jetzt  noch  voller*. 


•  Vgl.  die  Bulletins  Golizyn^s  bei  Ustrjalow  I,  S.  322  u.  ff.  und  wörtlich  im  Anhange 

s.  355—382. 

'  Wie  man  1687  wenigstens  zeitweilig  das  Publikum  irreführte,  zeigte  der  Bericht 
von  den  militärisclien  Ereignissen  bei  Sandrort:  Kurtze  Beschreibung  von  Moskowien 
oder  Reussland,  Nürnberg  171 1,  S.  203 — 210.  Da  heisst  es  u.  A.:  Perekop  sei  einge- 
nommen worden,  wobei  59,000  Mann  Tataren  niedergehauen  worden  und  3000  Ko- 
saken gefallen  seien  ^  hierauf  sei  die  Afmee  nach  Otschakow  marschirt,  wo  man  70,000 
Tataren  niedermetzelte,  während  nur  400  Russen  fielen ;  Otschakow  sei  genommen  wor- 
den, alle  Gefangenen,  die  in  der  Krim  schmachteten,  habe  man  befreit,  viele  Tausende 
von  Tataren  hatten  sich  der  moskowitischen  Botmässigkeit  unterworfen,  viele  Tausende 
der  schönsten  Pferde  habe  man  erbeutet.  Der  Verfasser,  welcher  sich  denn  doch  wohl 
in  Moskau  aufhielt  und  unter  dem  Eindrucke  der  im  Publikum  zirkulirenden  Gerüchte 


298 

Wie  man  in  offiziellen  Berichten  russischerseits  die  Ereignisse  des 
Feldzuges  von  1689  darzustellen  beliebte,  erfahren  wir  genau  aus 
der  Schilderung,  welche  in  einem,  durch  den  russischen  diplomati- 
schen Agenten  in  Venedig,  den  Griechen  Lichudij,  von  den  Schlach- 
ten im  Mai  1689  überreichten  Bericht  der  russischen  Regierung  ent- 
worfen wurde.  Da  heisst  es  u.  A.:  Aller  Welt  sei  der  glorreich  ei*- 
rungene  Sieg  Russlands  über  die  Tataren  bekannt ;  die  ganze  Ge- 
gend, in  welcher  die  Schlacht  stattgefunden  habe,  sei  mit  Leichen 
besäet  gewesen,  der  Chan  sei  verwundet,  eine  Menge  angesehener 
Tataren  seien  gefangen  u.  s.  w.  * 

Dass  die  Prinzessin  Sophie  an  die  Berichte  Golizyn's  glaubte,  ist 
aus  ihrem,  an  den  Fürsten  gerichteten  Briefe  zu  ersehen.  Er  hatte 
ihr  geschrieben,  sie  möge  für  seine  glückliche  Rückkehr  beten.  Sie 
antwortete:  «Mein  Alles,  mein  Brüderchen,  Wassenka!  sei  Du,  mein 
Väterchen  gegrüssl;  lebe  glücklich  viele  Jahre!  Und  noch  einmal  sei 
gegrüsst,  nachdem  Du  mit  Gottes  Hülfe  und  durch  die  Gnade  der 
heilrgen  Mutter  Gottes  und  durch  Deinen  Verstand  und  Dein  Glück 
die  Nachkommen  Hagar*s  besiegt  hast!  Möge  Gott  Dir  auch  ferner- 
hin verleihen,  dass  Du  die  Feinde  besiegest!  Ich  aber,  mein  Alles, 
kann  es  nicht  glauben,  dass  Du  zu  uns  zurückkehren  wirst;  ich 
werde  es  nicht  eher  glauben,  als  wenn  ich  Dich,  mein  Alles,  in 
meinen  Armen  halten  werde.  Wie  kannst  Du  nur,  mein  Alles, 
schreiben,  ich  solle  für  Dich  beten:  bin  ich  denn  so  sündlich  und 
unwürdig  vor  Gott;  und  wenn  ich  auch  sündhaft  bin,  so  wage  ich  es 
doch  auf  seine  Gnade  zu  hoffen.  Glaube  mir!  Ich  bete  immer 
darum,  dass  ich  Dich,  meine  Welt,  in  Freude  wiedersehen  möge. 
Und  somit  lebewohl,  mein  Alles,  in  Ewigkeit»!* 

Wie  man  aber  im  Volke  von  diesen  angeblich  grossen  Siegen 


schrieb,  bemerkt  S.  200:  «Gleich  itzo  kommt  ein  Kosak  bei  mir  an,  der  Alles  Obige 
bestätigt  und  Ton  noch  einer  Schlacht  erzählt,  in  welcher  8000  Tataren  getödtet  wur- 
den». Es  ist  begreiflich,  wenn  daraus  folgender  Schluss  gezogen  wird :  «Dafem  der 
gilädige  Gott  seinen  Segen  noch  weiter  mittheilen  wollte,  würde  der  Tatarchen  in 
wenig  Zeit  zum  Vasallen  des  Moskauer  Zar^n  werden».  Wie  umständlich  die  falschen 
Nachrichten  waren,  denen  man  im  Publikum  Glauben  schenkte,  zeigt  die  genaue  Spe- 
zifizirung  der  russischen  Armee,  welche  nach  Sandrort  527,000  Mann  betragen  haben 
soll!! 

'  Vgl.  die  Denkmäler  der  diplomatischen  Beziehungen,  Bd.  X,  S.  1374. 

'  Diesen,  in  ChiiTerD  geschriebenen  Brief,  so  wie  den  zweiten,  sogleich  mitzutheilen- 
den,  entdeckte  Ustrjalow  in  den  Archiven  und  entzifferte  diese  Aktenstücke  mit  vieler 
Mühe.  Es  gab  keinen  Schlüssel  für  die  Chifferschrift.  Man  musste  ihn  Anden.  Auch  die 
Faximile's  hat  Ustijalow  mitgetheilt. 


?99 

Golizyn's  sprach,  zeig^  folgende  Ausführung  des  Bauern  Possosch- 
kow,  welcher  einige  Jahre  später  in  einem  Schreiben  an  den  Bojaren 
Golowin  die  Mängel  der  russischen  Heeresorganisation  schilderte. 
Er  schreibt:  «Es  ist  allen  bekannt,  wie  der  Fürst  Wassili j  Wassilje- 
witsch  Golizyn  nach  Perekop  ging  und,  wie  man  sagt,  mit  ihm 
300,000  Mann.  Und  ihm  entgegen  kamen  Alles  in  Allem  etwa 
15,000  Tataren;  und  die  Unseren  konnten  im  Kampfe  mit  ihnen 
nicht  bestehen.  Ist  es  nicht  eine  Schmach  für  uns,  dass  jene  Tataren 
mit  einer  Handvoll  Reiter  und  Armbrustschützen  die  Uns^rn  schlu- 
gen und,  wie  man  sagt,  zwanzig  Kanonen  fortnahmen.  Und  die  Un- 
sern  haben  es  nicht  gewagt,  die  Kanonen  wiederzunchmen  und 
fürchteten  sich  vor  einer  Handvoll  Menschen...  Allen  ist  es  bekannt, 
wie  die  Tataren  die  russischen  Verschanzungen  anfielen  und  zer- 
störten, und  die  Unseren  klappern  und  knallen  mit  ihren  Waffen, 
aber  die  Tataren  beachten  es  gar  nicht,  weil  kein  Schuss  trifft».* 

Als  Golizyn  nach  den  Scharmützeln  mit  den  Tataren  den  Marsch 
fortsetzte,  und  am  20.  Mai  bei  Perekop  anlangte,  stellten  sich  die- 
selben Ucbelstände  heraus,  welche  schon  168^^  zur  Umkehr  genö- 
thigt  halten:  Wasser-  und  Futtermangel.  Man  scheint  nicht  daran 
gedacht  zu  haben,  dass  auch  jenseits  der  Landenge,  d.  h.  in  der 
nördlichen  Hälfte  der  Taurischen  Halbinsel,  dieselbe  wasser-  und 
baumlose  Oede  sich  ausdehne,  wie  auf  dem  Festlande.  Es  gab  nur 
salziges,  nicht  trinkbares  Wasser;  es  fehlte  an  Lebensmitteln ;  die 
Pferde  fielen,  die  Menschen  siechten  dahin;  länger  an  diesem  Orte 
zu  verweilen,  war  unmöglich.  So  stellte  Golizyn  sowohl  in  seinen 
offiziellen  Berichten,  als  in  einem  Schreiben  an  die  Prinzessin  die 
Sachlage  dar'**. 

Dazu  begannen  zwischen  dem  Chan  und  Golizyn  Untcrhandlun- 
g.en,  über  deren  Beginn  Verschiedenes  berichtet  wird.  Golizyn  mel- 
det, der  Chan  habe  mehrmals  zu  ihm  gesandt  und  «um  Frieden  ge- 
beten». Ueber  die  Haltung  Golizyn's  in  Betreff  der  Eröffnung  der 
Verhandlungen  sind  sowohl  bei  dem  Sturze  Golizyn's  im  Septem- 
ber 1689,  als  auch  ein  Paar  Jahre  später  während  seiner  Verbannung 
Untersuchungen  angestellt  worden,  über  welche  die  Akten  vorlie- 
gen. Die  Sache  scheint  sich  so  zugetragen  zu  haben,  dass  ein  über- 
gelaufener Tatar  den  Fürsten  glauben  machte,  der  Chan  sei  geneigt 


'  Vgl.  meine  Schrift:  Iwan  Possoschkow,  Ideen  und  Zustände  in  Russland  zur  Zeit 
Peters  des  Grossen,  Leipzig,  1878.  S.  214  u.  215.  Possoschkow  gibt  die  Armee  auf 
300,000  Mann  an.  Das  Heer  zählte  nicht  viel  mehr  als  100,000  Mann 

^  Ustrjalow  I.  S  222  u.  227. 


300 

zum  Frieden,  worauf  hin  Golizyn  durch  ein,  an  einen  Pfeil  gebunde- 
nes und  in  das  feindliche  Lager  geschleudertes  Schreiben  seine  Be- 
reitwilligkeit zu  Unterhandlungen  aussprach;  die  Tataren  drückten 
anfänglich  höchst  verwundert,  dann  in  einem,  ebenfalls  mittelst  eines 
Pfeiles  übersandten  Schreiben  ihre  Bereitschaft  zu  kämpfen  aus, 
und  machten  gleichzeitig  noch  Vorwürfe  wegen  des  Friedensbru- 
ches durch  die  Russen.  In  einem  ferneren  an  den,  in  Golizyn's  Lager 
befindlichen  Tataren  gerichteten  Schreiben  erklärten  die  Tataren 
sich  zu  Unterhandlungen  bereit  und  so  kam  es  denn  zu  denselben 
gerade  in  dem  Augenblicke,  als,  wie  Andere  ausgesagt  haben,  das 
russische  Heer  des  Befehls  zur  Schlacht  gewärtig  war. 

So  hatte  denn  Golizyn  die  Thatsachen  entstellt,  auch  darin,  dass 
er  in  seinem  Berichte  erzählt,  er  sei  mit  Zustimmung  der  andern 
Würdenträger  in  der  Armee  zu  den  Unterhandlungen  geschritten. 
Der  Bojar  Schein  rieth,  wie  sich  später  herausstellte,  von  den  Un- 
terhandlungen ab;  Maseppa  scheint  auch  nicht  dafür  gewesen  zu 
sein.  Die  Unterhandlungen  wurden  formlos  geführt  Noch  vor  den- 
selben hatte  Golizyn  die  Armee  eine  Stellung  mit  der  Tete  nach 
Russland  einnehmen  lassen;  während  derselben  setzte  sich  die  Ar- 
mee in  Marsch;  zum  Abschluss  eines  förmlichen  Vertrages  war  es 
nicht  gekommen.  Ein  solcher  Rückzug  sah  einer  Flucht  ähnlich. 
Schmachbedeckt,  noch  mehr  kompromittirt,  als  bei  dem  Feldzuge 
'  des  Jahres  1687,  kehrte  der  Fürst  Golizyn  nach  Moskau  zurück*. 

Golizyn  hatte  in  seinen  offiziellen  Schreiben  an  die  Zaren  gemel- 
det, der  Chan  habe  mehrmals  um  Frieden  gebeten,  aber  er,  Golizyn, 
habe  nach  reiflicher  Erwägung  aller  Umstände,  wobei  er  sich  mit 
allen  Führern  der  Armee  berathen  habe,  das  Anerbieten  des  Frie- 
dens abgelehnt.  Ganz  ähnlich  stellte  der  Bojar  Neplujew  den  Vor- 
gang dar^.  Ferner  hatte  Golizyn  berichtet,  in  der  ganzen  Halbinsel 
sei  bei  den  Tataren  ein  so  allgemeiner  Schrecken  verbreitet  gewesen, 
dass  alle  Bewohner  der  Krim  bei  der  Kunde  der*Annäherung  der 
Russen  mit  Hinterlassung  des  grössten  Theils  ihrer  Habe  in  die 
Berge  geflohen  seien ;  der  Chan  aber,  entrüstet  über  die  Feigheit 
seiner  Unterthanen,  habe  alle  verlassenen  Ortschaften  niederbrennen 
lassen'. 

Mit  diesen  Angaben  stand  denn  der  schmachvolle  Rückzug  der 
russischen  Armee  in  Widerspruch.     Dass  dieselbe  Mangel  litt,   ist 

*  Vgl.  d.  Einzelnheiten  bei  UstrjaloW'XIV,  S.  226-334. 

*  Ustrajalow  I.  S.  37a  und  375. 

*  Ebendaselbst  L  S.  380, 


30I 

gewiss.  Gordon,  dessen  Tagebuch  eine  Lücke  vom  15.  bis  zum  24. 
Mai  aufweisst,  spricht  in  einem  Brief  an  den  Earl  von  Errol  von  der 
üblen  Lage  der  russischen  Armee  und  dass  man,  da  die  Unterhand- 
lungen zu  keinem  Ergebniss  geführt  hätten,  zum  Rückzuge  genö- 
thigt  gewesen  wäre*. 

Auffallend  ist  aber  dabei,  dass  ein  Kapitän  des  Regimentes  der 
Strelzy  bei  Gelegenheit  des  Prozesses  Schaklowitij's  im  Septem- 
ber 1689  aussagte,  Golizyn  hätte  sehr  wohl  den  Krieg  fortsetzen 
können,  da  die  Truppen  keinen  Mangel  gelitten  hätten,  dagegen 
habe  Golizyn  verbreiten  lassen,  es  sei  mit  den  Tataren  Frieden  ge- 
schlossen'. Es  kann  leicht  sein,  dass  eine  solche  Aussage  in  bös- 
williger Absicht,  um  Golizyn  zu  schaden,  gemacht  wurde.  Anderer- 
seits liegen  Andeutungen  darüber  vor,  dass  Golizyn  dafür  zu  sorgen 
bestrebt  war,  dass  Aussagen  gemacht  würden,  welche  seine  Angaben 
bestätigten.  Bereits  bei  Gelegenheit  des  Feldzuges  von  1687  hatte  er 
die  Strelzy  instruirt:  sie  sollten  in  Betreff  des  Steppenbrandes^«über- 
einstimmende»  Aussagen  machend  Ebenso  befahl  er  den  Strelzy 
1689,  als  er  die  Armee  auf  der  Rückreise  nach  Moskau  verliess,  in 
Moskau  zu  sagen,  sie  hätten  Noth  gelitten  und  hätten  zwölf  Tage 
lang  weder  für  sich,  noch  für  die  Pferde  genügend  Wasser  er- 
halten*. 

Bei  den  mancherlei  falschen,  tendenziösen,  ränkevollen,  Denunzia- 
tionen ähnlichen  Aussagen,  an  denen  jene  Zeit  so  reich  ist,  müssen 
wir  alle  diese  Nachrichten  mit  grosser  Vorsicht  aufnehmen.  Wir 
gewinnen  aus  diesem  Material  kein  Urthcil  über  das  Maass  von  Go- 
lizyn's  Schuld.  Golizyn  erscheint  kompromittirt  Seine  Schön- 
färberei in  den  Bulletins  und  Manifesten  ist  tadelnswerth.  Um  ihn 
als  Strategen  gerecht  zu  beurtheilen,  müssten  wir  über  ein  reicheres 
Material  verfügen.  Den  Eindruck  der  Energie,  des  Heroismus, 
einen  Eindruck,  wie  ihn  Münnich's  Haltung  ein  halbes  Jahrhundert 
später  genau  in  derselben  Lage,  an  demselben  Ort  auf  uns  hervor- 


*  «The  20lh  we  came  before  the  Perccop  et  lodged  as  wee  marched,  where  wee  were 
to  enter  in  to  a  treaty  wilh  the  Tartars,  which  tooke  no  effect,  our  demands  being  too 
high,  and  they  not  condescending  to  any  othcr  thing,  as  to  establish  a  peace  of  the  for- 
mer conditions,  so  that  not  being  able  to  subsist  here  for  want  of  water,  grass  et  wood 
for  such  numbers  as  wee  had,  and  finding  no  advantage  by  taking  the  Perecop,  the  next 
day  wee  returned  etc.  Vgl.  das  Schreiben  bei  Ustrjalow,  I.  S.  309 — 311. 

*  Vgl.  Ustrjalow  I,  S.  31 1. 

'  Vgl    Golizyn's  Schreiben  an  Schaklowitij  bei  Ustrjalow  I,  S,  355, 

*  Vgl.  Ustrjalow  I.  S.  242. 


30^ 

bringt,  übt  Golizyn*s  Handlungsweise,  soweit  wir  davon  Kenntniss 
haben,  keineswegs  ^ 

Ein  Russe,  welcher  in  jener  Zeit  sich  in  tatarischer  Gefangen- 
schaft befand,  erzählte:  die  Tataren  der  Krim  hätten  sich  über  Goli- 
zyn  nach  seinem  Rückzug  lustig  gemacht  und  gesagt,  er  sei  nach 
Kijew  gegangen,  um  dort,  in  ein  Kloster  eintretend,  sich  vor  der 
zarischen  Ungnade  zu  retten. 

Von  sehr  verschiedenen  Seiten  sind  schwere  Anklagen  gegen 
Golizyn  geschleudert  worden.  Die  schwerste  lautet  dahin,  der  Fürst 
sei  von  den  Tataren  bestochen  worden.  Sie  findet  sich  in  verschie- 
denen aus  jener  Zeit  stammenden  Quellen. 

Schleusing  erzählt,  der  Fürst  habe  sich  bei  den  Feldzügen  in  der 
Krim  «durch  die  französischen  Louisd'ors,  so  aus  der  Türkei  an  ihn 
Übermacht  worden,  die  Augen  verblenden  lassen»  und  fügt  hinzu, 
es  seien  bei  dem  Sturze  des  Fürsten  in  dessen  Hause  die  verrätheri- 
schen  Briefe  und  50,000  Louisd'ors  gefunden  worden.  Auch  in  der 
Flugschrift  «Gespräche  im  Reiche  der  Todten»,  lässt  der  Verfasser 
den  Fürsten  dem  General  Hochmuth  erzählen,  wie  er  in  einem  lieim« 
liehen  Vernehmen  mit  Frankreich  gestanden  habe  und  dass  man  bei 
ihm  viel  gemünztes  fremdes  Gold  gefunden  habe,  woraus  denn  ge- 
schlossen worden  sei,  dass  er  Geschenke  aus  dem  Auslande  ange- 
nommen habe^ 

In  den  tagebuchartigen  Memoiren  eines  höheren  Beamten  jener 
Zeit,  des  Okolnitschij  Sheljabushskij  findet  sich  die  Notiz:  «Golizyn 
erhielt,  als  er  bei  Perekop  stand,  zwei  Fässchen  mit  Goldmünzen, 
welche  sich  später  bei  dem  Verkauf  in  Moskau  als  kupferne  und 
leicht  vergoldete  Münzen  herausstellten»'. 

Das  Gerücht  scheint  auf  die  Aussage  eines  in  tatarischer  Gefan- 
genschaft gewesenen  Russen,   Namens  Glistin,   zurückzuführen  zu 


'  Von  grossem  Interesse,  aber  nicht  unbedingt  Zutrauen  erweckend  ist  die  Aussage, 
welche  zwei  Jahre  später  der  1689  in  tatarischer  Gefangenschaft  befindliche  Pole  aus 
Ssmolensk,  Poplonskij,  machte.  Er  erzählte:  »Als  die  russische  Armee  bei  Perekop  an- 
gelangt war,  (ragte  der  Sohn  des  Chan 's  diesen,  warum  er  die  Russen  nicht  angreife, 
und  falls  er,  der  Vater,  keinen  Ausfall  mache,  so  werde  er,  der  Sohn,  gern  etwas 
unternehmen.  Der  Chan  antwortete,  Golizyn  habe  zu  ihm  gesandt  und  Frieden  ange 
boten,  daher  befehle  er,  nicht  zum  Kampfe  zu  schreiten.  Käme  es  nicht  zu  einem 
Vergleich,  so  würden  die  Tataren  Golizyn  und  seine  ganze  Armee  nach  Perekop  herein- 
lassen und  dort  gefangen  nehmen  und  verdursten  lassen,  da  es  in  Perekop  nur  drei 
Brunnen  gebe».  —  Aus  dem  Archiv  des  Justizministeriums,  Ssolowjew  XIV,  S.  61, 

'  Bei  Neuville  findet  sich  keine  derartige  Beschuldigung  Golizyn's. 

'  Memoiren,  herausg.  v.  Jasykow,  S.  21. 


303 

sein.  In  dem  Prozesse  Schaklowitij's  sagte  er  aus:  «Als  ich  in  Pere- 
kop  gefangen  war,  kam  ein  Tatar  zu  dem  Chan  mit  der  Nachricht, 
dass  russische  Truppen  in  der  Steppe  zu  sehen  seien.  Der  Chan  er- 
schrack.  Den  Bewohnern  von  Perekop  wurde  befohlen,  ihre  Familien 
fortzusenden  und  ihre  Häuser  zu  verbrennen.  In  dem  Heere  des 
Chan's  befanden  sich  einige  Verräther  von  den  Unsern,  Donische 
Kosaken,  welche  ein  Jahr  früher  aus  Tscherkask  entflohen  waren 
und  den  Islam  angenommen  hatten.  Sie  erzählten  mir^dass  kurz  vor 
dem  Eintreffen  der  russischen  Armee  bei  Perekop  von  dem  türki- 
schen Sultan  an  den  Fürsten  Wassilij  Golizyn  zwei  grosse  Fässer 
mit  Dukaten  abgesandt  worden  seien,  damit  er  die  Krim  verschone. 
In  den  Fässern  waren  15  Fässchen  zu  10  Eimern  jedes.  Der  Chan 
nahm  das  Gold  heraus,  befahl  die  Fässchen  mit  Pech  zu  füllen  und 
nur  oben  und  unten  etwas  Dukaten  zu  lassen.  So  empfing  diese 
Fässer  in  der  Nacht  der  Okolnitschij  Benedikt  Smejew  (der  Ge- 
nosse Golizyn's)  und  übergab  sie  dem  Fürsten;  in  derselben  Nacht 
zog  Golizyn  mit  seiner  Armee  ab  und  liess  die  Werkzeuge,  welche 
bereits  für  den  zu  wagenden  Sturm  angefertigt  waren,  verbrennen. 
Nach  dem  Abzüge  Golizyn*s  wurde  ich  nach  Asow  geschickt.  Dort 
sah  ich,  wie  der  Bei  von  Asow,  welcher  der  Krim  zu  Hülfe  eilen 
sollte,  in  einem  Vorrathsraume  auf  seinem  Hofe  mit  drei  Aga's  drei 
Fässchen,  von  je  5  Eimern,  mit  Pech  füllte  und  nur  oben  und  unten 
Gold  zuschüttete,  indem  er  zu  den  Aga's  sagte,  dass  sie  mit  diesen 
Fässchen  ihr  Leben  retten  würden.  Dies  sahen  noch  drei  andere 
Kriegsgefangene,  welche  in  demselben  Räume  Mehl  mahlten»  ^ 

Man  sieht,  dass  diese  Aussage,  welche  nicht  einmal  von  einem 
Augenzeugen  herrührt  und  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Verwech- 
selung des  Vorganges  in  Asow  mit  dem  angeblichen  Bestechungs- 
versuche in  Perekop  zulässt,  wenig  Glauben  verdiente.  Wenn  schon 
überhaupt  in  jener  Zeit,  zumal  bei  politischen  Prozessen,  unglaub- 
lich viel  gelogen  wurde,  so  darf  man  derartigen  Erzählungen  von 
Deserteuren  und  Apostaten,  und  auch  der  Erzählung  Glistin's,  wel- 
cher seinem  eigenen  Geständniss  gemäss,  den  Türken  versprochen 
hatte  zum  Islam  überzutreten,  keinen  Glauben  beimessen.  Bei  dem 
Prozesse  im  Herbst  1689  machte  indessen  die  Aussage  Glistin's 
einen  gewissen  Eindruck  und  sowohl  Golizyn  als  Smejew  wurden 
darüber  befragt,  was  an  der  Geschichte  mit  den  Dukatenfässchen 
sei.  Golizyn  sagte,  es  sei  kein  Gedanke  davon  wahr,  auch  hätte  er  ja 

i 

*  Vfcl    Ustrjalow  I,  S.  235. 


304 

den  Empfang  eines  solchen  Geschenks  nicht  verheimh'chen  können. 
Ebenso  läugnete  Smejew  die  ganze  Sache  auf  das  Entschiedenste. 

Einen  Beweis  dafür,  dass  Golizyn  unschuldig  war,  können  wir 
auch  in  dem  Umstände  erblicken,  dass  bei  der  Verurtheilung  und 
Verbannung  Golizyn's  nicht  ein  Wort  von  jener  Beschuldigung  er- 
wähnt wurde.  Mag  Golizyn's  Haltung  bei  Perekop  als  kleinmüthig 
erscheinen,  für  einen  Verräther  dürfen  wir  ihn  nicht  halten. 

Dagegen  bleibt  der  Vorwurf,  dass  Golizyn  die  Thatsachen  des 
Feldzugs  entstellt  habe,  auch  in  Betreff  des  Rückzuges  der  Armee 
an  ihm  haften.  Er  berichtete  an  die  Zaren,  der  Chan  habe  es  nicht' 
gewagt,  ihn  zu  Verfolgen,  und  sei  in  Perekop  geblieben.  Aus  anderen, 
zuverlässigeren  Quellen  aber  wissen  wir,  dass  das  Heer  sehr  arg , 
von  der  Verfolgung  durch  die  Tataren  zu  leiden  hatte.  Ausführli- 
cher schreibt  Gordon  an  den  Earl  von  Errol  über  diesen  Rückzug 
und  die  Drangsale  während  desselben,  und  noch  drastischer  schil- 
dert Lefort,  welcher  ebenfalls  an  dem  Feldzuge  Theil  genommen 
hatte^  den  unheilvollen  Ausgang  desselben  mit  wenigen  Zahlen.  Er 
schrieb  an  seine  Verwandten:  «Die  Moskowiter  verloren  35,000 
Mann,  (20,000  Mann  an  Todten  und  15,000  an  Gefangenen);  70 
Kanonen  gingen  zu  Grunde,  und  ebenso  alles  Kriegsmaterial*  ^ 

Die  Verlogenheit  mancher  hervorragender  Persönlichkeiten  jener 
Zeit  weist  ein  sehr  anschauliches  Beispiel  in  dem  Hetman  Maseppa 
auf,  welcher  Zeuge  jener  Vorgänge  bei  Perekop  gewesen  war  und 
einige  Wochen  später,  unmittelbar  vor  dem  Sturze  Golizyn's,  mit 
grosser  Pracht  und  Feierlichkeit  von  der  Regentin  Sophie  in 
Moskau  empfangen  wurde.  Hier  äusserte  sich  Maseppa,  offenbar  um 
dem  augenblicklich  herrschenden  Fürsten  Golizyn  zu  schmeicheln, 
über  den  Feldzug  nach  Perekop:  «Noch  nie  ist  ein  solcher  Sieg 
über  die  Krimer  erfochten  worden,  noch  nie  hat  man  ihnen  einen 
solchen  Schrecken  verursacht.  Die  Festung  Perekop  zu  zertrüm- 
mern war  schwer.  Ich  habe  eine  Chronik  von  Darius  gelesen,  wel- 
cher die  Krim  wegen  Wasser-  und  Futtermangel  nicht  nehmen 
konnte^  und,  nachdem  er  80,000  Mann  verloren  hatte,  schmachvoll 
abzog.  Jetzt  aber  haben  die  russischen  Truppen  bei  Perekop  tapfer 
gekämpft,  eine  Menge  Feinde  getödtet  und  kehrten  ohne  Verluste 
heim  »2. 

Wenige  Wochen  später  hätte  Maseppa,  welcher,  wie  oben  be- 
merkt wurde,   für  sich  aus   dem  konfiszirten  Vermögen  Golizyn's 

*  Posselt,  Lefort,  I,  S.  399. 

*  Ssolowjew,  Bd.  XIV,  S.  164. 


305 

10,000  Rbl.  erbat  und  erhielt,  anders  gesprochen.  Die  fable 
convenue  von  einem  glänzenden  Erfolge  konnte  nur  zeitweilig 
gelten. 

Indessen  scheint  die  Regentin  selbst  an  solche  Erfolge  geglaubt 
zu  haben.     Ein  Schreiben  Golizyn's  an  sie,  welches  er  seinen  offizi- 
ellen Berichten  beigelegt  hatte,  beantwortete  sie  folgendermaassen: 
«Mein  Alles,   mein  Väterchen,  meine  Hoffnung;   möge  es  Dir  Wohl- 
ergehen viele  Jahre!     Dieser  Tag  ist  mir  eine  grosse  Freude,   weil 
Gott   der  Herr   seinen   heiligen   Namen   ruhmreich   gemacht   und 
ebenso  den  Namen  der  Mutter  Gottes,  an  Dir,  mein  Alles!     Von  je 
und  je  ist  eine  so  grosse  Gnade  Gottes  unerhört  gewesen;  unsere 
Väter  haben  nie  dergleichen  erfahren!    Ebenso  wie  Gott  die  Israeli- 
ten durch  Moses  aus  Aegypten  führte,  so  hat  er  Euch  jetzt  durch 
Dich,  meine  Seele,  geführt !     Gott  dem  Herrn  sei  Ruhm,  weil  er  uns 
an  Dir  seine  Gnade  erwiesen  hat!     Mein  Lieber;  wie   soll  ich  Dir 
Deine  maasslose  Mühe  belohnen?     Meine  Freude,    Glück  meiner 
Augen!     Kann  ich  es  denn  wirklich  glauben,  mein  Herz,  dass  icli 
Dich,   meine  Welt,  wiedersehen  soll?     Dass  wird  ein  grosser  Tag 
sein,  an  welchem  Du,  meine  Seele,  wieder  bei  mir  sein  wirst.    Wäre 
es  möglich,  ich  würde  Dich  sogleich  in  einem  Tage  vor  mich  hin- 
zaubern. Deine  Briefe  sind,  durch  Gottes  Hand,  alle  glücklich  ange- 
langt. Der  Bericht  aus  Perekop  kam  am  ii.  Ich  pilgerte  zu  Fuss  aus 
dem  Wosdwishenskij-Kloster;  als  ich  mich  dem  Kloster  des  h.  Sser- 
gius  nähere,  kommt  gerade  Dein  Schlachtbericht.     Jch  weiss  nicht 
mehr,  wie  ich  da  ankam ;  ich  ging  lesend.     Ich  weiss  nicht,  wie  ich 
Gott  und  der  Gottesmutter  und  dem  allergnädigsten  Wunderthäter 
Sergius  meinen  Dank  darbringen  soll!     Du  schreibst,   ich   solle  den 
Klöstern  Spenden  darbringen;  Alles  habe  ich  erfüllt;  bin  nach  allen 
Klöstern  zu  Fuss  gepilgert.     Die  Medaillen  sind   noch  nicht  fertig; 
betrübt  Euch  desshalb  nicht.  Sobald  sie  fertig  werden,  sende  ich  sie. 
Du  schreibst,  ich  solle  beten.   Gott  weiss,  wie  sehr  ich  mich  darnach 
sehne  Dich  zu  schauen,   meine  Welt,   meine  Seele.     Ich  hoffe   auf 
Gottes  Barmherzigkeit;  er  wird  mir  verleihen  Dich,  meine   Hoff"- 
nung,   zu  sehen.     Wegen  des  Heeres  magst  Du  Alles  nach  Deinem 
Ermessen  beschliessen.  Ich  aber,  Du  mein  Väterchen,  bin,  Dank  sei 
es  Deinen  Gebeten,  gesund;  wir  Alle  sind  gesund.     Wenn  Gott  mir 
verleiht  Dich  zu  sehen,  dann  werde  ich  Dir,  meine  Welt,   von   mei- 
nem ganzen  Leben  und  Treiben  erzählen.     Ihr  aber,  säumet  nicht, 
sondern   marschirt,  wenn  auch  langsam;  ihr  seid  müde.     Wie  soll 

man  Euch  für  alle  Drangsale,  wie  soll  man  vor  Allen,  Dir,  mein 

« 

RU8H.  REVUE.  BD.  Xm,  20 


3o6 

Alles,  vergelten?  Wenn  Du  nicht  so  Dich  bemüht  hättest;  kein 
Anderer  hätte  das  geleistet». 

In  Moskau  gab  es  Festlichkeiten;  es  wurden  Dankgebete  in  allen 
Kirchen  angeordnet;  die  Klöster  erhielten,  in  Veranlassung  der 
frohen  Nachrichten  von  den  Siegen,  reiche  Spenden.  An  das  Heer 
gingen  Boten  mit  den  Aeusserungen  des  Dankes  und  des  beson- 
deren Wohlwollens  von  der  Regentin  und  im  Namen  der  Zaren.  Die 
Urkunde  war  an  Golizyn  gerichtet  und  lautete:  «Durch  Deine  Müh- 
waltung  sind  die  wüthenden  und  seit  undenklicher  Zeit  ihr  Wesen 
treibenden  Feinde  des  heiligen  Kreuzes  und  der  ganzen  Christen- 
heit so  geschlagen,  besiegt  und  verjagt,  dass  sie  in  Schreck  und 
Verzweiflung  selbst  ihre  heidnischen  Wohnungen,  alle  Dörfer  und 
Flecken  in  Perekop  verbrannten,  sich  nicht  aus  Perekop  heraus- 
wagten und  auch  bei  Deinem  Heimzuge  sich  nicht  sehen  Hessen; 
Du  aber  mit  allen  Deinen  Genossen  und  allen  Kriegern  bist  gesund 
heimgekehrt;  für  so  in  aller  Welt  Deinen  Ruhm  verkündende  Siege, 
versichern  wir  Dich  unserer  Gnade  und  loben  Dich  auf  das  Alier- 
gnädigste». 

Golizyn  erhielt  eine  Medaille  im  Werthe  von  300  Rbl.,  ein  gol- 
denes Deckelglas,  ein  goldgesticktes  Gewand,  eine  Summe  Geldes 
und  ein  Landgut.  Alle  Theilnehmer  des  Feldzuges  wurden  belohnt. 
Die  Gefallenen  ehrte  man  durch  Einschreibung  ihrer  Namen  in  die 
Verzeichnisse  derjenigen,  derer  in  den  Kirchengebeten  erwähnt 
wurde*.  Ausdrücklich  wurde  dabei  bemerkt,  dass  solche  Belohnun- 
gen für  Siege  verliehen  würden,  wie  sie  in  der  ganzen  Welt  uner- 
hört seien. 

Uebrigens  merkten  die  heimkehrenden  Krieger  sehr  bald  nach 
ihrer  Ankunft  in  Moskau,  dass  der  wahre  Sachverhalt  in  der  Haupt- 
stadt nicht  unbekannt  war.  Als  Gordon  sich  am  22.  Juli  1689  be- 
mühte zu  erfahren,  was  es  für  Belohnungen  geben  werde,  wurde  er 
damit  vertröstet,  dass  man  die  Erklärung  darüber  ein  Paar  Tage 
später  geben  werde.  Die  Sache  zog  sich  hin,  weil,  wie  Gordon  er- 
fuhr, «der  jüngere  Zar  seine  Einwilligung  nicht  geben  wollte,  dass 
die  Bojaren  so  viel  bekommen  sollten,  als  man  ohne  ihn  beschlossen 
hatte».  Erst  am  26.  Juli  wurde,  wie  Gordon  erzählt,  «der  jüngere 
Zar  durch  vieles  Bitten  und  mit  grosser  Mühe  dahin  gebracht,  dass 
er  seine  Einwilligung  gab*  2. 


*  Usirjalow,  I,  S.  237—243. 

'  Gorüon*s  Tagebuch,  II,  S.  265  u.  266. 


307 

Man  musste  wahrnehmen,  dass  neben  S>ophie  und  Golizyn  noch 
eine  Macht  erstand.  Die  Krisis  nahte. 


Katastrophe. 

Wie  Peter  sich  zu  dem  Ausgange  des  Feldzuges  im  Jahre  1687 
verhalten  habe,  wissen  wir  nicht.  Wenn  berichtet  worden  ist,  dass 
der  junge  Zar  schon  damals  den  Fürsten  Golizyn  mit  Vorwürfen 
überhäuft  habe,  so  ist  auf  eine  solche  Notiz  ohne  Quellenangabe 
kein  Gewicht  zu  legen*. 

Dass  Peter  bei  Gelegenheit  der  Rückkehr  Golizyn's  aus  dem 
zweiten  Feldzuge  zeigte,  dass  er  mündig  zu  werden  anfange,  ist 
gewiss.  Er  war  damals  17  Jahre  alt.  Bereits  ein  Jahr  zuvor  hatte 
Baron  Keller  nach  den  Niederlanden  geschrieben,  der  jüngere  Zar 
ziehe  durch  seine  Klugheit  und  Kenntniss  militärischer  Gegenstände 
die  grösste  Aufmerksamkeit  auf  sich;  hohe  und  mächtige  Herren 
versicherten,  dass  dieser  junge  Fürst  bald  zur  Ausübung  der  sou- 
veränen Macht  werde  zugelassen  werden:  trete  aber  eine  solche 
Veränderung  ein,  so  würden  manche  Angelegenheiten  eine  andere 
Wendung  nehmen*. 

Bereits  am  25.  Januar  1688  schreibt  Gordon,  es  sei  bei  Hofe  eine 
Geheimeraths- Versammlung  gehalten  worden,  an  welcher  Peter  zum 
ersten  Male  Theil  genommen  habe'.  Damals  beschäftigten  den 
jüngeren  Zaren  die  bekannten  Soldatenspiele,  und  diese  ver- 
anlassten bei  Sophie  und  dem  Fürsten  Golizyn  mancherlei  Ver- 
stimmung. Gordon  erwähnt  im  Februar  |688,  der  jüngere  Zar  habe 
verlangt,  man  solle  ihm  5  Pfeifer  und  5  Trommelschläger  von  Gor- 
don's  Regimente  zusenden,  und  Golizyn  sei  sehr  ungehalten  darüber 
gewesen,  dass  Gordon  den  Wunsch  Peters  erfüllt  habe,  ohne  dass 
Golizyn  davon  wusste*. 

Mit  Sophie  war  es  schon  am  9.  Juli  1689  zu  einem  Auftritte  ge- 
kommen, als  die  Prinzessin  darauf  bestand,  einer  Prozession  zu- 
gleich mit  dem  Zaren  beizuwohnen  und  Peter  in  Folge  dessen  in 


*  Vgl.  Malinowskij  a.  a.  O.  S  76.  Tereschtschenko  S.  169,  lässt  Golizyn  aus  Rache 
für  die  Demüthigung  an  dem  Altentat  gegen  den  Zaren  Theil  nehmen;  bei  Tere- 
schtschenko gibt  es  eine  entsetzliche  Chronologie:  die  Verschwörung  Chawanskij's 
setzt  er  in's  Jahr  1685  (statt  1682),  den  zweiten  Feldzug  in  die  Krim  1686  (statt  1689). 

*  Posselt,  Lefort.  I,  S.  415. 

'  Vgl.  Gordon's  Tagebuch.  II,  S.  209. 

*  Ebendaselbst,  II,  S.  227. 


3Q8 

grösster  Verstimmung  die  Prozession  im  Stiche  Hess  und  sich  au( 
sein  Landhaus  verfügtet 

Ein  Paar  Wochen  nach  diesem  Auftritte  entstand  jener  Zwist 
über  die  Belohnung  Golizyn's  und  der  Generale.  Peter  hatte 
schliesslich  seine  Einwilligung  gegeben,  aber  er  grollte. 

Gordon  erzählt,  dass  die  Generale  und  Offiziere,  welche  Beloh- 
nungen erhalten  hatten,  am  27.  Juli  sich  nach  Preobrashenskoje  be- 
geben, um  dem  Zaren  Peter  für  seine  Gnade  zu  danken.  Sie  wurden 
nicht  vorgelassen.  Es  war  eine  starke,  unheilverkündende  Demon- 
stration. Gordon  schreibt :  «Jeder  sah  deutlich  und  wusste,  dass  man 
die  Einwilligung  des  jüngeren  Zaren  nicht  anders  als  mit  dem 
grössten  Ungestüm  erpresst  hatte.  Und  dieses  brachte  ihn  wider 
den  Generalissimus  und  die  vornehmsten  Rathgeber  bei  Hofe  von 
der  anderen  Partei  nur  noch  mehr  auf.  Denn  jetzt  sah  man  einen 
öfientlichen  Bruch  deutlich  voraus,  welcher  wahrscheinlich  in  die 
grösste  Erbitterung  ausschlagen  würde.  Indessen  wurde  Alles,  so 
viel  wie  möglich,  vor  dem  grossen  Haufen  geheim  gehalten.  Doch 
geschah  dieses  nicht  mit  so  viel  Geschicklichkeit  und  Verschwiegen- 
heit, dass  nicht  beinahe  ein  Jeder  hätte  wissen  sollen,  was  vor- 
ging»*. 

Wenige  Tage  später  kam  es  zu  diesem  Bruche.  Peter  erhielt  die 
Nachricht,  dass  man  ihm  nach  dem  Leben  stelle.  Er  flüchtete  nach 
Troiza.  Man  hatte  jetzt  zwei  Höfe,  zwei  Heerlager,  nachdem  man 
schon  längere  Zeit  zwei  Parteien  bei  Hofe  gehabt  hatte.  Der 
Bürgerkrieg  konnte  jeden  Augenblick  ausbrechen. 

Golizyn's  Sturz  bei  einer  solchen  Gelegenheit  war  um  so  wahr- 
scheinlicher, als  er  sich  ohnehin  in  verschiedenen  Kreisen  keiner 
Popularität  erfreute.  Er  war  verhasst. 

Unmittelbar  vor  dem  zweiten  Feldzuge  in  die  Krim  erfolgte  ein 
Attentat  auf  das  Leben  des  Fürsten.  Es  hatte  Jemand  ihn,  als  er  im 
Schlitten  sass,  überfallen  und  tödten  wollen.  Mit  Mühe  hatten  die 
Diener  Golizyn's  den  Thäter  gefasst,  welcher  hierauf  in  aller  Stille 
im  Gefängniss  hingerichtet  wurde'.  Ueber  die  Motive  dieser  That 
wissen  wir  nichts.    Ein  anderes  Mal  fand  man,  ebenfalls  unmittelbar 

•  Ustrjalow,  II,  S.  $o* 

•  Gordon's  Tagebuch,  II,  S.  267. 

•  Die  Geschickte  vom  Attentat  ist  bei  Avril,  Voyage  en  divers  ^tais  S.  266  erzählt, 
und  ferner  in  den  «Gesprächen  im  Reiche  der  Todtcn,  S.  1190.  In  der  letzteren  Flug- 
schrift heisst  es,  Golizyn  sei  verhasst  gewesen,  weil  er  die  Fremden  in^s  Land  gernfcn 
habe:  300  Bürger  hätten  sich  gegen  Golizyn\s  Leben  verschworen  u.  dgl. 


309 

vor  dem  Feldzuge  von  1689  vor  der  Thüre  des  Hauses  Golizyn's 
einen  Sarg  mit  einem  Zettel,  in  welchem  gesagt  war,  dass  wenn  der 
zweite  Feldzug  eben  so  erfolglos  sein  werde,  wie  der  erste  gewesen 
war,  Golizyn  zum  Lohne  dafür  einen  Sarg  erhalten  werde*. 

Allerdings  mögen  die  Misserfolge  in  der  orientalischen  Frage  die 
allgemeine  Stimmung  gegen  den  Fürsten  Golizyn  erregt  haben. 
Baron  Keller  schrieb  im  April  1689  an  die  Generalstaaten:  tWenn 
es  sich  ereignen  sollte,  —  vor  welchem  Unglücke  Gott  dieses  Land 
bewahren  möge,  —  dass  der  gegenwärtige  zweite  Feldzug  für  die 
Russen  nicht  glücklicher  wäre,  als  der  erste,  so  ist  es  gar  sehr  zu 
befürchten,  dass  ein  allgemeiner  Aufruhr  hier  zu  Lande  ausbricht, 
pnd  zwar  aus  mehr  als  einem  Grunde,  welchen  ich  gegenwärtig  dem 
Papiere  anzuvertrauen  nicht  wage»-. 

Man  sieht  aus  diesen  Vorgängen  und  Stimmungen,  was  das  Schei- 
tern der  Unternehmungen  gegen  die  Krim  für  den  Fürsten  Golizyn 
bedeutete.  Auch  sind  ihm  bei  seiner  Verurtheilung  diese  Feldzüge 
zum  Vorwurf  gemacht  worden.  Konnte  man  ihn  auch  noch  anderer 
Vergehen  beschuldigen? 

Es  ist  bei  dem  lückenhaften  Material,  über  welches  wir  verfügen, 
nicht  leicht,  die  Absichten  der  Prinzessin  Sophie  zu  durchschauen. 
Noch  schwerer  ist  es,  das  Maass  der  Mitschuld  Golizyn*s  an  diesen 
Plänen  der  Regentin  festzustellen.  Sowohl  die  Akten  des  Prozesses 
Schaklowitij  als  die  Aufzeichnungen  der  Zeitgenossen  enthalten 
hierüber  nur  unzuverlässige  Angaben. 

Am  abenteuerlichsten  sind  die  Erzählungen  Neuville's,  in  ihnen 
findet  sich  wohl  dasjenige,  was  in  den  Kreisen  der  Ausländer  als 
Gerücht  umlief.  Da  heisst  es  denn,  Sophie  habe  Golizyn,  von  dem 
sie  Kinder  hatte,  auf  den  Thron  bringen  wollen,  und  dann  wieder, 
Golizyn  habe  seinem  Sohne  die  Krone  verschaffen  wollen.  Auch 
von  allerlei  Ränken  gegen  den  Zaren  Iwan  wird  erzählt;  Golizyn 
habe  die  Gemahlin  desselben  durch  einen  italienischen  Arzt  ver- 
führen lassen ;  es  sollte  der  Beweis  geführt  werden,  dass  die  Kinder 
der  Zarin  nicht  Iwans  Kinder  seien,  Iwan  sollte  dadurch  veranlasst 
werden,  seine  Gemahlin  zu  Verstössen,  worauf  man  ihn  dann  mit 
einer  Andern  verheirathen  wollte,  von  welcher  man  sicher  sei,  dass 
sie  keine  Kinder  haben  werde,  u.  dgl.  mehr*. 


•  Auch  die  Geschichte  vom  Sarge  ist  in  dem  Gespräche  m.  d.  Gederal  Hochmuth. 

*  Possclt,  Lefort,  I,  S,  419. 

^  Relation  curieuse  S.  159,  162,  165, 


310 

Gewiss  ist,  dass  Sophie  und  Golizyn  zunächst  auf  Mittel  sinnen 
mussten,  sich  neben  Peter  zu  behaupten. 

Es  gab  ein  einfaches  Mittel,  die  Zweiherrschaft  in  eine  Dreiherr- 
schaft zu  verwandeln.  Sophie  begann  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  1686  bei  den  im  Namen  der  Zaren  Iwan  und  Peter  erlassenen 
Aktenstücke  ihren  Namen  als  a Selbstherrscherin»  beizufügen.  Es 
geschah  dieses  zuerst  in  dem  Augenblicke  des  Abschlusses  des 
Friedens  mit  Polen,  Peter  selbst  schwieg  damals,  aber  seine  Mutter 
widersprach  lebhaft  und  drohte,  ihre  Anhänger  würden  dieses  der 
Prinzessin  nicht  so  hingehen  lassend  Es  war  unmöglich,  dass  nicht 
der  «erste  Minister»  Sophiens,  wie  die  Ausländer  Golizyn  nannten, 
an  der  Verantwortlichkeit  für  diese  Neuerung  mittragen  musste. 
Es  war  ein  in  aller  Stille  und  Gemächlichkeit  vollzogener  Staats- 
streich. Peters  Alleinherrschaft,  wenn  er  mündig  war  (Iwan  zählte 
kaum  mit),  war  in  Frage  gestellt.  Zu  dieser  Maassregel  die  Hand 
geboten  zu  haben,  ist  dem  Fürsten  Golizyn  bei  seiner  Verurtheilung 
zum  Vorwurfe  gemacht  worden.  Er  galt  nicht  bloss  für  mitschul- 
dig ;  er  war  es. 

Dass  Schaklowitij  «der  zweite  Favorit*,  wie  er  wohl  genannt  wird, 
Peter  und  dessen  Mutter  nach  dem  Leben  getrachtet  habe,  unter- 
liegt keinem  Zweifel.  In  wiefern  Golizyn  an  diesen  Anschlägen 
betheiligt  war,  ist  schwer  zu  ermitteln.  Einer  der  Zeugen,  welche 
in  Schaklowitij *s  Prozess  verhört  wurden,  sagte  aus,  Golizyn  habe 
einmal  geäussert:  «Es  ist  schade,  dass  man  im  Jahre  1682  (bei  dem 
ersten  Aufstande  der  Strelzy)  nicht  auch  die  Zarin  Natalja  getödtet 
habe;  dann  wäre  jetzt  nichts»,  d.  h.  dann  hätte  man  es  leichter  (im 
Jahre  1689)  Sophiens  Strauss  mit  Peter  auszuf echten.  Auf  solche 
Aussagen  ist  nicht  viel  Gewicht  zu  legen.  Auch  ist  in  der  Verur- 
theilungsakte  keine  bezügliche  Beschuldigung  zu  finden.  Wenn 
übrigens  in  der  That,  wie  man  anzunehmen  Grund  hat,  eine  formelle 
Verschwörung  gegen  Peter  bestand,  und  Sophie  und  Schaklowitij 
dabei  die  Initiative  hatten,  so  ist  es  im  höchsten  Grade  unwahr- 
scheinlich, dass  Golizyn  nicht  in  solche  Entwürfe  eingeweiht  gewe- 
sen sei.  Als  der  Hauptschuldige  galt  allerdings  Schaklowitij.  Er 
wurde  hingerichtet.  Bei  der  Untersuchung  wurde,  offenbar  um  das 
Maass  von  Golizyn's  Mitschuld  festzustellen,  nach  dem  Grade  der 
Intimität  zwischen  Golizyn  und  Schaklowitij  geforscht.  Der  erstere 
läugnete  eine  solche  Intimität,   aber  man  hatte  bei  Schaklowitij  die 


^  Vgl.  die  Einzelnheiten  bei  Ustrjalöw,  II,  S.  35  u.  ff. 


3^ 

vielen  Briefe  Golizyn's  an  denselben  aus  dem  Jahre  1687  gefunden 
und  hielt  sie  Golizyn  als  einen  Beweis  seiner  nahen  Beziehungen 
zu  Schaklovvitij  entgegen.  Aber  alle  diese  Einzelnheiten  der  Unter- 
suchung und  der  Verurtheilungsakte  geben  im  Grunde  keinen  Be- 
weis für  das  Maass  von  Golizyn's  Mitschuld  ab,  weil  das  über  ihn 
gefällte  Urtheil,  wie  wir  auf  Grund  der  Mittheilungen  Gordon^s  an- 
nehmen dürfen,  durch  den  Einfluss  Boris  Golizyn's  wesentlich  ge- 
mildert wurdet.  Ausdrücklich  bemerkt  Gordon,  welcher  den  Per- 
sonen der  maassgebenden  Kreise  nahestand,  und  von  vielen  Einzeln- 
heiten der  Vorgänge  während  der  Krisis  wusste,  dass  Golizyn  «die 
grösste  Stütze  der  Partei  der  Prinzessin  und  dafür  bekannt  gewesen 
sei,  dass  er,  wenn  er  nicht  selbst  der  Anstifter  war,  doch  um  Alles 
wusste,  was  man  gegen  das  Leben  des  jüngeren  Zaren  im  Sinne  ge- 
habt hatte*  ^ 

In  dem  Prozesse  Schaklowitij's  wurde  ausgesagt,  die  Prinzessin 
Sophie  habe  nächtlicher  Weile  wiederholt  geheime  Unterredungen 
mit  den  Strelzy  gehabt,  in  denen  sie  über  die  Uebergriflfe  der 
Naryschkin'schen  Partei  Klage  geführt  und  u.  A.  sich  mit  Erbitte- 
rung auch  darüber  geäussert  habe,  dass  man  dem  Fürsten  Wassilij 
Wassilje witsch  Golizyn,  welcher  doch  so  viel  geleistet  habe,  den 
Kopf  abhauen  wolle;  an  diesen  Unterredungen  habe  Golizyn  bis- 
weilen Theil  genommen«. 

Die  Einzelnheiten  der  Vorgänge  im  August  und  September  1689 
können  hier  für  uns  nur  insoweit  von  Interesse  sein,  als  sie  den  Für- 
sten Golizyn  betreffen.  Man  weiss,  wie  Peter,  nachdem  er  sich  nach 
Troiza  begeben  hatte,  von  dort  aus  an  die  verschiedenen  Truppen- 
theile  die  Aufforderung  richtete,  zu  ihm  zu  kommen,  und  die  in 
Moskau  zurückbleibende  Regierung,  in  dem  Maasse,  als  die  Strelzy 
und  die  andern  Truppentheile  jener  Aufforderung  nachkamen,  ihre 
Sache  scheitern  sahen. 

Von  der  Haltung  der  Prinzessin  in  diesen  Wochen  wissen  wir  viel 
mehr,  als  von  derjenigen  des  Fürsten  Golizyn.  Er  bleibt  gewisser- 
maassen  im  Hintergrunde:  er  ist  mehr  Zuschauer,  als  handelnde 
Person.  Er  musste  die  Gefahr  erkennen,  in  welcher  er  sich  befand, 
aber  dass  er  dieser  augenscheinlichen  Gefahr  gegenüber  grosse 
Energie,  Thatkraft  an  den  Tag  gelegt  habe,  kann  man  nicht  sagen. 
Während  von   der  Regentin  berichtet  wird,   dass  sie  auf  allerlei 


*  Gurdun's  Tagebuch  II,  S.  280. 
'  Ustrjalow,  U,  S.  53. 


312 

Maassregeln  sann,  den  Streit  mit  Peter  beizulegen,  dass  sie  mehrere 
Personen  hintereinander  nach  Troiza  sandte,  um  den  erzürnten 
Bruder  zu  besänftigen,  dass  sie  wiederholt  sich  an  die  noch  in  Mos- 
kau verbleibenden  Truppen  mit  langen  Reden  wandte  u.  s.  w,,  gibt 
es  nur  einige  wenige  Andeutungen  über  Golizyn,  und  diese  lassen 
darauf  schliessen,  dass  er  kleinmüthig  und  unentschlossen  das  Ver- 
hängniss  an  sich  herankommen  Hess. 

Schaklowitij  sagte  bei  dem  Verhör  in  Troiza  aus,  Golizyn  habe, 
als  schon  eines  der  angesehensten  Strelzyregimenter  nach  Troiza 
zu  Peter  übergegangen  war,  den  Rath  gegeben  durch  Emissäre  ein 
öder  zwei  Dutzend  Strelzy  bereden  zu  lassen,  wieder  zurückzu- 
kehren; dann  würden  auch  die  anderen  Strelzy  Peler  verlassen  und 
er  selbst  werde  genöthigt  sein,  nach  der  Hauptstadt  zukommen*. 
Schaklowitij  folgte  diesem  Rathe,  aber  es  gelang  nicht,  auf  die  in 
Troiza  befindlichen  Strelzy  zu  wirken. 

Peters  Anhang  wuchs.  Anfang  September  war  er  bereits  in  der 
Lage,  die  Auslieferung  Schaklowitij's  nicht  bloss  verlangen,  son- 
dern auch  durchsetzen  zu  können.  Schaklowitij,  welcher  —  zu 
spät  —  einige  Vorbereitungen  zur  Flucht  getroffen  hatte,  wurde  von 
der  Regentin  ausgeliefert,  nach  Troiza  gebracht,  gefoltert,  hinge- 
richtet. 

Inzwischen  sollte  auch  Golizyu's  Schicksal  sich  erfüllen. 

In  Moskau  war  Golizyn  immer  noch  die  er^e  Person  neben  der 
Regentin.  Am  i6.  August  befahl  er  dem  General  Gordon  auf  das 
Allerentschiedenste,  sich  unter  keinen  Umständen  aus  Aloskau  zu 
entfernen.  Als  Gordon  und  die  andern  ausländischen  Offiziere  An- 
fang September  von  Peter  die  Aufforderung  erhielten,  unverzüglich 
nach  Troiza  zu  kommen,  hielt  Gordon  es  für  seine  Pflicht,  dem  Für- 
sten Golizyn  davon  mit  dem  Bemerken  Mittheilung  zu  machen,  dass 
sie  gehorchen  würden.  Golizyn  ward  bestürzt,  suchte  seine  Un- 
ruhe zu  verbergen  und  antwortete,  er  werde  die  Entscheidung  der 
Prinzessin  Gordon  später  mittheilen.  Die  Entscheidung  hing  aber 
nicht  mehr  von  Sophie  und  Golizyn  ab.  Gordon  reiste  mit  allen 
Ausländem  nach  Troiza  und  dieser  Umstand  trug  nicht  wenig  dazu 
bei,  dass  Peters  Partei  zum  Siege  gelangte^. 

Inzwischen  war  in  Troiza  Golizyn's  Vetter,  Boris  Alexejewitsch 
Golizyn,  der  Hauptrathgeber  Peters,  dessen  Erzieher  er  die  letzten 


*  Vgl.  Ustrjalow,  II,  S.  64. 

'  Gordon's  Tagobuch  II,  S.  275  —  277. 


313 

Jahre  gewesen  war.  Boris  GoHzyn  konnte  dem  Schicksale  seines 
Vetters  vielleicht  eine  relativ  günstige  Wendung  geben.  Er  schrieb 
aus  Troiza  an  denselben,  Wassilij  Wassiljewitsch  solle  nach  Troiza 
kommen  und  bei  Zeiten  um  die  Gnade  des  Zaren  bitten.  Dieses 
Schreiben  kam  am  i.  September.  Am  3.  September  sandte  Was- 
silij Golizyn  die  Antwort  ab,  in  welcher  er  seinen  Vetter  Boris  er- 
suchte, in  dem  Streite  zwischen  Sophie  und  Peter  als  Vermittler  auf- 
zutreten. So  glaubte  denn  Wassilij  Golizyn  noch  immer  an  die 
Möglichkeit  der  Versöhnung  der  Parteien.  Indessen  erhielt  er  gleich 
darauf  ein  zweites  Schreiben  von  Boris  Golizyn  aus  Troiza,  worin 
derselbe  seinen  Vetter  nochmals  ermahnte,  baldmöglichst  nach 
Troiza  zu  kommen,  und  sich  die  Gnade  des  Zaren,  welcher  ihn  gut 
aufnehmen  werde,  zu  erwerben.* 

Am  6.  September  erfolgte  die  Auslieferung  Schaklowitij*s.  Goli- 
zyn,  welcher  die  Nacht  vom  5.  auf  den  6.  mit  einigen  Vertrauten 
auf  seinem,  in  der  unmittelbaren  Umgebung  der  Hauptstadt  befind- 
lichen Gute  Medwedkowo  zugebracht  hatte,  war,  als  er  diese  Nach- 
richt erhielt,  sehr  bestürzt. 

Hat  er  daran  gedacht  sich  durch  die  Flucht  zu  retten?  In  Ge- 
schichtsquellen von  sehr  zweifelhaftem  Werthe  wird  allerlei  Aben- 
teuerliches über  diesen  Punkt  mitgetheilt*.  Die  zuverlässigen  Mate- 
rialien enthalten  keine  Andeutung  darüber. 


*  Gordon's  Tagebuch  II,  S.  273—274.  Sehr  anschaulich  ist  Gordon's  Bemerkung, 
welche  er  der  Nachricht,  dass  Boris  Golizyn  an  seinen  Vetter  schrieb,  hinzufügt:  «Denn 
kein  Anderer  durfte  es  wagen,  sich  in  eine  so  kitzliche  Sache  zu  mischen,  als  diese 
anfanglich  angesehen  wurde. 

'  So  z.  B.  erzählt  Neuville,  Golizyn  habe  noch  vor  dem  Ausbruche  der  Krisis  vor- 
sichtigerweise seinen  Sohn  mit  allerlei  Schätzen  nach  Polen  senden  wollen,  aber  die 
allzugrosse  Ungeduld  Sophiens  habe  diese  Maassregel  vereitelt.  An  einer  anderen 
Stelle  erzählt  Neuville  (S.  167)  Golizyn  habe  sich  bei  Zeiten  zurückziehen,  nach  Polen 
fliehen,  seine  Schätze  in's  Ausland  retten,  sich  an  die  Spitze  rebellischer  Schaaren  von 
Kosaken  und  Tataren  stellen  wollen  u.  dgl.  m.;  er  habe  noch  im  letzten  Augenblicke 
fliehen  können,  aber  seine  Familie  nicht  preisgeben  wollen  und  daher  die  Flucht  unter- 
lassen. —  Am  abenteuerlichsten  ist  der  Inhalt  eines,  in  der  Kaiserlichen  Bibliothek  zu 
St.  Petersburg  befindlichen,  als  Flugblatt  gedruckten  Schreiben-  eines  Unbekannten  aus 
Moskau  vom  5.  Oktober  1689  (Copia  litteranim  ex  Stolicza  Metropoli  Moschorum  Im- 
perii  de  proditione  archistrategi  Galliczin  scriptarum  —  eine  Seite,  ohne  Druckort),  wo 
es  heisst,  Peter  sei  wegen  der  Feldzüge  in  die  Krim  so  aufgebracht  über  Golizyn  gewe- 
sen, dass  er,  der  Zar,  mit  12,000  Mann  die  Hauptstadt  verlassen  habe  und  ent- 
schlossen sei,  nicht  eher  dahin  zurückzukehren,  als  bis  Golizyn  mit  seinem  Anhange 
gefangen  vor  ihn  gebracht  würde;  Golizyn  sei  entflohen;  Peter  habe  ihm  «veloces  Jacu- 
latores  et  Slrclicios>  nachgeschickt;  Golizyn  habe  sich  auf  seinem  Gute  verschanzt  und 


314 

Dagegen  haben  wir  sehr  genaue  Nachrichten  über  die  Vorgänge 
beim  Sturze  Golizyn's, 

Peter  hatte  die  in  Moskau  weilenden  Bojaren  zu  sich  nach  Troiza 
entboten.  Am  7.  September  kamen  einige  derselben  dorthin.  An 
demselben  Tage  ward  Schaklowitij  in  Troiza  verhört  und  gefoltert. 
Gegen  5  Uhr  Nachmittags  kam  Wassilij  Golizyn  und  einige  Perso- 
nen seiner  Umgebung  vor  dem  Thore  des  Klosters  an.  Sie  mussten, 
ehe  man  ihnen  Einlass  gewährte,  eine  Viertelstunde  warten,  worauf 
ihnen  befohlen  wurde,  in  den  von  ihnen  bezogenen  Wohnungen  zu 
verbleiben.  Es  war  also  Hausarrest  vorgeschrieben.  Peter  behan- 
delte Golizyn  und  dessen  Genossen,  Neplujew,  Smejew  u.  s.  w.  als 
Staatsverbrecher,  wenn  auch  zunächst  mit  der  grössten  Milde  ^ 

Am  Abend  desselben  Tages  besuchte  Gordon  den  Fürsten  in 
dessen  Wohnung,  und  fand  ihn,  wie  er  bemerkt,  «etwas  tiefsinnig» 
wozu  er  auch  Ursache  hatte». 

Der  8.  September  verging,  ohne  dass  etwas  Entscheidendes  ge- 
schehen wäre. 

Am  9.  endlich  folgte  die  Entscheidung.  Es  wurde  nach  dem  Für- 
sten Golizyn  und  dessen  Sohne  geschickt.  Als  sie  an  der  Treppe 
des  Hauses,  in  welchem  Peter  wohnte,  anlangten,  trat  ihnen  ein  Be- 
amter mit  einer  Papierrolle  entgegen  und  verlas  das  Urtheil*. 

Es  war  in  Betreff  Golizyn's  keine  eigentliche  Untersuchung  vor- 
ausgegangen. Man  hatte  ihn  nicht  verhört.  Man  strafte  kein  eigent- 
liches Verbrechen.  Man  machte  ihm  keinen  Vorwurf  der  Mitschuld 
an  Schaklowitij's  Anschlägen.  Man  stürzte  ihn  wegen  der  Missregie- 
rung. Er  unterlag  keiner  eigentlich  juristischen,  sondern  nur  mehr 
einer  politischen  Ministerverantwortlichkeit.  In  orientalischen  Staa- 
ten pflegen  Ministerkrisen  mit  einer  gewissen  Härte  und  Strenge 
verbunden  zu  sein.    Die  Entfernung  eines  Staatsmannes  von  seinem 


sich  daselbst  mit  looo  Mann  vertheidigt  —  Uebrigens  bemerkt  der  Verfasser  des 
Schreibens  und  zeigt  damit,  dass  alle  solche  Erzählungen  nur  der  Ergebniss  des  Stadt- 
klatsches waren,  man  erzähle  diese  Vorgänge  sehr  verschieden.  Einige  sagten,  Golizyn 
sei  an  dem  Orte  seines  Asyls  getödtet  worden,  Andere,  er  sei  gebunden  nach  Moskau 
gebracht  worden,  wo  über  die  Art  seiner  Hinrichtung  berathen  werde.  Inzwischen  sei 
zwischen  den  beiden  Zaren  eine  cingens  contentio«  eingetreten,  der  «jüngere»  Zar 
Iwan  (sie)  wolle  mit  Sophie  in  ein  Kloster  gehen,  der  grössere  Theil  der  Bojaren  und 
der  Strelzy  hänge  Peter  an.  Was  weiter  geschehen  werde,  schliesst  das  Schreiben, 
müsse  die  2Seit  lehren.  «Datum  in  Stolicza  Moscoviae,  die  5.  Oct.  1689. 

*  Ganz  ungegründet  ist  die  Erzählung  Schleusing's,  Golizyn  sei  •  auf  Torturart  ge- 
knutet*  worden.  Gordon  weiss  nichts  davon^ 

'  Vgl.  Gordon's  Tagebuch  II,  S.  278  u.  279. 


315 

Posten  erscheint  als  ein  Strafakt,  ohne  es  im  Grunde  zu  sein.  Die 
Entfernung  pflegt  sich  oft  zur  Verbannung  zu  steigern.  Der  missUe- 
bige  Beamte,  welcher  entlassen  wird,  gilt  leicht  als  Staatsverbre- 
cher. 

Golizyn  hatte,  da  er  wohl  von  den  Vorwürfen,  welche  ihm  ge- 
macht werden  sollten,  erfahren  hatte,  eine  Rechtfertigungsschrift 
vorbereitet.  In  17  Punkten  hatte  er  die  Verdienste  beleuchtet,  welche 
er  sich  um  das  Staatswesen  erworben  habe.  Er  kam  nicht  dazu, 
es  vorzulegen.  Schweigend  musste  er  die  Anklageschrift  verneh- 
men. Sie  lautete  dahin,  dass  Golizyn  und  sein  Sohn  des  Bojaren- 
ranges verlustig  gehen,  ihr  Vermögen  verlieren  und  verbannt  wer- 
den sollen,  weil  sie,  als  Sophie  sich  zum  Nachtheil  der  Rechte  ihrer 
Brüder  allerlei  Uebergriffe  angemaasst  habe,  ihr  ohne  Wissen  der 
Zaren  über  allerlei  Staatsgeschäfte  Bericht  erstattet  und  den  Namen 
der  Prinzessin  zugleich  mit  den  beiden  Zaren  geschrieben  hätten, 
auch  habe  der  Fürst  Wassilij  Golizyn,  als  er  1689  in  die  Krim  ge- 
schickt wurde,  bei  Perckop  keine  geeigneten  Maassregeln  ergriffen 
und  sei  schnell  wieder  von  Perekop  abgezogen,  wodurch  den  Zaren 
ein  arger  Verlust  an  Geld  und  Menschen  zugefügt  v;  orden  sei.  Zum 
Verbannungsort  wurde  Kargopol  bestimmt. 

Also  keine  Erwähnung  eines  eigentlichen  Verbrechens,  kein  Wort 
davon,  dass  der  Fürst  Golizyn  sein  Bedauern  darüber  geäussert 
habe,  dass  man  im  Jahre  1682  Peters  Mutter  am  Leben  gelassen 
habe,  keine  Sylbe  von  einem  etwaigen  Verdachte  der  Bestechung 
Golizyn*s  durch  die  Tataren. 

Kargopol  als  Verbannungsort  konnte  als  ein  leidlicher  Aufent- 
halt gelten.  Diese  Stadt  befand  sich  auf  dem  Wege  nach  Archan- 
gelsk, also  an  der  wichtigsten  und  belebtesten  Handelsstrasse  Russ- 
landS|  nicht  im  äussersten  Norden. 

Dass  Golizyn's  Schicksal  sich  so  milde  gestalten  sollte,  über- 
raschte die  Zeitgenossen. 

Gordon  bemerkt,  dass  Golizyn,  welcher  doch  schon  darum  des 
Hochverraths  schuldig  gewesen  sei,  weil  er  die  Anschläge  Anderer 
verhehlt  hatte,  nicht  zu  schlimmeren  Strafen  verurtheilt  wurde,  weil 
sein  Vetter,  Boris  Golizyn,  sich  für  ihn  verwendet  habe,  um  von  sei- 
ner Familie  eine  solche  Schmach  abzuwenden. 

Boris  Golizyn  hatte  Feinde.  Man  sprengte,  als  Golizyn  mit  seinem 
Sohne  fortgeritten  war,  aus,  die  beiden  seien  entflohen.  Boris  Goli- 
zyn hatte  ihnen  das  Geleite  gegeben.  Als  ferner  Schaklowitij  noch 
am  Vorabend  seiner  Hinrichtung  eine  Schrift  über  die  ganze  Ange- 


3t6 

legenheit  verfasst  hatte,  und  Boris  Golizyn,  wegen  der  allzuvorge- 
rückten Abendstunde,  dieses  Aktenstück  erst  am  andern  Morgen 
dem  Zaren  übergab,  zog  er  sich  den  Verdacht  zu,  er  habe  an  der 
Schrift,  welche  seinen  Vetter  zu  kompromittiren  geeignet  sein 
konnte,  etwas  geändert  oder  unterschlagen.  Es  gelang  ihm,  sich  zu 
rechtfertigend 

Yerbannnng  nnd  Tod. 

So  stand  denn  Golizyn  am  Ziele  seiner  politischen  Laufbahn.  Bei 
der  Gefahr,  in  welcher  er  sich  befunden  hatte,  konnte  es  als  eine  Art 
Wunder  gelten,  dass"  er  den  Schrecken  der  peinlichen  Untersuchung, 
wie  sie  in  Russland  auch  bei  politischen  Prozessen  üblich  war,  ent* 
g'ng. 

Allerdings  war  er,  im  Vergleich  mit  seiner  früheren  materiellen 
Lage,  ein  Bettler.  Man  hatte  ihm  von  seinem  ganzen  Vermögen, 
von  allen  Gütern,  dem  baaren  Gelde  und  allem  Besitz  an  Luxu^- 
gegenständen  nur  2000  Rubel  gelassen.  Alles  Andere  war  konfis- 
zirt  worden. 

Alsbald  befand  sich  der  Fürst  mit  seiner  Familie  auf  dem  Wege 
nach  Kargopol. 

Inzwischen  hatte  aber  sein  Schicksal  eine  wesentliche  Verschlim- 
merung erfahren.  Man  beschäftigte  sich  in  Troiza  mit  Golizyn  auch 
nach  seiner  Abreise.  Am  1 5.  September,  also  wenige  Tage  nach 
der  Verurtheilung  Golizyn's,  erfolgte  der  Befehl,  die  Golizyn's  nicht 
nach  Kargopol,  sondern  viel  weiter  nördlich,  nach  Pustosersk  zu 
bringen;  drei  Tage  später  wurde  endlich  der  Flecken  Jarensk  zum 
Aufenthalsort  der  Golizyn's  bestimmt  (im  Archangel'schen  Gouver- 
nement). Es  war  dies  ein  elendes,  aus  etwa  dreissig  Hütten  be- 
stehendes, von  Syrjanen  bewohntes,  hundert  Meilen  von  Wologda 
gelegenes  Dorf,  welches  indessen  immerhin  besser  war,  als  das  un- 
wirthliche  Pustosersk,  wo  der  Vorgänger  Golizyn's,  der  ausgezeich- 
nete Staatsmann  Matwejew,  während  der  Regierung  des  Zaren  Feo- 
dor  dorthin  verbannt,  der  Gefahr  des  Verhungems  ausgesetzt  gewe- 
sen war. 

Man  hatte  zuerst  den  Golizyn's  ein  grösseres  Gefolge  gestattet ; 
jetzt  sollte  die  Dienerschaft  der  Familie  fünfzehn  Köpfe  nicht  über- 
steigen.    Auch  die  Habseligkeiten,  welche  die  Golizyn's  mitgenom- 


<  Vgl.  Gordon*s  Tagebuch  II,  S.  280—287. 


317 

mcn  hatten,  baares  Geld,  Schmucksachen  u.  s.  w.  sollte  Alles  kon- 
fiszirt  werden.  Auf  das  Strengste  sollten  die  Gefangenen  von  allem 
Umgange  mit  anderen  Menschen  abgesperrt  bleiben.  Aller  briefliche 
und  mündliche  Verkehr  war  verboten. 

Der  Beamte,  welcher  mit  solchen  Instruktionen  den  Reisenden 
nachgeeilt  war,  traf  sie  in  Jarosslaw,  wo  die  Golizyn's  ein  Verhör  zu 
bestehen  hatten.  Einige  der  Aussagen,  welche  Schaklowitij  ge- 
macht hatte,  sollten  dadurch  geklärt  werden.  Golizyn  stellte  die 
Wahrheit  de;r  von  Schaklowitij  in  Betreff  seiner,  Golizyn's,  gemach- 
ten Aussagen  in  Abrede.  Man  drohte  ihm  mit  der  Folter.  Er  blieb 
fest  beim  Leugnen.  Es  kam  nicht  zu  so  extremen  Maassregeln. 
Offenbar  hatte  der  verhörende  Beamte  Instruktionen,  von  äusserster 
Strenge  abzusehend 

Trotz  der  strengen  Aufsicht  erhielt  Golizyn  auf  der  Reise  ein 
Schreiben  und  Geld  von  der  ehemaligen,  jetzt  gestürzten  Regentin. 
Sophie  machte  ihm  Hoffnungen:  er  werde.  Dank  der  Fürbitte  des 
Zaren  Iwan,  bald  seine  Freiheit  erlangen.  Die  Prinzessin  hatte  einen, 
auf  sein  Gut  reisenden  Landedelmann  durch  Drohungen  willig  ge- 
macht, diese  Botschaft  zu  übernehmen.  In  Wologda,  wo  die  Reisen- 
den rasteten,  schlich  er  sich  durch  Gemüsefelder  leise  zum  Hause 
der  Gefangenen  und  übergab  den  Brief,  so  wie  das  Geldpäckchen, 
welches  2 — 300  Dukaten  enthalten  mochte.  Golizyn  gab  ihm  ein 
Antwortschreiben  an  Sophie,  welches  der  Bote,  aus  Furcht  damit 
betroffen  zu  werden,  verbrannte. 

Monatelang  währte  die  Reise  in  den  Norden.  Hinter  Wologda 
wurden  die  Wege  immer  schlechter.  Man  konnte  die  Wasser- 
strassen nicht  benutzen.  Zuerst  gab  es  Mangel  an  Wasser,  dann  be- 
deckten sich  die  Flüsse  mit  Eis.  Auf  den  Flüssen  brachen  die  Rei- 
senden wiederholt  durch's  Eis.  Die  Frauen  und  Kinder  (Alexei  Go- 
lizyn wurde  von  seiner  Familie  begleitet)  wurden  nur  mit  äusserster 
Gefahr  gerettet.  Die  Gemahlin  Alexei  Golizyn*s  gebar  unterwegs 
Zwillinge,  deren  einer  sogleich  starb.  Endlich  langten  die  Reisenden 
im  Januar  1690  in  Jarensk  an,  wo  sie,  wie  wir  aus  den  Berichten  des 
sie  begleitenden  Beamten,  so  wie  aus  den  an  die  Zaren  gerichteten 
Bittschriften  der  Golizyn's  wissen,  an  dem  Nothwendigsten  Mangel 
litten,  mit  der  elendsten  Behausung  und  kärglicher  Nahrung  sich 
begnügen  mussten. 

Inzwischen  wurde  in  Moskau  die  politische  Untersuchung  gegen 


*  Vgl.  die  Einzelnheiten  bei  Ustrjalow  II,  S.  85  u,  ff.  und  S.  455  u,  flF. 


3i8 

mehrere  Anhänger  der  Prinzessin  fortgesetzt.  Dabei  kam  denn  wie- 
der manches,  den  Fürsten  Golizyn  kompromittirende  zum  Vorschein. 
Er  war  der  Zauberei  beschuldigt  worden,  ja  sogar  der  Vorwurf,  er 
habe  sich  von  den  Tataren  bei  Perekop  bestechen  lassen,  wurde 
jetzt  erhoben,  man  erfuhr  von  seinem,  aus  Wologda  an  die  Prin- 
zessin gerichteten  Schreiben;  ein  Mönch  kam  angeblich  aus  Jarensk 
und  wollte  dort  aus  dem  Munde  des  Fürsten  die  Aeusserung  gehört 
haben,  man  werde  in  Moskau  bald  seiner  bedürfen,  da  Peter  nur 
etwa  noch  ein  Jahr  leben  werde. 

So  gab  es  denn  alsbald  in  Jarensk,  wohin  ein  besonderer  Beamter 
geschickt  wurde,  ein  neues  Verhör.  Es  gelang  Golizyn,  alle  Ankla- 
gen zurückzuweisen.  Insbesondere  wurde  es  klar,  dass  jene  von  dem 
Mönche  ausgehende  Anklage  rein  aus  der  Luft  gegriffen  war.  Es 
stellte  sich  heraus,  dass  der  Mönch  nie  in  Jarensk  gewesen  war  und 
den  Fürsten  nie  gesehen  hattet 

Gleichwohl  trat  wiederum  eine  Verschlimmerung  des  Schicksals 
der  Verbannten  ein.  Golizyn  hatte  sich  doch  nicht  völlig  von  dem 
Verdachte,  die  ihm  schuldgegebenen  Dinge  begangen  zu  haben, 
reinigen  können.  Er  wurde  nach  Pustosersk  verbannt.  Es  trat  das 
schlimmste  Stadium  der  Strafe  ein*.  Zuerst  weilten  die  Golizyn's  in. 
Pustosersk,  endlich  im  Pineshskij  Wolok,  d.  h.  im  heutigen  Pinega 
(Kreisstadt  im  Gouv.  Archangelsk)*. 

Fast  ein  volles  Vierteljahrhundert  hat  der  Fürst  Wassilij  Wassil- 
jewitsch,  der  an  materiellen  und  geistigen  Luxus  gewöhnte  Zögling 
West-Europa's,  in  der  unwirthlichen  Einöde  im  nördlichsten  Theile 
des  europäischen  Russlands  die  Wirkungen  des  furchtbaren  Wech- 
sels von  Glück  und  Unglück,  von  Macht  und  Elend  an  sich  und  den 
Seinigen  erfahren.  Dass  noch  mehrere  Jahre  nach  seiner  Kata- 
strophe sein  Name,  welcher  während  der  Regentschaft  Sophiens 
neben  denen  der  Zaren  und  der  Prinzessin  oft  und  oft  genannt  wor- 
den war,  eine  gewisse  Macht  repräsentirte,  dass  man  Grund  hatte, 
ihn  zu  fürchten,  ist  aus  dem  Umstände  zu  ersehen,  dass  in  dem  letz- 


*  Er  wurde  natürlich  bestraft;  vgl.  d.  Verurtheilungsakte,  welche  den  ganzen  Vor. 
gang  enthält  und  in  derartige  Kriminalgeschichten  einen  tiefen  Einblick  gewährt,  bei 
Tumanskij,  Materialien  z.  Gesch.  Peters  d.  Gr.  Bd.  U.  (St.  Pbrg.,  1787)  S.  328  u.  ff. 

'  Vgl.  d.  Aktenstück  der  Verurtheilung  mit  ausführlicher  Reproduktion  des  Verhörs 
bei  Tumanskij  a.  a.  O.  und  in  der  vollständigen  Gesetzsammlung  Bd.  III,  ^  1395« 

•  Vgl,  Ustrjalow  II,  S.  84 — 94.  —  Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  dass  bereits  Voltaire 
in  s.  Gesoh.  P.  d.  Gr.  die  Frage  v.  d,  Aufenthaltsort  Golizyn's  untersuchte,  vgl.  d, 
Ausgabe  v.  1803,  I,  S.  113. 


31g 

ten  Aufstande  der  Strelzy,  in  dem  verzweifelten  Kampfe  der  erbit- 
terten Gegner  Peters  mit  dem  Zaren,  der  Name  Golizyn's  gewisser- 
maassen  als  derjenige  eines  Prätendenten  genannt  wurde. 

Als  Peter  auf  seiner  weltgeschichtlich  bedeutsamen  Reise  in  Eng- 
land weilte  (Anfang  1698),  erhielt  er  die  Nachricht,  in  Wien  werde 
erzählt,  dass  in  Moskau  ein  Aufstand  ausgebrochen  sei:  die  Prin- 
zessin Sophie  habe  den  Thron  bestiegen  und  der  Fürst  Golizyn 
leite  wiederum,  wie  ehemals,  die  Staatsgeschäfte  ^ 

Wenige  Monate  später  brach  der  Aufstand  der  Strelzy  aus.  In 
dem  Programme  der  Rebellen  fand  sich  auch  der  Wunsch,  die  Prin- 
zessin Sophie  auf  den  Thron  zu  erheben;  und  «falls  sie  sich  wei- 
gere, werde  man  den  Fürsten  Wassilij  Golizyn  zum  Zaren  machen, 
weil  er  gegen  die  Strelzy  stets  gnädig  und  wohlwollend  gewesen 
sei»^ 

Ueber  die  letzte  Zeit  seines  Lebens  haben  sich  einige  Akten- 
stücke erhalten^.  Wir  erfahren  aus  diesen  Berichten  des  Vice-Gou- 
vemeurs  von  Archangel,  Kurbatow,  dass  Golizyn  und  seine  Lei- 
densgenossen, (so  viel  bekannt  ist  in  den  Jahren  1709  bi§  1714,  fünf 
Personen)  jährlich  365  Rbl.,  also  täglich  einen  Rbl.  zum  Unterhalte 
empfingen*,  und  dass  Wassilij  Golizyn  in  Pinega  am  21.  April  1714 
gestorben  sei*.  Er  wurde  im  Krassnojarskischen  Kloster  in  der 
Nähe  von  Cholmogorij  bestattet.  —  Die  Prinzessin  Sophie,  welche 
ihn  schwärmerisch  geliebt  hatte^  war  ebenfalls  als  politische  Gefan- 
gene, bereits  im  J.  1706  gestorben.  Golizyn's  Gattin  und  Sohn  er- 
hielten sogleich  nach  seinem  Tode  die  Freiheit  und  einen  Theil  der 
konfiszirten  Habe^. 


*  Vgl.  Ustrjalow,  III.  S.  98—99. 

»  Vgl.  Ssolowjcw,  Bd.  XIV.  S.  271. 

'  Vgl.  d.  Abhdlg,  V.  Petrowskij  in  d.  Zeitschrift:    cRusskoja  Starina»  1877,    Maiheft. 

s.  133—134. 

*  Dem  Urtheilsspruche  des  J,  1691  zufolge  (vgl.  Tumanskij  a.  a.  O.)  sollten  sie  alle 
zusammen  nur  40  Kop.  täglich  erhalten. 

^  Bisher  galt  17 13  (Ur  das  Todesjahr  Golizyn^s  vgl.  Malinowskij,  Tereschtschenko  u. 
s.  w.  Der  Bericht  Kurbatow's  an  Peter,  Apraxin^s  an  den  Senat  u.  s.  w.  löst  jeden 
Zweifel. 

*  Malinowskij  führt,  a.  a.  O.  S.  84,  Verse  an,  welche  Sophie  auf  Golizjm's  Wappen 
gedichtet  haben  soll. 

'  Vgl.  d,  Akten  bei  Ustrjalow  II.  S.  315  und  bei  Petrowskij  a,  a.  O, 


320 

Es  gab  keine  eigentlichen  politischen  Parteien  in  Russland.  Als 
es  den  Dunkelmännern,  den  durch  Peters,  an  das  Volk  gestellte  An- 
forderungen aufs  Aeusserste  erbitterten  Strelzy  im  Jahre  1689  ein- 
fiel, Golizyn  als  Thronkandidaten  aufzustellen,  dachten  sie,  in  deren 
Programm  der  Krieg  gegen  alles  Fremdländische^  die  Vernichtung 
der  deutschen  Vorstadt  uns  als  eine  Art  Glaubensbekenntniss  begeg- 
net, nicht  daran,  dass  ja  Golizyn,  wie  wir  gesehen  haben,  in  ganz 
ähnlicher  Weise  wie  Peter  bei  dem  Westen  in  die  Schule  gegangen 
war.  Es  gab  keinen  Parteigegensatz  zwischen  Peter  einerseits  und 
Sophie  und  Golizyn  andererseits.  Die  Richtung  nach  Westen  war 
durch  die  Geschicke  Russlands  der  ferneren  Entwickelung  dieses 
Staates  vorgeschrieben.  Beide,  Golizyn  wie  Peter,  hingen  dieser 
Richtung  an.  In  welchem  Maasse  dieses  bei  Golizyn  der  Fall  war, 
zeigt  die  Aeusserung  Neuville's,  dass  jetzt,  wo  Golizyn,  der  Reformer 
Russlands,  gestürzt  sei,  die  Weiterentwickelung  des  Landes  in  Frage 
stehe. 

Darin  liegt  die  geschichtliche  Bedeutung  Golizyn's,  dass  der  un- 
glückliche Mann,  der  von  mancher  Schuld  nicht  freizusprechen  ist, 
als  Vorgänger  Peters,  ein  Geistesverwandter  des  grossen  Zaren  war; 
sein  Handeln  nicht  sowohl,  als  seine  Bildung  und  Lebensweise 
bis  zum  Jahre  1689,  sind  ein  Symptom  des  Anbrechens  einer  neuen 
Epoche  für  Russland. 


Der  Weinban  Bnsslands 

mit 

statistischen  Nachweisen  aus  den  Jahren  1870 — 1873. 

(Schluss.)* 


Ausführliche  quantitative  Analysen  sind  nur  von  nachstehenden 
Weinsorten  bekannt.  Diese  Analyse  wurde  von  den  Hrn.  Salomon, 
Dorodnitzin,  Schabonewitsch,  Tapator,  Melikow,  Borowskoi,  Mois- 
sejew  und  Tjukow  ausgeführt. 


*  Vgl.  .Russ.  Revue»  Bd.  XIII.  S.  97  lu  ff.  und  S.  237  u.  ff. 


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_3?5_ 

Das  spezifische  Gewicht  verschiedener  Weinsorten  unterliegt  bloss 
geringen  Schwankungen.  Alle  Dessert-,  Liqueur-  und  moussirenden 
Weine  sind  schwerer  als  Wasser  und  je  mehr  sie  Zusatz  enthalten; 
desto  höher  ist  ihr  spezifisches  Gewicht.  Ein  besonders  hohes  spe- 
zifisch^ Gewicht  besitzt  der  Zimljan'sche  moussirende  Rothwein  aus 
Nowo-Tscherkask  (1,278  bei  18,4^  C);  offenbar  ist  dasselbe  der  Bei- 
mischung von  Zucker  zum  Weine  zuzuschreiben.  Von  den  übrigen 
Dessert-  und  Liqueur- Weinen  wurde  das  höchste  spezifische  Gewicht 
bei  Muscat  Lunel  aus  Muchaljatka  (1,0848  bei  11,4^  C.)  und  bei 
Isabella  aus  Semeis  (1,0837  bei  ii»o®C.)  gefunden,  beide  aus  dem 
Kreise  Jalta;  dann  bei  Muscat  aus  Sudac,  Kreis  Feodossia  (1,0619  bei 
11,4®  C),  bei  Muscat  aus  Limena  (1,0600  bei  11,4^  C.)  und 
Oporto  aus  Livadia  (1,0165  bei  ii,6^C.),  beide  aus  dem  Kreise 
Jalta.  Von  den  übrigen  rothen  und  weissen  Weinen  erwiesen  sich 
alle,  mit  Ausschluss  zweier  Proben,  leichter  als  Wasser.  Das  spe- 
zifische Gewicht  dieser  beiden  Proben  betrug  1,001 1  bei  15,4®  C.  für 
den  rothen  Tiscbwein  aus  Nowo-Bajaut,  Kreis  Ssimferopol  und 
1,1000  bei  12,2®  C.  für  weissen  Tischwein  aus  der  Umgegend  von 
Odessa.  Das  geringste  spezifische  Gewicht  fand  sich  bei  Pedro- 
Xim^ncs  aus  Jalta  (0,9880  bei  14,0^  C),  bei  Riesling  aus  Tschukur- 
lar  (0,9890  bei  15,4^0.),  beim  weissen  Tischwein  aus  Semeis  (0,9894 
bei  12,8®  C.)  und  bei  Sauterne  aus  Masandra  (0,9895  bei  15,4®  C); 
sämmtliche  hier  genannten  Weine  stammen  aus  dem  Kreise  Jalta. 

Dem  Alkoholgehalte  nach  sind  fast  alle  sorgfältig  angefertigten 
und  gut  gepflegten  russischen  Weine  stärker,  als  die  ausländischen 
Weine,  welche  aus  gleichen  Traubensorten  gefertigt  sind.  Doch  be- 
sitzt die  Mehrzahl  der  nachlässig  präparirten  Weine  einen  geringen 
Alkoholgehalt  und  ist  daher  raschem  Verderben  ausgesetzt.  Zu  den 
stärksten  Weinen  müssen  die  Eriwaner-Weine  und  einige  andere 
transkaukasischen  Weine  gezählt  werden  \  leider  sind  dieselben  aber 
meist  noch  immer  nicht  •  quantitativ  analysirt  worden.  Nach  dem 
Spiritusmesser  von  Tralles  enthalten  die  Weine  aus  der  Umgegend 
von  Eriwan  15—20  pCt.  Alkohol;  unter  ihnen  zeichnen  sich  durch 
besonders  hohen  Gehalt  die  Dalmin'schen  Weine  aus,  welche 
18 — 20  pCt.  wasserfreien  Spiritus  enthalten.  Im  nämlichen  Wein- 
baugebiet, im  Kreise  Etschmiadsin,  enthält  der  Wagarschapatsche 
Wein  12 — 16  pCt,  der  Aschtarak'sche  Wein  10—13  pCt.  und 
der  Surmalin'sche  Wein  bloss  8— lopCt.  Alkohol.  Viele  Wein- 
Sorten  Transkaukasiens  müssen  zu  den  *  stärksten  Dessertweinen 
gezählt  werden;  viele  weisse  Weine,  zum  Beispiel  der  Eriwaner, 


326 

Dalminsche  und  Wagarschapatsche  im  Araxes  Gebiet,  der  Zolikaur- 
sche,  Lichaur'sche  und  die  Weine  des  Suchum'schen  Gebiets  haben 
der  Farbe  und  dem  Geschmacke  nach  Aehnlichkeit  mit  Madeira 
und  Xeres  und  besitzen  kein  ausgesprochenes  Bouquet  Von  den 
Rothweinen  sind  Kopitnar'sche  oder  Aba  sehe,  Kipianow'sche,  Sad* 
schawach'sche ,  Odschalescher,  Tamok'sche,  Abedat'sche*  und 
Nachunow'sche  Weine  aus  demRion-Schwarzmeer-Gebiet,  der  Kache- 
tische (Kachetinische)  aus  Kachetien  und  der  Matrasin'sche  aus  dem 
Schemacha-Gcktschaischen  Gebiet  durch  ihre  guten  Eigenschaften 
besonders  hervorzuheben;  sie  sind  alle  sehr  starke  und  volle  Weine 
von  dunkler  Färbung  und  haben  grosse  Aehnlichkeit  mit  gutem 
Burgunderwein.  Dem  Volumen  nach,  in  Prozenten  berechnet,  fand 
sich  der  grösste  Alkoholgehalt  im  Sauterne  aus  Gursuf  (16,93  pCt.)> 
im  Riesling  aus  Laspi  (16,6  pCt.),  im  Madeira  aus  Semeis,  im  Tra- 
miner  aus  Magaratsch  (16,4  pCt.)  und  im  Riesling  aus  Masandra 
(^6,35  pCt.),  alle  aus  dem  Kreise  Jalta.  Der  geringste  Alkohol- 
gehalt wurde  im  Zimljan'schen  rothen  moussirenden  Wein  aus 
Nowo-Tscherkask  (8,06  pCt.),  im  weissen  Tischbein  des  Fürsten 
Murusi  von  seinen  Weingärten  am  Flusse  Prut,  Kreis  Jassk  (8,3  pCt.) 
und  im  Rothwein  aus  der  Umgegend  von  Kischinew  (8,82  pCt.) 
nachgewiesen.  Viele  nachlässig  angefertigten  und  nicht  gepflegten 
Weine  enthalten  aber  noch  bedeutend  geringere  Mengen  Alkohol ; 
so  enthalten  z.  B.  die  Bessarabischcn  Weine  nur  4—8  pCt,  der 
weisse  Wein  aus  den  deutschen  Kolonien  im  Kreise  Tiflis  im  Kura- 
Gcbiet  6--iopCt.  und  der  Rothwein  nur  4— 6pCt.  Alkohol.  Uebcr 
den  Alkoholgehalt  solcher  nachlässig  angefertigten  Weine  gibt  es 
leider  fast  gar  keine  Daten.  Einen  bedeutenden  Einfluss  auf  den 
Alkohol  der  Weine  üben  auch  die  klimatischen  Verhältnisse  aus,  wess- 
halb  auch  der  Alkoholgehalt  ein  und  derselben  Weinsorte  in  ver- 
schiedenen Jahren  ein  verschiedener  ist 

Die  meisten  der  untersuchten  russischen  Weine  besitzen  einen 
Glyceringehalt  von  3 — 7  pCt;  am  bedeutendsten  war  derselbe  im 
Bordeaux-Wein  in  der  Krim,  namentlich  aus  Alupka  (8,90  pCt.), 
Livadia  (8,5  pCt.),  Aluschta  (8,46  pCt.)  und  im  Pedro-Ximcncs  aus 
Limena  (8,3  pCt.),  alle  im  Kreise  Jalta  gelegen.  Der  geringste 
Glyceringehalt  erwies  sich  im  Pinot  aus  Magaratsch  (1,83  pCt),  im 
Kreise  Jalta,  im  weissen  Tischwein  aus  Nowo-Bajaut  (1,85  pCt.), 
Kreis  Ssimferopol,  im  Imeretischen  Rothwein  (1,15  pCt.)  aus  dem 
Rion-Schwarzmeer-Gebiet  und  im  Bordeaux  aus  Kamcnka  (i,09pCt.) 
im  Bessarabischen  Gebiet. 


3^7 

Der  Gehalt  an  Weinsteinsäure  und  Kali,  wie  auch  der  Gehalt 
an  weinsteinsaurem  Kali  beträgt  in  allen  untersuchten  Weinen 
weniger,  als  zur  Bildung  des  sauren  weinsteinsauren  Kali's  nöthig 
ist.  Ein  grosser  Ueberschuss  an  Kali  ist  nur  in  Liqueurweinen  nach- 
gewiesen und  zwar  in  solchen,  die  aus  gedörrten  Trauben  angefer- 
tigt sind.  Dieser  Umstand  lässt  vermuthen,  dass  ein  Theil  des 
weinsteinsauren  Kali's  des  Rebensaftes  während  des  Eintrock- 
nens  der  Trauben  zerlegt  wurde,  wobei  einige  Trauben  platzten 
und  von  einem  vegetabilischen  Parasiten  bedeckt  wurden.  Der 
bedeutendste  Säuregehalt,  in  Form  von  Weinsteinsäure  ausge- 
drückt, fand  sich  im  tummigen  weissen  Weine  aus  Feodossia 
(8,54  pCt.),  im  weissen  Wein  aus  Eriwan  (8,26  pCt.)  und  im  Roth-  ^ 
wein  aus  Purkari  im  Qessarabischen  Gebiet  (7,96  pCt).  Den  ge- 
ringsten Säuregehalt  enthält  der  rothe  moussirende  Zimiljan'sche 
Wein  aus  Nowo-Tscherkask  (3,4  pCt.)  und  der  Bordeaux- Wein  aus 
Kamenka  im  Bessarabischen  Gebiet  (3,1  pCt). 

Den  bedeutendsten  Gehalt  an  flüchtigen  Säuren,  welche  in  den 
Tabellen  in  Form  von  Essigsäure  ausgedrückt  sind,  fand  man  beim 
Rothwein :  in  Weinen  aus  Purkari  im  Bessarabischen  Gebiet  (3, 1 2  pCt.), 
bei  weissem  Weine :  im  Wein  aus  Eriwan  (3 ,06  pCt),  beim  Dessertweine  : 
im  Madeira  aus  Simeis  im  Kreise  Jalta  (2,04  pCt.).  Der  geringste 
Gehalt  an  flüchtigen  Säuren  fand  sich  beim  Rolhwein:  im  Zimljan- 
schen  moussirenden  Wein  aus  Nowo-Tscherkask  (0,24  pCt.),  beim 
weissen  Weine:  im  Riesling  vom  Fürsten  Woronzow,  Kreis  Jalta 
(0,25  pCt.)  und  beim  Dessertweine:  im  schwarzen  Muscat  aus  Ma- 
garatsch,  Kreis  Jalta  (0,5  pCt). 

Die  Bernsteinsäure  wurde  nach  der  Formel  Pasteur's  Berechnet ' : 
nach  welcher  auf  3,5  pCt.  Glycerin  0,7  pCt.  Bernsteinsäure  kom- 
men. Der  grösste  Gehalt  an  Bemsteinsäurc  fand  sich  im  Bordeaux- 
wein aus  Alupka  (i,78pCt.),  Livadia  (i,70pCt.),  Aluschta  (1,69 pCt.), 
alle  im  Kreise  Jalta.  Der  geringste  Gehalt  an  Weinsteinsäure  wurde 
im  weissen  Muscat  aus  Gussuf  (0,046  pCt.)  und  im  tummigen  (trü- 
ben) weissen  Wein  aus  Feodossia  (0,04  pCt.)  vorgefunden. 

Gerbstofle  sind  nur  im  Rothwein  nachgewiesen,  da  der  Gehalt 
an  denselben  in  den  übrigen  Weinsorten  ein  sehr  geringer  ist.  Die 
meisten  russischen  Rothweine  sind  reicher  an  Gerbstoflen  als  aus- 
ländische Weine,  wodurch  auch  eben  die  grosse  Herbheit  der  Krim- 


*  Pasieur^  Etudes  sur  le  vin  ses  maladies,  causes  qui  les  provoquent,  proc^dcs  nou- 
veaux  pour  le  conscrver  et  pour  le  vieillis.  S.  214. 


328 

sehen  und  Kaukasischen  Weine  bedingt  wird.  Die  Analysen  der  Roth- 
weine von  Neubauer^  zeigen,  dass  das  Maximum  an  Gerbstoßen  in 
den  französischen  Weinen  2,33  pCt.  beträgt,  die  meisten  russischen 
Rothweine  enthalten  davon  aber  mehr  als  3  pCt.  So  enthält  der  Bor- 
deaux*Wein  aus  Livadia  4,38  pCt,  aus  Magaratsch  5,03  pCt, 
der  rothe  Wein  aus  Derbent  4,95  pCt,  und  5,89  pCt,  der  rothe 
Wein  aus  Kachetien  selbst  6,38  pCt.  Eine  Ausnahme  bilden  der 
Bordeaux-Wein  aus  Alupka  (1,43  pCt.),  der  Zimljan'sche  moussi- 
rcnde  Wein  (1,8  pCt.)  und  der  Roth  wein  aus  dem  Bessarabischcn 
Gebiet,  dessen  Gehalt  an  Gerbstoffen  1,45  pCt.  bis  2,50  pCt.  be- 
trägt. Der  Gehalt  an  solchen  Stoffen  nimmt  mit  der  Erwärmung 
des  Weins  ab  ;  so  wurde  zum  Beispiel  im,  nach  dem  Pasteur'schcn 
System  erwärmten  Bordeaux-Wein  aus  Magaratsch,  welcher  5,03  pCt. 
Gerbstoff  enthielt,  nach  dem  Erwärmen  nur  noch  2,5  pCt.  Gerb- 
stoff vorgefunden. 

Stickstoff  und  stickstoffhaltige  Substanzen  betragen  in  den  mei- 
sten Weinen  0,3  pCt,  Der  grösste  Stickstoffgehalt  fand  sich  im 
Muscatwein  aus  Feodossia  (0,58  pCt.)  und  im  Petit-Bourgogne  aus 
Limena  (0,5  pCt.).  Der  geringste  Stickstoffgehalt  wurde  im  weis- 
sen Weine  aus  Danuzeni  im  Bessarabischcn  Gebiet  (o^ii  pCt.)  nach- 
gewiesen. Bei  Erwärmung  des  Bordeaux- Weins  von  Magaratsch, 
der  0,49  pCt.  Stickstoff  enthielt,  ist  eine  Verringerung  des  Stick- 
stoffs bis  0,10  pCt.  bemerkt  worden.  Durch  diese  Erscheinung 
lässt  sich  die  Dauerhaftigkeit  der  erwärmten  Weine  erklären,  da 
durch  die  Erwärmung  die  Möglichkeit  der  Entwicklung  von  Pilzen 
(Mycoderma  vini  et  aceti)  im  Weine  beseitigt  wird,  indem  die 
Pilze  zu  ihrer  Entwickclung  stickstoffhaltige  Substanzen  bedürfen. 

Der  Zuckergehalt  ist  nur  in  wenigen  Weinsorten  bestimmt.  Der 
grösste  Zuckergehalt  fand  sich  in  den  moussirenden  Dessertweinen^ 
namentlich  im  moussirenden  weissen  Donisclien  Weine  (164,10),  im 
schwarzen  Muscat  aus  Magaratsch  (105,58),  im  Zimljanschen  rothen 
moussirenden  Wein  aus  Nowo-Tscherkask  (72,6),  im  weissen  Mus- 
cat aus  Gursuf  (68,20),  im  Madeira  (39,50.)  aus  Magaratsch,  im  Mus- 
cat aus  Sudak  (32,34),  im  rothen  (17,56)  und  weissen  (17,0)  Wein 
aus  Nowo-Bajaut  im  Kreise  Ssimferopol,  im  rothen  Imeretischcn 
Wein  (9,31),  im  rothen  Wein  aus  Purkari  (5^2)  und  aus  der  Umge- 
gend von  Odessa  (2,32). 

Der  Gehalt  an  trockenem  Rückstand  ist  in  den  Dessertweinen  des 


'  Neubauir^  Sludien  über  den  Kuthwein.    Annalen  der  Oenologic,  Bd.  II,  lieft  I. 


>ih 


329 

Süd-Ufers  der  Krim  besonders  bedeutend;  er  beträgt  im  schwarzen 
Muscat  von  Magaratsch  215,3,  im  weissen  Muscat  von  Gursuf  107,0, 
im  weissen  Muscat  aus  Sudak  55,49-  Von  Roth  weinen  haben  den 
stärksten  trocknen  Rückstand  der  Wein  aus  Nowo-Bajaut  (34,S)0)  und 
der  Wein  aus  Taraktasch  (15,69);  von  weissen  Weinen:  der  Pinot 
aus  Magaratsch  (45,15)  und  der  Kakur  aus  Aluschta  (13,53). 

Der  Gehalt  an  Asche  ist  dem  Gehalt  an  Extraktivstoffen  proportio- 
nal, und  zwar  beträgt  die  Asche  etwa  10  pCt.  der  genannten 
Stoffe.  Weinproben,  in  welchen  dieses  Verhältniss  nicht  vorgefun» 
den  wurde,  enthielten  noch  geringere  Quantitäten  Asche,  so  die  Li- 
qucurweine,  in  welchen  diese  letztere  nur  etwa  4  pCt.  der  Extraktiv- 
stoffe betrug,  obgleich  die  absolute  Menge  der  Asche  in  dem  Li- 
queurwein  grösser  ist,  als  in  den  übrigen  Weinsorten,  d.  h.  sie  beträgt 
bei  ihnen  im  Mittel  4  pCt. ;  in  den  übrigen  Weinsorten  schwankt  der 
Gehalt  an  Asche  zwischen  1,30  pCt.  und  3,08  pCt. 

Der  höchste  Gehalt  an  Phosphorsäure  wurde  im  Bordeaux- Wein 
von  Gursuf  nachgewiesen  (0,57  pCt.),  der  geringste  Gehalt  im  Ime- 
retischen  Rothwein  (0,01  pCt). 

Der  Säuregehalt  des  Weines  ist  in  Form  der  Weinsteinsäure  aus- 
gedrückt. Der  mehr  oder  weniger  saure  Geschmack  des  Weines 
hängt  nicht  allein  von  der  absoluten  Quantität  der  Säure  im  Weine 
ab,  sondern  auch  vom  Verhältniss  der  Säure  zum  Alkohol.  Von 
diesem  letzteren  Verhältniss  ist  auch  die  Güte  des  Weines  abhängig. 
Dieses  Verhältniss  der  Säure  zum  Alkohol  ist  in  Zahlen  ausge- 
drückt, welche  lOO  wägbaren  Theilen  des  Alkohols  im  Wein  entspre- 
chen. Aus  solchen  Zahlen  ergibt  sich,  dass  in  ein  und  derselben 
Weingegend  alle  Rothweine  saurer  sind,  als  die  weissen  Weine,  die 
Dessertweine  aber  die  wenigste  Säure  enthalten.  Alle  untersuch- 
ten Weine  können  nach  ihrem  Säuregehalte  in  folgender  Ordnung 
aufgezählt  werden.  Zu  den  sauersten  Weinen  gehören  die  Tisch- 
weine Bcssarabiens,  dann  folgen  die  rothen  Weine  der  Krim,  die 
rothen  Weine  des  Kaukasus,  die  weissen  Weine  des  Kaukasus,  die 
weissen  Weine  Bessarabiens  und  die  Dessertweine  der  Krim.  Dem 
Säuregehalt  nach  kommen  die  russischen  Rothweine  den  französi- 
schen Rothweinen  am  nächsten,  die  russischen  weissen  Weine  aber 
werden  von  den  deutschen  weissen  Weinen  an  Säure  übertroffen. 

Bei  Bestimmung  des  Druckes,  den  der  Donische  moussirende 
Wein  in  den  Flaschen  ausübt,  erwiess  es  sich,  dass  derselbe  im 
rothen  Zimljan'schen  Wein  1 V»  Atmosphären  und  im  weissen  Don- 


33° 

• 

sehen  Wein  2,25  Atmosphären  betrug,  während  der  Druck  des 
Cham  pagner- Roederer  2,75  Atmosphären  beträgt, 

Mostwägungen  und  chemische  Weinanalysen  werden  nur  in  der 
Krim  in  der  Weinbauschule  von  Magaratsch  ausgeführt,  wo  zu  diesem 
Zwecke  seit  1870  ein  öenochemisches  Laboratorium  besteht. 

In  Folge  der,  meist  sehr  nachlässigen  Anfertigung  des  Weins  sind 
Weinkrankheiten,  welche  dem  Weinbau  bedeutenden  Schaden  brin- 
gen eine  gewöhnliche  und  sehr  verbreitete  Erscheinung.  Am 
häufigsten  findet  das  Sauerwerden  des  Weins  statt,  namentlich  bei 
schwachen  Rothweinen,  und  das  Fettwerden  der  Weine,  vorherr- 
schend bei  weissen  süssen  und  starken  Weinen.  Man  beugt  diesen 
Krankheiten  durch  sorgfaltige  Füllung  der  Gefässe,  in  denen  der 
Wein  aufbewahrt  wird,  vor;  durch  Umgi essen  und  Reinigen  der 
Weine  können  die  meisten  Weinkrankheiten  sogar  vollständig  besei- 
tigt werdeil.  Schlecht  bereitete  Weine  bedecken  sich  rasch  mit 
Schimmel,  besonders  wenn  dieselben  aus  ungenügend  reifen  Trau- 
ben angefertigt  sind.  Im  Kura-Gebiet  will  man  bemerkt  haben,  dass, 
wenn  die  Trauben  durch  denHagel  leiden,  der  Wein  sich  nicht  klärt.  Bei 
unvollständiger  Gährung  und  nachlässiger  Um füUung  geht  der  Wein 
leicht  in  eine  essigsaure  Gährung  über;  zu  langes  Verbleiben  des 
Mostes  auf  den  Traubentrestem  gibt  dem  Wein  einen  bittern  Ge- 
schmack und  befördert  dessen  Neigung  in  Fäulniss  überzugehen. 
In  der  Ortschaft  Aschtarak,  im  Kreise  Etschmiadsin  des  Araxes« 
Gebietes,  nimmt  der  weisse  Wein  im  März  oder  April  nicht  selten 
eine  dunkle  Färbung  an,  wie  wenn  man  in  den  Wein  Tinte  gegossen 
hätte;  diese  Erscheinung  schreibt  man  der  häufigen  Berieselung  der 
Gärten  zu,  besonders  während  der  Traubenlese.  Durch  Aufbewahren 
der  Weine  in  unreinen  Fässern  oder  Geschirren  wird  ersteren  ein 
unangenehmer  Beigeschmack  nach  Fäulniss,  Theer  etc.  gegeben, 
und  bei  grosser  Feuchtigkeit  und  Wärme  der  Keller  und  bei  freiem 
Zutritt  der  Luft  zum  Weine  verlieren  dieselben  die  Farbe,  werden 
schwach  und  sauer. 

Zur  Verbesserung  kranker  Weine  werden  dieselben  umgefüllt  und 
mittelst  Gelatine,  Hausenblase  oder  Eiweiss  gereinigt;  auch  fügt  man 
denselben  junge  Hefe  von  guten,  gesunden  Weinen  zu.  Um  die 
Weine  haltbar  zu  machen,  werden  sie  geschwefelt  oder  mit  Spiritus 
oder  Zucker  versetzt.  Unverbesserliche,  verdorbene  Weine  dienen 
zur  Spiritus-  oder  Essigfabrikation.  Die  Untersuchungen  Pasteur's 
(Pasteur,  Etudes  sur-le  vin  etc.)  haben  gezeigt,  dass  die  Weinkrank- 
heiten durch  die  Einwirkung  des  Sauerstoffes  der  Luft  und  durch 


33i 

die,  in  den  Weinen  sich  bildenden  mikroskopischen  Parasit-Pflanzen 
(Mycoderma  vini  et  aceti)  entstehen.  Um  die  Weine  vor  der  ersteren 
zu  schützen,  müssen  die  Weinfässer  immer  gefüllt  bleiben,  um 
aber  die  Bildung  der  letzteren  zu  verhüten,  muss,  nach  dem  Vor- 
schlage Pasteur's,  der  Wein  bis  zu  einer  Temperatur  von  50 — 65^  C.  er- 
wärmt werden,  eine  Temperatur,  welche  das  organische  Leben  zer- 
stört und  die  im  Weine  schwimmenden  Parasit-Pflanzen  als  Boden- 
satz zu  Boden  fallen  lässt,  von  welchem  der  Wein  durch  Umfüllen 
leicht  zu  befreien  ist.  Dabei  leiden  die  guten  Eigenschaften  der 
Weine  fast  gar  nicht  j  der  Rothwein  verliert  einen  Theil  seines  Gerb- 
stoffes und  seiner  stickstoffhaltigen  Substanzen  und  bekommt  da- 
durch einen  milderen  und  angenehmeren  Geschmack.  Leider  wird 
die  von  Pasteur  vorgeschlagene  Methode,  um  die  Weine  haltbar  zu 
machen,  von  den  russischen  Weinwirthen  trotz  ihrer  Einfachheit 
kaum  angewandt  und  müssen  daher  grosse  Quantitäten  erkrankter 
Weine  zur  Essig-  oder  Spiritusfabrikation  verwendet  werden,  wobei 
sie  die  Hälfte  ihres  Werthes  verlieren. 

Die  im  Jahre  1870  an  Most  erzielte  Totalproduktion  lässt  sich  nur 
annähernd  bestimmen  und  zwar  nur  nach  der  durchschnittlichen 
Menge  des  auf  einer  Dessjatine  Weingartenlandes  gewonnenen 
Mostes.  Direkte  Angaben  sind  nur  für  verhältnissmässig  sehr  wenige 
Gegenden  vorhanden  und  stehen  dieselben,  in  Folge  unrichtiger  An- 
gaben der  Weinwirthe,  welche  bei  derartigen  Erhebungen  fiskalische 
Zwecke  befürchten  und  daher  niedrige  Angaben  machen,  meist 
den  in  der  Berechnung  aufgenommenen  Durchschnittszahlen  nach. 
Selbst  die  hier  gegebenen  Durchschnittszahlen  der  Mostproduktion 
müssen  für  die  meisten  Weinbau  treibenden  Gegenden  als  Minimal- 
zahlen angeschen  werden,  wobei  noch  bemerkt  werden  muss,  dass 
die  Ernte  im  Jahre  1870  in  vielen  Gegenden  geringer  ausgefallen  ist, 
als  in  den  folgenden  Jahren.  Nachstehende  Tabelle  enthält  die. 
jährliche  Mostproduktion  nach  Eimern  (Wedro)  berechnet,  und  zwar 
nach  den  einzelnen  Weinbaugebieten  und  nach  den,  den  letzteren 
zugehörenden  Gouvernements,  resp.  Bezirken  etc.  Die  letzte  Zahlen- 
reihe enthält  die  auf  jene  Gebiete  etc.  entfallenden  Prozente  der 
Gesammtproduktion. 


332 

Quantität  des  im  Jahre  1870 

Bezeichnung  der  Weinbau* Gebiete.  Bezirke  elc.  produzirten  Mostes 

nach  Eimern,  nach  pCt. 

Rion^Schwarzmeer-  Gebiet: 

Gouvernement  Kutaiss 3,i73iOio  21,29 

Suchum'scher  Bezirk 50,000  0,34 

Schwarzmeer-Bezirk  * 29,090  0,19 

Im  Ganzen     .     .  3,252,500  21,82 
Bessarabisches  Gebiet: 

Gouv:  Bessarabien  (Durchschnitt  v.  4 Jahren)  2,804,008  18,82 

»     Chersson               »              »c»  137,106  0,92 

»     Podolien                »              »   ^     »  16,314  0,11 


Im  Ganzen     .     .     2,957,428       19,85 

Kachetinisches  oderAlasanoAjritschai^sches  Gebiet: 

Gouvernement Tiflis (Kreis  Signach  u.  Telaw)     2,91 5,080       19,56 

Terek'KunüKsches  Gebiet: 
Gebiet  Terek  1,650,000       11,07 

KurorGebiet: 

Gouvernement  Tiflis  (Kreis  Tiflis,  Gori,  Du- 

schett,  Achaizych). 

Gouvernement  Jelissawetpol  (Kreis  Jelissa 

wetpol,  Kasach  und  Schuscha) .     .     . 

Im  Ganzen     . 
Araxes  Gebiet:  Gouvernement  Eriwan    .     . 


1,104,413         7,404 
321,497        2,15 


1,425,910        9,554 
959,200        6,44 


934,022        6,275 
417,380        2,80 


140,000  0,935 

95,737  0,63 

5,600  0,037 

1,500  0,01 


Krim^sches  Gebiet:  Gouvernement  Taurien  . 

Kuma  Gebiet:  Gouvernement  Stawropol .     . 

Dänisches  Gebiet:  Land  der  Donischen  Kosaken        1 50,000         i  ,0 1 

Daghestaner-Gebiet:  Gebiet  Daghestan  .     . 

Scfientacha-Gektschai^sches  Gebiet:  Gouv.  Baku 

Kuban- Gebiet:  Gebiet  Kuban 

Astracitati sctus  Gebiet:  Gebiet  Astrachan    . 

Total     ;     .  14,904,357     100,00 

Ausser  in  den,  in  der  Tabelle  angegebenen  Gebieten  wird  Wein 
in  geringen  Mengen  noch  in  folgenden  Gegenden  gewonnen:  In 
Turkestan,  nach  den  Angaben  von  Krause,  etwa  10,000  Eimer  jähr- 
lich, und  ausserdem  in  sehr  geringer  Menge  im  Gebiete  Uralsk  und 
im  Gouvernement  Jekaterinosslaw. 

Ueber  die  Menge  der,  von  den  Weinwirthen  selbst  verbrauchten, 
sowie  über  die  der  in  den  Handel  gelangenden  Weine  gibt  es  noch 
weniger  genaue  Angaben.  In  nachfolgender  Tabelle  geben  wir 
dieses  Verhältniss  in  Ziflern  und  fügen  den  Quantitäten  des,  von  den 
Weinwirthen  selbst  konsumirten  und  des  in  den  Handel  gebrachten 
Weines  noch  die  höchsten  und  niedrigsten  Preise  für  Most,  jungen 
und  alten  Wein,  nach  Gebieten  geordnet,  hinzu. 


334 

Aus  vorstehender  Tabelle  ist  ersichtlich,  dass  mehr  als  5  V«  Mil- 
lionen Eimer  (37,5  pCt),  also  fast  ^/s  der  ganzen  Mostproduktion 
des  Jahres  1870,  von  den  WeinwirtHen  selbst  konsumirt  worden  und 
etwa  '/s,  d.  i.  gegen  9V«  Millionen  Eimer  oder  62,5  pCt.  dieser 
Produktion,  in  den  Handel  gelangt  sind.  Als  derartige  Selbstkon- 
sumenten stehen  die  Weinwirthe  Transkaukasiens  in  erster  Reihe, 
namentlich  die  des  Daghestan'schen,  Rion-Schwarzmeer-,  Kura- 
und  Araxes-Gebiets,  welche  50— 70  pCt.  ihrer  Gesammtproduktion 
an  Most  selbst  konsumirten.  Es  wird  aber  auch  in  diesen  Gebieten 
von  der  Bevölkerung  selbst  eine  enorme  Menge  Wein  verbraucht, 
was  zum  Theil  durch  die  klimatischen  Verhältnisse,  hauptsächlich 
aber  durch  den  Umstand  bedingt  ist,  dass  sich  die  Bewohner,  der 
dort  herrschenden  Fieber  wegen,  des  Genusses  von  \y asser  mög- 
lichst enthalten  müssen,  so  dass  sich  selbst  die  Arbeiter,  wenn  sie 
sich  vermiethen,  Wein  ausbedingen.  Gewöhnlich  bekommt  hier 
ein  Taglöhner,  ausser  seinem  Geldlohn,  2  Va  Flaschen  Wein  pro  Tag. 
Im  Kachetinischen  und  Schenlacha-Gektschai'schen  Gebiete,  sowie 
auch  in  den  drei  ciskaukasischen  Gebieten  verbrauchen  die  Wein- 
wirthe nur  etwa  28  pCt.,  im  Donischen  und  Astrachan^schen  20  pCt., 
im  Bessarabischen  Gebiete  15  pCt.  und  in  der  Krim  sogar  nur 
7  pCt.  des  von  ihnen  produzirten  Mostquantums.  Der  vortheilhafte 
und  leichte  Absatz  des  Weines  aus  den  vier  letztgenannten  Gebie- 
ten ist  wohl  die  Hauptursache  des  geringen  Weinkonsums  Seitens 
der  Weinwirthe. 

Fast  der  ganze  Handel  mit  russischen  Weinen  befindet  sich  in 
den  Händen  von  Aufkäufern,  die  meistentheils  zur  Zeit  der  Lese  in 
die  Weingegenden  kommen.  Sie  kaufen  von  den  Weinwirthen  den 
Most  oder  mangelhaft  gepflegte  Weine  stets  für  einen  sehr  niedri- 
gen Preis,  wie  solcher  in  der  obenstehenden  Tabelle  angeführt  ist. 
Einige  Weinaufkäufer  pressen  selbst  einen  Theil  der,  von  den  Win- 
zern gekauften  Trauben  und  führen  den  Most  nach  Hause,  wo  sie 
durch  Beimischung  verschiedener,  nicht  selten  der  Gesundheit  schäd- 
licher Stoffe  z.  B.  von  Anilin,^  Bleizucker  etc.  Weine  anfertigen, 
die  in  vielen  Weinkellern  im  Innern  des  Reiches  für  ausländische 
Weine  verkauft  werden.  Nur  sehr  wenig  Weinwirthe  bringen  ihren 
Wein  selbst  auf  den  Markt  oder  auch  nur  in  benachbarte  Städte.  Im 
Rayon  der  Weinbaugebiete  dienen  einige  Gouvernements-  oder 
Kreisstädte  oder  auch  andere  Ortschaften  als  Absatzorte  des  Weines. 
Zu  solchen  Hauptabsatzorten  der  russischen  Weine  müssen  gezählt 
werden ;  Odessa,  Akkermann  und  Kischinew  im  Bessarabischen  Ge- 


335 

biete;  Sudak,SsimferopoI, JaIta,Feodossia  und  Kertsch  im  Krim^schen 
Gebiete;  Nowo-Tscherkask  im  Donischen  Gebiete;  Astrachan  im 
Astrachan'schen  Gebiete;  Georgiewsk  im  Kura-Gebiete ;  Kisljar, 
Schelkosawodskaja-Staniza  und  Grosnaja  im  Terek-Kumik'schen  Ge- 
biete; Derbent,  Petrowsk,  Temir-Chan-Schura,  Chunsach/  Kara- 
dach,  Botlich,  Tloch,  Ischkarti  und  Deschlagar  im  Daghestan^schen 
Gebiete;  Kutais,  Ssuchum-Kale,  Redut-Kale,  Anapa  und  die  Sta- 
tionen der  Poti-Tifliser  Eisenbahn:  Samtredio,  Kwirili  undOs- 
piri  im  Rion-Schwarzmeer-Gebiete ;  Tiflis,  Jelissawetpol,  Duschet, 
Gori,  Achalzych,  Ananur  und  Passanaur  im  Kura-Gebiete;  Tiflis, 
Signach  und  Telaw  im  Kachetinischen  Gebiete;  Eriwan,  Igdir  und 
Kuip  im  Araxes-Gebiete;  Schemacha,  Matrassi,  Gürdschewan,  Sa- 
gian,  Kerkentsch,  Kirk  und  Ingar  im  Schemacha-Gektschai'schen 
Gebiete. 

In  entfernteren,  ausserhalb  der  Gebiete  selbst  liegenden  Gegen- 
den finden  nur  einzelne,  besonders  renommirte  Weine  in  grösserer 
Menge  Absatz.  So  wird  aus  Bessarabien  Wein  in  die  Gouverne^ 
ments  Chersson,  Poltawa,  Charkow,  Podolien,  Wolhynien,  Kijew, 
Tschernigow  und  selbst  in  einige  nordwestliche  Gouvernements  aus- 
geführt. Aus  der  Krim  gelangt  der  Wein  meist  über  Odessa  und 
Kijew  nach  Moskau  und  St.  Petersburg,  zum  Theil  über  Taganrog 
und  Rostow  in  die,  an  der  Wolga  gelegenen  Gouvernements.  In 
geringeren  Quantitäten  kommt  der  Krim'sche  Wein  nach  Cherson 
und  Jekaterinosslaw  und  in  die  Städte  des  Gouvernements  Taurien. 
Aus  dem  Donischen  Gebiete  gelangt  der  Wein  nach  Moskau,  Kursk, 
Charkow,  Poltawa,  Bachmut,  Jekaterinodar  und  in  das  Schwarz- 
meer-Gebiet. Aus  dem  Kuban-Gebiet  kommen  Weine,  wenn  auch 
nur  in  geringer  Quantität,  nach  Taganrog  und  Rostow.  Aus  dem 
Kuma-Gebiet  wird  Wein  nach  Stawropol  und  in's  Schwarzmeer- 
Ocbiet  versandt.  Aus  dem  Terek-Kumik'schen  Gebiet  gelangen 
grosse  Weintransporte  längs  dem  Kaspischen  Meere  nach  Astra- 
chan, von  wo  sie  die  Wolga  entlang  zur  Messe  nach  Nishnij-Now- 
gorod  kommen,  und  von  hier  aus  gelangt  der  auf  der  Messe  nicht 
verkaufte  Wein  nach  Moskau.  In  gefrorenem  Zustande  wird  der 
Wein  aus  dem  Terek-Kumik'schen  Gebiete  nach  Charkow  zur  Kre- 
schtschen'schen  Messe  und  nach  Kursk  zur  Korennaja-Messe  gesandt. 
In  geringen  Quantitäten  führt  man  den  Wein  in  das  Gebiet  Daghe- 
stan  aus.  Aus  diesem  letzteren  wird  Wein  längs  dem  Kaspischen 
Meere  nach  Astrachan  und  Baku  gebracht;  aus  dem  Rion-Schwarz- 
meer-Gebiete nach  Tiflis,  Suram,  Achalzych  und  in  geringer  Quan- 


33^ 

t 

tität  nach  Kertsch ;  aus  Kachetien  nach  Tiflis  und-  von  da  in  gerin- 
ger Quantität  nach  Moskau  und  St.  Petersburg,  selbst  in^s  Alisland 
ausgeführt.  Aus  dem  Araxes-Gebiet  geht  der  meiste  Wein  auch  nach 
Tiflis  und  in  die  Kreise  Tiflis  und  Achalzych.  Endlich  wird  auch  der 
meiste  Wein  aus  dem  Schemacha-Gektschai'schen  Gebiet  ebenfalls 
nach  Tiflis,  nach  Baku^  Lenkoran  und  Kuba  und  in  unbedeutenden 
Quantitäten  nach  Astrachan  ausgeführt. 

Transportirt  wird  der  Wein  meist  in  Fässern  aus  Eichenholz, 
selten  in  Flaschen,  in  Transkaukasien  aber  meist  in  Burducks,  d.  h. 
in  Schläuchen  von  verschiedener  Grösse  aus  Büffel-,  Ochsen-,  Zie- 
gen- und  Schaffellen,  die  V*  bis  75  Eimer  fassen.  Der  Transport 
in  Burducks  wird  durch  den  schlechten  Zustand  der  Wege  in  Trans- 
kaukasien bedingt,  wo  der  Wein  in  Folge  dessen  nicht  selten 
auf  Packpferden  transportirt  werden  muss.  Die  Tscharwodaren 
oder  die  Eigenthümer  der  Packpferde  erhalten  für  den  Weintrans- 
port I  Rbl.  30  Kop.  bis  I  Rbl.  50  Kop.  pro  Tag.  Der  Wcinlrans- 
port  in  Wagen  oder  Arben  kostet  8 — 13  Kop.  pro  Eimer  für  jede 
100  Werst. 

Ausführlichere  und  genauere  Daten  besitzen  wir  über  den  aus- 
tvärtigen  W einhandele  und  zwar  für  eine  bedeutende  Zeitperiode.  Der 
Weinimport  nach  Russland  unterliegt  verschiedenen  Zollsätzen,  die 
im  Verlaufe  der  letzten  20  Jahren  mehrmals  abgeändert  wurden. 
Entsprechend  dem  vom  i.  Januar  1869  ab  gültigen  Zolltarif  sind 
die  nach  Russland  über  die  europaische  Grenze  importirten  Weine 
mit  folgenden  vier  Zollsätzen  belegt:  i.  Verschiedener  Wein,  in 
Fässern  oder  Tönnchen  importirt,  unterliegt,  mit  Ausnahme  des 
im  folgenden  Punkte  erwähnten,  einem  Eingangszoll  von  2  Rbl. 
30  Kop.  pro  Pud  brutto;  2.  Griechische  Weine  in  Fässern  zahlen 
I  Rbl.  40  Kop.  pro  Pud  brutto;  3.  nichtmoussirende  Weine,  in 
Flaschen  gefüllt,  zahlen  einen  Eingangszoll  von  33  Kop.  und  4. 
alle  moussirenden  Weine  in  Flaschen  einen  solchen  von  i  Rbl.  pro 
Flasche. 

Der  Export  von  Traubenbranntwein  und  Wein  aus  Russland 
unterlag  bis  1865  bloss  über  die  asiatische  Landgrenze  einem  ge- 
ringen Zollsatze;  seit  1866  ist  der  Export  allenthalben  ganz  frei. 
Ueber  diesen  letzteren  haben  wir  folgende  Daten,  in  welchen  jedoch 
Branntwein  und  Wein  nicht  geschieden  sind.  Die  nachstehende 
Tabelle  umfasst  die  Zeitperiode  von  1853 — '872;  in  derselben 
ist  zugleich  auch  der  Werth  des  exportirten  Weins  und  Brannt- 
weins und  der  für  dieselben  entrichtete  Zoll  aufgeführt. 


« 1 


Die  nach  Russland  in  Fässern  und  Ankern  eingeführten  Weine  wer- 
den nach  l'udcn  brutto,  die  übrigen,  in  Flaschen  cin^jeführten, 
nach  Flaschen  registrirt.  Von  den  nachstehenden  zwei  Tabellen 
zeigt  die  erste  den  allgemeinen  Wein-Import  nach  Russland,  die 
zweite  den  Wein-Import  über  die  Häfen  des  Schwarzen-  und  Asow-- 
sehen  Meeres,  sowie  über  Transkaukasicn,  für  die  letzte  zwanzig 
jährige  Zeitperiode.  Die  angeführten  Werthc  der  Weine  sind  nach 
einem,  vom  Zolldcpartemcnt  festgesetzten  Preiskouraht,  der  spater 
jedoch  erhöht  wurde,  normirt: 

■DW.  HBTDX.BD.XUI.  93 


33« 


Nach  Russland  wurde  in  den  Jahren  1853 — 1872  it 


Im  Quinten- 

Verschiedener  Wein  in  FMssem. 

Nichtmoosiirender  Wein  in 
Flasdien. 

nium. 

Quantität. 

Werth. 

ZolL 

Quantität. 

Weith. 

Zoll. 

Pud. 

RubeL 

RttbeL 

Flaschen. 

RubeL 

Rnbd. 

1853—1857  im 

Ganzen  .    .    . 

LDurchschn.  p.J. 

1858—1862  im 

Ganzen  •    .    . 

LDurchschn.  p.J. 

1863— 1867  im 

Ganzen  .    .    . 

LDurchschn.  p.J. 

1868 

1869  .... 

1870  .... 

1871 

1872    .... 
Im  Ganzen  .    .    . 
LDurchschn.  p.J. 

1,166,288 
233i057,* 

3,320,619 
664,123,0 

2,732,126 
546  525,0 

702,447 

839.598 

890,792 

1 ,002,228 

1,109,300 

4,544,365 
908,873,0 

18,341,891 
3,668,378,« 

26,216,972 
5,243,394,* 

22,983,467 
4,596,693,* 

5.875,503 
6,651,121 

7,060,139 
8,103.308 

9,556,051 
37,246,122 
7,449,224,4 

6,977,021 
1,395,404,0 

6,954,925 
1,390,985,0 

5,747,308 
1,149,461,0 
1,469,010 
1,785,605 

1,905,546 
2,201,835 

2,549,943 

9.911,939 
1,982,387,« 

504,238 
100,847,« 

1,023,879 
204,775,« 

746,729 

149,345,0 

263,787 

296,097 

317.440 

392,244 
403,976 

1,673,544 
334,708,« 

746,594 
149,318,0 

1,622,339 
324,467,« 

870,168 

174,133,* 
261,069 

283,457 

293,954 
378,601 

461.516 

1,683,597 
336,719.* 

236.989 
47,397 

307,175 
61,435, 

221,988 

44,397. 

77,439 

95,537 

103,164 

129,380 

132,834 

538,354 
107,6701 

Tolal    .    . 

11,763,398 

104,788.452 

29,591,163 

3,948,390 

4,922,698 

1 ,304,506 

Weinimport  nach  Russland  über  die  Häfen  des  Schwarzen  und  Asaot 


Im  Quinten- 
nium. 


Verschiedener  Wein  in  FUssem. 


Quantität. 


Pud. 


Werth. 


RubeL 


ZoU. 


RubeL 


Nichtmoussirender  Wein  in 
Flaschen. 


Quantität. 


Flaschen. 


Weith. 


RubeL 


ZoU. 


Rnbd. 


1853 — 1857  im 

Ganzen  .    .    . 

I.  Durchschn. p  J. 

1858 — 1862  im 

Ganzen  .    •    . 

L  Durchschn. p.J. 

1863^1867  im 
Ganzen  .    . 
L  Durchschn.  p.J. 
1868    ...... 

1869 

1870 

1871 

1872 

Im  Ganzen  .    .    . 
L  Durchschn.  p.J. 


4341I54 
86.8303 

668,538 
133,707.« 

649,640 

129,928,0 

181,672 

256,035 

257.921 

297940 

314,938 
1.308*505 

261,701,0 


3,035,115 
607.023,0 

2,807,500 
561,500,0 

4,338437 
867,687,4 

1,502.936 
1-750,398 
1,744,111 
2,187.313 
1,951*920 
9,136,878 
1,827,335,« 


«'355.f98 
271,039,« 

1*398.324 
279,664,8 


107.990 
21,598,0 

186,309 
37.26I,« 


1.377.817 

1 19,020 

257.563* 

23.804.0 

376,860 

43,143 

457033 

69,713 

453,101 

80,213 

584,048 

94,481 

724,95  i 

85,603 

2.595.993 

373.153 

519 198,« 

74.630,« 

155.889 
31.177,0 

230,927 

46,185,4 

112,816 

22,563,1 

40425 
57,103 
61,727 
80,838 

123405 
363498 

72.699.« 


41,43« 
8,287,1 

55*886 
it,ii7,i 

35*595 

7,ii9,f 
12.948 

21,251 

25,125 

3i«ii2 

28.336 
118.772 

23,754.^ 


Total   .   .  I  3.060,837    I   I3,3i7f730    |  6,727,332    |.  786472    |    863,130    |    251.691 


tchfn  Meeres  und  über  Transkaukasien  in  den  Jahren 

853—1872 

Cbampagnei  und  andere  moutsi- 

renden  Weine  in  Fluchen. 

QouitiUU. 

Wertli. 

Zoll. 

Qu»n 

t  1  t  li  t. 

Werih. 

Zoll. 

Fluctien. 

Ruliel. 

Rubel. 

Pnd. 

Fluchen 

Rubel. 

RnbeL 

36S.I7S 

746^98 

317,508 

434,154 

473.165 

3-93750« 

1. 614. 144 

73,03s,« 

U9.»99.« 

43.SOM 

86,830,. 

94.633.<» 

787,500,* 

333,838.. 

33'  481 

690,758 

385.768 

668.538 

5 '7.79«' 

3.739.185 

1.739-978 

66.396.. 

138,151.. 

S7,i53>« 

"33.707.« 

103,5580 

74S;837.« 

347.995.« 

374.600 

586,023 

316,947 

649640 

493,630 

5.o3T,»76 

I.730.3S9 

74,9*0^ 

117,304. 

63389-* 

I3I|93S,(. 

98,7a4-'> 

1007 .455.' 

346.071,. 

90,TO3 

13S608 

76,90. 

181,67» 

133,345 

1  678,969 

466,709 

99,714 

149,606 

94>H 

»56  03s 

1694*7 

1,957  107 

573,088 

99.306 

156580 

96.173 

357.9a» 

179,519 

1.962,418 

574.399 

105.038 

166,956 

105,038 

297.940 

199.519 

».435,107 

730,198 

10.  .366 

»36,746 

■  01.348 

314.937 

186.969 

3,3«a-o7i 

854.63s 

495  6>6 

845,496 

474.»64 

",3<«.So5 

868,779 

10.345-672 

3.189,039 

99-iaS<' 

169,099,. 

94-85». 

361. 701.0 

173.7SS-» 

3.069.134.* 

637.805^ 

1,566.882 

3,868,775 

".a«  487 

3,060.837 

3.353-354 

a3.049.635 

8,373.510 

340 


Da  die,  durch  diese  Tabellen  nachgewiesenen  Schwankungen  hin- 
sichtlich des  WeinJmportes  nicht  unmittelbar,  oder  wenigstens  hur 
theilweise,  von  der  mehr  oder  weniger  reichhaltigen  Traubenlese, 
sondern  weit  mehr  von  anderen  «ökonomischen»  Verhältnissen, 
namentlich  vom  Stande  des  Geldmarktes,  abhängen,  so  entziehen 
sich  dieselben  an  dieser  Stelle  jeder  weiteren  Analyse. 

Der  durch  den  Weinbau  und  durch  die  Weinkelterung  erzielte 
Brutto-  und  Netto-Ertrag,  sowie  die  mit  denselben  verbundenen 
Ausgaben  stehen  in  direktem  Verhältnisse  zu  der  Rebenkultur  und 
zu  der  mehr  oder  weniger  sorgfaltigen  Pflege  der  Rebe  und  der 
Weinkelterung.  Die  darüber  vorhandenen  Daten  sind  in  folgender 
Tabelle  zusammengestellt: 

Brutto-Ertrng  Jährliche  Aosgaben   Netto-Ertrag 
Weinbaugebiete.  von  einer  Dessjatine  Weingartengrund. 


Rbl. 

Rbl. 

Rbl. 

Bessarabisclies  Gebiet      .  vor 

l      75—600 

50—300 

25—300 

Klinisches  Gebiet: 

Kreis  Feodossia      .     .     » 
•    Jalta     ....     » 
»     Ssimferopol  .     . 
»     Eupatoria .     .     . 

200—700 
123—654 

Mittel  250 
50 

50—200 
70  -  I  50 

Mittel  115 
75 

150—500 

43-533 
Mittel  135 

Danisches  Gebiet     ...» 

80—200 

20-95 

40—  1 50 

Astrachan" sches  Gebiet     . 

Mittel  470 

Mittel  370 

Mittel  100 

Kubanisches            • 

»       170 

»      150 

»        20 

Kumdsches            • 

? 

? 

? 

Terek'KumiU sches  Gebiet: 

^ 

Kisljar » 

Kosaken-Stanize     .     .     » 

Kumik'sche  Ebene .     .     » 

1 30  —260 
60  —200 
75--180 

90—130 
30—60 

40-90 

40-130 
30  -  140 
35—90 

Daglustati sches  Gebiet: 
Nord-Daghestan      .     .     * 
Derbent 

330 
Mittel  168 

155 
87—106 

.      '75 
62—81 

Rion-Sckwarsmeer'  Gebiet: 

Niedrige  Reben  (Dablari)  » 
Hohe  Reben  (Maglari)     . 

120 — 300 
15—120 

40—80 
5 

80—220 
10— 115 

Kura' sches  Gebiet: 

Weingärten  der  trans- 
kaukas.  Kolonien 
Kreis  Jelissawetpol 
»     Duschett  .     .     . 
9     Gon     .     •     •     • 

bis  800 

•  3Ö0 

•  350 
»  350 

bis  200 

Mittel  100 

>       100 

»       100 

bis  600 
»  260 
»  200 
•  200 

341 

RbL  Rbl.  Rb). 

Kachetinisc/us  Gebiet  .     .     »     168—1250        bis  300  bis  1000 

AraxeS'Geiiet: 

Kreis  Eriwan      ...  ?  ?  100—200 

»     Etschmiadstn      .  ?  ?  100 — 150 

»     Nachitschewan   .  200  »80  75 — 100 

Schema€ha'G€ktsck€n*sckes  Gebiet: 
Niedrige  Reben  .     .     .  von  125 — 300        80—100        45—220 
Hohe  Reben.     ...»       80 — 150  15         6S— ^35  ' 

Die  meisten  Ziffern  der  vorstehenden  Tabelle  bezeichnen  nur  die 
äussersten  Grenzen  des  Brutto-Ertrages,  der  jährlichen  Ausgaben 
und  des  Netto  Ertrages  und  nur  für  sehr  wenige  Gebiete  des  Wein- 
baues war  es  möglich  Mittelzahlen,  wie  solche  sich  aus  dem  Durch- 
schnitt verschiedener  Jahre  ergeben,  anzuführen.  Bei  diesen  An- 
gaben sind  weder  die  Ankaufspreise  des  Weingartengrundes,  noch 
die  zur  Anlage  der  Rebpflanzungen  erforderlichen  Unkosten,  noch 
die  Zinsen  dieses  Anlagekapitals  in  Anschlag  gebracht  worden;  da- 
gegen aber  die  durch  nachbenannte  Arbeiten,  etc.  verursachten 
Ausgaben:  durch  Bearbeitung  des  Weingartengrundes  und  die 
Pflege  der  Reben,  durch  die  Traubenlese,  die  Produktion  des  Mostes, 
die  Anfertigung  des  Weines  und  anderer  Getränke,  durch  die  Be- 
handlung des  Weines  in  dem  Keller,  durch  die  Steuerzahlungen  etc. 
Bei  Berechnung  des  Brutto-Ertrages  und  der  jährlichen  Ausgaben 
sind  die  Einnahmen  von  den  sekundären  Nutzungen  vom  Weinland 
und  bei  der  Weinfabrikation  nicht  in  Berechnung  gezogen.  Dieselben 
bestehen :  a)  in  der  Kultur  von  Obstbäumen,  Gemüse,  Getreide  und 
Heu,  etc.  auf  dem  Weinlande;  b)  in  der  Anfertigung  von  verschie- 
denen Getränken,  wie  Traubenbranntwein  (Cognac),  sowie  in  der 
Erzeugung  anderer  Artikel,  wie:  Essig,  Grünspan,  Weinstein  etc. 
in  djen,  bei  der  Weinbereitung  zurückbleibenden  Traubentrestern 
und  Bodensatz  oder  Hefe,  und  c)  im  Gebrauche  der  Traubentrester 
als  Viehfutter  und  zur  Düngung  des  Weinlandes  und  der  Felder. 
Ueber  derartige  sehr  mannigfaltige  und  zum  Theil  sehr  bedeutende 
sekundäre  Nutzungen  sind  nur  sehr  lückenhafte  Daten  vorhanden, 
und  nur  über  die  Branntweinproduktion  aus  Trauben,  Traubentre- 
stern, Bodensatz  und  verdorbenen  Weinen  finden  sich  vereinzelte 
Angaben  im  Departement  für  die  indirekten  Steuern^  aus  welchen 
die  Anzahl  der  Trauben-  und  Fruchtbrennereien  zu  ersehen  ist. 

In  den  Jahren  1873 — 1876  waren  folgende  Brennereien  zur  Fa- 
brikation von  Traubenbranntwein  in  Thätigkeit: 


34« 


Anzabl  der  Fracht-  und  TraubeDbranntwein-F  abriken 
(Brennertien)  in  den  Jahren 

1873—74        1874-75     1875^76 


•        •       •  *        *      •        AJ     ^ 


«;  S  ^ 
■  «-*  ^ 


o  • 
Gouvernements  und  Gebiete.  H     tS^-e      H    tafc-BjHfa^'c'^J!« 


o  PCO  cS*>5 


-U- 


MitFeuerarbei-Jmit  Accise  8  —        5  —      8 

tende  Brenner. [  ohne     »  173  —  169  —  155 

Dampfbrennereien  mit  Accise  —  —  —  —       11       — 

Bessarabien: 

Mit  Feuer  arbeitende  Bren- 
nereien mit  Accise    ...    —      —         i     —       i     —      -^ 
Dampfbrennereien  mit  Accise    —      —        8     —      8     —      — 

Chersson: 

Dampfbrennereien    >      ».         3       i        4      410      93 — 5 
PodoUen: 

Dampfbrennereien    »»,     —      —         i     —    —    —      — 
Land  der  Dänischen  Kosaken : 

Mit  Feuer  arbeitende  Bren- 
nereien mit  Accise    ...         5     —        4     —       3     —      — 
Ssaraiaw: 

Dampf  brennereien  mit  Accise    —      —    —      —       11  i 

Warschau: 

Dampfbrennereien    »»'.     —      —         iiii  4 

Stawropol^  Terek  imd  Kuban: 

Dampfbrennereien  mit  Accise 

mit  Accise  . 
■ohne     • 


Transkaukasien : 


25      I      26 

6    33 

21  bis  12 

611    —   833 

2072    —  2969 

4     ? 

> 

• 

II   »-«•«' 

PMpiiir. 

TuriesUm: 

Mit  Feuer  arbeitende  Bren- 
nereien mit  Accise     .     .     ,    —      —    —       —      2 
Dampfbrenner,  ohne  Accise.     —      —    —      —      6 


Total    .     .  2908.    2  4021     15  529    44  — 

Darunter: 

Mit  Entrichtung  von  Accise      652      2     883     1 5  374    44  — 

Ohne       »  »         s         2256    —  3138    —  155     —  — 

Mit  Feuer  arbeit.  Brenner.     2880    —  3970    —  469    —  — 

»    Dampf      »  >  28250156044  — 


543 

In  obenstehender  Tabelle  sind  solche  Brennereien,  welche  mit  Feuer 
oder  mit  Dampfkräft  arbeiten,  wie  auch  solche,  welche  Trauben - 
branntwein  mit  und  ohne  Entrichtung  von  Accise  brennen^  unter- 
schieden worden;  ausserdem  konnten  nur  solche  Brennereien  separat 
aufgeführt  werden,  die  Branntwein  aus  getrockneten  Früchten, 
hauptsächlich  aus  Kischmisch  anfertigen.  Auf  den  übrigen  Brenne- 
reien wird  zur  Brarintweinfabrikation  sehr  verschiedenes  Material  ge- 
braucht, namentlich  Traubentrester,  Traubenhefe  oder  Bodensatz, 
ein  Gemisch  von  Traubentrestern  mit  trockenen  Früchten,  Trauben, 
Maulbeeren,  Pflaumen,  Zwetschen,  Aepfel,  Birnen,  Weichsel  (ne- 
peiuHH)  etc. 

In  den  Jahren  1863— 1866  wurde  für  Trauben-  und  Fruchtbrannt- 
wein eine  Accise  von  7  Kop.  pro  Tag  und  Eimer  der  Kapazität  des 
Destillirapparates,  während  der  Zeit  der  Thätigkeit  der  Fabrik,  er- 
hoben ;  seit  dem  Jahre  1866  stieg  aber  diese  Accise  auf  11  Kop. 
Eine  solche  Accise  galt  für  Brennereien,  welche  mit  Feuer  arbeiten 
und  den  Branntwein  aus  rohen  Früchten  ziehen.  Derartiger  Brannt 
wein  zeigt  45 — 50*  Tr.,  wobei  aus  einem  Eimer  Traubensaft  5 — 6, 
im  Mittel  aber  nur  4,2^  wassertreien  Spiritus  gezogen  werden.  Im 
Jahre  1866  wurde  in  der  Umgegend  der  Stadt  Kisljar  die  erste,  mit 
Dampfbetrieb  eingerichtete  Traubenbranntweinfabrik  eröflfnet;  auf 
einer  solchen  Fabrik  können  täglich  bis  18  Destillationen  stattfin- 
den und  bei  einer  Totalkapazität  des  Destillirapparates  von  200  Ei- 
mer verbraucht  man  für  jede  Destillation  50  Eimer  Traubentrester. 
Der  auf  einer  solchen  Fabrik  erzeugte  Spiritus  ist  80—94*  stark  und 
aus  einem  Eimer  Traubentrester  zieht  man  nicht  weniger  als  5  Grad 
wasserfreien  Spiritus.  Wenn  man  aber,  wie  das  in  Transkaukasien 
der  Fall  ist,  zur  Bereitung  von  Traubenbranntwein  sich  frischer 
Trauben  bedient,  so  steigert  sich  die  Menge  des  erhaltenen  wasser- 
freien Spiritus  auf  6 — 12*.  Endlich  bereitet  man  seit  einigen  Jahren 
Fruchtbranntwein  aus  trocken'en  Früchten,  hauptsächlich  aus  Kisch- 
misch, einer  getrockneten  Traubensorte,  die  in  grossen  Quantitäten 
aus  Persien  eingeführt  wird.  Der  grosse  Zuckergehalt  derselben 
bietet  die  Möglichkeit,  aus  ihr  eine  bedeutend  grössere  Quan- 
tität Spiritus  zu  gewinnen,  und  wirklich  haben  Versuche  gezeigt, 
dass  man  aus  einem  Eimer  trockener  Früchte  bis  50®  Spiritus  ziehen 
kann.  Dabei  zahlen  die  Fabriken,  welche  Branntwein  aus  trocke- 
nem Kischmisch  und  anderen  trockenen  Früchten  produziren,  seit 
1866  einen  Accisesatz  von  11  Kop.  pro  Eimer  vom  Volumen  der 
Destillationsblase  für  jeden  Abtrieb.     Eine  Ausnahme  bilden  nur 


344 

die  Fabriken  Transkaukasiens,  wo  für  Erzeugung  von  Branntwein 
aus  trockenen  Früchten^  namentlich  aus  Kischmich,  Rosinen, 
Churma,  Maulbeeren,  bis  zum  Jahre  1875  ein  Accisesatz  von  i  Rbl. 
20  Kop.  pro  Tag  und  Eimer  vom  Volumen  der  Destillationsbiase 
festgesetzt  war.  Der  Kischmischbranntwein  wird  im  Gouvernement 
Eriwan  in  sehr  grossen  Quantitäten  angefertigt,  doch  meist  nur  in  Bren- 
nereien, die  bloss  mit  Feuer  arbeiten  und  auf  welchen  täglich  nur  6 
bis  8  Abtriebe  stattfinden.  Ein  Pud  aus  Persien  exportirten  Kisch- 
misch  kostet  einer  solchen  Brennerei  durchschnittlich  i  RbL  50  Kop.> 
und  aus  demselben  werden,  trotz  des  unrationellen  Verfahrens,  45 
bis  49^  Spiritus  gezogen. 

Die  Winzer  der  Krim  besitzen  seit  mehreren  Jahren  das  Vorrecht, 
Branntwein  aus  Traubentrestern  und  aus  Wein,  der  aus  den  eigenen 
Gärten  stammt,  ohne  Entrichtung  einer  Accise,  jedoch  nur  in  kleinen 
Destillationskesseln,  zu  brennen ;  sie  bezahlen  dafür  jährlich  bloss  die 
Patentsteuer,  die  einen  Rubel  für  jeden  Eimer  des  Inhalts  des  De- 
stillationskessels beträgt.  Dasselbe  Vorrecht  des  accisefreien  Brannt- 
weinbrandes aus  Traubentrestern  und  Wein  erhielten  1871  die  Win- 
zer im  Schwarzmeer-Gebiete,  und  im^hre  1873  auch  die  Transkau- 
kasiens,  doch  schon  im  Jahre  1876  wurde  dieses  Privilegium  bezüg- 
lich dieser  letzteren  abgeändert,  und  zwar  desshalb,  weil  es  nur  von 
Winzern  benutzt  wurde,  welche  grosse  Weingärten  besassen;  die 
Besitzer  kleiner  Gärten,  die  kein  genügendes  Material  zur  Brannt- 
weinbereitung hatten,  fanden  es  nicht  für  vortheilhaft,  für  das  Patent 
einen  Rubel  jährlich  von  jedem  Eimer  der  Gesammtkapazität  ihrer 
Kessel  zu  bezahlen,  und  hielten  es  für  vortheilhafter,  die  Accise  auf 
Grundlage  des  allgemeinen  Satzes  zu  entrichten,  oder  sie  benutzten, 
unter  Umgehung  des  Gesetzes,  um  mehr  Material  zur  Fabrikation 
zu  verwenden,  noch  die  Trestern  ihrer  Nachbarn.  Dadurch  ward 
der  Zweck,  welcher  durch  Ertheilung  dieses  Privilegiums  beabsichtigt 
war,  d.  h.  den  Weinbau  Transkaukasiens  zu  fördern,  nicht  erreicht. 
Aus  diesem  Grunde  wird  seit  1876  in  Transkaukasien  nachstehender 
Accisesatz  von  Trauben-  resp.  Fruchtbranntwein  erhoben:  für 
Branntwein,  der  aus  rohen  Früchten  gewonnen  wird,  25  Kop.  pro 
Tag  in,  mit  Feuer  arbeitenden  Brennereien,  und  41  Kop.  pro  Tag 
in,  mit  Dampfbetrieb  arbeitenden,  von  jedem  Eimer  der  Kapazität  der 
Destillationsblase;  für  Branntwein  aus  Kischmisch  und  anderen  trock- 
nen Früchten  2  Rbl.  16  Kop.  pro  Tag  für,  mit  Feuer  arbeitende,  und 
3  Rbl.  93  Kop.  pro  Tag  für  Dampfbrennereien,  auch  von  jedem  Ei- 
mer des  Kesselinhaltes.     In  Folge  dieses  neu  eingeführten  Accise- 


345  _ 

I 

Satzes  hat  sich  in  Transkaukasien  die  Anzahl  der  Brennereien  verrin- 
gert, wodurch  eine  erleichterte  Kontroie  über  die  vorhandenen 
eroiöglicht  worden  ist. 

Ueber  die  Quantität  des  jährlich  produzirten  Trauben-  und  Frucht- 
branntweins gibt  es  keine  direkten  Angaben,  doch  die  für  denselben 
entrichtete  Accise  betrug  1863:  76,047  Rbl..  1864:  49,216  Rbl., 
1865:  115,257  Rbl.,  1866:  290,640  Rbl.;  1867:  128,150  Rbl.,  1868: 
138.566  Rbl.,  1869:  114,052  Rbl.,  187p:  118,855  Kbl.,  1871: 
120,269  Rbl.,  1872:  97,010  Rbl.,  1873:  74,358  Rbl.,  1874:77,895 
Rbl.,  1875:  124,551  Rbl. 

Dank  dem  oben  erwähnten  Privilegium,  nur  gegen  Entri<ihtung 
der  Patentsteuer  Branntwein  aus  Traubentrestern  oder  Wein  brennen 
zu  dürfen,  geschieht  letzteres  von  den  Winzern  der  Krim ;  es  stehen 
daher  daselbst  bis  jetzt  noch  eine  Menge  von  Blasen  geringer  Di- 
mension (eine  solche  Blase  darf  nicht  mehr  als  30  Wedro  iasseit)  in 
Benutzung,  in  denen,  in  Folge  ihrer  unvollkommen  Einrichtung,  nicht 
selten  dieTraubentrester  und  besonders  die  Hefe  anbrennt,  wesshalb 
auch  der  aus  ihnen  gewonnene  Branntwein  von  sehr  schlechter 
Qualität  ist.  '  Doch  nur  ein  geringer  Theil  der  Traubentrester  wird 
zur  Branntweinfabrikation  benutzt.  Die  Hefe  aber  wird  bei  sehr  vie- 
len Wirthen  gar  nicht  verwendet,  während  einzelne  wenige  E^ig 
aus  derselben  herstellen.  Andere  Nebenprodukte,  wie  Weinstein 
etc.,  werden  bei  der  Weinbereitung  noch  nirgends  gewonnen.' 

J.  V.  Bock. 


Ein  neues  Werk  über  den  Krimkrieg. 


Eiude  diplomatique  sur  la  guerre  de  Crittue.  Par  un  ancien  diplomate,  St.  Paters- 
bourg,  1878.  2  Bände.  8®  VII.,  544  und  424  S.  Ubrairie  de  la  Cour  Im- 
pcriaU  II,  Schmitzdorff  (Charles  Röttger). 

Die  Literatur  über  den  Krimkrieg  ist  bereits  recht  umfangreich. 
Den  französischen  und  englischen  Werken  über  diesen  Gegenstand 
(Bazancourt,  Kinglake  u.  s.  w.)  stehen  in  Russland  verfasite  Werke 
würdig  zur  Seite  (Todleben,  Anitschkow  u.  A.).  Auch  die  Frage 
von  der  Genesis   dieses  Krieges  ist  bereits  Gegenstand  der  mono* 

'  Vgl.  die  «Berichtigung»  am  Schlüsse  des  Heftes. 


346 

graphischen  Darstellung  geworden.  Im  Jahre  1863  erschien  in 
Leipzig  die  Schrift  Friedrich  von  Smitt's:  tWie  ward  der  orienta- 
lische Krieg  herbeigeführt?*,  eine  historische  Untersuchung»  welche 
auf  den  Gang  der  diplomatischen  Unterhandlungen  vor  dem  Aus- 
bruche der  Feindseligkeiten  und  während  derselben  ein  helles  Licht 
warf. 

Demselben  Gegenstande,  der  Genesis  des  Krieges,  ist  die  vorlie- 
gende, sehr  umfangreiche  Darstellung  gewidmet.  Auch  wenn  auf 
dem  Titel  der  unbekannte  Verfasser  nicht  als. «Diplomat»  bezeich- 
net wäre,  könnte  der  Leser  nicht  im  Zweifel  darüber  sein,  dass  die 
Darstellung  dieser  Verwickelungen  aus  der  Feder  eines  Staatsman- 
nes, eines  ehemaligen  Gesandten  stammt.  Eine  ausserordentlich 
eingehende  Kenntniss  des  Stoffes,  eine  bewunderungswürdige  Hand- 
habung der  Diplomatensprache,  eine  mehr  publizistische  als  objek- 
tiv-historische Behandlung  des  Gegenstandes  zeichnet  das  vorlie- 
gende Werk  aus.  Es  wird  in  staatsmännischen  Kreisen  sehr  viel 
Beachtung  finden,  zweifelsohne  auch  Aufsehen  erregen.  Von 
den  Ministern  und  Gesandten,  welche  vor  etwa  einem  Vierteljahr- 
hundert an  den  Ereignissen,  die  hier  erzählt  werden,  Theil  nah- 
men, sind  Viele  noch  am  Leben.  Sie  werden  sich  mit  besonderem 
Interesse  der  Lektüre,  dem  Studium  dieses  Buches  widmen.  Der 
ganzen  Darstellung  merkt  man  es  fast  auf  jeder  Seite  an,  dass  hier 
ein  Betheiligter  die  Feder  führte.  Es  ist  ein  Plaidoycr  für  die  Politik 
Russlands,  das,  bald  nach  dem  Krimkriege  verfasst,  deutliche  Spu- 
ren der  Erregung  an  sich  trägt,  welche  in  den  unmittelbaren  Zeugen 
so  grosser  weltgeschichtlicher  Vorgänge  begreiflicherweise  durch 
dieselben  hervorgerufen  werden  musste.  Das  Betonen  des  Ein- 
drucks, welchen  die  Wucht  der,  Russland  damals  heimsuchenden 
Schicksalsscbläge  übte,  die  Bitterkeit  in  der  Beurtheilung  der  Hal- 
tung und  Handlungsweise  der  Gegner  Russlands,  eine  apologetische 
Art  bei  Schilderung  der  russischen  Politik,  insbesondere  der  Stel- 
lung, Gesinnung  und  Handlungsweise  des  Kaisers  Nikolaus,  —  alles 
dieses  ist  eben  dadurch  erklärlich,  dass  der  Verfasser  offenbar  den 
Einzelnheiten  dieser  denkwürdigen  Vorgänge  nahestand,  dass  er 
durchdrungen  war  von  Patriotismus  und  Nationalgcfühl.  Man  wird 
bei  der  Lektüre  des  höchst  anziehend  geschriebenen  Buches  zuge- 
ben müssen,  dass  ein  solcher,  etwas  subjektiver,  warmer,  stellen- 
weise sogar  leidenschaftlicher  Ton,  eine  solche  mehr  memoiren- 
artige, als  speziell  historische,  wissenschaftliche  Auffassung  den 
Werth  des  Buches,  den  Reiz  desselben  wesentlich  erhöht.     Es  ist 


347 

nicht  sine  ira  et  studio  geschrieben.  Es  ist,  wenn  man  so  sagen 
darf,  eine  politische  Broschüre  im  Umfange  von  nahezu  tausend  Sei- 
ten, per  Verfasser  sagt  wohl  einmal  gelegentlich  (I.  49),  er  wolle 
der  Rolle  eines  Erzählers  treu  bleiben,  aber  er  begnügt  sich  nicht 
damit,  die  ihm  in  allen  Details  bekannten  Thatsachen  zu  konstatiren: 
er  beurtheilt  die  Thatsachen;  er  unterwirft  die  Handlungen  der 
Staatsmänner  aller  betheiligten  Staaten  einer  Kritik  von  dem  Stand- 
punkte der  Politik,  bisweilen  von  dem  Standpunkte  der  Moral  aus; 
er  ist  nicht  frei  von  Stimmungen,  Verstimmungen;  er  schreibt  pro 
domo ;  es  ist  ihm  um  eine  Rechtfertigung  Russlands  und  insbeson- 
dere des  Kaisers  Nikolaus  zu  thun  und  diese  Ausführungen  lassen 
es  weder  an  Sachkenntniss,  noch  an  Beredsamkeit  fehlen.  Es 
kommt  dem  Verfasser  darauf  an,  auf  die  Lehren  hinzuweisen,  welche 
man  aus  den  erschütternden  Vorgängen  während  des  Konflikts  und 
seit  1852  überhaupt  Air  die  praktische  Staatskunst,  wohl  auch  für 
die  Staatssittenlehre  ziehen  kann.  Er  ist  geneigt,  seine  Darstel- 
lung mit  einem  «fabula  docet»  zu  schliessen. 

F.  von  Smitt's  Schrift,  in  welcher  die  Frage  erörtert  wurde,  auf 
welche  Weise  es  zum  Krimkriege  gekommen  sei,  erschien  im  Jahre 
1863.  In  demselben  Jahre  ist  auch  das  vorliegende  Werk  geschrie- 
ben, wie  der  Verfasser  in  der  Einleitung  bemerkt.  Er  schreibt: 
c  Diese  Studie  wurde  im  Jahre  1863  vorbereitet  und  redigirt,  zu  eiAer 
Zeit,  da  man  noch  unter  dem  bittern  Eindruck  jenes  so  ungerechten 
orientalischen  Krieges  stand,  welcher  das  russische  Volk  in  seinen 
Interessen,  seinen  Rechten,  seiner  Würde,  in  seinem  Bewusstsein  ein, 
wenn  auch  noch  junges,  so  doch  durch  seinen  Umfang  und  mäch- 
tige Lebenskraft  wichtiges  Glied  der  Völkerfamilie  zu  scjn,  gekränkt 
hat*.  Der  Verfasser  bezeichnet  diesen  Krieg  als  eine  empörende 
Ungerechtigkeit,  weil  derselbe  den  Versuch  enthalten  habe,  Russ- 
land aus  der  Völkerfamilie  auszuschliessen,  welcher  dieses  Reich  so 
bedeutende  Dienste  geleistet  hatte,  Dienste,  die  den  Beweis  lie- 
ferten, dass  Russlands  Interessen  solidarisch  seien  mit  denjenigen 
Europa^s.  Dieser  Eindruck,  bemerkt  der  Verfasser,  habe  dem  Kai- 
ser Nikolaus  das  Grab  gegraben.  Er  sagt  von  der  moralischen  Ent- 
rüstung, welche  dieser  Krieg  habe  hervorrufen  müssen:  «Sentimertt 
douloureux  qui  a  conduit  3m  tombeau  un  noble  souverain  si  compl&te- 
ment  identifie  avec  Thonneur  et  la  prospdriti  de  son  pays,  qu'il  n'a 
pas  pu  survivre  ä  ces  outrages  imm^ritds».  Es  sei  demnach,  Tährt  der 
Verfasser  fort,  unmöglich  gewesen,  mit  kaltem  Blute  von  einem  Ge- 
genstande zu  reden,  welcher  jeden  treuen  Diener  Russlands  vor 


34»^ 

Unwillen  erbeben  mache.  Obgleich  seit  dem  Jahre  1 863  sich  so 
Vieles  in  der  Weltlage  verändert  habe,  bemerkt  der  Verfasser  wei- 
ter, so  habe  er  doch  an  der  Redaktion  seines  Werkes  nkhts  ändern 
wollen.  Es  schien  ihm  nicht  angemessen,  den  Ausdruck  des  Un- 
willens abzuschwächen,  welcher  gegen  die  Ungerechtigkeit  pro- 
testire,  weil  die  Lehren,  die  in  dem  Krimkriege  enthalten  seien 
und  die  praktische  Politik  zu  beeinflussen  geeignet  wären,  durch 
Beibehaltung  des  Kolorits  jener  bewegten  Zeit  ausdrucksvoller  zu 
wirken  vermöchten.  «Die  Erfahrung*,  sagt  der  Verfasser,  «ist  die 
einzige  Compensation,  welche  die  Menschheit  aus  den  ihr  auferleg- 
ten Prüfungen  erhält». 

So  blieb  denn  im  Wesentlichen  die  Redaktion  von  1863  bei  der 
gegenwärtigen  Edition  beibehalten.  Indessen  ist  denn  doch  an  sehr 
vielen  Stellen  des  Werkes  der  Ereignisse  erwähnt,  welche  nach  dem 
Jahre  1863  stattfanden,  der  grossen  Veränderung  in  Deutschland, 
der  Vorgänge  des  Jahres  1866^  des  deutsch-französischen  Krieges, 
des  Sturzes  Napoleon^s  III.  u.  s.  w.  Es  sind  dies  oflfenbar  später  hin- 
zugefügte Ergänzungen  des  Verfassers,  die  das  Interesse  des  Buches 
wesentlich  erhöhen.  Eine  Notiz  des  Verlegers  besagt,  dass  die 
Drucklegung  des  Buches  schon  im  Jahre  1874  vollendet  war,  dass 
aber  das  Erscheinen  desselben  im  Buchhandel  aus,  von  dem  Ver- 
leger unabhängigen  Gründen  verschoben  werden  musste. 

Der  Verlauf  des  Krieges  selbst  ist  nicht  eigentlich  Gegenstand 
des  Buches.  Nur  ausnahmsweise  und  ganz  kurz  ist  der  militärischen 
Ereignisse  erwähnt,  aber  wenn  dies  geschieht,  sind  die,  auf  die 
eigentliche  Kriegsgeschichte  sich  beziehenden  Bemerkungen  beson- 
ders lehrreich.  Man  nimmt  auch  hier,  wie  sonst  überall,  wahr,  dass 
dem  Verfasser  Quellen  zugänglich  waren,  welche  sonst  den  Histori- 
kern nur  in  besonders  günstigen  Fällen  zu  Gebote  stehen.  Man  lese 
die  bezüglichen  Stellen,  in  denen  die  Ansichten  Paski^witsch's  und 
Jomini^s  entwickelt  werden  (Bd.  I,  S.  513  und  II,  S.  153),  oder  in 
denen  von  der  Entscheidung  in  der  Krim  die  Rede  ist  (Bd.  II, 
S.  131— 132).  Aber  sonst  beschränkt  sich  der  Verfasser  auf  die 
Darlegung  der  politischen  Lage,  auf  die  Erzählung  von  dem  Ver- 
laufe der  diplomatischen  Unterhandlungen. 

Betrachten  wir  in  kurzen  Zügen  den  Inhalt  des  Werkes. 

In  dem  ersten,  «Consid^rations  pröliminaires»  überschriebencn 
Kapitel  schildert  der  Verfasser  die  Weltlage  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jahrhunderts  im  Allgemeinen  und  die  Stellung,  welche  Russland 
West- Europa  gegenüber  einnahm,  insbesondere.     Hier  ist  die  Dar- 


__349 

Stellung  der  Haltung  des  Kaisers  Nikolaus  von  besonderem  Interesse. 
Die  Darlegung  des  Aufenthaltes  des  Kaisers  in  England,  1844,  ^^^ 
seiner  dort,  in  Betreff  der  Türkei  geäusserten  Ansichten,  welche  in 
einem  ausfuhrlichen  Memoire  Nesselrode*s  weiter  begründet  werden 
(S.  12  u.  ff.),  sind  wesentliche  Beiträge  zur  Geschichte  der  orienta- 
lischen Frage.  Ferner  verweilt  der  Verfasser  bei  dem  ungarischen 
Kriege  1849  und  berührt  auch  andere  Fälle,  in  denen  Russland  als 
spezifisch  konservative  Macht  für  die  Erhaltung  des  Status  quo 
und  gegen  die  Revolution,  in  welcher  Form  sie  auch  auftre- 
ten mochte,  zu  wirken  bemüht  war.  Der  Verfasser  preist  die  Ver- 
dienste des  Kaisers  Nikolaus  um  den  Westen  und  spricht  mit  harten 
Worten  über  den  Undank  der  Mächte,  denen  Russland  in  Momen- 
ten der  Gefahr  beigesprungen  sei.  Im  Gegensatze  zu  der  agitiren- 
den  Weise  Palmerston^s,  «dessen  Hand»,  wie  der  Verfasser  bemerkt, 
«bei  allen  Revolutionen  im  Spiele  gewesen  sei»  (S.  22),  lobt  er  die 
Haltung  Russlands  und  geht  soweit,  Russland  einen  rettenden  Ein- 
fluss  zuzuschreiben.  Er  bemerkt  S.  29*.  «A  la  fin  de  cette  m^mo- 
rable  ann^  1848,  la.  contenance  calme  et  ^nergique  de  la  Russie 
avait  arrdtä  la  r^volution,  remis  sur  leurs  pieds  les  gouvernements 
^brahl^,  et  soutenu  T^difice  europ^en  chancelant  sur  ses  bases  au 
Nord  comme  au  Midi,  en  Orient  comme  en  Occident«. 

Je  grösser  aber,  nach  der  Ansicht  des  Verfassers,  die  Verdienste 
des  Kaisers  Nikolaus  um  Europa  gewesen  seien,  desto  verwerflicher 
erscheint  ihm  die  feindselige  Haltung,  welche  bei  dem  Krimkriege 
alle  Mächte  Russland  gegenüber  einnahmen.     Nachdem  der  Ver- 
fasser eine  Reihe  von  Zeugnissen  der  selbstlosen  und  loyalen  Hal- 
tung der  russischen  Politik  aufgezählt,  schliesst  er  das  einleitende 
Kapitel  mit  folgenden  Bemerkungen:  cDies  Alles  hätte  Europa  den 
klaren  Beweis  liefern  müssen,  dass  der  Kaiser  Nikolaus  ein  gross- 
müthiger,  loyaler,  uneigennütziger  Souverain  war,   welcher  seine 
besonderen  Interessen  hintenansetzte  und  nur  an  das  allgemeine  Wohl 
dachte,  und  dass  die  besonderen  Interessen  Russlands  und  die  allr 
gemeinen   Interessen  Europa^s  einander  deckten.     Dennoch   aber 
nahte  der  Augenblick  heran,  da  der  Kaiser  Nikolaus  die  Zielscheibe 
des  allgemeinen  Hasses  und,  als  ein  unleidlicher  Despot,  als  unbeug- 
sam, hochmüthig  und  unersättlich  ehrgeizig,  von  ganz  Europa  in 
die  Acht  erklärt  werden  sollte ;  es  nahte  der  Augenblick  heran,  da 
Russland  der  Gegenstand  einer  feindseligen  Koalition,  eines  unge. 
rechten  und  verhängnissvollen  Krieges  werden  sollte,  weil  Russland 
ein  barbarischer  Staat,  ein  Feind  der  Ruhe  und  der  Freiheit  Europa^s 


350 

sei!  Und  mitten  in  dieser  allgemeinen  Entfesselung  gehässiger 
Leidenschaft  erhob  sich  keine  Hand  und  keine  Stimme  zu  Gunsten 
des  Souverains  und  der  Nation,  denen  Europa  zum  zweiten  Male* 
seine  Rettung  verdankte  und  welche  Europa  nur  grossmiithige 
Dienste  geleistet  hatte!    Solche  Lehren  bleiben  unvergessen»» 

In  dem  zweiten  Kapitel;  « Avönement  du  second  empire  frangais* 
schildert  der  Verfasser  die  Beziehungen  Russlands  zu  Frankreich  in 
der  Zeit|  welche  unmittelbar  auf  die  Februarrevolution  folgte,  die 
Beziehungen  des  Kaisers  Nikolaus  zu  Napoleon,  welchem  bekannt- 
lich die  Anrede  «roon  eher  ami»  einen  peinlichen  Eindruck  verur- 
sachte. In  dem  Beginn  des  zweiten  Kaiserreichs  erblickt  der  Ver- 
fasser den  Keim  zum  Krimkriege;  den  Ehrgeiz  Napoleon's  UI.  macht 
er  für  dieses  Ereigniss  verantwortlich.  Von  Interesse  ist  die  ein- 
gehende Charakteristik  des  französischen  Kaisers,  dessen  Politik 
nicht  rechtzeitig  durchschaut  zu  haben,  der  Verfasser  als  einen  Feh- 
ler der  russischen  Politik  bezeichnet. 

Ueberhaupt  ist  der  Verfasser  in  diesem  Kapitel  geneigt,  zuzu* 
geben,  dass  Russland  durch  einen  gewissen  Doktrinarismus  *in  Be- 
treff der  konservativen  Politik  sehr  wesentlich  zu  seiner  Isolirung  in 
Europa  beigetragen  habe  (s.  S.  lOi,  iii  u.  ff.).  Beachtenswerth 
ist  die,  Thiers  betreffende  Aeusserung  des  Verfassers  (S.  6i): 
cM.  Thiers  dominait  Tassembl^e  par  sa  parole,  et,  bien  qu'il  la  müt 
avec  talent  et  Energie  au  service  des  idöes  d'ordre  social,  boulevers^es 
par  les  excäs  de  la  d^magogie,  il  n'en  avait  pas  moins  inaugur^  ce 
d^bordement  d'öloquence  parlementaire,  qui  est  un  ^ueil  du  gou- 
vernement  constitutionnel  en  France«. 

Dais  dritte  Kapitel  «Question  des  saints  lieux»  enthält  die  Dar- 
legung des  Konflikts  in  Betreff  der  Instandhaltung  des  heiligen  Gra- 
bes. Hier  begegnen  wir  sehr  lehrreichen  Mittheilungen  über  Russ- 
lands Haltung  in  dieser  Frage  und  der  Bedeutung  Frankreichs,  auf 
dessen  Beistand  die  Pforte  hoffte.  Ganz  kurz  charakterisirt  der 
Verfasser  diese  Frage  in  ihrer  Bedeutung  dem  Kriege  gegenüber 
folgendermaassen :  «Diese  Frage  von  dem  heiligen  Grabe  war  der 
Prolog  des  Krieges,  die  Sendung  des  Fürsten  Menschikow  war  der 
erste  Aufzug;  die  Besetzung  der  Donaufürstenthümer  bis  zum  Bruche 
mit  England  und  Frankreich  bildet  den  zweiten  Akt;  der  dritte  be- 
steht aus  den  diplomatischen  Verhandlungen  und  militärischen  Ope- 


Die  erste  Rettung  Europa*s  durch  Russland  setzt  der  Verfasser  in  das  Jahr  1813, 


rationen,  welche  hierauf  folgten,  bis  zum  Vertrage  vom  i8.  (3a) 
März  1856»,    (S.  156.) 

In  den  folgenden  Kapiteln  wird  zunächst  die  Sendung  des  Fürsten 
Menschikow,  sodann  das  Verhältniss  Russlands  zu  den  verschie- 
denen europäischen  Mächten  bis  zum  Ausbruche  des  Krieges  dar- 
gelegt. Hier  begegnen  wir  einer  Fülle  neuer  Daten  und  anziehen- 
der Bemerkungen  über  die  Lage.  So  sagt  der  Verfasser  S.  167, 
dass,  während  der  Kaiser  Nikolaus  vertraulichen  persönlichen  Aeus- 
serungen  im  Verkehr  mit  den  Gesandten  viel  Gewicht  beilegte»  die- 
selben namentlich  in  den  Beziehungen  Russlands  zu  England  den- 
noch nicht  von  der  entsprechenden  Wirkung  sein  konnten,  weil 
durch  die  Enthaltung  der  repräsentativen  Verfassungen  der  Werth 
derselben  sich  sehr  wesentlich  geändert  hatte^ 

Nachdem  der  Verfasser  die  Einzelnheiten  der  Sendung  des  Für- 
sten Menschikow  dargelegt  und  insbesondere  auf  die  feindselige 
Haltung  des  englischen  Diplomaten  Stratford  Canning  aufmerksam 
gemacht,  bemerkt  er  zu  Anfang  des  sechsten  Kapitels,  in  welchem 
von  der  Besetzung  der  Donaufurstenthümer  die  Rede  ist:  «Der  Streit 
in  Betreff  des  heiligen  Grabes  wurde  durch  unsere  Intervention  zu 
Gunsten  der  Rechte  der  orthodoxen  Kirche  eine  russische  Frage; 
eine  politische  Frage  wurde  er  durch  die  Sendung  des  Fürsten  Men- 
schikow und  die  Forderung  des  Abschlusses  einer  Konvention;  die 
Besetzung  der  Donaufurstenthümer  unserersits  rückte  diese  Frage 
um  noch  einen  Schritt  weiter:  dieselbe  wurde  eine  Frage  des  euro- 
päischen Gleichgewichts» .  Von  grossem  Interesse  ist  der  Hinweis 
des  Verfassers  (S.  210  u.  ff.)  auf  zahlreiche  Beispiele  in  der  neuesten 
Geschichte,  in  denen  die  Okkupation  gewisser  Gebiete  keinen  Krieg 
herbeiführte.  Dahin  gehört  die  Besetzung  Morea's  durch  die  Fran- 
zosen, die  Operationen  der  allürten  Flotten,  welche  zu  der  Schlacht 
bei  Navarin  führten,  das  Erscheinen  einer  französischen  Armee  vor 
Antwerpen  während  der  belgischen  Revolution,  die  Besetzung  An- 
cöna's  u.  dgl.  m.* 

Das  sechste  Kapitel  schildert  den  Gang  der  diplomatischen  Ver- 
handlungen bis  zu  der  Schlacht  von  Sinope,.  welche  bekanntlich 
insbesondere  England  gegen  Russland  aufzubringen  geeignet  war. 
Das  siebente,  zweihundert  Seiten  umfassende,  handelt  von  den  Be- 


*  Cela  doit  nous  apprendre  combien  1a  poHtique  a  chaiig6  d'aUures  depuis  V^tablU- 
sement  du  r^me  repr6sentatif  et  combien  U  est  n^cessaire  d*y  conformer  les  nötres. 
'  Gegenwärtig  könnte  man  die  Besetzung  Bosniens  als  ferneres  Beispiel  hinsufiigen. 


3S2 

Ziehungen  Russlands  zu  den  verschiedenen  Mächten.  Insbeson- 
dere wird  die  französische  Politik  sehr  eingehend  geschildert  und 
hier  macht  der  Verfasser  auf  den  Fehler  aufmerksam,  welcher  darin 
lag,  dass  Russland  die  Macht  und  den  Einfluss  Napoleons  III.  unter- 
schätzte. Die  Reproduktion  von  Gesprächen  des  russischen  Ge- 
sandten Kisselew  mit  dem  französischen  Kaiser  wird  auch  den,  in  die 
Einzelnheiten  dieser  Vorgänge  Eingeweihten  ohne  Zweifel  viel 
Neues  und  Ergänzendes  bringen.  Wiederholt  kommt  der  Verfasser 
auf  die  Pläne  Frankreichs  in  Betreff  Polens  zu  reden,  Pläne,  welche 
an  dem  Widerspruche  Palmerstons  scheiterten.  England,  bemerkt 
der  Verfasser  (S.  302),  wollte  die  Türkei  von  dem  russischen  Ein- 
flüsse befreien,  Russlands  Seemacht  auf  dem  Schwarzen  Meere  ver- 
nichten, nicht  aber  eine  Herstellung  Polens.  Der  Verfasser  konsta- 
tirt,  dass  Englands  Politik,  das  Praktische,  Naheliegende,  Erreich- 
bare in*s  Auge  fassend^  grössere  Erfolge  errang,  als  die  t geräusch- 
volle und  unruhige»  Regierung  Napoleons.    (Vgl.  II.  S.  369.) 

In  dem  Abschnitt  über  England  wird  die  Haltung  des  Ministe- 
riums und  der  Gesandten,  die  Wirkung  der  Schlacht  bei  Sinopc, 
die  Unpopularität  des  Prinzen  Albert  und  Lord  Aberdeens  berührt 
und  die  Leidenschaft  geschildert,  mit  welcher  die  Engländer  sich 
in  den  Krieg  stürzten  und  die  Friedensfreunde  tadelten.  Anziehend 
ist  die  Erzählung  von  der  Abreise  des  Barons  Brunnow  aus  England 
(S.  364).  «Lord  Aberdeen  gestand,  als  sich  der  russische  Gesandte 
von  ihm  verabschiedete,  ein,  dass  die  Absendung  der  englischen 
Flotte  in  die  Besikabai  der  erste  Fehler  des  englischen  Kabinets 
gewesen  sei,  der  Ausgangspunkt  der  folgenden  Ereignisse.  Er  er- 
kannte an,  dass  man  besser  gethan  hätte,  Lord  Granville  nach  St. 
Petersburg  zu  schicken  und  die  Flotte  unbeweglich  zu  halten.  Im 
Uebrigen  konnte  sich  Lord  Aberdeen  noch  nicht  entschliesscn,  an 
einen  Krieg  zwischen  England  und  Russland  zu  glauben.  Ein  sol- 
cher Krieg  erschien  als  eine  Ungeheuerlichkeit,  als  eine  Kalamität 
für  alle  geordneten  Staaten  Europa's,  als  ein  Ereigniss,  aus  welchem 
nur  die  revolutionären  Parteien  Nutzen  ziehen  würden.  ^  Es  waren 
traurige  Geständnisse:  Sie  zeugten  eben  so  sehr  von  Ohnmacht,  wie 
von  gutem  Willen!  Der  Abschied  von  Lord  Clarendon  war  kälter: 
dieser  beschränkte  sich  darauf,  die  Hoffnung  auszusprechen,  dass 
der  Krieg  nicht  von  langer  Dauer  sein  werde*. 

Der  Abschnitt  über  die  österreichische  Politik  enthält  eine  scharfe 
Kritik  der  Haltung  dieser  Macht.  Während  der  Kaiser  Franz  Joseph 
persönlich  gegen  den  Krieg  war,  stand  Oesterreich  zu  sehr  unter 


353 

dem  Einflüsse  des  Kaisers  Napoleon  III.,  um  sich  nicht  in  der  orten* 
talischen  Frage  von  dem  französischen  Kabinet  in^s  Schlepptau 
nehmen  zu  lassen. 

Ebenso  zeigt  der  Verfasser  in  dem  Abschnitt  über  die  Haltung 
der  Pforte,  dass  der  Sultan  nicht  kriegslustig  war,  dass  sich  aber 
der  Einfluss  des  englischen  Gesandten  besonders  stark  geltend 
machte.  Der  Verfasser  bemerkt :  «Die  Verantwortlichkeit  für  den 
orientalischen  Krieg  lastet  ganz  allein  auf  Stratford  Canning;  trotz 
aller  Anstrengungen  der  englischen  Regierung,  diese  Verantwort- 
lichkeit von  sich  abzulehnen,  muss  diese  erstere  einen  beträchtlichen 
Theil  derselben  tragen;  um  der  Schwäche  willen,  welche  sie  gegen- 
über ihrem  diplomatischen  Agenten  an  den  Tag  gelegt  hat.  Und 
es  ist  eine  schwere  Verantwortlichkeit  vor  Gott  und  Menschen,  die 
Verantwortlichkeit  für  einen  Krieg,  welcher  so  viel  Unglück  nach 
sich  zog,  Ströme  von  Blut  fliessen  Hess,  kolossale  Summen  ver- 
schlang, ohne  dass  der  Menschheit  daraus  ein  Vortheil  erwachsen 

wäre».     (I,  S.  438—439-) 

Das  achte  Kapitel  ist  der  Mission  des  Grafen  Orlow  nach  Wien 
gewidmet.  Auch  hier  wird  die  österreichische  Politik,  welche  zu- 
erst eine  wohlwollende,  dann  eine  unparteiische  Neutralität  in  Aus- 
sicht gestellt  hatte,  um  endlich  zu  einer  feindseligen  Neutralität 
überzugehen,  heftig  getadelt.  Die  Gründe  des  Scheiterns  der  Mis- 
sion des  Grafen  Orlow  werden  dargelegt.  Auch  hier  werden  wir  durch 
Reproduktion  von  Gesprächen  zwischen  dem  Kaiser  Franz  Joseph 
und  dem  russischen  Botschafter  Baron  Meyendorff  in  alle  Details 
der  Lage,  in  die  Welt  der  Stimmungen  und  Verstimmungen  einge- 
führt. 

Sehr  beachtenswerth  ist  die  Besprechung  der  Frage,  ob  Russland, 
dessen  Truppen  in  den  Donauprovinzen  standen,  korrekt  gehandelt 
habe.  Friedrich  von  Smitt  bemerkt  in  seinem  obenerwähnten 
Werke,  es  sei  ein  Fehler  gewesen,  die  russische  Armee  in  den 
Donauprovinzen  in  der  Defensive  beharren  zu  lassen;  man  hätte, 
meint  dieser  bewährte  Militärhistoriker,  kräftiger  handeln  sollen, 
während  man  eine  gewisse  Unentschlossenheit  an  den  Tag  legte; 
man  hätte  gleich  Anfangs  eine  Schlacht  erzwingen  sollen:  ein  Er- 
folg hätte  die  Kriegslust  der  Türken  abgekühlt;  es  sei  ferner  ein 
Fehler  gewesen,  dass  man  sich  in  einer  langen  Linie  zersplitterte, 
statt  sich  zu  konzentriren  u.  s.  w.  Ganz  andere  Bedenken  macht 
der  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  geltend,  und  diese  Ausfüh- 
rungen gewinnen  insbesondere  durch  die  Ereignisse  der  allerletzten 

BUS8.  RBYUX.  BD.  XUI.  a3 


354 

Zeit  an  Interesse.  Er  spricht  von  dem  Verhalten  der  Rumänen  und 
Balkanchristen  überhaupt.  Gereizt  über  die  Haltung,  den  Undank 
der  ersteren  sagt  er:  «Du  reste  les  Moldo-Valaques  doivent  d^sor- 
mais  6tre  räy^s  du  monde  slave  orthodoxe.  Ils  inclinent  vers  rOcci- 
dent  et  les  Latins.  L'avenir  nous  r^serve  probablement  de  rencon* 
trer  partout  au  rang  de  nos  adversaires  ces  populations  qui .  nous 
doivent  la  vie*.  (S.  476.) 

Dass  Russland  weder  zu  rasch  zur  Offensive  überging,  noch  auf 
die  Insurrektion  der  Balkanchristen  rechnen  wollte,  scheint  der  Ver- 
fasser  günstig  zu  beurtheilen.  Er  zeigt,  dass  Russland  als  conser- 
vative  Macht  von  so  gewagten  Unternehmungen  absehen  musste, 
welche  revolutionären  Regierungen  recht  wohl  angestanden  hätten. 
«Auf  die  Mitwirkung  der  christlichen  Bevölkerung»|  sagt  der  Ver- 
fasser (I,  S.  515),  «verzichteten  wir  aus  Rücksicht  auf  die  Stellung 
einer  Macht,  welche  wir  gerettet  hatten  und  welche  uns  jetzt  ver- 
rieth*  (Oesterreich).  Uebrigens  macht  der  Verfasser  auch  auf  die 
Gefahr  aufmerksam,  welche  darin  lag,  dass  Russland,  aggressiv  vor* 
dringend,  Oesterreich  zur  Seite  und  im  Rücken  hatte.  So  musste 
denn  Russland  auf  so  kühne  Pläne  verzichten,  und  zwar  um  so  mehr, 
als,  wie  der  Verfasser  zeigt,  die  Haltung  Serbiens  und  Griechenlands 
Russland  nicht  viel  Hoffnung  auf  Mitwirkung  dieser  Staaten  bot, 
und  auch  auf  Bulgarien  nicht  zu  rechnen  war.  Die  grosse  Bedeu* 
tung  Bulgariens  in  dem  l^zten  Kriege  erhöht  sehr  wesentlich  das 
Interesse  der  Bemerkungen,  welche  der  Verfasser  in  Betreff  dieser 
Provinz  macht.  Er  führt  aus,  wie  Russland  von  kühnen  Entschlüs- 
sen  durch  die  maassvpUe,  besonnene  Haltung  des  Kaisers  Nikolaus 
abgehalten  wurde.  Russland,  bemerkt  der  Verfasser,  war  militä- 
risch, aber  nicht  kriegerisch  (La  Russie  ^tait  militaire^  sans  etre  bei- 
liqueuse);  es  rechnete  immer  noch  auf  seine  früheren  Verbündeten. 
«Fünfundzwanzig  Jahre  hindurch  hatte  der  Kaiser  Russland  nach 
den  Prinzipien  von  Gehorsam  und  Disziplin  gemodelt.  '  Er  hatte 
dadurch  Ruhe  und  innere  Sicherheit  geschaffen,  aber  zugleich  alte 
energische  Initiative  gebrochen.  Die  am  Ruder  befindlichen  Män- 
ner waren  alt,  mehr  geneigt  auf  die  Stimme  der  ruhigen  Vernunft, 
als  auf  diejenige  der  Leidenschaft  zu  hören,  welche  bisweilen  in 
kritischen  Zeiten  einer  Nation  Heil  bringt».  Dem  Kaiser  machte 
die  revolutionäre  Seite  der  Bewegung  der  Balkanchristen  Bedenken. 
Die  Situation  war  nicht  neu.  Schon  in  den  Zeiten  des  Kongresses 
von  Verona  hatte  Fürst  Mettemich  mit  Erfolg  dem  Kaiser  Alexan- 
der die  Griechen  als  eben  solche  Rebellen  geschildert,  wie  es  die 


3S5 

Spanter  und  Italiener  waren.  In  solchen  Grundsätzen  waren  Russ- 
land und  Oesterreich  solidarisch.  Daraus  erwuchsen  aber  für  Russ- 
land  in  dem  Augenblicke  der  Entscheidung  Zweifel,  Zaudern,  Halb- 
maassregeln»  welche  verhängnissvoll  werden  mussten,  weil  sie  Russ- 
land vor  seinen  Feinden  entwaffneten,  ohne  die  Freundschaft  der 
ehemaligen  AUiirten  zu  erhalten  oder  zu  befestigen.  Als  endlich 
die  Enttäuschung  folgte  und  der  Drang  der  Verhälnisse  die  militä- 
rische Stellung  klarlegte,  war  es  zu  spät,  das  Werk  der  Politik  eines 
Vierteljahrhunderts  zu  negiren. 

So  kam  Russland,  bemerkt  der  Verfasser  am  Schlüsse  des  ersten 
Bandes,  in  eine  Lage,  wo  es  von  Stufe  zu  Stufe  zu  Konzessionen  ge* 
drängt,  an  Händen  und  Füssen  gefesselt,  den  Gegnern  überliefert, 
dem  Todesstreiche  preisgegeben  wurde. 

Am  Anfange  des  zweiten  Bandes  schildert  der  Verfasser  die  all- 
gemein verbreitete  feindselige  Stimmung  gegen  Russland,  er  er- 
wähnt der  Ausfalle  der  Presse  in  England  und  Frankreich,  der  im 
Westen  auftauchenden  Pläne:  Russland  wiederum  nach  Asien  zu 
verbannen,  demselben  Finland,  Polen,  die  Krim  und  den  Kaukasus 
zu  entreissen.  Selbst  Lord  Aberdeen  Hess  sich  von  der  allgemeinen 
Strömung  so  weit  fortreissen,  dass  er  von  seiner  «Antipathie*  gegen 
Russland  zu  sprechen  begann.  «Das  Herz  blutet  Einem»,  bemerkte 
der  Verfasser,  «wenn  man  sieht,  wie  Europa  die  beständige  Recht- 
schaffenheit, die  Grossmuth  und  Loyalität  dieses  grossen  Souverains 
—  Nikolaus  —  belohnte!  Diese  Gewaltsamkeiten,  welche  nicht  nur 
den  Reihen  der  kosmopolitischen  Demagogie,  sondern  auch  den 
höheren  Klassen  der  Gesellschaft  entstai^mten,  sind  mehr  als  lächer- 
lich und  verabscheuungswürdig;  sie  zeigen,  was  Russland  von 
Europa  jedesmal  zu  erwarten  hat,  wenn  es  grossen  Krisen  ausgc. 
setzt  ist<     Das  ist   eine  jener  Lehren,   die   man   nicht  vergisst» ! 

(II,  S.  7-8.) 

Der  Verfasser  kommt  sodann  auf  den  Fehler  zu  reden,  den  Russ- 
land machte,  indem  es  seine  militärischen  Kräfte  unterschätzte.  Es 
bedachte  nicht,  dass  seit  dem  Jahre  1812  die  Art  der  Kriegführung 
sich  sehr  wesentlich  verändert  hatte.  In  derselben  spielte  das  Meer 
eine  grosse  Rolle,  die  Eisenbahnen,  die  Dampfschiffe;  es  kam  sehr 
viel  auf  die  Vervollkommnung  der  Waffen  an.  Man  überschätzte 
russischerseits  die  Widerstandskraft,  welche  man  dem  Angriffe  der 
Feinde  entgegenzusetzen  hatte.  Auch  in  der  politischen  Rechnung, 
welche  Russland  machte,  gab  es  nichtzutrcffende  Kombinationen 
Russland  hoffte,  dass  die  Allianz  zwischen  Frankreich  und  England 

23* 


_J56 

nicht  von  Dauer  sein  werde;  man  mochte  sich  nicht  entschliessen, 
an  die  ^Verblendung*  Oesterreichs  und  Deutschlands  zu  glauben; 
man  setzte  zu  grosse  Hoffnungen  auf  die  Mitwirkung  der  Balkan- 
christen,  ohne  doch  sie  .zur  Insurrektion  ermuthigen  zu  wollen.  So 
kam  es,  dass  Russland  den  Zeitpunkt  verstreichen  Hess,  wo  Europa 
sich  mit  massigen  Konzessionen  von  Seiten  Russlands  zufrieden  ge« 
geben  hätte.  Indessen,  meint  der  Verfasser,  sei  es  jetzt  freilich 
leicht,  retrospektiv  weise  zu  sein.  Man  begreift«  wie  der  Kaiser  Ni» 
kolaus  in  dem  Bcwusstsein  seines  Rechts,  in  dem  Gefühl  seiner 
Kraft  die  Fahne  der  Ehre  und  der  Interessen  Russlands  nicht  nei- 
gen wollte. 

Der  Verfasser  zeigt  nun,  wie  die  Lage  sich  verschlimmerte,  wie 
nach  Räumung  der  Donaufürstenthümer  die  vier  Mächte  sich  enger 
zusammenschlössen,  wie  Preussens  schwankende  Haltung  schädlich 
wirkte,  wie  die  Anforderungen  an  Russlands  Nachgiebigkeit  immer 
sich  steigerten  und  kommt  zu  dem  Eegebniss,  dass  Russlands  Wei- 
gerung, die  ihm  angetragenen  Bedingungen  der  Erhaltung  des  Frie- 
dens anzunehmen,  keinen  Tadel  verdiene. 

Von  Interesse  sind  die  von  dem  Verfasser  mehr  oder  minder  ein- 
gehend geschilderten  Beziehungen  Russlands  zu  den  verschiedenen 
Mächten,  unmittelbar  nach  der  Kriegserklärung.  So  erwähnt  der 
Verfasser  (11,  S.  79)  der  Privatkorrespondenz  des  Königs  Leopold 
von  Belgien  mit  dem  Kaiser  Nikolaus ;  so  berührt  er  die  iri  Amerika 
lebhaft  erörterte  Frage  von  der  Kaperei  (S.  82  u.  ff.),  eine  Frage, 
welche  bekanntlich  auch  während  des  letzten  Krieges  eine  bedeu- 
tende Rolle  spielte.  Russland  hat  damals  auf  dieses  Kriegsmittel 
verzichtet.  Der  Verfasser  bemerkt  hierzu:  «Die  Frage,  ob  wir  mit 
mehr  Energie  und  weniger  Besonnenheit  unsere  Lage  und  unsere 
Chancen  verbessert  oder  verschlimmert  haben  würden,  gehört  zu 
den  wichtigsten,  welche  man  der  Erwägung  eines  Kabinets  vorlegen 
kann.  Aber  es  gibt  verzweifelte  Anstrengungen,  die  man  nur 
von  solchen  Nationen  erwarten  kann,  welche  durch  innere  Erschüt- 
terungen erregt  sind;  solche  Anstrengungen  retten  die  Gegenwart, 
indem  sie  die  Zukunft  Eventualitäten  preisgeben,  welche  jeder  Be- 
rechnung spotten.  Unter  gewöhnlichen  Bedingungen  folgt  eine 
geordnete  Regierung  den  Rathschlägen  der  Vernunft;  die  Verhält- 
nisse, in  denen  wir  uns  befanden,  konnten  uns  eher  veranlassen,  den 
ohnehin  ungleichen  Kampf  zu  beschränken,  als  denselben  durch 
Verschärfung  der  Kampfmittel  auszudehnen». 

Besonders  eingehend  berichtet  der  Verfasser  auch,  in  der  Ge- 


-      357 

schichte  der  Verhandlungen  im  Jahre  1854,  von  den  Beziehungen 
Russlands  zu  Oesterreich.  Es  werden  hier  mehrere  Gespräche  zwi- 
schen dem  Fürsten  Gortschakow  und  dem  Grafen  Buol  reproduzirt. 
(II,  S.  134  u.  flr.y  140  u.  ff.)  Höchst  anziehend)  vornehmlich  im  Hin- 
blick auf  die  heutige  Machtstellung  Preussens  ist  die  Erörterung  der 
Haltung  dieser  Macht.  Wir  übersetzen  eine  Bemerkung  des  Ver- 
fassers, welche  unmittelbar  vor  dem  Druck  des  Werkes,  also  etwa 
ein  Jahrzehnt  nach  der  Abfassung  des  Textes  geschrieben  wurde: 
«Wir  brauchen  nicht  daratuf  aufmerksam  zu  machen»,  heisst  es 
S.  204:  «dass  das  Preussen,  um  welches  es  sich  hier  (bei  Dar- 
stellung der  Lage  unmittelbar  vor  dem  Kfimkriege)  handelt,  nicht 
das  Preussen  der  späteren  Zeit,  das  Preussen  unserer  Tage  ist.  Um 
die  Haltung  Preussens  gerecht  zu  würdigen,  muss  man  der  Schwie- 
rigkeit seiner  damaligen  Lage  Rechnung  tragen.  Das  Bild,  welches 
wir  entwerfen,  erklärt,  wie  der  Graf  Bismarck  fünfzehn  Jahre  später 
Alles  an  Alles  setzte,  um  sein  preussisches  Vaterland,  sein  grosses 
deutsches  Vaterland  aus  dem  politischen  Sumpfe  zu  retten,  und 
ihnen  die  Rolle  zu  sichern,  welche  ihnen  ihre  geographische  Lage, 
die  Bevölkerungsziffer  und  der  hohe  Grad  materieller  und  geistiger 
Entwicklung  zuweiste».  «Ce  quil  Taut  constater»,  heisst  es  weiter, 
•c'est  que  dans  la  crise  d'Orient,  la  Prusse  nous  a  seule  en  Europe 
tdmoign^  tout  le  bon  vouloir  que  comportait  sa  Situation,  seule  eile 
a  montr^  le  prix  qu^elle  attachait  par  gratitude  pour  le  pass£,  par 
prevoyance  pour  l'avenir,  au  maintien  des  relations  d'amitiä  avec  la 
Russie.  Elle  a  eu  le  m^rite  du  bon  vouloir,  et  n'a  eu  que  dans  une 
mesure  restreinte  la  ^esponsabilit^  d^entralnements  inh^rents  k  sa 
Position.  Ces  pr6c6dents  sont  importants.  Ils  permettent  de  croire, 
que  si  une  crise  pareille  ^latait  aujourd'hui,  la  Prusse  et  TAlle- 
magne,^  devenues  puissantes,  sauraient  s'interposer  eSicacenient, 
arreter  Tiniquit^  et  imposer  des  Solutions  justes.  C'est  tout  ce  que 
la  Russie  est  en  droit  d'attendre  d'elles».  Diese  Betrachtungen  ha- 
ben im  Hinblick  auf  die  Ereignisse  der  allerletzten  Zeit  ein  erhöhtes 
Interesse. 

Ergreifend  schildert  der  Verfasser  (II,  S.  318)  den  Eindruck  des 
Ablebens  des  Kaisers  Nikolaus  auf  ganz  Europa,  und  wie  die  Kunde 
von  diesem  Ereigniss  namentlich  in  Preussen  und  Oesterreich  er- 
schütternd wirken  musste. 

Die  Kriegsereignisse  berührt  der  Verfasser  nur,  um  zu  zeigen, 
wie  Frankreich  allein   wirklichen  militärischen  Ruhm  erwarb,   wäh- 


358 

rend  England  durch  die,  an  den  Küsten  Russlands  verübten  Excesse 
sich  mit  Schmach  bedeckte. 

Zum  Schlüsse  kommt  der  Verfasser  auf  die  Verhandlungen  zu 
reden,  welche  zum  Abschlüsse  des  Pariser  Friedens  führten.  Be- 
sonders fesselnd  ist  die  Schilderung  der  Verschiedenheit  der  Hal- 
tung Nesselrode's  •  und  Gortschako w^s,  der  in  Russland  selbst  in  Be- 
trefi  des  Kriegs  und  Friedens  herrschenden  Stimmungen  und  Mei- 
nungen (II,  S.  396  u.  ff.). 

Die  Verhandlungen  in  Paris  bilden  den  Inhalt  des  kurzen  Schluss- 
kapitels. Der  Verfasser  macht  auf  die  Annäherung  zwischen  Frank- 
reich und  Russland  aufmerksam  und  erwähnt  der  bescheidenen 
Rolle,  welche  Preussen  bei  dieser  Gelegenheit  spielte.  Diese  Macht 
wurde  nur  als  Mitunterzeichner  des  Vertrages  vom  16.  Juni  1841  zur 
Theilnahme  am  Pariser  Friedensschlüsse  zugelassen  und  es  waren 
die  russischen  Bevollmächtigten,  welche  in  erster  Linie  die  Theil- 
nahme Preussens  beantragten. 

Der  Schluss  des  Buches  ist  ebenso  wie  die  Einleitung  nach  dem 
deutscb-fanzösischen  Kriege  geschrieben.     Der  Verfasser  macht  auf 
die  grossen  Veränderungen  aufmerksam,  welche  sich  seit  dem  Krim- 
kriege  im  europäischen  Staatslebcn  vollzogen  haben,  auf  das  Zu- 
sammenbrechen des  französischen  Kaiserreiches,  auf  die  Misserfolge 
Oesterreichs,  auf  das  Erstehen  des  Deutschen  Reiches.     Er  ist  ge- 
neigt, in  den  Heimsuchungen  Frankreichs  und  Oesterreichs  eine 
Art  Nemesis  für  die  Haltung  dieser  Mächte  im  Krimkriege  zu  er- 
blkrken.     Bedeutsam  sind  die  Bemerkungen  des  Verfassers  in  Be- 
treff Oesterreichs:    «Hinausgedrängt  aus  Italien  und  aus  Deutsch- 
land  sucht  Oesterreich  inmitten  einer,  durch   eine  Reihe  von  [Jt^ 
glücksfällen  gesteigerten  inneren  Verwirrung  einen  neuen  Schwer- 
punkt.    Wir  wünschen,   dass  es  glücklich  aus  dieser  Lage  komme; 
denn  wenn  wir  auch  die  vergangene  Politik  Oesterreichs  beklagen 
und  missbilligen,  so  haben  wir  doch  nie  aufgehört,  dieses  Reich  als 
ein,  für  das  europäische  Gleichgewicht  nothwendiges  Element  anzu- 
sehen.   Russland,  als  Nachbar  Oesterreichs,  hat  ein  Interesse  daran, 
dass  es  gedeihe.  Man  muss  hoffen,  dass  die  gemachten  Erfahrungen 
dem,  beiden  Mächten  schädlichen  Gregensatze  ein  Ziel  setzen.     Be- 
reits im  Jahre  i860|  zur  Zeit  der  Zusammenkunft  in  Warschau,  liess 
Graf  Rechberg  dem  Kabinet  von  St.  Petersburg  folgende  Aeusse- 
rung  zugehen :  Oesterreich  und  Russland  haben  einander  gegen- 
seitig viel  Schlimmes  zugefugt.     Wir  haben  Euch  Bessarabien  ver- 
lieren machen,  Ihr  uns  die  Lombardei.    Wie  weit  sollen  wir  auf  die- 


3t9 

scm  Wege  kommen?  Können  wir  nicht  unsere  Rechnung  als  ausge- 
glichen ansehen  und  weitere  Repressalien  aufgeben^  um  endlich  im 
Einverständniss  zu  handeln?  Hoffen  wir,  dass  diese  weisen  Worte, 
welche  von  den  Thatsachen  so  glänzend  bestätigt  wurden,  den  bei- 
den Kabineten  zum  Programm  dienen  werden».  Von  ähnlichem 
Interesse  sind  die  Aeusserungen  des  Verfassers  in  Betreff  der  Politik 
Englands,  der  Türkei,  Preussens  u.  s.  w. 

Der  Verfasser  schliesst  seine  Betrachtungen  mit  einem  Hinblick 
auf  Russlands  Lage  und  Haltung  nach  dem 'Krimkriege.  «In^  diesen 
fünfzehn  Jahren»,,  schreibt  er,  «hat  Russland  sich  auf  sich  selbst  zu 
rückgezogen,  sich  gesammelt.  Alle  seine  Sorge  und  Kraft  hat  es 
auf  die  innere  Arbeit  gewandt,  deren  Bedeutung  der  Krimkrieg  in 
das  rechte  Licht  gesetzt  hat.  Durch  die  Initiative  seines  Souverains, 
welcher  sejn  Land  liebt  und  ihm  vertraut,  hat  Russland  eine  Reihe 
von  durchgreifenden  Reformen  unternommen,  wie  dieselben  in  sol- 
chem Umfange  und  in  so  kurzem  Zeiträume  c^ne  Beispiel  sind. 
Diese  Reformen  sind,  Dank  sei  es  dem  innigen  Bande,  welches  den 
Souverain  und  die  Nation  umschliesst,  glücklich  und  friedlich  durch- 
geführt worden.  Dieser  fruchtbringenden  Arbeit  hat  es  Russland 
zu  verdanken,  da.ss  es  materiell  und  moralisch  in  den  Augen  der 
Welt  ein  Ansehen  geniesst,  dessen  man  es  zu  berauben  gedachte. 
Seine  militärisch-defensive  Position,  seine  finanzielle,  politische, 
wirthschaftliche  Lage  sind  unzweifelhaft  besser,  als  vor  dem  Kriege. 
So  konnte  e^  seine  einstigen  Gegner  dazu  vermögen,  die  Vertrags- 
bestimmungen von  1856,  welche  seine  Interessen  schädigten  und 
seine  Ehre  kränkten,  ohne  auch  nur  einen  Tropfen  Blutes  zu  ver- 
giessen,  ja  indem  es  sogar  diese  Frage  zum  Ausgangspunkte  einer 
Versöhnung  und  Annäherung  mit  den  anderen  Mächten  dienen 
liess,  einer  Revision  zu  unterwerfen». 

Eine  Thatsache  scheint  dem  Verfasser  sich  zweifellos  aus  dem 
Krimkriege  und  der  Haltung  Russlands  in  der  darauf  folgenden  Zeit 
zu  ergeben.  Er  drückt  sie  folgendermaassen  aus:  «II  a  suffi,  que  la 
Russie  se  soit  retir^e  des  affaires  de  TEurope  pour  que  son  absence 
momentan^  en  ait  rompu  T^quilibre  et  ait  livr6  la  paix  g^n^rale  aux 
plus  dangereux  bouleversements».  «So»,  meint  der  Verfasser,  «fällt 
die  Antwort  aus,  welche  die  Ereignisse  den  Unsinnigen  ertheilen, 
die  Russland  von  dem  europäischen  Konzert  auszuschliessen  ge- 
dachten». «Während  die  Gegner  Russlands»,  fährt  er  fort,  «die 
Folgen  ihrer  gewaltthätigen,  gehässigen,   agressiven,  Andern  Böses 


3^ 

wünschenden  Politik   tragen  mussten,  hat  Russland,  nicht  gleich- 
gültig, aber  ruhig,  den  Aufregungen  unÜ  Erschütterungen  der  letz- 
ten Jahre  zugesehen.   Es  hat  die  Früchte  einer  gerechten,  gemässig- 
ten, friedlichen  Politik  geändert,  indem  es  das  besondere  Interesse 
des  Augenbh'cks  nicht  über  das  allgemeine  Interesse  stellte  und 
das   grosse   Gesetz   der   Solidarität,   welchem   die  Vorsehung   die 
menschlichen  Dinge  unterworfen  hat,  anerkannte.     Alles  ist  dazu 
angethan,  Russland  zu  veranlassen,   auf  diesem   korrekten  Wege 
weiterzugehen.     Wir  sind  überzeugt,  dass  es  nicht  von  demselben 
abweichen  werde,   nicht  nur,  weil  dieses  die  Meinung  der  jetzt  am 
Ruder  Befindlichen  ist,  sondern  auch,  weil  es  dem  Charakter  seiner 
Interessen  entspricht,  wesentlich  stetig,  konservativ,  friedlich  und 
gemässigt  zu  sein;   es  hat  kein  einziges  Interesse,  das  nicht  durch- 
aus ehrlich  und  ehrenhaft  sei   und  zu  dem  es  sich  nicht  laut  zu  be- 
kennen vermöchte,  kein  einziges,  das  nicht  den  allgemeinen  Inter- 
essen Europa's  vollkommen  entspräche.     Dies  ist  die  beste  Bürg- 
schaft.    Wünschen  wir,  dass  Europa  seinerseits,  durch  die  furcht- 
baren Erfahrungen  der  letzten  zwei  Jahrzehnte  belehrt,  Russland  in 
dieser  Richtung  folgen  möge.     Es  wird  dadurch  viel  Unheil  ver- 
meiden, denn  —  man  darf  sich  darüber  nicht  täuschen  —  die  gegen- 
wärtigen Ereignisse  enthalten  mehr  ah  eine  Lehre,  nämlich  den 
Keim  zu  neuen  politischen  und  sozialen,  den  Weltfrieden  bedrohen- 
den Kämpfen.     Es  bedarf  der  ganzen  Weisheit  der  Regierungen 
und  der  Völker,  um  die  Entwickelung  dieser  Keime  aufzuhalten. 
Zum  Schluss  möchten  wir  der  Hoffnung  Ausdruck  geben,  dass  diese 
beredte  Stimme  der  Thatsachen  —  deren  bescheidenes  Echo  wir 
sind  —  gehört   und    verstanden    werde.     Wir   drücken    nur    den 
Wunsch  aus.     Denn  leider  herrscht  zu  unserer  Zeit  mehr  die  Lei« 
denschaft,  als  die  Vernunft,   und  die  Regierungen  selbst  sind  nicht 
stark   genug,  um  die  Aufwallungen   der  Gegenwart  dem   Voraus 
sehen  in  die  Zukunft  unterzuordnen.     Gewiss  aber  ist,  dass  wenn 
man  an  die  Lösung  ^dieser  Aufgabe  geht,  man  auf  Russlands  Mit- 
wirkung zählen  darf.  .  Mehr  als  einmal  hat  Russland  zum  Heile  Eu- 
ropa^s  beigetragen.     Vielleicht  wird  es  ihm  vergönnt  sein,  noch 
weiter  an  demselben  zu  arbeiten,  und.  wenn  ihm  auch  schlecht  ver- 
golten wurde,  wird  es,  wir  zweifeln  nicht  daran,  diese  undankbare 
Mission  nicht  von  sich  weisen». 

So  der  Schluss  dieses  merkwürdigen  Buches,  aus  dessen  Einzeln- 
heiten wir  nur  einiges  Wenige  haben  herausgreifen  können,  eines 
Werkes,  dessen  Ton,  Inhalt  und  Richtung  dazu  angethan  ist,  das 


36t 

Interesse  der  Leser  im  Allgemeinen,  die  Aufmerksamkeit  der  Poli 
tiker  insbesondere  im  hohen  Grade  in  Anspruch  zu  nehmen. 

—  n. 


Karze  CharakteriHtilL  der  Klein-Russen.' 

Von 

P.  Tschubinskij. 


Um  über  den  klein-russischen  Typus  recht  zutreffende  Nachrich- 
ten zu  erhalten»  übermittelten  wir  der  Rekrutenaushebungs- Kom- 
mission ein  Tabellenformular  behufs  Eintragung  der  anthropologi- 
schen Beobachtungen  an  Personen,  welche  den  Aushebungs-Kom- 
missionen präsentirt  wurden.  Von  9  Kommissionen  erhielten  wir 
die  gewünschten  Daten  über  die  an  1355  klein-russischen  Rekruten 
angestellte  Beobachtung,  welche  wir  in  Folgendem  zur  Charakteri- 
sirung  des  klein-russischen  Typus  mittheilen. 

Von  den  Rekruten  waren  dem  Wüchse  nach: 

kleinen  Wuchses  d.  h.  von  2  A.^4W.*bis  2  A.  5  W.  —  34,82  pCt. 

mittleren      9  »  2»5»c2»6>    —  29,80     • 

hohen  •  ■     »  2>'6»»2»8»  — 3i|58     * 

sehr  hohen  »  »  2*8»»3»I2»  —  03,68    » 

Mithin  war  beinahe  Vs  von  ihnen  klein, '/>  mittelgross  und  ^/s 
gross.  Hätte  man  auch  die  Kreise  der  Polesje  mit  ihren  Bewoh- 
nern in  Betracht  gezogen,  so  wären  der  grossen  Leute  wohl  weniger 
gewesen,  es  würde  aber  dadurch  das  Drittel  der  kleinen  Leute  nicht 
gewachsen,  sondern  die'DifTerenz  auf  die  zwei  Drittel  der  Rekruten 
mittleren  und  hohen  Wuchses  gekommen  sein,  wie  sich  das  auch  in 
den  Aushebungen  der  Jahre  1863,  1865,  1866  und  1867^  ergab. 
Hierbei  ist  zu  bemerken,  dass  die  Mehrzahl  der  Rekruten  bei  der 
Aushebung  21  Jahre  alt  ist,  und  somit  noch  dem  Waschthum  unter- 
liegt. Aus  den  angeführten  Daten  folgt,  dass  die  Klein-Russen  im 
Allgemeinen  ein  hochgewachsenes  Volk  sind. 

'  Rassisch  in  den:  TpyAU  »THor.-coHVH   »kcdca.  bi»  aanaAHo  pyccicii  vpaft.  T.  VlF. 

'  Arschin. 

*  Werschock. 

^  «BoeHHoe  0(k)3p-feHie  KieBCi.   BoeHHaro  Ospyra.  Kiesi»  1869  r  »  crp.  101  — io2. 


302 


Der  Hautfarbe  nach  waren: 

sehr  weiss , 9,57  pCt. 

braun 21,69 

mittlerer  Nuance : 68,70 


» 

c 


Der  Kopf -Form  7iach: 

Abplattung  vom  Scheitel  zum  Hals 9,00  pCt. 

•  vom  Gesicht  zum  Genicke 7%AS     * 

»  von  den  Seiten I0.47     » 

Ohne  bemerkenswerthe  Abplattung  des  Schädels  .  73,06     ■ 

Der  Haaffarbe  nach: 

*  mit  schwarzem  Haar 13,28  pCt 

dunkelblond     . 58,52 

hellblond 24,35 

mit  rothefn  Haar 03,83     c 

Nac/i  der  Form  der  Augenbrauen: 

mit  gerstden  Augenbraunen 54>24  pCt. 

•  gebogenen  45.76     • 

»   zusammengewachsenen t    .     .  14,39     * 

»   nicht  »  .     .     , 85,60     » 

Nach  dem  Habitus  der  Augen: 

mit  offenen  Augen 70,25  pCt. 

•  hervorstehenden  Augen    .    , ,  10,55     » 

»   tiefliegenden  »         I9»04     • 


Nach  der  Farbe  der  Augen: 

mit  schwarzen  Augen    .     .     •     • 7, 1 5  pCt. 

>    braunen 1     •     •  25,3 1     * 

»  blauen                      ..•..•♦...  I7>S6     » 

»    grauen                      49»96     « 

Nach  der  Grösse  des  Mundes: 

mit  breitem IS1O5  pCt. 

»    kleinem 14,17     » 

»    mittlerem 70,77     • 


1 


363 


Nach  der  Form  der  Ktnubacken : 


iM)rinal 83,24  pCt. 

mit  vorragendem  Oberkiefer ,       ^*77     • 

Unterkiefer ,       7,97     • 


»  » 


Nach  der  Form  der  Nase: 

mit  gerader ,     .     .  69,74  pCt. 

*    gebogener 11,07     » 

»    eingebogener      ,     , 18,45     . 

Nach  der  Breite  der  Nase: 

mit  breiter 16,75  pCt. 

»    schmaler 1     •     •     ,     •  13.06     * 

»    mittlerer , 70,18     » 


Nach  der  Breite  der  Schultern : 

mit  breiten 25,97  pCt. 

*    engen , 8,78     * 

»    mittleren 65.23     » 


Nach  der  Hohe  der  Brust: 

mit  gewölbter 19,07  pCt. 

»    normaler 67,97     * 

»    eingefallener 12,02     • 


Nach  der  Breite  der  Brust: 

mit  breiter 27,03  pCt 

»    enger    ..-...., 8,04     » 

•    mittlerer 64,64     » 


Nach  der  Länge  der  Arme: 

mit  langen 1 2,39  pCt 

»    kurzen 11,07     * 

>   mittleren •    *  76,53     • 


Nach  der  Länge  der  Beine-. 

mit  langen i2>39pCt 

•  kurzen 11,07     • 

•  mittleren    .     .     •     .     , ,     .  76,53     * 


364 


Nach  der  Art  des  Ganges: 

gerade  Gehende  .     .     , 66,64  pCt. 

nach  beiden  Seiten  Schwankende 12,69     * 

vornübergeneigt  Gehende 20,66     » 

Nach  der  Schnelligkeit  des  Ganges: 

mit  schnellem  Gange  16,09  P^'^- 

»    langsamem  ....         IS>35     * 

»    mittelgeschwindem ,     .  67,67     * 


Aus  obigen  Zahlen  ergibt  sich,  dass  unter  den  Klein-Russen  die 
Brünetten  überwiegen.  Unter  den  Blonden,  welche  im  Ganzen 
28,18  pCt.  ausmachen,  d.  h.  weniger  als  Vsi  sind  weniger  als  4  pCt. 
rothhaarige;  die  übrigen,  fast  72  pCt.,  haben  dunkelblondes  oder 
schwarzes  Haar;  indess  mit  vorherrschendem  Dunkelblond  beinahe 

59  pCt. 

Ebenso  trifüb  man  bei  den  Klein-Russen  ziemlich  seitön  blaue 
Augen  (17,56  pCt.),  die  Mehrzahl  hat  graue  und  z\^ar  fast  die  Hälfte 
der  Bevölkerung  dunkelgraue  Augen.  Braune  und  schwarze  Augen 
haben  fast  '/a  derselben. 

Nach  der  äusseren  Erscheinung  sind  die  Klein-Russsn  hübsche 
Leute.  Die  Männer  haben  männliche  Gesichter  und  erscheinen 
älter  als  sie  sind.  Zu  dem  Begriff  der  Schönheit  gehören  dem  Klein- 
Russen  unbedingt  braune  Augen  und  schwarze  Augenbraunen. 

Die  Körpergestalt  der  Klein-Russen  ist  grösstentheils  eher  hager 
als  voll.  Die  Frauen  sind  gewöhnlich  bedeutend  kleiner  von  Wuchs, 
als  die  Männer  und  ziemlich  voll.  Im  Ganzen  sind  die  klein-russi- 
schen Frauen  wohlgestaltet  und  graziös  und  eine  ebenmässige  und 
schmiegsame  Gestalt  ist  darum^  nach  den  Begriflen  der  Klein-Rus- 
sen, eine  Grundbedingung  der  weiblichen  Schönheit. 

Unter  den  Klein-Russen  begegnet  man  oft  einem  vollständig  ta- 
tarischen Typus,  wie  man  andererseits  nicht  selten  uqter  den  krim- 
schen  Tataren  Gesichter  mit  klein-russischem  Typus  Andet;  ja  man 
sieht  auch  Gesichter,  welche  an  die  Bewohner  des  Kaukasus  erin- 
nern. Ueberhaupt  ist  der  klein-russische  Typus  nicht  ohne  orien- 
talische Beimischung.  Und  das  darf  nicht  Wunder  nehmen.  Ab- 
gesehen von  den  Nomadenvölkern  zur  Zeit  der  Grossfürsten  (Pctsche- 
neg^n,  Kosaren  u.  a.),  welche,  wenn  auch  nur  theilweise  ansässig 
wurden,  siedelten  sich  in  der  Ukraine  die  Torken,  Berendeen  und 


3^5 

schwarzen  Klobuken  an.  Ferner  hatten  die  beständigen  Einfälle  der 
Tataren  sowie  die  Wegführung  der  Frauen  in  die  Gefangenschaft 
nothwendiger  Weise  Einfluss  nicht  bloss  auf  den  tatarischen,  son- 
dern auch  auf  den  klein-russischen  Typus.  Ausser  diesem  orien- 
talischen Elemente  machte  sich  auch  in  der  Zeit  des  Kosakcnthums 
ein,  wenn  auch  geringer  Einfluss  des  süd-slavischen  und  rumänischen 
Elementes  geltend,  so  namentlich  in  den,  von  den  Kosaken  einge- 
nommenen Gebieten  der  Ukraine,  insbesondere  in  dem  der  Saporo* 
ger.  So  war  denn  für  die  Klein-Russen  eine  Kreuzung  mit  orien- 
talischen Elementen,  dem  tatarischen  und  dem  turkmenischen  un- 
ausbleiblich, ähnlich  wie  die  Gro$s-Russen  eine  Kreuzung  des  rus- 
sischen Elementes  mit  dem  finnischen  reprä3entiren,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  diese  das  finnische  Element  gleichsam  absorbir- 
ten  und  sich  assimilirten.  'Während  im  Süden  Russlands  das  rus- 
sische  Element  numerisch  nur  unbedeutende  andere  Elemente 
sich  zu  assimiliren  hatte,  setzte  sich  dasselbe  im  Nord-Osten  Russ- 
lands  unter  den  Finnen  fest,  und  unterwarf  sie  nicht  nur  seiner 
Herrschaft,  sondern  auch  seinem  nationalen  Einflüsse,  und  zwar  in 
der  Weise,  dass  die  Aboriginer  in  die  Nationalität  der  Eroberer  auf- 
gingen. Im  Süden  Russlands  hingegen  war  es  umgekehrt.  Im  Nor- 
den trat  das  russische  Element  aktiv  auf,  hier  im  Süden  verhielt  es 
sieb  passiv;  dort  vollzog  sich  die  Kreuzung  und  Assimilisation  im 
grossen  Maassstabe,  hier  im  bescheidenen.  Aber  doch  sind  ihre 
Spuren  im  süd-westlichen  Russland  nicht  wegzuleugnen. 

Was  die  Pflege  des  Körpers  anbetnf{t,  so  ist  zu  erwähnen,  dass  es  in 
Klein-Russland  keine  Badstuben  gibt.  Nur  die  Jugend  badet  in  den 
Flüssen.  Die  Wäsche  wird  wöchentlich  gewechselt  und  es  zeigt  sich 
das  Bestreben,  die  Wohnungen  reinlich  und  sauber  zu  halten. 

Der  Gesichtsausdruck  des  Klein^Russen  ist  ernst  und  sogar  rauh ; 
d^r  der  Frauen  meistens  weich,  freundlich,  mit  einem  etwas  melan- 
cholischen Anfluge.  Der  Klein-Russe  spricht  gewöhnlich  langsam 
und  lakonisch,  die  Frauen  dagegen  zeichnen  sich  nicht  durch  diese 
Eigenschaft  aus:  sie  sind  im  Gegentheil  recht  gesprächig  und 
sprechen  im  Allgemeinen  schnell;  die  Neigung  zum  ernsten  Humor 
erscheint  auf  jedem  Schritt.  Der  Redeton  der  Frauen  ist  grössten- 
theils  ein  gutmüthig-naiver.  Ihr  Scherz  ist  gewöhnlich  kein  beissen- 
der,  und  ihre  Reden  durchklingt  oft  ein  klagender  Ton.  Ueberhaupt 
fällt  eine  gewisse  Melancholie  der  Klein-Russen  auf. 

Der  Klein-Russe  ist  langsam  in  seinem  Gange  und  überhaupt  in 
seinen  Bewegungen;  er  ist  ziemlich  apathisch  und  daher  nicht  unter- 


3^ 

m 

nehmend  und  tm  Vergleich  zum  Gross-Russen  konnte  man  ihn 
träge  nennen ;  er  arbeitet  nicht  aus  Lust  zur  Arbeit,  sondern  nur, 
weil  das  bittre  «Muss*  ihn  treibt.  Die  Frauen  dagegen  sind  reger, 
emsiger,  und  weit  mehr  an  Arbeit  gewöhnt. 

Der  Verstand  des  Klein- Russen  fasst  langsam,  dafür  aber  eignet 
er  sich  das  ein  Mal  Erfasste  auf  die  Dauer  an  und  bringt  es  sodann 
mit  Ernst  und  Tiefe  in  sich  weiter  zur  Entwickelung.  Er  besitzt  in 
der  Thal  einen  bellen  Verstand,  ist  fähig  zum  spekulativen  Denken, 
zum  logischen  Urtheilen.  Seine  Bedächtigkeit  kommt  ihm  dabei  zu 
Statten.  Er  bedenkt  stets  Dasjenige,  was  er  sagt.  Die  I^bens- 
bedingrungen  haben  diese  Eigenthümlichkeit  seines  Wesens  ent- 
wickelt* 

Sein  Besitzthum  besteht  aus  Streuländereien  :  seine  Felder,  liegen 
in  kleinen  Parzellen  hier  und  da  zerstreut;  so  muss  er  sich  denn  mit 
seiner  Katriga  (kleines  Zelt)  meist  auf  mehrere  Tage  von  Hause 
entfernen.  Hier,  wo  er  allein  ist,  höchstens  einen  kleinen  Knaben  bei 
sich  hat,  gibt  er  sich  in  seinen  Mussestunden  seinen  Gedanken  hin. 
Wer  kein  Vorurtheil  geg^en  den  nationalen  Klein-Russen  hegt,  muss 
die  Logik  und  das  ernste  Denken  desselben  wahrnehmen.  Man 
braucht  nur  mit  den  zahlreicfaen  Sprüchwörtem  der  Klein-Russen 
bekannt  zu  werden,  um  sich  davon  zu  überzeugen,  wie  sehr  sie  zum 
spekulativen  Denken  fähig  sind.  Gerade  diese  Befähigui^  zur  Spe- 
kulation im  philosophischen  Sinne,  inmitten  der  schönen  Natur 
Klein-Russlands  hat  in  den  Bewohnern  desselben  ihr  Vorstellungs- 
vermögen etitwickelt,  wodurch  sich  auch  ihre  Vorliebe  zur  Sym- 
bolik, zu  Bildern,  zu  Vergleichen  erklart,  und  woher  auch  in  den 
Liedern  der  Klein-Russen  und  in  andern  Denkmälern  der  volles- 
thümlichen  Schöpfungen  die  Natur  geistig  belebt  erscheint  und 
unter  dem  Symbol  der  verschiedenartigsten  Erscheinungen  des 
menschlichen  Lebens  sich  darstellt.  Das  hat  eine  ganze  Welt  von 
Geistern  geschaffen,  unter  denen  es  höchst  «poetisch  gedachte 
gibt. 

Die  Empfindsamkeit  der  Klein  Russen  ist  sogar  Gegenstand  des 
Spottes  geworden.  Es  ist  leicht,  die  Klein-Russen  und  insbesondere 
die  Frauen  zu  Thränen  zu  bringen.  Eine  tragische  Geschichte,  ein 
klagendes  Lied  rufen  immer  manch*  tiefen  Seufzer  und  so  manche 
Thräne  des  Mitgefühls  für  den  Leidenden  hervor.  Klima  und  Natur 
haben  den  Klein-Russen  zum  Gefühlsleben  disponirt  und  dieses 
äussert  sich  in  allen  Lebenserscheinungen .  £fer  Liebe  Lust  und  Leid 
zwischen  den  Jungen,    FamMienanhänglichkett  -  zwischen  den  Ehe- 


36? 

gatten,  Liebe  zu  den  Kindern  —  in  allem  diesem  äussert  sich  das 
Gefühlsleben  der  Klein-Russen.  Geht  man  im  Sommer  an  Feier- 
tagen durch  ein  Dorf»  so  sieht  man  wohl  nicht  wenige  schnurr- 
bärtige KIein»Russen,  deren  finstere  Miene  sich  erhellte:  man  sieht 
auf  Schritt  und  Tritt  die  bärtigen  Männer  ihre  Kleinen  tragen  und 
liebkosen. 

Das  tiefe  Gefühl  und  das  Vorstellungsvermögen  haben  jene  so 
weithin  zur  Berühmtheit  gelangte  reiche  Poesie  und  Musik  der 
Klein-Russen  geschaffen.  Ja,  das  klein-russische  Volkslied  ist  schön, 
wie  nach  seinem  Inhalt,  so  auch  in  der  Melodie. 

Die  klein-russischen  Ansiedelungen  sind  mit  Gärten  bedeckt,  fast 
jedes  Haus  ist  von  einigen  Bäumen  umgeben.  Die  Fruchtgärten  sind 
mit  Weiden  umpflanzt,  und  im  Gemüsegarten  findet  man  jedenfalls 
auch  Blumen.  Die  Mädchen  schmücken  im  Sommer  den  Kopf  mit 
Blumen ;  trockene  Blumen,  zum  Theil  auch  künstliche  aus  farbigem 
Papier,  zieren  gewöhnlich  auch  die  Heiligenbilder. 

Bekanntlich  sind  die  Klein-Russen  sehr  religiös  und  gottes- 
fürchtig.  Ihr  Lyrismus  in  der  Religion  hat  sie  ziemlich  gleichgiltig 
in  Hinsicht  der  Dogmatik  gemacht.  Fremd  ist  ihnen  jeglicher 
dogmatische  Hader,  der  Raskol  (Sektirerei)  fand  daher  auch  keine 
Stätte  bei  ihnen.  Die  gross-russischen  Raskolniki  konnten,  trotzdem 
sie  von  Altersher  inmitten  der  Klein-Russen  leben,  dennoch  keine 
Proselyten  unter  denselben  finden.  Fand  aber  das  Sektenwesen  je 
unter  ihnen  Eingang,  so  war  es  nur  in  sehr  geringem  Maasse  und 
mehr  in  der  Form  des  Rationalismus  einiger  protestantischen 
Sekten. 

Aber  gerade  diese  Eigenthümlichkeiten  des  Klein-Russen,  seine 
Geneigtheit  zu  geistigem  Spekuliren  und  seine  Empfindsamkeit 
haben  andererseits  in  ihm  einen  Skepticismus  entwickelt,  der  ihn 
unentschlossen  macht  und  seine  Energie  lähmt  und  sie  haben  dann 
eine  Ü-übe,  sentimentale  Stimmung  in  ihm  erregt,  in  Folge  deren  er 
oft  zum  Becher  greift,  um  sein  Leid  in  demselben  zu  ertränken.  Das 
Alles  zusammengenommen  erzeugt  dann  eine  Apathie  gegen 
die  Erscheinungen  des  Lebens,  welcher  auch  die  gebildeten 
Klein-Russen  nicht  fremd  sind.  . 

Daneben  ist  aber  dem  Klein-Russen  wiederum  eine  gewisse 
Willenskraft  nicht  abzusprechen.  Ihm  als  Skeptiker  fällt  die 
Fassung  eines  Entschlusses  schwer  ;  hat  er  aber  einmal  einen  Ent- 
schluss  gefasst,  so  wird  er  nicht  leicht  von  seinem  Vorhaben  ab* 
lassen.     Das  hat  auch  den  Anlass  gegeben,  ihn  für  eigensinnig  zu 


i6S 

halten.  Er  stimmt  nicht  leicht  einer  fremden  Meinung  bei  und  hält 
beharrlich  an  seinem  «Jiyqqe  CBoe  jiäTaH9,  uixi»  nyxc«  xaTane»* 
fest.  Dank  diesem  Starrsinn  hat  der  KleinRusse  seine  Religion, 
seine  Nationalität,  seine  Sprache  beibehalten.  Doch  diese  Neigung 
des  Klein-Russen,  fest  bei  dem  iSeinigen  zu  beharren,  hartnäckig 
seinen  gefassten  Entschluss  zu  verfolgen  —  führt  im  öffentlichen 
Leben  natürlich  oft  zum  Zwiespalt,  zu  Streitigkeit,  zum  Mangel  an 
Einheit  im  Handeln.  Seine  Prozesssucht,  wie  sie  im  rStrctt  des  Iwan 
Iwanowitsch  mit  Iwan  Nikiforowitsch»  dargestellt  ist,  ist  ein  un- 
widerlegliches Faktum. 

Der  Klein-Russe  schätzt  seine  eigene  Persönlichkeit  hoch;  die 
Vorstellung  von  derselben  hat  sich  in  früherer  wie  in  späterer  Zeit 
stark  ausgebildet.  Seine  Liebe  zur  Freiheit,  die  im  Kosaken- 
thum,  jenem  demokratischen  Ritterthum,  ihren  Ausdruck  findet, 
hat  seine  Erklärung  in  dem  hohen  Werthe,  den  er  seiner  Persönlich- 
keit beilegt.  Aber  andererseits  hat  dieser  Umstand  den  Klein- 
Russen  auch  der  Fähigkeit  der  Association  beraubt.  Es  ist  wahr, 
die  Kosaken  standen  im  Kampfe  zusammen,  traten  ein  für  ihre  per- 
sönliche Freiheit,  ihre  Familie,  ihr  Eigenthum,  ihre  Religion;  doch 
nie  vermochten  sie  sich  dauernd  zu  organisiren  und  waren  darum 
nie  selbstständig.  In  alten  Zeiten,  vor  Askold  und  Dir,  zerfielen  ihre 
Vorfahren  in  Geschlechter,  und  ein  Geschlecht  erhob  sich  wider  das 
andere;  als  dann  die  2^it  der  Volksversammlungen  kam,  stritt 
Gebiet  wider  Gebiet;  in  der  Folge,  als  sie  die  Verheerun^n  der 
Tataren  erdulden  mussten  und  in  beständiger  Furcht  vor  den  Un- 
gläubigen schwebten,  wurden  dieKlein-Russen  solidarischer  untersteh. 
Der  Druck  Polens  und  sein  Bestreben,  die  Klein*Russen  zu  unterjochen, 
sein  Angriff*  auf  ihre  Nationalität  und  ihren  Glauben  erweckten  den 
Gemeinsinn  in  den  Klein-Russen.  Aber  das  war  lediglich  die  Folge 
des  äusseren  Druckes  und  war  durch  die  Nothwendigkeit  gemein- 
samer Abwehr  hervorgerufen.  Indessen  hörten  auch  damals  die  per- 
sönlichen Interessen  nicht  auf,  grell  zu  Tage  zu  treten.  Die  immatri* 
kulirten  Kosaken  waren  bereit,  auf  Grund  der  ihnen  verheisscnen 
Adelsrechte  ihre  Nationalität  zu  opfern ;  das  Kosaken-Oberhaupt, 
durch  die  Wahl  des  Volkes  emporgehoben,  stand  nicht  an,  die  ein- 
fachen Kosaken  zu  Leibeignen  zu  machen,  was  auch  in  der  Folge 
geschah.  Der  Kosakenälteste  des  linken  Dnjcprufers  verhielt  sich  an- 
fangs feindselig  zum  demokratischen  Moskau;  doch  als  er  des,   von 


'  Besser  ein  eigener  Lappen,  als  ein  fremdes  Haus. 


369 

Peter  III.  verliehenen  Privilegiums,  welches  die  persönlichen  Rechte 
des  Adels  erhöhte  und  die  Rechte  der  Leibeigenschaft  sanktionirte» 
theilhaftig  wurde,  wurde  er  vollständig  russisch.  Aber  es  blieb  doch 
wie  vordem;  die  klein-russische  Intelligenz,  vornehmlich  durch  die 
Adeligen  repräscntirt,  ist  auch  noch  bis  heutzutage  vom  Geiste  des 
Individualismus  und  vom  Mangel  an  Interesse  für  Angelegenheiten 
des  Gemeinwesens  durchdrungen.  In  jedem  Kreise  gibt  es  eine  be- 
trächtliche 2^1  Adeliger,  die  eine  ordentliche  Bildung  genossen 
haben,  aber  sie  ziehen  sich  von  der  öffentlichen  Thätigkeit  zurück, 
sind  indifferent  gegen  dieselbe.  Sie  kritisiren  wohl,  aber  lieben  es 
nicht,  mitzuwirken;  daher  ist  das  Landschaftswesen  der  klein-russi- 
schen Gouvernements  bei  weitem  nicht  auf  einer  solchen  Stufe,  wie 
es  der  Fall  sein  könnte,  wenn  die  klein-russische  Intelligenz  sich  we- 
niger apathisch  zu  den  gemeinsamen  Interessen  verhielte,  wenn  das 
Gemeinwesen  über  die  Individualität  gestellt  würde.  Zwist  über- 
haupt, Parteigeist  sind  eine  charakteristische  Eigenschaft  des  Klein- 
Russen;  auch  Mazeppa  sprach  das  schon  aus: 

Sie  ziehen  nicht  an  einem  Joch : 

Der  nach  rechts,  ein  anderer  nach  links, 

Und  doch  sind  sie  Brttder  —  wie  wunderbar! 

Die  Idee  von  der  eigenen  Persönlichkeit  erzeugte  eine  aristokra- 
tische Richtung,  daher  die  höheren  Klassen  West-Russlands  sich 
polonisi'ren  liessen,  die  polnische  Civilisation,  als  die  für  sie  spezi- 
fisch aristokratische,  annahmen.  Die  höchste  Klasse  wurde  polnisch 
in  Folge  des  stark  entwickelten  Individualitätsbewusstseins.  Polen 
x^war  der  klassische  Boden  der  Adelsfreiheit,  die  polnische  Civilisa- 
tion war  eine  aristokratische  und  zwar  eine  so  aristokratische,  wie 
sie  es  nur  sein  konnte  in  einem  Lande,  wo  der  Adelsstolz  das  Prin- 
zip der  Adelsfreiheit  in's  Absolute,  bis  zum  «liberum  veto»  steigerte. 
Bemerkenswerth  ist  es,  dass  das  Kosakenoberhaupt,  ohne  polonisirt 
zu  sein,  mit  der  polnischen  Republik  sympathisirte,  so  in  den  Zeiten 
Wygowskij's  und  Mazeppa's.  Das  Volk  selbst  aber  und  seine  Führer 
wandten  sich  weg  von  dieser  oligarcbischen  Republik,  wo  das  Volk 
deih  Adel,  das  Allgemeine  dem  Persönlichen  zum  Opfer  gebracht 
worden  war.  Die  Volksführer,  unter  ihnen  Bogdon  Chmelnizkij, 
begriffen,  dass  die  Schwerkraft  des  Volkes  zum  stamm-  und  glau- 
bensverwandten Russland  und  zudem  auch  desshalb  hinneige,  weil 
dort  keine  Stätte  für  die  Oligarchie  war;  dort  florirte  nicht  die  Adels- 
reiheit  zum  Nachtheil  des  Volks,   dort  herrschte  anstatt  der  macht- 

BÜ8S.  BBYUB.  BD.  Zm«  24 


370 

losen  Königsgewalt,  welche  die  Schwachen  und  Bedrückten  nicht 
zu  schützen  vermochte,  die  kraftvolle  Zarenmacht,  vor  welcher  alle 
gleich  waren.  Und  unter  diese  machtvolle  Zarenhand  beugte  sich 
das  klein-russische  Volk.  Die  höchste  Klasse,  wie  gesagt,  wurde 
polnisch,  und  glaubt  noch  bis  zum  heutigen  Tage  an  ihren  Polonis- 
mus. 

Im  jetzigen  Volksleben  geht  die  Idee  des  persönlichen  Werthes 
durch  alle  Erscheinungen  des  Lebens.  Die  Zerstückelung  der  Fa- 
milien und  das  Streben  eines  jeden  Sohnes,  nach  seiner  Verheira- 
thung  vom  Vater  sich  zu  trennen,  seine  Unlust  zu  wirthschaftlichen 
Associationen  —  mit  einem  Wort,  die,  bis  in  die  äusserste  Konsequenz 
entwickelte  Persönlichkeits-Idee  schädigt  den  ökonomischen  Fort- 
schritt: sie  zersplittert  die  persönlichen  und  materiellen  Kräfte;  da- 
her befinden  sich  die  Klein-Russen  in  einer  solchen  Abhängigkeit 
von  den  Juden  und  sind  selbst  so  wenig  in  ökonomischer  Hinsicht 
entwickelt. 

Der  bei  den  Klein-Russen  ausgebildete  Persönlichkeits  Begriff  hat 
dazu  geführt,  dass  die  Stellung  der  Frauen  bei  ihnen  eine  bessere 
ist,  als  in  Gross-Hussland.  Hier  kennt  auch  die  Frau  ihre  persön- 
liche Würde,  und  auch  hierzu  hat  der  Lyrismus  der  Klein-Russen 
beigetragen.  In  der  Jugend  machen  sie  den  Frauen  den  Hof,  be- 
singen sie  in  ihren  Liedern  und  heirathen  aus  Neigung.  Das  mildert 
die  untergeordnete  Stellung  des  Weibes.  Wir  werden  darüber  ein- 
gehender sprechen,  wenn  wir  von  der  F'amilie  reden.  Dieselbe 
Persönlichkcits-Idee  hat  in  der  Sphäre  des  Besitzthums  zu  Ehizel- 
wirthschaften,  nicht  zum  Gemeindebesitz  geführt. 

Gehen  wir  nun  zu  den  sittlichen  Eigenschaften  der  Klein-Russen 
über,  so  können  wir  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  man  ihm  Ver- 
schlossenheit und  Listigkeit  zuschreibt.  Gestehen  wir  aber  auch 
ein,  durch  die  historische  Vergangenheit  und  durch  die  beständigen 
Bedrückungen  hervorgerufenes  gewisses  Misstrauen  der  Klein-Rus- 
sen  zu,  so  können  wir  sie  doch  nicht  der  listigen  Verschlagenheit 
bezichtigen;  eher  könnte  man  ihnen  Offenherzigkeit  zuschreiben. 
Zeigen  sie  auch  dem  «Pan«  gegenüber  kein  Vertrauen,  —  was  über- 
haupt da  der  Fall  ist,  wo  sie  eine  List  gegen  sich  voraussetzen,  — 
so  sind  sie  dagegen  in  ihren  Beziehungen  unter  einander  treuherzig, 
aufrichtig  und  gutmüthig-naiv. 

Wir  haben  auf  das  Gefühlsleben  und  einige  Manifestationen  des- 
selben bei  den  Klein-Russen  hingewiesen.  Diese  Eigenschaft  führt 
u.  A.  zu  einer  lyrischen  Anhänglichkeit  an  die  Heimath,  an  den  Ort 


37» 

■ 

des  Wohnsitzes.  Daher  leidet  der  aus  seiner  Heimath  heraus- 
gerissene Klein-Russe  stets  an  Heimweh;  Belege  dafür  haben  wir  in 
einer  Menge  von  Liedern.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  der  gewöhn- 
liche Klein-Russe  die  Heimath  fast  stets  im  engeren  Sinne  begreift: 
er  versteht  darunter  sein  Dorf,  wo  seine  Verwandten  und  Freunde 
leben,  wo  seine  Liebste  weilt.  Daher  ist  es  ihm  auch  so  schwer,  sich 
selbst  nur  auf  eine  geringe  Entfernung  von  seiner  Heimath  zu  tren- 
nen. Die  dortige  Natur  bietet  ihm  genug,  um  auch  zu  Hause  satt  zu 
werden;  es  ist  für  ihn  desshalb  nicht  nöthig,  in  fremden  Gegenden 
seinen  Unterhalt  zu  suchen. 

Das  Festkleben  an  der  Scholle  und  seine  ausschliessliche  Beschäf- 
tigung mit  dem  Ackerbau  bedingten  eine  Einfachheit  seiner  Ge- 
wohnheiten, eine  Eingeschränktheit  seiner  Bedürfnisse,  eine  Genüg- 
samkeit mit  Wenigem,  was  seinerseits  wiederum  in  seiner  sittlichen 
und  ökonomischen  Lebensordnung  zum  Ausdruck  kommt.  Hieraus 
entspringt  das  Fehlen  jeglichen  Unternehmungssinnes  und  der  Rou- 
tine in  seiner  Wirthschaft.  Der  Klein-Russe  führt  seine  Wirthschaft 
gerade  so,  wie  es  vor  Jahrhunderten  geschah.  Zur  Gewerbs-  und 
Handelsthätigkeit  hat  er  keine  Neigung;  er  beschäftigt  sich  bloss 
mit  den,  für^s  bäuerliche  Leben  unumgänglichen  Gewerben  und 
auch  dabei  sind  seine  Handgriffe  höchst  primitiv  und  roh.  Das 
von  ihm  Angefertigte  zeichnet  sich  nicht  durch  Eigenartigkeit  und 
Geschmack  aus.  Nur  das  Joch  («jipMo»)  des  Salzführers  («HyMain>»)^ 
dieses  einzigen  Repräsentanten  des  kommerzionellen  Unterneh- 
mungsgeistes der  Klein-Russen,  ist  mit  Mustern  verziert.  Wenn  sein 
Geschmack,  sein  ästhetisches  Gefühl  sich  irgendwo  äussert,  so  ist  es 
in  der  Kleidung.  Besonders  hübsch  sind  die  Stickereien  und  Aus- 
schnitte auf  den  Hemden,  welche  dem  Geschmack  der  klein- russi- 
schen Frauen  alle  Ehre  machen. 

Des  Sinnes  für  Handelsunternehmungen  entbehrt  der  Klein-Russe 
durchaus.  Dafür  sind  Raschheit  des  Handelns,  Beweglichkeit,  Kom- 
bination und  schnelles  Benützen  der  Umstände  nothwendige  Bedin- 
gungen ;  aber  alle  diese  Eigenschaften  gehen  dem  Klein  Russen  ab. 

Schwer  stellt  er  sich  auf  denjenigen  Standpunkt,  von  welchem 
aus  er  die  Constellation  der  Umstände  benützen  könnte.  Ihm  ist  der 
Handel  nicht  sympathisch,  da  derselbe  mit  Uebervortheilung  ver- 
knüpft ist.  Ja  er  übersteigt  seine  Kräfte,  da  ihm  die  Suade  abgeht. 
Man  braucht  den  Klein-Russen  nur  auf  einem  Jahrmarkte  zu  sehen: 
er  ruft  keine  Käufer  an  und  sogar  wenn  man  ihn  fragt,  womit  er 
handele,  gibt  er  gleichsam  nur  widerwillig  Auskunft.     Wenn  er  den 

34* 


37^ 

Preis  seiner  Waare  genannt  und  man  ihm  weniger  gibt,  antwortet  er 
phlegmatisch:  «auch  das  ist  ein  Groschen».  Auch  hierin^  wie  in  Vie- 
lem, steht  die  Frau,  in  Folge  ihrer  Beweglichkeit,  höher.  Die  klein- 
russischen Händlerinnen  sind  flink,  klug,  berechnend  und  überhaupt 
recht  unternehmend. 

Bei  denjenigen  Kosaken  des  Poltawa^schen  und  Tschernigöw'- 
schen  Gouvernements,  welche  Läden  besitzen,  führen  gewöhnlich 
die  Frauen  das  Geschäft.  Sogar  in  den  Städten  des  süd-weßtlichen 
Gebiets  ist  die  Kleinbürgerin  sehr  oft  Geschäftsfrau.  In  früherer 
Zeit  lag  der  ganze  Branntweinhandel,  ehe  er  ausschliesslich  in  die 
Hände  der  Juden  überging,  in  den  Händen  der  Frauen,  und  die 
«Schenkwirthin*  wird  oft  in  den  klein-russischen  Liedern  gefeiert. 

Die  Ausbildung  der  oben  erwähnten  Idee  des  persönlichen  Wer- 
thes  bewirkt  auch  in  der  Familie  ein  Streben  der  einzelnen  Glieder 
nach  ökonomischer  Selbstständigkeit ;  das  lockert  später  die  ver- 
wandtschaftlichen Bande,  so  fest  dieselben  auch  bis  zur  Erreichung 
der  Volljährigkeit  sind.  Die  elterliche  Macht  hat  dann,  wenn  sie 
auch  noch  geehrt  wird,  keine  besondere  Autorität  für  die  eine  Ehe 
eingehenden  Kinder,  ob  es  nun  die  Söhne  sind,  welche  einen  eige- 
nen Herd  gründen,  oder  die  Töchter,  welche  ihrem  Manne  in  die 
Ehe  folgen.  Der  Sohn  knüpft  in  einem  solchen  Falle  ökonomische 
Beziehungen  weit  öfter  mit  Andern  an,  als  mit  seinen  Verwandten. 
Dieses  erzeugt  ein,  bei  den  Klein-Russen  stark  entwickeltes  Nach- 
barschafts- und  Freundschaftsverhältniss,  welches  oft  stärker  ist,  als 
die  verwandtschaftlichen  Bande.  Diese  geringe  Autorität  der  elter- 
lichen Macht  hat  zur  Folge,  dass  die  erwachsenen  Töchter  eine  ge- 
wisse Selbstständigkeit  geniessen,  die  ein,  auch  in^s  Gewicht  fallen- 
des Moment  bei  ihrer  Verheirathung  bildet  j  xlenn  obwohl  zu  deren 
Eintritt  in  die  Ehe  auch  die  Einwilligung  der  Eltern  nöthig  ist,  so 
zwingen  doch  andererseits  diese  nur  selten  ihre  Tochter  zu  einer 
Heirath  mit  einem  ungeliebten  Manne. 

Das  Familienleben  ist  durchweg  ein  sittliches;  sehr  selten  er- 
scheinen die  Männer  in  der  Ehe  treulos,  und  die  Fälle  sind  verein- 
zelt, wo  ein  Mädchen  vor  der  Ehe  seine  Ehre  verliert. 

Der  Klein-Russe  achtet  seine  Frau  in  weit  höherem  Grade,  als  der 
Gross-Russe,  sie  ist  ihm  viel  mehr  Gefährtin,  Freundin,  als  es,  be 
letzterem  der  Fall  ist,  sie  schaltet  im  Hause  nach  eigenem  Er- 
messen, sie  fährt  mit  dem  Manne  zusammen  auf  den  Markt,  um  die 
Produkte  der  Land-  und  Hauswirthschaft  zu  verkaufen. 

Die  ziemlich  berechtigte  Stellung,   welche  die  Frau  neben  dem 


373 

Manne  einnimmt,  legt  ihr  auch  eine  Fülle  von  Arbeit  auf.  Sie  be- 
sorgt das  ganze  Hauswesen,  füttert  das  Vieh,  trägt  Wasser  und 
Holz,  heizt  die  Stube,  melkt  Kühe  und  Schafe,  sie  beaufsichtigt  und 
pflegt  die  Kinder,  sie  besorgt  den  Gemüsegarten,  sie  bereitet  den 
Hanf  und  den  Flachs  für's  Spinnen  vor  —  kurz  sie  thut  Alles,  sie  ar- 
beitet ohne  alle  Frage  doppelt  soviel  als  der  Mann,  aber  sie  klagt 
nicht  darüber,  ihre  Stellung  bereitet  ihr  Freude,  sie  ist  die  Herrin 
des  Hauses,  sie  erfährt  keinen  Tadel,  keine  Vorwürfe  und  Krän- 
kungen von  der  Schwiegermutter  ^ 

Die  klein-russische  Frau  steht  unbestritten  in  jeder  Hinsicht  höher, 
als  der  Mann.  Unter  den  schwierigsten  Verhältnissen  "des  kommu- 
nalen Lebens  ist  sie  wiederholt  als  aktives  Glied  der  Gesellschaft 
aufgetreten.  So  erschien  einmal  in  einer  Ansiedlung  die  Behörde 
mit  Landmessern  behufs  Abtheilung  der  Ländereien,  und  keiner 
aus  dem  Volke  hatte  Lust  sich  mit  den  Werkzeugen  auf  den  Fel- 
dern einzustellen;  als  man  ihnen  drohte,  wollten  einige  Männer 
nachgeben;  da  traten  die  Frauen  dazwischen,  nahmen  ihnen  die 
Werkzeuge  weg  und  trieben  die  Eingeschüchterten  fort.  Es  gab 
Fälle,  wo  an  Bauern  Exekutionen  vollzogen  werden  sollten;  die 
Weiber  stellten  sich  vor  ihre  Männer,  und  dem  Militärchef  blieb 
nichts  anderes  übrig,  als  einen  Theil  seiner  Mannschaften  dazu 
zu  verwenden,  die  PVauen  von  ihrer  Einmischung  zurückzuhalten. 
Wir  selbst  haben  es  nicht  nur  ein  Mal  gesehen,  wie  vor  dem  Ge- 
meinde- und  sogar  Friedens-Gericht  die  Frau  mit  ihrem  Manne  er- 
schien, um  ihn  zu  vertheidigen  oder  für  ihn  Fürsprache  einzulegen. 

Die  Genügsamkeit  in  den  Bedürfnissen  und  der  Mangel  an  Unter- 
nehmungsgeist führen  dazu,  dass  selbst  die  reichen  Kosaken  und 
Bauern  in  der  Einrichtung  ihrer  Wohnung,  in  ihrer  Nahrung  und  in 
ihrer  Lebensweise  überhaupt  sich  wenig  von  den  minder  Be- 
mittelten unterscheiden.  Sie  bringen  ihr  Geld  nicht  in  Umsatz,  son- 
dern verwahren  es  in  Kisten  oder  vergraben  es  in  der  Erde.  Der 
Reiche  hilft  dem  Armen  mit  Darlehen  gegen  Verpfändung  eines 
Stückes  Landes,  «bi>  aacTaoy»,  welches  dann  der  Kreditor  benutzt. 
Da  das  Land  um  einen  Spottpreis  verpfändet  wird,  so  erhält  der 
Gläubiger  durch  den  Ertrag  des  verpfändeten  Landstückes  oft  recht 
bedeutende  Zinsen.  Wenn  der  reiche  Mann  aus  dem  Volke  sein 
Kapital  überhaupt  realisirt,  so  geschieht  es  allenthalben  zur  Erwer- 
bung von  Grundbesitz,  zur  Vcrgrösserung  seines  Besitzthums. 

•  Vgl.  ül^cr  diese  den  Gegensatz  bei   den   Gross-Rassen.     «Kuss.  Revue»   Bd.  X, 
S.  289  u.  ff.  und  Bd.  XI,  S.  231  a.  ff. 


374 

Der  Klein-Russe  ist  im  Allgemeinen  stolz  und  egoistisch;  Belei- 
digungen erträgt  er  nicht  leicht  und  ist  rachsüchtig,  wenn  ihm  eine 
schwere  Beleidigung  widerfahren  ist.  Spott  berührt  ihn  nicht,  denn 
er  ist  selbst  ein  Humorist,  und  versteht  es  selbst  zu  witzeln.  Aber 
Entehrung  bringt  ihn  auf  und  erbittert  ihn.  Ungestraft  lässt  er  sich 
nicht  entehren  und  um  seinen  guten  Ruf  bringen.  Er  hält  sogar 
das  für  eine  Beleidigung,  wenn  ein  junges  Mädchen,  welches  ihm 
ihr  Wort  zur  Eheschliessung  gegeben,  ihm  absagt.  Vornehmlich 
rächt  sich  der  Klein-Russe  für  die  Beleidigung  seines  Weibes  und 
überhaupt  einer  geliebten  Person;  hieraus  blickt  sogar  eine  gewisse 
Ritterlichkeit  hervor. 

Dieser  persönliche  Zartsinn  und  die  Verabscheuung  alles  Cyni- 
schen  äussert  sich  auch  in  den  Schmähworten  der  Klein-Russen, 
die  sich  nicht  durch  einen  solchen  Cynismus  auszeichnen,  wie  die 
der  Gross^Russen.  Ihre  Schmähungen  bestehen  in  Verfluchungen ; 
sie  wünschen  dem  betreffenden  Menschen  oder  ihm  nahestehenden 
Personen,  namentlich  seinem  Vater,  das  Widerfahren  irgend  eines 
bösen  Unglücks.  In  ihrem  gegenseitigen  Verkehr  sind  die  Klein- 
Russen  rücksichtsvoll;  das  «Sie»  ist  bei  ihnen  ganz  gebräuchlich;  einen 
verheiratheten  Mann  nennen  sie  «Onkelchen»  (AflAbKOin»»),  eine  ver- 
heirathete  Frau  «Tantchen»  («TixKoio»),  alte  Leute  «Grossvater« 
und  «Grossmutter»  («AiAOM'b«  b  «6a6oK)»). 

Dabei  ist  der  Klein-Russe  sehr  gefällig,  er  plaudert  gern,  und 
auf  Schritt  und  Tritt  begegnet  uns  sein  Humor.  Er  ist  ein  grosser 
/  Freund  des  Gesanges  und  die  Schalmei  ist  in  Vieler  Händen.  Fast 
in  jedem  Dorfe  gibt  es  mehrere  Musikanten.  Geige  und  Schellen- 
trommel sind  die  verbreitetsten  Instrumente,  doch  kommen  auch 
Cymbeln  vor.  Die  Bettler  spielen  die  Leier;  dieses  sind  die  «Pan- 
dorenspieler»  des  Dorflebens,  wie  auch  das  Kosakenthum  seine  «Kob- 
saren»  und  «Banduristen»  hatte.  Die  Leiermänner  kennen  aber 
nur  noch  wenige  der  Kosaken-Balladen,  die  sie  durch  Tradition  von 
den  Kobsaren  überkommen  haben.  Sie  singen  geistliche  oder  saty- 
rische Lieder.  Die  historische  Tradition  und  die  historischen  Lie- 
der sind  aber  im  Aussterben.  Die  Schrecken  der  Leibeigenschaft 
haben  die  frühere  Geschichte  unterdrückt  und  in  Vergessenheit  ge- 
bracht 

Befähigt  für  Musik  und  Poesie,  wie  es  die  Klein-Russen  im  hohen 
Grade  sind,  haben  sie  aber  fast  keine  Begabung  für  plastische 
Künste ;  in  der  Architektur  sind  sie  nicht  erfinderisch,  Skulptur  exi- 
stirt  bei  ihnen  fast  gar  nicht;  sie  verfertigen  nur  thönerne  Pferd- 


375 

chen  für  ihre  Kinder,  die  zum  Blasen  bestimmt  sind.  Die  Malerei 
stand  früher  bei  den  Klein-Russen  in  Ansehen,  und  es  gab  unter 
ihnen  Viele,  welche  sich  damit  beschäftigten ;  obwohl  es  jetzt  noch 
manche  Maler  gibt,  spielt  diese  Kunst  doch  heute  bei  ihnen  keine 
Rolle  mehr.  Ihre  Bedürfnisse  sind  auch  hierin  sehr  geringe. 

Die  Mildthätigkeit,  wie  überhaupt  die  Sympathie  für  Unglückliche^ 
ist  bei  den  Klein-Russen  recht  stark  entwickelt,  daher  denn  das  Loos 
der  Wittwen  und  Waisen  ein  nicht  ganz  trauriges  ist.  Solchen  mit 
der  That  zu  helfen,  ist,  wie  der  Klein-Russe  sagt,  die  Schuldigkeit 
eines  guten  Menschen. 


Ziehen  wir  nach  dieser  kurzen  Charakteristik  einen  Vergleich 
zwischen  dem  Klein-Russen  und  dem  Gross-Russen,  so  ergibt  sich, 
dass  ersterer  Jen  letzteren  in  geistiger,  letzterer  den  ersteren  in 
praktischer  Beziehung  überragt.  Bei  den  Gross-Russen  ist  der  Be- 
griff der  Gemeinschaft,  des  Genossenschaftswesens,  bei  den  Klein- 
Russen  der  der  Individualität  stärker  entwickelt.  Daher,  ergänzen 
auch  diese  beiden  russischen  Nationalitäten  einander.  Das  •  Band 
zwischen  ihnen  ist  kein  formelles,  sondern  ein  materielles.  Einige 
unserer  Publizisten  lassen  nicht  gern  einen  Unterschied  zwischen  dem 
klein-russischen  und  gross  russischen  Kultur-Typus  gelten  und  verhal- 
ten sich  feindlich  zu  jedem  Hinweise  auf  diesen  Unterschied,  da  sie 
glauben,  dass  es  der  Einheit  schade.  Aber  sie  haben  Unrecht.  Diese 
beiden  russischen  Nationalitäten  haben  dennoch  mehr  Gemeinsames 
als  Verschiedenes;  beide  sind  russische,  beide  sind  rechtgläubige 
Nationen;  beide  haben  den  einen  «Weissen  Zar*,  welchen  sie  in 
gleicher  Weise  lieben ;  beide  haben  für  die  Grösse  Russlands,  die 
es  jetzt  erreicht  hat,  gekämpft ;  beide  haben  für  russische  Wissen- 
schaft und  Literatur  gearbeitet.  Die  Unterschiede  —  es  sind  jene 
obigen  —  sind  aber  nicht  nur  nicht  schädlich,  sondern  vielmehr 
nützlich;  sie  festigen  das  Band  und  machen  den  Klein-Russen  und 
den  Gross  Russen  einander  unentbehrlich.  Die  Unterschiede  aus- 
zugleichen, welche  durch  die  Bedingungen  der  Natur  und  die  ganze 
frühere  Geschichte  hervorgerufen  sind,  ist  unmöglich  und  unnöthig. 
Der  Klein-Russe  war  ein  Russe  und  ist  ein  Russe.  Nennt  er  sich 
so  auch  nicht  dort,  wo  er  mit  einem  Gross-Russen  zusammentrifft, 
so  weiss  er  es  doch  bestimmt  dort,  wo  er  mit  einem  Polen,  Moldauer 
und  Ungarn  zusammentrifft. 


376 

Zum  Schlüsse  seien  uns  noch  einige  Worte  über  die  herrschende 
Bevölkerung  des  klein-russischen  Gebiets  gestattet. 

Dieselbe  kann  in  drei  Typen  getheilt  werden:  den  podolisch-gali- 
zischen,  den  poleschtschukischen  und  den  ukrainischen.  Die  Polesch* 
tschuken  bewohnen  das  «Polessje»  des  Kijew'schen  und  Wolhyni- 
schen  Grouvernements  —  die  Gegend  der  Wälder  und  Sümpfe  — 
und  das  Podljassje,  d.  h.  einen  Theil  des  Gouvernements  Sjedlez 
und  Grodno.  Zu  dem  podolisch-galizischen  Typus  sind  zu  rechnen 
die  Bewohner  des  westlichen  Wolhyniens  und  Galiziens ;  sie  bewoh- 
nen in  Russland  die  Kreise  Kamenezk,  Uschizk,  Prokurowsk,  Theile 
der  Kreise  Starokonstantinowsk,  Kremenezk,  Dubensk,  Wladimir- 
Wolynsk  und  Cholmskaja  Russj.  Zum  ukrainischen  Typus  ge- 
hören die  Bewohner  des  übrigen  grösseren  Theils  des  Kijew'schen 
des  mittleren  Theils  des  Wolhynischen  und  des  süd  östlichen  Theils 
des  Podolischen  Gouvernements. 

Diese  Typen  unterscheiden  sich  sowohl  durch  physische  Eigen- 
schaften als  auch  durch  Sprache  und  Lebensweise.  Die  Ukrainer 
sind  hohen,  die  Podolier  mittleren,  die  Poleschtschuken  verhältniss- 
massig  kleinen  Wuchses.  Die  Ukrainer  sind  vorherrschend  stark 
brünett,  unter  den  Poleschtschuken  gibt  es  verhältnissmässig  mehr 
Blonde.  Die  Hütten  der  letzteren  sind  rauchig,  ungestrichen;  die 
andern  haben  geweisste  Stuben.  Der  Poleschtschuke  pflügt  mit 
dem  Hakenpflug,  die  übrigen  mit  dem  gewöhnlichen  Pfluge.  Ber 
den  Ukrainern  spielen  die  Stiere  eine  grosse  Rolle,  bei  den  Podoliem 
hat  auch  das  Pferd  in  der  Wirthschaft  eine  gewisse  Bedeutung,  bei 
den  Poleschtschuken  ist  dieses  fast  ausschliesslich  in  Gebrauch. 

Die  Farbe  des  Kittels  der  Ukrainer  ist  braun,  der  Podolen  grau, 
der  Poleschtschuken  weiss.  Bei  den  Ukrainern  sind  die  Hemden 
ausgenäht,  die  Kittel  dagegen  ohne  Stickerei;  bei  den  Podoliem 
umgekehrt;  bei  den  Poleschtschuken  sowohl  Hemd  als  Kittel  ohne 
Stickerei.  Bei  den  Poleschtschuken  sind  Tuchmützen  im  Gebrauch, 
bei  den  übrigen  nicht.  Die  Podolier  tragen  das  Hemd  über  den 
Hosen,  die  übrigen  stecken  es  ein.  Die  ukrainischen  Frauen  tra- 
gen Sommer-Corsets  und  Zitzröcke  von  greller  Farbe.  Die  podo- 
lischen Männer  tragen  langes  Haar,  die  verheiratheten  Frauen  be- 
schneiden es.  In  einigen  Gegenden  des  «Polessje»  lassen  die  Frauen 
ihr  etwas  beschnittenes  Haar  auf  die  Schläfen  herabhängen.  Die 
Poleschtschuken  sind  abergläubisch  und  stehen  in  ihrer  geistigen 
Entwickelnng  niedriger  als  die  Ukrainer  und  Podolier. 

Nach  der  Sprache  unterscheiden  sich  die  drei  Typen  scharf  von 


377 

einander.  Der  podolisch-galizische  Dialekt  zeichnet  sich  von  den 
übrigen  hauptsächh'ch  in  grammatikalischer  Beziehung  aus»  der  po- 
ieschtschukische  von  den  beiden  andern  hauptsächlich  in  der  Phonetik ; 
im  podolischen  werden  Formen  gebraucht,  wie  sie  in  den  andern 
nicht  vorkommen,  wie  z.  B.  «rxOAHBeM-b,  xoAHBecb,  xo^hjerchmo, 
xoAH^Hcre,  6yAy  SHaei»  (anstatt  6yAy  3HaTH),  BiHi>  xo^HT-b  (st.  BiHi> 

XOAHTb),  Bini»  CII  A'&d  (st.  BlH-b  AbSTbCfl)»  pyKOB-b  (st.  pyKOK)),  Mü  (st. 

Mene)  u.  s.  w.  Im  poleschtschukischen  geht  i  in  yu,  yo  etc.  über 
(xyuHb,  KyoHb  St.  xinb);  ü  in  e  (AHBHTbce,  bohu  Hocen»  st.  hocüti») 
u.  s.  w. 

Die  frühere  Geschichte  konnte  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Bevöl- 
kerung bleiben.  Je  weiter  nach  Westen,  um  so  stärker  war  der 
Druck  der  Leibeigenschaft.  Das  Kosakenland  erstreckte  sich  nicht 
über  Slutscha  hinaus,  und  daher  zeichnen  sich  die  Ukrainer  durch 
eine  grössere  Selbstständigkeit  und  grösseres  Scibstbewusstsein, 
die  Podolier  und  Wolhynier  jenseits  Slutscha  durch  ihre  Unterwür- 
figkeit aus;  sie  verbeugen  sich  tief,  küssen  den  Schooss.  Der  klein- 
russische Humor,  welcher  bei  den  Ukrainern  glänzt,  ist  bei  weitem 
nicht  so  gross  bei  den  übrigen  Klein-Russen  des  süd*westlichen  Ge- 
Gebiets. Die  Volkspoesie  hat  sich  mehr  erhalten  und  ist  mannig- 
faltiger bei  den  Ukrainern;  desgleichen  viele  Gebräuche. 

Abgesehen  von  diesen  besonderen  Eigenthümlichkeiten  haben 
die  genannten  drei  klein-russischen  Typen  des  süd-westlichen  Ge- 
biets mit  allen  übrigen  Klein-Russen  gleiche  Weltanschauung,  Ge- 
bräuche, Sitten,  Gewohnheiten,  Denkmäler  der  Volksproduktion,  die 
Grundeigenthümlichkeit  der  Sprache  u.  dg^l.  m.  Was  speziell  die  klein- 
russische Bevölkerung  des  Lublin'schen  und  Sjedlez^schen  Gouver- 
vernements  anbetrifft,  so  war  sie  dem  mächtigen  Einflüsse  Polens 
ausgesetzt.  Sie  als  Griechisch-Unirte  und  Dank  dem  Fanatismus 
der  polonisirten  Geistlichkeit,  neigte  stark  hin  zu  äusserlichen  Re- 
ligionseinrichtungen katholischen  Charakters.  Das  g^ilt  namentlich 
von  der  Bevölkerung  des  «Polessje».  Im  Königreich  Polen  erin- 
nerte bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  der  g^echisch-uniirte  Kultus 
sehr  wenig  an  den  griechischen  Ritus.  Vieles  war  dem  Katholizis- 
mus entlehnt,  polnische  Gebele  wurden  abgesungen  und  Predigten 
in  polnischer  Sprache  gehalten.  Das  konnte  nicht  ohne  Einfluss 
auf  di^  Bevölkerung  bleiben,  die,  obgleich  sie  sich  von  der  polni- 
schen scheidet,  doch  nur  geringe  Beziehungen  zu  den  übrigen  Klein- 
Russen  hat.  Sie  haben  nicht  die  Erinnerung  des  Kampfes  ihrer 
Mitbrüder  mit  den  Polen  bewahrt,  sie  kennen  nicht  die  klein-russi- 


37«  _ 

sehen  historischen  Lieder.  Es  darf  das  nicht  Wunder  nehmen. 
Fast  fünf  Jahrhunderte  befand  sich  die  «CholmskajaRussj»  unter  dem 
Einfluss  des  Königreichs  Polen.  Man  könnte  sich  eher  darüber 
wundern,  dass  die  Ruthenen  unter  solchen  Bedingungen  nicht  total 
ihre  Nationalität  eingebüsst  haben.  Das  ist  übrigens  wohl  der  Fall 
gewesen  bei  fast  der  Hälfte  derselben,  welche  aus  der  Union  zum 
Katholizismus  übertraten  und  darauf  polonisirt  wurden.  Es  sind  das 
insbesondere,  mit  nur  wenigen  Ausnahmen  solcher,  welche  die  klein- 
russische Sprache  bewahrten,  die  Kleinbürger  der  Städte  und 
Flecken.  Das  Landvolk  der  Klein- Russen  vom  Königreich  Polen 
hat  meist  seine  Sprache,  Sitten  und  Gewohnheiten  beibehalten. 


Kleine  Mittheilangen. 


(Des  Hrn.  A.  Majew  zweite  Fahrt  nach  Buchara), 
welche  er  in  diesem  Jahre  unternommen,  dauerte  20  Tage:  vom 
»9.  (21.)  August  bis  zum  29.  August  (10.  September).  Bis  Karschi 
befand  sich  Hr.  M.  unter  der  Zahl  der  Mitglieder  der  zum  Emir  von 
Buchara  vom  General  Gouverneur  von  Turkcstan  abgeschickten  Ge- 
sandtschaft. Aus  Karschi  wandte  er  sich  über  Husar  in  das  Ge- 
birge. Auf  dieser  Fahrt  hat  Hr.  M.  den  geraden,  direkten  Weg, 
welcher  von  Tenga-Charam  zu  dem  grossen  und  wohlhabenden 
Dorf  Kuitar  über  den  Pass  Ak-Basch  und  durch  das  Kertschak- 
Darja-Thal  führt,  erforscht.  Der  letztere,  ziemlich  bedeutende  Fluss 
war  bis  dahin  gänzlich  unbekannt;  eben  so  noch  ein  anderer  Fluss, 
der  Kuitan-Darja.  Darauf  erforschte  Hr.  M.  noch  einen  andern 
Weg:  von  Kuitan  nach  Schir-abad,  über  den  Pass  Tonga-dawal. 
Dieser  Pass  windet  sich  durch  das  ganze  grosse  Kuitan  tau  Gebirge 
(der  südliche  Endpunkt  der  Hissar-Kette)  hindurch,  lieber  ein 
anderes  hohes  Gebirge  führt  der  Pass  ChodschaUlkan. 

Aus  Schiz-abad  begab  sich  Hr.  M.  zum  Ssurchan,  über  welchen 
er  bei  dem  Dorfe  Kakaity  hinüberfuhr  und  setzte  seinen  Weg  dar- 
auf im  Ssurchan-Tliale  bis  zu  Regara  und  Soar-i-dschuja  fort.  Um 
nicht  auf  den  bekannten  Wegen  zurückzukehren,  schlug  Hr.  M.  die 
Richtung  nach  Schachrissjabs  ein,  und  zwar  auf  derhselbcn  Wege, 
den  W.  Oschanin  im  August  dieses  Jahres  befahren.  Dieser 
höchst  schwierige  Weg  führt  aus  Ssar-i-dschuja  durch  die  Dörfer 
Ssengri  dagh,  Bachtscha  und  Tasch-kurgan  nach  Jakobak.  Dieser 
Weg  zieht  sich  grösstentheils  längs  Felsvorsprüngen  dahin,  die  zu- 
weilen kaum    V4  Arschin  breit  sind,  über  dem  rauschenden  und 


379 

schäumenden  Sengri-dagh-Darja  herabhängen.  In  Schaar  ange- 
langt, verabschiedete  sich  Hr.  M.  von  dem  Emir  von  Buchara,  in- 
dem er  seinen  Dank  für  die  ihm  von  den  bucharischen  Autoritäten 
erwiesene  Unterstützung  aussprach,  und  kehrte  am  30.  August  (11. 
September)  nach  Taschkend  zurück. 


(Sse\ver20'w*s  Reise  nach  Pamir.)  Der  bekannte  Reisende 
Dr.  N.  A.  Ssewerzow,  hat  an  den  General-Gouverneur  von  Turke- 
stan  aus  Kara-Kul  vom  2.  (14.)  August  ein  Schreiben  gerichtet,  in 
welchem  er  ausführlich  über  den  Verlauf  der  Expedition  nach  Pamir 
Bericht  abstattet.  Wir  entnehmen  demselben  nach  der  «Turkestaner 
Zeitung»  folgende  Angaben: 

Nachdem  in  Marghelan  die  Vorbereitungen  zur  Expedition  be- 
endigt waren,  begaben  sich  Hr.  Ssewerzow  und  der  Topograph, 
Hr.  Skassy,  in  den  ersten  Tagen  des  Mai  nach  Andidshan.  Hier 
bestimmte  Hr.  Skassy  astronomisch  den  Ausgangspunkt,  während 
Hr.  Ssewerzow  sich  an  die  wissenschaftliche  Klassifizirung  der  zoo- 
logischen Kollektionen  machte,  welche  vom  Dezember  vorigen  Jah- 
res an  durch  den  Präparator,  Hrn.  Skornjakow,  gesammelt  worden 
waren.  Darauf  sandte  Hr.  Ssewerzow  am  15.  (27.)  Mai  Hrn.  Skorn- 
jakow, um  weitere  zoologische  und  botanische  Sammlungen  zu  be- 
schaffen,  über  die  Städte  Namangan  und  Tschust,  den  Ssyr-Darja 
stromabwärts,  bis  nach  Chodschend,  wobei  Hr.  Skornjakow,  den  In- 
struktionen des  Hrn.  Ssewerzow  gemäss,  auch  einen  Ausflug  in  die 
Berge  bei  Tschust  undChodschend  machte  und  auch  beide  Ufer  des 
Ssyr-Darja  durchforschte.  Hr.  Ssewerzow  selbst  schlug  an  demsel- 
ben Tage  mit  Hrn.  Skassy  die  Richtung  nach  N.O.  ein,  und  setzte 
bei  Utsch-Kurgan  über  den  Fluss  Naryn,  das  Gebirge,  welches 
Tschatkal  und  Karassu  von  Usun-Achmat  trennt,  im  Passe  Mart 
überschreitend,  und  schlug  den  Weg  längs  dem  Flusse  Naryn  strom- 
aufwärts ein,  wo  er  an  die  bisher  hoch  auf  keiner  Karte  verzeichneten 
Flüsse  Torkun  und  Toljtik  kam.  Hier  wurde  ein  bis  dahin  unbe- 
kanntes Gebirgsplateau  des  innersten  Thian-Schan-Gebirges,  zwi- 
schen Usun-Achmat,  Ssussamyr  und  Naryn  untersucht,  wobei  Hr. 
Skassy  die  Lücken  in  den  bisherigen  topographischen  Aufnahmen 
ausgefüllt,  während  Hr.  Ssewerzow  ausser  den  geologischen 
Kollektionen  noch  höchst  interessante  Daten  für  die  Geologie, 
Urographie  und  überhaupt  physische  Geographie  des  durch- 
forschten Plateau's  gesammelt,  für  die  Daten,  welche  für  die  wis- 
senschaftliche Erforschung  des  Thian-Schan- Systems  überhaupt 
von  wesentlicher  Bedeutung  sind.  Es  haben  sich  z.  B.  in  diesem 
System  aus  höchst  entlegenen  Perioden  stammende  Erhebungen 
vorgefunden,  welche  der  Ablagerung  von  Bergkalk  vorausgingen; 
ferner  Granitmassen,  welche  noch  eine  Insel  des  silurischen  Ozeans 
gebildet  und  keine  Spuren  von  Meeresablagerungen  zeigen  (Granite 
bei  Torkun  und  Toljuk) ;  dann  die  ünwiderleglichsten  Zeugnisse  für 
die.  früher  von  Hrn.  Ssewerzow  beobachteten,  aber  heftig  bestrit- 


38o 

tenen  Spuren  einer  Gletscherperiode  im  Thian-Schan  —  eben  die, 
durch  die  Bewegung  des  Gletschers  geritzten  Preisen  und  Gerolle; 
endlich  hat  Hr.  Ssewerzow  dort  noch  reiche  Steinkohlen-  und  Stein- 
salzlager gefunden  und  viele  Höhenmessungen  angestellt.  Den 
Rückweg  schlugen  die  Herren  Ssewerzow  und  Skassy  etwas  weiter 
vom  Naryn  über  Namangan  ein,  wobei  Hr.  Skassy  die  neuen  astro- 
nomischen Punkte  auch  mit  Namangan  und  Andidshan  verbunden, 
während  Hr.  Ssewerzow  den  östlichen  Theil  des  Ssyr-DarjarThales 
unterhalb  der  Vereinigung,  des  Naryn  mit  dem  Kara-Darja  durch- 
forscht hat. 

Unterdessen  war,  in  Abwesenheit  des  Hrn.  Sserezow,  Ende  Mai, 
der  Botaniker  der  Expedition,  Hr.  Kuschakewitsch,  nach  Andidshan 
gekommen  und  begann  sofort  die  botanische  Erforschung  des  Kara- 
Darja-Thales  und  der  in  dasselbe  von  N.O.  herabsenkenden  Berge, 
welche  er  bis  zu  einer  Höhe  von  8 — 9000  Fuss  bestieg. 

Mitte  Juni  trafen  alle  Mitglieder  der  Expedition  wieder  in  Andid- 
shan  zusammen.  Hr.  Ssewerzow  begab  sich  nach  Marghelan,  um 
sich  mit  dem  General  Abramow,  dem  Chef  des  Gebiets,  definitiv 
über  die  Reise  nach  Pamir  zu  verständigen,  welche  man  bis  zur 
Ausrüstung  des  Alai-Detachements,  das  aus  Osch  nicht  vor  Ende 
Juni  ausgerückt  war,  aufgeschoben  hatte.  Die  Vorbereitungen  des 
Hrn.  Ssewerzow  zur  Reise  nach  Pamir  wurden  namentlich  noch^ 
in  Folge  der  Ausrüstung  grosser  Detachements»  durch  den  Mangel 
an  Fuhrwerken  erschwert,  Hr.  Ssewerzow  war  desshalb  gezwungen, 
mehrmals  zwischen  Marghelan  und  Osch  hin-  und  herzufahren,  was 
übrigens  für  die  physisch-geographische  Erforschung  des  Fer- 
ghana-Thales  nicht  ohne  Nutzen  blieb,  da  Hr.  Ssewerzow  auf 
seinen  Fahrten  stets  andere  Wege  einschlug  und  Beobachtungen 
anstellte.  Erst  am  5.  Juli  konnte  die  Expedition  aus  Osch,  wo  sich 
derselben  noch  der  Topograph  Hr.  Rudnjew  zugesellte,  ausrücken. 

Die  Arbeiten  der  Expedition  wären  folgendermaassen  vertheilt: 
Hr.  Skomjakow  wurde  noch  Ende  Juni  über  den  Pass  Karakasyk 
zum  Detachement  des  Gen.  Abramow  abgeschickt,  da  man  erwar- 
tete, dass  sich  auf  diesem  Wege  vielleicht  die  Möglichkeit  darbieten 
würde,  in  dem  bisher  noch  gänzlich  unbekannten  Karategin  geolo- 
gische und  botanische  Kollektionen  zu  sammeln.  Obgleich  diese 
Absicht  nicht  gelang,  so  hat  Hr.  Skomjakow  doch  höchst  inter- 
essante zoologische  und  botani.sche  Sammlungen  vom  Unteren 
(westlichen)  Alai  mitgebracht.  Hr.  Skassy  hat  sehr  genaue  und  aus- 
führliche geodätische  Nivellirungsarbeiten  von  Osch  aus  über  Gul- 
tscha  den  Pass  Taldyk  und  den  Alai  über  Kisyl-Art  zum  Pamir, 
quer  durchschneidend,  bis  zum  See  Karakul  ausgeführt,  wobei  er 
die  Höhe  von  über  600  Punkten  genau  bestimmte.  Hr.  Ssewerzow 
selbst  begab  sich  mit  den  Hrn.  Kuschakewitsch  und  Rudnjew  auf 
einem  anderen  Wege  in  das  Alai-Gebirgc,  und  zwar  über  den  Pass 
Artschat,  welcher  sich  als  viel  weniger  steil  und  schwierig  erwiesen 
hat,  als  Hr.  Ssewerzow  nach  den  ihm  gewordenen  Mittheilungen  er- 
wartet hatte.  Beim  AUi-Detachement,  bei  der  Mündung  des  Flusses 


38i 

Kityn-art  in  den  Kisyl-ssu,  angelangt,  trennten  sich  die  Reisenden: 
die  Hrn.  Kuschakewitsch  und  Rudnjew  begaben  sich  über  den 
Kisyl-art  zum  See  Kara-kul,  wobei  Hr.  Rudnjew  die  topographischen 
Aufnahmen  der  Alai-Iijcpedition  des  Jahres  1876  recht  wesentlich 
ergänzte,  Hr.  Ssewerzow  wandte  sich  aber  nach  Osten,  nach  Irke- 
schtau, zum  Detachement  des  Gen.  Abramow.  Hier  machte  er  zwei 
kurze,  aber  interessante  Exkursionen,  in  nördlicher  und  südlicher 
Richtung  von  der  Route  A.  Kuropatkin^s,  in  das  Gebiet  der 
Quellen  des  Kaschgar-Darja,  wobei  er  di^  südlichen  Theile  der, 
den  Thian-Schan  mit  Pamir  verbindenden  Gebirgszüge,  sowie  die 
östliche  Fortsetzung  des  Transalaischen  Gebirgszuges  untersuchte. 
Am  31.  Juli  trafen  endlich  alle  Mitglieder  der  Expedition  am  See 
Kara-kul  zusammen  und  begannen  die  Kollektionen  zu  ordnen,  wel- 
che besonders  an  Vögeln,  Fischen,  Insekten  und  Pflanzen  sehr  reich 
sind. 

Weiter  ergibt  sich  aus  dem  Bericht  des  Hrn.  Ssewerzow,  dass 
die  Expedition  am  3./15.  August  zum  Sea  Victoria  aufzubrechen  be- 
absichtigte. Leider  ist  Hr.  Rudnjew,  welcher  das  rauhe  Klima  im  Pa- 
mir nicht  vertragen  kann,  gezwungen  gewesen,  nach  Taschkend 
zurückzukehren^  so  dciss  die  weiteren  astronomischen  und  topogra* 
phischen  Arbeiten  allein  von  Hrn.  Skassy  ausgeführt  werdeu 
müssen,  was  eine  Einschränkung  des  ursprünglichen  Programms 
nothwendig  zur  Folge  gehabt  hat.  Hr.  Rudnjew  wird  unterdessen, 
im  Auftrage  von  Hrn.  Ssewerzow,  in  Taschkend  die,  für  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  der  Untersuchungen  der  Expedition  noth- 
wendigen  kartographischen  Materialien  sammeln  und  kopiren  lassen. 


RoTue  Russischer  Zeitsehriften. 


«r Militär- Archiv!   (Wojennij   Ssbomik  —  BocHHuft  C6opHHKi>.) 

XXI.  Jahrgang.  1878.  Heft  7.  Inhalt: 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  vom  Jahre  1831.  (Aus  den  Memoiren  von  A^. 
Ncjelow,)  VI.  —  Die  taktische  Bedeutung  des  Terrains«  Die  Erforschung  der  Positio- 
nen. I.  Von  G,  Leer.  —  Fragmentarische  Bemerkungen  aus  den  Erfahrungen  des  letz- 
ten Krieges.  Von  A,  Pusyraoskij.  —  Die  Vergangenheit  und  die  Zukunft  der  Kaval« 
lerie.  I.  Von  P,  SkobeUyn  —  Ein  Paar  Worte  tlber  die  Patronwagen  in  den  Regimen- 
tern unserer  Armee.  (Aus  den  Erfahrungen  des  letzten  Krieges.)  —  Eine  kurze  Cha- 
rakteristik des  grossen  Thian-Schan- Gebirgszuges,  Von  L^  Kosienko, — Einige  Tage  auf 
dem  St.  Nikolaus-Berge.  (Erinnerungen  an  die  Vertheidigung  des  Schipka-Passes.) 
Vom  Lieutenant  des  Regiments  Orel  Dazewitsch.  —  Bibliographie. 

Heft  8.  Inhalt: 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  vom  Jahre  1831.  (Aus  den  Memoiren  von  N, 
Nej'elow,)  VII.  —  Die  taktische  Bedeutung  des  Terrains.  II.  Von  G.  Leer.  —  Die  Ver- 
gangenheit und  die  Zukunft  der  Kavallerie.  II,  Von  P,  Skobelzyn.  —  In  Bezug  auf  Ab- 


38» 

steckung  eiliger  Feldbefestigungen  auf  Kommando.  Von  A,  PljuünskiJ,  —  Die  allge- 
meine Wehrpflicht  vier  Jahre  nach  ihrer  EinHihrang.  Von  Baron  N.  Witte,  —  Die 
Avantgarde.  I.  Von  A/.  Tsitsckag<nv.  —  Bibliographie. 

Heft  9.  Inhalt: 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  vom  Jahre  183 1.  (Aas  den  Memoiren  von  iV. 
Nejelmv.)  VIII,  —  Bemerkungen  in  Bezug  auf  einen  Bericht  von  N.  Nejelow  über  die 
Aktion  der  Garde  im  Zarthum  Polen  im  Jahre  1831.  Vom  Fürsten  N.  Golityn.  —  Vor 
Plewna.  (Praxis  des  Transch^e- Krieges.)  Von  A.  Rttropatkin.  —  Die  taktische  Bedeu- 
tung des  Terrains.  III.  Von  Cr.  Leer.  —  Die  Vertheidigung  des  Etruporschen  Balkans 
durch  die  Türken  unter  Mehemed  Ali.  Erzählung  eines  Augenzeugen.  (Aus  dem  Deut- 
schen übersetzt.)  Von  N.  O,  —  Zur  Frage  der  Ausrüstung  mit  Spaten.  Von  A^  Pljuzin- 
skij\  —  Das  UraPsche  Kosakenheer.  Eine  historische  Skizze  und  das  System  der  Ablei- 
stung der  Dienstpflicht.  Von  y,  K^stenkü*  —  Die  Avantgarde.  II.   Von  Tschitsckagow, 

—  Bibliographie. 

^Das  Wort»  (Sslowo  —  Cüobo).  1878.  Heft  6.  Inhalt: 

Wunderliche  Menschen.  Von  N.  S/atawratskij,  — Aus  den  Memoiren  eines  Londoner 
Armenarztes.  —  Die  ökonomische  Theorie  von  Marx.  III.  Von  ^,  Stiert.  —  Am  kaspi- 
schen  Meere.  Rcisenotizen  von  A^.  Kobylew,  —  Ein  Bauerndrama.  Eine  Erzählung  aus 
Süd-Russland  von  L,  Stammer,  —  Der  Ragenkampf  in  der  Habsburger  Monarchie.  I — 
VI.  Von  W,  Iss — ow.  —  Motive  der  russischen  Belletristik.  Von  B,  P  —  Die  russi- 
schen Finanzen  in  der  letzten  Zeit,  Von  W.  A,  —  Die  Partikularisten,  Ultramontanen 
und  die  Ministerkrisis  in  Deutschland.  Von  y.  Brücke,  -^  Gedichte.  —  Bibliographi- 
scher Anzeiger. 

Heft  7.  Inhalt: 

Die  Wahnsinnige.  Eine  Erzählung  aus  dem  Judenthum.  Von  (7.  Bogrow,  —  Die  Alt- 
gläubigen. I — II.  Von  Jussow  —  Aus  den  Memoiren  eines  Londoner  Armenarztes.  — 
England  und  Irland.  I.  Die  irländische  Nationalität.  Von  A.  R,  —  Ein  russischer  Kri- 
tiker über  Häckel.  Von  B,  LenskiJ,  —  Die  literarische  Richtung  in  der  Malerei.  Von 
P,  B,  —  Gelehrtp  Unwissenheit.  Von  A,  Golowatuhaw,    -  Astronomi<iche  Neuigkeiten. 

—  Skizzen  ausländischer  Journalistik.  >  Eine  triumphirende  Stadt.  Ein  Brief  aus  Paris 
von  /'.  Boborykin,  —  Briefe  aus  Italien.  Von  A,  Leo.  —  Gedichte.  —  Bibliographi- 
scher Anzeiger. 

Heft  8.  Inhalt: 

Der  Ursprung  und  die  Entwickelung  des  Handels.  Eine  Skizze  zur  vergleichenden 
Geschichte  der  Moral  und  des  sozialen  I^bens.  Von  M.  Kulischer,  —  Verj^csscne  Skiz- 
zen des  Lebens  im  Dorfe.  Von  N.  Maximoiv.  —  Die  Altgläubigen.    III.    Von  Jussow, 

Gesprungene  Saiten.    Skizzen  von  Baranujauitsch.  —  Der  Lustspicldicliter  Oslrow- 

skij  und  dessen  Nachfolger.  I.  Von  P,  Boborykin  —  Der  Ragenkampf  in  der  österrei- 
chischen  Monarchie.  (Schluss.)  Von  W,  Iss — ow,  —  Gelehrte  Unwissenheit.  (Schluss.) 
Von  A.  Golo7vatschow,  —  Voltaire.     Von  Gicat,  —  Skizzen   ausländischer  Journalistik. 

—  Geographische  Entdeckungen.  —  Ein   temporärer  Stillstand.     Von  V,  Shukoxuskij, 

—  Nekrolog  von  M,  Tshurilow,  —  Gedichte.  —  Neue  Bücher.  Von  L,  P — oiu, 

«Der  europäische  Bote»  (Westnikjewropy  —  B'fecTHHKT>  EBponu.) 

XIIL  Jahrgang.  1878.  Heft  7.  Inhalt: 

Drr  Kampf  ura*s  Dasein.  III.  Von  y,  Metschnikow.  —  Aus  alter  Zeit,  Erzählungen 
und  Erinnerungen.  II.  Beresai.  Von  A,  L  —  Die  mittel-asia tische  Kultur  und  unsere 
Politik  in  Ost-Turkestan.  Reisenotizen  von  E.  Schuyler.  IV— VII.  —  Die  letzten  zehn 
I^ben-^rjahre  Proudhon's.  IX — XI  Von  D — ew.  Wissenschaft  und  Literatur  im  mo- 
dernen England.  VIII.  Brief.  Von  A  Regnard,  -  Das  Etappen- I^zareth  der  GrossfUr- 
stin  Thronfolgerin  im  türkischen  Kriege  des  Jahres  1877—  1878.  Von  A.  Hehn.  — 
Rundschau  im  Inlande.  —  Der  Welthandelsmarkt  im  Jahre  1877.  Von  \V.  —  Pariser 
Briefe.  —  Paris  und  die  Weltausstellung.  I—  VIII.  -  Gedichte.  -  Bibliographischer 
Anzeiger. 

Heft  8.  InhaU: 

Der  Kampf  nm*s  Dasein.  IV,  Von  y,  Metschnikow,  —  Die  letzten  zehn  Lebensjahre 


383 

Proudhon's.  XII — XIII.  Von  i^  ew,  —  Skizzen  und  Erzählungen  nach  der  Natur  I  — 
VI,  Von  v<4.  Krassnopolskij .  —  Die  Nahrung  der  Menschen  gegenwÄrtig  und  in  Zu- 
kunft Von  A,  Beketow  —  Die  Klassen.sleuer  yom  finanziellen  Standpunkt.  I— III. 
Von  Z..  Tscherfiajav^  —  Die  Handwerkerverbände  in  England.  Von  IV,  K.  ~  Aus 
den  Erinnerungen  eines  Schrinstellers.  Von  A,  E,  —  Der  literarische  Kongress  in  Pa- 
ris. Von  Z.  Polonskij.  —  Rundschau  im  Inlande.  —  Auswärtige  Politik-  —  Briefe  aus 
Berlin,  London  und  Paris.  —  Anfänge  literarischer  Solidarität.  —  Bibliographischer 
Anzeiger. 


Unssische  Bibliographie. 


Exposition  universelle  de  Paris  en  1878.  Commission  charg^e  de  la  coUection  des 
produits  de  Tagriculture  et  de  Texportation  forestiore  en  Russie  pour  Texposition  de 
Paris.  Agriculture  et  dconomie  rurale  en  Russie.  Apergu  statistique  redig6  par  J.  Wil- 
son, chef  de  la  section  de  statistique  au  Departement  de  Tagriculture  et  de  Tindustrie 
rurale  du  Ministcre  des  Domaines.  (Avec  une  carte  des  chemins  de  fer  en  Russie  )  St. 
Pbrg.  1878.  8<>.  VIII  -I"  129  S. 

Nassyrow«  K.  Tatarisch-russisches  Wörterbuch.  Kasan.  1878.  8®.  120  S.  (Tarap- 
cKo-pyccKifl  cjioBapb.  CocraBüeHi»  KaJts>MUM%  HaoBipoiaun.) 

Wassiljew,  J.  Historisch-statistische  Skizze  der  Stadt  Pskow.  Pskow.  12^  120  S. 
(Bacu&om,  H.  H.  HcTopHKo-craTBcmHecKift  onepirb  ropoAa  flcKOBa.) 

Malyschew,  K.  Kursus  des  allgemeinen  russischen  Civilrechts.  Bd.  I.  St.  Pbrg. 
1878.  8*^.  Vin  -|-  355  S.  (H&2aiineB%.  K.  Kypc-b  o6uiaro  rpaiKAauciaro  npaiia  Poccin. 

TOMT.  I.) 

Asaiewitsoh,  D.  Geschichte  des  byzantinischen  Rechts.  Bd.  II.  Moskau  1878.  8^ 
365  S.  (AsapOBmn,  S.  Hcropi«  BHsaHTÜCKaro  npasa.  H.  II.) 

Kene witsch,  W.  Bibliographische  und  historische  Anmerkungen  zu  den  Fabeln 
von  Krylow.  Mit  Materialien  zu  einer  Biographie  von  J.  Krylow.  St,  Pbrg.  1878.  8®. 
XV  -{-  392  S.  (SeHOBHTb,  B.  BH6iiiorpa«»HHecKiii  h  HCTopiiHecKiM  npHMiiHaHiii  rb  6ac- 
HjiM-b  KpujioBa.  Ci>  npHjioxceHiein»  MaTepia/iOBi»  aji"  6iorpa«iH  M.  A.  Kpu^oea.) 

Brandt,  E.  Skizzen  zur  Anatomie  und  Physiologie  des  Menschen.  Ocifentliche  Vor- 
träge. Lief.  I»  St.  Pbrg.  8^.  1878.  46  S.  (BpaHffT%,  9.  OqepxH  aHa-rOMiH  h  «H3io;ioriH 
HeJioB-fexa.  ny(>jraHHUx  HreHiA.) 

Leer,  G.  Die  taktische  Bedeutung  des  Terrains.  St.  Pbrg.  1878.  8^  94  S.  (Jlleep%, 
r.  TaiCTHHecioe  aMaHenie  M-feCTHOcni.) 

Gesta  Romanorum  Herausgegeben  von  der  Gesellschaft  (lir  alt- russisches  Schrift- 
thum.  2.  und  letzte  Lief.  St.  Pbrg.  1878.  8®.  Seite  161 — 396.  (PuMCxiii  A'bflHiii  MaAaHie 
oöDiccTBa  ;iio6MTe7iefl  ApesHeft  nMCbMeuHocTU.) 

Morkowin,  N.  Eine  Skizze  der  Geschichte  des  Saporogischen  Kosakenthums  St. 
Pbrg.  1878   8^  81  S.  (MopKOBHHl,  H   OnepR-b  Hcropin  Sanopoxccxaro  KaaaMCCTBa.) 

Jarosohewskij,  K.  Lehrbuch  der  Mineralogie.  Moskau.  1878.  8^.  XI  -f  224  S. 
(JipoineBCKift,  K.  ^McGHMin«  HBHcpaJioriM. ) 

NetUSChil,  J.  Genetische  Darstellung  der  Phonetik  und  Morphologie  der  lateini- 
schen Sprache.  Charkow.  1878.  8®.  VIII  -\  248  -f  IV  S  (HeTymHjn,  H.  B.  FeHeTH- 
MecKoe  Ha/ioHceiiie  «»oiieTUKu  h  iiop^ojioriH  JiaTHHCiaro  aauKa.) 

Jahresbericht  der  Abtheilung  für  Artillerie  beim  technischen  Marine-Komite  fiir 
1878.  St,  Pbrg.  1878.  8®.  VII  +  226  S.  (OTMCTb  apTHJiJiepiHcKaro  OTAt-neHiH  MopcKaro 
TexHHHecvaro  KoMBTera  sa  1878  roAa.) 


384 


Berichtigung. 

In  dem  ersten  Abschnitt  des,  den  Weinbau  Russlands  behandelnden  Artikels  («Russ. 
Revue»  Heft  8,  S.  130)  wurde  erwähnt,  dass  die  Phylloxera  vastatrix,  der  verheerende 
Rebenfeind,  der  im  westlichen  Europa  den  Weinbau  in  so  beunruhigender  Weise  ge- 
fährdet, auch  an  einigen  Stellen  in  Russland  (in  der  Krim,  im  Terek-Kumik 'sehen  und 
Rion-Schwazmeer-Gebiete)  aufgetreten  sei.  Nach  einer  MittheUung  des  Departements 
für  Landwirthschaft  und  landwirthschaftltche  Industrie  im  Domänen-Ministerium  beruht 
diese,  dem  ^Statistischen  Jahrbuch»  entnommene  Nachricht  auf  einem  Irrthuro  und 
haben  sich  die^an  verschiedenen  Stellen  der  russischen 'Weinbauregion  aufgetretenen 
Vermuihungen  betreffs  des  Vorkommens  der  Phylluxera  zum  Glück  nicht  bestätigt.  Die 
russische  «Landwirthschaftliche  Zeitung«  widmet  in  ihrer  Jit  39  d.  J.  der  Widerlegung 
der  obigen  Nachricht  einen  eingehenden  Artikel,  in  welchem  sie  auf  den  Ursprung  der 
umlaufenden  Gerüchte  zurückkommt  und  zu  dem  tröstlichen  Schluss  gelangt,  dass  einst- 
weilen über  die  Existenz  der  Phyllozera  in  Russland  nichts  bekannt  sei.  D.  Red. 


In  dem  Aufsatze   «Zur  Literatur  über  Russisch- Turkestan»  sind 
folgende  Druckfehler  zu  verbessern. 

Im  Artikel  I  und  II  (Bd.  XII): 


Se 


ite  436  Zeile    9  von  unten  lies:  nämlich  statt  wesentlich. 


437 
439 
440 

» 

442 

» 

443 

447 


50 

54 
59 


"54 
158 
170 

» 

176 

182 

183 

184 


252 


» 
» 


» 

9 


» 
» 


» 


6 

15 

14 

19 
II 

7 

9 
18 


9 

14 

9 


I 

20 

8 

10 

II 

12 

3 

14 
16 


6 

7 
8 


» 
» 


9 


»  •  aber  statt  Über, 

oben  •  wirthschaftliche  statt  wissenschaftliche. 

»  9  das  statt  diese, 

unten  »  Stammes  statt  Namens, 

oben  >  Ssaratow  statt  Ssamara. 

unten  >  Dschulek  statt  Dschuleh. 

oben  -  »  der  Fall  sein  wird  statt  der  Fall  war. 

unten  »  Rasen  statt  Vasen. 

Im  Artikel  IH  (Bd.  XHI): 

oben  »  lastenden  statt  bestehenden. 

•  »  Anbau  statt  Leben, 

unten  »  Kurama  statt  Karama. 


Im  Artikel  IV  (Bd.  XUI): 


9 
> 


oben 

» 


Stäben  statt  Säbeln. 

belustigend  statt  belästigend. 

welchen  statt  welche. 

Chttda^ar  statt  Chudojar. 

hinter  «nach  2  Uhr»   ist  einzuschalten   «am  frühen 

Morgen», 
genommen  wird  statt  wird  genommen. 
700  statt  7000. 

Katty-Kurghan  statt  Watty  Kurghan. 
Lage  statt  Tage. 

Im  Artikel  V  (Bd.  XIII): 

oben     »     Tschemkend  statt  Taschkend. 
unten    >     Karakurt  statt  Karkart. 

eingeschlafen  statt  eingeschlossen. 


» 

9 
unten 
oben 
unten 


9 
9 
9 
» 


■ 
» 
9 


» 
9 


262 

*     In  der  Anmerkung  muss  es  ttl)erall  heissen:  •unearthe</9  statt  ^uncarUuä». 
263  Zeile  14  von  unten  lies:  oder  auf  statt  oder  auch. 
269     »       4    »        •        •     Khivan  statt  Chivan, 

Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Röttger. 
AusBOJieHo  ncHsypoio.  C.-nerepCypri,,  i3'ro  Omi6pa  1878  roAa 
Bachdnickerei  von  RöttgkrASchnbidbr,  Newsky*Pro8pekt  ^  $• 


Die  Bedeutung  der  einzelnen  Gonvernements  Bass- 
lands hinsichtlich  ihrer  landnirthschaftlichen 

Produktion. 


Von 

Friedrich  Matthäi. 


-^  ^^- 


Der  Beweis  von  der  Bedeutung  Russlands  als  Agrikulturstaat 
kann  wohl  nicht  vollständiger  geliefert  werden,  wie  durch  eine,  auf 
statistische  Daten  basirte,  Darlegung  seiner  landwirthschaftlichen 
Produktionsverhältnisse  und  zwar  nicht  bloss  den  Quantitäten  der 
erzielten  Ernten  nach,  sondern  auch  hinsichtlich  des  Werthes,  der 
durchschnittlich  aus  dem  Feldbau  und  der  Viehzucht  gewonnenen 
Produkte.  So  bedeutend  nun  auch  die  GesammtziiTer  ist,  welche 
diese  Produktion  in-  Zahlen  ausdrückt,  so  tragen  doch  keineswegs 
die  einzelnen  Gouvernements  in  gleichem  Verhältnisse  zur  Erzie- 
lung dieser  Produktion  bei.  Dieses  Verhältniss  aber  genau  festzu- 
stellen, ist  eine  Aufgabe  der  Statistik,  welche  bisher  in  systemati- 
scher, die  gewonnenen  Resultate  übersichtlich  darstellender  Weise, 
noch  kaum  versucht  worden  ist.  Wenn  ich  diesen  Versuch  hiermit 
wage,  so  verhehle .  ich  mir  keineswegs  die  damit  verbundenen 
Schwierigkeiten,  ganz  abgesehen  davon,  dass  die  statistischen  Da- 
ten, auf  welche  ich  mich  bei  dieser  Arbeit  zu  stützen  gezwungen 
bin,  nach  der  Ansicht  unserer  Autoritäten  als  vollständig  zuverlässig 
nicht  anzusehen  sind,  indem  sich  ihrer  Sammlung  schwer  zu  über- 
windende Hindernisse  entgegenstellen.  Nach  der  Ansicht  der  im 
Jahre  1872  Allerhöchst  eingesetzt  gewesenen  Kommission  zur  Un- 
tersuchung des  dermaligen  Zustandes  der  Landwirthschaft  und 
landwirthschaftlichen  Produktion  Russlands*  bleiben  namentlich  die 


*  AoKJiaAi»  BbicoMaftme  ynpeiKAeHHoi  Komniccia  ajis  BscjrfcAonaiiif  HUH'biiimro  no- 
jioNccHix  cejibciaro  xoaalcraa  ■  cejibcxoi  npoMBsoAsrettMOCTM  vb  PoccIm.  C-Üerep- 
6ypn..  1873« 

RUSS.  REVCB.BD.Xm.  SJ 


is6 

ofAziell  nachgewiesenen  Ernteerträge  nicht  unerheblich  hinter  der 
Wirklichkeit  zurück,  eine  Ansicht,  die  auch  Seitens  des  Statisti- 
schen Central-Kdmite's  bestätigt  wird,  indem  es  seinen  Veröffentli- 
chungen^  der  jährlichen  Emteerträgnisse,  eine  im  gleichen  Sinne 
abgefasste  Bemerkung  vorausschickt  und  namentlich  darauf  hin- 
weist, diass  die  Angaben  über  die  Menge  der  Aussaat  als  um  so 
mangelhafter  erscheinen  müssen,  als  oft  die  Landwirthe,  welche 
weder  Buch  nochMaass  führen,  selbst  keine  genauen  Kenntnisse  über 
die  Menge  des  ausgesäeten  Getreides  besitzen.  Und  dennoch  ist 
diese  Aussaatmenge  von  grosser  Wichtigkeit  bei  Berechnung  des 
reinen  Erntegewinnes,  der  doch  nur  maassgebend  bei  der  Bestim- 
mung des  Werthes  der  jährlich  erzielten  lan.dwirthschaftlichen  Pro- 
duktion sein  kann.  Dennoch  war  ich  gezwungen,  mich  bei  meiner 
Arbeit,  der  unten  nachgewiesenen  Quellen,  als  der  einzigen  uns  jetzt 
zu  Gebote  stehenden,  zu  bedienen.  Ausserdem  boten  mir  die  Erläu- 
terungen zum  landwirthschaftlich-statistischen  Atlas  des  europäi- 
schen Russland^  (Ausgabe  des  Domänen-Ministeriums)  ein  sehr 
schätzenswerthes,  mit  grossem  Fleisse  ausgearbeitetes  Material,  aus 
welchem  ich. die  Angaben  über  Preise  verschiedener  Landespro- 
dukte entnommen  und  das  auch  gewiss  noch  weitere  Verwendung 
gefunden  haben  würde,  griffen  nicht  die  in  diesen^  Werke  über  den 
Getreidebau  und  die  Viehbestände  Russlands  veröffentlichten  Daten 
bis  in  die  Mitte  der  Sechziger  Jahre  zurück,  während  die  von  mir 
benutzten  sich  wenigstens  auf  die  Jahre  1870     1872  beziehen. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  es  von  grosser  Wichtig- 
keit ist,  zu  wissen,  welchen  Gouvernements  Russland  in  erster  Linie 
seinen  grossen  Reichthum  an  den  verschiedenen  Produkten  der 
Landwirthschaft  zu  danken  hat,  welche  unter  ihnen  in  der  Lage 
sind  mit  ihren  Ueberschüssen  andere,  an  Feldprodukten  Mangel  lei- 
dende Gouvernements  zu  versorgen,  mit  einem  Worte,  welche  Gou- 
vernements durch  die  Erzeugnisse  ihres  Bodens  und  ihrer  Vieh- 
zucht berufen  sind  den  Nationalreichthum  Russlands  von  Jahr  zu 
Jahr  zu  mehren  und   es  dem  letzteren  möglich  machen  unter  den 


'  CTaTHCTHHCciritt  BpeMCHHBirb  PocciIckoI  Hiinepil.  HaAaHie  ueHTpa;ibHaro  craTM- 
CTHHCCKaro  KoMüTera  MuHHcrepcnia  BHyrpcHHurb  At.i'b.  Cepi»  II.  BKinycm»  Accütui. 
C- nerepöypri».  1875. 

'  06i»flCHeHii  n»  xosüHcTBeHHo-craTMCTHMecKoiiy  Ar.iacy  EiiponeflcKofl  Pocciu.  Ha- 
j^anie  («ferBeproe}  AcnapraiieHTa  SeMJieA'fcAia  u  CejibCKOH  npoMMin^eHHOCTH  Mhhh- 
CTepcna  rocyAApcneHHUxi»  UMjmecTrb.  CocraaMJii»  crapaiil  pcAKKTopi»  Aenapra* 
■eim  H.  BujibcoHi».  C.-nerepÖyprb.  1869. 


3«; 

europäischen  Staaten  als  Agrikulturstaat  jene  hervorragende  Stelle 
einzunehmen,  die  ihm  heute  seiner  mächtigen  landwirthschaftlichen 
Produktion  wegen  widerspruchslos  eingeräumt  wird,  einer  Produk- 
tion wegen,  die  es  Russland  gestattet,  einen  sehr  bedeutenden  Theil 
seines  Ueberschusses  von  Getreide  verschiedener  Art  und  von  indu- 
striellen Rohprodukten  an  die  übrigen  Staaten  Europas  abzugeben. 
J)urch  die  vorliegende  Arbeit  sollen  die  nachstehenden  8  Fragen 
eine  möglichst  zuverlässige  Beantwortung  finden,  die,  hervorgehend 
aus  einer  geeigneten  Kombination  vorhandener  statistischer  Daten, 
zugleich  ein  Gesammtbild  der  landwirthschaftlichen  Produktion 
nicht  nur  des  ganzen  europäischen  Russland  zusammengenommen, 
sondern  auch  der  einzelnen  Gouvernements  desselben  bietet.  Diese 
Fragen  lauten: 

1.  Welchen  Ertrag  liefert  der  Feldbau  eines  jeden  einzelnen  Gou- 
vernements des  europäischen  Russland  nach  dem  Quantum,  wie 
nach  dem  Werthe  der  verschiedenen  Produkte? 

2.  Wie  hoch  beziffert  sich  der  Werth  derjenigen  Produkte,  wel- 
che durch  den  Betrieb  der  Viehzucht  in  den  einzelnen  Gouverne- 
ments erzielt  werden? 

3.  VVie  hoch  der  Werth  der  gesammten  landwirthschaftlichen - 
wie  Industrie-Produkte,  welche  durch  Verarbeitung  landwirthschaft- 
licher  Rohprodukte  gewonnen  werden? 

4  In  welchen  Gouvernements  dominirt  der  Feldbau  vor  der 
Viehzucht  d.  h.  in  welchem  Verhältnisse  übersteigen  die  Einnahmen 
des  ersteren  die  der  letzteren  oder  umgekehrt? 

5.  Wie  hoch  stellt  sich  der  Ernteertrag  im  Verhältniss  zur  Bevöl- 
kerung eitles  jeden  Gouvernements  und  welches  Quantum  von  Nah- 
rungsmitteln wird  pro  Kopf  der  Bevölkerung  erzielt? 

6.  Wie  hoch  stellt  sich  der  Werth  des  Ertrages  an  Feldbau-  wie 
Viehzuchtprodukten  im  Verhältniss  zur  Bevölkerungszahl  und  wel- 
eher  Betrag  dieses  ermittelten  Werthes  entfällt  auf  den  Kopf  der 
Bevölkerung? 

7.  Wie  stellt  sich  die  Stückzahl  der  verschiedenen  landwirth- 
schaftlichen Hausthiere  zum  Flächeninhalt  der  einzelnen  Gouverne- 
ments? 

8.  Endlich:  Wie  rangiren  die  einzelnen  Gouvernements  unter  ein- 
ander hinsichtlich  der  Höhe  ihrer  gesammten  landwirthschaftlichen 
Produktion? 

Die  nachfolgenden  Zusammenstellungen  umfassen  je  ein  einzel- 

25* 


ncs  Gouvernement,  und  bietet  eine  jede  derselben  die  Beantwor- 
tung der  hier  gestellten  sieben  ersten  Fragen. 

Die  in  diesen  Zusammenstellungen  aufgenommenen  Getreide-Er- 
trägnisse sind,  nach  den  Angaben  des  letzten  «Statistischen  Jahrbu- 
ches»,die  durchschniltlichen  Reinerträge  der  drei  Jahre  1870 — 1872, 
die  letzten  über  welche  offizielle  Daten  vorliegen. 

Das  dreijährige  durchschnittliche,  derselben  Quelle  entnommene, 
Saatquantum  ist  von  dem  durchschnittlichen  Brutto  Ertrage  in  Ab- 
rechnung gebracht  worden,  so  dass  die  in  den  Zusammenstellungen 
vorgeführten  Zahlen,  die  reinen  Durchschnittsernten  darstellen.  Die 
in  den  einzelnen  Gouvernements  erzielten  Erträge  an  Flachs  und 
Hanf  sind  gleich  denen  an  Tabak  und  Sandzucker,  dem  Berichte 
der  Allerhöchst  ernannten  Kommission  zur  Untersuchung  des  ge- 
genwärtigen Standes  der  Landwirthschaft  und  der  landwirthschaftli 
chen  Produktion,  erstere  für  das  Jahr  1870,  letztere  im  Durch- 
schnitte der  Jahre  1869  bis  1871  entnommen. 

Grössere  Schwierigkeiten  bot  die  richt<ge  Bemessung  des  Geld- 
wei  thes  der  erzielten  Produkte,  um  so  mehr  als  die  Preise  nicht  nur 
in  jedem  Gouvernement,  sondern  auch  in  den  verschiedenen  Jahren 
sehr  bedeutend  variiren. 

Damit  der  Nachweis  des  Werthes  der  erzielten  Produktion  der 
einzelnen  Gouvernements  in  ihrer  Bedeutung  für  die  gesammte 
Landcsproiiuktion  ein  möglichst  übereinstimmender  werde,  so  sind 
die  durchschnittlichen  Exportpreise  (nach  den  offiziellen  Ausfuhrta- 
bellen) der  Jahre  1870  — 1871  der  Werthberechnung  für  die  ver- 
schiedenen Getreidesorten  zu  Grunde  gelegt  worden.  Einer  der 
Hauptexportartikel  nach  dessen  Preisen  sich  mehr  oder  weniger 
jene  der  übrigen  Getieidegattungen  reguliren,  ist  der  Weizen.  Als 
Werth  eines  Tschetwcrt  Weizen  sind  (ebenfalls  nach  den  Exportta- 
bellen) als  Durchschnittspreis  10  Rbl.  angenommen  und  ist  dadurch 
die  Möglichkeit  geboten  worden,  grössere  Preisdifferenzen,  wo  es 
darauf  ankommen  sollte,  den  Werth  der  Getreideernten  nach  den 
faktischen,  in  den  einzelnen  Gouvernements  vorgekommenen  Prei- 
sen festzustellen,  mit  Leichtigkeit  zu  reguliren.  Stellt  sich  z.  B.  im 
Gouvernement  Orenburg  der  Weizenpreis  pro  Tschetwert  auf  7V1 
Rbl.,  anstatt  wie  in  den  Uebersichten  angenommen  auf  10  Rbl.,  so 
werden  auch  die  Preise  der  übrigen  Getreidearten  dem  entspre- 
chend um  25  pCt  billiger  sein,  und  man  hat  nur  nötliig,  von  der 
Gesammtsumme  des  Werthes  der  aus  dem  Feldbau  erzielten  Pro- 
dukte 25  pCt.  in  Abrechnung  zu  bringen,  damit  diese  Gesammt- 


werthsumme  den  erzielten  Lokalpreisen  entspricht.  Stellt  sich  der 
lokale  Weizenpreis  anstatt  auf  lo  auf  12  Rbl.^  so  sind  der  Ge- 
sammtsumme  20  pCt.  zuzurechnen  etc.  Um  aber  die  Bedeutung  der 
einzelnen  Gouvernements  für  die  Gesammtproduktion  des  Landes 
würdigen  zu  können,  war  es  unerlässlich  gleiche  Preise  für  jede 
Fruchtgattung  in  Rechnung  zu  stellen. 

Nach  den  «Erläuterungen  zum  landwirthschaftlichen  statistischen 
Atlas  des  europäischen  Russland»  betrugen  die  Preise  für  Flachs  in 
den  letzten  Jahren  des  vorigen  Dezenniens  pro  Berkowez  je  nach 
den  verschiedenen  Sorten:  in  Riga  57— 90  Rbl.,  in  St.  Petersburg  38 
bis  67  Rbl.,  in  Archangelsk  40—100  Rbl.;  nach  den  offiziellen  Aus- 
fuhrtabellen in  den  Jahren  1870  und  187 1  pro  Pud  5  Rbl.  50  Kop. 
In  den  nachfolgenden  Zusammenstellungen  sind  die  Flachspreise,  in 
Ansehung  der  ebenfalls,  wenn  auch  in  bedeutend  geringerem  Ver- 
hältnisse produzirten  Heede,  deren  Preis  sich  nach  den  Ausfuhr- 
tabellen auf  nur  2  Vt  Rbl.  stellt,  auf  5  Rbl.  pro  Pud  normirt  worden. 

Der  Preis  für  Äi?«/' stellte  sich  Ende  der  Sechziger  Jahre  nach  den 
oben  erwähnten  Erläuterungen  in  St.  Petersburg  und  Riga  je  nach 
Sorte  und  Feinheit  auf  25 — 44  Rbl.  pro  Berkowez,  demnach  auf  2  V< 
bis  4  Rbl.  40  Kop.  pro  Pud,  nach  den  offiziellen  Exporttabellen  in 
den  Jahren  1871 — 1872  auf  3  Rbl.  35  Kop.  In  den  nachstehenden 
Zusammenstellungen  ist  derselbe  mit  3  Rubel  berechnet  worden. 

In  den  meisten  Gouvernements  Russlands,  welche  überhaupt  Ta- 
bak produziren,  kann  der  Preis  für  Rohtabak  nicht  höher  wie  durch- 
schnittlich zu  2  Rbl.  pro  Pud  veranschlagt  werden.  Eine  Ausnahme 
hiervon  machen  nur  die  Gouvernements  Bessarabien,  in  welchen 
nach  den  «Erläuterungen  zum  landwirthschaftlichen  statistischen 
Atlas  des  europäbchen  Russland»  der  Preis  zwischen  5  und  17  Rbl., 
und  Taurien  (Krim),  in  welchem  der  Tabakspreis  nach  denselben 
Quellen  zwischen  5 — 15  Rbl.  schwankt.  Für  beide  Gouvernements 
ist  daher  der  Durchschnittspreis  des  Tabaks  mit  7  Rbl.  pro  Pud  an- 
genommen worden.  Ausserdem  werden  noch  durchschnittlich  bes- 
sere Sorten  in  den  Gouvernements  Chersson,  Wolhynien  und 
Astrachan  kultivirt,  so  dass  der  Preis  fiir  das  erstgenannte  Gouverne- 
ment mit  5  und  4  Rbl.,  für  das  letztere  aber  mit  3  RbL  pro  Pud  be- 
rechnet werden  konnte. 

In  den  nachfolgenden  Zusammenstellungen  ist  nicht  das  Quantum 
und  der  Werth  der  produzirten  Zuckerrüben,  sondern  nur  der  aus 
jenen  produzirte  Sandsntcker  nach  Quantität  und  Werth,  letzterer 
durchschnittlich  mit  5  Rbl.  pro  Pud,  angeführt  worden,  weil  über  die 


390 

Menge  des  gewonnenen  Sandzuckers  weit  sicherere  Daten  voflie- 
gen.  Die  Produktion  von  Spiritus  dagej^en  ist  ganz  unberücksich- 
tigt geblieben,  weil  in  diesem  Falle,  das  zu  seiner  Erzeugung  ver- 
wendete Quantum  Getreide  von  den  Ernteerträgnissen  hätte  in  Ab- 
rechnung gebracht  werden  müssen,  was  sich  schwer  durchführen 
lässt.  Der  Werth  des  erzeugten  Spiritus  ist  demnach  in  dem  des 
Getreides  schon  inbegriffen. 

Was  die  Preise,  resp»  den  Werth  der  Produkte  aus  der  ViehzucJU 
anbelangt,  so  musste  auch  hier  ein  übereinstimmender  Modus  ge- 
sucht werden,  da  es  unmöglich  ist,  für  die  einzelnen  Leistungen 
unserer  Hausthiere  Werthbestimmungen  zu  treffen,  umsovveniger 
als  diese  Leistungen  selbst  sehr  verschiedenartige  sind. 

Bei  Bestimmung  des  Werthes  der  Pferdezucht  wurde  angenom- 
men, dass,  wie  in  der  Praxis  meistentheils,  wenigstens  60  pCt.  der 
vorhandenen  Pferde  Stuten  sind,  welche  zur  Nachzucht  benutzt  wer- 
den. Da  ein  Füllen  erst  nach  3  Jahren  als  annähernd  brauchbares 
Arbeits-  oder  Wagenpferd  gebraucht  werden  kann,  so  wurde  der 
jährliche  Zuwachs  an  Füllen  auf  *\8  =  20  pCt.  =  S'5  des  Gesammt 
pferdebestandes  angenommen.  Als  Durchschnittspreis  für  ein  drei- 
jähriges Pferd  kann  bei  den  jetzigen  Pferdepreisen  ohne  Weiteres 
50  Rbl.  gerechnet  werden.  In  Ansehung  des  Umstandes  aber,  dass 
von  den  zur  Welt  kommenden  Füllen  ein  bedeutender  Theil  zu 
Grunde  geht,  auch  viele  Stuten  keine  Füllen  werfen,  so  ist  dieser 
Abgang  mit  40  pCt.  berechnet,  demnach  der  Preis  anstatt  auf  50 
nur  auf  30  Rbl.  in  Anschlag  gebracht  worden.  Ein  Pferdebestand 
von  100  Stück  würde  daher  einen  jährlichen  Brutto-Werth  vonöooRbl. 
d.  i.  an  geleisteter  Arbeitskraft  und  Nachzucht  (*®75  =  20  X  30  = 
600)  repräsentiren,  eine  Annahme,  die  der  Wirklichkeit  sehr  nahe 
kommen  dürfte. 

Die  gleiche  Berechnung  ist  auch  der  Werthbestimmung  für  Rind- 
vieh^  insoweit  dasselbe  Arbeits-  oder  Schlachtvieh  ist,  zu  Grunde 
gelegt  worden,  nur  dass  hierbei  der  Preis  eines  Stückes  Vieh  nicht 
zu  30,  sondern  nur  zu  20  Rbl.  veranschlagt  wurde;  dagegen  ist  in 
denjenigen  Gouvernements,  welche  nur  Milch-,  resp.  Zuchtvieh  hal- 
ten, der  jährliche  Brutto  Milchnutzen  einer  Kuh,  incl.  Werth  des 
Kalbes  auf  15  Rbl.,  oder  auf  einen  Brutto-Ertrag  von  25—35  Kop. 
pro  Wedro  Milch  veranschlagt  worden,  ein  Ertrag,  der  in  den  mei- 
sten Fällen  sich  bedeutend  höher  stellen  wird,  wie  hier  angenom- 
men worden  ist. 

Als  jährlicher  Ertrag  für  ein  Stück  Landschaf  sind  i  Rbl.  25  Kop., 


39^ 

für  ein  feinwolliges  Schaf  dagegen  2  Rbl.  für  erzielte  Wolle  und 
Lamm  in  Rechnung  gestellt  werden,  wobei  angenommen,  dass  die 
Hälfte  der  Lämmer  entweder  zur  Zucht  benutzt  oder  als  Schlacht- 
thiere  verwendet  werden  kann. 

Die  Nutzung  eines  Scftweines  ist  durchschnittlich  mit  8  Rbl.  jähr- 
lich in  Rechnung  gestellt,  sei  es  nun,  dass  dasselbe  zur  Fleischpro- 
duktion oder  zur  Zucht  oder  zu  beiden  Zwecken  zugleich  verwendet 
wird.  Da  nur  ausgewachsene  Schweine  bei  der  Zählung  berücksich- 
tigt werden,  und  von  diesen  die  grösste  2^hl  in  Zuchtsäuen  besteht, 
so  kann  man  annehmen,  dass  durchschnittlich  auf  eine  Sau  jährlich 
4  Ferkel  entfallen,  die  im  Alter  von  einem  Jahre  pro  Stück,  selbst 
dort,  wo  Schweine  am  billigsten  sind,  mit  2  Rbl.  verkauft  werden 
können. 

Die  Beantwortung  der  übrigen  Fragen  ergibt  sich  aus  den  nach- 
folgenden Zusammenstellungen  von  selbst,  und  werden  am  Schlüsse 
dieser  Arb'^it  die  sich  aus  derselben  ergebenden  Resultate  zu  wei- 
terer Orientirung  in  übersichtlicher  Weise  zusammengestellt  werden. 


I.  GoaTernemeiit  Archangelsk. 

Grösse:  13,794,19  geogr.  Qu.-Meilen  =  759,548,0  Qu.- Kilometer; 
Bevölkerung:  281,112  Einwohner,  von  denen  0,4  auf  den  Qu.-Kilo- 
meter  entfallen. 

Es  wurden  im  Gouvernement  Archangelsk  jährlich  produzirt : 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues  \ 

Preis  pr.Tschetw.  Wcnhd.Prod. 
Tschetwert.  Rbl.  Kop.  in  Rabel. 

An  Roggen ,      49.667  6    75  335.252 

»  Gerste .     147,000  5     —  735.O0O 

Zusammen  an  Getreide     .     196,667 
Kartoffeln 30.330  i     50  ^ji^^i^S 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    .     1)115,747 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  38,400  Stück,  davon  V»  =  7,680  Stück, 
Jahresertrag  ä  30  Rbl 330,400 

Rindviehbestand:  102,000  Stück  Zucht-  und  Milchvieh, 
Jahresnutzung  1 5  Rbl.  pro  Stück 1,530,000 


392 

Rubel. 

Schafstand:  132,500 Stück  Landschafe,  Wollnutzen  und 

Lamm  ä  i  Rbl.  25  Kop 265,625 

Schweinebestand:  400  Stück  ä  Jahresnutzen  prp  Stück 

durch  Zuzucht  und  Fleisch  8  Rbl 3^200 

Zusammen  an  Produkten  der  Viehzucht    .     2,029,225 

Die  Produkte  des  Feldbaues  und  der  Viehzucht  des 
Gouvernements  Archangelsk  repräsentiren  demnach 
einen  Werth  von 3,114,972 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  aller  Art    , 0,69    Tschetwert 

■  Kartoffeln 0,107  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     .     0,797  » 

An  Geldwerth:  aus  den  Produkten  des  Feldbaues       3  R.  96  K. 

»       »  *  der  Viehzucht       7   »    22  » 

Aus  der  gesammten  Landwirthschaft     11  R.  18  K. 

Im  Gouvernement  Archangelsk  übersteigt  der  Werth  der  Vieh- 
zuchtprodukte den  des  Feldbaues  um  913  478  Rbl.  oder  um  ca.  82 
pCt. 

Es  entfallen  im  Gouvernement  Archangelsk 

auf  I  Qu. -Meile       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  StUck. 

Pferde .     2,7  0,5 

Rindvieh 7,3  0,1 

Schafe 9,6  0,1 


2.  Goayernement  Astrachan. 

Grösse:  4,076,68  geogr.  Qu. »Meilen  =;  224,471,4  Qu.-Kilometer; 
Bevölkerung:  6oi)5i4  Einwohner,  von  denen  3  auf  einen  Qu.-Kilo- 
meter entfallen. 

Es  wurden  im  Gouvernement  jährlich  produzirt: 


393 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Preis  pr.  Tschctw.     Werth  d.  Prod. 
Tschetwert         Rbl.  Xop.  in  Rubel. 

Roggen ,     .  47.666  6  75  321,745 

Sommerweizen    .     .     .     .  -.  207,333  10  —  2,073,330 

Hafer 16.333  4  —  65.332 

Gerste 9.666  5  —  48,330 

Sonstiges  Sommergetreide  .  ii,333  6  —  67,998 

Zusammen  Getreide     .     292,331  2,576,735 

Kartoffeln      .....:       19,334  l     50  29,001 

Pud 

Tabak 904  3     —  2,712 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues     .     2,608,448 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehsuc/it: 

Pferdebestand:  190,1 00 Pferde,  davon Vö= 38, 020 Stück 

im  Werthe  von  30  Rbl 1,140,600 

Rindviehbestand :  470,000  Stück,  grossentheils  Schlacht- 
vieh, davon  V-s  =  94,000  Stück  ä  20  Rbl.     .     .     •     .     1,880,000 
Schafstand:  1,461,200  Stück  Landschafc,  für  Wolle  und 

Lämmer  pro  Stück  i  Rbl.  25  Kop.     .     .     1,826,500 
»  2000  Stück  feinwollige  Schafe,  für  Wolle 

und  Lämmer  pro  Stück  2  Rbl 4,000 

Schweine:  51,300  Stück  für  Nachzucht,  resp.  Mast  pro 

Stück  8  Rbl.  Nutzung .     . 410,400 

Ziegen:   52,800  Stück  für  Nachzucht  und  Milch   pro 

Stück  2  Rbl.  . 105,600 


Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht     .     5,367,100 
Die  Produkte  des   Eeldbaues  und  der  Viehzucht  des 
Gouvernements   Astrachan   rcpräsentiren    demnach 
einen  Werth  von    ..,..'. 7,976»648 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner: 

An  ÖV/lr^/V/^  aller  Art 0,48    Tschetwert 

»  Kartoffeln 0,03  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln  ,.     0,51  * 

An  Geldwerth:  Aus  den  Produkten  des  Feldbaues      4  R.  33  K. 

•      •  »         der  Viehzucht      8  »   92  • 

Aus  der  gesammten  Landwirthscbaft    •     13  R.  25  K. 


394 

Im  Gouvernement  Astrachan  überwiegt  der  Werth  aus  den  Pro- 
dukten der  Viehzucht  den  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues   um 

2,758,652  Rbl.  oder  um  106  pCt. 

Es  entfallen  im  Gouvernement  Astrachan 

auf  I  Qu.-Meile.        auf  i  Qu.-Kilometer. 

Stück.  S'ück. 

Pferde 46,6  1,1 

Rindvieh.     ...*.•  115,3  2,1 

Schafe 358,9  65 

Schweine •  12,5  0,2 

Ziegen 12,9  0,2 

3.  GonTernement  Bessarablen. 

Grösse:  656,18  geogr.  Qu.-Meilen  =  36,131,2  Qu.-Kilometer; 
Bevölkerung:  1,078,932  Einwohner,  von  denen  30  auf  einen  Qu.- 
Kilometer  entfallen. 

Es  werden  im  Gouvernement  jährlich  pröduzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Preis  pr.Tschetw.         Werth  d.  Prod. 
Tschetwert  Rbl.  Kop.  in  Rubel. 

Roggen 170,666  6  75  i,i5>»99S 

Winterweizen     ....  443,000 

Sommerweizen  ....  734  333 

Hafer 99,000  4  —  396,000 

Gerste.     ......  4ii,333  5  —  2,056,665 

Buchweizen   .     ,     .     .    .  11,000  6  —  66,000 

SonstigesSommergetreide  788,666  6  —  4»73^996 

Zusammen  an  Getreide    2,657,998  20,175.989 

Kartoffeln 111,000  i     50  166,500 

Pud. 

Tabak I29»357  7    —  905.499 

Sandzucker  ...     .     ,    .        42,583  5     —  212,918 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    .     21,460,906 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  i22,8ooStuck,  davon  ^'6 =24,560 Stück 

im  Werthe  von  30  Rbl 736,800 

Rindviehbestand:    378,700  Stück  zur  Milchnutzung 

und'Arbeitsleistung  durchschnittlich  15  Rbl.      .     .      5,680,500 


10 


4,430,000 
7,343»333 


395 

Schafbestand :  Rubel.    - 

Landschafe   865 ,000  Stück,  pr.  Stück  Ertrag  i  R.  2  5  K.  i  ,08 1 ,2  50 

Feinw.Schafe  269,cx)0     »        »       »           »     2  »  —  •  538,000 

Schweine:    179,000  Stück,  pro  Stück  Nachzucht  und 

Mast  8  Rhl 1,432,000 

Ziegen :  23,20oStück,  pr.  Stück  Nachzucht  und  Mast  2  R.  46,400 

Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht     .       9,5 14,950 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht des  Gouvernements  ßessarabien  repräsentiren 
demnach  einen  Werth  von 30^975,866 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  aller  Art      ......     2,46  Tschetwert 

»  Kartoffeln    . 0, 10         » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     2,56         » 

An  Geldwerth:  aus  den  Produkten  des  Feldbaues     19  R.  89  K. 

*       •  »  der  Viehzucht       8  »   82  » 

Aus  der  ganzen  Landwirthschaft     28  R.  71  K. 

Im  Gouvernement  ßessarabien  überwiegt  der  Werth  der  Produkte 
des  Feldbaues  den  der  Viehzucht  um  11,945*956  Rbl.  oder  um  126 
pCt. 

Es  entfallen  im  Gouvernement  ßessarabien 

auf  I  Qu.-Meile.     auf  i  Qu.-Kilometer.  - 
Stück.  Stück. 

Pferde 187,1                   3,39 

Rindvieh 577,1  10,45  ' 

Schafe    .     , 1728,1  31,35 

Schweine 272,7                   4,95 

Ziegen 35,4                  0,64 

4.  GouTeroement  Charkow- 

Grösse  des  Gouvernements:  989,67  geogr.  Qu.-Meilen  =  54t493>9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,698,015  Einwohner,  von  denen  31 
auf  1  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  Gouvernement  produzirt: 


39g 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldba$us: 

Prein pr. Tschetw.  Werth  d,  Prod. 

Tscbetwert.  Rbl.  Kop.  in  Rubel. 

An  Roggen.    .....     1,328,333  6    75  8,966,247 

»  Winterweizen  ....        144,666  10    —  1,446,660 

»   Sortimerweizen    •    .    .       795, 000  10    —  7,950,000 

Hafer 79».333  4    —  3»  165.332 

Gerste 522,666  5     —  2,613,330 

*   ^uchweizen     ....        233,666  6    —  1,401,996 

»  sonst:  Sommergetreide .        193,666  6     —  1,161,996 


Zusammen  an  Getreide.    4,009,330  26,705,561 

»  Kartoffeln 54ii333  '     50  811,999 

Pud.  / 

»  Tabak 5».7Ö5  2    —  103,530 

»   Sandzucker.    ....       441,848  5     —  2,209,240 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    .    29,830,330 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehssucht: 

Pferdebestand:  236,800  Stück,  davon  V»  =  47,360  ä 

30  Rbl 1,420,800 

Rindviehbestand:  563,500  Stück,  (zur  Milchnutzung, 
Arbeitsleistung  und  Fleischproduktion  ,  durch- 
schnittlich 1 5  Rbl.  pro  Stück) 8,452,500 

Schafbestand : 

Landschafe        679,400  Stück,  Nutzung  i  R.  25  K.  849,250 

Feinwol.  Schafe  48 1,800      ♦  •        2  »   —  »  963,600 

Schweine  424.700  Stück,  Nutzung  8  R 3,397,600 

Ziegen  6,300      »  *         2  » 12,600 


Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht     15,096,350 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh« 
zucht  des  Gouvernements   Charkow    repräsentiren 
demnach  einen  Werth  von ^    .   44,926^680 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  aller  Art  ......     2,36  Tschetwert. 

M   Kartoffeln     ...•••..    0,51  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.    •    .    2,87  » 

An  Celdwerth:  aus  den  Produkten  des  Feldbaues     17  R.  56  K. 

»      »  »  der  Viehzucht      8  >   89  > 


Aus  der  gesammten  Landwtrthschaft    26  R.  45  K. 


-  \ 


Der  Werth  der  Produkte  des  Feldbaues  übersteigt  im  Gouvisme- 
ment  Charkow  den  der  Viehzucht  um  14,733,980  Rbl.  oder  ufrf  97 
pCt 

Es  entfällt  im  Gouvernement  Charkow 

auf  I  Qu.- Meile.       auf  f  Qii.-Kiloineter. 
Stack.  Stück. 

Pferde 239,2  4,34 

Rindvieh 569,3  10,34 

Schafe Iii73,3  21,30 

Schweine 429,1  7,79 

Ziegen 6,3  0,01 


5-  Gonfernement  Chergson. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,292,12  geogr.Qu.^Meilen "=7 1,148,0. 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,596,809  Einwohner,  von  denen  22 
auf  den  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  Gouvernement  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Tschetwert 

An  Roggen S".333 

»   Winterweizen ^77f33i 

»   Sommerweizen J  »2 16,333 

»    Hafer 381,666 

»    Gerste 479,666 


Buchweizen . 

sonstigem  Sommergetreide .     . 

Zusammen  an  Getreide 
Kartoffeln 


109000 
230.333 


c 
o 

.£5 


Tabak 


3,205,664 
342,333 

Pud. 

10,270  a  5  R. 


Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues     . 

b)  an  Erzeugnissen  der  Vie/izuc/ii: 

PferdebesUnd:  285,100  Stück,  davon  V»  =  57»020  4 
3oRbl 

Rindviehbestand:  763,400  Stück,  '/•  Schlachtvieh,  Vi 
Arbeits-  und  Milchvieh.  381,700  Stück  (Schlacht- 
vieh), V»  davon  =  76,340  Stück  ä  20  RbL      .     .     • 


Werth  d.Prod. 
in  Rubel. 

3,451,498 

2,773.330 
12,163,330 

1,526,664 

2.398,330 
654,000 

»•381,998 
24.349, '50 

5«3»5oo 

5^350 
24,914,000 


1,710.600 


1,526,800 


3S4 

381,700  Stück  Arbeits- und  Milchvieh,  Nutzung 

1 5  Rbl.  pro  Jahr    . .     .  '.  5,725,500 

Schaf  bestand:  .  ' 

Landschafe         545,600  Stück,  Nutzung  i  R.  25  K.  M2,ooo 

Feinw.  Schafe  1,669,900      t  «         »         2  •   —  >  3,339^^00 

Schweine  3121OOO  Stück,  Nutzung  8  R 2,496,000 

Ziegen        20,000      »            »         2  » 40,000 

Zusammen  aus  den  Erzeugnissen  der  Viehzucht    .     15,520,700 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht   repräsentiren    demnach    im   Gouvernement 

Chersson  einen  Werth  von 40,434^7<'0 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  aller  Art  • 2,0  ,  Tschetwert. 

»   Kartoffeln 0,14  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     •     .     2,14  » 

An  GeldwertJi:  aus  den  Produkten  des  Feldbaues     15  R.  66  K. 

»       •  »  der  Viehzucht      9  »    71   • 

Aus  der  gesammten  Landwirthschaft     25  R.  37  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  dem  Werthe  nach  die 
der  Viehzucht  im  genannten  Gouvernement  um  9,393,300  Rbl.  oder 
um  65  pCt. 

Es  entfallen  im  Gouvernement  Chersson 

auf  I  Qtt.-Meile.         auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 220,6  3,1 

Rindvieh 590,8  10,7 

Schafe I7i4?4  3^i 

Schweine 241,4  4,3 

Ziegen 15,4  0,2 

6.  Das  Donlsche  EosakeDgebiet. 

Grösse  des  Gebiets:  2,912,16  geogr.  Qu.-Meilen  =  160,351,9  Qu.- 
Kilometer;  Bevölkerung:  1,086,264  Einwohner,  von  denen  7  auf  l 
Qu.Kilometer  entfallen. 

In  diesem  Gebiete  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des,  Feldbaues : 
Es  liegen  für  die  verschiedenen  Getreidegattuhgci^  die  im  Gebiet 
der  Dpnischen  Kosaken  in  den  Jahren  1S70— 1872  zuna  Anbau  ge- 


langten,  kein^  spezialisirten  Daten  vor.  Nach  dem  Berichte  der 
Allerhöchst  ernannten  Kommission  zur  Untersuchung  des  Zustan- 
des  der  Landwirthschaft  Russlands  etc.  wurden  aber  im  Jahre  1871 
in  dem  genannten  Gebiet  (nach  Abzug  des  Samens)  geemtet: 

Werthd.Produk. 
in  Rabel. 

An  Wintergetreide       259,000  Tschetwert  ä  8  Rbl.    .       2,072,000 
*   Sommergetreide  1,008,000  »  »  7     »      .       7,056,000 

1,267,000          »  9,128,000 

(Von  dem  Sommergetreide  entfallt  der  grösste  Theil 
auf  Sommerweizen,  wesshalb  der  Durchschnittspreis 
des  ersteren  mit  7  Rbl.  angenommen  wurde.) 
An  Tabak  480  Pud  ä  3  Rbl. 1^440 

Zusammen  aus  den  Produkten  des  Feldbaues     .      9, 1 29,440 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  393,100  Stück,  davon  \h  =  78,620  St. 

ä  30  Rbl 2,358,600 

Rindviehbestand:     1,625,600     Stück,     vorzugsweise 

Schlachtvieh,  Vs  =  325,120  Stück  ä  20  Rbl.  .  .  6,502,400 
Schafbestand: 

Landschafe      2,893,100  Stück,  ä  i  R.  25  K.  Ertrag      3,616,375 

Feinw.  Schafe    120,900      »       »2t   —  »      -  »  241,800 

Zusammen  aus  den  Erzeugnissen  der  Viehzucht     .     12  719,175 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren    demnach    im   Donischen  Ko- 
sakengebiet einen  Werth  von 21^848,615 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gebiets: 

An  Getreide  aller  Art I,i6  Tschetwert. 

»   Kartoflfeln —  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .    .     1,16  » 

An  Geldwert/i:  aus  den  Produkten  des  Feldbaues      8  R.  41  K. 

t       •  •  der  Viehzucht     1 1  »   70  • 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    20  R.  11  K. 

Im  Gebiet  der  Donischen  Kosaken  übersteigt  der  Werth  der 
Produkte  der  Viehzucht  den  der  Feldbauprodukte  um  3,589,735 
Rbl.  oder  um  ca.  40  pCt. 


4ÖÖ 

Es  entfallen  im  genannten  Gebiet 

tnf  I  Qa..Meile.         auf  l  Qu.-Kilometer. 
Stück.  '  Stück, 

Pferde 134,6  2^ 

Rindvieh 550,2  10,1 

Schafe 1,034,9  18.7 

7.  Das  GouTernement  Estland. 

Grösse:  358,04  geogr.  Qu.-Meilen  =  19,714  Qu.-Kilometer;  Be- 
völkerungi  323,961  Einwohner,  von  denen  16  auf  1  Qu.  Kilometer 
entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

■Werihd.Prod. 
in  Rubel. 

An  Roggen  .     .     .     296,000  Tschetw.  ä  6  R.  75  K.         1,998,000 
»  Hafer ....     102,500         »         »  4  •    —  »  410,000 

»  Gerste     .     .     .     229,500         »         »  5  •    —  •  1.147,500 

628,000         • 
»  Kartoffeln    .     .     341,000         »         •  i  »    50  »  511,500 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues     .     4,067,000 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  68,300  Stück,  davon  Vö  =  1 3.660  ä  30 R.  409,800 
Rindviehbestand:    177,900  Stück  (Milchvieh)    15  Rbl. 

Ertrag  pro  Stück 2,668,500 

Schafbestand:  Landschafe    145,600  Stück  ä  i  R.  25  K.  182,000 

Feinw.  Schafe  108,200     *       »  2  •   —  •  216.400 

Schweine:  46,800  Stück  ä  8  Rbl.  Ertrag 374,400 

Ziegen :  2900  Stück  ä  2  Rbl.  Ertrag 5,800 

Zusammen  aus  den  Erzeugnissen  der  Viehzucht     .     3,856,900 
DieGesammt-Produkte  desFeldbaues  und  der  Viehzucht 
repräsentiren]  also  im  Gouvernement  Estland  einen 
Werthvon    ." 7,823,900 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     1,93  Tschetwert 
»  Kartoffeln •    .     .     1,05  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    . .  2,98  » 


b)  Ah  ErzeugnUsin  der  Viehzucht:  Rubel. 

Pferdebestand:  1 17,500  Stück,  davon  V»  =  23,500  St. 

ä  30  Rbl 705,000 

Rindviehbestand:   420,400  Stück  Milchvieh,   durch- 
schnittlich 1 5  Rbl.  Ertrag  pro  Stück     6,306,000 

Schafbest.:  Landschafe      378,600  St.ä  i  R.  25  K.Ertr.  473.250 

Feinw. Schafe  126,300  »    »2  *  —  »     »  252,600 

.  Schweine  256,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    ....  2,054,400 

Ziegen           7,600     >       ■  2     >           »           ....  15,200 

Zttsamnien  aus  Erzeugnissen  der  Viehzucht    .      9,806.450 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht zusammen,  repräsentiren  demnach  im  Gou- 
vernement Grodno  einen  Werth  von     .    •    .     .     .     24,347^434 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     •     .     1,97  Tschetwert. 
»  Kartoffeln 1,39  *       » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     •3.36  » 

An  Geldwerth  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  14  R.  41  K. 

•       •  »  der  Viehzucht    9  *    75  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  •     24  R.  16  K. 

Im  (louvernement  Grodno  übersteigt  der  Werth  der  Produkte 
des  Feldbaues  den  der  Produkte  der  Viehzucht  um  4,734,534  Rbl. 
oder  um  48  pCt. 

«  • 

'  Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Grodno 

rfuf  I  Qu.-Meile.         auf  1  Qu.. Kilometer. 
Stück.  Siück. 

Pferde 166,9  3,0 

Rindvieh 597.2  io.8 

Schafe 717,2  13,0 

Schweine 364  8  6fi 

Ziegen 107  0,2 


9*  GouTernement  Jarosslaw. 

Grösse  des  Gouvernements:  646,76  geogr.  Qu.-Me]len  =  35,612,6 
Qo.-Kilometer;  Bevölkerung:  i »00 1,748  Einwohner,  von  denen  28 
^uf  I  Qu  .-Kilometer  entfallen. 


403     , 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produztrt: 
a)  An  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werthd.Pro4, 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen 720,000 

»   Hafer 829,500 

»  Gerste 357iOOO 


g  4,860,000 

0  3.318,000 
•g  1,785,000 

1  9)903.000 


Zusammen  Getreide     .     1,906,500 
»   Kartoffeln 547,666  }^         821,499 

Pud. 

»  Flachs 500,oooa3R.    1,500,000 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    .     12,284,499 

b)  An  Erzeugnissen  der  VieJizucJit: 

Fferdebestand:  167,400,  davon  V*  •=  33,480  ä  30  Rbl.  1,004,400 
Rindviehbestand:  294,200  Milch-  und  Zuchtviehpro- 

duktion  ä  1 5  Rbl.  Ertrag 4,413,000 

Schäfbestand :  Landschafe  281,700  St.a1R.25K.Ertr.  352,125 

Schweine:  1600  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung 12,800 

Ziegen:  200  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung .    400 

Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht     •       5,782,725 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  demnach  im  Gouvernement  Ja- 
rosslaw  einen  Werth  von 18^067^224 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     1,90  Tschetwert. 
>   Kartoffeln 0,54  .» 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     2,44  » 

An  Geldwerth  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  12  R.  2S  K. 

*       »  *  der  Viehzucht     5  -»   77  • 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  18  R.  05  K. 

Im  Gouvernement  Jarosslaw  übersteigt  der  Werth  der  Feldbau- 
produkte den  der  Viehzuchtprodukte  um  6,501,764  Rbl.  oder  um 
112  pCt. 

26* 


4ft4 
Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernement 

auf  I  Qtt.-Meile.         aaf  i  Qu«-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 258,8  4,7 

Rinder  .     .     .     .     .     .     .     .  454,7  8,2 

Landschafe 435  t  5  7i9 

Schweine 2,4  0,0 

10.  Qoiifememeiit  Jekaterinosslaw. 

Grösse  des  Gouvernements:  1229,88  geogr.  Qu.-Meilen= 67,720, 8 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,352,300  Einwohner,  von  denen  20 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  genannten  Gouvernement  produzirt : 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Wcrthd  Prod. 
in  Rubel. 

An  Wintergetreidc  *    .     495,oooTschetw.  ä  8  R,  —  K.    4,490,000 
»  Sommergetreide    .  2,257,333       *  •  7  •    —  *     159801,331 

Zusammen  an  Getreide  2,752, 333 Tschetw.  20,291,331 

An  Kartoffeln    .     .     .      222,000       »         »  i  •    50  •  333,000 

»  Tabak      ....  5,457 Pud  »2»  — *  10,914 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    •    20,635,245 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:   155,600  Stück,  davon   V5  =  31,120 

Stück  ä  30  Rbl.     . 933>6oo 

Rindviehbestand:   673,600  Stück;  Schlacht-,  Zug- und 
Milchvieh:  *;♦  =  505,200  Stück  Schlacht-  und  Zug- 
vieh, davon  V»  =z  101,040  Stück  ä  20  Rbl.     .     .     .       2,020,800 
und  168,400  Stück  Milchvieh  ä  15  R.  Jahresnutzung       2,526,000 

Schafbestand: 

Landschafe  883,100  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung       i,  103,875 

Fein  woli.  Schafe  1,741,400     *      .2*— •         »  3,482,800 

Schweine:  182,900  Stück  ä  8  RbL  Nutzung  ....       1,463,200 

Ziegen:         30^900      .      »  2    •  •         ....  61,800 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     1 1,592,075 


*  Wie  für  das  Douische  Kosakengebiet,  so  fehlen  auch  für  das  Gouvernement  Jeka- 
terinosslaw Daten  über  die  Anssaaten  und  Ernten  der  Yerschiedenen  Getreidearten  und 


405 


Rubd. 


Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der 
Viehzucht  repräsentiren  demnach  im  Gouvernement 
Jekaterinosslaw  einen  Werth  von      .  ' 


82,287»320 


Es  entfallen  sonach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     2,03  Tschetwert 
*  Kartoffeln 0,16  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .2,19  • 

An  Geldwerthi  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     1 5  R.  26  K. 

»       »  »  der  Viehzucht      8  •    75  * 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  derLandwirthschaft    24  R.    i  K. 

Im  Gouvernement  Jekaterinosslaw  übersteigt  der  Werth  der  Pro- 
dukte des  Feldbaues  den  der  Viehzuchtprodukte  um  10,171,836  Rbl. 
oder  um  87  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  genannten  Gouvernement 


auf  I  Qa.-Meile. 

auf  I 

Qu.-ICilometer. 

Stttck. 

Stttck. 

Pferde     .     . 

.     .        126,5 

2,3 

Rindvieh 

•     .      54;.6 

9>9 

Schafe    .     .     . 

•      2133,9 

38.7 

Schweine    .     . 

.        148.7 

2.7 

Ziegen    .     .    . 

2S.I 

0,4 

1 1.  GonTemement  Kaloga. 

Grösse  des  Gouvernements:  561,59  geogn  Qu.-Meilen  oder 
30,922,9  Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  996,252  Einwohner,  von  de- 
nen 32  auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


liegen  nvr  GeMimmUngaben  ttber  Winter  und  Sommer-Getreide  Tor.  Da  aach  im  Jeka- 
terinosslaw'schen  GouvememeDt  beim  Sommergetreidebau  die  Kaltar  von  Sommer- 
weizen vorherrscht,  so  wurde  auch  hier  der  durchschnittliche  Preis  (ttr  Sommergetreide 
mit  7  Rbl.  in  R«chnuig  gestellt 


4o6 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werthd.Prod. 
Tschetwert  in  Rubel 


An  Roggen 642,000 

»  Winterweizen     .     .     .     .     .     .     .  2,746 

*  Hafer 810,000 

*  Gerste •    .    .    •  194,000 

»    Buchweizen  .     .     .     .     .     .     .   • .  89,666 

*  sonstigem  Sommergetreide  •    .     .  70,333 


4,233,500 
g  27,460 

1  3,240,000 
o         970,000 

^  J         537,996 

2  421,998 


^       9,430,954 
480,000 


1,808,745 

Kartoffeln*    ........       320,000 

Pud. 

Hanf 400,000  a  3  R.    1,200,000 

Tabak 25*2  •  50 

Zusam  men  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .     11,111 ,004 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  200,600  St.,  davon  V»=40,I25  ä30R.  i|203,750 
Rindviehbestand :   1 76,900  Stück,  Nutzung  pro  Stück 

durchschnittlich  15  Rbl.      .........  2,653,500 

Schafbestand:  Landschafe  307,300  Stück  ä   l   Rbl. 

2$  Kop.  Nutzung 460,950 

Schweine:  143,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  1,150,400 

Ziegen:  300  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 600 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    •       5,469^200 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  'Vieh- 
zucht repräsentiren  demnach  im  Gouvernement  Ka- 
luga  einen  Werth  von     .........     .    16,580,204 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     1,81  Tschetwert. 
*   Kartoffeln 0,31  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .2,12  » 

hxkGtUhverth: ZM^  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  11  R.  14  K. 

»      »  »  der  Viehzucht    5  »   59  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwtrthschaft  16  R.  7}  K. 


407 

Der  Werth  der  Feldbauprodukte  übersteigt  den  der  Viehzucht- 
produkte im  Gouvernement  Kaluga  um  5,641,804  Rbl.  oder  um  103 
pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernement 

auf  I  Qu.-Meile.        auf  i  Qu.- Kilometer. 
Stück.  Stttck. 

Pferde.     .......  357,2  6,4 

Rindvieh 314,9  5,7 

Schafe 547,1  9,9 

Schweine 256,0  4,3 


12.  GouTernement  Kasan. 

Grösse  des  Gouvernements:  1 157,12  geogr.  Qu.-Meilen  =  63,714,7 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,704,624  Einwohner,  von  denen  27  auf 
1  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeu£;nissen  des  Feldbaues: 

TschetwerL 

An  Roggen 2,641,000 

•  Sommerweizen* 488,333 

•  Hafer 1,211,333 

»  Gerste ^60,333 

»  Buchweizen 

<  sonstigem  Sommergetreide .     .     . 


Kartoffeln 


546,000 
362,666 

5,409.665 
i53»333 


c 
o 

^■^ 

2 
'55 

u 


Werth  d.Prod. 
iQ  Rubel. 

17,826750 
4.883.330 

4.845.332 
801,665 

3,276,000 

2>i7S>996 

331809,073 
227,777 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     34,036,850 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  429,100  Stück,  davon  V»  =  85,820 
Stück  ä  30  Rbl 

Rindviehbestand:  289,400  Stück  Milchvieh  ä  15  R. 
Nutzung ,     ,     .     .     .     t 


2,574,600 


3,341,000 


Mm  Jahre  1872  wurde  auch  etwas  Wintervreizen  kultivirt,  wihrettd  in  den  Jahren 
▼orher  kein  Anbau  eine»  iolcben  stattfand. 


4o8 

Schafbestand':  Landschafe  1,060,300  Stück,  pro  Stück  Rubel. 

I  Rbl.  25  Kop.  Nutzung     . 1*325,375 

Feinw.  Schafe  6,300  Stück,  pro  Stück  2  R.  Nutzung  12^600 

Schweine :  223,400  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     .     .  1,787,200 

Ziegen:    '     70,400      »      » 2    » 140,800 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht  •      9»  181, 575 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Kasan  einen 
Werthvon 43,218,425 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  G!r/r^V/^  verschiedener  Art     .     .    .    3,17  Tschet wert 
»  Kartoffeln     .     , 0,09        a 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    • .  3,26        » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues     19R.  96K. 

*       •  *  der  Viehzucht       5  #  27  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    25  R.  23  K. 

Der  Werth  der  Feldbauprodukte  übersteigt  im  Gouvernement 
Kasan  den  der  Viehzuchtprodukte  um  24,855,275  Rbl.  oder  um 
270  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernement 

auf  X  Qu.* Meile.       auf  X  Qa.-Kilometcr. 
Stttck.  Stück. 

370,8  6,^ 

250,1  4,5 

921,7  16,7 

193.0  3.5 

60,8  1,1 


Pferde    . 
Rindvieh 
Schafe   . 
Schweine 
Ziegen    . 


13.  GoaTemement  Kijew. 

Grösse  des  Gouvernements :  926,03  geogr.  Qu.-Meilen  =  50,990»  i 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  2,175,132  Einwohner,  von  denen  43 
auf  1  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


409 


a)  CM  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen 1,974,666 

»   Winterweizen i,346,cxx) 

*  Sommerweizen 7S>ooo 

.   Hafer 1,642,666 

»    Gerste 769,666 

»   Buchweizen 725,000 

>   sonstigem  Sommergetreide .     .     .  613,333 


Werthd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 

13.328.995 
.     13,460,000 

S       750,000 

o      6,570,664 

I        3.848,330 
g        4.350,000 

S    3.679,998 

45,987,987 
1.599.999 


(ll 


Zusammen  an  Getreide    .    7»  146,331 
.   Kartoffeln •.     1,066,666  ) 

Pud. 

»  Tabak 1,249  a  2  R.  2,498 

*  Sandzucker 3.»7i.794»5»   15,858,970 


Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues     •    63,449,454 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:   196,400  Stück,  davon  V*  =  39>28o  ä 

3oRbl 1,178,400 

Rindviehbestand:   548,700  Stück,  grossentheils  Milch- 

und  Schlachtvieh  ä  1 5  Rbl.  Nutzung 8,230,050 

Schafbestand: 

Landschafe        837,700  Stück,  Nutzung  i  R.  25  K.  1,047,125 

Feinw.  Schafe      45,000      »           »         2  »   —  »  90,000 

Schweine  381,700  Stück,  Nutzung  8  R 3,053,600 

Ziegen        35,000      »            »        2  » 70,000 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    •     13,669,175 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Kijew  einen 
Werthvon 77,118,629 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .    •     .     3,28  Tschetwert. 
»  Kartoffeln 049  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.    •    .     3,77  » 

An  Geldwerth  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  29  R.  16  K. 

•      •  »  der  Viehzucht    6  »   28  • 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  35  R.  44  K. 


410 

Der  Werth  der  Produkte  des  Feldbaues  übersteigt  im  Gouverne- 
ment Kijew  den  Werth  der  Produkte  der  Viehzucht  um  49,780,279 
Rbl.  oder  um  364  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernenient 

auf  I  Qtt.-Meile.         auf  l  Qu. -Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde     . 212,0  3,8 

Rindvieh 592,5  10,7 

Schafe 953,2  17,5 

Schweine     • 4i3fi  7A 

Ziegen .  37,8  0,6 


14-  OoiiTernemeiit  Eostroma. 

Grösse  des  Gouvernements:  1538,15  geogr.  Qi|. -Meilen =84,692,6 
Qu.* Kilometer;  Bevölkerung:  1,176,097  Eio wohner,  davon  14  auf 
I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt : 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues  i 

Tschetwert. 

An  Roggen 9^5.333 

»  Winterweizen ,     .  235 

•  Sommerweizen  .     , 102,000 

•  Hafer  .     .    .     .     , 88opoo 

•  Gerste 260,666 

»  Buchweizen ,     .  206 

B  sonstigem  Getreide 50,000 


e 


>*l 


V 


2,208,440 
Kartoffeln 309,666 

Pud 

Flachs i,ooo,oooä5R. 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    . 


Werth  d.Prod. 
m  Rubel. 

6,178,498 

2.350 
1,020,000 

3,520,000 

1.303.330 
1,236 

300,000 

12,325,414 
464.499 

5,000,000 
17,789.913 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand :  224,200  Stück,  davon  Vs =44,840  Stück, 
ksoRbl 1,344,200 


411 

Rubel. 

Rindviehbestand:  415,600  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung  •  6,225,000 
Schafbestand:  Landschafe  469,90oSt.  ä  i  R.  25  K.  Nutz.  587,375 
Scbweinebestand :  15,500  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .        124,000 

Zusammen  an  Produkten  der  Viehzucht    .     8,280,575 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Kostroma  einen 
Werthvon 26,070,488 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  C^/y^i/^  verschiedener  Art    .     .     .     1,87  Tschetwert 
•  Kartoffeln 0,26  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     •     .     2,13  » 

An  (z^i^zc/^r//i:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     15  R.  12  K. 

•       *  s  derViehzucht       7  »     4  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft     22  R.  16  K. 

Im  genannten  Gouvernement  übersteigt  der  Werth  der  Feldbau- 
produktion den  der  Produktion  der  Viehzucht  um  9,509,340  Rbl. 
oder  um  114  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Kostroma 

auf  I  Qu.-Melle       auf  i  Qn.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde .     ." 145,7  2,6 

Rindvieh]  . 269,7  4,8 

Schafe 305,5  5,5 

Schweine 10,0  0,i 


15.  GonTerDement  Kowno. 

Grösse  des  genannten  Gouvernements:  738,08  geogr.  Qu.-Meilen 
=  40,640,9  Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,156,041  Einwohner,  von 
denen  28  auf  i  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


412 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues:^ 


Werthd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubd. 


c 


An  Roggen .  920,000  ^ 

»  Winterweizen 91,000 

•   Sommerweizen 65,000 

Hafer 619,000 

Gerste 416,500  J-^      2,080,000 

Buchweizen 20,500 

»  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  114,500 


» 


6,210,000 

910,000 

8        650,000 

o      2,476,000 


V         123,000 
g        687,000 


Zusammen  an  Getreide         2,246,500 
»  Kartoffeln 903,000 

Pud. 

»  Flachs 6oo,oooä5R.    3,000,000 


13,136,000 
1.354,500 


Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    •     17,490,500 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  298,800  Stück,  davon  V^  =  59>7^  ^ 

30Rbl 1,792,800 

Rindviehbestand  t  518,600  Stück,  (Milch-  und  Zucht-) 

Nutzung  1 5  Rbl.  pro  Stück 7,779,000 

Schafbestand: 

Landschafe        378,500  Stück,  Nutzung  i  R.  25  K.  473.125 

Feinwol.  Schafe         800      •             »        2  »   —  »  1,600 

Schweine  288,000  Stück,  Nutzung  8  R 2,304,000 

Ziegen        78,600      *            *        2  » 157,200 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     12,507,725 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Kowno  einen 
Werth  von 39,998,325 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verchiedener  Art   .     .     .     1,95  Tschetwert. 
s  Kartoffeln 0,78 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .    .    2,73  > 


^  Die  hier  gegebenen  Getreide-Erträge  sind  Durchschnittssablen  der  in  den  Jahren 
1871  and  1872  gewonnenen  Ernten;  dagegen  die  fUr  KartoflTela  Durchschnittsertrige 
der  Jahre  1870-  187a, 


413 

An  Geldwerth  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  15  R.  13  K. 

»       •  »  der  Viehzucht  10'  »   82  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  25  R.  95  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  im  genannten  Gouver- 
nement die  Erträgnisse  der  Viehzucht  dem  Werthe  nach  um 
4,982775  Rbl.  oder  um  39  pCt 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Kowno 

auf  I  Qu.Meile.       auf  i  Qu. -Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 404,8  7,0 

Rindvieh 702,5  12,7 

Schafe 5i3,9  9.3 

Schweine 390,2  7,0 

Ziegen 106,4  1,9 


16.  Goavernemeiit  Karlrad. 

Grösse  des  genannten  Gouvernements:  495,54  geogr.  Qu.-Meilen 
=:  27,286,0  Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  619,154  Einwohner,  von 
denen  23  auf  i  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

Roggen    .........        544,066 


« 


130.333 

7.333 
401,666 

404,666 

467 
45.666 


Winterweizen 

Sommerweizen 

Hafer ,     . 

Gerste •     . 

Buchweizen 

sonstigem  Sommergetreide  .     .     . 

1.534,797 
Kartoffeln :     .     .        655,666 

Pud. 

Flachs 150,000a  5  R 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    • 


c 

O 


Werth  d.Prod. 
in  Rubel. 

3,676,49s 

«,303.330 

72,330 

4,606,664 

2,023,330 
2,802 

273.996 

8,959.947 
983.499 

750,000 


10,693,446 


414 


« 


b)  an  Erzeugnissen  der  VieJtzucht: 

Pferdebestand:  154,400 Stück,  davon  V6= 30,880 Stück 

ä  30  Rbl ^ 926,400 . 

Rindviehbestand:  445,100  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung   .  6,667,500 

Schafbestand:  Landschafe 495,30oSt.  ä  i  R.25K.Nutz«  619,125 

B            Feinw.Schafe  16,400  •  •  2  •  —  »     »  32,800 

Schweine:  157,400  Stück  Ji  8  Rbl.  Nutzung  ....  1,259,200 

Ziegen:          7,700     »       •  2    »           »          ....  15,400 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    •      9,520,425 

Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentirt  im  Gouvernement  Kurland  einen 
Wcrthvon   .    .     .    , 20,213,871 

Hiemach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art   .     .     .     2,47    Tschetwert 
»  Kartoffeln 1,05  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .3,52  » 

An  Geldwerth:  Aus  den  Erträgnissen  desFeldbaues     17  R.  27  K. 

»       »  »       .     der  Viehzucht      15  »    37  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  .     32  R.  64  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  im  genannten  Gouver- 
nement die  Erträgnisse  der  Viehzucht  um  1,173021  Rbl.  oder  um 
12  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Kurland 

auf  I  Qu.-Meile.        auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde      .......     311,5  5,6 

Rindvieh.     ......     898,5  16,3 

Schafe 1032,6  18.7 

Schweine '3^7,6  6,4 

Ziegen     .......       15.S  ^i^ 

17.  Gourernement  Kursk. 

Grösse  des  genannten  Gouvernements:  843,68  geogr.  Qu.-Meilen 
=  46,455,3  Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,954,807  Einwohner,  von 
denen  42  auf  i  Qu.-Kilometer  entfallen. 


4'5 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werthd.Produk. 
Tschetwcrt.  in  Rubel. 


An  Roggen  . 5,223,666 

•   Winterweizen 721,000 

Sommerweizen 99tOOO 

Hafer 5,n  8,333 

Gerste 138,000 

Buchweizen. 995^666 

sonstigem  Getreide 281,333 


• 


» 


35»2S974S 
7,210,000 

J        990,000 

o    20,473,332 

•r  828,000 

S!      S. 973*996 
g      1,687,998 


P4 


72.423,071 
1,622,250 


12,576,998 

*  Kartoffeln 1,081,500 

Pud. 

*  Hanf. ^  550,oooä3R.     1,650,000 

*  Tabak ii,325»2«  22,650 

»   Sandzucker 233,562*5  »      1,167,810 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues     .     76,885,781 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzticht: 
Pferdebestand:  602^00  Stück,  davon  \6  =  120,480  St. 

ä  30  Rbl 3,614,400 

Rindviehbestand :  3  52,800  St.  (Milcti-,  Zug-,  Zucht-  und 
Schlachtvieh)  '/a  =  176,400  Zug-  und  Schlachtvieh, 
davon  ^5  =  35,280  ä  20  Rbl.  und  176,400  ä  15  Rbl. 

Nutzung, 3f3Si,6oo 

Schafbestand : 

Landschafe       955,900  Stück,  ä  i  R,  25  K.  Nutzung       1,194,875 

Feinw.  Schafe    65,800      »       #  2  »  —  »        »  131,600 

Schweine:  407,500  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....       3,260,000 

Ziegen:         32,500      »      *  2     •  *  ....  65,000 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     .     11^617.475 

Die  Gesammt- Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Kursk  so- 
nach einen  Werth  von 88,503,266 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     6,43  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 0,55  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.    .    .     6,98  « 


4i6 

Aa  Geldwertli  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  39  R.  33  K. 

■       •  •  der  Viehzucht    5  »   94  "» 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  45  R.  27  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  im  genannten  Gouver- 
nement die  der  Viehzucht  um  65,268,3o6Rbl.  oder  um  561  pCt. 
Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Kursk 

auf  I  Qu.-Meile.  auf  i  Qu.-Kiloineter. 

Stück.  Stuck« 

Pferde 714,0  12,9 

Rindvieh 418,1  7,5 

Schafe 1,211,0  21,9 

Schweine 483,0  8,4 

Ziegen 38,5  0,6 


1 8.  GoaTernemeiit  Li? land. 

Grösse  des  Gouvernements:  838,88  geogr.  Qu.-Rfeilen  =  46,190,9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,000,876  Einwohner,  von  denen  22 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  genannten  Gouvernement  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues^: 


An  Roggen ,     . 

»  Winterweizen 

.  Sommerweizen 

•  Hafer ,     . 

»  Gerste 615,000 

*  sonstigem  Sommergetreide .     .     .        236,000 


Tschetwert. 
1,999,500 
38,500 
77,000 
552,000 


3,518,000 

»   Kartoffeln 1,453,666 

Pud. 

•  Flachs 1,500,000 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues 


o 

V 

VI 

V 


Wcrth  d.  Prod, 
in  Rubel, 

13,496,625 

385,000 

770,000 

2,208,000 

3.075,000 

1,416.000 

21,350,625 
2,180,499 

7,500,000 


31,031,124 


*  Pie  folgenden  Angaben  sind  die  Dorcbschnlttsertiitge  der  Jahre  187 1  und  1872. 


4t7 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzuchti  Uybcl 
Pferdebestand:  i48,90oStück,  davon  V6=29,78oStück 

iSoRbl ,     .     .     .  893,400 

Rindviehbestand:  371,300  Stück  ä  15  Rbl.  Ertrag  .     .  5,560,500 
Schafbestand : 

Landschafe      261,500  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  326,875 

Feinw.  Schafe     33,000      »      »  2  «  —  «         »  66,000 

Schweine:   157,400  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung.     .     .     .  1,259,200 

Ziegen:          18,100      •      •  2    »           »        ....  36,200 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    .       8,151,175 
Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentirt  sonach   im  Gouvernement   Liv- 
land  einen  Werth  von 39^182,299 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements : 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     3,54  Tschetwert 
»  Kartoffeln 1,45         » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .    4,99         > 

An  O/^ze/^r/i;  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     31  R.  09  K. 

>     »  »  der  Viehzucht      8  •    14  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    39  R.  23  K. 

Es  übersteigen  im  genannten  Gouvernement  die  Erträgnisse  des 
Feldbaues  die  der  Viehzucht  um  22,879,949  Rbl.  oder  um  280  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Livland 

auf  I  Qn.-Meile.     auf  I  Qn.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 177,4  3,2 

Rindvieh 442,6  8,0 

Schafe    .     , 351,0  6,3 

Schweine i87f6  3,4 

Ziegen    •...••••  21,6  0,3 

19.  Das  GoQTsrnement  Minsk. 

Grösse  des  Gouvernements:  i6S9,i4geogr.  Qu.-Meilen  =  9ii357>3 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung!  1,182,230  Einwohner,  von  denen  13 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen« 

HUBS.  RKVCB.BD.XUI.  27 


\ 


4i8 


Es  wurden  im  genannten  Gouveraement  produzirt: 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues  i 


Tschetwcrt, 

An  Roggen 915,666  '^ 

»  Winterweizen    .......  53*666 

9  Sommerweizen 80,666 

»  Hafer 479iOOO 

»  Gerste 279.600 

%  Buchweizen 191,000 

»  sonstigem  Sommergetreide  .    .     .  62,000 


c 
o 


o 


>•: 


1,961,598 
»  Kartoffeln 1,101,666 

Pud. 

»  Flachs 600,000 

»  Tabak '  .     .     .     .  2,121 

•  Sandzucker 12,419 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues 


V 

'v 

u 


Wcrthd.Prod. 

in  Rubel. 

6,180,745 

536,660 

806,660 

1,916,000 

1,398,000 

1,146,000 

372,000 

12,356,065 
1,652,499 

'  3,000,000 

4,242 

62,095 


17,074,901 


1,221,600 
6,096,000 

457>ooo 

193,200 

2,570,400 

69,200 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  203,600 St.,  davon  Vs  =40,720  ä  30  R. 
Rindviehbestand:  406,400  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung  . 
Schafbestand : 

Landschafe       365,600  Stück  ä*  i  R.  25  K.  Nutzung 

Feinw,  Schafe    96,600     »       »  2  »   —  *        * 
Schweine:  321,300  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     ,     .     . 
Ziegen :  34,600  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 

Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht     .     10,607,400 
Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
Zucht  repräsentirt  im  Gouvernement  Minsk  einen 
Werthvon 27,682,301 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     1,65  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,93  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    . 


.     2,58 

An  Geldwerth:  Aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues 

•       »  *  derViehzucht 


14R.  44R. 
8  •  97» 


Aus  der  gesammten  Landwirthschaft    23  R.  41 K. 


4^9 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
6,467,501  Rbl.  oder  um  60  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Minsk 

auf  I  Qu.»Meile,    auf  i  Qu.-Kilometer, 
Stück.  Stttck. 

Pferde 122,7  3,2 

Rindvieh ^3^f7  4»4 

Schafe 279,8  5,0 

Schweine I93»6  3>5 

Ziegen 20,8  0,3 


20,  Goaremement  Mohilew. 

Grösse  des  Gouvernements:  872,56  geogr.  Qu.-Meilen  =48,047,7 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  947,625  Einwohner,  von  denen  20 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  genannten  Gouvernement  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwcrt. 

An  Roggen 728,000 

.     / 6666 


38,666 
796,000 

257»333 
293,000 

35,000 


»  Winterweizen 

»  Sommerweizen  ....... 

•  Hafer 

»  Gprste 

•  Buchweizen 

»  sonstigem  Sommergetreide  .    .     . 

2,154,665 
»  Kartoffeln •    .     .     1,603,666 

Pud. 

.  Hanf 400,oooä3R 

•  Tabak 20  •  2  « 

»  Sandzucker    ..♦.•...-        16,853  »5  » 


c 
u 

o 


Wcrth  d.  Prod. 
in  Rubel. 

4.914,000 

66fi6o 

386,660 

3,184,000 

1,286,665 

1,758,000 

210,000 

11,805,985 
2,405,499 

1,200,000 

40 

84,265 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .     15^95,789 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  271,200  Stück,  davon    Vs  =:  54,240 
Stück  ä  30  Rbl 


1,627,200 

27* 


42Ö 

Rubel. 

Rindviehbestand:   320,800  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung  .  4,812,000 

Schafbestand: 

Landschafe            3 1 9,200  Stück  ä  i  R.  2  5  K.  Nutzung  399>ooo 

Feinwoll.  Schafe        8,200    *     » 2  »  — »         »  16,400 

Schweine:  219,900  Stück  k  8  Rbl.  Nutzung  ....  1,759,200 

Ziegen:         3t»iOO      ^      >  2    »           »         ....  62,200 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     .       8,676,000 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der 
Viehzucht  repräSLentiren  im  Gouvernement  Mohilew 
einen  Werth  von  . 24^171,789 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     2,27  Tschetwert 
»  Kartoffeln 1,69  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     3,96  » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     16  R.  35  K. 

»      »  »  der  Viehzucht      9  »    16  * 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    25  R.  51  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
6,819,789  Rbl.  oder  um  78  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Mohilew 


auf  I  Qa.-Meile. 

auf  I  Qu.-Kilometer 

Stück. 

Stuck. 

Pferde     .    . 

.  •  .        310.6 

5,6 

Rindvieh 

•     .        367.6 

6,6 

Schafe    .    . 

•    .      37S.2 

6,8 

Schweine    . 

.     .      252,1 

4.5 

Ziegen    .     . 

•    •        35.6 

0,6 

21.  GouTemement  MoskaiL 

Grösse  des  Gouvernements:  604,81  geogr.  Qu.-Meilen  =  33,302,3 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,913,699  Einwohner,  von  denen  57 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  ^nannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


Werthd.Produk. 

Tschetwert, 

in  Rubel. 

351.500  1 

• 

4,172,625 

464,500 

s 

1,858,000 

32,000 

0 

160,000 

35.500 

"5 

2I3|000 

6,500 

u 
Ol 

39.000 

890,000 
480,500  . 

6,442,625 
720,750 

421 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues:^ 

An  Roggen •     .     . 

»   Hafer 

*  Gerste 

»  Buchweizen 

«  sonstigem  Sommergetreide    .     . 

»  Kartoffeln 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .       7>i63i375 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  250^000  Stück,  davon  ^5  =  50,000  St. 

ä  30  Rbl 1,500,000 

Rindviehbestand:  246,800  Stück,  ä  15  Rbl.  Nutzung  .  3,702,000 

Schafbestand : 

Landschafe       278,400  Stück,  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  348,000 

Feinw.  Schafe         400      *       »  2  •  —  »        »  800 

Schweine:  20,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung     ....  166,400 

Ziegen:            200      *      *  2     ■           •           ....  400 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     .       5,717,600 
Die  Gesammt- Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht  repräsentiren  im  Gouvernement  Moskau   so* 
nach  einen  Werth  von 12^880^975 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art ...  *  0,46  Tschetwert. 
»  Kartoffeln   • 0,25  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .    0,71  • 

An  Geldwerth  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     3  R.  74  K. 

•       »  •  der  Viehzucht     2  «   98  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    6  R.  72  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehsucht  um 
1,445,775  Rbl.  oder  um  23  pCt. 


'  Die  Angaben  ttber  die  Getreideprodnktion  betreten  die  Jahre  187t  und  187a. 


422 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Moskau 

auf  I  Qa*-Meile.         auf  i  Qu.-Kiloineter. 
Stück.  Stück. 

Pferde 413,3  7,5 

Rindvieh. 408,0  7,4 

Schafe 460,9  8,3 

Schweine 34,3  0,6 

Ziegen 0,3  0,00 

22.  GouTernement  Nishnij-Nowgorod. 

Grösse  des  Gouvernements:  931,16  geogr.  Qu.-Meilen  "=  51,272,5 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,271,564  Einwohner,  von  denen  25 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert 

An  Roggen 1,702,333 

»   Sommerweizen 245^000 

»    Hafer 1,019,666 

.    Gerste. »40,333 

»   Buchweizen 238,666 

.     .  1 76,000 


>   sonstigem  Sommergetreide .     . 

Zusammen  an  Getreide 
•   Kartoffeln 


Tabak 


3»52i,998 
325,000 

Pud. 

1,485  *J 


c 
o 


Wcrthd.Prod. 
in  Rubel. 

1 1,490,748 

2,450,000 

4,078,664 

701,665 

1,431,996 
1,056,000 


•5     21,209,073 
^  48/1500 

2,966 


Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues  21,699,539 


»b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  241,700  Stück,   davon  7»  =  48,340  ä 
30  Rbl.     .  • .     .  - , 

Rindviehbestand:   220,000  Stück,  4  15  Rbl.  Nutzung  . 

Schafbestand : 

Landschafe        494,600  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  . 
Feinwol.  Schafe     3,800    »      2  »   —  »  t 


1,450,200 
3,300,000 

618,250 
7,600 


^  Im  Durchschnitt  der  Jahre  186S— 1870. 


^^ 


423 

Rubel. 

Schweine  56,100  Stück,  ä  8  R.  Nutzung 448,800 

Ziegen        7,800      »       »  2  »  •        15,600 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .       5,840,450 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Nishnij-Now- 
,  gorod  einen  Werth  von 27,5395989 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     2,77  Tschetwcrt. 
•   Kartoffeln 0,27  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     •     .     3,04  > 

ATiGeldwerth:2L\xs  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  17  R.  06  K. 

*       »  »  der  Viehzucht    4  »    59  • 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  21  R.  65  K. 

Der  Werth  der  Produkte  des  Feldbaues  übersteigt  im  Gouverne- 
ment Nishnij-Nowgorod  den  Werth  der  Produkte  der  Viehzucht  um 
15,859,089  Rbl.  oder  um  271  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernement 

aaf  I  Qn.-Meile.        aaf  i  Qa.-Kilometer. 
Stück.        ^  Stück. 

Pferde 259,5  47 

Rindvieh 236,2  4,2 

Schafe 535>2  9,7 

Schweine 60|3  1,0 

Ziegen 8,3  0,1 


23.  OonTernement  Nowgorod. 

Grösse  des  Gouvernements :  2,22 1 ,77  geogr.  Qu.-Meilen = 1 22,337,  i 
Qu.- Kilometer;  Bevölkerung:  1,011,445  Einwohner,  von  denen  8  auf 
I  Qu. -Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


4H 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues  i 


An  Roggen    .    . 
»  Sommerweizen 
•  Hafer  .     .    . 
»  Gerste .     .     . 


Tfchetwert. 
51I,CXX>   ' 

3.666 

9269000 
68,666 

23,000 


c 

o 

0) 


>• 


CO 

'53 

u 


»  Buchweizen  . 

»  sonstigem  Sommergetreide  . 

1,555.332 
»  Kartoffeln 234,666 

Pud 

»  Flachs 20,oooä5R. 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  209,900  Stück,  davon  V^  =4 1  »980  Stück 

ä3oRbl 

Rindviehbestand:  382,200  St.  Milchvieh  ä  15  Rbl.  Nutz. 
Schafbestand:  Landschafe  243,oooSt.  ä  i  R.  25  K.  Nutz. 
Schweinebestand :  28,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .  . 
Ziegen:  5.900     #       >  2    »  •  .     . 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    • 


Wcrth  d.Prod. 
in  Rabel. 

3.5 16.750 

36,660 

3,704,000 

343.330 
78,000 

138,000 

7,816.740 
352,000 

100,000 


8,268,740 


1,259,400 
5733,000 

303.750 
230,400 

11,800 
7.538.350 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  im  Gouvernement  Nowgorod 
einen  Werth  von 15,807,090 

Es  entfallen  sonach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art    .     .     .     1,53  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,23  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     . 


1,76 


An  Geldiverth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues       8  R.  17  K. 

♦       »  »  der  Viehzucht       7  »   45  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  derLandwirthschaft     15  R.  62  K. 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen  demnach  diejenigea 
aus  dem  Ertrage  der  Viehzacht  um  730,390  RbL  oder  um  9  pCt. 


Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Nowgorod 

auf  I  Qa.-Meile.  anf  i  Qo.-KUometer. 

Stück.  Sttlck. 

Pferde 94,0  1,6 

Rindvieh   .......     172,0  3,1 

,      Schafe 109,3  i*9 

Schweine 12,9  2,3 

Ziegen 2,6  0,4 


24.  GoaTernement  Olones. 

Grösse  des  Gouvernements:  2,470,43  geogr.  Qu.-Meilen  = 
136,045,7  Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  296,392  Einwohner,  von  de- 
nen 2  auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen 

»  Sommerweizen 

»   Hafer 

•  Gerste 

•  sonstigem  Sommergetreide  •     . 

Zusammen  an  Getreide 

•  Kartofieln.  ' 


Tschetwert. 

125,000 

440 

172,000 

59,000 

1,160 

357,600 
52.333 


d 

O 


>•; 


Zusammen  aus  den  Produkten  des  Feldbaues     . 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:   54,800  Stück,  davon  '/*  =  10,980  St. 

ä30Rbl 

Rindviehbestand:  103,600  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung  . 
Schafbest.:  Landschafe  84^900  St.,äi  R.  2 5 K.Nutzung 

Schweine  4,500  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung 

Ziegen  lOO     9       •  2     >  *  ..... 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht 
Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht   repräsentirt    demnach    im    Gouvernement 
Olonez  dnen  Werth  von         


Werth  d.  Prod 
in  Rubel. 

843750 

4.400 

688,000 

245,000 

6,960 

t,788,iio 
1,866,609 


329,400 

1,554,000 

106,125 

36,000 

200 

2,025.725 


S^SM^tM 


426 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art  ^    .     .     1,20  Tschetwert. 
»  Kartoffeln 0,17  * 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln  1,37  •  - 

An  Geldwerth:  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues    6  R.  29  K. 

»       •  »  der  Viehzucht    6  »    83  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  .     13  R.  12  K. 

Die   Erträgnisse  der  Viehzucht   übersteigen  im   Gouvernement 
Olonez  die  des  Feldbaues  um  150,1 16  Rbl.  oder  um  8  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  genannten  Gouvernement 

anf  I  Qu.-MeUe.         auf  i  Qu.'Kilomet^r. 
Stück.  Stück. 

Pferde 22,1  0,4 

Rindvieh 41,9  0,7 

Schafe 34,3  0,6 

Schweine 1,8  0,0 

Ziegen —  — 

25.  GoaTemement  Orel. 

Grösse  des  Gouvernements:  848,59  geogr.  Qu.-Meilen  =  46.725,9 
Qu.-Kilomtter;  Bevölkerung:  1,596,881  Einwohner»  von  denen  34 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Wcrtbd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen 2,906,333 

»  Winterweizen 326,333 

»  Sommerweizen  ......  81,000 

»  Hafer 3»696,333 

»  Gerste 53,666 

»  Buchweizen 447*333 

»  sonstigem  Sommergetreide  .    .    •  n  3,333 

7,624,331 

•  Kartoffdn 1,080,666  i 


c 


19.617,748 
3.263,330 

g         810,000 
o    1 1,089.332 

-g       268,330 

o      2,683,998 

5      679.998 


427 

Pud.  Rubel. 

An  Hanf i.550,oooä3R.    4,650,000 

>  Tabak 3,203  » 2  •  6,406 

*  Sandzucker 9,201 »  5  »  46,005 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .    44,736,146 

b)  an  Erzetignissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  407,400  St.,  davon  75=81,480  ä30R.  2,444,400 

Rindviehbestand:  227,300  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung   .  3,409,500 
Schafbestand: 

Landschafe      774,600  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  968,253 

Feinw. Schafe       8,000      »      »2  *   —   »         »  16,000 

Schweine:  165,300  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  1,322,400 

Ziegen:  4,500  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 9,000 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    .       8,169^553 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht   repräsentiren    demnach    im   Gouvernement 
Orel  einen  Werth  von 52,906,699 

Es  entfallen  daher  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     4,77  Tschetvvert. 
»   Kartofieln     . 0,68  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .5,45  » 

AnGeldzuerth:  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  28  R.  01  K. 

»      »  »  der  Viehzucht     5  »    1 7  ■ 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  33  R.  18  K. 

Die  Erträgnisse   des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht 
um  36,566,593  Rbl.  oder  um  447  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Orel 

auf  I  Qu.-Meile.        auf  l  Qu.- Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 480,0  8,7 

Rindvieh 267,8  4,8 

Schafe 922,2  16,7 

Schweine 194,7  3,5 

Ziegen 5,3  0,09 


42S 


26.  GoaTernement  Orenbarg. 

Grösse  des  genannten  Gouvernements;  3,475,37  geogr.  Qu.-Meflen 
=  1911364,0  Qu--Kilomcter;  Bevölkerung:  900,547  Einwohner,  von 
denen  5  auf  i  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tscbetwcrt, 

An  Roggen 188,666 

»  Winterweizen 3»775 

»   Sommerweizen 1,367,000 

»  Hafer 973,666 

»  Gerste.    .........  219,000 

»  Buchweizen 13.333 

»  sonstigem  Sommergetreide  •    .    .  105,333 

Zusammen  an  Getreide  2,870,773 

»  Kartoffeln     .    ,    .     .    .    .    .     .  87,666 


s 

o 
'55 

Ol 


Wcrth  d.  Prod. 
in  Rubel. 

1,273,495 

37.750 
13,670,000 

3,894,664 

1,095,000 

79.998 
631 1998 

20,682,905 

131,499 


Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues    .    20,814,404 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  580,600  Stück,  davon  */&  =  116,120  ä 

3oRbl 3»483.6oo 

Rindviehbestand:  440,900  Stück,  davon  Va  =  220,450 
St.  Schlachtvieh,  V5  davon  =  44,090  ä  20  Rbl.  und 
220,450  Milchvieh  ä  1 5  Rbl.  Nutzung 

Schafbestand: 

Landschafe        875,300  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  . 
Feiriwol.  Schafe      5,200  »       2  •   —  »         • 

Schweine  64,500  Stück  ä  8  R.  Nutzung 

Ziegen      59,500      *      »  2  *        »  

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht 
Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht   repräsentiren   im   Gouvernement   Orenburg 
einen  Werth  von 30,226,079» 


4,188,550 

1,094,125 

10,400 

516,000 

119,000 

9.411,675 


*  Der  entfernten  östlichen  Lage,  der  geringen  Bevölkerungszahl  und  des  Umstandes 
wegen,  dass  Kxjporthifen  mangeln,  miiM  def  Wfcrlh  der  Produktion  Im  Orenburg'schcn 
GonvememMit  um  35  pCt.  herabgoMCst  werden,  so  dass  sich  demnach  stellen  wtrden: 


429 


« 


Es  entfalten  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  G^'/m(^  verchiedener  Art   .     .     .     3,16  Tschetwert. 
4   Kartoffeln     . 0,09  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .     3,25  > 

An  Geldwerth  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  23  R.  11  K. 

»       »  »  der  Viehzucht  lO  »   44  » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  33  R.  55  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
11,402,729  Rbl.  oder  um  121  pCt 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Orenburg 

auf  I  Qa.-Meile.       aaf  1  Qn.-KUometer. 

Stück.  Stück. 

Pferde 167,0  3,0 

Rindvieh 126,8  2,3 

Schafe 253,3  4.5 

Schweine 18,5  0,3 

Ziegen 17,1  0,2 


27.  GouYernement  PenM. 

Grösse  des  Gouvernements:  705,37  geogr.  Qu.-Meilen  —  38,839,6 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,173,186  Einwohner,  von  denen  30 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


Das  Erträgniss  aus  dem  Feldbau  auf 15,651,524  Rbl. 

»  »         »    der  Viehzucht  > 7»^5^)7S7     * 

»  »         der  gesammten  Landwirthschaft  auf  22,709,281  Rbl. 

I 

Es  würden  in   diesem  Falle  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements  ent- 
fallen : 

Aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     ....     17  Rbl.  36  Kop. 
•       »  »  der  Viehzucht     ....      7     *     83     » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft    25  Rbl.  19  Kop. 


430 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

An  Roggen    .........     2,798,666 

»  Sommerweizen 3,070 

•  Hafer i,469?333 


Gerste  . " •    . 

Buchweizen 

sonstigem  Sommergetreide  .     .     . 

Zusammen  an  Getreide 
Kartoffeln :     .     . 


870 

I43»333 
604,333 


5,019,605 

227,333 
Pud. 

8,931 
3,443 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues 


c 

O 

CO 

u 


Tabak 
Sandzucker 


Werth  d.Prod, 
in  Rubel. 

18,891,195 

30,700 

S.877,332 

4,350 

859,998 

2,425,998 

28,089.573 
341,000 

17,862 
17,215 


28,465,650 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  459,8ooStück,  davon 7^=9 1,960 Stück 

ä30Rbl 

Rindviehbestand :  278,600  Stück  ä  1 5  Rbl.  Nutzung   . 
Schafbestand:  Landschafe  73 1,900 St.  ä  i  R. 2 5 K.Nutz. 

»  Fein  W.Schafe  106,000  •  »  2  »  —  »     » 

Schweine:  196,300  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .... 
Ziegen:  3,000     »       »  2    »  »  .... 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    . 


2,758,800 
4,179.000 

914,875 
212,000 

1,570,400 

6,000 

9,641,075 


Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentirt  sonach  im  Gouvernement  Pensa 
einen  Werth  von  .    .     .    ,     .  ^ 38,106,735 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art   .     .     .    4,28    Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,19  > 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    •    4,47  » 

An  GeldwertJi:  Aus  den  Erträgnissen  desFeldbaues    24  R.  25  K. 

»      »  •  der  Viehzucht       8  »    21  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  •    32  R«  46  K. 


43  i 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
18,824,575  Rbl.  oder  umi95  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Pensa 

auf  I  Qu.-Meile.       auf  i  Qa.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 651,8  ii,8 

Rindvieh.     ...*..  394,9                        7,i 

Schafe 1187,8  21,5 

Schweine •  278,2                        5,0 

Ziegen 4,2                        0,07 


28.  GonTemement  Perm. 


Grösse  des  Gouvernements:  6,032,31  geogr.  Qu.-Meilen=332, 156,7 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  2,198,666  Einwohner,  von  denen  7 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert 

An  Roggen 1,863,000 

9  Winterweizen* 3,000 

-  »   Sommerweizen* 686,000 

»   Hafer* 2,623,500 

»   Gerste*     .     . 644,000 

»  Buchweizen* 26,000 

•   sonstigem  Sommergetreide*     .     .  268,500 

Zusammen  an  Getreide     .     6,1 14,000 
»  Kartoffeln 353,333 

Zusammen  an  Produkten  des  Feldbaues 


Werthd  Prod. 
in  Rubel. 

12,575,250 
30,000 


c 

6,860,000 

0 

10,494,000 

V 
'? 

3,220,000 

I  56,000 

1,611,000 

r*< 

34,946,250 

■ 

53O1OOO 

35^76,250 


b)  an  Erzeugnissen  der  Vieftzucht: 

Pferdebestand:  832,100  St.,  davon  V»  =  166,420  St. 

ä  30  Rbl 4,992,600 


'  Nur  für  das  Jahr  1872. 

'  Im  Darchschnitt  der  Jahre  1871  und  1873. 


433 

Ritidviehbestand :  788700  Stück,  davon  ^'i  »  394,350  Rubel. 

St.  Schlachtvieh;  davon  ^6=78,870  Stück  k  20  Rbl.       l, $77,400 

394,350  Stück  Milchvieh  k  15  Rbl.  Nutzung  .     . 
Schafbestand: 

Landschafc    1^)48, 100  St  ä  i  R.  25  K.  Nutzung 

Feinw.  Schafe         1000  »    •  2  •   —  »         » 
Schweine:  178,000  Stück  k  8  Rbl.  Nutzung  .     .     . 
Ziegen:  30,609  Stück  k  2  Rbl.  Nutzung    .... 

Zusammen  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht 

Die  Gesammt-Produktion  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht  repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 
Perm  einen  Werth  von 50,758,825 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .     •    .     2,78  Tschetwert. 


5.9>5»2SO 

1,310,125 

2,000 

1,424,000 

61,200 

IS.282,575 


t 


Kartoffeln 0,16 


Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     2,94  » 

hxiGeldwerthizyxs  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  16  R.  13  K. 

»      >  »  der\nehzucht    6  »   95  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  23  R.  08  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
20,193,675  Rbl.  oder  um  132  pCt. 

Es  entfallen  schliesslich  im  Gouvernement  Perm 

auf  I  Qtt.-Meile.         auf  t  Qu.-KUoineter 
Sittck.  Stttck. 

Pferde 137,9  2,8 

Rindvieh 130^7  2,3 

Schafe 172,9  3,1 

Schweine 29,5  0,5 

Ziegen 5,07  0,09 


29.  GouTernement  Podolien. 

Grösse  des  Gouvernements:  763,08  geogr.  Qu.-Meilen  =  42,01 7,6 
Qu. -Kilometer;  Bevölkerung:  1,933,188  Einwohner,  von  denen  46  auf 
j  Qu.-Kilometer  entfallen. 


433 


Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues; 


An 


» 
» 


Tschetwert. 

Roggen 1,112,333 

Winterweizen ^»327,333 

Sommerweizen 188,666 

Hafer 937,666 

Gerste 654,333 

Buchweizen 40J,333 


sonstigem  Sommergetreide . 


504,666 


c 
o 

Vi 


Kartoffeln 


5,126,330 
642,666 

Pud. 

27,806a  3  R. 


Tabak  

Sandzucker .        635,253  »5 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues 


b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht*. 

Pferdebestand:  251,900  Stück,  davon  V«  =  50,5*0 

Stück  ä  30  Rbl.     .     , 

Rindviehbestand:  455,100  Stück,  davon  ';«  Zug-  und 
Schlachtvieh  —  341,325  Stück,  davon  Vs  =  68,265 

Stück  ä  20  Rbl 

'A  =  1 13,775  St.  Milch-  und  Zuchtvieh  ä  15  R.  Nutz, 
Schafbestand :  Landschafe  657,8ooSt.  ä  i  R.  25  K.  Nutz. 

»        Fein  W.Schafe  170,500  »    »2  »  —  »      » 
Schweine :  393,700  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .... 
Ziegen:         21,700      »      »  2    »  »  .... 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht  . 

Die  GesammtProduktion  aus  dem  Feldbau  und   der 

Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 

Podolien  einen  Werth  von 


Werthd.Prod. 
in  Rubel. 

4,508,248 

13.273,330 
1,886,660 
3,750,664 
3.271,665 
2,407,998 
3.027,996 

35,126,561 
963,999 

83,418 
3,176,265 

39.350,243 


1,517,400 


1,365,300 

1,706,625 

822,250 

341,000 

3,149,600 

43400 

8,945,575 


48,295,818 


Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art     .     .     .     2,65  Tschetwert 
»  Kartoffeln     .........    0,33         « 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    •     2,98        • 


BU8S.  RBYUX.  BD.  IUI, 


aS 


434 


An  Geldwerth:  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues     20  R.  3  5  K. 

•       •  •  der  Viehzucht      4»  62  ^ 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft     24  R.  97  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
30,404,666  Rbl.  oder  um  340  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Podolien 


auf  I  Qu.- Meile.       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Slttck.  Stück. 


Pferde    . 
Rindvieh 
Schafe   . 
Schweine 
Ziegen    . 


330,1 

596,3 
1085,4 

515,9 
28,4 


5,9 
10,8 

19,7 
9,3 
0.5 


30.  Oonyernement  Poltawa. 

Grösse  des  Gouvernements:  906,15  geogr.  Qu.-Meilen  =  49,895,4 
Qü.-Kilometer;  Bevölkerung:  2,102,614  Einwohner,  von  denen  42 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

An  Roggen 2,651,333 

»  Winter  Weizen 109,000 

•  Sommerweizen 770,000 

•  Hafer 1,037,333 

•  Gerste 798,333 

•  Buchweizen 6i3»333 

'  sonstigem  Sommergetreide  •     .     .  389,333 


•  'r* 


C 
0^ 

O 

CO 

'53 


6,368,665 

Kartoffeln 843,666 

Pud. 

Tabak 5  57,753  i2R 

Sandzucker 58,241*5  • 


Wcrth  d.  Prod. 
in  Rubel. 

17,896,498 
1,090,000 
7,700,000 
4,149,332 
3,991,665 
3,679,998 

2>33S,998 

40,843,491 
1,265,499 

1,115,506 
291,205 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .    43,515,701 


43S 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht:  Rubel. 

Pferdebestand:  208,800  Stück,  davon   V»  =  4^76o 

Stück  ä  30  Rbl 1,252,800 

Rindviehbestand:  770. lOO Stück,  davon  Vt  =  385,050 
Stück  Zucht-,  Zug-  und  Schlachtvieh;  hiervon  Vs 

=  77,010  Stück  ä  20  Rbl 1,540,200 

385,050  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl.  Nutzung  .     .     .  5,775,750 

Schafbestand : Landschafe  1,300,200 St. ä  i  R.  25  K  Nutz.  1,625,250 

»         Feinw. Schafe    519,800  *  »2*  —  •      •  1,039,600 

Schweine:  485,100  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  3,880,800 

Ziegen:  7,300      •      •  2    *  •  ....  14600 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     .     15,129,600 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 
PolUwa  einen  Werth  von 58,644,701 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     3,02  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,40         » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     3,42         • 

An  Geldwert/i:  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues  20R.  69  K. 

»      •  »  der  Viehzucht     7  •   19  # 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft     27  R.  88  K 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht   um 
28,386,701  Rbl  oder  um  187  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Poltawa 

auf  I  Qu.-MeUe.      auf  1  Qu.^Kilomeler 
Stück.  Stuck. 

Pferde 230,4  4," 

Rindvieh  .     , 849,8  15,4 

Schafe 2008,4  36,5 

Schweine 535»3  97 

Ziegen      ..*....•         8,0  -                O^i 

(Scbluss  fo*gLj 


M^ 


436 


Die  projektlrte  Anthropologische  Ansstellniig 

in  Moskau  im  Jahre  1S79. 


Von 

L. ,  S  t  i  e  d  a. 


Die  Kaiserliche  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturkunde,  der 
Anthropologie  und  der  Ethnographie  in  Moskau  beabsichtigt  im 
Sommer  1879  in  Moskau  eine  Anthropologische  Ausstellung  in's  Le- 
ben zu  rufen.  Die  Kaiserliche  Genehmigung  dazu  ist  bereits  am 
20.  Mai  1877  erfolgt  und  seine  Kaiserliche  Hoheit  der  Grossfürst 
Konstantin  Nikolajewitsch  hat  das  Ehrenpräsidium  der  Ausstellung 
übernommen.  Die  Moskauer  Gesellschaft  hat  ein  Organisations- 
Komite  unter  dem  Vorsitz  des  Professors  der  Zoologie  an  der  Mos- 
kauer Universität,  Hrn.  Bogdanow^  ernannt,  ausserdem  hat  das  Ko- 
mite  in  verschiedenen  Städten  des  Russischen*  Reichs,  sowie  des 
Auslandes  Bevollmächtigte  gewählt,  welche  die  Interessen  der  Aus- 
stellung vertreten  sollen. 

Ueber  die  Art  und  Weise  wie  die  Moskauer  Gesellschaft  zu  dem 
Vorhaben  einer  Ausstellung  gelangt  ist,  sowie  über  die  überaus 
eifrige  Thätigkeit  des  Organisations-Komite's  und  seiner  einzelnen 
Glieder  gibt  bereits  ein  stattlicher  Quartband  Bericht,  welcher  die 
Protokolle  der  einzelnen  Sitzungen  des  Komitees  bis  zum  Schlüsse 
des  Jahres  1877,  sowie  wissenschaftliche  Beilagen,  enthält.  Der  be 
treffende  Band  führt  den  Titel :  Die  Anthropologische  Ausstellung  der 
K.  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturkunde  ^  Anthropologie  und 
Ethnographie.  Sitzungsberichte  des  Organisations- Komite'* s^  heraus- 
gegeben unter  der  Redaktion  des  Vorsitzenden  des  Komitees  A,  P.  Bog- 
danow.  I.  BandS  Moskau  1877.  4®.  425  S.  (Zugleich  den  Band 
XXVII  der  «Iswestija^  der  Moskauer  Gesellschaft  bildend.)  Dieser 
erste  Band  erschien  in  5  Lieferungen ;  an  den  drei  ersten  hat  an 
der  Redaktion  neben  Bogdanow  noch  der  inzwischen  verstorbene 
Sekretär  des  Organisations-Komite's  N.  K.  Senger  sich  betheiligt. 
Am  21.  Januar  1872  hielt  die  von  der  Moskauer  Gesellschaft  zur  Er- 
richtung eines  anthropologischen  und  zoologischen  Museums  bei  der 


>  Vpn  dem  IL  Bande  sind  bU  jetst  a  Lieferangen  erschienen. 


437 
Universität  ernannte  Kommission  ihre  erste  Sitzung.    Auf  derselben 

I 

wurde  der  in  der  Moskauer  Gesellschaft  von  Hrn.  Professor  Bogda- 
now  gestellte  Antrag  verlesen,  der  zur  Einsetzung  jener  Kommission 
geführt  hatte.  Professor  Bogdanow  hatte  unter  Anderem  auf  die 
Nothwendigkeit  hingewiesen,  ein  besonderes  Katheder  für  Anthro- 
pologie und  ein  dazu  gehöriges  Museum  für  Anthropologie  bei  der 
Universität  zu  besitzen.  Die  Kommission,  zu  deren  Präsident  Hr.Bo^ 
danaw  und  zu  deren  Sekretär  Hr.  N.  K,  Senger  gewählt  wurde,  sollte 
unter  Anderem  auch  nach  dieser  Richtung  hin  wirken. 

Die  Bemühungen  der  Kommission  waren  von  Erfolg  gekrönt ;  es 
wurden  Mittel  gefunden,  um  eine  geeignete  Persönlichkeit,  Hm.  N. 
Aniitschin^  auf  3  Jahre  in's  Ausland  zu  senden,  damit  er  sich  gründ- 
lich auf  die  spätere  Lehrthätigkeit  an  der  Universität  vorbereiten 
solle.  Es  wurden  bei  der  Universität  eine  craniologische  Sammlung 
und  ein  craniometrisches  Kabinet  errichtet,  doch  waren  damit  allein 
dem  zukünftigen  Lehrer  der  Anthropologie  noch  nicht  völlig  aus- 
reichende Hülfsmittel  zum  Unterricht  geliefert.  Es  musste  jeden- 
falls ein  Anthropologisches  Museum  geschaffen  werden.  Um  dies 
zu  erlangen,  proponirte  Hr.  Bogdanow  (6.  Mai  1876)  in  der  Sitzung 
des  Conseils  der  Moskauer  Gesellschaft  im  Juli  1879  in  Moskau  eine 
Ausstellung  von  anthropologischen  Gegenständen  zu  veranstalten; 
in  der  Idee,  dass  sich  aus  derselben  ein  anthropologisches  Museum 
herausbilden  lasse.  Die  Proposition  wurde  angenommen  und  die 
Kommission  mit  der  nöthigen  Ausführung  betraut. 

Vor  allem  wichtig  und  fördernd  für  das  ganze  Unternehmen  war, 
dass  sich  bald  die  dazu  nöthigen  Geldsummen  fanden.  Die  Herren  ^^f- 
dorArtetnjewitsch  Tereschtsclunko  und  Lasar  SsolamonoTvüschPoljakow 
brachten  der  Moskauer  Gesellschaft,  deren  Mitglieder  sie  sind,  eben 
zum  Zweck  der  Ausstellung,  jeder  die  Summe  von  10,000  Rbl.  dar 
—  also  im  Ganzen  20,000  Rbl.  als  einmaliges  Geschenk.  Ausser* 
dem  stellte  jeder  von  ihnen  noch  10,000  Rbl.  als  zinsfreies  Darlehn 
der  Gesellschaft  zur  Verfügung,  mit  der  Bestimmung,  dass  das  Dar- 
lehen im  Jahre  1879  aus  den  Einnahmen  der  Ausstellung  oder  aus 
anderen  Summen  der  Gesellschaft  zurückerstattet  werde. 

Hiernach  standen  dem  Ausstellungs-Komite  40,000  Rbl.  zu  Gebot, 
und  konnte  man  mit  Energie  an's  Werk  gehen.  Es  wurde  daher 
beschlossen  die  Genehmigung  der  Regierung  zu  der  im  Sommer 
1 879  zu  veranstaltenden  anthropologischen  Ausstellung  einzuholen 
und  sobald  die  Genehmigung  erfolgt  sei,  zur  weiteren  Ausführung  der 
Absicht  zu  schreiten. 


43« 

Am  20.  Mai  1 877  geruhte  S.  Maj.  der  Kaiser  nachfolgendes  Reg« 
lement  Allerhöchst  zu  bestätigen. 


Reglement  fdr  die  toq  der  Kai«erliohen  Moskaner  Gesellsohaft  der 
Freunde  der  Naturkunde,   Anthropologie    und  Ethnographie   im 
Jahre  1879  in  Moskau   bu  veranstaltende  Anthropologische  Aus- 
stellung. 

1.  Um  das  Publikum  mit  den  Aufgaben  der  Anthropologie  im 
Allgemeinen,  sowie  mit  den  Aufgaben  der  Anthropologie  Russlands 
im  Speziellen  bekannt  zu  machen  und  um  in  Moskau  ein  möglichst 
vollständiges  Anthropologisches  Museum  zu  errichten,  iindet  im 
Sommer  des  Jahres  1879  in  Moskau  eine  Anthropologische  Ausstel- 
lung statt. 

2.  Zur  Ausstellung  werden  zugelassen : 

1)  Gegenstände,  welche  sich  auf  die  Anthropologie  der  jetzigen 
Volksstämme  Russlands  beziehen.     (Anthropologie  Russlands.) 

2)  Gegenstände,  welche  sich  auf  die  vorgeschichtlichen  Volksstämme 
Russlands  beziehen.     (PraeMstarische  Anthropologie,) 

3)  Gegenstände,  welche  sich  auf  die  allgemeine  Anthropologie  und 
auf  die  Systematik  der  Volksstämme  beziehen.  (Allgemeine  An- 
thropologie.) 

3.  Die  zur  Ausstellung  zugelassenen  Gegenstände  sind  in  folgende 
Gruppen  zu  ordnen : 

i)  Abhandlungen  zur  Anthropologie,  Ethnographie  und  praehisto- 
rischen  Archäologie  Russlands. 

2)  Karten  über  die  Verbreitung  der  Volksstämme  und  der  vorge- 
schichtlichen Denkmäler. 

3)  Photographien  einzelner  Rassen;  Ansichten  von  Lokalitäten, 
welche  für  das  Leben  der  einzelnen  Völker  charakteristisch  sind^ 
Photographien  und  Zeichnungen  von  Kostümen ,  Hausgeräth, 
Wohnungen,  wie  Scenen  aus  dem  Leben  früherer  und  noch  jetzt 
lebender  Volksstämme. 

4)  Büsten  und  plastische  Nachahmungen  der  verschiedenen  Volks- 
stämme« 

5)  Modelle  von  Wohnungen  und  Kostümen  von  Völkern  der  Vor- 
zeit. 

6)  Gegenstände  des  häuslichen  Lebens,  des  Kultus  und  des  Ge- 
werbes von  Völkern  der  Vorzeit. 

7)  Statistische  Tafeln  über  Geburten,  Sterblichkeit  etc. 


439 

8)  Modelle  von  Kurganen  und  Gräbern. 

9)  Gegenstände,   welche   in   alten  Gräbern   gefunden   sind,  oder 
welche  der  vorgeschichtlichen  Zeit  angehören. 

10)  Geologische  Profile  und  Karten  solcher  Lokalitäten,  welche  auf 
den  vorgeschichtlichen  Menschen  Bezug  haben.  Pläne,  Modelle 
und  Zeichnungen  von  Höhlen. 

11)  Probestücke  derjenigen  Mineralien,  aus  welchen  der  vorgeschicht- 
liche Mensch  und  die  Ur- Völker  ihre  Werkzeuge  anfertigten  und 
Karten  der  Verbreitung  jener, 

12)  Proben  von  solchen  Gewächsen  und  Pflanzen,  welche  für  das 
Leben  der  vorgeschichtlichen  Völker  wichtig  waren. 

13)  Reste  derjenigen  Thicre,  welche  für  die  Lebensweise  der  vorge- 
schichtlichen Volksstämme  charakteristisch  sind.  Skelette  und 
Präparate  jetzt  lebender  Thiere,  welche  zum  Vergleich  mit  den 
ausgegrabenen  nöthig  sind. 

14)  Apparate  zu  anthropologischen  Untersuchungen. 

15)  Anatomische  Präparate  zum  vergleichenden  Studium  der  Ras- 
sen ;  anatomische  Präparate  zum  Unterricht  und  zum  Studium 
der  allgemeinen  Anthropologie. 

16)  Resultate  chemisch- technischer  Untersuchungen  von  Gegenstän- 
den der  vorgeschichtlichen  Archäologie. 

17)  Lehrhülfsmittel,  um  beim  Vortrage  der  Geographie  und  Ge- 
schichte in  den  mittleren  und  niederen  Schulen  die  allgemeinen 
Kenntnisse  von  den  Rassen  zu  erläutern. 

4.  Ein  besonderes  Komite  überwacht  im  Namen  der  Gesellschaft 
die  Organisation  der  Ausstellung. 

5.  Exponenten  können  sowohl  Russen,  als  auch  Ausländer  sein. 

6.  Die  Meldungen  über  Gegenstände  dürfen  nicht  später  als  am 
I.  (13.)  August  1878  stattfinden;  die  Sachen  selbst  dürfen  nicht  spä- 
ter als  am  i.  Januar  1879  abgeliefert  werden« 

7.  Bei  der  Anmeldung  ist  anzugeben:  Vor-  und  Familienname, 
Beruf  und  Adresse  des  Exponenten ;  die  Zahl  der  zu  sendenden  Ge- 
genstände mit  Bezeichnung  und  wo  möglich  auch  mit  einer  Be- 
schreibung der  einzelnen  Gegenstände,  einerlei,  ob  die  Gegenstände 
nur  zur  Ausstellung  kommen,  oder  dem  Museum  der  Gesellschaft  ge- 
schenkt werden. 

8.  Das  Komite  hat  das  Recht,  die  einem  Exponenten  gehörigen 
Gegenstände  unter  die  verchiedenen  Gruppen  der  Ausstellung  zu 
vertheilen  —  zum  Zweck  der  Systematisirung  undUebersichtlicbkeit. 

9.  Nach  Schluss  der  Ausstellung  stellt  das  Komite  den  Expo- 


nenten  frei,  innerhalb  6  Wochen  ihre  Gegenstände  zurückzunehmen; 
nach  Abiauf  dieser  Frist  werden  die  Gegenstände  Eigenthum  der 
Gesellschaft,  da  die  Depots  des  Komitees  geschlossen  werden  und 
die  Thätigkeit  des  Komitees  aufhört. 

10.  Das  Konii(e  ergreift  alle  Mittel  zum  Schutz*  der  Gegen- 
stände, aber  verantwortet  nur  für  den  Verlust  derjenigen,  welche 
es  mit  besonderer  Zustimmung  unter  seine  eigene  Verantwortung 
genommen  hat. 

11.  Die  Exponenten  haben  während  der  ganzen  Dauer  der  Aus- 
stellung freien  Zutritt  in  dieselbe. 

12.  Für  ausgezeichnete  Gegenstände  werden  nach  dem  Urtheile 
der  Experten-Kommission  besondere  Preise  zuertheilt 

13.  Die  Prebe  bestehen  in  einem  Anerkennnungsschreiben,  oder 
in  Zeugnissen  zur  Erwerbung  goldener,  silberner  und  bronzener 
Medaillen. 

14.  Die  Experten-Kommission  besteht  aus  den  Gliedern  der 
Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturkünde  und  der  Deputirten  an- 
derer gelehrten  Gesellschaften.  —  Das  Resultat  der  Expertise  wird 
gedruckt. 

15.  Das  Komite  hat  in  Vollmacht  der  Gesellschaft  das  Recht,  für 
Darbringungen  zum  Besten  des  Museums  besondere  Zeugnisse  zu 
Erwerbungen  von  Medaillen  auszustellen,  doch  ist  dabei  zu  bemer- 
ken,  dass  die  Medaille  für  dargebrachte  Geschenke  zuerkannt  wor- 
den ist. 

Da  die  Depots  des  Komitees  erst  am  i.  August  1878  geöffnet 
werden,  so  wird  die  frühere  Zusendung  von  Gegenständen,  welche 
für  die  Ausstellung  bestimmt  sind,  nicht  anders  als  mit  besonderer 
Zustimmung  des  Komitees  zugelassen. 

17.  Diejenigen  Exponenten,  welche  gesonnen  sind,  die  von  ihnen 
ausgestellten  Gegenstände  zu  verkaufen,  werden  ersucht,  den  Preis 
an  den  Gegenständen  selbst  zu  vermerken.  Im  Fall  des  Verkaufs 
ül^ergibt  das  Komite  dem  Käufer  einen  Schein  zum  Empfang  der 
gekauften  Gegenstände  nach  Schluss  der  Ausstellung,  ebenso  dem 
Verkäufer  einen  Schein  zum  Empfang  der  Gelder,  gleichfalls  nach 
Schluss  der  Ausstellung. 

18.  Die  zur  Ausstellung  bestimmten  Gegenstände  sind  an  die 
Moskauer  Universität  an  die  Adresse  des  Komitees  der  Anthropo- 
logischen Ausstellung  der  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturkunde 
zu  schicken. 

19.  Nach  Schluss  der  Ausstellung  werden  die  Gegenstände  ent- 


441 

weder  den  Herren  Exponenten  persönlich  oder  den  von  ihnen  Bevoll- 
mächtigten in  Moskau  ausgeliefert,  wobei  der  vom  Komite  ausge- 
stellte Empfangschein  vorzuzeigen  ist. 

20.  Das  Komite  übernimmt  nicht  die  Rücksendung  der  ausge- 
stellten Gegenstände  nach  Schluss  der  Ausstellung. 

21.  Das  Komite  behält  sich  das  Recht  vor,  Modelle,  Photogra- 
phien oder  Kopien  von  den  ausgestellten  Gegenständen  anfertigen 
zu  lassen. 

Ueber  die  Thätigkeit  des  Ausstellungs-Komite's  geben  nun  die 
erwähnten  Sitzungs-Protokolle  eingehend  Auskunft.  Wir  theilen 
aus  denselben  Folgendes  mit.  Da  nur  erst  ein  Band  der  Protokolle 
—  die  letzte  Sitzung,  über  welche  berichtet  wird,  fand  am  30.  De- 
zember 1877  statt  —  vorliegt,  und  unbedingt  noch  mehrere  folgen 
werden,  so  müssen  wir  auf  eine  nach  Materien  streng  inhaltlich  ge- 
ordnete Uebersicht  jetzt  selbstverständlich  Verzicht  leisten.  Wir 
werden  uns  an  die  Reihenfolge  der  Sitzungsberichte  halten,  aus 
denen  am  deutlichsten  die  ausserordentliche  Thätigkeit  des  Komitees 
und  der  einzelnen  Mitglieder  hervorgeht 

In  der  Sitzung  vom  2.  März  1877  berichtet  der  Präsident  ^^- 
danow^  dass  folgende  Expeditionen,  um  Material  zur  Ausstellung 
herbeizuschaflfen,  projektirt  seien:  eine  Expedition  nach  Turkestan, 
zu  welcher  auch  der  General-Gouverneur  v.  KauiTmann  seine  Bei- 
hülfe zugesagt  hat,  werde  unter  Leitung  des  Mitgliedes  der  Gesell- 
schaft A,  A.  Tichomiraw  und  unter  Betheiligung  des  Photographen 
Panow  unternommen  werden;  ferner  eine  andere  Expedition  in  den 
Norden  von  Russland  durch  den  Assistenten  des  geologischen  Museums 
N,  L  Sograf\  eine  dritte  Expedition  in  den  Kaukasus  von  den  Hrn. 
5.  D,  Filimonaw  und  N.  S.  Kerzelli\  eine  vierte  in  das  Wolga- 
Gebiet  und  Astrachan  durch  Hrn.  Karotnew\  ausserdem  sei  zu  hof- 
fen, dass  auch  Viv.N.K.SengerAch  dazu  bereit  finden  werde,  die  nord- 
östlichen Gouvernements  zu  bereisen.  Endlich  theilt  Hr.  Bogdanow 
mit,  dass  es  ihm  schon  gelungen  sei,  einige  ausländische  Gelehrte 
für  die  projekti rte  Ausstellung  zu  interessircn :  MariUUt  in  St  Germaine 
en  Laye  werde  eine  Sammlung  von  Gegenständen  schicken,  welche 
die  praehistorische  Periode  in  Frankreich  charakterisiren,  Broca  habe 
eine  Reihe  Skelette  verschiedener  Altersstufen  zugesagt,  Hatny  habe 
versprochen  eine  Anzahl  Kopien  von  den  Büsten  des  Pariser  natur- 
historischen Museums  .zu  beschaffen. 

In  der  Siizuug  vom  22.  Mai  wurde  beschlossen,  durch  eine  von 
dem  Hrn.  Präsidenten  Bcgdanaw  zusammengestellte  Kollektion  an 


442 

§  ■^— ^—      ■■■  ■  ■■■IM-™  ■ 

der  Pariser  Ausstellung  im  Sommer  1878  Theil  zu  nehmen.  Femer 
wurde  über  die,  den  einzelnen  Expeditionen  zu  Grund  zu  legenden 
Programme  berathen.  Da  die  Kürze  der  Zeit  es  nicht  mehr  gestat- 
ten dürfte,  für  die  einzelnen  Expeditionen  besondere  Spezial^ro 
gramme  auszuarbeiten,  so  hält  der  Präsident  ÜT.Bogdanaw  es  für  hin- 
reichend, auf  folgende  Werke  hinzuweisen : 

1.  Neumayer ^  Anleitung  zu  wissenschaftlichen  Beobachtungen  auf 
Reisen,  in  welchen  Spezialprogramme  für  Medizin  (Dr.  Friedel\  für 
Ethnologie  (Bastian)^  für  Anthropologie  und  vorgeschichtliche  Yox- 
sxkiMVi%tVi(Virchow)^  für  Photographie  und  Mikroskopie  ('Dr. /^rä^M^^ 
enthalten  seien. 

2.  Broccts  Instruktion  zu  anthropologischen  Untersuchungen  (in 
russischer  Sprache  mit  Anmerkungen,  herausgegeben  von  Bog- 
danow). 

3.  DanvnCs  bekanntes  Werk  über  den  Gesichtsausdruck,  worin 
sich  ebenfalls  Vorschriften  zur  Beobachtung  findet. 

Dabei  spricht  Hr.  Bogdamnv  den  Wunsch  aus,  dass  jede  einzelne 
Expedition  zum  Mindesten  folgendes  liefern  werde : 
I«  Herbeischaffung  von  30  —50  Schädeln. 

2.  Messungen  von  mindestens  20  Männern  und  Weibern,  und 
überdies  an  IG  Neugeborenen,  an  10  Kindern  im  Alter  von  7 — 10 
Jahren  und  10  im  Alter  von  (i — 12  Jahren. 

3.  Aufnahme  von  30  Portraits  in  Profil  und  en  face. 

4«  Ethnographische  Gegenstände,  um  mindestens  eine  Gruppe 
von  3  Personen  darzustellen. 

5.  Einen  Bericht  über  die  Reise  (Tagebuch). 

6.  Einen  genauen  Bericht  über  den  untersuchten  Volksstamm. 
In  der  vierten  Sitzung  vom  3 1 .  März  sprach  Hr.  Fiümonow  über  die 

Aufgabe,  welche  die  Kaukasische  Expedition  zu  erfüllen  haben 
werde^  und  Hr.  N.  A,  Bensenger  verlas  eine  Abhandlung  über  die 
von  Montegazza^  Gilioli  und  Letumo  aufgestellten  Instruktionen  zum 
Studium  der  vergleichenden  Psychologie  (S.  63 — 73). 

In  derfiinften  Sitzung  (das  Datum  ist  nicht  angegeben)  stellt  Hr.  G, 
E.  Sckurowskij  ein  allgemeines  Programm  für  die  Untersuchung  von 
Höhlen,  welche  Knochen  enthalten,  vor  (S.82--88}.  Nach  einigen  ein- 
leitenden Worten  werden  die  dabei  nöthigen  Werkzeuge  und  Appa- 
rate, sowie  auch  die  wissenschaftliche  Methode  der  Untersuchung 
angegeben  (nach  I.  W.  Stengel  und  Pengelly).  Der  Präsident  Hr. 
Bogdanaw  übergab  dem  Komite  eine  genaue  und  ausführliche  Zusam- 
menstellung aller  derjenigen  Einzelfragen,  welche  bisher  auf  dem 


443 

vierten  Russischen  archäologischen  Kongress  auf  dem  Gebiet  der 
Anthropologie  und  vorgeschichtlichen  Archäologie  aufgeworfen 
worden  sind  (S.  90 — 96)  und  versprach  einen  ähnlichen  Bericht  auch 
über  die  ausländischen  Kongresse;  er  sprach  dann  die  Hoflfniing  aus, 
dass  diese  Zusammenstellungen  nicht  allein  den  auszurüstenden  Ex- 
peditionen  von  Nutzen  sein  dürften,  sondern  auch  für  den  etwaigen 
Kongress  bei  Gelegenheit  der  Ausstellung  von  1879.  In  derselben 
Sitzung  stellt  Hr.  Sografy  im  Begriff  die  Expedition  in  den  Norden 
Russlands  zu  unternehmen,  das  Programm  vor,  welches  er  sich  zur 
Erforschung  der  Ssamcjeden  des  Gouvernements  Archangel  gemacht 
hat.  Es  ist  das  Programm  desshalb  von  grossem  Interesse  und 
Wichtigkeit,  weil  dasselbe  —  auf  Grundlage  der  bisherigen,  in  der 
Literatur  befindlichen,  oft  überaus  zerstreuten  Mittheilungen  —  ein 
Resum^  der  jetzigen  Kenntnisse  von  den  Ssamojeden  gibt  Es  wurde 
vom  Präsidenten  mit  Recht  betont,  dass  derartige  Programme  einen 
grossen  Werth  hätten,  nicht  allein,  weil  aus  ihnen  eine  richtige 
Fragestellung  sich  ergebe,  sondern  auch,  weil  sie  die  wissenschaft- 
liche Basis  für  weitere  Forschungen  böten. 

Sechste  Sitzung  (das  Datum  fehlt)  (S.  102 — 129).  Hr.  P.  P.  Petraw 
las  über  die  Aufgabe,  welche  das  chemisch-technische  Studium  der 
archäologischen  und  anthropologischen  Gegenstände  zu  erfüllen 
habe;  er  gibt  in  grossen  Zügen  den  Gang  der  Entwickelung  dieser 
Frage  der  chemischen  Untersuchungen  mit  Rücksicht  auf  Fellenberg, 
Struvc,  Göbel  (Dorpat),  Wibel  (Hamburg).  Er  theilt  die  Gegenstände, 
welche  einer  Analyse  zu  unterwerfen  sind,  in  3  Gruppen:  i.  metal* 
lische,  2.  irdene,  3.  gläserne;  bei  anderen  Gegenständen,  z.  B' 
bei  Steinwerkzeugen,  kommt  eine  chemische  Untersuchung  erst 
in  zweiter  Reihe  in  Betracht;  hier  sei  die  Bestimmung  der  Steinart 
das  Wichtigste. 

In  gleicher  Weise,  wie  in  der  vorigen  Sitzung  ein  Bericht  über 
die  Ssamojeden  eingeliefert  worden  war,  wurde  in  tlieser  Sitzung  ein 
Bericht  von  Hrn.  A,  y.  Kelssijew  über  die  Lappen  gegeben  (S.  1 1 1  —  1 1 4), 
wozu  Hr  Bogdanaw  noch  ausführliche  literarische  Nachrichten  brachte 
(S.  1 14— 124)  und  einzelne  Fragen  noch  genauer  präzisirte,  —  und 
ferner  ein  anderer  Bericht  des  Hrn.  A^.  J.  Sograf  in  Betreff  der  Sy* 
fjanen  (S.  123—126).  Hr.  KerzeUi  gibt  eine  Ucbersicht  der  (auslän- 
dischen) ethnographischen  Abtheilung  des  öffentlichen  Museums  in 
Moskau  (S.  1 26  - 1 29). 

In  A^x  siebenten  Sitzung  vom  25.  Mai  1877  (S.  147— '78)  konnte  der 
Präsident  (S.  1 5 1  —  1 53)  bereits  Rechenschaft  über  die  Reise  des  Hm. 


444 

N.  y.  Sografxn  den  Norden  Russlands  unter  der  Form  einiger  an  ihn 
gerichteten  Briefe  aus  Jarosslaw,  Wologda  und  Weliki j-Ust j ug  ablegen ; 
ferner  verlas  der  Präsident  einige  Bemerkungen  über  eine,  bei  Gelegen- 
heit der  Ausstellung  zu  veranstaltende  ^<:?flSf//-Kollektion  der  bekann- 
ten Steinbilder  «KamennijaBaby»,  da  Photographien  allein  nicht  aus- 
reichend wären,  und  die  Untersuchung  jener  Statuen  von  hohem  In- 
teresse für  Anthropologen  und  Historiker  sei (S.  155).  Hr.  G.D.FUiffUh 
ncw  theilt  in  kurzen  Zügen  das  Programm  mit,  welches  er  für  die 
Untersuchungen  im  Kaukasus  entworfen  habe;  er  werde  vor 
allem  sein  Augenmerk  richten  auf  die  Gräber  (Dolmen  und  Kurgane) 
dann  auf  die  Höhlen^  ferner  zxA'^Pfahlbauteny  alte  Bauwerke  (Thürme) 
und  auf  die  5/^iii-^a^rif  (S.  156—158).  Das  Protokoll  enthält  sehr 
interessante  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeuner,  Hr.  W.  K.  Po- 
pandopulo  bringt  einen  Aufsatz  über  die  Sprache  der  Moskau*schen 
Zigeuner,  und  der  Präsident  Hr.  Bogdanow  «Materialien  zum  Studium 
der  Zigeuner  in  anthropologischer  Beziehung»  (S.  161 — 176). 
Schliesslich  theilt  der  Präsident  eine  Uebersicht  der  in  Moskau 
lebenden  Nicht-Russen  mit,  welche  auf  Grundlage  der  «statistischen 
Mittheilungen  über  die  Einwohner  Moskau's  nach  der  Zählung  vom 
12.  Deziember  1871»  zusammengestellt  wurd^.  Es  sind  43  verschie- 
dene Nationalitäten  verzeichnet,  nämlich: 

I.Polen,  1800;  2. Serben,  16;  3.  Montenegriner,  2;  4.  Bolgaren,  29; 
5.  Czechen,  73;  6.  aus  Mähren  stammend.  4;  7.  Kroaten,  4;  8.  Slova- 
ken,6;9.Littauer,  129;  iO.Letten,64;  i  I.Deutsche,  10,484;  i2.Schwe- 
den,  157;  13.  Norweger,  4;  14.  Isländer,  3;  15.  Dänen,  47;  16.  Eng- 
länder, 654;  17.  Schottländer,  5;  18.  Holländer,  36;  19.  Amerikaner, 
40;  20.  Franzosen,  1990;  21.  Spanier,  13;  22.  Portugiesen,  6;  23.  Ita- 
liener, 201 ;  24.  Moldauer,  6;  25..Walachen,  8;  26.  Griechen,  168; 
27.  Finnen,  168;  28.  Esten,  33;  29.  Karelen,  2;  30.  Madgyaren,  29; 
31.  Türken,  20;  32.  Tataren,  663;  33.  Zigeuner,  217;  34.  Juden, 
55831  35.  Araber,  11 ;  36.  Perser,  36;  37.  Armenier,  1059;  38.  Grusi- 
ner,  48;  39.  Ossetiner,  i;  40.  Tscherkessen,  3;  41.  Kalmücken,  i; 
42.  Baschkiren,  2;  43.  Bucharen,  19.^ 

Achte  Süßung.  27.  Juni  1877.  Ausser  einigen  kurzen  Berichten 
über  den  weiteren  Fortgang  der  Expeditionen  in  den  Kaukasus  (Ker- 
seilt)  und  in  den  Norden  (Sograf),  sprach  der  Präsident  über 
die  Ergebnisse  seiner  Reise  in  die  oberen  Wolga- Gegend,  welche 

*  Es  wurden  an  dieser,  von  uns  nnr  in  gedrängtem  Aussage  mitgetheilten  Tabelle  aller- 
lei AussteHnngen  gemacht  und  die  Rlcbtigkeit  der  Zahlen  bezweifelt.  Wir  mttssen  hier 
auf  eine  Wiedergabe  Terzicbten. 


44S 

er  gemacht  hatte,  um  sich  mit  einigen  Persönlichkeiten^  zum  Zweck 
des  Sammeins  von  anthropologischen  Gegenständen,  direkt  in  Ver- 
bindung zu  setzen. 

Neuttie  Sitzung.  22.  Juli  1877.  (S.  200 — 215.)  Es  wurden  eine 
Reihe  Briefe  und  weitere  Reiseberichte  verlesen,  und  zwar:  von 
Hrn.  Müaschewitz  aus  Tiflis,  von  Hrn.  Kerzelli  aus  Pjatigorslg  von 
Hrn.  Senger  und  Hrn.  Sograf;  auch  der  Präsident  Hr.  Bogdanaw 
machte  das  Komite  mit  den  Resultaten  seines  Besuches  in  Nowgo. 
rod,  St.  Petersburg,  Helsingfors  und  Dorpat  bekannt 

Zehnte,  Sitzung.  22.  August  1877.  Unter  den  verschiedenen  Mit- 
theilungen sind  folgende  von  Interesse.  Auf  Anregung  des  Präsi- 
denten Hrn.  Bogdanow  wurden  eine  Reihe  Abgüsse  (Modelle)  von 
Schädeln  des  Museums  der  Moskauer  Gesellschaft  aus  Papier-mach^ 
durch  Hrn.  Sewrjugin  angefertigt,  und  zwar  eine  Sammlung  von  44 
Stück.  Darunter  befanden  sich  17  Schädel  aus  Kurganen  des  Mos- 
kauschen  Gouvernements,  4  aus  Kursker  Kurganen,  3  aus  dem 
Gouv.  Tschernigow,  2  aus  dem  Gouv.  Ssmolensk,  2  aus  dem  Gouv. 
Jarosslaw,  2  aus  dem  Gouv.  Minsk,  2  aus  dem  Gouv.  Poltawa,  l  aus 
dem  Gouv.  Ssaratow,  i  aus  dem  Gouv.  Tobolsk,  4  von  der  Küste 
des  Asow'schen  Meeres,  3  von  jetzigen  Ai'no's  und  ein  Abguss  des 
von  Hrn.  Sseliwanow  geschenkten  Schädels,  weil  man  diesen  Schä- 
del von  einigen  Seiten  her  als  aus  der  Steinzeit  herstammend  ange- 
schen hatte,  während  er  entschieden  jüngeren  Datums  ist.  Derartige 
Kollektionen  wurden  mehrere  gemacht  und  an  verschiedene  auslän- 
dische Museen  (London,  Paris)  versandt,  worüber  der  Präsident  Hr. 
Bogdanaw  eingehend  Bericht  erstattete. 

Von  grossem  Interesse  sind  die  Reiseberichte  der  Hm.  Senger 
und  Sograf.  Hr.  N.  K.  Senger,  Konservator  am  zoologischen  Mu- 
seum der  Universität,  hatte  nur  einen  Monat  (5.  Juni  —  5*  Juli)  auf 
die  Reise  nach  Archangelsk  verwenden  können,  aber  trotz  der 
Kürze  dieser  Zeit  bedeutende  Resultate  erzielt.  Er  hatte  einmal 
allerlei  Steingeräthe  gesammelt,  mehr  als  50  Stück,  Messer,  Pfeile, 
Schaber,  Feikn,  meist  durch  Kauf  von  den  Bauern  in  Nishnaja-So- 
lotniza;  hier  fanden  sich  auch  Feuersteinsplitter  in  übergrosser  An- 
zahl, so  dass  eine  Werkstätte  von  Steingeräthen  zu  vermuthen  ist.  Auffal- 
lend ist  unter  den  Steinprodukten  ein  Stück,  welches  deutlich  die 
Gestalt  eines  Fisclus  oder  die  eines  Seehundes  mit  einem  Kopfe 
hatte.  Hr.  Senger  erblickt  darin  ein  künstlerisches  Erzeugniss  des 
Steinalters.  Dann  hat  Hr.  Senger  eine  Anzahl  Sclüidel  acquirirt,  von 
enen  namentlich  die  in  Solotniza  gefundenen   als  sehr  alt  gelten 


446 

können ;  ferner  hat  er  eine  Reihe  Photographien  mitgebracht,  zum 
Theil  auf  der  Reise  angefertigte,  zum  Theil  in  Archangelsk  .  ge- 
kaufte; schon  bei  einer  flüchtigen  Durchsicht  derselben  ergibt  sich, 
-  dass  unter  deti  Uferbewohnern  des  Weissen  Meeres  der  finnische 
Typus  vorheri'i^cht  und  der  reine  russische  Typus  selten  aufstösst, 
während  dagegen  bei  der  Landwirthschaft  treibenden  Bevölkerung 
der  anderen  Kreise  man  häufiger  rein  russische  Typen  begegnet. 

Dann  hat  Hr.  Senget  an  446  Männern  und  88  Frauen  Versuche 
mit  dem  Dynamometer  (von  Schwabe)  angestellt  und  eine  grosse 
Reihe  anthropologischer  Messungen  gemacht.  Zugleich  hat  er  einige 
werthvoUe  Aufzeichnungen  anderer  Forscher  erworben,  und 
zwar:  l.  ein  Memoire  des  Fürsten  Leonid  Alexejewitsch  Uchtofnsktj\ 
.  in  welchem  authentische  Nachrichten  über  den  Aufenthalt  der 
Tschuden  und  über  den  Handel  im  Norden  gemacht  sind;  2.  ein 
Verzeichniss  der  Denkmäler  und  Ansiedelungen  der  Tschuden,  zu- 
sammengestellt vom  Bibliothekar  Iwanow  in  Archangelsk;  3.  ein 
Register  aller  Hügel,  Erdaufh^ufungen,  Steinhaufen  und  Höhleni 
welche  unter  Hülfe  des  Sekretärs  des  Statistischen  Komitees  Hrn.  Mi- 
ckaücw  aus  den  Akten  des  Stat.  Komitees  gezogen  ist;  4.  3  Skizzen 
überKarelien  yonHvn. Dergaischew^  die  Geschichte,  die  Ethnographie 
und  Geologie  Kareliens  behandelnd. 

lix,N'%S€grafhBXXt  die  Reise  in  den  Norden  Russlands  unternom- 
men mit  der  direkten  Absicht,  die  Ssamojeden  anthropologisch  zu 
untersuchen.  Sein  hauptsächliches  Reiseziel  war  die  Halbinsel  Ka- 
nin gewesen,  er  hatte  viel  Ungemach  gelitten  und  mehr  als  ein  Mal  in 
offenbarer  Lebensgefahr  geschwebt.  Dafür  sind  aber  die  gesammel- 
ten Materialien  auch  schätzenswerth:  zwei  vollständige  Skelette,  9 
Schädel,  eine  Anzahl  Gesichtsmasken,  anthropologische  Messresul- 
tate von  50  Individuen  (36  Männer,  14  Weiber),  eine  Anzahl  Idole 
(Rennthierköpfe  auf  Stangen),  Waffen,  Geräthe  u.  s.  w.  (S.  237 — 
242.) 

Weiter  berichtete  der  Präsident  Hr.  Bogdanow  über  seinen  Auf- 
enthalt in  Nishnij' Nowgorod  und  seine  Betheiligung  am  Archäologi- 
schen Kongresse  in  Kasan. 

Hr.  A.  y.  Kelssijew  hatte  einen  Brief  geschickt;  er  schreibt  seine 
Forschungen  unter  den  Lappen  gingen  ihren  steten  Gang  fort,  er 
habe  mit  vieler  Mühe  8  Lappenschädel  erworben  und  messe  eifrig. 

Ebenso  waren  Nachrichten  von  Hrn.  KerzelU  eingelaufen. 

Elfte  Sitsung.  19.  September  1877.  Ausser  verschiedenen,  rein  gc- 
9f  bäftlichen  Dingen,  eingegangenen  Geschenken  lag  ein  vorläufiger 


447 

Bericht  des  Hrn.  KerzeUi  über  seine  Forschungen  im  Kaukasus  (S. 
278—281)  vor. 

Sowohl  der  Kürze  des  Aufenthalts  (7.  Juni  —  15  August),  als 
auch  der  leicht  erregbare  Charakter  der  muselmännischen  Bevölke- 
rung Hessen  nicht  überall  die  gehofllen  Resultate  erzielen.  Hr.  Ker- 
zeUi war  begleitet  von  dem  Künstler  Sewrjugin^  der  ungefähr  50 
Gesichtsmasken  (Ossetiner,  Kalmücken,  Nogaier,  Perser)  abnahm 
und  von  9  Steinbaben  Abdrücke  machte.  Der  Versuch  Kurgane 
aufzugraben,  musste  einige  Mal,  in  Folge  der  dadurch  erzeugten 
Aufregung  der  Bevölkerung  (Kabardiner),  aufgegeben  werden;  Hr. 
K.  musste  sich  damit  begnügen,  die  bereits  gesammelten  Schätze  in 
Tiflis  zu  untersuchen  und  das  Gräberfeld  von  Samthawro  (bei 
Mzchet)  zu  inspiziren. 

Einen  Bericht  über  seine  Erfolge  in  Kaukasien  lieferte  auch  Hr. 
FiHmancw  (S.  282  —  283). 

Ferner  ist  dem  Protokoll  dieser  Sitzung  ein  weiteres  Referat  des 
Hrn.  Präsidenten  Bogdanow,  über  die  bisher  auf  den  internationalen 
Kongressen  verhandelten  Fragen  aus  dem  Gebiete  der  Anthropologie 
und  vorgeschichtlichen  Archäologie  (S.  289  -296J  beigefügt. 

Zwölfte  Sitzung.  10.  Oktober  1877.  Unter  vielen  kleinen  Mitthei- 
lungen  zieht  der  interessante  Bericht,  welchen  Hr.  Nefedow  (S.  320 
— 322)  über  seine  Ausgrabungen  und  Forschungen  im  Kreise  Kassi- 
ntaw  (Gouv.  Rjasan)  eingeschickt  hatte,  die  Aufmerksamkeit  auf 
sich.  Hr.  Nefedow  hatte  zuerst  versucht,  sich  durch  die  Literatur  über 
die  Gegend  zu  belehren,  jedoch  nur  wenig  gefunden.  Seine  eigenen 
Forschungen  gingen  darauf  aus:  i.  durch  Aufgrabungen  einiger 
Kurgane  die  frühere  Bevölkerung  des  Kassimow^schen  Gebiets 
kennen  zu  lernen;  2.  durch  anthropologische  Messungen  die  Kassi- 
nww^schen  Tataren  zu  studiren.  Beides  ist  ihm  glücklich  gelungen. 

Das  Gouvernement  Rjasan  war  unzweifelhaft  in  früherer  Zeit  von 
finnischen  Stämmen  bewohnt,  deren  spätere  Schicksale  durchaus 
unbekannt  sind.  Man  darf  mit  ziemlicher  Sicherheit  schliessen,  dass 
die  ersten  Einwohner  der  Kassimow'schen  Gegend  Meschtscheren 
und  Mordwinen  gewesen  sind.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  heisst  der 
nord  östliche  Theil  des  Gouvernements  Rjasan  •iias  Meschtscheren^ 
Land»,  Ein  Volk  der  Meschtscheren  existirt  heute  jedoch  nicht 
mehr.  Die  im  Gouv.  Orenburg  lebenden  Meschtscherjaken  sind  be- 
kanntlich als  ein  türkischer  Stamm  anzusehen  und  schwerlich  die 
Nachkommen  jener.   Dass  aber  Mordwinen  im  Gouv.  Rjasan  lebten,* 


44« 

unterliegt  keinem  Zweifel,  das  bestätigen  die  Mordwinischen  Orts- 
namen und  die  Traditionen  der  Bauern. 

Die  Resultate  der  zahlreichen  Aufgrabungen  stimmen  mit  diesen 
Vermuthungen.  Es  wurde  ein  Kurgan  bei.m  Dorfe  Babenki  und 
eine  Anzahl  (73)  in  der  Nähe  der  Stadt  Kassimow  und  dem  Dorfe 
Popowskoje  aufgedeckt:  50  Schädel,  14  ganze  Skelette^  auch 
allerlei  Schmucksachen  und  Geräthe  wurden  gefunden. 

Ausserdem  gelang  es  nach  Uebcrwindung  mancher  Schwierigkei- 
ten die  aus  religiösen  Rücksichten  sich  sträubenden  mohammeda- 
nischen Tataren  von  Kassimow,  sowohl  Frauen,  wie  Männer  und 
Kinder,  zu  photographiren.  Es  ist  eine  Kollektion  von  6  Serien,  jede 
Serie  aus  10  männlichen  und  10  weiblichen  Portraits  bestehend,  zu- 
sammengebracht. 

Hv.Kelssijew^  von  seiner  lappländischen  Reise  zurückgekehrt,  legte 
den  Schluss  seines  Tagebuchs  vor  und  gab  dann  ein  übersichtliches 
Referat  (S  326 — 329)  über  den  Gang  seiner  Reise  und  die  dabei 
überstandenen  Strapazen.  Unter  den  von  ihm  mitgebrachten  Reise* 
fruchten  ist  vor  Allem  ein  Album  mit  vortrefflichen  Zeichnungen  zu 
erwähnen,  ausserdem  eine  grosse  Menge  ethnographischer  Materialien , 
Kleider,  Geräthe  etc.  Die  Ergebnisse  in  Bezug  auf  Anthropologie 
und  Archäologie  Lappland*s  werden  für  die  folgende  Sitzung  in 
Aussicht  gestellt 

Hr.  Bo^danow  setzt  den  in  einer  früheren  Sitzung  eingeleiteten 
BePicht  über  die  im  Jahre  1878  in  Paris  beabsichtigte,  Ausstellung 
anthropologischer  Gegenstände  fort  (S.  330 — 334). 

Dreizehnte  Sitzung.  4.  November  1877.  Der  Präsident  zeigt  den 
schweren  Verlust  an,  welchen  das  Ausstellungs-Komite  durch  den 
Tod  ihres  Sekretärs  Hrn.  N.  K.  Setiger  2im  31.  Oktober  erlitten.  Die 
Verdienste  des  Vierstorbenen  sind  allen  so  sehr  bekannt  und  das 
Gedächtniss  an  ihn  ist  unter  allen  noch  so  lebendig,  dass  keine  Noth- 
wendigkeit  vorUegt,  sie  aufs  Neue  aufzuzählen.  Senger  war  ein 
Mann  der  Arbeit  und  der  That.  Unter  Anderem  legt  der  Präsident 
Hr.  Bogdanow  dem  Komite  seine  Ansiebten  über  die  Art  und  Weise 
dar,  in  welcher  die  Moskauer  Gesellschaft  sich  bei  der  bevorstehen- 
den Pariser  Welt-Ausstellung  in  der  anthropologischen  Abtheilung 
betheiligen  sollte.  Es  wird  später  auf  die  Betheiligung  zurückge- 
gangen werden,  da  es  sich  hier  um  vorläufige  Berathungen  handelt; 
man  beschloss  zunächst,  Hrn.  Anutsc/Un  zu  ersuchen»  den  Empfang 
^ud  die  Aufstellung  der  nach  Paris  zu  befördernden  Gegenstände 
I^U  übernehmen  und  ferner  die  Hrn.  A  A.   Tereschtschenko   und 


449 

N.  K.  Milajeiv\  zu  Repräsentanten  des  Komitees  bei  Eröffnung  der 
Pariser  Ausstellung  zu  ernennen. 

Hr.  Kelsjew  erstattet  einen  Bericht  über  die  Untersuchung  der 
Lappen.  Er  hat  ein  Vokabularium  von  ca. 200  Worten  der  lappischen 
Sprache  zusammengestellt  j  ferner  in  1 1  verschiedenen  Ortschaften 
an  35  Individuen  genaue  Messungen  auf  Grundlage  des  Broca'schen 
Systems  ausgeführt;  hat  von  12  typischen  Individuen  Gesichts- 
masken genommen  und   28  verschiedene  //b^rproben  gesammelt. 

Ausserdem  glückte  es  9  authentische  Lappenschädel  und  ein  voll- 
ständiges'Skelett  auszugraben ;  ferner  konnten  160  Steinwerkzeuge, 
148  Pfeilspitzen  und  11  Gewichte  erworben  werden;  es  wurden  eine 
Menge  Zeichnungen  und  Aufnahmen  gemacht,  und  eine  grosse  An- 
zahl Photographien  in  Uleaborg  gekauft,  darunter  80  Portraits  der 
«Savolak*  genannten  Finnen. 

Vierzehnte  Sitzimg,  13.  November  1877.  Hr.  Ujfalvy,  der  be- 
kannte Pariser  Ethnograph,  befand  sich,  aus  Central-Asien  zu- 
rückgekehrt, in  Moskau,  nahm  an  der  Sitzung  Theil  und  gab  in 
kurzen  Worten  eine  Uebersicht  seiner  Reise  und  ihrer  Ergebnisse 
(S.  356 — 359),  welche  namentlich  in  Folge  zahlreicher  Messungen 
als  werthyoU  erscheinen. 

Eine  Reihe  kleiner  Mittheilungen  in  geschäftlichen  Angelegen- 
heiten füllte  den  Rest  der  Sitzung  aus. 

Fünfzehnte  Sitzung,  9.  Dezember  1877.  Graf  A,  J.  Uwarow 
beantwortete  die  an  ihn  gerichtete  Frage,  wo  demnächst  Kurgane 
aufgegraben  werden  sollten.  Als  geeignet  zur  Aufdeckung  bezeich- 
nete er  I.  die  Kurgane,  welche  auf  der  Insel  Chortiza  in  der  Nähe 
der  Stromschnellen  im  Dnjepr  liege,  sie  sind  entschieden  interessant, 
weil  Konstantin  Porphyrogenitus  ausführlich  beschreibt,  wie  die  auf 
dem  Dnjepr  Schiffenden,  sobald  sie  die  Stromschnellen  passirt  hatten, 
auf  der  Insel  zu  opfern  pflegten;  2.  die  Kurgane  bei  Kinbum\ 
3.  alte  Bulgarische  Gräber.  Zuerst  solle  man  die  Kurgane  an  dem 
Ufer  der  Kama  und  Wolgc^  in  der  Umgegend  der  Ruinen  des  alten 
Bolgary  öffnen,  dann  das  nördliche  Ufer  des  Schwarzen  Meeres 
zwischen  Dnjepr,  Bug  und  Dnjestr  untersuchen,  ob  hier  nicht  viel- 
leicht Kurgane  zu  finden  sind,' welche  die  Bulgaren  auf  dem  Wege 
zur  Donau  bis  hier  errichteten;  schliesslich  sei  eine  Erforschung 
alter  Gräber  an  den  Ufern  der  Donau  nothwendig.  Wenn  ein 
Vergleich  der  von  den  genannten  3  verschiedenen  Orten  entnom- 
menen Knochen,  speziell  der  Schädel,  dieselben  Resultate  gibt,  so 
würden  wir  dadurch  eine  Bestätigung  der  dunkeln  Nachrichten  ha- 

BUI8,  BBV  CS.  BD.  xm«  a9 


41Ö 

ben,  welche  die  alten  byzantinischen  Schriftsteller  über  jenes  Volk 
uns  gesammelt  haben. 

Weiter  las  Hr.  Graf  A.  J,  Uwaraw  ein  interessantes  Memoire  über 
die  chemisch-technologischen  Untersuchungen  der  Bronze  vorge- 
schichtlicher Gegenstände  (S.  357 — 359)  vor. 

Sechszehnte  Sitzung.  30.  Dezember  1877.  Es  ist  die  letzte, 
über  welche  in  dem  vorliegenden  ersten  Bande  berichtet  wird.  Wir 
heben  aus  den  vielen  kleinen  Mittheilungen  nur  eine  Uebersicht  her- 
aus, welche  Hr.  Kerzelli  über  die  Arten  vieler,  zur  Ausstellung  ein- 
geschickten und  gesammelten  Gegenstände  mittheilt.     Es  sind   an 

Schädeln,  Skeletten  und  Knochen    • 

Werkzeuge  aus  Stein  und  Knochen  . 

Eiserne  und  bronzene  Geräthe  und  an- 
dere vorgeschichtliche  Gegenstände 

Büsten  und  Gesichtsmasken     • 

Abdrücke  und  Abgüsse  von  Stein- 
baben  und  anderen  vorgeschicht- 
lichen Denkmälern 

Modelle  von  Kurganen  und  Gräbern 

Kostüme  und  Hausgeräthe  (Ethno- 
graphische Gegenstände    .     .     ,     . 

Photographien >     •     • 

Es  wurde  in  der  Einleitung  gesagt,  dass  die  Moskauer  Gesell- 
schaft ausreichende  Mittel  bewilligt  hatte,  um  Hcn.  Anutschin  einen 
3-jährigen  Aufenthalt  im  Auslande  zum  Zweck  anthropologischer 
Studien  zu  ermöglichen.  Hr.  Anutschin  hatte  sich  in  Folge  dessen 
zuerst  daran  gemacht,  die  verschiedenen  anthropologischen  und 
verwandten  Sammlungen  und  Kabinete  in  den  grösseren  und  kleine- 
ren Städten  Europa's  zu  besuchen.  Ueber  diese  seine  Besuche  hat  er 
in  einer  Reihe  von  Briefen  und  Berichten  dem  Ausstellungs- 
Komite  Mittheilung  gemacht;  diese  sind  unter  verschiedenen 
Titeln  in  der  Reihe  wie  sie  eingelaufen  sind,  also  an  verschiedenen 
Stellen  dem  I.  Bande  einverleibt. 

Wir  stellen  nur  die  Ueberschriften  der  Berichte  und  Briefe  hier 
zusammen,  auf  einen  ausführlichen  Auszug  jetzt  aus  manchen  Grün- 
den verzichtend.  Vielleicfit,  dass  sich  derselbe  nach  allendlichem 
Abschlüsse  der  Reiseberichte  geben  lässt. 

I.    Die  russischen  und  ausländischen  anthropologischen  und  etfa- 


375  Nummerr 

i(Nr. 

1-375) 

539 

* 

(    » 

1—539) 

• 

206 

» 

{    » 

540-745) 

60 

» 

(    » 

1—60) 

12 

• 

(    * 

I— 12) 

9 

» 

(     f 

1-9) 

310 

» 

(    » 

1-310) 

124 

• 

(     » 

I  — 124) 

s 


451 

nopfraphtschen  Sammlungen.    Vorläufige  Bemerktingen  (S.  35—61). 
(St.  Petersburg,  Berlin,  Paris.) 

2.  Briefe  aus  dem  Auslande  (S.  79—81).  Einiges  über  die  Berli- 
ner Sammlungen  und  ihre  Vorstände,  enthaltend. 

3.  Anthropologische  Bemerkungen  in  Briefen  (S.  129 — 146),  be- 
sprechen Paris  und  die  neuerrichteten  anthropologischen  Kurse. 

4.  Die  anthropologischen  Sammlungen.  Reiseberichte  (S.  194-- 
200).  Das  Museum  von  St.  Germain  en  Laye,  Musde  d'Orfila  und 
Musöe  Dupytrin  werden  beschrieben. 

5.  Die  anthropologischen  Sammlungen  Londons.  Reisebriefe  (S. 
215—228). 

6.  London  und  seine  anthropologischen  Merkwürdigkeiten.  Ein 
Bericht  (S.  248—275). 

7.  Die  belgischen  und  süd-deutschen  anthropologischen  Samm- 
lungen. (S.  300 — 308.)  Brüssel,  Mainz,  Frankfurt,  München,  der  an- 
thropologische Kongress  in  Konstanz. 

8.  Reisen  in  Sachsen  und  Böhmen  zu  anthropologischen 
Zwecken.  (S.  369 — 384.)  Leipzig,  Dresden,  Prag. 

9.  Ergänzende  Mitlhcilungen  über  die  Museen  St.  Petersburgs 
und  Berlin.  (Vortrag  in  der  15.  Sitzung,  9.  Dezember  1877.)  (S.  389 

-398^; 

10.  Ein  Brief  aus  Wien  (verlesen  in  der  16.  Sitzung,  30.  Dezem- 
ber 1877).  (S.  418—420.) 


Uebersicht  der  rnssischen  historischen  Literatur 

für  die  Jahre  1874-1876 

Von 

Prof.  'W.  Jkonnikow. 

(Schluss.)* 

Bas  Jahr  1876. 
I.  Materialien  und  Hülfsmi ttcl. 

I .  Leibowiisch,  5.  L,    Combinirtc  Chronik,  zusamnungestellt  nach 
allen  bis  jetzt  erschienenen  Handschriften  der  Chronik.    Die  erste  Lie- 

*  Vgl.  «Russ.  Revue»  Bd.  XII,  S  473  u.  ff.,  Bd.  XIII,  S.  63  u.  ff.  und  S.  %^o  u,  ff: 
Auch  dieses  Mal  beschränken  wir  uns  auf  die  Angabe  der  wichtigsten  Werke  und  des 
wesentlichsten  Inhalts  derselben.  ^«  '^^* 

29* 


45^ 

ferung  umfasst  die  «Erzählung  vergangener  Zeiten»  (noB'fecTb  epe- 
MeHHbix-b  ji'fen»);  der  Herausgeber  verspricht  jedoch  eine  cUlge- 
meine  Chronik  vorzulegen,  in  welcher  alle  Nachrichten  nissischer 
Chroniken,  welche  sich  auf  die  Geschichte  Russlands  beziehen,  ange- 
führt und  verglichen  werden  sollen.  Diesem  Plan  gemäss  sollen 
alle  Nachrichten,  welche  die  Geschichte  anderer  Länder  betreffen, 
soweit  dieselben  nicht  direkt  auf  die  russische  Geschichte  Bezug 
haben,  wie  z.  B  die  in  den  alten  historischen  Chroniken  oft  vor- 
kommenden Mittheilungen  aus  der  Geschichte  von  Byzanz,  von  Bul- 
garien, Polen,  Litthauen  u.  s.  w.  fortgelassen  werden.  Ausnahmen 
von  dieser,  in  Zukunft  zu  beobachtenden  Regel  finden  sich  in  dieser 
ersten  Lieferung  hinsichtlich  Polens  und  Litthauens,  sowie  auch  der 
Petscheneger,  Polowzer  u.  A.,  da  in  diesem  Falle  die  russischen 
Chroniken  die  einzigen  Quellen  ihrer  Geschichte  sind.  In  den 
Varianten  sind  nur  solche  Abweichungen  angeführt,  welche  der  be- 
treffenden Stelle  einen  andern  Sinn  verleihen,  nicht  aber  bloss  solche, 
welche  allein  vom  philologischen  Standpunkt  von  Interesse  sind. 

2.  Urkunden  des  XIV,— XVL  Jahrhunderts  in  Bezug  auf  die  Ver- 
waltung der  lokalen  Regierungs -Behörden,  herausgegeben  von  Sagos- 
kin,  Sämmtliche,  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Urkunden  in  Bezug 
auf  den  betreffenden  Gegenstand  sind  nach  gewissen  Rubriken  ge- 
ordnet, z.  B.  I.  Einleitende  Urkunden;  2.  Bestimmungen  hinsichtlich 
der  Organisation  der  Lokal-Verwaltung;  3.Maassnahmen  zur  Garantie 
der  Bevölkerung  vor  Ausschreitungen  Seitens  der  Lokal- Verwal- 
tung; 4.  Bestimmungen  über  den  Gehalt  der  Verwaltungsbeamten ; 
5.  Bestimmungen  über  die  Steuereintreibung;  7.  Bestimmungen 
über  Handel  und  Industrie;  ferner:  8,  über  Polizeiwesen,  9.  über 
Kriminaluntersuchungen,  u.  s.  w. 

3.  Chrestomathie  zur  Geschichte  des  Russischen  Rechts,  herausgege- 
ben von  Wladimirskij-Budanow.  Dieses  Werk  besteht  aus  drei  Bän- 
den. Die  erste  Lieferung  enthält  die  ältesten  Denkmäler  des  Rus- 
sischen Rechts;  die  früher  erschienene  2.  und  3.  Lieferung  brach- 
ten das  Gesetzbuch  Kasimir  IV.,  Iwan  III.  und  Iwan  IV.  und  einige 
andere  Rechtsalterthümer. 

4.  Russische  historische  Bibliothek,  Bd.  III,  herausgegeben  von  der 
Archäograp/üschen  Kommission.  Dieser  Band  enthält  unter  Anderem 
Beschreibungen  gottesdienstlicher  Feierlichkeiten  in  der  Uspenski- 
schen  Kathedrale  in  Moskau,  ferner  Inventare  der  genannten  Kathe- 
drale seit  dem  Beginn  des  XIII.  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1701 
und  ein  Inventar  des  Kirchenschatzes  des  Patriarchen  Philaret.  End- 
lich ist  von  grosser  Bedeutung  ein  in  diesem  Bande  veröffentlichter 
Auszug  aus  einer  Chronik  der  Jahre  1563  — 1567,  in  welchem  sich 
offizielle  Aktenstücke  über  den  Verrath  des  Fürsten  Kurbskij,  über 
die  Institution  der  Opritschniki,  und  über  die  Beziehungen  Iwan's 
des  Grausamen  zu  dem  schwedischen  König  Erich  XIV.  vorfinden. 

^.Aktenstücke  über  die  ökonomischen  undjuristisclien  Verlüiltnisse  der 
Bauern  im  XVI. — XVIII,  Jahrhundert,  herausgegeben  von  der 
Kgeu/schen  Archäographischen  Kommission.   Die  zwei  Bände  dieses 


453 

Werkes  enthalten  371  Aktenstücke  (der  I.  Band  185,  der  IL  186 
Aktenstücke)  in  Bezug  auf  das  Leben  und  die  rechtliche  Stellung 
der  Bauern  in  den  süd-westlichen  Gouvernements.  Den  Akten- 
stücken ist  eine  Untersuchung  des  Hrn.  Nowitzkij  über  den  be- 
treffenden Gegenstand  beigegeben. 

6—9.  JaltrbtLch  der  Russischen  historisdun  GeseUsc/taft,  Bd.  XVII, 
XVm  und  XIX. » 

10— II.  Archiv  des  Fürsten  Woronzow.  Bd.  IX.  und  X.  Der 
XI.  Band  enthält  hauptsächlich  Briefe  des  Grafen  S.  Woronzow  an 
seinen  Bruder,  den  Grafen  A.  Woronzow,  aus  den  Jahren  1784  bis 
1796.  Graf  S.  Woronzow  war  in  dieser  Zeit  bevollmächtigter  Mini- 
ster in  Venedig  und  London.  Die  Briefe  enthalten  ausser  den  diplo- 
matischen Mittheilungen  auch  noch  Angaben  über  russischen  Han- 
del, russische  Finanzen,  über  den  Krieg  in  Schweden,  über  die  fran- 
zösische Revolution  u.  s.  w.  Eine  Fortsetzung  dieser  Briefe  bringt 
der  X.  Band.  Sie  umfassen  die  Zeit  von  1796-  1804.  Neben  den 
Briefen  über  die  Beziehungen  zwischen  England  und  Russland  in 
dieser  Zeit  enthält  dieser  Band  auch  Briefe  der  Kaiser  Paul  I.  und 
Alexander  I.  an  den  Grafen  S.  Woronzow  und  ein,  an*  den  Kaiser 
Alexander  I.  gerichtetes  Memoire  über  das  russische  Heer. 

12.  Sammlung  hütorisciur  Materialien  aus  dem  Archiv  der  /.  Ab* 
tlieilung  der  Eigenen  Kanzlei  S.  Maj.  des  Kaisers.  Dieses  Archiv 
enthält  sehr  viele  geheime  Aktenstücke  zur  Geschichte  der  drei 
letzten  Regierungen.  Auf  Befehl  des  Kaisers  Alexander  II.  ist  man 
jetzt  damit  beschäftigt,  die  Aktenstücke  aus  der  Regierungszeit  des 
Kaisers  Nikolaus  I.  zu  ordnen,  während  dasselbe  früher  schon  bei 
den  Aktenstücken  aus  der  Regierungszeit  Alexander  I.  und  Katha- 
rina IL  geschehen  war.  Der  erste  bis  jetzt  erschienene  Band  der 
genannten  «Sammlung»  enthält  ifl  der  ersten  Abtheilung:  Aller- 
höchste Befehle,  Erlasse  ,  Reskripte  und  verschiedene  Aktenstücke 
(im  Ganzen  iio)  aus  dem  Jahre  i8i2;  in  der  zweften:  i.  Reskripte 
der  Kaiserin  Katharina  an  den  Fürsten  Potemkin  aus  dem  Jahre  1785 
über  Reformen  im  Kaukasus  und  im  Gebiet  Astrachan;  2.  Materia- 
lien zur  Geschichte  des  Krieges  vom  Jahre  18 12  und  der  darauflTol- 
genden  Ereignisse  bis  zum  Jahre  181 5;  3.  Aktenstücke  über 
Speranskij's  Thätigkeit  von  1818--  1819;  4.  das  für  die  Ge- 
schichte der  Reaktion  in  den  zwanziger  Jahren  höchst  wichtige  Me- 
moire von  Magnitzkij  über  die  Volksbildung  aus  dem  Jahre  1823;  und 
5.  einen  Brief  von  N.  Nowossilzew  an  Araktschejew  über  die  Ver- 
waltung des  Herzogthums  Warschau,  ferner  einen  Brief  von  Jei  mo- 
low  an  Araktschejew  über  die  Organisation  der  Verwaltung  im  Kau- 
kasus und  die  Korrespondenz  zwischen  Karasin  und  Araktschejew 
über  die  philotechnische  Gesellschaft. 

13.  Sammlung  von  Traktaten  und  Konventionen  zwischen  Russland 
und  den  auswärtigen  Mächten^   herausgegeben   von  F,   Martens. 

^  Der  Inhalt  dieser  drei  Bände  ist  bereits  im  X.  Bande  der  cRussischcn  Revue»  S. 
472  angegeben. 


454 

Bd.  in.  Diese  Band  bildet  die  Fortsetzung  der  früher  veröffent- 
lichten und  in  der  u Russischen  Revue»,  im  VII.  Bande  (S.  557  bis 
567)  besprochenen  Bände.  Er  enthält  38  Traktate  aus  den  Jahren 
1808—1815. 

14.  Chronik  der  jüngsten  Vergangenfieit,  Aus  dem  Archiv  des  Für- 
sten Obolenskij'Neledinskij'Melei^kij,  Unter  den  historischen  Ma- 
terialien sind  hier  von  Bedeutung  einige  Nachrichten  aus  der  Regie- 
rungszeit der  Kaiser  Paul  I.  und  Alexander  I.  und  die  Reskripte 
und  Briefe  der  Kaiserin  Maria  Feodorowna  an  Neledinskij-Meletzkij. 

15.  Das  Gewohnheitsrecht  der  sibirischen  Stämme,  herausgegeben 
von  Ssamokwassow.  Diese  Untersuchung  ist  in  den  Papieren  des 
Senators  Gube  gefunden  worden  und  enthält  eine  Kopie  der  in  den 
zwanziger  Jahren  dieses  Jahrhunderts  auf  Befehl  der  Regierung  ge- 
sammelten Materialien,  welche  einem  besonderen  Gesetzbuch  für 
die  sibirischen  Stämme  zu  Grunde  gelegt  werden  sollten.  In  den 
sieben  Abschnitten  des  Werkes  findet  man  Materialien  zum  Gewohn- 
heitsrecht der  Kalmücken  und  Tataren  des  Bij'schcn  Kreises,  der 
Wogulen,  Ostjaken,  Ssamojeden,  Tungusen,  Burjaten,  Jakuten  und 
Kirgisen. 

16.  Dcis  Gewohnheitsrecht  der^  seit  alter  Zeit  im  Gouvernement 
Tomsk  ansässigen  Bauern.  Dieses  Werk  des  Fürsten  Kostrow,  nach 
einem,  von  der  Kaiserlichen  Geographischen  Gesellschaft  aufgestell- 
ten Plane  ausgearbeitet,  enthält  im  ersten  Abschnitt  die  civilrechtlL- 
chen,  im  zweiten  die  kriniinalrechtlichen  Bestimmungen  und  im  drit- 
ten Mittheilungen  über  das  Leben,  das  Gerichts-  und  Strafverfahren 
nach  den  Anschauungen  des  Volkes.  Als  Quellen  haben  dem  Ver- 
fasser gedient:  i.  seine  eigenen  Notizen,  gesammelt  vyährend  eines 
dreissigjährigen  Aufenthalts  in  Sibirien  überhaupt,  und  eines  zehn- 
jährigen im  Gouvernement  Tomsk  insbesondere;  2.  die  Urtheils- 
sprüche  der  Wolost-Gerichte,  wobei  über  3000  Entscheidungen  des 
genannten  Gerichts  durchgesehen  worden  sind,  und  3.  die  im  Ar- 
chiv der  Gouvernements-Verwaltung,  des  Gouvernements-Gerichts 
und  des  geistlichen  Konsistoriums  in  Tomsk  aufbewahrten  Akten- 
stücke. 

17.  Klein-russische  Votkssagen^  gesammelt  von  M.  Dragomanow 
und  herausgegeben  von  der  (nunmehr  eingegangenen)  «süd-westli- 
chen  Abtheilung»  der  Kaiserlich  Russischen  Geographischen  Ge- 
sellschaft. Die  reiche  Sammlung  enthält:  i.  Sagen  und  Erzählungen 
aus  dem  Bereiche  der  Naturerscheinungen;  2.  abergläubische  Ge- 
bräuche und  Vorbedeutungen;  3.  Hexenwesen,  besondere  Gebete 
und  Parodien  auf  die  letzteren;  4.  Teufelssagen  und  Geschichten;  5. 
vergrabene  Schätze;  6.  Todtencrscheihungen  und  Gespenster,  u. 
s.  w. 

18.  Denkmäler  der  alten  russischen  Kunsttischlerei  im  Gouverne- 
ment Wladimir,  gezeichnet  und  herausgegeben  von  y,  Golyschew. 
Auf  neun  grossen  Blätter  gibt  der  Herausgeber  in  dieser  Sammlung 
Abbildungen  verschiedener  Gegenstände  aus  dem  Hausinventar  der 


455 

alten  Russen,  wie  z.  B.  Abbildungen  von  Leuchtern,  Stühlen,  Ti- 
schen, Gebetpulten,  Schränken,  Schreinen,  Schlitten,  u.  s.  w. 

19.  Lexikon  der  russisclien,  im  XVIIL  und  XIX,  Jahrhundert  ver- 
storbenen Schriftsteller  und  Verzeichniss  der  seit  1725  bis  1825  er* 
schienenen  russischen  Bücher^  herausgegeben  von  G.  Gennadu  Der 
Verfasser  gibt  in  seinem  Werke  nicht  nur  über  russische  Schrift- 
steller und  Bücher  Nachricht,  sondern  auch  über  nichtrussische  Bü- 
cher, wenn  sie  in's  Russische  übersetzt  worden  waren. 


IL  Allgemeine  Werke,  Monographien  und  Untersuchungen. 

20.  J.  Sobelin.  Geschichte  des  russischen  Lebens  seit  den  ältesten 
Zeiten,  Bd.  I.  Dieser  Band  enthält  5  Kapitel  mit  4  Beilagen.  Der 
Verfasser  beginnt  sein  Werk  mit  einer  Schilderung  der  Natur  Russ- 
lands, mit  Berücksichtigung  der  Ethnographie,  der  Kolonisation  und 
der  Handelsstrassen  Russlands.  Darauf  geht  er  zu  einer  Untersu- 
chung über  Rurik  und  dessen  Abstammung  über.  Die  Waräger  sucht 
der  Verfasser  an  der  Baltischen  Küste,  bei  den  Slaven  selbst,  den  Na- 
men *Rusj*  (Pycb)  aber  leitet  er  von  dem  sla vischen  Rugien  ab. 
Dann  wendet  er  sich  der  Ethnographie  des  alten  Russland  zu.  Das 
letzte  Kapitel  ist  bereits  einer  Untersuchung  über  die  ersten,  in  den 
historischen  Chroniken  vorkommenden  Nachrichten  in  Bezug  auf 
die  älteste  Geschichte  Russlands  und  der  Beschreibung  der  sozialen 
Organisation  des  alten  Russland  gewidmet. 

2\,  D.  Ilowaiskij.  Geschichte  Russlands.  Bd.  L  Kijew'sclie  Periode. 
Der  Verfasser  beginnt  seine  Erzählung  von  jenem  Zeitpunkt,  da 
Russland  mit  Byzanz  Verbindungen  anknüpft,  indem  er  auch  weiter 
im  Verlauf  seiner  Darstellung  Byzanz  besonders  in  den  Vorder- 
grund rückt.  Er  beschliesst  diesen  Band  mit  den  Ereignissen,  wel- 
che der  Mongolenherrschaft  in  Russland  vorangingen.  Wie  das 
Werk  von  J.  Sabelin,  zeichnet  sich  auch  diese  «Geschichte  Russ- 
lands» von  D.  Ilowaiskij  durch  Klarheit  und  Fasslichkeit  in  der  Ent- 
wicklung der  dem  Werke  zu  Grunde  liegenden  Anschauungen  aus. 

22.  Gedeofww.  Die  Waräger  und  Russland,  Bd.  I  und  II.  Dies 
Werk  ist  bereits  im  Jahre  1846  geplant  worden,  aber  erst  jetzt, 
nachdem  bereits  in  den  Jahren  1862  und  1863  in  den  Memoiren  der 
Akademie  der  Wissenschaften  Bruchstücke  veröffentlicht  worden 
waren,  vollständig  zur  Ausführung  gekommen.  Hr.  Gedeonow  ist  in 
Bezug  auf  die  Berufung  der  Waräger  ein  Anhänger  der  sogenannten 
slavisch-baltischen  Theorie,  welche  seit  Lomonossow  viele  Verfech- 
ter gefunden.  Er  hält  an  dem  slavischen  Ursprung  der  Waräger  fest 
und  versucht  denselben  durch  eingehende  Untersuchungen  über 
Sprache,  Gewohnheitsrecht  und  Sitten  zu  bekräftigen.  Trotzdem  ist 
seine  glänzende,  zuweilen  über  das  Ziel  hinausschiessende  Argu- 
mentation nicht  genügend,  um  die  vielbesprochene  Streitfrage  end- 
gültig zur  Entscheidung  zu  bringen. 

23.  Borsakowskij.  Geschichte  des  FürstentJmms  Twer.  Diese  Unter- 


456 

suchung  zerfällt  in  neun  Kapitel,  von  denen  das  erste  der  Ethnogra- 
phie,  der  Kolonisation   und  der  Geographie  des  Fürstenthums,  die 
sieben   andern    einer  ausführlichen  pragmatischen   Darlegung    der 
Ipolitischen   Geschichte    des  Fürstenthums  bis  zu  dessen  Untergang 
•-und   das   letzte    Kapitel   endlich   einer   Beschreibung   der   inneren 
Zustande   im   Fürstenthum    gewidmet   ist.      In    besonderen    Beila- 
■gen  \verden   noch   einige   spezielle  Fragen  aus  der  politischen  und 
-atiis  der  Kirchengeschichte  des  Fürstenthums  behandelt.    In  den  No- 
tizen, welche  fast  ein  Drittel   des  ganzen  Werkes  einnehmen,  ist  ein 
überaus  reichhaltiges  Material  gesammelt. 

24.  Terpowskij.  Die  Erforschung  der  byzantinischen  Geschichte  und 
deren  teKdenziöse  Anwendung  auf  die  älteste  Geschichte  Russlands. 
Der  Verfasser  spricht  in  diesem  Werk  von  den  Russen,  welche  bis 
zum  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  in  Konstantinopel,  und  anderer- 
seits von  den  Griechen,  welche  während  derselben  Zeit  in  Russ- 
land gewesen  und  verfolgt  dann  in  chronologischer  Reihenfolge  die 
Uebertragung  der  Thatsachen  byzantinischer  Geschichte  auf  Russ- 
land, und  zwar  seit  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Regierung  Peters 
des  Grossen,  wo  plötzlich  ein  Umschwung  in  deu  Anschauungen  über 
Byzanz  und  dessen  kultur-historische  Bedeutung  für  Russland  ein- 
trat. In  diesem  Werk  finden  sich  gleichzeitig  einige  interessante 
Auszüge  aus  byzantinischen  Handschriften. 

25.  Kondakow.  Geschichte  der  byzantinisc/ien  Kunst  und  der  byzan- 
tinischen Ikoiwgraphie  nach  den  Miniaturen  grieclUscher  Handschrif- 
ten, Der  Verfaisser  weist  zuerst  auf  die  Bedeutung  der  Miniaturen 
für  die  allgemeine  Geschichte  der  byzantinischen  Kunst  und  der  by- 
zantinischen Ikonographie  hin,  und  geht  dann  zur  Darstellung  der 
Geschichte  der  ältesten  Periode  der  byzantinischen  Kunst,  ihrer 
Blüthezeit  und  ihres  Verfalls  über,  wendet  sich  darauf  der  zweiten 
Periode  (VI.— IX,  Jahrh.)  und  der  zweiten  Blüthezeit  (vom  IX  — 
Xn.  Jahrh.)  zu  und  beschliesst  sein  Werk  mit  einer  Schilderung  der 
letzten  Periode  (^XIII.  Jahrh.  bis  zum  Fall  Konstantinopcls)  und  des 
gänzlichen  Verfalls  der  byzantinischen  Kunst. 

26.  N.  Sagoskin,  Skizzen  der  Organisation  und  des  Ursprungs  des 
Hof  und  Staatsdienstes  im  vorpetrinischen  Russlaful.  Das  Werk  ent- 
hält drei  Abschnitte:  im  ersten  Abschnitt  gibt  der  Verfasser  eine 
Skizze  der  Verhältnisse  der  Staatsbeamten  in  West  Europa  und  im 
alten  Russland;  den  zweiten  Abschnitt  widmet  er  der  Untersuchung 
der  Veränderungen,  welche  während  der  Moskauer  Periode  in  jenen 
Verhältnissen  eingetreten,  und  im  dritten  endlich  skizzirt  er  die  Ele- 
mente, welche  in  derMoskauer Periode  einen  Bestandtheil  des  ganzen, 
im  Staatsdienst  stehenden  Personals  bildeten,  indem  er  dieselben  in 
folgende  Gruppen  thefh:  das  Element  der  Nachkommen  Ruriks 
(186  Geschlechter),  das  litthauisch  polnische  Element  (223  Ge- 
schlechter), das  Element  anderer  west-europäischer  Völkerschaf- 
ten (229  Geschlechter),  das  tatarische  Element  (120  Geschlechter) 
und  das  Element  anderer  orientalischer  Völkerschaften  (36  Ge- 
schlechter).   Ausserdem  weist  der  Verfasser  noch  42  Geschlechter 


457 

lokalen  russischen  Ursprungs  und  97  Geschlechter  unbekannten  Ur- 
sprungs nach. 

27.  Mrotsc/iek-Drosdawskif.  Die  Verwaltung  der  russischen  Ge- 
biete im  XVI IL  Jahrhundert  bis  zur  Einrichtung  der  Gouvernements, 
Als  Hauptquellen,  aus  denen  er  geschöpft,  nennt  der  Verfasser  die 
im  Moskauer  Archiv  des  Justizministeriums  aufbewahrten  Akten- 
stücke und  die  Gesetzsammlung.  Er  kommt  in  seiner  Untersuchung 
zum  Schluss,  dass  jene  Reform  der  Verwaltung  nicht  bloss  in  einer 
einfachen  Verpflanzung  fremdländischer  Institutionen  bestand,  son- 
dern dass  ihr  eine,  schon  im  X VIII.  Jahrhundert  ausgearbeitete  Basis, 
als  welche  die  administrative  Centralisation  hingestellt  worden  war, 
zu  Grunde  lag,  wobei  die  früher  überall  bei  den  Verwaltungsbcam- 
ten  herrschende  Idee  des  Dienstes  speziell  für  die  Person  des  jewei- 
Hgen  Herrschers  der  höheren  Idee  des  Dienstes  für  das  allgemeine 
Wohl  des  Staates  zum  Opfer  fiel. 

28.  Brandenburg.  Materialien  zur  Gesciüchte  der  Artillerie-  Ver- 
waltung in  Russland.  «Dieses  Werk  enthält  auf  Grund  von  Akten 
aus  dem  früheren  Artillerie  Prikas  (Artillerie-Departement)  eine 
Untersuchung  über  die  Organisation  und  über  die  Thätigkeit  des- 
selben. Von  dem  speziellen  Werth,  welchen  dieses  Buch  für  die 
Geschichte  des  Militärwesens  in  Russland 'hat,  abgesehen,  findet 
man  in  demselben  auch  mannigfache  Mittheilungen  von  allgemeinem 
Interesse,  so  z.  B.  über  Schulen,  Druckereien,  Fabriken  (nament- 
lich über  die  Tula'sche  Fabrik)  u.  s.  w. 

29.  K.  Pobedonoszew.  Historische  Untersuchungen  und  Aufsätze. 
Unter  den  in  diesem  Bande  veröffentlichten  kleinen  Artikeln  dürfte 
das  meiste  Interesse  die  •Skizze  der  Leibeigenscliaft  in  Russland  bis 
zum  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts»  für  sich  beanspruchen,  in  wel- 
cher besonders  die  rechtlichen  Beziehungen  scharf  beleuchtet  sind. 
Der  Skizze  sind  verschiedene  Aktenstücke  in  Bezug  auf  d^n  behan- 
delten Gegenstand  beigelegt.  Ferner  finden  sich  in  diesem  Bande 
noch  einige  Prozesse  aus  der  Kriminalpraxis  des  XVIII.  Jahrhun- 
derts. 

30.  Fürst  A.  Wassiltschikaw.  Der  Grundbesitz  und  der  Ackerbau 
in  Russland  und  anderen  europäischen  Staaten} 

31.  -/4.  Markewitsch.  Jurij  Krishanitsch  und  dessen  literarische 
Tliätigkeit  Eine  literar-historische  Skizze,  Der  Verfasser  gibt  in 
diesem  Werk  eine  biographische  Skizze  des  genannten  Schriftstellers 
und  lässt  derselben  eine  Untersuchung  über  die  politischen,  gramma- 
tikalischen und  anderen  Werke  von  Jurij  Krishanitsch  folgen. 
Als  erster  biographischer  Versuch  verdient  dieses  Werk  volle  An- 
erkennung. 

32.  N,  Kostomarow.  Russische  Geschichte  in  Biographien.  Lief.  VI. 
Dieselbe  enthält  die  Biographie  Peters  des  Grossen,  Mazeppas,  des 
Zarewitsch  Alexei,  des  Fürsten  Alexander  Menschikow  und  des  Erz- 

*  Dieses  Werk  ist  bereits  im  X.  Bande  der  «Russischen  Revue>  (S.  282  -  284)  be- 
sprochen worden. 


458 

bischofs  Prokopowitsch.  In  Bezug  auf  Peter  den  Grossen  weicht 
der  bekannte  Historiker  nicht  unwesentlich  von  den  andern  Histori" 
kern  der  letzten  Zeit,  Ustrjalow  und  Ssolowjew,  ab.  Die  Ansicht  äus- 
sernd, dass  die  despotische  Reform  Peters  des  Grossen  kein  neues 
Russland  schaffen  konnte,  bemerkt  Hr.  Kostomarow,  dass  Peter, 
der  abstrakten  Idee  vom  Staate  hingegeben,  zu  seinem  Volke  im 
Grunde  zu  wenig  herzliche  Zuneigung  empfunden.  «In  seinen  Au- 
gen w,  sagt  Hr.  Kostomarow,  «war  das  Volk  nur  eine  Summe  von 
Ziffern  und  ein  Material,  welches  eben  zur  Bildung  eines  Staates  gut 
zu  verwenden  war*.  Ungeachtet  dessen  hat  er  sich  doch  gerade 
durch  diese  Idee  um  das  russische  Volk  verdient  gemacht. 

Mazeppa  schildert  der  Verfasser  als  einen,  in  Folge  seiner  Er- 
ziehung allem  Polnischen  huldigenden  Charakter;  da  er  aber  ein 
Klein-Russe  war,  so  schmeichelte  ihm  die  Idee,  seinem  Vaterlande 
politische  Unabhängigkeit  zu  verschaffen.  Er  hatte  aber  ausser 
Acht  gelassen,  dass  die  Masse  des  klein-russischen  Volkes  schon 
desshalb  zu  Russland  hinzuneigen  bereit  war,  weil  die  ihr  feindliche 
Partei  der  Höherstehenden  sich  von  Russland  befreien  wollte.  Die- 
ser Antagonismus  im  klein-russischen  Volke  selbst  war  denn  auch 
die  Ursache,  dass  Mazeppas  Plan  misslang. 

Als  Motiv  für  die  V^rurtheilung  des  Zarewitsch  Alexei  zum  Tode, 
führt  Hr.  Kostomarow  an,  dass  Peter  dem  Sohne  der  Kaiserin  Ka- 
tharina den  Thron  und  die  Erbfolge  sichern  wollte. 

Den  Erzbischof  Prokopowitsch  bezeichnet  der  Verfasser  als  einen 
der  gebildetsten  und  geistig  entwickeltsten  Männer  seiner  Zeit. 

33.  5.  Ssolowjew,  Geschichte  Russlands  seit  den  ältesten  Zeiten,  Bd. 
XX  VL  In  den  beiden  ersten  Kapiteln  dieses  Bandes  werden  die  Er- 
eignisse der  Jahre  1764  und  1765  geschildert,  so  z.  Ja.  die  Angele- 
genheit Mirowitsch,  die  Aufhebung  der  Hetmannswürde  in  Klein- 
Russland,  die  Wahl  des  Stanislaus  Ponjatowskij  zum  König  von  Po- 
len, Maassnahmen  zur  Centralisation  der  Verwaltung,  die  Einwande- 
rung deutscher  Kolonisten,  u.  s.  w.  Im  dritten  Kapitel  handelt  der 
Verfasser  eingehend  über  den  Einfluss  der  französischen  Aufklä- 
rung auf  die  russische  Gesellschaft,  über  die  Beziehungen  der  Kai- 
serin Katharina  11.  zu  den  Encyklopädisten,  über  die  Erziehung  des 
Grossfürsten  Paul  Petrowitsch,  über  die  Thätigkeit  der  Akademie 
der  Wissenschaften  und  der  Moskauer  Universität  bis  zum  Tode 
von  Lomonossow  und  über  die  ersten  Maassregeln  der  Kaiserin  Ka- 
tharina II.  in  Bezug  auf  den  allgemeinen  Volksunterricht. 

34.  Tratschewskij.  Der  Fürstenbund  find  die  deutsche  Politik^  Ka- 
tharina ILf  Friedrich  IL  und  Joseph  IL  in  den  Jahren  1780 — 1786. 
In  dieser,  auf  Grund  deutscher  Archivmaterialien  und  bisher  noch 
nicht  herausgegebener  Aktenstücke  aus  dem  Moskauer  Hauptar- 
chiv des  Ministeriums  der  auswärtigen  Angelegenheiten  bearbeiteten 
Monographie  wird  der  grosse  Einfluss  der  russischen  Politik  auf  die 
west-curopäischen  Angelegenheiten  in  jener  Zeit  dargethan. 

35.  A.  N.  Popow.   Die  Beziehungen  Russlands  zu  den  auswärtigen 
Mäc/Uen  vor  Ausbruch  des  Krieges  vom  Jahre  1812.    Für  den  Uisto- 


459 

riker  ist  dieses  Werk  namentlich  durch  die  Zusammenstellung  der  di- 
plomatischen Beziehungen  zu  den  west-europäischen  Mächten,  wel- 
che dem  Bruche  mit  Frankreich  vorangingen  und  eine  Coalition  ge- 
gen Napoleon  zur  Folge  hatten,  von  Bedeutung. 

36.  Nakko,  GescJuchte  Bessarabiens.  Bd.  II.  Er  enthält  die  Ge- 
schichte dieses  Gebiets  vom  Einfall  de^  Batij  bis  zum  Frieden  von 
Bucharest  im  Jahre  1812. 

3 7 .  Bogdanowitsch,  Der  orientaliscite  Krieg  von  1853 — 1856.  4 
Bände.  Als  Materialien  haben  dem  Verfasser  die  besten  russischen 
und  ausländischen  Werke,  offizielle  Berichte,  Memoiren  (darunter 
auch  bisher  noch  unedirte)  und  mündliche  Mittheilungen  vieler,  an 
jenem  Kriege  betheiligter  Personen  gedient.  Als  Ursachen  des  un- 
günstigen Ausganges  des  Krieges  stellt  der  Verfasser  zum  Theil  die 
mangelhafte  Bewaffnung  unserer  Armee  und  die  schlechte  Inten- 
dantur-Verwaltung hin,  als  Hauptgrund  gibt  er  aber  den  Umstand 
an,  dass  man  im  russischen  Heere  die  günstigen  Momente,  welche 
sich  wiederholt  darboten,  um  den  Feind  empfindlich  zu  schlagen, 
nicht  zu  benutzen  verstand.  Dieses  zu  beweisen,  bemerkt  der  Ver- 
fasser, ist  das  Ziel  seiner  Arbeit  gewesen. 

38.  L,  Wessin.  Historische  Skizze  über  die  Lehrbücher  der  allgemeinen 
und  russischefi  Geographie  seit  Peter  dem  Grossen  bis  zum  Jahre 
1776.  Durch  geschickte  Auswahl  aus  den  früheren  Lehrbüchern  er- 
mögUcht  es  der  Verfasser,  die  Leser  mit  dem  Standpunkt  und  den 
Auffassungen  jener  Zeit,  in  Bezug  auf  geographischen  Unterricht 
und  Staatsorganisation,  bekannt  zu  machen. 

39.  A.  Ssuc/unnlinaw.  Geschichte  der  Russischen  Akade^nie,  Bd.  III. 
Wir  finden  in  diesem  neuen  Bande  die  Biographien  der  Akademiker 
S.  Kotelnikow,  A.  Protassow,  N.  P.  Ssokolow,  P.  B.  Inochodzow  und 
A.  K.  Kononow.  Ferner  enthält  dieser  III.  Band  noch  Angaben  über 
das  akademische  Gymnasium  und  die  Universität,  über  verschiedene 
andere  Institute  der  Akademie,  über  die  Thätigkeit  der  Letzteren, 
welche  sich  namentlich  in  den  wissenschaftlichen  Expeditionen  zur 
Erforschung  Russlands  aussprach.  Die  Werke  der  genannten  Aka- 
demiker waren  besonders  Untersuchungen  aus  dem  Bereiche  der 
Chemie,  Mineralogie,  Medizin,  Mathematik,  zum  Theil  auch  der 
Geographie  und  Ethnographie  gewidmet.  Bemerkenswerth  ist,  dass 
sämmtliche  oben  genannten  Akademiker  aus  den  untersten  Schich- 
ten des  Volkes  hervorgegangen  sind;  sie  haben  ihre  Vorbildung  in 
der  Schule  des TheophanProkopo  witsch  oder  in  geistlichen  Seminaricn 
erhalten,  darauf  den  Kursus  in  der  akademischen  Universität  absol- 
virt  und  ihre  Studien  in  Leipzig,  Berlin,  Leyden,  Strassburg  und 
Göttingen  vollendet. 

40.  Snamenskij.  Handbuch  der  russischen  Kirchengeschichte,  Dieses 
Buch  erscheint  jetzt  in  zweiter  verbesserter  Auflage,  in  welcher  nun 
die  russische  Kirchengeschichte  bis  zur  Regierung  des  Kaisers  Alexan- 
der I.  (bis  zum  Jahre  1801)  fortgeführt  ist.  Es  zeichnet  sich  durch 
beachtenswerthen  Reichthum  an  mitgetheilten  Thatsachen  und  durch 
möglichst  sticngc  Objektivität  aus. 


4^0 

41.  Rostilawow.  Versuck  einer  Untersuchung  über  das  Besiiztkum 
und  die  Einkünfte  unserer  Klöster^, 

42.  Graf  D.  Tolstoi.  Der  römische  Katltolizismus  in  Russland. 
2  Bände.  Nach  einer  kurzen  Skizze  der  Beziehungen  zwischen 
Russland  und  Rom  bis  zum  XVI.  Jahrhundert  beleuchtet  der  Ver- 
fasser in  eingehender  Weisfe  diese  Beziehungen  in  der  darauffolgen- 
den Periode  bis  zum  Regierungsantritt  des  Kaisers  Alexander  I. 

43.  Pachman.  Geschichte  dtr  Kodifikation  des  Gvilrechts.  Der 
erste  Abschnitt  enthält  eine  Skizze  der  Kodifikations-Arbeiten  im 
byzantinischen  Kaiserreich,  bei  den  Slaven  und  in  West-Europa;  im 
zweiten  Abschnitt  die  Geßchichte  der  Kodifikations-Arbeiten  in 
Russland  bis  zum  Jahre  1826  und  dann  im  dritten  Abschnitt  den  wei- 
teren Fortgang  derselben  vom  Jahre  1826  an. 


Pie  grnsinischen  Yolksfest^. 


Das  grusinische  Volk  hängt  sehr  an  seinen  Kirchenfesten.  Ange- 
fangen von  der  Thomas woche  (Woche  nach  Ostern)  bis  zum  No- 
vember führt  das  Volk  von  Zeit  zu  Zeit  periodische  Wanderungen 
von  einer,  durch  Jahrhunderte  geweihten  Oertlichkeit  zur  andern 
aus.  Wer  als  unbetheiligter  Zuschauer  die  Wanderungen  solcher 
Menschenmassen  ansieht,  wäre  versucht  zu  glauben,  dass  das  Volk 
sich  zu  einem  Jahrmarkte  versammle.  Der  gemeine  Mann  begibt 
sich  dahin  mit  seiner  ganzen  Familie  auf  Arben  (Wagen),  die  mit 
Teppichen  gedeckt  sind.  Edelleute  schaaren  sich  zu  Pferde  zusam- 
men. Es  kommt  auch  vor,  dass  ein  ganzer  Haufen  Fussgänger, 
ohne  Ansehen  des  Standes  —  Fürsten,  Edelleute,  Mann  und  Weib, 
barfuss  des  Weges  dahinzieht,  hinter  ihm  Dienstleute,  beladen  mit 
aller  Art  Lebensmitteln  für  drei,  vier  Tage;  Pferde,  bepackt  mit 
Körben  von  Federvieh;  Schafe,  Kühe  oder  gemästete  Ochsen,  alle 
zur  Darbringung  von  Opfern  bestimmt,  werden  mitgeführt.  Die 
Mehrzahl  der  frommen  Verehrer  oder  Verehrerinnen  des  erwählten 
Heiligen  trägt  am  Halse  eiserne  Ringe,  sogenannte  «scharna» 
(«Maale»). 

Leute  mit  solchen  Maalep  gelten  für  freiwillige  Diener  des  er- 
wählten Heiligen,  dem  sie  sich  für  eine  gewisse  Zeitdauer  durch  ir- 
gend welches  Gelübde  verbunden;  zum  Zeichen  der  übernommenen 
Verpflichtung  tragen  sie  am  Halse  jene  eiserne  Kette  oder  Ring. 
Nach  Ablauf    eines  Jahres    oder    mehr    begeben    sie    sich    zum 


*  ICixi  ausführliches  Referat  nach  diesem  Werk  gaben  wir  bereits  im  IX.  Bande  der 
«Russ.  Revue»  S.  491 — 512.  D.  Red. 


4^1 

Kirchenfest,  um  im  Gebet  sich  ihrer  Knechtschaft  zu  entäussern. 
Nach  Darbringung  eines  Opfers  in  Gestalt  eines  Widders  oder  Stie- 
res werden  auch  jene  Maale  abgelegt. 

Die  Kirche  selbst  ist  gefüllt  mit  freiwilligen  Gaben,  bestehend  aus 
kleinen  Silber-  und  Goldgegenständen,  den  eben  erwähnten  Ketten, 
Ringen,  zahlreichen  Spindeln  mit  Garn  u.a  verschiedenartigen  Sachen. 
Nicht  selten  ist  selbst  die  ganze  Kirche  ringsum  mit  Garn  umwun- 
den. In  Sswanethien,  Ossethien  und  Thuschethien  sind  die  Kirchen 
angefüllt  von  dargebrachten  Pfeilen,  Bogen  und  Tur-  (Copra  cauca- 
sica)  oder  Hirschgeweihen.  In  Anbetracht  aller  jenen,  in  diesen  Kir- 
chen aufbewahrten Öpfei^gaben  möchte  man  annehmen,  dass, wenn  die 
KathedralenGrusiensimX.,XI.  undXII.  Jahrhundert  den  grusinischen 
Königen  als  Bildergallerien  gedient,  die  kleineren  Kirchen  in  Folge  der 
in  ihnen  gefeierten  Feste  wahre  Nationalmuseen  gewesen  sein  müssen. 
Noch  heute  zeigt  man  in  der  Mzchether  Kathedrale  ein  goldgestick- 
tes und  mit  einer  im  höchsten  Grade  kunstreichen,  im  XV.  Jahrhun- 
dert von  der  Hand  der  Gemahlin  des  Königs  Alexander,  des  Erneu- 
erers der  Mzchether  Kathedrale,  mit  einer  Inschrift  im  Kirchenstyl 
versehenes  Leichentuch.  Dort  findet  sich  auch  ein  Abendmahlskelch 
aus  gegossenem  Golde,  dargebracht  vom  Könige  Heraklius  II.  und 
auf  mehr  als  4000  Rbl.  geschätzt,  mit  herrlich  gravirter  Kirchenin- 
schrift, ferner  eine  Kelchdecke  in  Goldstickerei,  dargebracht  von 
der  Königin  Tuta,  Mutter  Wachtong  VI.,  des  Gesetzgebers. 

Eine  historische  Erforschung  der  örtlichen  Kirchenfestc  würde 
uns  zu  einer  genaueren  Kunde  der  alten  grusinischen  Mythen  füh- 
ren, die  uns  viel  kostbare  Daten  für  die  Entscheidung  der  wichtigen 
historischen  Frage  über  das  Verbreitungsgebiet  des  grusinischen 
Volkstammes  und  dessen  vermuthete  Verwandtschaft  mit  der  indo- 
germanischen Rage  (nach  den  Forschungen  von  ßopp  und  Rosen) 
bieten  würde.  In  dieser  Beziehung  sind  die  Spuren  der  Verehrung 
heiliger  Eichen  sehr  instruktiv. 

So,  z.  B.,  führt  das  Mzchether  Tempelfest  grusinisch  den  Namen 
ssweti-zchowloba  (Lebenspendende  Säule).  Die  grusinische  Legende 
behauptet,  dass  an  der  Stelle,  wo  heutzutage  die  Kirche  steht,  es 
vormals  eine  gigantische  Eiche  gab,  die  allnächtlich  von  einer  Feu- 
ersäule erleuchtet  wurde.  Das  Volk  verehrte  diese  heilige  Eiche. 
Nach  der  Taufe  des  Königs  Mirian  ward  die  heilige  Eiche  abge- 
hauen und  an  ihrer  Stelle  erst  eine  hölzerne,  dann  aber  eine  stei- 
nerne Kirche  erbaut.  So  lautet  die  Aussage  eines  achtzigjährigen 
Greises  in  Mzcheth,  die  er  daselbst  dem  Verfasser  dieser  Zeilen  vor 
sechs  Jahren  gethan.  Die  christliche  Volkssage  aber,  wie  sie  der- 
selbe von  einer  mzchether  Nonne  gehört,  verwandelt  im  Gegensatze 
zu  der  Kartliss-zxhowreba,  den  grusinischen  Annalen,  diese  Eiche 
in  eine  Kiefer  oder  Libanon  Ceder.  Aus  diesen  Erzählungen  ist 
deutlich  ersichtlich,  wie  die  heidnische  Anschauung  allmälig  chri- 
stianisirt  wird. 

Die  erwähnte  Nonne  erzählte  diese  Legende  in  folgender  Weise: 
«Ein  reicher  Höfling,  Elios  mit  Namen,  seiner  Abstammung  nach  ein 


462- 

Hebräer  aus  der  Mzchether  Kolonie,  führte  einen  Karavanenhandel 
mit  Jerusalem.  Da  brachte  es  denn  der  Zufall  mit  sich,  dass  er  zur 
Zeit  der  Kreuzigung  des  Heilandes  in  Jerusalem  und  Augenzeuge 
dieses  Ereignisses  war.  Eins  d^  Kleidungsstücke  Christi,  sein  Un- 
terkleid oder  Chiton,  ward  durch  das  Leos  dem  Elios  zu  Theil. 
Nach  Mzcheth  heimgekehrt,  berichtete  Elios  in  den  schwunghafte- 
sten Ausdrücken  und  mit  Farben,  die  den  tiefsten  Glauben  ein- 
flössten,  über  Leiden  und  Sterben  des  Heilandes.  Die  Schwester  des 
Elios  nimmt  beim  Auspacken  der,  von  ihrem  Bruder  aus  Jerusalem 
mitgebrachten  Sachen  des  Heilandes  Unterkleid  und  drückt  es  mit 
solcher  Inbrunst  an  die  Brust,  dass  sie  auf  der  Stelle  den  Geist  auf- 
gibt. Da  es  den  Verwandten  nicht  gelang,  Christi  Unterkleid  den 
Händen  ihrer  verschiedenen  Schwester  zu  entwinden,  begruben  sie 
dieselbe  mit  dem  Chiton  zusammen  unter  eirier  riesigen  Kiefer.  Als 
dann  im  IV.  Jahrhundert  das  grusinische  Volk  das  Christenthum  an- 
genommen, weiset  die  heilige  Nina  nach  sechstägigem  Gebet  dem 
Volke  den  Ort,  wo  der  Chiton  des  Herrn  liegt,  eben  unter  einer 
riesigen  Kiefer.  Diese  wird  umgehauen  und  man  findet  unter  ihr 
das  Unterkleid  Christi.  An  dieser  Stelle  wird  eine  Kirche  er- 
baut, deren  Mittelsäule  aus  jener  kolossalen  Kiefer  ausgehauen 
wird». 

Gegenwärtig  prangt  an  dem  Orte,  wo  zu  Anfang  des  vierten  Jahr- 
hunderts eine  hölzerne  Kirche  mit  der  lebenspendenden  Säule  er- 
richtet worden,  die  herrliche  Kathedrale  von  Mzcheth,  das  schönste 
Denkmal  des  Kartwelisch-byzantinischen  Baustyls,  mit  einer  Mittel- 
säule und  Kuppel.  Am  Tage  des  Kirchenfestes  (1./13.  Oktober)  wer- 
den vor  jener  Kolonne  Gebete  gehalten  und  Opfer  dargebracht. 

Wie  die  Nonne  versichert,  ist  diese  Mittelsäule  am  selben  Orte 
errichtet,  wo  vormals  die  lebenspendende  Säule  gestanden,  die  laut 
der  Ueberlieferung  den  Chrisam,  das  heilige  Salböl  gegeben,  das 
aber,  in  Folge  des  Besuches  der  Kirche  durch  eine  Sünderin  zur 
Zeit  ihrer  Menstruation  zu  fliessen  aufhörte. 

In  den  angeführten  Berichten  alter  Landesbewohner  über  den 
ssweti-zchoweli  (die  lebenspendende  Säule)  zeigt  sich  deutlich  eine 
Anspielung  auf  den  vorchristlichen  Baumkiiltus. 

Nachrichten  von  einer,  der  heiligen  Eiche  dargebrachten  Vereh- 
rung haben  übrigens  eine  weitere  Verbreitung.  In  Mingrelien  führt 
der  im  Kloster  Martwili  residirende  Bischof  noch  heutzutage  den 
Titel  Tschclumdideli^^  von  tschchoni  —  Eiche,  didi  —  gross,  der 
Oberpriester  der  grossen  Eiche.  In  Sswanethien  gibt  es  auf  einer 
Anhöhe,  der  Gemeinde  Kai  gegenüber,  eine  Kirche  der  heiligen 
Kwirike,  die,  wie  ein  Sswaneth  dem  Verfasser  an  Ort  und  Stelle 
versicherte,  an  der  Stätte  einer  heiligen  Eiche  errichtet  worden  j  die- 
ser Eiche  wurden  vormals  Kinder  geopfert. 

Die  Kirchenfeste  des  Weissen  Georg  im  Dorfe  Azchuri  in  Kache- 


'   S.  die  Abhandlung  «Heilige  Haine  und  Bäume  bei  den  Kaukasischen  Völkern» 
von  E.  Weidenbaum  —  in  den  Nachrichten  der  Kauk.  Geogr.  Ges.,  Bd.  V  (russ.). 


463 

ihien  und  des  heil.  Kreuzes  in  Alawerdi   ebendaselbst  werden,  der 
Ueberlieferung  nach,  im  Centrum  vormals  existirender  heiliger  Wäl- 
der gefeiert.     Der  Sage  nach  befand  sich  an  Stelle   der  Kirche   des 
Weissen  Georg  früher  das  ausgemcisselte  Bild  des  heil.  Georg  auf 
einer,  mitten  im  Walde  stehenden,   weissen  Marmortafel.     Deuten 
nicht  die  Kirchen  der  Kwirike,   Korka,  Gerges  und  des  heil.  Georg, 
die  an  verschiedenen  Orten  Kachethiens,   unter  den   Ingiloi  (cdie 
Neubekehrten»  —  wie   die   vormaligen   grusinischen   Christen   von 
den   muhammedanischeii  Bewohnern  genannt  werden)  des  Sakataler 
Bezirks,  in  Kartalinien  und  Imerethien  auf  eine,  in  jenen  Gegenden 
in  heidnischer  Zeit  verbreitete  Verehrung  des  Herkules?  In  dieser  Be- 
ziehung bildet  die  Vertauschung  der  Verehrung  von  Eichen   mit 
dem  nationalen  Kultus  des  heil.  Georg  und  heil.  Kreuzes  eine  sehr 
bemerkenswerthe  Erscheinung   und  die  Untersuchung  dieser  Frage 
müsste  die  Erforschung  der  alten  grusinischen  Mythe  unzweifelhaft 
zu  höchst  interessanten  Resultaten  führen.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass 
man  beim  Studium  dieser  Frage  sogar  das  Verbreitungsgebiet  der 
Verehrung  des  heil.  Georg  und  des  heil,  hölzernen  lebenspenden- 
den Kreuzes  zu  verfolgen  vermag.   Wenn  man  durch  den  Rhion  und 
die  Kura  eine  Linie  zieht,  so  herrschen  nördlich  von  derselben, 
selbst  mit  Einschluss  von  Gurien   und  der  Küste  des  Lasistans  die 
Kirchenfeste  zu  Ehren  des  heil.  Georg  und  des  segenspendenden 
hölzernen  Kreuzes  vor,   während  südlich  von  dieser  Linie,  im   alten 
Kappadocien,  im  südlichen  Theile  des  Pontus  und  am  Südabhange 
des  kleinen  Kaukasus  die  Verehrung  der  Menü  oder  Maja  —  der 
Göttin  der  Fruchtbarkeit  der  Erde  oder .  der  Ernte  verbreitet  ist. 
Diese  Verehrung  der  Maja  ging,  wie  es  scheint,   in  der  Folge  in  den 
christlichen  Kultus  der  heil.  Maria  über.    Wer  die  Gegend  des  alten 
Pontus   bereiste,  hatte  mehr  als  einmal  Gelegenheit,  auf  die  Ruinen 
alter  heidnischer  Tempel  zu  Ehren  der  Gottheit  Ma  zu  stossen,  de- 
ren Feier,  nach  Texier,  in  verschiedenen  Gegenden  Kappadociens 
und  des  mittleren  Pontus  in  den  Zeitraum  vom  15.  Mai  bis  zum  15. 
August  fiel.  Die  christliche  Weltanschauung  übertrug,  wie  wir  gese- 
hen, in  der  Folge  diese  Feier  auf  den  15.  August  —  den  Tag  der 
Himmelfahrt  Maria.     Im  obern  Imerethien,  im  Bezirke  von  Ssatsch- 
cheri  des  Gouvernements  Kutalss  gelten  für  Kirchenfeste  bloss  die 
Tage    der    beiden    vornehmlich    verehrten    Nationalheiligen:    die 
Feste   Georgoba  und  Majoba  oder  Marioba  (den  heil.  Georg  und 
der  heil.  Maja  oder  Maria  zu  Ehren).   Nicht  weit  von  Riso  (Irisse)  im 
Türkischen  Lasistan  liegt  am  Ufer  des  Schwarzen  Meeres  das  Dorf 
Athina,    Hierher  retten  sich  die  türkischen  Schiffer  zur  Zeit  des  Un- 
wetters. Dort,  auf  einer  Anhöhe,  stehen  die  Ruinen  eines  alten  heid- 
nischen Tempels.     Der  berühmte  Geograph  C.  Ritter  behauptete 
schon  in   seiner  Erdkunde,  dass  diese  Benennung   nicht  griechisch 
sei,  sondern  vom  Namen  einer  Frau  Athina  abstamme,  der  zu  Ehren 
hier  ein  Tempel  bestanden  hätte.    In  Grusien  gibt  es  den  Frauenna- 
men Tfuna,  In  der  Landessprache  bedeutet  T/Una  die  Morgeiiröthe, 
woher  das  grusinische  Wort  dina  oder  dila  —  der  Morgen,  her- 


464 

kommt  Noch  heutzutage  wird  von  der  grusinischen  Bevölkerung 
das  Lied  Atfiina-tltina,  das  im  Munde  des  Landvolks  in  Adila-dila 
verändert  worden  —  ein  Lied  zu  Ehren  des  Morgens,  gesungen.  In 
diesem  Liede  wird  wirklich  der  Morgen  —  die  Erscheinung  des 
Lichts  in  Gestalt  eines  lieblichen  Weibes,  der  Thina,  verherrlicht. 
Eine  Festlichkeit  zu  Ehren  dieser  Thina  besteht  noch  heutzutage 
im  Lasistan;  ist  aber  das  grusinische  W ol^sWtA  AdiUidila  —  das 
Lied  zu  Ehren  des  Morgens,  nicht  vielleicht  eine  spätere  Modifika- 
tion des  Hymnus  auf  jene  Naturerscheinung? 

Im  Dorfe  Bandsa  in  Mingrelien  herrscht  der  Gebrauch,  am  Oster- 
tage  eine  Eiche  mit  der  Wurzel  auszureissen,  in  Ermanglung  einer 
Eiche  aber  wird  irgend  ein  anderer  Baum  entwurzelt.  Im  Dorfe 
yiori  im  Ssamursakan  gibt  es  eine  Kirche  des  heiligen  Georg, 
in  welcher  der  Heilige  an  seinem  Tempelfeste  selber  verpflichtet  war, 
sein  Opferthier,  einen  ungezähmten  Bullen,  herbeizuführen.  Der 
Ueberlieferung  nach  brachte  der  Heilige  vormals  in  Wirklichkeit 
alljährlich  regelmässig  am  Morgen  seines  Tempelfestes  den  Bullen 
herbei ;  doch  hörte,  wie  man  sagt,  dieses  Wunder  seit  der  Einver- 
leibung des  Ssamursakan  in's  K\itaisser  Gouvernement  auf. 

Jenes  Wunder  geschah  aber  folgendermaassen:  die  Kircheneinfrie- 
digung ward  verschlossen  und  den  Schlüssel  nahm  der  Igumen  (He- 
gumenos,  Abt)  zu  sich.  Am  Morgen,  wenn  der  Abt  sich  zur  Früh- 
messebegab, umdasThor  der  Kircheneinfriedigung  zu  öfi"nen  fand  man 
im  Innern  derselben  den,  dem  heiligen  Georg  zum  Opfer  erkorenen 
Bullen  vor.  Das  Volk  erzählt  sich,  dass  einstmals  ein  namhafter 
Molla,  in  der  Absicht,  es  koste  was  es  wolle,  den  Glauben  an  dieses 
Wunder  des  heiligen  Georg  zu  beseitigen  und  das  Volk  von  Ssamur- 
sakan in  seiner  muhammedanischen  Religion  zu  befestigen,  behaup- 
tete, der  heilige  Georg  vermöge  auf  keinen  Fall  seinen  (des  Mollas) 
ungezähmten  Bullen  herbeizuführen,  woher  er,  zur  Widerlegung  des 
volksthümlichen  Glaubens  an  den  heiligen  Georg,  selbst  die  Nacht 
über  in  der  Einfriedigung  der  Kirche  bis  auf  den  Morgen  ohne  das 
Auge  zuzuthun,  verbleiben  wolle.  Wie  gross  war  das  Erstaunen 
des  Volkes  von  Ssamursakan,  als  es  am  folgenden  Morgen 
den  Molla,  dem  Willen  des  heiligen  Georg  gemäss,  für  seinen  Zwei- 
fel an  der  Macht  des  Heiligen  von  seinem  eigenen  Jatagan  durch- 
bohrt und  seinen  ungezähmten  Bullen  dennoch  in  der  Kircheneinfrie- 
digung umhergehen  fand.  Gewöhnlich  erstach  man  den  vom  hei- 
ligen Georg  von  Ilori  herbeigeführten  Bullen  nach  der  Morgenmesse 
und  vertheilte  sein  Fleisch  stückweise,  wie  Reliquien.  Nach  einem 
Stückchen  Fleisch  vom  Ochsen  des  heiligen  Georg  von  Ilori  sand- 
ten nach  Abchasien  ihre  Eilboten  die  Fürsten  von  Mingrelien,  Gu- 
rien  und  Sswanethien.  Der  Verfasser  hatte  selbst  Gelegenheit,  ein 
Stückchen  Fleisch  von  diesem  Opferthiere  bei  einem  der  Fürsten 
von  Mingrelien  in  trockenem  Zustande  aufbewahrt  zu  finden. 


Gehen   wir  nun  an  eine  Beschreibung  der  Feier  des  Tages  des 


:£ 


466 

Krug  wirft;  man  führt  ihm  ein  Schaf  vor  —  er  sengt  ihm  an  der 
Stirne  das  Haar  ab  und  spricht  dabei: 

cEmpfange  es  als  Opfer  von  deinem  Knechte  Andreas,  oder  Peter 
u.  s.  f.* 

Hier  steht  auch  der  Diakon;  an  ihn  treten  Leute 'mit  dünnen» 
eisernen  Reifen  am  Halse  und  anderen,  «Scharna»  genannten  Maalen 
heran;  er  schneidet  ihnen  mit  der  Scheere  eine  Haarlocke  ab,  nimmt 
ihnen  jene  Maale  ab  und  gibt  Ihnen  damit  die  Freiheit  wieder.  Dar- 
nach ist,  wer  ein  Gelübde  gethan,  jeglicher  Verpflichtung  dem  Weis- 
sen Georg  gegenüber  enthoben.  Es  erscheint  ein  Bauer,  oflenbar  ein 
armer,  da  er  bloss  ein  Huhn  und  einige  Brodfladen  vorstellt;  auch 
vop  ihm  wird  das  Geopferte  in  Empfang  genommen,  wobei  der 
Geistliche  die  übliche  Formel  hersagt  nnd  ein  Stückchen  Brod  ab- 
bricht Es  ist  keine  Seltenheit  unter  den  Opfernden  einen  muham« 
medanischen  Lesghier  oder  Tataren  anzutrefl'en.  Dort,  bei  der 
Kirche,  bildet  eine  Gruppe  von  Weibern  in  weissem  Anzüge  eine 
Art  von  Prozession.  Jede  trägt  am  Halse  eine  eiserne,  der  Kirche 
gehörige  Kette,  wenigstens  ein  Pud  an  Gewicht.  Die  Weiber  rücken 
langsam  auf  den  Knieen  vorwärts  und  befestigen  von  Zeit  zu  Zeit 
an  die  Kirchenwand  brennende  Lichter;  sie  umwandeln  die  Kirche, 
wie  die  Druiden  um  die  heilige  Eiche  herumzogen;  dabei  umwindet 
eine  derselben  die  Kirche  mit  einem  weissen  Baumwollenfaden,  die 
Spindel  in  den  Händen  abrollend;  ihnen  folgt  eine  Menge  von  Wall- 
fsäirern  nach.  In  diesem  Augenblicke  erschallt  der  Ruf:  «Platz  ma- 
chen, Platz  machen» ! 

Man  führt  zum  Geistlichen  einen  gemästeten  Ochsen  mit  zwei 
brennenden  Kerzen  auf  den  Hörnern. 

Der  Geistliche  nimmt  das  Opfer  in  Empfang,  sengt,  dem  Brauche 
nach,  dem  Ochsen  das  Haar  an  der  Stirne  ab  und  entläst  ihn.  Dabei 
bildet  sich  eine  wahre  Prozession  zu  Orte  hin,  wo  der  mit  Kerzen 
geweihte  Ochs  zum  Opfer  fallen  soll! 

.  Der  Opfernde  wirft  auf  den  Ochsen  eine  Seilschlinge ;  in  einem 
Augenblicke  schnürt  die  Schlinge  dem  Opfer  den  Hals  zu  und  es 
fällt  auf  die  Erde.   Das  Volk  ruft  dazu: 

«Heil  deiner  wunderthätigen  Kraft,  heiliger  Weisser  Georg;  wie 
schnell  fühlte  der  Stier  die  Kraft  des  Heiligen !  Sofort  sank  er  zu 
Boden». 

Man  bohrt  ihm  einen  Kinshal  (Dolchmesser)  in  die  Kehle.  Wuth- 
entbrannt  erhebt  sich  der  Stier;  doch  drei,  vier  Mann,  sich  auf  den- 
selben werfend,  strecken  das  Opfer  auf  den  Platz  hin.  Dabei  entsteht 
im  Volke  ein  Murren;  man  hört  die  Ausrufe: 

»Das  Opfer  war  nicht  von  reinem  Herzen  gebracht,  sonst  hätte 
das  Thier  sich  nicht  vom  Platze  gerührt*. 

Mitternacht  ist  vorbei.  Auf  dem  unermesslichen  Räume  um  die 
Kirche,  in  den  Wäldern,  auf  den  Rainen,  in  der  Ebene  flammen 
zahllose  Scheiterhaufen  auf,  von  Zeit  zu  Zeit  ertönen  Schüsse. 

Im  Hofraume  der  Kirche,  auf  einer  andern  Seite,  drängt  sich  das 
Volk  zusammen  und  bildet  einen  grossen  Kreis.   Alle  stehen  ent- 


468 

geordnet,  Reigengesänge  erschallen  lassen.  Inmitten  dieses  allge- 
meinen Getöses  und  Lärmens  erklingen  am  lautesten  die  durch- 
dringenden Noten  der  Suma  .... 

(Aus  der  Zeitung  «Kawkas»,  H  229  und  230,1878.) 


Ble  rnsslsche  Gesetzgebung  über  die  Tabaks- 

bestenerang. 


Die  Russische  Gesetzgebung  über  die  Besteuerung  des  Tabaks 
ist  in  der  Verordnung  vom  4.  (16.)  Juni  1871,  theilweise  modificirt 
durch  das  Gesetz  vom  6.  (18.)  Juni  1877,  dargelegt.  Wir  werden  zu- 
nächst die  Verordnung  vom  Jahre  1871  kurz  besprechen  und  dann  die 
Veränderungen  folgen  lassen,  welche  im  vergangenen  Jahre  einge- 
führt worden  sind. 

Die  Grund-Prinzipien  dieser  Verordnung,  welche  sich  nicht 
wesentlich  von  denen  der  früheren  Gesetze  aus  den  Jahren  1 861  und 
1848  unterscheiden,  sind  zunächst  der  Hauptsache  nach  folgende: 
Die  Steuer  wird  in  der  doppelten  Form  einer  von  den  Fabrikanten, 
den  Tabakshändlern  en-gros  und  den  Detaillisten  jeder  Kategorie  be- 
zahlten Patentsteuer  und  einer  «Fabrikat-Steuer,  deren  Bezahlung 
vermittelst  der  Banderollen  festgestellt  wird,  erhoben.  Der  ausländi- 
sche Tabak  unterliegt  einer  Zoll-Gebühr. 

Der  Tabaksbau  im  Innern  des  Landes  ist  vollständig  frei.  Das 
Gesetz  fordert  von  den  Pflanzern  keine  vorgängige  Deklaration  und 
unterwirft  dieselben  keiner  Ueberwachung;  es  gibt  ihnen  ausdrück- 
lich das  Recht,  sich  für  ihren  persönlichen  Gebrauch  Tabak  zuzube- 
reiten, uffter  der  Bedingung,  sich  zu  diesem  Zwecke  nur  eines  ein- 
fachen Messers  zu  bedienen  und  keinen  komplizirten  Apparat  in 
Anwendung  zu  bringen.  Es  ist  den  Pflanzern  untersagt,  den  auf 
diese  Weise  zubereiteten  Tabak  zu  verkaufen. 

In  den  polnischen  Provinzen,  die  bis  zum  Jahre  1872  einem  Spe» 
zial-System  unterworfen  waren,  welches  mehrere  Jahre  hindurch  das 
des  Monopols  gewesen  war,  unterliegt  der  Tabaksbau  folgenden 
Bedingungen:  Jeder,  der  Tabak  anbauen  will,  muss  vor  dem 
I .  Mai  unter  Angabe  des  zu  bepflanzenden  Terrains  bei  der  Erhe- 
bungsstelle der  indirekten  Steuern  eine  Deklaration  einreichen;  die 
Ausdehnung  dieses  Terrains  muss  sich  auf  wenigstens  140  Quadrat- 
Faden  belaufen.  Während  der  Monats  Juli  stellen  die  Kommunal- 
Behörden  ein  Verzeichniss  der  Tabakspflanzungen  auf,  welches  von 
Beamten  der  Verwaltung  der  indirekten  Steuern  verifizirt  wird.  Die 
Pflanzer  sind  verpflichtet,  bis  zum  i.  Januar  jedes  Jahres  die  Erzeug- 


4^9 

nisse  ihrer  Ernte  an  die  Tabaksfabrikanten  des  Inlandes  zu  verkau- 
fen oder  dieselben  nach  dem  Auslande  auszuführen.  Tabak,  welcher 
nach  diesem  Termin  keinen  Absatz  gefunden  hat,  wird  auf  Kosten 
der  Pflanzer  in  den,  unter  Kontrolle  und  Ueberwachung  der  Verwal- 
tungsbehörden stehenden  Niederlagen  deponirt. 

Der  Handel  mit  Roh-Tabak,  d.  h.  mit  Blätter-Tabak  ist  zum  gros- 
sen Theil  vollständig  von  jeder  Kontrolle  befreit;  die  gesetzlichen 
Verordnungea  erstrecken  sich  nur  auf  die  Cirkulation  der  Waare  und 
auf  den  Handel  in  den  Niederlagen;  wir  werden  später  im  Einzelnen 
zeigen,  dass  die  Gesammtheit  dieser  Maassregeln  nur  ein  sehr  indirek- 
tes Mittel  bietet,  um  die  den  Fabriken  gelieferten  Tabaks-Quanti- 
täten festzustellen,  dass  dieselbe  aber  dafür  keine  Garantie  liefert, 
dass  aller  im  Lande  erzeugte  Tabak  erst  nach  Zahlung  der  Steuer 
in  Gebrauch  kommt. 

Jeder  Pflanzer  hat  das  Recht,  an  Ort  und  Stelle  Blätter- 
Tabak  an  Jeden,  sei  er  Tabakfabrikant  oder  nicht,  zu  verkaufen. 
Die  einzige  Einschränkung  bei  diesen  Verkäufen  ist  die,  dass  die- 
selben nicht  weniger  als  ein  Pud  betragen  dürfen.  Ferner  haben 
die  Pflanzer  unter  derselben  Einschränkung  das  Recht,  die  Erzeug- 
nisse ihrer  Ernte  auf  den  Messen  und  Märkten  unter  der  Bedingung 
zu  verkaufen,  dass  der  Verkauf  am  öffentlichen  Orte  (vom  Wagen 
oder  Karren  aus)  stattfindet.  Der  von  den  Pflanzern  auf  die  Märkte 
und  Messen  gebrachte  Tabak  muss  von  einem,  von  den  Kommunal- 
behörden ausgestellten  Schein  begleitet  sein. 

Jeder  Kaufmann  erster  oder  zweiter  Gilde  hat  das  Recht,  Läden 
für  den  en-gros- Verkauf  von  Rohtabak  zu  eröffnen ;  ausser  dem 
Handels-Patente  muss  er  ein  Spezial-Patent  erwerben,  dessen  Preis 
unten  angegeben  werden  wird.  Diese  Läden  oder  Niederlagen  kön- 
nen sowohl  in-  und  ausländischen  Rohtabak  als  auch  Blätter-Tabak 
und  Tabaks-Fabrikate  verkaufen  (diese  letzteren  in  Quantitäten 
nicht  unter  20  Pfund  Tabak,  lOOO  Cigarren  und  4000  Cigaretten)^ 
Blätter-Tabak  darf  nur  in  Quantitäten  von  3  Pud  und  mehr  ver- 
kauft werden — inländischer  an  Jedermann  ohne  Einschränkung,  aus- 
ländischer ausschliesslich  nur  an  Tabaksfabrikanten  oder  an  Tabaks« 
händler  en-gros. 

Die  Tabaks-Niederlagen  sind  der  Kontrolle  der  Verwaltung  der 
indirekten  Steuern  unterworfen;  die  Eigenthümer  sind  verpflichtet, 
über  Ab-  und  Zugang  Buch  zu  führen  und  allmonatlich,  sowie  am 
Schlüsse  eines  jeden  Jahres,  der  Verwaltung  Auszüge  aus  ihren  Bü- 
chern einzureichen.  Jeder,  für  eine  Niederlage  bestimmte  Tabaks- 
transport muss  von  einem  Schein  begleitet  sein,  welcher  in  dem 
Falle,  wo  der  Ankauf  direkt  beim  Pflanzer  stattgefunden  hat,  von 
der  Kommunalbehörde  ausgestellt  ist.  Kommt  die  Sendung  von  ei- 
nem en-gros-Händler,  so  wird  der  betreffende  Schein  von  der  Ver- 
waltung der  indirekten  Steuern  ausgefertigt.  Für  die  ausländischen 
Tabake  werden  diese  Begleitscheine  durch,  von  der  Zollbehörde 
ausgestellte  Passirscheine  ersetzt. 

Auf  diese  Weise  kann  kein  Tabak  ohne  einen  Beleg  in  eine  Nie- 


471 

zeigt;  auf  diese  Weise  ist  es  dann  möglich,  die  Quantität  des,  zur 
Anfertigung  von  looo  Stück  jeder  Sorte  erforderlichen  Tabaks  zu 
bestimmen. 

Rauch-  und  Schnupf-Tabak,  Cigarren  und  Cigaretten  müssen  in 
der  Fabrik  selbst  in  Kisten,  Schachteln  oder  geschlossenen  Päck- 
chen verpackt  werden,  auf  welchen  der  Name  des  Fabrikanten  oder 
die  Fabrikfirma,  Netto-Gewicht  und  Stückzahl  angegeben  sind;  jede 
Schachtel  (Kiste)  oder  jedes  Packet  muss  mit  einer  Banderolle 
umgeben  werden. 

Die  zum  Handel  fertigen  Fabrikate  müssen  in  einem  besonderen 
Magazin  aufbewahrt  werden,  welches  nicht  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung mit  der  Fabrik  stehen  darf.  Die  Fabrikanten  dürfen  di- 
rekt aus  diesen  Magazinen  nur  Quantitäten  von  mindestens  20 
Pfund  Rauch-  und  Schnupf-Tabak,  1000  Cigarren  und  4000  Ci- 
garetten verkaufen.  Die  an  die  Detaillisten  verkauften  Waaren 
müssen  von  einem  Schein  begleitet  sein,  welcher  vom  Fabrikan- 
ten unterzeichnet  ist  und  das  Gewicht  und  die  Art  der  Artikel  an- 
gibt. 

Der  Detail- Verkauf  der  Tabaks-Fabrikate  kann  in  den  Magazinen 
und  Tabaksläden,  in  Restaurants,  an  Büffets,  in  den  Etablissements 
zum  Verkauf  von  Spirituosen,  sowie  durch  Hausirer  stattfinden. 
Alle  diese  Verkaufsstellen  und  Personen  müssen  eine  Patentsteuer 
zahlen,  deren  Höhe  je  nach  den  Verkaufsbedingungen  und  der  Be- 
völkerüngs-ZiflFer  des  Ortes  variirt.* 

^  Der  Tarif  dieser  Abgaben,  wie  ihn  das  Gesetz  von  1877  f<eststellt  ist,  folgender: 

1.  Tabaks-Fabriken: 

In  den  beiden  Hauptstädten,  in  Riga,  Odessa  und  in  den  polnischen  Stildten  300  R. 
In  allen  anderen  Städten 150  R. 

Orte. 
Klassen« 

I.    n.  m. 

R«     R«     R« 

2.  Läden,   welche  den  Verkauf  inländischen  Blätter-Tabaks  en  gros  be- 

treiben     •       100    65  30 

Läden,  welche  den  Verkauf  von  inländischem  und  ausländischem 
Blätter-Tabak  und  von  ausländischem  Fabrik-Tabak  en  gros  be- 
treiben             150  100  50 

3.  Läden,  welche  den  Verkauf  von  inländischem  Blätter-Tabak  und  von 

in-  und  ausländischem  Tabaksfabrikat  en  detail  betreiben    ....        S^    3S  ^S 

Verkaufslokale : 

Für  den  Verkauf  von  inländischem  Blätter-Tabak  und  Tabaksfisbrikat        ao     15  lO 

Für  den  Verkauf  von  inländischem  Tnbaksfabrikat 15     10     5 

4«  Etablissements  mit  der  Erlaubniss  zum  Einzel -Verkauf  von  Cigarren 
und  Cigaretten: 

a)  Weinkeller,  Hotels,  Caf6's,  Konditoreien,  Klubs  und  Restau- 
rants             60    30  15 

b)  Brauereien,  Branntweinschänken  und  Herbergen 30     15  10 

c)  Büffets  in  den  Theatern,  auf  den  Eisenbalm-  und  Dampf- 
schiffs-Stationen   • .«»     15  "*" 

(Alle  diese  Etablissements  bezahlen  nur  ein  Drittheil  der  Steuer, 
sobald  sie  den  Verkauf  von  Cigarren  und  Cigaretten  nicht  stttok- 


472 

Die  Lädenund  Verkaufsstellen  dürfen  Tabak,  Cigarren  und  Ciga- 
retten  nur  in  geschlossenen  Schachteln  (Kistchen)  und  Päckchen 
verkaufen,  welche  mit  der  Banderolle  versehen  sind.  Aller  Vorrath 
von  Tabak,  welcher  dieser  Vorschrift  nicht  entspricht,  kann  konfiszirt 
werden.  Jedoch  ist  es  den  Händlern  gestattet,  Schachteln  von  V« 
Pfund  Tabak  jeder  Sorte  und  Packete  von  lo  Stück  Cigarren  offen 
zu  halten,  um  den  Käufern  Proben  anbieten  zu  können. 

Die  Läden  und  Verkaufsstellen  können  von  Verwaltungsbeamten 
kontroUirt  werden,  welche  das  Recht  haben,  in  denselben  Nach- 
suchungen anzustellen,  um  sich  zu  vergewissern,  ob  sich  nicht  Ta- 
baks-Vorräthe  ohne  Banderolle  darin  befinden. 


Das  sind  die  wesentlichen  Verordnungen  des  Gesetzes  vom  Jahre 
1871.  Dieses  Gesetz,  welches  in  mehr  als  einer  Beziehung  die  Un- 
vollständigkeit  der  Verordnung  vom  Jahre  1861  beseitigt  hatte, 
hat  schon  im  ersten  Jahre  seiner  Wirksamkeit  das  Resultat  gehabt,- 
dass  die  Einnahmen  aus  der  Tabakssteuer  in  ziemlich  bedeutendem 
Maasse  anwuchsen;  dieselben  stiegen  von  8,400,000  Rbl.  im  Jahre 
1871  auf  10,200,000  Rbl.  im  Jahre  1872.  Während  der  folgenden 
Jahre  jedoch  blieb  die  Einnahme  unverändert,  obwohl  das  den  Fa- 
briken gelieferte  Tabaksquantum  im  Wachsen  blieb;  der  Steuerertrag 
des  Jahres  1875  wies  sogar  im  Vergleich  zu  dem  Vorjahre  eine  Min- 
der-Einnahme  von  120,000  Rbl.  nach. 

Die  vom  Finanz-Ministerium  gesammelten  Nachweise  boten 
die  Möglichkeit,  diese  Erscheinung  zu  erklären.  Das  Gesetz  vom 
Jahre  1871  hatte  ebenso  wie  die  früheren  Verordnungen  für  die 
Banderollen  einen,  dem  Preise  des  Fabrikates  proportionalen  Tarif 
in  der  Gestalt  angenommen,  dass  die  Steuer  im  Durchschnitt  den 
dritten  Theil  des  Preises  der  besteuerten  Waare  ausmachte.  Die  Er- 
fahrung hat  aber  gezeigt,  dass  das  System  einer  Werth-Steuer  ei- 
nen Betrug  zur  Folge  hatte,  welchen  die  strengste  Kontrolle  fast 
nicht  im  Stande  war  zu  unterdrücken.  Da  die  bessere  oder  schlech- 
tere Qualität  des  Tabaks  sich  nicht  durch  den  blossen  Augenschein 
erkennen  lässt,  so  war  den  Fabrikanten  die  volle  Möglichkeit  gebo- 
ten, niedrigere  Banderollen  bei  Tabak,  Cigarren  und  Cigaretten 
besserer  Qualität  zu  verwenden.  Zwar  waren  sie  hierbei  genöthigt, 
auf  den  Schachteln  oder  Päckchen  den  Banderollen  entsprechende 
niedrigere  Preise  anzugeben;  aber  sofern  nur  ihre  Kunden  und  die 
Händler  in  das  Geheimniss  eingeweiht  waren,  durfte  es  ihnen  nicht 
schwer  fallen,  die  Waare  zu  ihrem  wirklichen  Preise  an  den  Mann 
zu  bringen. 

Die  Händler  verständigten  sich  ihrerseits  in  ähnlicher  Weise  mit 
den  Käufern.     Die  Behörde  blieb  solchen  betrügerischen  Manövern 

webe,  sondern  nur  in  geschlossenen  Schachteln   und  in  Päck- 
chen betreiben,  welche  verklebt  und  mit  der  Banderolle  ver- 
sehen sind.) 
i.  Htusirer  von  15  bis  3  Rbl« 


473 

gegenüber  fast  machtlos.  Das  Gesetz  untersagte  zwar  formell  jeden 
Verkauf  von  Tabak  zu  einem  höheren,  als  dem,  auf  den  Schachteln 
und  Päckchen  verzeichneten  Preise  und  bedrohte  derartige  Defrau- 
dationen mit  Strafe,  aber  es  ist  klar,  dass  solche  Uebertretungen 
fast  nie  nachgewiesen  werden  konnten.  Das  Gesetz  gestattete 
unter  Anderem  der  Behörde,  für  eigene  Rechnung  sämmtliche  in 
einem  Tabaksladen  lagernden  Waaren  zu  den,  auf  den  Schachteln 
und  Päckchen  genannten  Preisen  aufzukaufen;  aber  es  war  stets 
riskirt,  von  diesem  Mittel  Gebrauch  zu  machen;  auch  griff  man  dazu 
nur  sehr  selten  und  nur  in  Fällen,  wo  die  Defraudation  keinem  Zweifel 
unterlag.  Wenn  es  schwer,  ja  fast  unmöglich  war,  gegen  solche 
Defraudationen  anzukämpfen,  so  war  es  andererseits  sehr  leicht,  wahr- 
zunehmen, in  welchem  grossen  Maassstabe  dieselben  ausgeführt  wur- 
den und*  zu  erkennen,  wie  viel  dem  Staatsschatz  dadurch  verloren 
ging.  Dieser  Verlust  Hess  sich  klar  dadurch  konstatiren,  dass  die 
Anwendung  der  für  die  besseren  Tabaksorten  bestimmten  Bande- 
rollen sich  stetig  verminderte  und  die  Benutzung  der  Banderolle  zu 
niedrigem  Preise  wuchs.  Es  war  allgemein  bekannt,  dass  diese  betrü- 
gerische Praxis  ganz  offen  gehandhabt  wurde;  die  Tabakshändler  hat- 
ten sich  so  sehr  daran  gewöhnt,  dass  sie  jedem  beliebigen  Käufer 
Tabak  und  Cigaretten  «mit  niedrigerer  Banderolle»  offerirten. 

Die  vorerwähnte  Bestimmung  des  Gesetzes  vom  Jahre  1871,  nach 
welcher  der  Tabak  nicht  unter  dem  auf  dem  Päckchen  angegebenen 
Preise  verkauft  werden  konnte,  hatte  noch  eine  andere  nachtheilige 
Folge.  Nach  dem  Tarif  vom  Jahre  1871  war  der  Rauchtabak 
schlechtester  Sorte  einer  Steuer  von  4  Kop.  pro  Pfund  unterworfen, 
und  konnte  somit  das  Pfund  nicht  billiger  als  zu  12  Kop.  verkauft 
werden.  Nun  konnte  aber  nach  den,  bei  den  Fabrikanten  gesam- 
melten Angaben  der  Tabak  schlechtester  Sorte,  welcher  unter  dem 
Namen  Machorka  bekannt  ist  und  ausschliesslich  vom  gemeinen 
Mann  geraucht  wird,  zu  diesem  Minimal-Preise  nicht  geliefert  wer- 
den, und  daraus  folgte,  dass  die  Fabrikation  dieser  Tabaksorte,  zum 
Nachtheil  der  Staatsschatzes,  vollständig  fallen  gelassen  wurde;  denn 
der  gemeine  Mann  benutzt  fast  ausschliesslich  Blätter-Tabak,  wel- 
cher, wie  wir  oben  sahen,  von  jeder  Abgabe  frei  ist. 

Um  diesen  beiden  Uebelständen  abzuhelfen  hat  das  Gesetz  von 
1877  (in  Kraft  seit  dem  I.Januar  1878)  für  alle  Tabakssorten,  mit 
Ausnahme  der  schlechtesten  Qualität  (Machorka)^  einen  gleichförmi- 
gen Tarif  von  24  Kop.  für  das  Pfund  Rauch-  und  Schnupftabak,  von 
15  Kop.,  für  100  Cigaretten  und  von  60  Kop.  für  100  Cigarren  ange- 
nommen. Der  Machorka  ist  einer  Steuer  von  2  Kop.  pro  Pfund 
unterworfen  und  darf,  die  Steuer  miteingerechnet,  nicht  theurer  als 
20  Kop.  pro  Pfund  verkauft  werden. 

Dieser,  zu  Gunsten  des  für  den  Gebrauch  des  Volkes  bestimmten 
Tabaks  redüzirte  Tarif  wird,  wie  man  annimmt,  die  Defraudation 
nicht  so  erleichtern,  als  der  graduirte  Tarif  von  187 1,  da  es  nicht 
schwer  ist,  diesen  Tabak  beim  ersten  Anblick  von  demjenigen  zu 
unterscheiden,  dessen  sich  die  bemittelten  Klassen  bedienen.  Nichts- 


474 

destoweniger  verordnet  das  Gesetz  von  1877,  dass  der  Machorka 
nur  in  besonderen  Fabriken  oder  wenigstens  in  Räumen  zube- 
reitet werde,  welche  von  den,  für  die  Fabrikation  der  besseren  Ta- 
bakssorten bestimmten  Etablissements  getrennt  sind;  ferner  stellt 
das  Gesetz  eine  ganze  Reihe  von  Ueberwachungsmaassregeln  und 
strafrechtlichen  Bestimmungen  fest,  um  den  Missbräuchen  vorzubeu- 
gen, welche  die  Fabrikation  und  der  Verkauf  eines  Tabaks  nach 
sich  ziehen  könnten,  der  einer  zwölfmal  geringeren  Steuer  unter- 
liegt, als  die  anderen  Tabaksfabrikate. 

Nach  den,  zur  Zeit  der  Einbringung  des  Gesetzentwurfes  vom  Jahre 
1877  angestellen  Berechnungen  müssten  die  beiden  erwähnten 
Maassregeln,  sowie  die  Erhöhung  der  Patentsteuer  der  Verkäufer 
eine  Mehreinnahme  von  6,400,000  Rbl.  ergeben. 

Wir  wissen  nicht,  ob  diese  Voraussetzungen  sich  erfüllt  haben 
und  können  gegenwärtig  nur  die,  auf  die  Einnahme  aus  der  Tabaks- 
steuer nach  den  Budgets  von  1872 — 1876  bezüglichen  Zahlen  an- 
führen: 

Patent-  Bande-       Geldstrafen  und      Zoll- 

Steuer.  rollen.       Konfiskationen.  Gebühren.*        Im  Ganzen. 

Millionen    Rubel. 

/  ^  K 

1872     1,264     8,944     26     ii4i6     11,651 

.1873  1,251  9,089  28  3,382  11,760 
1874  1,265  9,449  23  1,406  12,143 
187  s      1,344      9,251       21       1,483       12,099 

1876         10,518         2,788    13,305 

Die  Einnahme  vom  Tabak,  deren  im  Jahre  1876  erhöhte  Ziffer  sich 
auf  den  beträchtlichen,  durch  ausserge  wohnliche  Ursachen  (Erhebung 
der  Zollgebühren  in  Gold  seit  dem  Jahre  1 877)  hervorgerufenen  Im- 
port von  fremdem  Tabak  bezieht,  tritt  in  der  Gesammtheit  der  bud- 
getmässigcn  Einnahmen  dieses  Jahres  (540,114,000  Rbl.)  nur  im 
Verhältniss  zu  2,4  pCt.  auf.  Zieht  man  nur  die  Bevölkerung  des 
europäischen  Russland'^  in  Betracht,  so  ergibt  die  Tabakssteuer  eine 
Einnahme  von  20  Kop.  pro  Kopf.  Nimmt  man  an,  dass  die  Voraus- 
setzungen des  Finanz-Ministeriums  sich  rechtfertigen  und  dass  die 
Tabaksteuer  mit  Einschluss  der  Zollgebühren  in  diesem  Jahre  20 
Millionen  einbringt,  so  würde  der  Ertrag  dieser  Steuer  in  der 
Gesammteinnahme  unseres  Budgets  3,7  pCt.  nicht  überstei- 
gen und  der  Durchschnittsbetrag  pro  Kopf  sich  auf  30  Kop.  be- 
laufen. 

Ohne  hier  auf  die  Frage  eingehen  zu  wollen,  ob  und  wie  durch 
eine  Veränderung  des  bisherigen  Systems   eine  Mehreinnahme  aus 


'  Der  auslfindische  Tabak  zahlt  beim  Import  pro  Pud:  Blättertabak  14  Rbl.,  Rauch 
tabak  26  Rbl.  40  Kop.,  Schnupftabak  35 Rbl.  20  Kop.,  Cigarren  38Rbr.     Die  Steuer' 
von  14  Rbl.  fiir  Blättertabak  wird  seit   1877  erhoben,  früher  betrug  die  Steuer  4  Rbl. 
20  Kop.  pr.  Pud. 

'  65  Millionen  nach  der  Zählung  von  1870. 


475 

der  Tabakssteuer  zu  erzielen  sei,  beschränken  wir  uns  darauf,  auf 
die  fehlerhaften  Seiten  unseres  fiskalischen  Systems  hinzudeuten.  Es 
scheint  uns  übrigens,  dass  die  einfache  Darlegung  unserer  Gesetzge- 
bung dieselben  genügend  hervortreten  Hess,  und  wir  halten  es  für 
kaum  nothwendigy  uns  noch  des  Breiteren  darüber  auszulassen. 

Es  ist  vollständig  klar,  dass  ein  Besteuerungs-Verfahren,  wel- 
ches sich  darauf  beschränkt,  nur  die  Fabrikation  eines  besteuerten 
Artikels  und.  den  Verkauf  des  Fabrikats  der  Kontrolle  zu  unterwer- 
fen, dem  Fiskus  nur  unter  der  Bedingung  ernste  Garantien  bietet, 
dass  der  zu  besteuernde  Artikel  im  Rohzustande  für  den  Verbrauch 
nicht  geeignet  ist  und  dass  die  Fabrikation  ein  Verfahren  oder 
Apparate  erfordert,  welche  ein  einzelnes  Individuum  nicht  anwenden 
könnte,  ohne  die  Aufmerksamkeit  der  Steuer- Beamten  auf  sich  .zu 
ziehen. 

Diesen  Bedingungen  entsprechen  die  alkoholischen  Getränke  und 
der  Zucker;  somit  lassen  sich  diese  Artikel  unter  Gestattung  der 
freien  Cirkulation  sowie  des  Körner-  und  Rübenhandels  wirksam  be- 
steuern. Ganz  anders  steht  es  mit  dem  Tabak,  dessen  Eigenschaf- 
ten durch  das  Fabrikations-Verfahren  nur  sehr  wenig  verändert 
werden  können.  Nur  die  Anfertigung  von  Cigarren  und  Schnupfta- 
bak bereiten  einige  relative  Schwierigkeiten.  Was  den  Rauchtabak 
betrifft,  so  ist  derselbe  gewissermaassen  schon  Fabrikat,  sobald  die 
Fermentation  der  Blätter  beendet  ist.  Sobald  also  unsere  Gesetz- 
gebung sich  der  Ueberwachung  des  Tabaksbaues  begibt  und  den 
Verkauf  sowie,  die  Cirkulation  des  Tabaks  in  Blättern  zulässt, 
verzichtet  sie  freiwillig  auf  einen  Steuerertrag  von  all  dem  Tabak, 
welcher  nicht  in  den  Fabriken  bearbeitet  wird.  Unsere  Gesetze  ent- 
halten wohl  eine  Reihe  von  strafrechtlichen  Verordnungen  betreffs 
jder  Pflanzer,  welche  Tabak  ausserhalb  der  Fabriken  präpariren  etc., 
aber  es  ist  vollständig  klar,  dass  diese  Verordnungen  kein  anderes 
Schicksal  haben  können,  als  das,  ein  todter  Buchstabe  zu  bleiben; 
um  sie  wirksam  zu  machen,  müsste  man  Tausende  von  Aufsichtsbe- 
amten haben  und  auch  dann  würde  es  noch  tausend  Wege  geben, 
um  sich  der  Kontrolle  zu  entziehen. 

Diese  Bemerkungen  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  den  vom 
Volke  konsumirten  Tabak;  der  gemeine  Mann  bedient  sich  be- 
kanntlichi  nicht  nur  in  den  Tabaksbau  treibenden  Provinzen,  son- 
dern auch  in  den  nördlichen  Gouvernements,  des  Tabaks  in  Blät- 
tern. Dieser,  dem  Fabrikationsverfahren  nicht  unterworfene  Tabak 
bleibt  von  aller  Besteuerung  frei.  Das  Gesetz  von  1877,  welches  die 
Fabrikation  des  unter  niedrigerer  Banderolle  verkauften  billigen  Ta- 
baks gestattet  und  welches  zugleich  die,  sich  auf  den  Handel  mit 
Blättertabak  beziehenden  gesetzlichen  Verordnungen  nicht  abgeän- 
dert hat,  dürfte  nach  unserem  Ermessen  keine  grossen  praktischen 
Resultate  aufweisen  können;  welche  Gründe  könnte  in  \Virklichkeit 
der  Bauer  haben,  Tabak  unter  Banderolle  zu  kaufen,  wenn  er, 
sich  Tabak  von  einer  vielleicht  etwas  geringeren  Qualität  steuerfrei 
verschaffen  kann? 


47^ 

Es  lässt  sich  leicht  mit  Zahlen  nachweisen,  wie  beträchtlich  die 
Quantitäten  sind,  welche  in  Folge  unseres  fiskalischen  Systems  sich 
der  Besteuerung  entziehen.  Nach,  vom  Finanz-Ministerium  gesam- 
melten Angaben  wurden  im  Jahre  1874  in  den  Provinzen  des  euro- 
päischen Russlands  mit  Einschluss  der  polnischen  Gouvernements 
2,600,000  Pud  Tabak  geerntet.  Diese  Zahl  basirt  auf  den  Angaben 
der  Communalbehörden,  welche,  wie  es  unter  ähnlichen  Umständen 
immer  der  Fall  ist,  die  wirklichen  Zahlen  tendenziös  heruntersetzen ; 
wird  doch  auch  geltend  gemacht,  dass  in  Wirklichkeit  die  jährliche 
Tabaks-Produktion  in  Russland  nicht  weniger  als  3,500,000  Pud  be- 
trägt. Um  indessen  nicht  den  Vorwurf  der  Uebertreibung  auf  uns 
zu  laden,  werden  wir  an  der  offiziellen  Ziffer  von  2,600,000  Pud 
festhalten. 

Während  desselben  Jahres  1874  wurden  vom  Auslande  248,000 
Pud  Tabak  in  Blättern  importirt;  unser  Export  nach  dem  Auslande 
beHef  sich  an  Rohtabak  und  Fabrikaten  auf  200,000  Pud.  Nun  ha- 
ben im  Jahre  1874  die  Fabriken  für  den  Konsum  im  Ganzen  nur 
1,263,696  Pud  geliefert,  so  dass  wenigstens  1,385,000  Pud  Tabak 
ohne  Besteuerung  konsumirt  sein  müssen. 

Nach  unserer  Meinung  liegt  in  diesen  Ziffern  die  beredteste  Verur- 
theilung  unseres  Steuer-Systems.  Man  darf  nicht  aus  dem  Auge  ver- 
lieren, dass  mehr  als  die  Hälfte  des  im  Lande  konsumirten  Tabaks  sich 
zu  einer  Zeit  der  Besteuerung  entzogen  hat,  wo  der  Steuersatz  im 
Prinzip  nur  den  dritten  Theil  des  Werthes  des  besteuerten  Quantums 
ausmachte  und  wo,  wie  wir  eben  gezeigt  haben,  die  Defraudation, 
welche  in  Folge  des  graduirten  Tarifs  in  der  Praxis  grosse  Dimen 
sionen  annehmen  konnte,  dahin  zielte,  den  Steuersatz  für  die  besse- 
ren und  mittleren  Tabake  herabzusetzen.  Was  würde  erst  gesche- 
hen, wenn  der  Tabak  bei  uns  mit  der  Hälfte  seines  Werthes  odet 
höher  besteuert  würde,  wie  es  unter  der  einen  oder  der  andern  Form 
in  Frankreich,  England  und  Oesterreich  geschieht? 


Kleine  Mittheilnngen. 


(Statistische  Notizen  über  den  Grundbesitz  im  Gou- 
vernement Tula  gegen  Ende  des  Jahres  1877.)  Die  ge- 
sammten  Liegenschaften  des  Gouvernements  nehmen  eine  Fläche 
von  2,672,367  Dessjatinen  1378  Faden  ein.  Davon  befanden  sich: 

Dessjatinen.      Faden, 

I.  im  Gemeindebesitz  der  Bauern    1,258,148     1558  oder  47,1  pCt. 
II.  im  Einzelbesitz  der  Bauern.     .        115,124       375     »       4,3     » 
III.  im   Besitz   von  Personen   ver- 
schiedenen  Standes    und   des 
Staates 1^299,094     1845    »     48,6     » 


477 

Man  zählte  im  Gouvernement  10,840  Gutsbesitzer,  und  zwar: 
Bauern 5055  oder  46,7  pCt. 


Edelleute  .....  3506 

Kirchen  und  Klöster    .  769 

Kleinbürger  ....  657 

Kaufleute 480 

Verschiedenen  Standes  222 

Geistlichen  Standes     •  151 


32,3 

7,0 
6,1 

4,4 
2,1 


Von  der  in  der  HI 

Edelleuten  .  . 

Kaufleuten  .  . 

Bauern    .     .  . 

Dem  Staat  .  . 


Rubrik  aufgeführten  Dessjatinenzahl  gehörten : 

.    1,035,344  Dessj.  1932  F.  oder  79,7  pCt. 

87,833  *  592  »  •  6,8  » 

60,806  •  2087  »  »  4?7  » 

42,424  »  2360  *  »  3,2  » 

Kirchen  und  Klöstern         39,935  *  702  *  »  3,1  » 

Kleinbürgern    .     .     .         19,340  *  872  »  »  i,5  ■ 

Pers.  versch.  Standes           9,106  »  2226  >  »  0,7  » 

.»      geistl.        ■                  4,252  *  674  »  »  0,3  » 

Somit  befindet  sich  fast  Vs  des  in  der  UI.  Rubrik  aufgeführten 
Areals  in  den  Händen  des  Adels.  Durchschnittlich  ist  das  Gut  eines 
Edelmanns  gleich  295  Dessj.,  eines  Kaufmanns  —  162  Dessj.,  ein 
Kirchen-  und  Klostergut  —  51  Dessj.,  ein  Gut  von  Personen  ver- 
schiedenen Standes  —  41  Dessj.,  eines  Kleinbürgers  —  29  Dessj., 
ein  Gut  von  Personen  geistlichen  Standes  —  28  Dessj.  und  eines 
Bauers  —  12  Dessjatinen. 


Literatnrbericht. 


^peeHiH  pocciQcKtJi  cmiixomeopenin,  eoffpauHhiH  Kuptuen  JUauuÄoeuMS.  HsdaHiempemte 
KOMMucciu  neHamamn  rocydapcmeeHUhixs  FpaMoms  u  /loioeopoes^  cocmoRUfeü 
npu  ATocKoecKOMs  pAaenoMS  Apxueih  AfuHUcmepcmea  HuocmpaHHuxs  /(ihJiö, 
MocKBa  1878,  8®,  291  CTp. 

Alt-rtissischi  Lieder^  gesammelt  von  Kirscha  Danilow.  Dritter  Abdruck^  herausgege- 
ben von  der  Kommission  zur  Veröffentlichung  von  Staatsv ertrügen  und  Urkun- 
den bei  dem  Aloskauer  Hauptarchiv  des  Ministeriums  der  auswärtigen  AngC' 
legenheiten. 

Dieses  Liederbuch  war  schon  längst  eine  bibliographische  Selten- 
heit geworden;  da  aber  in  der  letzten  Zeit  die  Nachfrage  nach  die- 
ser Sammlung,  welche  für  die  Charakteristik  alt-russischer  Volks- 
poesie von  unschätzbarem  Werthe  ist,  sich  von  Jahr  zu  Jahr  steigerte, 
hat  sich  die  oben  erwähnte  Kommission  jetzt  bewogen  gesehen, 
das  Buch  neu  herauszugeben  und  ist  dadurch  einem  dringend  ge- 


478 

I 

fühlten  Bedürfniss  entgegengekommen.  Das  Original  dieser  Lieder- 
sammlung ist  leider  verloren  gegangen ;  von  A.  Jakubowitsch,  der 
dasselbe  zum  ersten  Mal  im  Jahre  1804  durch  den  Druck  veröffent- 
lichte, ging  die  Handschrift  an  den  Reichskanzler,  Grafen  Rju- 
mjanzow  über,  welcher  im  Jahre  18 18  durch  den  bekannten  russischen 
Alterthumsforscher  K.  Kalaidowitsch  eine  zweite  Ausgabe  veran- 
stalten Hess.  In  dem  Verzeichniss  von  Handschriften  des  Grafen 
aber,  welche  später  an  das  Rjumjanzow^sche  Museum  gelangten, 
ist  sie  nicht  angeführt,  und  damit  auch  jede  weitere  Spur  ihres  Ver- 
bleibens verloren. 

Der  Sammler  Kirscha  (klein-russische  Form  des  Namens  Kirill) 
Danilow  war  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  Kosak  und  hat  wohl, 
wie  K.  Kalaidowitsch  auf  Grund  einiger  Lieder  annimmt,  die  alt- 
russischen Lieder  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  XVIII.  Jahrhunderts 
gesammelt.  Ferner  spricht  K.  Kalaidowitsch  auch  die  Vermuthung 
aus,  dass  Danilow  die  Lieder  nicht  immer  selbst  niedergeschrieben, 
sondern  zuweilen  auch  die  Ueberreste  alter  Volkslieder  benutzt  und 
dieselben  sogar  leider  umgearbeitet  habe.  Die  Sammlung  enthält 
61  Lieder.  In  dem  grösseren  Theil  derselben  wird  von  dem  Ruhm 
des  Fürsten  Wladimir  und  der  Helden  seiner  Umgebung  gesungen. 
In  den  andern  Liedern  finden  wir  dann  neben  den  sagenhaften  Hel- 
den russischer  Vergangenheit  Jermak,  den  Eroberer  Sibiriens,  die 
Zaren  Iwan  IV.,  Alexei  Michailowitsch,  dessen  Sohn,  den  Zarewitsch 
Peter  Alexewitsch,  «den  ersten  Imperator  in  der  Welt»,  u.  s.  w.  er- 
wähnt und  besungen.  Endlich  sind  auch  einige  Lieder  rein  lyri- 
schen Inhalts  zu  verzeichnen,  so  z.  B.  Nr.  52,  —  was  Erfindung, 
Sprache  und  Stimmung  betrifft,  eines  der  schönsten  Lieder  ,  der 
Sammlung. 

Die  vorliegende  dritte  Ausgabe  der  «Alt-russischen  Lieder*  ist 
dem  Andenken  des  in  Gott  ruhenden  Grossfürsten  Cesarewitsch 
Nikolai  Alexandrowitsch  gewidmet,  welcher  eine  besondere  Vor- 
liebe für  alt-russische  Dichtung  besessen  und  auch  diese  Samm- 
lung von  Kirscha  Danilow  sehr  hoch  geschätzt.  Ein  Exemplar  der 
Ausgabe  dieser  Lieder  vom  Jahre  181 8  mit  eigenhändigen  Rand- 
bemerkungen des  Grossfürsten  befindet  sich  noch  im  Besitz  des 
Akademikers  Th.  Busslajew,  welcher  dem  Grossfürsten  russische 
Literatur  vortrug. 


Kevae  Russischer  Zeitschriften. 


cjournal  des  Ministeriums  der  Wegeverbindungen»  (Shurnal  Mini- 
sterstwa  Putei  Ssoobschtschenija — ^ypHa;n>  MHHHCxepcxBa  riyreft 

CoOÖmeHlH).    1878.  Heft  7.  Inhalt: 

Auszug  aus  dem  Allerhöchsten  Bericht  des  Ministeriums  der  Wegeverbindungen  für 
die  Jahren  1869 — 187a  (Fortsetzung).  —  Beilagen  zu  den  Protokollen  des  Kongresses 


479 

von  Repräsentanten  der  Dampfschifflahrts-  und  Barken-Schlfffahrtsunternehmungen.  — 
Skizzen  vom  Don.   V»  Charakter  der  SchiffTahrt  auf  dem  Don,   Von  O,  Gamalitzkij,  — 
Das  Eisenbahnwesen  in  England.     Von  C?.  Makko.  —  Brutto-Einnahme  und  die  Zahl 
der  beförderten  Passagiere  und  Waaren  im  April  und  Mai  1878.  —  Ueber  das  Maxi- 
mum der  auf  einer  Bahn  zu  befördernden  Züge. 

Heft  8.  Inhalt: 

Auszug  aus  dem  Allerhöchsten  Bericht  des  Ministers  der  Wegeverbindungen  für  die 
Jahre  1869-  1872  —  Die  Wolga,  I.  Die  historische  Bedeutung  der  Wolga,  Von  JS, 
Ssokolowskij.  —  Die  niederländischen  Eisenbahnen.  Von  A.  Jaquemin,  —  Die  Brutto- 
Einnahmen  und  der  Verkehr  auf  den  russischen  Eisenbahnen  im  Jahre  1878.  —  Das 
Wasser,  das  Heizmaterial  und  die  Dampfkessel.  —  Technische  Notizen. 

.  «Das  alte  Russland*  (Russkaja  Sstarina  —  PyccKaa  CTapana.) 
Herausgegeben  und  redigirt  von  M.  J.  Ssentewskij,    ix.  Jahrgang  1878. 

Hefl  7.  Inhalt: 

Erinnerungen  von  T,  Passek.  XXXV.  —  Georg  Nowitzki].  Eine  biographische 
Skizze  (Schluss).  ^  Memoiren  yon  I.  St.  Shirkowitsch.  XXII — XXm.  —  Iwan  Kon- 
stantinowitsch  Aiwasowskij.  IV — V.  —  Der  Aufruf  an  das  russische  Volk  zum  Kampf 
gegen  die  Türken  im  Jahre  1684.  Mitgetheilt  von  K,  fViskowatow,  —  Die  Besetzung 
der  Dardanellen  im  Jahre  1783.  —  Die  Belagerung  von  Bajazit  im  Jahre  1877.  —  Das 
Testament  des  Fürsten  Jurij  De&pota  Senowitsch.  •—  Notizen. 

Heft  8.  Inhalt: 

Aufzeichnungen  des  Soldaten  Pamphil  Nasarow  aus  den  Jahren  1792 — 1839.  Mitge- 
theilt von  W,  Lestwizyn,  —  Memoiren  des  Protojerei  Johann  Winogradow  aus  den  Jah- 
ren 1800 — 1802.  Mitgetheilt  von  M.  Platonow,  —  Das  Tagebuch  des  Pastors  Johann 
Huber.  Mitgetheilt  von  P,  von  Götz.  —  Erinnerungen  des  Prälaten  Butkewitsch  aus 
den  Jahren  1830— 183 1.  —  Skizzen,  Erzählungen  und  Erinnerungen.  II,  Von  E — v,  — 
J.  Lelewel  als  Kritiker  der  «Geschichte  des  russischen  Staates»  von  Karamsin.  —  Ge- 
nealogische Tafel  der  Familie  Romanow-Jurjew-Sachaijin  vom  XIII.  Jahrhundert  ab 
bis  zum  Jahre  16 13.  —  Bibliographischer  Anzeiger. 

Heft  9.  Inhalt: 

Lebensgeschichte  des  Kosaken  Iwan  Magrin.  1770 — 1850.  I — IV.  Mitgetheilt  von  G, 
Magrin.  —  Memoiren  von  I.  St.  Shirkowitsch.  XXIV,  —  J,  Lelewel  als  Kritiker  der 
«Geschichte  des  russischen  Staates»  von  Karamsin  (Schluss).  —  Skizzen,  Erzählungen 
und  Erinnerungen.  HI,  Von  E — v,  —  Iwan  Konstantinowitsch  Aiwasowskij.  VI— X,  — 
Historische  Materialien  und  Notizen.  —  Bibliographischer  Anzeiger. 

«Russisches   Archiv»    (Russkij   Archiv  —    PyccKiö   ApxHBi). 

1878.     Heft  7.     Inhalt: 

Der  erste  Krieg  der  Russen  mit  den  Türken.  Eine  Erzählung  über  die  Belagerung 
von  Tschigirin  im  Jahre  1678.  Mitgetheilt  vom  Archiroandriten  Leonid,  —  Ein  Brief 
von  A.  P.  Wolynskij  an  den  Fürsten  Menschikow  aus  dem  Jahre  1721.  Mitgetheilt  von 
G.  Atexandrow,  —  Briefe  der  Kaiserin  Katharina  II. :  i.  an  den  Feldmarschall  Fürsten 
Golizyn;  2.  an  den  Hetman  Grafen  Rasumowskij;  3.  an  einen  Unbekannten  über  Frie- 
drich den  Grossen;  Notizen  der  Kaiserin  über  Krim'sche  Angelegenheiten,  und  histori- 
sche und  autobiographische  Bemerkungen.  —  Aus  den  Briefen  des  Archimandriten 
Fotij  an  die  Grftfin  A.  A.  Orlow.  Mitgetheilt  von  D.  Blagaioo,  —  Ein  Brief  des  Grafen 
Perowskij  an  A.  J.  Bulgakow.  —  Die  Adresse  der  Montenegriner  an  die  Kaiserin  Elisa- 
beth Petrowna  über  die  Unterwerfung  unter  russische  Oberhoheit.  —  Briefe  von  A.  S, 
Chomjakow  an  A.  F.  Hilferding. 

Heft  8.  Inhalt: 

Die  Vertheidigung  von  Kamtschatka  und  Ost-Sibiriens  gegen  die  englisch- französi- 
sche Flotte  in  den  Jahren  1854  und  1855.  Mitgetheilt  von  P,  Schumacher.  —  Die  russi- 
sehe  und  englische  Politik.  Ein  Brief  des  Fürsten  W.  Shukowskij  an  den  Grafen  S.  F. 
Paskewitsch  Eriwanskij.  Mitgetheilt  von  P.  Jefremow,  —  Ueber  die  Handschriften  von 
Dubrowriuj,  MitgetheUt  von  A*  Wassiltschikovt,  —  Die  Abenteuer  des  Mönchs  Paliadij 


48o 

Lawrow  (aus  den  Original- Akten),  DaF  Tagebuch  von  Lawrow.  —  Grimm  und  Frau 
von  Epinay,  Mitgetheilt  von  y,  Grot,  —  Aus  den  Erinnerungen  des  General-Prokureurs 
Fürsten  A.  A,  Wjasemskij.  —  Ein  Zug  aus  dem  Leben  des  Patriarchen  Nikon.  — 
Neue  Einzelheiten  aus  dem  Leben  von  A.  P,  Jermolow. 


Russische  Bibliographie. 


Die  Arbeiten  der  Amu-Daija-Expedition.  .  Lief.  3.  Hydrographische  Arbeiten  am 
Flusse  Amu  und  im  Delta  desselben  im  Jahre  1874.  Bericht  des  Kap.  Lieut.  Subow. 
St.  Pbrg.  1878.  8^.  31  S.  und  3  Tabellen.  (TpyAu  Aiiy-AapbHHCKot  »xcneAuuiH.  Bun. 
3.    rBAporpa4>HHecm  paöoru  na  p-brfe  Aiiy  h  bi>  es  AC^bii  bi  1874  r«    Orqen»  xan.- 

jieiiT.  8y6oBa.) 

Russisch-Deutscher  Eisenbahnverband.  Statistische  Tabellen  der  Fratihtbewegung  im 
direkten  Verkehr  im  Jahre  1876.  St.Tbrg.  1878.  187  S.  (Pycciro-repMaHcicitt  xeJitaHo- 
Aopt>3iCHut  coioB-b,  CTdTBCTHHecKifl  Ta^JiBUbi  ABExceuiü  rpyaoBi»  npxMaro  pyccKO-rep- 
MaHCKaro  coo6meHia  bi>  1876  roAy*) 

Apercu  des  dix  premi^res  ann^es  de  Texploitation  du  chemin  de  fer  Nicolas  par  la 
grande  Soci6t6  des  chemins  de  fer  Russes.  St.  Pbrg.  1878.  8^  25  S. 

Acta  Horti  Petropolitani,  Tomus  V.  Fasciculus  IL  St.  Pbrg.  1878.  8**.  S.  287—680. 

OWBJannikow,  A.  Geographische  Skizzen  und  Bilder.  Bd.  L  Die  Wolgagegend. 
St.  Pbrg.  1878.  8^.  III  -|-  341  S.  (ObO£HSHXOB%,  A.  reorpa<»HHecKie  OMepxii  h  xap- 
THHM.  T.  II.  OqepxH  H  XapTUHU  nOBO;i3iCbfl.) 

t 

Taganzew,  N.  Kursus  des  russischen  Kriminalrechts.  Allgemeiner  Theil.  Buch  I. 
Die  Lehre  vom  Verbrechen.  Bd.  II.  St.  Pbrg.  1878.  8®.  326  +  VIII  S.  (Tarasitevb, 
H.  0.  Kypci>  pyccxaro  yroAOBHaro  npasa.  HacTb  oön^as.  Kh.  I.  y^euie  o  npecTyn;ie- 
Hin.  Bun.  IL) 

Das  russische  Gesetz  vom  i.  Januar  1864  über  die  Gouvernements-  und  Kreis-Land- 
schafts-Institutionen mit  den  Ergänzungen  und  der  Kodifikation  vomj.  1876,  so  wie 
einem,  die  Motive  betreffenden  Anhange.  Mitau.  1878.  8^  X  -|-  226  S. 

Wassiljew,  J.  Historisch-statistische  Skizze  der  Stadt  Pskow.  Pskow.  1878.  8^  II 
-|-  102  S.  (BacHJlL6B%,  H.  HcTopHxo-CTaTHCTHHecKift  OHepKi>  ropoAa  UcxoBa.) 

Wodowosow,  W.  Erzählungen  aus  der  russischen  Geschichte.  Lfg.  I.  St.  Pbrg. 
1878.  8^.  199  -{-  n  S.  (BOAOBOBOFb,  B.  Paacxaau  hbi»  pyccxoft  ucTopiu.  Bun.  I.) 

Moltschanow,  A.  Zwischen  Frieden  und  Kongress-  Briefe  an  die  «Neue  Zeit* 
aus  Konstantinopel,  Ismid,  von  den  Prinzen-Inseln,  aus  den  Dardanellen,  Gallipoli, 
San-Stefano  und  Philippopel.  St.  Pbrg.  1878.  8®.  544  S.  (MojraaHOBl,  A.  McÄAy  mh- 
poiTb  H  KOHrpeccoM-b.  llucbMa  Bi>  «HoBoe  BpeMx»  ii3i>  KoHcraHTHHonoJu,  IlaMBAa«  ci» 
IIpBHi^eBbix'b  OcTpoBOBi»,  Bai>  A^pAaueAAi»,  FaajiBnojiB,  CaB-b-CTe^^aHo  u  <I>HJiunno. 
noAi.) 

Oordon,  A.  Die  Vertretung  im  Civilrecht.  St.  Pbrg.  1878.  8^  Xm  +  434  S. 
(FopAOHl)  A.  üpeAcraBBTeiibCTBo  bi»  rpasKAaucxoMi»  npast.) 


Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Röttger. 
AosBOJieHo  ueHsypoK).  C.-neTep6ypn>,  i8-ro  IIosi6p«  1878  roAa* 
Bachdruckerei  von  Röttger  &  Schneider,  Newsky-Prospekt  M  5. 


Die  Bedeutung  der  einzelnen  GouTernements  Russ- 
lands  hinBichtlich  ihrer  landwirthschaftlichen 

Produktion.' 


Von 

Friedrich  Matthäi. 

(Schluss.)' 


31.  GoayeFiieiuent  Pskow. 

Grösse  des  Gouvernements:  793,70;  geogr.Qu.-Meilen  =43  703,5 
Qu.- Kilometer;  Bevölkerung:  775,701  Einwohner,  von  denen  18  auf 
I  Qu.-Kilometer  entfallen.  ^ 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues  \ 


Wcrihd.Prod. 

• 

Tschetwert. 

in  Rubel. 

An  Roggen     ...... 

657,666  a 

6  R.  75  K. 

4.437.245 

•  Winterweizen      .     . 

2,500  » 

10  *  —  » 

25,000 

•  Sommerweizen    .     ,     .     . 

3.666  . 

10  *  —  » 

36,660 

•  Hafer    ....... 

570,333  • 

4  *  —  » 

2,281,332 

•  Gerste 

150,333- 

5  *  —  * 

751,665 

»  Buchweizen    .... 

24,333  • 

6  .  ^    * 

145,998 

»  sonstigem  Sommergetreid 

e       72,000 » 

6  .  —  . 

432,000 

Zusammen  an  Getreide 

,    1,480,831 

8,109.900 

'  Im  ersten  Theil  dieses  Artikels  Bd.  XI,  Seite  431,   Gouvenununt  Moskau  ist  xu 

lesen  • 

Werth  in  Rbl. 

An  Erzeugnissen  des  Feldbaues:  an  Roggen 8,372,625  anstatt  4,172,625 

Zusammen  an  Getreide 4^642,625       »       6,442,625 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues 5»3^3t375       *       7«i^3i375 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft   .    .    .    .11,080,975       >     12,880,975 

An  Qeldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .    .  2  R.  80  K.       »     3  R.  74  K« 

Zusammen  aas  der  gesammten  Landwirthschaft  ....5R.  78K         •     6R.72K. 

Schliesslich:  die  Erträgnisse  der  Viehzucht  übersteigen  die  des  Feldbaues  um 
354,225  Rbl.  oder  um  6  pCt. 

Seite  429  desselben  Heftes:  Gouvernement  Nowgorod  ist  zu  lesen:  Es  entlillen  auf 
1  Qu.-Kilometer:  Schweine  0,2  anstatt  2,3. 

*  Vgl.  «Russ.  ReVmea  Bd.  XI,  S.  385  u.  fi. 

SU88«. JUBYOB.  BD.  Xm.  3 1 


*  Tschetwert.  Rubel. 

An  Kartoffeln 249,000  a  iR.  50K.        373.500 

Pud 

»  Flachs 2,000,000  *  5  *  —  »    10,000,000 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .     18,483400 

b)  an  Erzeugnissen  der  ViehzucJU: 

Pferdebestand:  i74,30oStück,  davon  V5= 34 »860  Stück 

ä  30  Rbl 1,045,800 

Rindviehbestand:  345,900  St.  (Milchvieh) .ä  15  R.  Nutz.     5,188,500 

Schafbestand:  Landschafe  i79,70oSt.  ä  i R.  25  K. Nutz.        224,625 

»       Feinwoll  Schafe         300  »»2t   —  »      *  600 

Schweine:  73,200  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung 585,600 

Ziegen:         3,iOO      *       »  2    »  »  6^200 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     79051^325 

Die  Gesammt-Produkte  des  Feldbaues  und  der  Vieh- 
zucht repräsentiren  im  Gouvernement  Pskow  einen 
Werth  von 26,534,725 

Es  entfallen  sonach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art    ...     1,90  Tschetwert 
■  Kartoffeln 0,32  * 


Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     .     2,22  • 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  23  R.  82  K* 

»      »            »            der  Viehzucht  9  »     9  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  derLandwirthschaft  32  R.  91  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  diejenigen  der  Vieh- 
zucht um  9702,575  Rbl.  oder  um  lio  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Pskow 

auf  I  Qu.-Meile.      auf  i  Qu.-Ktlometer. 

Stack.  Stück. 

Pferde 219,6  3,9 

Rindvieh 435.8  7.9 

Schafe 226,7  4,1 

Schweine 92,2  I98 

Ziegen 3,9  0,07 


.  j- 


___483 

32.  QouTernemeBt  Rjasan. 

Grösse  des  Gouvernements:  764,55  geogr.  Qu.-Meilen  =  42,098,3 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,477,433  Einwohner,  von  denen  35 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugiiissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen 2,373,333 

■  Winterweizen 28,000 

•  Sommerweizen 24,666 

»   Hafer 2,462,000 

•  Gerste 57»333 

»    Buchweizen 360,333 

»  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  239,000 


e 


Wcrthd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 

16,019,998 

280,000 

^  246,000 

o      9.848,000 

286,665 
2,161,998 
1434,000 


'S 


^     30,276,661 
922,500 


Zusammen  an  Getreide     .     5i  5441665 
»  Kartoffeln 615,000  , 

Pud. 

»   Hanf 250,oooä3R.       750,000 

>  Tabak.          14,715  »2»  29,430 

>  Sandzucker Si9-4I3*5'  41097,065 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    •     36,075,656 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  381,900  St.,  davon  Vfi=76,38o  ä30R.  2,291,400 

Rindviehbestand:  265,900  St.  Milchvieh  ä  15  R.  Nutz.  3,988,500 
Schafbestand: 

Landschafe      822,800  Stück  ä  I  R.  25  K.  Nutzung  1,028,500 

Feinw. Schafe       4,300      •      »2  *  —   •         »  8,600 

Schweine:  162,100  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     .     .  1,296,800 

Ziegen:  1,100  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 2,200 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .      8,616,000 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Rjasan  einen  Werth  von 44,6919656 

Es  entfallen  sonach  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .    .     3,75  Tschetwert. 
*   Kartoffeln 0,41  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .4,16  » 

31* 


484 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  24  R.  41  K. 

»      »  »  der  Viehzucht    5  >  83  > 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  50  R.  24  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  Erträgnisse  der 
Viehzucht  um  i26,i30,i56  Rbl.  oder  um  262  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Rjasan 

auf  I  Qu.-Meile.        auf  i  Qu.- Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde.    .......  499,5  94 

Rindvieh 360,8  6,3 

Schafe, I08i,8  19,6 

Schweine .  212,0  3,8 

Ziegen 1,4  0,02 

33*  GouTernemeiit  St  Petersburg. 

Grösse  des  Gouvernements:  817,00  geogr.  Qu.-Mdlen  =  44,986,6 
Qu. -Kilometer;  Bevölkerung:  1,326,875  Einwohner,  von  denen  29  auf 
I  Qu. -Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Werth  d.  Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 

An  Roggen 256,500  ä  6  R.  75  K.  1,728,000 

Hafer yiT-poo  » 4  »    —  »  1,508,000 

Gerste 81,000  »  5  »   —  »  405,000 

»  sonstigem  Sommergetreide .  3.750  •  6  »    —  »  22^500 

Zusammen  an  Getreide         618,250  3*663  500 

»  Kartoffeln 440,000  »  i   »    50  •        660,000 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des.  Feldbaues    .    4,323,500 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzuchtx 

Fferdebestand :   120,500  Stück,  davon   V«  =  24,100 

Stück  ä  30  Rbl 723,000 

Rindviehbestand:  153,000  St.  (Milchvieh)  ä  15  R.  Nutz.  2,295,000 

Schafbestand:  Landschafe  67,500  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutz.  84,375 

Schweine :  8000  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung 64,000 

Ziegen:       iioo      »      »2    »          »           2,200 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    •    3>i68,575 


405 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der        Rubel. 
Viehzucht  repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 
St.  Petersburg  einen  Werth  von 7,491,075 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art     .     .    .    0,46  Tschetwert 
•  Kartoffeln 0,33        € 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    • 


.     0,79 

An  Ge/divertA:  2LUS  den  Erträgnissen  des  Feldbaues 

»       •  •  der  Viehzucht 


3R.2SK. 
2  «  38  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft      5  R.  63  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  diejenigen  der  Vieh- 
zucht um  389,925  Rbl.  oder  um  noch  nicht  ganz  10  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  St.  Petersburg 

auf  I  Qu.-Meile.      auf  i  Qiu-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 147,49  2,6 


Rindvieh 

.     .     .     .     187,27 

3,4 

Schafe   .     . 

•     .    •      82,61 

1,5 

Schweine    . 

•     .    .        9,79 

o,i 

Ziegen    .     < 

.    .     .     .         1,34 

0,02 

34.  GonTernement  SsaniAra. 

Grösse  des  Gouvernements:  2,831,56  geogr.Qu.-Meilen=i55,9i3,9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,837,081  Einwohner,  von  denen  12 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert 

An  Roggen 2,272,666 

*  Sommerweizen 2,191,333 

»   Hafer 1,116,333 

»   Gerste. 167,666 

»  Buchweizen 265,333 

»  sonstigem  Sommergetreide .    .     .  799f333 

Zusammen  an  Getreide    .    6,812,664 

•  Kartoffeln 232,000 

Pud. 

»   Tabak 3io,887ä2R 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues 


Q 
Oi 

o 
«I 

V 

'C 

u 
Ol 


WeTtlid.Prod. 
in  Rubel. 

1 5.340,49s 

21.913,330 
4,465,332 

838,330 
2,121,998 
6^895,998 

$»,575,483 
348,000 

621.774 
52.545,257 


486 

b)  an  Erträgnissen  der  Vtekeucßii:                       ^  Rubel . 

Pferdebestand:  775,000  Stück,  davon  V*  =^  155,000  ä 

3oRbl 4,650,000 

Rindviehbestand:  472,100  Stück,  davon  V^  =  236,050 

Schlachtvieh,  davon  V^  =  47f2iO  Stück  ä  20  RbL  .  944,200 

236,050  Stück  Milchvieh  15  Rbl.  Nutzung.     .     .     .  3,540,750 

Schafbestand : 

Landschafe       1,685,800  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung.  2,107,250 

FeinwoU.  Schafe   88,300    »      2  »  —  »          »  176,600 

Schweine  187,900  Stück,  ä  8  R.  Nutzung 1,503,200 

Ziegen        49,600      *       » 2  »          • 99,200 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     13,021,200 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  wie  aus  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ssamara  einen  Werth  von 65,566,457 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .     .     ,     3,70  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 0,12  • 

Zusammen  ao  Nahrungsmitteln.     .     .     3,82  » 

An  Geldwerth:^Ms  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  28  R.  76  K. 

»       »  »  der  Viehzucht    7  *   08   • 

/ ^^^ 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  35  R.  84  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  jene  der  Viehzucht 
um  37,871,707  RbL  oder  um  258  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gcmvernement  Ssamara 

auf  I  Qu.-Meile.         auf  i  Qu. -Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 273,7  4,9 

Rindvieh 159,6  3,0 

Schafe .  626,5  11,3 

Schweine     • 66,3  1,2 

Ziegen 17,5  0,3 

35-  Gouvernement  Ssaratow. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,534,47  geogr.  Qu.-Meilen=84,402,i 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,751,268  Einwohner,  von  denen  2i 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 


4»; 

Es  wurden  im   genannten  Gouvernement    produzirt  (im  Jahre 
1872)»: 


a)  Oft  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werlhd.Prod. 
Tscbetwert.  in  Rabel. 


An  Roggen .  3,502,000 

»  Winterweizen — 

•  Sommerweizen 1,244,000 

»  Hafer 2,203,000 

»  Gerste 728,000 

♦  Buchweizen 375,ooo 

»  sonstigem  Sommergetreide  ...  774,000 


23.538,500 

«   12,440,000 

0  8,812,000 

S      3,640,000 

1  2,250,000 
g      4,644,000 


cn 
'S 


^     55,324,000 
580,000 


An  Getreide  zusammen     .     8,826,000 
»  Kartoffeln 386,666 

Pud. 

»  Tabak 20,601  ä2R.         41,202 

»  Sandzucker' 2,979^5»  141895 


Zusammen  an  J£rträgnissen  des  Feldbaues    .     55*960,097 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehsucht: 

Pferdebestand :  424,800  Stück,  davon  V&  =  84,960  ä 

3oRbl 2,548,800 

Rindviehbestand:   572,100  Stück,  davon  V2  Zug-  und 
Schlachtvieh  =  286,050  Stück;  davon  Vs  =  57»2io 

Stück  k  20  Rbl 1,144,200 

286,050  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl.  Nutzung  ...      4*290,750 

Schafbestand : 

Landschafe      1,052,300  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung .       1,315,375 
Fein woll.  Schafe  497,300  »       2  »   —  »         •         .         994,600 

Schweine:  318,900  Stück  ä  8  R.  Nutzung 2,551,200 

Ziegen:        18,400      •      •  2  »         •        36,800 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     12,881,725 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ssaratow  einen  Werth  von 68^841,812 

*  Für  die  Jahre  1870  und  1871  liegen  nur  summarische  Angaben  vor,  welche  aller- 
dings bedeutend  geringere  Aussaaten  wie  Erträgnisse  aufweisen. 
'  Im  Durchschnitt  der  Jahre  1868—  1870. 


488 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements! 
An  Getreide  verchiedener  Art   .     .     .     5,04  Tschetwert. 
4   Kartoffeln 0,22  > 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .     5,26  » 

An  Geldzvrrt/i :  Sius  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  31  R.  95  K. 

»       •  »  der  Viehzucht     7  »   35  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  39  R.  30  K. 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen  diejenigen  aus  der 
Viehzucht  um  41,076^022  Rbl.  oder  um  275  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ssaratow 

auf  I  Qu,-Meile.        auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 276,8  5,0 

Rindvieh 372,8  6j 

Schafe 1,009,8  18,3 

Schweine 207,8  3,7 

Ziegen 19,9  0,2 

NB.  In  den  Jahren  1870  und  1871  stellt  sich  das  Gesammt-Ernte- 
ergebniss  an  Getreide  im  Gouvernement  Ssaratow  bedeutend  niedri- 
ger als  im  Jahre  1872,  dessen  Erträgnisse  der  obigen  Zusammen- 
stellung zu  Grunde  gelegt  werden  mussten.  Will  man  aber  von  den 
einzelnen  Getreidesorten  absehen,  so  wurden  durchschnittlich  der  3 
Jahre  1870  -  1872  nach  Abzug  der  Saat  geerntet: 

Tschetwert.  Wcrth  in  Rubel. 

An  Winterroggen      2,583,666  ä  6  R.  75  K ' 7,439,745 

»  Sommergetreide  4,268,666  durchschn.  6  R.  27  K;     26,768,535 

6,852,332  44,208,280 

Hierzu  die  übrigen  Produkte  des  Feldbaues  mit     ,  636,097 

GibtGesammt-Ertrag  aus  den  Produkten  des  Feldbaues    44,844,377 

Es  entfällt  hiernach  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements 
An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     3,91  Tschetwert. 
»  Kartoffeln 0,22  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .4,13  « 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  25  R.  60  K. 

*       *       *      »  der  Viehzucht    8   >   44  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  34  R.    4  K. 


4^9 

Hiernach  würde  das  Erträgniss  aus  dem  Feldbau  dasjenige  aus 
der  Viehzucht  nur  um  29,960,302  Rbl.  oder  um  201  pCt  über, 
steigen. 

36.  Gonyerneineiit  Sslmbirsk. 

Grösse  des  Gouvernements:  898,86  geogr.  Qu.-Meilen  — 49,493,6 
Qu.-Kilometer ;  Bevölkerung:  1,205,881  Einwohner,  von  denen  24 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen.  *  . 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

VTerth  d.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 

An  Roggen 2,246,333  ä  6  R.  75  K.     15,162,748 

»  verschiedenem  Sommer- 
getreide (Hafer,  Gerste, 
Sommerweizen,  Buchwei- 
zen, etc •    .     1,979,000  •  5  »    10  >      10,092,900 

Zusammen  an  Getreide  .    4,225,333  25,255,648 

»  Kartoffeln 600,000  900,000 

Pud 

»  Tabak 7,323  14.65Ö 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues    .    26,170,304 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  31 1,900 Stück,  davon  Vö=62,38oStück 

ä3oRbl, 1,871,400 

Rindviehbestand:  255,500  Stück  Milch-  und  Zuchtvieh 

ä  1 5  Rbl.  Nutzung     .     .    .     .    , 3,832,500 

Schafbestand:  Landschafe  72 5, 500 St.  ä  i  R. 2 5 K. Nutz.  906,875 

»        Feinw.  Schafe   48,800  »    » 2  »  — »      »  97,600 

Schweine:  87,300  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    ....  698,400 

Ziegen:       6,500     »      •  2    »          »           .    •    .    .  13,000 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    .      7)4i9>775 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 
Ssimbirsk  einen  Wcrth  von     .     .    , 88^690,079 


49ft 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art  .    •     .    3,50   Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,49  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     3,99  » 

An  Geldwerth ;  Aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    2 1  R.  70  K. 

»      >  »  der  Viehzucht       6  •    15  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft    27  R.  85  K. 

Die  Erträge  des  Feldbaues  übersteigen  demnach  die  der  Vieh« 
zucht  um  J 8,073,029  Rbl.  oder  um  200  pCt 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ssimbirik 

auf  I  Qn.-Meile.       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 347,0  6,3 

Rindvieh.    ...'..  '284,2  5,1 

Schafe 861^  15,6 

Schweine *  97t*  1^7 

Ziegen 7,2  0,1 


37*  Oonveniemeiit  Ssmolensk. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,017,77  geogr.  Qu.-Meilen= 56,041,1 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,140,015  Einwohner,  von  denen  20 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen ,    .  678,000 

»  Wintcrweiz^n 2,767 

•  Sommerweizen 29,666 

Hafer 1. 198,333 

Gerste 231,666 

Buchweizen 72,000 

»  sonstigem  Sommergetreide  ,    .     .  83,000 


Wcrth  d.  Prod. 
Tschetwert  in  Rubel. 

4,576.500 

27,670 

5     296,660 

^   4,793.332 

1.158,330 

^     432,000 

«2    498,000 


c 


4» 

t4 


^  11,782,492 

504,999 


Zusammen  an  Getreide    .    2,295,432 
Kartoffeln 336,666 

Pud. 

Flachs 400,000a  5  R.    2,000,000 

Hanf 450,000 »3  »      1,350,000 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    •     ^5|637>49i 


491 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzuckt:  kubel. 


Pferdebestand:  363,100  Stück,  davon   V*  =  72,620 

Stück  ä  30  Rbl 

Rindviehbestand:  354.400  Stück  ä  15  Rbl,  Nutzung 
Schafbestand:  Landschafe  45 1,500 St. ä i R. 25 K.Nutz 
Schweine:  184,100  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     . 
Ziegen:  6.300      »      »  2    *  •  ... 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht 


2,178,600 
5,316.000 

564,375 
1,472,800 

12,600 


9,644375 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ssmolensk  einen  Werth  von 25,281,866 

Eis  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art     .     .     .     2,01  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,29         » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     2,30         » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  13R.  7iK. 

»      •  *  der  Viehzucht     8  •  46 » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft     22 R.  17K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  diejenigen  der  Vieh- 
Zucht   um  5.993,1 16  Rbl  oder  um  62  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ssmolensk 

auf  I  Qu.-Meile.      auf  1  Qn.-Kilometer. 
StUck,  Stuck. 

Pferde 356.7  6,4 

Rindvieh  .     , 348,2  6,3 

Schafe 443  »6  8,0 

Schweine.     .     .     .     .     ....  180,9  3^3 

Ziegen      ..'....•  6,1  0,1 


38.  Goa?ememeiit  Tambow. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,208,07  geogr.  Qu.-Meilen  =  66,519,9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  2,150,971  Einwohner,  von  denen  32 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


49^ 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werthd.Prod. 
Tschctwcrt  in  Rubel. 


An  Roggen S»7«o,333 

»  Winterweizen I42»333 

9  Sommerweizen 201,666 

Hafer 4t790,666 

Gerste 44,606 

»  Buchweizen 596,666 

*   sonstigem  Sommergetreide      .     .  792^000 


38.544.748 

d   ».423.333 
«  2,016.666 

o    19,162,664 

•I      223,330 

o       3.579.99Ö 

4.752,000 


^        69702,737 

3,68 1 ,000 


• 


Zusammen  an  Getreide    •  12,278,330 
»  Kartoffeln •    2454,000 

Pud. 

Hanf i50,oooä3R.      450,000 

Tabak 36,620*2  »         73.240 

Sandzucker I04,827b5»       521,135 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .    74,428,1 12 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehsucht: 

PferdebesUnd:  850,900  St.,  davon  Vö  =  170,180  St. 

ä3oRbL 5»i0S,400 

Rindviehbestand:  472,100  Stück,  (Milch*  und  Zucht- 
vieh) ä  1 5  Rbl.  Nutzung,     7,081,500 

Schafbestand: 

Landschafe    1,615,700  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung   .  2,019,625 

Feinw. Schafe    192,700  »    »  2  •  —  »        »          .  385,400 

Schweine:  383,900  Stück  ä  <  Rbl.  Nutzung  ....  3,071,200 

Ziegen:  8200  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 16,400 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    •     171679,525 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Tambow  einen  Werth  von 92407^637 

Es  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .    .     5,70  Tschetwert. 
>   Kartoffeln 1,14  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     6,84  » 

AxiGeldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  34  R.  60  K. 

>      »  »  der  Viehzucht    8  »   22  » 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  42  R.  82  K. 


493 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
57,748,587  Rbl.  oder  um  326  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Tambow 

anf  I  Qu.-Meile.  auf  i  Qa.-Kiloroeter 

Stück.  Stück. 

Pferde 704,3  12,7 

Hornvieh 390,8  7,1 

Schafe i>496,9  27^2 

Schweine 3i7i7  5i8 

Ziegen  , 6j  0,1 


39-  Oonfemement  Taarten. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,1 1 1,06  geogr.  Qu.-Mcilen  =61, 178,3 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  704,997  Einwohner,  von  denen  12 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Es  wurden  im  genannten  Gouvernement  produzirt : 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werth  d.  Prod. 
Tschetwert  in  Rubel. 


An  Roggen    . 3^9,000  ^ 

»  Winterweizen 135,666 

»  Sommerweizen  .......  950,666 

Hafer 180,000 

Gerste 378,333 

Buchweizen — 

sonstigem  Sommergetreide  .    .     .  102,666 

Zusammen  an  Getreide    .  2,076,331 

Kartoffeln •    .  9^333 


c 


2,220,750 

1,356,660 

J     9,506,660 

o        720,000 

^1    1,891,665 

22         615,996 


t4 


^  16,311,731 

137,000 

Pud 

Tabak 4i,oS6>»5R.     205,430 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    •     16,654,161 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehsucht: 

Pferdebestand:  173,100  Stück,  davon  Vs  =  34,620 
Stück  ä  30  Rbl 1,038,600 

Rindviehbestand:  389,100  Stück  Zug-  und  Schlacht- 
vieh, davon  V»  =  77)820  Stück  ä  20  Rbl.  NuUung .       1,556/^00 


'  Durchschnittlich  der  Jahre  1868,  1869  und  1871. 


494 

Schafbestand :  Rubel. 

Landschafe            994,6ooStück  äiR.25K.Nutzung  1,243,250 

Feinwoll.  Schafe 2,891,700     *      »2*-—»         »  5,783,400 

Schweine:  118,100  Stück  ä  8  Rbl  Nutzung  ....  944,800 

Ziegen:         64,900      ■      »  2     »           »         ....  129,800 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     .     10,69^3,250 

Die  Gesammt-Produktion  aus  .dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  im  Gouvernement  Taurien 
einen  Werth  von 27,350,411 

■ 

Es  entfallen  demnach  auf  eineti  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     2,94  Tschetwert 
»  Kartoffehi 0,12  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     3,06  » 

An  Geldwerihi  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     23  R.  62  K. 

■       *  »  der  Viehzucht     15»    17* 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft     38  R.  79  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
5  957,91 1  Rbl.  oder  um  ca.  56  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Taurien 


i 

luf  I  Qu. -Meile. 

auf  I  Qu.-Kilometcr 

.   Stück. 

Stack. 

Pferde     .     .     •     , 
Hornvieh     .     .     . 
Schafe     .     .     •    . 
Schweine     .     .     . 

1557 
.      3S0.2 

3,497.8 
106,2 

3,8 

6,3 

63.1 

J.9 

Ziegen     .     .     .     . 

58,4 

1,0 

40.  Oonvernement  Tschernigow. 

Grösse  des  Gouvernements:  951,68  geogr.  Qu.-Meilen  =  52,40214 
Qu.*KiIometer;  Bevölkerung:  1,659,600  Einwohner,  von  denen  32 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


495 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Wcrthd.Prod 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen i,533»333 

»  Winterweizen 12,333 

»  Sommerweizen 23,333 

•  Hafer 667,000 

»  Gerste 103,000 

•  Buchweizen 578,666 

»  sonstigem  Sommergetreide .     .     .  66,000 


10,349998 

d  123.330 

5  233,330 

0  2,668,000 
l|  515,000 

1  3.61 1.996 
g  396,000 


^    17,897,654 
1,268,000 


Zusammen  an  Getreide    .     2,983,665 
Kartoffeln 845,333 

Püd. 

Hanf 700,00033  R.    2,100.000 

Tabak 983,311*2  •     1,966,622 

Sandzucker 260,363*5»     1,301,815 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues    .  24,534,091 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  389,200  Stück,  davon  V«  =  77»840  St. 

ä3oRbl 2,335,200 

Hornviehbestand:  412,700  Stück,  davon  V«  Schlacht- 
und  Arbeitsvieh =206, 3  50  Stück  davon  ^6=41, 270 

Stück  ä  20  Rbl 824,400 

206,350  Stück  Milchvieh  ä  20  Rbl.  Nutzung  .    .     .  4,127,000 

Schafbestand :  Landschafe  730,500  St.,  ä  i  R.  25  K.  Nutz.  91 3>  1 25 

Feinw. Schafe      46,900  »    »2  *  —  »      »  93,800 

Schweine:  384,700  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  3,077,600 

Ziegen:        43»  500     t      •  2     »          »         ....  87,000 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     11,458,125 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Tschernigow  einen  Werth  von 85,992^216 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  C^/lr^^&  verschiedener  Art ...     1,79  Tschetwert. 
>  Kartoffeln 0,49  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .2,28  » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  14  R.  78  K. 

•      •  »  der  Viehzucht    6  »    90  » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  21  R.  68  K. 


496 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
J3>075,966  Rbl.  oder  um  1 14  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Tschernigow 

auf  I  Qu.-Meile.         auf  l  Qu. •Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde  ' 409,0  7,4 

Hornvieh 433i7  7»^ 

.  Schafe 817,1  14,8 

Schweine 404,3  7,3 

Ziegen 45,7  0,8 

4^-  Gonyernement  Tala. 

Grösse  des  Gouvernements:  562,36 geogr.  Qu.- Meilen  =  30,965,3 
Qu. -Kilometer;  Bevölkerung:  1,167,878  Einwohner,  von  denen  3  8 
auf  I  Qu«-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt; 


An 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

Roggen 2,530,666 

Winterweizen     ,.,....  27,333 

Sommerweizen  , 12,000 

Hafer 3,3i9»ö6ö 

Gerste 21,000 

Buchweizen  . 311,666 

sonstigem  Sommergetreide  .    .     .  80,666 


c. 
o 

cn 

'55 


» 
• 


Zusammen  an  Getreide    .    6,302,997 
Kartoffeln 627,000 

Pud. 

Hanf 400,oooä3R. 

Tabak 47^536 *2  » 

Saodzucker  ........        105,886*5» 


Werth  d.Prod. 
in  Rubel. 

17,081,99s 

273.330 
120,000 

13,278,664 
105,000 

1,869,996 

32,972,981 
940,500 

1,200,000 
95,072 
529^430 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .    35i737,983 


b)  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  339, 500  St.,  davon  Vft  =67,900  St  ä3oR. 

Rindviehbestand :  1 77,900  St.  Milchvieh  ä  1 5  Rbl.  Nutz. 

Schafbestand : 
Landschafe      656,800  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung 
Feinw.  Schafe    i7i2oo    »      »  2  »  —  »        » 


2,037,000 
2,668,500 

821,000 
34.400 


497 

Rubel. 

Schweine:    i  io,8oo  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  886,400 

Ziegen :  500  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 1,000 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht  6^448,300 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Tula  einen  Werth  von 42,186,283 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     5,39  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,53  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .5,92  » 

An  Geldwerth :  Aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    30  R.  60  K. 

•       •  »     '      der  Viehzucht      5  •  22 » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft    35  R.  82  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
29,289,683  RbL  oder  um  461  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Tula 

auf  I  Qtt.-Meile,    auf  i  Qu.-KUometer. 
Stück.  Stttck. 

Pferde 633,7  10,9 

Rindvieh 3i6f3  5>7 

Schafe 1198,5  21,7 

.    Schweine I97>0  3,5 

Ziegen 0,8  0,01 


42.  CtouTernement  Twer. 

Grösse  des  Gouvernements:  1186,46  geogr.  Qu.-Meilen=65,329,8 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,528,881  Einwohner,  von  denen  23 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

BUBf .  BBYUl.  BD.  Zm.  33 


498 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen 

»  Sommerweizen 

»   Hafer 

»   Gerste 

»   Buchweizen 

-  »   sonstigem  Sommergetreide 

Zusammen  an  Getreide 
»   Kartoffeln 


Tschetwcrt. 

850,666 

S.OOO 

1,106,666 

254i333 

22,333 
25.000 


2,263,998 
405,000 


c 

JQ 

O 

\- 


Werthd.Produk. 
in  Rubel. 

5»74i,995 
50,000 

4,426,664 

1,271,665 

i33»99« 
150,000 


11,774,322 
607,500 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     12,381,822 


1,783,800 
6,693,000 

507,875 
99,200 

2,200 
9.086,075 


b)  an  Erträgnissen  der  Vielizucht: 

Pferdebestand :  297,300  Stück,  davon  ^5  =  59460  St 

ä  30  Rbl -  .     . 

Hornviehbestand :  446,200  St.  Milchvieh  ä  1 5  R.  Nutz 
Schafstand:  Landschafe  406,300  St.  ä  1  R.  25  K. Nutz 
Schweine:  12,400  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung     .     .     . 
Ziegen:  1 100      »      »  2     »  »  ... 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht 

Die  Gesammt- Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Twer  einen  Werth  von 21,467,897 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art.     .     .     1,48  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 0,26  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .     1,74  > 

An  GeldTverth  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     8  R.  09  K. 

•       »  •  der  Viehzucht     5   »   94   * 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  14  R.  03  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
3,295,747  RW.  oder  um  nahe  an  36  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Twer 


amf  I  Qu..MeiIe. 

S:uck. 

Pferde 250,5 

Hom\-ieh 376»2 

Schafe 34^.4 

Schweine t(X4 

i 0^9 


auf  I  vJa,-Kilomctcr, 
Siuck. 

4.5 

6.8 
6.2 
0.1 

Q.OI 


.i 


499 


43-  OouYemement  Ufa. 


Grösse  des  Gouvernements:  2, 21 2, 23'geogr.Qü.-Meilen=  121,811,8 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,364,925  Einwohner,  von  denen  11 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  afi  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert, 

An  Roggen     .........  2,362,333 

»  Sommerweizen 525,666 

.   Hafer 1,240,000 

•  Gerste •     .  118,333 

•  Buchweizen 238,666 

»  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  419,666 

Zusammen  an  Getreide     4,904,664 

•  Kartoffeln :     .     .        319,000 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues 


Werth  d.  Prod 

in  Rubel. 

Preise  wie  oben. 

'5.745748 
5,256,660 

4,960  000 

591,665 

1 .43 '  .996 
2,517.996 

30,504,065 

478,500 

30.982,565 


b)  an  Erträg^iissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  559,500  Stück,  davon  ^/s  •=  1 1 1,900  St. 
ä  30  Rbl ,     .     .     . 

Hornviehbestand:  307,700  Stück,  davon  ^;4  Schlacht- 
vieh =  230,775,  davon  V*  =46,155  Stück  ä  20  Rbl. 
V*  Milchvieh  =  76,925  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung 

Schafbestand : 

Landschafe       853,300  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung 
Feinw.  Schafe       2,200      *      *  2  *  —  »         » 

Schweine:    156,200  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     .     . 

Ziegen:         181,800      »       •  2     »  »        .     .     .     . 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     . 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ufa  einen  Werth  von 


3.357.000 

923,100 
1,153.875 

1,066,625 

4,400 

1 ,249,600 

363,600 

8,ll8,2DO 


39,  »00,765 » 


'  Vom  Gouvernement  Ufti  gilt  dasselbe  wiie  vom  Gonvernement  Orenbnrg;  auch  hier 
ist  der  Alisatz  der  Produkte  des  Feldbaues,  wie  namentlich  auch  der  Viehzucht,  in  Folge  der 
östlichen  Lage  und  des  Mangels  an  ExporthAfen  sehr  erschwert,  so  dass  man  von  den 

32» 


Soo 

Es  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements : 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     3,59  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,23         > 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     3,82         » 

An  CV/dTze/^r/A;  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     22  R.  69  K. 

»     •  »  der  Viehzucht       5   »  94  »  * 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft     28  R.  63  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
22,864,365  Rbl.  oder  um  281  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ufa 

anf  I  Qu.-Meile.     auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 252,9  4,5 

Rindvieh 138,6  2,5 

Schafe    .     , 386,6  7,0 

Schweine 70,6  1,2 

Ziegen 82,1  1,5 


• 


44-  Ooayernement  Wllna. 

Grösse  des  Gouvernements:  771,97  geogr.  Qu.-Meilen  =  42,507,1 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  i,00i)909  Einwohner,  von  denen  24 
auf  I  Qu. 'Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


obeti  nachgewiesenen  Erträgen  25  pCt.  in  Abrechnung  bringen  kann.    Es  würden  sich 
hiemach  stellen  : 

Die  Erträgnisse  ans  dem  Feldbau  auf 33,236,924  RU. 

t            »            »der  Viehzucht  •        6,088.650    > 

Zusammen  aus  der  Landwirthschaft  29,325,574  RbU 

Anf  einen  Bewohner  des  GouTemements  entfällt  hiemach: 

An  Gildwerik:  ans  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    #  17  Rbl.  02  Kop». 

»      «            »  .        der  Viehzucht     .  4    c     46    » 


ZBMiDmea  aas  den  ErtrlgntMen  der  Landwirthschaft    2 1  Hbl.  48  Kop, 


501 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen i>447.333 

»   Winterweizen 87,000 

»  Sommerweizen 55^606 

hafer 824,333 

Gerste 295,000 

Buchweizen 82,666 

*   sonstigem  Sommergetreide .     .     .  58,666 


» 


Werthd.Prod. 
Tscheiwert.  in  Rubel. 

9,769,498 

870,000 

i  556,660 

•g  i,47S.ooo 
495,996 
351,996 


c 


1) 


^   16,816,482 
1,384,500 


Zusammen  an  Getreide     .     2,850,331 
»   Kartoffeln 923,000  ^ 

Pud. 

»   Flachs 400,000  a  5  R.     2,000,000 

»   Tabak 20  »  2  «  40 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .     20,201,022 

b)  an  Erträgnissen  der  Vießizucht: 

Pferdebestand:  154,400  Stück,  davon  Vs  =  30,880  St. 

ä  30  RbL 926,400 

Hornviehbestand :  289,800  Stück  Milchvieh  ä  1 5  Rbl. 

Nutzung 4»347,ooo 

Schafstand:  Landschafe  ^15,500  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutz.  266,375 

Feinw. Schafe    11,000  »    »2  •  — »       »  22,000 

Schweine:  256,400  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     .     .  2,051,200 

Ziegen:         37,000      *      •  2     •           »         ....  74,000 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     .      7,686,975 

Die  Gesammt-Froduktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Wilna  einen  Werth  von 27,887,997 

Es  entfallen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     2,84  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 0,92  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     3,76  * 

An  GeldwertJi:  aus  den  Erträgnissen  des  Fel(i(baues  20  R.  16  K. 

»      »  »  der  Viehzucht    7  •  67  » 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  27  R.  83  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
12,514,047  Rbl.  oder  um  162  pCt. 


SÖ2 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Wilna 

auf  I  Qu.-Meile. 

Stück. 

Pferde 200,0 

Hornvieh 37  SA 

Schafe 293,4 

Schweine 332,i 

Ziegen     .......  47,9 


auf  I  Qu. •Kilometer. 

Stück. 

3.6 
6,8 

5,3       . 
6,0 

0,8 


45-  Ooaveruenient  Witebsk. 

Grösse  des  Gouvernements:  820,27.  geogr. Qu. -Meilen  =4  5, 166,4 
Qu.- Kilometer;  Bevölkerung:  888,727  Einwohner,  von  denen  20  auf 
I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produ^irt : 


a)  an  ErzeJignissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

An  Roggen 668,333 

»   Winterweizen 12,666 

*  Sommerweizen  .     , 46,333 

•  Hafer  .     .     .     .     , 

»  Gerste 1     •     • 

»  Buchweizen 

»  sonstigem  Sommergetreide  .     .     • 

Zusammen  an  Getreide     . 


518.333 

329,666 

51,000 

81.333 


o 


.     1,707,664 
•  Kartoffeln 674,666 

Pud 

.  Flachs 6oo,oooä5R. 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues 

b)  an  Erzeugnissen  dir  Viehzucht: 

Pferdebestand:  i75,30oStück,  davon  V^rz 35 1O60  Stück 

ä  30  Rbl 

Hornviehbestand:  345,300 St.  Milchvieh  &  15  R.  Nutz. 
Schafbestand:  Landschafe  288,200  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutz. 

»       Feinwoll.  Schafe      2,200  »   .  2  ■   —  »       » 
Schweine:  i68,6oo  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    .     .     .     . 
Ziegen:         31,300      •       •  2    »  •  .     .     .     . 

Zusammen  aus  dem  Erträgni.sse  der  Viehzucht    . 


Werih  d.  Prod. 
in  Rubel. 

4,511,248 
126,660 

463,330 

1.573*332 

^648»330 
306,000 

487.998 

9,116,898 
1,012,000 

3,000,000 
13,128,898 


1,051,800 

5,179,500 

360,250 

4,400 

1,348,800 

62,600 

8,007,350 


Die  Gesammt-Produktiön  aus  dem  Feldbau  und  der        Rubel. 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement  Wi- 
tebsk  einen  Werth  von ,21,136,248 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art    .     .     .     1,92  Tschetwert 
•  Kartoffeln  .     . 0,75  »  , 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     .     2,67  • 

An  Geldwerüi:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     14  R.  ^]^  K. 

*       *  »  der  Viehzucht       9  »   01   » 

AusdenErträgnissendergesammtenLandwirthschaft     23  R.  78  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
5,121,548  Rbl.  oder  um  nahe  an  64  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Witebsk 

Auf  I  Qa. -Meile,      aaf  i  Qu.-Kilometer, 

Stück.  Stück. 

Pferde 213,7  3.»      ' 

Rindvieh 420,0  Tfi 

Schafe 353,9  6,4 

Schweine ^.     .  205,5  3»7 

'    Ziegen 38,1  0,7 

46.  OoDTernement  Wjatka. 

Grösse  des  Gouvernements:  2,780,58  geogr.Qu.-Meilen=i  53,106,6 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  2^06,024  Einwohner,  von  denen  16 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 

a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 

Wtjrthd.Prod. 
Tschetwert,  in  Rubel. 


An  Roggen 4,007,666 

Winter weizen^   .......  I4»750 

Sommerweizen 63,666 

Hafer 3,801,666 

Gerste 573.000 

•   Buchweizen  ........  68,666 

»   sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  134,666 


» 


Zusammen  an  Getreide     •     8,664,080 
Kartoffeln. 426,000 


27>05 1,745 
d  147,500 
^  636,666 
o  15.206,664 
1,865,000 
411,996 
807.996 


CO 

'S 


^  46,127,567 

639,000 


*  Winter  Weizen  wurde  nur   in  uen  Jahren  1870  mit  2000  Tschetw.  Ertrag  und  iSya 
mit  38,000  Tschetwr,  Bratto*£rlnig  gebaut. 


504 

Pud.  Rubel. 

An  Flachs i, 200,000k  5  R.    6,000,000 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues         52,766,567 

b)  an  Erträgnissen  der  ViehzuclU: 

Pferdebestand:  686,100  St.,  davon  V5=i37»220  ä 30 R.  4,1 16,600 
Homviehbestand:  979,600  Stück,  davon  dic5  Hälfte  = 
489,800  St.  Schlachtvieh,  davon  Vs  =  97 ,960  St  ä 

2oRbl 1^959,200 

und  489,800  Stück  Milchvieh  ä  1 5  R.  Nutzung   •    .  7»347>ooo 
Schafbestand: 

Landschafe    1,455,200  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  1,819,000 

Feinw.  Schafe          400      »      » 2  »  —   •         »  800 

Schweine:  3ii>500  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  2,492,000 

Ziegen:  64,600  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung^ 129,200 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     17,863,800 

Die  Gesammt-Prodüktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Wjatka  einen  Werth  von 70,630,367 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .    .     3,60  Tschetwert. 
*   Kartoffeln 0,17  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     3,77  » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  21  R.  93  K. 

»      »  »  der  Viehzucht    7  »  42  • 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  29  R.  35  K.> 

'  Wegen  des  Mangels  an  geregelten  Absatzwegen,  grosser  Entfernung  der  Export- 
häfen etc.  und  schwacher  Berölkerung  stellen  sich  die  Durchschnittspreise  der  rerschie- 
denen  landwirthschaftlichen  Produkte  im  Gouvernement  Wjatka  nicht  unbedeutend  nie» 
driger,  wie  in  andern  russischen  Gouvernements  Aus  diesem  Grunde  wird  es  der 
Wirklichkeit  mehr  entsprechen,  wenn  von  den  oben  nachgewiesenen  Erträgen,  gleich 
wie  bei  den  Gouvernements  Orenburg  und  Ufa  25  pCt.  in  Abrechnung  gebracht 
werden. 

Hiemach  wttrde  sich  der  Werth  der  landwirthschaftlichen  Erträge  im  Gouvernement 
Wjatka  wie  folgt  stellen : 

Erträgnisse  ans  dem  Feldbau 39) 574^92 S  ^^^ 

•  »   der  Viehkücht     ....    13,397,850   » 

Gesammterträge  mm  der  Landwirthschaft  52,972,775  Rbl. 


505 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen  die  der  Viehzucht 
um  34,902,767  Rbl.  oder  um  19S  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Wjatka 

auf  I  Qa.-Meile.  auf  i  Qu.- Kilometer. 

Stück.  Stück. 

Pferde ........       246,7 '  4,4 

Hornvieh.     ......       352,3  6^ 

Schafe 523,5  9,5 

Schweine 112,0  2,0 

Ziegen 23,2  '     0,4 


47-  GoaTernemeiit  Wladimir. 

Grösse  des  Gouvernements:  887,27  geogr.  Qu.-Meilen=: 48,85 5,8 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,259,923  Einwohner,  von  denen  26 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erträgnissen  des  Feldbaues: 


Werlhd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen 856,000  ^ 

»  Sommerweizen  ,...,..  50,666 

•  Hafer 927,666 

Gerste 15,000 

Buchweizen S3>333 

>  sonstigem  Sommergetreide  ....     22,100 

Zusammen  an  Getreide     .  1,954,765 

»  Kartoffeln •     .  298,666 


5,778,000 

g         506,660 

3,710,664 

a   75.000 
5   499*998 

Sj    132,600 


.0 

o 


10,702,922 
448,000 


Pud. 

Flachs 840,000  ä  5  R.    4,200,000 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     15,350,922 

b)  an  Erträgnissen  der  Vie/izucht: 

Pferdebestand:   260,100  Stück,  davon   Vs  =  52,020 

Stück  ä  30  Rbl 1,560,600 


Hiervon  würde  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  des  Gouvernements  Wjatka  entfallen: 

Aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  .    .    16  Rbl.  44  Kop. 
»      »  »  der  Viehzucht  .   .     5     »    56    » 

Zusammen  aus  den  Ertrignissen  der  Landwirthschaft  22  Rbl.  —  Kop. 


5o6 


Hornviehbestand:  302,600  St.  Milchvieh  ä  15  R.  Nutz 
Schafbestand:  Landschafe  322,200 St.  äi  R.25K.Nutz 
Schweine:  34,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    .     .     . 
Ziegen:        9,100      »      *  2    •  *  ... 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Wladimir  einen  Werth  von 


Rubel. 

4,539,000 

402,750 

278,400 

18.200 


6,798,950 


22449,872 


Es  entfallen  sonach  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements: 

An  G^f/r^/V/f  verschiedener  Art      .     .     .     1,55  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,23  » 

.  Zusammen  an  Nahrungsmitteln    ..     1,78  » 

An  Gddwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     12  R.  18  K. 

»       »  »  der  Viehzucht       5  ■    39  -♦ 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft     1 7  R.  57  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen   die  der  Viehzucht  um 
8,551,972  Rbl.  oder  um  129  pCt. 

Schhesslich  entfallen  im  Gouvernement  Wladimir 


auf  I  Qu. -Meile. 

auf  I 

Qu.-Kilometer 

Stück. 

Stack. 

Pferde     .     . 

.      .         293,1 

5,3 

Hornvieh 

.      .         307,2 

6,2 

Schafe    .     . 

•      •         363»! 

« 

6,6 

Schweine     . 

•      •           39,2 

0,7 

Ziegen    .     . 

.       .            IO,2 

0,2 

48.  GouTornement  Wolhynlen. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,304,66  gcogr.  Qu.-Meilen=7 1,838,7 
Qu.-Kilometcr;  Bevölkerung:  1,719,890  Einwohner,  von  denen  24 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt:* 


*  Die  nachstehenden  Angaben  beziehen  sich  auf  die  Jahre  1871  und  1872,   da  »oKbo 
/iir  das  Jahr  1870  fehlen« 


507 


a)  an  Erseugnissen  des  Feldbaues^: 


Werth  d.  Prod  V 
Tschetwert.  in  Rabel. 


An  Roggen 1,304,000 

»  Winterweizen 534»ooo 

»  Sommerweizen 70,000 

Hafer 987i500 

Gerste.     . 49^,500 

•  Buchweizen 3S3»500 

»  sonstigem  Sommergetreide .     .     .  200,000 


8,802,000 

d      5,340,000 

^         700,000 

o      3>9SO,ooo 

A      2,452,500 

2,121,000 

1,200,000 


^  24,565,500 

901,500 


Zusammen  an  Getreide  3>939»500 

♦  Kartoffeln 601,000 

Pud. 

*  Tabak. .     .  35x023ä4R.       140,092 

•  Sandzucker 131,962*5  •        659,810 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     26,266,902 

b)  an  Erträgnissett  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  358,100  Stück,  davon  7»  =  71,620  St. 

ä  30  Rbl 2,148,600 

Hornviehbestand:  519,300  Stück,  davon  V«  Schlacht- 

vieh=:259,650  St.,  hiervon  V5  =  51,930  St.  ä  20  R.  2,038,600 

259,650  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl.  Nutzung  .     .     .  3^894,750 

Schafbestand : Landschafe  569,700 St.,  ä  i  R.  2 5  K. Nutz.  712,125 

Feinw. Schafe     316,600  »    *2  »  — *      »  633,200 

Schweine:  417,100  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     .     .  3,336,800 

Ziegen:          25,100*    »       »  2      »          '*          .....  50,200 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     10,665,675 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Wolhynien  einen  Werth  von 36,933,677 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener.  Art  .     .     .     2,29  Tschetwert. 
*   Kartoffeln 0,35  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     2,64  » 

An  Geldzuerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  15  R.  27  K. 

»       »  »  der  Viehzucht    6  *    20  » 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  21  R.  47  K. 


5o8 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
15,601,227  Rbl.  oder  um  146  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Wolhynien 

auf  I  Qu.-Meile.         auf  i  Qu.>Kilometer* 
Stück.  Stück. 

Pferde 274,4  4,9 

Hornvieh 398,0  7,2 

Schafe 679»3  12^4. 

Schweine 3>9*7  5,8 

Ziegen  .     .     : 19,2  0,3 


49-  Ooayenienient  Wologda. 

Grössedes  Gouvernements:  7,313,91  geogr.  Qu.-Meilen=402,725,2 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  1,003,039  Einwohner,  von  denen  2 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erträgnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen    .     . 

•  Sommerweizen 
.  Hafer  .     .     . 

•  Gerste .     .     . 


Zusammen  an  Getreide 
Kartoffeln 


Tschetwert 

539»ooo 

28,000 

582,666 

2i9>333 

»»368,999 
106,666 

Pud. 


%i 

o 

PL, 


Wcrth  d.  Prod, 
in  Rubel. 

3,644,250 

280,000 

2,330,664 

1 ,096,665 

7.351,579 
160,000 


Flachs 620,000a  5  R.     3,100,000 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     10,61 1,579 


b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  210,800  Stück,  davon  V&  =  42,160 
Stück  ä  30  Rbl 

Hornviehbestand:  480,600  Stück  Milch-  und  Zuchtvieh 
ä  1 5  Rbl.  Nutzung 

Schafbestand :  408,800  St.  Landschafe  ä  i  R.  2  5  K.  Nut;^. 

Schweine:  45,100  Stück  ä  8  RbL  Nutzung     .... 

Ziegen:  200      »      •  2    •  •  .^  .     .     . 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    . 


1,264,800 

7,209,000 

511,000 

360,800 

400 

9,346,000 


509 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der         Rubel. 
Viehzucht   repräsentirt   sonach   im  Gouvernement 
Wologda  einen  Werth  von 19,957,579  * 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .     .     1,36  Tschetwert 
»  Kartoffeln 0,10         » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     1,46         » 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  loR.  58 K. 

»      •  »  der  Viehzucht    9  •  3 1  » 

Zusammen  a.  d.  Erträgn.  d.  gesammt.  Landwirthschaft  19R.  89K. 

Die  Erträge  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
1,265,579  Rbl.  oder  um  13  pCt 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Wologda 

auf  I  Qu.-Meile.      auf  i  Qu.-Kilometer 


Stück. 

Stuck. 

Pferde 

.      .      .      28,8 

0,5 

Rindvieh  •     ,     .     .     . 

.      .      .      65,5 

1,2 

Schafe 

.      .      •      55.9 

1,0 

Schweine 

.      .      .        6.0 

0,1 

Ziegen      .     .     •     .     . 

.      .      •        0,0 

0,0 

50.  Goayeniemeiit  Woron^h. 

Grösse  des  Gouvernements:  1,196,56  geogr.  Qu.-Meilen  =  65,885,9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  2,153,696  Einwohner,  von  denen  33 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

'  Mangel  an  Absatzwegen  und  Exporth&fen,  exponirte  nördliche  Lage,  und  selbst 
noch  Mangel  an  Eisenbahnen  und  eine  äusserst  geringe  lokale  Bevölkerung  bedingen 
für  alle  landwirthschafllichen  Produkte  verhältnissmässig  nur  niedrige  Verkaufspreise, 
so  dass  sich  im  Gouvernement  Wologda  die  Werthberechnung  der  landwirthschafl- 
lichen Produkte  nach  Abzug  von  25  pCt.  des  oben  nachgewiesenen  Werthes  wie  folgt 
stellen  würde : 

Erträgnisse  aus  dem  Feldbau   ....     7,958,685  Rbl. 
»  •  der  Viehzucht ....     7,009,500    » 

Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  14,968,185  Rbl. 
Es  entfaUen  demnach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements : 

An  Geldertrag:  aus  den  Erträgen  des  Feldbaues ...     7  Rbl.  93  Kop. 

*      »         >        der  Viehzucht ...    6     >     98    » 

Zusammen  aua  der  gesammten  Landwirthschaft    .  14  Rbl.  91  Kop. 


I 


5IO 


Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 
a)  an  Erträgnissen  des  Feldbaues: 

Tschetwert. 

An  Roggen 2,144,666 

t   Winterweizen 410,666 

»   Sommerweizen 731,666 

»    Hafer 2,099,666 

.  .  223.333 

.  .  424,333 

.  .  383.000 


»   Gerste 

»  Buchweizen 


»   sonstigem  Sommergetreide 

Zusammen  an  Getreide 
»   Kartoffeln 


c 
o 

u 


»  Tabak  .     . 
»  Sandzucker 


6,417*330 
8371OOO 

Pud. 

54,081  ä2R. 
ioi,33S*5* 


Werthd.Prod. 
in  Rubel. 

14,476,495 
4,106,660 
7,316,660 
8,398,664 
1,116,665 
1,697,332 
2,298,000 

39,410,476 
1,255,500 

108,162 
506,675 


Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues     .     41,280,813 


b)  an  Erträgnissen  der  Vieltzucht: 

Pferdebestand:   585,900  St.,   davon  V»  =  117,180  St. 
ä3oRbl 

Hornviehbestand:  638,300  Stück,  davon  die  Hälfte  = 
319,150  Stück  Schlacht-  und  Arbeitsvieh,  davon  V» 

=  65,830  Stück  ä  20  Rbl 

Milchvieh  319,150  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung  .     . 

Schafbestand: 

Landschafe     1,436,100  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung 
Feinw.  Schafe    427,200  »    #  2   »    —  »         » 

Schweine:  443,300  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .     .     . 

Ziegen:  33,900  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung     .... 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht   repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 


3,SI5»400 


1,316,600 
4,787,250 

1,795,125 

854,400 

3,546,400 

67,800 


15.882,975 


Woronesh  einen  Werth  von     . 


.    •• 


57,103,788 


Hiernach  entfallen  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     2,98  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 0,38  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    «3936  » 


S" 

hnGeldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  19  R.  16  K. 

»       »  *  der  Viehzucht     7  »    37  » 

Zusammen  a.  d.  Ertrag,  d.  gesammt.  Landwirthschaft  26  R.  53  K. 

Die  Erträge  des  Feldbaues    übersteigen    die   der  Viehzucht   un^ 
25,397,838  Rbl.  oder  um  159  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Woronesh 

auf  I  Qu. -Meile.         auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 489,6  8,9 

Hornvieh 533,4  9,7 

Schafe 1,557,2  28,3 

Schweine 370,4  6,9 

Ziegen 28.3  0,5 


ZARTHUM  POLEN. 
51.  Gonveinemeut  Kaiisch. 

Grösse  des  Gouvernements:  206,55  geogr.  Qu.-Meilen  =  11,373,5 
Qu.-Kilomcter;  Bevölkerung;  669,261  Einwohner,  von  denen  59 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues:^ 

Tsclietwert. 

An  Roggen Z\2jS66 

»   Winterweizen 231,000 

■    Sommerweizen 4.733 

»    Hafer 562,666 

»   Gerste 201,000 

»    Ruchweizen 72,000 

»   sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  124,000 


o 

V 

Vi 

'53 


An  Getreide  zusammen     .     2,008,065 
Kartoffeln 2,110,333 

Pud. 

Sandzucker^ 94,935  a  5 R. 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     • 


Wcrthd.Prod. 
in  Rubel. 

5*485,495 
2,310,000 

47,330 
2,250,664 

1,005,000 
432,000 
744,000 

12,274,489 
3,165,500 

494,675 


15*934,664 


*  Tabaksbau  unberücksichtigt  geblieben,  weil  Tabaksproduktion  1872  nur  28  Pud. 
'  Im  Durchschnitt  der  Campagnen  1872/73  und  1873/74. 


b)  a3is  den  Erträgnissen  der  Viehzucht:^ 

Pferdebestand:  69,897  Stück,  davon  V*  =  I3t979  St. 

ä  30  Rbl 4i9»370 

Hornviehbestand:  127,225^  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl. 

Nutzung.     . 1,908,375 

Schafbestand: 

Landschafe         166,831  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung .  208,539 

Feinwoll.  Schafe  469,093  »       2  »   —  »         •         .  938,186 

Schweine:  129,488  Stück  ä  8  R.  Nutzung 1,055,904 

Ziegen:             826      »      »  2  »         *        19652 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht      4,532,026 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Kaiisch  einen  Werth  von 20,466^690 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verchiedener  Art  .     •     .     3,00  Tschetwert. 
*  Kartoffeln 3,15  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .    .    6, 1 5  » 

An  GeldwerthiZMS  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  23  R.  80  K. 

»       »  »  der  Viehjsucht     6  •   jj  • 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  30  R.  57  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
11,402,638  Rbl.  oder  um  251  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Kaiisch 

auf  I  Qu.-Meile.       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 338,4  6,  i 

Hornvieh 615,9  ii»2 

Schafe 3*078,7  55,9 

Schweine 626,9  11,3 

Ziegen. 4,0  0,07 


*  Für  das  Jahr  1871  nach  der  Schrift:  CTaTHCTHnecKoe  onacaHie  X^apcraa  noju»CKaro 
no  orpacJMirb  npoMuoueHHOCTH  KiitiODuurb  iHa<ieHie  au  HuTeHAaincKaro  BtAOBCXBa. 
C-Üerep^yppb.  1873. 

*  Ausserdem  noch  26,496  Kllber. 


513 


52.  Gouvernement  Kjelze. 

Grösse  des  Gouvernements:  183,29  geogr.  Qu.-Meilen  =  10,092,6 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  518,730  Einwohner,  von  denen  51 
auf  I  Qu.-Kilonieter  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Tschctwert 


An  Roggen 286,333 

»   Winterweizen 167,666 

»   Sommerweizen 17,666 

»    Hafer 361,666 

»    Gerste 210,333 

.     .  12,000 

.     .  75,666 


c 
o 

4i 


»   Buchweizen 

»   sonstigem  Sommergetreide  .     . 

Zusammen  an  Getreide 
•    Kartoffeln 


>•• 


4> 
«0 

'S 


1,231,330 

824,666 

Pud. 

i5,252ä5R. 


»   Sandzucker* 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     . 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  63,600   Stück,   davon    7»  =  12,720  a 
30Rbl 

Rindviehbestand:  170,900  Stück  ä  15  Rbl.  Nutzung    . 

Schafbestand : 

Landschafe  157,600  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung. 

FeinwoU.  Schafe  213,300    »      2  »   —  »  ^ 

Schweine  85,000  Stück,  ä  8  R.  Nutzung 

Ziegen         1900      »      »  2  »  •         

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    . 


Werthd.Prod. 

in  Kübel. 

1,932748 
1 ,676,660 
1 76,660 
1,446,664 
1,051,665 
72,000 

453*996 

6,810,393 
1,237,000 

76,260 
8,123,653 


381,600 

2,563tS«> 

197,000 

426,600 

680,000 

3,800 

4.252,500 


Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Kjelze  einen  Werth  von *  12^376,163 


'  Im  Durchschnitt  der  Campagnen  1871/73  und  1873/74. 

BU88.  BEVOS.  BD.  XUI. 


33 


• 


_SI4 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art.     •     .     2,37  Tschetwert. 
»   Kartoffeln 1,59  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .     3,96  » 

An  Geldwerth :  dMS  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  15  R.  66  K. 

»       »  »  der  Viehzucht     8  »    20  • 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  23  R.  86  K. 

Die  Erträgnisse  des   Feldbaues   übersteigen  die  der  Viehzucht 
um  3,871,153  Rbl.  oder  um  91  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Kjelze 

auf  I  Qu.-Mßile.         auf  i  Qu. -Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 34^,9  3,6 

Hornvieh 932,4  16,9 

Schafe 2023,5  36,7 

Schweine 463,7  8,4 

Ziegen 10,3  0,18 

53-  tionvemement  Ijablin. 

Grösse  des  Gouvernements:  305,79  geogr.  Qu.-Meilen  —  16,837,7 
Qu.-Kilometerj  Bevölkerung:  707  098  Einwohner,  von  denen  42  auf 
I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


Werthd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 


3,559*498 

c   2,966,600 

S    46,660 

l    1,874,664 
,-    1,256,665 
639,996 

759,996 


An  Roggen 527033 

»  Winterweizen 296,666 

Sommerweizen 4,666 

Hafer 468,666 

Gerste       . 251,333 

Buchweizen 106,666 

sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  126,666 

Zusammen  an  Getreide     .  1,781,996 

Kartoffeln 1,457033 

Pud. 

Tabak 393  ä2R.              786 

Sandzucl^r*  .     .•.•...  16,390»  5»          81,950 

Zusammen  an  Erträgnissen  des  Feldbaues     .  I3i372»875 


^  11,104,139 

2,186,000 


'  Im  Durchschnitt  der  Campagnen  1872/7^  und  1873/74. 


5»5 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht:  Rubel. 

Pferdebestand:    111,300  Stück,  davon   V»   =  22,260 

Stück  ä  30  Rbl. 667,800 

Rindviehbestand:  245,100  St  (Milchvieh)  ä  15  R.  Nutz.  3,676,500 

Schafbestand:  Landschafe  1 50,000 St. ä  iR.|2 5 K.  Nutz.  182,800 

*          Feinw.  Schafe  337,800  »  » 2  *  —  •      »  675,600 

Schweine:  134,800  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    ....  1,078,400 

Ziegen:             900     .•      »  2    *          »           ....  1,800 


Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     6,282,600 

Die  Gesammt-Produktion  aus  den  Erträgnissen  des  Feld- 
baues und  der  Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gou- 
vernement Ljublin  einen  Werth  von 19,656,476 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Einwohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art     .     .     ,     2,52  Tsphetwert 
»  Kartoffeln 2,o6        « 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .4,58         • 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     18R.  91 K. 

•       •  »  der  Viehzucht      8 «  88  » 


Zusammen  a.  d.Erträgn.  d.  gesammt.  Landwirthschaft   '27 R.  79 K. 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen  die  aus  der  Vieh- 
zucht um  7,090,275  Rbl.  oder  um  ca.  113  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ljublin 

auf  I  Qu.-Meile.       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

363,9  6'6 

804,8  14,5 


Pferde  . 
Rindvieh 
Schafe  . 
Schweine 
Ziegen    . 


1595,2  28,9 

440,8  8,0 

2,9  0,05 


54-  Oonvernement  Lomsha. 

Grösse  des  Gouvernements:  219,51  geogr.  Qu.-Meilen  =  12,086,9 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  489,699  Einwohner»  von  denen  41  auf 
I  Qu.-KHometer  entfallen. 

33* 


5i6 


Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 
a)  mi  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen    .     . 
*   Winterweizen 
»   Sommerweizen 
»   Hafer  .     .     . 
»   Gerste .     .     . 


Tschetwert. 
472,000 

6,666 

283,333 

109,333 
54,000 

94.333 


c 
o 


>•; 


1) 


1,130.998 


.52 


Buchweizen 

sonstigem  Sommergetreide .     .     . 

Zusammen  an  Getreide     . 
Kartoffeln 1,099,000 

Pud. 

Tabak 225  ä2R. 

Sandzucker* 12,650»  5  » 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     . 


WerIhd.Prod, 
in  Rubel. 

3,186,000 

1,113-330 
66,660 

1,133,332 
546.665 
324,000 

565,998 

6,935.985 
1,648,500 


450 
63,250 

8,648,185 


412,230 

1.534,84s 

'96,559 
2 1 2,930 

1,007,704 

4,364 

3,368,632 


b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht:"^ 

Pferdebestand:  68,705  St ,  davon  V/s  =  13,741  ä  30  R. 
Hornviehbestand:  102,323  St.*  (Milchv.)  ä  15  R.Nutz. 
Schafbestand:  Landschafc  157,247 St. a1R.25K.Nutz. 

Feinwollige  Schafe  106,465    »   » 2  •   -  »       • 
Schweine:  125,963  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  .... 
Ziegen:  2182  Stück  ä  2  Rbl.  Nutzung 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Lomsha  einen  Werth  von 12,016,817 

Es  entfallen  sonach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 
An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     2,30  Tschetwert. 
•  Kartoffeln ,     •     .     2,24  * 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .4,54  • 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  17  R.  66  K. 

*       *  »  der  Viehzucht    6  »    86  » 


Zusammen  aus  der  gesammten  Landwirthschaft  24  R.  52'K. 

*  Im  Durchschnitt  der  Campagnen  1872/73  und  1873/74. 
'  Dem  Jahre  1871  nach  CTaTBcni<iecKoe  onicame  etc. 

*  Ausserdem  noch  20,949  Kälber, 


5»7 


Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
5,279,553  Rbl.  oder  um  156  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Lomsha 


Pferde  . 
Hornvieh 
Schafe   . 
Schweine 
Ziegen  . 


auf  I  Qu.-Meile. 

auf  I 

Qu. -Kilometer. 

Stück. 

Stück. 

•          312,9 

5,6 

.          466,1 

8,4 

.       1,201,3 

21,8 

.        573,8 

10,4 

9»9 

0,1 

55-  GouTernement  Piotrkow. 

Grösse  des  Gouvernements:  222,45  geogr.  Qu.-Meilen  —  12,249,0 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  682,495  Einwohner,  von  denen  56 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


An  Roggen    .     . 
»  Winterweizen 

•  Sommerweizen 

•  Hafer   .     .     . 
Gerste .     .     . 


Tscheiwert. 
506,000 
115,333 

5,666 
565,000 
190,666 
45,666 
69,000 


1,497.331 


CO 

ä3 


Buchweizen 

sonstigem  Sommergetreide  .     .     . 

Zusammen  an  Getreide     . 
»  Kartoffeln 2,258,666 

Pud 

»  Tabak       ii5ä2R 

•  Sandzucker^ 85,471  »5» 


c 

O 


Wcrlhd.Prod 
in  Rubel. 

3.415,500 

M53»330 

56,660 

2,260,000 

953.330 
273,996 
414,000 

8,526,816 
3,388,000 

230 
427,355 


Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     .     12,342,401 


b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  65,400 Stück, davon  Vs  —  13,080 Stück 

ä3oRbl 

Hornviehbestand:  178, 500 St.  Milchvieh  ä  15  Rbl.  Nutz. 


392,400 
2,677,500 


*  Durchschnittlich  der  Campagnen  1872/73  und  1873/74, 


518 

Rubel. 

Schafbestand:  Landschafe  237,40081.  ä  i  R.25 K.  Nutz.  296,750 

»        Feinw. Schafe  209,700  »    »2  »  —  *       »  419,400 

Schweine:  79,500  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung     ....  636,000 

Ziegen:        2,400     >      »  2    »           »          ....  4,800 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     .       4,426,850 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Piotrkow  einen  Werth  von .     .     .     , 16,769,251 

Es  entfallen  hiernach  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  GV/y^iVÄf  verschiedener  Art   .     .     .-    2,19    Tschetwert 
*  Kartoffeln 3,30  • 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     5,49  » 

An  Geldwertlii  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     18  R.  08  K. 

»       »  »  der  Viehzucht       6  »    48  * 

Zusammen  a.  d.  Erträgn.d.gesammt.Landwirthschaft     24  R.  56  K. 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen  die  aus  der  Vieh< 
Zucht  um  71915,551  Rbl.  oder  um  178  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Piotrkow 

auf  I  (Ju.-Meile.        auf  i  Qu.-Kilometei'. 

Stück.  Stück. 

Pferde 293,9  5,3 

Hornvieh      .     .     .     •     .     .     802,4  I4»S 

Schafe 2,009,8  36,5 

Schweine 357,3  6,4 

Ziegen 10,7  0,18 


56.  Gouvernement  Plotzk. 

Grösse  des  Gouvernements:  197,55  geogr.  Qu.- Meilen  =  10,877,7 
Qu. -Kilometer;  Bevölkerung:  471,938  Einwohner,  von  denen  43 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


519 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues \^ 


Werthd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen. 861,666 

»  Winterweizen     .......  349,666 

•  Sommerweizen 4>400 

»  Hafer 814,666 

»  Gerste.     . 247,000 

1  Buchweizen 60,333 

•  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  165.666 


c 


5,816,245 
3,496,660 
^  44>ooo 

o      3,258,664 
1,235,000 
361,998 

993*996 


.22 
'53 


^   15,206,563 
3,376,000 


Zusammen  an  Getreide     .     2,503,197 
»  Kartoffeln 2,250,666 

Pud. 

•  Sandzucker' 371915215R.        189.575 

Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     .     18,772,138 

b)  an  Erzeugnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand :  68,600  St.,  davon  Vs  =  13,720  St.  ä3oR.  41 1,600 

Hornviehbestand :  202,200  St.  Milchvieh  ä  1 5  Rbl.  Nutz.  3,033,000 
Schafbestand: 

Landschafe       149,300  Stück  ä  i  R.  25  K.  Nutzung  186,625 

Feinw.  Schafe  268,200     »       »  2  »   —  *        *  536,400. 

Schweine:  106,000  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung  ....  848,00a 

Ziegen:          1,800     »      »  2   »           >         ....  3f6oo- 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     .       5,019,225 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Plotzk  einen  Werth  von 28,791,363' 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art      .     .       5,30  Tschetwert 
»   Kartoffeln 4^76         > 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln     .     10^06  Tschetwert 

An  Geldwerth:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues     39 R.  77  K. 

»      »  »  der  Viehzucht     lO »  63  » 

Zusammen  a.  d.Erträgn.  d.  gesammt.Landwirthschaft     50  R.  40  K. 


'  Tabaksproduktion  blieb  unberücksichtigt,  weil  die  Produktion   1872  nur   6  Pud 
betrug. 

'  Durchschnittlich  der  Campagnen  1872/73  und  1873/74. 


520 

Die  Erträgnisse  aus  dem  Feldbau  übersteigen   die  aus  der  Vieh- 
zucht um  13,752,913  Rbl.  oder  um  272  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Plotzk 

auf  I  geogr. Qu.-Meile      auf  i  Qu.-Kilometcr 

Stück.  Stück. 

Pferde .     347,2  6,3 

Hornvieh 1023,5  18,7 

Schafe 2,113,3  3^,5 

Schweine 5  36»  5  9J 

Ziegen 9,1  0,16 


57-  GouTernement  Radom. 

Grösse  des  Gouvernements:  224,33  geogr.  Qu.-Meilcn  =  12,352,1 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  532,466  Einwohner,  von  denen  43 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 
a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues:^ 


Tschetwert, 

An  Roggen 482,333 

»   Winterweizen I56>333 

•  Sommerweizen 1,060 

»   Hafer 595iOOO 

»   Gerste 26j^666 

»   Buchweizen 17,000 

»   sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  102,000 


O 

u 


Zusammen  an  Getreide  1,621,392 

»   Kartoffeln      ........        912,333 

Pud. 

»  Sandzucker^ 86,654  ä  5  R. 


Werthd.Prod, 
in  Rubel. 

3»2S  5,748 

1.563.330 

10,600 

2,380,000 

i.338»330 
102,000 

612,000 

9,262,008 
1,368,500 

433,270 


Zusammen  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues     .     1 1,063,778 

b)  aus  den  Erträgnissen  der  Viehztuht: 

Pferdebestand:   62,600  Stück,  davon  V*  =  12,520  St. 

ä30Rbl 375.600 

Hornviehbestand:  166,500  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl. 

*  Nutzung 2,497,500 

'  *  ^ftbakiprcxluktioii   blieb  unberücksichtigt,  weil  die   rroduktion  1872  nur  32  Pud 
betrag. 

'  |m  Durclischnitt  der  Ounpagnen  1872/73  und  1873/74. 


_._52i 

Schafbestand:  Rubel. 

Landschafe         144,500  St.  ä  i  R.  25  K.  Nutzung .  180,625 

Feinwoll.  Schafe  173,700  »       2  •   —  »         •         .  347,400 

Schweine:  82,100  Stück  a  8  R.  Nutzung 656,800 

Ziegen:           700      *      »  2  »         »          1,400 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht      4)059,325 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  F*eldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  demnach  im  Gouv«rnement 
Radom  einen  Werth  von 15,123403 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .   ■ .     .     3,04  Tschetwert. 
s    Kartoffeln 1,71  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln.     .     .     4,75  » 

AtiGeldwerthidiUS  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  20  R.  JJ  K, 

»       •  *  der  Viehzucht     7  »   62  * 


Zusammen  a.d.Erträgn.d.  gesammt.  Landwirthschaft  28  R.  39  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
7,004.453  Rbl.  oder  um  172  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Radom 

auf  I  Qu.- Meile.       auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 279,0                        5,6 

Hornvieh 742,2  13,4 

Schafe 1,418,4  25,7 

Schweine 365,9                        6,6 

Ziegen 3,1                        0,05 


58.  OoaYernement  Ssedletz. 

Grösse  des  Gouvernements:  260,32  geogr.  Qu.«Meilen  =  14,334,0 
Qu.-Kilometer j  Bevölkerung:  504,606  Einwohner,  von  denen  35 
auf  I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


522 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues: 


•  * 


Tschetwert, 

An  Roggen    ....,..«.  428,666 

»  Winterweizen 99,000 

»  Sommerweizen 3f500 

.  Hafer 344,333 

»  Gerste •    .  126,666 

»  Buchweizen 72,333 

•  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  51,000 


a 

O 

o 

(0 

PL, 


Zusammen  an  Getreide     1,125,498 
•  Kartoffeln :     .     •       918,000 

Pud. 

Tabak 2,682ä2R 

Sandzucker' 56,110*5» 


Werth  d.  Prod 
in  Rubel. 

2,893.495 
990,000 

3S.00O 

».377,332 

633.330 
433.998 
306,000 

6,669,155 
1,377,000 

5,364 
280,550 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues    .       8,332,069 


318,750 


b)  an  Erträgnissen  der  Viehtsucht:  * 

Pferdebestand:  53,127  Stück^  davon  */6  =  10,625  St. 
ä30Rbl ,     .    .     . 

Hornviehbestand:  278,920 Stück';  davon  63,017  Stück 
Bullen  und  Zugochsen;  davon  Vft  =12^603  Stück 

ä  20  Rbl.  Nutzung 

und  215,913  Stück  Kühe  ä  15  Rbl.  Nutzung  .     .     . 

Schafbestand :  (Landschafe  und  feinwollige  Schafe  zu- 
sammen) 354,027  St.  durchsch.  ä  i  R.  60  K.  Nutz 

Schweine:   118,725  Stück  ä  8  Rbl,  Nutzung.     .     •     . 

Ziegen:  unbekannt. 

Zusammen  an  Erträgnissen  der  Viehzucht     . 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ssedletz  einen  Werth  von    .     . 13^757,817 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements : 

An  Getreide  verschiedener  Art     .     .    .     2,23  Tschetwert 
»  Kartoffeln 1,72         t 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    . 


252,060 
3,238,695 

566,443 
949,800 

5,425,748 


3»95 


*  Im  Dnrchschnitt  der  Campagnen  1872/73  und  1873/74. 

'  Nachstehende  Daten  entstammen  dem  Berichte  des  Gouvemears  an  die  Regierung« 

'  Ausser  diesen  noch  44,23$  Stück  Jungvieh  und  21,250  Stück  Kälher. 


j-dS 


5^3 

An  6>/^/ze/^r^^;  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  16R.  51  K. 

»     »  »  der  Viehzucht  10  •  75  » 

Zusammen  aus  den  Erträgniss.  der  Landwirthschaft  27  R.  26  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
2,906,321  Rbl.  oder  um  53  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ssedletz 

auf  I  Qu.-Meile.     auf  i  Qu.-Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 204,0  3,7 

Rindvieh      . 1,071,4  19,4 

Schafe    .     , i,359»9  24,7 

Schweine 456,0  8,2 


59.  GoaTemement  Ssowalki. 

Grösse  des  Gouvernements:  227,94  geogr.  Qu.-Meilen  =  12,550,8 
Qu.-Kilometer;  Bevölkerung:  424,489  Einwohner,  von  denen  42 
auf  1  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


a)  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues:^ 

Tschetwert, 

An  Roggen 714,333 

169,333 

4,733 
»   Hafer 

*   Gerste 

»   Buchweizen  ....... 

»   sonstigem  Sommergetreide  .     . 

Zusammen  an  Getreide 


»    Winterweizen 
>  Sommerweizen 


586,333 
223,666 

1 7,000 
69.333 


.     1,784,731 
*   Kartoffeln ^295,333 


O 

'53 


Wcrthd.Prod, 
in  RubeL 

4,821,748 
1.693,330 

-  47,330 
2,345,332 
1,118,330 

102,000 
415,998 

10,544,068 
1,943,000 


Zusammen  aus  den  Erzeugnissen  des  Feldbaues     .     12,487,068 

b)  an  Erträgnissen  der  Viehzucht: 

Pferdebestand:  96,000  Stück,  davon  Vs  =  19,200  St. 

ä  30  Rbl 576,000 


*  Tabaksproduktion  blieb  unberücksichtigt,  weil  die  Produktion  im  Jahre  187a  nur  8 
Pud  betrug. 


5*4 

Rindviehbestand :   105,900  Stück  Milchvieh  ä  15  Rbl.  I^ubel. 

Nutzung 1,588,500 

Schafstand:  Landschafe  166,000  St.  ä  l  R.  25  K.  Nutz.  207,500 

Feinw.  Schafe    34,700  »    »  2  ■  —  »       »  69,400 

Schweine:  130,100  Stück  a  8  Rbl.  Nutzung  ....  1,040,800 

Ziegen:           2,200      »      •  2     •           •         .     .     •     •  4»400 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht     •       3,486,600 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  sonach  im  Gouvernement 
Ssuwalki  einen  Werth  von 15«973,668 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art .     .     .     4,20  Tschetwert. 
»    Kartoffeln 3,05  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .7,25  » 

An  GeldwertJi:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues  29  R.  41  K. 

»      »  »  der  Viehzucht    8   •   21   » 

Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Landwirthschaft  37  R.  62  K. 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
9,000,468  Rbl.  oder  um  25$  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Ssuwalki 

auf  I  Qu.-Meile.         auf  1  Qu. -Kilometer. 
Stück.  Stück. 

Pferde 414,5                        7,5 

Hornvieh 458,0                        8,4 

Schafe 880,5  15,9 

Schweine 575»i  io>3 

Ziegen 9,6                       0,17 


60.  GonveraeiMeiit  Warschaa. 

Grösse  des  Gouvernements:  264,46  geogr.Qu.-Meilen=r  14,562,2 
Qu.- Kilometer;  Bevölkerung:  925,639  Einwohner,  von  denen  64  auf 
I  Qu.-Kilometer  entfallen. 

Im  genannten  Gouvernement  wurden  produzirt: 


525 


a)  an  Erzeugttissen  des  Feldbaues  \ 


Wcrlhd.Prod. 
Tschetwert.  in  Rubel. 


An  Roggen 649.333 

»  Winterweizen 158,000 

•  Sommerweizen  .,.,...  2,200 
»  Hafer  .     .     .     .     , 527,000 

.  •  Gerste 1     •     •  io^333 

•  Buchweizen 37»333 

»  sonstigem  Sommergetreide  .     .     .  y2^€^6 


4,379>398 
1,580,000 

^  22,000 

o      2,108,000 

506,665 

223,998 


c 


g  435.996 


^        9,256,057 
2,811,500 


Zusammen  an  Getreide     .     i)557iS65 

•  Kartoffeln i»874.333  J 

Pud 

►  Tabak 2,3i2ä2R.  4,624 

*  Sandzucker^ 655.993*5  »     3,279,965 


Zusammen  an  Erzeugnissen  des  Feldbaues     .  15,353,146 

b)  an  Erträgnissen  der  ViehzucIU: 

Pferdebestand:  81,200  Stück,  davon  V6  =  > 6,240  Stück 

ä  30  Rbl 487,200 

Hornviehbestand:  291,900 St.  Milchvieh  ä  15  R.  Nutz.  4,378,500 

Schafbestand:  Landschafe  177,400 St.  ä iR.  25 K.Nutz.  221,750 

»       FeinwoU.  Schafe  41 5,400  »   »  2  »  —  »      »  830,800 

Schweine:  130,400  Stück  ä  8  Rbl.  Nutzung    ....  1,043,200 

Ziegen:           1,100      •       »  2    »          »           ....  2^200 


Zusammen  aus  den  Erträgnissen  der  Viehzucht    .     6,963,650 

Die  Gesammt-Produktion  aus  dem  Feldbau  und  der 
Viehzucht  repräsentirt  demnach  im  Gouvernement 
Warschau  einen  Werth  von 22,315,796 

Hiernach  entfallen  auf  einen  Bewohner  des  Gouvernements: 

An  Getreide  verschiedener  Art    .     .     .     1,67  Tschetwert 
•  Kartoffeln 2,02  » 

Zusammen  an  Nahrungsmitteln    .     .     3^69  » 

An  Geldiverih:  aus  den  Erträgnissen  des  Feldbaues   •  16  R.  58  K. 

*      »  »  der  Viehzucht      7  .    52  » 

Aus  den  Erträgnissen  der  gesammten  Landwirthschaft    24  R.  i  o  K. 


*  Im  Durchschnitt  der  CaatMgMn  1872/73  and  1873/74. 


526 

Die  Erträgnisse  des  Feldbaues  übersteigen  die  der  Viehzucht  um 
8,388,496  Rbl.  oddr  um  120  pCt. 

Schliesslich  entfallen  im  Gouvernement  Warschau 

auf  I  Qu. -Meile       auf  i  Qu. -Kilometer. 

Stück.  Stück. 

Pferde 307,0  5,5 

Rindvieh 1 1103,7  20,0 

Schafe 2,241,5  40,7 

Schweine 493»o  8,9 

Ziegen 4>i  0,07 


Nachdem  in  den  vorstehenden  Tabellen  die  Produktionsverhält- 
nisse (1er  einzelnen  Gouvernement^  in  übersichtlicher  Weise  zusam- 
mengestellt worden  sind,  erübrigt  noch,  auf  Grund  dieser  Tabellen, 
die  Beantwortung  der  Eingangs  gestellten  acht  Fragen. 

1.  Frage.    Welchen  Ertrag  liefert  der  Feldbau  eines  jeden  einseinen 

Oouvemements  des  europäischen  Hussland  nach  dem  Quantum«  wto 

niEkoh  dem  Werthe  der  Tersohiedenen  Produkte? 

An  Getreide  verschiedener  Art  werden  im  gesammten  europäischen 
Russland,  nach  Abzug  des  Samens,  200,703,000  Tschetw.  produzirt ; 
davon  entfällt  das  grösste  Quantum  auf  das  Gouvernement  Kursk 
mit  I2|576,900  Tschetw.  Diesem  zunächst  stehen  die  Gouverne- 
ments Tambow  mit  12,278,300  Tschetw.,  Wjatka  mit  8,664,000 
Tschetw.,  Orel  mit 7,624, 300 Tschetw.,  Kijew  mit 7, 146,300 Tschetw., 
Ssaratow  mit  6,852,300  Tschetw.,  Ssamara  (6,812,600  Tschetw.) 
Woronesh  (6,417,300  Tschetw.),  Poltawa  (6,336,800  Tschetw.),  Tula 
(6,302,900  Tschetw.)  und  Perm  (6,114,000  Tschetw.).  Ein  Quantum 
von  5  Vt  Mill.  bis  5  Mill.  Tschetwert  wird  produzirt  in  den  Gouver- 
nements Rjasan,  Kasan,  Podolien  und  Pensa;  ein  solches  von  5 — 4 
Millionen  Tschetw.  in  den  Gouvernements  Ufa,  Ssimbirsk  und  Char- 
kow;  von  4—3  Millionen  in  den  Gouvernements  Wolhynien,  Livland, 
Nishnij-Nowgorod  und^  Cherson;  von  3 — 2  Mill.  Tschetw.  in  den 
Gouvernements  Tschernigow,  Orenburg^  Wilna,  Jekaterinosslaw, 
Bessarabien,  Plotzk,  Ssmolensk,  Twer,  Kowno,  Kostroma,  Mohilew, 
Taurien  und  Kaiisch;  von  2 — i  Million  Tschetwert  in  den  Gouver- 
nements Minsk,  Wladimir,  Kaluga,  Ssuwalki,  Ljublin,  Witebsk,  Ra- 
dom,  Warschau,  Nowgorod,  Kurland,  Piotrkow,  Pskow,  Wologdia»  im 


_  528 

KowDOy  Minsk  und  Witebsk  (ä  600,000  Pud),  Jarosslaw  (500,000  Pud), 
Ssmolensk  und  Wilna  (ä  400,000  Pud),  Kurland  (150,000  Pud), 
Grodno  (100,000  Pud)  und  Nowgorod  (20,000  Pud).  Obgleich  auch 
in  den  meisten  übrigen  Gouvernements  Russlands  und  des  Zarthums 
Polen  Flachs  gebaut  wird,  so  fehlen  hierüber  doch  alle  statistischen 
Daten.  Der  Flachs  bildet  hier  keinen  Handelsartikel  und  wird  nur 
für  den  eigenen  Bedarf  produzirt. 

Han/y  von  welchem  die  Gesammtproduktion  Russlands  4,850,000 
Pud  beträgt,  wird  in  grösserem  Verhältnisse  nur  in  den  Gouverne* 
ments  Orcl  (1,550,000  Pud  Ertrag),  Tschernigow  (700,000  Pud), 
Kursk  (550,000  Pud),  Ssmolensk  (450,000  Pud),  Kaluga,  Mohilew 
und  Tula  (ä  400,000  Pud),  Rjasan  (250,000  Pud)  und  Tambow 
(150,000  Pud)  kultivirt.     Sein  Anbau  ist  in  der  Abnahme  begriflfen. 

Mit  der  Tabakskultur  befassen  sich  eine  grössere  Reihe  von  Gou- 
vernements. Dem  Quantum  nach  wird  der  meiste  Tabak  erzielt  in 
den  Gouvernements:  Tschernigow  (983,300  Pud),  Poltawa  (557,700 
Pud),Ssamara  (3 10,800  Pud)  und  Bessarabien  (129,300  Pud),  dann  fol- 
gen die  Gouvernements:  Woronesh  (54,000  Pud),  Charkow  (51,700 
Pud),  Tula (47, 500  Pud),  Taurien  (41,000  Pud),  Tambow  (36,600  Pud), 
Wolhynien  (35,000  Pud),  Podolien  (27,800  Pud),  Ssaratow  (20,600 
Pud),  Rjasan  (14,700  Pud),  Kursk  (1 1,300  Pud)  und  Chersson  (10,200 
Pud).  Weniger  als  10,000,  aber  mehr  wie  1000  Pud  werden  gewonnen 
in  den  Gouvernements  Pensa  (8,900  Pud),  Ssimbirsk,  Jekaterinosslaw, 
Orel,  Ssedletz,  Warschau,  Minsk,  Nishnij-Nowgorod  und  Kijew. 
Endlich  produziren  noch  Tabak,  wenn  auch  in  einem  Quantum  von 
weniger  wie  looo  Pud  die  Gouvernements  Astrachan,  Ljublin, 
Lomsha,  Piotrkow,  Kaluga,  Mohilew  und  Wilna.  Die  jährliche 
Gesammtproduktion  berechnet  sich  im  Minimum  in  den  genannten 
Gouvernements  durchschnittlich  auf  2,367,630  Pud. 

Die  Sandzuckerproduktion  Russlands  betrug  in  den  Jahren  1870 
bis  1871  durchschnittlich  7,212,390  Pud.  Am  meisten  davon  wurde 
produzirt  im  Gouvernement  Kijew  (3,171,700  Pud),  dann  in  den 
Gouvernements:  Rjasan  (819,400  Pud),  Warschau  (655,900  Pud),  Po- 
dolien (635,200 Pud),  Charkow  (441,800  Pud),  Tschernigow  (260,600 
Pud),  Kursk  (233,500  Pud) ;  dann  folgen  die  Gouvernements:  Wol- 
hynien, Tula,  Tambow  und  Woronesh  (mit  100 — 131,900  Pud), 
schliesslich  mit  einer  Produkten  von  unter  100,000  Pud  die 
Gouvernements:  Kaiisch  94,900  Pud),  Radom,  Piotrkow,  Poltawa 
Ssedletz,  Bessarabien,  Plotzk,  Mohilew,  Ljublin,  Kjelze,  Lomsha, 
Minsk,  Orel,  Pensa  und  Ssaratow  (2,900  Pud). 


529 

Der  Werth  der  in  allen  Gouvernements  des  europäischen.  Huss- 
land  gewonnenen  Produkte  des  Feldbaues  beziffert  sich  unter  Zu- 
grundlegung  der  Exportpreise  auf  1,361,835,395  Rbl.>  oder^  wenn 
in  den  entfernt  liegenden,  verhältnissmässig  gering  bevölkerten^  mit 
'Exporthäfen  nicht  in  direkterVerbindpng  stehenden,  Gouvernements 
Orenburg,  Ufa,  Wjatka  und  Wologda  von  diesen  Exportpreisen  ?ib- 
gesehen,  und  der  Preis  aller  Produkte  für  diese  Gouvernements  um 
25  pCt  reduzirt  wird,  auf  1,333,082,338  Rbl.  Die  an  Feldbaupro- 
dukten reichsten  Gouvernements  sind  die  Gouvernements:  Kursk 
(Werth 76,885,781  Rbl.),  7lM«^^w(74,428,ii2Rbl.),  AS/Vw ($3,449,454 
Rbl.),  sowie,  wenn  wir  den  Werth  der  Produkte  zu  gleicher  Höhe 
annehmen,  wie  in  den  übrigen  Gouvernements:  Wjaika  (52,766,567 
Rbl.)  und  Ssamara  (52,545,257  Rbl.).  Dann  folgen,  dem  Reichthum 
der  Feldprodukte  entsprechend,  die  Gouvernements  des  europäischen 
Russland  und  des  Zarthums  Polen  in  nachstehender  Reihenfolge: 
Mit  einer  Produktion  im  Werthe  von  44,844,377  Rbl.  bis  30,982,565 
Rbl.  die  Gouvernements:  Ssaratow,  Orel,  Poltawa,  Woronesh,  Podo- 
lien,  Rjasan,  Tula,  Perm,  Kasan,  Livland  und  Ufa.  Mit  einem  Pro- 
duktionswerth  von  29,830,330  Rbl.  bis  20,201,022  Rbl.  die  Gouver- 
nements: Charkow,  Pensa,  Wolbynien,  Ssimbirsk,  Chersson,  Tscher- 
nigow,  Nishnij-Nowgorod,  Bessarabien,  Jekaterinosslaw,  Orenburg 
und  Wilna. 

Mit  einem  Produktionswerth  von  18,772,138  Rbl.  bis  10,611,579 
Rbl.  die  Gouvernements:  Plotzk,  Pskow,  Kostroma,  Kowno,  Minsk, 
Taurien,  Kaiisch,  Ssmolensk^  Mohilew,  Warschau,  Wladimir, 
Grodno,  Ljublin,  Witebsk,  Ssuwalki,  Twer,  Piotrkow,  Jarosslaw 
Kaluga,  Radom,  Kurland  und  Wologda. 

Mit  einem  Produktionswerth  von  9,129^440  Rbl.  bis  5,363,375 
Rbl.  das  Donische  Kosakengebiet  und  die  Gouvernements:  Lomsha, 
Ssedletz,  Nowgorod,  Kjelze  und  Moskau. 

Mit  einem  Produktionswerth  von  weniger  als  5  Millionen  Rbl.  die 
Gouvernements:  St.  Petersburg,  Estland,  Astrachan,  Olonez  und 
Archangelsk. 

2.  Frage.    Wie  hodh  besiffl^rt  sich  der  Werth  doxjeniiren  Produkte, 
welche  durch  den  Betrieb  der  Viehsaoht  in  den  einselnen  Gtouver- 

nements  ersielt  werden  P 

Dieser  Werth  ist  aus  den  vorstehenden  Tabellen  für  jedes  ein- 
zelne Gouvernement  ersichtlich  und  wurde  die  Werthssumme  nach 
den  bereits  angegebenen  Normen  bestimmt,  welche  der  Rechnung 

RUSS.RBYUS.BD.  zin,  34 


5S0  . 

zu  Grunde  liegen.  Die  nachgewiesenen  Summen  dürften  der  Wirk- 
lichkeit um  so  mehr  entsprechen,  als  die  angegebenen  Viehbe- 
stände als  niedrigste  Minimalzahlen  anzusehen  sind,  wesshalb  auch 
bei  Bestimmung  der  Berechnungsnormen  hierauf  Rücksicht  genom- 
men werden  musste. 

Nach  den  vorstehenden  Tabellen  ergibt  sich  als  Gesammtwerth 
der  im  europäischen  Russland  erzielten  Viehzuchtprodukte  die 
Summe  von  526,126,884,  resp.  514,941,964  Rbl. 

Den  höchsten  Ertrag  an  Viehzuchtprodukten  haben  aufzuweisen 
die  Gouvernements:  Wjatka  (unter  der  Annahme  derselben  Vieh- 
Produktenpreise  wie  in  den  übrigen  Gouvernements,  17,863,800 
Rbl.),  Tambow  (17.679,525  Rbl.),  Woronesh  (15,882,975  Rbl.), 
Chersson  (15,520,700  Rbl.),  Perm  (15,282,575  Rbl.),  Poltawa 
(15,129,600  Rbl.)  und  Charkow  (15,129,600  Rbl.) 

Einen  Produktionswerth  von  13,669,175  Rbl.  bis  10,607,400  Rbl. 
weisen  in  der  Reihenfolge  der  Höhe  der  Produktion  auf  die  Gouver- 
nements: Kijew,  Ssamara,  Ssaratow,  das  Donische  Kosakengebiet, 
die  Gouvernements:  Kowno,  Kursk,  Jekaterinosslaw,  Tschernigow 
Taurien,  Wolhynien  und  Minsk. 

Einen  Produktionswerth  von  9,806,450  Rbl.  bis  7,051,000  Rbl. 
die  Gouvernements:  Grodno,  Ssmolensk,  Pensa,  Kurland,  Bessara- 
bien,  Orenburg,  Wologda,  Kasan,  Twer,  Podolien,  Mohtlew,  Rjasan, 
Kostroma,  Orel,  Livland,  Ufa,  Witebsk,  Wilna,  Nowgorod,  Ssim- 
birsk  und  Pskow. 

Ein  Produktionswerth  von  6,963,650  Rbl.  bis  5,019,225  Rbl. 
wird  erzielt  durch  den  Viehbestand  der  Gouvernements:  Warschau, 
Wladimir,  Tula,  Ljublin,  Nishnij-Nowgorod,  Jarosslaw,  Moskau,  Ka- 
luga,  Ssedletz,  Astrachan  und  Plotzk. 

Den  geringsten  Ertrag  aus  den  Produkten  der  Viehzucht  (zwi- 
schen 4,532,026  Rbl.  und  2,029,225  Rbl.)  weisen  auf  die  Gouverne- 
ments: Kaiisch,  Piotrkow,  Kjelze,  Radom,  Estland,  Ssuwalki,  Lom- 
sha,  St.  Petersburg,  Archangelsk  und  Olonez. 

Es  handelt  sich  bei  dieser  Reihenfolge  lediglich  um  die  Höhe  des 
Ertrages  in  den  einzelnen  Gouvernements,  nicht  aber  um  die  Höhe 
des  Viehstandes  im  Verhältniss  zur  Ausdehnung  des  Grund  und  Bo- 
dens, von  welchem  Verhältniss  später  die  Rede  sein  wird  und  durch 
dessen  Feststellung  ganz  andere  und  weit  bezeichnendere  Anhalte- 
punkte  hinsichtlich  der  landwirthschaftlichen  Kulturentwickelung 
der  einzelnen  Gouvernements  gewonnen  werden. 


53X 


8.  Frage.   Wie  hoch  beslirert  sioh  der  Werth  der  geeammten  land- 

wirthsohaftliohen  wie  Industrie-Prodnktei  welche  durch  die  Yerar- 

beitnng  landwirthschaftlioher  Bobi>rodiikte  gewonnen  werden? 

Es  wurde  schon  Eingangs  erwähnt,  dass  wir  von  landwirthschaft. 
liehen  Produkten  hier  nur  den  Sandzucker  in  Rechnung  stellen  kön- 
nen, indem  bei  der  Inrechnungziehung  des  erzeugten  Spiritus,  der 
Stärke  etc.  das  Rohprodukt,  aus  welchem  jene  erzeugt  werden,  von 
den  Erzeugnissen  .des  Feldbaues  in  Abrechnung  gebracht  werden 
müssten,  wozu  es  an  genügenden  statistischen  Daten  fehlt.  Viele 
Brennereien,  Stärkefabriken  etc.  beziehen  ihr  Rohmaterial  aus 
anderen  Gouvernements,  und  würde  in  diesem  Falle  bei  Berech- 
nung der  Spiritusausbeute  etc.  der  Werth  der  Produktion  dieser 
Gouvernements  niedriger  erscheinen  als  jener,  in  welchen  dieses 
Rohmaterial  verarbeitet  wird,  ohne  dass  eine  Richtigstellung  mög- 
lich wäre. 

Der  Gesammtwerth  der  in  den  einzelnen  Gouvernements  des  eu- 
ropäischen Russland  und  des  Zarthums  Polen  erzielten  Produkte 
des  Feldbaues,  der  Viehzucht  und  der  Rübenzuckerfabrikation  re- 
präsentirt  nach  der  obigen  Zusammenstellung  der  Produktionsver- 
hältnisse der  einzelnen  Gouvernements  die  respektable  Summe  von 
1^87,962,279  Rbl.  oder,  in  Berücksichtigung  der  oben  erwähnten 
Preismodifikation  in  vier  nord-östlichen  GrouvernementSi  die  Summe 
von  1,848,024,302  Rbl.,  wovon  auf  die  Gouvernements  des  Zar- 
thums Polen  172,246,135  Rbl.  entfallen.  Der  Werth  der  land- 
wirthschaftlichen  Produkte  der  Gouvernements  des  europäischen 
Russland  würde  sich  demnach  nach  Abrechnung  des  auf  die 
polnischen  Gouvernements  entfallenden  Werthes  auf  1,715,716,144, 
resp.  19675,778,167  Rbl.  stellen.  Nach  dem  Berichte  der  Allerhöchst 
ernannten  Kommission  zur  Beurtheilung  des  gegenwärtigen  Zustan- 
des  der  Landwirthschaft  und  der  landwirthschaftlichen  Produktion 
Russlands  wird  für  die  russischen  Gouvernements  (mit  Ausschluss 
Polens)  der  Werth  der  gesammten  landwirthschaftlichen  Produkte 
mit  1,392,136,000  Rbl.  berechnet,  wovon  1,300,377,000  Rbl.  auf 
das  Getreide  und  die  Kartoffeln  und  nur  91,759,000  Rbl.  auf 
sämmtliche  übrigen  landwirthschaftlichen  Produkte  entfallen  sollen, 
zu  welchen  ausser  allen  Produkten  der  Viehzucht,  wie  nachgewiesen, 
noch  10,530,000  Pud  Flachs,  4,850,000  Pud  Hanf,  2,361,530  Pud 
Tabak  und  6,148,000  Pud  Sandzucker  gehören,  welche  genannte 
Posten  allein  schon  einen  Qeldwerth  ypn  über  100  Mill.  RbL  reprä- 

34* 


S3^ 

sentiren.  Sollten  sich  aber  obige  91,759,000  RbL  nur  allein  auf  den 
Werth  der  Produkte  der  Viehzucht  beziehen,  so  bedarf  es  wohl  kei- 
nes besondem  Nachweises,  dass  ein  aus: 

15,611400  Stück  Pferden, 


21,408,800 

35,143,200 

10,153,500 

9,050,800 

1,180,400 


Hornvieh, 
Landschafen, 
feinwolligen  Schafen, 
Schweinen  und 
Ziegen 


in  Summa  aus  92,548,100  Stück  bestehender  Viehstand  eine  hö- 
here jähriiche  Einnahme  liefern  muss,  wie  91^759,000  Rbl. 

Nach  den  obigen  Zusammenstellungen  sind,  sowohl  an  Produkten 
des  Feldbaues  wie  der  Viehzucht,  unter  allen  russischen  Gouverne- 
ments die  reichsten  die  Gouvernements:  Tambow  (mit  einem  Pro- 
duktionswerth  von  92,107,637  Rbl.),  Kursk  (mit  einem  solchen  von 
88,503,256  Rbl.)f  Kijew  (mit  77,118,629  Rbl.)  und,  wenn  von  der 
mehr  erwähnten  Werthmodifikation  abgesehen  wird,  Wjatka  (mit 
einem  Produktionswerth  von  70,630,367  Rbl.,   resp.   52,972,775 

Rbl.). 

Als  die  nächstreichsten  Gouvernements,  mit  einem  Produktions- 
werth von  68,841,812  RbL  bis  50,758,575  Rbl.,  sind  in  absteigender 
Reihenfolge  zu  nennen  die  Gouvernements:  Ssaratow,  Ssamara,  Pol- 
tawa^  Woronesh,  Orel  und  Perm; 

mit  einem  Produktionswerth  von  48,295,818  bis  30,226,079  Rbl. 
die  Gouvernements:  Podolien,  Charkow,  Rjasan,  Kasan,  Tula,  Cher- 
sson,  Livland,  Ufa*,  Pensa,  Wolhynien,  Tschernigow,  Ssimbirsk, 
Jekaterinosslaw,  Bessarabien  und  Orenburg*; 

mit  einem  Produktionswerth  von  29,998,225  bis  20,213,871  Rbl 
die  Gouvernements:  Kowno,  Wilna,  Minsk,  Nishnij-Nowgorod^  Tau- 
rien,  Kostroma,  Pskow,  Ssmolensk,  Grodno,  Mohilew,  Plotzk,  War- 
schau, Wladimir,  das  donische  Kosakengebiet,  die  Gouvernements 
Twer,  Witebsk,  Kaiisch  und  Kurland ; 

mit  einem  Produktionswerth  von  19,957,579  bis  11,080,975  Rbl. 
die  Gouvernements  Wologda',  Ljublin,  Jarosslaw,  Piotrkow,  Kaluga, 
Ssuwalki,  Nowgorod,  Radom,  Ssedletz,  Kjelze,  Lomsha  und  Moskau ; 


*  Ab^sehen  von  der  tnehrerwähnten  Werthmodifikation  fUr  lAndwirthschailliche 


533 

endlich  mit  einem  Produktionswerth  von  7,975,548  bis  3,144,972 
Rbl.  die  Gouvernements:  Astrachan,  Estland,  St.  Petersburg,  Olonez 
und  Archangelsk. 

4.  Frage.  In  welchen  Oonvememente  dominirt  der  Feldbau  vor  der 

Viehiucht,  d.  h.  in  welchem  VerhftltniMe  übersteigen  die  Einnahmen 

des  enteren  die  der  letateren,  oder  ungekehrt  P 

Nur  in  den  nachbenannten  5  Gouvernements  übersteigt  der  Werth 
der  Produkte  der  Viehzucht  den  der  Produkte  des  Feldbaues  und 
auch  hier  nur  in  zwei  Gouvernements  in  grösserem  Verhältnisse:  im 
Gouvernement  Astrachan  um  106  pCt.,  in  dem  Gouvernement  Ar- 
changelsk um  82  pCt.,  im  Gebiete  der  donischen  Kosaken  um 
40  pCt.  und  in  den  Gouvernements  Olonez  und  Moskau  um  8  und 
6  pCt.  In  allen  übrigen  Gouvernements  dominirt  der  Feldbau  in 
sehr  starkem  Verhältnisse;  so  übersteigt  der  Werth  der  Feldbau- 
produkte den  der  Viehzuchtprodukte  im  Gouvernement  Kursk  um 
561  pCl.,  in  Tula  um  461  pCt.,  in  Orel  um  447  pCt,  in  Kijew  um 
364  pCt,  in  Podolien  um  340  pCt,  in  Tambow  um  326  pCt.,  in  Ufa 
um  281  pCt.,  in  Livland  uin  280  pCt.,  in  Plotzk  um  272  pCt.,  in 
Nishnij-Nowgorod  um  271  pCt.,  in  Kasan  um  270  pCt.,  in  Rjasan 
um  262  pCt.,  in  Ssuwalki  und  in  Ssamara  um  258  pCt,  in  Kaiisch 
um  251  pCt.,  in  Ssimbirsk  um  200  pCt.,  in  Pensa  und  Wjatka  um 
195  pCt  etc.  Nur  in  wenigen  Gouvernements  übersteigt  der  Werth 
der  Produkte  des  Feldbaues  den  der  Viehzucht  in  geringerem  Ver- 
hältniss,  so  im  Gouvernement  Estland  um  5  pCt.,  in  Nowgorod 
9  pCt,  in  St.  Petersburg  10  pCt.,  in  Kurland  12  pCt„  in  Wologda 
13  pCt.,  in  Twer  36  pCt.,  in  Kowno  39  pCt,  in  Grodno  48  pCt.,  in 
Taurien  56  pCt.  und  in  Minsk  um  60  pCt.  —  In  diesem  grossen 
Uebergewicht  des  Feldbaues  über  die  Viehzucht  liegt  namentlich  in 
den  zentralen,  westlichen  und  nord-östlichen  Gouvernements,  dem- 
nach in  allen  Gouvernements,  in  welchen  die  Düngung  des  Bodens 
eine  Kulturbedingung  ist,  eine  der  Hauptschwächen  der  russischen 
Landwirthschaft,  deren  Beseitigung  mit  allen  zu  Gebote  stehenden 
Mitteln  angestrebt  werden  sollte. 

6.  Frage.    Wie  hoch  stellt  eich  der  Ertrag  im  Yerhiltniea  sur  BerlKl« 
kerung  einet  Jeden  Qoavememente  und  weldhee  Quantum  Ton  Nah« 
rungamitteln  wird  pro  Kopf  der  BeySlkerung  enielt? 

Der  erste  Theil  dieser  Frage  wird  gleichzeitig  mit  Frage  6  beant- 
wortet werden.    Was  den  zweiten  Theil  derselben  anbelangti  so  er- 


S34 

gibt  sich,  dass  durchschnittlich  auC  den  Kopf  der  Gesammtbevöl- 
kerung  Russlands  (70»045,9S8  Einwohner)  entfallen:  an  Getreide 
2,865  Tschetw.,  an  Kartoffeln:  0,616  Tschetw.,  zusammen  3,481 
Tschetw.  Dieser  Durchschnittsertrag  wird  in  den  nachfolgenden 
Gouvernements  erreicht:  in  Archangelsk,  in  Astrachan,  in  Bessara- 
bien,  in  Charkow,  in  Chersson,  im  Donischen  Kosakengebiet,  in  Est- 
land, in  Grodno,  in  Jarosslaw,  in  Jekaterinosslaw,  in  Kaluga,  in  Kasan 
in  Kostroma,  in  Kowno»  in  Minsk,  in  Moskau,  in  Nishnij-Nowgorod, 
in  Nowgorod,  in  Olonez,  in  Orenburg,  in  Perm,  in  Podolien,  in  Pol- 
tawa,  in  Pskow»  in  St.  Petersburg,  in  Ssmolensk,  in  Taurien,  in 
Tschernigow,  in  Twer,  in  Witebsk,  in  Wladimir,  in  Wolhynien,  in 
Wologda  und  selbst  in  Woronesh,  obgleich  sich  unter  diesen  Gou- 
vernements solche  befinden,  die,  wie  z.  B.  Poltawa,  Charkow,  Woro- 
nesh etc.,  reiche  Getreideernten  liefern,  und  an  Getreide  mehr  als 
die  oben  pro  Kopf  durchschnittlich  entfallenden  2,865  Tschetwert 
produziren.  Da  sie  aber  nur  einen  verhältnissmässig  sehr  geringfügi- 
gen Kartoffelertrag  aufzuweisen  haben,  so  bleiben  sie  hinsichtlich 
der  Produktion  von  Nahrungsmitteln  dennoch  hinter  den  Mittel- 
zahlen zurück. 

Der  höchste  Ertrag  von  Nahrungsmitteln  (Getreide  und  Kar- 
toffeln) pro  Kopf  der  Bevölkerung  wird  erzielt  in  den  Gouvernements: 
Plotzk  (10,06  Tschetw.),  Ssuwalki  (7,25  Tschetw.),  Kursk  (6,95 
Tschetw.),  Tambow  (6,84  Tschetw.),  Kaiisch  (6, 1 5  Tschetw.),  Tula 
(5,92  Tschetw.),  Piotrkow  (5,49  Tschetw.),  Orel  (5,45  Tschetw.)  und 
Ssaratow  (5,26  Tschetw.).  Dieses  Ueberge wicht  verdanken  die  pol- 
nischen Gouvernements  ihrem  ausgedehnten  Kartoffelbau. 

Den  Ertrag  von  4,99  bis  4,16  Tschetwert  pro  Kopf  erzielen  die 
Gouvernements:  Livland,  Radom,  Ljublin^  Lomsha,  Pensa  und  Rja- 
san,  die  beiden  letzteren  in  Folge  starker  Getreideproduktion. 

Den  Ertrag  von  3,99  bis  3,04  Tschetwert  pro  Kopf  erzielen  die 
Gouvernements:  Ssimbirsk,  Mohilew,  Kjelze,  Ssedletz,  Ssamara,  Ufa, 
Kijew,  Wjatka,  Wilna,  Warschau,  Kowno^  Poltawa,  Grodno,  Woro- 
nesh, Kasan,  Orenburg,  Taurien  und  Nishnij*Nowgorod. 

Den  geringsten  Ertrag  an  Nahrungsmitteln  liefern  pro  Kopf  der 
Bevölkerung  die  Gouvernements:  Twer  (1,94  Tschetw,),  Wladimir 
(1,78  Tschetw.),  Nowgorod  (1,76  Tschetw.),  Wologda  (1,46 
Tschetw.),  Olones  (1,37  Tschetw.),  das  Donische  Kosakengebiet 
(1,16  Tschetw.)»  St.  Petersburg  und  Archangelsk  (ä  0,79  Tschetw.), 
Moskau  (0,71  Tschetw.)  und  Astrachan  (0,57  Tschetw.). 

Die  hier  nicht  genannten  Gouvernements  rangiren  zwischen  der 


S3S 

letzten  und  vorletzten  Gruppe  mit  einem  Ertrage  von  2  —  2,9 
Tschetw.  an  Nahrungsmitteln  vom  Kopf  der  Bevölkerung. 

Wird  jedoch  vom  Kartoffelertrage  abgesehen  und  nur  der  Ertrag 
an  Getreide  berücksichtigt,  so  rangiren  die  Gouvernements  wie 
folgt:  Kursk  (643  Tschetw.),  Tambow  (5,70  Tschetw.),  Tula  (5,39 
Tschetw.),  Plotzk  (5,30  Tschetw.),  Ssaratow  (5,04  Tschetw.),  Orel 
(4i77  Tschetw.)  und  Ssuwalki  (4,20  Tschetw.);  dann  folgen  mit 
einen  Ertrag  von  3,75  bis  3,0  Tschetw.  in  absteigender  Reihenfolge 
die  Gouvernements:  Rjasan,  Ssamara,  Wjatka,  Ufa,  Livland,  Ssim- 
birsk,  Kijew,  Kasan,  Orenburg,  Radom,  Poltawa  und  Kaliscb,  und 
mit  einem  Ertrage  von  2,98 --2,0  Tschetw.  die  Gouvernements: 
Woronesh,  Taurien,  Wilna,  Perm,  Nishnij-Nowgorod,  Podolien,  Lju* 
blin,  Kurland,  Bessarabien,  Kjelze,  Charkow,  Lomsha,  Wolhynien, 
Mohilew,  Ssedletz,  Piotrköw,  Jekaterinosslaw,  Ssmolensk  und  Cher« 
sson.  Die  letzte  Stelle  nehmen  auch  in  dieser  Beziehung  ein  die 
Gouvernements:  Archangelsk  (0,69  Tschetw.),  Astrachan  (0,48 
Tschetw.),  und  Moskau  und  St.  Petersbui^  (ä  0,46  Tschetw.),  letz* 
tere  beiden  nicht  nur  wegen  der  an  und  für  sich  schon  nicht  erheb- 
lichen Produktion,  sondern  auch  in  Folge  der,  ihnen  angehörenden 
stark  bevölkerten  beiden  Hauptstädte  des  Landes.  Die  hier  nicht 
speziell  genannten  Gouvernements  rangiren  zwischen  der  letzten 
und  vorletzten  Gruppe. 

6.  Frage.  Wie  hoch  stellt  sich  der  Werth  des  Xrtrsge«  an  Feldban« 
wie  an  ViehBUchtprodukten  im  Verhältnist  bot  Bevölkerungisahl 
und  welcher  Betrag  dieses  ermittelten  Werthes  entfällt  auf  den 

Kopf  der  Bevölkerung  ? 

Den  grössten  Werthbetrag  an  Erzeugnissen  der  gesanmiten  Land- 
wirthschaft  pro  Kopf  der  Bevölkerung  erzielen  die  Gouvernements : 
Plotzk  (50  Rbl.  40  Kop),  Kursk  (45  Rbl.  27  Kop.),  Tambow  (42 
Rbl.  82  Kop.)y  Ssaratow  (39  Rbl.  30  Kop.),  Livland  (39  Rbl.  23 
Kop.),  Taurien  (38  Rbl.  79  Kop.),  Ssuwalki  (37  RbL  62  Kop.),  Ssa- 
mara  (35  Rbl.  84  Kop.),  Tula  (35  Rbl.  82  Kop.),  Kijew  (35  Rbl.  44 
Kop.),  Orenburg*  (33  Rbl.  55  Kop.),  Orel  (33  RbL  18  Kop.),  Pakow 
(32  RbL  91  Kop.),  Pensa  (32  Rbl.  46  Kop.),  Kaiisch  (30  RU.  57 
Kop.)  und  Rjasan  (30  RbL  24  Kop.). 

Hiemach  folgen  mit  einem  Erträgniss  von  29  RbL  35  Kop»  bis  25 


*  Abgesehen  von  der  mehr  erwähnten  WerthmodifikaUon  dfr  UndvirtkichalUidien 
Prodokte. 


536 

Rbl.  23  Kop.  die  Gouvernements:  Wjatka,^  Bessarabien,  Ufa,*  Ra- 
dom,  Poltawa,  Ssimbirsk,  Wilna,  Ljublin,  Ssedletz,  Woronesb,  Char- 
kow, Kowno,  Mohilew,  Chersson  und  Kasan;  mit  einem  Erträgniss 
von  24  Rbl.  97  Kop.  bis  20  Rbl.  11  Kop.  die  Gouvernements:  Podo- 
lien,  Piotrkow,  Lomsha,  Estland,  Jarosslaw,  Grodno,  Warschau,  Je- 
katerinosslaw,  Kjelze,  Witebsk,  Minsk,  Perm,  Ssmolensk,  Kostroma^ 
Tschernigow,  Nishnij-Nowgorod,  Wladimir  und  das  Donische  Kosa- 
kengebiet;  mit  einem  Erträgniss  von  19  Rbl.  89  Kop.  bis  15  Rbl.  62 
Kop.  die  Gouvernements :  Wologda,  ^  Jarosslaw,  Wladimir,  Kaluga, 
Twer  und  Nowgorod; 

mit  einem  Erträgniss  von  unter  1 5  Rbl.  pro  Kopf  der  Bevölke- 
rung die  Gouvernements :  Astrachan,  Olonez,  Archangelsk,  Moskau 
(5  RbL  78  Kop.)  und  St.  Petersburg  (5  Rbl.  63  Kop.) 


7.  Frage.  Wie  stellt  sich  die  Stüoksahl  der  verBchiedenen  landwirth- 
aohaftliohea  Hausthiere  som  Flächeninhalt  der  einselnen  Gk>uveme- 

ment0? 

Am  Schlüsse  einer  jeden  der  vorstehenden  Tabellen  ist  die  Stück- 
zahl der  pro  Qu.-Kilometer  in  jedem  einzelnen  Gouvernement  ent- 
fallenden Pferde,  des  Hornviehs,  der  Schafe,  Schweine  und  Ziegen 
berechnet  worden. 

Hiernach  entfallen  pro  Qu.-Kilometer: 

Die  meisten  Pferde: 
in  den  Gouvernements:  Kursk  (12,9  Stück),  Tambow  (12,7),  Tiila 
(10,9),  Rjasan  (9,4),  Woronesh  (8,9)^  Ssuwalki  (7,5),  Moskau 
(7,4),  Tschernigow  (7,4),  Pensä  (7,1),  Kowno  (7,0),  Kasan  {ß^y\ 
Ljublin  ißjS),  Kaluga  (6,4),  Ssmolensk  (6,4),  Ssimbirsk  (6,3), 
Ptetzk  (6,3)  und  Kaiisch  (6,1  Stück). 

Die  wenigsten  Pferde: 
in  den  Gouvernements :  Olonez  (0,4  Stuck),  Archangelsk  und  Wo- 
logda  {0,5),  Astrachan  (1,1)  und  Nowgorod  (i,6  Stück). 

Die  grosste  Anzahl  Hornvieh: 
in  den  Gouvernements:  Warschau  (20,0  Stück),  Ssedletz  (iS),4), 
Plotzk  (18,7),  Kjelze  (16,9),  Kurland  (16,3),  Poltawa  (154),  Lju- 
blin  und  Piotrkow  (14^5),  Radom  (13^),  Kowno  (12,7),  Kaiisch 
(11,2),  Podolien  und  Grodno  (10^8),  Chersson  und  Kijew  (10,7)9 
Bessarabien  (10^),  Charkow  (10,3)  und  im  Donischen  Kosaken- 
gebiet (10,1  Stück). 


537 

Die  geringste  Anzahl  Hornvieh: 

in  Archangelsk  (o,i  Stück),  Olonez  (0,7),  Wologda  (1,2),  Astra- 
chan (2,1),  Orenburg  und  Perm  (2,3},  Ufa  (2,5)  und  Ssamara 
(3,0  Stück). 

Die  grösste  Anzahl  Schafe : 

in  den  Gouvernements:  Taurien  (63,1  Stück),  Kaiisch  (S5,9), 
Warschau  (40,7),  Plotzk  (38,9),  Jekaterinosslaw  (38,7),  Poltawa 
und  Piotrkow  (36,5),  Kjelze  (36,4),  Chersson  und  Bessarabien 
(31,1),  Ljublin  (28,9),  Woronesh  (28,3),  Tambow  (27,2),  Radom 
(25,7%  Ssedletz  (24,7),  Kursk  (21,9),  Lomsha  (21,8),  Tula  (21,7) 
und  Charkow  (21,3  Stück). 

Die  geringste  Anzahl  Schafe  : 
in  Archangelsk  (0,1  Stück),  Olonez  (0,6),  Wologda  (1,0),  St.  Peters- 
burg (1,5),  Nowgorod  (1,9)  Perm  (3,1),  Pskow  (4,1),  Orenburg 
(4,5)  und  Minsk  (5,0  Stück). 

Die  gross te  Anzahl  Schweinex 

in  den  Gouvernements:  Kaiisch  (11,3  Stück),  Lomsha  (10,4),  Ssu- 
walki  (10,3)^  Poltawa  (9,7),  Plotzk  (9,4),  Podolien  (9,3),  Warschau 
(8,9),  Kursk  und  Kjelze  (8,4),  Ssedletz  (8,2),  Ljublin  (8,0),  Charkow 
{j,i)i  Kijew  (7,4),  Tschernigow  (7,3)  und  Woronesh  (6,9  Stück). 

Die  geringste  Anzahl  Sclnveine: 

imGebiet  der  Donischen  Kosaken,  in  den  Gouvernements:  Archan- 
gelsk, Olonez  und  Jarosslaw  (0,0  Stück),  St.  Petersburg,  Twer, 
Wologda  und  Kostroma  (0,1  Stück),  Nowgorod  und  Astrachan 
(0,2),  Orenburg  (0,3),  Perm  (0,5),  Moskau  (0.6),  Wladimir  (0,7) 
und  Nishnij -Nowgorod  (1,0  Stück). 

Die  grösste  Anzahl  Ziegen : 

in  den  Gouvernements:  Kowno  (1.9  Stück),  Ufa  (ii5),  Kasan  (1,1) 
und  Taurien  (1,0  Stück). 

Die  geringste  Anzahl  Ziegen: 

in  Wologda,  Archangelsk  und  Ssedletz  (0,00),  Estland,  Grodno, 
Moskau,  Tula  und  Twer  (0,01). 

Wird  aber  von  den  einzelnen  Viehgattungen  abgesehen  und  der 
gesammte  Viehstand  nach  Stücken  Grossvieh  (=  i  Stück  Pferd 
=  I  Stück  Hornvieh  =  10  Stück  Schafe  =  8  Stück  Schweine  =10 
Stück  Ziegen)  berechnet,  so  rangiren  nach  ihrem  Viehreichthum  die 
Gouvernements  Russlands  in  nachstehender  Reihenfolge :  Warschau 
(30,68  Stück  Grossvieh),  Plotzk  (30,07),   Ssedletz  (27,82),  Kjelze 


53« 

(25)23),  Kurland  (24,59),  Foltawa  (24157),  Piotrkow  (24,26),  Kaliscfa 
(24,20),  Ljublin  (23,99),  Tambow  (23,25),  Kursk  (22,70),  Radom 
(22,40),  Woronesh  (22,34),  Kowno  (21,89),  Pensa  (21,68),  Podolien 
(19,88),  Tula  (19,20),  Ssuwalki  (18,60),  Rjasan  (18,13),  Charkow 
(17,69),  Tschernigow  (17,67),  Lomsha  (17,49)1  Bessarabicn  (17,48), 
Chersson  (1746),  Kijew  (17,23),  Jekatermosslaw  (16,44),  Grodno 
(15,94),  Moskau  (15,80),  Taurien  (15,74),  Orel  (15,61),  das  Donische 
Kosakengebiet  (14,37),  Wolhynien  (14,09),  Ssaratow  (14,1),  Estland 
( 1 3,95),  Ssmolensk(  13,92),  Jarosslaw|(  13,69),  Kaluga  (13,62),  Mohilew 
(13,52),  Kasan  (13,41),  Ssimbirsk  (13,18),  Witebsk  (12,57),  Pskow 
(12,44),  Livland  (12,28),  Wladimir  (12,26),  Wjatka  (12,04),  Twer 
(11,93),  Wilna  (11,76),  Nishnij-Nowgorod  (10,00),  Ssamara  (9,21), 
Kostroma  (7,96),  Minsk  (7,56),  Ufa  (7,00),  St.  Petersburg  (6,16), 
Orenburg  (5,80),  Perm  (5,48),  Nowgorod  (4,95),  Astrachan  (3,89), 
Wologda  (1,81),  Olonez  (1,16)  und  Archangelsk  (0,61). 


8.  Frage.  Wie  rangiren  die  einaelnen  Gouvernements  unter  einander 
hinsiohtlioh  der  Höhe  ihrer  geeammten  landwirthachaftlichen  Pro- 
duktion? 

Hinsichtlich  der  Höhe  ihrer  gesammten  landwirthschaftlichen  Pro- 
duktion rangiren  die  Gouvernements  wie  folgt: 

Tambow,  Kursk,  Kijew,  Wjatka^,  Ssaratow,  Ssamara,  Poltawa, 
Woronesh,  Orel,  Perm,  Podolien,  Charkow,  Rjasan,  Kasan,  Tula, 
Chersson,  Livland,  Ufa^  Pensa,  Wolhynien,  Tschernigow,  Ssimbirsk, 
Jekaterinosslaw,  Bessarabien,  OrenburgS  Kowno,  Wilna,  Minsk, 
Nishnij-Nowgorod,  Taurien,  Kostroma,  Pskow,  Ssmolensk,  Grodno, 
Mohilew,  Plotzk,  Warschau,  Wladimir,  das  Donische  Kosakenge- 
biet, Twer,  Witebsk,  Kaiisch,  Kurland,  Wologda^,  Ljublin,  Jaross* 
law,  Piotrkow,  Kaluga,  Ssuwalki,  Nowgorod,  Radom,  Ssedletz, 
Kjelze,  Lomsha,  Moskau,  Astrachan,  Estland,  St.  Petersburg,  Olonez 
und  Archangelsk. 


*  Abgesehen  von  der  mehrerwähnten  WerUunodUikmion  filr  die  UndwirthaduLft« 
liehen  Produkte. 


S39 


Ueber  die  AnsflUirniig  des  Belehs-Budgets  Tom 

Jahre  1877. 

Nach  dem^Kechenschaftsberichte  des  Reichs-Kontrolleurs 

von 

Dr.  AHred  Schmidt 


Da  es  eiae  bekannte  Thatsache  ist,  dass  Kriegsjahre  in  jeder  Be* 
Ziehung  ungünstig  auf  die  wirthschaftliche  Lage  eines  Volkes  wir- 
ken, so  natürlich  auch  auf  die  Staatseinnahmen,  die  ja  immer,  so  zu 
sagen,  ein  Produkt  der  Volks wirthschaft  im  engeren  Sinne  sind;  die- 
sem verminderten  Einiliessen  der  Einnahmen  stehen  dann  auch  noch 
regelmässig  vermehrte  Ausgaben»  bedingt  durch  eben  jene  selben 
Kriegsverhältnisse,  gegenüber.  Traten  diese  Erscheinungen  bereits 
beim  Budget- Abschluss  fiir  das  Jahr  1876  zu  Tage,  wie  wir  dies  seiner 
Zeit  in  unserem  Referat  über  dasselbe  (vgl.  «Russ.  Revue»  Bd.  XI, 
S.  557  u.  ff.)  hervorgehoben,  so  ist  dies  in  noch  viel  höherem 
Grade  beim  Budget- Abschluss  Tür  das  Jahr  1877  ^^^  ^^^^  gewesen; 
überwogen  1876  die  ReicAsaus£^a6en  (ordentliche)  die  Rekhsemnah' 
nun  (ordentliche)  um  5,538,368  Rbl.,  so  1877  "^i  30,003,211  Rbl. 

Ehe  wir  zur  Betrachtung  der  Ausführung  des  Budgets  für  das 
Jahr  1877  übergehen,  schicken  wir  noch  eine  kleine  Tabelle  über 
die  Reichseinnahmen  und  Ausgaben  seit  dem  Erscheinen  der  Reichs- 
kontrollberichte (1866)  voraus. 

Einnahmen  Ansgmben    Die  Einnahmen  ergaben 

(Tansende  Rubel.)  ^!^S^  ^^  Ausgaben 


1866 

352,896 

413,298 

—  60,603 

1867 

419,838 

424,904 

—  5,066 

1868 

421,560 

441,282 

— 19,722 

1869 

457,496 

468,798 

—  11,302 

1870 

480,559 

485.482 

—  4,923 

1871 

508,188 

499.735 

+  8,453 

1872 

523,057 

523.077 

—  0,020 

»873 

537,942 

539,140 

-  1,198 

1874 

557,734 

543,317 

+ 14,417 

1875 

570,493 

543,222 

+  33.271 

1876 

559,263 

573,107 

— 13.844 

1877 

548,831 

585,04s 

—  36,214 

Die  Einnahmen  des  Jahres  1877  waren  auf  558,205,223  Rbl.  ver- 
anschlagt worden,  effektiv  sind  aber  nur  548,830,831  Rbl.  einge- 
kommen, was  9,374,392  Rbl.  oder  1,68  pCt  weniger,  als  veran- 


S40 

schlagt  worden,  ausmacht,  gegen  die  efTektiven  Einnahmen  des  Jah« 
res  1876  stehen  die  des  Jahres  1877  um  10,431,861  oder  1,86  pCt. 
zurück.  1876  hatten  dagegen  die  effektiven  Einnahmen  den  Voran- 
schlag doch  noch  um  0,45  pCt.  überstiegen,  gegen  die  effektiven 
Einnahmen  des  Jahres  1875  aber  waren  sie  sogar  um  2,99  pCt  zu- 
rückgeblieben. 

Aus  folgenden  35  Einnahmeposten  stellt  sich  die  Gesammtein- 
nahme  zusammen;  die  beistehenden  Ziffern  beziehen  sich  auf  den 
effektiven  Ertrag  des  Postens  im  Jahre  1877.  Die  Positionen  folgen 
in  jeder  Kategorie  nach  der  Grösse  ihres  Betrages: 

Effektiv  ein-        Mehr    oder     weniger 
gekommen    gegen  d.  Voranschlag      gegen  1876 

A)  Steuern:  R  u  b  e  l. 

1)  Getränkesteuer.     .  189,676,512  —2,867,587  —1,664,611 

2)  Direkte    Steuern 

gCopf-,  Grund-  und 

ebäudesteuer)     .  116,998,379  —  1,672,872  —  1,442,348 

3)  Zoll 52,065,434  —  5,450,560  —19,024,140 

4)  Handels-  und  Ge- 
werbesteuer.   .    .  14,444,645  —  501,355  —     399,210 

5)  Tabakssteuer    .     .  12,017,952  +  i:39i»9S2  +  1,500,361 
6^  Salzsteuer    .    .    .  10,163,725  —  968,853  —1,283,408 

7)  Stempelsteuer  .     .  9,365,965  —  234,035  —     681,101 

8)  Rübenzuckersteuer  6,775,820  -f  973,320  -f-  1,7^2,823 

9)  Eintragungs-    und 

Kanzleigebühren  .  6,709,125  —  1,000,875  —      269,6x9 

10)  Passgebühren   .     .  2,629,052  —  93,948  -f       95,416 

11)  Schifffahrtsabgaben  674,220  —  60.913  —          3.831 

12)  Chausseegeld    .    .  322,452  -f  162,326  +      148,001 

13)  Nicht  besonders  be- 
nannte Abgaben  ,  2,425,042  —  46,988  —      154,683 

424,268,323     —10,370,394    —21,396,350 

B)  Regalien: 

14)  Post 12,364.195  +  1,432,802  +  1,465,342 

15)  Telegraphen    .     .  6,738,655  +  i,347i655  +  ^383t7S8 

16)  Bergwerke  .     •     .  2,711,687  4.  230,029  —  366,703 

17)  Münze     ....  1,930,384  —  1,819,011  —  1,^83,079 

23,734,921     +  i.i9i»475     +     799,318 

Q  Erträgnisse  der 
Staatsgüter: 

18)  Forsten   ....        9730,225    —     744,377     +     238,470 

19)  Theilpachtungen 
(Mühlen ,    Fische- 
reien u.  s.  w.)  .    .        5,912,685     +       32,172    —     153,099 


54J 

20)  Verkauf  von  Staats- 
Immobilien  .    .    .        4,217,188    —     457,864    —       75^857 

2 1)  Hüttenbetrieb  und 

Bergbau  .     .    .    •        3,818,509    —     44^,375     +     817,791 

22)  Eisenbahnen     ;    .         1,511,861     —  2,430,708    —      156,216 

23)  Grundzins  und  an- 
dere Abgaben  der 
Kronsbauern  und 
Ansiedler  auf  den 
Kronsländereien  in 
den  baltischen  Pro- 
vinzen   696,821     —        18,860    —        12,827 

25,887,289    —  4,066,012     +     658,262 

D)  Verschiedine  Ein- 
nahmen: 

24)  Obligationszahlun- 
gen Seitens  der  ]Q- 

senbahnen    .     .     .       16,200,410     -f-        67,966     4.  4,102,357 

25)  Zufällige  Einnahm.        8,246,300     -|-         4»I3I      f   1,009,560 

26)  Zahlungen  von  den 
Selbstverwaltungs- 
körpern aus  den 
Kommunalabgaben 
an  die  Staatskasse. 

27)  Einnahmen  aus 
Transkaukasien 

28)  RückersUtt.Staats- 
darlehen .... 

29)  Zinsen  von  der  Kro- 
ne gehörigen  Kapi- 
talien, Gewinne  von 
Bankoperat.  u.  s.  w» 

30)  Verkauf  von  Krons- 
inventar und  wirth- 
schaftlichen  Pro- 
dukten des  Staates 

3 1 )  Einnahmen  a.  land- 
wirthschaftlichen  u. 
technisch.  Etablis- 
sements d.  Staates, 
sowie  für,  von  der 
Regierung  heraus- 
gegebene   Bücher 

und  Journale     .     .         1,089,756    —        12,548     -f       46,393 

32)  Strafgelder  .     .     .  75«»237     —      133,376    —      181,223 


71964.157 

—    735,784 

+  2,502,343 

7,122,120 

—    245,507 

-    369,939 

5,004,826 

+  1.952,967 

—  1.793,900 

2,402,407 

—  600,169 

-    380,293 

2,258,412 

-1-    835,161 

+    554,851 

542 


33)  Zahlungen  der  Pri- 
vatschiüerinKrons- 
anstalten.    •    .    • 

34)  Zeitweilige  Zollab- 
gaben für  beson- 
dere Zwecke     •    • 

35)  Durchgehende  Ein- 
nahmen (recettes 
d'ordre)  . 


451,194     +         8,846     +        22,936 


135,542     —      164,458 


208,032 


•     • 


23,313.937     +  2,893,310     +  4,201,856 


Im  Ganzen    . 


74,940,298 
548,830,831 


-f  3,870,539  91506,909 

—  9,374-392    —10,431,861 


Von  diesen  35  Einnahmeposten  haben  13  mehr,  als  für  sie  veran- 
schlagt worden,  ergeben,  und  zwar  zusammen  11,332,638  Rbl.,  die 
übrigen  22  dagegen  weniger,  zusammen  20,707,030  Rbl.  Gegen 
ihren  effektiven  Ertrag  im  Jahre  1876  sind  doch  noch  14  Einnahme- 
posten  um  zusammen  19,872,258  Rbl.  gestiegen,  die  übrigen  21  Po- 
sten aber  zusammen  um  30,304,119  Rbl.  zurückgegangen.  Ihren 
Voranschlag  haben  am  bedeutendsten  übertroffen,  um  mehr  als 
I  MilL  Rbl. :  die  recettes  d'ordre  (um  2,89),  die  rückerstatteten  Staats- 
darlehen (um  1,95),  die  Einnahmen  von  der  Post  (um  143),  die  Ta- 
bakssteuer (um  i»39),  die  Telegraphen-Einnahmen  (um  1.35); 
hinter  demselben  blieben  aber  um  dieselbe  Summe  zurück:  der  Zoll 
(um  5,45)9  die  Getränkesteuer  (um  2,87),  die  Einnahmen  von  den 
Eisenbahnen  um  (2,43),  die  von  der  Münze  (um  1,82),  die  direkten 
Steuern  (um  1,67)  und  die  Eintragungs-  und  Kanzleigebühren  (um 
1,001).  Gegen  den  effektiven  Ertrag  im  Jahre  1876  wiesen  eine 
Steigerung  von  um  mehr  als  i  MilL  Rbl.  folgende  Einnahme- 
posten auf:  die  recettes  d'ordre  (um  4,20),  die  Obligationszahlungen 
Seitens  der  Eisenbahnen  (um  4,10),  die  Zahlungen  von  den  Selbst- 
verwaltungskörpern aus  den  Kommunalabgaben  (2,50),  die  Runkel- 
rübenzuckersteuer  (um  1,78),  die  Tabakssteuer  (um  1,50),  die  Ein- 
nahmen von  der  Post  (um  1,47),  vom  Telegraphen  (um  1,38)  und 
die  zufalligen  Einnahmen  (um  i,Oi);  eine  Verminderung  hingegen 
um  dieselbe  Summe :  der  Zoll  (um  19,02),  die  zurückgezahlten  Staats- 
darlehen (um  1,79)9  die  Einnahmen  von  der  Münze  (um  1,68),  die 
Getränkesteuer  (um  1,66),  die  direkten  Steuern  (um  1,44)  und  die 
Salzsteuer  (um  1,28). 

Betrachten  wir  nun  die  wichtigsten  Einnahmeposten  etwas  ein- 
gehender, wobei  wir  die  Ursachen,  die  ihre  Steigerung  oder  Ver- 
minderung bedingt,  speziell  hervorheben  wollen« 

Die  bedeutendsten  Ueberschüsse  in  Bezug  auf  ihren  Ertrag  im 
Vorjahre  gewährten,  abgesehen  von  den  durchgehenden  Einnah- 
men,  die  mZaMungen  der  Eisenbahngesellscfurften  für  ihre  ObUge^ 
Honen>^  welche  gegen  das  Vorjahr  4,102,357  Rbl.  und  gegen  ihren 
Voranschlag  67,966  Rbl.  mehr  ergaben.  Diese  verstärkten  Stählungen 
wurden  bedingt  durch  grössere  Rentabilität  einiger  Eisenbahnlinien^ 


544 

Als  Grund  hiervon  muss  das,  am  6.  Juni  1877  Allerhöchst  bestätigte 
Reichsraths-Gutachten  über  die  am  i.  Januar  1877  erfolgte  Einfüh- 
rung eines  erhöhten  Banderollen-Tarifs  angesehen  werden.  Diese  in 
Aussicht  stehende  Erhöhung  der  Abgabe  veranlasste  eine  verstärkte 
Tabaksproduktion,  um  den  Tabak  noch  unter  bestehender  niedrigerer 
Banderolle  in  den  Kauf  gelangen  zu  lassen. 

Die  Einnahmen  von  der  •PosU  und  den  ^c Telegraphen*  hatten 
1877  gegen  1876,  erstere  1,465,342  Rbl.,  letztere  1,383758  Rbl.  und 
gegen  ihren  Voranschlag  erstere  1,432,802  Rbl.  und  letztere 
1,347,655  Rbl.  mehr  ergeben.  Als  wesentlicher  Grund  für  diese 
Steigerung  ist  der  Einfluss  des  Krieges  anzusehen. 

Die  bedeutendste  Mindereinnahme  im  Jahre  1877,  sowohl  gegen 
den  Ertrag  v.  l876als  auch  gegen  ihren  Voranschlag  weisen  die  •Zölle» 
(Einnahmeposten  3  und  34)  auf.  Hinter  ihrem  Ertrage  im  Jahre 
1876  sind  sie  um  19,232,172  Rbl.  und  hinter  ihrem  Voranschlage 
um  5,615,024  Rbl.  zurückgeblieben;  erklärt  wird  dieses  ausser- 
ordentlich starke  Sinken  des  Ertrages  dadurch,  dass,  in  Folge  der 
auf  den  i.  Januar  1877  festgesetzten  Inkrafhretung  des  Gesetzes  vom 
IG.  November  1876  über  die  Erhebung  des  Zolles  in  Goldvaluta, 
Ende  Dezember  1 876  der  Import  zollpflichtiger  Waaren  grossartige 
Dimensionen  annahm  und  ausserdem  auch  noch  alle  auf  Lager  be- 
findlichen Waaren  vor  dem  Antritt  des  Jahres  1877  verzollt  wurden, 
somit  bereits  1876  ein  nicht  unbedeutender  Betrag  an  Zoll  einfloss, 
der  bei  sonst  normalen  Verhältnissen  faktisch  erst  1877  eingegan- 
gen wäre.  Der  für  Rechnung  des  Jahres  1877  bereits  1876  eingelau- 
fene Zoll  darf  auf  ca.  12  Mill.  Rbl.  angenommen  werden.  (Näheres 
hierüber  in  unserem  Handelsbericht  für  das  Jahr  1876^  «Russ.  Re- 
vue» Bd.  XII,  S.  115  u.  ff.).  Zieht  man  diese  12  Mill.  Rbl.  mit  in  Be- 
tracht, so  wären  die  2^lleinnahmen  im  Jahre  1877  nicht  nur  nicht 
hinter  denen  im  Jahre  1876  zurückgeblieben,  sondern  hätten  sie  so- 
gar noch  übertroffen.  Dasselbe  gilt  auch  von  ihrem  Voranschlage, 
der  vor  Publizirung  des  Gesetzes  über  die  Erhebung  des  Zolles  in 
Gold  festgesetzt  worden  war. 

Die  ^zurückgezahlten  Staatsdarlehen»  erreichten  ihren  Ertrag  von 
1876  um  1,793,900  Rbl.  nicht,  ihren  Voranschlag  überstiegen  sie 
dagegen  um  1,952,967  Rbl.  Der  Mehrertrag  gegen  den  Voran- 
schlag ist  eine  Folge  grösserer  Rentabilität  einiger  EisenbahnUnien, 
so  namentlich  der  Grossen  russischen  Eisenbahngesellschaft  und  der 
Dünaburg-Witebsker-Linie,die  esden  betreffenden  Gesellschaften  er- 
möglichte, grössere  Rückzahlungen  zu  machen.  Das  Zurückbleiben 
gegen  den  Ertrag  im  Vorjahre  erklärt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 
die  Grosse  russische  Eisenbahngesellschaft  der  Krone  1876  zur  end- 
giltigen  Regulirung  ihres  Schuldverhältnisses  3,614,780  RbL  gezahlt 
hatte,  1877  aber  eine  solche  Zahlung  nicht  mehr  zu  erfolgen 
brauchte. 

Die  Einnahme  aus  der  •Münze*  war  hinter  der  des  Vorjahres  um 


54Ö 


Herbeigeführt  wurde  dieses  Resultat  wohl  zumeist  durch  eine,  vom 
Kriege  bewirkte  Verminderung  der  im  Jahre  1877  efTektuirten 
Käufe  und  Verkäufe  und  sonstiger,  der  Stempelgebühr  unterliegen- 
der Abmachungen. 


_  » 

Betrachten  wir  nun  die  Ausgaben  in  derselben  Weise,  wie  es  mit 
den  Einnahmen  geschehen. 

Die  Gesammtausgaben  waren  nach  der  Budgetvorlage  für  das  Jahr 
1877  mit  552,196,701  Rbl.  veranschlagt  worden,  haben  aber  eflfek- 
tiv  .1,014,372,899  Rbl.  betragen;  da  jedoch  von  dieser  Summe 
429,328,089  Rbl.  auf  ausserordentliche  Ausgaben  entfallen,  welche 
wir  weiter  unten  getrennt  für  sich  betrachten  werden,  so  kommt  auf 
die  ordentlichen  Ausgaben  die  Summe  von  585,044,810  Rbl.  Diese 
Ziffer  ist  denn  auch  den  folgenden  Vergleichen  überall  zu  Grunde 
gelegt  worden.  Die  585,044,810  Rbl.  übersteigen  die  Ausgaben  des 
Voranschlags  um  32,848,110  Rbl.  oder  5,99  pCt.  und  die  effektiven 
Ausgaben  im  Jahre  1876  (573,107,058  Rbl.)  um  11,937,753  Rbl. 
oder  2  pCt.,  während  die  Ausgaben  des  Jahres  1876  gegen  1875 
um  29,885,537  Rbl.  oder  5  V*  pCt.  gestiegen  waren.  Ihren  Voran- 
schlag hatten  die  effektiven  Ausgaben  18/6  um  22,448,709  Rbl. 
oder  474  pCt.  überstiegen.  Wir  lassen  die  Ausgabeposten  in  der 
Ordnung  folgen,  wie  sie  im  Budget  aufgeführt  sind. 


1.  Das 

2.  Die 

3.  Der 

4.  Das 

5. 
6. 

7. 
8. 

9. 
10. 

II. 

13. 


» 

n 
» 


» 


13.  » 

14.  Die 

15.  • 

f6.    » 


Reichskreditsystem 

höchsten  Reichsbehörden    .    , 

heilige  Synod 

Ministerium  des  Kaiserl.  Hofes 
»    Auswärtigen 

•  Krieges     . 
der  Marine  .    . 

•  Finanzen    . 
»   Domänen  . 

des  Innern 
der  Volksaufklämng 
»   Wegeverbindun 
gen    ,    .    . 
»  »   Justiz     .    . 

Reichskontrolle 

Gestütverwaltung 

Civilverwaltung  Transkaukasiens, 


Im  Ganzen 


Effektive 
Ausgaben 

R 

115,086,33a 

2,634,233 

10,063,773 

9,479.051 

3.862,788 

190,087,258 

28,102,116 

84,066,332 

i9»707,490 
54,074,818 
15,660,762 

26,691,701 

15,488,298 

2,222,680 

768,875 
7>048,304 


Die  effektiven 
Gewährte     Ausgaben  1877 
Supplementär-       betrogen 
Kredite      gegen  die  1876 


u  b 

18,078,696 

634,820 

23,746 

2,509.774 
2,041,030 

399,376,882 

6,609,217 

28,334,559 

1,383,979 
2,607,309 

83,477 


l. 


+ 

+ 


5  741  517 
27,386 
190,383 
2,149,942 
620,308 
217,018 
993,«  «6 
+  3.767,466 
—        71,847 

+      421,599 
4-      472,092 


+ 
+ 


«8,543,542  +  2,176,928 

548,064  —      102,528 

33,550  +       37,961 

7,000  —       64,943 

40,967  +      150,047 

585,044,811    480,856,61a  +11,937175$ 


54f 

Im  Verhältniss  zu  den  efTektiven  Ausgaben  im  Jahre  1876  haben 
sich  im  Jahre  1877  ^^^  Ausgaben  bei  10  Verwaltungszweigen  zu- 
sammen um  14,571,417  Rbl.  vergrössert  und  bei  6  zusammen  um 
nur  2,633,664  RbL  vermindert. 

Wir  wollen  nun  im  Nachfolgenden  die  hervorragendsten  Momente» 
welche  bei  den  wichtigsten  Verwaltuogszweigen  eine  Vermehrung 
der  Ausgaben  veranlasst  haben,  näher  hervorheben,  unter  spezieller 
Berücksichtigung  der  Ausgaben  des  Jahres  1877  gegen  die  des  Jah- 
res 1876. 

Am  stärksten  sind  im  Jahre  1877  gegen  1876  die  Ausgaben  des 
^Rtichskrediisysiems*  gestiegen,  nämlich  um  5,741,517  Rbl.  und 
gegen  den  Voranschlag  um  6,040,137  Rbl.  Hervorgerufen  wurde 
diese  Mehrausgabe  durch  den  Umstand,  dass  im  Jahre  1877  die  erste 
Zinszahlung  für  die  5  pCt  Reichsbankbillete  4*  Emission  in  der 
Höhe  von  5,065,042  Rbl.  zu  erfolgen  hatte. 

Es  folgt  hierauf  das  ^Finamministeriuin^^  dessen  Ausgaben  gegen 
das  Vorjahr  3,767,466  Rbl.  und  gegen  den  Voranschlag  7,182,067 
Rbl.  mehr  betragen  haben.  Bedingt  wurden  dieselben  in  "erster 
Reihe  durch  die  bereits  bei  den  Einnahmen  erwähnte  Accise-Rück- 
erstattung  im  Betrage  von  3,306,177  Rbl.  für  exportirten  Zucker, 
nächstdem  durch  eine  Mehr- Ausgabe  von  2,241,380  Rbl.  für  den  An- 
kauf von  Gold  und  Silber  und  von  521,109  Rbl.  für  vermehrte  Dar- 
lehen an  Privatpersonen.  Vermindert  haben  sich  die  Ausgaben  in 
diesem  Ministerium  bei  den  Subsidienzahlungen  an  Aktiengesell- 
schaften um  1,105,304  Rbl.,  hauptsächlich  weil  die  Russische  Dampf- 
schifffahrts-  und  Handelsgesellschaft  in  Folge  der  Blokade  der  Hä- 
fen des  Schwarzen  Meeres,  ihre  Fahrten  einstellen  musste,  und  bei 
denHülfsgeldern  an,  auf  unbestimmte  Frist  entlassene  Untermilitärs, 
um  953,931  Rbl.,  da  solche  Entlassungen  1877  sistirt  wurden. 

Das  •Ministerium  der  Wegeverbindungen»  verausgabte  1877  ge- 
gen 1876  mehr  2,176,928  Rbl.  und  gegen  den  Voranschlag  mehr 
8,127,920  Rbl.  Eine  sehr  bedeutende  Zunahme  erfolgte  in  den  Ga- 
rantiezahlungen an  die  Eisenbahngesellschaften  theils  in  Folge  des 
Sinkens  unseres  Wechselkurses,  theils  aber  auch  wegen  der  Be- 
triebseröflfnung  einiger  garantirter  Eisenbahnlinien,  so  der  Fasto- 
wer, der  Orenburger  und  der  Weichsel-Bahn,  sowie  einer,  von  Neuem 
gewährten  Garantie  für  die  Aktien  der  Eisenbahnlinie  Moskau-Brest; 
alle  diese  Zahlungen  machten  zusammen  eine  Mehrausgabe  von 
2,440,032  Rbl.  erforderlich. 

Die  nachfolgende  Tabelle  zeigt,  welchen  Eisenbahngesellschaften 
auf  Grund  der  ihnen  gewährten  Staatsgarantien,  Subsidien  während 
der  letzten  fünf  Jahre  und  in  welcher  Höhe,  ausgezahlt  worden  sind 

35* 


548 


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549 

Aus  dieser  Tabelle  ist  ersichtlich,  dass  zu  den  bereits  18/6  auf 
eine  Garantie  Anspruch  besitzenden  Gesellschaften  1877  noch  vier 
neue  hinzugekommen  sind :  Grjasi-Zaryzin,  Fastow^  Orenburg  und 
die  Weichselbahn,  denselben  wurden  1877  Subsidien  im  Betrage 
von  8 1 4, 1 7  2  Rbl.  ausgezählt. 

DdiS  •Marine-Ministerium»  verausgabte  gegen  1876  993,1 16  RbL 
und  gegen  den  Voranschlag  2,264,238  Rbl.  mehr.  Diese  Summe 
ist  das  Resultat  aus  grossen  Mehr-  und  Minderausgaben  \  zu  ersteren 
gehört  ein  Darlehen  im  Betrage  von  2,241,390  Rbl.  an  die  Baltische 
mechanische  Werkstatt  und  Werft  für  den  Bau  von  eisernen  Fahr- 
zeugen; zu  letzteren:  552,432  Rbl.,  die  weniger  verausgabt  wurden 
als  Gehalte  an  Meister  und  Lohn  an  Arbeiter  und  8oo,ooo  Rbl.,  die 
1876  zum  Ankauf  der  angeführten  Werkstatt  verwandt  worden 
waren  und  1877  ganz  in  Wegfall  kommen. 

Die  Steigerung  der  Ausgaben  im  ^Ministerium  des  Aeussem»  ge« 
gen  1876  um  620,308  Rbl.  und  gegen  den  Voranschlaig  um  888,219 
Rbl.  wurde  einerseits  durch  das  Sinken  unseres  Wechselkurses  her- 
beigeführt, was  eine  Mehrausgabe  von  335,000  Rbl.  erforderte^  aa^ 
dererseits  aber  auch  durch  manche  nöthig  gewordene  ausserordent* 
liehe  Ausgaben  einiger  unserer  Konsulate,  für  welchen  Zweck 
301,912  Rbl.  ausgegeben  wurden. 

Leider  fehlen  im  Rechenschaftsbericht  die  Angaben  darüber,  in 
welchen  Ausgabezweigen  das  ^Ministerium  des  Hofes^  seine  Aus- 
gaben um  die  beträchtliche  Summe  von  2,149,943  Rbl.  vermin* 
dert  hat. 

Ein  sehr  wichtiges  Moment  unseres  Ausgabe-Budgets  bilden  die 
Supplementar-Kredite^  denen  in  unserer  Finanzwirthschaft  stets  eine 
besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden  ist  und  die  man  stets 
bestrebt  war,  nach  Möglichkeit  zu  verringern.  Dass  Letzteres  mit 
Erfolg  geschehen,  zeigt  nachstehende  kleine  Tabelle,  aus  welcher 
zu  ersehen  ist,  dass  mit  Ausnahme  der,  von  uns  schon  gleich  zu  An* 
fang  als  anormal  bezeichneten  Jahre  1876  und  1877,  die  Supple* 
mentar-Kredite  seit  1869  von  Jahr  zu  Jahr  nicht  nur  in  ihrem  pro- 
zentualen Verhältnisse  zu  den,  durch  den  Voranschlag  gewährten  Kre- 
diten, sondern  auch  in  ihrer  absoluten  Höhe  konstant  abgenommen 
hatten : 


Gewährte 

In  Protenten 

Supplementar^Kredite.           des  VoranicUagi. 

1869- 

37,181,880  Rbl.              S'/spCt. 

1870 

35,801,426      1 

7»/«     . 

I87I 

35,698,066      . 

7«/,     . 

1872 

34,488,164      . 

7Vi    . 

1873 

26,367,822      . 

5V«     • 

1874 

33.695,125      ' 

4V«     • 

1875 

15,703,821       . 

2»/«      • 

1876 

21,616,803      1 

3'/*     » 

1877 

33»392.074    " 

5»/i    • 

550 

Die  Summe  von  32,892,074  Rbl.  gewährter  Supplementar-l^edite 
des  Jahres  1877  erhalten  wir  aus  der,  in  der  Tabelle  S.  546  angege- 
benen Summe  sämmtlicher  gewährter  Supplementar-Kredite  im 
Betrage  von  480,856,612  Rbl.,  wenn  wir  von  derselben  erstens 
441,115,001  Rbl.  für  ausserordentliche  Ausgaben,  auf  die  wir  noch 
zurückkommen  werden,  und  zweitens  noch  4»849,537  Rbl.  ab- 
ziehen, welche  letztere  Summe  von  dem  Kriegs-  und  dem  Marine- 
Ministerium  aus  ihrem  Reservefond  bestritten  werden  muss.  Die 
sich  alsdann  ergebende  Summe  von  32,892,074  Rbl.  macht  5^/4  pCt 
der  durch  den  Voranschlag  gewährten  Kredite  (552,196,701  Rbl.) 
ausi  1876  war  dieses  Prozentverhältniss  nur  3'/4  gewesen.  Der  Pro- 
zentsatz von  5^/4  ist  sehr  hoch  und  seit  dem  Jahre  1872,  wo  derselbe 
7Vt  betrug,  nicht  vorgekommen,  findet  aber  seine  sehr  natürliche 
Erklärung  in  den  aussergewöhnlichen* politischen  und  finanziellen 
Verhältnissen  des  Jahres  1877.  Nachfolgende  Tabelle  weist  die 
Supplementar-Kredit-Forderungen,  nicht  nach  den  Verwaltungs- 
Organen,  sondern  nach  gemeinsamen  Zwecken  gruppirt,  auf,  und 
zwar  vergleichsweise  für  die  fünf  letzten  Jahre: 

Die  Supplementar-Kredite  betrugen: 

1873.  1874.  »875.  1876.        1877. 

Rubel« 
I.  Fttr    Schlangen    der 
StaatsrAnleibcn  .    .    •    3,i88,353        ^64,978  —  394i9H    5i49lt450 

3.  Fflr  Ausgaben,  hervor- 
gerufen durch  ausseror- 
dentliche Umstände    .    7,051,508     8,997,45a     5,350,460     5,052,621     4,778,644 

3«  Für  Darlehen  und  Un> 
teitttttzungen  an  Privat- 
personen ,  in  Folge  von 
Mitsemten,  Feuerschä- 
den etc.   794.J97       727»«54       102,531         26,644       387f963 

4.  Fflr  Ausgaben,die  nach 
dem  Voranschlag  wohl 
annäherungsweise  be- 
stimmt werden, bei  de- 
nen sich  aber  später  die 
approximat  Schätzung 
in  Folge  höherer  Preise 
und    anderer   Gründe 

als  zu  niedrig  ergeben  10,858,261     5,809,726     5,409,103  10,632,488  l8,302|228 

5.  Für  Ausgaben  zur  Be- 
soldung ausseretatmäs- 

siger  Beamten     .   .    .       214,033        X53»53S  59i«47        350,^4        I4»«3S5 

6.  Für  Sr.  Majestät  zur 
Verfügung      gestellte 

Summen 720,426        76^t44i     i|077|074       957t^9       ^^S%1^ 

7.  Für  den  Unterhalt. neu 
eröffneter  und  fiir  die 
Erhöhung  der  Etats 
früher  bereits  eröffneter 

Regierungsbehörden   .       822,819     1,156,418        433|^73        764«III        S9I|X97 

8.  Für  Belohnungen,  Un- 
terstützungen nnd  Dar- 
lehen an  Civilbeamte 

und  ^mitärpersonen  .    Xi590,i42    3,437t97i     11620,387    i,3Hi709       Si8,S3i 


55» 


9*  Für  Neubauten  und  an- 
dere Unternehmungen , 
die  nach  dem  Schluss 
des  Budgets  entstanden    2,128,083     SiS^SiSSO     "iö5«i446     2,113,013    1,565,017 

26,367,822  23,695,125  15,703,821  21,616,80432,892,074 

Diese  Tabelle  zeigt,  dass  die  Summe  der  1877  gewährten  Supple- 
mentar-Kredite  gegen  das  Vorjahr  bei  6  Posten  sich  verringert  hat, 
bei  3  hingegen  bedeutend  in  die  Höhe  gegangen  ist,  am  stärksten 
beim  vierten  Posten,  was  durch  die,  in  einer  solchen  Höhe  noch  nie 
vorgekommene  Rückerstattung  der  Zucker-Accise  für  in*s  Ausland 
exportirten  inländischen  Zucker  und  durch  das  Sinken  unseres 
Wechselkurses  zu  erklären  ist;  nächstdem  bei  Posten  i  «Zahlungen 
für  Rechnung  der  Staatsanleihen*.  Der  Grund  hierfür  lag  in  der  1877 
zum  ersten  Male  zu  leistenden  Zinszahlung  für  die  5  pCt.  Reichs«* 
bankbillete  4.  Emission;  die  Steigerung  bei  Posten  3  rührt  theil« 
weise  von  den,  den  Landschaften,  in  welchen  sehr  zahlreiche  Mili« 
täreinberufungen  stattgefunden  hatten,  gewährten  Subsidien  hen 

Es  erübrigt  uns  nur  noch,  ein  Paar  Worte  über  die  im  Jahre  1876 
eflfektuirten  *  ausserordentlichen  Ausgaben*  zu  sagen,  ehe  wir  zur 
Darlegung  der  Bilanz  schreiten. 

Wie  schon  erwähnt,  wurden  zur  Bestreifung  der,  durch  den 
Kriegs-  und  die  politischen  Ereignisse  des  Jahres  1877  hervorgerufenen 
ausserordentlichen  Ausgaben  durch  gewährte  Supplementar-Kredite 
441,115,001  Rbl.  assignirt,  von  denen  effektiv  1877  429,328,089  Rbl. 
verausgabt  worden  sind,  und  zwar  für  folgende  Zwecke: 


Dazu  bereits  1876. 
Rubel.  Rubel. 


Für 

» 

» 

» 
» 
» 


GehaltCi  Diäten  u.  s.  w.  .     . 

Equipirungen 

Fourage    .     • 

Proviant    ....... 

Militär-  und  Frachtentransporte 
Bauten    und   andere,  durch  die  Ak 
tion  der  Armee  veranlasste  Arbeiten 
Geschütze  und  Gewehre .     .     .     ..    , 

die  Deckung  der  Kursdifferenz  beim 
Ankauf  von  Gold  für  die  Armee    .     . 

das  Sanitätswesen 

Anschaffung  von  Pferden  .  .  .  . 
unvorhergesehene  Ausgaben  im  Kau- 
kasischen und  Turkestanischen  Mili- 
tärbezirk   

ausserordentliche  Ausgaben  .  .  . 
Armirungsausgaben  vom  Marine-Mini- 
sterium      

Fahrten,  Depeschen,  Estaffeten     .    « 


66,341,906 
58,479,880 

54.5 19*925 
37,674,289 


4,572,782 

7,837,543 
3,981,712 
6,324,726 
5,406,393 


29,419,039    — 
22,324,162  9^071,422 


18,906,229 
11,621,718 
10,616,632 


1,035,105 
7,522,845 


5,617,873  1,388,665 

5,318,159  399,453 

4,287,712  1,503,412 

2,993,238  — 


55g 

Für  2^1ungen  an  die  rumänische  Regierung 

fiir  Lieferungen  etc.  an  unsere  Armee  11984,047  — 
B   die  Einberufung  der  Untermilitärs  zum 

Dienst 1,628,987  781,071 

>  die  Zivilverwaltung  in  Bulgarien    •    •  638,083  — 

>  sonstige  verschiedene  Ausgaben   .     ,  i »845 ,695  1,172,984 


Im  Ganzen    •  429,328,089  50,998,115 

480,326,203 

Zur  Deckung  dieser,  durch  den  Orientalischen  Krieg  herbeige- 
führten ausserordentlichen  Ausgaben  im  Betrage  von  480,326,203 
Rbl.  (bis  zum  i.  Januar  1878)  haben  folgende  Mittel  gedient:  der 
Ertrag  aui  der  4.  Emission  5  pCt.  Reichsbankbillete,  der  5  pCt. 
Orient- Anleihe  und  der  5  pCt.  auswärtigen  Anleihe  vom  Jahre  1877. 
Der  zu  erwartende  Ertrag  aus  der  4.  Emission  der  Reichsbank- 
billete im  Betrage  von  91^761,951  Rbl.  ist  im  L^aufe  des  Jahres  1877 
voll  eingekommen,  von  der  Orient- Anleihe  wurden  bis  zum  i.  Januar 
1878  153,832,390  Rbl.  und  von  der  auswärtigen  Anleihe  64,441,998 
Rbl.  realisirt,  im  Ganzen  also  310,036,339  Rbl.  Die  hiernach  zur 
Deckung  der  gesammten  ausserordentlichen  Ausgaben  (480,326,203 
Rbl.)  noch  fehlende  Summe  im  Betrage  von  i70,289r864Rbl  ist  von 
der  Reichsbank  entliehen  worden. 

Aus  den,  über  die  Ausgaben  gegebenen  Mittheilungen  ergibt  sich 
folgendes  Resultat: 

An  Krediten  nach  dem  Voranschlag  und  an  Supplementar-Kre- 
diten  für  die  gesammten  Reichsausgaben  (ordentliche,  wie  ausser- 
ordentliche) waren  im  Jahre  1877  11033,053,313  Rbl.  eröffnet  worden, 
von  dieser  Summe  wurden  effektiv  verausgabt  1,014,372,899  Rbl., 
es  verbleibt  demnach  ein  disponibler  Rest  an  Krediten  von 
18,680,413  Rbl.,  von  diesen  aber  dürfen,  laut  Budgetordnung,  das 
Kriegs-  und  das  Marine-Ministerium  2,093,099  Rbl.  zur  Vergrösse- 
rung  ihres  Ausgabebudgets  im  nächsten  Jahre  speziell  für  sich 
beanspruchen,  .da  ihre,  bei  der  Staatskasse  disponibel  gebliebenen 
Kredite  so  viel  betragen,  so  dass  die  Summe  der  bedingungslos  dis« 
ponibel  gebliebenen  Kredite  16,587,314  Rbl.  beträgt. 

Wir  gelangen  nun  zur  Bilanz  des  Budget-Abschlusses  für  das  Jahr 
1877,  welche  sich  folgendermaassen  gestaltet : 

Die  effektiven  Gesammtausgaben  haben  für  das  Jahr  1877,  wie 
wir  gesehen,  1,014,372,899  Rbl.  betragen;  von  dieser  Summe  kom- 
men aber,  wie  bereits  erwähnt,  429,328,089  Rbl.  auf  ausserordent* 
liehe  Ausgaben,  während  ferner  6,210,769  Rbl.  von  den  Ministerien 
des  Krieges  und  der  Marine  aus  ihrem  Reservefond  bestritten  worden 
sind, so  dass  578,834,042  Rbl.  durch  die  ordentlichen  Einnahmen  des 
Jahres  1877  hätten  gedeckt  werden  müssen.  Da  aber  die  gesammten 
effektiven  Einnahmen  des  Jahres  1877,  wie  wir  wissen,  nur  548^830,831 
Rbl.  betrugen,  so  ergibt  der  Budget-Abschlüss  für  das  Jahr  1877 
ein  Ueberwiegen  der  Ausgaben  über  die  Einnahmen,  oder  mit  an- 
deren Worten,  er  schliesst  mit  einem  Defizit  von  30,003,211  RbL  — 


554 

verblieben,  effektiv  kamen  aber  nur  40,466,047  Rbl.,  d.  h.  1.366^294 
Rbl.  oder  3  V4  pCt.  weniger  ein,  als  erwartet  worden;  1876  hatte 
der  Rückstand  5  pCt.  betragen.  Von  früheren  Rückständen  sind 
160,033  Rbl.  in  Folge  verschiedener  Ursachen  ganz  gestrichen  wor- 
den, so  dass  sich  die  Rückstände  im  Jahre  1877  um  1,206,261  Rbl. 
vergrössert  haben  und  am  i.  Januar  1878  demnach  18,220,233  RbL 
betrugen;  von  dieser  Summe  schuldeten  die  Gutsbesitzer  965,509 
Rbl.'Für  Rechnung  der  Ablösungssummen  sind  im  Laufe  des  Jahres 

1877  von  der  Reichsbank  folgende  Ausgaben  bestritten  worden: 
I.  für  Zinszahlungen  im  Ganzen  37,246,977  Rbl.  und  zwar  a)  für 
5-prozentige Bankbillete  16, 5 30,203  Rbl.,  b)  für  die  Ablösungsscheine 
1,121,996  Rbl.,  c)  für  die  5  Va-prozentige  Rente  6,059,774  Rbl.  und 
d)  für  die  Anleihen  der  früheren  Leihbanken  13,535,004  Rbl.;  2.  für 
Amortisation  im  Ganzen  6,359,749  Rbl.  und  zwar  a)  5-proz.  Bank- 
billete 3,290,050  Rbl.,  b)  5V2-proz.  Rentenscheine  660,700  Rbl.  und' 
c)  Anleihen  der  früheren  Leihbanken  2,408,999  Rbl.;  3.  Gehalte  und 
Gratifikationen  an  die  Beamten,  welche  die  Ablösungsoperationen 
führen  376,164  Rbl.,  und  4.  verschiedene  Ausgaben  76,720  Rbl.  — 
im  Ganzen  44,059,610  Rbl.* , 

C)  Die  Rückstände  in  den  Einnahmen  des  ReiclisschatzamUs, 

Am  I.Januar  1877  betrug  das  Guthabenen  des  Reichsschatzamtes 
422,673,899  Rbl.,  dazu  kamen  im  Laufe  des  Jahres  1877  ^^  neuen 
Forderungen  86,892,528  Rbl.  hinzu,  an  alten  wurden  30,214,309  RbL 
bezahlt,  und  9,456,703  Rbl.  auf  Allerhöchsten  Befehl,  als  auf  eine 
Rückzahlung  aussichtslose  Summe^  aus  dem  Guthaben  ganz  gestri- 
chen^  so  dass  das  Guthaben  des  Reichsschatzamtes  am   i.  Januar 

1878  469,895,414  Rbl.  betrug.  Von  diesen  Summen  schulden  dem 
Reichsschatzamte  die  Eisenbahngesellschaften  über  zwei  Drittel, 
nämlich  315,292,079  Rbl.,  ihre  Schuld  hatte  sich  im  Jahre  1877  um 
38,533,536  Rbl.  vergrössert.  Die  Rückstände  der  eigentlichen 
Reichseinnahmen  betrugen  am  i.  Januar  1878  97,868,404  RbL 
gegen  100,506,406  RbL  am  i.  Januar  1877,  also  hatten  s\t  um 
2,628,002  RbL  abgenommen.  Den  Rest  von  56,734,932  RbL  bilden 
verschiedenartige  Schulden,  wie  z.  B.  nicht  zurückgezahlte  Dar- 
lehen, Zahlungen  für  nicht  eingehaltene  Lieferungskontrakte,  noch  < 
nicht  vorgestellte  Abrechnungen  u.  dgl.  m. 

D)  Die  Staatsschulden. 

Die  gesammte Staatsschuld  betrug  ami.Januari877  1,941,590,224 
RbL  Für  die  Umrechnung  der  Anleihen  in  ausländischer  Valuta  in 
Rubel  ist  der  Tages-Durchschnittskurs  vom  30.  Dezember  1877 
(i23'/4  Cents  holl.  und  24  V«  Pence  =  i  Rbl.)  zu  Grunde  gelegt  wor- 
den. Im  Laufe  des  Jahres  1877  kamen  hinzu  200,700,000  RbL  und 
15,000,000  Pfd.  Sterl.y  letztere  machen  nach  dem  angeführten  Kurse 
146,938,775  Rbl.  aus.  Für  diese  Summe  sind  zwei  Anleihen  ge- 
schlossen und  700,000  Rbl.  repräsentiren  eine  Schuld  an  die  StPeters- 

*  Eine  ausführlichere  DarsteUung  über  den  Stand  der  Ablösangsoperationen  werden 
wir  im  i.  Heft  des  nächsten  Jahrgangs  bringen.  D.  Red. 


S5S 

burger  Städtische  Kreditgesellschaft,  welche  der  Staat  beim  Ankauf 
von  Liegenschaften  mit  übernahm. 

Die  neuen, Anleihen  wurden  unter  nachstehenden  Bedingungen 
kontrahirt:  r.  Die  5  pCt.  Orientanleihe  im  Betrage  von  200,000 ^OCX) 
Rbl.Avurde  auf  Grund  eines  Allerhöchsten  Ukases  vom  17.  Mai  1877 
in'^s  Reichsschuldenbuch  eingetragen.  Realisirungspreis  90  pCt. 
Tilgungsfrist  49  Jahre.  2.  Die  auswärtige  5  pCt.  Anleihe  vom  Jahre 
1877  ^^  Betrage  von  15,000,000  Pfd.  Sterl.  ist  auf  Grund  eines 
Allerhöchsten  Ukases  vom  27.  Mai  1877  in's  Reichsschuldenbuch  ein- 
getragen. Diese  Anleihe  ist  im  Auslande  laut  einer  Abmachung  mit 
dem  Bankhause  Mendelsohn  &  Co.  in  Berlin,  durch  Verkauf  der 
Obligationen  zu  74  pCt.  realisirt  worden.  Die  Tilgung  hat  auf  dem 
Wege  jährlicher  Ziehungen  im  Laufe  von  37  Jahren,  vom  i.  Juli  1878 
ab  gerechnet,  zu  erfolgen. 

Von  früheren  Schulden  sind  im  Laufe  des  Jahres  1877  für  15,282,521 
Rblgetilgt  worden;  so  dass  sich  die  gesammte  Staatsschuld  am 
I.januari878  auf  2,273,946,479  Rbl.  berechnet.  Die  umstehendeTa- 
belle  J  zeigt,  aus  welchen  Anleihen  sich  diese  Summe  zusammenstellt . 

E)  Die  Spezialfonds. 

Die  Gesammtsumme  aller  unter  Verwaltung  der  Regierung 
stehenden  Spezialfonds  betrug  am  i.  Januar  1877  177,400,533  Rbl. 
Im  Laufe  des  Jahres  1877  kamen  hinzu  28,236,542  RbL  —  gegen 
1876  (26,381,855  Rbl.)  1,854,687  Rbl.  mehr;  verausgabt  wurden 
18,497,641  Rbl.— gegen  1876  (17,208,234  Rbl.)  1,289,407  Rbl.  mehr, 
so  dass  am  i.  Januar  1878  die  Gesammtsumme  aller  Spezialfonds 
191,585,258  Rbl,  betrug,  d.h.  14, 184,720 Rbl. mehr, als  am  i.Jan.  1877. 

Folgende  Ausgaben  wurden  aus  diesen  Fonds,  je  ihrer  Bestim- 
mung nach,  bestritten : 

1.  Pensionen  und  Unterstüzungen  an  Civilpersonen,  welche  den 
Staatsdienst  verlassen,  und  an  Invaliden  4,136,986  Rbl. 

2.  Unterstützungen  und  Entschädigungen  bei  Feuerschäden, 
Missemten,  Viehseuchen  u.  s.  w.  3,157,714  Rbl. 

3.  Für  Bauten  und  Unterhalt  von  Regierungsgebäuden,  Kirchen» 
Monumenten  u.  s.  w.  1,705,452  Rbl. 

4.  Unterhalt  von  Lehranstalten,  und  Stipendien  2,506,909  Rbl. 

5.  Unterhalt  von,  der  Regierung  gehörenden  landwirthschaftlichen 
Anstalten,  Typographien,  Laboratorien  u«  s.  w.  1,605,634  Rbl. 

6.  Gehalte  und  Gratifikationen  der  Beamten,  welche  diese  Fonds 
verwalten  1,650,106  Rbl. 

7*  Für  Einquartirungen  528,660  Rbl. 

8.  An  GratiAkationen  für  die  Ersatzmänner  im  Militär  1,35 1,635  Rbl. 
9«  Für  verschiedene  Publikationen,  Prämien  für  Erfindungen  und 
wissenschaftliche  Werke,  Bibliotheken  und  Museen  377,696"RbL 

10.  Unterstützungen  an  Beamte  und  ihre  Angehörigen  306,467  Rbl. 

1 1.  Zur  Verbesserung  des  Unterhaltes  der  Anrestanten  770,823  Rbl. 

12.  Unterhalt  von  Asylen  und  Betten  in  Krankenhäusern  275 ,795  RbL 

13.  Verschiedene  Ausgaben  122,764  RbL 


556 


Stand  der  gesammteii  I 


I 

3 


3 
4 

5 
6 

7 
8 

9 

10 

II 

12 

»3 
14 
«5 

i6 
17 


i8 

19 

20 
31 

32 

«3 

«4 
«5 

36 

37 
38 

«9 


A)Ve  zinBliohe  Schulden. 

Erste  Holländische  Anleihe •   . 

Sechsprozentige  Anleihe 

Anmerk,     Diese  beiden  Schulden  wurden  1817  und  18 18  aus  vier  Anleihen  gebild 
denen  die  i.  und  4.  sur  Tilgung  der  Assignaten  kontrahirt  wurden,  die  2.  zur 
lung  der  Schuld  des  Reichsschatzamtes  an  die  Kriegs-  und  Marine-Ministerien 
3.  zur  Umwandlung  in  unkündbare  Billete  unantastbarer  Kapitalien,  die  sich 
Kreditinstitutionen  und  dem  Reichsschatzamte  befanden  und  Behörden  nnd  V 
tigkeitsanstalten  gehörten. 

Erste  (Unfprozehtige  Anleihe  zur  Einlösung  der  Assignaten     ••••..., 

Zweite  »  •         •  »  »  » 

Dritte  »  •         »    Deckung  ausserordentlicher  Ausgaben     •    . 

Vierte  >  »         »    Verstärkung  der  Mittel  des  Reichsschatzamtes 

Erste  vierprozentige        »         *  »  »       »       »  » 

Zweite  »  •       zum  Bau  der  St.  Petersburg-Moskauer  Eisenbahn 

Dritte  »  »»»»  >  «  » 

Vierte  »  »»»»  >  »  » 

Fünfte  »  »»»»  »•»  » 

Erste  viereinhalbproz.     •         »       »      »  »  •  » 

Fünfte  fönfprozentige     »       zur  Verstärkung  der  Mittel  des  Reichsschatzamtes 

Sechste         •  •»»»»»  » 

Vierprozentige  Rentenbillete,  um  den  Personen,  die  Einlagen  in  den  Banken  hatten,  ei 

theilhaftere  Anlage  ihrer  Kapitalien  zu  ermöglichen 

Dreiprozentige  Anleihe  zur  Verstärkung  des  Umwechslungsfonds  der  Kreditbillete 

Zweite  viereinhalbprozentige  Anleihe,  um  dem  Reichsschatzamte  die  Rückerstattttng  vo 

men,  die  es  zur  Unterstützung  der  Bankinstitute  veraasgabt  hatte,  als  die  E 

denselben  in  Masse  gekündigt  wurden,  zu  ermöglichen 

Fünfprozentige  unantastbare  Billete  der  inneren  unkündbaren  Schuld 

Vierprozentige  Metalliques  zur  Verstärkung  der  Mittel  der  Reichsbank 

Siebente  fünfprozentige  Anleihe  zur  Verstärkung  des  Umwechslungsfonds  der  Krdditbil 
Fünfprozentige  Reichsbankbillete  zur  Verstärkung  der  Kasse  der  Bank 

Erste  Englisch-Holländische  Anleihe  zur  Verstärkung  der  Mittel  des  Reichsschatsamtei 

Erste  Prämien-Anleihe,  um  der  Reichsbank  die  ^fittel  zu  geben  ihre  Operationen  sc 
theil  der  einheimischen  Industrie  zu  erweitem  und  den  Ausbau  der  wichtigstei 
bahnen  zu  fordern 

Zweite  Prämien- Anleihe,  zum  Ausbau  des  Eisenbahnnetzes 

Zweite  Englisch-Holländische  Anleihe  zur  Sicherstellung  der  auswärtigen  Zahlnns 
Reichsschatzamtes 

Fünfprozentige  Reichsbankbillete  zur  Tilgung  der  im  Umlauf  befindlichen  Kreditbillete 

Fünfprozentige  Reichsbankbillete  zur  Deckung  der,  durch  die  politischen  Verhältnisse 
gerufenen  ausserordentlichen  Ausgaben «   •   •   •   • 

Orient-Anleihe  zur  Deckung  der  durch  den  Krieg  hervorgerufenen  ausserordentlich« 
gaben 

FttnQ[Mroientige  auswärtige  Anleihe  vom  Jahre  1877  tum  selben  Zwecke     ...-••. 


« 


nid  «m  1.  Januar  1878. 


S57 


II' 

S     M 

lO. 


lüiufiiss. 


2. 


Jahr. 


in 

M 

c 


Ursprüngliche 

Höhe  der 

Anleihe. 


Zurückge« 

zahlt  bis 

zum  Jahre 

1877. 
6. 


Zurückge- 
zahlt im 
Jahre  1877. 


Höhe  der 
Schuld  am  l. 
Januar  1878, 

8. 


Gulden 
Rubel 


1798  u.  1815 
1817 


» 
» 


f.  Sterling 
Rubel 


r.  Sterling 


Rubel 

» 
;  Sterling 
Rubel 
Gulden  ( 
>f.  Sterl.j 


Rubel 

Gulden  \ 
•f.  Sterl.l 
Rubel 


.  Sterling 


1820 
1822 
1831 
1832 
1840 
1842 

1843 
1844 
1847 
1849 

1854 
1855 

1859 


1860 

» 
1862 
1863 

1864 


1866 


1869 
1876 
1877 


S 
6 


7« 


7> 


51,100,000 
94,639  727 


40,106,000 

43.000.000 

20,000,000 

20,000,000 

25,000,000 

8,000.000 

8.000,000' 

12,000,000 

14000,000 

5,500,000 

50000.000 

50,000,000 

154,138,802 
7.000.000 


6- 500  000 

288,377 
60000,000 

15,000000 

10,000.000 

47  933,000 

1. 93  7,800 


100,000000 
100,000,000 

31,357,000 
3,342,600 

15000,000 

100,000,000 

200.000,000 
15.000,000 


30,000,000   5oaooo 
48,725467   454,797 


20.788,020 

9,640,490 

19.986,000 

i9;99i'5oo 

20,000.000 

6,550.000 

6  475,000 

9,125,000 

9,600,000 

2,860,000 

17,588,000 

6,246,500 

276,903 
2,366.800 


1,460,000 

1 1,597*700 

843050 

6,809,000 

375,200 


5.330,000 
4,780.000 
3.457,000 
368,500 
1,215,000 


191,365 
441,280 


625.000 
200,000 
200,000 
300,000 
350.000 
110,000 
478000 
39,500 


186.300 


100,000 

1,063.800 

92400 

820,000 

33i*oo 


580,000 

550.000 

486,000 

51,900 

210/)00 
1,000,000 


20,600,000     100 
45,459.463  83-85 


19,126,615 

32,918,230 

14.000 

8,500 

4,375,000 

1.250000 

1,325,000 

2.575000 

4  050.000 

2.530,000 

31.934,000 

43714,000 

153,861,899 
4,446  900 


4,940,00p 

«88,377 
47*338,500 
15,000,000 

9.064.550 

40,304.000 

1,629400 


94  090,000 
94,670  000 
27,414,000 
2,922  200 
«3,575,000 

99.000.000 

200.000,000 
15.000.000 


68  st 
72,« 

79,»« 
87,0« 

86,4s 

90,41 

91, ST 
92,M 

9o,t7 
90,50 
89,7« 
91,»« 

100 
64,f4 


89,« 
100 
100 

9I,M 

n.  Kurs 

1 83,« 


I 


98,iö 
io7,e» 

83 
83 

92 

90 
74 


7,u 


7," 

6,M 

6,t* 
4,0s 

4,4fl 

4,«« 

4,*« 
4,tT 

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4,« 


5,0* 

5 

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5,*» 
4," 

6 

6,M 

5,« 

5,u 

6,f 


558 


30 
3« 


3« 


33 


B)  Sohulden  im  Lande  selbst  sa  yersohiedenen  Zeiten  kontrshirt 

Reichs-Schatzbillete  (Serien) 

Schulden  kontrahirt  bei  verschiedenen  Institutionen  und  Personen 

C)  Unyersinsliobe  Schuld. 

Reichs-Kreditbfllete 

Anmerk.     Am  I.Januar  1877  betrug  die  Schuld  735,222,035  Rbl.,  nach  Abzug  deri 
den  Metallfond  gedeckten  180,535,803  Rbl.  verblieben  554,686,222  Rbl.;   cum 
nuar  1878  verblieben  im  Umlauf  734,772,025  Rbl.,  nach  Abzug  der  durch  den  M 
fond  gedeckten  180,085,803  Rbl.  noch  554,686,222  Rbl. 

D)  Frühere  Anleihen  des  Zarthnms  Polen,  in  der  Folge  vom  BeiohsiOli 
amt  übernommen 

S  u  m  mft  • 


In  Rubeln  . 

Anmerk,  Die  Umrechnung  der  ausländischen  Valuta  ist  zum  Durchschnittskuise  vob 
Dezember  1877  gemacht  worden,  d.  h.  123'/«  Cents  und  24V>  Pence  =  i  Ruhe 
rechnet. 


Zu  dieser,  gleichfalls  dem  Rechenschaftsberichte  der  Reichskon- 
trolle entnommenen,  wenn  auch  in  der  Zasammenstellung  ein  wenig 
modifizirten  Tabelle,  sei  noch  Folgendes  bemerkt:  Die  Rubrik  10 
enthält  die  Verzinsung,  wie  sie  der  Regierung,  gemäss  dem  Realisi- 
rungspreise  der  betretenden  Anleihe,  zu  stehen  kommt.  Bei  zwei 
von  den  aufgeführten  Anleihen:  der  ersten  holländischen  (J\|  I  der 
Tabelle)  und  der  ersten  fünfprozentigen  vom  Jahre  1820  (Jiß  3) 
dißeriren  die  Angaben  der  Kontrolle  (also  auch  unserer  Tabelle) 
über  ihre  ursprüngliche  Höhe  mit  den  Angaben  in  allen  sonstigen 
Dokumenten.  Die  ursprüngliche  Höhe  der  ersten  Holländischen 
Anleihe  (Rubrik  5)  ist  mit  51,100,000  Gld.  angegeben,  während  sie 
50,600,000  Gld.  betragen  hat.  Woraufhin  die  erstere  Summe  von  der 
Kontrolle  angegeben  wird,  ist  aus  dem  Rechenschaftsberichte  nicht 
zu  ersehen,  der  am  i.  Januar  1878  verbleibende  Betrag  (Rubrik  8)  der 
Anleihe  stimmt  aber  wieder  mit  den  Angaben  über  diese  Anleihe  in 
anderen  Dokumenten,  so  dass  die,  zu  viel  angegebenen  500,000  Gld. 
in  dem  bereits  amortisirten  Betrage  der  Schuld  aufgegangen  sind« 
Ganz  dasselbe  gilt  auch  von  der  ersten  fünfprozentigen  Anleihe, 
deren  ursprüngliche  Höhe  in  unserer,  laut  Kontrollbericht  zusam* 
inengestellten  Tabelle  (Rubrik  $)  mit  40,106,000  Rbl,  angegeben 


559 


efuss. 


Jahr. 


a 

M 

.s 

N 


Ursprüngliche 
Höhe  der 
Anleihe. 


Zurückge- 
zahlt bis 
zum  Jahre 

1877. 
6. 


Zurückge- 
zahlt im 
Jahre  1877. 


.    7. 


Höhe  der 
Schuld  am  i. 
Januar  1878. 

8. 


P  ^ 

.3  a 

•  9- 


"  •  4 

«CO 

*o  S 
»  S 

10. 


bei 

i 


1822— -65 


4,»« 
5 


216000,000         — 
9,871,500     6,392,262 


554,686.222         — 


118.051,331   41,146,931 


491,727 


216,000,000 
2,987,51« 


554,686,222 


1,839.503       75064,897 


100 
100 


4,M 
S 


bei 

[den 

erling 


—         i"-    2,022,781,959266.297,822:  9107,372,  i,747.37i'765|     — 
130.390,000   40,266900    1,806,000       88,318,000     — 


— - I  —        54,280400     7'330ySoo|     481.400.      46,468.500;     — 


2,659,873,983 


370,644983 


15,282.521  2,273,946479 


4 


ist,  während  nach  allen  anderen  Dokumenten  dieselbe  rund  40  Mill. 
Rbl.  betragen  hat.  In  der  Rubrik  8  finden  wir  noch  nicht  amorti- 
sirte  Beträge  von  der  dritten  und  vierten  fünfprozentigen  Anleihe, 
obgleich  dieselben,  da  sie  1831  und  1852  auf  37  Jahre  kontrahirt 
wurden,  i.  d.  J.  1868  und  1869  bereits  ganz  getilgt  sein  mussten;  jene 
Beträge:  14,000  und  8,500  Rbl.  bestehen  also  in  bisher  nicht  zur 
Zahlung  vorgewiesenen  Billeten,  die  wohl,  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach,  im  Laufe  der  Zeit  verloren  gegangen,  verbrannt  oder  sonst 
auf  irgend  eine  Weise  vernichtet  worden  sind,  wesshalb  sie  auch 
bei  allen  weiteren  Ausführungen  als  vollständig  amortisirt  angese- 
hen und  daher  nirgends  mit  aufgenommen  worden  sind.  Abweichend 
von  den,  in  der  Tabelle  angegebenen  Daten  ist  ferner  im  Wei- 
teren stets  die  ursprüngliche  Höhe  der  ersten  Holländischen  Anleihe 
mit  50,600,000  Gld.  und  die  der  ersten  fünfprozentigen  Anleihe  vom 
Jahre  1820  mit  40  Mill.  Rbl.  angenommen  worden. — Die,  unter  X  33 
angegebenen  Anleihen  des  Zarthums  Polen  sind  aus  dem  Kontroll- 
bericht zusammengestellt  und  als  eine  für  sich  bestehende  Schuld 
betrachtet  worden.  Von  diesen  letzteren  Anleihen  ist  der  Betrag  von 
199,661  Rbl.  von  der  zum  I.Januar  1878  verbliebenen  Höhe  der 
Schuld  (Rub.  8)  unverzinslich. 


S6o 

Der  grösseren  Uebersichtlicbkeit  halber  sind  nun  alle  Anlei- 
hen Russlands  nach  ihrem  Charakter  in  der  Tabelle  11  zusammenge- 
fasst  worden.  A)  in  auswärtige  Anleihen:  a)  mit  bestimmtem  Tilgungs- 
termin, b)  ohne  einen  solchen,  und  B)  in  Innere  Anleihen:  a)  mit 
bestimmtem  Tilgungstermin,  b)  ohne  einen  solchen«  —  Was  die 
Tilgungstermine  der  auswärtigen  Anleihen  anbelangt,  so  ist  die 
erste  Holländische  Anleihe  {Ji  i  der  Tabelle  I)  auf  die  längste  Zeit* 
dauer  geschlossen,  nämlich  auf  loi  Jahre,  nächst  dieser  die  zweite 
viereinhalbprozentige  Anleihe  (J^  17):  auf  67  Jahre;  dann  folgen: 
die  erste  viereinhalbprozentige  Anleihe  (J^  12)  auf  50  Jahre,  die  fünf 
vierprozentigen  Anleihen  {HJi  7 — 1 1)  auf  40  Jahre^  und  endlich  auf 
den  kürzesten  Termin  von  nur  37  Jahren  die  beiden  EngUsch- 
Holländischen  Anleihen  und  die  auswärtige  Anleihe  vom  Jahre 
1877  (}^}t  22,  25,  29).  Die  Tilgungstermine  der  inneren  Anleihen 
sind  folgende:  Auf  die  längste  Zeitdauer  sind  hier  die  beiden  Prä- 
mien-Anleihen (im  23,  24)  kontrahirt  worden,  nämlich  auf  60  Jahre» 
zum  nächst  längstenTermin,  49 Jahre,  sind  die  fünfprozentigen  Reichs- 
bankbillete  vom  Jahre  1863  (K  21)  und  die  Orientanleihe  {}t  28)  emit- 
tirt  worden,  auf  diese  folgen  die  Metalliques  der  Reichsbank  (M  19) 
mit  einem  Tilgungstermin  von  41  Jahren  und  mit  dem  kürzesten  von 
37  Jahren,  wie  bei  den  auswärtigen  Anleihen,  ist  die  Emission  der 
Reichsbankbillete  vom  Jahre  1869  und  1876  \itJt  26,  27)  eflfektuirt 
worden.  Was  die  Reichsschatzbillete  {Jt  30)  anbetrif!t,  so  werden 
dieselben  stets  in  Serien  für  je  18  Mill.  RbL  auf  die  Dauer  von  8  Jahren 
emittirt,  doch  mit  dem  Vorbehalt,  dass  nach  eingetretener  Tilgungs- 
frist die  zu  tilgenden  Serien  durch  Emission  neuer  Serien  er- 
setzt werden;  die  am  I.Januar  1878  in  Umlauf  befindlichen  Serien 
(CCXI— CCXXII)  datiren  aus  den  Jahren  1869— 1873,  1875  und 
1876.  Die  Tilgungstermine  für  die  bei  veschiedenen  Personen  und 
Institutionen  kontrahirten  Schulden  (K  31)  und  den  Polnischen  An- 
leihen {Nt  33)  sind  so  mannigfaltige  und  vielfach  mit  so  komplizirter 
und  spezieller  Berechnung  verbunden,  dass  eine  Aufzählung  der- 
selben zu  weit  führen  würde. 

Für  alle  im  Laufe  des  Referates  vorkommenden  Umrechnungen 
ausländischer  Valuta  in  Metall-Rubel  und  in  Kredit-Rubel,  sowie  der 
Metall-Rubel  in  Kredit-Rubel  sind  folgende  Kurse  zu  Grunde  gelegt 
worden:  a)  bei  allen  Umrechnungen  ausländischer  Valuta  in  Metall- 
Rubel  der  Normalwerth,  d.h.  der  holländische  Gulden  ist  =  51,9 
Kop. ;  das  Pfund  Sterling  =  628  Kop.  und  der  Franken  =  25  Kop. 
Met.  gerechnet  worden;  b)  bei  allen  Umrechnungen  in  Kredit-Rubel 
der  Durchschnittskurs  vom  30.  Dezember  1877,  wie  dies  auch  im 
Rechenschaftsbericht  der  Reichskontrolle  geschehen,  derselbe  war 
für  die  holländische  Valuta  123^/4  Cents,  für  die  englische  24* /• 
Pence  und  für  die  französische  255  V«  Centimes  für  den  Rubel  Kred.; 
hiernach  stellt  sich  der  Werth  des  holländischen  Gulden  =  81  Kop., 
des  Pfund  Sterlings  =  980  Kop.,  des  Franken  =  39  Kop,  und  des 
Metall-Rubel,  nach  dem  Kurs  k  vue  auf  London  berechnet,  =  IS5)8 
Kop.  Kred. 


56i 


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Zur  Erläuterung  der  Tabelle  II  sei  erwähnt,  dass  von  den,  auf  Rubel 
lautenden  auswärtigen  Anleihen  diejenigen  als  Metall-Anleihen  an« 
gesehen  worden  sind,  deren  Coupons  auf  irgend  eine  ausiän- 
dische  Valuta  lauten.  In  der  4.  Rubrik  «Amortisationsquote  für  das 
Jahr  1878»  sind  nur  diejenigen  Kapitalbeträge  aufgeführt,  welche 
alljährlich  obligatorisch  zurückgezahlt,  d.  h.  durch  Ziehungen  getilgt 
werden  müssen,  nicht  aber  auch  die,  welche  die  Reichskasse  frei- 
willig durch  Ankauf  von  Papieren  amortisirt;  in  der  Rubrik  5  aber 
ist  die  gesammte  Verzinsung  verzeichnet.  Zur  genaueren  Informi- 
rung  darüber,  welche  einzelnen  Anleihen  wir  zu  jeder  Kategorie 
gerechnet,  sind  in  der  Rubrik  6  die  J\6J£  für  die  betreffenden  Anlei- 
hen der  Tabelle  I  angegeben. 

Es  ergibt  sich  nun  aus  Tabelle  11,  dass  Russlands  Verpflichtungen 
dem  Auslande  gegenüber  für  seine  eigentlichen  Staatsanleihen  — 
Anleihen,  die  in  das  Staatsschuldenbuch  eingetragen  sind  —  an  Ka- 
pitalrückzahlung und  Verzinsung  für  das  Jahr  1878  in:  a)  $.42y^goo 
Gulden  hoU.  oder  2,817,080  Rbl.  Met.,  b)  2,878,198  Pfd.  Steri.  oder 
18,075,083  Rbl.  Met,  c)  2,325,939  Rbl.  Met.,  d)  4,804,494Rbl.  Kred. 
also  zusammen  in  23,218, 102  Rbl.  Met.  und  4,804,499  Rbl.  Kred.  be- 
stehen. Dem  Inlande  gegenüber  betragen  die  Verpflichtungen 
4,259,995  Rbl.  Met.  und  54,202,513  Rbl.  Kred.,  im  Ganzen  also 
27,478,097  Rbl.  Met.  und  59,006,012  Rbl.  Kred. 

Von  den  eigentlichen  Staatsschulden  gehen  wir  nun  zu  denjeni- 
gen Schulden  der  Regierung  über,  die  letztere  für  Rechnung  Dritter 
eingegangen  ist,  es  sind  dies  die  Anleihen,  welche  für  die  Ablö- 
sungsoperationen und  für  Eisenbahnbauten  kontrahirt  wurden. 


A)    Die  Ablösungsoperationcn. 

Leider  fehlen  bis  jetzt  alle  genaueren  Daten  über  den  Stand  der, 
zum  Zwecke  der  Ablösung  emittirten  Papiere  pro  i.  Januar  1878. 
Aus  dem,  von  der  Hauptverwaltung  der  Ablösungsoperationen  ver- 
öfi'entlichten  Berichte  lässt  sich  nur  ersehen,  dass  den  Bauern  seit 
Beginn  der  Ablösungsoperationen,  d.  h.  seit  dem  27.  Oktober  1861, 
zum  Zweck  der  Ablösung  Vorschüsse  im  Betrage  von  710,105,166 
Rbl.  ertheilt  und  auf  Grund  dieses  Guthabens  der  Regierung  fol- 
gende Schulden  eingegangen  worden  sind: 

Rubel. 

1.  Von  der  Regierung  übernommene  Schuld  der  Guts- 

besitzer an  die  frühercnLeihbanken  imBetrage  von  295,319,448 

2.  Emission  von  Ablösungsscheinen  für I9l)548»350 

3.  Zweite  Emission  von  5  pCt.  Reichsbankbilleten  für  137,714,500 

4.  Emission  von  5V2  pCt.  Rentenscheinen  für    ,     .     .  82,241,499 

5.  Eflektuirte  Rückzahlungen  in  Baargeld  für     .     .     .  3,155,618 

6.  An  Strafgeldern,  Publikationen  und  sonstigen  Aus- 
gaben        125,751 

Im  Ganzen     .     710,105,166 


$63 

Der  erwähnte  Bericht  enthält  nun  ^  keine  weiteren  Daten  über 
die  jährliche  Verzinsungs-  und  Amortisationsquote  dieser  Schulden ; 
für  das  Jahr  1877  finden  wir  jedoch  im  Reichskontrollbericht  fol- 
gende Angaben: 

i)  An  Zinsen  wurden  gezahlt:  für  5  pCt.  Bankbillete  16^530,^03 
Rbl.,  für  jdie  Schuld  der  Gutsbesitzer  an  die  früheren  Leihbanken 
I3»555i004  Rbl.,  für  5*/«  pCt.  Rentenscheine  6,059,774  Rbl.  und  für 
Ablösungsscheine  1,121,996  Rbl.  —  im  Ganzen  37,246,977  Rbl. 
2)  Amortisirt  wurden:  5  pCt.  Bankbillete  für  3,290,050  Rbl.»  Schuld 
der  Gutsbesitzer  an  die  früheren  Leihbanken  für  2,408,999  Rbl. 
und  5*/i  pCt.  Rentenscheine  für  660,700  Rbl.  —  im  Ganzen  6,359,749 
Rbl.  3)  Für  anderweitige  Ausgaben  (Gehalte  der  Beamten  u.  s.  w.) 
finden  sich  452,884Rbl. ;  die  effektuirten  Gesammtausgaben  betrugen 
also  44,059,610  Rbl. 

Im  Reichskontrollberichte  ist  der  Betrag  der,  den  Bauern  seit 
Beginn  der  Ablösungsoperationen  bis  zum  1 4  Januar  1878  ertheilten 
Vorschüsse,  abweichend  von  der  oben  angegebenen  und  von  der 
Hauptverwaltung  der  Ablösungsoperationen  veröffentlichten  Summe, 
mit  708,321,818  Rbl.  verzeichnet;  der  Unterschied  soll  in  der  un« 
gleichartigen  Rechnungsführung  beider  Institutionen  seine  Erklärung 
^nden.  Die  Rückstände  bei  den  Ablösungszahlungen  der  Bauern 
betrugen  am  i.  Januar  1878  laut  dem  Rechenschaftsbericht  der 
Reichskontrolle  18,380,316  Rbl. 

B)  Du  EisenbaJinanleihen. 

Die,  bereits  unter  den  eigentlichen  Staatsanleihen  zum  Ausbau 
der  St.  Petersburg-Moskauer  Linie  erwähnten  Anleihen  (cf.  ^  8 — 12 
der  Tabelle  I),  welche  direkt  von  der  Regierung  für  eigene  Rechnung 
kontrahirt  wurden,  kommen  in  den  folgenden  Ausführungen  nicht  in 
Betracht,  weil  es  sich  hier  nur  um  diejenigen,  von  dem  Staat  kontra- 
hirten  Anleihen  handelt,  derenBestimmung  in  derErtheilung  von  Vor- 
schüssen zu  Eisenbahnbauten  an  verschiedene  Gesellschaften  lag. 
Den  Betrag  dieser  Schuld  müssen  die  Eisenbahngesellschaften  dem 
Staate  abzahlen,  und  zwar  entweder  durch  Ueberlassung  ihrer  Obli- 
gationen und  Aktien  an  die  Regierung,  oder  durch  Baarzahlungen  an 
die  Inhaber  der,  vom  Staate  emittirten  Eisenbahnobligationen.  Der 
Staat  bleibt  jedoch  der  Debitor,  woher  diese  Anleihen  denn  doch 
als  Staatsanleihen  betrachtet  werden  müssen,  wenn  sie  auch  nur  für 
Rechnung  der  einzelnen  Eisenbahngesellschaften  emittirt  wurden;  es 
bildet  daher  auch  ihre  jährliche  Amortisation  und  Verzinsung  einen 
Ausgabeposten  des  Reichsbudgets.  Wie  sich  die  Abrechnungen  zwi- 
sclien  den  Eisenbahngesellschaften  und  der  Regierung  am  i.  Januar 
1878  gestaltet  haben,  werden  wir  weiter  unten  sehen;  hier  soll  nur 
von  den  Verpflichtungen  die  Rede  sein,  die  der  Staat  übernommen. 

Die  uns  an  dieser  Stelle  beschäftigenden  Anleihen  sind  die  bei- 
den Emissionen  der  4  pCt.  Obligationen  der  Nikolai- Bahn  und  die 
Emissionen  der  konsolidirten  Eisenbahnobligationen. 

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Vorstehende  Tabelle  HI  gibt  sowohl  über  die  ursprüngliche  Höhe 
jeder  Anleihe,  als  auch  über  ihren  Stand  am  i.  Januar  1878,  sowie 
über  das  Jahr»  wann  eine  jede  kontrahirt  worden  ist,  über  ihren  TiU 
gungstermin,  ihren  Realisirungspreis  und  über  die  jährliche  Amor- 
tisations«  und  Verzinsungsquote  Aufschluss. 

Bei  der  Betrachtung  der  eigentlichen  Staatsanleihen  sahen  wir, 
dass  Russlands  Verpflichtuneen  dem  Auslande  gegenüber,  in  Bezug 
auf  Kapitalrückzahlung  und  Verzinsung  seiner  auswärtigen  Anleihen, 
im  Jahre  1878  sich  auf  23,218,102  Rbl.  Metall  und  4,804,  499  Rbl. 
Kred.  stellten;  laut  Tab.III.  kommen  nun  noch  27,656,943  Rbl.  Met. 
hinzu,  so  dass  jene  Verpflichtungen  dadurch  auf  50,875,040  Rbl.  Met, 
und  4,804,499  Rbl.  Kred.  angewachsen  sind.  Da  im  Laufe  des 
Jahres  1878  keine  neuen  auswärtigen  Anleihen  kontrahirt  wurden, 
so  können  diese  Ausfuhrungen  auch  für  das  künftige  Jahr,  oder 
einfach  bis  zur  Kontrahirung  neuer  Anleihen  gelten,  da,  was  KapitaV 
rückzahlung  und  Verzinsung,  namentlich  in  ihrer  Gesammtheit,  an- 
betrifft, keine  grossen  Veränderungen  vorkommen  können.  Denn 
nimmt  auch  bei  manchen  Anleihen  die  jährliche  Amortisationsquote 
zu,  so  vermindert  sich  doch  bei  allen  Anleihen  die  jährliche  Einzah« 
lung.  Ebenso  wenig  liegt  die  Gefahr  eines  Rückganges  in  den  Zoll- 
einnahmen  vor,  sondern  man  darf  bei  ihnen,  dem  gewöhnlichen 
Gange  der  Dinge  nach,  eher  auf  eine  Steigerung,  als  auf  eine  Ab- 
nahme in  ihrem  Ertrage  rechnen. 

Wir  gestatten  uns  nun  noch  einige  Worte  bezüglich  der  Verände- 
rungen im  Stande  unserer  inneren  Anleihen  im  Laufe  des  Jahres  1878. 
Es  sind  zu  den  bestehenden  Anleihen  noch  vier  neue  hinzugekom- 
men :  die  zweite  fünfprozentige  Orientanleihe  im  Betrage  vort  300 
Mill.  Rbl.  und  drei  Emissionen  kurz  terminirter  Reichsschatzschuld- 
scheine vom  10.  März,  4.  April  und  31.  Oktober,  jede  Emission  im 
Betrage  von  50  Mill.,  da  jedoch   der  Tilgungstermin  ein  sechs- 
monatlicher ist,  so  müssen  zwei  Emissionen,  die  al  pari  realisirt  und 
mit4Vs  pCt.  verzinst  wurden,  bereits  wieder  getilgt  worden  sein; 
diese  beiden  Emissionen  fallen  also,  als  amortisirt,  weg,  es  verbleibt 
demnach  nur  die  dritte  Emission,  die  al  pari  emittirt  worden  und  mit 
4  pCt.  verzinst  wird,  ihre  Verzinsung  beträgt  demnach  i  MiÜ.  Rbl. 
Die  zweite  Orient-Anleihe  ist  zu  93  pCt.  realisirt  und  auf  49  Jahre 
kontrahirt  worden,  ihre  Verzinsung  für  den  Staat  beträgt  5  pCt., 
gemäss  dem  Realisirungspreise  5,38  pCt;  Tür  die  Amortisation  sind 
jährlich  V«  pCt.  von  der  ursprünglichen  Höhe  der  Anleihe  bestimmt, 
also  I  Va  Mill.  Rbl.,  dieselbe  erfolgt  durch  Ankauf,  so  lange  die  Obli- 
gationen unter  pari  stehen,  auf  dem  Wege  von  Ziehungen,  sobald 
der  Preis  an  der  Börse  über  pari  steigt. 

Wenn  wir  Alles  Vorhergehende  in  Berücksichtigung  ziehen  (mit 
Ausschluss  des  Kapitalschuldbestandes  der  Ablösungsoperationen, 


5^7 

da  wir  über  die  Höhe  dieser  Schuld  am  i.  Janur  1878  leider  keine 
Daten  besitzen),  so  ergibt  sich  für  den  Stand  unserer  gesammten  ver- 
zinslichen Staatsanleihen  (die  unverzinsliche  Staatsschuld  —  das  Pa- 
piergeld —  haben  wir  bei  allen  unseren  Ausführungen  unberück- 
sichtigt gelassen)  Folgendes:  Der  Kapitalschuldbestand  der  inneren 
Anleihen  betrug  am  i.  Januar  1878  nach  Tab.  II  S.  561  68,046,217 
Rbl.  Met.  und  983,353,980  Rbl.  Kred.,  von  ersteren  mussten  im 
Laufe  des  Jahres  1878  1,542,439  Rbl.,  von  letzteren  5,501,142  Rbl. 
amortisirt  werden,  auf  der  anderen  Seite  aber  kommen  zum  Bestände 
35oMill.  Rbl.  Kred.  hinzu  —  die  zweite  Orientanleihe  mit  30oMill.  RbL 
und  die  3.  Emission  kurzterminirter  Reichsschatzschuldscheine  mit 
50  Mill.  Rbl.  —  so  dass  der  Kapitalschuldbestand  der  inneren  An- 
leihen am  I.  Januar  1879  im  ungünstigsten  Falle  66,503,778  Rbl.  Met 
und  1,327,852,838  Rbl.  Kred.  betragen  wird.  Die  Amortisationsquote 
der  inneren  Metallanleihe,  sowie  die  Verzinsung  derselben  haben  im 
Jahre  1878  keine  Veränderung  erlitten,  wir  nehmen  sie  desshalb  auch 
für  i879in  dergleichen  Hohean,  erstere  mit  i,  542,439  Rbl.  und  letzter^ 
mit  2,71 7,5  56Rbl.  Die  Amortisationsquote  der  inneren  Kreditanleihen 
ist  hingegen  im  Laufe  des  Jahres  1878  um  1  V«  Mill.  Rbl.  (jährlich 
zu  amortisirender  Betrag  der  zweiten  Orientanleihe)  und  die  Verzin- 
sung in  Kredit-Rubeln  um  16  Mill.  Rbl.  (15  Mill.  Rbl.  Zinsbetrag  für 
die  zweite  Orientanleihc  und  i  Mill.  Rbl.  Zinsbetrag  für  die  dritte 
Emission  kurzterminirter  Reichsschatzschuldscheine)  gestiegen;  er- 
stere stellt  sich  daher  für  das  Jahr  1879  ^^^  7,001,142  Rbl.  und  letz- 
tere auf  ca.  64,701,371  Rbl.  Die  Daten  der  vorstehenden  Tab.  II, 
welche  übrigens  nur  auf  annähernde  Richtigkeit  Anspruch  machen, 
geben  uns  Aufschluss  über  den  Sta^d  der  gesammten  Staatsschuld 
Russlands  (auswärtige  und  innere  verzinsliche  Anleihen)  am  i.  Januar 
1879,  sowie  über  den  muthmaasslichen  Amortisations-  und  Verzin- 
sungsbetrag im  Jahre  1879.  Hierzu  muss  noch  bemerkt  werden, 
dass  der  Stand  der  Schuld  am  i.  Januar  1879  nach  dem  Stande  der 
Schuld  am  i.  Januar  1878  berechnet  worden  ist,  indem  fdie  Amorti- 
sationsquote für  das  Jahr  1878  in  Abzug  gebracht,  dort  jedoch,  wo 
solche  neu  zugekommen,  hinzugefügt  worden,  u.  s.  w.  Die  Obli- 
gationen der  Nikolai-Eisenbahn,  sowie  die  konsolidirten  Eisenbahn- 
obligationen sind  bei  der  Bestimmung  der  Kapitalschuld  und  der 
Amortisations-  und  Verzinsungsquote  mit  in  Betracht  gezogen  wor- 
den« Was  die,  für  Rechnung  der  Ablösungsoperationen  contrahirten 
Schulden  anbelangt,  so  sind  dieselben  aus  den  weiter  oben  ange- 
führten Gründen  in  den  Kapitalbestand  am  i.  Januar  1879  nicht  mit 
aufgenommen,  dagegen  ist  aber  der  auf  sie  entfallende  Amortisa- 
tions- und  Verzinsungsbetrag  in  die  Amortisations-  und  Verzin- 
sungsquote für  das  Jahr  1879  eingeschlossen  worden. 


Zum  Schluss  wollen  wir  nun  versuchen,  ein  Bild  von  dem  Stande 
der  Abrechnufigen    swisc/un    den  EisenbahngeselUctiafUn  utid  der 


568 

Regierung  zu  entwerfend  Es  handelt  sich  hier  sowohl  um  die,  Sei- 
tens der  Regierung  aus  dem  Ertrage  der  emittirten  konsolidirten 
Eisenbähnobllgationen  den  Eisenbahngesellschaften  zum  Ausbau 
ihrer  Linien  gewährten  Darlehen,  als  auch  um  die,  von  der  Regie* 
rung  auf  eigene  Rechnung  zu  einem  bestimmten  Kurse  von  den 
Eisenbahngesellschaften  übernommenen  Obligationen  und  Aktien 
derselben.  Eine  Darlegung  des  Schuldstandes  einer  jeden  einzelnen 
Eisenbahngesellschaft  würde  jedoch  zu  weit  führen,  wir  betrachten 
daher  im  Nachfolgenden  nur  den  Stand  der  Abrechnungen  aller 
Eisenbahngesellschaften  zusammen.  Vorher  aber  möchten  wir 
noch  alle  Eisenbahnlinien  aufführen,  zu  deren  Ausbau  die  Consols 
emittirt  wurden ;  die  Linien  folgen  nach  der  Höhe  des  auf  sie  ent* 
fallenden  Betrages : 

Pfä.  Sterl« 

1.  Odessa -    .    •  7»S9ii200 

2.  Moskau-Kursk 6,645,632 

3.  Libau-Romny 0,071,505 

4.  Koslow-Woronesh-Rostow 4»948,273 

5.  Kijew-Brest 41869,360 

6.  Losowo-Sewastopol *    .     .    •    .  3  «920.400 

7.  Rjashsk-Wjasma 3,584,920 

8.  Rostow-Wladikawkas    .     • 3*266,592 

9.  Tambow-Ssaratow 3|225,745 

10.  Moskau-Brest 3,124,800 

11.  Orenburg 3,083,400 

1 2.  Morschansk-Ssysran 2,792,346 

13.  Grjasi-Zarizyn •     .     .     .  2,584758 

14.  Weichselbahn *     •  2,490,000 

15.  Charkow-Nikolajew 2,242,560 

16.  Fastowo ,    .    .     .  1,763,520 

17.  Poti-Tiflis ' 1,694,500 

18.  Baltische  (Dorpat) 753^680 

19.  Moskau-Jarosslaw  (Wologda) 704,000 

20.  Mitau 541,632 

2|.  Nowotorshok  .    •     .     •     : 529,568 

22.  Riga-Dünaburg  (Bolderaa) 495f3^ 

23.  Schuja*Iwanowo  (Iwanowo-Kineschma)    .     .     .       407,808 

24.  Brest-Grajewo * 252,106 

Im  Ganzen    •    67»S939^5 


*  Wir  verweisen  den  Leser  in  Betreff  dieses  Gegenstandes  auf  die  im  «St.  PeCersbttr- 
ger  Kalender  fUr  1879»  ^^'^  gleichzeitig  in  den  «Statistischen  und  andern  wissenschaft- 
lichen Mittheilongen  aas  Russland»  XU  Jahrgang  enthaltenen:  «Uebersicht  der  Anlage« 
Kapitalien  (am  i.  Januar  1878)  und  der  Antheile  des  Staates  an  den  Eiienbahnnmer» 
nebmiingen  in  Rassland  (am  i.  Januar  1879)1  sosammengestellt  toii  5.  TasUrskemhsMj. 

D.Red. 


Stud  der  AbreehBimgen  zwiacken  der  Begienmg  mti 

Tib. 


Bestand  der  Sobald  Seitens  der  EfsenbshngesellBehaften  an  du 
Beieluselutiamt  am  1-  Janaar  1878. 


Höbe  der 
Schuld  am  1. 
Jux»  1877. 

ImL>nfedMjabml877 

Höliedet 

kunetinen  1     worden 

jM«t  .»78.* 

R        n        b        e        L 

LAU  ZüunhlnnEen   <md 
tioBcn  und  AVlin  .   .    . 

ISI.878.S66 
63,669,863 

S6,964.a85 
3.M6.829 

«,9I3,9»S 
i,6iS.«»4 

19,815,841 

993.44S 

S«.S4» 

«,766,864 

I7S>799.<H} 

terDarieh«n 

m.  Ad  RttcLiUnden  füc,  von 

AkU«      ....... 

IV.FBr,    den  GeidlKluften 
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treinra  HMctül     .   .   . 

6S.s3s.94S 
74,oi3iS«S 

ImGuiea. 

3TSi7S9>S43 

43>34S.390 

3,8ia,8S4 

3iS.S9S/>79 

S_7I 

len  ElseobahiigeBellsehafteii  am  1.  Jaaoar  1876- 


Die  Schuld  der  Eisenbahngesellschaften  an  das  Reichsschatzamt 
ist  hiernach  im  Laufe  des  Jahres  1877  um  39.532,536  Rbl.  oder  um 
14,3  pCt.  angewachsen.  Die  ganze  Summe  von  315,292,079  Rbl. 
ist  sonach,  wenn  auch  in  einer  Reihe  von  Jahren,  aus  den  allge- 
meinen Rcichseinnahmen  gedeckt  worden;  doch  darf  man  Angesichts 
der  wachsenden  Rentabilität  der  Eisenbahnen  hoffen,  dass  diese 
Rückstände,  wenn  auch  nicht  in  ihrem  ganzen  Betrage,  so  doch  zum 
grössten  Theil,  von  den  Gesellschaften  dem  Rcichaschatzamte  all- 
mälig  bezahlt  werden. 

Zum  Schluss  fuhren  wir  noch  alle  die  Eisenbahngesellschaften 
auf  (im  Ganzen  30],  welchen  eine  staatliche  Garantie  für  ihre  Zins- 
zahlungen und  Amortisationen  gewährt  worden  ist. 

1.  Grosse  Russische  Eisenbahn-  5.  Rjasan-Koslow. 
gesellschaft.  6.  Grjasi-Zarizya. 

2.  Moskau-Rjasan.  7,  Lodz. 

3.  Moskau-Jarosslaw.  8.  Rjashsk-Wjasma. 

4.  Kursk-Iüjew.  g,  Losowo-Sewastopol. 


S72 

10.  Morschansk-Ssysran.  21.  Baltische  Bahn. 

11.  Poti-Tiflis.  22.  Riga-Dünaburg. 

12.  Wolga-Don.  23.  Orcl-Witebsk. 

13.  Rjashsk-Morschansk.  24.  Mitau. 

14.  Rostow-Wladikawkas.  25.  Warschau-Bromberg. 

15.  Orel-Grjasi.  26.  Schuja-Iwanowo. 

16.  Charkow-Nikolajew.  27.  Warschau-Terespol. 

17.  Moskau-Brest.  28.  Fastowo. 

18.  Kursk- Charkow- Asow.  29.  Orenburg. 

19.  Koslow-Woronesh-Rostow.        30.  Weichselbahn. 

20.  Dünaburg-Witebsk. 

Die  diesen  30  Eisenbahnlinien  gewährte  staatliche  Garantie  be- 
trägt 481,824  Pfd.  Sterling,  18,614,975  Rbl.  Met.  und  9,546,686  Rbl. 
Kred.  (in  diese  Summen  sind  auch  die  Zahlungen  für  die  beiden 
Emissionen  der  4  pCt.  Obligationen  der  Nikolai-Bahn  im  Betrage 
von  7,200,000  Rbl.  eingeschlossen).  Im  Jahre  1877  sind  effektiv 
für  Rechnung  dieser  Garantien  16,069,890  Rbl.  ausgezahlt  worden. 
Diese  letztere  Summe  macht  von  der  Gesammtsumme  der  Garan- 
tien 43,270,642  Rbl.  Kred.  (nach  Umrechnung  der  Pfd.  Sterl.  und 
der  Metall-Rubel  in  Kredit-Rubel  zu  den  bereits  mehrfach  vorgekom- 
menen Kursen  vom  30.  Dezember  1877)  39,2  pCt.  aus,  oder,  wenn 
man  die  der  Grosseh  Russischen  Eisenbahngesellschaft  gewährte 
Garantie  im  Betrage  von  7,200,000  Rbl.  für  die  Obligationen  der 
Nikolai-Bahn  ausschliesst,  da  sie  nicht  mehr  beansprucht  wird,  von  der 
sich  alsdann  ergebenden  Gesammtgarantie  im  Betrage  von  36,070,642 
Rbl.  Kred.  —  44,5  pCt.;  1876  hatten  die  faktisch  ausgezahlten  Ga- 
rantien 39,4  resp.  49,0  pCt.  aller  gewährten  Garantien  ausgemacht, 
obgleich  die  erstere  Summe  nur  14,535,420  Rbl.  betragen  hatte, 
was  sich  durch  den  tieferen  Stand  unseres  Kredit-Rubels  1877  gegen 
1876  erklären  lässt.  Von  den  aufgeführten  30  Eisenbahngesell- 
schaften  haben  1877  nur  die  ersten  fünf  (1870  waren  es  die  sieben 
ersten  gewesen)  gar  keine  staatlichen  Garantien  beansprucht;  bei 
den  übrigen  Bahnen  schwankt  die  effektive  Zahlung  der  Regierung 
an  die  Gesellschaften  zwischen  10 — 100  pCt.  der  denselben  gewähr* 
ten  Garantien.  Für  die  drei  letzten  von  den  in  der  Tabelle  aufge- 
führten Bahnen  sind  1877  zum  ersten  Male  Garantiezahlungen  zu 
machen  gewesen,  da  die  Fastowo-Bahn  erst  am  26.  November  1876, 
die  Orenburger  am  i.  Januar  1877  und  die  Weichselbahn  am  1 8. 
August  1877  dem  Verkehr  übergeben  worden  sind.  Endlich  sei 
noch  bemerkt,  dass  im  Jahre  1877  das  auf  Metall-Rubel  lautende 
Aktienkapital  von  fünf  EisenbahngeseÜschaften,  nämlich  der  Fa- 
stower, der  Orenburger,  der  Weichselbahn,  der  Uralischen  und  der 
Rjashsk-Morschansker  Bahn  —  in  der  Höhe  von  zusammen 
25,860,545  Rbl.  in  ein  solches  auf  Kredit-Rubel  lautend  im  Betrage 
von  32,8421677  umgewandelt  worden  ist. 


573 


Kleine  Mlttheilnngen. 


(Zur  HandelsschilTfahrt  auf  der  L.ena.)  Wie  sehr  sich 
von  Jahr  zu  Jahr  in  Sibirien  der  Handelsverkehr  steigert,  beweisen 
unter  Anderem  folgende,  vom  tReg.-Boten»  mitgetheilten,  Daten 
über  die  Handelsschifffahrt  auf  der  Lena.  Von  den  Landungsstellen 
des  Gouvernement  Irkutsk  im  Bassin  der  Lena  sind  nach  Eröflhung 
der  Navigation  des  Jahres  1878  abgegangen:  169  Barken,  20  Halb- 
barken, 90 Handels-PauiskiV86 Karbase ^  i7Flösse  und  135  Waaren« 
böte,  im  Ganzen  517  Schiffe  und  Böte,  auf  welchen  sich  3633 
Dienende  und  Arbeitende  befanden.  An  Frachten  wurden  gelichtet: 
1,051,910  Pud,  250  Stück  Hornvieh,  104,400  Eimer  Spiritus  und 
5  Fässer  mit  gesalzenem  Fisch.  Das  Ganze  (mit  Ausnahme  von, 
ihrem  Werthe  nach  nicht  bestimmten  23,000  Pud)  repräsentirt  einen 
Werth  von  4,488,075  Rbl.  Die  Hauptfracht  bildete  Getreide,  wovon 
,859,960  Pud  (um  99,358  Pud  mehr  als  im  Jahre  1877)  eingenommen 
worden  sind.  Das  Getreide  (von  der  Ernte  des  Jaihres  1877)  kam 
hauptsächlich  aus  dem  Kreise  Balagansk.  Im  Vergleich  mit  dem 
vorigen  Jahre  beträgt  die  Differenz  zu  Gunsten  des  Jahres  1878:  an 
Schiffen  —  52,  an  Arbeitern  —  89,  an  Frachten  (ohne  Spiritus)  — 
72,967  Pud  und  an  Werth  —  1,172,747  Rbl. 


(Aktiengesellschaften.*)  Im  Laufe  des  Jahres  1877  wurden 
im  Ganzen  25  Aktiengesellschaften  mit  einem  Grundkapital  von 
22,575,000  Rbl.  Kred.  und  628,000  Rbl.  Met.  bestätigt.  Von  diesen 
25  Gesellschaften  waren  22  Handels-  und  Industriegesellschaften  mit 
einem  Grundkapital  von  20,825,600  Rbl.  Kred.  und  628,000  Rbl. 
Met.  (die  durchschnittliche  Grösse  einer  Gesellschaft  betrug  dem- 
nach 946,591  Rbl.)^  und  3  Dampfschifffahrts-Gesellschaften  mit  einem 
Grundkapital  von  1,750,000  Rbl.  Kred.  (die  durchschnittliche  Grösse 
dieser  Gesellschaften  stellt  sich  auf  583,333  Rbl.).  Im  Laufe  des 
Jahres  1877  stellten  2  Gesellschaften  mit  einem  ursprünglichen  Ka- 
pital von  700,000  Rbl.  Kred.  ihre  Operationen  ein.  Bei  5  Eisen- 
bahngesellschaften (Fastowo,  Orenburg,  Weichselbahn,  Ural  und 
Rjashsk-Morschansk)  sind  ihre,  in  der  Gesammtheit  auf  25,860,545 
RbL  Met.  lautenden  Aktienkapitale  in  solche  auf  32^842,677  Rbl. 
Kred.  lautende  umgewandelt  worden. 


*  Eine  Art  flachgehender  kleiner  Barken. 
'  Kleine  Ruderschiffe. 

•  Vcrgl.  «Russ.  Revue*,  Bd.  XII,  S.  102. 


574 

Mit  Berücksichtigung  aller,  im  Laufe  der  Zeit  vorgekommenen 
Veränderungen  im  Bestände  des  Grundkapitals  der  einzelnen  Gesell- 
schaften gab  es  zum  i.  Januar  1878  in  ganz  Russland  614  Aktien- 
gesellschaften mit  einem  Grundkapital  von  779» 3  34,65 8  Rbl.  Kred. 
und  1,263,891,894  Rbl.  Met.  Von  diesen  Kapitalbeträgen  kommen 
auf  Kommerz-Banken  —  87,400,cxx>  Rbl.  Kred. ;  auf  Agrar-Banken 
—  35,078  Rbl.  Kred.;  auf  Handels-  und  Industrie-Gesellschaften  — 
395,407,000  Rbl.  Kred.  iind  41,678,000  RbL  Met;  auf  Versiche- 
rungs-Gesellschaften —  42,240,900  Rbl.  Kred.;  auf  Dampfschiff- 
fahrts-Gesellschaften  —  49,859,000  Rbl.  Kred.  und  3,600,000  Rbl. 
Met.  und  schliesslich  auf  Eisenbahn-Gesellschaften — 169,349,058 
Rbl.  Kred.  und  1,218,613,894  Rbl.  Met.  A.  S. 


(Die  Goldausbeute  in  Finland.)  Die  seit  dem  Jahre  1 870 
im  Thale  des  Flusses  Ivalo  (im  finnischen  Lappland)  im  Betrieb  be- 
findlichen Goldwäschereien  haben  folgende  Resultate  ergeben: 

Im  Jahre  1870  wurden  gewonnen  19,1352  Kilogr. 


»  I87I 

56,6921 

»  1872 

55,0743 

•   1873 

32,0474 

•   1874 

22,5935 

-  187s 

16,9785 

»  1876 

9,9100 

•   1877 

6,9720 

Im  Ganzen     219,404    Kilogr. 

Setzt  man  den  Werth  eines  Kilogr.  Gold  =  3,200  Francs,  so  wird 
der  Werth  des  in  acht  Jahren  gewonnenen  Goldes  ungefähr  702,093 
Francs  betragen. 

In  der  angegebenen  Zeit  sind  35,000  Kubikmeter  Goldsand  in 
82,437  Arbeitstagen  verwaschen  worden,  so  dass  auf  einen  Tag 
durchschnittlich  0,424  Kubikmeter  kommen.  Um  ein  Kilogramm 
Gold  zu  gewinnen,  mussten  160  Kubikmeter  Sand  verwaschen 
werden. 

Der  Goldgehalt  des  Sandes  schwankte  zwischen  0,000331  und 
0,000470  pCt.  (durchschnittlich  0,000375  pCt.).  (In  loo  Pud  Gold- 
sand war  das  Maximum  174  Doli  und  das  Minimum  122  Doli).  Die 
an  den  Staat  zu  entrichtende  Abgabe  beträgt  5 — 10  pCt.  vom  ver- 
waschenen Golde  und  bildete  für  acht  Jahre  13,347  Kilogr.  oder  ge- 
gen 42,702  Francs.  Die  Gesammteinnahme  des  Staates  für  acht 
/ahre  (Patente,  Steuern  etc.)  belief  sich  auf  102,260  Francs.  Ein  Ar- 
>eiter  konnte  pro  Tag  0,0097—0,00016  Kilogr.  oder  durchschnittlich 
0,002575  Kilogr.  (=  87«  Francs)  verwaschen.  Der  Arbeitslohn  be- 
trug 3  Vi  bis  5  Francs. 


575 

Die  geringe  Goldausbeute  in  Lappland  hängt  namentlich  von  dem 
ungleichmässigen  Vorkommen  des  Goldes  im  Sande  ab.  Dieser 
Sand  muss  oft  aus  Felsenspalten  hervorgeholt  werden,  wobei  kom- 
plizirtere,  mit  Pferden  oder  Wasser  getriebene  Waschwerke  in  An- 
wendung gebracht  werden  müssen,  da  es  unmöglich  erscheint,  sich 
der  Kanäle  zu  bedienen. 

Die  grösste  in  Ivalo  gefundene  Goldstufe  hatte  ein  Gewicht  von 
0,06325  Kilogramm. 


BeYue  Russischer  Zeitschriften. 


«Der  europäische  Bote»  (Westnik  Jcwropy — B'ibcTHHK'B  Esponu.) 

XIII.  Jahrgang.  1878.  Heft  9.  Inhalt: 

Vergessene  Oekonomi  sten.  Zur  Charakteristik  der  neuesten  politischen  Oekonomie« 
I — IV.  Von  G,  Slonimskij^  —  Die  zehn  letzten  Lebensjahre  Proadhon*s  (Schlust). 
Von  D — ev,  —  Zwei  Monate  in  Gabrowo.  Erinnerungen  an  den  Krieg  von  1877  bis 
1878.  Von  P.  PjassetzkiJ,  -7  Bäuerliche  Schwindler.  I— X.  Eine  Erzählung  von  A. 
Krasnopohkij.  —  Die  Einkommensteuer  vom  finanziellen|Standpunkt.  IV — XII.  Von  Z. 
Tschemjajew.  —  HippolyteTaine  als  Historiker  Frankreichs.  X — XII.  Von  W,  Guerrier. 

—  David  Friedrich  Strauss.    Eine  biographische  Skizze.   I— III.     Von  JC.  Arssenjew» 

—  Der  Panslavismus  in  Vergangenheit  und  Gegenwart.  HL  Von  A.  Py^in,  —  Der 
literarische  Kongrcss  in  Paris,  W\ — XIV.  Von  /,.  Pohnski/.  —  Rundschau  im  In- 
lande. 

«Militär- Archiv»   (Wojennij   Ssbornik  —  BoeHHufi  C6opHiiKi>.) 

XXI.  Jahrgang.  187S.  Heft  10.  Inhalt:' 

Erinnerungen  an  den  polnischen  Krieg  des  Jahres  183 1  (aus  deti  Memoiren  von  A^« 
Nejelow).  X.  —  lieber  die  Mittel  zur  Verminderung  der  Verluste  bei  In&nterie^AttA- 
ken  vom  Standpunkte  der  Eigenthümlichkeiten  des  Gewehrfeuers.  Von  fV,  Tscheby» 
schew.  —  Bemerkungen  Über  Kavallerie.  I.  Von  N,  Koslow,  —  Zur  Frage  über  den 
Zustand  des  MilitairJngenieurwesens  in  unserer  Armee  während  des  Krieges  von 
1877 — 1878.  Von  A,  Pljuzinskij,  —  Die  Aktion  vor  Plewna  (Auszüge  aus  dem  Werk 
des  Kapitäns  Thilo  von  Trotha).  Von  N*  Ssuchotin,  —  Das  Uralische  Kosakenheer. 
Eine  historische  Skizze,  mit  Berücksichtigung  der  Absolvirung  der  Militärpflicht.  IL 
Von  J,  Kostenko.  —  Die  Avantgarde- Abtheilung.  (Erinnerungen  aus  dem  letzten  Feld- 
zug).   (Schluss).    Von  M,  Tschitschagow.  —  Bibliographie.  —  Chronik. 

«Das  Wort»  (Sslovvo  —  CjiOBo).  1878.  Heft9  und  10.  Inhalt: 

Jeder  für  sich.  Ein  Roman  in  zwei  Büchern.  Erstes  Buch.  I — XXXVI.  Von  P. 
ßoborykin.  —  Im  Waldreich.  I  -  IV.  Von  /'.  Wologdin.  —  Der  Kampf  um's  Dasein 
und  die  politische  Organisation.  Von  M,  Kulischer,  —  Die  Sterblichkeit  als  Mittel  der 
natürlichen  Zuchtwahl.  Von  M,  TschuriUw,  —  Ursprung  und  Entwickelung  des  Han- 
dels und  der  Handel sklassen.     Von  M,  Kulischer,  —  Das  letzte  Wort  der  Boargeoisie- 


moaophxe.  Von  B.  Lensk^.  --  Die  AutoreOf  ihre  Rechte  und  Lage.  Von  P.  Boho^ 
rykin.  —  Ueber  die  Bestehuiigeii  zwischen  Schule  und  Haas.  Von  Tk^  B.  —  Der 
Lnstspiddichter  Ostrowskij.  (Schluss.)  Von  P,  Büborykm.  —  Die  ph]rsiologiachcn 
Grundlagen  der  Poesie.   Von  G.  T^^ktj.  -*  Gedichte. 


Russische  Bibliographie« 


Rigaer  Handels-Archiv.  Heft  IL  Riga.  1878.  8®.  S.  84—141. 

Poletika,  J.  Die  moderne  Richtung  der  Philosophie  und  einige  ihrer  Prinzipien. 
St  Pbrg.  1878.  8*.  (üoienott,  S.  CoBpenemoe  nanpaucHie  •■JU>co«iB.) 

Ssubbotin,  A,  Kursus  der  industriellen  Oekonomie  und  der  Handelsgeographie  in 
Verbindung  mit  einer  Statistik  des  Handels  und  der  Industrie  in  Russland  und  in  den 
bedeutendsten  Staaten  der  Welt.  St.  Pbrg.  1878.  8^  328  S.  (CylMtonan,  A.  Kypcb 
npoMumjieHHOi  sKOHOMia  a  KomepHecKoft  reorpa^ia,  bi>  cann  cb  ToproaonpoHum- 
JiCMROi  CTancTBKot  Poccia  a  rjiaBirfciniaxi»  rocyAapcrvb  nipa.) 

Barssokow,  N.  E.  M.  Strojew's  Leben  und  Wirken.  St.  Pbrg.  1878.  8».  VIEL  + 
668  S.  (Bftpcyxmb  E.  SKasab  a  rpyAU  E.  M.  CTpoeaa.) 

Hebräische  Bibliothek.  Historisch-literarisches  Sammelweric.  Bd.  VI.  St.  Pbrg.  1878. 
8^  64  -f-  159  +  176  -f-  21  S.  (Eapetcnui  BadJUoTeaa,  Hcropaao-JUiTepaTypBua 
C6opHarb.  .T.  VI.) 

Historisch-juristische  Materialien  aus  den  im  Central-Archiv  zu  Witebsk  aufbewahrten 
AktenbÜchem  der  Gouvernements  Witebsk  und  Mohilew.  Herausgegeben  unter  Redak- 
tion des  Archivarius  Ssasonow.  L^.  9.  Witebsk.  1878.  4^  546  -f  VII  S.  (Ucto- 
paKO-iopBAaqecide  aarepiajibi,  asBüeqeHHue  asi»  atTOBuxi»  KHan*  rytiepail  BareöCKOl 
B  MoraJieBCKot,  xpaHsnoixca  bi>  neHTpaju>Hoa'b  apxavb  bi  BaTe6cir^  a  asAaHHue  nOA'b 
pcAaicnieio  apxaiiapiyca  CaSOHOBa.  Bbin.  9.) 

Materialien  zur  Geologie  Russlands.  Herausgegeben  von  der  St.  PetersbVirger  Kaiser- 
lichen Mineralogischen  Gesellschaft.  Bd.  VUI.  St.  Pbrg.  1878.  8^  224  S.  mit  15  litho- 
graphirten  Tabellen.  (Marepiaau  aju  reojioria  Poccia.  MsAauie  HanepaTopcaaro  C.- 
nereptfyprcxaro  MaHepajioraqecxaro  06a(ecTBa.  T.  VIII.) 

Jahrbuch  der  Kaiserlichen  Russischen  Historischen  Gesellschaft.  Bd.  XXm.  St. 
Pbrg.  8®.  Vni  +  734  S.  (CÖopaaiTb  Hanepa-ropcaaro  PyccKaro  HcTopavecKaro  06me- 
CTBa.  T.  XXm.) 

AntonowitSOh,  W.  Historische  Skizze  des  GrossfÜlrstenthums  Litthauen  bis  zur 
Mitte  des  XV.  Jahrhunderts.  Lfg.  i.  Kgew.  1878.  8^  156  S.  (AHlOSOBK^n,  B.  B. 
0<iepn>  acTopia  BCJiaxaro  KKxacecTBa  üaTOBCxaro  ao  no;iOBaHbi  XV.  CTOJi'feTui. 
Bbin.  I ) 


Herausgeber  und  verantwortlicher  Redakteur  Carl  Röttgbr. 
AosBOACHO  neusypox).  C.-neTepÖyprb,  30T0  AcKaöpa  18 78  roAa. 
Bnchdruckerei  von  Röttoer  ft  Schnbidbr^  Newskj-Protpekt  H  $•